Wie sollte man einem Schicksal entgehen können, welches verflucht war? Ein Leben ewig zu leben, zu welchem man verdammt wurde. Niemand würde es je verstehen der nicht dasselbe Schicksal erlitt. Grausamer kann es werden, wenn man niemanden anderen fand, der so war wie einer selbst. Es könnte einsam und erdrückend werden. Es gab nichts, woran man sich festhalten könnte, oder vielleicht, wonach es sich zu leben lohnte. Eine Ruhe nicht findend. Auf ewig würde der Flucht sein, weil man eben anders war. Doch was machte das schon aus, wenn jemand ohnehin nichts anderes kannte? Solange einer nichts anderes kannte, so konnte einer auch nichts vergessen. Lernen konnte man nichts dabei, außer Erfahrungen die einen das ganze Leben prägen würden. Also war eine Flucht zwecklos, um dem verfluchten Schicksal zu entkommen.
Bestimmte Dinge im Leben konnte nicht geändert werden. Nicht solange bis das Schicksal meinte, es sei genug und ein anderer Weg müsse eingeschlagen werden. Letzten Endes würde man dem Ganzen ausgeliefert sein, solange bis es ein Ende geben würde. Die Frage, die sich da aber aufbürdete, war, wie könnte ein Ende aussehen? Vor allem, wenn man anders war und unsterblicher war, als wie jedes andere Wesen. Nicht wie die Menschen die es als selbstverständlich sahen auf dieser Erde zu leben. Die Menschen waren in vielen Dingen blind und sie schauten nie in die Schatten. Vermutlich aus Angst sie könnten etwas sehen, womit sie nicht fertig werden könnten. Klar es gab Ausnahmen, aber es überwiegen die, die es nicht konnten. Doch am Ende stellte sich die Frage, was verbarg sich in der tiefsten Dunkelheit? In den Schatten? Es gab eine Menge Theorien, doch in jeder Sage, jedem Märchen und jeder Geschichte die Mann sich erzählte, steckte immer ein Funken Wahrheit.
Wie sollten sonst solche Geschichten entstehen? Es genügte nur ein Moment und Fantasien entstanden. Unter den Menschen waren es reinste Hirngespinste und diese wurden auch als Geschichten genutzt, um anderen Angst zu machen. Was steckte wirklich dahinter? Aus all den Fantasien entstanden Mythen. Man erschuf eine ganze Mythenwelt. Mit Wesen, die unglaublich schön waren. Erhaben, voller Magie, mutig, ehrgeizig, Verwandlungskünstler ... es gab so viele gute Eigenschaften, aber auch gleich wieder so viel Schlechtes. Die gierigen, grausamen, hässlichen und mörderischen. Die nach all dem Blut und Leben trachteten. Von Gut und Böse gab es tausende Definitionen. Nie könnte man alles erläutern. Dazu genügte das Wissen nicht und selbst nicht ein unendliches Leben, um wirklich alles zu lernen und zu studieren. Wissen konnte sich ansammeln, aber nie in einer einzigen Quelle. Vielleicht war es auch ganz gut, denn so würde nie ein Chaos entstehen. Realität sollte immer bewahrt werden. Und was das Wesentliche war, was dahinter steckte. Deswegen war es nie verkehrt sich in allen Aspekten aufzuhalten. Solange der Geist und der Verstand auf einer Höhe standen, so konnte man ihn nie verlieren. Sich Selbst sollte man bewahren. So würde nicht so schnell etwas verkehrt geraten. Fehler waren immer vorprogrammiert und sie sollten entstehen, woraus einer lernen sollte. War jeder klug genug dafür, um es zu sehen? Zu verstehen? Am Ende gilt ein Rat:
Sei niemals blind für Dingen, die man nicht sehen kann.
Dinge existieren, die nicht vermocht waren, daran zu glauben. Ein Glaube kann einen sehr weit bringen. Vor allem das Verstehen. Alle geheimen Wünsche, die man verbirgt, existieren. Überall. Somit auch die ganze Mythenwelt… Mit Wesen in verschiedenen Formen, Farben und Arten. Hunderte… tausende… Wesen in allen Kategorien. Nie würde es ein Ende nehmen. Die Mythenwelt existierte halt. Es war der Anbeginn der Zeit und würde auch das Ende bedeuten. Bis in alle Ewigkeit…
„Was habe ich nur getan?“ War die Stimme der Frau voller Panik und ein Zittern schwang darin mit. Gerade war sie auf der Flucht und sie konnte sich daran einfach nicht mehr erinnern. In einem Wald rannte sie um ihr Leben, durch das dichte Gestrüpp und den zugewucherten Wegen. Alles war unberührt und es gab so gut wie keine Wege, aber sie war so gewandt und flink, dass sie keine Probleme hatte überall durch zu schlüpfen. Ihre Körperstatur und ihre allgemeine Größe, welche nicht viel betrug, wusste sich zu bewegen. Einfache Geschicklichkeit.
Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Die Frau versuchte die Panik hinunter zu schlucken und mit größter Beherrschung schaffte sie es auch, aber verdammt sollte sie sein, wenn sie das überlebte. Sie hatte gerade das Dümmste in ihrem unendlichen Dasein getan. Sie verfluchte sich selbst dafür, immer und immer wieder. Sie verstand nicht wie sie so was tun konnte. Ihr Verstand kam da einfach nicht mit.
Vergebens versuchte sie sich daran zu erinnern, was sie da angerichtet hatte. Der einzige Beweis für ihre Dummheit, war ein blutroter Rubin in ihrer Hand, so groß wie ihre Handfläche. Das sollte nicht das Schlimmste sein. Nein beileibe nicht, aber sie hatte etwas Wertvolles aus dem Hort eines Drachens gestohlen und diese waren dafür bekannt, dass sie ihren Schatz mit allem beschützten. Auf Leben und Tod. Ihr ganzes Leben werden sie von Dingen angezogen, die einen unsagbaren Wert hatten. Je mehr sie besaßen, umso glücklicher waren sie, aber auch umso tödlicher. Drachen waren eines der mächtigsten Wesen auf dem Planeten und niemand konnte ihnen so schnell etwas anhaben. Sie hatten große Macht und Stärke, gegen die kaum einer ankam, vor allem aber besaßen sie die Naturgewalten. Für jeden Drachen eine.
Also, wie verdammt noch mal, konnte sie so dumm sein? Einen Feuerdrachen? War ihr Verstand so im Eimer? Hier würde sie nie wieder rauskommen. Beim besten Willen nicht. Drachen waren unberechenbar in ihrer Raserei. Sie würden solange toben, bis sie das bekamen oder wieder hatten, was ihnen gehörte. Also, wenn sie es wirklich schaffen könnte lebend davon zu kommen und vor allem ohne gefangen genommen zu werden, dann wäre sie das reinste Wunder. Noch nie hatte sie etwas davon gehört, dass das je einer geschafft hätte. Dabei hegte sie nicht sonderliche Hoffnung daran, zu einem Wunder zu werden, weil es schier unmöglich war. Drachen konnten am Tage schlechter sehen, dafür in der Nacht um das Hundertfache besser. Trotzdem konnten sie ihre Beute immer finden. Sie waren einfach schneller und hatten einen der feinsten Geruchssinne. Am liebsten würde sie sich jetzt in ein Mauseloch verkriechen, sich einbuddeln und nie wieder heraus kommen. Es nützte alles nichts. Sie hatte einen dummen Fehler gemacht und dazu musste sie nun stehen.
Das war ihr Ende. Sie sah es schon vor sich, doch sie rannte immer und immer weiter. Blieb kein einziges mal stehen und riskierte noch nicht einmal einen Blick zurück. Sie fürchtete sich davor, dass eine riesige Kreatur sie verfolgte. Die Frau konnte noch nicht einmal ein Brü…
Doch in diesem Augenblick hörte sie ein schreckliches, tödliches und wütendes Brüllen, welches die Luft und die ganze Erde erbeben ließ. Ihre Nackenhaare stellten sich voller Panik auf und dieses Brüllen ging ihr durch Mark und Bein. Sie erschauderte, denn so was hatte sie zuvor noch nie verspürt. Sie kannte Drachen und wusste wie ihr Zorn und ihre Wut aussahen, aber noch nie hatte sie so was derartiges wahrgenommen. Es war grausam und dieser Drache würde der schlimmste sein, dem sie jemals begegnen würde. Ihr Schicksal war besiegelt und hier würde sie nie wieder unversehrt heraus kommen. Geschweige würde der Drache sie nicht einfach so davon kommen lassen. Er würde sie auf das Äußerste foltern. Ihr Leben war hiermit besiegelt. Ein Gefühl sagte ihr, das es immer so bleiben würde. Es gab keine Möglichkeit da heraus zukommen, deswegen konnte sie nur all ihr bestes geben, legte noch einen Zahn zu und rannte schneller, sprang über umgestürzte Bäume im Wald und wich anderen Hindernissen aus. Jetzt bemerkte sie auch wie still der Wald geworden war. Zuvor konnte sie noch das Rascheln im Untergeäst hören und lautes Vogelgezwitscher, aber es war nun nichts mehr zu hören. Außer ihrem Atem, welcher in Sekundenbruchteilen ausgestoßen wurde und ihrem Herzschlag, welcher ihr im Kopf laut dröhnte. Die Stille war so schnell herein gebrochen, als das unheilvolle Brüllen alles erschüttert hatte. Sie war eindeutig verloren. Was sollte sie machen? Vom dem Berg in welchem der Drache wohnte, entfernte sie sich zwar, aber sie hatte das Gefühl, dass sie nicht voran kam.
Die Frau konnte sich noch erinnern, dass nicht weit von ihr vorher ein riesiger See war. Kurz zuvor war sie dort und...jetzt dachte sie intensiver nach, dass war das Letzte woran sie sich erinnern konnte. Bevor sie dem Drachen den blutroten Rubin gestohlen hatte. Genau danach konnte sie sich an nichts mehr erinnern.
Oh Gott, ich könnte heulen und mich gleichzeitig dafür Ohrfeigen.
Sie konnte sich kaum beherrschen. Sie verlor den Verstand und es wurde immer schlimmer. Langsam fühlte sie sich verloren und so hilflos. Nein, nein, nein,...sie durfte nicht entmutigen und musste sich bewahren. Sie war schließlich nicht so hilflos wie sie aussah. Trotz ihrer kleinen Größe und Zierlichkeit, konnte sie sich wehren. Sie war kein Mensch, welcher auf etwas angewiesen war. Sie gehörte zu dem Volk der Elfen. Wobei wiederum auch nicht. Nun war sie schon an die über zweihundert Jahre und sie war noch nie einer anderen Elfe begegnet. Wie schwach war das denn bitte? Schon armselig. Sie hatte keine Ahnung von ihrem eigenen Volk und was sie wirklich verband. Sie konnte nur erahnen was sie von sich wusste und beherrschte. Ihr Gespür war die Natur und es erfüllte sie. Deswegen fühlte sie sich auch Energie geladen und konnte ohne Probleme die Ausdauer behalten. Und das Unglaubliche war, das sie sich dabei so frei fühlte. Zum ersten Mal in ihrem Leben. Auch wenn sie durch einen wütenden, tobenden und tödlichen Drachen verfolgt wurde, verspürte sie für diesen Moment des Laufens eine große Freiheit. Sie fühlte sich einfach wie sich selbst. Einfach nur Emmanline, die sie schon immer gewesen war. Selbstständig und einfach nur sie selbst.
Ein erneutes Brüllen und sie wurden aus ihren Empfindungen gerissen, wäre beinahe gestolpert, aber sie konnte sich abfangen. Vor ihr lichtete sich der Wald. Sie konnte schon die tiefen Sonnenstrahlen auf ihrer Haut spüren und stürmte zur Lichtung raus. Ein riesiger, See der so klar war und auf der Wasseroberfläche durch die Sonne zum Funkeln gebracht wurde. Wie die kleinsten Diamanten stand sie am Ufer des Sees und der Grund war nicht erkennbar. Aber das Wasser war rein und war tief, dass das dunkelste Blau da nicht mithalten konnte. Den See zu umrunden, würde sie eine Menge Zeit kosten. Also blieb ihr keine andere Wahl, als einen anderen Weg einzuschlagen. Nur soweit kam sie nicht. Ein dunkler großer Schatten huschte über sie hinweg, bis auf einmal ein monströse Gestalt vor ihr landete. Das enorme Gewicht, was auf der Erde aufschlug, brachte ein starkes Beben zum Vorschein. Bei diesem konnte sie ihr Gleichgewicht nicht mehr halten und fiel unsanft nach hinten auf ihren Hintern. Doch sie fing sich schnell wieder und starrte entsetzt zu dieser Kreatur hinauf. Alles was man in diesem Moment von sich geben könnte, blieb ihr im Halse stecken. Das dunkle Rot würdigte ihn als Feuerdrache. So groß wie ein kleiner Berg von sechzig Fuß hoch. Sein Kopf riesig, seine Rasiermesser scharfen Reißzähne waren fast so groß wie sie selbst. Seine Gestalt so monströs und wuchtig. seine Flügel hatten mindestens eine Spannweite von seiner eigenen Körperlänge, seine Krallen genauso scharf wie seine spitzen Zähne, sein ganzer Körper mit Schuppen bedeckt und er war einfach das Wesen, aus dem schrecklichste Alpträume erschaffen wurden.
„Du bist so gut wie tot!“ Klang seine Stimme scharf, tödlich und verzerrt.
Noch bis eben hatte er seinen täglichen Schlaf gehalten, bis er auf einmal ein beklemmendes Gefühl in sich fühlte. Als wenn aus ihm etwas entfernt wurde. Sofort erhob er sich und eine Vorahnung machte sich in ihm breit. Schnell schritt er mit seiner massigen Drachengestalt durch die Höhlengänge und begab sich in den Teil seiner Behausung, wo seine ganzen Schätze verborgen lagen. Er musste noch nicht einmal die Kammer seines Hortes betreten, da wusste er schon was ihm gestohlen worden war. Vor lauter Wut, Zorn und Raserei brüllte er seine ganze Höhle zusammen und erschütterte alles. Geröll fiel von den Wänden und von der Höhlendecke zu Boden. Er wusste, dass man sein Gebrüll noch unzählige Kilometer weiter entfernt hören konnte und er hoffte, dass der Dieb, der ihm einen Teil seines Schatzes gestohlen hatte, genau das gehört hatte. Er wollte dass derjenige, der so dreist war ihm etwas gestohlen zu haben, vor Angst um sein Leben bangte. Er würde das Aas solange jagen, bis er das hatte was ihm gehörte. Sei es bis ans Ende der Welt und Dimensionen. Und er schwor zu den Göttern, dieser war so gut wie tot.
Bevor er sich auf den Weg nach draußen machte, stieg ihm ein eigenartiger Geruch in die Nase. Ein Knurren verließ seine Kehle und sein Blick wurde grimmiger.
„Das kann doch wohl nicht wahr sein. Eine Frau...?“ Wirkte er doch jetzt etwas überrascht und wusste im ersten Moment nicht wie er darüber denken sollte. Dieser Duft war feminin und hatte was leichtes Sonniges an sich. Da sein Geruchssinn stark war, roch er den Hauch der ersten Sonnenstrahlen an einem Morgen. Dies war seltsam und er konnte sich nicht daran erinnern ihn schon irgendwo einmal wahrgenommen zu haben. Das ganze änderte trotzdem nichts daran, was diese Frau da für eine Tat vollbracht hatte. Der Zorn siegte über das Überrascht sein und er stürzte mit seiner wuchtigen Gestalt aus der Höhle und erhob sich sofort mit seinen breiten Flügeln in die Lüfte. Ihren Duft hatte er noch immer in seiner Nase. Er war nicht umsonst einer der ältesten Drachen seiner Gattung und dann wäre er nicht Lucien - Der Zerstörer. Er würde auch keine Gnade walten lassen, nur weil sie eine Frau war. Sein Ruf war Erbarmungslosigkeit und der Tod. Niemand würde ihm entkommen. Deswegen freute es ihn auch, als er in ihrem herrlichen Duft die Note von Angst wahrnehmen konnte. Das sollte sie auch haben. Wenn er in seiner tierischen Gestalt lächeln könnte, dann wäre es jetzt genau in diesem Moment passiert. Lucien liebte es zu jagen und vor allem wenn es eine interessante Beute war. Das schien sie zu sein. Das musste er sich auch eingestehen und sich im stillen fragen, wie diese Frau wohl aussehen würde.
Neugierde packte ihn neben seiner Wut und er konnte es kaum abwarten mit seiner Beute zu spielen. Sein scharfer Blick durchsuchte die ganze Umgebung ab, durchsuchte die Wälder. Wie nichts könnte er mit seinem Feueratem alles niederbrennen und könnte alles den Erdboden gleich machen. Ohne sich groß anzustrengen. Doch wo würde dann der Reiz bleiben? Oh nein, er würde mit jeder Hingabe jagen. Auch wenn sie niemals eine Chance gegen ihn hätte. Es würde ein kurzer Moment der Jagd sein, aber er wollte es wissen, wen er vor sich hatte. Von weitem konnte er den See sehen, wo er sich stets erfrischte hatte, wenn er Verlangen danach hatte. Der ganze Umkreis seines Berges war sein Territorium und keiner wagte es hier Dummheiten anzustellen. Er kannte seinen Grund genauso gut wie seinen Hort. Jeden einzelnen Schlupfwinkel. Sie konnte sich nicht verstecken. Da erblickte der Drache sie auch schon. Sein Körper spannte sich an, voller Erwartung was er da nun sehen würde. Seine Sinne waren scharf, aber am Tage war sein Sehsinn benachteiligt. Er musste schon zugeben, dass sie ziemlich flink auf ihren dünnen Beinen war. Sie wich jedem Hindernis gekonnt aus. Ohne Probleme und so leicht, das er es selbst von oben sehen konnte. In ihren Bewegungen wirkte etwas Geschmeidiges und Elegantes mit. All seine Interessen und Bewunderungen lösten sich schnell in Rauch auf, als er den roten Rubin, der ihm gehörte, in der Hand dieser Frau sah. Sein Zorn wurde erneut geschürt und er stürzte sich aus der Luft, wie ein Adler auf seine Beute, zu ihr herab. Wie ein Stein und mit einer Heftigkeit landete er vor ihr und riss sie durch den Druck seiner Gestalt zu Boden. Im ersten Moment war es ihm egal was und wer sie war.
„Du bist so gut wie tot.“ Hatte er sie angefaucht und sein Blick glühte wie die heißesten Kohlen. Drohend schaute er von oben auf sie herab und ließ all seiner Macht freien Lauf. Die winzige Frau hatte ihre Augen vor Angst und Schreck weit aufgerissen und versuchte von ihm weg zu kriechen. Sie hätte es doch wissen müssen, das er sie finden würde und er sie auch in seine Fänge bekommen würde. Sie hatte niemals eine Chance gehabt zu entkommen. Also war dies fraglich total unnütze.
„Bleib still!“ Knurrte er und taxierte sie mit einem mahnenden Blick. Er wollte sie weiter betrachten und wusste nicht wieso, aber er wollte jedes kleinste Detail von ihr aufnehmen. Aber es war typisch, dass sie genau das Gegenteil tat. Sie drehte sich blitzartig um und rannte davon.
Panik hätte sich beinahe in Emmanline breit gemacht. Sie konnte es gerade noch unterdrücken. Sie musste weg. Seine Augen waren…sie konnte es nicht beschreiben, aber sie waren zu unheilvoll. In ihnen steckten so viele Emotionen, dass es sie fast erdrückte. Es war ihr egal, wie wütend es den Drachen noch mehr machte, aber sie konnte nicht anders, als sich nur umzudrehen und wegzurennen, wieder Richtung See zurück. Ein immer stärker werdender Druck stieg in ihr auf und eine Blockade errichtete sich. Es war seltsam, aber sie beschlich das Gefühl, dieser blutrote Rubin in ihrer Hand hatte eine große Macht. Sie spürte es bis ins Mark und Bein. Das Gefühl durchströmte in einer warmen fließenden Bewegung ihren Körper. Immer wieder konnte sie verzerrte Stimmen von sehr weit weg hören. Irgendwo in der Tiefe gefangen. Sie drangen flehentlich in ihren Verstand, sodass sie ihnen folgen musste. Sie wurde regelrecht in einen Bann gezogen, der sie zwang Dinge zu tun, die sie niemals getan hätte, wenn ihr Verstand bei vollstem Bewusstsein gewesen wäre. Wie von selbst legte sich ein Schalter in ihr um und sie führte den Rubin an ihre Lippen, schloss ihre Augen und wisperte leise Unverständliche Worte, wusste selbst nicht einmal was sie bedeuteten. Diese Worte waren ihr mehr als fremd, aber kamen über ihre Lippen, als hätte sie sie immer schon in ihrem Gewissen gehabt. Ihre Augenlider hoben sich wieder und es war nichts passiert. Die Stirn legte sich in Falten und sie verstand nicht so recht. Was hatte das zu bedeuten?
Wie es ja kommen musste, so schnell passierte es auch. In Gedanken versunken passierten immer solche Missgeschicke, dass man über Gegenstände fiel oder aber auch über die eigenen Füße. Und das passierte genau in diesem Moment. Hart schlug sie nach der Länge auf dem Boden auf. Da passierte ihr auch schon das zweite Missgeschick. Beim Fall ließ sie den blutroten Rubin fallen und er rollte direkt ins Wasser. Ein kleiner Aufschrei entfuhr ihr aus dem Mund und sie versuchte vergebens noch nach dem Stein zu greifen, der mit einem platschenden Geräusch im Wasser landete und versank. Gerade noch konnte sie einen leichten Schimmer von Rot spiegeln sehen. Bevor er ganz verschwand.
Emmanline schluckte schwer und sie wollte sich erst gar nicht umdrehen und wollte nicht den Zorn sehen, der mit Sicherheit in seinem Gesicht abgezeichnete. Sie spürte es so schon, wie erhitzt die Luft von seiner Wut war. Die massige Gestalt kam auf sie zu und sie spürte das Beben unter sich. Es war so bedacht, das er kurz vor einem mächtigen wütenden tobenden Ausbruch war.
„Wo ist der Stein?“ War die Stimmer bedrohlich nahe. Jetzt konnte sie keine Erschütterungen mehr wahrnehmen. Nur noch lautlose tödliche Stille. Hitze strahlte hinter ihrem Rücken auf und sie wusste nun, dass er seine menschliche Gestalt angenommen hatte. „Ich habe dich was gefragt.“ Knurrte er mahnend und es war ein deutlicher Befehl, das er eine Antwort haben wollte. Jetzt erst versuchte sie ermutigend sich umzudrehen und wanderte mit ihrem Blick zu ihm nach oben, aber…
Ihr Mund öffnete sich vor Schock und Ungläubigkeit. Sofort schoss Röte in ihr Gesicht, da sie jetzt bemerkte, dass er nackt war. Vollkommen nackt. Sie konnte alles sehen und sie konnte ihren Blick nicht von seiner intimsten Stelle abwenden. Sie musste stark schlucken und ihre Augen waren weit aufgerissen. Je länger sie darauf starrte, umso mehr regte sich da etwas. Wurde sein Ding etwa größer? Er wurde immer länger und verdammt groß. Ihr Herz raste immer schneller in ihrer Brust, drohte ihren Brustkorb zu sprengen.
„Hast du nun lange genug geglotzt?“ Schwang da in seiner knurrenden Stimme so etwas wie eine Art Erregung und Rauheit mit?
Endlich konnte sie erschreckend ihren Blick davon losreißen und schaute zu seinem Gesicht hinauf. Dieser Anblick ließ ihren Atem stocken und sie hielt unbewusst die Luft an. Seine Augen leuchteten so golden wie sein Schatz und starrte sie begierig an. So intensiv und fokussierend. Solch einen Blick hatte sie noch nie gesehen und sie fühlte sich so unwohl in ihrer Haut, als könnte er in sie hinein schauen. In ihr stieg ein unerklärliches Gefühl auf. Als würde eine Hitze sie innerlich verbrennen. Sie schluckte und versuchte das Gefühl zu unterdrücken. Doch das war nicht so einfach. Nicht wenn er sie so anschaute. Es war ihr unheimlich und doch gleichzeitig prickelte es in ihr. Er hatte dunkles kastanienbraunes Haar. Es war hypnotisierend, als sie weiterhin in seine Augen schaute. Er hatte so wundervolle ausdrucksstarke Augen. Man konnte die Stärke die in ihm wohnte klar und deutlich erkennen. Er sah auch verdammt gut aus. Seine hohe Gestalt überragte sie bei weitem. So ein markantes und maskulines Gesicht, das wie aus dem feinsten Stein gemeißelt war. Seine Schultern waren so breit und sein ganzer Körper strotzte nur so vor Muskeln. Gerne würde sie wissen, wie es sich anfühlte. Würde seine Brust sich anfühlen wie harter Stein und so glatt wie es aussah? Es war eine große Versuchung, während sie seine Brust anstarrte. Sie wagte es nicht mehr weiter nach unten zu schauen.
Immer noch spürte sie die Hitze auf ihren Wangen. Es war wirklich eine Verlockung einen erneuten Blick auf seinen unteren Bereich zu erhaschen. Aber…Oh Gott, was hatte sie da nur für Gedanken? Er war ein Drache und stand kurz davor sie in tausende Stücke zu zerreißen. Wie konnte sie da auf solche Gedanken kommen? Sie kam normalerweise überhaupt nicht auf solche Gedanken. Dass war ihr so was von peinlich. Sofort riss sie ihren Blick ganz von ihm und wandte ihren Blick zur Seite ab. Was war nur verdammt nochmal mit ihr los? Diese Hitze in ihr war so unbekannt und drohte sie zu verbrennen. Es tobte langsam in ihr wie ein Sturm. Daran war er Schuld. Schließlich lebte das Feuer in ihm.
Lucien war außer sich vor Wut gewesen, als er merkte dass sein blutroter Rubin verschwunden war. Er hatte sich einfach in Luft aufgelöst, als sie vor ihm davon lief. Wie konnte sie es nur wagen?
Sie kam auch nicht weit und stolperte über ihre eigenen Füße und legte sich in ihrer vollen Länge hin. Gedanklich lockte das ein Schmunzeln aus ihm hervor, was sogleich wieder verschwand. Er schmunzelte nie. Nicht auf solche Art und Weise. Still und nichts sagend, gab er seinem Drachen einen Befehl sich zurück zuziehen. Er tat dem geheißen und erlangte nach und nach seine menschliche Gestalt zurück. Feuer umfing seinen ganzen Körper und formte ihn nach und nach. Er verspürte keine Schmerzen dabei. Es war für ihn das normalste der Welt, seine Gestalt zu wandeln und er war einfach ein Teil von ihm. Schon seit seiner Geburt. Lucien verwandelte sich, während er mit langsamen Schritten auf die Frau zuging, die fluchend und ängstlich am See saß und unruhig ins Wasser starrte. Er hatte eine sehr schlechte Vorahnung was das anbelangte. Sie würde doch wohl nicht…?
Sofort kehrte seine Wut zurück und befahl ihr, zu sagen wo sein Schatz war. In seiner Stimme schwang genug Bedrohung mit, dass sie sprechen sollte. Er konnte wirklich ganz ungemütlich werden. Verdammt ungemütlich. Nur antwortete sie schon wieder nicht und erzürnte ihn immer mehr. Langsam beschlich ihn das Gefühl, dass sie das mit Absicht machte. Nach einem zögern erst, drehte sie sich zu ihm um und ihr Blick wanderte nach oben und sie beobachtete ihn ganz genau, wie sie auf ihn reagierte. Er wollte wissen, was sie von seiner Gestalt hielt. Aus welchem Grund auch immer.
Gebannt schaute sie ihn an und verweilte an seinem besten Stück. Sie konnte ihre Augen nicht davon abwenden. Er erkannte etwas in ihren schönen Augen, die er gerade genau betrachtete, das ihr gefiel was sie da sah. Sein Körper reagierte von ganz alleine und er konnte sich dagegen nicht wehren, das er auf ihre heißen Blicke reagierte. Sein Schwanz wurde steinhart vor ihren Augen. Ihr Entsetzen konnte er deutlich aus ihrem Gesicht lesen und er konnte ihren starken Herzschlag hören. Es dröhnte in seinen Ohren und hallte durch seinen ganzen Körper wieder. Wie von alleine reagierte er. Da nahm er sich die volle Minute und betrachtete diese Frau vor ihm mit vollem Bewusstsein.
Sie hatte schneeweißes Haar und es schimmerte in der Sonne wie Seide. Wie weich würde es sein, wenn er hinein fasste? Wenn er mit seinen Fingern hindurch gleiten würde? Würde es sich so anfühlen, wie es aussah? Noch nie hatte er solch Haare gesehen. Nicht so von voller Schönheit, welches sich um ihren Körper schmiegte. Es fiel ihr bis zur Hüfte runter und umrahmte ihr zierliches schmales Gesicht. Da erkannte er erst richtig, was für eine Schönheit sie doch war. Ihre Augen durch lange Wimpern halb verdeckt. Es sah so verdammt erregend aus. Da schlich sich ein kleiner Gedanke in ihm rauf, wie es doch wäre, würde sie doch mit ihren Augen, durch ihre langen Wimpern zu ihm empor sehen. So verlangend. Das würde aber nie möglich werden. Wieso eigentlich nicht? Er könnte sich alles nehmen von ihr. Schließlich konnte er mit ihr machen was er wollte. Gegen ihn war sie wehrlos wie ein kleines Lamm und er hätte ein Recht darauf, weil sie einen Schatz von ihm gestohlen hatte.
Langsam ließ er seinen Blick weiter auf ihrem Gesicht gleiten. Er konnte ihrer kleinen Nase eine kleine Bewunderung schenken. Wo er jedoch gebannt schaute, waren ihre vollen Lippen. Eine volle Unterlippe wie sie sein sollte und eine leichte rosige Farbe hatten ihre Lippen. So weich und zum rein beißen. Leicht raunte er und ein Schauer durchfuhr seinen Körper. Vor allem als er sah, wie sie mit ihrer kleinen Zunge über ihre Lippen leckte. Ihm war bewusst, das sie das unbewusst tat. Sie registrierte das nicht einmal. Gerade weil sie noch auf seinen Schwanz starrte. Seine Arme hingen schlaff an den Seiten seines Körpers herunter und sein ganzer Körper spannte sich voller Verlangen und Erregung an. Sie wusste nicht einmal was sie mit ihren gierigen Blick seinem Körper antat. Es machte ihn wütend, was sie nicht bemerkte und ihm da antat. Seine Hände ballten sich zu Fäusten und schmerzhaft traten seine Knöchel weiß hervor und er biss sich so fest auf die Zähne, dass sie drohten zu zersprengen. Am liebsten würde er sie packen und wer weiß was für Dinge mit ihr anstellen. Sie einfach auf den Erdboden drücken und über sie herfallen. Ohne Gnade und mit seiner natürlichen Wildheit.
Lucien könnte es tun, aber dafür war er nicht hier. Er wollte seinen verdammten Rubin wieder haben. Da würde er ihr sicherlich kein Vergnügen bereiten. Auch wenn er dabei auf seine Kosten kommen würde. Doch er versuchte sich wach zu rufen und ihn gleich mit. Langsam wanderte ihr Blick zu ihm rauf und sie schaute ihm direkt in seine Augen. Unnachgiebig und darin steckte kein Funken Furcht. Auch wenn ihr Herz unnatürlich schnell schlug. Da verschlug es sogar ihm die Sprache, während er in ihre Augen schaute. Sie waren in der Farbe von leichtem schimmerndem Silber. Solche Augen hatte er noch nie gesehen. Sicher er kannte Harpyien und Sirenen , wenn sie zu Gefühlswallungen imstande waren, dass ihre Augen sich von ihrer natürlichen Farben zu Silber übergingen. Aber er wusste mit hoher Gewissheit, dass das ihre wirkliche natürliche Augenfarbe war. Silber…
Lucien dachte bewusst, was sie war und er hatte noch nie eine Elfe mit solchen Augen kennen gelernt. Wenn er nicht den besonderen eigenen Duft der Elfen kannte, hätte er nicht geahnt sie wäre eine. Durch ihr dichtes Haar, wurden ihre langen spitzen Ohren sehr gut versteckt. Es gab viele Dinge an ihr, die nicht einer wirklichen Elfe entsprachen. Also was war es, was ihn so daran störte? Er beschloss es heraus zu finden. Fürs erste würde er sie mitnehmen und behalten. Zumal wenn sie nichts verraten würde, woran er glaubte das sie es nicht tun würde, würde er sie gefangen nehmen. Fürs erste würde sie Sein werden, für unbestimmte Zeit. Ihr Blick hatte sich auf seine drohende Ermahnung abgewandt und er bereute es jetzt schon, dass er es getan hatte. Er wollte noch weiter ihren Blick auf sich spüren.
„Schau mich an!“ Knurrte er finster. Die Frau schüttelte nur mit ihrem Kopf und sie schaffte es wirklich ihn noch wütender zu machen. Er wollte nicht, dass sie ihn so ignorierte. Weswegen auch immer. Es war unakzeptabel für ihn. Deswegen ging er in die Hocke und schnappte sich ihr Kinn mit seinen Fingern. Er hatte überlegt, ob sanft oder grob. Da sie ihn noch immer zur Weißglut brachte, entschied er sich für das Letztere und er drehte ihren Kopf mit einem Ruck zu sich herum. Sie zischte einmal auf und biss sich auf ihre Zähne, während sie gezwungen wurde ihn anzuschauen. Er konnte es nicht leiden, wenn man ihn ignorierte. Niemand würde es wagen einen Drachen zu ignorieren. Sei denn, man spielte mit seinem eigenen Leben. Mythenwesen waren unsterblich, aber auch nur zu einem bestimmten Grad. Sie überlebten soweit fast alles, aber auch sie hatten ihre Schwächen. Es gab Wahnsinnige die mit ihren Leben spielten und knallhart sein wollten. Vor allem wenn sie den Ruf seines eigenen Volkes verteidigten. Viele waren angriffslustig und kriegerisch. Andere listig und gewieft. Andere aber auch minderwertig und unbedeutend. Diese Frau schien zu den Dummen zu gehören.
„Fangen wir noch einmal von ganz vorne an. Wieso hast du meinen Rubin gestohlen? Und vor allem wo ist er jetzt?“ Funkelten seine Augen noch goldener und tödlicher. Sein Griff um ihr Kinn wurde noch stärker und ihm scherte es nicht im Geringsten, wie sehr er ihr jetzt dabei wehtat. Egal ob sein Verlangen angeregt war. Wenn er seinen Schatz erst einmal zurück hatte, so würde er sich noch überlegen, was er mit ihr anstellen würde. Das hatte Vorrang.
„I...ich weiß...es nicht...“ Gestand sie stammelnd und blickte ihn weiterhin an. Wie sie wusste es nicht? Sein inneres Feuer stieg in ihm auf und drohte aus ihm aus zu brechen. Das passierte, wenn seine Beherrschung zu verlieren drohte. Die Elfe wandte sich in seinem Griff, aber er ließ sie nicht entkommen. Seine Augen veränderten sich nun komplett. Seine Augen wurden zu dem Tier was er war, aber er blieb in seiner menschlichen Gestalt. Sie drohte aus seinem Griff zu entkommen, aber das ließ er nicht zu. Anscheinend verstand sie nicht, wenn sie vor sich hatte und das sollte er ihr lehren. Eine blitzartige Bewegung und er hatte seine Hand um ihre Kehle gelegt und drückte bis zu einer bestimmten Spannung zu. Aus reinem Reflex, griff sie nach seinem Handgelenk und versuchte sich daraus zu befreien, aber sie hätte nie eine Chance.
„Willst du mich verarschen?“ Kam er ihrem Gesicht bedrohlich nahe. „Rede einfach und ich werde dich verschonen.“ Woran er sich nie halten würde. Anscheinend wusste sie es, denn er konnte es an ihrem Blick erkennen. Mit großer Gewissheit. Da fragte er sich, was diese Frau eigentlich alles gesehen hatte? Lucien konnte ein hohes Alter in ihren Augen erkennen, während er ihr so nahe war, aber sie sah vom Anschein noch so jung aus, dass es dementsprechend einfach nicht zusammen passte. Gerade deswegen wollte er über sie mehr erfahren und das hatte ihm zu dem Schluss gebracht, dass sie vieles gesehen und erlebt haben musste. Keiner hatte solche Augen, die so vor Gewissheit strahlten.
Trotzdem blieb sie stur und nun sprengte das all seine Ketten und er tobte. „Na schön. Du willst es nicht anders.“ War das schon die Stimme seines Drachens. Lucien riss sie auf die Beine. Auch wenn er ihren Hals noch fest gepackt hatte. Er verwandelte sich in einem Bruchteil einer Sekunde in seine wahre Natur und griff automatisch mit seinen Krallen um ihren kleinen Körper, wobei er sich mit einem kräftigen Stoß vom Erdboden abstieß und in den Himmel empor schoss.
Emmanline wusste im ersten Moment nicht was los war, aber er verlor die Geduld. Sie hatte ihm die Wahrheit gesagt, dass sie es nicht wüsste, wieso sie es getan hatte. Sie würde es am liebsten auch selber wissen und hielt genau aus diesem Grund ihren Mund. Egal was sie erzählen würde, es würde ihn nur noch wütender machen. Er würde ihr kein Wort glauben. Dafür war der Drache zu beharrlich und von sich selbst eingenommen, dass er keine anderen Aspekte annahm. Er hatte seine eigene Welt und da sollte alles nach ihm gehen. Egal ob Recht oder Unrecht. Hauptsache er bekam seinen Willen. Nur sie konnte ihm das nicht geben, was sie selbst nicht hatte.
Deswegen behandelte er sie jetzt auch so grob, weil seine Geduld am Ende war. Egal wenn sie daran dachte, wie er sie angeschaut hatte. Für einen Moment lang hatte sie sich gefühlt, als wäre alles anders gewesen. Es verging nur wieder zu schnell. Dabei musste sie es ignorieren.
Emmanline wurde mit einem festen Griff an ihrer Kehle gepackt, denn so schnell konnte sie gar nicht darauf reagieren. Seine Schnelligkeit und Reflexe waren enorm. Ein Krächzen entwich ihr nur noch und die Luft verschwand langsam aus ihren Lungen. Vergebens krallte sie sich an seinem Handgelenk fest. Klar stand fest, dass sie sich daraus nicht befreien konnte. Der Druck wurde noch etwas erhöht und sie drohte bewusstlos zu werden. Er machte sich nichts daraus und das erkannte sie selbst aus ihrem leicht getrübten Blick. Sie konnte sich vorstellen, dass es so war.
Zu spät erkannte sie nun was er vorhatte. Panik stieg in ihr auf und sie versuchte sich noch stärker aus seinem Griff zu befreien. Er ließ zwar von ihr ab, aber nur solange, bis er sie fest am Arm packte, ein stählender Griff. Entsetzt verfolgte sie seine Verwandlung zum Drachen. Er wurde Meter um Meter immer größer. Es dauerte nur ein Bruchteil einer Sekunde, aber sie konnte alles sehen. Seine großen Klauen griffen nach ihr und packten sie. Sie wirkte in diesen Klauen wie ein kleines Spielzeug.
„Nein, nic...“ Klang große Panik in ihrer Stimme mit. Doch er schoss blitzschnell in die Lüfte hinauf. Ein innerer Schrei hallte laut durch ihren Kopf und verzweifelt krallte sie sich an ihm fest und presste die Augen zusammen. Ihr Herz klopfte so stark, welches drohte aus ihrer Brust zu springen und sie konnte ihr Blut im Kopf rauschen hören. Sie hasste das Fliegen. Sie hatte fürchterliche Höhenangst. Mehr als das.
Emmanline kam es wie Stunden vor, bis er vor seinem Höhleneingang landete und stürmte brausend in die Höhle. Noch immer in seiner Drachengestalt. Die Hitze seines Feuers und seiner Wut, brannte auf ihrer Haut und verströmte heiße Luft, als würden Flammen auf ihrer Haut züngeln. Er war ein mächtiger Drache und sie glaubte nicht, dass er schon seine ganze Wut ihr gegenüber gezeigt hatte. Das Schlimmste was passieren könnte, war der Tod. Aber auf welche Art und Weise?
Ihr Zeitgefühl war schon längst verloren gegangen und sie wusste nicht wie lange er schon so durch das Höhlensystem stürmte, bis er noch beim gehen, seine Verwandlung durchführte. Beinahe wäre sie gestürzt, durch die so schnelle Umwandlung, als er sie auf die Füße stellen musste. Er hielt sie auf, sodass sie nicht hart auf den felsigen Boden aufkam.
„Du wolltest es ja nicht anders. Du wirst so lange hier bleiben, bis du mir sagst, wo mein Schatz ist. Mir wäre es auch egal, wenn ich dich dafür foltern müsste.“ Wurde seine Stimme hart und eisern. Er duldete darauf kein Widerspruch. Sie wusste genau, das er es solange fortsetzen würde, bis er ihn zurück hatte. Danach öffnete er eine eiserne Tür, schubste sie hinein und diesmal stürzte sie hart auf, als sie fiel. Ein Ächzen kam über ihre Lippen.
„Gewöhne dich schon einmal daran. Dies wird ab nun dein neues Zuhause sein.“ Knallte er die Eisentür mit voller Wucht zu, als würde sie überhaupt nichts wiegen. Das war das Letzte gewesen, was er ihr gesagt hatte und verriegelte die Tür hinter sich. Fluchend konnte sie ihn noch länger hören, bis seine wutentbrannte Stimme verklang.
Schmerzhaft bewegte sie sich und setzte sich auf ihrem Hintern und rieb ihre Handflächen, um den Dreck abzuwischen und das sie ihre Schürfwunden untersuchen konnte. Selbst ein paar Kratzspuren seiner Krallen waren auf ihren Armen und Beinen, aber sie fasste sich stattdessen an ihrem Hals. Sie musste sich nicht irgendwo widerspiegeln sehen, um zu wissen das sie dort Würgemale hatte. Bald würden sie aber verschwunden sein. Wie all ihre anderen Verletzungen. Durch die schnell regenerierten Zellen der Unsterblichen, ging dieser Prozess schneller von statten. Es würde nichts weiter als makellose Haut zurück bleiben.
Es müssten ungefähr zehn Minuten vergangen sein, als sie ein leises Geräusch wahrnahm. Sofort wandte sie sich in dessen Richtung, aber konnte nur Dunkelheit vorfinden. Eine einzige Fackel erhellte diesen Raum. Sofern man es einen Raum nennen konnte. Viel mehr wohl eine Zelle. Es war feucht und stickig hier drinnen. Ein modriger Geruch erfüllte die Luft. Von frischer Luft konnte man nicht reden und sie fühlte sich auch nicht sonderlich an, dass irgendwo neue Frische dazu kam. Ansonsten sah diese Zelle wie jede andere auch aus. Dreckig, an den Decken dicke Spinnweben, auf dem Boden konnte sie nur Geröll und einige Knochen erkennen. Woran sich Ratten noch versuchten davon zu nähren. Eiserne Fesseln hingen an der Felswand und lagen auf dem Boden. Wie viele wurden hier schon eingesperrt, angekettet und gefoltert? Um ehrlich zu sein wollte sie es auch gar nicht wissen. Es mussten viele gewesen sein, denn sie konnte noch immer die qualvollen Schreie hören. Sie waren überall.
Ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Geräusch gerichtet, versuchte sie etwas zu sehen.
„Wer ist da?“ Brachte sie es gerade so heraus und es klang wie ein Krächzen. Es brannte wie flüssiges Feuer in ihrer Kehle, wenn sie versuchte zu reden. Erst da erkannte sie einen Schatten. Nein, es waren zwei oder sogar drei.
Eine hochgewachsene Frau mit strahlendem goldenem Haar, dass fast den Boden berührte, trat aus dem Schatten. Bewundernd wie hübsch sie war, starrte sie die Frau nur an. Sie hatte ein engelsgleiches Aussehen und sie hatte weiße Haut wie Porzellan und war bestimmt auch so glatt. Ihre grünen Augen leuchteten regelrecht in einem schimmernden Grün und eine wohlgeformte Figur, wie sie eben sein sollte. Gegen dem Engel war sie einfach zu korpulent. Man könnte meinen, dass sie sehr zerbrechlich aussah, aber sie strahlte eine hohe Präsenz aus.
„Ist mir dir alles in Ordnung?“ War ihre Stimme sanft, weich und hatte einen himmlischen Nachklang. Es wirkte so beruhigend auf sie und sie schloss für einen Moment ihre Augen. Es war so hypnotisierend. Da wurde ihr bewusst was sie vor sich hatte. Nur ein Wesen hatte eine solche sanfte Berührung auf einem, wenn er nicht vom himmlischen Reich war.
„Du bist ein Engel.“ Nicht als Frage formuliert. Es war eine reine Feststellung und Emmanline war sich mehr als bewusst, dass ein Engel vor ihr stand. In voller Gestalt, rein und ein engelsgleiche Ausstrahlung. Sie wusste das dieses Volk sehr stolz war und ehrfürchtig. Sie waren ein Volk für sich selbst und gaben sich so gut wie nie zur Sicht. Engel waren in diesem Fall sehr eingebildet und sie fanden es wäre nichts Wert mit anderen Völkern zu tun zuhaben.
Dennoch was sie noch wusste, ihr Reich, war in einem unbekannten System und Rangordnung aufgebaut. Jeder Engel hatte eine Bedeutung und zu was er stand. Die Menschen glaubten an Engel in guter Gestalt, in Namen Gottes. Doch war es der reinste Irrsinn. Unwahre Geschichten wurden in allen Ländern verbreitet. Nur um die wahre Existenz ihrer Wirklichkeit zu verbergen. Man mochte darüber reden das sie wunderschöne Wesen waren und das bestreitet man auch nicht. Sie waren es tatsächlich. Nur was das Andere anging, traf nicht wirklich auf den Punkt.
Deswegen wunderte sie sich einen Engel vor sich zu haben. Noch nie hatte sie einen vom Engelsvolk gesehen. Was doch merkwürdig war. Was machte sie hier und dann noch in einem Kerker von einem Drachen? Waren sie nicht Todfeinde?
Der Engel nickte nur auf ihre Feststellung und sie blieb noch immer auf Abstand. Die Frau legte ihren Kopf leicht schief und runzelte ihre Stirn. Sie sah die Missgunst dieser Frau. „Was bist du?“ Musterte sie ihre ganze Gestalt.
„Eine Elfe.“ Sagte sie dahin und legte ihr langes schneeweißes Haar nach hinten und zeigte ihre spitzen Ohren. Ein Anzeichen das sie zu dem Elfenvolk gehörte. Auch ihre Züge waren es. Nur schien die Frau es nicht wirklich zu glauben.
„Ich habe noch nie eine Elfe mit solchem Haar und Augen gesehen.“ Blickte sie sie noch intensiver an. Oh ja, es lag mit Sicherheit an ihren Augen. Da sie Silber waren.
„Ja das denken viele sehr oft.“ Seufzte sie und schaute an ihr vorbei. „Wer sind die anderen zwei?“ Meinte sie in einem vorsichtigen Ton. Ohne zu wollen das sie Angst bekamen. Da traten auch zwei kleine zierliche Gestalten aus dem Schatten und versteckten sich hinter dem Engel.
„Das sind zwei kleine Gestaltenwandler.“ Sprach die Frau mit seidenweicher Stimme. Sie könnte ewig dem lauschen. Sie war ja schon fast wie eine Sirene die ihre Opfer damit lockte. „Wer bist du? Vor allem wieso bist du hier? Lucien, sah ganz schön wütend aus. Ich meine richtig wütend. Man sieht ihn nur so, wenn man was wirklich mörderisches getan hatte.“ Legte sie ihren Kopf schief und blickte zur Tür.
„Nun...“ Fing sie etwas stockend an. „Um es kurz zufassen, habe ich ihm wohl einen Rubin aus seinem Hort gestohlen.“ Antwortete sie ihr. Ändern konnte sie es nichts mehr. Was passiert war, war passiert. Und...so hieß er also. Dieser Name...ihr Mund öffnete sich ungläubig. Kann das sein? Dieser Name? Wenn es stimmte, steckte sie in noch größeren Schwierigkeiten, als sie angenommen hatte.
„Du hast es geschafft ihn zu bestehlen? Wie hast du das geschafft?“ Meldete sich ein kleines der beiden Gestaltenwandler, hinter dem Engel. Was für ein Gestaltenwandler sie sein mögen? Die Zwei zeigten sich und kamen hinter dem Engel hervor. Sie sahen sich zum verwechseln ähnlich. Waren klein von der Statur und hatten listige und windige Züge an sich. Kaum unverkennbar. Sie waren Wiesel – Gestaltenwandler... Zwillinge sogar. Das war eine Seltenheit unter Gestaltenwandler. Sowie ihr Wissen darüber verfügte. Leicht schüttelte sie ihren Kopf. „Es war dümmlich und ich hätte es niemals bewusst getan.“ Seufzte sie und schaute auf die verschlossene Tür. Es wäre für sie kein Hindernis aus diesem Gefängnis zu kommen.
„Inwiefern niemals bewusst getan? Wie meinst du das?“ Sprach der Engel mit Melodiestimme. Nun verstand sie wahrscheinlich, wieso die Engel sich nie zeigten. Der Grund beherrschte die Gerüchte nicht nur, weil sie zu stolz waren. Die Wahrscheinlichkeit bestand, dass sie es wegen ihrer Anziehung taten. Allein dieser Drang sich ihnen zu nähern, war einfach verführerisch. Deswegen vertrauten die beiden kleinen Wiesel dieser Frau. Es kostete selbst sie eine Selbstbeherrschung, nicht auch zu ihr zu gehen und sie zu berühren.
„Wenn ich das wüsste, würde ich selbst darüber nachdenken. Ich kann mich nur daran erinnern, wie ich an dem See eine Pause gemacht hatte. Kurze Zeit später war ich auf der Flucht. Mit diesem Rubin. Ich wusste nicht was ich tat. Als würde ein mächtiger Bann mich beherrschen.“ Runzelte sie ihre Stirn und sie versuchte noch immer vergeblich es heraus zu finden. „Das Einzige was ich später hatte, war meine leichte Benommenheit. Ich kann nur nicht sagen, woran das liegt und was das bedeutet.“ Genau das machte sie verrückt und verzweifelt. Sie wollte das Ganze nicht. Selbst die Frau überlegte. In ihren Augen blitzte Wissen auf. Sie schien sehr alt zu sein.
„Das klingt nach einem Bann, aber ich spüre hier keine derartige magische Macht. Ich wüsste es, wenn sie sich in meiner Nähe befinden würde. Entweder hatte jemand vorher von dir Besitz ergriffen oder es liegt was Spezielles dahinter.“ Sprach sie in gleicher Tonlage.
„Nun das kann ich mir nicht so richtig vorstellen.“ Weil sie stets aufgepasst hatte, niemand über den Weg zu laufen. Sie war stets vorsichtig. „Doch wieso seid ihr hier?“ Wollte sie nun auch wissen.
„Ich bin Aris. Also...Sira und ich, hatten auch versucht etwas zu stehlen.“ Senkten beide etwas beschämt ihre Köpfe. Da horchte Emmanline auf. „Doch wir sind noch nicht einmal ansatzweise dorthin gekommen. Zu seinem Hort. Wir wollten und wir brauchten etwas von ihm. Wir wurden gezwungen das zu tun. Sonst würden sie unserer Familie etwas antun.“ Klang Schmerz und Angst in ihrer Stimme mit und sie standen kurz davor in Tränen auszubrechen. Emmanline wusste nicht wieso oder warum sie das tat, aber immer noch auf dem Boden sitzend, breitete sie ihre Arme halb aus. Es war eine kleine Einladung und verwunderlich nahmen sie genau das an, bei einer Fremden. Ihr Blick richtete sich auf die anmutige Frau und schüttelte nur mit ihrem Kopf. Eine eindeutige Bestätigung, dass sie solch eine tröstende Geste nicht kannte und sie wusste selbst nicht, weswegen sie das hier tat.
Leicht und tröstend, streichelte sie über ihre Haare. „Wer hatte euch so gedroht?“ Wollte Emmanline wissen.
„Er heißt Xavier und er wollte was von dem Hort von Lucien haben. Wir wissen nur, dass es egal wäre, was wir mitbringen. Hauptsache aus seinem Besitz.“ Sprach das andere Mädchen. Sie schienen noch sehr jung zu sein. Kaum ein paar Jahrzehnte. Das beunruhigte sie, aber sie kannte niemanden mit diesem Namen. Glaubte sie.
„Ich habe von ihm noch nie gehört.“ Meinte die Frau und Emmanline bedachte sie mit einem fragenden Blick, der bedeuten sollte, wieso sie hier war. „Er hat meinen Lichtkristall. Ohne ihn kann ich nirgendwo hin. Dieser Kristall verkörpert mein Licht und ich kann nur durch ihn, meine wahre Gestalt annehmen und in mein Reich zurückkehren. Doch Lucien ist einfach zu gierig und blind.“ Wurde die Stimme des Engels wutverzerrt. Ganz anders als lieblich. Doch Emmanline verstand sie. Anscheinend war dieser Kristall, was sie sagte, ein sehr großer Teil von ihr Selbst.
Jeder der hier in diesem stickigen schmutzigen feuchten Kerker saß, hatte einen entscheidenden Grund hier fest zu sitzen und sie war wahrscheinlich die Dümmste und jemand ohne Grund. Schließlich hatte sie keine Erinnerung mehr an ihre Tat. Es war langsam echt zum Verzweifeln und langsam schlauchte es sie. Alles. Nur durfte sie sich nie was anmerken lassen. Es würde viel zu viel von ihr preisgeben. Was würde es auch schon nützen? Selbst die Wahrheit half ihr kein Stück weiter.
„Mein Name lautet Emmanline.“ Ihr Blick war fest auf die Frau gerichtet und sie hielt währenddessen noch immer die beiden Mädchen in den Armen. Der Engel seufzte.
„Jesaja.“ Nannte auch sie ihren Namen. Es war ein ungewöhnlicher, aber das hatten die Engel soweit alle, soweit ihr Wissen sie begleitete.
Eine Frage tauchte doch noch in ihr auf. „Ich weiß, ihr Engel seid ein eigenes Volk und gibt euch kaum zu erkennen, aber…“ Wählte sie bedachte Worte. „…wie hatte der Drache, dir deinen Lichtkristall stehlen und dich in Gefangenschaft nehmen können?“
Nun war es an Jesaja, die überlegen musste und bedacht wählte. „Er hatte mich überlistet. Als ich gerade an einem See ein Bad genommen hatte. Normalerweise spüre ich die Gefahr sofort, aber er konnte sich so gut verbergen, dass ich ihn nicht hatte kommen sehen. Es macht mich ungeheuer wütend, dass er so dreist war und ich so dumm, dass ich es nicht bemerkt hatte.“ Und da wusste Emmanline, dass ihr Stolz ziemlich angeschlagen war. Nur ein Dummkopf würde sich überlisten lassen. Vor allem, wenn es sich um ein stolzes Wesen handelte. Das waren die Engel nun einmal. Deswegen wandte sie sich von Jesaja auch ab, ließ die beiden Kinder los und ging zur Tür Leicht legte sie eine Hand auf das dunkle Holz und seufzte.
„Ohne meinen Lichtkristall, besitze ich auch nicht meine Kräfte. Ich bin hier gefangen, wie eine Ratte in einem Käfig. Und es widert mich an in einem solch dreckigen Loch zu sitzen. Verdammte, fünf Jahrzehnte schon.“ Fluchte sie und ihre Stimme wurde bei den letzten Worten lauter. Schrie sie schon fast raus.
Die Wut und ihr Frust erfüllten den Raum. Es war unverkennbar, welch Hass in ihr lebte.
Emmanline hatte einen Entschluss gefasst, der ihr weiteres Leben noch um einen Grat verändern würde.
„Was wenn ich eine Möglichkeit habe, euch hier raus zu bekommen?“ War diese Frage mit voller Ernsthaftigkeit gestellt. Ungläubige und überraschte Blicke waren auf sie gerichtet.
Noch immer tobte Lucien vor Zorn. Dinge könnte er in seiner Wut zerstören und würde trotzdem keine Befriedigung finden. Diese Frau legte in ihm einen Schalter um, der ihn mehr als reizte. Normalerweise war er nicht so schnell aus der Ruhe zu bringen und es bedurfte ganz schön an Talent, um in dorthin zu bringen, wo er jetzt war. Genau dieses Talent besaß diese kleine Person, die nun in seinem Verlies saß.
Es ist nun schon einige Stunden her, das er sie in den Kerker gestoßen hatte. Ein schlechtes Gewissen hatte er mit Sicherheit nicht und würde er auch nicht so schnell bekommen. Er hatte ein Recht darauf so zornig zu sein. Es wurde ein Diebstahl an ihm verübt. Wer würde da schon die Ruhe bewahren? Niemand. Er hatte es erst in Ruhe versuchen wollen, vermutete dss er es auch zum Teil getan hatte. Aber ab diesem Punkt war seine ganze Ruhe verschwunden gewesen. Nur anschauen brauchte er sie und schon erhöhte sich seine Gereiztheit. Was stimmte da nicht? Sie war doch nur eine normale dumme Elfe, die es geschafft hatte, etwas von ihm zu stehlen, was vorher noch niemand geschafft hatte. Vielleicht war ja genau das der Grund, wieso es ihn auf die Palme brachte. Sein Stolz wurde angekratzt und seine Stärke in Frage gestellt. Klar war sein Ego groß und das wurde gerade mächtig angekratzt. Drachen waren eben auch eine stolze Rasse und verletzte man einmal diesen Stolz, dann konnte es sehr ungemütlich werden.
„Verdammt…“ Fluchte und knurrte er. Langsam wusste er nicht mehr wohin mit seiner Wut. Deswegen hatte er beschlossen, in seiner Drachengestalt einen kleinen Rundflug zu machen. Vielleicht sogar eine kleine Jagd veranstalten, was er so liebte. Seine Natur als Raubtier. Darum brach er auch sofort zur Jagd auf.
Doch so ganz kam er dem Gedanken nicht nach, denn etwas anderes tauchte vor seinem inneren Auge auf. Wenn er sich, trotz Blind vor Wut, erinnern konnte, wo er diese Frau als Ballast in seinem Flug mitgenommen hatte, war etwas seltsames daran. Er hätte schwören können, wirkliche Angst gerochen zu haben. Furchtbare Angst. Er hatte sogar leicht gespürt, wie sehr sie sich an ihm geklammert hatte. Anscheinend vertrug sie nicht die Sicht von oben. Es sollte ihn nicht stören. Es war Höhenangst, die viele besaßen. Doch irgendwas störte ihn daran.
Was war nur verdammt anders an dieser Frau?
Es brachte nichts. Je mehr er sich sein Gehirn zermarterte und versuchte auf alles Antworten zu bekommen oder alles zu erläutern was er nicht verstand, wurde es nur noch schlimmer. Lucien musste die Sache anders in die Hand nehmen. Sonst würde er nie auf seinem gemeinsamen Nenner zurückkommen. Und genau das wollte er. So schnell wie möglich alles hinter sich bekommen, seinen Rubin wieder in seinem Besitz zu bekommen und einfach sein altes Leben wieder haben. Er wollte dort weiter machen, wo er zuletzt gestanden hatte. Da war alles in bester Ordnung und führte ein Leben in Gelassenheit und voller Vollkommenheit. Es war alles perfekt. Nur wie die Dinge gerade standen, sah es noch nicht einmal im Mindesten so aus. Dann musste er eben mehr Druck auf diese Elfe ausüben und sie würde es sich schon eher überlegen und sagen wo sein Rubin war. Er würde ihn bekommen, egal was er dafür aufbringen musste oder welche Spiele er spielte. Klar es war der reinste Wahnsinn, sich auf solch einen roten Stein zu versteifen. Aber Drachen waren wie diebische Elstern, wollten alle glänzenden und wertvollen Dinge auf dieser Welt besitzen. Nur für sich alleine. Sie teilten niemals!
Nach einem längerer Zeitraum, kam er von seiner Jagd in seine Höhle zurück. Gerade landete er wieder auf dem Felsvorsprung zu seiner Höhle und blieb aber ruckartig stehen. Da bewegte sich etwas und…
„Das darf doch wohl nicht wahr sein. Wie…“ Loderte das Feuer seiner Wut erneut in ihm auf. Diese Frau. Wie hatte sie es geschafft aus seinem Kerker zu entkommen? Normalerweise hatte er das Schloss noch zusätzlich mit einem kleinen Zauber versehen. Er hatte extra einen Zauber von dem Hexenzirkel beschafft. Sicher es war kein starker Zauber gewesen, aber groß genug um einigem Stand zu halten und jemanden dort zu lassen, wo er bleiben sollte. Genau das hätte passieren sollen.
Lucien stürmte durch die Tunnelgänge und folgte dem Geruch, der ihn schon die ganze Zeit wie ein Mantel umhüllte, seit er ihr begegnet war. Der Duft nach einem Hauch von Sonnenstrahlen an einem Morgen. Es berauschte ihn und es war eigenartig. Der Duft lag ihm so intensiv in der Nase und leitete ihn auf seinem Weg zu ihr.
Direkt in seine riesige Schatzkammer...
„Was glaubst du, tust du da und nimmst dir heraus, dich meinem Hort erneut zu nähern? Tust du das mit Absicht, das du meinen Zorn nur noch weiter anschürst?“ Brüllte er, als er durch den Eingang kam und verwandelte sich erneut in seine menschliche Gestalt. Baute sich nackt vor ihr auf.
Sicher hatte er sie dabei erwischt, wie sie etwas von seinem Schatz nehmen wollte. Sie ließ es jedoch erschreckend wieder dort fallen, wo es vorher gelegen hatte. Anscheinend war er noch rechtzeitig gekommen. Diese Diebin.
Gerade wollte sie ihren Mund aufmachen, aber er brachte sie mit nur einem glühenden Blick zum Schweigen. Diesmal schien sie klug zu sein und dachte nach. „Wage es ja nicht. Ich will deine verdammten Lügen und Ausreden nicht hören.“ Fauchte er sie an und packte sie mit festen Griff am Oberarm. „Wie bist du aus dem Verlies raus gekommen?“ Verlangte er knurrend nach einer Antwort. Und das schnell wie möglich. Ihre Augen waren weit aufgerissen und stand wie eine Salzsäule erstarrt vor ihm. Sie blickte ihn entsetzt an. Es war etwas merkwürdig. Er konnte keine Angst in ihren Augen erkennen. Nicht so wirklich. Viel mehr nur der Schockzustand. Was stimmte nicht mit ihr? Das ließ seine Stirn runzeln und versuchte einen Sinn daraus zu schließen.
Kurz darauf verzog sich leicht ihr Gesicht und Schmerz spiegelte sich darin wieder. Er sah wie sie es zu verbergen versuchte. Doch dieses kurze Aufblitzen von Schmerz war ihm nicht entgangen. Da bemerkte er, dass er ihren Arm noch fester gepackt hatte. Sofort lockerte er seinen Griff, aber ließ sie nicht los. Was war nur mit ihm los? Das war sonst nicht seine Art. Wie er schon festgestellt hatte, vergaß er sich ihr gegenüber. Doch es tat ihm nicht leid. Sie wollte schon wieder was von ihm stehlen. In ihm steckte ein Wechselbad der Gefühle.
„Antworte mir!“ Brüllte er sie jetzt an. Lucien sah ihre Zurückhaltung und wie sie versuchte, nicht vor ihm zurückzuschrecken. Aus irgendeinem Grund verstand er sie nun wirklich nicht mehr. Jedes Wesen das Verstand hatte, würde genau in diesem Moment zurück schrecken. Was dennoch nur die Laune eines Drachen verschlechtern und provozieren würde. Sie tat das einzig Vernünftigste. Diese Erkenntnis traf ihn mit einem Schlag.
Er war nicht der erste Drache, dem sie je begegnet war. Diese Erkenntnis brannte in ihm auf. Er wollte wissen ob es stimmte. Diese Frage blieb ihm im Hals stecken, als er eine Energie hinter sich fühlte. Zu spät und blind von seiner Wut und Zorn gegenüber dieser Frau.
„Lucien De la Cruise. Der Unbarmherzige, der Zerstörer und zukünftige Anführer der Drachenhorde.“ Eine Anklage in weiblicher Form, von viel weniger Lieblichkeit, als was sie wirklich war.
„Jesaja die Hüterin eines irrsinnigen Glaubens und einem Volk, dass nicht eingebildeter und hochmütiger sein könnte.“ Konterte er im gleichgültigen Ton zurück, während er sich zu ihr umwandte. Doch er traute seinen Augen nicht. Sie war in ihrer vollkommenen Gestalt. Ein Leuchten umhüllte sie wie ein leichter Schleier. Machte sie dadurch lieblicher und schöner. Nicht wie vorher. Auch wenn sie da schon eine Schönheit war. Nun hatte sie ihr komplettes Ausmaß ihrer eigenen Ausstrahlung. Wie es normalerweise einem Engel gebührte.
Ihre weißen Flügel waren fast doppelt so groß wie sie selbst. Da bemerkte er einen leuchtenden Kristall in ihrer Hand. Nein das durfte nicht sein. Blitzartig drehte er sich zu der Frau hinter ihm um und schubste sie unsanft zur Seite und schaute auf einen kleinen Podest, wo ein Halsschmuck aus dem reinsten Gold lag. Es war edel verziert und würde voll auf der Brust eines Engels liegen. Heilige Schriften verzierten ihn in alter Schrift. Heilige Schwüre, das wusste er. Der Halsschmuck verlief von oben her breit und verlief unten zu einer Spitze zusammen, welche mitten auf der Brust zum liegen kam. In der Mitte dieser Spitze sollte der Kristall aus Licht bestückt sein. Nun war er fort. Gestohlen.
Mit feurigem Blick wandte er seinen Kopf zur Elfe herum, die diesmal zwei Schritte vor ihm zurückwich. Durch ihre aufgerissenen Augen konnte er sich darin widerspiegeln sehen. Das Feuer in seinen Augen loderte bedrohlich und sein Drache kratzte schmerzhaft unter seiner Haut. Sein Drache wollte aus ihm ausbrechen und diese Frau lehren ihn niemals zu hintergehen. Oder sie in Stücke zerreißen. Wie konnte sie es nur wagen? Lucien wollte gerade auf sie zugehen und ihr zeigen, mit wem sie sich da angelegt hatte.
„Du hast dir den Falschen ausgesucht, Elfe. Wie dumm von dir.“ Hob er seine Arme und wollte nach ihr greifen.
„Wage es sie nur einmal anzurühren, Lucien.“ Durchbrach die bedrohliche Stimme von Jesaja die Luft. Schneidend und eiskalt. Er hielt inne und wandte sich zu ihr um.
„Du hast kein Recht dich einzumischen. Das ist eine Sache zwischen mir und ihr. Sie hat mich bestohlen. Gleich zweimal. Sie hat eine Strafe verdient und du weißt, dass ich das Recht dazu habe sie dafür bezahlen zu lassen.“ Knurrte er sie warnend an.
„Ach ja, das Recht?“ Wurde ihr Blick noch eisiger und man könnte fast denken, man würde zu Eis erstarren. Engel konnten wirklich erbarmungslos werden. Anklagend zeigte sie mit ihrem Finger auf ihn. „Du hattest nicht das Recht, ein Teil von mir zu stehlen. Ich klage dich an, Lucien De la Cruise. Du hast eine Situation ausgenutzt und mich beraubt und dann noch wie ein dreckiges Tier in einen deiner stinkenden Kerker geworfen. Dabei war ich noch nicht einmal deinem Territorium nahe gewesen oder war eine Bedrohung für dich gewesen. Der Zorn und die Wut gebühren mir. Dafür wirst du büßen. Das schwöre ich beim Mythos.“ War es unumgänglich. Schwor einer erst einmal beim Mythos, kam man nicht mehr dagegen an. Es war bis in die Ewigkeit bindend. Man hatte niemals eine Chance aus solch einem Schwur heraus zukommen. Brechen konnte ihn niemand nicht, denn eine unbekannte und mächtige Kraft zwang Mythenwesen dazu. Egal wie viel Willenskraft man dafür aufbrachte oder mächtig war. Der Mythos war unumgänglich.
Sollte einen Schwur gegenüber einem anderen geben werden, egal ob freiwillig oder zwanghaft, gab es eine Möglichkeit denjenigen davon zu befreien. Sonst würde der Zwang ihn stets begleiten. Deswegen würde Jesaja diesem Mythos verfallen sein. Das freiwillig. Sie würde ihn solange verfolgen und jagen, bis sie vielleicht irgendwann sagen konnte, sie habe genug. Aber wer weiß wie lang ihre Rache ging. Jahrzehnte? Jahrhunderte? Jahrtausende? Wer weiß das schon. Eins wusste er, sein Leben würde nun noch mehr bedrohlicher werden, als es ohnehin schon war. Lucien wusste auch, dass er von einer Belagerung von Engeln rechnen müsste.
Vielleicht hatte er eines Tages damit gerechnet, aber nicht so schnell. Vielleicht ein paar Jahrhunderte später. Nun war es eben unumgänglich und er war nicht umsonst der Unbarmherzige. Seinen Ruf hatte er schon vor tausenden Jahren erarbeitet und verdient. Das war nicht nur ein Titel der abschrecken sollte. Es beruhte auf wahre Tatsachen.
„Versuche es nur, Jesaja! Du wirst dir nur weiterhin deine hübschen Finger schmutzig machen. Pass nur auf, dass ich nicht dir die Hölle auf Erde bescheren könnte.“ Erschien ein übermütiges und gehässiges Grinsen auf seinem Gesicht.
„Wenn diese Hölle dir nicht zuvor kommt. Eines Tages wird dir dein dreckiges Grinsen und dein Ego im Hals stecken bleiben. Eines Tages wirst du es bitter bereuen und ich freue mich auf diesen Tag, der kommen wird, wo du bettelnd am Boden liegst.“ Lag nun solch ein Grinsen auf dem hübschen Gesicht des Engels. Unwirklich aller Geschichten die man unter Menschen erzählte.
Das Grinsen von Lucien verwandelte sich zu einem hass-vollen wutverzerrtem Gesichtsausdruck. Hiermit wurde ein Krieg zwischen Engeln und Drachen entfacht. Beide Völker waren nie die besten Freunde gewesen. Weniger als das, aber sie hatten vor sehr langer Zeit einen Waffenstillstand beschlossen. Ein Pakt. Engel und Drachen waren mächtig und durch ihre Stärke auf beiden Seiten, konnten sie verheerenden Schaden anrichten. Deswegen hatten sie solch einen Pakt getroffen. Nur um das Wohlergehen jener Völker. Doch dieses Abkommen...
„Du riskierst diesen Waffenstillstand zu brechen, nur weil eine kleine unbedeutende Elfe all das zum Rollen gebracht hatte?“ Richtete er anklagend einen Finger auf die Elfe, aber ließ Jesaja nicht aus den Augen.
Das Grinsen aus ihrem Gesicht verschwand schlagartig und ihr Blick wurde tödlich. „Oh nein, Lucien. Daran bist allein du schuld. Seit dem Moment an, als du meinen Lichtkristall gestohlen hast. Als zukünftiger König und Sohn eines stolzen Geschlechtes der De la Cruise hast du bitterlich versagt. Ab heute hast du dein eigenes Volk zum Untergang verdammt. Dabei hatte dein Vater versucht genau das Gegenteil zu erreichen. Ihm war die Vernunft zu geteilt, aber dir...“ Wanderte ihr Blick an ihm auf und ab. „...schien kein Funken übergesprungen zu sein. Dein zu großer Stolz ist allein daran verantwortlich. Jetzt will ich sehen, wie du dich vor deiner Mutter oder deinem ganzen Volk rechtfertigst. Versuche es nur.“ Schüttelte sie enttäuschend ihren Kopf und riss ihren Blick von Lucien los und schaute auf die Elfe, die sich noch weiter in den Hintergrund gestellt hatte. Weit von dem Drachen entfernt. Auch er schaute sie nun an.
Kaum zu fassen wo sie sich gerade befand, würde sich Emmanline gerne in eine Ecke verkriechen und nie wieder herauskommen wollen. Was sie da hörte und sah, war furchtbar genug. Der Drache hatte Recht gehabt. Zu einem Teil war sie daran schuld gewesen. Schließlich hatte sie durch ihren erneuten Diebstahl wirklich etwas ins Rollen gebracht. Jesaja hatte ein Recht auf ihr Eigentum, aber durch ihre Tat wurde, wie sie es durch den Schlagabtausch von Worten puren Hasses, mitgeteilt, dass ein fürchterlicher Krieg ausbrechen würde. Was hatte sie da nur getan?
„Komm her, Liebes!“ Steckte der Engel ihre Hand ihr gegenüber aus und bat sie darum. Sollte sie ihre Hand ergreifen? Nun wussten sie, welche Macht in ihr steckte und diese eisige Kälte erst. Da lief ihr ein eiskalter Schauer über den Rücken und ein kalter Schweiß brach bei ihr aus und sie schluckte entsetzt. Emmanline war wirklich zwischen zwei erbarmungslose Wesen geraten. Dabei hatte ihre Mutter sie stets davor gewarnt. Ihr Verstand arbeitete nicht mehr richtig. Daraus würde sie nicht mehr kommen.
Nach kurzem Überlegen ging sie zu der Frau hin.
„Wage es ja nicht!“ Bleckte der Drache furchtbar seine Zähne. Sie blieb stehen und schaute ihn an. Was war los mit ihr? Wieso blieb sie nach seinem Befehl stehen? Diese anklagenden Blicke, waren wie Feuerzungen auf ihrer Haut.
„Keine Sorge! Ich werde dir versprechen, er wird dich nicht mehr anrühren. Du wirst mit mir kommen und du wirst in Sicherheit sein.“ Kam die Frau nun auf sie zu. Konnte sie auf ihre Worte vertrauen und bauen? Eigentlich wollte sie von keinen Entscheidungen mehr abhängig sein. Anscheinend würde ihr das schon wieder abgenommen werden.
„Wi...wieso lasst ihr mich nicht einfach gehen?“ Fragte sie einfach direkt heraus. Jesaja blieb ruckartig stehen und ließ ihren Arm wieder sinken und schaute sie bedacht an. War irgendwas so verkehrt an ihr? Da kam ihr die Erkenntnis. Natürlich. Ihre angebliche Andersartigkeit. Darauf hätte sie auch früher kommen können, stattdessen wich sie zurück.
„Nein!“ Meldete sich der Drache als erstes auf ihre Frage hin. „Ich werde dich nicht eher gehen lassen, bis ich meinen roten Rubin wieder habe.“ War er so darauf versessen ihn wieder zuhaben. Anscheinend bedeutete ihm der Stein mehr als sie geahnt hatte.
„Damit sie weiterhin deinem Zorn und deiner Wut ausgesetzt ist? Garantiert nicht. Sie hatte einen kleinen dummen Fehler getan und etwas aus deinem Hort gestohlen. Trotz deines Rufes, kannst selbst du nicht so grausam sein. Das hat sie nicht verdient.“ Widersprach die Frau ihm.
Ein Knurren. „Es ist nicht nur etwas. Dieses etwas hat eine viel größere Bedeutung das du nie verstehen wirst.“ Widersprach er ihr wieder.
Wie Emmanline es vermutet hatte. Dieser Rubin war ihm wichtiger, als sie den wirkliche Anschein erkannte. Oh, sie würde einen ganz dummen Fehler begehen.
„Es ist meine Schuld. Als ich gesagt hatte, ich wüsste nichts mehr davon, wie ich etwas nehmen konnte, war es die Wahrheit gewesen. Erst als ich auf der Flucht war. Ich hatte die Wahrheit gesagt, aber ich werde versuchen dir deinen Rubin zurück zu holen.“ Versuchte sie sich nun etwas zu behaupten, wovon sie nicht wusste, ob es ihr gelang. Auch wenn es irrsinnig war. Nur sie durfte sich nicht unterkriegen lassen. Es stimmte auch, als sie meinte sie würde bald die Kraft dafür aufbringen weiter zu machen. So musste sie doch bis zum Letzten kämpfen.
„Was?! Ist das dein Ernst?“ Klang die Ungläubigkeit aus beiden Mündern. Egal in welches Gesicht sie schaute. Sie sah nur Überraschung und Missgunst.
„Ja das tut es. Aber nur wenn du mich danach gehen lässt. Sonst wirst du ihn niemals wieder sehen. Ansonsten gehe ich mit dem Engel.“ Stand ihre Entscheidung fest. Oh, und wie sie mit dem Feuer spielte. Daran würde sie sich furchtbar verbrennen oder gleich ganz. Das würde ihre endgültige Entscheidung sein. Aber was hatte sie zu verlieren? Egal für wenn sie sich entscheiden würde, es sah bei beiden gleich aus. Also warum nicht gleich alles auf eine Karte setzen?
Knirschend biss der Drache sich auf seine Zähne und ballte seine Hände zu Fäusten. Und wie er knirschte. Schließlich wurde er gerade erpresst und das schien ihm nicht zu gefallen. Dieser Drache wog seine Entscheidungen ab und dachte nach. Durch diese Erpressung könnte sie endlich eine Möglichkeit bekommen, endlich frei zu sein.
Nach etwas nachdenken, entschied er sich. „Einverstanden! Nachdem du mir meinen Rubin wieder verschafft hast, werde ich dich gehen lassen. Ich lege den Schwur ab.“ Der bindend war.
„Oh, Elfe, du machst einen entscheidenden Fehler. Dies wirst du eines Tages bereuen.“ Sprach die Frau enttäuschend und sie wusste gar nicht wie verdammt Recht sie damit hatte. Emmanline würde es eines Tages bereuen. „Nun gut. Du hast deine Entscheidung gefällt und du scheinst kein Umstimmen zu akzeptieren. Doch ich bin dir trotzdem für deine Hilfe zu Dank verpflichtet und ich lasse niemals meine Schulden offen. Deswegen…“ Stellte sie sich genau vor Emmanline und nahm ihr Gesicht in beide Hände, beugte sich dann zu ihr herab und gab ihr einen sanften kleinen Kuss auf ihre Stirn. Sie wirkte überrascht und ein eigenartiges Gefühl durchfuhr ihren Körper.
„…wird mein Schuldenausgleich darin bestehen, solltest du einmal in einer Lage Hilfe brauchen, zögere nicht mich zu rufen. Ich werde kommen und dir meine Hilfe anbieten. Egal in welcher Situation.“ Ließ sie wieder von ihr ab und trat zwei Schritte zurück, während ihr Blick noch immer auf ihr ruhte, aber nach ein oder zwei Minuten wandte sie sich an den Drachen. „Ich warne dich, sollte ihr irgendwas geschehen oder du ihr schadest, werde ich noch ungemütlicher werden.“ Drohte sie ihm.
Emmanline verstand nicht, wieso diese Frau und ein Engel sich so sehr für sie einsetzte und versuchte sie zu beschützen. Sie kannte sie doch nicht. Warum also?
„Du hast es doch gehört, Jesaja. Außerdem würde ich ihr niemals einen richtigen Schaden zufügen. Ich werde es nicht tun.“ Was doch glatt gelogen war. Was hatte er dann die ganze Zeit mit ihr getan? Konnte man so auf sein Vertrauen bauen? Nein, natürlich nicht. Er war ein Drache und wie jeder andere auch. Da er einen Schwur geleistet hatte, musste er sie dann gehen lassen. Das war die einzige Hoffnung die sie hatte. Da sie auch einen Schwur geleistet hatte, würde sie diesen Rubin eben so schnell wie möglich aus dem See holen. Was soll es auch, sie brauchte ihn nicht. So konnte sie ihn auch wieder zurückgeben.
„Bist du dir auch wirklich sicher?“ Fragte der Engel sie noch einmal. Sie nickte zögernd. „Gut, denke an meinen Schwur.“ Verschwand sie blitzartig durch die Gänge. Draußen konnte sie nur ein leichtes Flügelschlagen hören. Nun war sie weg, war frei und kehrte in ihr Reich zurück. Emmanline starrte ihr hinterher. Noch lange, bevor sie verschwunden war. Sie wollte sich nicht an den Drachen wenden.
„Du bist doch wirklich dumm. Du hättest auf sie hören sollen.“ Klang seine Stimme sehr amüsierend. Das ging ihr durch und durch. Erst da drehte sie sich zu ihm um und blickte ihn direkt an. Natürlich lag ein Grinsen auf seinen Lippen. Wie sollte es auch anders sein? Schließlich hatte sie sich dafür entschieden bei ihm zu bleiben. Auch wenn es nur für den kurzen Moment war.
„Was spielt das für eine Rolle? Du musst mich wieder gehen lassen, wenn ich dir deinen Rubin wieder zurückgebracht habe.“ Biss sie sich auf ihre Unterlippe und versuchte standhaft zu bleiben.
Sein Grinsen wurde nur noch breiter und dieser Blick. Das bedeutete nichts Gutes. Das ging ihr bis unter die Haut.
„Bist du dir auch wirklich sicher?“
„Was…was meinst du damit?“ Klang ihre Stimme unsicher und sie kam da gerade nicht mit. Sie war verwirrt. Was war nur los? Nun verstand sie gar nichts mehr. Sein Grinsen, welches so überlegen war, ließ sie atemlos werden. Was hatte er nur vor?
„Oh, das wirst du noch früh genug erfahren. Ich freue mich schon sehr über diese Übereinkunft.“ Raunte er überlegen.
Übereinkunft? Was meinte er nun jetzt wieder damit? „Ich verstehe nicht Recht. Lass uns einfach zu dem See gehen. Ich hole ihn heraus und du bekommst ihn wieder. Danach verschwinde ich und du siehst mich nie wieder.“ Versuchte sie voller Zuversicht zu klingen. Es musste einfach klappen.
Gerade wollte Emmanline sich umdrehen und aus der Höhle gehen, zum See, doch sie bemerkte, dass der Drache auf sie zukam. Mit einer eleganten und raubtierartigen Eleganz. In seinen Augen loderte das Feuer seines Drachen. Dieses Brennen galt ihr. Keinen einzigen Moment ließ er sie aus den Augen und kam ihr mit jedem Schritt näher. Ihr Herz fing noch schneller an zu schlagen. Die Hitze brannte schon auf ihrer Haut, die von ihm ausging. Langsam wich auch sie zurück. Sie konnte nicht länger auf der Stelle stehen bleiben, lief rückwärts und nach kurzer Zeit stieß sie an eine Felswand an. So würde sie nicht weiter kommen. Deswegen versuchte sie dem Fluchtweg nach links, aber da schoss schon ein Arm an ihr vorbei und versperrte ihr den Weg. Sie erstarrte. Auf beiden Seiten ihres Kopfes stemmten sich seine beiden Hände gegen die Wand und es gab keinen Weg zur Flucht mehr. Nur noch Zentimeter trennten sie von ihren Körpern und sie hatte kaum noch Platz sich zu bewegen. Noch näher und sie spürte ihn ganz. Gerade kam sie sich sehr klein vor und sie war sprachlos. Er war ihr so nahe und nahm ihr die Luft zum Atmen.
„Was…soll das?“ Sollte ihre Stimme fest klingen, aber sie wusste nicht ob es so Recht geklappt hatte. Wusste nicht, was sie aus seinem Blick deuten sollte. Er blinzelte noch nicht einmal. Es behagte ihr nicht. Vor allem nicht, wenn er nicht mit ihr redete. Er schaute sie einfach nur durchbohrend an, als versuchte er etwas in ihr zu lesen. „Lass mich gehen. Ich…“
„Nein!“ Unterbrach er sie brüsk. Sein Wort, sein Befehl. Wie selbstverständlich das doch klang. Wie schaffte er es nur, sich soviel aus sich selbst heraus zunehmen?
Sein Gesicht war zu einer versteinernden und gleichgültigen Maske geworden. Daraus konnte man keine Emotionen lesen. Deswegen war es ja auch so schwer, daraus zu lesen. Es machte sie immer nervöser. Er sollte einfach von ihr weg gehen. Da legte sie ihre Handflächen auf seine harte feste Brust. Ein elektrischer Schlag fuhr durch ihren Körper, als sie ihn berührte. Normalerweise hätte sie sich sofort zurückziehen müssen. Bei ihrer Berührung knurrte er auf und seine Augen fingen golden an zu leuchten. Sie wollte sich nicht beirren lassen, stemmte sich ihm entgegen und versuchte ihn von sich zu drücken. Keinen einzigen Zentimeter schaffte sie es. Er stand wie ein Fels da.
„Geh...weg von mir.“ Zitterte ihre Stimme leicht und sie ertrug es nicht länger. Nicht seine Nähe.
„Nein!“ Entgegnete er ihr wieder. Wieso sprach er nicht verständlicher?
„Was willst du von mir? Ich dachte du willst deinen Rubin, der dir doch so wichtig ist.“ Oder war es eine Lüge gewesen?
Sein linker Arm bewegte sich und kam ihrem Gesicht nahe. Ihre Augen kniffen sich zusammen und warteten auf den Schmerz, einer möglichen Ohrfeige. Nichts kam. Doch da...Diesmal legte er seine Hand sanft auf ihre rechte Wange. Er fuhr zart mit seinem Daumen über ihre rötlichen Lippen. Erst da öffnete sie ihre Augen wieder. Sein Blick fest auf ihrem Mund gerichtet. Emmanline befeuchtete mit ihrer Zunge ihre Lippen und fuhr leicht über seinem Daumen. Er tat es ihr gleich. Sie erstarrte schlagartig. Dabei kam er ihrem Gesicht noch näher. Er würde sie doch wohl nicht...küssen wollen?
Ihr Herz beschleunigte sich noch mehr, schlug hart in ihrer Brust, das es schon fast weh tat. Sie fing langsam an zu zittern. Ihr Atem kam stoßweise und sie hatte das Gefühl, dass sie zu wenig Luft bekam. Ihr fehlte der Sauerstoff, der für sie einfach nicht mehr in der Luft vorhanden war. Erneut versuchte sie ihn weg zu drücken.
„Geh...weg von...mir...“ Sprach sie die gleichen Worte wieder aus. Sein Mund lag nur noch ein paar Zentimeter von ihrem entfernt. Das darf nicht sein. Sie wollte das nicht. Übelkeit stieg in ihr auf und ihr drehte sich der Magen um. Einen Kuss dieses Mannes wollte sie nicht und dennoch konnte sie sich nicht von ihm losreißen. Er trieb sie wie ein Reh in die Enge. Dieser Mann war schlimmer als alles andere. Es widerte sie an, das er so schamlos sich nun an ihren Körper presste. Sie war so abgelenkt gewesen, das sie jetzt erst bemerkte, dass er nackt war. Wie beim ersten Mal, wo sie eine volle Sicht auf seine nackte Männlichkeit gehabt hatte.
Erneut stieg ihr die Röte ins Gesicht. Er nutzte seine Situation schamlos aus und das ohne Skrupel. Sein breites Grinsen machte sie verrückt und ihre Gedanken schalteten sich nach und nach ab und verlor das Denken. Dieser Mann raubte ihr die Sinne und machte sie schwach. Ihre Augen schlossen sich halb und ihr Blick trübte sich leicht und sie blickte ihm trotzdem in die glühenden golden feurigen Augen. Er wirkte so schön. Noch nie war ihr so ein Mann über den Weg gelaufen.
Langsam entspannte sich ihr Körper von ganz alleine und reagierte auf ihn, wurde weicher und geschmeidiger. Ein heißes Prickeln wanderte in ihren Unterleib, als er sich sachte an ihr rieb. Mit etwas Hartem das ihre Mitte traf, keuchte sie einmal auf. Unbemerkt passte sie sich ihm an. Machtlos dem zu entkommen, was der Drache mit ihr vorhatte.
Da wusste sie, jetzt war sie verloren…
Lucien presste sich immer weiter an ihren Körper. Sein Verlangen sie noch weiter an seinem Körper zu spüren, erregte ihn dermaßen. Ihm reichte nur ein einziger Blick von ihr und er reagierte auf sie. Normalerweise sollte es ihn irritieren und davon Abstand halten, aber gerade ignorierte er seinen Verstand. Er wollte sie wirklich. Das war schlimm genug. Trotz allem hatte er noch nie solch ein Verlangen verspürt. Obwohl er über Tausende von Jahren alt war, diese Frau reizte ihn. Es verlangte einfach nach mehr. Deswegen konnte er nicht anders, als sie an die Felswand zu pressen und seinen Körper gleich mit dazu.
Seit wann reagierte sein Körper so stark? Sein eigenes Feuer in ihm erhitzte ihn nur noch mehr. Es drohte ihn von innen heraus zu verbrennen. Sein Verlangen, es musste gestillt werden. Anders konnte er es sich nicht vorstellen, dass dieses Feuer in ihm erlöschen würde. Auch seine Wut darüber, das er so auf sie reagierte, machte es nicht besser. Es musste aufhören. Deswegen kannte er nur noch einen Ausweg. Lucien sollte seine Lust an ihr befriedigen, sie nehmen und konnte dann seinen eigenen Weg wieder gehen. Das war die simple Entscheidung und Vernunft. Natürlich musste er sich erlösen, denn dann würde er nie wieder das Verlangen für sie verspüren. So war es immer gewesen. Nach einem Mal, ließ er einfach die Frauen wieder fallen. Er hatte jegliches Interesse an ihnen verloren, wenn er nur einmal mit ihnen gespielt hatte. Es würde bei ihr nicht anders sein.
Schließlich war er auch nur ein Mann und hatte Bedürfnisse. Ab und zu musste er es stillen. Lucien liebte Sex und er empfand es manchmal als zu wenig, das er sich dem nicht mehr begnügte. Meist war er zu beschäftigt gewesen und holte sich vielleicht ab und zu mal einen runter. Ok, doch viel öfter als gemeint. Das war eben das Normalste der Welt. Doch irgendwann drängte es ihn, sich mit einer Frau zu liieren. Sich einfach das zunehmen, was er als Mann brauchte.
Da kam ihm diese Frau eben genau richtig, wenn er eben einmal auf sie reagierte. Heiß und hungrig. Sein Drache in ihm wollte es auch und wollte sie für diesen einen Moment besitzen.
Einen Moment lang hatte sein Blick in ihren magischen silbernen Augen gelegen, die ihn selbst anstarrten. Ohne Furcht. Sie war standhaft und sie versuchte sich so gut es ging, zu behaupten. Es gab selten solch eine Person die das konnte. Dieser Blick von ihr, war wirklich faszinierend. Dadurch wirkte sie auf ihre eigene Art und Weise stark. Seine Vermutung bestätigte sich nun nur noch mehr, als er gedacht hatte, das sie viel mehr Ahnung über seine Art haben musste, als sie zu glauben zeigte. Im ersten Augenblick sah er, welche Angst und Panik sie packte und im anderen Moment diese unglaubliche Stärke. Wie konnte er da nicht interessiert sein?
Eins wusste Lucien, sie reagierte genauso auf ihn, wie er es bei ihr tat. Sie drängte sich ihm sogar entgegen. Vielleicht unbewusst, aber das reichte ihm. Solange sich eine Frau ihm hingab, war es ihm egal, ob sie Zuneigung entgegen brachte, anstatt ihn zu verabscheuen. Welche Zuneigung sie hatte, war eindeutig. Sie verabscheute ihn. Ihm war es egal und es scherte sich auch nicht darum. Nur willig war sie für ihn von Nutzen. Er setzte auch seinen Charm und Verführungskünste ein. Wie erwartet sprang sie darauf an.
Nur ein Stöhnen bestätigte es zusätzlich, als sich seine Hüfte an ihrer rieb. Ein Geruch von Moschus erfüllte langsam die Luft. Ihre Erregung roch er sofort. Diesen erregenden Duft nahm er mit bebenden Nasenflügeln auf, inhalierte es regelrecht ein und es füllte seine Lungen damit.
Oh, verdammt…, nicht mehr lange und ich falle über sie her. Ohne Gnade.
Welcher Gedanke gleich kam, was kümmerte es ihn? Sein Überfall auf sie wäre wirklich verlockend. Seine Art war eben die Wildheit, Härte und ein Tick Rauheit dazu. Alles in einem konnte es heißer zugehen, wie man es sich nicht vorstellen könnte. So ging es ihm jedenfalls und den Frauen, die er beglückte mit seiner Männlichkeit. Bis jetzt hatte er noch nie Probleme gehabt. Oder die Frauen nie unbefriedigt zurück gelassen. Oder das sie jemals mit ihm im Bett unzufrieden gewesen wären. Genauso würde er es auch mit ihr machen.
Seine Lippen waren nur wenige Zentimeter von ihren entfernt und starrte nun voller Verlangen darauf. Er wollte kosten und probieren wie sie da schmeckte. Oder wie sie reagierte, wenn er in ihre Unterlippe biss. Nicht um ihr weh zu tun. Sondern ihr noch mehr Lust zu bereiten, sodass sie für ihn noch mehr aufloderte. Lucien glaubte auch, dass sie nicht wusste was sie da tat.
Seine Lust und Begierde, er brauchte sie, um sich zu befriedigen. Er würde sich das jetzt auch nehmen, während er mit seinem Gesicht ihrem nähern wollte, blickte er in ihre wunderschönen silbrigen Augen. Nur noch Millimeter von ihrem Mund entfernt, loderte Erkenntnis und Vernunft in ihren Augen auf. Er konnte hören, wie ihr Herzschlag für einen Moment aussetzte. Blitzartig drehte sich ihr Kopf weg. Am liebsten hätte er die Zähne gefletscht, für die Dreistigkeit und Abweisung. Knurren musste er trotzdem, weil er überhaupt nicht damit einverstanden war.
Kaum merklich machte sich ein Grinsen auf seinem Gesicht breit. „Auch gut. Ich kann noch ein Weilchen warten, bis du dich mir freiwillig hingibst. Solange werde ich dich behalten und dich so genüsslich kosten, bis du mich anflehst, ich soll dich erlösen. Für den ersten Moment verzichte ich auf meinen Rubin. Du weißt was das bedeutet.“ Säuselte er so überlegen und von sich selbst überzeugt.
„W…was?! Du hast mich rein gele....“ Entsetzt drehte sie ihren Kopf herum und ihre Augen geweitet. Genau da nutzte er seine Gelegenheit, presste seine Lippen fest auf der ihren und brachte sie somit zum Stillschweigen. Sie wurde starr an ihm und da ihre Hände noch auf seiner Brust lagen, krallte sie sich mit ihren Fingernägel in seine nackte Haut. Er stöhnte heiser an ihrem weichen Mund auf. Seine Zunge leckte über ihre Lippen und biss einmal in ihre Unterlippe. Sie gab einen entsetzten Laut von sich und das nahm er als stille Einladung, wo sie ihren Mund öffnete, schoss er sofort mit seiner Zunge in ihre Mundhöhle. Erkundete sie und schmeckte ihre Süße.
Ausgemalt hatte er es sich vieles, wie sie schmecken würde. Aber sein Geschmackssinn wurde davon betäubt, je mehr er sie kostete. So weiblich und süß. Stunden lang könnte er das tun. Sie einfach nur mit seinem Mund in Besitz nehmen. Die Gier war zu groß.
Lucien spürte ihre Unsicherheit und konnte aber nicht anders, als seine Zunge an ihrer zu stupsen. Dafür nahm er sie zu sehr in Besitz. Er spürte, wie sie versuchte, ihn weg zu drücken, aber er ließ es nicht zu. Küsste sie trotzdem weiter. Auch wenn sie versuchte nach Luft zuschnappen.
Noch näher hatte er sie an sich gedrückt und fest seine Arme um sie geschlungen. Er wollte sie noch näher an sich spüren.
Oh verdammt, wie gut das tat.
Auf einmal verspürte er einen leichten Schmerz und er schreckte mit seinem Kopf zurück.
„Du...“ Klang er erst perplex. „Du hast mich auf die Zunge gebissen.“ Brannte seine Wut darüber wieder in ihm empor.
Das darf doch wohl nicht wahr sein. Sie hat mich gebissen..
Lucien ließ von ihr ab und wischte sich mit seinem Handrücken über dem Mund und bemerkte ein wenig Blut auf seiner Handfläche. Leicht verzog er sein Gesicht, und schaute sie funkelnd an.
„Du kleines Miststü...“ Stoppte er mitten in seinem Satz, als er in ihr Gesicht schaute. Eine ihrer Handrücken hatte sich auf ihren Mund gepresst. Ihr Blick verriet ihm, welche Abscheu und Scham sie dabei fühlte.
Sah er da auch einen kleinen Funken Verrat? Natürlich. Schließlich konnte man es so sehen, weil er nicht gleich von Anfang an seinen Schwur gehalten hatte. Er hatte sie zum Teil hereingelegt. Er verzichtete auf seinen Rubin, nur um sie weiterhin um sich zuhaben.
Ja, er konnte ein hinterlistiges Arschloch sein, aber es war ihm egal. Hauptsache er bekam das was er wollte. Und genau diese kleine geheimnisvolle Elfe wollte er. Sie verbarg etwas, was ihn neugierig werden ließ. Dabei liebte er verborgene Geheimnisse. Diese Frau konnte ihm das bieten. Ihm ein erneutes Interesse geben, was ihm einen kleinen zusätzlichen Funken von Leben in seinem unendlichen Leben hervorrufen könnte.
Sobald er eben sein Interesse gestillt hatte, konnte er sich dann nach etwas Neuem umsehen. Klar es war schwer sein Interesse zu wecken, aber das würde er bis zum Letzten auskosten. Er freute sich schon darauf.
Aber als erstes musste er ihr erst einmal beibringen, wen sie vor sich hatte.
Lucien De la Cruise.
Einem mächtigen Geschlecht und einer der größten Abstammungen seiner Art. Er würde sie lehren, dass sie sich ihm nicht verweigern könnte. Sie war nun sein Besitz und er konnte mit ihr anstellen was er wollte. Genau das würde er jetzt tun.
Seine Hände packten ihre Taille und er warf sie sich über seine Schulter. Ein entsetzter Schrei entfuhr ihr. Gleich als sie wieder zur Besinnung kam, schlug sie auf seinen Rücken ein. Mit Fäusten.
„Lass mich runter. Sofort!“ Stieß sie wutentbrannt aus.
„Mach nur weiter, kleine Furie, und du lernst mich besser kennen.“ Knurrte er drohend. Klar hörte sie nicht auf.
„,LASS MICH RUNTER!“ Wurde sie immer wilder und fing an hysterisch zu werden. Lucien gab ihr einen Klaps auf ihren wohlgeformten Hintern.
„Benimm dich!“
„Aaaah, was fällt dir ein?“ War sie entrüstet und versuchte sich etwas aufzurichten. Es klappte nicht ganz, da er sie mit eisernem Druck seines Armes auf seiner Schulter fest hielt. Sie konnte ihm nur auf seinen Hinterkopf starren.
Lucien war währenddessen durch die Höhle gestürmt und kam genau da an, wo er hinwollte.
In seinen Schlafbereich.
Kurz vorm Bett, spürte er den nächsten Schmerz. Brüllend, warf er sie von sich, landete aber weich auf seinem Bett, als sie schreiend über seiner Schulter nach vorne geworfen wurde.
„Du kleines Miststück. Du hast mir in den Nacken gebissen.“ Fauchte, knurrte und fletschte er seine Reißzähne. Sein Drache kam zum Vorschein und er war rasend vor Zorn.
Voller Panik krabbelte sie hektisch zurück und kroch von ihm fort. Sie versuchte sich gerade umzudrehen, um mit allen Vieren davon zukommen, aber er packte sie an ihren Fußknöcheln. Sie schrie dabei auf und er riss sie zu sich zurück.
„Nein,...“ Krächzte sie ängstlich. „Nein...nicht...“ Zappelte sie wie wilde um sich und wollte ihn damit abschütteln. Sie war die reinste Furie und sie würde sogar jeder einzelnen Furie Ehre erweisen, wäre sie eine gewesen.
Gerade wollte sie zu einem Tritt in seine Eier ausholen, als er ihre Knöchel losließ. Ein animalisches Knurren und sie zuckten erschreckt zusammen. In ihrer Bewegung hielt sie inne und hatte ihren Tritt somit verhindert. Er presste sie weiter auf das Bett und legte sich zwischen ihre Beine, damit sie nicht mehr so herumzappeln konnte und auf dumme Gedanken kam, ihn wieder in seine Weichteile zu treten.
Er lag nun halb auf ihr.
„Versuche das noch einmal und ich werde dich fressen.“ Eine einmalige Drohung.
„Geh...runter...“ Zitterte ihre Stimme entmutigt und konnte sich nicht mehr richtig gegen ihn wehren. Ihr Atem kam stoßweise und ihr Herz schlug rasend schnell. Ihre Panik stand in ihrem Gesicht geschrieben und er roch es in der Luft. Sie sollte gleich lernen, welch Dummheiten sie da getan hatte. Niemals sollte sie sich mit ihm anlegen. Das würde er sie für immer lehren.
Ihre Fingernägel krallten sich in seine breiten Schultern und sie kratzten ihn. Ihr Körper bäumte sich ihm entgegen, rieb sich leicht mit ihrem Unterleib an seinem. Noch immer mit erregten und harten Schwanz. Lucien stöhnte vor erneuter Begierde laut auf. Lust entflammte erneut in ihm. Bei diesem Laut erstarrte sie und versuchte sich nicht mehr zu bewegen, weil sie wusste, sie würde es nur schlimmer machen.
Das passte ihm ganz und gar nicht, denn er wollte weiterhin ihren so beweglichen Körper unter ihm spüren. Heiß und wild. Genauso entflammt wie seiner auch. Doch sie tat nichts mehr. Außer sich gegen ihn zu stemmen.
Sein Kopf senkte sich zu ihr herunter und sein Gesicht legte sich an ihrem Hals und vergrub es zwischen ihrem Haar, das so weich war und gut roch. Auch ihr eigener persönlicher Geruch. Da fing er nun an, seine Hüfte an ihr zu reiben.
„Nein...bitte...“ Flehte sie schon fast, aber er ignorierte es und hörte nicht mehr auf sie. Er wollte es auch nicht. „Geh...runter...weg von...mir...“ Stöhnte sie.
Ein Schmerz machte sich in Emmanline breit. Diese Hilflosigkeit und Demütigung. Wieso tat er ihr das an? Was hatte sie ihm denn getan, dass er sie so behandelte? Das konnte doch nicht nur durch ihrem Fehler bestehen, weil sie ihm etwas gestohlen hatte, oder?
Er ignorierte sie und machte einfach weiter und rieb sich stöhnend an ihr. Sie hatte vor Angst angefangen zu zittern. Flehte sogar schon vor Scham. Er war kurz davor sie zu nötigen und zu vergewaltigen. Es war ihm egal und es kümmerte ihn kein Stück, wie sie sich dabei fühlte. Da sie sich noch nicht einmal bewegen konnte, lag er fast mit seinem ganzen Gewicht auf ihr. Er erdrückte sie fast. Hier würde sie nicht mehr heraus kommen. Dieser Mann hatte es ihr klar und deutlich ins Ohr geflüstert. Er hatte sie herein gelegt. Sie überlistet. Ohne jeden Gedanken oder wie man es nennt, ohne schlechtes Gewissen.
Diesmal war er es, der sie biss. Sie zuckte zusammen, weil es ein wenig zu fest war. „Bitte...“ Flehte sie erneut.
Emmanline hatte gesehen und gespürt, dass sein Drache in ihm zum Vorschein gekommen war. Da wusste sie auch, dass er kaum mit Verstand bei der Sache war. Er würde sich das nehmen, was er wollte und nachdem er verlangte. Sie war wegen seiner Kraft machtlos und konnte sich nur ergeben und sich ihm hingeben.
Auch wenn sie es verabscheute, musste sie es einstecken. Ob sie es wollte oder nicht. Als er sie vorhin so fest an die Felswand gepresst hatte, war eine unbekannte, aber unglaubliche Begierde in ihr aufgestiegen. Diese Hitze die dabei entstand, war sofort in ihren Unterleib gewandert.
Dann noch sein Kuss...oh die Götter standen ihr bei, da war sie sofort voller Verlangen gewesen. Der Geschmack seines Eigens war so männlich und herb gewesen. So voller Wildheit. Sein ganzes Sein hatte sie vollkommen eingenommen. Ihr Verstand hatte sich erst leicht vernebelt und hatte sich dann verabschiedet und sie war nicht mehr imstande gewesen rational zu denken. Ihr Körper hatte von ganz alleine reagiert und sich sogar an ihm gerieben.
Voller Erwartung, was wohl als nächstes passieren würde oder was er ihr weiterhin gab. Ihre Neugier war entflammt gewesen. Emmanline stand kurz davor, den Rest von sich selbst zu verlieren.
So was hatte sie nie gewollt. Jedenfalls nicht so beeinflusst zu werden. Nie wieder wollte sie so erniedrigt werden, wenn jemand ohne ihr Einverständnis das nahm, was er schon dachten, es gehöre ihm. Genau das wollte sie vermeiden. Sie wollte nicht schon wieder zur einer Marionette werden oder der Spielball von jemandem.
Deswegen hatte sie sich zusammen gerissen und ihren Verstand bewusst wieder zum Arbeiten gebracht, um ihr Verlangen zu ihm zu stoppen, weil es sie anekelte und weil sie sich verraten fühlte, hatte sie ihn in seine Zunge gebissen. Ihr war nicht bewusst wie fest, aber es hatte gereicht, das sie sein Blut auf ihrer Zunge geschmeckt hatte. Eine explosionsartige Empfindung, wie ein Stromschlag, war durch ihren Körper gewandert. Ihre Knie waren so weich geworden, dass sie sich an ihm festkrallen musste.
Erst seine Wut brachte sie vollkommen zu ihrem wahren Verstand zurück und hatte sie mit einem Schlag raus gerissen. So schnell konnte sie nicht schauen, warf er sie über seine Schulter. Die Luft wurde ihr durch den harten Druck seiner Schulter, aus ihren Lungen gepresst. Sie war im ersten Moment schockiert gewesen, bis sie sich gewehrt hatte.
Sie hatte sofort auf seinen Rücken mit ihren Fäusten eingetrommelt. Geschrien, er solle sie runter lassen. Drohte ihr und dann...er hatte ihr tatsächlich auf den Hintern geschlagen. Ab da hatte sie auch verstanden was er vorhatte. Dieser Mann wollte sie lehren und züchtigen.
Entsetzen, Angst, Wut, Hass und Zorn war in ihr aufgestiegen. Ohne es genau mitzubekommen, hatte sie ihn einfach in den Nacken gebissen. Tat es, weil sie ihm genauso Schmerzen zufügen wollte, sowie er es auch bei ihr tat.
Nun brüllte er vor Zorn auf und warf sie einfach von seinen Schultern nach vorne. Emmanline wusste nicht wo er sie hingebracht hatte. Vermutlich wieder in eines seinen Kerker und sie stellte sich deswegen auf einen schmerzhaften Aufprall ein. Nichts dergleichen geschah. Leicht landete sie so sanft, dass sie sich überhaupt nicht verletzen konnte.
Überrascht schaute sie schnell um sich und wollte wissen wo sie war. Das Entsetzen stand ihr ins Gesicht geschrieben, als sie sah, wo sie sich überhaupt befand.
Auf einem Bett, mit schwarzen weichen Decken, als würde sie auf Federn liegen. So weich und leicht fühlte es sich an.
Sein Schlafbereich.
Erkenntnis überflutete sie und das pure Entsetzen. Sofort rappelte sie sich auf und wollte rückwärts kriechen, aber kam nicht weit, weil sie sich in den Bettdecken verhedderte. Aber sie drehte sich um. Noch nicht einmal kam sie auf allen Vieren, da packten schon seine Hände ihre Fußknöchel und riss sie zurück. Seine massige Gestalt begrub sie unter ihm. Gerade wollte sie ausholen, um ihn an seiner empfindlichsten Stelle zu treffen, knurrte er darauf drohend, sie solle es nur weiterhin versuchen. Sofort stoppte sie und wurde noch mehr starr vor Angst. Langsam stiegen in ihr Tränen auf, aber sie schluckte sie sofort wieder runter. Diese Blöße würde sie ihm nicht geben. Niemals!
Emmanline wurde immer weiter auf das weiche Bett gedrückt und der Drache legte sich zwischen ihre Beine. Presste seine harte Erektion an ihre noch immer leicht empfindliche Stelle ihres Unterleibes. Halb stöhnend und schreiend entfuhr es ihr. Das konnte doch nicht wahr sein. Wieso reagierte ihr Körper nur darauf? Sie verstand sich selbst nicht mehr.
Solch ein Empfinden hatte sie in ihrem ganzen Leben noch nie verspürt. Es war ihr unverständlich und sie bekam selbst Angst vor sich selbst. Stets hatte sie gedacht, sie würde ihren Körper kennen, aber nun? Das Gefühl das sie kaum noch Kontrolle über ihren Körper zu haben schien, versetzte sie in Angst und Schrecken. Ihr Verstand wollte es nicht. Das durfte nicht sein. Auch die wilde stürmische Art von diesem Mann verstärkte alles nur noch mehr. Ihm war es egal, was sie dabei dachte oder sich gar fühlte. Er war eingenommen und das verleitete ihn, alles zunehmen was er wollte. Ohne Zugeständnisse. Dieser Drache würde sie nun endgültig in den Abgrund stürzen, was vor ihm keiner vermocht hatte.
Heiß fühlte sie seinen Atem an ihrem Hals. Sein Gesicht vergrub er in ihrem Haar. Emmanline hielt die Luft an und bewegte sich keinen einzigen Zentimeter. Sie musste still halten. Seine Zähne waren dicht an ihrer empfindlichsten Stelle und könnten sie mit einem einzigen Biss, ihr die Kehle raus reißen. Den Schmerz wollte sie nicht erfahren. Schließlich war er das Raubtier und sie die Beute. Sie hatte nicht solche Krallen oder Rasiermesser scharfen Zähne wie er. Auch wenn sie wusste, dass er sie nicht auf diese Art verletzten würde, so würde er es anders tun. Ohne Blut vergießen zu müssen.
Langsam fing er an, seinen Unterleib an ihrem zu reiben. Sein Glied lag der Länge nach auf ihrem Geschlecht. Ihr wurde immer heißer unter ihrem lauten Stöhnen, bäumte sie sich gezwungener Maßen gegen ihn. Ihr Körper verlangte unbewusst nach mehr und das wusste der Drache. Ein amüsiertes Raunen vibrierte durch ihren ganzen Körper und ließ sie ungeahnte Lust verspüren. So erregend fühlte sich das an. Alles in ihr schrie nach mehr und das ließ sie gleichzeitig erschaudern vor Angst und doch nach mehr betteln.
„B…bitte…hör…auf…ich will…das nicht…“ Versuchte sie es noch einmal erneut, mit zitternder keuchender Stimme.
„Dabei spricht dein Körper eine ganz andere Sprache.“ Lachte er leicht auf. Das ärgerte sie leicht, dass er sie so auslachte. Er spielte sein eigenes Spiel mit ihr und das amüsierte ihn sehr. „Gib dich mir einfach hin und ich verspreche dir, du wirst ungeahnte Lust verspüren.“ Daran würde sie keinen einzigen Moment zweifelte, das es so sein würde.
„Ich kann das nicht…“ Schüttelte sie mit ihrem Kopf. Sie erbebte sofort und bekam eine Gänsehaut, als er über ihren Hals leckte. Genau unter ihrem Ohr, wo ihre Halsschlager in einem rasenden Tempo schlug. Wie ein Presslufthammer. Selbst hatte sie noch nicht einmal gewusst, dass sie dort so empfindlich war.
Nun zitterte sie auch am ganzen Körper. Wie gerne würde sie dem jetzt entkommen. Wegschieben konnte sie ihn nicht. Er war wie ein Berg und er fühlte sich auch so hart an, während ihre Hände auf seinen Muskeln an seinen Oberarmen lagen. Also was nun tun? Sie konnte sich ihm doch nicht einfach wie eine Puppe hingeben, nur damit er ein Spielzeug hatte, das ihn förmlich erfreute. Auf seine eigene Art, wohingegen sie sich beschämend und ausgenutzt fühlte. Vielleicht sogar schmutzig.
Langsam stützte der Drache sich auf seinen Händen neben ihr ab und blickte von oben auf sie herab. Sein Blick hatte sich noch mehr intensiviert. In seinen großen goldenen Augen die förmlich glühten, konnte sie sich leicht widerspiegeln sehen. Es war magisch und nur allein ihr galt dieser Blick. Wieso wirkten seine Züge in seinem Gesicht nun viel weicher und kantiger? So richtig männlich und anziehend. Nicht mehr so scharf und unheimlich. Das war wirklich anders. Dabei schaute sie jetzt auf seine Lippen, die so schwungvoll waren und ein wirklich verruchtes Lächeln hervor rufen konnten. Einmal konnte sie seine festen Lippen schon auf ihren spüren, so fordernd und wild die ihre küssten. Und wenn sie ehrlich war, dann gestand sie jetzt, dies war ihr erster Kuss gewesen.
Anscheinend bekam der Drache das mit, wie sie auf seine Lippen gestarrt hatte und knurrte bestätigend darauf. Seine Augen blitzten kurz auf und erst da beugte er sich zu ihr herab. Ahnend, dass er sie jetzt gleich wieder küssen würde.
Emmanline hatte das Gefühl, dass es um sie herum Totenstill wurde. Das Einzige was sie noch hörte, war ihr eigener Herzschlag, das in ihren Ohren dröhnte und ihr schnell schlagender Puls. Das war doch alles nicht mehr normal. Wie konnte er, nachdem er ihr das alles angetan hatte, so ihren Körper beeinflussen und ihren Verstand dadurch mit Leichtigkeit abschalten? Wie konnte sie sich so beeinflussen lassen?
Kurz vor ihrem Mund zischte er schmerzhaft auf und fluchte lauthals. Entfernte sich ruckartig rückwärts und presste seine Hände fest an seinen Kopf. Seine Gesichtszüge waren schmerzhaft verzerrt und er stöhnte unter einer anscheinenden Attacke auf. Leicht taumelte er zurück.
In der Zeit hatte sie sich auf ihren Ellenbogen abgestützt und schaute ihn nur an. Doch sie realisierte die Situation wieder vollkommen und krabbelte rückwärts von ihm weg, bis sie mit ihrem Rücken an die Lehne des Bettes ankam. Sie zog ihre Knie fest an ihren Körper und schlang ihre Arme darum, welche Position beschützend für sie wirkte, während sie ihn nicht ein einziges Mal aus den Augen ließ. Was hatte er nur? Er schien Kopfschmerzen zu haben.
Gerade wollte Lucien erneut seine Lippen auf ihre legen. Ihr sehnsuchtsvoller Blick, den sie in ihren Augen gesehen hatte, als sie auf seine Lippen gestarrt hatte, war im ersten Moment irritierend gewesen, aber sein Verlangen dafür, war überwältigend gewesen. Er wollte genau das Gleiche wie sie. Dieser Gedanke hatte ihn schon zu einen anerkennenden Knurren verleitet und hatte sich langsam zu ihr runter gebeugt, bis er eine laute Stimme in seinem Kopf vernahm, die ihn schmerzhaft aufstöhnen ließ.
„LUCIEN DE LA CRUISE!“ Hallte es so dröhnend in seinem Kopf, die so eiskalt wie das Sibirien selbst war. So kalt wie die Gletscher dort.
„Verdammte…Scheiße…“ Taumelte er leicht im sitzen und richtete sich auf. Gerade noch so konnte er sich an einer der Bettsäulen festhalten, bevor er erneut auf die Knie sackte.
„Was soll das verdammt nochmal,…“ Fluchte er gedanklich zurück. Lucien wusste ganz genau wer ihn in Gedanken stark bombardierte. Es war niemand anderes, als seine: „…Mutter…?“ Die erbarmungslos sein konnte. Selbst ihren Kindern gegenüber.
„Wenn du nicht sofort deinen Arsch hierher bewegst, reiße ich ihn dir auf!“ Fauchte sie lautstark. Ihr war es egal, welch Schmerzen sie ihm dadurch bereitete.
„Hör auf damit!“ Knurrte er bedrohlich zurück. Es kostete ihn immer noch Mühe, bis er sein Gleichgewicht wieder erlangt hatte. Sein Blick ging auf die Frau, die vor ihm davon kroch, die Entfernung vor ihm suchte und sich leicht zusammen kauerte, während sie ihn so beobachtete. Das mochte er nicht. Weswegen auch immer, aber sie sollte nicht vor ihm flüchten. „Was habe ich denn jetzt schon wieder getan?“
„Reize mich nicht noch zusätzlich! Bewege dich endlich! Wenn du nicht bis zur Abenddämmerung hier erscheinst, mache ich meine Drohung wahr!“ Unterbrach sie einfach die Verbindung zu ihm und nur noch Ruhe herrschte in seinem Kopf. Er hatte seinen Kopf wieder für sich alleine und seufzte erleichtert auf. Der Schmerz in seinem Kopf verringerte sich, bis er ganz verschwunden war.
Es ärgerte ihn und seinen Drachen, das sie genau in diesem berauschenden Moment raus gerissen wurden. Gerade als sie soweit war, sich ihm hinzugeben. Doch nun wurde alles durch seine Mutter zunichte gemacht. Wenn sie ihn nicht gedanklich bombardiert hätte, würde sie jetzt stöhnend unter ihm liegen und nach mehr verlange, wozu er mit Vergnügen bereit gewesen wäre. Nun aber sitzt sie ängstlich und zusammen gekauert am Kopfende des Bettes und starrte ihn nur an. Den Gesichtsausdruck von ihr konnte er nicht genau definieren. Die Angst spiegelte sich in ihren Augen nicht wieder. Viel mehr roch er es. Ihr Blick wirkte so teilnahmslos und das weckte in ihm ein Gefühl es zu ändern. Er wollte auch diesen Augenblick zurück, wie sie ihn selbst verlangend angeschaut hatte. Der Moschusduft von ihr, war nun vollkommen verschwunden. Sein Drache tobte darüber und fletschte seine Reißzähne, dass sie ihm nun gegenüber so begegnete.
Das Problem daran war, dass er dem Befehl seiner Mutter nachgehen musste. Sie war die Königin des Drachenvolkes.
Noch!
Fügte er gedanklich hinzu. Solange bis er das Erbe von seinem Vater antrat. Als sein Vater damals gestorben war, war Lucien noch zu jung gewesen und einfach nicht bereit den Thron zu besteigen. Langsam änderte sich das auch. Seine Reife seines Verstandes und die Stärke seines Drachens, kamen seinen Vater immer ähnlicher. Lucien hatte noch vier weitere Brüder und fünf Schwester. Er war nicht der Älteste unter ihnen, sondern der Drittälteste. Trotzdem musste er das Erbe seines Vaters antreten. Es lag ihm im Blut. Nicht jeder hatte das Zeug zu einem Anführer seines Volkes. In dem Gesetzbuch der Drachen stand geschrieben, dass der Geruch eines Alpha an demjenigen anhängen muss. Nur derjenige hatte Kraft und das Zeug dafür ein ganzes Volk an zuführen. Das war seinem älteren Bruder Raiden nicht vergönnt gewesen. Aber nein, es musste ja an ihm liegen bleiben. Dabei hatte er nicht das Bedürfnis dazu, das Erbe und den Platz seines Vaters einzunehmen.
Deswegen stand seine Mutter, Rhivanna de la Cruise, noch ganz oben in der Rangordnung und nahm den Thron ein. Solange eben, bis er dazu bereit war. Das stand auch bevor, in geraumer Zeit. Das kam auch noch zusätzlich, weswegen er so gereizt war, je näher es rückte. Also musste er notgedrungen ins Schloss der Königsfamilie. Sein damaliges Zuhause, wo er aufgewachsen war. Damals war er schon früh abgehauen, aber eines Tages wusste er, dass er dies irgendwann als sein Zuhause wieder betrachten musste. Dabei war diese Höhle sein liebstes gewesen. Hier hatte er Ruhe und konnte machen was er wollte. Hier war sein Hab und Gut.
„Wie gerne ich dies hier weiterführen würde, so muss ich dir sagen, dass ich für eine Weile fort muss. Wenn ich wieder komme, werden wir dort weiter machen, wo wir aufgehört haben. Ich freue mich schon darauf.“ Raunte er, sein Grinsen immer breiter werdend. Ihre Augen weiteten sich dabei und versuchten sich noch weiter an die Kopflehne zu pressen. Als wenn sie versuchen würde, ihm zu entkommen, wenn sie hoffte durch Wände gehen zu können. Sehr amüsierend.
Mit einer einzigen Drehung wandte er sich um und ging zu einem seiner Schränke, öffnete einen aus dunkler europäischer Eiche und holte eine Eisenkette mit Fesseln heraus.
Lucien spürte intensive Blicke auf seinem Rücken. Natürlich versuchte sie zu erfahren was er nun vorhatte. Sicher traute sie ihm nicht. Kaum hatte er sich umgedreht, quiekte sie einmal entsetzt auf und versuchte sofort aus dem Bett zu flüchten. Er war mit großen Schritten sofort bei ihr. Sie schaffte es nicht einmal aus dem Bett, da hatte er seine Arme schon um ihre Taille geschlungen.
„NEIN…“ Schrie sie auf und wehrte sich mit all ihrer Kraft. Sie strampelte wild vor sich hin, wandte sich in seinem Griff. „Nein…ich will nicht. Lass mich los! Das kannst du nicht machen.“ Wurde sie immer hysterischer und wilder. Panik ergriff sie und das fühlte er. Ihr Herz pochte wahnsinnig schnell, sodass es in seinen Ohren dröhnte.
Während er sie mit einem Arm fest hielt, schwang er die lange Kette um eines der Bettpfosten, am Kopfende, griff nach ihren Handgelenk und verschloss sie binnen von Sekunden mit den Fesseln. So schnell konnte sie es nicht registrieren, da war sie gefesselt. Erst da ließ er sie wieder los und nickte zufrieden, als sie versuchte sich davon zu befreien. Er hatte sie fester gestellt, damit sie mit ihren dünnen Handgelenken nicht raus schlüpfen konnte.
Die Elfe zerrte und rüttelte. Vergebens. Das würde sie nicht schaffen. Auch nicht, wenn sie sich dagegen stemmte.
„Ich weiß nicht wie du es geschafft hast, aus dem Kerker zukommen, aber daraus wirst du dich nicht mehr befreien können.“ Sah es auch an ihrem Blick und die Verzweiflung darin, dass sie es nicht konnte. Deswegen ergab sie sich auch und sackte hockend zusammen. Ihren Kopf nach unten hängend.
„Wieso…?“ Wollte sie wissen und schaute ihn ohne Umschweife an. Diese Augen. Gott bewahre ihn! Ihre silbernen Augen waren wie das schärfste Schwert. So traf es ihn auch.
Lucien ließ sich neben ihr aufs Bett nieder und strich ihr das schneeweiße Haar aus dem Gesicht.
„Du kennst den Gru…“ Schlug sie ihm sofort die Hand von sich weg.
„Fass mich nicht an!“ Fauchte sie schon halb und diese Stimme von ihr klang so angewidert. Bei dieser Abweisung knirschte er mit seinen Zähnen und sein Gesicht verzog sich leicht vor Zorn.
„Na schön, du willst es nicht anders. Von mir aus bleib solange an den Ketten, bis du versauerst.“ Entgegnete er ihr fauchend und stand auf. Er schaute noch einmal auf sie herunter, drehte sich einfach um und ging.
„Nein, du kannst mich hier nicht so zurück lassen. Mach mich wieder los.“ Schwang Panik in ihrer Stimme mit. Lucien konnte das rasseln der Kette hören, während sie verzweifelnd versuchte sich daraus zu befreien. „Nein, komm zurück! I…ich schwöre auch, nicht weg zulaufen. Nur mache mich los,…bitte…“ Zitterte ihre Stimme und dieses ‚Bitte‘ war so flehend, dass er kurz stehen blieb, aber er drehte sich nicht zu ihr um. Seine Arme hingen an seinem Körper hinunter und seine Hände ballten sich zu Fäusten.
Diese Frau, die so einen festen starken Blick zu haben schien, flehte ihn an? Wieso wollte sie unbedingt die Fesseln loswerden? Es waren doch nur einfache Eisenfesseln und er hatte sie nicht zu fest gestellt, damit sie sich hätte verletzte können. Vorstellen und verstehen konnte er es sich schon. Sie wollte nicht angekettet werden. Wer wollte das auch schon? Es würde ihm ja nicht anders gehen, aber er konnte es nicht riskieren. Egal wie viele Schwüre sie ablegen würde. Sie würde solange an den Ketten bleiben, bis er zurückgekehrt kam. Das würde vielleicht maximal zwei Tage dauern. Das würde sie wohl überstehen. An Essen dachte er überhaupt nicht.
„Gewöhne dich dran.“ Sprach er gleichgültig und verschwand einfach.
„Nein…“ Schrie sie ihm laut hinterher und hatte ihre Hand nach ihm ausgestreckt, dass er zurückkommen sollte. Emmanline konnte es nicht fassen. Er hatte sie einfach zurück gelassen. Einfach so. Ohne jegliches schlechtes Gewissen und er hatte noch nicht einmal richtig auf ihr Flehen reagiert. Natürlich er war stehen geblieben, aber er hatte sich kein einziges Mal gerührt. Dieser Mann ging einfach.
Bebend sah sie noch immer in die Richtung wo er verschwunden war. Das konnte doch nicht wahr sein.
Ihr Arm sank langsam wieder nach unten und sie fühlte sich allein gelassen. Erneut zurück geworfen, von Neuen. Es war komisch, aber für einen Moment hatte sie sich so gefühlt, als würde der Drache ihr nahe sein und hätte ihr etwas geben wollen, wonach sie sich sehnte.
„Verflucht, Emmanline! Spinnst du? Erinnerst du dich nicht daran, was er dir alles angetan hatte? An noch nicht einmal einen vergangenen Tages? Nie könnte er dir etwas geben, wonach du dich verzerrst.“ Vergrub sie enttäuscht das Gesicht in ihre Hände, während sie mit sich selbst sprach. Nicht darüber, das was der Drache getan hatte. Also das er sie hereingelegt hatte und sie nun hier an den Ketten hing. Nein! Sie war auch noch dumm. So dumm, das sie sich hätte selbst Ohrfeigen müssen, damit sie endlich zur Besinnung kam.
Emmanline musste sich einfach nur wachrufen, was er war. Er war ein verfluchter Drache. Er war genau wie alle anderen, die ihr so viel genommen hatten. Einfach alles.
Wieso also, hätte sie sich beinahe einen Drachen hingegeben? War sie schon vollkommen von Sinnen und verkorkst, weil sie nichts anderes kannte, als in Gesellschaft von diesen Kreaturen zu leben? Die so kaltblütig, erbarmungslos und brutal waren? Anders konnte man sich selbst nicht bezeichnen.
Noch einmal rüttelte sie an den Fesseln an ihrem Handgelenken, versuchte mit ihren kleinen Händen durch zu schlüpfen, aber er hatte genau darauf geachtet, dass sie fest genug eingerastet waren. Der Drache hatte auch damit Recht gehabt, aus diesen Eisenfesseln konnte sie nicht heraus kommen. Aus jeder einzelnen Zelle schon oder Käfig, solange sie nicht wie jetzt angekettet war.
Ihre Kräfte gingen langsam zur Neige. Sie lehnte sich an das Kopfende zurück und streckte ihre Beine aus. Leicht hob sie ihre Arme und betrachtete das Eisen an ihren Gelenken. Es wirkte schon. Sie spürte es tief in sich. Die Panik war nicht ohne Grund gewesen. Noch immer dröhnte ihr rasender Herzschlag in ihrem Kopf wieder. Es beruhigte sich einfach nicht, denn es konnte einfach nicht. Jetzt nicht mehr.
Seitwärts sackte sie zusammen und rollte sich zur Kugel zusammen.
„Nur noch eine Weile…“ Murmelte sie vor sich hin. „Dann ist es zu spät…“ Seufzte sie erledigt auf und vergrub ihr Gesicht in eines der unzähligen Kissen. Es roch nach ihm. Nach einem wilden stürmischen Herbsttag, der diesen herrlichen Geruch nach erdigem hatte. Etwas Standhaftes.
Emmanline ließ ihren Blick nun durch den Höhlenraum wandern. Sie lag in einem großen Bett, das mit schwarzem Samt bezogen war. Vier Pfosten ragten an jedem Ende des Bettes nach oben, hielten ein Himmelbett über ihr. Weinrote Tücher hingen halb an den Seiten runter. Es bestand die Möglichkeit, dass man die Vorhänge ganz zuziehen konnte. Neben dem Bett stand auf jeder Seite ein kleines Tischchen, mit einem Kerzenständer darauf. Die Kerzen brannten mit einem warmen Schein. Vor dem Bett lag ein weicher großer brauner Teppich. Mit nackten Füßen darauf zu laufen, würde sich sicher so anfühlen, als würde man auf Wolken laufen.
Sofern sie noch erkennen konnte, sah sie den Schrank aus dunklem Eichenholz, wo er die Eisenfesseln herausgeholt hatte, um sie anzuketten. Daneben stand noch solch ein Schrank, aber das wollte sie nicht wissen, was sich darin verbarg. Mehr konnte sie nicht erkennen, denn sie hatte keine Lust und Kraft mehr, um sich aufzusetzen und ihren Rundgang mit ihren Augen fortzusetzen. Außer das am Eingang links und rechts ein riesiger Standkronleuchter standen. Auch mit brennenden Kerzen.
Seufzend schloss sie ihre Augen wieder. Nicht mehr lange und sie würde sowieso bald keine Kraft mehr haben. Das Eisen in diesen Ketten würde ihre Energie aus ihrem Körper ziehen. Solange bis sie ganz ausgelaugt war und nur noch als leere Hülle zurück blieb.
Eine ganze Weile war er schon in seiner Drachengestalt in der Luft unterwegs. Er flog verärgert über den Wolken, denkend über zwei Frauen. Einmal seine Mutter die ihm alles vermasselt hatte. Dabei hätte er jetzt in den Armen einer Elfe gelegen, die sich verlangend nach ihm verzerrte. Doch stattdessen entfernte er sich immer weiter von seiner Höhle und somit auch von dieser Frau.
Und da war die zweite Frau auch schon. Diese kleine geheimnisvolle Elfe. Seit er aus der Höhle ausgeflogen war, dachte er ununterbrochen daran, was er alles hätte mit ihr angestellt. Als erstes hätte er sie noch länger geküsst, bis sie atemlos unter ihm lag. Ihre Lippen wund von seinen fordernden Küssen. Danach hätte er sie langsam und gemächlich ausgezogen. Ausgepackt wie ein kleines Präsent. Sicher wäre es qualvoll für ihn gewesen sie langsam auszuziehen, weshalb es besser gewesen wäre es schneller zu tun, so wollte er einfach nur alles genüsslich von ihr erkunden. Langsam. Man konnte so schon ihre perfekten Kurven unter ihrer engen Kleidung erkennen, aber nackt? Wenn er ihr milchweiße Haut betrachten könnte, die einen herrlichen Kontrast zu seinem dunklen Laken abgegeben hätte. Lucien wusste, das ihre Haut zart und weich war, aber an andere Körperstellen wollte er sie auch berühren, er brannte schon darauf.
Manchmal hatte er auch so das Gefühl, das ihre Haut leicht leuchtete. Doch wollte er genauer hinsehen, war er jedes Mal verwirrt gewesen, da war es dann nicht mehr sichtbar. Deswegen dachte er, er würde nur halluzinieren. So ganz gab er die Hoffnung trotzdem nicht auf. Was auch immer sie verbarg, er würde es herausfinden. Wenn er als Drache lächeln könnte, wäre es jetzt auf seinem Gesicht erschienen. Lucien war erwartungsvoll und konnte es kaum abwarten, weiterhin mit ihr zu spielen. Vorfreude hatte ihn gepackt, verschwand aber schnell wieder, als er das Schloss erblickte. Ihm blieb nichts anderes übrig, das Ganze über sich ergehen zu lassen. Dieser Anblick erweckte gute, sowie schlechte Erinnerungen in ihm. Vor allem die mit seinem Vater, Raziz De la Cruise. Er war ein mächtiger Anführer gewesen und würde noch immer herrschen, wenn er nicht von seinem eigenen Bruder, Shiraz verraten worden wäre.
Alles hatte sich damals durch seinem Tod verändert. Irgendwie war ein größer Teil der Drachen gespalten und gingen ihre eigenen Wege und der Rest war geblieben, die seinem Vater die Loyalität geschworen hatten. Sie blieben an der Seite von Rhivanna, seiner Mutter und Königin. Sollte Lucien erst an der Macht sein, so musste er sich diese Loyalität seines Volkes selbst verdienen. Das war wichtig und nur so konnte ein Reich bestehen, hatte sein Vater ihm einmal gesagt. Also musste er das als erstes in Angriff nehmen. Er musste einen Weg finden, wie er das schaffen konnte. Wenn er das mitrechnen konnte, was er im Geheimen aufgebaut hatte. Damit würde er sich erst beschäftigen, wenn es so weit war. Noch hatte er andere Sorgen.
Gerade landete er auf den Vorplatz und verwandelte sich zurück in seine menschliche Gestalt. Kaum war er fertig, sprang etwas Wildes auf seinen Rücken. Er und sein Drache mussten auflachen. Dieser leichte Geruch war ihm mehr als vertraut.
„Ich freue mich dich auch zu sehen, meine kleine Malatya.“ Klang er erfreut und schnappte sich das kleine Bündel auf seinem Rücken und setzte es auf seinem Arm ab, wo sich auch gleich kleine Ärmchen um seinen Hals schlangen.
„Bruder, ich habe dich so vermisst. Endlich kommst du wieder zu Besuch.“ Kicherte sie und legte ihre Wange an seine, weil sie es liebte sich an seinen leichten Stoppeln seines Bartes zu reiben. Oh ja, dies war seine kleinste Schwester und sie war die Liebste unter seinen Geschwistern. Er hatte aber noch vier weitere Brüder und fünf Schwestern, mit diesem kleine Bündel einberechnet.
Malatya hatte schwarzes gelocktes langes Haar, das ihr bis zu ihrem kleinen Hintern hinabfiel. Ihre Augen waren das frischeste und hellste Grün, wie eine Wiese ihm frühsten Frühling. Es war immer wieder das Schönste, wenn ihre strahlenden Augen ihn anlächelten. Das vermisste er des öfteren, wenn er nicht daheim war. Sie war gerade mal an die knapp hundert Jahre alt. Welches Aussehen von fünfzehn war, sollte man es mit einem normalen Wachstum vergleichen. Also wirkte sie wie ein kleines normales Mädchen.
Da Drachen unvorstellbar alt werden konnten, dauerte es eine längere Zeit bis Drachenkinder ihr Erwachsenenalter erreichten. Welcher Durchschnitt zwischen zweihundert bis dreihundert Jahren lag. So war Malatya noch immer im Kindesalter. Das kleine Nesthäkchen der Familie.
Lucien hatte trotz, dass sie so jung war und er schon über zweitausend Jahre, das Gefühl eine sehr besondere Bindung zu ihr zu haben. Auch Malatya konnte es spüren.
„Na bist du schon wieder vor deinem Unterricht geflohen?“ Hob er fraglich eine Augenbraue, als er bemerkte welche Kleidung sie trug. Bildung war das Wichtigste.
„Ich weiß nicht was du meinst.“ Schaute sie ihn unschuldig und mit vorgeschobener Unterlippe an. Nur ein kleines ermahnendes Knurren reichte vollkommen aus. „Linava wiederholt ständig das Gleiche. Dabei weiß ich das doch schon alles. Und ihr Unterricht ist so langweilig.“ Verschränkt sie etwas mürrisch ihre Arme vor der Brust.
Darauf konnte er nur lachen. „Ich weiß, aber es nützt nichts. Aber ich glaube Linava hat sicherlich einen guten Grund, weshalb sie das alles wiederholen muss.“ Setzte er sie vor sich ab. Sie ging ihm gerade mal bis zur seiner Hüfte. Sicher war Lucien noch ohne Bekleidung und stand so vor seiner kleinen Schwester, aber das war das Normalste unter ihnen. Gestaltenwandler besaßen keine Hemmungen. Sei denn, sie waren in einer bestimmten Phase, was meist auf die Weiblichen zutraf.
„Aber dann bist du wieder weg, ohne noch einmal zu mir zu kommen. Jetzt wo du endlich wieder da bist.“ Wirkte sie etwas bedrückt und blickte auch zu ihm herauf.
„Ich verspreche dir, ich werde nachher zu dir kommen, bevor ich gehen sollte. In Ordnung?“ Ging er neben ihr in die Hocke. Bei diesen Worten, hellte sich ihr Gesicht sofort wieder auf.
„Wirklich?“ Lächelte sie wieder und nickte.
„Ja. Ich muss nur vorher noch einmal zu Mutter und mit ihr reden. Sie erwartet mich sicher schon.“ Meinte er. Da verzog seine kleine Schwester leicht das Gesicht. Sie beugte sich etwas weiter zu seinem Ohr hin und flüsterte ein paar Worte hinein.
„Mama, ist verärgert.“ Wollte sie ihn nur vorwarnen und das nahm er dankend an, gab ihr dafür einen kleines Kuss auf ihre Stirn.
„Danke, Süße! Aber nun verschwinde, bevor du noch mächtigen Ärger bekommst.“ Scheuchte er sie lachend davon, schaute ihr noch so lange nach, bis sie verschwunden war. Erst da drehte er sich um und ging zu dem Haupttor, wo ihm schon die Tore von den Wächtern in schwarzer Rüstung geöffnet wurden. Es war ein dickes Eisentor und es hielt sogar der stärksten Feuerflamme eines Drachen stand.
Also…einfach nur alles so schnell wie möglich hinter sich bringen und in seine Höhle zurückkehren, wo eine gewisse Frau auf ihn wartete, mit der er noch spielen wollte.
Lucien betrat die Vorhalle und ein langer Korridor erstreckte sich vor ihm, wobei ihm bewusst war, dass er zu dem Thronsaal führen würde.
Mit großen Schritten ging er den Korridor entlang und achtete nicht auf seine Umgebung. Er wusste wie alles hier aussah. Riesige dicke Marmorsäulen aus Drachen stützten mit erhobenen Händen und Klauen die hohen Decken, ein Zeichen ihrer Stärke. Der Boden war mit glänzendem Perlmutt farbigen Steinplatten gepflastert. Lucien wusste wie sehr dieses Schloss in wertvollem und antiken Stil gebaut wurde, ein Zeichen ihres Reichtums. Überall wurden genauso Gegenstände mit Gold verziert oder bestanden komplett daraus. Drachen liebten eben das Glänzende und Prunkvolle. Darum horteten sie ja auch nicht umsonst Schätze in unermesslichem Wert.
Während des Schreitens durch den Korridors, führten eine Menge Abzweigungen in andere Bereiche des Schlosses. Zu privaten Räumen, Gemächern, Sälen und derweil anderen Räumen. Das Schloss war einfach zu riesig um zu wissen wie viele Räume es hatte oder wofür sie verwendet wurden. Kannte man sich hier nicht aus, konnte es schnell passieren, dass man sich hier verlief. Zu seinem Kindheitstagen war ihm das oft passiert, bis er bald verstanden hatte wo es lang ging.
Vor dem Tor des Thronsaals kam ihm eine Bedienstete entgegen und auf ihren Armen trug sie Kleidung. Ermessen dankte er ihr und zog sie sich an. Er trat dann erst in den Thronsaal. Als erstes erblickte er seine Mutter, die erhaben auf ihrem Thron saß und den Raum mit ihrer ganzen mächtigen Präsenz ausfüllte. Sie hatte ihn sofort angeschaut, als er eingetreten war. Und er hatte ihren Blick sofort erwidert. Ihr Blick strafte ihn, mit ihren finsteren Augen. Sie war sauer, mächtig sauer. Dabei war es ihm bewusst gewesen, als er hier her kam. Er wusste es auch schon vorher, wo sie ihn im Geiste bombardiert hatte. Langsam ließ er seinen Blick weiter im Raum schweifen, erkannte seine vier Brüder und seine ältere Schwester.
„RAUS! ALLE RAUS!“ Schrie die Königin auf dem Thron laut und zornig. Keiner seiner Geschwister widersetzte sich ihrem Befehl und sie verließen den Saal. Nicht ehe sie ihm vorher einen strafende Blick zugeworfen zu haben oder ihm Mitleid zu spenden. Lucien wusste erst, dass sie alleine waren, als ein Klicken hinter ihm hörte, welches Tor in seinem Schloss einrastete. Alles was nun in diesem Saal für Worte und Geheimnisse fielen, würde unter Verschluss bleiben. Kein einziges Wort konnte durch die dicken Wände nach außen dringen.
Seine Augen hatten sich auf ihren Befehl wieder auf sie gerichtet, sie stand dann auf, schritt die paar Stufen hinab und kam auf ihn zu. Er blieb dort stehen wo er stand, denn ihm war bekannt, dass sie gerade keine nähere Akzeptanz ertragen würde. Lucien könnte mit Leichtigkeit mit seiner Präsenz den Raum erfüllen, aber er beherrschte sich. Sie war die Königin und er musste sich unterordnen. Nicht nur dessen Stellung, sondern auch, weil sie seine Mutter war. Sein Kopf senkte sich, als sie vor ihn trat. Das tat er auch nur seiner Mutter gegenüber. Das war eine Sache der Ehre und Schätzung. Keine Unterwürfigkeit oder weil er sich dafür schämte, dass er eine große Dummheit begangen hatte. Welche ihm bewusst war.
Vor ihm blieb sie stehen. Man sah sofort von wem Malatya ihr Aussehen geerbt hatte. Sie war genau das Ebenbild ihrer Mutter. Rhivanna hatte auch schwarzes Haar, das nur länger war und fast den Boden erreichte. Ihre Augen genauso leuchtend Grün. Sie war eine hochgewachsene Frau und reichte ihm bis zur Brust, wobei er schon an die zwei Meter groß war.
„Hast du den Verstand verloren?“ Brüllte sie ihn schon fast an und sie bebte vor Zorn. „Ein Engel in eines deiner Kerker zu werfen und dann noch ihren Lichtstein zu stehlen?“ Fiel sie dabei gleich mit der Tür ins Haus. Sie war nicht der Typ dafür gewesen, dass sie Umschweife machte, wenn gleich direkt ins Getümmel stürzen und alles gleich auf einen Punkt zu bringen. Dabei war er genauso.
Lucien zuckte darauf nur mit seinen Schultern und es war sinnlos sich daraus zureden oder es irgendwie zu erklären, wenn es doch die Wahrheit war. Er stand zu seinen Taten.
„Ich weiß einfach nicht was in dich gefahren ist. Ich dachte dein Verstand arbeitet soweit mit, dass solche diffizile Probleme erst gar nicht auftreten. Weißt du eigentlich was dein dummes, nicht überlegtes Verhalten, bewirkt hatte?“ Gab sie ihm einen Moment der Überlegung, aber ließ ihn nicht viel Zeit, damit er antworten konnte. „Es könnte einen erneuten Krieg zwischen unseren beiden Völkern geben. Dabei hatte dein Vater damals sich stark bemüht eine Art Waffenstillstand aufzubauen. Dies stand sowieso schon auf wackeligen Beinen. Nur ein klitzekleiner Fehler und alles wäre zunichte, was je dein Vater erreicht hatte. Dieser Waffenstillstand reichte bis jetzt über fünfhundert Jahre. Dein Fehlverhalten hat mächtige Konsequenzen, Lucien.“ Fuhr sie einfach weiter fort und scherte sich nicht darum, ob er was darauf sagen wollte. „Du weißt selbst wie die Kriege zwischen unseren Völkern waren, welche Verluste wir erlitten hatten oder welch Schaden dabei entstanden war. Wenn wir nicht so eine Art Packt abgeschlossen hätten, wäre kaum noch was von unseren Völkern übrig geblieben. Es blieb uns damals keine andere Wahl. Also nun zu meiner Frage, wieso hast du das getan?“ Verschränkte sie ihre Arme vor der Brust.
Selbst wenn sie voller Wut war, war sie noch ansehnlich, dachte er im Stillen. „Ich kann selbst noch nicht einmal sagen, wieso ich das getan hatte. Ich hatte nur einen Rundflug über die nördlichen Gebirge gemacht, von meiner Höhle aus. Allein der Geruch von diesem Engel hatte mein Blut zum Kochen gebracht, gerade wenn ich an die Vergangenheit zurück denke. Ich verstehe noch nicht einmal warum sie sich auf die Erde begeben hatte. Dabei ist dieses, ach so hochnäsige Volk zu fein dafür, um auf die Erde zu kommen.“ Knurrte er wütend darüber, bei dem Gedanken daran, wo er ihr am See begegnet war. Da hatte sich anscheinend sein Verstand ausgeschaltet gehabt. Nur kam ihm da ein anderer Gedanke. Diese Elfe die in seiner Höhle wartete, hatte doch auch so was ähnliches gemeint, sie wüsste nicht, wie sie seinen blutroten Rubin aus seinem Hort gestohlen hatte, könnte sich an nichts mehr erinnern. Nun musste er das wohl noch einmal überdenken, wenn er zurückkehrte. Jetzt hatte er keine Zeit dafür. Er musste das als erstes klären.
„Das ist für mich keine Entschuldigung, Lucien.“ Schüttelte sie seufzend und missbilligend mit ihrem Kopf. „Die Ältesten der Engel hatten sofort meine Anwesenheit aufgesucht und darüber Bericht erstattet. Sie waren außer sich vor Wut und ich versprach ihnen eine Lösung zu finden. Dieser Waffenstillstand darf nicht gebrochen werden, dies wissen die Engel auch. Deshalb verlangen sie, dass du dich vor ihnen rechtfertigst. Vor ihrem hohen Rat. Innerhalb von drei Tagen. Du musst die Konsequenzen tragen“ Schaute sie ihn ernst an und wandte sich um und ging zu einem der Fenster. Erst da gestattete er sich, ihr zu folgen, blieb aber hinter ihr stehen.
„Du weißt, dass ich für meine Taten stehe.“ Sagte er entschlossen.
„Ja, das weiß ich. Schließlich darfst du dir das nicht erlauben. Nicht mehr lange und du musst meinen Platz einnehmen. Ich bin nicht diejenige die auf dem Thron sitzen sollte.“ Drehte sie sich wieder zu ihm um und schaute leicht zu ihm rauf. „Du musst das Erbe deines Vaters antreten. Du kannst dich nicht immer vor deiner Pflicht drücken.“ Was Lucien genau wusste. „Das Drachenvolk braucht seinen wahren König zurück und die Drachen müssen wieder vereint werden, müssen wissen, wem sie angehören und wem sie folgen müssen. Es wird nicht einfach sein, die umzustimmen, die ihren Rücken der Königsfamilie zugekehrt hatten, aber ich weiß du kannst es schaffen. Du wirst deinem Vater immer ähnlicher und besitzt genauso die Stärke von ihm. Ich will dich mit ihm nicht vergleichen, dass weißt du.“ War es beschwichtigend von seiner Mutter, weil sie genau wusste, dass er nicht im Schatten seines Vaters stehen wollte. „Trotzdem besitzt du deine eigenen Eigenschaften, die dich zu einem großen König machen würden.“ Sagte sie diesmal in einem gemächlichen Ton und hob ihren Arm, um ihre warme Hand auf seine Wange zu legen. Dies war ihre eigene bestimmte Geste ihm gegenüber zu zeigen, dass sie trotz aller Verantwortung und Zorn, ihn liebte. Auf mütterlicher Ebene.
„Doch ich kann bald nicht mehr, Lucien. Es sind jetzt schon sieben Jahre vergangen, als Raziz mir genommen wurde. Ich muss meinem Gefährten folgen.“ Zierte Trauer ihr Gesicht und von Zeit zu Zeit, wurde ihre Anwesenheit zum Leben immer weniger. Raziz und Rhivanna waren wahre Seelengefährten gewesen. Sie waren durch ein besonderes Band miteinander verbunden, das tiefer als alles andere ging. Solche Bindungen gab es nur noch selten unter den Drachen, die bis zum Grund der Seele gingen und das Leben des jeweiligen miteinander teilten. Stirbt der eine Teil, so stirbt der Andere auch. Den Lebensfunken seiner Mutter hatte sein Vater besessen und sein Tod nahm alles von ihr mit. Gefährten waren es bestimmt ihren Seelengefährten ins Reich der Toten zu folgen. Ohne den Anderen konnte der jeweilige nicht bestehen. Es hatte ihn nur gewundert, wie lange Rhivanna dies ausgehalten hatte. Normalerweise passierte es innerhalb von einem Jahr, das der Partner folgte. Durch die Zerstörung von Trauer, Leid und Schmerz. Das bewies nur, dass seine Mutter solange durchhielt, wie es nötig war. Deswegen wusste Lucien, es würde nicht mehr lange dauern. Jeder von seinen Geschwistern wusste es und niemand könnte sie aufhalten. Nicht einmal Malatya, obwohl sie die Jüngste war.
Wahrscheinlich musste er den Thron schneller besteigen, als er dachte. Eines Tages würde Rhivanna an den Ort zurückkehren, wo es sie bestimmt hinzog und sie das beendete, wozu sie gedrängt wurde.
Auf einmal zog er seine Mutter an sich und schlang seine Arme um ihren Körper. Auch wenn es unglaubwürdig aussah, aber sie hatten trotzdem noch ihre Privilegien, welche sie brauchten. Nur seit dem Tod von seinem Vater hatte sich alles verändert. Früher war es so gewesen, dass die Beziehung in seiner Familie harmonischer war. Nicht so zurückhaltend und auf Abstand. Es war einfach nicht mehr dasselbe, wie damals. Rhivanna zog sich immer mehr zurück. Deswegen war es wichtig, dass ihre eigenen Kinder sie daran erinnerten, wo sie stand. Sie brauchte genauso die Körperprivilegien, wie jeder andere auch. Ohne Berührung auf längere Zeit, könnte es qualvoll werden. Alles konnten er und seine Geschwister ihr nicht geben, weshalb sie so litt, ohne ihren Gefährten.
„Ich werde diesem Treffen zustimmen und vor den Rat der Engel treten und eine Möglichkeit finden, dass alles wieder in Ordnung kommt. In drei Tagen werde ich aufbrechen.“ Versprach er ihr.
Rhivanna lehnte sich an ihn. „Ich kann dich verstehen, wieso du dich so zurückgezogen hast, Lucien.“ Hatte sie bewusst das Thema gewechselt. Auch wenn das Andere wichtiger wäre. „Ich habe mir oft Gedanken darüber gemacht, wieso du so weit außerhalb des Schlosses lebst. Mir sind Dinge zu Ohren gekommen, die mich überrascht hatten. Jetzt weiß ich es.“ Klang Verständnis in ihrer Stimme mit und sie zog sich von ihm zurück, damit sie ihn anschauen konnte. „Du hast heimlich versucht, die Meinung derer zu verändern, die sich auf eine Gemeinschaft unseres Volkes abgesondert hatten. Hast du das seit dem Tag angefangen, als dein Vater getötet wurde und du bemerkt hattest, was auf uns zukommen würde?“ Wollte sie von ihm wissen.
„Schon viel früher hatte ich damit begonnen.“ Schloss er für einen Moment seine Augen. „Ich wusste, dass ich eines Tages, den Platz von Vater einnehmen müsste. Meine Aufgabe war stets gewesen, das ich die Verantwortung hatte, die Grenzen unseres Reiches zu kontrollieren und mit meinen zugestellten Männern darauf achten sollte, dass niemand eine Bedrohung für unser Volk darstellte. Auf meinen Missionen hatte ich dies noch immer mit etwas anderem verbunden. Deswegen war ich ständig auf Patrouille und wollte somit auch einen Überblick erhalten und Kontakte zu bestimmten Regionen halten. Wo die meisten Ansammlungen waren. Alles konnte ich nun nicht aufsuchen, also musste ich mehr die Dörfer im Auge behalten, in jede Himmelsrichtung. Ab und an hatte ich eine Routine gemacht, nur um zu wissen, ob alles in Ordnung war und das Zufriedenheit herrschte. Bedenken musste ich auch, wessen Vorstellungen sie zu einer Gemeinschaft und zu dem allgemeinen Wohl hatten. Das konnte ich nur herausfinden, wenn ich die Kontakte aufbaute, was in dieser Zeit zwar nicht meine Aufgabe gewesen war, aber ich hatte es als wichtig empfunden.“ Erzählte er. Noch nie war jemanden aufgefallen, weshalb er sich so zurückgezogen hatte. Die Meisten dachten, es wäre allein der Grund gewesen, dass er sich vor der Verantwortung drückte, oder dass er einfach nur herumstrich. Es war nicht gelogen gewesen, das er wirklich schon ein paar Mal daran gedacht hatte, einfach zu verschwinden, aber er würde niemals sein Volk in Stich lassen. Dazu war er nicht geboren.
Lucien war nur zu einem Einzelgänger geworden, damit er Vorbereitungen auf seine spätere Zukunft hatte aufbauen können und weil ihm viel an dem Wohl seines Volkes lag. Anscheinend erkannte das seine Mutter jetzt zum ersten Mal, denn ihre Augen flackerten verstehend auf und sie fing dann leicht an zulächeln. „Wieso hast du nie darüber gesprochen? Jeder hätte Verstä…“
„Nein!“ Unterbrach er sie. „Es war meine Pflicht und nur ich konnte sie erfüllen. Mich interessiert es nicht, wenn sie Vorurteile gegen mich hegen. Vater hatte stets seine eigenen Methoden gehabt und ich musste meine eigenen finden. Mehr konnte ich nicht machen und niemand hätte mir dabei helfen können. Ich will es auch alleine schaffen.“ Blickte Lucien zum Thron hin, wo stets sein Vater gesessen hatte. Dieses Bild erschien ihn so unwirklich, wo er in geraumer Zeit sitzen würde. Doch so sollte es sein.
Rhivanna bekam den unwissenden Blick von ihrem Sohn mit und sie verstand ihn, welche Bürde auf seinen Schultern lastete. Sie wusste, er würde es schaffen. Lucien würde ein guter König werden und das Volk der Drachen zu Ehre und Reichtum leiten. Zu einem erneuten Imperium, wie es in Legenden beschrieben wurde. Eines Tages…
So nahm sie den Draht wieder auf, welchen sie vorhin bewusst gewechselt hatte. „Ich stimme deiner Entscheidung zu. In drei Tagen. Ich will aber nicht das du alleine gehst.“ Erklang ihre Stimme ernst und sie ging erneut an ihm vorbei, um zu ihrem Thron zurückzukehren. „Dein Bruder Raiden wird dich zu diesem Treffen begleiten.“
„Was?“ Entsetzen hallte in seiner Stimme mit. Raiden war der Älteste unter seinen Geschwistern. „Wieso ausgerechnet, Raiden?“ knurrte er leicht. „Außerdem braucht mich niemand begleiten.“
„Rede kein Unsinn, Lucien. Glaubst du ich würde dich alleine dorthin ziehen lassen?“ Schnaubte sie und setzte sich wieder. „Ich vertraue ihnen kein Stück. Außerdem weißt du, dass dein Bruder der Botschafter unseres Volkes ist. Es wäre ratsam, wenn er dich begleiten würde.“ Das tat sie nicht nur, weil sie ihm vertraute. Der Gedanke daran war nur, vielleicht noch andere politische Wege zu erreichen. Dies war kein dummer Gedanke und das musste Lucien zugeben, also willigte er Widerwillen ein.
Die Beiden sprachen noch über etwas belangloses, bis er endlich davon befreit war. Am liebsten würde er jetzt sofort wieder zu seiner Höhle zurück fliegen, aber wie er geahnt hatte, wurde er aufgehalten.
Lucien saß mit seiner Schwester Ysera - die Zweit geborene, mit Charia - die Viert geborene und mit Lodan und Taran - Zwillinge und die Acht geborenen, zusammen in einem der Versammlungssäle, an einem Tisch.
„Also ich hätte niemals gedacht, dass du einen Engel in eines deiner Kerker wirfst. Also ich bin beeindruckt.“ Lachte Ysera schon seit zehn Minuten ohne Unterbrechung. Sie war eine perfekt ausgebildete Kriegerin und besaß den Rang einer Wächterin. Nur weil sie eine Frau war, wurde sie oft unterschätzt.
„Halt die Klappe! Wie oft willst du mir das jetzt noch unter die Nase reiben?“ Knurrte Lucien leicht verärgert und hatte seine Arme vor seiner Brust verschränkt, während er seine Füße auf den Tisch gelegt hatte.
„Solange bis ich genug davon habe.“ Antwortete sie lachend und ihm war mehr als bewusst, dass das noch einige Jahrzehnte andauern würde.
„Du solltest doch langsam wissen, wie Ysera ist. Sie macht aus allem einen Spaß, wenn es nicht gerade um Gaias geht.“ Meinte Charia grinsend und sofort hörte Ysera auf zulachen. Sie fluchte und knurrte missbilligend und voller Abscheu.
„Gaias? Der Gaias Wailing? Immer noch? Ich dachte ihr habt euch im Bett schon ausgetobt.“ Wirkte er doch etwas überrascht. Er war ein Lykae und stand in seinem Volk auf der Rangordnung eines Offizier, welches man einem Wächter gleichstellen konnte. Solange er sich erinnern konnte, waren die Beiden Konkurrenten und fühlten sich auf ab neigenden Gefühlen zueinander hingezogen. Da konnte er sich ein Grinsen nicht verkneifen.
„Du verdammtes Miststück. Und...Fick dich, Lucien! Lasst mich ja mit diesem arroganten Arsch in Ruhe. Ich werde mich niemals so herab lassen und mit ihm in eine Kiste springen.“ Fluchte sie. „Doch mal was anderes.“ Verwarf sie sofort wieder das Thema und beugte sich zu ihm herüber, weil sie genau neben ihm saß. „Du riechst nach einer Frau. Eine kleine Note von einer Elfe. Wirklich selten. Du scheinst ganz schön tief gesunken zu sein, dass du dich mit einer von diesem scheinheiligen und hochnäsigen Volk einlässt, dass sich seit einer halben Ewigkeit nicht mehr blicken lässt.“ Roch sie an ihm und rümpfte angewidert mit ihrer Nase.
Sein Drache in ihm fletschte die Zähne und Ysera zog sich zurück, denn es war ratsam dies zu tun und nicht den Stolz seines Drachens oder dem von ihm selbst in Frage zustellen. „Das kann jawohl meine Sorge sein oder soll ich dir sagen, dass du nur eine gewisse Zeit braucht, bis du mit Gaias Wailing im Bett landest.“ Betonte er extra den Namen von diesem Lykae. Aufbrausend und empört sprang sie blitzartig auf ihre Beine und riss den Stuhl zu Boden.
„Leck mich doch!“ Zischte sie dampfend davon. Das war eine der schlimmsten Bemerkungen die man machen konnte, um sie zu einem Wutausbruch zubringen.
„Auf welcher Quote liegt das Gebot jetzt zwischen Ysera und Gaias?“ Fragte Lucien sofort, als seine Schwester verschwunden war.
„Laut Berechnung sind die Quoten auf 30 Nuyar angestiegen.“ Berichtete Taran und grinste dabei.
„Was so hoch schon? Da biete ich doch gleich noch einmal mit. Ich gebe ihn noch maximal zwei Monate, bis sie in die Kiste hüpfen und es miteinander treiben.“ Lachte er lauthals los.
Noch eine kurze Zeit unterhielt er sich mit seinen Geschwistern, bevor er zu Malatya ging. Schließlich hatte er es ihr versprochen, bevor er abreisen würde, sie aufzusuchen. Er brauchte nicht lange um sie zu finden.
Immer wieder fielen Emmanline die Augen zu. Sie konnte sie kaum noch offen halten. Ihre Kräfte schwanden immer mehr und sie lag wie ein Stein in diesem weichen Bett und konnte sich nicht mehr rühren. Sie hatte sich vorher zu einer Kugel zusammen gerollt.
Das Zeitgefühl war ihr schon lange verloren gegangen und konnte nicht mehr bestimmen, wie lange der Drache nun verschwunden war. Es müsste auf jeden Fall mehr als ein halber Tag vergangen sein, sonst würde sie vermutlich noch nicht so daliegen. Obwohl manchmal ging es schneller als wie gedacht.
Blinzelnd versuchte sie nun klare Sicht zu bekommen, denn immer mehr verschwamm es vor ihren Augen. Sie war so furchtbar müde und schaffte es noch nicht einmal zu gähnen, so entkräftet war sie. Alles nur durch dieses Eisen ihrer Fesseln. Wenn die nicht wären.
Während Emmanline hier alleine in der Stille lag, konnte sie über vieles nachdenken. Über ihre Vergangenheit, was sie erlebt und durchgemacht hatte, sowie was jetzt erst geschehen war. Mit diesem Drachen. Er hatte Dinge mit ihr angestellt die kaum begreifbar waren. Er hatte sie auf eine Art und Weise berührt, wessen sie nie gedacht hätte, so fühlen zu können. Sie kannte solche Empfindungen nicht, die noch tiefer gingen. Ein verräterischer Teil in ihr, war bezaubert von den Berührungen dieses Mannes gewesen. So nahe und doch so warm. Einerseits war es ihr unangenehm, das er genommen hatte, was er wollte, welches Einverständnis er nicht einmal bei ihr eingefordert hatte. Er nahm es sich einfach. Das verletzte sie immer aufs Neue. Genau so fühlte sie sich. Verletzt und nur benutzt, weil es alle taten.
Welcher Gedanke ihr auch noch kam, was würde der Drache tun, wenn er sie hier vorfinden würde, wenn er zurückkehrte? Würde er vor Zorn toben? Oder...nein diesen Gedanken wollte sie nicht fortsetzen. Es würde niemals sein. Solche Gedanken gestattete sie sich erst nicht, zu denken jemand würde sich um sie sorgen. Es gab niemanden, der das tat, ihr gegenüber. Also war es überhaupt nicht wichtig, noch weitere Gedanken darüber zu verschwenden.
Emmanline konnte nun wirklich nicht mehr ihre Augen offen halten, musste ihre Augen vor den Verlust ihrer Kräfte schließen. Eine unsagbare Kälte machte sich in ihr breit. Es wurde immer schwerer Luft in ihre Lungen zu ziehen. Das Atmen erschwerte sich stetig mehr. Dieses Gefühl, wie ihr die Luft zum atmen fehlte, war qualvoll, was wichtig zum Leben war. Sie japste nun und ihre Atemzüge kamen nur noch stoßweise. So musste sich ein Fisch fühlen, wenn er gezwungen war an Land zu sein.
Ihr Brustkorb senkte sich in schnellen Zügen auf und ab, während ihr Herz in rasender Geschwindigkeit schlug und versuchte den Rest oder das wenige was von dem Sauerstoff noch übrig geblieben war, in ihren ganzen Körper zu pumpen. Doch es würde nichts nützen.
Wenige Minuten später und ihr Herz schlug immer unregelmäßiger. Ihr ganzer Körper erschlaffte nun vollkommen, einen entsetzten Atemzug weiter und sie sackte in sich zusammen, schlief ruhig ein. Solange, bis ihr Herz endgültig stehen blieb.
Wie viel Zeit war vergangen?
Fast einen ganzen Tag hatte er sich im Schloss aufgehalten, nur um bei seiner Mutter anzutanzen. Fluchend flog er nun erneut durch die Lüfte und konnte es nicht fassen, sich so lange hat aufhalten zulassen. Dabei wollte er schon seit Stunden wieder in seiner Höhle sein, wollte nur kurz besprechen. Sein letzter Besuch sollte lediglich nur bei seiner kleinen Schwester Malatya sein. Sie hatte sich so gefreut, dass er sein Versprechen ihr gegenüber gehalten hatte. Dabei hielt er immer das, was er versprach. Er könnte nicht wirklich eine Bitte von ihr abschlagen, wenn sie ihn nur mit solchen großen Augen anschaute. Das war vermutlich die einzige Schwäche an ihm, als Bruder war er da einfach aufgeschmissen.
Malatya war nur nicht die Einzige gewesen, die ihn aufgehalten hatte. Raiden hatte ihn im Nachhinein auch aufgesucht, bevor er wieder verschwand. Er wollte erst knurren, aber verkniff es sich, weil es wichtig gewesen war. Schließlich sollten sie ja gemeinsam ins Himmelreich und ein paar Unstimmigkeiten klären. Welche wohl sein Verschulden waren. Doch es war auch ein seltsames Gespräch zwischen ihm und seinem Bruder gewesen. Es war nicht ganz das Gespräch gewesen, das er vermutet hätte. So hatte er seinen Bruder noch nie erlebt gehabt.
Lucien ging gerade den Korridor entlang, um auf den Hauptplatz zu kommen. Er musste los, aber er hatte es gewusst. Schon wieder wurde er aufgehalten und blieb stehen. Ein bekannter Geruch stieg ihm in die Nase. Mehr als bekannt. Hinter ihm kam ein hochgewachsener Mann hinter einer Drachenstatue heraus, die die hohe Decke stützte.
„Raiden?“ Sprach er tonlos und drehte sich zu seinem ältesten Bruder aber nicht um.
„Normalerweise müsste ich dir die Kehle herausreißen, als ich erfahren hatte was du getan hattest.“ Klang Raidens Stimme tödlich und gefährlich. Selbst seine Macht konnte er spüren, die er mit Absicht in der Luft verströmte. Es sollte eine Drohung an ihn sein, dabei verstand er nicht so recht weshalb.
Langsam drehte er sich nun zu ihm um und schaute ihn genauso ausdruckslos an, wie er ihn. Sie schauten sich eine ganze Weile schweigend an. Fechtenten einen geistigen und stillen Kampf aus. Einfach nur per Augenkontakt. Sein Drache bemerkte wie angriffslustig Raidens Drache war. Irgendwas stimmte da nicht. Was hatte er denn getan, was seine Kreatur so in Rage brachte? Dabei hatte er ihn schon einige Jahre nicht mehr gesehen. Der Grund lag sicherlich nicht daran, dass sie keinen Kontakt zueinander hatten.
„Was soll das? Was habe ich denn getan, dass du so sauer und gereizt auf mich bist?“ Runzelte er finster seine Stirn und ließ ihn nicht aus den Augen, wollte endlich eine Antwort darauf haben.
„Was hast du mit ihr gemacht?“ Antwortete Raiden erst nach ein paar Minuten, auch wenn es eine Gegenfrage war und seine Worte eisig klangen. Als erstes verstand er seine Frage nicht. Überlegte und musste an die kleine Elfe denken. Er meinte doch wohl nicht etwa sie? Woher wusste er von ihr? Das gefiel ihm überhaupt nicht. Sie gehörte ihm und niemand anderen.
„Das geht dich einen Scheiß an.“ Konterte Lucien mit eisiger, aber ruhiger Stimme zurück. Raidens Energie traf ihn mit voller Wucht und er bebte vor Zorn. Er musste ihn nicht anschauen, denn er wusste es auch so schon.
„Und ob es mich was angeht.“ Fauchte er zurück und kam einem Schritt auf ihn zu, wobei Lucien dort stehen blieb wo er stand. Sein Bruder mochte Macht haben, aber die hatte er auch. Wenn er eines Tages der Anführer der Drachen sein sollte, dann musste er auch die Stärke besitzen. Es mangelte ihm nicht daran diese Kraft zu besitzen. Er könnte sich behaupten, sogar seinem älteren Bruder gegenüber, aber das war im Moment nicht die Sache die er bezweckte. Es ging hier um etwas vollkommen anderes und zwar um eine Frau. Die ihm gehörte. Unbewusst musste er diese Worte in seinen Gedanken immer wieder wiederholen.
„Ich werde sie dir nicht überlassen.“ Gab Lucien nicht nach und er konnte es wirklich nicht. Weswegen auch immer er diese Frau haben wollte, aber die Elfe war ihm etwas schuldig. Solange sie ihre Schuld nicht beglichen hatte, würde er sie auch nicht gehen lassen. Das stand bei ihm so fest, wie das Amen in einer Kirche. „Wieso bist du überhaupt so versessen darauf?“ Sprach Lucien weiter und runzelte nachdenklich mit seiner Stirn. Er wollte es wissen, damit er Gewissheit bekam.
„Seelengefährtin …“ Kam nur ein einziges Wort über seine Lippen und Lucien erstarrte. Seine Augen weiteten sich etwas.
Das durfte nicht sein. Nicht sie, dachte er entsetzt. Das konnte einfach nicht sein. Dabei wollte er mit ihr spielen, aber wenn es stimmen sollte und die Elfe seine Gefährtin war …dann … Verdammt er wusste überhaupt nicht was er dann machen sollte, denn er hätte dann kein Recht mehr auf sie. Dann musste er sie gehen lassen. Nur einmal im Leben findet man seinen bestimmten Seelengefährten, deswegen existierte ja auch das Gesetz, das sich niemand zwischen wahre Gefährten stellte. Sollte sich jemand ihnen in den Weg stellen, konnte der Mann erbarmungsloser, brutaler und grausamer werden. Der Beschützerinstinkt und der Trieb, seine Gefährtin zu besitzen und zu beschützen, würde nur noch umso stärker werden. Dieser Drang geht soweit, bis die Eine oder der Eine an deren Seite war. Nichts könnte sie aufhalten, nur noch der Tod.
Also hatte er kein Recht sich zwischen sie zu stellen, auch wenn es in ihm Unbehagen auslöste.
Aber dennoch, eine Frage brannte noch auf seiner Zunge. „Woher kennst du diese Elfe?“ Schaute er ihn ernst an und wollte darauf eine Antwort bekommen. Er wollte es wissen. War es vielleicht deswegen, wieso er das Gefühl hatte, dass sie schon einem anderem seiner Art begegnet war? Anderen Drachen? War es Raiden gewesen?
Da erkannte Lucien einen kleinen Funken Verwirrung in seinen Augen. „Elfe? Wovon redest du?“ Runzelte Raiden nun mit seiner Stirn. Nun wurde alles verwirrender. Anscheinend für sie beide.
„Du meinst nicht die Elfe? Ich habe sonst niemand, der sich zurzeit in meiner Höhle aufhält.“ Verschränkte er seine Arme vor der Brust. Das konnte jetzt wirklich interessant werden. Wen meinte er dann? Moment, da war noch etwas anderes, was Lucien jetzt einfiel und anders betrachtete. „Der Engel!“ War es eine Feststellung, nicht als Frage formuliert.
Die Bestätigung war ein tiefes Knurren von Raiden. Das konnte doch wohl nicht wahr sein. Raiden und Jesaja? Engel und Drachen waren seit jeher Feinde und nun sollte ein Engel die Gefährtin seines Bruders sein? Der bei dem damaligen Krieg intensiv mitgekämpft hatte und unzählige Engel, mit seinen eigenen Händen getötet hatte. Was ihm Spaß gemacht hatte und dieses Blut klebte an seinen Händen. „Du hast es echt beschissen getroffen. Ein Engel? Verdammt …“ Weiter kam er nicht und er bekam von seinem Bruder einen dicken Fausthieb mitten ins Gesicht, wobei er zurück taumelte.
„Du beschissenes Arschloch. Wage es ja nicht, schlecht über meine Gefährtin zu reden. Auch wenn sie ein Engel sein mag, so werde ich mir sicherlich nicht die Chance entgehen lassen und mich meiner Gefährtin verwehren. Du weißt, dass es nie sicher ist, ob einem dieses Glück zuteilwerden lassen könnte. Sie gehört zu mir.“ Brüllte er ihn an. „Ich habe es so satt, das du dich so aufspielst. Du magst eines Tages der Anführer unserer Rasse sein, aber das heißt noch lange nicht, dass du auch dafür geboren bist. Du bist voreingenommen und arrogant. Wie willst du da herrschen?“ Bebte Raiden vor Zorn und seine Worte waren eiskalt. Sein Bruder und er waren noch nie richtig miteinander ausgekommen und das fand er auch nicht sonderlich tragisch, aber er hatte Respekt vor ihm und ihn so zusehen, war außergewöhnlich. Es gab nicht viel was seinen Bruder aus der Ruhe bringen konnte. Doch jetzt, es war ihm mehr als wichtig. Egal was sie zu sein schien.
„Verflucht, es tut mir leid!“ Entschuldigte er sich und umfasste sein Kinn und bewegte seinen Kiefer etwas schmerzhaft. „Ich konnte das doch nicht ahnen, Raiden. Wenn ich gewusst hätte, wer sie für dich ist, hätte ich das niemals getan.“ Gab er zu und er meinte es wirklich so. Niemals würde er seinem Bruder seine Gefährtin, die ihm vom Schicksal vorherbestimmt war, vorenthalten.
„Weil du einfach zu hitzköpfig bist, Lucien.“ Vergab er ihm noch immer nicht. „Weißt du was du da angerichtet hast? Du hast mir alles zunichte gemacht, was ich je bei ihr erreicht hatte. Wir stehen kurz davor einen erneuten Krieg herauf zu beschwören. Was hast du da nur getan oder eher dabei gedacht?“ Schüttelte er enttäuscht mit seinem Kopf. Das war eine Rüge von ihm und missbilligend.
„Ich kann es nicht mehr ändern.“ Knurrte er nun etwas wütend zurück. „Ich konnte ja wohl nicht ahnen, was sie für dich ist. Gerade, weil sie ein Engel ist.“ Zischte er ihn an.
„Ach, vergiss es! Du wirst es nicht verstehen. In drei Tagen, hier auf dem Schlosshof.“ Wies er ihn scharf darauf hin. „Sei pünktlich!“ Verschwand er einfach.
Lucien knirschte mit seinen Zähnen und es machte ihn wütend, wie herablassend sein Bruder, ihm gegenüber manchmal war. Das war schon von jeher so gewesen.
Kein Wunder das seine Laune nur noch dadurch verschlechtert wurde. Der ganze Tag war nicht so gelaufen, wie er es sich vorgestellt hatte. Als erstes wurde er aus seinem tiefen Schlaf gerissen, dann wurde ein Teil seines Schatzes, von einer kleinen unbedeutenden Elfe gestohlen und sie weigerte sich, ihm seinen Rubin zurückzugeben. Er mochte vielleicht seinen kostbaren Rubin in den Hintergrund gestellt haben, aber er würde ihn zurückbekommen. Solange bis er mit der Elfe fertig gespielt hatte, denn danach war noch genug Zeit. Was er mit ihr danach noch tat, das würde er in dieser Zeit beschließen. Es war doch ganz einfach, oder etwa nicht? Ein guter Plan, den er sich vorerst vornahm. Bis auf, dass er noch nicht daran dachte, wenn er vor den Rat der Engel treten musste. Dafür hatte er noch drei Tage Zeit. Da konnte er sich erst ein wenig vergnügen, bevor die Lage ernst wurde.
Der Himmel war leicht bedeckt und die Sonne hatte durch den leichten Schleier keine sonderliche Chance ihre Sonnenstrahlen auf der Erde zu verbreiten. Doch das würde innerhalb weniger Stunden sowieso keine Rolle mehr spielen, denn dann würde die Sonne am Horizont verschwunden sein. Die Abenddämmerung würde sich kurze Zeit später zeigen. Die perfekte Zeit der Drachen.
Ihm blieb nichts unbemerkt, als er verfolgt wurde und es ging ihm langsam sichtlich auf die Nerven, dass man ihn nicht einmal in Ruhe ließ. Er hatte zwar sonst einen bestimmten Teil seiner Zeit diese Ruhe, aber das an einem Tag, wurde ihm doch etwas zu viel. Lucien wusste, dass sich das irgendwann ändern würde. Danach hatte er eine rund um die Uhr Stellung, die ihn dazu zwang Kontakte in Massen zu haben, sogar mit anderen Völkern.
Deswegen musste das jetzt nicht sein, dass er schon wieder verfolgt wurde?
„Was willst du, Jade?“ Sendete er per Gedanken eine Nachricht, an den Verfolger. Oder viel mehr, die Verfolgerin.
„Och, nun sei doch nicht gleich wieder so abweisend und griesgrämig. Immerhin hatten wir uns eine lange Zeit nicht mehr gesehen.“ Wirkte die Stimme etwas gekränkt, was mit Sicherheit nicht so gemeint war, erklang eine weibliche verführerische Stimme in seinem Kopf wieder. Kaum das er zu ihr gesprochen hatte, gesellte sich neben ihm ein weiterer Drache hinzu, nur etwas kleiner, als seine eigene Gestalt. Sie war selbst ein Feuerdrache und ihr Rot leuchtete regelrecht in dem hellen Licht. Ihre Augen waren das leuchtendste dunkle Grün was er je gesehen hatte. Genau diese Eigenschaft zeichnete sie wie der edle Stein Jade aus, eine seiner kleineren Schwestern. Wieso suchten jetzt fast alle seine Geschwister ihn auf? Das an einem Tag.
„Trotzdem besteht die Frage noch, was du hier willst.“ Ging er auf seine erste Frage noch einmal ein. Dabei schaute Lucien auf und erblickte langsam seine Höhle. Endlich, musste er sich diese Bemerkung machen. Er hatte das Gefühl, dass es eine Ewigkeit her war, als er das letzte Mal in seinem Heim war. Die Vermutung, die daran lag, war, das er es kaum abwarten konnte, mit der Elfe zu spielen. Diesmal kam ihm schon wieder was dazwischen.
“Nun sei mal nicht so mürrisch. Ich habe was Interessantes herausgefunden. Was du ja angeblich wissen wolltest. Schon vergessen?“ Knurrte nun seine Schwester zurück, denn sie konnte es selbst nicht leiden, so abgewiesen zu werden. “Ich kann meine Zeit auch anders nutzen.“ Fluchte sie leicht und es kam bei ihm an.
“Ist ja gut, ich nehme es zurück! Also was hast du herausgefunden? Ist was an der Sache dran, dass die Fae …“ Auch bekannt unter dem Namen: Feen. „… Intrigen gegen die Nymphen planen? Es sollten vielleicht nur Gerüchte sein, aber wir könnten es als eine Art Vorteil betrachten. Sollten sie sich wirklich bekriegen und es bricht ein Krieg aus, würden die Fae mit Sicherheit einen niederschmetternden Verlust hinnehmen müssen. Selbst die Nymphen.“ Ging er jedes Szenario in seinem Kopf durch. Die Fae waren machthungrig und schmiedeten gerne Intrigen, gegen andere Völker. Die Gerissenheit und List war für ihren Ruf unverkennbar. Sollte dieses angriffslustige Volk einen einmal im Nacken sitzen, dann waren sie wie Blutegel, die nicht so schnell wieder locker lassen würden. Deswegen war es immer gut die Fae im Auge zu behalten, man wusste nie.
„Und ob die was planen. Nur sind die Nymphen nicht die einzigen Opfer.“ Redete sie in einem Schwall, als würde sie über das Wetter reden. Kein Wunder das sie sich das angeeignet hatte. Jade war eine verdammt gute und gerissene Spionin, denn er kannte niemanden, der sich so gut irgendwo unbemerkt untermischen konnte und er wollte ihre Methoden auch nicht wissen. Doch letzten Endes hatte sie sich angeeignet, dass sie nie etwas zu Herzen nahm oder es als etwas Tastbares anzunehmen, welches sie beeinflussen könnte. Seine Schwester war eine hinterlistige Frau, aber hatte eine gute Seele. Sie war ganz und gar ein Drache, er seinem Volk alle Ehre machte. Dadurch das sie ihr Leben so in lebensgefährliche Lagen brachte, zog er seinen Hut vor ihr und er war auch verdammt stolz auf seine kleinere Schwester.
„Wie meinst du das?“ Schwang Unverständnis in seiner Stimme mit.
„Sie planen auch andere Volker in ihre Spiele mit einzubringen. Nur der Trick dabei ist, dass sie dafür nicht ein einziges Mal ihre Hände schmutzig machen müssen.“ War ihre Stimme tonlos und hart geworden. Eine Jägerin, ganz in ihrer Natur. Da er schwieg, sprach sie weiter: „Die Fae werden in andere Völker die Samen der Zwietracht pflanzen. Dies soll ihre Strategie sein. Sehen wir es so, stochere mal mit einem Stock in einem Nest voller Hornissen. Das dann gleich in mehrere, dann wirst du merken, welche Auswirkungen das haben würde.“
„Einen verdammten Krieg!“ Fluchte er und hatte somit ihren eigentlichen Gedanken zu Ende gebracht. Sollte das wirklich geschehen, dass dieser Krieg ausbrach, dann war es mehr als hundert prozentige Wahrscheinlichkeit, dass noch einige andere Völker davon betroffen sein würden. Noch schlimmer, die Schwächeren in der Mythenwelt.
„Sie werden bei den Aggressivsten anfangen. Wobei sie es schon längst getan haben. Der Beginn sind die Lykae und Dämonen. Sie sind Todfeinde.“ Welches kein Geheimnis mehr war. Das würde zu einer Katastrophe werden.
„Das ist mir auch schon zu Ohren gekommen, welcher Krieg schon seit einer längeren Zeit so geht. Soll nicht der König der Lykae, Dyade Wisdom, vor einigen Jahren in den Krieg gezogen sein und der sogar bis heute noch anhält?“ Warf er sein weiteres Wissen darüber ein. Vor ungefähr sechs Jahren war Dyade in den Krieg gezogen, als Dämonen in sein Reich eingedrungen waren, um zu verwüsten. In seiner Abwesenheit hatte sein Bruder Garett seinen Platz eingenommen, bis Dyade wieder aus dem Krieg zurück kehrte. Es war kein Geheimnis, das Garett gerne mit in dem Krieg gezogen wäre, aber es war taktisch von Dyade, dass er seinen kleineren Bruder dazu verpflichtete, ihn bis dahin zu vertreten.
„Da liegst du auch richtig. Garett regiert vorübergehend, bis Dyade vom Krieg zurück kehrt, aber es ist auch eine kleine Chance, dass einige es als eine Einladung ansehen. Keiner macht einen Hehl daraus, wie gerne sie das Reich der Lykae besitzen wollen. Garett muss sich sehr behaupten und niemand macht es ihm leicht. Aber passe auf. Jetzt kommen die Fae erneut ins Spiel. Die Fae haben mit ihren Plänen schon seit Jahrhunderten angefangen und niemand hatte es je bemerkt. Sie tun das so unbemerkt und präzise. Selbst die Elfen haben in ihren Plänen eine entscheidende Rolle gespielt. Nymphen waren seit jeher bei den Elfen ein Dorn im Auge. Sie sehen ihnen sehr ähnlich und werden oft verwechselt. Die Elfen sind nun einmal ein stolzes Volk und lassen sich ihren Ruf nicht schlecht machen, wenn diese Nymphen sich wie Sex hungrige Schlampen aufführen. Dafür sind sie ja mehr als bekannt. Wenn ich ehrlich bin, würde ich es auch nicht auf mir sitzen lassen. Die sind ja fast noch schlimmer, als die Sukkuben.“ Wirkte ihre Stimme angewidert davon, was ihn genauso anwiderte. Williger konnte man nicht sein. Die Sukkuben waren nur auf ihren Hunger aus. Das geschah halt nur über den Sex mit anderen Wesen. Das war ihre Nahrung, ohne würden sie verhungern. Doch der Nachteil war, dass sie gleich die ganze Lebensenergie aussaugten. Bei den Menschen würde es der Tod bedeuten, aber bei Unsterblichen, war es etwas anders. Sie würden nach einer längeren Zeit ihre Energie wieder aufgefüllt haben. Unsterbliche konnten nicht so schnell getötet werden, da musste man schon schwere Geschütze auffahren. Am effektivsten einfach den Kopf von den Schultern trennen. „Nach dem Krieg damals, zwischen Elfen und Nymphen, mischten sich sogar die Fae still und heimlich ein. Sie standen nur mehr auf der Seite dieser Schlampen. Darum waren die Elfen dem Untergang geweiht. Sie hatten nie die geringste Chance gegen solch zwei starke Völker. Nach der niederschmetternden Niederlage, verschwanden sie einfach spurlos und es gibt bis heute keine Anzeichen von ihnen.
Da die erste Bedrohung aus dem Weg geschafft wurde, sind die Nächsten dran. Die Dämonen sind auf dem Anmarsch. Dyade kann nicht an mehreren Fronten gleichzeitig kämpfen. Noch lange sind die Dämonen nicht ausgeschöpft und wenn es so weiter geht, wird Garett nicht die geringste Chance haben, das Reich der Lykae verteidigen zu können. Nicht ohne Hilfe. Es wird ihnen genauso ergehen, wie es den Elfen ergangen war. Schon verblüffend wie leicht das geht.“
Lucien wirkte sprachlos und seine Gedanken rasten von einen Gang zum nächsten. Sollte das je passieren, würde es wahrhaftig nicht mehr lange dauern, da wäre auch sein Volk dran. Jetzt mussten sie besonders aufpassen, dass sie nicht genauso in eines dieser Spiele der Fae eingesponnen wurden.
Gerade landete er vor seinem Höhleneingang und seine Schwester gleich neben ihm.
„Kannst du sie im Auge behalten? Ich habe das starke Gefühl, dass wir nicht davon verschont bleiben werden. Wir haben genug Feinde.“ Warf Lucien jetzt ein. „Oder hast du noch etwas herausgefunden?“
„Sicher werde ich sie im Auge behalten, aber wir können es wirklich als Vorteil nutzen, wenn wir einige vorwarnen. Wir Drachen gelten nicht sehr als kooperativ, aber es würde nichts schaden, wenn wir Verbündete hätten. Nie würden wir es mit mehreren Völkern aufnehmen können. Sie würden uns überrollen, trotz unserer Stärke.“ War es keine so schlechte Idee von ihr. Er würde darüber nachdenken und es vor dem Rat auch ansprechen müssen. „Ich muss einige Informationen noch einholen, um etwas Genaueres zu sagen. Aber ich werde …“ Unterbrach sie sich selbst und schaute etwas verwirrt ihren Bruder an.
Lucien war ruhig geworden und horchte. Irgendwas stimmte hier nicht. Er verwandelte sich zurück. „Hörst du das?“ Sagte er wieder laut und seine Miene wirkte verwirrt. Jade verwandelte sich auch zurück und stellte sich neben ihren Bruder. Auch sie versuchte zu lauschen und ihre Stirn runzelte sich.
„Ich höre nichts.“ Lauschte sie noch einmal. „Willst du mich veräppeln. Da ist überhaupt nichts. Kein Geruch und kein Anzeichen von Leben. Außer von den Tieren im Wald.“ Schüttelte sie ihren kleinen hübschen Kopf und ihr seidiges goldenes Haar bewegte sich bei der Bewegung elegant mit. Auch sie war eine hübsche Frau.
Nur genau das war es ja. Das Nichts.
„Da stimmt etwas nicht. Das kann nicht sein. Sie sollte da sein und auf mich warten.“ Aber er konnte überhaupt nichts wahrnehmen. Keinen Herzschlag, nur einen ganz schwachen minimalen Duft ihres eigens, der als Nachhall in seiner Höhle lag. Würde er ihren Geruch nicht kennen, hätte er genauso wenig ihren Duft aufnehmen können. Das konnte nur eins bedeuten, dass sie ihm schon wieder entkommen war?
„Sie?“ Fragte Jade nach.
„Verflucht, wie stellt sie das nur an?“ Stürmte er sofort los. Wie oft war er jetzt eigentlich so wahnsinnig durch seine Höhle gestürmt? Das kam ihm zu häufig vor in letzter Zeit. Diese Frau trieb ihn noch in den Wahnsinn und sollte er sie erwischen und wieder eingefangen haben, sie sollte nicht da sein, dann würde er sie ordentlich bestrafen.
„Hey, was ist los, Lucien? Bleib doch mal stehen.“ Folgte seine Schwester ihm in die Höhle.
Wie ein Sturm brauste Lucien durch die Gänge und fand den Weg durch sein Labyrinth, in sein Schlafbereich. Was er sah, entsetzte ihn. Ruckartig blieb er stehen und erstarrte. Seine Augen waren weit aufgerissen und er starrte auf sein Bett. Sie war überhaupt nicht abgehauen. Noch immer war sie angekettet. Jade wäre beinahe in ihn rein gerannt, weil er ruckartig stehen geblieben war, aber es hätte ihn nicht gekümmert. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf die Frau in seinem Bett gerichtet.
„Wieso bleibst du auf einmal so ruckartig stehen? Was ist denn da?“ Versuchte sie an ihm vorbei zu schielen. Anscheinend stockte auch ihr der Atem, er konnte es hören.
Keine Sekunde verschwendete er mehr und trat mit großen Schritten an sein Bett heran. Lucien stieß eine Menge Flüche aus und setzte sich aufs Bett. „Verdammt…“ Konnte er nicht aufhören weitere Flüche von sich zu geben. Je mehr er versuchte sein Gehör anzustrengen, umso weniger konnte er ihren Herzschlag hören. Wieso nicht? Sie sollte hier liegen und sie lebend vorfinden. Auch seine Augen konnten keine Bewegungen ihres Brustkorbes wahrnehmen. Sie war…tot.
„Wie konnte das nur passieren?“ Schrie er auf und rüttelte die Elfe an ihren Schultern und befahl ihr mit dem Unsinn aufzuhören und ihre Augen zu öffnen, doch es geschah nichts.
Lucien zerrte sie auf seinen Schoss und legte ihren Kopf nach hinten und strich ihr das Haar aus dem Gesicht. Die Fesseln waren lang genug, dass sie nicht sein Vorhaben daran hinderte. Ein fremdartiges Gefühl stieg in ihm auf, während er sie so betrachtete. Wie schlaff sie doch in seinen Armen lag. Leicht zitterte er am ganzen Körper und man könnte meinen, es wäre vor Wut, nur war es keine Wut, die sich in ihm einschlich. Was war hier passierte? War hier jemand in seiner Höhle gewesen und hatte sie angegriffen? Nur konnte er keinen fremdartigen Geruch wahrnehmen, aber dennoch lebte sie nicht mehr. Oder hatte sie sich selbst umgebracht, weil er sie so erniedrigt und eingepfercht hatte?
Etwas grob, aber vorsichtig, strich er über ihr Gesicht und starrte noch immer entsetzt auf sie herab. Oder eher gehetzt und hilflos. Er musste zu klarem Verstand zurückkommen und nachdenken. Was gab es noch für Möglichkeiten? Er akzeptierte nicht, dass sie einfach schlaff und ohne Leben in seinen Armen lag. Sie war verdammt bleich. Kreidebleich. Ihre dünnen blauen Blutadern zeichneten sich schon unter ihrer hellen Haut ab, und sie war kalt, eiskalt. Wie lange lag sie hier schon so? War es seine Schuld gewesen? Das sie jetzt in diesem Zustand war? Er konnte es nicht fassen.
„Was hast du mit ihr gemacht?“ Konnte er die Stimme seiner Schwester hören, die währenddessen ans Bett herangetreten war.
„Halt die Klappe!“ Er musste nachdenken. Was konnte er jetzt machen, in dieser Situation? Bei einem klaren kurzen Verstand, viel ihm etwas ein, legte sie wieder aufs Bett zurück und rannte aus dem großem Höhlenraum und direkt in seine Schatzkammer, wo er alles gehortet hatte. „Wo war es verdammt nochmal?“ Da fand er es auch schon. Lucien griff nach einem handgroßen Stein. Vielmehr ein Edelstein. Bekannt unter dem Namen, Adulareszenz.
Adulareszenz war vielleicht kein Wort, das man sich leicht merken konnte, aber zumindest war dieser Effekt leicht zu erkennen. Es ist das silbrig oder bläulich-weiß schimmernde Licht, das über die Oberfläche des bezaubernd romantischen Mondsteins glitt. Die Ursache für diesen Effekt waren Interferenzen. Dabei wurde das Licht durch die dünnen Kristallschichten des Steins gestreut. Der Begriff stammt von der in den Alpen vorkommenden Mondstein-Varietät „Adularia“. Bei Opalen wurde die Bezeichnung Opaleszenz verwendet.
Diese Edelsteine waren eine seltene Rarität und sie wurden von den Elfen hergestellt. Elfen konnten ihre Macht und Magie, besonders beim vollen Mondschein verwenden, die machtvoller als je zuvor war. Ihre Kräfte entfalteten sich beim Mondlicht besonders, weil es eine heilende und lebenswichtige Lebensenergie enthielt. Da sie nicht immer das volle Licht eines Mondes benutzen konnten und weil sie ihre Macht in voller Stärke behalten wollten, erschufen sie diese Adulareszenz, die sie immer bei sich trugen. Es schenkte ihnen mehr Kraft und Macht.
Also dann war es doch kein Problem es bei dieser Frau zu versuchen, oder? Schließlich war sie zum Teil eine Elfe, da musste es doch wirken. Lucien war nun wieder voller Zuversicht und begab sich wieder zurück.
Erneut ließ er sich auf das Bett nieder.
„Ist das ein Adulareszenz? Wo hast du den denn her? Ich hatte schon viele Geschichten darüber gehört, aber noch nie einen zu Gesicht bekommen. Die Elfen verbergen die so gut. Verflucht …“ Fluchte sie vor erstaunen und war näher heran getreten und wollte diesen Edelstein noch näher betrachten. Natürlich wollte sie das, auch sie war ein gieriger Drache, der Schätze hortete.
Lucien knurrte besitzergreifend, aber sein Blick blieb auf die totenstille Elfe gerichtet. Aber auf was reagierte er so gereizt? Auf den Edelstein oder war es was anderes? „Verschwinde, Jade!“ Verwarf er diese Fragen auch wieder. Er musste sich konzentrieren und nachdenken. Seine Gedanken waren darauf gerichtet, wie es noch einmal gewesen war, also half logisches Denken. Die Elfen trugen die Adulareszenz stets um ihrem Hals, nahe an ihrem Herzen. Daher kam die Existenz.
Daher legte er ihr den Mondstein auf ihre Brust, zwischen ihren Brüsten. Es musste funktionieren und ihm blieb jetzt nichts anderes übrig, als zu warten. Noch geschah nichts und seine Stirn runzelte sich. Musste er einen Spruch dazu sagen, damit er wirkte?
Kurze Zeit später, fing der Mondstein in einem funkelnden Licht aufzuleuchten, als würden unzählige kleine Diamanten sich daraus bilden. Es war ein magischer Anblick, dieses intensive Leuchten, das ihn und seine Schwester magisch anzog, wie hypnotisiert.
Es funktioniert, dachte er sich zunächst, aber da geschah etwas Unerwartetes. Von einem hellen funkelnden gleißendem Licht, färbte es sich zu Blutrot. Sofort wusste er, dass da was nicht stimmte. Keine Sekunde später seiner Gedanken, zersprang der Edelstein in tausende von Splitter.
„NEIN…“ Brüllte er seine Höhle lautstark zusammen und alles erzitterte, wessen Steinwände kleine Steine regnen und Staub rieseln ließen. Seine unbändige Wut hatte ihn gepackt. Noch nie hatte er was davon gehört, dass solch ein mächtiger magischer Mondstein einfach in tausende von Splittern zersprang. Am liebsten würde er alles zertrümmern und stand bebend vor Zorn auf.
„Vielleicht war der Adulareszenz eine Fälschung.“ Meinte sie und hielt sich aber zurück, denn sie wusste, es war sehr unklug ihn weiter zu reizen.
„Erzähle nicht so ein Schwachsinn. Solche Mondsteine kann man nicht fälschen.“ Wandte er sich mit Gold glühenden Augen an sie. Sein Drache stand in seinem Blick an der Oberfläche und am liebsten würde er ausbrechen. Alles und jeden, der ihm in den Weg kam, würde er vernichten. „Und nun verschwinde.“ Brüllte er sie an, weil es am besten war, wenn er alleine blieb, im Moment.
„Brülle mich nicht an.“ Brüllte sie zurück. „Was kann ich dafür, wenn sie in deiner Obhut verreckt?“ Zeigte sie erst auf die Frau im Bett und dann auf ihn. Es war eine Anklage und genau das machte ihn noch wütender.
„Wage es ja nicht, Jade. Überspanne nicht den Bogen. Verpisse dich einfach, bevor ich mich noch vergesse.“ Kam er einen Schritt auf sie, drohte ihr und sie machte einen Schritt zurück. Lucien wusste, dass es eigentlich unfair ihr gegenüber war, aber sein Verstand war vollkommen benebelt für die Vernunft.
„Ach, fick dich doch!“ Wandte sie sich in Sekundenbruchteil um und brauste davon. „Das lasse ich mir bestimmt nicht von einem verdammten Arsch wie dir bieten.“ War es das Letzte was sie sagte.
Lucien stand an einer Stelle und starrte nur noch vor sich hin. Minuten lang mussten er seine Gedanken ordnen und seine Wut in ihm wenigstens zu einem gewissen Grad unter Kontrolle bringen. Erst da wandte er sich an die junge Elfe zurück. Wenn es wirklich seine Schuld gewesen war, dass sie nun leblos dalag, dann war es mit Sicherheit nicht seine Absicht gewesen. Verflucht, nein! Er wollte mit ihr spielen und noch mehr aus ihr entlocken, hinter ihr angebliches Geheimnis kommen. Und wenn er auch ehrlich zu sich selbst war, dann hatte er verdammte Vorfreude verspürt, sie wieder zusehen.
Am Bett zurückgekehrt, setzte er sich wieder neben ihr auf die Bettkante und konnte nicht anders, als sie anzuschauen und mit den Rücken seiner Finger zart über ihre weiche kalte Wange zu streicheln. Je mehr er sie so betrachtete, welches er jetzt erst richtig betrachtete, umso hübscher wirkte sie für ihn. Sie war außergewöhnlich hübsch und so zart, wirkte beinahe zerbrechlich. Was ihn am meisten fasziniert hatte, war ihr schneeweißes Haar, weshalb er sich jetzt endlich Zeit ließ, es genauer zu betrachten und zu berühren. Bei diesem Weiß musste er an frisch gefallenen Schnee denken, der gerade lautlos auf den Boden fiel. Ihr Haar fühlte sich seidig weich an und zerfloss, während er es durch seine Finger glitt. Solches Haar hatte er noch nie berührt, geschweige gesehen. Nicht so rein.
Welche Befürchtung ihn aber noch beschlich, dass er ihre einzigartigen Augen nicht mehr sehen konnte, oder vielmehr keine Möglichkeit mehr dazu hatte. Die silbern waren. Enttäuschung und ein leichter Verlust machte sich in ihm breit und es wog schwer in ihm.
Doch für alles war es zu spät.
Also brachte es ihm überhaupt nichts mehr, darüber nachzudenken, was er gerne mit ihr angestellt hätte. Sie zu berühren, sie zu betrachten, Dinge von ihr herauszufinden, welche er wissen wollte und ihr diese Geräusche, während er sie an sich gezogen hatte und ihr ein Verlangen beschert hatte, zu entlocken. Während ihr Körper sich perfekt an seinen geschmiegt hatte und einfach auf seinen reagierte. Selbst die Küsse die er von ihr rauben konnte, weich und voll waren ihre Lippen gewesen. Es hatte ihn so verrückt gemacht und er hatte sich zu ihr hingezogen gefüllt. Sein Verlangen von ihm und dem seines Drachen, wollte er es auch an ihr Stillen, welches noch immer in ihm tobte. Noch der gleiche Orkan der Lust und Intensität.
„Verdammt, hör auf damit …“ Knurrte er sich schon selbst an, welches an seinen Verstand gerichtet war. Gerade eben erst hatte er gemeint, es brächte nichts mehr darüber nachzudenken. Es war zu spät und seine Dummheit und Leichtsinn, war die Strafe dafür gewesen. Also war nun Schluss damit.
Lucien wollte sich gerade wieder erheben und verschwinden, als er auf ihre Handgelenke schaute. Noch immer trug sie die Fesseln aus Eisen. Da beschloss er sie zu lösen, denn sie waren nicht mehr von Nöten. An das Wort ‘abhauen‘ brauchte er nicht mehr zu denken. Unmöglich!
Nicht umgehend kam er davon, als er noch einmal seine Wut aufwallen ließ und die Eisenketten wutentbrannt von sich schleuderte, die mit einem lauten klirrendem Aufprall gegen die steinernen Höhlenwand donnerten. Es war nur eine kleine Genugtuung und es befriedigte ihn nicht. Erst da ging er und konnte nicht länger hier in diesem Raum mit dieser Frau sein, die er erst zu sich geholt hatte. Er musste Jagen und seinen Drache in ihm zur Ruhe bringen. Noch immer war er selbst und sein Drache in voller Aufruhr und es war eine kluge Erwägung sich zu verausgaben. Sich solange an seine Grenzen zu treiben, das seine Wut und sein Zorn sich auflösten.
Eine unbestimmte Ewigkeit war vergangen, das Emmanline reglos in dem Bett lag. Vollkommen reglos und ohne einen Funken leben in sich. Die eiskalte Dunkelheit umgab sie wie Klauen, die sie einfach nicht loslassen wollten. Erst als ein lauter Nachklang eines Donners in ihrem Kopf dröhnte, man meine es kam von außen, welches Gewitter sich zusammen gebraut hatte, aber etwas in ihrem noch unfähigen Verstand meinte etwas anderes. Es kam nicht gar von einem Gewitter, sondern von ihrem Herzen, das einen harten Ruck in ihrer Brust versetzte.
Ihre Augen wurden weit aufgerissen und ihr Körper bäumte sich wie ein überspannter Bogen auf. Entsetzt schnappte sie einmal nach Luft. Immer wieder gab es einen lauten Donner und mit jedem Schlag ihres Herzen, wurde es qualvoller. Unsagbare und unbeschreibliche Schmerzen machten sich in ihr breit, zogen von ihrer Brust durch ihren ganzen Körper.
Hart schlug ihre rechte Hand auf ihre Brust und krallte sich in ihre Haut, direkt über ihrem Herzen. Emmanline krümmte sich zu einer Kugel zusammen und ihr Körper fing an zu zittern, bis sie sich wieder aufbäumte und sich vor Schmerzen auf dem Bett herum wälzte, die Decken und Laken vollkommen durcheinander brachte. Erst nach einigen Minuten rollte sie sich auf den Bauch und die Schmerzen wurden immer unerträglicher und schlimmer. Ihre rechte Hand hatte sich noch immer in ihre Brust gekrallt und ihre Linke vergrub sich nun in die Laken und zerrte daran, dass sie beinahe nachgaben und zu zerreißen drohten. Emmanline versuchte sich etwas aufzurichten, aber es war kaum möglich. Ihr Körper war hart angespannt und das Einzige was sie nun beherrschte, war das ruckartige Ziehen ihres Herzen, welches versuchte neu anfangen zu schlagen. Welches neues Leben in ihrem Körper bringen wollte. Es war egal, welche Qualen sie dadurch erleidet. Irgendwann würde es vergehen, aber bis dahin würde es noch dauern. Viel zu lange. Jeder Herzschlag war aufs Neue unerträglich. Unerträglicher.
Trotz Qualen und Schmerzen, schrie sie nicht. Gab keinen einzigen Laut von sich, wessen Leid es beschrieb, welches sie gerade durchmachte. Außer ein Wimmern konnte sie nicht unterdrücken, dass ihr über die Lippen kam. Langsam versuchte Emmanline ihre Augen zu öffnen, aber schaffte es nur zu einem Spalt. Ihre Augen glänzten und brannten, aber machten keine Anstalten sich zu lösen. Ihr Blick wurde immer verschwommener. Die Schmerzen waren noch immer nicht abgeklungen.
Emmanline musste sich dazu zwingen die Lage um sich herum einzuschätzen, was nicht gerade einfach war, aber sie hatte es lernen müssen. Es war nicht das erste Mal gewesen, dass sie so etwas durchmachen musste. Deswegen versuchte sie sich zu erinnern. Was geschehen war und wo sie sich befand. Es dauerte ihre Zeit, um zu verarbeiten und ihre Erinnerungen zurückzuholen. Das Ganze fiel nur in den Schatten, als sie bemerkte das ein Leuchten sie umgab. Konnte es von ihrer Hand aufwärts sehen, welche sie ausgestreckt hatte, wo sie in sich die Laken gekrallt hatte. Deswegen wusste sie, dass ihr ganzer Körper davon betroffen war.
Nein! Nein! Nein! Das darf nicht …sein …, ihre Stimme zittrig und geschockt hallte in ihren Gedanken wieder. Entsetzen spiegelte sich in ihren geweiteten Augen wieder und sie versuchte dieses helle Leuchten um sie herum, wieder zum ersticken zu bringen. Niemand durfte es sehen. Niemand durfte dieses Geheimnis, was sie in sich verbarg, sehen. Nicht sehen, was sie in sich verbarg und wer sie in Wirklichkeit war. Dies würde ihr Leben endgültig besiegeln. Das durfte einfach nicht sein. Emmanline hatte es ihrer Mutter schwören müssen, dass sie versuchen müsse, alles von sich selbst zu verbergen. Ihre Mutter hatte alles versucht um sie zu beschützen, weil sie wusste, welches Leben sie eines Tages erwarten würde.
Ganz tief in sich grabend, versuchte sie nach dem Täuschungszauber zu greifen, welches Leuchten und Geheimnis sie vor Anderen verbergen sollte. So was kam bei ihr selten vor, dass sie entweder die Kontrolle über den Täuschungszauber verlor oder das er sich einfach von alleine ausschaltete. Deswegen versetzte es sie immer in Entsetzen. Sie mochte zwar bisher Glück gehabt haben, dass das niemand mitbekommen hatte, aber dieses Glück würde sie nicht immer haben. Irgendwann könnte sie es nicht mehr verbergen.
Endlich verschwand das Leuchten und sie seufzte einmal dessen erleichtert auf, aber wurde sofort wieder von schmerzhaften Krämpfen durchgeschüttelt. Durch das hin und her wälzen, war sie der Bettkante sehr nahe gekommen und schlug auf den harten Boden auf. Dieser Schmerz war nicht vergleichbar, mit dem sie noch immer zu kämpfen hatte. Wann hörte es endlich auf?
Leise Wimmern konnte sie, aber diese schreie vor Schmerzen die nicht über ihre Lippen kamen, hallten qualvoll und ohne Gnade in ihren Kopf wieder. Innerlich schrie sie verzweifelt und bettelte, dass es endlich aufhören möge. Aber half es ihr? Natürlich nicht. Das tat es nie.
Nicht mehr lange und sie würde in eine Art dämmrigen Zustand verfallen, welches der Ohnmacht gleich kam. Das Umfeld mochte verschwunden sein, aber nicht die Schmerzen die noch ihren Körper beherrschten. Sie konnte es schon spüren.
Lucien hatte beschlossen die Jagd diesmal in seiner menschlichen Gestalt zu vollziehen und hatte sich stattdessen angemessen dafür gekleidet. Eine schwarze enge Rangerhose, die bequem und passend saß, an genau den passenden Stellen war der Schnitt perfekt. Ideal zum Jagen und zum Kämpfen, einfach genug Bewegungsfreiheiten. Darüber hatte er sich hohe schwarze Lederstiefel angezogen, die matt beschichtet waren. Alles andere würde nur auffallen. Als Oberteil hatte er sich ein stretches dunkelbraunes Muskelshirt angezogen, es brachte seine Muskeln erst richtig zur Geltung.
Während er gerade lautlos durch seine Wälder, in seinem Territorium strich, konnte er alles wahrnehmen, mit seinen scharfen Sinnen. Die Nacht war hereingebrochen und dies waren seine Zeiten und das derer unzähliger anderer Tiere. Nachtaktive Tiere streiften umher, sowie die Geräusche und Laute von sich gaben. Einige der Arten hatten ihn schon längst bemerkt und verkrochen sich so schnell wie möglich. Dies waren die kleineren Tiere und es zollte nicht seinem Interesse, sie zu verfolgen und zu jagen.
Zum Anfang, als er seine Höhle verlassen hatte, was vor vielleicht zwei Stunden gewesen sein musste, war er einfach nur gerannt. Soweit und so schnell wie möglich, um erst einmal seine zu überschüssige Energie loszuwerden. Für den Rest hatte er die ganze Nacht noch Zeit. Es ärgerte ihn, dass sich seine Gedanken immer wieder verabschiedeten und auf die junge Frau zurückkamen. Er musste noch überlegen, was er nun mit ihr anstellte, da sie jetzt noch tot in seiner Höhle lag. Schließlich konnte sie ja nicht ewig da liegen bleiben. So abartig und krank war er auch nun wieder nicht, nur weil er vielleicht ein Interesse an ihr gehegt hatte und sie behalten wollte. Normalerweise warf er die leblosen Körper, wenn er getötet hatte, einfach in eine tiefe Schlucht, wo er sie Kokodjos oder Ghule zum Fraß vorwarf, wenn er mal nicht das Bedürfnis hatte, sie zu jagen oder zu töten. Vor allem wenn sie ihm in diesem Sinne zu nutzen sein konnten. Kokodjo waren Kreaturen die messerscharfe Klauen hatten, die so lang, wie seine Oberarme waren. Sie gingen in gebückter Haltung und sie waren abscheuliche Mythenwesen, ernährten sich von Leichen, Blut und verfaultem Fleisch. Sie konnten nicht anders als fressen und sie würden niemals erfahren, was Sättigung bedeutete. Doch das Schlimmste an diesem Abschaum war, das, wenn sie einem nur den kleinsten Kratzer zufügten oder bissen, würde infiziert werden. Man würde sich ebenfalls in solche gierigen trachtenden Kokodjos verwandeln, angetrieben von der Gier zu töten und zu fressen. Es war egal ob Menschen oder Mythianer, gleichermaßen wenn man sich damit würde infizieren. Sie würden dem Virus verfallen. Also konnten sie so als eine Art Müllabfuhr bezeichnen, denn sie war perfekt dafür. Es wäre ja alles gar kein Problem und alles wäre einfach, wenn seine beschissenen Gedanken mitspielen würden. Etwas sträubte sich dagegen, sie einfach so belanglos in eine Schlucht werfen zulassen oder so maßlos erscheinen und sie den Kokodjo zum Fraß vorzuwerfen. Es ging ihm einfach gegen den Strich und das ärgerte ihn an meisten. Und begraben? Verdammt, diese Bloßstellung nahm er sich erst gar nicht. Er hatte noch nie eines seiner Opfer vergraben. Nicht aus seiner eigenen Hand und jetzt würde er mit Sicherheit nicht damit anfangen. Das machte sein Ruf, als der Unbarmherzige oder der Zerstörer, einfach nicht mit. Dabei wollte er so sein und wirken. Solche Gefühle und Gedankenrichtungen wollte er erst nicht aufkeimen lassen. Da blieben ihm nur die ersten beiden Varianten. Für eine würde er sich entscheiden und es einfach hinter sich bringen müssen. Ja, das würde er so machen und scheiß auf seine Gedanken. Auch das würde vergehen.
Lucien nahm einen übel riechenden und ekelhaften Geruch auf, welches durch seinen empfindlichen Geruchssinn nur noch verstärkt wurde. Übelkeit konnte man es nicht gleich bezeichnen, aber es widerte ihn an. Dieser abartige Geruch kam ihm mehr als bekannt vor, und wenn der Teufel nicht schon am Werk wäre und davon sprach, war es eine kleine Gruppe von Kokodjos in der Nähe. Widerwärtiger Abschaum und das in seinem Territorium. Das duldete er nicht.
Seine mörderischen Instinkte wurden geweckt und er war nur noch aufs Töten und Blutvergießen aus. Eine willkommene Ablenkung.
Lautlos pirschte er sich heran und lief gegen den Wind, damit sie ihn nicht wittern konnten. Auch sie hatten einen unfassbar guten Geruchssinn. Die kleine Gruppe bestand aus Fünf. Die Kokodjos bekamen ihn nicht mit, welche Wahrscheinlichkeit daran lag, dass sie sich fressend damit begnügten, sich über einen Kadaver eines Tieres herzumachen. Identifizieren konnte er es nicht mehr, dafür war es schon zu sehr auseinandergerissen worden. Auf eine brutale und grausame Art und Weise. Selbst ihm kam es widerwärtig und barbarisch vor. Das selbst für ein Raubtier, wobei er gewisse Manieren beherrschte.
Der Abschaum war zu sehr auf ihr gieriges Fressen konzentriert, als das sie ihn bemerkten. Wenn er es schon sah, wie ihr Speichel nur von ihren langen Reißzähnen hinunter tropften und sich nach jedem Fetzen Fleisch sich darum stritten, wurde sein Ekel nur weiterhin entfacht und dazu noch ihre schmatzende Laute. Kein Wunder, dass sie der größte Abschaum in der Mythenwelt waren. Da waren Ghule noch harmlos dagegen.
Dabei kamen sie ihm gerade genau richtig, denn so konnte er sich ein wenig abreagieren und ablenken, von den Geschehnissen. Auch wenn es nur für einen kleinen Moment wäre. Seine Jagd würde ein wenig erfolgreich sein und vielleicht sogar zu etwas klarem Verstand kommen, wenn er leichte Genugtuung verspürte.
Lucien sendete ein unheilvolles und tödliches Knurren in die Nacht aus. Sofort unterbrachen die Kokodjos ihre Fresssucht und wandten sich in seine Richtung um. Ihre Gesichter waren Blutverschmiert und bleckten ihre großen Reißzähne ihm gegenüber, der blutige Sabber triefend aus dem stinkenden Mäulern und tropfend zu Boden. Er konnte es nach einigen Metern der Entfernung riechen und ihm drehte sich schon der Magen um.
Nun trat Lucien aus den Schatten und stellte sich in den trüben Mondschein, den Kokodjos entgegen, bereit zum Kampf. Die Fünf ließen ihm auch keine Sekunde, da griffen sie ihn auch schon an, aber er brauchte keine Sekunde um zu reagieren. Mit einem animalischen Brüllen stürzte er sich auf sie, darauf bedacht nicht gebissen oder gekratzt zu werden.
Seine Augen hatten sich zu leuchtenden goldenen Topasen verwandelt und seine Pupillen zu Schlitzen verformt. Das Feuer flammte in ihm auf und er konnte es kaum abwarten endlich seine Klauen an ihnen zu wetzen, die Rasiermesser scharf aus seinen Fingern herausschossen. Was für ein berauschendes Gefühl, welches in ihm aufstieg. Es gab nichts Schöneres als seiner wahren Natur freien Lauf zulassen.
Beim ersten Kontakt mit einem Kokodjos, versenkte er seine Krallen in eine Kehle und der Erste heulte vor Schmerz auf. Seine Krallen zogen sich blitzartig wieder heraus und konnte die gurgelnden Geräusche hören, wie er versuchte Luft zu bekommen, aber sein Blut hinderte ihn daran. Danach riss er ihm seinen Kopf von den Schultern.
Nummer eins…
Gleich darauf griffen ihn zwei weitere an und er wich ihren Krallen aus und einer wollte gerade nach ihm schnappen, aber er rammte seine Faust stahlhart in sein Gesicht. Er konnte Knochen knacken hören und vermutete, dass seine Kiefer zertrümmert wurde. Welche herrlichen Geräusche. Darauf wurde der Kokodjo zurück geschleudert, aber wie zäh diese Hunde auch waren, er stand sofort wieder auf seinen Beinen, wo er ihn heulend vor Wut angriff. Währenddessen griffen auch die weiteren an.
Ohne Probleme schaltete er die nächsten zwei aus und riss ihnen den Kopf von den Schultern. Die sicherste Bestätigung, dass ein Unsterblicher nicht mehr aufstand, war eben ein kopfloser Unsterblicher.
Nummer zwei…
Nummer drei…
Jetzt stoppten die anderen beiden Kokodjos und sie wägten ab, ob sie weiter angreifen sollten oder am besten das Weite suchten. Doch sie entschieden sich auf die dumme Weise, aber Lucien hätte sie nicht entkommen lassen. Das ersparte ihm seine Jagd, aber es wäre viel spannender und interessanter gewesen, wenn er sie hätte jagen können.
Auf einmal stoppte Lucien und ein unsagbarer Schmerz schoss durch sein Kopf und er musste anhalten und fasste sich an seinem Kopf. Presste seine Hände fest auf seine Schläfen und er zischte einmal auf. „Verdammt…“ Fluchte er lautstark und schwankte einmal. Es war ihm unerklärlich, woher dieser plötzliche dröhnende Schmerz in seinem Kopf kam. Beinahe hätte es ihn auf die Knie gezwungen, obwohl er starke Schmerzen gut unterdrücken konnte. Er war eben einiges gewohnt. Es klang wie ein schmerzhafter Schrei der in seinem Kopf widerhallte und sein eigener war es mit Sicherheit nicht, weil er keine Verletzungen an sich trug.
Ihm blieb nicht die Freiheit darüber nachzudenken. Die Kokodjos hatten diese Zögerung von ihm als eine willkommene Einladung angesehen und griffen ihn in diesem Moment an. Gerade noch konnte er den Klauen von ihnen entkommen und das schnappen ihrer Mäuler. Beinahe hätte es ihn getroffen. Da musste er einen schnellen und kurzen Prozess machen, denn ihn beschlich ein Gefühl, dass es stärker werden würde. Also verlor er keine Zeit und schickte sie in die ewigen Jagdgründe.
Nummer vier…
Nummer fünf…
Erst jetzt gestattete er sich eine Pause, nachdem er mit seinen Sinnen seine Umgebung auf weitere Gefahren abgesucht hatte, lehnte er sich an einem Baum.
Was war nur los? Nach Minuten erst, schwächten die Kopfschmerzen ab und er seufzte einmal erleichtert auf. Sein Gefühl sagte ihm, er sollte in seine Höhle zurückkehren. Es zog ihn regelrecht dort hin, ein starker Drang ergriff ihn.
Je näher er seiner Höhle kam umso stärker wurde das Gefühl, endlich dort anzukommen. Auch in seinem Heim spürte er den Drang und ging automatisch in eine Richtung die ihn anzog. Es war unvermeidlich und schließlich gelangte er in seinen Schlafbereich, verstand nicht richtig, bis er sah welches Schauspiel sich vor ihm abspielte.
Erneut stand er erstarrt dort am Eingang und konnte es nicht fassen, was er da sah. Das Bett war leer und die Frau lag nicht mehr darin. Merkte erst nach einigen Momenten später, wie sie auf dem Boden lag und sich krümmte. Vor Schmerzen, wie er vermutete. Sie zitterte am ganzen Leib und er konnte…ihr Herz schlagen hören. Sie lebte, was nicht sein konnte. Er hatte sich doch mehr als einmal davon überzeugt, dass es nicht anders war. Aber sie lebte, lag vor ihm wie sie sich bewegte und die Geräusche die sie ausstieß, bestätigten ihm das sie lebte.
Lucien kniete sich neben sie und zog sie in seine Arme, aber sofort schlug sie um sich und wehrte sich stark gegen seine Umarmung. Er musste sie mit eisernem Griff festhalten und versuchte auf sie einzureden, aber sie reagierte kaum darauf. Ihre Augen waren fest zusammengepresst und sie stöhnte auf, aber er wusste, dass sie durch diese unerträglichen Schmerzen nicht anders konnte. Geschweige das sie wusste was sie tat. Ihr Körper wurden von Krämpfen durchgeschüttelt und er mochte es gar nicht sie so zu sehen, wie sie litt. Es war einfach so, ohne jeglichen Grund, dass er es verstand. Nur war es ihm im Moment so was von egal.
„Psscht…“ Streichelte er nun über ihr weiches seidiges weißem Haar. Er versprach ihr, dass alles wieder in Ordnung kommen würde und der Schmerz verschwinden würde. Auch wenn er es überhaupt nicht wusste. Er würde alles versuchen, um dieses Versprechen einzuhalten.
Langsam hörte sie auf sich weiter zu wehren, je mehr er sie streichelte, aber das Zittern hörte nicht auf. Ihre Augen öffneten sich einen Spalt breit und blickten ihn mit glasigen und leidvollen Augen an. So viele Emotionen lagen nun in diesen wunderschönen silbrigen Augen.
Die Frau krallte sich in sein Hemd und öffnete den Mund, um ihn sofort wieder zu einem einzigen Strich zusammen zupressen. Anscheinend wollte sie ihm etwas sagen, aber ihre Augen sprachen schon von ganz alleine. Eine stumme Bitte lag in ihrem Blick, es solle aufhören. Es traf ihn unerwartet, selbst seinem Drachen. Er streifte unruhig in ihm herum und kratzte mit seinen Klauen unter seiner Haut. Sein Drache wollte ausbrechen und denjenigen in Stücke reißen, der ihr das angetan hatte.
Lucien konnte nicht anders und legte seine Hand sanft und liebevoll auf ihre Wange und am liebsten würde er ihr die ganzen Schmerzen abnehmen, um ihr dies zu ersparen. Doch er konnte es nicht. Sein sanfter Blick traf ihre Augen und welche Geste er von ihr jetzt sah, ließ ihn für einen kurzen Moment seinen Atem anhalten. Er hatte das Gefühl, dass sie ihre Wange leicht in seine Handfläche schmiegte. Als bräuchte sie Nähe und Trost. Vielleicht sogar die Wärme, die er ausstrahlte. Sie war eiskalt, wie wo sie leblos auf dem Bett gelegen hatte. Ihm schien, als würde sie es nicht kennen, denn auch Unsicherheit spiegelte sich in ihrem Gesicht wieder. Sie rang sogar mit sich selbst, ob sie es überhaupt zulassen sollte.
Noch einen Moment schaute sie in seine Augen und schloss ihre Augen und ihr Körper erschlaffte in seinen Armen. Ohnmächtig war sie in sich zusammen gesackt. Doch ihr Körper war so steif und angespannt. Selbst im ihrem Unterbewusstsein reagierte sie auf ihr Leid.
Lucien konnte nur seine Stirn runzeln. Er verstand es nicht und er wollte Erklärungen dafür haben, was hier gerade geschah. Vor nicht einmal zwei drei Stunden war er aus seiner Höhle verschwunden, weil er nicht hierbleiben konnte, wenn eine Frau tot in seinem Bett lag. Welche Frage sich davor auftat, wieso sie tot war. Das war das größte Rätsel von allem, denn dieses unbekannte Phänomen, wie das passierte, brachte ihn nicht auf den Gedanken, dass sie unsterblich war und somit vielleicht automatisch zum Leben erwachen würde. Daran hatte er wahrhaftig nicht gedacht. Sein Verstand hatte sich ausgeschaltet, auch weil er nicht wusste was die Ursache war. Auch Unsterbliche konnten durch besondere Phänomene oder besondere Einwirkungen sterben. Deswegen war er auch so unerwartet durcheinander gewesen.
Da er jetzt so darüber nachdachte, fiel ihm noch ein Grund ein. Lucien spürte, dass etwas an ihr anders war, was er sich nicht erklären konnte. Seine Neugier war groß und diese Ungewissheit mit dem Zusammenhang, war eigenartig. Da er auch nicht genau sagen konnte, wer sie war, welcher Teil von ihr eine Elfe war, was dieses Unbekannte etwas mystisches an sich hatte. Also hatte er letzten Endes nicht den Gedanken gehabt, darüber nachzudenken ob sie wirklich je ihre Augen wieder öffnen würde.
Ihn mochte jetzt ein kleiner Strom von Erleichterung verspüren, der gerade durch seinen Körper floss, aber das Unbehagen war noch immer da. Es würde vermutlich nicht eher verschwinden, bis sie wirklich ihre Augen geöffnet hatte und mit ihm sprach.
Mit ihr gemeinsam aufstehend, legte er sie ins Bett zurück, aber nicht ohne sich selbst dazu zu legen. Lucien musste sie nun in seinen Armen halten und ihr die Wärme geben die sie womöglich brauchte. Er akzeptierte es nicht, dass sie so eisig kalt war. Durch sein Feuer, dass in ihm brannte,würde er sie wärmen. Er würde ihr soviel Wärme geben, so viel wie sie davon brauchte.
Die Kissen etwas übereinander gestapelt, legte er sich leicht sitzend hin und zog sie nahe an seinem Körper heran und drückte sie fest an seine Brust. Weiterhin wirkte sie steif und er wollte ihr diese Anspannung aus dem Körper nehmen und strich immer wieder tröstend mit seiner Hand über ihren Rücken. Rauf und runter, ohne Unterbrechung. Er würde es solange durchhalten, bis sie erwachen würde.
Einen Moment lauschte er noch ihrem Herztönen und ihrer Atmung, während er sie bannend anschaute. Erst nach und nach schien sich ihre Anspannung zu lösen und er hoffte es lag auch daran, dass ihre Schmerzen langsam nachließen. Ihr kleiner Körper wurde immer anschmiegsamer und ihr Atem ging nun langsam gleichmäßiger und flacher. Er ließ vor Erleichterung einmal die Luft ausstoßen.
Wieso fühlte er sich nur so erleichtert davon? Sie war soweit eine Fremde, die er mal zusammen gerechnet, einen Tag kannte. Ihm waren, die er nicht kannte ziemlich egal. Es sei denn, er lernte sie auf eine Weise kennen und schien Vertrauen zu hegen. Das geschah selten, aber auch er baute solche Kontakte auf. Die Elfe war alles andere als vertrauenerweckend.
Da er sie zu nichts richtig zuordnen konnte, konnte er sie auch nicht einschätzen. Es war fraglich, da er so dachte, wieso lag sie dann in seinen Armen? Wieso schien ihm das nicht einfach egal zu sein? Würde er sie einfach, wie schon gedacht, die Klippe hinabwerfen oder den Kokodjos zum Fraß vorwerfen? All das war merkwürdig und er glaubte, er erkenne sich in diesem Moment nicht wieder. Noch nie lag er mit einer Frau zusammen im Bett. Lucien holte sich nur das was er brauchte. Und doch lag er nun hier, mit einer Frau im Arm, die er intensiv beobachtete. Das schien ihm nicht normal zu sein.
Nachdenklich starrte er an die Decke und grübelte weiterhin nach, während er sie unbewusst noch etwas näher an sich zog. Darauf schien sie zu reagieren und krallte sich erneut in sein Shirt. Sie passte sich seinem Körper so perfekt an, als wäre sie dafür geschaffen. Das war doch ein irrsinniger Gedanke und er verwarf ihn auch gleich wieder.
Ihr Körper fühlte sich so schwer an und ihr tat alles weh und sie konnte sich kaum regen. Es fiel ihr sogar schwer die Augen zu öffnen, da sie nun langsam das Bewusstsein wieder erlangte. Emmanline konnte sich an kaum etwas erinnern, außer an Schmerz und Kälte. Doch für einen Moment hatte sie gedacht, dieser Drache würde sie in den Armen halten und sie liebevoll behandeln und dieser Blick…so voller Sorge und Hilflosigkeit. Sie wusste, dass das alles nur ein Traum war und sie war trotzdem irritiert gewesen. Was aber unglaublich war, sie hatte es sich gestattet diese unwirklichen Berührungen entgegenzunehmen.
Seine Hand war so warm gewesen. Es hatte sich unglaublich gut angefühlt und seine große Handfläche war beschützend gewesen. Seine ganze Haltung war beschützend gewesen. Dann erst seine Stimme, welche so tief und klar klang. Ständig hatte er ihr versprochen es würde alles wieder gut werden und die Schmerzen würden schnell vergehen, dass er bei ihr wäre und sie in seinen Armen halten würde. Da es nur ein Traum war, hatte sie ihm geglaubt und für einen Moment waren ihre Schmerzen verschwunden gewesen. Aber nur für einen Augenblick wurde sie davon abgelenkt. Doch so schnell die Schmerzen gedämmt waren, so schnell kamen sie auch wieder. Erst da hatte sie ihr Bewusstsein verloren.
Als ihr langsam bewusst wurde, dass sie ihr Bewusstsein wieder erlangte und versuchte sich mühsam bewusst zu werden, was überhaupt geschehen war. Es dauerte eine ganze Weile, bis ihr Verstand den Schleier des Nebels beiseite schob. Es kostete sie große Mühe, da sich ihr Körper schwer anfühlte und noch immer schmerzte alles von diesen Attacken. Aber sie zitterte nicht mehr und der Schmerz war nicht mehr so stark, wie zu Beginn.
Je näher sie in die Aufwachphase gelangte, umso mehr spürte sie das um sich herum. Es war so angenehm warm. Nein mehr als das. Eine Hitze strahle auf sie ein und wärmte sie durch und durch. Es fühlte sich außergewöhnlich beruhigend an. Fühlte sich sogar wohl und kostete es noch ein wenig mehr aus, bevor sie den Grund davon erfuhr.
Doch etwas war merkwürdig. Wieso fühlte es sich unter ihr so hart an, aber dennoch etwas Weichheit ging davon aus? Sie wusste genau, das diese Hitze genau davon aus ging. Neugierig was das sein könnte, versuchte sie ihre Augen zu öffnen. Es kostete sie eine große Anstrengung, denn ihre Augenlider fühlten sich unglaublich schwer an, schafften es dennoch sie zu erheben.
Auf einmal regte sich etwas unter ihr und dies war genau das, was sie irritierte. Plötzlich fing ihr Herz an zu rasen und mit einem Mal riss sie ihre Augen auf und hielt den Atem an. Noch leicht waren ihre Gedanken wirr und sie brauchte einen kurzen Moment, tastete sich ab und es durchfuhr sie wie ein elektrischer Schlag. Schlagartig erstarrte sie und zögerte leicht nach oben zu schauen. Sie lag auf einem Körper und eine schlechte Vorahnung beschlich sie, was das anbelangte.
Ein Knurren vibrierte in der Luft und sie musste nach oben schauen, wo sie in Gold glühende Augen blickte, die so intensiv drein schauten. Sie anschauten. Ihre Augen weiteten sich noch mehr und wollte aufspringen, aber er verhinderte es gekonnt, mit seiner unmenschlichen Kraft.
„L…lass mich…los …“ War das ihre Stimme die so krächzend leise klang? Nichts geschah. Sie versuchte sich zu winden und zu zerren, aber keine Chance. Was sollte das?
„Du solltest noch liegen bleiben.“ Ein Befehl und nichts anderes. Seine Arme waren wie Drahtseile.
Mit einem ’Uff’ wurde sie fester an dem harten heißen Körper gepresst und ihre ganze Luft verließ ihre Lungen. Bei jedem verzweifelten Atemzug, sog sie seinen erdigen Geruch ein. Oh, wie konnte man nur so gut riechen? Das war doch jetzt nicht ihr Gedanke gewesen, oder?
„Bitte, lass mich …los …“ Versuchte sie es noch einmal und da wieder das Knurren, diesmal etwas gereizt. Aber die gefühlten Drahtseile seiner Arme lockerten sich um sie und sie nutzte diese Gelegenheit sofort, als sie sich von ihm abdrückte und blitzartig aufsprang.
Emmanline war aus dem Bett gesprungen und musste sich sofort an dem unteren Bettpfeiler festhalten. Ein starkes Schwindelgefühl überkam sie und für einen kurzen Moment flackerten schwarze Punkte vor ihren Augen auf. Ein paar Mal blinzelte sie und verdrängte sie und konnte wieder etwas klarer sehen und einiger maßen ein Gleichgewicht herstellen. Ihr Aufsprung war einfach zu schnell gewesen und sie war noch nicht ganz in ihrem normalen Zustand angekommen, dass dies halt ein Nebeneffekt war, welcher ganz normal war.
„Ich hatte dich ja gewarnt, du solltest noch etwas liegen bleiben.“ Eiskalt und berechnend klangen diese Worte aus seinem Mund. Natürlich, wie könnte es auch anders sein? Seine Gleichgültigkeit war ihm schon in die Wiege gelegt worden. Es war pure Anmaßung und sie hasste es langsam, dass jeder erdenkliche Drache diese Gabe besaß. Es war einfach nur ärgerlich.
Genau aus diesem Grund wollte sie das alles nicht mehr. Sie hatte sich geschworen, das sie sich einfach nicht mehr von Drachen herum schubsen lassen wollte. Es war schon zu viel passiert, als müsste sie sich vor irgendetwas fürchten, was sie ohnehin nicht schon alles erlebt und durchgemacht hätte. Auch wenn ihr das eine Menge Ärger, Strafen und Schmerzen einbringen würde, aber sie würde nicht blindlings folgen und sich zu einer ihrer weiteren Marionetten machen. Schließlich waren sie ja bekannt für ihre Herrschsucht.
Emmanline mochte schwach sein und gegen so ein mächtiges Wesen nicht ankommen, aber sie war eisern, wenn es um sich selbst als Person ging. Auch wenn dieser Drache…wie nannten sie ihn doch gleich noch einmal? Egal, das Entscheidende dabei war, er schien eine sehr hohe Position in der Rangordnung seines Volkes zu haben. Wie sie auch mitbekommen hatte, von dem Engel, das dieser Drache im Bett vor ihr, eines Tages der Herrscher sein würde. Über eine ganze Sippe. Kein Wunder das er so hochmütig und von sich selbst überzeugt war, weshalb er sich denkt, dass er alles tun und lassen konnte was er wollte und wonach ihm gerade war.
Jetzt wo sie seinen dummen blutroten Rubin, der ihm wirklich wichtig erschien, gestohlen und ihn sogar noch in einen großen tiefen See fallen gelassen hatte. Durch ihre Schusseligkeit. Aber ausgerechnet jetzt musste sie so tollpatschig sein und eines der gefährlichsten Raubtiere bestehlen, die in allen Dimensionen nur existierten. Dabei hatte sie den dümmsten Fehler ihres Lebens begangen und hatte gegen eine Regel verstoßen, die sie so schmerzhaft hatte erlernen müssen. Ihre Mutter hatte es ihr immer wieder eingebläut.
Pass ja auf, meine kleine Emma. Du musst immer unsichtbar bleiben und keine Aufmerksamkeit auf dich erregen. Das ist sehr wichtig. Wenn sie wissen was du bist, werden sie dich weiterhin bis aufs Blut jagen und nicht eher ruhen, bis sie das haben, was sie wollen. Du wirst eines Tages wirklich frei sein. Das verspreche ich dir.
Welche gedanklichen Worte sie immer zu sich gesprochen hatte und so liebevoll, wie herzlich es von einer Mutter nur kommen konnte. Emmanline konnte sich noch an jedes einzelne Wort erinnern, als wäre es erst gestern gewesen. Noch immer hallte diese sanfte Stimme in ihr wieder, aber nur weil sie sich gut eingeprägt hatte und ganz fest in sich verborgen hielt. Wie ihr eigener und einziger Schatz. Nur das zählte. Dieser Erinnerung ihrer Vergangenheit an ihre Mutter, war auch mit Schmerzen verbunden und es saß auch tief in ihr verborgen.
Nur letzten Endes hatte sie kläglich versagt und genau das Gegenteil getan, was sie eigentlich sollte. Aus Unsichtbarkeit wurde Sichtbarkeit. So was dummes aber auch. Kaum war sie aus dem einen Käfig verschwunden, landete sie schon prompt in dem nächsten.
Besser kann es doch nicht laufen, Emma. Gut gemacht!
Beschimpfte sie sich gedanklich selber und konnte sich dafür nur ohrfeigen. Doch eins musste sie sich zu Gute tun. So dumm hatte sie sich doch nicht ganz angestellt, wenn sie berechnete, wie lange sie erst auf eigenen Beinen stand und in Freiheit lebte.
Zwei Monate. Mensch das ist doch ein riesiger Fortschritt für mein erstes Mal. Ein Rekord.
Wie hohl diese Worte doch klangen und es steckte ja überhaupt keine Ironie darin. Wem wollte sie hier eigentlich was vormachen? Sie war nicht wirklich dafür geboren frei zu sein. Aber dann lautete die Frage, wieso mühte sie sich dann so ab? Um Hoffnung einmal in ihrem Leben zu haben? Welche Hoffnung? Das war doch purer Unsinn, dass gab es nicht. Nicht in ihrer Welt. Letzten Ende war sie nur eine Person, die als ein Gegenstand betrachtet wurde. Dazu musste sie auch nicht in die Augen dieses Mannes schauen. Schließlich war sie nur der Gegenstand, der ihn zu seinem wertvollen Rubin führte. Wer weiß schon, was er danach mit ihr machte. Vermutlich genau das Gleiche was sie vorher kannte. Also wieso ergab sie sich nicht einfach gleich? Wäre doch alles viel leichter.
Sich einfach nur ergeben…
Lucien kam nicht um dessen herum, dass diese Frau in ziemliche Gedankengänge verstrickt war. Wo sie sich wohl gerade befand und worüber sie so nachdachte? Würde er sie fragen, bekäme er vermutlich keine Antwort. Manchmal wusste er nicht, wie er sie einschätzen sollte. Sicher, er war schon noch etwas erleichtert darüber, dass sie lebte, aber er konnte nicht feststellen ob sie sich ängstlich und ergebend sich irgendwo niederknien und um Gnade betteln sollte, oder gar trotzen und ihre Stärke zeigen. Sie war eine viel gespaltene Frau. Auch dies war ein Anzeichen, das seine Vermutungen richtig lagen, welche Erfahrung sie mit seiner Art gemacht hatte. Ihre Verhaltensweisen waren von ihrer Seite unbewusst und doch wusste sie, wie sie sich zu verhalten hatte. Nur wollte er nicht wirklich der Frage nachgehen, welchen Hintergrund das alles hatte. Das wollte er einfach nicht wissen. Sie war eine außergewöhnliche und hübsche Frau…Elfe…aber das war es auch schon.
Drachen und Elfen waren nicht gerade die besten Bündnispartner, aber hatten eine Art Übereinkunft getroffen einander einfach aus dem Weg zu gehen. Ihre Verhaltensweisen waren unterschiedlicher Natur und sie könnten nie miteinander auskommen. Dazu waren sie zu unterschiedlich. Da die Elfen auch ziemlich zurück gezogen lebten, weil sie beim letzten Krieg, gegen Nymphen und Fae, einen heftigen Schlag einstecken mussten, hatte sich ihre Anzahl sehr stark reduziert.
Es war ein verheerender Krieg gewesen, der viele Opfer gebracht hatte. Selbst er hatte es mit eigenen Augen gesehen, aber sich da nie eingemischt. Damals dachte er einfach, das es nicht in seinem Interesse lag, sich da einzumischen. Und doch konnte er Kinder nicht leiden sehen. Also konnte er nicht komplett verwerfen, dass er sich nicht eingemischt hatte. Es war genauso eine blutige Schlacht gewesen, wie alle sonst auch, in der er gekämpft hatte. Erbarmungslos, von zwei Fronten.
Lucien schüttelte mit seinem Kopf und verdrängte diese Bilder. Er hatte schon viele Schlachten dieser Art durchlebt und es war auch nicht einfach das zu verdrängen. Er hatte auch selbst viele dadurch verloren, Familie, Freunde, Bekannte und sogar Jahrhunderte später seinen Vater, der ihm sehr viel bedeutet hatte und ein großes Vorbild für ihn gewesen war. Er starb durch den Hinterhalt seines eigenen Bruders und aus diesem Grund waren Drachen noch vorsichtiger und erbarmungsloser gegenüber vielen geworden. Sei es sogar ihrem eigenen Volk gegenüber.
Von einem Geräusch, das nach einem Entsetzen klang, wurde er aus diesen blutigen Erinnerungen gerissen und blickte auf die Frau vor ihm. Noch immer saß er und betrachtete sie wieder ausgiebig. Genau da fiel ihm das auf, was sie anscheinend so entsetzte. An ihr klebte Blut, aber…sie war doch nicht verletzt gewesen. Oder?
„Wessen Blut ist…das?“ Wollte sie misstrauisch wissen und blickte ihn auch so an, aber nicht in sein Gesicht. Eher an ihm hinunter und er folgte ihrem Blick. Seine Kleidung war mit Blut getränkt, aber schon längst getrocknet. Er verzog angeekelt das Gesicht und dachte daran, woher er das Blut stammte. Natürlich, es konnte nur eines sein, als er die Kokodjos unschädlich gemacht hatte.
Sein Blick wieder aufgerichtet schaute er sie an und sah wie sie ihre Hände betrachtete, wo auch etwas Blut klebte, als sie sich in ihn festkrallte und berührte. Selbst ihr Gesicht und ihre Haare waren etwas verschmiert, als sie auf seiner Brust gelegen hatte.
Die Elfe wich zurück, als sie anscheinend bemerkte welchen angewiderten Blick er im Gesicht hatte, doch das passte ihm nicht. Genauso wenig, das sie vor ihm zurückwich.
„Nicht Meines und auch nicht Deines.“ Beantwortete er endlich ihre Frage und stand auf, ließ sie nicht aus den Augen. Diesmal wich sie nicht vor ihm zurück.
Sehr gut.
„Wessen dann?“ Zögerte sie erst.
„Bevor ich in die Höhle zurückgekommen war, kreuzten ein paar Kokodjos meinen Weg.“
„Kokodjos?“ Kam es flüsternd und erstickt über ihre Lippen, als sie ihr schneeweißes Haar, welches so weich war, in ihre Hände nahm. Welches sie vor ihren Augen drehte und wendete. Es war beschmutzt und färbte ihr Haar leicht rosa.
Unakzeptabel. Es verunreinigte ihr besonderes seltenes Haar. Deswegen packte er sie bei der Hand und wollte sie hinter sich her zerren, aber sie weigerte sich dagegen und stemmte sich gegen ihn. Nur hatte sie gegen ihn keine Chance.
„Entweder du folgst mir oder ich werfe dich wieder über meine Schultern. Was ist dir lieber?“ Wandte er sich zu ihr um und knurrte wütend gegen ihrem Protest. Sofort erstarrte sie und schüttelte nur heftig ihren Kopf. „Kluge Entscheidung!“ Setzte er seinen Weg wieder mit ihr fort.
Emmanline wusste nicht was er mit ihr vorhatte. Sie wusste gerade nicht was hier geschah. Als sie aus ihrem Gedankengang erwacht war, fiel ihr auf, dass das Blut an ihren Händen klebte. Es war nicht viel, aber es reichte aus, dass der Geruch daran Übelkeit in ihr hervor rief. Die Frage war nur, war das ihr Blut oder gar Seins? Das durfte nicht sein, denn erinnern konnte sie sich nicht, das sie sich an irgendwas verletzt hatte. Sei denn, er hatte ihr etwas angetan. Sofort hatte sie an ihrem Körper hinunter geblickt und abgetastet, aber nichts schien dem Anschein zu haben, dass es von ihr kam. Also würde es bedeuten, es war Seines. Selbst in ihrem Haar klebte etwas davon und sie bekam eine Gänsehaut davon. Sie hatte kein Problem mit dem Anblick dieser rötlichen klebrigen Flüssigkeit, doch trotzdem wollte sie es nicht an sich kleben haben. Deswegen musste sie nachfragen. Es dauerte ein wenig, bis sie von ihm eine Antwort bekam, aber wessen Blut es war, wies sie darauf hin, dass es von Kokodjos stammte. Sie kannte diese Kreaturen auch gut genug um zu wissen was sich dahinter verbarg. Es war der Abschaum in der Mythenwelt.
Zunächst war er auch aufgestanden und kam ihr erneut bedrohlich nahe, aber diesmal wich sie nicht vor ihm zurück. Etwas Unwissendes stand in seinem Blick und es erschreckte sie leicht.
Der Drache packte sie am Handgelenk und wollte sie schon wieder hinter sich her schleifen. Sie hatte langsam keine Geduld mehr, dauernd hin und her gezogen zu werden. Darum wehrte sie sich wieder. Diesmal fuhr er knurrend zu ihr herum, und fragte was ihr wohl lieber wäre. Freiwillig mitkommen oder wieder auf seinen Schultern getragen zu werden? Das wollte sie auf keinen Fall und schüttelte hastig mit ihrem Kopf. Deswegen folgte sie ihm schließlich, aber sie wollte ihre Hand aus seiner nehmen, was er nicht zuließ. Es war ihr unangenehm, aber er drückte fester zu, damit sie ihm nicht entkam, aber nicht, das es ihr wehtun würde. Wieso hielt er sie noch fest, wenn sie doch nicht abhauen könnte?
„Wohin bringst du mich?“ Schaute sie fragend zu ihm auf, auch wenn sie nur auf seinem Hinterkopf starrte. Sein kastanienbraunes Haar glänzte in dem dunklen Schein der flackernden Feuerfackeln, die in den Gängen an den Wänden hingen. Da gestattete sie sich nur einen kurzen Augenblick, um ihn etwas genauer zu betrachten. Noch einmal. So groß und muskulös. Sein Oberkörper war kräftig und breit. Sie war diesmal wirklich froh, das er Kleidung an sich trug. Jedes Mal wenn sie ihn in menschlicher Gestalt gesehen hatte, war er…nun…nackt gewesen. Wie vorprogrammiert flammte wieder Hitze in ihr auf, die in ihr Gesicht stieg und sie mit Sicherheit rot erscheinen ließ. Oh je, was passierte da? Normalerweise reagierte sie auf nichts, aber bei ihm, was sehr ungewöhnlich war. Dabei war er auch noch ein Drache, mit welcher Art sie nichts mehr zu tun haben wollte. Zu viele Dinge waren passiert.
„Das wirst du gleich sehen.“ Antwortete er nur etwas schnaubend, was sie doch etwas ärgerlich werden ließ.
„Dann lass wenigstens meine Hand los. Ich kann nicht weglaufen.“ War es eine reine Tatsache. Er würde sie sofort wieder einfangen und hinter sich her schleifen.
„Nein, du bleibst schön hier.“ Gab er ihr einen Ruck, dass sie beinahe gegen ihn gestoßen wäre. Sie wusste nicht warum und woher dieses Gefühl kam, aber sie hätte ihn am liebsten angesprungen und ihm die Augen ausgekratzt. Irgendwie brachte dieser Mann ihr Blut ganz schön in Wallung. Nicht nur auf eine Weise, welche Wut in ihr schlummerte. Doch es siegte und wiegte mehr über das Andere unerklärliche Gefühl der Hitze.
So folgte sie in der Stille und leicht brodelnd durch die leicht erleuchtete Höhle. Gut das er sich hier auskannte, als sie sah wie viele Abzweigungen diese Gänge hatten, wurde ihr doch leicht mulmig zumute, da sie sich mit einer hundertprozentigen Wahrscheinlichkeit verlaufen hätte.
Nach einiger Zeit, dem hin und her, kamen sie in den Tiefen des Berges an und sie konnte Geplätscher hören. Wasser rauschte und es hallte leicht durch die Höhle. Nun verstand sie was er vorhatte.
Etwas überrascht schaute sie zu ihm rauf. „Du führst mich zu einer Wasserquelle?“
Kamen sie auch schon gleich an und vor ihr zeigte sich ein kleiner fließender Bach, der sich durch Gestein und Felsen schlängelte. Das Wasser suchte sich seinen eigenen Weg.
Er ließ ihre Hand los und ging zu dem Bach hin, um sich davor niederzuknien und sich Wasser zu schöpfen, spritzte es sich ins Gesicht und wusch sich.
Etwas verloren stand sie da und beobachtete ihn dabei. Es war sehr verlockend und sie ging darauf zu, aber sie setzte sich in einem großen Abstand zu ihm weg. Im Wasser konnte sie sich leicht wieder spiegeln sehen, da das Wasser so kristallklar war und jetzt erst besah sie sich und wie sie aussah. Ihre Feststellung? Sie sah furchtbar aus. Nicht nur durch das Blut auf ihrem Gesicht und in ihrem Haar.
Ihre Hände tauchten in das Wasser und eine leichte Kühle durchfuhr sie, spritzte sich sofort mit vollen Händen von der Kühle ins Gesicht. Das tat wirklich gut, wusch sie sich ordentlich und leicht ihr Haar. Normalerweise sollte sie sich richtig waschen, aber mit Sicherheit nicht vor ihm.
„Was ist mit dir da heute passiert? Wieso warst du tot? Obwohl ich dich nur angekettet hatte und ich wusste auch das du keinerlei Verletzungen hattest, bevor ich gegangen war.“ Fragte er und sie Blickte zu ihm rüber. Erst wollte sie nicht, aber sie hatte überhaupt nicht mitbekommen, wie er sich bewegt und auf einen der Felsen gesetzt hatte.
Lucien gefiel es nicht, wie sie einen großen Abstand zu ihm hielt, aber er versuchte nichts dagegen zu unternehmen. Er wollte sie einmal in Ruhe lassen und wandte sich trotzdem zu ihr um. Beobachtete sie, während sie sich wusch. Kaum zu glauben, aber es sah schon faszinierend aus. Obwohl das Waschen das normalste der Welt war.
Lautlos setzte er sich neben sie auf einen Fels und sah sie einfach weiterhin an. Das vielleicht noch ein paar Minuten, bis er ihr Fragen stellte, die er beantwortet haben wollte. Sie zuckte zusammen und drehte ihren Kopf leicht zu ihm um. Einige Wassertropfen perlten von ihrem Gesicht ab und liefen zu ihrem Kinn runter, wessen Tropfen nur auf ihre bloße Haut oder auf ihrer Kleidung traf. Einem Wassertropfen folgte er mit seinem Blick besonders, welcher von ihrem Halsansatz in ihrem Ausschnitt ihres schwarzen Top zwischen ihren Brüsten lief.
Ein leichtes Stöhnen, welcher Anblick ihm besonders gefiel, konnte er noch unterdrücken. Wieso erregte es ihn so sehr? Mit einem Kopfschütteln verjagte er diese Gedanken wieder und das Verlangen, nicht noch mehr zu tun, als beabsichtigt.
Lucien konnte aus ihrem Blick nichts deuten, was in ihr vorging oder was sie dachte. Ihre silbernen Augen hatten nicht das Warme und das Glänzende in ihnen. Sie waren stumpf und von dem dunkelsten Eisen, wie dessen eines schlecht verarbeitetem Schwertes. Es war diesmal anders, als zuvor, wo er in ihre Augen geschaut hatte.
„Was interessiert es dich? Es spielt keine Rol…“ War Lucien blitzartig aufgestanden und saß weniger als einer Sekunde vor ihr, als er diese paar Meter zwischen ihnen übersprungen hatte.
Vor ihr kniend, hatte er ihr Kinn gepackt und so gerichtet, welchen Blick sie nicht von ihm abwenden konnte. Sein Griff hatte Stärke, aber nicht die seiner Muskeln. „Was mich interessiert oder nicht, lass mal meine Sorge sein. Beantworte einfach meine Fragen.“ Musterte er sie mit verengten Augen.
Ihre Augen hatten sich geweitet und er konnte ihr Herz rasen hören. Anscheinend hatte sie nicht damit gerechnet, dass er so schnell handeln würde. Aber er hatte das Gefühl, es lag nicht daran, dass sie es nicht ersehen konnte, viel mehr das er überhaupt gehandelt hatte. Erkenntnis hatte in ihren Augen für einen Bruchteil einer Sekunde aufgeleuchtet, als hätte er sie an etwas erinnert.
„Nun sprich. Oder soll ich dort weiter machen, was wir letztens unterbrechen mussten?“ Zeigte sich ein breites Grinsen auf seinem Gesicht, wobei er nichts dagegen hätte.
„Nein…“ Konnte er eine leichte Röte auf ihren Wangen erkennen.
Sie erinnert sich. Sehr gut!
Da sie nicht ihren Kopf bewegen konnte, rutschte sie etwas hin und her, presste ihre Lippen zu einem festen Strich zusammen. Sein Blick wanderte automatisch zu ihrem Mund und Erinnerungsfetzen tauchten vor seinem inneren Auge auf.
Später, redete er sich innerlich immer wieder ein. Jetzt für den Moment, wollte er Antworten von ihr bekommen.
„Die Fesseln.“ Antwortete sie ihm kurz und knapp, aber das reichte ihm beim weiten nicht. Damit konnte er nichts anfangen und sie schien es zu wissen, denn sie redete weiter. „Das Eisen darin hatte meine Energie aus dem Körper gesogen.“
Die Elfe wandte ihren Blick von ihm nicht ab und er konnte auch an weiteren Anzeichen nicht erkennen, das Lügen sie straften. Deswegen durchforstete er sein ganzes Wissen, welches er sich in seinem ganzen Leben angesammelt hatte. Dachte darüber nach, einen Hinweis darauf zu finden, sie mit diesem irgendwohin zu zuordnen. Ihm war es nicht bekannt das Elfen eine Eisenschwäche hatten. Da er ohnehin schon wusste, dass noch etwas anderes in ihr steckte, konnte er es nur darauf zuordnen. Doch die Frage war, was steckt noch in ihr? Lykae reagierten auf Silber, das schloss er aus. Jeder hatte Schwächen auf ihre Art und Weise, aber es gab nicht viele Arten in der Mythenwelt die auf materielle Dinge reagierten und stark verletzbar dadurch wurden.
Die Schwäche der Drachen war auf materielle Dinge zurück zuführen. Sie reagierten auf Titan, aber da es seltener war, kam es nicht allzu oft vor, das Drachen daran starben. Trotz allem waren auch sie auf andere Arten angreifbar. Kein Mythenwesen war unbesiegbar. In dieser Welt ging es grausam und brutal zu, was das Normalste unter den Mythianer war. Es war irgendwie an der Tagesordnung in der Mythenwelt gegeneinander zu kämpfen.
„Wieso hast du mir das nicht gesagt?“ Wollte er wissen, während er ihr Kinn losließ.
„Oh, natürlich. Wie konnte ich das nur vergessen?“ Grummelte sie sarkastisch vor sich hin. „Das hatte ich versucht, aber hast mich komplett ignoriert. Schon vergessen? Doch du hast mir einfach nicht zugehört. Du bist mehr damit beschäftigt, deine Überlegenheit mir gegenüber zu beweisen.“ Warf sie ihm an den Kopf und dachte anscheinend überhaupt nicht darüber nach, vor wem sie saß. Ihre Augen blitzten leicht zornig darüber auf, deswegen gestattete er ihr diese Dreistigkeit.
„Das wusste ich nicht.“ Gestand er und blickte sie aufmerksam an.
„Sicher wusstest du das nicht.“ Wandte sie sich von ihm ab und wusch sich leicht weiter. Angespannt, aber nicht ohne ihn aus den Auge zu lassen.
Klang da etwa ein Funke Spott in ihren Worten mit? Das brachte ihn doch tatsächlich zum Schmunzeln, was ihn erstaunte.
„Was bist du?“ Fragte er.
„Das geht dich nichts an.“ Eiskalt und klare Worte. Ihre Stimme wirkte auch eiskalt und da wusste er, sie würde nichts verraten. So beließ er das erst einmal, aber aufgeben würde er nicht. Er würde noch hinter ihr Geheimnis kommen und er war schon sehr gespannt darauf, würde nicht eher ruhen, bis er ihr Geheimnis gelüftet hatte. Das würde ein Spaß werden, worauf er nicht verzichten würde.
„Auch gut! Ich werde es noch herausfinden.“ Zuckte er gleichgültig mit seinen Schultern und sie schnappte entsetzt nach Luft. Er konnte es sehr gut hören, dass sie nicht davon begeistert war.
„Was verstehst du nicht darunter, das dich das nichts angeht? Ihr Drachen nimmt euch immer das Recht heraus, alles zu bekommen was ihr wollt, aber das habt ihr nicht. Also sage ich es dir noch einmal, Das geht dich nichts an!“ Zitterte ihre Stimme vor Wut.
Sehr gut. Sie zeigt so was wie Wut und sie hat Biss. Es wird ein Vergnügen werden, mit ihr zu spielen.
Darum beließ er es wirklich erst einmal. „Da kommen wir doch erst einmal zu meinen entscheidenden Fragen. Wie hast du es geschafft meinen Schutzzauber, der mich vor Neugierigen schützen sollte, zu umgehen? Normalerweise schafft das Niemand, aber da habe ich mich wohl geirrt. Also?“
„Ich kann dir nur die gleiche Antwort geben, die ich zuvor auch gegeben hatte.“ Fing sie nach kurzem überlegen an. „Ich. Weiß. Es. Nicht.“ Klang es etwas scharf. „ Ich kann mich daran nicht erinnern, wieso ich überhaupt deinen Rubin gestohlen habe. Ich weiß nur noch, dass ich zuvor an diesem See Rast gemacht hatte und dann beim Nächsten, war ich schon auf der Flucht.“ Vertieften sich ihre Gedanken wieder darum und ihre Stirn runzelte sich dabei. Anscheinend wusste sie das wirklich nicht. Das war wirklich merkwürdig und da runzelte er selbst seine Stirn.
„Ich wusste, dass ich in ein Gebiet eines Drachen kam und wollte mich so gut wie es ging, unsichtbar machen. Das hatte ja auch ganz gut geklappt, bevor ich diese dämliche Tat begangen hatte.“ Senkte sie ihren Kopf und starrte aufs Wasser, auf ihr eigenes Spiegelbild. „Ich verstehe auch deine Wut darüber und ich weiß wie über behütet Drachen gegenüber ihrem Hort sind. Dafür seid ihr ja mehr als bekannt.“ War sie leiser geworden und sie hatte ihre Hände auf ihrem Schoß gelegt und waren zu Fäusten geballt.
„Gut, nehmen wir mal an ich glaube dir. Woher hattest du gewusst, dass du in ein Gebiet eines Drachen kamst?“ Lehnte er sich etwas zurück, damit er sich leicht aufsetzen konnte.
Ihr Kopf drehte sich zu ihm um und sie schaute ihn etwas verwirrt an, als wolle sie sagen, was für eine dumme Frage das doch sei.
„Ich finde, dass ist nicht sonderlich schwer zu erraten, ob man sich in der Nähe eines Drachen befindet oder nicht. Es gab deutliche Anzeichen. Drachen legen sehr viel Wert auf Ruhe und Unberührtheit. Da ich keine anderen Zeichen an anderen Lebewesen fand, außer den Tieren in den Wäldern, war es das erste Anzeichen. Das zweite ist dieser Berg. Eins und eins zusammengezählt, wusste ich, dass der Drache nicht weit entfernt sein kann und die Logik darin ist, dass mit großer Wahrscheinlichkeit sein Versteck in der Nähe war. Anscheinend hatte ich mich nicht geirrt.“ Blickte sie ihn an.
Das schien ihn wirklich zu überraschen. „Das erklärt meine Vermutung, das du mehr Ahnung von Drachen hast, die man eigentlich annimmt. Habe ich da Recht?“ Bemerkte er, nur rührte sie sich bei seiner Frage keinen Deut. Nicht einmal eine Wimper zuckte sie dabei. War es eine eindeutige Bestätigung, sie hatte mit Drachen zu schaffen gehabt? Da kam er zu einem Schluss, denn anders konnte es nicht sein. „Du bist auf jeden Fall schon mindestens einen von uns begegnet. Wer war es? Vielleicht kenne ich ihn ja.“ Wollte er es schon wissen, weil seinen Anschein nach, dieser Drache nicht der freundlichste gewesen war. Dafür wiesen ihre Verhaltensweisen mehr einer Zurückhaltung an und vor allem ihr kühler und teilnahmslose Blick. Das zeigte sich genau in diesem Augenblick, denn es bedurfte kein großes Talent diese Abneigung, Wut und vielleicht sogar Hass in ihren Augen zu erkennen.
Das Silber in ihren Augen wurde Messerscharf und er bekam doch leicht eine Gänsehaut. Nicht weil er eine Art Angst daran verspürte, viel mehr fand er es anziehend. Da sie schon außergewöhnliche Augen hatte, war es nur umso spannender.
Die Elfe weigerte sich ihm Antworten zu geben und er brummte leicht darauf. „Wieso verrätst du es mir nicht?“
„Was interessiert dich das? Ihr Drachen seid wegen eurer Freundlichkeit nicht sehr bekannt und vor allem euer Mitgefühl für andere, oder es geht vielleicht um eure eigene Spezies allein. Also kann es dir vollkommen egal sein.“ Wandte sie sich wieder von ihm ab, aber diesmal ließ er es ihr nicht durchgehen.
Seine Arme schnellten nach vorne und er drückte sie auf den Erdboden. Ihr kleiner Aufschrei bestätigte, sie hatte nicht damit gerechnet. Lucien war aber bedacht ihr nicht weh zu tun. Er hatte sich über sie gebeugt und schaute mit lodernden Augen auf sie herab. „Das solltest du mal meine Sorge sein lassen, was mich interessiert und was nicht. Das war eine leichte Frage gewesen die du beantworten solltest.“ Stützte er sich mit beiden Händen neben ihr ab. Jetzt wo sie so unter ihm lag, kamen erneute Bilder in ihm auf, die er nicht einfach so ignorieren konnte. Da er sie schon einmal geschmeckt hatte, war die Verführung sehr groß gewesen noch einmal von ihr zu kosten. Als erstes ihre vollen sinnlichen weichen Lippen. Ihre Unterlippe leicht füllig, welche perfekt zum rein beißen waren. Noch einmal wollte er das tiefe Rot ihrer Lippen sehen, wenn er sie vor Verlangen wild geküsst hatte.
Ein Hunger von Begierde stieg in ihm auf und er wollte es stillen, wie er es schon zu Anfang beschlossen hatte. Sie war anziehend und einen wahnsinnigen schlanken Körper, machte sie besonders anmutig. Sie war nicht sonderlich groß für eine Frau, aber alles saß so, wie es sein sollte. Perfekte Kurven und erst ihre Brüste, zum einladen für bissige Spielchen.
Emmanlines Augen weiteten sich vor Entsetzen, dass er ihr schon wieder Nahe trat. Nun lag sie binnen von Sekunden unter ihm und erneut wusste sie nicht, wie sie darauf reagieren sollte.
Er wollte sie doch nicht wieder...küssen und Dinge mit ihr anstellen, die anzüglich waren? Nein, das wollte sie nicht und sie wehrte sich.
„Geh runter von mir.“ Stemmte sie sich gegen ihn und verbrannte sich wie beim ersten Mal mit ihrer Berührung an ihm. Heiß blitzte es durch ihren Körper, aber diesmal zuckte sie wirklich zurück. Ihre Hände pressten sich auf ihre Brust und sie wich seinem Blick aus, als sich ihr Kopf zur Seite drehte. Sie versuchte sich keinen einzigen Millimeter zu bewegen, denn schon beim letzten Mal hatte sie in Erfahrung gebracht, dass er darauf reagierte, wenn er sie in seinen Armen hielt und sie sich bewegte.
Kraftvoll legte er eine Hand auf ihrem oberen Halsansatz und halb über ihrem Kinn, damit er ihren Kopf drehen konnte und ihr Gesicht zu ihm gewandt war. Sein Griff tat ihr nicht weh, aber es reichte aus, um seine besitzergreifende und machtvolle Art zu zeigen.
„Was ist los? Hast du Angst, dass ich dich wieder küsse?“ Lachte er belustigt auf und kam mit seinem Gesicht ihrem näher. Er lachte sie aus, oder gar verhöhnte sie, wie sie bezüglich auf ihn reagierte. Genau das hatte sie in dem Zeitpunkt vollkommen schockiert, was nun alles wieder in hier hochkam. „Oder das ich dich noch zu weiteren sinnlichen Dingen verleite?“ Machte er einfach weiter.
„Warum?“ Versuchte sie zu schlucken, aber dadurch kam nur dieses eine Fragewort erstickt hervor.
Einen Moment schaute er sie einfach nur an und er dachte nach. Dieser Mann wusste, auf welche Aussage ihre kurze Frage gerichtet war.
„Weil mir danach ist und weil ich es kann.“
Schon seit einigen Minuten lag sie auf dem Boden, da er sie runter gedrückt hatte. Unfähig sich zu bewegen, starrte sie an die Decke der Höhle. Emmanline wusste nicht so recht was sie tun oder machen sollte. Geschweige was sie denken sollte. Allein seine Worte gingen ihr einfach nicht aus dem Kopf.
Weil mir danach ist und weil ich es kann.
Genau diese Worte hatte er ihr gesagt gehabt, als er danach einfach aus dem Höhlenraum verschwunden war. Einfach so und ohne ein Wort zu sagen, war er einfach gegangen. Er hatte von ihr abgelassen und sie auf dem Boden liegen gelassen. Langsam verstand sie ihn nicht mehr und es brachte sie durcheinander. Was sollte das Ganze? Es war seltsam, denn zuvor hatte sie so was noch nie erlebt. Erst fiel er über sie her wie ein Tier, was er auch war, und anders herum ließ er sie einfach links liegen. Aber diese Anziehungskraft die zwischen ihnen herrschte, war ungewöhnlich. Sie musste nur in seine Augen schauen, die voller Verlangen zu ihr waren, und sie war hin und her gerissen. Diese Machtlosigkeit machte ihr am meisten zu schaffen.
Genau das war es ja, was sie so stutzig machte. Sie spürte, das er sie verführen wollte und noch vieles mehr. Nur was war mit ihr selbst?
Emmanline war durcheinander und ihre Gedanken überschlugen sich schon fast. Ihre Arme hatten sich über ihre Augen gelegt und sie musste ordentlich schlucken. Ein Gefühl von Unsicherheit machte sich in ihr breit, als sie noch immer die Nachwirkung in sich spürte, wie heiß ihr war und dieses kribbelige Gefühl in ihr. Da war auch der Geruch von ihm, der noch immer in der Luft hing. Erdig und standhaft. Auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollte, so musste sie doch zugeben, dass es ihr eine Art Sicherheit gab. Das durfte nicht sein. Nicht wenn sie daran dachte, wie er sie behandelte und herumschubste. Man könnte meinen, er hätte Gefühle wie eine Dampfwalze. Jedenfalls ihr gegenüber. In seinen Augen war sie nur ein Käfer und ihn würde es wohl kaum interessieren, wenn er sie zerquetschen würde. Nichts anderes war zu erwarten und sie machte sich auch keine Hoffnungen darauf, dass es nicht so wäre. Sie war es gewohnt, denn alle Drachen waren gleich.
Langsam setzte sie sich auf und legte ihre Hände auf den Boden ab. Noch einmal setzte sie sich an den kleinen Fluss, oder auch Bach und betrachtete ihr eigenes Spiegelbild auf der Oberfläche. Leicht betastete sie ihr eigenes Gesicht. Sie sah müde und erschöpft aus, aber fühlte sich keinen Deut danach. Ihr Gesicht bleich, welches ins Grau überging. Sie wusste woher diese dumpfe Hautfarbe kam. Noch immer war ihre Lebensenergie auf ein starkes Minimum reduziert und es würde etwas Zeit brauchen, um einen normalen Pegel zu erreichen. Ihre Kraft war vorher schon nicht gerade hoch gewesen, aber es war auszuhalten. Doch jetzt fühlte sie sich einfach nur matt und am liebsten würde sie sich irgendwo in eine stille Ecke verkriechen, aber das war wohl der falsche Moment dafür. Durch die Ruhe würde sich ihre Energie zwar schneller auffüllen, aber ihr Instinkt wehrte sich dagegen, dem Drang gab sie nicht nach. Sie wäre ungeschützt und machtlos. Auch wenn sie in dieser Gestalt keine Chance gegen einen Drachen hatte, aber es stimmte sie ruhiger, wenn sie bei Bewusstsein blieb. Bei allem anderem wäre sie nur noch mehr angreifbarer. Also war es unmöglich sich hinzulegen und einfach nur einmal die Augen zuschließen. Selbst wenn die Versuchung sehr groß war.
Nachdem sie sich das restliche Blut auch von ihrem Gesicht, Hals und vor allem aus ihrem Haar raus gewaschen hatte, ekelte sie sich nicht mehr ganz so davor. Dieser Geruch der Kokodjos war von vornherein schon nicht gerade angenehm gewesen und sie erinnerte sich nur, denn das Blut dieser abscheulichen Kreaturen war nicht gerade harmlos. Es beinhaltete genauso einen Anteil Parasiten, das einen in solch eine Kreatur verwandelt könnte, aber solange es getrocknet war, spielte es keine Rolle mehr. Alle Parasiten waren dadurch abgestorben, aber Vertrauen wollte sie in dieser Behauptung nicht.
„Bist du fertig?“ Erklang eine tiefe Stimme hinter ihr. Leicht zuckte sie zusammen und sie drehte sich ruckartig um.
Und da war er wieder. Sie betrachtete ihn von oben bis unten und ihr fiel auf, das er sich neue Kleidung angezogen hatte. Die gleiche Kleidung, nur in etwas unterschiedlichen Farben. Sicher passten ihm diese Klamotten wie angegossen und sie nahm wahr, das sie sich eng an seinen Körper schmiegten. Jeden einzelnen Muskel konnte sie darunter erkennen und er sah wirklich anschaulich aus. Vor allem, als er zu ihr kam, spielten seine Muskeln unter seinem Shirt.
Erst nachdem sie geschluckt hatte, schaute sie zu ihm auf. Er war groß und sie kam sich wie eine Ameise ihm gegenüber vor. Damit dieser Effekt nicht ganz so stark war, rappelte sie sich auf. Kurz darauf stand er auch schon vor ihr und blickte zu ihr herunter.
Es war kaum zu übersehen wie machtvoll dieser Mann war und welche Präsenz er dabei ausstrahlte. Seine Ausstrahlung strotzte nur durch Kraft und Macht, weshalb sie sich auch nicht wunderte, dass er der zukünftige Herrscher der Drachen sein würde.
„Ja…“ Antwortete sie nur knapp und wandte ihr Gesicht von ihm ab. Wieso musste er ihr auch immer so nahe treten? Seine Präsenz erdrückte sie und doch fand sie darin etwas Beruhigendes. Das konnte nicht sein, oder mehr viel dürfte es nicht passieren. Nicht einmal verspüren durfte sie es.
Erneut legte er seine Finger unter ihr Kinn und drehte ihr Gesicht zu ihm herum. Sie kam nicht drum herum, in seine Augen zu schauen und dabei musste sie leicht schlucken. Seine Augen…Noch nie hatte sie die in seinem normalem Zustand gesehen. Sie waren Braun und das in einem dunklen Farbton. Sie waren wirklich schön und genau dort spiegelte sich sein Feuer wieder, das warm war. Es zog sie in seinen Bann und ihre Augen schlossen sich halb dabei.
Was war nur los mit ihr? Sie musste das beenden, weswegen sie einen Schritt nach hinten machte und seiner Berührung entkam, als hätte sie sich an ihm verbrannt. Seine Hand hatte sich zu einer Faust zusammen geballt, als er seinen Arm sinken ließ. Aus seinem Blick konnte sie nichts deuten, denn er blickte sie ausdruckslos an.
„Los, wir werden jetzt gehen.“ Befahl er ihr und legte eine Hand auf ihrem Rücken, um sie leicht nach vorne zu schubsen. „Jetzt!“
„Was?“ War ihre Stimme etwas zu hoch gerutscht, denn etwas in seiner Stimme gefiel ihr ganz und gar nicht. „Wohin?“ Fing ihr Herz etwas schneller anzuschlagen.
„Wirst du schon merken.“ Drückte er sie immer weiter dem Ausgang entgegen.
Oh ja, das gefiel ihr ganz und gar nicht. Wieso hatte sie das komische Gefühl das jetzt etwas geschieht, was ihr nicht gefallen würde?
Es ärgerte Lucien noch immer, weil sie vor ihm zurück gewichen war. Am liebsten hätte er laut auf geknurrt, um sie daran zu erinnern, wer vor ihr stand. Anscheinend musste er es erst einmal zurückstecken und an etwas anderes denken. Noch drei Tage und er musste vor den Rat der Engel treten und die Zeit, die er dafür aufbringen musste, war unbestimmt. Gerade weil er nicht wusste, wann er zurückkommen würde, war ihm bewusst, dass er was dagegen unternehmen musste, das sie nicht alleine war. Solange konnte er sie hier nicht lassen. Ihn beschlich das Gefühl, sie würde einen Weg finden, um zu entkommen und genau das wollte er verhindern. Er war mit ihr noch nicht fertig und er würde sie solange bei sich behalten, bis er meine, es sei genug. Doch soweit war er noch lange nicht.
Also blieb ihm nichts anderes übrig, als sie mit sich zu nehmen. Der beste Ort der ihm einfiel, war der, sie ins Schloss zu bringen. Wo sie überwacht und auch sicher sein würde. Dort konnte sie nicht entkommen, wenn er den Befehl gab, sie daran zu hindern abzuhauen. Das war das Einfachste und er fand den Gedanken nicht einmal schlecht, dass sie dort in sein zukünftiges Heim kommen würde. Es hatte etwas Reizvolles.
Draußen angekommen, blieb er stehen und blickte in den Himmel hinauf. Die Sonne stand hoch am Himmel und es wäre ein guter Tag zum Fliegen. Auch wenn er erst vor kurzem im Schloss gewesen war, was gerade mal ein halber Tag betrug, machte es ihm nichts aus.
Doch ein perfekter Tag zum Fliegen.
Sofort wehrte sie sich gegen ihn und er spürte wie Panik in ihr aufstieg. Er roch es an ihr und ihr Herz raste nur noch schneller. Anscheinend hatte sie gewusst, was auf sie zukam. Also war zu Anfang, als er sie zum ersten Mal mit in die Lüfte genommen hatte, das sie eine Art Angst beim Fliegen verspürte.
„NEIN…“ Schien sie immer hysterischer zu werden und sie versuchte zu fliehen. Lucien hatte seinen Arm um ihre Hüfte geschlungen und drückte sie an seine Brust. „Nein…“ Wurde sie immer lauter und sie fing an zu zittern.
Was war nur los mit ihr? Hatte sie solche Höhenangst? Er konnte in diesem Moment keine Rücksicht darauf nehmen. Die Luft war der schnellere Weg, als durch die Landschaften zu wandern.
„Keine Sorge, ich werde dich schon nicht fallen lassen.“ Versuchte er sie zu beruhigen? Unmöglich. Warum wollte er sie beruhigen?
„Nein…alles nur das nicht…“ Ihre Wehrversuche wurden immer intensiver und sie versuchte ihn sogar zu treten und zu kratzen. Was für eine kleine Furie.
„Wovor hast du denn solch eine Angst? Wenn ich das gewollt hätte, hätte ich dich schon beim ersten Mal fallen lassen können.“ Klang er leicht belustigend, aber ihr schien es nicht spaßig zu sein.
„Das klingt nicht beruhigend. Überhaupt nicht.“ Ihre Stimme immer leiser und rauer werdend. Ihre Wehr hatte keine Sekunde nachgelassen. Ihm blieb wohl nichts anderes übrig, als eine Müdigkeit in sie zuschicken. Wenn sie sich weiter so wehren würde, könnte er nicht verhindern, sie in einem festeren Griff zu packen. Schon seltsam, das er ihr nicht wehtun wollte. Lag es daran, dass er gesehen hatte, wie sie leblos in seinem Bett gelegen hatte?
„Dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig.“ Seufzte er etwas genervt. Eigentlich hatte er das überhaupt nicht vorgehabt. Eine Hand legte er auf ihre Stirn. „Schlaf!“, befahl er ihr mental in ihrem Verstand.
„Wie? Was meinst d…“ Und sie sackte mit einem Mal in seinen Armen zusammen. Lucien musste sie nicht auffangen, denn er hatte sie schon gepackt gehabt. Erschlafft hingen ihre Arme nach unten und ihr Kopf war leicht zur Seite geneigt. Mit seinem guten Gehör konnte er hören, wie sie in einen ruhigen und sanften Schlaf gesunken war. Ihre Atmung war flach und ihr Herz hatte langsamer angefangen zuschlagen.
Leicht drehte er sie in seinen Armen um und betrachtete sie mit einem intensiven Blick. Zuletzt hatte sie auch in seinen Armen gelegen. Nur das sich jetzt ihre Brust langsam auf und ab bewegte. Das war ein beruhigendes Gefühl. Leicht strich er eine Strähne aus ihrem Gesicht, die sich, durch ihre Wehr dorthin verirrt hatte. Dabei erwischte er sich selbst wie liebevoll er mit den Rücken seiner Finger über ihre Wange strich. Als wenn er sich verbrannt hätte, zog er blitzartig seine Hand zurück, um danach ein wütendes Knurren von sich zu geben.
Danach verwandelte sich Lucien in einen Drachen, ohne die Elfe einmal losgelassen zu haben. Das musste er nicht und kurze Zeit später befanden sie sich in den Lüften. Tausende von Gedanken schwirrten, während des Fluges, durch seinen Kopf. Immer wieder schaute er auf die schlafende Frau in seinen Klauen. Seine großen Vorderarme hatte er an seinen Körper gezogen, damit sie nicht der kalten Luftzüge ausgesetzt war. Durch seine Schnelligkeit im Flug konnte es schon sehr kalt werden und so ein Herzloser war er dann doch auch wieder nicht. Er konnte auch nicht die ganze kalte Luft aufhalten, aber er glich es durch seine starke Körperwärme aus.
Lucien ging noch einen Tick höher und unter ihm wurde die Welt immer kleiner. Landschaften, Dörfer und Städte überflog er und beinahe hätte er sich gewünscht, diese Frau könne auch die Schönheit vom Himmel heraus betrachten. Nur um zu zeigen das sie keine Angst zu haben bräuchte. Dabei wäre ihre Angst unberechtigt gewesen, als er gesagt hatte, er würde sie nicht fallen lassen, da war es ihm ernst gewesen.
Erst nach längerer Zeit konnte er das Schloss von der Ferne erkennen. Zum ersten Mal in seinem Leben, konnte er es nicht abwarten dort zu sein. Seit wann stieg seine Erwartung so hoch, dort zu sein? Stets hatte er es vermieden dort zu sein. Allein schon, weil er wusste, was ihn eines Tages dort erwarten würde. Er wollte es immer solange hinauszögern bis er eines Tag dazu gezwungen war, dorthin zurückkehren zu müssen und den Platz auf dem Thron einnehmen.
Endlich landete er auf dem Vorplatz und verwandelte sich wieder in seine menschliche Gestalt. Erneut ohne Kleidung, weil sie sich durch seine Verwandlung aufgelöst hatte.
Die Frau lag schlafend in seinen Armen. Ihr hatte der Flug nicht geschadet und er war erleichtert darüber. Sein Blick erhob sich und schaute zum Eingang des Schlosses, wo seine Mutter stand, die anscheinend gespürt hatte, dass er zurückkam. Ihr Blick fiel auf die Elfe in seinen Armen und dann wieder zu ihm.
„Wer ist das?“ Wollte sie eine klare Antwort von ihm. Sicher war das eine seltene Situation das Fremde einfach in das Reich der Drachen mitgenommen wurden. Ihm schien das eine Ausnahme zu sein.
„Sie ist die Diebin die etwas aus meinem Hort gestohlen hatte.“ Antwortete er wahrheitsgemäß und ging auf seine Mutter zu. Ihre Stirn runzelte sich und er wusste was sie dachte. Wie könnte man nur etwas aus seinem Hort stehlen? „Frage nicht!“ Verhinderte er schon vorher, das er keine Fragen diesbezüglich haben wollte.
„Wieso bringst du sie hier her? Sie hat hier nichts zu suchen.“ Schaute sie zu der Frau runter, da er nun vor ihr stand. „Es ist unakzeptabel und genau du solltest das am besten wissen.“ Wurde ihre Stimme immer verärgerter. Natürlich war seine Mutter nicht begeistert darüber.
„Da ich in drei Tagen vor den Rat der Engel treten muss, kann ich sie wohl schlecht alleine lassen.“ Was für eine lächerliche Ausrede es doch war.
„Das ist nicht mein Problem. Du hättest sie in eines deiner Kerker werfen können. Wie du es sonst auch tust.“ Ließ sie nicht locker. Lucien war an ihr vorbei gegangen und sie folgte ihm.
„Das ist nicht so leicht wie du es dir vorstellst.“ Seufzte er leicht auf und dennoch war es einfach, sie einfach loszuwerden. Sie hatte ein gewisses Talent, aus seinen Schutzmaßnahmen zu entkommen.
„Was soll daran nicht leicht sein? Ich will sie nicht hier haben. Vor allem keine Elfe. Dabei dachte ich immer, das die Elfen sich seit sehr langer Zeit im Verborgenen halten.“ Verzog sie etwas missbilligend ihr Gesicht.
„Sie wird hierbleiben. Mit oder ohne deine Einwilligung.“ Meinte er. Er wollte es einfach nicht riskieren, dass sie ihm entkam. Aber das konnte er wohl schlecht zugeben. „Sie bleibt solange bei mir, bis ich das zurückbekommen habe was mir gehört.“ Klang er entschlossen, dass es ihn selbst überraschte, aber so war es eben nun einmal. Das schien seine Mutter zu bemerken und er konnte ihre Blicke auf sich spüren. Auch wenn sie es jetzt vielleicht hinnahm, so würde sie trotzdem nicht ihre Meinung darüber ändern, sie loswerden zu wollen..
„Sollte je etwas passieren, wirst du die Verantwortung dafür tragen. Stellt sie sich heraus, das sie eine Spionin ist, weißt du was ihr widerfahren wird oder sollte sie uns anders schaden, dann wirst du nicht zögern sie zu töten.“ Eiskalte Worte, bevor sie verschwand.
Töten? So schnell würde er es nicht zulassen. Jetzt erst kam ihm der Gedanke, was er sich überhaupt dabei gedacht hatte, sie mit hierher zunehmen. Gerade hatte er sie in die Höhle des Löwen mitgenommen. Wenn es um ihre eigene Art ging, galt alles daran die zu schützen, die zur Sippe gehörten. Da war es egal, wer und was es war. Diese kleine Elfe, in seinen Armen, war da keine Ausnahme. Solange sie noch keine aktiven Andeutungen auf Gefahr machte, musste er sich noch keine Sorgen machen. Oder?
In seinen Räumlichkeiten brachte er sie in sein Schlafzimmer und legte sie dort auf das große Bett. Das locker vier Personen besetzen könnte. Es war lange her, das er in seinen alten Räumlichkeiten war und ihm schien es seltsam und als fremd geworden zu sein. Alles.
Neben ihr nahm er Platz und er konnte seinen Blick einfach nicht von ihr abwenden. Erneut konnte er nicht widerstehen ihr übers Haar zu streicheln, bevor er seine Finger über ihre Stirn strich und ihr einen weiteren mentalen Befehl gab.
„Wach auf!“ Kurz und einfach.
Lucien könnte ihr noch eine längere Zeit dabei zuschauen, wie sie schlief, aber irgendwie wollte er sich mit ihr unterhalten und einfach nur ihre Stimme hören. Obwohl seine Neugier größer war, denn er hatte eine Menge Fragen an sie. Nur geschah nichts, als er den künstlichen Schlaf von ihr genommen hatte. Ihre Augen blieben weiterhin geschlossen.
Seine Stirn runzelte sich dabei. Diesmal schlief sie nur und es deutete nichts darauf hin, dass sie in Gefahr sei. Danach konnte er auch nicht mehr gehen, wenn er vermutete ihr ginge es gut. Stets hatte es sich als verkehrt herausgestellt. Aber diesmal müsste es eigentlich anders sein. Sie hatte eine Menge Energie verloren und sie müsste sie wieder auffüllen und am besten ging das nun einmal mit dem Schlaf. Deswegen ließ er sie schlafen und strich noch einmal über ihr Haar bevor er aufstand. Auch wenn er sie nicht gerade gerne alleine lassen wollte, so musste er es doch tun. Ihn verlangte nach einer heißen Dusche die ihm gut tun würde. Durch dieses ganze hin und her, forderte es seine volle Aufmerksamkeit endlich etwas zu bekommen, was ihn entspannte. Ihr würde nichts passieren, denn er war hier. Nur im Badezimmer nebenan. Also was sollte schon passieren? Sie war ja auch schließlich in seinen Räumlichkeiten.
So wandte er sich von ihr ab und verschwand im Bad, wo er sich sofort unter die Dusche stellte.
Emmanline wusste nicht wie lange sie weg gewesen war, aber ihr wurde nun mehr als bewusst, was geschehen war. Doch sie wusste nicht wo sie war. Ihr schwante nichts Gutes.
Woran sie sich als letztes erinnern konnte, war, dass sie sich gegen irgendwas geweigert hatte. Ihre Besinnung durchforstete ihren Verstand. Natürlich, sie hatte es geahnt. Dieser Mann wollte nicht in der Höhle bleiben und wollte sie irgendwo anderes hinbringen. Da Drachen in den Lüften sich bewegten, wollte er sie mitnehmen, aber Panik war in ihr aufgestiegen und es hatte Erinnerungen in ihr geweckt. Mit allem hatte sie sich gewehrt, doch es hatte nichts gebracht. Da sie sich gewehrt hatte, ignorierte er sie einfach. Er hatte sie in eine Art Trancezustand versetzt, sie einfach gefügig gemacht, damit sie schlief.
Dieser Schweinehund.
Nichts desto trotz hatte er ihr diese Müdigkeit genommen und sie fühlte etwas Weiches unter sich. Anscheinend lag sie wieder in einem fremden Bett. Was war nur los? Würde sie denn wieder überall hin und her geschleift? Irgendwas musste sie sich einfallen lassen. Irgendwie musste sie es doch schaffen zu entkommen.
Emmanline gab sich große Mühe weiterhin so zu tun als würde sie schlafen. Noch eine Weile konnte sie ihn bei sich spüren, bis er sich von ihr entfernte. Nur ein kleines leises Klicken brauchte sie als Bestätigung und riss ihre Augen auf. Schlagartig setzte sie sich auf und schaute sich rasch im Zimmer um. Das Zimmer war groß und es befand sich nicht allzu viel in diesem Raum. Nur ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen, das große Bett in der Mitte und eine kleine Kommode. Es war so trist und es hatte die Wirkung, als würde dieses Zimmer selten benutzt.
Jetzt wo sie das Rauschen von Wasser hören konnte, wusste sie, dass er abgelenkt war und sie hoffte inständig, er hörte sie nicht. Doch um sicher zugehen, wendete sie eine Art Tarnzauber an, den sie zuvor angewendet hatte, bevor sie in die Höhle eines Drachen gestürmt war. Einmal entdeckt, war alles andere hinfällig. Doch jetzt würde er nicht wahrnehmen das sie aufgewacht war und flüchten würde.
Erst da stand sie vom Bett auf und stürmte zum Fenster hin, aber bei dem Ausblick hielt sie den Atem an.
„Oh, nein!“ Flüsterte sie.
Sie wusste genau, dass sie sich in einem Schloss befand und das ziemlich weit oben. Das war ja nicht das Problem soweit oben zu sein, trotz ihrer Höhenangst, aber… die ganze Umgebung wimmelte nur so von Drachen. Egal ob in der Luft oder auf dem Boden. Wie sollte sie da unbemerkt herauskommen? Das würde sie nie überleben, dabei wusste sie von Anfang an, dass es keine Hoffnung für sie gab, zu entkommen. Doch sie wollte nichts unversucht lassen. Sie musste von hier weg.
So stürmte sie zur nächsten Tür und bekam auch gleich die Richtige zum Gang raus. Sie war nicht verschlossen. Vorsichtig spähte sie hinaus und entdeckte zu ihrem Glück niemanden. Trotz des Tarnzaubers versuchte sie so leise wie möglich zu sein und schloss lautlos die Tür hinter sich. Nach ein paar Sekunden entschied sie sich den rechten Gang zu nehmen. Sie beschloss nicht zu rennen, sondern ging in schnellen Schritten, sodass sie Vorzeichen hören und erkennen konnte, sollte sich jemand ihr nähern. Das stellte sich gerade in diesem Moment heraus, denn Stimmen drangen tief in ihre Ohren. Mit rasendem Herzschlag suchte sie sich eine Möglichkeit, wo sie sich verstecken könnte und tat es hinter einer großen Säule. Dort konnte sie sich mit Leichtigkeit verstecken. Den Atem anhaltend, wartete sie, bis sie an ihr vorbei gingen und erst als sie sicher war, sie würden weit genug entfernt sein, kam sie aus ihrem Versteck heraus. Vorsichtshalber checkte sie es noch einmal nach und es war sicher. Ohne Zeit zu verlieren, ging sie weiter, bis sie an eine Kreuzung kam. An der Ecke blieb sie aber stehen und wollte kein Risiko eingehen, wenn sie jetzt einfach raus stürmen würde und da stand jemand, dann wäre alles umsonst gewesen. Dabei war sie doch schon ein gutes Stück voran gekommen. Trotz ihres Zaubers.
Leicht versuchte sie um die Ecke zu schielen und wie sie gedacht hatte, standen dort zwei großgewachsene Männer, die sich ziemlich ähnlich sahen, und eine sehr hübsche Frau. Danach wandte sie ihren Kopf gerade aus und dieser Pfad war ihr Fluchtweg. Wie sollte sie dort hinkommen, ohne dass sie entdeckt wurde? Also zog sie sich zurück und lehnte sich mit den Rücken an die Wand. Sie musste sich was einfallen lassen. Um einen Moment nachzudenken, schloss sie ihre Augen. Sollte sie den ganzen Weg noch einmal zurückgehen und einen anderen Weg suchen? Nein, dann würde sie mit hoher Wahrscheinlichkeit dem begegnen, der sie hierher gebracht hatte. Wahrscheinlich hatte er schon mitbekommen, dass sie verschwunden war. Also sollte sie solange warten, bis die Drei vielleicht verschwunden waren? Aber wie lange würde das dauern? Diese Zeit hatte sie nun mal nicht. Und was, wenn sie sich einfach versteckte und auf die Nacht wartete? Das war ein idiotischer Gedanke. Drachen waren Nachtwesen und das war wohl das Dümmste, was sie machen könnte. Doch ein Ausweg musste her und das so schnell wie möglich.
Auf einmal spürte sie einen kalten Zug im Nacken und ihre Augen öffneten sich ruckartig. Das Erste was sie sah, waren glühende goldene Augen. In ihnen brannte ein Feuer, aber es war ein kaltes Feuer. Im ersten Moment hatte sie gedacht, es war er gewesen. Da hatte sie sich wohl gewaltig geirrt.
Emmanline musste ihren Kopf in den Nacken legen, um dem Mann ins Gesicht sehen zu können, der wie eine Wand vor ihr aufgebaut war. Seine ganze Persönlichkeit strahlte der reinste Tod aus und ihr blieb die Luft weg. Der rationale Verstand in ihr, sagte ihr, sie solle rennen, als wäre der Teufel hinter ihr her und der andere Teil ihres Verstandes flehte, sie sollte keine schnellen Bewegungen machen. Doch leider entschied sich ihr Verstand für das Rationale. Ihr einziger Gedanke war einfach nur, das sie so schnell wie möglich vor ihm flüchten sollte. Wieso hatte sie ihn nicht bemerkt?
Ein hektischer Sprung zur Seite und sie rannte nach dem Motto. Beine in die Hand nehmen. Aber das war unmöglich. Im ersten Augenblick, wusste sie nicht was geschah, erst als sie mit einem harten Schlag mit dem Rücken auf dem steinigen Boden aufkam. Schmerzhaft schnappte sie nach Luft, doch sie bekam keine Luft, denn der Aufprall hatte sie hart getroffen. Das war auch nicht das einzige Problem, weswegen sie keine Luft bekam. Der Mann hatte sie am Hals gepackt und somit zu Boden geschleudert. Sein Griff wurde fester und sie hatte Mühe bei Sinnen zu bleiben. Ihre Hände hatten sich um sein Handgelenk gegriffen, da er sie im Würgegriff hielt und halb auf ihr drauf saß. Sie wusste, er saß nicht mit seinem ganzen Gewicht auf ihr, aber das reichte ihr vollkommen aus.
„Wer bist du und was suchst du hier?“ Seine Stimme tödlich, wie die schärfste Klinge und diese Kälte darin, als wenn dieses Eis darin alles zum Erfrieren brachte, ging schmerzhaft über ihre Haut. Dieser Mann war der Tod. Er strahlte es nicht nur aus. Auch wenn ihre Sicht schon zu verschwimmen begann, konnte sie die Kaltblütigkeit und Erbarmungslosigkeit in seinen Augen erkennen. Dieser Drache würde ihr jetzt mit Leichtigkeit durch das Abschnüren ihrer Kehle das Leben beenden. Daran bestand kein Zweifel, sie war hier der Eindringling in seinem Reich und sie war die Gefahr unter ihnen. In deren Augen gesehen.
Sie konnte ihm nicht antworten. Nicht so, denn er ließ ihr nicht einmal eine Chance dazu. Ihre Augen schlossen sich schon halb und ihr Herz fing an schwächer zu schlagen. Sie spürte es zu deutlich, wie das Leben aus ihr schwand. Alles in ihr schmerzte, aber je mehr sie der Bewusstlosigkeit nahe kam, wurde es stetig weniger. Ihre Kraft schien sie genauso zu verlassen und ihr Griff um sein Handgelenk lockerte sich, bis sie schlaff auf dem Boden lagen.
Gerade wollte sie ihre Augen schließen, da spürte sie, wie der ganze Druck von ihr verschwand. Selbst körperlich, als auch der Druck um ihrem Hals. Sofort drehte sie sich zur Seite und fing an zu husten und es fühlte sich an, als hätte sie Glasscherben gegessen. Die Luft in ihren Lungen ließ noch immer auf sich warten und sie hustete lautstark weiter. Emmanline wusste nicht, was um sie herum geschah, denn ihr Verstand war dazu noch nicht in der Lage.
Am ganzen Körper fing sie an zu zittern. Ihr wurde eiskalt und sie hatte trotz, das der Druck auf ihrem Hals verschwunden war, Mühe bei Bewusstsein zu bleiben. Auf einmal vernahm sie von weitem eine Stimme. Erst drang sie nicht durch ihren bewussten Verstand, aber bei jeder Wiederholung nahm sie immer einen Fetzen mehr auf.
„Verflucht, rede mit...mir. Ist bei...dir...“ Alles in Ordnung? Beendete sie in Gedanken seine Frage. Was für eine sinnlose, idiotische und überflüssige Frage. Nein, nichts war in Ordnung, hätte sie am liebsten geschrien, aber der Schmerz, der sie selbst beim Schlucken daran hinderte, kamen ihr die Worte nicht über die Lippen. Erst seine Berührung auf ihrem Rücken, rief sie endgültig wach. Auch wenn es mühselig war, wehrte sie sich gegen ihn.
„Fass mich...nicht an...“ Kaum hörbar kam es krächzend aus ihrem Mund, nebenbei noch immer atemlos. Langsam versuchte sie von ihm weg zu kriechen, aber er versuchte es erneut. Doch sie wehrte sich wieder. Sie wollte nicht, dass er sie anfasste. Selbst wenn er sie anscheinend von dem Mann verteidigt hatte, so hatte er das ganze verursacht. Er war Schuld an allem. Da halfen selbst seine Flüche nicht und das…Bedauern? Quatsch, er könnte nie solche Gefühlsregungen besitzen.
Kaum bewusst, hatte sie wirklich die Mauer erreicht, wo sie sich aufrichten und abstützen konnte. Ihr Blick klärte sich langsam, aber sie wollte nicht hinter sich schauen. Sie konnte sich denken, das sie nicht mehr zu dritt waren. Mehrere Augenpaare konnte sie spüren, selbst die Präsenzen.
Einen kleinen festen Halt bekam sie mit ihrer noch verfügbaren Kraft und hievte sich hoch. Keine Minute auf den Beinen, sackte sie wieder auf die Knie und bekam noch mehr Atemnot. Vergebens versuchte sie nach Luft zu schnappen und sie hatte das Gefühl zu ersticken. Anscheinend hatte der Aufprall auf dem harten Boden etwas in ihr eingeklemmt und drückte so zusätzlich die Luft ab. Oder gar, ihr Kehlkopf erlitt eine Quetschung. Mit einem Mal wurde sie nach vorne gedrückt und sie hing leicht vornübergebeugt. Eine große flache Hand lag auf ihrem Rücken und es fühlte sich heiß an. Sehr heiß, trotz ihrer Kleidung spürte sie die Hitze, bis unter die Haut. Diese Hitze breitete sich in ihr aus und durchströmte ihren ganzen Körper und das Erstaunliche daran war, das sich dieser Druck, der ihr das Atmen schwer machte, sich stetig mehr auflöste. Sie fühlte sich befreiter und sie konnte ihre Lungen mit der benötigten Luft füllen. Wie hatte er das gemacht? Wieso half er ihr überhaupt?
Lucien war gerade mit freiem Oberkörper und nur mit einer Hose bestückt aus dem Bad gekommen, nebenbei seine dunklen braunen Haare mit einem Handtuch trocken reibend. Es hatte ihm wirklich gut getan und er fühlte sich wirklich erfrischt. Doch kaum hatte er das Zimmer betreten, kam ihm etwas merkwürdig vor und sein Blick wanderte automatisch zum Bett hin.
„Das darf doch wohl nicht wahr sein.“ Stand er wie erstarrt auf einem Fleck. Sie war verschwunden. Schon wieder? Dabei hätte er es spüren müssen, wenn sie sich davonschleicht. Nur hatte er es überhaupt nicht bemerkt, denn das Bett war leer. Diese Elfe war doch immer wieder für neue Überraschungen gut und das gefiel ihm. Ihm wurde nicht langweilig dabei und das verlangte ein Grinsen von ihm ab. Doch so schnell verschwand es auch wieder, denn niemand wusste, dass er diese Frau mit ins Schloss gebracht hatte. Ihm schwante nichts Gutes und sein Gefühl sagte ihm, sie sei in großer Gefahr.
Sofort stürmte er aus seinen Gemach und blieb wie angewurzelt stehen. Seine Stirn runzelte sich und er wirkte etwas verwirrt. Wieso konnte er ihren Geruch nicht wahrnehmen? Welcher ihn so anzog? Anscheinend musste sie so eine Art Tarnzauber angelegt haben und es war ein wirklich guter Schachzug von ihr. Trotzdem bedeutete es nicht, dass sie außer Gefahr war. Er konnte jetzt nur auf gutheißt in eine Richtung rennen. Er verließ sich jetzt auch nur auf seinem Instinkt, beschloss den rechten Gang zu nutzen und rannte los.
Durch den Gang rennend, hörte er eine Stimme und gedämpfte Geräusche. Eiskalt lief es ihm über dem Rücken und er wusste, was dort geschah, etwas mit ihr. Deswegen legte er noch ein schnelleres Tempo an. Um eine Ecke biegend, blieb er stehen. Er glaubte nicht was er da sah, aber es schockte ihn wahrhaftig. Lucien sah wie ein hochgewachsener Mann auf dem Boden saß, den Blick nach unten gerichtet. Er saß auf etwas drauf und sein Blick wanderte an dem Mann herunter, der ihm so vertraut war. Er brauchte nur das schneeweiße Haar sehen und wusste sofort Bescheid. Der Mann auf ihr hatte sie im Würgegriff und drückte immer fester ihre Kehle zu.
„Alastar. Lass sie los.“ Knurrte Lucien ihn an, sein Blick tödlich und das goldene Feuer brannte in seinen Augen. „Geh runter von ihr.“ Worte die schneidend scharf klangen.
Der Kopf von Alastar hob sich und blickte ihn direkt mit eiskalten Augen an.
„Diese Frau ist in unser Heim eingedrungen und noch dazu ist sie eine Elfe.“ Wanderte der Blick seines Bruders wieder zu ihr runter und verstärkte seinen Griff nur noch mehr. „Sie ist eine verdammte Spionin.“
So schnell kam selbst sein Verstand nicht mit, da warf er sich auf Alastar, seinen jüngeren Bruder. Er riss ihn von ihr runter und anscheinend hatte selbst Alastar nicht damit gerechnet, denn er landete an der nächstgelegenen Wand. Ein harter Aufprall und er verpasste ihm somit gleich einen harten Kinnhaken.
„Wenn ich dir sage, du sollst von ihr runter gehen, meine ich es auch so und du solltest es nicht ignorieren.“ Fauchte und bleckte er seine Zähne, als er ihn drohend anschaute. Er hatte ihn am Kragen seines Hemds gegriffen, um ihn danach gleich noch einmal gegen die Wand zu schlagen.
„Was soll das? Spinnst du? Siehst du das nicht, wie sie sich hier rein geschlichen hatte?“ Versuchte Alastar sich zu befreien, aber er hatte ihn zu fest im Griff.
Erst als Lucien ein Husten und Röcheln hörte, kam er wieder etwas zur Besinnung und ließ ihn los. Sofort wandte er sich von ihm ab und ging zu der Elfe hin, wo er neben ihr in die Hocke ging.
„Ich habe sie mitgebracht.“ Antwortete er nur so nebenbei, denn seine Aufmerksamkeit war auf sie gerichtet. Lucien redete auf sie ein, aber sie reagierte kaum auf ihn und sie hatte große Mühe Luft zubekommen.
„Was hast du da gesagt? Du hast sie hierher gebracht?“ Brüllte Alastar und vernahm noch andere Stimmen um ihn herum. Doch er achtete nicht darauf und ignorierte sie gekonnt. Er wusste es selbst, niemand war davon begeistert, dass er jemand Fremdes mit in ihr Reich geschleppt hatte. Niemand der vertraut war oder nicht speziell eingeladen wurde, durfte das Schloss betreten. Er wusste, welche Tat er dabei beging, aber es juckte ihn gerade nicht. Er würde sie unter Kontrolle haben und sie beeinflussen, damit es erst gar nicht dazu kam, das sie ihnen schadete.
Immer weiter redete er auf sie ein, aber sie reagierte noch immer nicht. Leicht wollte er sie berühren, aber sofort stieß sie seine Hand weg und es schien ihm, als wollte sie ihn anschreien, aber verflucht nochmal. Ihre Heiserkeit und das Krächzen in ihrer Stimme trafen ihn am meisten. Er wusste welche Schmerzen sie durch das Sprechen haben musste. Leicht fluchend versuchte er sie noch einmal zu berühren, aber erneut wehrte sie sich gegen ihn und versuchte vor ihm davon zu kriechen. Am besten ließ er sie erst einmal und folgte ihr einfach nur mit seinen Blicken. Mit großer Mühe und Anstrengung versuchte sie an der Wand hochzukommen. Sie schaffte es auch, aber kurz danach sackte sie auf ihre Knie zurück. Er sah, sie bekam noch mehr Probleme mit dem Atmen, als zuvor. Da konnte er sich nicht mehr halten und ihm war es egal, ob sie sich weiterhin wehrte, aber er würde ihr helfen.
Vorsichtig legte er eine Hand auf ihren Rücken, drückte sie nach vorne und ließ es mit sich geschehen. Ihm war klar, dass sie nachgab, weil sie sich kaum noch dagegen wehren konnte. Das ärgerte ihn.
„Beruhige dich! Atme tief durch. Es wird gleich besser werden.“ Klang es fast wie ein Versprechen und er meinte es wirklich ernst. Wärme seines Feuers in ihm, sendete er in seine Handfläche und übertrug es auf sie. Sein Feuer sollte durch die Hitze ihre Atemwege dehnen und Erleichterung bringen. So wie seine Vermutung sich bewahrheitete, konnte sie schon viel besser Luft bekommen. Sie zitterte am ganzen Körper und sie fing an zu hyperventilieren. Er schob es auf den Schock der ihr jetzt nur bewusst wurde.
„Geht es wieder?“ Fragte er vorsichtig nach. Ihr Zögern bemerkte er, aber sie nickte bejahend. Auch ihn erleichterte es und er wandte seinen Kopf zu seinem Bruder und an die versammelte neugierige Mannschaft, die dazu gekommen waren. „Ich will allen etwas nahe legen, sollte der Frau noch einmal irgendwas geschehen, werde ich denjenigen zu Rechenschaft ziehen. Sie gehört mir.“ Drohte er klarstellend.
„Verflucht nochmal! Was verteidigst du sie?“ Zeigte Alastar wütend auf die Frau, aber schaute ihn an. Die Elfe versteifte sich und er musste nicht raten, wie mörderisch es in ihren Ohren klingen musste. Leicht wandte sie sich um und blickte, mit ihrer Hand um ihren Hals, den drohenden Drachen an. Er musste feststellen, dass das eine mutige Handlung war. Keiner würde es wagen in diesem Moment seinen Bruder ins Gesicht zu blicken, gar in die Augen. Sei denn, man hatte eine Chance es mit ihm aufzunehmen oder spielte eben mal so mit dem Tod. Jeder wusste was Alastar für eine Stellung in ihrer Hierarchie hatte. Er war der Jäger unter ihnen, der unentbehrlich war. Kein normaler Jäger, sondern er jagte seine eigene Art. Drachen die abtrünnig geworden waren. Drachen die für ihre eigene Art Gefahr bedeutete. Deswegen war er ja so unentbehrlich, denn er hatte das Zeug dazu und das wurde ihm schon in die Wiege gelegt. Es gab zu wenige von diesen sogenannten Jägern, denn kaum einer war dafür geboren. Deswegen zeigte er durch das Töten auch anderen gegenüber kein Erbarmen. Wie jetzt zu dieser Frau auch. Alastar war überhaupt kein Typ der Freundschaften pflegte, denn er war ein Einzelgänger, der alleine im Verborgenen lebte. Hatte er einmal die Spur seiner Beute aufgenommen, dann gab es kein Entkommen mehr.
„Kümmere dich um deinen eigenen Scheiß, Alastar. Ich warne dich. Rührst du sie noch einmal an, bist du dran.“ Entging ihm nicht der giftige Blick von seinem Bruder, welcher der Frau entgegen warf.
Hatte Lucien so was wie ein Funke von Überraschung in Alastar Augen aufblitzen sehen? Doch es zeigte sich nichts weiter. Für eine Weile herrschte Totenstille, bis sein Bruder sich umdrehte und davon ging. Ohne ein Wort. Misstrauen stieg in ihm auf, denn ohne ein einziges Wort verschwand er einfach. Das tat er nie, das er ohne ein Wort ging. Was hatte er vor?
Sie bewegte sich und versuchte ihn abzuschütteln und sie hatte seine Aufmerksamkeit wieder geweckt.
„Dir wird nichts mehr passieren.“ Sagte er zu ihr und er konnte eine Art Schnauben von ihr hören.
„Blödsinn.“ Krächzte sie noch immer heiser und sie schien sich zu sammeln. Diesmal schaffte sie es wirklich aufzustehen und das aufrecht. Danach wanderte sie ihren Blick um sich herum und er erhob sich vor ihr. Auch er schaute sich um und erblickte seine zwei Brüder Lodan und Taran, seine Schwester Ysera und zwei Wächter Péer und Mike. Vermutlich hatten sie was besprochen, als das geschehen war.
„Da hast du wirklich eine Lunte gezündet, Bruderherz.“ Warf Ysera einfach ein. „Er wird das nicht auf sich sitzen lassen. Das weißt du.“ Und sie hatte Recht. Er hatte Alastar zum Teil zurechtgewiesen. Das vor anderen, dies würde er nicht auf sich sitzen lassen. Trotzdem wunderte er sich, warum hatte Alastar so schnell aufgegeben und sich zurückgezogen? Das war nicht seine Art und genau aus diesem Grund, sollte er mehr auf der Hut sein.
„Das werden wir noch sehen.“ Und er musste sich wirklich was einfallen lassen. „Und für euch gilt das Gleiche. Rührt sie nicht an und das könnt ihr gleich an alle anderen weiter geben.“ Seine Stimme, befehlend und er duldete keinen Widerspruch.
„Ja ja, wir haben es verstanden.“ Erklang die Stimme seines Bruders Lodan gähnend, als würde es ihn nicht interessieren. „Aber ich glaube deine Begleitung verschwindet gerade.“ Zeigte er in ihre Richtung, die gerade fort ging.
Was? Er wandte sich um und sie ging wirklich.
„Wo soll es hingehen, wenn ich fragen darf?“ Gesellte er sich neben sie, doch sie ignorierte ihn und da reichte es ihm. Hart packte er sie am Oberarm und riss sie zurück, in seine Richtung. Aus seinem Griff wendend, versuchte sie zu entkommen, aber er ließ es nicht zu. Nach jeder Gegenwehr wurde er immer wütender und sie vergaß, wo sie sich befand. Das sollte er ihr mal wieder deutlich vor Augen setzen. Gerade wollte Lucien drohend knurren, als er einen großen Bluterguss an ihrem Hals erkannte. Der Würgegriff hatte deutliche Spuren bei ihr hinterlassen und somit ließ er sie los. Quetschungen die ihr noch immer Probleme bereiteten.
Zum ersten Mal fühlte er sich irgendwie eigenartig und ihm war bewusst woher es kam. Nur er besaß nie das Gefühl jemanden gegenüber, was in die Richtung Schuld ging, zu zeigen. So was gab es bei ihm einfach nicht. Deswegen musste er dieses Gefühl sofort wieder im Keim ersticken. Nichts durfte er nahe an sich heran lassen. Nicht was nach so kurzer Zeit passierte.
Nur eins verstand er nicht. Wieso gab er sich überhaupt zurückhaltend? Das war nicht seine Masche und gerade wenn ihm etwas Wertvolles gestohlen wurde. Das steckte noch immer in seinen hinteren Gedanken. Darum musste er jetzt wieder zu seinem alten Verhalten zurückgreifen. Sie sollte es hier nicht empfinden, als wäre sie an einem harmlosen Ort. Nicht für die Diebin.
„Hey Leute, was ist denn hier los?“ Erklang eine erheiterte tiefe Stimme hinter ihm, welcher ihm gerade das Wort abgeschnitten hatte, als er ihren Standpunkt wieder klar machen wollte.
Leicht macht er eine halbe Drehung und die Elfe wurde fast von ihm verdeckt und irgendwie geschah das automatisch. Als wolle er sie vor anderen verbergen.
„Du bist wieder zurück, Aiden?“ Meinte Lucien etwas überrascht.
„Wieso so überrascht? Der Plan ging besser auf als gedacht. Deine kleine Schwester Charia weiß eben wie man eine Truppe befehligt. Sie ist die geborgene Strategien. Doch leider haben wir die wichtigste Spur verlor...“ Unterbrach sich Aiden selbst, als er weiter an Lucien herunter spähte. Er bemerkte, dass jemand hinter ihm stand und ihm stach das weiß leuchtende Haar ins Auge. Seine Augen weiteten sich etwas überrascht.
Kann das sein. Gingen Aiden diese Worte durch den Kopf. Er musste sich vergewissern. Wenn er wirklich vermutete was er dachte, dann...
„Emma...Emmanline bist du das?“ Fragte er erst zögernd und ging einen Schritt nach vorne. Er achtete jetzt gar nicht mehr auf die Anderen. Nur noch auf die Person, die hinter Lucien stand. Erst bei diesen Worten schien sie zu reagieren und drehte sich leicht zu ihm um.
Sie war es tatsächlich. Endlich.
„Oh, heilige Götter. Du bist es wirklich.“ Ging Aiden mit schnellen Schritten auf sie zu, packte sie am Handgelenk und riss sie in seine Arme, trotz Luciens Protest. „Du glaubst nicht welche schrecklichen Sorgen ich mich um dich gemacht habe. Wieso bist du damals einfach abgehauen?“ Erleichterung klang in seiner Stimme mit und er legte seine Hände auf ihre Schultern und drückte sie etwas von sich, um sie von oben bis unten zu mustern. Er musste sich vergewissern, ob mit ihr alles in Ordnung war. Nur schien sie ihm nicht antworten zu wollen oder eher nicht zu können. Leicht runzelte er seine Stirn und jetzt erst bemerkte er richtig, dass eine Hand um ihren Hals lag. „Was ist mit dir passiert?“ Nahm er ihre Hand vom Hals und es schockte ihn. Blaue Würgemale zierten ihre zarte helle Haut. „Verdammt, wer war das?“ Schaute Aiden Lucien an und sein Drache in ihm tobte, sowie seine menschliche Seite. Seine Augen glühten zornig auf und er würde denjenigen zur Rechenschaft ziehen. „Antworte!“ Schrie er schon halb.
„Es war Alastar gewesen.“ Beantwortete Ysera leise die Frage von ihm.
„Wo ist er?“ Wollte er sofort wissen.
„Er ist schon gegangen. Außerdem habe ich schon dafür gesorgt, dass er ihr nicht noch einmal zu nahe kommt.“ Schaltete sich nun Lucien ein und er wollte nach Emmanline greifen, aber Aidens Reaktion war schneller und er zog sie hinter sich, sodass er sich vor Lucien aufbauen konnte.
„Was soll das werden?“ Knurrte Lucien und sein Blick verfinsterte sich. „Sie gehört mir.“
Das ließ Aidens Atem stocken. „Wie bitte? Sie gehört niemanden.“ Konterte er zurück und verteidigte sie.
„Lass es gut sein. Warum er so wütend ist, ist meine Schuld.“ Erklang die weibliche Stimme von Emmanline in seinem Kopf.
„Inwiefern? Ich verstehe nicht.“ Ließ er sein Gegenüber kein einziges Mal aus den Augen.
„Ich habe etwas aus seinem Hort genommen.“ Antwortete sie wahrheitsgemäß.
„Wie bitte?“ Sprach er es laut aus und wandte sich jetzt zu ihr um und blickte sie ernst an. „Wieso hast du das getan?“
Ihr Blick war auf dem Boden gerichtet. „Ich weiß es nicht. Ich kann mich daran nicht mehr erinnern.“ War ihre Stimme noch immer rau und heiser.
Emmanline konnte es noch immer nicht fassen, das Aiden vor ihr stand. Damit hätte sie nie im Leben gerechnet, obwohl es offensichtlich hätte sein müssen. Aiden war ein Offizier und das war das Schloss der Drachen. Wobei sie noch keine Zeit gehabt hatte, über dies nachzudenken. Dabei wollte sie ihm nicht noch einmal begegnen. Nicht weil sie undankbar war, was er für sie alles getan hatte und riskiert. Der Grund war einfach, sie wollte ihm keinen Ärger bereiten und genau das war der Fall. Sie sollte nicht hier sein. Eigentlich sollte sie nirgendwo sein.
Verwirrung und Ungläubigkeit zeichneten sich auf Aidens Gesicht ab, als sie ihm sagte was sie getan hatte. Klar war das dumm gewesen und selbst ihr Verstand kam da nicht mit. Dabei hätte sie es bei vollem Bewusstsein niemals getan. Das schien er genauso zu sehen wie sie, nur sie konnte es einfach nicht mehr ändern. So war es nun einmal.
„Ich verstehe zwar nicht, aber das ist jetzt egal. Hauptsache du bist in Sicherheit.“ Seine Stimme klang wirklich erleichtert und sie wusste nicht recht, was sie damit anfangen sollte. Es war ungewohnt und gleichzeitig bedeutungslos.
„Was soll das Ganze?“ Ein tiefes bedrohliches Knurren, welches von ihrem Entführer kam. Bis jetzt eben hatte sie zur Seite geschaut gehabt, als sie aufblickte und zu ihm hinauf schaute. Was sie dort sah, erschreckte sie auf eine tiefgründige Art und Weise. Der Drache schaute sie mit einem intensiven gierigen Blick an, dass sie sich fühlte, als wäre sie in einer verkehrten Haut. Sie fühlte sich unwohl und solch eine Ungewöhnlichkeit hatte sie noch nie verspürt.
Dabei hatte sie gedacht, das zwei tödliche Raubtiere gegenüberstanden und eine gefährliche flammende Gefahr in der Luft hing, dachte sie niemals, sie würde von Beiden beachtet. Doch so war es. Was hatte sie denn falsch gemacht? War es verkehrt gewesen, das sie ihren eigenen Weg gegangen war? Wobei...harte Erkenntnis traf sie in diesem Moment. Natürlich so musste es sein.
Emmanline war für ein normales und freies Leben nicht bestimmt, war es nie gewesen und würde es niemals sein. War ihre Denkweise verkehrt und was sie sich wünschte? Ja das war es. Ein Recht darauf war ihr nicht gewährt. Eigentlich sollte ihr die Erkenntnis nichts ausmachen, aber tief in ihr drinnen, war ein Funke, das es hätte anders sein können. Vermutlich lag es daran, das sie für einen Moment frei war. Nur ein kurzer, aber er reichte vollkommen aus. Nie würde sie wieder die Freiheit haben können überall hinzugehen, wo und wie sie es wollte. Oh ja, das war ihr Leben. Auf ewig. Eine Gefangene.
Deswegen starrten die Drachen sie auch an, weil sie unter ihresgleichen bleiben musste und sollte. Egal was sie dabei dachte, wie sie sich fühlte oder handeln würde. Alles war so und dem Schicksal konnte man nicht entgehen. Egal wie sehr einer sich wehrte, es war aussichtslos und genau aus diesem Grund ergab sie sich. Es würde ihr nichts bringen, weiterhin widerspenstig zu sein.
„Rede. Ich will eine Antwort.“ Wurde er etwas lauter. Sie wusste auch, dass diese Worte nur an sie gerichtet waren. Nicht an den nächst zweiten. Nur sie konnte und wollte ihm keine Antwort geben, darum blieb sie stumm. Selbst das tiefe drohende Knurren schüchterte sie nicht ein. Das war stets eine Masche von den Drachen, damit ihr Opfer endlich redete.
Gerade wollte er weiter toben, als sich Aiden einmischte. „Hör auf zu schreien. So wird es auch nichts werden. Wir werden darüber red...“ Unterbrach er sich, als sie in Aidens Shirt griff. „Tut mir Leid, Süße, aber sie sollten es wissen. Oder soll ich tatenlos zusehen, wie sie dich weiterhin respektlos behandeln? Nein, mit Sicherheit nicht. Das hast du nicht verdient.“ Auch wenn sie weiterhin Aiden strafende Blicke zuwarf, er würde sich nicht abbringen lassen und das entsetzte sie.
Deswegen machte sie ein paar Schritte zurück und schaute ihn anklagend an. Auch wenn sie ihm nie ein Vertrauen entgegen gebracht hatte, so hatte sie das Gefühl, dass er sie verraten hatte. Es ging niemanden etwas an und nach dem Spruch, eine falsche Zeit an einem falschen Ort, hatte er sie gefunden und Aiden wusste zu einem Bruchteil, wo sie gewesen und was mit ihr passiert war. Trotz allem, wollte sie es nicht und es weckte in ihr alles erneut wach. Auch wenn sie Tag für Tag daran erinnert wurde.
„Mir ist es egal was ich verdient habe oder nicht. Es gibt dir keiner das Recht dazu, über Dinge zu sprechen, die über meinen Willen hinaus gehen.“ Funkelte sie ihn eiskalt an und sie sah wie Aiden leicht zusammen zuckte bei diesem Blick, aber das war ihr in diesem Moment vollkommen egal. Sie kam sich vor, als würde er sie vor all den Anwesenden zur Schau stellen und sie fühlte sich erniedrigt.
Gerade verstand Lucien überhaupt nichts mehr. Der Schlagabtausch zwischen seinem alten Freund Aiden und der Elfe war ziemlich verwirrend. Aiden wollte ihm etwas über sie erzählen und er war neugierig darauf es zu erfahren. Irgendwas muss vorgefallen sein, wovon er nichts wusste. Nur was ihn am meisten störte, woher kannten sie sich überhaupt?
Nur sie schien sich strickt dagegen zu weigern, das Aiden über sie etwas erzählen wollte. Sie sträubte sich und er wollte es unbedingt wissen.
„Péer und Mike, bringt sie auf mein Zimmer zurück.“ Gab Lucien den Befehl seiner beiden Wachen, die noch immer neugierig hier herumstanden und das Geschehen verfolgten.
Die Elfe schien sprachlos zu sein und er ging auf sie zu. „Nein!“ Widerstrebte es ihr und er konnte auf ihrem Gesicht erkennen, wie sehr sie es nicht wollte. Aber darauf konnte er jetzt kein Verständnis und Geduld aufbringen.
„Bitte!“ Schaltete sich Aiden ein und er bat sie wirklich darum. Er würde ihr niemals wehtun wollen und dies merkte Lucien selbst. Etwas war da.
Noch ein paar Schritte mehr macht sie zurück und keinen einzigen Moment ließ sie die beiden aus den Augen. Ihr Blick glich nun mehr einer Gleichgültigkeit und Ausdruckslosigkeit. Sie bekam auch mit, wie die beiden Wächter versuchten, sich ihr zu nähern, aber danach machte sie auf dem Ansatz kehrt und ging einfach zurück. Lucien bekam eine Gänsehaut dabei und er schaute ihr nach. Wieso kümmerte es ihn, dass er es nicht wollte, dass sie abweisend ihm gegenüber war? Lag es daran, dass er noch nicht wusste, was Aiden wusste? Vielleicht war die Ungewissheit Schuld daran. Immerhin konnte er es sich denken, was Aiden erzählen wollte, nicht von Guter Dinge sein würde. Dieser Frau war etwas zugestoßen, wovon er keine Ahnung hatte. Sein Freund wollte, dass diese Frau verstanden wurde und das keine Person der Welt, egal auf welche Art und Weise, sie ungerecht behandelte. Dabei hatte sie ihn bestohlen und eine Strafe verdient. Also was war es dann?
Lucien verfolgte sie mit seinen Blicken und fixierte sie am Hinterkopf. Eine grazile Bewegung und die sah verdammt sexy aus. Vor allem wie ihr seidiges Haar sich dem Gang anpasste und in leichten welligen Locken hin und her wippte. Da verlangte es nach mehr, sie zu berühren und zu verführen. Leicht hob er eine Augenbraue, als sie vor einem Fenster stehen blieb. Er konnte deutlich sehen welch Überraschung sie überkam. Deswegen tat er es ihr gleich und er konnte draußen nichts erkennen, was einen ansprach. Es war wie immer und es drohte keine Gefahr. Niemand würde so dumm sein und in das Gebiet der Drachen eindringen. Was war dann Überraschendes da draußen?
Aber so schnell sie geschaut hatte, fasste sie sich wieder und wandte sich ab und ging weiter. Er schaute noch solange nach, bis sie und die beiden Wächter um die Ecke verschwunden waren. Es war seltsam sie so gefügig zu sehen, auch wenn er es gewollt hätte. Schließlich widersprach niemand ihm und das war das Klügste.
„Also was willst du sagen, wenn sie sogar gehen sollte?“ Wandte er sich jetzt endlich Aiden zu. Seltsam war es schon, wenn man bedachte, dass sie nun über sie reden würden und sie wäre nicht dabei. Es musste ihr widerstreben, denn er hätte es genauso wenig gewollt.
„Nicht hier!“ Erwiderte er nur kurz. „Lass uns in einen der Besprechungssäle gehen.“ Denn es ging niemanden etwas an, was sie jetzt und hier besprachen.
Jetzt erst wandte sich Lucien seiner Schwester Ysera und seinen Brüdern Lodan und Taran um. „Ist das auch bei euch angekommen?“ Wurden seine Augen zu schmalen Schlitzten.
Ergebend hob seine Schwester ihre Hände. „Ich habe doch gar nichts getan und ja wir haben es verstanden. Und ja keine Sorge, wir werden es an alle weitergeben, das niemand sie anrühren darf.“ Musste sie ein Grinsen verkneifen und Lucien entging es nicht. Ihm gefiel es nicht. Keineswegs, aber so war es am besten. Es sollte an jeden weitergereicht werden, die denken, sie müssten etwas Dummes tun, denn sonst könnte er nicht mehr an sich halten und würde demjenigen den Kopf abreißen.
„Ihr drei solltet mitkommen.“ Ging Aiden schon vor. „Wir sollten bei Charia dazu stoßen. Sie müsste sich jetzt mit Königin Rhivanna unterhalten, wegen unserer letzten Mission. Das sollte dich auch sehr interessieren, Lucien.“ Machte er beim Gehen eine wegwerfende Handbewegung. „Und Charia wird auch erstaunt darüber sein, wer hier ist.“ Murmelte er die letzten Worte vor sich hin.
Nach einiger Geduld des Wartens, standen sie jetzt in dem Besprechungssaal, wo seine Mutter und seine Schwester, sich aufhielten. Sie unterbrachen ihr Gespräch und blickten sie fragend an.
„Du glaubst nicht wer hier ist, Chefin.“ Sprach Aiden sofort los, dabei hatten sie gerade erst einmal die Tür geschlossen, während er schon zu dem Tisch ging, wo die beiden starken Frauen saßen.
„Nenne mich nicht so. Und was soll ich nicht glauben?“ Seufzte sie und lehnte sich mit verschränkten Armen in ihrem Stuhl zurück. Auch sie war eine natürliche Schönheit, aber sie hatte kaum etwas von ihrer Mutter. Vielmehr kam sie nach ihrem Vater Raziz. Sie mochte zwar das Aussehen von ihm haben, aber ihre weiblichen Züge waren unübersehbar. Sie hatte eine hohe Anziehungskraft und einen eigenen besonderen Charme. Sie hatte kurzgeschnittenes hellbraunes Haar, braune Augen, die Zuversicht und Gelassenheit ausstrahlten. Genau das zeichnete sie als eine gute Anführerin aus. Als ein Erddrache hatte sie das Zeug dazu.
„Kannst du dich noch an die Elfe erinnern, die wir gefunden hatten? Vor ungefähr drei Monaten.“ Nahm er eine relaxe Position neben ihr im Stuhl ein. „Sie ist hier.“ Lächelte er sie an.
„Wie bitte?“ Drehte sie ihren Kopf zu Aiden um. „Woher das auf einmal?“ Runzelte sie ihre Stirn, denn sie waren erst heute angekommen und sie konnte sich nicht daran erinnern, dass diese Frau bei ihnen gewesen war.
„Durch mich!“ Mischte sich Lucien jetzt ein. „Sie ist durch mich hier. Und ich will jetzt verdammt nochmal wissen, was es mir dieser Elfe auf sich hat.“ Setzte er sich ihnen gegenüber und verschränkte seine Arme vor seiner Brust. Sein Gesicht war grimmig verzogen und er wollte wieder in seine Gemächer. Gerade weil er es wissen wollte, wie es ihr ging. Es war wirklich eigenartig, aber er wollte es aus unerklärlichen Gründen.
„Diese Elfe hat auch einen Namen. Sie heißt Emmanline.“ Knurrte Aiden etwas wütend, denn es gefiel ihm nicht.
„Hört auf euch zu streiten. Was soll mit ihr sein?“ Wandte sich die Stimme von Rhivanna ein.
„Könnt ihr euch noch an die letzte Mission erinnern, als wir einen Angriff auf die Nordgebirgen von Karuna gemacht hatten?“ Begann Charia zu erzählen an.
Lucien wusste sofort wovon seine Schwester sprach. „Ja, ihr habt durch eine geheime Quelle erfahren, dass sich eventuell, Culebra - Der Verräter, sich dort aufhalten könnte. Doch es schien eine falsche Angabe zu sein.“ Sprach er weiter.
Culebra war wortwörtlich der Erzfeind und ein Abtrünniger, der vor nichts zurückschreckte. Schon seit einigen Jahrhunderten verfolgen Jäger und Krieger ihn, um ihn gleich einen Kopf kürzer zu machen. Er war skrupellos und hatte schon, viel zu viel unschuldiges Blut an seinen Händen kleben. Von Frauen und Kindern. Selbst von seinem eigenen Volk. Warum er zum Abtrünnigen wurde, war dessen, dass er einen Königsmord an einem damaligen Drachenkönig begangen hatte. Eigentlich sollte er damals hingerichtet werden, aber aus einem unerklärlichen Grund war er entkommen. Irgendjemand hatte ihm damals geholfen. Culebra war eine große Bedrohung und er durfte nicht mehr am Leben bleiben. Er musste ausgemerzt werden. Nur war das nicht so leicht. Dachte einer, sie hätten ihn soweit, war er ihnen immer einen Schritt voraus. Sie konnten ihn einfach nicht fassen. Seine Leute waren überall und das war auch ein Grund, das Vertrauen mit Bedacht zu verschenken.
„Nicht ganz. Er hatte sich dort aufgehalten, nur musste ihn jemand kurzfristig informiert haben, dass wir sein Versteck entdeckten. Anscheinend musste alles schnell gehen und einige seiner Wächter waren zurück geblieben. Entweder um Zeit zu schinden oder es war noch etwas zu bewachen.“ Kam Aiden wieder zu Wort. „Doch wir gingen nur davon aus, dass sie Culebra Zeit verschaffen sollten, aber mussten einiges zurücklassen. Wir konnten den Berg einnehmen, Culebra war verschwunden und hatte alles andere als eine eisige Höhle. Verdammt, war das Arschkalt gewesen.“ Konnte er sich anscheinend noch immer an die Kälte erinnern.
„Wartet mal!“ Unterbrach Lucien ihn und musste sich zwei Finger auf seine Nasenwurzel drücken, seine Augen kurz geschlossen und um kurz nach zu denken. Mit einem Mal traf es ihn wie ein Blitz. „Was wollt ihr mir damit sagen? Das sie unter den Befehlen von Culebra steht oder stand?“ Wusste er nicht ob er entsetzt, überrascht oder wütend sein sollte. Hatte Alastar doch Recht gehabt? War sie eine Spionin?
„Nun das ist nicht ganz erklärbar. Auf jeden Fall wissen wir, dass sie einige Zeit bei ihm verbracht hatte. Aber mit Sicherheit nicht an seiner Seite. Sie war seine Gefangene, Lucien. Wir hatten sie in einem seiner eisigen Kerker gefunden. Angekettet, kaum etwas an und am ganzen Körper klebte Dreck und Blut. Nicht wissend von wem. Man konnte noch nicht einmal ihre normale Hautfarbe erkennen, so grau und blau war sie. Sie war eiskalt. Ich weiß, und ich denke ich will es auch gar nicht so genau wissen, was er ihr alles angetan hatte.“ Wuchs mit jedem Wort und jeder Erinnerung Aidens Wut. Noch immer konnte er sie vor sich sehen. „Nie werde ich vergessen wie sie dort in einer Ecke saß und kaum ansprechbar war. Ihre Gegenwehr war gleich null. Wenn ich mich nicht geirrt habe, war es ihr gleichgültig oder sie war es gewohnt, wie nichts behandelt zu werden.“ Spannte sich Aidens Körper vor Zorn an und am liebsten würde er jetzt irgendwas zertrümmern.
„Ich meine, sie kannte nichts anderes. Sie wirkte weit weg und teilnahmslos. Man sollte die Vorstellung daran, was Culebra ihr angetan hatte, nicht zulassen. Ich hatte es versucht, aber an seinen kranken Machenschaften und Spielchen kommt unser Verstand einfach nicht ran. Sie muss aufs äußerste gefoltert und gequält worden sein. Ihr wisst wie seine Opfer ausgesehen haben. Egal ob lebendig oder tot. Er hält sich vor nichts zurück. Nicht einmal vor einem Kind.“ Bekam sogar Charia bei der Erinnerung eine Gänsehaut.
Die restlichen Anwesenden waren still geworden und sie konnten nur zuhören. Und das Entsetzen wog schwer in diesem Raum.
Unbezähmbare Wut kochte in Lucien hoch und es drohte ihn zu übermannen. Culebra in Tausende von Stücke zu zerfetzen kam für ihn in diesem Moment zu harmlos oder gar zu schade dafür vor. Er hatte weitaus mehr verdient an Folter und Schmerzen. Am besten solange, bis er langsam und qualvoll sein Leben aushauchte. Doch nun sollte er sich wohl mal an die eigene Nase fassen.
„Was habe ich getan?“ Starrte er auf seine Hände und seine Gedanken überschlugen sich gerade, als er an diese Stunden mit ihr zurück dachte. Was hatte er ihr da nur angetan? Durch seine Wut und Raserei hatte er alles andere ignoriert. Anzeichen für ihre Erkennung war da gewesen. Nur hatte er sie ständig ignoriert. „Jetzt weiß ich auch warum sie solche Ahnungen hatte, wenn sie einem Drachen gegenüberstand. Sie wusste ganz genau wie sie reagieren musste, wusste wann es klug war stehen zu bleiben oder das ganze andere.“ Wirkte er auf einmal müde und seine rechte Hand fuhr über sein Gesicht.
Aidens und Charias Augen verengten sich leicht vor Zorn und er konnte es sehr gut verstehen. „Was hast du ihr angetan, Lucien?“ Stellte seine Schwester diese Frage.
„Ich war nicht ganz so gastfreundlich wie es sich gehörte. Vielleicht hätte ich anders reagiert, wenn sie nichts aus meinem Hort gestohlen hätte. Ihr wisst selbst in welche Raserei wir verfallen können, wenn jemand unerlaubt in unser Territorium eindringt oder etwas stiehlt. Aber das gibt mir nicht das Recht, vielleicht zu voreilig gehandelt zu haben.“ Nur konnte er es nicht mehr rückgängig machen. Nicht mehr.
„Lucien, ich sage das nicht, damit du sie mit Samthandschuhen anfassen sollst. Was ich sagen will, ist die Wahrheit. Sie hat es nur nicht verdient weiterhin solche Erfahrungen zu erdulden oder zu erfahren. Nun sind es schon über drei Monate her, dass wir sie befreit hatten, aber ich weiß nicht, was ihr in dieser Zwischenzeit widerfahren ist. Wie ich vorhin bemerkt hatte, war sie lebhafter geworden. Sie hat sich gewehrt, was sie damals nicht getan hätte. Es freut mich sie zu sehen, aber ich bin verdammt zornig auf dich in welchem Zustand sie ist. Am liebsten würde ich dir eine reinhauen. Scheiß auf König werden oder nicht.“ Und das konnte Lucien verstehen. „Sie hat was viel Besseres verdient. Irgendwas ist an dieser Frau, was ich nicht richtig deuten kann. Ich weiß zwar nicht, wie lange Culebra sie schon in seiner Gewalt hatte, aber dieser Zeitraum war mit Sicherheit zulange. Normalerweise überleben nicht viele solange in seiner Gefangenschaft, denn er ist ziemlich launisch und liebt es andere zu erniedrigen, um sie gefügig zu machen. Deswegen kann ich mir sehr gut vorstellen, dass er sie nicht einfach so aufgibt. Er wird sie suchen und erneut einfangen. Wer weiß zu welchen Zwecken. So genau will ich es wirklich nicht wissen. Es würde mich nur rasender machen. Ich werde ihn finden und in tausend Stücke zerreißen.“ Knurrte Aiden voller Zorn und er war kaum noch zu bremsen. Nur wenn er ihm nicht zuvor kam.
Aiden wusste, wenn er jetzt unüberlegt handelte, würde er nur seinen Kopf von seinen Schultern verlieren.
„Willst du sie jetzt erneut einsperren? Ich denke, genau das wird sie jetzt denken.“ Schaltete sich Ysera ein.
„Wenn es um ihre Sicherheit geht, wird es kaum vermeidbar sein.“ Schüttelte Aiden mit seinem Kopf.
Dann eine ernst gefasste Stimme. „Willst du sie jetzt etwa die ganze Zeit hier behalten? Im Schloss? Wir wissen nichts über sie. Sie kann alles sein, sowie eine Spionin von Culebra. Wenn es stimmt, was Aiden da spricht, dann wir er sie wieder haben wollen.“ Blickte seine Mutter ihn an.
Lucien wusste, ein riesiges Risiko steckte dahinter, gerade weil er sie mit hierher gebracht hatte. Viele Feinde, vor allem Culebra, wäre über jede ihrer Schwächen erfreut, wenn er nur Schaden anrichten könnte. Diese Elfe könnte ihnen großen Schaden anrichten und war eine große Gefahr. Er hätte sie niemals mitbringen sollen. Wie dumm und leichtsinnig er doch gewesen war. Dabei wusste er es doch besser und trotzdem hatte er unüberlegt gehandelt. So was passierte ihm sonst nicht. Änderbar war es nun nicht mehr und er musste jetzt das nehmen, was geschah. Diese Frau würde weiterhin in seiner Nähe bleiben, ob es allen gefiel oder nicht.
„Du müsstest wissen, dass sie nicht gerade herzlich hier aufgenommen wird. Geschweige willkommen ist.“
„Das ist mir durchaus bewusste, Mutter. Ich werde in drei Tagen ins Himmelreich aufbrechen müssen. Da kann ich sie ja wohl kaum in meiner Höhle allein lassen. Irgendwie hegt sie auch ein Talent dazu zu entkommen.“ Doch wollten ihm die Worte nicht über die Lippen kommen, was er mit ihr angestellt hatte. Es war unterste Schublade, was er wusste, aber jetzt konnte er es nicht mehr ändern. Das was er mit ihr angestellt hatte, dafür musste er selber gerade stehen und mit ihr selbst darüber sprechen. Nur wusste er nicht, ob das einmal Entschuldigen reichen würde. Zumal sie so stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Er hatte sie an etwas erinnert und angetan, was ihr in ihrer Vergangenheit widerfahren war. Lucien war nicht gerade der Freundlichste und Verständnisvollste, aber eigentlich wusste er stets was ehrenvoll war. Auch er besaß, trotz seiner unendlichen Jahre, ein Herz, das nicht vollkommen schwarz geworden war. Sein Misstrauen für diese Welt war einfach zu groß geworden, denn diese Welt war kein Zuckerschlecken. Alles drehte sich ums Überleben. Vor allem in der Mythenwelt.
„Verübeln kannst du es ihr auch nicht.“ Schnaubte Taran missbilligend. Und ja, er wusste es und würde genauso handeln.
„Wieso ist sie dir so wichtig, dass du sie hier haben willst? Sie ist zwar eine Elfe, die schon seit Jahren verschwunden sind. Es ist zwar seltsam, doch, normalerweise interessiert dich diese Art von Frauen nicht. Es ist ungewöhnlich von deiner Seite aus, aber du behältst keine Frau. Normalerweise versuchst du jede Frau so schnell wie möglich wieder loszuwerden. Oder liege ich da falsch?“ Entstand ein schiefes Lächeln auf Charias Gesicht, denn sie hatte Recht. Lucien war nie einer gewesen, der mit einer Frau zweimal zusammen war oder das er sich überhaupt dafür interessiert hätte oder gar um etwas Bindendes. Für ihn waren die Frauen nur für seine sexuellen Bedürfnisse gut genug und das hatte sich bis jetzt auch noch nicht geändert.
Doch den Grund konnte er auch nicht nennen. Wieso tat er es? „Sie schuldet mir immer noch meinen gestohlenen Schatz, der jetzt irgendwo auf dem Grund eines Sees liegt.“ War das eine Ausrede? Nein, es war die Wahrheit. Er wollte seinen Rubin wiederhaben und deswegen würde er sie solange behalten, bis er ihn eben wieder hatte.
„Dann hole ihn doch selber aus dem See.“ Empfand Lodan das nicht sonderlich als ein Problem.
„Wenn das so einfach wäre, dann wäre es mir egal. Dann hätte sie schon die ganze Zeit die gerechte Bestrafung bekommen. Sie muss irgendein Zauber auf meinem Rubin gelegt haben. Er ist einfach verschwunden. Da ich ihn nicht sehen kann, wird sie das wohl übernehmen müssen. Wenn sie es nicht sofort macht, dann muss sie wohl warten, bis ich wieder komme.“ Zuckte Lucien einfach mit seinen Schulter und damit hatte er es auch abgetan. Er konnte sich keinen Kopf deswegen zerbrechen sie einfühlsamer zu behandeln. Auch wenn sie eine ungewisse Zeit unter Culebra verbracht hatte. Klar er würde ihr keine Drohungen mehr machen und er hatte das Gefühl das sie sich noch mehr verweigern würde, wenn er sie weiter einschüchterte oder genauso behandelte. Ob sie ihn dadurch mit Absicht provozieren wollte, wusste er nicht. Das war im Moment auch vollkommen egal. Hauptsache er bekam ihn zurück. Auch wenn er sie danach gehen lassen musste, durch seinen Schwur, aber auch da würde er sich etwas einfallen lassen sie bei sich zu halten. Diese Elfe war ein reines Geheimnis, was er genießen würde, heraus zu finden. Er liebte Herausforderungen.
„Na ob das mal gut geht.“ Meinte Taran. „Sie scheint nicht gerade sonderlich begeistert zu sein, dass du sie hier behältst. Für sie muss das alles die Hölle sein, denn zumal hegt sie eine Abscheu den Drachen gegenüber. Es wird nicht leicht werden. Wer soll sich denn um sie kümmern? Wir? Sie wird auf niemand hören oder einfach blind folgen.“ Sprach sein Bruder weiter und es lag was Wahres dran.
„Ich werde mich um sie kümmern. Kannst du mich für eine Weile entbehren, Charia? Sie braucht jemand, den sie kennt.“ Wandte Aiden sich an seine Schwester, die die Truppe leitete, in welche er sich befand.
Charia musste alles kurz bedenken. „Ich denke schon. Was in nächster Zeit anliegt, dort können wir dich entbehren. Ich hoffe, du wirst nicht allzu lange weg sein, Lucien. Du weißt wie die Zeiten stehen. Jeder Mann an der Front ist unentbehrlich.“
Das wusste er und er war stets selbst an vorderster Front, war eine Schlacht zu bestreiten. Im Moment hielt es sich, aber es konnte jederzeit erneut losgehen. Alles stand auf wackeligen Beinen.
„Keine Sorge! Ich hatte nicht vor, dort meine Ewigkeit zu verbringen. Ich werde es schnell wie möglich mit Raiden regeln.“ Warf Lucien ein und so wollte er es auch. Er musste halt auch sehen was ihn dort erwartete. Schließlich sollte er vor den Rat der Engel treten und er wusste nicht ob er dem Seraphim gegenüber treten würde. Ein Seraphim war der höchste Rang unter den Engeln und die Macht unter ihnen. Der Anführer, der alles leitete und regierte. Unter Menschen würde Gott, durch sie vermittelt und stand auch ganz oben für den Glauben, aber das waren alles irrsinnige Gerüchte. Engel hatten mit Glauben überhaupt nichts zu tun. Sie hatten Macht und waren auf der Seite Der Bonum. Lateinisch, was bedeuten soll: Das Gute.
Dann gab es noch Der Pravum, was wiederum Das Böse bedeutete. Die Mythenwelt war unter diesen beiden Seiten gespalten, wie es zwei Gegensätze nun einmal gab. Jeder bestimmte selbst auf welcher Seite sie kämpften. Kein ganzes Volk war für eine einzige Seite beschlossen. Es gab immer die sogenannten Abtrünnigen. Die Drachen hingegen waren ziemlich gespalten. Engel waren dadurch mehr der Bonum. Auch wenn es kaum zu glauben war.
Doch letzten Endes waren die Engel nicht das, was die Gerüchte erzählten. Die Engel selbst verbreiteten solche Sagen und Gerüchte, damit sie weniger schlechtes Licht auf sich hatten. Sie standen für ihre Seite und verteidigten sie auch. Alles reinster Aberglaube. Gott gab es nicht, hatte es nie gegeben.
Ihre Hierarchie unter den Engeln war kaum bekannt und das allgemeine Wissen war auf das Minimum reduziert. Das Himmelvolk bedachte wirklich stark darauf kein Wissen über sie zu unwissenden Quellen vordringen zu lassen. Welches Volk tat das schon?
Doch eins gefiel ihm nicht das Aiden sich dafür anbot sich um die kleine Elfe zu kümmern. Wieso störte es ihn? Es war doch egal, wer oder was sich um sie kümmerte. Hauptsache sie haute nicht einfach wieder ab, aber zugestehen musste er es sich, Aiden hatte vermutlich die besseren Karten, weil sie sich zum Teil kannten und er ihr geholfen hatte. Deswegen konnte er darauf nichts sagen, auch wenn es ihn ärgerte.
„Wir werden uns solange in deiner Abwesenheit um die Elfe kümmern, aber wir können nicht auf alles achten. Wir sind hier keine Aufpasser, nur weil du es befielst.“ Klare und kühle Worte seiner Mutter.
„Damit habe ich gerechnet und mehr verlange ich auch nicht. Solange sie auf meinen Zimmern bleibt, wird es keine Probleme geben.“ War es seine Feststellung und er befand es als eine einfache und präzise Vorgehensweise. Da dürfte es eigentlich keine weiteren Probleme geben.
Aiden knurrte. „Ich hatte doch eben gesagt, ich will sie nicht mehr eingesperrt sehen. Deswegen werde ich mich um sie kümmern. Verdammt, Lucien, sie ist keine Gefangene. Nicht mehr.“ Funkelte er ihn mit bösen Augen an. Auch wenn es ihm überhaupt nicht passte. Da stimmte etwas nicht und so schnell würde er diese Elfe nicht alleine lassen.
„Ja ich habe es verstanden, Aiden. Dann kümmere dich um sie, solange ich nicht da bin.“ Luciens Missgunst stieg stets mehr. Deswegen hatte er jetzt auch nicht mehr die wirkliche Lust hier noch herum zu sitzen. Ein Gefühl sagte ihm, das, wenn er mehr von ihr wissen wollte, ab heute sie selber danach zu fragen. Alles wollte er nicht aus der Hinterhand erfahren. Viel mehr, wollte er wissen, welche Worte sie wählte und wie sie reagierte. Er wollte ihr ins Gesicht dabei sehen, wenn sie darüber sprach. Nur würde sie ihm überhaupt was darüber sagen? Wohl kaum. Sie war verschlossen und ihr schien wirklich alles gleichgültig zu sein. Das wollte er ändern. Sie würde ihm alles erzählen, was er von ihr wissen wollte. Sogar ihr größtes Geheimnis, worauf er so beharrte.
„Ich werde dir dann Bescheid geben, wann ich abreisen werde, Aiden.“ Hatte Lucien seine Augen geschlossen und er unterdrückte das Gefühl ihn nicht gleich an zu knurren. „Gibt es noch mehr, was ihr mir erzählen wollt? Denn dann würde ich mich jetzt verabschieden.“ Dabei stand er auf und für ihn war dieses Gespräch hiermit beendet. Außerdem musste er mit ihr ein Gespräch führen.
„Wir beide sollten noch ein Gespräch führen.“ Hallte die Stimme seiner Mutter in seinem Kopf wieder. „Es geht um deinen Schatz.“ Sprach sie weiter.
Kurz runzelte er seine Stirn und ihm war es ein kleines Rätsel, weswegen sie mit ihm über seinen gestohlenen Rubin reden wollte. „Ja, ich habe verstanden. Aber später. Vorher will ich noch etwas anderes klären.“ Verabschiedete er sich einfach und ging. Er glaubte auch, das seine Mutter wusste, worauf es hindeutete oder wo er gerade hinwollte, als er den Gang entlang ging. Sollten sie alle denken was sie wollten, aber er war noch nicht mit ihr fertig.
Kurz vor seinen Räumlichkeiten spürte er Aiden hinter sich und er blieb stehen, aber wandte sich nicht zu ihm um. Vor der Tür sah er, dass noch immer Péer und Mike davor Wache standen und er vermittelte ihnen das hiermit ihr Job beendet war. Ein kurzes Nicken und sie verschwanden.
„Was willst du, Aiden?“ Kühle und ernste Worte.
„Ich muss mit ihr reden.“ Nicht sagend, dass Lucien sie in Ruhe lassen sollte? Mit diesen Worten hatte er vielmehr gerechnet.
Ein leises lachendes Schnauben entrang sich ihm und er drehte sich zu ihm um. „Wohl kaum. Dein Teil der Abmachung, tritt dann erst in Kraft, wenn ich in drei Tagen verschwunden bin. Vorher kommst du ihr nicht zu nahe.“ Denn er würde ihm den Kopf abreißen.
„Sag mal, hat dein Verstand von irgendwoher Schaden genommen?“ Flammte die Wut in Aiden auf und er baute sich drohend vor Lucien auf. Diesmal würde er nicht nachgeben. Egal ob er zehnmal niedrigere Chance, hatte gegen ihn zu gewinnen. „Sie ist kein Gegenstand, den du als dein Eigentum betrachten kannst.“ Verengten sich seine Augen immer weiter.
„Kein Gegenstand? Eigentum?“ Lachte er höhnisch auf. „Und ob sie das ist. Solange sie mir nicht meinen Schatz zurückgibt, solange wird sie wohl der Ersatz dafür sein.“
„Dann frag sie verdammt nochmal. Es schon einmal auf freundliche Art versucht? Ach so, ja ich vergaß, das du diese Seite nicht besitzt. Deine Art ist ja gleich von Anfang an, erst töten dann reden.“ Schüttelte er mit seinem Kopf. „Lucien, ich kann es nicht ausstehen, wie selbstgerecht du manchmal bist und jeder soll sich dir fügen. Auch wenn du später einmal der König sein solltest, du bist so was von selbstgefällig und wundere dich nicht eines Tages, wenn dir Einige echte Probleme bereiten.“ Waren dies seine Worte. Auch wenn er damit seinen Kopf riskierte.
Lucien bebte vor Wut. „Du kannst froh sein, dass du einer meiner besten Vertrauten bist, ein guter Freund und ich dir es gestatte einmal dein Maul aufreißen zulassen, aber das gilt nicht für die Ewigkeit. Pass auf deine Wortwahl auf, Aiden. Ich werde dir trotzdem den Kopf abreißen, selbst wenn wir uns gegenseitig den Rücken freigehalten hatten.“ Knurrte er zornig und seine Geduld hing wirklich am seidenen Faden.
Deswegen verstand es Aiden nicht, weswegen Lucien eigentlich so gereizt war. Wieso verteidigte er sie so sehr, wenn es doch eigentlich einfach wäre? Aiden wollte doch nur, das sie all das nicht mehr miterleben musste. Er wollte sie glücklich sehen und dies aus gutem Grund.
„Wie gut dass ich jetzt Bescheid weiß.“ War es nun an Aiden der schnaubte. „Du magst jetzt die Oberhand haben, aber ich werde ihr helfen. Egal was es mich kostet.“ Sollte es klingen wie eine Herausforderung und wie er es vermutet hatte, nahm es Lucien auch als diese auf. Als Bestätigung bekam er ein boshaftes Grinsen von ihm.
„Dann wollen wir doch einmal sehen, wie du das anstellen willst. Übernimm dich nicht, Aiden.“ Lachte er ihn aus und öffnete die Tür zu seinen Räumlichkeiten. „Wir sehen uns!“ Und er war verschwunden.
Wutentbrannt rammte Aiden seine Faust gegen die Steinwand und Risse entstanden in der Mauer. Er spürte keinen Schmerz, denn die Wut war zu groß. Lucien spielte und das auf den Kosten von Emmanline. Sie war kein Gegenstand den einer einfach mal eben von A nach B schieben konnte oder besitzen, das derjenige das Recht dazu hatte. Es machte ihn rasend vor Wut und am liebsten hätte er Lucien dies alles aus dem Leib geprügelt. Das nicht nur einmal.
Es war nicht gelogen gewesen, das er für sie das Glück wünschte. Für ihn war sie etwas Besonderes. Schon vom ersten Augenblick an. Das hatte er gespürt und es war auch nicht gelogen gewesen, als er ihr gesagt hatte, er habe sie überall gesucht. In Wahrheit wollte er sie wiedersehen und bei sich in der Nähe haben. Er wollte sie vor jedem beschützen und bewahren. Wollte sie ohne Kummer und Sorgen sehen. Ihr wollte er ein Lächeln entlocken, welches er noch nicht zu Gesicht bekommen hatte. Allein die Vorstellung wie hübsch und unwiderstehlich sie da aussehen müsste. Emmanline war eine natürliche Schönheit und er bewunderte alles an ihr. Vor allem ihre Besonderheiten. Bei allem könnte er sich vergessen, wenn er sie einfach nur anschaute. Ununterbrochen.
„Verdammt, es hat mich voll erwischt.“ Brummte er erschöpft vor sich hin. Es stimmte, ihn hat es wirklich erwischt. Diese Frau bedeutete ihm etwas und sie ging ihm bis unter die Haut. Sogar noch tiefer, er begehrte sie. Gerade weil er so intensive Gefühle ihr gegenüber verspürte, wollte er sie haben und beschützen. Ihm war es Scheißegal, wer vor ihm stand, um sie zu verteidigen. Selbst wenn es der zukünftige König war.
Also musste er sich was einfallen lassen. Er musste versuchen sie aus dieser Lage herauszuholen, aber dafür musste er mit ihr sprechen. Unter vier Augen und sollte Lucien in den nächsten drei Tagen aufbrechen müssen, würde er diese Zeit nutzen. Vor allem sie zu sich holen und ihr zeigen, was sie ihm bedeutete. Mehr als das. Nach dieser Chance würde er greifen. Allein wusste er ja noch nicht einmal, was Lucien wirklich mit ihr vorhatte. Drachen waren besitzergreifende Wesen, sollten sie einmal etwas gefunden haben, was sie faszinierte. Es lag nicht nur an dem gestohlenem Schatz den Lucien durch sie verloren hatte. Da war noch viel mehr. Was bedeutete dann das Verhalten von ihm, welches Lucien an den Tag legte? Sonst traf ihn die Vernunft, aber jetzt schien davon kaum etwas da zu sein.
Drei Tage. Musste er sich immer wieder wie ein Mantra wiederholen, dann würde er sie holen kommen. Doch jetzt würde er sich erst einmal zurückziehen und gehen.
Was war nur in ihm gefahren? Seit wann spielte er sich so kindisch auf? Wegen einer Frau? Wie irrsinnig war das?
Lucien wusste oder hatte es mehr gespürt, was diese kleine Elfe für Aiden war. Sie bedeutete ihm etwas. Sie war wichtig für ihn. Nachvollziehen konnte er es, aber ganz begreifbar war es dann doch nicht. Ihm war noch keine Frau je wichtig gewesen. Nur leider konnte er nicht anders und er hatte Aiden aufgestachelt und seine Herausforderung angenommen. Wieso eigentlich? Wenn er seinen Rubin wieder hatte, hätte er sie zur Seite geschoben, wenn er mit ihr fertig gewesen wäre. Das war eine reine Tatsache.
„Wenn du jetzt Mitleid zeigst, weil du etwas von mir weißt, dann spare dir das.“ Drang eine eiskalte schneidende Stimme in sein Unterbewusstsein und rief ihn wieder in die Realität zurück. Er wusste, woher dieses kalte Stimme kam und vor allem von wem. Diese Frau, die er zu sich geholt hatte, saß auf seinem Bett. Mit dem Rücken zu ihm gekehrt.
Etwas zulange starrte er sie an. „Wer sagt, ich bringe dir Mitleid entgegen?“ Bestimmende Worte.
„Niemand, aber ich wollte dir nur gesagt haben, ich brauche es nicht und darauf verzichte ich. Vor allem von einem Drachen wie dir.“ Wieder diese kalte Tonlage.
Jetzt ging er langsam auf sie zu und einmal um das Bett herum. „Du bist dir ja ziemlich sicher, das es der Fall ist, aber keine Angst, das werde ich nicht.“ Klang ein leises Lachen in seiner Stimme mit. Es war doch wirklich amüsierend, wie die Frau sich verhielt. Allein schon, wie sie gerade da saß und mit voller Vorsicht. Ihr Blick war fixierend nach gerade aus gerichtet. Durchs Fenster, wo gerade die Sonne am höchsten stand.
Vor ihr blieb er stehen und versperrte ihr somit die Sicht. Auch wenn er mitten im Weg stand, rührte sie sich keinen Zentimeter. Schaute noch nicht einmal zu ihm auf. Es war ärgerlich, aber er ging vor ihr in die Hocke und so musste sie ihn anschauen. Sie kam nicht drumherum. Ihren Blick überraschte ihn doch dann wirklich. Er war teilnahmslos und ohne jegliche Gefühlsregung. Nichts spiegelte sich in ihren außergewöhnlichen silbernen Augen wieder. Was war nur los mit ihr?
Gerade wollte er im Stillen ihre Hände nehmen, aber sie schien es geahnt zu haben und zog sie vor ihm weg.
„Lass das.“ Kalt, ohne Zweifel.
„Warum? Hast du vor etwas Angst?“ Schmunzelte er.
„Nein. Das ist eine tröstende Geste und ich hatte eben gemeint, ich brauche kein Mitleid.“ Aber er ignorierte ihre Beschwerde und legte stattdessen seine Hände auf ihre Oberschenkel. Sie versuchte seine Hände wegzuschieben, blieb aber hartnäckig, wobei sie es dann aufgab. Das gefiel ihm.
Doch seine Fragen, die ihm nun auf der Zunge lagen, die musste er stellen.
„Wieso hast du mir nicht gesagt ,dass Culebra dich gefangen gehalten hatte?“ Konnte das sein das Augen noch emotionsloser aussahen? Wenn ja, dann war das gerade in ihren passiert.
„Was sollte das für ein Unterschied machen, wenn ich es erwähnt hätte? Hättest du mich dann anders behandelt? Vielleicht besser oder gar schlimmer, da ich in der Obhut eines Verräters deinesgleichen war? Ich könnte wirklich ein Spionin sein, wie es schon einmal erwähnt wurde. Nichts ist sicher. Du hättest mich nicht hierher bringen dürfen. Das alles spielt keine Rolle. Ersparen wir uns das Ganze und gehen gleich zum eigentlichen oder gar in Stücke zerreißen über. Das ist ja eure Vorliebe für Foltermethoden.“ Wandte sie ihren Blick von ihm ab und er wusste im ersten Moment nicht was er davon halten sollte.
Hatte er das gerade recht verstanden? Das in Stücke reißen, war eine Vorliebe von Drachen? Aber was ihn dabei störte, hatte Culebra das mit ihr angestellt? „Hatte er dir so was angetan?“ Knurrte er wütend. Allein der Gedanke brachte ihn zur Weißglut.
„Ich sagte doch, das spielt alles keine Rolle.“ Ging sie erst gar nicht drauf ein, aber das machte ihn noch wütender.
Bis er lauter wurde. „Und ob das eine Rolle spielt, verdammt nochmal!“ Musste er sich wirklich zusammenreißen, sie nicht einfach zu packen und kräftig durchzuschütteln, damit sie zur Vernunft kam. „Emmanline...“ Sprach er zum ersten Mal ihren Namen aus und es hörte sich in seinen Ohren so unglaublich an. So, als hätte er ihn schon einige Male benutzt und es ging ihm durch und durch.
„Nenne mich nicht so. Du hast kein Recht dazu mich beim Namen zu nennen.“ War sie starr geworden, als er ihren Namen zum ersten Mal erwähnt hatte. „Wir kennen uns nicht.“ Konterte sie zurück und es machte selbst sie wütend, dass sie selbst jetzt bei seiner Wut die Stirn bot.
„Ach ja, ist das so? Tja, dann muss ich dir sagen, dass du Pech gehabt hast und dass das nun dein Problem ist. Ich kann dich nennen wie ich will. Gewönne dich dran. Wenn wir jetzt soweit sind, dann zicke nicht weiter herum und beantworte einfach meine Fragen.“ Knurrte er leicht fordernd, doch Schweigen. „Verdammt, Mädchen.“ Fluchte er und schüttelte mit seinem Kopf. Langsam störte ihn ihre Sturheit schon. Also musste er es auf eine andere Art und Weise probieren.
Noch immer schaute sie ihn nicht an und doch wollte er es. Sanft legte er zwei Finger unter ihr Kinn und drehte sie zu sich um. „Ich meine es ernst, Emmanline. Du musst mir schon sagen, was dir alles widerfahren ist. Ich kann dich sonst nicht beschützen.“ Und das meinte er verdammt ernst.
„Beschützen?“ Schnaubte sie abfällig. „Ich verzichte auf deine Hilfe. Ich bin bisher immer gut alleine zu Recht gekommen, da werde ich es wohl auch jetzt noch können. Nein, danke.“ Kam sie aus seinem Griff nicht los. Das genügte ihm auch schon.
„Du bist ein stures Weib. Du bist in meiner Obhut und solange bis ich sage, dass es genug ist, kannst du dich deiner selbst wieder widmen. Aber solange du bei mir bist, beschütze ich dich. Das tue ich mit all meinem Hab und Gut. Also verschwende deine Energie nicht für unnötige Zankerei. In der Hinsicht musst du mir vertrauen.“ Wurde seine Stimme tatsächlich sanfter, stellte Emmanline es selbst fest.
„Vertrauen?“ Klang es höhnisch aus ihrem Mund. „Erzähl du mir nichts von Vertrauen. Du magst mich vielleicht dazu zwingen hier zubleiben, aber niemals wird so ein Gefühl, wie Vertrauen aufkommen. Aber falls es dich tröstet, dass wird bei niemanden der Fall sein. Nicht bei dir oder bei sonst irgendjemand.“ Denn eine Art Vertrauen, wäre bei ihr nie möglich. Noch nie hatte sie es jemanden entgegen gebracht, außer ihrer Mutter gegenüber, aber das war schon lange her und nicht von langer Dauer gewesen.
Trotz allem wunderte sie sich jetzt, denn der Drache war überhaupt nicht wütend geworden, als sie ihm gesagt hatte, nie würde sie ihm Vertrauen entgegen bringen. Normalerweise haben Drachen die Angewohnheit, dass sich jeder ihnen beugt und keiner widerspricht. Doch diesmal nichts.
„Was ist los? Überrascht dass ich nicht wütend werde? Mir war irgendwie schon klar, dass du das sagen würdest und ich habe kein Problem damit. Ich werde dich noch dazu bringen mir zu vertrauen.“ Lächelte er sie an, aber sie konnte kein herablassendes überhebliches Lächeln oder sonst eine schlechte Art erkennen. Ihr schien es vollkommen neutral zu sein. Was hatte er vor?
„Wieso lässt du mich nicht einfach in Ruhe?“ Seufzte sie und fühlte sich ermüdet davon. Dieser Mann brachte sie in unterschiedliche Situationen und es war eigenartig für sie. Sie konnte auch nichts daraus schließen, was er überhaupt mit ihr vorhatte. Das Einzige was sie erahnen konnte, war seine besitzende und befehlshaberische Seite. Das war sie schon von Anfang an.
Was auf dem Flur, vor junger Zeit, darüber hatte sie die ganze Zeit nachgedacht, als sie hier in diesem Zimmer gesessen und gewartet hatte. Aiden hatte sie darum gebeten, dass sie ging. Sie wusste auch warum, denn er wollte ihr nicht das vor Augen halten, was ihr Leben war. Aber wie gut er es auch meinte, sie würde davon nicht loskommen. Sie war davon geprägt und würde es auch immer sein, weil sie nichts anderes kannte.
Alles andere kannte sie nicht. Hilfe und Vertrauen. Was war das überhaupt schon? Keiner in ihrem Leben kannte sie und wer wollte ihr auch schon helfen? Seit ihre Mutter tot war, seit dem Tag war sie stets alleine gewesen. Eine andere Möglichkeit blieb ihr nicht.
Jetzt, da sie zum ersten Mal in ihrem Leben einen kurzen Augenblick das Gefühl kannte wirklich frei zu sein, wollte sie das nicht ganz kampflos aufgeben. Zum allerersten Mal und nun wollte ein weiterer Drache ihr all Das nehmen. Sie hatte sich stets in ihrem Leben gewehrt und diesmal war es etwas anderes. Das ganze Kämpfen tat sie nun für sich. Was sie vorher versprochen hatte, stark zu sein.
Und das sie hier in diesem Zimmer saß, war alles andere als frei. Als Aiden und dieser Drache sie fortgeschickt hatten, begleiteten sie zwei von diesen Wächtern. Sie konnte die Beiden reden hören und sie wusste, es ging um sie. Ignorieren war das Einzige was sie konnte. Danach konnte sie die ganze restliche Zeit nur in diesem Zimmer hocken und warten. Sie hatte gewusst, dass die beiden Männer vor der Tür Wache hielten. Da blieb ihr nichts anderes übrig, als zu warten. Solange, bis jemand zu ihr kam und sie hatte auch gewusst, wer kommen würde. Ihre Vermutung hatte sich ja auch bewahrheitet, denn dieser Mann saß nun vor ihr in der Hocke. Er war stur und versuchte alles dran zusetzen, sie weiterhin so zu behandeln, als wäre sie sein rechtmäßiges Eigentum.
„Weil das nicht so einfach ist. Du musst mir schließlich noch immer meinen Rubin wieder zurückholen.“ Und das in einem gemäßigten ruhigen Ton.
„Dann musst du mich auch lassen, wenn du ihn wieder haben willst. In dem du mich hier einsperrst kann es auch nichts werden.“ Entgegnete sie ihm, aber sie hatte schon das Gefühl, sie redete gegen eine Wand.
Ein Lächeln seinerseits. „Auch das ist nun nicht mehr so einfach. Ich hatte mit meiner Vermutung Recht gehabt, als ich gemeint hatte, dass du einem Drachen schon einmal begegnet bist. Natürlich hätte ich niemals vermutet, dass es Culebra sein könnte, aber das macht die Sache etwas anders. Sicher war es ein Fehler dich mit hierher zubringen. Schließlich ist dies unser Reich und keine Außenstehenden haben hier Zutritt. Außer die Ausnahmen. Da ich das nicht rückgängig machen kann und du unter Culebra gelebt hattest, kann ich dich nicht mehr so einfach gehen lassen. Du könntest wichtige Informationen verraten, die für uns schädlich sein könnten.“ Sprach er nur die komplette Wahrheit aus. Es stimmte ja auch, sie war die Gefahr für alle hier.
„Dann solltest du mich trotzdem von hier wegbringen oder einfach nur irgendwo einsperren, wo mich niemand findet. Er wird mich suchen und auch irgendwann finden. Er wird mich nicht gehen lassen.“ Wurde ihre Stimme immer leiser und ihre Augen schlossen sich halb. Sie öffnete ihre Augen erst dann wieder richtig, als sie Hände auf ihren Wangen spürte. Irritiert schaute sie ihn an. Seit wann war er so vorsichtig oder gar sanft zu ihr, wenn er sie anfasste?
„Genau das ist das nächste Problem. Ich hatte mir schon gedacht, dass er dich wieder zu sich holen will. Da du mir den Grund nicht verrätst, welchen ich noch herausfinden werde, solltest du wissen, dass ich dich beschützen werde. Du musst mir kein Vertrauen schenken, aber du solltest es ernst nehmen. Du wirst hier sicher sein. Selbst Culebra ist nicht dumm genug und dringt hier ein.“ Sollte das etwas Beruhigendes haben? Er vergaß, wo sie sich erneut befand.
„Du kennst ihn nicht gut genug, um so was zusagen. Er hat seine Verbündeten überall und er hat immer das bekommen was er wollte und wird es auch weiterhin bekommen. Es war nur reiner Zufall, das Aiden mich gefunden hatte, aber Culebra war schon über alle Berge. Ich kann es dir nicht verraten, wieso er nicht aufgeben wird, um mich wieder zubekommen. Er tut es einfach.“ Konnte sie verneinend mit ihrem Kopf schütteln, da er sie noch immer festhielt.
Emmanline sah in seinem Blick, dass er darüber nachdenken musste. Natürlich musste er das. Culebra wusste was er tat und er war raffiniert genug, um alles zu erreichen, was er sich vornimmt und komischer Weise packte er auch alles. Egal welche Grausamkeiten er plante oder tat. Klappte es im ersten Moment nicht, dann fand er einen Weg um ihn zu bewahrheiten. Und genau das wusste dieser Mann vor ihr auch. Die Raffinesse war Culebras Stärke.
Langsam begann er mit seinen Daumen über ihre Wangen zu streicheln und…bekam er das überhaupt mit?
„Mag vielleicht sein, aber gut genug, um zu wissen was er vorhat. Ich werde dich trotzdem nicht gehen lassen oder irgendwo alleine zurücklassen. Da kannst du sonst was anstellen. Das wird nicht der Fall sein, also sei einfach brav und tue einfach was man von dir verlangt. Dann wird dir auch nichts passieren.“ Was alles so normal aus seinem Mund klang. Doch darauf konnte sie nicht bauen oder vertrauen. Dazu war sie nicht imstande.
Ihre Hände legten sich auf seine Brust und sie versuchte ihn zurück zu schieben, denn er war ihr noch näher gekommen. Zu nahe und diese Hitze ertrug sie nicht. Es weckte ungeahnte Gefühle in ihr wach, wo sie dachte, dass sie sich eines Tages nicht mehr dagegen wehren könnte. Das machte ihr auf einer Seite Angst und sie würde die Kontrolle über sich verlieren. Doch leider bewegte er sich keinen Zentimeter und sie konnte ihn nicht von sich drücken. Er war wie ein standhafter Fels in der Brandung. Gegen seine Stärke kam sie nicht an und genau das war das Problem. Sie fühlte sich trotz allem wie ein Gegenstand, den man eben mal so durch die Gegend schob.
„Versuch es einfach einmal. Hier wird dir nichts geschehen. Ich verspreche es dir.“ Schwor er ihr und trotzdem wollte sie es nicht hören. Es versicherte ihr gar nichts.
Sie seufzte auf. „Das kann ich nicht. Du stellst dir das alles so einfach vor. Könntest du dich irgendwo sorglos in die Hände von jemand begeben, der Jahre lang, dich in Gefangenschaft gehalten hatte? Ich glaube es kaum. Du bist ein Drache und ihr seid ein übernatürliches stolzes Volk. Das habe ich gelernt. Wenn es euch nicht interessiert oder passt, dann zeigt ihr eure Stärke. Ohne Gnade.“ Und er wusste, dass es die Wahrheit war. Niemals würden sie sich das bieten lassen. Nicht mehr.
Der Drache ließ seine Arme sinken, aber ließ sie nicht aus den Augen. Was dachte er jetzt? Das würde sie gerade gerne wissen. „Ja, du hast Recht. So sind wir Drachen.“ Zuckte er mit seinen Schultern und er stand dazu. „Wie lange warst du unter Culebras Gefangenschaft? Wenn du mir das andere schon nicht verrätst, dann wenigstens diese eine Sache.“
Wofür? Dachte sie sich im Stillen. Sollte sie es ihm sagen oder weiterhin schweigen? Sie wollte keine Sachen von ihr preisgeben und schon gar nicht, was ihre Vergangenheit anbelangte. „Ich bin über zweihundert Jahre alt. Rechne fast drei Monate ab, dann weißt du wie lange ich bei ihm gewesen war.“ Konnte sie es sich überhaupt nicht erklären, warum sie das eigentlich verraten hatte. Dabei hatte sie es nicht gewollt, aber seine Reaktion war unüblich. Er schien sauer zu sein und er fluchte.
„Verdammt, solange? Ich werde ihn…“ Knurrte er vor sich hin. „Das würde bedeuten, seit deiner Geburt.“ Wirkte seine Stimme etwas ungläubig, aber das dürfte überhaupt nicht sein. Allein schon, das sie nichts sagte war Bestätigung genug. „Ich werde diesen Bastard abschlachten.“ Riss er sich in die Höhe.
Emmanline konnte genauso gut erkennen, wie sein Drache in ihm tobte und am liebsten genauso etwas zerstören wollte, wie der Mann selbst.
„Warum wirst du so wütend? So ist das eben nun einmal und du kannst es nicht mehr ändern.“ Kam es aus ihrem Mund. So selbstverständlich, was eigentlich nicht so klingen sollen.
„Nein, ich kann es nicht ändern, aber verflucht noch mal, dass geht zu weit. Wir Drachen sind vielleicht nicht das gutmütigste Volk, aber wir wissen, wo unsere Grenzen liegen und was Ehre und Stolz bedeutet. Das hat alles nichts damit zu tun, wenn man ein geborenes Kind, in seine krankhaften Spielchen mit einbezieht. Es macht mich einfach rasend vor Wut.“ Setzte er einen hektischen Gang ein, der hin und wieder zurück verlief. Rauf und runter. Sie verfolgte ihn mit ihrem Blick. Sie hielt ihren Mund, denn sie hatte nicht die besondere Lust seinen Zorn weiter zu schüren.
Mit einem Mal blieb er stehen. „Wurde deine Mutter von Culebra gefangen genommen?“ Wollte er zunächst wissen.
„Was verstehst du nicht darunter, seit meiner Geburt? Meine Mutter wurde gefangen genommen, als sie schwanger gewesen war.“ Versuchte sie ruhig sitzen zu bleiben, aber es machte sie nervös so über ihre Mutter zu sprechen.
„Was ist mit ihr geschehen?“ Wurde seine Stimme immer ernster und aufmerksamer. In der Zwischenzeit wurde sie starr und sie presste ihre Lippen fest aufeinander und sie wandte ihr Gesicht von ihm ab. „Verstehe. Mehr musst du mir nicht sagen.“ Kam er wieder näher und blieb vor ihr stehen. „Er wird dafür büßen.“
Nun wurde sie verdammt wütend und sie riss sich auf ihre Beine, baute sich vor ihm auf. „Was willst du von mir?“ Schrie sie ihn an und ihr war es gerade egal, was er mit ihr machen würde. „Willst du dich jetzt als ein Rächer aufspielen? Oder gar versuchen einmal in deinem unendlichen Leben etwas Gutes tun? Hör auf damit. Ich will das alles nicht. Du hast kein Recht dazu von mir etwas abzuverlangen, was dich nichts angeht. Ich quetsche dich ja auch nicht aus. Wie ich so was verabscheue.“ Wurde ihre Stimmlage immer zynischer. „Ich habe es wirklich satt, dass ihr Drachen euch alles nehmt was ihr wollt. Ohne auch nur einmal daran zu denken, was ihr da anrichtet.“ Würde sie ihn am liebsten einfach nur davon laufen. Aber das konnte sie nicht. Also wandte sie sich einfach ab und wollte ihm einfach nur aus dem Weg gehen.
Ihr war bewusst gewesen, dass er sie packen würde, sie zurückzog und wieder gegen seine Brust drückte. Sofort fing sie an sich zu wehren um loszukommen, aber sie war so machtlos. Nicht nur, weil sie die Kraft nicht dazu besaß. Er stellte mit ihr etwas an, was tiefer ging. Alleine sein erdiger Geruch machte sie schwach. Aber sie gab nicht auf.
„Nein, lass mich los.“ Konnte sie machen was sie wollte, aber er ließ sie nicht los. Im Gegenteil, er drückte sie nur umso mehr an sich.
Ihr Herz fing immer schneller an zurasen und sie bekam kaum noch Luft. Es fühlte sich eigenartig an, als würde diese unbekannte Hitze sie von innen heraus verbrennen.
„Ich müsste dich allein für deine Dreistigkeit bestrafen, wie du mit mir sprichst, aber diese Seite gefällt mir an dir. Also verzeihe ich dir.“ Wie sie ihn verabscheute. Jetzt reichte es ihr. Da sie nicht die Stärke hatte, musste sie ihn eben anders loswerden. Eine ungeahnte Energie bündelte sich in ihr und sie konnte die Ansammlung nicht unterbrechen. Die Wut allein schürte es nur noch mehr. Deshalb gab sie für einen Moment seiner Umarmung nach und schmiegte sich in perfekter Form an ihn. So perfekt, als würden sich zwei passende Puzzle zusammensetzen. Doch das hinderte sie nicht daran, was sie vorhatte.
Sein Körper war leicht nach vorne gebeugt, sodass ihr Gesicht an seiner Halsbeuge vergraben war, aber das war ihre Chance. Mit einem einzigen Biss versenkte sie ihre Zähne in seine Halsbeuge und biss so fest zu wie sie nur konnte. Ein lautes Zischen bestätigte, dass er darauf reagierte. Sie spürte, wie sich seine Muskeln unter ihrem Biss anspannten, aber ließ nicht locker. Aber da war noch etwas anderes. Ein anderes Geräusch. Es klang nach einem leisen Stöhnen und ihr wurde mit einmal mal stark bewusst, was sich weiter unten regte. Etwas hartes, dass sich gegen ihrem Unterleib presste. Schon wieder. Entsetzt ließ sie ihn los und japste nach Luft. Ihre Gegenwehr wurde immer heftiger und versuchte nach ihm zu schlagen, aber es schien ihm nicht einmal zu jucken. Warum waren solche Männer nur so robust?
Oh ihr Götter, was hatte sie da angerichtet? Das…das war ein sehr großer und dummer Fehler gewesen ihn zu beißen. Dabei hatte sie was anderes vorgehabt. Wie kam sie nur auf den Gedanken, ihn zu beißen? War sie vollkommen verrückt?
„Nein, nicht!“ Brachte sie es mühsam hervor und sie ahnte gar nicht was sie hervorrief.
„Was nein nicht? Du hast doch damit angefangen und ich kann nichts dafür, dass ich auf deine Körperbewegungen und Aktionen reagiere. Ich bin auch nur ein Mann.“ Lachte er amüsiert auf und es schien ihn wirklich zu belustigen.
„Körperbewegungen und Aktionen? Du scheinst zu halluzinieren. Ich tue überhaupt nichts. Ich will das nicht.“ Fing sie leicht an zu zittern und ein komisches Kribbeln machte sich in ihrem Unterleib breit. Oh, nein. Nicht schon wieder. Was war nur los mit ihr? Solche ungeahnten Gefühle waren bisher nie bei ihr aufgetreten. Kein einziges Mal in ihrem Leben.
Er lachte weiter und sie spürte wie eine Hand ihren Rücken hinauf wanderte und sich in ihrem weißen Haar vergrub. Ein kleiner Stich von Schmerz durchzog ihren ganzen Körper, aber sie weigerte sich vor ihm eine Schwäche zu zeigen. Die andere Hand blieb auf ihrem unteren Rücken liegen, ließ etwas von ihr ab und schaute sie lächelnd und überraschend erwartungsvoll an. „Aber ich glaube dein Körper scheint etwas anderes zu meinen. Ich kann es riechen, wie du darauf reagierst. Gib es zu, dass du es auch willst.“ Kam er ihrem Gesicht näher und flüsterte es an ihren Lippen.
Ihre Augen weiteten sich und sie erstarrte. „Nein…, das stimmt nicht.“ Zitterte ihre Stimme ein wenig und ein eigenartiges Stöhnen entrang sich ihr, als er mit Nachdruck seinen Unterleibes an ihren drückte. Es war nicht schmerzhaft, viel mehr, ein pochender Schmerz machte sich dort breit und sie fühlte sich erwartungsvoll. Nur ihr Verstand sträubte sich dagegen und sie wollte es nicht. Sie verstand davon nichts und es machte ihr wirklich furchtbare Angst, denn die Ahnungslosigkeit, was der Drache ihr antun würde, war zu groß.
Nicht schaffend hatte sie versucht sich mit ihrem Gesicht von ihm abzuwenden, aber seine Hand auf ihrem Hinterkopf hinderte sie daran. Der Druck war stärker geworden, achtete aber darauf, dass er seine Kraft nicht auf schmerzhafte Weise einsetzte. Ein starkes Schlucken fiel ihr schwer, denn ihre Kehle war wie zugeschnürt, dass sie kaum noch Luft bekam. Das Atmen fiel ihr zunehmend schwerer und ihr Herz raste wie ein Pferd, das rennen würde.
„Und dafür das du mir in den Hals gebissen hast.“ Schnurrte er raunend und dieser Ton klang tief aus seiner Kehle. Es zeigte das Männliche und die Stärke darin. Er verlangte von ihr ab, dass sie sich ihm ergebend hingab. Nach und nach verschwanden ihr Verstand und das Denken fiel ihr zunehmend schwerer. Es war ihr unbegreiflich, denn diese Hilflosigkeit war selbst in der Gefangenschaft von Culebra noch nie so stark gewesen. Sie fühlte sich noch stärker ausgeliefert, als je zuvor.
Auf einmal versengte eine Hitze ihre Lippen, denn diese paar Zentimeter von ihrem Mund entfernt, küsste er sie erneut. Erst sanft, als wäre es ein Hauchen, wurde zunehmend verlangender und sehnsüchtiger. Wohlig seufzte sie in seinem Kuss hinein und es war ihr unerklärlich, warum sie darauf reagierte. Enger an ihn schmiegend, lagen ihre Hände auf seinen Schultern und krallten sich dort fest. Wie von selbst schlossen sich ihre Augen, legte sie ihren Kopf leicht geneigt und seufzte erneut wohlig in diesen Kuss hinein.
Was war nur los mit ihr? Seit wann fühlte sie sich so wohlig dabei? Noch niemals hatte jemand sie geküsst. Geschweige hatte sie noch niemand geküsst. Mit ihm war es das erste Mal. Es war einmalig und erst dieses Gefühl voller Wärme in ihr. Er stellte mit ihr Dinge an, die ins Unermessliche ging. Wendete er irgendeinen Zauber an, der sie beeinflusste, dass sie keine Kontrolle mehr über ihren Körper hatte? Sie kannte sich überhaupt nicht mehr wieder. Ja so musste es sein. Anders konnte sie es sich nicht erklären. Noch nie hatte sie sich zu jemandem hingezogen gefühlt oder gar gefühlt, dass sie mehr davon wollte. Sie musste sich eingestehen, er hatte Recht. Ihr Körper wollte es auch, war machtlos dagegen, fühlte sich wie eine Marionette und er war der Puppenspieler, der die Fäden in den Händen hielt.
Wie sollte sie seinen Küssen nur widerstehen, die sie so atemlos machten? Die in ihr ein Feuer entfachte und es weiter zum lodern brachte?
Es war unglaublich, wie sie sich an ihn schmiegte und sich seinem Verlangen hingab. Lucien hatte es einfach übermannt, als sie auf seine Erregung reagiert hatte. Sein Körper reagierte wie von alleine und er wollte sie. Diese Anziehung war unglaublich und noch nie war der Drang so groß gewesen eine Frau zu verführen.
Anscheinend bekam sie überhaupt nicht mit, wie sehr sie sich an ihm drängte und festkrallte, weil sie befürchtete, er würde aufhören Aber ihm war überhaupt nicht danach, dem zu widerstehen, es hungerte ihn danach. Ihr Körper passte sich perfekt seinem an, aber ihre Konturen waren zierlich und er befürchtete, sie mit seiner Umarmung und dessen Stärke zu erdrücken. Aber gekonnt hielt sie dem stand und beschwerte sich mit keinem Laut oder Wort. Es schien ihr sogar zu gefallen, ihm so nahe zu sein und das er sie in Beschlag nahm. Obwohl sie sich dagegen gewehrt hatte und abweisend war. Ihre Handlungen straften ihre Worte. Ihm war es nun sichtlich egal, denn dem konnte er nicht widerstehen. So sehr wollte und begehrte er sie, mit all seinem Verlangen, was er je verspürt hatte.
Kein Wunder, dass er sie behalten wollte, denn sein Rubin rückte stets mehr in den Hintergrund und seine Begierde stellte sich in den Vordergrund. Wie stellte sie das nur mit ihm an? Dabei war er, Lucien De la Cruise, ein Drache der sich für alles rächte, wenn man ihn bestahl, angriff oder gar anderes gegen ihn plante, was ihm schadete. Er hat seinen Ruf aufgebaut einer der Grausamen zu sein und war stolz darauf. Aber bei ihr rückte es immer mehr in den Hintergrund. Das versuchte er zu verhindern und versuchte sie weiterhin so zu behandeln wie vorher. Wieso klappte es dann jetzt nicht mehr so recht? Weil Aiden ihm erzählt hatte, was ihr widerfahren war? Weil sie in Culebras Händen gewesen war? Was anderes könnte es doch nicht sein, oder?
Diese Frau hatte seit ihrer Geburt etwas hinter sich, wo er nicht soweit denken konnte. Auf diesen Nenner würde er nicht kommen, aber der Gedanke was Culebra mit ihr angestellt hatte, machte ihn verdammt wütend. Furchtbar wütend. Eigentlich möchte er es erst gar nicht wissen, weil es ihm vollkommen egal war, aber anderseits würde er diesem Bastard die schlimmste Folter bescheren und ihm die Kehle zerfetzen. Er müsste ihm nur einmal gegenüber stehen und keine Sekunde würde er zögern.
Diese Frau roch so gut und er fühlte sich berauscht davon. Der Geruch setzte sich in seiner Nase fest und er konnte nicht genug davon bekommen. Es machte ihn atemlos, denn es war schwer die Luft solange anzuhalten, dass er somit ihren Duft solange in den Lungen behielt. Er befürchte nicht genug davon zu bekommen. Geschweige von ihren Lippen die süß schmeckten und doch feurig. Ein Knabbern genügte ihm einfach nicht. Nein, noch lange nicht. Mit einem festeren Zwicken brachte es eine entsetzte Reaktion bei ihr hervor und sie musste nach Luft schnappen. Sofort nutzte er diese Gelegenheit und schoss mit seiner Zunge in ihren Mund. Noch stärker entfaltete sich ihr Geschmack auf seiner Zunge und ein Stöhnen bestätigte es nur noch, wie sehr er sie wollte.
Erst tastete er sich mit seiner Zunge zu ihrer vorsichtig vor, um sie nicht gleich wieder zur schockierenden Besinnung zu befördern. So schnell wollte er es diesmal nicht beenden lassen. Nicht wie zuvor, als er zu hastig vorgegangen war. Diesmal probierte er es behutsamer und nicht zu stürmisch ran zugehen. Auch wenn es ihm eine hohe Konzentration und Selbstbeherrschung kostete, da es bei ihr nicht gerade einfach war, ihr zu widerstehen.
Leicht tippte er sie mit seiner Zunge an und sie zuckte unter dieser Berührung zusammen. Was sollte dann erst mit ihr passieren, wenn er richtig ran gehen würde? Das war eine Versuchung wert, aber er tadelte sich für diesem ersten Moment. Behutsam und langsam, sprach er in Gedanken, wie ein beiläufiges Mantra. Behutsam und langsam.
Eine Erkundungstour in ihrer Mundhöhle wurde nur noch intensiviert. Es heizte ihn immer weiter ein und nie hätte er gedacht, noch erregter und härter zu werden. Das überspannte schon alles, denn diese Unerträglichkeit wurde immer schlimmer, das er sich kaum zurückhalten konnte, sie nicht einfach neben sich auf dem Bett zu schmeißen und alles zu nehmen, was er wollte und brauchte. Das wollte er doch schon im vorn herein, oder etwa nicht? Wenn sie sich ihm hingab, nur einmal, dann würde er sie fallen lassen und auch nicht mehr befallen. So würde es auch sein, wenn sie darauf eingehen würde, aber sie wehrte sich zunehmend gegen ihn und es machte ihm nur umso mehr Spaß sie zu jagen, einzufangen und mit ihr zu spielen.
Das war sowieso schon seltsam, das er sich so darauf versteifte mit ihr intensive Spiele zu spielen. Allein wenn er schon daran dachte, wie schnell sein Interesse geweckt wurde. Normalerweise bedurfte es weitaus mehr, als nur den Geruch wahrzunehmen. Eigentlich zählte ihm genauso der Körper, das Aussehen und wie diese Frau ihm gegenüber trat. Nicht wie diese kleine Elfe in seinem Armen, die ihn nur allein mit ihrem Duft, nach einem sonnigen warmen Tag roch, betörte. So weich und umhüllend. Selbst sein Drache aalte sich in dieser Wärme, weil Drachen es liebten, bei einem heißen Tag sich auf einen der vorgeheizten Felsen zu legen und einfach nur die Sonne dösend auf sich wirken zu lassen. Das trug ihnen zur Entspannung bei. Genau dieses Gefühl der sonnigen Wärme vermittelte sie ihm.
Doch hier war alles anders. Sie hatte es von vornherein geschafft sein Interesse an ihr zu wecken. Dazu brauchte sie ihre Schönheit und Anmut nicht zeigen.
Seine Hand die in ihrem Nacken lag, wanderte nach unten, denn er wollte sie einfach nur überall berühren. Am ganzen Körper und der Gedanke daran, wie sie wohl ohne Kleidung aussehen würde, nur nackt, machte ihn wahnsinnig vor Erregung und Gier. Es steigerte seinen Hunger sie mehr kosten zu wollen. Sie am ganzen Körper ab zu lecken, zu küssen und kleine heiße feurige Bisse zu hinterlassen. Alles wollte er an ihr probieren, sehen wie sie darauf reagierte. Alles wollte er wie ein Schwamm in sich aufnehmen. Verflucht sollte er sein, wenn er diese Chance nicht nutzen würde sie zu kosten und zu verführen. Solange sie noch bei ihm war und wer weiß wie lange das andauerte. Ausnutzen war die perfekte Beschreibung dafür.
Ein kleines Zucken ging von ihr aus, aber er ignorierte es in diesem Moment, streichelte weiter ihren Rücken hinab und erneut zuckte sie. Als sie dann noch ein kleines Wimmern in den Kuss hinterher gab, machte es ihn doch etwas stutzig. Kam das von seinen Berührungen, wie er sie anfasste? Deuten konnte er es nicht wirklich, dass es von ihrer Erregung zu ihm kam, die er entfacht hatte.
So zog er sich von dem innigen und festen Küssen zurück und bedachte sie mit einem gerunzelten Blick. Am liebsten hätte er den Kuss nicht unterbrochen, aber er wollte es trotzdem wissen. Ihre Augen waren noch geschlossen, als er auf sie herab schaute und ihr Gesicht musterte. Ihre Lippen waren rötlich gefärbt und geschwollen von seinem fordernden Küssen. Mit leicht geöffnetem Mund, rang sie nach Luft und sie atmete in schnellen Zügen. Jetzt erst bemerkte sie, dass er aufgehört hatte und öffnete ihre Augen einen Spalt breit. Ein verschleierter Blick schaute ihn an, aber er konnte trotz allem nicht wirklich was aus ihnen deuten.
„Was hast du?“ Brachte er es geradeso heraus. Leicht wanderte seine Hand zu ihrem Nacken und packte sie dort besitzergreifend, damit sie sich von ihm nicht abwenden konnte. Genau da hatte sie wieder ein Zucken überkommen, obwohl sie es versuchte zu unterdrücken. „Irgendwas ist mit dir? Hast du irgendwo Schmerzen?“ Durchbohrte er sie weiter.
Leicht schüttelte sie mit ihrem Kopf und sie versuchte wirklich seinen Blick auszuweichen. Wütend schaute er sie an.
„Du lügst. Sag es mir.“ Befahl er jetzt. Deswegen ließ er sie jetzt los, damit er sie genau im Augenschein nehmen konnte. Lucien konnte sie gerade noch auffangen, denn sie versuchte zu stürzen, wo er sie auf die Beine abgesetzt hatte. Zum Bett führend, ließ er sie auf die Bettkante setzen und sie schien dankbar dafür sein. Er verstand sie einfach nicht. „Bitte.“
Überrascht und blitzschnell wanderte ihr Blick zu ihm rauf und er hockte sich vor ihr hin. Ihr Atem hatte sich leicht stabilisiert und das Entsetzen stand ihr trotzdem ins Gesicht geschrieben. Das brachte ihn leicht zum Schmunzeln, denn ihrer Überraschung konnte er ihr nicht verdenken. Seine Bitte, die er ihr deutlich gezeigt hatte, war schon eine Art von ihm, die er nicht wirklich jeden zeigte. Aber ihm blieb in diesem Moment nichts anderes übrig, denn sie schien bei seinen Befehlen und Drohungen nicht zu reagieren. Dies schien sie gewohnt zu sein und es interessierte sie nicht im Geringsten. Also musste er sich etwas anders einfallen lassen, damit er sie zum Reden brachte. Also versuchte er es einmal auf sanfte Art.
„Du bittest mich darum? Wieso?“ Klang nur Misstrauen in ihrer Stimme mit.
„Ich hatte dir doch gesagt, wenn du unter meinem Schutz stehst, dann meine ich das vollkommene Paket. Das gilt genauso für deine Gesundheit. Also würdest du es mir verraten, Emmanline?“ Lächelte er sie bewusst an.
Ihr Blick wurde leicht finster. „Sprich mich nicht mit meinem Namen an.“
„Tut mir leid, Süße, aber daran wirst du dich gewöhnen müssen. Du kannst mich auch bei meinem Namen nennen. Ich bin Lucien.“ Tat es ihm überhaupt nicht leid. Sie musste sich wirklich daran gewöhnen seine direkte Art anzunehmen.
„Nein, und außerdem weiß ich wer du bist. Ich habe viel von dir gehört, wenn sie über dich geredet hatten. Mir ist es sofort eingefallen, als ich wusste wer vor mir stand.“ War es an ihr die Schultern einmal zucken zu lassen.
Leicht strich er mit seinen Fingern über ihre Wange. „Würdest du es mir jetzt nun verraten, wo du Schmerzen hast? Ich meine es ehrlich.“ Klang er sanft und berührte sie federleicht, dass es selbst ihn erschreckte.
Emmanline war noch immer etwas benebelt und verstört von diesem Kuss, dass sie Mühe hatte sich zu konzentrieren. Dieser Kuss hatte sie vollkommen in den Bann gezogen, das sie Probleme hatte sich dagegen zu wehren. Sie konnte es einfach nicht, so einnehmend war das. Sie fühlte sich davon angezogen und das entsetzte sie. Wieso konnte sie sich gegen ihn nicht richtig wehren?
Mit sich ringend, nahm sie die Berührungen und Worte, die er im vorsichtigen Ton sagte, hin. Was sollte sie von seinen ganzen Stimmungsschwankungen halten? Zum einen war er grob und unfreundlich, dann auf einmal wieder sanft und lieb, danach ging es gleich wieder von vorne los. Sie war sich jedes mal unschlüssig. In einem Moment wollte sie einfach nur von ihm weg und alles in sich vergraben, aber andererseits wollte etwas in ihr, dass sie ihm etwas davon verriet.
„Mein Rücken.“ Flüsterte sie kaum hörbar, aber dieser Drache hatte eines der feinsten Gehöre.
Er blieb ernst und gefasst. „Darf ich es mir anschauen? Ich werde dir nicht wehtun.“
Erst zögerte sie, aber drehte sich halb von ihm weg, damit er besser herankam. Es war ihr schleierhaft, warum sie sich so präsentierte.
Emmanline bekam eine Gänsehaut, während er mit seiner warmen großen Hand den Saum ihres Oberteils nahm und es langsam nach oben zog. Selbst der leichte Stoff verursachte ihr Schmerzen und sie versuchte still zu halten, was auch klappte. Sie wusste, es entging ihm nicht und er versuchte nur noch vorsichtiger zu sein.
Etwas peinlich war es ihr schon, als er ihr schwarzes Shirt nach oben zog und sie dadurch halb den Rücken entblößte. Eine leichte Röte überzog ihr Gesicht und sie war froh, dies konnte er nicht sehen. Noch besser war es, als sie sich leicht nach vorne beugte, ihre Hände aufs Gesicht legte und den Atem anhielt. Seine Fingerspitzen streiften ab und zu ihre Haut und es versetzte sie in einem Schauer der Gefühle, schoss durch ihren ganzen Körper.
„Verflucht.“ Schimpfte er und sie wusste, er konnte alles sehen, aber sie wusste nicht wie schlimm es war. „Wie ist das passiert? Dein ganzer Rücken ist ein einziger blauer schwarzer Fleck. Eine ordentliche Prellung. Wieso hast du nicht vorher schon was gesagt?“ Knurrte er ein wenig wütend.
„Ich habe vorher nichts gespürt. Wahrscheinlich liegt es an den hohen Adrenalinspiegel und weil ich es zum Teil gewohnt bin größere Schmerzen auszuhalten und zu unterdrücken.“ Meinte sie es leicht daher gesagt und es war ja auch nicht gelogen. Nur dürfte sie mit Sicherheit wieder etwas anhören.
Je länger sie darauf wartete und einstellte, es kam nichts. Deswegen drehte sie ihren Kopf zur Seite, damit sie ihn anschauen konnte. Erneut wirkte sie überrascht. Er kniete noch immer neben dem Bett, war angespannt und sein Kiefer so fest aufeinander gepresst, wo sie denken könnte, seine Zähne würden jeden Moment zersplittern. Sein Blick war fest auf ihren freien Rücken gerichtet. Wieder wurde sie etwas rot und die Peinlichkeit kehrte zurück, die sie zuvor auch empfunden hatte. Schnell packte sie den Saum ihres Shirts und wollte es nach unten ziehen, aber er packte sie an den Händen, hielt sie auf.
„W...was soll das? Lass mich.“ Zitterte leicht ihre Stimme vor Scham.
„Ist das von Alastar? Meinem Bruder, als er dich zu Boden gerissen hatte?“ Konnte sie nichts aus seiner Stimme deuten, aber sein Gesicht ging langsam nach oben und blickte sie ausdrucksstark an. Dies würde eine ganz unangenehme Situation werden.
„Mach dich doch nicht lächerlich. Es spielt keine Rolle wer es war. Es wird innerhalb von kurzer Zeit verheilt sein. Dann wirst du nichts mehr davon sehen können. Es ist nicht so schlimm wie es aussieht.“ Seufzte sie und schüttelte mit ihrem Kopf. Was machte er sich auch so verrückt? Sie würde es ohnehin überleben. Deswegen sagte sie erst gar nicht, dass sie noch schlimmeres gewohnt war.
„Also ja, er war es.“ Stand er wutentbrannt auf und spazierte auf und ab. Knurrte ab und zu mal und er strahlte eine bedrohliche Hitze aus. „Wenn ich ihn sehen sollte, mache ich ihn einen Kopf kürzer.“
Ein paar Mal musste sie blinzeln. „Aber ich sagte doch, es geht mir gut und es wird bald verheilt sein.“ Versicherte sie ihm.
„Darum geht es nicht, Emmanline. Er wusste, dass du mir gehörst, denn an dir haftet mein Geruch. Sein Recht war verwirkt und er hätte dich nicht angreifen dürfen. Nicht einmal anfassen hätte er dich dürfen. Du gehörst mir. Hast du verstanden?“
Gerade wollte sie ihm sagen, dass sie kein Gegenstand war, den man einfach so besaß, aber genauso war es. Sie wurde nur an jemandem anderen weiter gereicht. Mehr war es nicht.
Sein Geruch? Schlimmer konnte es nicht werden.
Da sie jetzt die Gelegenheit hatte, zog sie ihr Shirt nach unten und setzte sich gerade hin. Mehr wollte sie nicht zeigen.
„Es ist doch gut.“ Konnte sie es langsam nicht mehr hören. Was machte er sich denn deswegen so verrückt? „Mein Heilungsprozess geht schneller von statten, als wie bei anderen Wesen. Doch wie lange willst du mich denn behalten? Deiner Meinung nach.“
Er blieb stehen und schaute aus dem Fenster. „Das weiß ich nicht. Ich muss in drei Tagen zu einem wichtigen Treffen und ich kann dich deswegen nicht mitnehmen. Du wirst hier bleiben. Aiden wird derweil auf dich aufpassen, damit dir niemand schadet.“ Klang er irgendwie etwas in Gedanken versetzt.
Doch hatte sie sich gerade verhört? „Wie bitte? Und für wie lange?“ Wollte sie ihm ihr Entsetzen darüber nicht zeigen.
„Das kann ich dir nicht genau sagen, aber ich kann dir auch nicht sagen, warum und wohin ich muss.“ Sprach er gleich schnell weiter, denn sie hatte wirklich angesetzt zu fragen, warum und wohin er musste. Deswegen klappte sie ihren Mund auch gleich wieder zu.
„Verstehe!“ Tonlos und sie konnte dazu nun einmal nichts sagen.
„Ich meine es ernst, Emmanline. Ich werde so schnell wie möglich zurückkehren.“ Wiederholte er es noch einmal.
„Ich meinte doch, ich habe es verstanden. Wieso sagst du mir das überhaupt? Du kannst doch hingehen wohin du willst, oder willst du von mir eine Erlaubnis?“ Fand sie es doch ein wenig aberwitzig, dass er überhaupt etwas sagte. Der Gedanke war doch schon irrsinnig, als würde er um Erlaubnis bitten wollen. Das dachte er doch nicht allen ernstes, oder?
Seinen Gesichtsausdruck konnte sie bei ihm nicht deuten, als er sie mit glühenden Augen anschaute. „Nein, will ich nicht. Aber du kannst dich darauf einstellen, dass du hier bleiben wirst.“
Da sagst du mir nichts Neues War nur ihr einziger Gedanke und sie wäre auch nie darauf gekommen, es könnte anders sein. „Und was hast du nun mit mir vor? Willst du mich in eines deiner Kerker werfen? Oder mich vorher vielleicht irgendwo anketten?“ Denn irgendwas musste er sich ja dabei denken.
Seine Augenbrauen zogen sich grimmig zusammen. „Nein, nichts davon. Du wirst dieses Zimmer bewohnen und dies sind meine Räumlichkeiten. Ich werde dich nicht in eines meiner Kerker werfen und ich werde dich auch nicht mehr anketten. Da ich nun weiß, dass du darauf reagierst, will ich nicht erneut, das dem dir widerfährt.“
„Es ist doch nur Eisen, worauf ich reagiere. Du kannst sonst alles andere verwenden.“ Entgegnete sie ihm trocken. Schon witzig, sie sagte ihm was er tun könnte. Langsam wurde sie wirklich irre.
„Hast du mir denn nicht zugehört? Ich werde dich nicht mit irgendwas anketten. Diese Räumlichkeiten wirst du bewohnen. Solange bis ich zurückgekehrt bin.“ Befehl und Gesetz.
Fest presste sie ihre Lippen aufeinander und ihren Kopf gesenkt, um keinen Ton von sich zu geben. Es wäre alles nur vergeudete Mühe, noch mehr von sich zu geben, denn sie würde nichts ausrichten können.
Lucien brauchte keine Beobachtungsgabe, um zu sehen, wie sie dagegen ankämpfte, kein Wort von sich zu geben. Diese Frau war eigenartig und noch nie war ihm so Eine begegnet. Wenn er das eben richtig verstanden hatte, dann hatte sie ihm eben vorgeschlagen, dass er sie irgendwo anketten sollte. Allgemein anketten. Es hatte ihn schon etwas überrumpelt, aber so?
Sanft legte er eine Hand auf ihr Haar und strich leicht darüber, seinen Blick leicht verschleiert. „Ich würde vorschlagen, dass du dich erst einmal frisch machst. Vielleicht willst du dich waschen oder gar ein Bad nehmen. Ich erlaube es dir. Dort hinter der Tür befindet sich das Badezimmer. Du hast die Wahl.“ Lächelte er leicht. Es störte ihn, dass der Dreck und all das Blut in ihrem Haar und auf der ganzen Haut klebte „Ich verspreche dir auch, dass ich dich alleine lasse und du dich in Ruhe etwas erholen kannst, von dem was geschehen war.“
„D...du lässt mich alleine?“ Schien sie ihre Überraschung überhaupt nicht zu verbergen. Vermutlich hatte sie nicht damit gerechnet, das er sie alleine lassen würde und sie etwas selbst entscheiden könnte. Ihm war klar, wie sehr sie in dieser kurzen Zeit bei ihm in Anspruch gezogen wurde und so herzlos war er auch nicht, dass er ihr nicht die Minuten von Ruhe lassen würde.
Was hat dieser Bastard ihr nur alles angetan? Ging es in seinem Kopf herum. Es würde die Zeit kommen, wo er ihn fand und das tat, was er verdient hatte. Und bei den Heiligen, er würde den schmerzlichsten und qualvollsten Tod bekommen, den er für Culebra vorbedacht hatte. Nicht nur weil er ihr ein großes Leid zugefügt hatte. Auch unzähligen Anderen seiner Sippe. Die Unschuldigen und Kinder waren tabu. Keiner rührte sie an, denn ein Kodex der Ehre bedeutete: Greife niemals Nachwuchs an.
„Ja, das tue ich. Geh!“ Lies er von ihr ab. „Ich werde dir etwas Kleidung und Essen besorgen.“ Was ihm jetzt erst einfiel, dass sie auch alltägliche Bedürfnisse hatte. Seine Wut war zu groß gewesen, dass er es einfach vergessen hatte, aber das würde sich jetzt alles ändern. Dabei schwor er, für sie zu sorgen.
„Ich könnte wieder davon laufen.“ Wollte sie es anscheinend wirklich wissen, ob er sie alleine lassen würde.
„Du würdest nicht weit kommen, Süße. Und das weißt du.“ Kicherte er tief in sich hinein und schüttelte mit seinem Kopf. „Lass dir Zeit.“ Wiederholte er noch einmal, ging einfach aus dem Zimmer und es tat ihm auch gut für einen Moment Abstand von ihr zu bekommen. Nur für diesen Moment, denn seine Gedanken überschlugen sich, denn sein Verstand kam nicht wirklich mit, wie sehr es ihn wurmte und wütend machte, was mit dieser Frau war. Etwas an ihr beeinflusste ihn. Vor allem seinen Drachen tief in ihm drinnen. Er streifte nah unter seiner Haut und kratzte schon schmerzhaft unter seiner Haut, was bedeutete, er wolle raus. Seine ganze Wut entfalten und um seine Rache zu stillen. Sein Drache wollte zerstören und töten. Das war sein reinster Verstand. Nicht an ihr, aber an jemanden anderen.
Doch der Mann setzte seinen Verstand ein und er weigerte sich seinem Tier in sich nachzugeben. Klar er würde diesen Bastard von Culebra finden, aber er musste sich zügeln und einen klaren Kopf behalten. Wenn er etwas erreichen wollte, dann durfte er sich nicht ablenken lassen. Vor allem nicht von einer kleinen Elfenfrau. Das wäre noch schöner und das würde mächtig an seinem Stolz und Ruf kratzen, wenn er sich von einer Frau beeinflussen lassen würde. Schließlich war er derjenige der ausnutzte und spielte. Nicht umgekehrt.
Ihm war der Gedanke gekommen, dass er seiner kleinen Schwester Malatya fragen könnte wegen Kleidung, denn nach der Statur und Größe müssten sie ungefähr die gleichen Maße haben. Und gerade als er an seine kleine Schwester dachte, kam sie ihm entgegen. Aber was er in ihren Armen sah, ließ ihn abrupt stehen bleiben.
„Lucien!“ Entdeckte Malatya ihn sofort und sie strahlte übers ganze Gesicht. Natürlich freute er sich immer sie zu sehen, aber jetzt knurrte er leicht.
„Für wen ist diese Kleidung?“ Seine Vorahnung verhieß nichts Gutes.
„Sie ist für, Emmanline.“ Woher wusste sie schon ihren Namen? „Für deinen Besuch.“ Blickte sie kurz auf den Stoff in ihren Armen und blieb vor ihrem großen Bruder stehen. „Aiden meinte,…“ Verfluchter Mistkerl! „… sie würde bestimmt frische Kleidung brauchen. Deswegen bat er mich, weil wir wohl Circa die gleiche Größe haben müssten. Ich bin ja so neugierig wenn du mitgebracht hast. Das ist das erste Mal, das du eine Frau mit ins Schloss bringst.“ Lachte sie leise auf ihren letzten Kommentar. „Ist sie wirklich so hübsch? Und hat sie wirklich schneeweißes Haar?“ Sie war so was von neugierig.
Verdammt, ich wollte für ihr Wohl sorgen und da zählte ihr Nahrung und Kleidung zu besorgen. Wenn ich Aiden nur zu Gesicht bekomme, dem Hau ich eine rein.
„So hat er das.“ Grummelte er. „Ja ist sie und ja hat sie.“ Beantwortete er ihre Fragen nur kurz und knapp, nahm ihr die Kleidung, was ziemlich nach einem Kleid aussah, aus ihren Armen. „Das werde ich ihr geben.“
Protestiert quiekte sie einmal auf. „Was? Aber ich wollte sie einmal kennenlernen.“ Zog sie einen Schmollmund. Sie wusste, dass er davon immer weich wurde, aber diesmal nicht.
„Nein, Malatya. Diesmal nicht. Sie braucht etwas Ruhe. Du kannst sie irgendwann später kennenlernen.“ Musste er sich irgendwas einfallen lassen, denn sonst würde sie ihm keine Ruhe lassen. Das schien sie auch einzusehen und nickte nur einmal kurz. Auch wenn sie etwas geknickt wirkte. Leicht schmunzelte er und streichelte über ihren Kopf.
„Ist gut!“ Lächelte sie ihm zurück.
Malatya begleitete ihn dann noch ein Stück, bevor sie von einem kleinen Mädchen gerufen wurde. Es war die Nichte von ihm und Malatya. Ihr Name war Shay und war die Tochter seiner Schwester Lya. Sie war das letzte Mitglied unter seinen Geschwistern und die ungefähr ein Jahrhundert älter war als Jade. Nur einen Unterschied zu ihr gab es, denn sie war keine Kriegerin, wie alle anderen in seiner Familie. Er wusste, dass Malatya sich in die Richtung entwickelte wie Lya und solche Art Frauen waren für die Sippe am wertvollsten. Die Mütterlichen. Diese Frauen hielten alles zusammen und kümmerten sich um Diejenigen, die Hilfe, Trost und Zuneigung brauchten. Diese Frauen waren von sanfter Natur und im wahrsten Sinne waren sie die Stärksten, im Gegensatz eines stärken Kriegers. Sie kümmerten sich um die Jungen und gaben allen das Gefühl wichtig zu sein und eine Zugehörigkeit zuhaben. Sie schenkten Liebe und Wärme. Selbst den härtesten und stursten Drachen. Jeder brauchte diese Art von Zuneigung, auch wenn es Ausnahmefälle gab. Aber die Drachen waren Gesellige, auch wenn der Ruf von ihnen nicht der Beste war. Sie waren doch leidenschaftlich und liebevoll. Ohne Körperprivilegien würde irgendwann derjenige untergehen.
Lya und sein Vater waren stets die gewesen, die ihre Familie zusammen gehalten hatten. Aber seit er tot war, wurde eine Menge zerstört, aber seine sanfte und gutherzige Schwester hatte alles an Kraft und Energie eingesetzt, alles zu halten und dafür gekämpft, dass nichts auseinander brach.
Die Mütterlichen besaßen ihr Herz am rechten Fleck und waren der Mittelpunkt, zudem jeder immer wieder zurückkehrte. Egal ob Blutsverwandt oder nicht. Sie waren diejenigen, die beschützt werden mussten.
Lya hatte schon frühzeitig ihren Seelengefährten gefunden und bekam die kleine Shay. Es war ein Segen und Glück zugleich überhaupt seinen Gefährten zu finden. Es spielte einfach keine Rolle wie alt jemand war. Lya war gerade mal etwas über vierhundert Jahre und Raiden über dreitausend zweihundert Jahre. Wobei er anscheinend seine Seelengefährtin gefunden hatte, wie er meinte. Selbst bei ihm war es unglaubwürdig, wenn überhaupt das Glück ihm zuteil wurde seinen bestimmten Partner zu finden. Das Leben hatte vor niemand Erbarmen.
Danach verabschiedete er sich von den beiden Kleinen und ging Richtung Küche. Was er da sah, verstimmte ihn, denn erneut hatte Aiden ihm dazwischen gefunkt. Wie konnte er es nur wagen? Die Angestellten der Küche hatten schon etwas für Emmanline angerichtet. Wieso kam er ihm dazwischen? Dabei wollte er sich um ihr Wohl kümmern.
Stillschweigend nahm er es hin und ging mit dem Tablett Essen und der Kleidung auf seinem Arm hängend zurück. Ignorierte die Blicke derjenigen die ihm entgegen kamen. Sicher musste das unglaubwürdig aussehen, denn er trug etwas einer Frau hinterher. Und er ist überhaupt nicht der Typ der so was tut. Eher umgedreht. Frauen liefen ihm nach und gaben ihm alles. Das machte ihn wütend, auf sich selbst, dass er überhaupt so dumm war.
Auf seinem Zimmer angekommen traute er seinen Augen nicht, was er da sah. Emmanline saß auf dem Bett, mit dem Rücken zu ihm gekehrt, was eigentlich noch akzeptabel war. Aber...sie saß noch immer mit ihrer alten Kleidung da, das Haar und ihre ganze Haut dreckig und blutverschmiert. Wie zuvor auch, als er aus dem Zimmer gegangen war.
„Hatte ich dir nicht gesagt, dass du dich waschen gehen solltest?“ Knurrte er, denn dieser Anblick stieß ihn ab. Es verdeckte ihren eigenen Geruch und ihr Erscheinen. Er wollte sie sauber sehen und sie so betrachten. Doch in diesem Zustand war es kaum möglich.
Erschreckt fuhr sie hoch und drehte sich blitzartig um, damit sie ihn anschauen konnte. Er konnte ihr Herz rasen hören. Auch ihre Zurückhaltung schien sie nicht zu verbergen. Sie starrte ihn einfach nur an.
Lucien stellte das Tablett auf dem Tisch ab, dass aus Schwarz-Fichte hergestellt wurde, sowie vier Stühle die passend dazu gehörten. Gleich darauf schritt er auf sie zu und baute sich vor ihr auf.
„Antworte mir.“
„Ehm...“ Ihr Blick hatte sich ruckartig zu Boden gesenkt und sie rang mit sich selbst. Sie fummelte am Saum ihres Shirts herum. Unbehagen plagte sie. Sah er so was wie eine leichte Röte auf ihren Wangen? War ihr es etwa peinlich sich irgendwo zu waschen? Glaubte sie etwa, er würde sein Versprechen brechen und sie im Badezimmer aufsuchen, damit er sie nackt in der Dusche oder in der Badewanne erwischte? Wobei, abgeneigt wäre er nicht. Ein Blick würde er allemal riskieren, zumal sie eine wohlgeformte Figur hatte. Kurven wo sie genau hingehörten. Aber er wusste, dass es mit Blicken nicht getan war, denn er würde sie auch berühren wollen. Ihre Haut war makellos und weich. Dem könnte er nicht widerstehen. Mehrmals durfte er es fühlen und sehen.
Gerade wollte er sie weiter dazu drängen, aber dann sprach sie weiter. „Ich wollte ja, aber...“ Senkte sich ihr Kopf immer weiter, bis ihr Kinn fast auf ihrer Brust lag. Leicht seufzte er und er begriff nicht ganz. Seine Finger schoben sich unter ihr Kinn und hob es an, damit sie ihm nicht immer auswich.
„Ja aber was? Wo liegt das Problem?“ Fing er langsam an sich zu amüsieren.
Das rief noch mehr Röte in ihr Gesicht und sie schien sich immer unwohler zu fühlen. Wo lag wirklich das Problem? Wie sollte er es verstehen lernen, wenn sie ihm nichts sagte?
„Ich weiß nicht, wie das alles funktioniert. Alles ist so fremd für mich.“ Wurde ihre Stimme immer leiser und diesmal musste er sich wirklich anstrengen sie zu verstehen und ob er sich da gerade nicht verhört hatte. Was wusste sie nicht, wie was funktionierte? Oder was war so fremd daran? „Mir würde es vollkommen reichen, wenn du mich an einen See, Bach, Fluss bringst, wo ich mich waschen könnte.“ Zitterte ihre Stimme etwas und sie konnte ihm anscheinend wirklich nicht in die Augen schauen.
Mit einem Schlag kam auch die Erkenntnis nach die er gesucht hatte. „Moment mal! Habe ich das jetzt richtig verstanden? Du weißt überhaupt nicht wie das funktioniert?“ Schwang doch Unglaubwürdigkeit in seiner Stimme mit, denn das konnte er nicht nachvollziehen. Wenn es ihn nicht sprachlos gemacht hätte, weil er auf all diese Dinge nicht verzichten könnte und es dem Luxus entsprach, dann hätte er sie bei allem jetzt ausgelacht. Doch wie konnte so was Banales wie ein Badezimmer so einen ahnungslosen Eindruck hinterlassen? Dabei war es überhaupt nicht schwer. „Ok, Moment. Ich glaube ich will es gar nicht wissen weshalb. Das würde mich nur wütend machen.“
„Hör auf dich über mich lustig zu machen.“ Kam Wut in ihr auf und mit einem mal schlug sie seine Hand weg, die sie noch festhielt. Lucien sah Verbitterung in ihrem Gesicht und jetzt begriff er auch, was für eine Schmach das für sie sein musste, solch ein Wissen nicht zu besitzen. Dieses Wissen, was ein wirkliches wahres Leben bedeutete. Genau das hatte sie nicht. Nie gehabt. Der Begriff Wissen wusste er bei ihr nicht zu deuten, wie weit es ging.
Seine ganze Wut, Anspannung und anderen erdrückenden Gefühle waren wie weggeblasen, als er nur auf sie herabblickte. Sie wirkte gerade so verloren und er konnte verstehen wie unangenehm es ihr war. Nicht anders könnend, legte er eine Hand auf ihrem unteren Rücken, seine andere Hand legte sich auf ihre warme rote Wange und er zog sie mit Leichtigkeit an seinen Körper heran. Aber mit Vorsicht bedacht, ihr keine weiteren zusätzlichen Schmerzen wegen ihres Rückens zu bereiten.
„Tut mir leid!“ Entschuldigte er sich wirklich? „Ich war nur ziemlich überrascht und hatte nicht nachgedacht. Alles ist schon so modern in dieser Welt gestaltet, dass ich auch wirklich nicht darüber nachgedacht hatte, das es immer noch welche gibt, die keine Ahnung von all dem haben.“ Sein Ton war mäßig und sehr ruhig.
Sein Daumen streichelte zärtlich über ihre Wange und konnte ihr nur tief in die Augen blicken. Wie sie ihn gerade anschaute, so von unten herauf, wusste er gerade nicht wo er stand. Sie wirkte so verführerisch und unschuldig zugleich. Sie blickte ihn einfach nur an und das reichte ihm schon vollkommen. An ihr war etwas, was er sich nicht erklären konnte. Er wusste nicht, wie er es beschreiben sollte und diese Ungewissheit bereitete ihm Bedenken. Wirkliches Bedenken, denn er verspürte nie solch einer Art Gedankengang, wo er so viel darüber nachdenken musste.
Genau aus diesem Grund musste er sich zusammenreißen. Sie war nur für zwei Dinge gut. Einmal, damit sie ihm seinen Schatz wiedergab und das Zweite, er würde sie in sein Bett holen. Das würde auch seinen Drang und das Interesse stillen, welches ihn so im Griff hatte.
„Komm mit, ich zeige es dir.“ Ließ er von einer Sekunde zur anderen von ihr ab, auch wenn es ihm zum Teil schwer fiel.
Lucien griff nach ihrer Hand und zog sie hinter sich her, führte sie ins Badezimmer und schaltete das Licht ein, welches den Raum in ein warmes Licht tauchte. Es mag sein, es sah eigenartig aus, ein solch altes Volk wie die Drachen, waren modern ausgestattet. Aber auch sie bevorzugten ein angenehmeres Leben.
Vor ihnen erstreckte sich ein halb so großes Zimmer wie das Schlafzimmer von ihm und das war schon groß. Eine Dusche, wo fast vier Personen Platz hatten, war rechts von ihnen, daneben eine dreieckige Badewanne die sich der Ecke anpasste und dort hatten mindestens sechs Platz. Es diente zu mehreren Funktionen. Er hatte sich immer gerne mit einem Sprudelbad entspannt, als er noch hier gewohnt hatte oder wenn er ab und zu hier im Schloss war. Auf der linken Seite befand sich die Toilette, daneben ein Regal mir diversen Handtüchern, Lappen und Bademänteln. Bedienstete wechselten sie regelmäßig aus. Und bevor man eintrat, konnte man sich in einem riesigen Spiegel betrachten, der die halbe Wand ausfüllte. Zwei Marmorbecken aus einer Perlmutfarbe wurde mit edlen Wasserhähnen verziert. Kleine Lichter spendeten mehr Feeling. Der Boden war mit schwarzem gesprenkeltem Granit ausgelegt und die Wände mit weißem Granit. Alles war aufs feinste gestaltet und er mochte es schon, aber er liebte auch seine Höhle und die Natur.
In der Mitte des Bades ließ er ihre Hand los und drehte sich zu ihr um, als er fragen wollte, ob sie lieber Duschen oder Baden wollte. Diese Frage blieb ihm aber im Halse stecken, als er in ihr Gesicht blickte. Ihre Augen leuchteten leicht silbrig und ihr Blick wanderte im ganzen Badezimmer herum. Alles schien sie mit Staunen zu begutachten. Hielt sie dabei die Luft an?
„Sag mir nicht, du hast so was auch noch nie gesehen?“ Runzelte er mit seiner Stirn, denn das konnte er ihr nicht recht glauben.
„Nein, noch nie. Das ist das erste Mal.“ Klang wirkliches Erstaunen in ihrer Stimme mit. „Mein ganzes Leben habe ich stets in Höhlen gelebt. Da gab es so was nicht, außer Gestein. Das ist alles so...“ Schien sie nach einem Wort zu suchen. „...unglaubwürdig.“
Das konnte er einfach nicht glauben. „Irgendwie...“ Verwarf er sofort wieder, was aus seinem Mund kommen wollte. Nur in Höhlen gelebt. Allein der Gedanke dieser zierlichen kleinen Person hatte nie etwas anderes gesehen. Wie sie sich wohl fühlen musste, das die ganze Welt etwas wildfremdes für sie war. Nichts kennend und nichts wissend. „Ich mag vielleicht nicht gerade sanft und fair mit dir umgegangen sein, aber ich hätte dich nie vor anderen Dingen verschlossen. Ich hätte dir viele Sachen und Wunder gezeigt.“ Und das meinte er vollkommen ernst.
Langsam wanderte ihr Blick nach seinen Worten zu ihm um und sie blickte ihn nur an. Nichts weiter. Einfach nur an. „Wieso sagst du mir das?“ Schüttelte sie leicht mit ihrem Kopf. „In diesen paar Monaten, die ich frei sein konnte, waren die ereignisreichen meines Lebens. Ich habe so viele neue Dinge gelernt und gesehen. Wie witzig es auch klingen mag, aber dieses Schloss, diese derartigen Schlafmöglichkeiten oder gar die Waschstätte sind zum Teil alles neu für mich. Ich habe zwar von diesen Begriffen gehört, aber durch Worte kann man keine Bilder sehen. Nur Illusionen hervorrufen. Ich habe nie darum getrauert es sehen zu wollen, weil ich es nie hatte. Auch wenn meine Neugierde groß war, so ist das nun einmal.“ Ließ sie ihren Blick erneut wandern und betrachtete alles aufs Neue. Als würde sie alles in sich aufsaugen wollen, weil sie befürchtete, alles wäre die reinsten Hirngespinste.
„Sag, hast du niemals versucht zu fliehen?“ Fragte er und legte eine Hand auf ihre Schulter, sanft und behutsam.
„Sooft das ich nicht mehr sagen kann, wie viele Fluchtversuche es gewesen waren. Ich bin nie weit gekommen und sie wussten es zu verhindern. Sie haben immer darauf geachtet und gleich Vorkehrungen getroffen.“ Beantwortete sie seine Frage Ehrens gemäß.
Lucien strich ihr zärtlich eine weiße Strähne aus dem Gesicht und schaute sie mit gemischten Gefühlen an, aber sie schaute ihn etwas grimmig an.
„Wage es ja nicht mir jetzt zu sagen, ich solle dir auf eine Weise vertrauen und nicht flüchten.“ Schnaubte sie verächtlich und wandte ihr Gesicht von ihm ab. „Das wird niemals passieren. Du wolltest mir gerade was zeigen.“ Wechselte sie das Thema so schnell, wie sie gekommen. Er konnte gerade noch ein Knurren unterdrücken.
Seine Hand schwebte noch immer in der Luft, als er sie berührte hatte und ballte sie jetzt zu einer schmerzhaften Faust zusammen. Das konnte wohl alles nicht wahr sein. Ihre Abscheu verbarg sie nicht im mindestens und sie wich ihm immer aus. Ok, vorhin als er sie leidenschaftlich küsste, weil er sich danach verzerrte, war sie ihm nicht ausgewichen. Nur das hatte bekanntlich ja nicht viel zu sagen. Doch eines wusste er, sie hatte auf ihn reagiert, wie er es bei ihr tat. Sie war kein offen lesbares Buch wie andere Frauen. Sonst wusste er stets was sie wollten und wie sie reagierten und handelten. Aber diese Frau? Von einer Sekunde zur anderen wechselte sie ihre Reaktionen, wo er einfach nicht deuten konnte, was als nächstes kam. Das fand er überhaupt nicht amüsant und er wollte sie beherrschen..
Wieder bei Sinnen, machte er beim Absatz kehrt und ging Richtung Dusche. Er nahm ihr die Entscheidung ab, drehte den Hahn um, womit er das Wasser anstellte. Sie schien das aufmerksam zu begutachten. So versuchte er die richtige Temperatur zu regeln. „Sollte es dir zu warm oder zu kalt sein, kannst du es hiermit regulieren. Das ist zum ausschalten des Wassers.“ Erklärte er ihr und ließ das Wasser laufen, damit es vorheizen konnte. Er drehte wieder beim Absatz um und ging in die Richtung des Regals wo die Handtücher lagen. „Die kannst du zum abtrocknen benutzen.“ Legte er sie neben der Dusche auf einem kleinen Hocker.
Gerade wollte er sagen, ab jetzt würde sie alleine zu Recht kommen, aber da fiel ihm noch etwas ein und er verließ das Badezimmer, wobei er innerhalb einer halben Minute wiederkam. „Hier die frische Kleidung.“ Packte er das Kleiderbündel auf die Ablage des Waschbeckens. Er musste hier raus, denn sonst würde er noch auf andere Gedanken kommen. Wobei, seit wann interessierte es ihn darauf zu achten, was sich Außenstehenden dachten? Warum er so zuversichtlich war? „So den Rest schaffst du alleine.“ Verschwand er aus dem Bad.
Auf der anderen Seite der Tür lehnte er sich einen Moment an die Tür. Irgendwie fühlte er sich ermüdet und schier angespannt. Seufzend fuhr er sich langsam mit einer Hand über sein Gesicht. Er war wirklich leicht entkräftet. Lag es daran das so viel passiert war in dieser kurzen Zeit, dass es seine Nerven in Anspruch genommen hatte? Normalerweise war er es doch gewohnt aufreibend zu leben.
Also was stimmt nicht mit mir?
Für einen Moment lauschte er und versuchte durch sein gutes Gehör mitzubekommen, was sie im Badezimmer tat. Hören konnte er nichts, also harrte sie auf dem gleichen Fleck noch, wo er sie hatte einfach stehen lassen. Nur das Wasser konnte er rauschen hören.
Was dachte sie jetzt? Was fühlte sie nun? Viele Fragen hätte er gern beantwortet bekommen. Erst nach ein paar Minuten konnte er raschelnde Bewegungen vernehmen, was mit hundertprozentiger Sicherheit durch ihre Kleidung kam. Sie zog sich also aus und er wollte sich ihren Körper nicht nackt vorstellen.
Nein stelle sie dir jetzt nicht nackt vor, Lucien. Nur nicht nackt. Sprach er zu sich selbst im Stillen und je mehr er sich das vorstellte, wie ihre Kleidung sich von ihrem wohlgeformten Körper schälte, wurde er prompt hart. Ein Stöhnen konnte er nicht mehr unterdrücken und die Vorstellung, dass sie nur eine Tür voneinander trennte, machte es nicht angenehmer.
Welche Farbe würden ihre Brustwarzen haben? Würden sie leicht rosa sein? Ihre Brüste so rund, wie sie sich unter ihrem Shirt abzeichneten? Sich ihm so keck entgegen reckten? Sie in die Hand zu nehmen war fordernd und er wollte einfach ihren ganzen Körper erkunden. Jeden Zentimeter ihrer Haut. Vom Kopf bis zu ihren kleinen Zehen. Der Gedanke wie weich ihre Haut dabei sein würde, wenn er mit Küssen jeden Zentimeter brandmarkte, entlockte ihm ein Stöhnen von höchster Lust.
Bilder von ihr unter der Dusche brannten sich in sein Gedächtnis und er würde sie nie wieder aus seinem Verstand bekommen. Wie sich das Wasser über ihrem ganzen Körper ergoss und ihr Haar klebte überall an ihrem sinnlichen Körper. Vielleicht sogar auf ihren Brüsten. Welche Farbe würde ihr Haar annehmen? Leicht Silber?
Allein die Vorstellung wie ihre Hände ihren ganzen Körper bewanderten und all das berührten, was er berühren wollte. Vor allem, wenn sie sich einschäumte. Wohlige Schauer überkamen ihn und er packte seine Hand auf seinen harten Schritt, als das Verlangen nach ihr immer größer wurde, um nicht einfach das Bad stürmte, sie packte und all seine Lust an ihr stillte. Vermutlich würde sie es auch wollen, wie sie ja schließlich auf ihn reagiert hatte. Wie feucht sie in diesem Moment sein würde. Für ihn ganz allein. Testen würde er es, wenn seine Hand zwischen ihren Schenkeln verschwand und er vor lauter purer Erregung erzittern, wenn sie für ihn noch feuchter werden würde. Danach würde er mit seinen Fingern in sie eindringen, während sie in seinen Armen vor Begierde und Verlangen erzitterte. Vor allem, wenn sie nach seinen Berührungen bettelte und befahl nicht damit aufzuhören. Wie er sie anfasste und alles nur weiter schürte. Ihr Blick glasig vor Lust und Leidenschaft. In diesem Moment hätte er wahrscheinlich all ihre Wünsche erfüllt, wenn sie ihn darum bittet höchste Lust zu verspüren. Ihr so viele Höhepunkte zu schenken, dass sie machtlos war sich auch nur einen Zentimeter rühren zu können. Danach würde er sie verschlingen und in sie eintauchen. Sich tief in sie versenken und in höchster Ekstase versinken. Mit jedem erneuten Stoß dem Höhepunkt nahe sich in ihr zu ergießen. Er lechzte danach tief in ihr vorzudringen, erst mit langsamen Stößen und dann mit schnelleren harten Stößen. Das abwechselnd, bis sein Hunger gestillt war und ihres gleich mit.
Während des leidenschaftlichen Aktes würde er ihr so viele sinnliche und verführerische Sachen ins Ohr flüstern, bis sie in seinen Armen dahinschmelzen würde und ergeben wimmerte. Was er mit ihr alles anstellen würde. Sie beim nächsten Mal an tiefliegenden Zonen kosten. Lecken, saugen, beißen und an ihren Brüsten genau den gleichen Vorgang vollziehen, bis sich ihre Brustwarzen sich ihm rötlich entgegen reckten und ihn anflehten nicht aufzuhören.
Dann erst ihre Lippen die ihn so magisch anzogen, dass er sie immer zu küssen wollte.
Diese Fantasien schnürten ihm die Kehle zu und er krächzte nur umso mehr. Seine Augen hatten sich geschlossen gehabt und stellten es sich noch lebhafter vor. Bis die Erkenntnis kam.
Fluchend riss er seine Augen auf und merkte wie er seinen erregten Schwanz durch seine Hose immer wieder rieb. Beinahe wäre er gekommen und sofort riss er seine Hand davon weg. Fragte sich fluchend, ob er es so nötig hätte? Ja, verdammt. Das hatte er. Er wollte sie.
Genau deswegen war er verdammt niedergeschlagen und ermüdet. Vorher war es viel einfacher über sie herzufallen, aber jetzt? Lucien kannte einen Teil aus ihrer Vergangenheit und je mehr er sich ihr aufdrängte, umso mehr würde er sie vertreiben und einschüchtern. Dabei machte er sich doch sonst wenig daraus. Er konnte jede Frau herum bekommen. Nie würde er eine Frau dazu zwingen mit ihm Sex zuhaben. Alle gaben sich ihm freiwillig hin. Immer.
Alles war nun noch schwieriger geworden. Sie verabscheute sein Volk und das zu Recht, auch wenn er nicht genau wusste was ihr zugestoßen war. Er zwang sie bei ihm zu bleiben und das machte es nicht gerade leichter. Eigentlich war er nicht viel besser, als Culebra. Ein Unterschied war zwischen ihnen, niemals würde sie peinigen und foltern. Niemals. Das würde seine Ehre nicht zulassen.
Zumal hatte er ihr jetzt versprochen sie zu beschützen und das vor jedem und allem. Sogar auch vor sich selbst. Wenn Culebra noch immer ihr auf den Fersen war, dann war sie doch hier am sichersten, oder etwa nicht? Er würde sich nicht wagen hier aufzukreuzen, wo ihm das Unheil bevor stand. Culebra hatte mehr als Verrat begangen und er würde hier niemals lebend herauskommen, sollte er es doch irgendwie schaffen hierher zukommen.
Trotz allem war es ihre Sicherheit, die ihn dazu zwang sie hier festzuhalten. Dabei musste er für eine ungewisse Zeit verschwinden und er hoffte dass es so schnell wie möglich passierte. Solange wollte er sie auch nicht mit Aiden alleine lassen. Wenn er es richtig gedeutet hatte, dann empfand er wahrhaftig was für sie. Etwas widerstrebte ihn das sich das weiterhin entwickelte und das wollte er zu verhindern wissen.
Endlich stieß er sich von der Tür ab und ging mit lautlosen Schritten immer weiter von dem Badezimmer weg.
Emmanline wusste das er noch unvermittelt hinter der Tür stand, als er sie alleine gelassen hatte. Sie verstand ihn einfach nicht. Im ersten Moment drängte er sich ihr auf und dann wies er sie eiskalt ab. Was sollte das bezwecken? Das sie noch mehr die Drachen verabscheute? Oder steckte da etwas vollkommen anderes dahinter?
Leicht schüttelte sie mit ihrem Kopf und verscheuchte diese vielen Gedanken über ihn. Das hatte sie nicht zu interessieren.
Aber…dieser Kuss den er, bevor er aus dem Zimmer verschwand, ihr gab. Es hatte sich in sie gebrannt und sie dachte noch immer darüber nach. Deswegen war sie froh gewesen, dass er das Zimmer kurz darauf verlassen hatte. So konnte sie darüber nachdenken, um um damit klar zukommen.
Leicht berührte sie mit ihren Fingern ihre Lippen und spürte wie leicht angeschwollen sie waren, als er sie so dringend und fordernd geküsst hatte. Als würde ihn etwas dazu drängen und sie? Sie hatte sich überhaupt nicht gewehrt. Einen Moment lang war der Gedanke zu Anfang dagewesen sich sofort gegen ihn zu wehren, aber mit einem Mal verschwand es spurlos. Das Einzige was sie nur noch tun konnte, war, sich ihm hinzugeben und das zu wollen was er wollte. Sie hatte sich sogar fest an ihn geklammert gehabt. Nein sogar schamlos an ihn gepresst.
Röte stieg ihr prompt ins Gesicht und es war ihr peinlich, als wünsche sie sich, dass einfach der Erdboden sich auftun würde, um sie einfach nur zu verschlingen. Das war nicht der alleinige Grund für ihre Scham. Viel mehr beschämte es sie, welche Gedanken sie dabei gehabt hatte.
Ihre Gedanken waren wirklich so weit gegangen, wie es wäre noch mehr zu fordern. Ihr war heiß und kalt zugleich geworden. Seine Küsse waren berauschend und sie konnte sich einfach nicht dagegen wehren. Sie stellte sich vor, wie ihre Hände seinen nackten Rücken hinauf wanderten und sich in seinem seidigen dunklen braunen Haar, das so glänzte, vergrub. Um ihn dazu zu drängen ihr noch näher zu kommen. Das er einfach nicht mit dem Kuss aufhörte.
Im ersten Moment, als er mit seiner Zunge in ihren Mund eindrang, wo er leicht in ihre Unterlippe biss, hatte es sie zu Anfang schockiert und zugleich entsetzt. Doch dieses Gefühl verschwand sofort wieder, als er einfach weiter gemacht hatte. Sie zu einem kleinen Tanz und Spiel mit ihrer Zunge herausforderte. Zuvor hatte sie solche Art von Küssen nicht gekannt, aber wenn es sich so anfühlte, wie konnte sie da widerstehen? Sie war erschreckend machtlos gewesen.
Ihre Knie waren weich geworden und sie wäre sofort zu Boden gegangen, wenn er sie nicht so eng umschlugen gehalten hätte. Seine Hände wanderten besitzergreifend über ihrem Rücken, als wollte er die Angst vernichten, das sie vor ihm flüchtete. Dabei hätte sie es gar nicht gekonnt.
Erst der Schmerz ihrer Verletzung auf ihrem Rücken hatte sie wachgerufen.
Wieso bekam sie diesen Kuss nicht aus ihrem Kopf? Dabei war es doch unbedeutend und er spielte nur mit ihr. Wie er es immer beteuerte hatte. Das durfte alles nicht wahr sein.
Um sich abzulenken, gab sie doch dem Verlangen nach sich zu säubern und blickte zu diesem kleinen Raum, wo dampfendes Wasser rauschte. Es musste angenehm warm sein und es erstaunte sie was es alles so gab. Alles was hier war, war neu für sie. Nun das zeigte ihr, welche Ahnung sie von dieser Welt hatte. Es war ihr unangenehm gewesen zu behaupten, dass sie nicht wusste, wie sie mit all dem umgehen musste. Umso mehr aber weckte es ihr Interesse und sie hatte solche großen Augen gemacht. Sie war noch immer ein wenig sprachlos und sie wollte unbedingt wissen wie sich das alles anfühlte.
Etwas unsicher ob er nicht herein kam, entledigte sie sich ihrer Kleidung und trat ein in diese sogenannte Dusche. Sie hielt eine Hand unter den Strahl und sie machte einen überraschten Laut. „So warm.“, Ohne zu zögern trat sie ein und mit einem Mal war sie von Wasser überströmt. Wohlige Seufzer entfuhren ihr und sie schloss ihre Augen, ihr Gesicht in den warmen Wasserstrahl haltend.
Dies fühlte sich so gut an, ihre Muskeln und Gliedern entspannten sich zum ersten Mal in der Zeit vollkommen.
Ihr ganzes Haar klebte an ihrer Haut und endlich wurden der Dreck und das Blut von ihr gewaschen. Der Drache hatte Recht behalten, dass war was sie am dringendsten gebraucht hatte und ein Teil von ihr, war ihm dankbar dafür.
In ihrem Blickwinkel konnte sie kleine Flaschen sehen, nahm sich eine und öffnete sie. Ein leichter angenehmer Geruch, nicht zu stark, stieg ihr in die Nase. Etwas Fruchtiges. Das gefiel ihr. Etwas davon tat sie sich auf die Hände und zerrieb sich das in ihren Händen. Es war wie Seife, nur das es flüssiger war. Das kannte sie und schäumte Haar und Körper damit ein.
„Mmh...“ Stöhnte sie zufrieden und erleichtert auf. So sauber hatte sie sich noch nie gefühlt und dann diese Wärme dazu. Es war wie eine leichte Massage auf ihrer Haut.
Noch eine ganze Weile blieb sie unter dem Wasserstrahl, bis ihre Haut rot und leicht schrumplig wurde. Erst da trat sie aus der Kabine und drehte aber vorher den Wasserhahn zu, wie er meinte. Sie nahm sich das Handtuch, was er ihr hingelegt hatte. „So weich.“ Befühlte sie es ausgiebig. Es fühlte sich nicht rau an und kratzte nicht auf ihrer Haut, was sie sonst kannte. Damit trocknete sie sich ab und kostete alles ausgiebig aus.
Noch etwas die Haare trocken reibend stellte sie sich vor den klaren Spiegel. Irgendwie fand sie, das sie anders aussah. Sie dachte, wie dünn sie doch aussah und sie passte nicht wirklich in das Bild einer Frau. Auch wenn sie alles besaß. Sie sah ihrer Mutter fast zu verwechseln ähnlich. Das weiße Haar, was im Moment leicht gräulich aussah, durch die Nässe. Ihre Augen waren ein mittleres Silber. Auch ihre Größe war fast exakt wie die ihrer Mutter, nur um ein paar Zentimeter kleiner. Eigentlich hatte sie fast alles. Außer etwas andere Gesichtszüge, die wahrscheinlich durch ihrem Vater kamen. Sie kannte ihn nicht, aber ihr war es nie wichtig gewesen. Sie hatte auch kein Verlangen danach oder einen Gedanken daran verschwendet ihn zu finden oder zu wissen, wer er wirklich war. Sie wusste nur, dass er ein Mann aus dem Volke der Elfen war. Schließlich war sie auch ein halber.
Ihre Mutter hatte ihr immer gesagt, sie solle ihren Vater nicht hassen, weil er nicht bei ihnen sein konnte. Auch wenn er nie da war und ihnen nicht geholfen hatte, hasste sie ihn nicht. Sie kannte ihn nicht und solange sie kein Bild von ihm vor Augen hatte, breitete sich das Gefühl in ihr nicht aus, konnte es nicht. Genau deshalb war es ihr vollkommen egal und es bestand keinerlei Interesse an ihren Vater. Sie würde ihm nie begegnen, denn er wusste ja noch nicht einmal von ihr. Ihre Mutter meinte, sie wurde an dem Tag, als sie erkannte das sie mit ihr schwanger war, von Culebras Anhänger entführt wurde. Da konnte er nichts von seiner unbekannten und eigentlich existierenden Tochter wissen.
Leicht beugte sie sich nach vorne und betastete leicht ihr Gesicht vor dem Spiegel ab, zog ihre Augenbrauen zusammen und wieder auseinander. Das war seltsam und faszinierte sie zugleich. So genau hatte sie sich noch nie betrachtet. Danach betrachtete sie ihren ganzen Körper und gestand sich ein, dass sie wirklich sehr dünn war.
Als sie sich leicht umdrehte und ihren Rücken betrachtete, fiel ihr das auf, was der Drache zuvor sich angeschaut hatte. Er hatte Recht gehabt. Ihr Rücken war mit blauen und schwarzen Flecken übersät. Aber sie fingen schon an zu verheilen und es tat überhaupt nicht mehr weh, selbst als das heiße Wasser über ihrem Rücken floss. Es war so gut wie weg.
Ihr Kopf drehte sich seitwärts zu dem Bündel aus Stoff, den er hier liegen gelassen hatte. Es war Kleidung, wie er meinte und sie griff danach. Es entfaltete sich, als sie es hochhob und sich zu einem Kleid entpuppte. Ein rötliches noch dazu. Da bemerkte sie wie etwas auf dem Boden fiel und als sie es betrachtete, wusste sie sofort was es war. Unterwäsche. Prompt wurde sie rot. Selbst sie wusste was das war und bedeutete.
Ihr Kopf schnellte zu der verschlossenen Tür. Hatte er etwa die Kleidung für sie zusammengestellt? Wenn ja, wäre das mehr als peinlich für sie. Denn wenn sie daraus gehen würde, wüsste er sofort was sie unter diesem Kleid tragen würde. Das konnte sie doch nicht, oder? Aber ohne konnte sie auch nicht gehen und sie musste zugeben, dass ihre jetzigen Klamotten ganz schön in Mitleidenschaft gezogen worden waren.
Also hob sie die Unterwäsche auf, zögerte einen Moment, aber zog es an. Darauf schlüpfte sie ins dunkle rote Kleid. Es passte sich an ihrem schmalen Körper perfekt an, als wäre es für sie extra geschneidert worden. Es sah wirklich hübsch aus und noch nie hatte sie so feinen Stoff gesehen, geschweige berührt. Es fühlte sich seidig an und dieser Stoff war auf jeden Fall teuer gewesen. Und sie durfte so ein schönes Kleid tragen?
Nun betrachtete sie sich mit dem Kleid im Spiegel und starrte sich einfach nur an. Passte so was überhaupt zu ihr? Es kam ihr so unwirklich vor und vermutlich wäre alles nur ein Traum gewesen, wenn sie die letzten vierundzwanzig Stunden nicht erneut damit verbracht hätte sich den Launen der Drachen ausgesetzt zu fühlen, dann hätte sie es geglaubt. Sie sah in sich selbst eine fremde Frau.
Selbst versuchte sie mit ihren Fingern etwas ihr Haar zu glätten, gab es nach ein paar Minuten frustriert auf. Sie hatte eben eine lockige Mähne. Egal ob nass oder trocken.
Eigentlich, was sie hier solange tat, war, sie wollte doch ein wenig Zeit schinden. Sie wollte solange getrennt von dem Mann sein, der mit höchster Garantie da draußen auf sie wartete. Eine andere Einsicht war aber auch, sollte sie zulange hier in diesem Bad verbringen, dass er sie mit hoher Wahrscheinlichkeit herausholen würde. Also riss sie sich jetzt zusammen und verließ den Raum.
Einen kurzen Moment musste sie sich umschauen und versuchte alles besser zu realisieren. Auch eins musste sie sich eingestehen, obwohl sie erneut in der Gefangenschaft eines Drachen war, so war doch alles anders. Allein die Umgebung veränderte schon alles. Sie war nicht in einer Höhle eingesperrt, keine Kälte und Eis umgaben sie und es war keine Feuchte in der Luft, in Form eisiger kleinen Kristalle, die sich in ihren Atemwegen festsetzten. Oder der kalte steinige harte Boden der ihren Körper in eine Starre versetzte. Noch schlimmer, wenn sie kaum Kleidung an sich trug. Keine klagenden, leidvollen und qualvollen Schreie die in den Höhlen widerhallten. Oder lautes Gebrüll der Drachen und deren herablassendes höhnisches Gelächter. Das alles gab es hier nicht. Es war genau das Gegenteil.
Eine wohlige Wärme umgab sie hier und alles war tröstlich eingerichtet. Nicht wie in ihrem Gefängnis das nichts als Wände mit eisigen Schichten beinhaltete. Hier war alles freundlich und harmlos. Selbst das weiche Bett, worauf sie gesessen und darin gelegen hatte. Warm und gemütlich, welches sich leicht wie eine Feder ihrem Körper anpasste. Kein bisschen hart und schmerzhaft. Oder der weiche Teppich unter ihren nackten Füßen. Samtig und flauschig, wobei sie nicht widerstehen konnte ihre kleinen Zehen darin zu vergraben. Es fühlte sich so wunderbar an und sie richtete ihren Blick auf das was sie tat. Es fühlte sich gut an. Nur einmal konnte sie einen Teppich fühlen, als Culebra sie zu sich geholt hatte. Ok, zum größten Teil war ihr Eindruck anders in diesem Schloss.
„So siehst du schon viel besser aus und riechst auch angenehmer.“ Riss eine tiefe klangvolle Stimme sie aus ihrer Bewunderung all dieser schönen Dinge.
Ihr Kopf schnellte nach oben und der Mann, der ihr all das möglich gemacht hatte zu fühlen, saß mit verschränkten Armen und überkreuzten Beinen an einem Tisch. Lässig und voller Würde, während er sie mit seinen gierigen Blicken verschlang.
Er war der geborene König.
Wieso hatte sie ihn zuvor nicht bemerkt? War sie so gebannt von all den neuen Dingen gewesen, das sie seine Anwesenheit nicht gespürt hatte?
„Komm her. Setze dich zu mir.“ Bat er sie etwa?
Seine ausgestreckte Hand deutete förmlich auf dem gegenüberliegenden Stuhl Platz zu nehmen. Sollte sie das tun, oder lieber stehen bleiben? Im ersten Moment haderte sie mit sich selbst, aber von ganz alleine bewegten sich ihre Füße in seine Richtung, bis sie sich ihm gegenüber setzte, ihre Hände auf ihrem Schoss liegend und ihre Finger sich ineinander verschränkten. Was sollte sie jetzt tun oder sagen? Diese Anspannung in der Luft war ihr unangenehm und erdrückend. Seine ganze Präsenz lag in der Luft und nahm sie vollkommen ein. Auch allein schon sein erdiger Geruch, der ihr so gefiel und anzog. Warum war das so?
„Hast du vielleicht Hunger?“ Unterbrach er die unangenehme Stille und schob ihr einen Teller mit einer silbernen Haube über den Tisch zu ihr rüber. Ihr gesenkter Kopf erhob sich und wundernd blinzelte sie mit ihren Augenlidern. Er bot ihr etwas zu Essen an?
Misstrauisch runzelte sie ihre Stirn, als sie zu ihm aufblickte.
„Keine Sorge, das Essen ist nicht vergiftet oder gar mit anderen Mitteln versehen.“ Hob er die Haube und stellte sie daneben ab.
Ein sofortiger Geruch stieg ihr in die Nase und sie verzog leicht das Gesicht. Fleisch lag auf dem Teller und es war noch…leicht blutig? Da drehte sich ihr der Magen um und sie hatte Mühe sich nicht gleich übergeben zu müssen. Das andere Essen was auf dem Teller lag, konnte sie nicht erkennen und den Geruch erkannte sie auch nicht.
Ihre Finger verkrampften sich auf ihrem Schoss und sie presste ihre Lippen zusammen. Sie brauchte einen kleinen Moment und kam zur Vernunft. „Das…“ Fing sie an und starrte nur auf den Teller. „Das ist ja ganz nett, aber nein Danke. Ich habe keinen Hunger.“ Schob sie die Platte mit dem Essen zu ihm zurück.
Der Blick in seinem Gesicht sagte schon alles, dass es ihm nicht passte. „Ich sagte doch eben, dass es nicht vergiftet ist.“ Verfinsterte sich sein Blick.
„Das ist es nicht.“
„Ach, und was ist es dann? Isst du von Fremden nichts? Oder liegt es daranm dass dir dieses Essen nicht ansteht?“ Grinste er amüsiert auf.
Jetzt lag es wieder an ihr, dass sie ihn grimmig anschaute. „Ja vielleicht liegt es an beidem. Oder es liegt daran, dass mein Vertrauen, was das Essen angeht, nicht gerade hoch ist, wenn mir die sogenannten Fremden es anbieten.“ Gab sie ihm eine bissige Antwort. „Ich lege nicht viel Wert auf deine Worte und falls du es wissen willst, ich esse kein Fleisch. In keiner Form.“ Blickte sie auf das blutige Fleisch, dass ihr erneut die Übelkeit hervorrief und wandte sich dann sofort wieder davon ab.
Kurze Stille, bis ein Seufzen zuhören war und ein kleines Klacken. Er hatte die Haube wieder über das Essen getan und schob es zur Seite.
„Dabei dachte ich immer, dass selbst Elfen jagen gehen und Fleisch essen.“ Lehnte er sich zurück.
„Es gibt auch Ausnahmen.“ Gab sie ihm eine sofortige Antwort zurück. „Wenn du Jahre lang miterleben musst, wie sich Raubtiere über rohes Fleisch hermachen, vergeht dir irgendwann der Appetit darauf.“ Aber das war nicht der Grund wieso sie kein Fleisch aß. Ihre eigene Natur weigerte sich strikt dagegen und es würde nur Übelkeit in ihr hervorrufen. Es war ihr Wesen in sich, dass sie daran hinderte Fleisch zu essen.
„Das ist ein Argument.“ Auch wenn es für ihn das normalste der Welt war, denn er gehörte auch zu diesen sogenannten Raubtieren. Er schien vielleicht ein paar mehr Manieren zu haben. „Gut. Erzähl mir was von deiner Gefangenschaft bei Culebra.“
Emmanline war geschockt. „Wie bitte?“ Sollte das ein Scherz sein?
„Ich habe gesagt, du sollst mir was über deine Gefangenschaft bei Culebra erzählen.“ Wiederholte er es noch einmal erneut.
„So was fragst du allen ernstes?“ Verbannte sie die Abscheu in ihrer Stimme für seine Frage erst gar nicht. „Da gibt es nicht viel zu erzählen. Jahrelang in Höhlen lebend unter Drachen sollte dir doch alles sagen. Was willst du von mir hören? Was ich erlebt habe oder was sie mir angetan haben? Oder vielleicht was sie nicht getan haben?“ Klang sie wirklich empört und so fühlte sie sich auch. Wer gab denn eigenhändig zu wie schlimm man gefoltert wurde? Oder gar wie sie ihr Leben gelebt hatte, welches nicht das Beste war? Oder gar freiwillig.
„Beruhige dich!“ Meinte er schließlich. Gerade wollte er was sagen, als er selbst sich unterbrach. „Moment.“ Stoppte er und stand auf, wo er zu Tür ging und sie öffnete. Dort sprach er mit jemand, aber sie hatte nichts gehört. Bedankend kam er wieder zurück. Mit einem weiteren Teller? „Hier.“ Stellte er ihn vor ihr auf den Tisch und setzte sich wieder.
Sie war sprachlos. „Ich meinte, ich habe keinen Hunger.“ Schob sie es wieder von sich.
„Schaue doch erst einmal nach, bevor du ablehnst.“ Präsentierte er was sich darauf befand. Sie konnte einige Dinge erkennen, wie verschiedene Sorten von Beeren, Äpfel oder gar Birnen. Das war das was sie noch kannte, aber dann hörte es aber auch schon auf. Aber es waren so viele verschiedene Sachen auf dem Teller. Alles, außer Fleisch. „Wie?“ Blickte sie ihn noch immer sprachlos an.
„Per Gedankenübertragung.“ Tippte er sich an seine Stirn. „Da du meintest, du isst nichts, was von lebendigen Tieren stammt, so habe ich dir was Neues zukommen lassen.“ Machte er es sich wieder auf seinem Stuhl bequem. „Du hast mit Sicherheit seit Tagen nichts mehr gegessen oder?“
„Ich kann Monate lang ohne Nahrung auskommen.“ Blieb sie weiterhin stur und ihn schien es wütend zu machen. Konnte sie verstehen, denn schließlich stieß sie mit der Ablehnung gegen seinen Kopf. Aber konnte er es ihr verübeln? Er hielt sie hier gefangen.
„Dann mach was du willst.“ Sagte er mit scharfer kalter Stimme und leicht richteten sich ihre Nackenhaare dabei auf. „Nun zu unserem Gespräch zurück. Formulieren wir die Frage mal anders. Du meintest, du lebst seit deiner Geburt bei Culebra und er hatte deine Mutter gefangen genommen. Warum?“
„Warum er das getan hatte, solltest du ihn besser selbst fragen. Ich weiß es nicht, denn Culebra ist nicht gerade gesprächig denen gegenüber, denen er nicht vertraut.“ Blickte sie zu ihm auf, aber sie erwischte sich dabei, wie immer wieder ihr Blick auf die wirklich leckeren Kostbarkeiten wanderten, aber versuchte zu widerstehen. Warum kam es ihr auf einmal so verlockend vor?
„Es war also reiner Zufall, dass sie schwanger mit dir war, als er sie geholt hatte? Es ist schon komisch, aber deine Mutter muss etwas gehabt haben, was Culebra haben wollte und du wüsstest nicht was das Interesse von diesem Bastard geweckt hatte? Kann ich mir nicht vorstellen.“ Schüttelte er mit seinem Kopf.
Je mehr er sie über seine Mutter ausfragte, umso unbehaglicher fühlte sie sich. Nicht weil sie etwas anderes gewesen war. Nein, vielmehr nahm er den Kosename ‘Mutter‘ in den Mund, als wäre ihre Mutter nur ein Objekt seiner Neugierde und das traf sie zutiefst. Machte er das mit Absicht, dass er sie verbal angriff? Oder das er sie noch weiter demütigen und verletzen wollte? Trotz allem versuchte sie sich nichts anmerken zulassen. Auch wenn ihr Herz schmerzte und noch immer nach all den Jahren, seit dem Tag des Todes ihrer Mutter, blutete.
Ihr Kopf war gesenkt und sie musste schwer schlucken. Es war doch nicht fair oder? Er kannte sie nicht und hatte somit nicht das Recht sie so zu behandeln. Sie tat es doch auch nicht. Ihre Mutter war das Einzige was in ihr gut war. Welches sie im Herzen verschlossen hielt. Niemand durfte ihr das wegnehmen und sie deswegen verspotten.
„Du bist ganz schön selbstgerecht.“ Ihre Stimme eiskalt und jetzt erst hob sie ihren Kopf. „Richte nur über andere und achte nicht darauf was du mit denjenigen anstellst. Eines Tages wirst du dafür bestraft werden und ich hoffe der Tag wird sehr bald kommen.“
Der Mann ihr gegenüber lachte freudlos auf. „Ganz schön große Worte, aber vielleicht hast du Recht.“ Rückte er seinen Stuhl nach hinten und stand auf, ging einmal um den Tisch herum, um neben ihr stehen zubleiben. „Doch ich glaube du nimmst den Mund ganz schön voll.“ Beugte er sich zu ihr herunter und richtete seinen Blick genau vor ihr Gesicht, als sie die ganze Zeit nur gerade aus geblickt hatte. „Aber weißt du, ich mag das an dir. Nicht jede würde mir so beharrlich gegenüber treten, der ihr Leben lieb ist. Trotz das du unter Drachen aufgewachsen bist, zeigst du ganz schön Biss. Dabei müsstest du doch wissen wie launisch wir Drachen doch sind, aber du nimmst kein Blatt vor dem Mund und riskierst die Wut und den Zorn auf dich zu richten. Warum tust du das? Das geht mir einfach nicht in meinem Schädel rein.“ Sprach er überlegend lächelnd weiter.
„Du verstehst das nicht.“ Flackerte Wut in ihren Augen auf, die ihr Silber in ihren Augen nur noch dunkler wirken ließen. „Was habe ich zu verlieren?“ Fragte sie ihn und er antwortete nicht darauf. „Siehst du, nichts.“
„Doch, dein Leben.“ Gab er schließlich jetzt erst ihr eine Antwort und hielt ihrem Blick weiterhin stand. Für ihn kein Problem.
„Wenn du eine Ahnung hättest.“ Flüsterte sie mit einem verächtlichen Schnauben.
„Dann kläre mich auf.“ Kam er ihr bedrohlich nahe und seine Augen leuchteten golden auf.
„Das würdest du nicht verstehen und es wäre reine Zeitverschwendung. Zumal ich dir nie etwas über mich verraten würde.“ Wurde sie immer leicht nervöser, denn er hörte nicht auf, ihr noch näher zukommen.
Sie spürte, wie sich ein Arm auf ihre Stuhllehne legte und eine Hand stützte sich auf dem Tisch ab.
Reglos blieb sie sitzen und mit einem Hauch strichen seine Lippen über die ihren. „Wirklich anziehend.“ Flüsterte er an ihren weichen Lippen.
Emmanline fiel jetzt erst auf, als er immer näher gekommen war, dass sie aufgehört hatte zu atmen. Es fiel ihr sehr schwer sich gegen ihn zu wehren. Zu jedem Mal. Solange er ihr nahe kam, war sie machtlos. Ihre Lider wurden leicht schwerer und ihr Herz schlug in diesem Augenblick immer schneller.
Ein weiterer Kuss, nachdrücklicher. „Na, du wehrst dich ja gar nicht mehr. Anscheinend gefällt es dir ja doch. Ich kann es hören, Emmanline. Wie dein Herz schneller schlägt. Gib es zu, das es dir gefällt.“
Nein, sie würde es sich nicht eingestehen und erst recht nicht, sich vor ihm so zu entblößen. „Nein, lass das…“ Wurde sie in mitten dieser kleinen leisen Wörter unterbrochen, indem er ihr etwas in den Mund schob. Etwas Kleines und Weiches. Es war unvermeidbar es sofort wieder auszuspucken, weil er zwei Finger auf ihre Lippen legte. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als es im Mund zu behalten. Ein Geschmack von süßen, saftigem und fruchtigem machte sich auf ihrer Zunge breit, als sie anfing zu kauen. Es zerging auf ihrer Zunge und es schmeckte ihr. Sie kannte diesen Geschmack, Himbeere. Das war eine Frucht die ihr schmeckte und die sie öfters probiert hatte, wenn sie einige gefunden hatte.
„Wenn du so auf den Teller stierst, wieso isst du dann nicht etwas?“ Verlangte er zu wissen.
Weil sie sich nicht sicher war?
Erst jetzt beugte er sich wieder weg von ihr und trat einen Schritt von ihr entfernt, wo er ihr den Teller wieder vor die Nase schob. „Hier probiere die einmal.“ Nahm er eine Frucht vom Teller und hielt sie ihr vor die Lippen.
Sie zögerte. „Was ist das?“ War es ihr unbekannt. Es war eine kleine Runde Frucht, die eine glänzende Oberfläche hatte und eine dunkle rötliche Farbe. Sie sah wirklich lecker aus. „Außerdem kann ich alleine essen.“ Beharrte sie darauf und wollte sie ihm wegnehmen, aber er zog seine Hand weg.
„Das ist eine Kirsche. Um genau zu sein, eine Herzkirsche.“ Beantwortete er ihr einfach die Frage, ohne ein jegliches Vorurteil ihr gegenüber zu machen.
Eine Herzkirsche, dachte sie darüber nach. Von so einer Fruchte hatte sie noch nie gehört, aber sie öffnete ihren Mund und ergab sich ihm. Sie wollte die runde Kirsche probieren. Wie sie wohl schmeckte?
Langsam schob er sie in ihren Mund und sie schloss ihre Lippen wieder, als die Kirsche auf ihrer Zunge lag. Für einen Moment war sein Finger zart über ihre Lippen gestrichen und ein Schauer des Wohlfühlend durchfuhr ihren ganzen Körper. Alles kribbelte in ihr.
Als sie zu ihm rauf schaute, glühten seine Augen umso stärker und sein Blick war auf ihre Lippen gerichtet.
„Vorsicht, sie hat einen Kern.“ Raunte er und ein Knurren verließ seine Kehle. Erneut blitzte es durch ihren Körper und ihre ganze Haut wurde mit einer Gänsehaut überzogen.
Deswegen biss sie vorsichtig hinein und er hatte Recht. Sie biss auf etwas kerniges, aber der Geschmack, den sie nun schmeckte war überwältigend. Sie war fruchtig, fest und dann erst das süße aromatische. Sie war hin und weg von dieser Frucht. Genießend ließ sie es sich schmecken und sie wollte mehr davon haben.
Ein kleines tiefes Schmunzeln ließ sie aus der Trance des Genusses reißen. „Das scheint dir zu schmecken. Du kannst so viele davon essen wie du willst.“
Sie nahm den Kern aus ihrem Mund und blickte zu ihm rauf. „Ja, sie schmeckt wirklich gut.“ Leuchteten leicht ihre Augen dabei, aber nahm sich dann noch eine, um sie genießend in den Mund zu stecken.
In diesem feuerrotem Kleid und dem schneeweißem Haar, sah sie unglaublich verführerisch und sexy aus. Dieser Kontrast mit ihrer hellen Haut dazu, haute ihn beinahe um. Wie konnte so was banales nur so unglaublich und unwiderstehlich aussehen?
So was erotisches und verführerisches hatte Lucien noch nie gesehen. Dieser Genuss, welchen sie zeigte für eine kleine dümmliche Kirsche, brachte ihn wahrlich um den Verstand. Wie konnte so was nur verdammt sexy aussehen?
Wie sich ihre Lippen um die runde kleine Frucht schlossen, brachte ihn innerlich zum erbeben. Er reagierte sofort darauf und er konnte nichts dagegen unternehmen, das er schon wieder hart wurde. Ein Prickeln durchzog seine Lenden und sein Blut schoss regelrecht in seinen Schwanz. Ein pulsierender Schmerz machte sich dort voller Erwartung breit und er konnte an nichts anderes mehr denken, als sie an sich zu reißen, sie auf seine Arme zu heben und sie sofort auf sein Bett hinter ihnen zu schmeißen.
Seine Begierde stieg stets weiter an und er wurde fordernder sie für eine Nacht zu besitzen. Vielleicht sogar auch für zwei. Doch er spürte dieses Unbehagen an ihr und diese Zurückhaltung. Da er wusste, wo sie ihr ganzes Leben verbracht hatte, konnte er sie nicht weiterhin wie zuvor behandeln. Anscheinend musste er sich wirkliche Gedanken darüber machen, wie er sie behandelte. Vorsichtiger und behutsamer. Sie mochte eine sture Art an sich haben und sie war schlagfertig, wenn es auf die Situation ankam, aber sie wirkte zerbrechlich und verdammt verletzbar. Lucien wollte wahrhaftig nicht diesen Rest zerstören, den sie an Mut und Überzeugung hatte. Sie war wirklich eine überraschende Frau, die nicht so offen zu lesen war. Das zog ihn doch schon an.
Fluchend drehte Lucien sich um und murmelte vor sich hin, dass er jetzt dringend eine Dusche brauchte. Furchtbar dringend, denn sollte er weiterhin ihr zusehen, wobei er sich nichts anderes vorstellen könnte zu tun, würde er die Kontrolle über seinen Trieb verlieren. Sie womöglich verletzen.
Nur, war er nicht schon einmal unter der Dusche gewesen? Ach verdammt, scheiß drauf. Dann eben ein zweites Mal. Es verlangte nach ihm, denn er brauchte diese eisige Abkühlung einfach und er musste selbst Hand anlegen. Er brauchte Erleichterung.
Wahrhaftig brauchte er das, als er eine eiskalte Dusche nahm und sich währenddessen einen runter holte. Mit einer Hand stützte er sich an der Fliesenwand ab, seine andere Hand massierte sein Glied in einer auf und ab Bewegung, während eisiges Wasser auf seinem Haupt prasselte, um dann seinen ganzen Körper wie ein Mantel zu umschließen. Seine Augen waren stöhnend dabei geschlossen. Bilder waren vor seinem geistigen Auge aufgetaucht und natürlich handelten sie von dieser kleinen geheimnisvollen Elfe, wie sie gesellend in die Dusche kam. Nackt und nur von reinster Schönheit ihrer blassen Haut. Hingebungsvoll und mit lüsternem Blick schaute sie ihn von unten herauf an, während sie ihm näher kam, sich an ihm schmiegte, ihre Hände auf seine massigen Schultern liegend, sich auf ihre Zehnspitzen stellte, weil sie ihn küssen wollte. Sicher erwiderte er es und kam ihr entgegen. Da könnte er ihr niemals widerstehen, wenn sie sich so offen zeigte. Er war auch nur ein Mann, der Begierden besaß.
Eine Hand hatte sich auf ihrer Taille gelegt, um sie fester an sich zu pressen, sein hartes Glied an ihrem Bauch gepresst. Das ließ ihn auf zischen vor Lust und ihr entfuhr ein heiseres Keuchen. Ihre Lider hatten sich dabei geschlossen gehabt, als sie sich freiwillig in seine Arme begab.
Leicht und sanft hatte sich seine andere Hand auf ihre Wange gelegt, streichelte sie mit seinem Daumen dort, während er sinnliche Worte zu ihr sagte. Wie schön und sexy sie aussah. Oder wie heiß sie ihn machte, weil er sie sofort wollte. Mit einem Stöhnen antwortete sie auf seine Worte und es war Genugtuung die ihn innerlich erfüllte, während selbst sie Dinge sagte, die dem nahe kamen.
Seine Hand auf ihrer Taille wanderte zu ihren Pobacken hinunter und er war so fest, dass es ihn schier verlangte fester zuzupacken. Als er es tat, rief es eine kleine Reibung ihres Körpers hervor und es brachte ihn beinahe um, wie sich ihr heißer Körper seinen Schwanz zwischen ihnen einklemmte. Allein diese kleinste Reibung reichte ihm schon aus ihre Beine zu heben, sich in ihr zu versenken und sie hart an die Wand zu pressen, während er immer wieder Stöße in sie hineinversetzte.
Ihre Finger krallten sich vor stöhnender Lust in seinem Haar und ihre Beine hatten sich um seine Hüfte geschlungen, weil sie befürchtete er würde es vorzeitig beenden. Das turnte ihn umso mehr an und nahm sie noch schneller und härter ran. Ihr Kopf legte sich auf seine Schulter und ihre kleinen stumpfen Zähnchen verbissen sich darin.
Solche Lust, die er dabei verspürte, war so rasend wachsend, dass er befürchtete, er würde darin ertrinken, während ihre heißes Inneres seinen Schwanz um schmiegte, wie ein seidiger Handschuh. So fest und doch gierig nach mehr verlangend.
Und dann noch dieser erregende moschusartige Geruch in der Luft umhüllten sie und selbst das Wasser konnte es nicht wegspülen, als es an ihren heißen Leibern hinunter floss. Alle Geräusche um sie waren wie ausgeschaltet und nur noch die Geräusche der Lust waren das Einzige was geblieben war. Das aufeinander schlagen von nackter feuchter Haut und die stöhnenden keuchenden Geräusche der Begierde nacheinander, welches nach mehr verlangte. Es war unglaublich heiß, das selbst das kalte Wasser keine Abkühlung brachte.
Je länger er in sie stieß, umso enger schmiegte sich ihr Inneres zusammen. Ein Anzeichen das es nicht lange dauern würde, bis sie einen Höhepunkt erreichte, welcher auch seinen ankündigte.
Ohne eine weitere Ankündigung schrie sie laut auf und presste sich hart gegen die Wand, als sie sich ihm entgegen bäumte und ihren Kopf soweit nach hinten legte, wie sie es eben schaffte. Ihr ganzer Körper fing in seinen Armen an zu erbeben und ein großer Orgasmus beschaffte ihr Erlösung. Auch seiner ließ nicht auf sich warten und seine letzten harten Stöße in ihr, gaben ihm den Rest.
Mit großem Druck entlud er sich in ihr und gab alles her, was sie aus ihm presste.
Genau in diesem Augenblick als er kam, riss er seine Augen auf und entriss ihn aus seinen erotischen Traum. Seine Hüfte hatte sich immer wieder nach vorne gestoßen und ein heftiges lautes Brüllen erschütterte sein Badezimmer, während er unaufhaltsam kam. Immer und immer wieder. Sein ganzer Körper wurde von Zuckungen überschwemmt und es dauerte, bis er sich halbwegs wieder im Griff hatte.
Erst wirkte er irritiert und verstört, aber dann stieg in ihm eine große Wut auf. „Verfluchte Scheiße.“ Fluchte er zornig laut auf und seine Faust rammte in die Wand der Dusche. Fließen bröckelte auf den Boden und es interessierte ihn gerade nicht im Geringsten was er zerstörte oder wer ihn hörte.
Lucien war so versessen darauf sie zu bekommen, dass er es jetzt schon nötig hatte sich einen runter zu holen und dann noch solche erotische Fantasien zu haben. So was holte er sich und er steckte nicht zurück oder unterdrückte.
„Reiß dich zusammen.“ Knurrte er, drehte das Wasser aus, nahm sich ein Handtuch und stieg aus der Dusche raus.
Das Problem war jetzt, dass sein Verlangen noch immer nicht gestillt war. Er wollte mehr und das spüren, was er in seiner blühenden wandelnden Fantasie hervorgerufen hatte. Lucien wollte sie einfach nur besitzen und das mit ihr tun was ihn dazu drängte.
Seufzend zog er sich eine Hose an, aber blieb am Oberkörper frei, nahm ein weiteres trockenes Handtuch und trocknete sein Haar damit und ging währenddessen aus dem Badezimmer. Lucien bemerkte, dass sie nicht mehr am Tisch saß, aber sah, sie hatte noch ein paar mehr Früchte zu sich genommen. Wenigstens etwas. Er spürte nicht, dass sie davongelaufen war und sie befand sich noch hier.
Sein Blick wanderte und entdeckte sie am Fenster stehend, wie sie gebannt nach draußen starrte. Die Sonne neigte sich tiefer zum Horizont hin. Die Abenddämmerung kündigte sich an. Wahrscheinlich bewunderte sie nur die Aussicht.
Das Handtuch lag locker über seiner Schulter und er ging auf sie zu. „Bewunderst du die Aussicht oder warum starrst du so aus dem Fenster?“
Sie war nicht dumm und unvorsichtig, dass sie ihn nicht bemerkt hatte.
„Ja.“ Antwortete sie so kurz und knapp, wie nur möglich.
„Da fällt mir sogar noch etwas anderes ein. Als Aiden dich im Flur darum gebeten hatte, dass du ins Zimmer zurückkehren solltest, bist du vor einem der Fenster stehen geblieben. Du wirktest überrascht und auf etwas fixiert. Ich war deinem Blick gefolgt, aber ich sah nichts. Erst dachte ich, dass du vielleicht eine Gefahr sahst, aber ich sah und fühlte nichts. Was war es?“ Konnte er endlich seiner Frage nachgehen.
Mit einem Stirnrunzeln und Ungläubigkeit auf ihrem Gesicht, wandte sie sich zu ihm um. „Diese Frage ist nicht dein Ernst?“ Schüttelte sie mit ihrem Kopf und seufzte etwas erschöpft auf. „Aber wenn es dich beruhigt, ich habe den Sonnenaufgang beobachtet. In diesem Augenblick hatte sich der ganze Horizont in ein rotes Meer verwandelt. Die Aussicht war so überwältigend für mich gewesen, dass ich einfach nicht anders konnte, als dieses Schauspiel zu bewundern. So was ist für deine Verhältnisse nichts Besonderes mehr, aber für mich schon. Soviel Wärme und ein sanftes Licht sehe ich nicht alle Tage.“ Wandte sie sich wieder von ihm ab und blickte zum Horizont raus.
Ok, ja sie hatte Recht. Für ihn war es das normalste der Welt. Er lebte über dreitausend Jahre und es war für ihn zur Gewohnheit geworden. Je älter einer wurde, umso uninteressanter und langweiliger wurde es. Es war die Macht der Gewohnheit.
„Ja da könnte ich dir Recht geben.“ Schaute er hinaus. „Wenn man solange lebt wie ich, wird es zu alltäglichen Gewohnheit.“ Sagte er gleichgültig und zuckte mit seinen Schultern einmal.
„Natürlich.“ Konnte sie es anscheinend nicht verstehen. Doch er merkte, dass sie mit etwas rang.
„Willst du mir etwas sagen?“
Kurz zögerte sie, bis sie kleinlaut sagte. „Im Badezimmer…“ Zögerte sie und sie schien es zu verhindern ihn anzuschauen. „Du hast laut auf gebrüllt…“ Sprach sie nicht weiter.
Verwundert blinzelte er ein paar Mal. „Ich denke, dass möchtest du nicht wissen.“ Amüsiert und ein Lächeln breiteten sich auf seinem Gesicht aus. „Das würde dir die Schamröte ins Gesicht steigen.“ Flüsterte er ihr ins Ohr.
Sofort zuckte sie zurück und blickte ihn entsetzt an und sie bekam wirklich rote Wangen. Konnte sie sich etwa vorstellen was er unter der Dusche getrieben hatte? Jetzt würde er gerne die Gabe besitzen, Gedanken zu lesen.
„Das ist…“ Stotterte sie leicht und verzog angewidert ihr Gesicht. „…widerlich.“
Lucien lachte lauthals auf und meinte. „Ich hatte doch gesagt, du sollst nicht nachfragen.“
Bilder von ihm, wie er unter der Dusche stand, schossen durch ihren Kopf. Sie hatte, was das Thema Liebschaften anging, keinerlei Erfahrungen, aber sie wusste was es bedeutete, solche Dinge zu tun. Hatte er sich wirklich selbst…? Dieses Wort konnte sie nicht benutzen. Doch... während sie sich hier draußen befand? Das war wirklich widerlich. Das Gefühl und diese Bilder würde sie nie wieder aus ihrem Kopf bekommen. Es war die Scham die sie überkam, denn sie spürte wie reizvoll sie sich fühlte, als sie daran dachte. Wie er…
Oh ihr Götter, Emma. Reiß dich zusammen. Daran darfst du erst nicht denken.
Aber diese Vorstellung versetzte sie in ungeahnte Bahnen der Gefühle. Schmerzhaft zog sich ihr Bauch zusammen und ihr wurde schlagartig heiß, welches in ihrem ganzen Körper ausbreitete, bis zu ihren Zehen hin. Alles fing in ihr zu kribbeln an. Das durfte nicht war sein. Dieser Mann löste etwas schreckliches verlangendes in ihr aus, welches sie nicht kannte. Ausgerechnet von einem Drachen.
Von seinem freien Oberkörper, wie er hier vor ihr stand, wollte sie erst gar nicht reden. Seine Brust sah so glatt aus und noch immer war sie leicht feucht. Er sah, auch wenn sie es nicht zugeben wollte, unglaublich gut aus. Muskulös gebaut und zum streicheln verführt, breite Schultern die einluden sich an ihn zu schmiegen und erst seine muskelbepackten Arme. Sie wusste wie es sich anfühlte an seine harte Brust gedrückt zu werden, aber nicht wenn sie auf nackte Haut traf.
Es überkam sie wie ein Feuersturm, der sie ohne Gnade mitriss. Genau aus diesem Grund hatte sie eisern versucht ihn nicht anzuschauen. Gerade weil sie so fühlte.
Sie wollte einfach nicht mehr wissen und verwarf das Thema. „Und jetzt? Was willst du nun mit mir anstellen? Solange in einen Kerker sperren, bis du wieder von deinem Treffen zurück gekehrt bist?“ Ihre Stimme gleichgültig.
„Verdammt, Emmanline. Hör auf, als würde ich dich genauso behandeln, wie dieser Bastard von Verräter.“ Wurde er anscheinend wirklich wütend. Auch anscheinend, wollte er diese schlechte Anschuldigung nicht auf sich sitzen lassen. So kam es ihr rüber.
„Tust du doch auf eine gewisse Art und Weise, wenn du mich gefangen hältst.“ Beharrte sie weiter darauf.
„Ich finde beschützen trifft es eher, wenn ich weiß, das Culebra noch immer hinter dir her ist. Was ist daran bitte falsch?“ Wurde er immer aufgebrachter und hatte sie an den Oberarmen gepackt, damit sie ihn anschaute.
„Eine Menge. Ich kann auf mich selbst aufpassen.“
„Ja, das hat man gemerkt, wenn man bedenkt, wo du dein ganzes Leben verbracht hattest. Ich biete dir nur meine Hilfe an.“
Nun war es an ihr auch aufgebrachter zu werden, denn sie fühlte sich durch seine Worte, sie sollte bedenken, wo sie ihr Leben gelebt hatte, als einen Vorwurf nehmen. Konnte sie etwas dafür? „Hilfe? Nachdem du eine Schuld aufnimmst, weil ich unschuldig von deiner Art misshandelt und gefoltert wurde? Oder aus reiner Nächstenliebe? Seien wir doch einmal realistisch, Drache. Das ist doch lächerlich.“ Ihre Stimme, die nicht noch ausdrucksloser werden konnte.
„Ich habe einen Namen.“
Gekonnt ignorierte sie seinen Protest, dass sie ihn nicht beim Namen nannte. Sie brauchte ihn nicht benutzen, wenn alle eines Tages aus ihrem Leben verschwanden. Das sie Culebra beim Namen nannte, lag daran, dass sie ihn schon seit ihrer Existenz ihn um sich hatte. Aber da fiel ihr auch auf, dass sie Aiden selbst beim Namen nannte. Vielleicht lag es daran, dass er ihr vor ein paar Monaten aus den eisigen Höhlen befreit hatte. Aiden war ihr noch nie aggressiv gegenüber getreten. Gleich von Anfang an, war er versucht ihr ein Gefühl von Sicherheit zugeben. Das sie vor nichts Angst haben musste oder das ihr niemand mehr etwas antun würde. Sofort hatte er vom ersten Augenblick an, sich ihrer angenommen.
Sie war ihm dankbar dafür, denn zum ersten Mal konnte sie die Freiheit genießen, aber ohne einen Drachen um sich zu haben. Wie sollte sie ein Gefühl von frei sein bekommen, wenn andere ihr etwas vorschrieben? So funktionierte das eben nun einmal nicht.
„Wieso bist du nur so stur?“ Knurrte er grimmig und sein Blick deutete nichts anderes.
„Wieso bist du nur so nervig?“ Entgegnete sie einfach.
„Verflucht nochmal.“ Ließ er von ihr ab und ging auf- und abwärts. „Wieso begreifst du das nicht? Es dient nur zu deiner Sicherheit.“
Und das glaubte sie ihm schon, dass es Sicherheit wäre, wenn sie hierbleiben würde. Aber zu welchem Risiko? Oder gar Preis?
Emmanline war sich nicht ganz sicher, denn das würde noch ein ganzes Stück von ihr abverlangen. Vor allem von ihrer Energie.
Seufzend wandte sie sich um und ging zum Bett hinüber, um sich zu setzen. „Habe ich denn eine andere Wahl?“
Auch er kam auf sie zu und hockte sich vor ihr hin. Sanft nahm er ihre Hände in seine und sie wollte sich ihm entziehen, aber er hielt sie bestimmt fest. „Nicht wirklich, Emmanline.“ Das in einem ruhigen Ton. Das sollte schon was heißen. Musste sie sich denken. Dafür das er zu Anfangs nicht der beste Gastgeber war, so hatte er sich ganz schön beherrscht nicht in Wut und Rage auszubrechen. Zumal sie ihm etwas Wertvolles und für ihn von großer Bedeutung gestohlen hatte. Gezwungener weise.
„Und ich soll jetzt brav hier sitzen und auf deine Rückkehr warten? Auf unbestimmte Zeit natürlich, weil du ja nicht weißt wie lange dieses geheime Treffen geht.“ Es klang ein wenig aufmüpfig. Aber wieso? So eine Reaktion wurde in ihr noch nie hervorgerufen und sie konnte es sich nicht erklären. Sie wusste vor wem sie saß, einem Drachen. Natürlich ging sie da ein Risiko ein, die Wut erneut auf sich zu ziehen. Dabei hätte es ihr doch egal sein sollen, das er verschwindet oder gar fern bleibt, es war ihr egal. Es wäre eine Möglichkeit irgendwie einen Weg zu finden hier heraus zukommen. Sie wusste, er würde ihr auf Schritt und Tritt folgen und sie immer wieder zurück zerren. Auf die anderen Drachen konnte sie sich nicht sonderlich vorstellen, das sie genau das gleiche Interesse ihr gegenüber hegten, wie dieser Mann vor ihr. Es wäre ihn wahrscheinlich egal und an diesem Punkt musste sie ansetzen. Vielleicht ergab sich etwas. Und da war ja auch noch Aiden. Er könnte ihr vermutlich auch helfen. Er hatte sie doch schon einmal befreit, aber da wäre sie erneut in seiner Schuld und sie hatte keine Ahnung ob sie ihre Schuld je wieder begleichen könnte. Zumal für sie überhaupt keine Chancen bestanden. Solange sie eingesperrt war. Aber was sollte sie, wenn sie frei wäre, schon erreichen können? Natürlich nichts, denn das war purer Unsinn.
Emmanline wurde durch eine sanfte Berührung an ihrer Wange zurück gerufen. War sie etwa so tief versunken gewesen, dass er es bemerkt hatte? Es war nur ein Hauch von einem Streicheln seiner Finger und der Blick, den er ihr zuwarf, erschreckte sie. Es war geradlinig und nur auf sie gerichtet. Diese Intensität sprach für sich und wurde glühender, je mehr er sie anschaute.
Ohne es zu wollen, könnte sie in diesen wunderschönen Augen versinken, denn sie strahlten solch eine Wärme aus, dass sich ihr Innerstes von selbst erwärmte. Als wenn ein tiefer Punkt nur darauf gewartet hätte, dass jemand sie so anschauen würde. Normalerweise hätte sie nie damit gerechnet, denn sie wurde nur von allen Seiten ungerecht und nicht gerade feinfühlig behandelt. Mehr feindlich und gewalttätig, als sei sie dazu verdammt. Trotz allem konnte sie nicht daran glauben, dass ein Drache ihr das gegenüber zeigte. Das war irrsinnig und unglaubwürdig. Er spielte ihr doch nur etwas vor, damit sie den Mund hielt und damit sie das machte, was er wollte. Anders konnte es nicht sein. Er hatte wirklich die Macht, das jede Frau schwach werden würde und das tat was er wollte. Er war ein begehrenswerter Mann, der wusste wie er seine anziehenden Stärken anwenden musste.
„Deine Augen...“ Flüsterte sie rau und heiser. „Du starrst mich so eigenartig an. Nicht wie zuvor. Warum?“ Brachte sie es gerade heraus und sie musste ihre Lippen befeuchten, denn sie fühlten sich trocken an.
„Weil ich dich will, Emmanline. In meinem Bett.“ Wandte er seine glühenden Augen kurz auf die Matratze, die vielen Kissen und der Decken. Er wollte sie zerwühlt sehen und wie sie nackt darauf ausgestreckt da lag. Auf den dunkelroten Lacken, wo ihre weiße Alabasterhaut sich stark vom Kontrast abhob, ihr schneeweißes Haar sich wie ein Fächer um ihren Kopf ausbreitete. Dann ihr Blick, wie sie ihn vor Verlangen und Entzücken, vielleicht sogar vor Neugier, anstarrte. All das wollte er unter sich begraben haben. Nur war es zu früh und das erkannte er jetzt in ihren Augen. Sie wirkten, als würde er sie in die Enge treiben und dies wollte er nicht. Wenn wollte er, das sie sich ihm freiwillig hingab. Erst da würde er erfahren, was in ihr verborgen lag. Die Leidenschaft die in ihr schlummerte oder gar dieses Bedürfnis genau das zu wollen, was er versuchte von ihr zubekommen. Einfach die reinste Hingabe.
„Aber wieso willst du das?“ Schluckte sie etwas nervös, denn er roch es an ihr. „Du kannst doch jede andere Frau haben die du willst. Du hast doch oft genug bewiesen und gesagt, das ich nicht deiner Vorstellung von einer Frau entspreche.“ Versuchte sie sich weiterhin gegen ihn zu wehren und versuchte sich erneut seinen Berührungen zu entziehen.
Da hatte sie auch nicht ganz Unrecht. Das hatte er wirklich gesagt und wenn er ehrlich war, war es zu einem gewissen Teil gelogen. Er fand die Frau anziehend…nein äußerst anziehend. Sie brachte sein Blut in Wallung und seinen Drachen in Aufruhr. Sein Drache in ihm verzerrte sich danach, dass sie ihn streichelte. Das die Möglichkeit bestand, sie würde es tun, stand wohl ziemlich niedrig. Also musste er sich was einfallen lassen, wenn er es bekommen wollte und das wollte er bekommen. Komme was da wolle.
„Ja stimmt, dass hatte ich einmal erwähnt.“ Sprach er es doch aus und schaute sie mit einem konzentrierten Blick an. „Nun was soll ich machen? Ich bin auch nur ein Mann.“ Blitzte es einmal in seinen Augen auf.
„Niemals.“ Fing sie wieder an sich zu wehren.
Genau das fand er ja so anziehend an ihr. Wie sie sich gegen ihn auflehnte. Sie merkte noch nicht einmal welch Interesse sie in ihm weckte. Das würde ihr in geraumer Zeit zum Verhängnis werden. Sie würde bald ihm gehören.
„Warten wir es ab.“ Lachte er laut auf und stand auf. Er befand es als gut, dass es für heute reichte. Wenn er sie noch weiter so bedrängte, würde es vermutlich nur umso länger dauern, bis er sie endlich herum bekommen würde. Auch wenn Geduld nicht gerade seine größte Stärke war. Es war ja schon erstaunlich, sich zurück zu halten, denn dies war nicht seine Art. Wenn er was wollte, dann setzte er alles daran es sofort zu bekommen. Aber bei ihr? Er wandte sich halb zu ihr um und blickte sie im Seitenwinkel an. Sie hielt sich vergebens auf ihrem Schoss die Hände fest, damit sie nicht zitterten. Durch ihr immer wieder stetiges Stirnrunzeln, vermutete er, dass ihre Gedanken rasten. Er konnte sie nicht bedrängen. Aus irgendeinem unergründlichen Grund konnte er es nicht. Er konnte ihr das nicht antun. Es lag nicht unbedingt daran das sie in den Händen von Culebra gelebt hatte. Es war…je weiter er in ihre außergewöhnlichen silbernen Augen blickte, umso mehr sah er einen Abgrund in ihnen, der nicht viel brauchte, sie dort abstürzen zu lassen.
Lucien hatte schon viele Abgründe gesehen, sogar seinen eigenen, aber noch nie einen so finsteren und tieferen. Diese Frau könnte davon für immer zerstört werden und nichts vermochte sie da mehr heraus zu holen.
Oh ja, das würde seine Geduld sehr in Anspruch nehmen. Gar strapaziert werden und nur die Götter wissen wie lange er durchhalten konnte.
Das war ja schon ein Weltwunder bei ihm, das er sich zusammenriss und wartete. Und das würde ihn einiges kosten. An Energie und Nerven. Er wirkte ja jetzt schon kraftlos, während er seufzend mit einer Hand über sein Gesicht fuhr.
„Lassen wir es für heute beruhen und wir werden es entspannter angehen.“ Murmelte er vor sich hin.
„Was?“ Schoss ihr Kopf nach oben. Anscheinend hatte sie das nicht ganz verstanden.
„Schon gut, es war nichts.“ Hob er seine Hand und winkte ab. Das konnte ja noch heiter werden. Seine üblichen Methoden musste er über den Haufen werfen und bei seiner Rückkehr noch einmal ganz von vorne anfangen.
Wobei, kam ihm gerade ein Gedanke. Das ganze könnte doch spannender und einladender werden, als er vielleicht gedacht hatte. Das Unerwartete machte doch seinen Reiz aus, oder etwa nicht?
Die Langeweile die ihn die ganzen Jahrhunderte plagten, war zum Teil wie weggeblasen. Da er einfach bei ihr nicht voraus planen oder sehen konnte, waren seine Gedanken auf neuer Suche, wie er sie herum bekommen könnte. Es war wahrhaftig nicht langweilig. Diese Einsicht traf ihn wie ein Schlag und ein breites erfreuliches Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit.
Mögen die Spiele beginnen.
Seit dem der Drache verschwunden war, wartete Emmanline jetzt nun schon über drei Monate auf ihn und er war noch immer nicht von seinem Treffen zurück. Sie wusste nicht wohin er gegangen war und sie wusste auch nicht, weswegen er verschwinden musste. Einerseits war es ihr ja egal, aus welchenm Grund, aber ihr war es nicht egal, das sie auf ihn warten musste. Vorher konnte sie nicht von hier verschwinden. Noch immer hatte sie diesen blutroten Rubin von ihm, denn vorher bekam sie die Freiheit nicht zurück. Aber so ganz glaubte sie nicht mehr daran, dass er sie wirklich gehen lassen würde.
Wieso brauchte er nur solange? Dabei hatte er doch beteuert, so schnell wie möglich zurück zukommen, um auch allem ein Ende zu setzen. Auch wenn er gesagt hatte, er würde für eine gewisse Zeit auf seinen Rubin verzichten, so würde er ihn eines Tages wiederhaben wollen. Und wenn dieser Augenblick erst einmal da war, dann musste er sie gehen lassen. Schließlich hatte er beim Mythos geschworen. Dann endlich konnte sie gehen.
Denn langsam wurde sie verrückt hier in diesem Zimmer. Alles war unrealistisch für sie und ganz wohl fühlte sie sich nicht dabei. Sei es drum wenn dieser Komfort entspannter, bequemer und angenehmer war. Am Anfang schien es ihrer neuen Neugier eine Menge Eindruck verursacht zu haben, aber jetzt? Jeder Tag mit all diesen Dingen war gewöhnungsbedürftig und sie wusste nicht ob sie mit all dem leben wollte. Sie war auf hohe Standardmöglichkeiten nicht gewöhnt und sie war sich nicht sicher, ob sie sich je an so was gewöhnen könnte. Was sollte sie mit all dem Zeug anfangen, wenn man ihr nicht erklärte, was das war und wie das funktionierte?
Also langsam versauerte sie hier und ihr war eine Gefangenschaft noch nie erdrückender vorgekommen. Es mochte zwar riesige Unterschiede zu den Höhlen von Culebra geben, aber das Umfeld war genau das Gleiche. Außer Aiden bekam sie niemanden zu Gesicht. Doch Moment, Drachenwächter die das Gebiet beschützten, aber das war es auch schon. Sie flogen nur vor ihrem Fenster hin und her, um ihre Rundflüge zu machen.
Das Einzige war, Aiden verbrachte eine längere Zeit bei ihr. Kümmerte sich um sie, damit sie genug zu Essen hatte, Trinken und sogar frische Kleidung. Er meinte, sie wären von einer Malatya, der kleinen Schwester von diesem Drachen. Es wäre ihre Größe und er hatte Recht. Sie passten perfekt.
Auch wenn er sich um sie kümmerte, bedarf es nicht gerade viel. Ab und zu ging er mit ihr raus in ein sicheres Wäldchen des Schlosses. Auch wenn es ihm verboten wurde, wollte er ihr trotzdem etwas geben und sie war überrascht darüber gewesen und hatte ihm sogar gedankt.
Und auch das war ein Punkt gewesen. Als Aiden sie ab und zu nach draußen geführt hatte, hatte sie nie einen einzigen anderen Drachen im Schloss zu Gesicht bekommen. Sie waren spurlos verschwunden und am Anfang hatte sie sich wirklich darüber den Kopf zerbrochen. Wollten sie nicht, dass sie einen von ihnen sah, weil sie vom Feind stammte? Aber das wäre doch zu viel Aufwand für eine unbedeutende Elfe, oder etwa nicht?
Doch die eigentliche Frage war doch, wie stellten sie das an, dass kein einziger Drachen in diesem Nest zu erblicken war? Wo versteckten sie sich alle? Selbst die beiden sogenannten Wächter hatte sie nie wieder gesehen, die sie in das Zimmer zurück gebracht hatten. Das war doch alles recht merkwürdig.
Seufzend hatte sie es sich wie jeden Tag auf dem Fenstersims bequem gemacht. Vor Beginn, bevor der Drache verschwunden war, hatte sie sich eine Decke genommen, auf dem Fensterbrett ausgebreitet und nun hockte sie jeden Tag darauf und starrte zum Horizont hinaus, beobachtete schon seit Monaten wie die Sonne auf und unter ging. Es war ein wirklich schönes Schauspiel und sie genoss es wahrhaftig. Obwohl es das Gleiche war, so war es doch immer wieder anders. Nie die gleichen Zeiten und nie die gleichen Farben, wie am Vortag. Ach ja, Vögel waren die Einzigen die sie immer besuchten. Einfach so, aber sie freute sich jedes Mal darüber. Sie unterhielt sich sogar mit ihnen, auch wenn sie die Vögel nicht verstehen konnte.
Doch heute war es irgendwie ruhig und die Luft war irgendwie elektrisch geladen, als würde sich etwas zusammen brauen. Es steckte tief in ihr drinnen, dass dieses erdrückende Gefühl, das etwas passieren würde oder passiert war. Drachen konnten ihr Umfeld mit ihren Emotionen stark beeinflussen. Das hatte schon vor Monaten angefangen und von Tag zu Tag wurde es schlimmer.
Ihre einzige Vermutung, es musste mit ihm etwas zu tun haben. Irgendwas musste da passiert sein, seit er weg gegangen war. Irgendwas braute sich da zusammen.
Nachdenklich, weil sie ja keine andere Beschäftigung hatte, lehnt sie sich zurück und legte halb ihren Kopf zur Seite, um verträumt aus dem Fenster zu blicken, wurde aber raus gerissen, als es an der Tür klopfte. Da sie sich angewöhnen musste, ja zu sagen wenn jemand anklopfte, tat sie es. Aiden meinte, dies sei eine höfliche Geste, die sich von dem Besucher gehörte und nicht einfach in die Privatsphäre eindrangen. Sie hatte ihn wahrhaftig dumm angestarrt, als er ihr das genau erläutert hatte. Das war neu für sie, denn zuvor hatte sich niemand danach gerichtet. Nicht die Drachen. Deswegen kam es ihr noch mehr unrealistischer vor.
„Hallo, Emmanline, ich habe dir dein Essen mitgebracht.“ Meinte er in einer lächelnden Begrüßung und stellte den Teller mit Essen auf den Tisch. Jeden Tag brachte er ihr etwas anderes warmes mit. Es roch und sah appetitlich aus, aber essen?
„Du weißt, dass ich keinen Hunger habe.“ Seufzte sie und wandte ihren Blick wieder nach draußen.
„Aber irgendwann musst du mal was essen, Emmanline. Du isst seit Monaten nicht und das bereitet mir Sorgen.“ War es jeden Tag das gleiche Gespräch. Jeden Tag sagte er ihr, wie wichtig es sei, das sie essen sollte und jeden Tag sagte sie ihm, dass sie es nicht bräuchte. Sich Sorgen machen war eine Sache, aber es so dermaßen auszudehnen, war eine andere.
„Du siehst, dass es mir gut geht.“ Mehr oder weniger, wenn bedacht wurde, das sie eingesperrt war. „Ich kann eine sehr lange Zeit ohne Essen auskommen. Darüber musst du dir keine Gedanken machen. Ich habe alles was ich brauche.“ Außer ihrer Freiheit.
Nun war es an Aiden der aufseufzte und sich geschlagen gab. Um ihr Gesellschaft zu leisten, setzte er sich an den Tisch und beobachtete sie, denn diese Blicke spürte sie auf sich.
„Du bist ganz schön stur.“ Stellte er fest, aber meinte es mehr spaßig, als genervt oder ernst.
„Ja das höre ich oft.“ Zuckte sie unbedeutend mit ihren Schultern. Was sollte sie auch schon darauf erwidern?
Kurz herrschte eine Stille zwischen ihnen. „Was hältst du davon heute vielleicht eine Runde spazieren zu gehen? Es ist wirklich ein schönes Wetter heute und herrlich warm. Was meinst du?“ Schlug er freundlich vor.
Emmanline massierte etwas, erschöpft über alles, ihren Nasenrücken mit Daumen und Zeigefinger.
„Bitte entschuldige, wenn ich unhöflich klinge, aber was soll diese ganze nette Art?“ War ihr Blick ernst und verständnislos, als sie ihn wieder anschaute. „Es ist wirklich aufmerksam von dir, das du, wenn du Zeit hast, mich besuchen kommst. Aber wofür diese ganze Mühe?“ Warf sie weiter ein.
„Weil ich will, das du dich wohl fühlst, solange du hier bist. Aber das habe ich dir doch schon oft erzählt.“ Verschwand sein Lächeln und nun war es auch an ihm etwas ernster zu schauen. Und oh ja, dieses Gespräch hatten sie schon tausendmal durchgekaut.
„Aber das ist nicht alles. Es leuchtet mir alles ein das ich hier eingesperrt werde und wofür, aber wieso finde ich es ziemlich merkwürdig, das ich nie einen anderen Drachen von euch zu Gesicht bekomme? Nehmen wir die Wachen draußen vor meinem Fenster mal weg.“ Denn sie hatte eine Menge Fragen. „Liegt es daran, dass ich in Culebras Nähe gewesen bin?“
„Es ist schwer, Emmanline. Im Moment fängt eine Zeit an, die gefährlich ist und wir müssen darauf acht geben, wen wir an uns heran lassen. Auch wenn es idiotisch von meinem Volk ist, aber sie gehen dir aus dem Weg, weil sie auch befürchten das du eine Spionin sein könntest. Du sollst keine Stärken und Schwächen von uns erfahren, was uns schaden könnte. Nimm es uns nicht übel, dass wir dich so behandeln, aber eigentlich hättest du nicht hier sein dürfen. Lucien hat einen großen Fehler gemacht. Das weißt du, nicht wahr?“ Klang schon etwas Entschuldigendes in seiner Stimme mit. Und sie starrte ihn einfach nur an.
„Ja, aber ich habe nie darum gebeten hier zu sein. Lieber wäre ich in der Höhle geblieben.“ Wurde ihre Stimme etwas leiserer und tonloser.
„Das kann ich verstehen, nachdem was du hinter dir ha…“
„Lass meine Vergangenheit daraus.“ Unterbrach sie ihn scharf, denn sie hasste es, wenn jeder das vor ihren Augen hielt, wo sie doch gewesen war. Genau aus diesem Grund betrachteten sie sie ja auch als eine Spionin. Sie konnte es verstehen, denn es war ihr gutes Recht sich zu schützen, nahm es ihnen auch nicht übel, aber sie wollte verdammt noch mal nicht von den Drachen daran erinnert werden, was ihr angetan wurde. Wie sah das denn aus? Das war blödsinnig und widersprüchlich.
„Tut mir leid.“ Entschuldigte er sich sofort und irgendwie wirkte er betroffen.
Ihre Züge wurden wieder entspannter, als sie ihn betrachtete. Eingestehen musste sie es sich schon, es war nicht fair Aiden gegenüber und so ergab sie sich. „Ich habe nichts dagegen einen kleinen Spaziergang zu machen.“ Schwang sie ihre Beine über die Kante des Fenstersimses und sprang elegant und geräuschlos runter. Erst da breitete sich ein Lächeln wieder auf seinem Gesicht aus und er stand auf. Bittend hielt er ihr dann auch die Tür auf und sie trat hinaus. Das tat er immer.
Den Gang entlang war es wieder still geworden. Anscheinend musste Aiden die Anderen vorgewarnt haben, denn erneut war es mucksmäuschenstill. Keiner wanderte durch die Gänge und keine Stimmen waren zu hören. Alle versteckten sich vor einer bedeutungslosen Person.
Wieso mussten stille Momente zwischen zwei Personen manchmal einengend sein? Das war manchmal kaum zum aus halten. Also musste sie es einmal anders angehen. Dabei hatte sie einige Fragen und die wollte sie beantwortet haben.
„Wann wird er wieder zurückkehren?“ Vielleicht war es ja irgendwann demnächst, aber dieses Mal sprach sie laut, klar und deutlich. Ihr war es egal, ob die Anderen es hörten. Nein, sie wollte sogar dass sie es hörten. Vielleicht bekam sie ja irgendwo eine Antwort. Irgendwo versteckten sie sich hier auch. Die verließen doch nicht jedes Mal das Schloss. Das wäre doch viel zu viel Aufwand.
„Du weißt, dass ich dir das nicht sagen kann, Emmanline.“ Blickte er sie von der Seite heraus an.
„Ich weiß, aber ich will es trotzdem wissen. Ich habe ein Recht darauf, denn aus diesem Grund scheine ich hier eingesperrt zu sein, weil ich Schuld daran habe.“ War es eigentlich nur eine Vermutung, aber was sie in seinem Gesicht erkannte, da schien ein Funke von Überraschung und Wahrheit drinnen zu sein. „Oh mein Gott, ich habe Recht.“ Blieb ihr doch tatsächlich der Mund offen und tatsächlich auf einem Fleck stehen. „Dabei war es nur eben reine Spekulation gewesen.“
„Wie kommst du darauf? Das ist Unsinn. Wieso sollte es deine Schuld sein?“ Blieb er ebenfalls stehen und schaute sie unlesbar an. Versuchte er abzulenken?
„Woher soll ich das wissen? Schließlich bin ich diejenige die hier unwissende Fragen stellt. Irgendwas muss ich wahrscheinlich angestellt haben. Liegt es an diesem Rubin oder habe ich etwas gesagt, was ein Geheimnis hätte bleiben sollen? Culebra vielleicht?“ Verengten sich etwas ihre Augen. „Nein, wohl kaum.“
„Lass es sein, Emmanline. Je weniger du weißt, desto besser ist es für dich.“ Knurrte er etwas zornig auf. Da schnitt sie aber ein gefährliches Thema an. Aber Augen zu und durch, wenn sie Antworten wollte.
„Mit was liege ich richtig?“ Redete sie einfach so daher.
Leicht runzelte Aiden mit seiner Stirn. „Lass es einfach gut sein.“ Schwang Missgunst in seiner Stimme mit.
„Natürlich weiß ich das nicht, weil es mir niemand sagt. Ich kann es dir nicht sagen warum ich es fühle. Es kann nur in dem Zeitraum passiert sein, als ich erst von ihm gefangen genommen wurde.“ Dachte sie nach und das tat sich schon seit drei Monaten. „Oh.“ Wirkte sie auf einmal überrascht und ihr kam ein Geistesblitz und erinnerte sich an etwas, was ihr total entfallen war.
„Was ist los?“
„Das hatte ich ja vollkommen vergessen.“ Redete sie mehr mit sich selbst, als mit Aiden. „Da war so ein Engel gewesen.“ Überlegte sie kurz. „In den Kerkern von diesem Drachen. Sie schien ganz schön wütend gewesen zu sein und sprach von einer Menge Konsequenzen.“ Richtete sie nun ihre Worte wieder an ihn, aber er schien sie nur stumm anzuschauen. Aus seinem Blick konnte sie überhaupt nichts deuten. Anscheinend hatte sie ins Schwarze getroffen. Das war wirklich interessant, denn wenn sie schlussfolgern würde, dann mussten die Engel so was wie eine Art Gegenleistung oder gar Strafe verlangt haben. So als eine Art Ausgleich, das er jemand aus dem Volk der Engel gefangen gehalten hatte.
Daher wehte auch der Wind, das sie ihr die Schuld gaben, weil sie die Frau befreit hatte. Das würde natürlich noch einiges mehr erklären. Aber würde das nicht nur eine Herauszögerung sein? Schließlich würde es ihr irgendwann selbst gelingen zu fliehen.
„Aiden.“ Klang eine unheilvolle, gefährliche und drohende Stimme wie aus dem Nichts. Jetzt erst bemerkte sie, dass sie nicht mehr alleine waren. Die ganze Luft um sie drückte sie beinahe zu Boden, so ausdrucksstark war sie. Sie traute sich noch nicht einmal sich umzudrehen, denn ihr lief es eiskalt den Rücken runter. Doch dumm wie sie war, drehte sie sich in diesem Moment um.
Sie blickte in scharfe glühende Augen, die gefährlich auf sie gerichtet waren. Im ersten Moment hatte sie gedacht, er würde vor ihr stehen, aber da irrte sie sich gewaltig. Er mochte das gleiche kurze dunkelbraune Haar haben, die fast exakte gleiche Größe und die Augen, aber er hatte ganz andere Züge und wenn sein Kinn nicht mit Bartstoppeln verziert gewesen wäre, aber er sah auch so gut aus. Dann war da noch sein Auftreten, das ein wirklich einschüchtern konnte. Aber welcher Drache konnte das nicht?
In seinen Augen loderten viele Emotionen und viel Wissen. Er musste uralt sein, aber trotzdem sah er noch sehr jung aus. Aber das bedeutete nie etwas bei Unsterblichen.
Doch letzten Endes was erstaunlich war, endlich zeigte sich jemand anderes vor ihr. Endlich kroch einer aus seinem Versteck, aber wenn sie jetzt darüber nachdenkt, dann hätte er in seinem Versteck bleiben können. Es kostete ihre große Selbstbeherrschung nicht vor Anspannung davon zu kriechen. Sie würde ihn unnütze provozieren.
„Raiden, was tust du denn hier?“ Wurde die angespannte, nein, eher erdrückende Stille unterbrochen.
„Verschwinde, Aiden. Ich will mich mit dieser Elfe einmal alleine unterhalten und du störst dabei. Also verschwinde.“ Seine Stimme die sagte, gehorche und lege dich nicht mit mir an.
„Vergiss es. Ich werde sie sicherlich nicht mit dir alleine lassen.“ Knurrte er unerschrocken zurück und stellte sich schützend vor sie. Als wenn es was nützen würde.
„Ich sage es nur noch einmal, verschwinde.“ Die Stimme des Fremden wurde immer schneidender und er schien eine angriffslustige Anspannung anzunehmen. Wenn nicht jemand was unternahm, würde hier wirklich jemand übel zu Recht gestaucht werden. Und das nicht nur mit Worten. Im wahrsten Sinne von Klauen und Reißzähnen.
„Lass es gut sein, Aiden.“ Ihre eigene Dummheit und Lebensmüh sich da einzumischen. Oder gar dazwischen zustellen, zwischen zwei mörderischen Drachen. „Er wird mir nichts tun.“
„Was?“ Drehte sich Aiden blitzartig zu ihr um. „Bist du noch bei Sinnen? Natürlich wird er das. Du wurdest mir in die Obhut gegeben und ich werde auch dafür sorgen, dass dir nichts geschieht.“ Allein weil er es schon wollte und nicht auf den Befehl her handelte.
„Mag sein, aber er will etwas von mir, was nur ich weiß.“ Blickte sie den Fremden an, der sie ununterbrochen anstarrte.
„Und das soll was sein?“ Informationen die ihm wichtig sein könnten, aber welche?
„Das geht dich nichts an. Und jetzt geh und du wirst mit mir kommen. Jetzt machen wir beide einmal einen kleinen Spaziergang.“ Befahl er und kam zu ihnen rüber, packte sie etwas unsanft am Oberarm, um sie mit sich zu zerren.
Gerade wollte Aiden sich einmischen. „Nein, lass gut sein.“ Bat sie ihn diesmal und schaute ihn ernst an. Sofort blieb er stehen und er war unschlüssig und angespannt zugleich. Aiden musste den Drachen gut genug kennen, um zu wissen was er tun würde und wozu er fähig war.
Draußen wurde sie schlagartig von der Sonne geblendet und sie musste sich ihren freien Arm nach oben vor die Augen halten. Erst nach ein paar Mal blinzeln, gewöhnte sie sich erst daran. Ein Stückchen den Hof entlang, ließ er sie los und dirigierte sie trotzdem noch weiter, ohne ein Wort zu sagen. Anscheinend wollte er weit genug von lauschenden Ohren sein. Erst mitten in diesem kleinen Wäldchen blieb er stehen.
„Das reicht.“ Sagte er befehlend und sie gehorchte und blieb stehen. „Das war ganz schön dumm von dir anzunehmen, ich würde dir nichts antun. Wie kommst du nur auf diese Vermutung?“ Lachte er amüsierend darauf.
„Wolltest du es denn?“ War ihre Stimme tonlos eingeworfen.
„Nein.“ Kam es etwas später, aber sie wusste es, denn immerhin wollte er etwas von ihr. „Aber das heißt nicht, dass sich das nicht ändern kann.“ Lehnte er sich mit verschränkten Armen an einen Baum. Überheblich und mit einer überlegenden Haltung.
Kurz blickte sich Emmanline um und musterte ihre Umgebung. In diesem Teil des Waldes war sie noch nicht gewesen. Eine tiefe Lage.
„Du hattest Recht mit deiner Vermutung. Ich will was von dir wissen.“ Fing er endlich an. „Es war auch ganz schön dumm von dir, dass du auf den Gängen so ein Gespräch angesprochen hast. Jeder konnte dich hören und mich beschleicht der Gedanke, dass du das mit Absicht getan hast.“ Nicht als Frage formuliert, aber er wollte anscheinend irgendeine Bestätigung.
„Vielleicht.“ Kurz gesprochen. So viele Worte musste sie nicht verwenden.
„Aber es war auch eine kluge Taktik.“ Was er anscheinend zugeben musste. „Deine ganzen Vermutungen die du aufgestellt hast, sind doch ziemlich nahe an den wahren Tatsachen dran. Normalerweise müssten wir dich bei solchen Mutmaßungen dich zur Verantwortung ziehen. Egal was mein Bruder sagt oder nicht.“ Sein Bruder? Darum diese starke Ähnlichkeit. „Aber irgendwie rührt dich niemand an. Das ist unerklärlich, aber nicht ganz verkehrt. Du könntest viele nützliche Informationen besitzen.“
Ohne eine Regung ihrer Gefühle zu zeigen, schaute sie ihn an. „Wegen Culebra? Ich kann euch nicht viel über ihn sagen.“
„Warum? Weil du ihn etwa verteidigst oder schützt?“
Nicht reizen lassen und keine Schwäche zeigen. „Weil ich nicht viel weiß. Culebra hatte stets darauf geachtet,, das niemand von seinen genaueren Plänen weiß. Doch wieso ersparen wir uns das nicht, denn mir beschleicht das Gefühl, dass es hier nicht um Culebra geht.“ Setzte sie alles aufs Risiko.
Und er lachte nur. „Ganz schön mutig und jetzt erst kann ich es richtig glauben, dass du dein Leben unter unserer Art verbracht hast. Du scheinst in einiger Situation zu wissen wie du dich verhalten musst. Du bist bedacht keine Reaktionen oder Emotionen zu zeigen. Das erfordert eine Menge Selbstbeherrschung und sehr lange Übung. Das erlernt man nicht eben mal von heute auf morgen.“
Am liebsten hätte sie auf geseufzt, aber konnte es gerade noch unterdrücken. Endlich konnte sie sich auch von ihrem Fleck wegbewegen und setzte sich auf einen umgefallenen Baumstumpf. Das schien eine längere Unterhaltung zu werden, ihrem Gefühl nach.
„Kann sein. Aber eigentlich geht es hier nicht um mich.“ Blickte sie ihn gerade heraus an.
Sein Grinsen im Gesicht wurde breiter. „Jetzt verstehe ich.“
Musste sie fragen, was er verstand?
„Du bist also diese sogenannte Elfe die Lucien erwähnt hatte.“ Stieß er sich vom Baumstamm ab und kam in einer raubtierhaften Bewegung zu ihr rüber. „Jetzt verstehe ich auch, warum er so besessen darauf war, das er dich behalten wollte. Du scheinst wirklich etwas Ungewöhnliches an dich zu haben.“ Musterte er sie von oben bis unten.
Er war besessen darauf gewesen sie zu behalten? Oh, natürlich sie vergaß. Sie war ein Gegenstand der in seinem Besitz war. Also langsam ging ihr dieses Wort ‘Ungewöhnlich‘ ganz schön auf die Nerven.
„Aber das tut jetzt nichts zur Sache. Was ich von dir wissen will, ist, als dich Lucien mit in seine Höhle genommen hatte, wo hatte er dich hingebracht?“ Kam er endlich auf dem Punkt mit seiner Frage.
„In seinen Kerker.“ Und sie verkniff sich Fragen zu stellen. Jedenfalls nicht zu viele.
„Bist du alleine im Kerker gewesen?“
Leicht runzelte sie die Stirn. Wieso fragte er sie das alles? Er wusste doch mit Sicherheit was da geschehen war. „Nein. Da waren noch ein Engel und zwei Wieselgestaltenwandler.“ Blieb sie auf der Hut.
Der Drache vor ihr stieß Flüche aus und bedachte sie mit einem finsteren Blick. „Wieso willst du das alles wissen? Ist das nicht schon klar?“
„Dann stimmt es, du warst diejenige die Jesaja befreit hatte.“ Klang seine Stimme irgendwie erleichtert. Oder täuschte sie sich dabei? Aber anscheinend kannte er diesen Engel, aber er schien keinen Hass oder Wut dabei zu verspüren. War ihm diese Frau wichtig? Waren sie nicht verfeindet, so wie sie es mit eigenen Augen gesehen hatte? Als der Drache und dieser Engel in der Höhle sich gegenüber gestanden hatten?
Auch wenn es viele Fragen aufwarf, so stellte sie keine Einzige. „Ja. Dann warte ich wohl auf meine Bestrafung, anscheinend habe ich da was ins Rollen gebracht.“
„Nicht von mir, denn du hast mir dadurch einen großen Gefallen getan.“
Kurz blinzelte sie überrascht. Sie hatte was? „Einen Gefallen? Ich verstehe nicht ganz Recht.“
„Natürlich verstehst du das nicht und das musst du auch nicht. Was meine eigentliche Frage ist, was ist zwischen Lucien und Jesaja geschehen?“ Seine Stimme die kein Widerwort akzeptierte. Wollte er sie damit einschüchtern? Dann brauchte er nicht mehr viel davon anwenden, denn ihre Nackenhaare waren noch immer aufgestellt vor Anspannung und der Gefahr vorsichtig zu sein.
„Nun ja, sie waren jedenfalls nicht gerade die besten Freunde.“ Eher im Gegenteil. „Der Engel wollte sich für die Gefangenschaft bei dem Drachen rächen und wusste das es Konsequenzen haben würde. Gerade weil zwischen euch anscheinend so eine Art Waffenstillstand bestand hatte.“ Natürlich Vergangenheitsform. „Ich konnte sie schon verstehen dass sie mächtig sauer war. Sie hatte ihn angeklagt und sogar beim Mythos geschworen, das sie für die Taten des Drachen, ihn büßen lassen würde.“ Strengte sie sich an, soviel Wissen an diesem Tag des machtvollen Austausches zu erinnern. „Er würde es eines Tages bitter bereuen und sie würde sich auf diesen Tag freuen, wo er bettelnd auf dem Boden liegen würde.“ Bekam sie noch immer eine Gänsehaut, als sie an dieses Grinsen zurück dachte, dass die Frau gezeigt hatte. Es war so unheilvoll gewesen.
„Büßen wird er es mit Sicherheit.“ Knurrte Raiden grübelnd vor sich hin und fing an laut mit sich selbst zu reden. „Wenn sie nicht schon dabei sind.“
Raiden zeigte seinem Bruder keinem Mitleid gegenüber, denn er hatte es sichtlich verdient dafür bestraft zu werden. Schließlich ging es hier um seine Seelengefährtin. Jesaja
Alleine bei ihrem Namen, bekam er schon eine Gänsehaut und das Verlangen sie zu sehen, an sich reißen und dort weiter machen, wo sie zuletzt aufgehört hatten.
Jedes Mal musste er zurück denken, wo er diesem wunderschönen Engel zum ersten Mal begegnet war. Es war einer der belanglosen und langweiligen Tage gewesen, die so trostlos in seinem unendlichen Leben ein und ausgingen. Je älter er wurde, umso rastloser wurde er und das Interesse war so gut wie verschwunden. Es gab einfach nichts mehr was seine Neugierde weckte. Verständlich war es schon, wenn man bedachte, er war über dreitausend zweihundert Jahre alt, wo gab es dann die neuen Dinge, wenn einem schon alles bekannt war? Er hatte schon alles auf der Welt gesehen oder miterlebt. Nichts hatte er ausgelassen und er hatte jedes Wissen mitgenommen was er konnte. Einfach alles, aber jetzt…jetzt schien ihm alles gleichgültig geworden zu sein.
Aber dennoch, es war in einer Nacht, wie jede andere auch gewesen und der fast volle Mond stand oben am Firmament, wo sich um ihn viele leuchtende Sterne versammelten. Es war eines der klaren Nächte gewesen und die Luft so klar. In diesen Abenden genoss er es vollkommen und kostete diese unendliche Reinheit und unendliche Stille aus.
Sein Weg hatte ihn in dieser einen besonderen Nacht zu einem der seenreichen Länder gebracht, dass ziemlich an der Grenze des Gebietes der Sirenen lag. Er wusste nicht was es war, aber irgendwas hatte ihn dahin geführt, als würde ihn etwas anziehen, magisch. Aber er glaubte nicht, dass es die Sirenen waren. Diese Wesen waren zwar dafür bekannt, dass sie durch ihre singenden Klänge ihrer Stimmen einen in den Bann ziehen konnten. Sie bezauberten gerne Männer und beeinflussten sie, damit sie alles taten was sie wollten. Sie waren hinterlistige Miststücke und er kannte sie zu genüge von ihnen. Nicht das er sich einmal hatte beeinflussen lassen. Er vermied es ihnen zu begegnen.
Sirenen waren eine Mischung aus Mensch und Fisch, welche alle außergewöhnliche Naturschönheiten waren. Das konnte er nicht bestreiten. Sie wussten wie sie ihre Reize einsetzen mussten und konnten am Land tatsächlich eine vollkommene menschliche Gestalt annehmen. Oft wurden sie mit den Meerjungfrauen verwechselt. Doch...Deswegen hätte er an den Seen welche von ihnen entdecken müssen, aber dem war nicht gewesen. Erstaunlich war jetzt, Raiden sah ein Wesen von außergewöhnlicher Schönheit. Obwohl er nicht so schnell zu beeinflussen und über etwas überwältigt war, da war es der Fall. Er gab im wahrsten Sinne des Wortes zu, dass er gebannt war.
Im Augenblick scherte es ihn nicht was vor ihm stand. Er bewunderte nur ihre Schönheit, wie sie im See ein genüssliches und ausgedehntes Bad nahm. Nackt. Sie hatte eine leuchtende perlmutfarbige Haut, die der Mondschein in einem funkelnden blauen Schein erleuchten ließ. Das Wasser perlte wie Diamanten von ihrem Körper ab. Sie war die reinste und pure erotische Verführung. Ihr Körper...oh ihr Heiligen, sie war perfekt. Ihre kleinen runden Brüste voller Fülle, ihre Brustwarzen von einem dunklen Braun. Er musste es nicht am helllichten Tag sehen müssen, um die Farbe zu erkennen. Und ihr Hintern erst. Fest und und wölbend. Er wollte zupacken und sie an sich ziehen, während er sie liebkoste. Überall.
Anscheinend hatte sie ihn noch nicht bemerkt und es war seine Chance. Er würde sie nicht gehen lassen, ohne von ihr gekostet zu haben. Er wusste was das bedeuten würde, aber so eine Anziehung hatte er noch nie verspürt und der Drang sie zu nehmen. Was das bedeutete? Das konnte er nicht benennen, erst danach würde er sich Gedanken darüber machen. Erst danach wenn er sie verführt hatte.
Eine Möglichkeit, wie er ihre Aufmerksamkeit bekommen konnte, kam ihm durchaus. Sie badete gerade in seinem Element und seiner Existenz. Das würde eine Lust aller Sinne werden, er spürte es klar und deutlich…
An all das erinnerte er sich noch klar und deutlich. Als wäre es gestern gewesen. Es verfolgte ihn jede Nacht aufs neue, das ihn stets erregen ließ. Dabei war es jetzt mehr als fünfzig Jahre her, wie er sie berührt und verführt hatte. Jeden verdammten Tag war er auf der Suche nach ihr und der Versuchung verfallen sie zu finden und zu besitzen. Ihm war, nach dem zweiten Moment klar geworden, das sie ein Engel war, aber ihm fiel direkt auf, dass er nicht der Ablehnung oder Feindseligkeit erlegen war. Auch wenn er im Krieg gegen sie gekämpft hatte.
Denn der dritte Moment, je länger er nach ihr suchte, wurde ihm immer bewusster, sie war seine Seelengefährtin. Die Frau die ihm vom Schicksal vorher bestimmt war.
Je länger er in der Einsamkeit lebte, wurde ihm stets bewusster, dass er sich nie allzu große Hoffnung gemacht hatte seine Seelengefährtin zu finden. Aber sollte er sie eines Tages finden, schwor er sich, niemals sich gegen ihrem Erscheinen zu wehren. Die Sehnsucht nach seiner anderen Hälfte war zu groß geworden, als wählerisch zu sein. Es war ja nicht so, er habe nicht auch schon mit anderen Frauen verschiedener Spezies zusammen eine Nacht verbracht.
Sicher war ihm nie der Gedanke gekommen, ein Engel würde für ihm vom Schicksal vorherbestimmt sein. Gegen die Bestimmung konnte sich niemand behaupten, egal wie alt und stark einer sei.
Eins war ihm auch bewusst geworden, die süßeste Verführung dieser Engelsfrau, sie sich so heftig gegen ihn gewehrt hatte. Aber nur solange, bis er seine Verführungskunst eingesetzt hatte, mit ihr gespielt und sie mit seinem ganzen Sein berührte. Ohne sie nur einmal anzufassen. Trotz das seine Hände nicht ihren Körper spürten, so war er trotz mit dem Wasser verbunden, was auch ihm über die ganze Haut ging. Die gleiche verführerische Erregung der Streicheleinheiten, ging er mit seiner Verführung solange weiter, bis sie der Versuchung erliegen war und sich leidenschaftlich in seine Arme geschmiegt hatte.
Nie würde er die Leidenschaft zwischen ihnen vergessen oder das sie gar verblassten, denn diese Elektrizität war so übermächtig wie ein Gewitter über sie hereingebrochen. Es bestand überhaupt keine Chance zu entkommen, denn letzten Endes gaben er und sie sich der lustvollen und einzigartigen empfindsamen Begegnung hin. Beide waren sie verloren gewesen. Egal welchem Volk sie angehörten. Egal ob Frieden oder Krieg zwischen ihnen herrschte. Egal wie groß die Selbstbeherrschung war. Sie hatten sich hemmungslos und stürmisch unter einem kleinen Wasserfall im Licht des Mondschein geliebt.
Brutall wurde er aus seiner erotischen und leidenschaftlichen Erinnerung gerissen, als er eine Bewegung verspürte. Sein ganzer Körper spannte sich kampfbereit an. Nun nahm er seine Umgebung voll in seinem Unterbewusstsein wieder wahr. Wie konnte er sich so gehen lassen? Ohne einen Gedanke von Überwachung? Ihm war es vollkommen entglitten wo er sich befand und vor allem mit wem. Noch nie war er so unvorsichtig gewesen. Nicht einmal im sichersten Territorium seines Volkes oder seiner eigenen Bleibe.
Er war wütend über sich selber und könnte sich dafür selbst verurteilen. Deswegen musste er sich zusammen reißen und wieder Klarheit schaffen.
Sein trüber Blick wurde von dem Schleier befreit und bemerkte wie sich die Frau, die er mit sich gerissen hatte, um Informationen zu bekommen, sich aus dem Staub machen wollte.
„Wo soll es denn hingehen?“ Knurrte er drohend. Eine unkluge Entscheidung abzuhauen.
Die weißhaarige Frau stockte sofort und versteifte sich, drehte sich nicht um und blieb stumm. Bis sie langsam nervös wurde und mit ihren Fingern zappelig an ihrer Kleidung zupfte. Was war mit ihr denn los?
„Was soll das werden?“ Verlangte er eine Erklärung.
„Ehm...“ Fing sie an zu stammeln. „Ich...wollte dich alleine lassen.“ Wurde sie wieder etwas gefasster und sagte was sie dachte.
„Ich hatte nichts davon gesagt, dass du verschwinden sollst.“ Runzelte er grimmig seine Stirn. Sie versuchte zu flüchten, während seiner Anwesenheit. Dabei müsste ihr doch bewusst sein, dass sie ihm nicht entkommen könnte.
Irgendwie konnte sie ihn nicht anblicken und sah er etwa ein Schimmer Röte auf ihren Wangen?
„Ich will...“ Presste sie ihre Lippen fest aufeinander. Also langsam nervte es ihn sichtlich wie sie sich benahm und trotzte. „Ich wollte dich nur mit...das da...alleine lassen. Ich weiß, dass ich nicht fliehen kann. Oh Gott,...was tue ich hier?“ Wurde ihre Stimme immer rauer und heiserer, während sie mit ihrem Finger auf ihn zeigte. Danach wandte sie sich sofort von ihm ab und vergrub ihr Gesicht in ihre Handflächen.
„Was?“ Wusste er überhaupt nicht, was sie meinte und blickte an sich herunter. Er hatte doch nichts an sich haften. Dann fiel es ihn wie Schuppen von den Augen. Jetzt erst verstand er ihr Verhalten und er traute seinen Augen nicht. Ok, ihm war es nicht peinlich, aber...er stand hier tatsächlich mit einem Steifen. Kein Wunder das sie vor ihm flüchten wollte, weil sie beobachtet, oder mehr mit ansehen musste, wie er vor ihr eine Erektion bekommen hatte.
Das musste alles damit zu tun haben, als er an Jesaja zurück gedacht hatte, wo sie sich das erste Mal begegnet waren. Allein der Gedanke an diesen Engel, mit ihrem goldenen Haar, bereitete seinem Glied das größte Vergnügen sich selbstständig zu machen.
„Glaub ja nicht, dass das deinetwegen ist.“ Knurrte er sexuell frustriert auf und weil sie nicht auf falsche Gedanken kommen sollte.
„Nein, dass sah überhaupt nicht danach aus.“ Klang sie ein wenig hysterisch. „Wie würdest du dich fühlen oder denken, wenn ein Mann vor dir steht, der dich anstarrt mit glühenden Augen, der abwesend ist und einen...oh ihr Götter, ich...“ Schoss ihr noch mehr Röte ins Gesicht. Dafür das sie unter seinesgleichen aufgewachsen war, egal ob bei Culebra oder nicht, so war sie ganz schön prüde. Oder auch gar für ihre Unsterblichkeit.
Wie alt war sie eigentlich?
„Nun stell dich mal nicht so an. Ich bin ein Mann und verspüre auch keine Lust darauf einem Mann zuzugucken wie er seinen Schwanz nicht unter Kontrolle halten kann.“ Verzog er etwas das Gesicht dabei, denn dieser Gedanke war doch widerlich. Scheiß drauf, wenn es normal unter seiner Art war sich nackt zu zeigen. In einem ruhenden Zustand war es bedeutungslos, aber das Aufrichten war eine andere Sache.
Entsetzt holte die Elfe tief Luft und sie schien perplex zu sein. „Hör auf damit. Das ist nicht...“
„...witzig.“ Beendete er ihren Satz lachend. „Nun reg dich nicht auf. Es ist doch nichts passiert oder?“
„Das kann dir egal sein.“ Wirkte sie empört. „Du hast jetzt alle Informationen von mir und ich weiß nichts mehr. Also kann ich jetzt gehen? Ich würde gerne meine Erinnerungen daran auslöschen.“ Wollte sie wirklich von hier weg. Sie stellte sich wirklich an.
„Von mir aus. Ja ich bin fertig.“ Brachte er sich wieder vollkommen unter Kontrolle. Egal ob körperlich oder geistlich.
„Super.“ Wandte sie sich sofort von ihm ab und ging den Weg schnurstracks zurück.
Also diese Frau war wirklich eigenartig und irgendwie wurde er nicht aus ihr schlau, aber das musste er auch nicht. Er hatte das was er wollte und war fertig mit ihr. Er wusste nun, was er tun musste. Hoffte er.
Emmanline konnte es noch immer nicht fassen. Dieser Anblick hätte ihr erspart bleiben können. Hatten die Drachen denn überhaupt kein Schamgefühl oder Selbstbeherrschung? Obwohl sie wusste, es hatte nicht an ihr gelegen das…nun ja…als sein Körper so eine Reaktion zeigte, aber musste sie es gleich mit eigenen Augen ertragen müssen? Er schien ganz schön in einer Nostalgie gesteckt zu haben, die verdammt realistisch gewesen sein musste.
Oh, weh. Am liebsten würde sie ihre Fäuste immer wieder gegen ihre Stirn hauen, auf der Hoffnung all das aus ihrem Kopf zu vertreiben. Das war nicht das Schlimmste. Mit all dem, stieg in ihr eine alte Erinnerung auf.
Diese hatte mit einer bestimmten Person zu tun. Das geschah vor kurzer Zeit. An einem See. Der Beginn ihrer Gefangenschaft. Wie sie mit ansehen musste, wie es hautnah aussah, dass ein Mann sich so impulsiv zeigte. Ein Unterschied bestand mit dem jetzt und damals. Nicht, weil es um unbekleidet und bekleidet ging. Nein, viel mehr hatten diese glühende Blicke ihr gegolten. Von nur diesem einen Mann, der sie hier hatte zurückgelassen.
Emmanline verfluchte sich selbst, denn genau diese Bilder schossen in ihren Verstand und ließen sie erschaudern vor wohliger Wärme. Ihr Herz raste dabei wie ein wild galoppierendes Pferd, dass in freier Wildbahn war. Alles in ihr schmerzte und sie machte die Erfahrung, dass ihr etwas fehlte. Die ganze Zeit schon, aber sie war nie imstande gewesen sich damit auseinander zusetzen. Wollte es auch nicht. Doch jetzt wurde sie durch diesen schockierenden Moment genau wieder zurück katapultiert.
Das durfte alles nicht wahr sein. Sie hoffte nur, dass er es nicht mitbekam, welche Empfindungen in ihr tobten. Die Peinlichkeit war so schon groß genug.
„Weißt du was ich merkwürdig finde?“ Normalisierte sich die Stimme dieses Mannes, der ihr nun gefolgt war. Sie dankte den Göttern dafür. Es war schon traumatisch genug. Da sie aber nicht antwortete, redete er einfach weiter. „Ich stelle dir eine Frage nach der anderen die du mir beantworten sollst, aber von dir nehme ich so gut wie keine wahr. Bist du nicht neugierig?“
Sie musste nicht darüber nachdenken was sie sagen wollte. „Das Wort Neugierde trifft es nicht im Mindesten. Ich denke meine Vorgehensweise ist anders, als unzähliger anderer. Lieber sowenig Fragen wie möglich stellen. Zu viele Informationen können dich schnell einen Kopf kürzer machen. Ich schlussfolgere lieber und stelle meine eigenen Vermutungen auf. Bis jetzt bin ich damit ganz gut zurechtgekommen.“ Ging sie einfach den Weg zurück zum Schloss. „Außerdem versuche ich mich aus allem raus zuhalten. Ich versuche so gut es geht mich unsichtbar zu machen.“
„Scheint nicht sonderlich zu funktionieren.“ Amüsierte er sich anscheinend prächtig und konnte mit einer Leichtigkeit Schritt halten.
Etwas säuerlich antwortet sie. „Und wessen Schuld ist das?“ Würde sie am liebsten nervig aufstöhnen. Die Drachen konnten ganz schön zermürbend sein. Aber eins musste sie eingestehen und womit sie nicht gerechnet hätte, der Drache der sie hierher verschleppt hatte, schien sich zu einem minimalen Grad verändert zu haben, als bei ihrer Begegnung. Er hatte sogar versucht ab und zu nett zu sein. Aiden war es von vornherein gewesen und nun dieser Drache hier, der ihr folgte. Er sieht bedrohlich aus und hat eine Ausstrahlung, das einem einen eisigen Schauer über den Rücken laufen ließ, was einen dazu drängte sich irgendwo zu verstecken.
Nur während sie mit ihm sprach, schien er eine ganz andere Verhaltensweise zu zeigen. Sicher machte er es möglich zu unterdrücken, aber ihre Erfahrung mit Drachen sagten ihr, im eigenen Wesen waren sie vollkommen anders, als das Aussehen einen zeigte. Erst wollte sie es nicht sehen, doch ihr wurde es immer bewusster. Auch bei ihrem Entführer war es so. Er zeigte ein ganz anderes Wesen. Hinterher natürlich.
Doch es war alles für die Katz gewesen. Sie hatte es wirklich satt hier zu sein. Trotz dem sie hier alles hatte, was nach einem normalen Leben aussah, war es eigentlich nur ein Schein. Manchmal verspürte sie wirklich den Wunsch, lieber würde sie sich wieder in einer Höhle befinden. Ohne alles hier, woran sie sich nicht gewöhnen müsste.
Mit einer abrupten Bewegung blieb sie stehen, als sie eine wunderschöne Frau vor sich stehen sah. Nein, wunderschön war untertrieben, eher atemberaubend. Sie hatte schwarzes glänzendes Haar, das fast den Boden berührte. Leuchtende grüne Augen, die perfekt zu ihrem inneren Drachen passten. Ihre markanten weiblichen Züge, wirkten bei ihr so majestätisch. Sie strahlte eine solch hohe Persönlichkeit aus und ihr blieb wirklich die Spucke weg. Vielleicht lag es auch daran, wie diese Frau sie anstarrte. So durchbohrend und wissend, als wüsste sie schon längst was sie mit ihr anstellen wollte. Aber dann richtete sie ihren Blick auf den Mann neben ihr.
„Was hat das alles hier zu bedeuten?“ Wollte diese fremde Frau wissen. In ihren Augen jedenfalls.
„Mutter du bist wieder zurück.“ Sprach er ehrfurchtsvoll. Aber … Mutter? Na Klasse. Begegnete sie jetzt jedem seiner Familie? Langsam bereitete ihr alles Kopfschmerzen. Sie wirkten alle erdrückend.
„Was macht sie hier draußen? Hatten wir nicht ausführlich darüber mit Lucien am Tag seiner Abreise diskutiert?“ Verurteilte sie ihren Sohn.
Dann schaltete sich eine andere männliche Stimme ein. „Das war meine Schuld, Königin Rhivanna.“ Kam Aiden aus dem Nichts. Er kniete sich vor ihr mit gesenktem Kopf hin. „Bitte verzeiht mir, aber ich hatte mir vielleicht gedacht, dass ich mit ihr ab und an ein wenig spazieren gehe, damit sie sich nicht ganz so eingesperrt fühlt.“
Das hatte er ehrlich gedacht? Das überraschte sie doch jetzt etwas. Sie konnte gar nicht anders, als ihn anzustarren, welchen Blick er gespürt haben musste, denn jetzt hob er sein Gesicht und bedachte sie mit einem eigenartigen Blick. So impulsiv und durchblickend.
„Ich habe aber dafür gesorgt, dass sie niemals von uns mehr erfahren würde, als wie jetzt.“ Versprach er seiner Königin.
„Eigentlich sollte ich dich der Konsequenz aussetzen, da du dich den Befehlen widersetzt hattest, also achte das nächste Mal darauf und ziehe meinen unbändigen Zorn nicht auf dich. Wenn ich wüsste wir brauchen nicht jeden Krieger, hätte ich schon längst meiner Wut freien Lauf gelassen. Denke nächstes Mal daran, wenn du versuchst dich zu widersetzen.“ War es eine einmalige Drohung. „Deswegen werde ich dich der Aufgabe, sie im Auge zu behalten, entziehen.“
Emmanline konnte die Überraschung, oder mehr Entsetzen auf Aidens Gesicht sehen, auch, wenn sein Kopf gesenkt war. „Ich verstehe eure Rangordnungen und Gesetze, aber das finde ich etwas übertrieben ihn gleich der Aufgabe zu entziehen.“ Wieso machte sie ihren Mund auf? War sie wahnsinnig? „Aiden war klug und hat doch tatsächlich alle die sich im Schloss befanden, sich für mich unsichtbar gezeigt. Ich konnte nichts von euch in Erfahrung bringen. Das befürchtet ihr doch alle. Oder etwa nicht?“ Und wieso konnte sie nicht damit aufhören ihren Mund zu halten?
Ein kaltes Schweigen entstand zwischen allen Beteiligten, als sie sie anstarrten. Das hatte ja ganz gut funktioniert. Das zum Thema, keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Sie dachte einfach nicht nach. Kein Wunder das sie in diese neue Lage hereinspazierte, wenn sie nicht so leichtsinnig wäre. Aber sie konnte es irgendwie nicht. Am liebsten wäre sie gerne auf dem Zimmer, denn diese Stille behagte ihr keinesfalls
Doch die eigentliche Frage war doch, wieso setzte sie sich für Aiden ein?
„Du solltest deinen Mund nicht aufmachen, Elfe.“ Die Stimme der Königin eiskalt und hart. „Du kannst von Glück reden das du noch lebst und nicht schon längst irgendwo in Stücke gerissen wurdest. Allein weil du dich bei Culebra, unserem Feind, aufgehalten hattest. Niemand bestätigt uns, dass du keine Gefahr für uns bist. Dein Verstand sollte soweit gehen, dass wir keine Risiken eingehen und alle beseitigen, die zur Gefahr für uns werden. Ich verstehe nicht, was Lucien davon abhält, dass nicht gleich getan zu haben.“ Sprach sie monoton weiter.
Emmanline konnte sie wirklich verstehen und manchmal wünschte sie sich wirklich, sich einfach nur in Luft aufzulösen.
„Doch das können wir jetzt nicht mehr ändern. Auch, wenn du Schuld an dieser ganzen Misere bist. Mein Sohn wird dank deiner Schuld von den Engeln gefangen gehalten. Sie wollen Vergeltung für das was er getan hatte. Sicher, es wäre eines Tages auch so gekommen, aber nicht jetzt. Dir verdanken wir, dass ein verbaler Schlag uns zurück reißt. Auch das ist ein Grund, wie gerne sich alle auf dich stürzen wollen. Nichts meiner Verhandlungen mit dem Engel wirkt. Alles ist zum Scheitern verdammt und niemand weiß wie lange es gehen wird.“ Es wurde immer schlimmer. Sie hielt mit großer Mühe der Drachin stand.
„Warum erzählst Ihr mir das alles?“ Versuchte sie nun gleichgültig zu klingen. „Ihr hättet gleich dafür sorgen können, mich zu eliminieren. Das tut ihr doch so gerne.“ Denn nun stieg in ihr eine unbekannte Wut auf, welche ihre Augen silbrig zum Glühen brachten. „Aber sein wir doch mal realistisch. Euer Sohn hätte mich erst gar nicht gefangen nehmen dürfen. Ich mag diesen Rubin gestohlen haben, aber ohne mein Wissen.“ Zuckte sie gleichgültig mit ihren Schultern.
Ein sarkastisches Lachen stieg aus dieser Frau vor ihr auf. „Wie naiv du doch bist. Glaubst du jemand will deine Ausreden hören??“
„Nein, und das ist mir auch vollkommen egal.“ Biss sie fest auf ihre Zähne.
„Du scheinst darauf aus zu sein, dass man dir an die Kehle geht. Mir ist es vollkommen egal, was dich dazu verleitet hat. Aber du wirst für all das noch büßen. Darauf gebe ich dir mein Wort. Aber dann frage ich mich, ob meine Mühe, Geduld und Zeit dem Wert sei?“
„Wisst Ihr, …“ Schlug Emmanline einen eiskalten Ton an und ihre Augen glühten noch etwas stärker. „Ich muss nicht auf das Geschwätz von Euch oder der Anderen hören. Oder gar was ihr tut. Es ist mir egal. Von mir aus könnt ihr untergehen. Mir sollte es vielleicht Recht se …“ Bekam sie eine schallende Ohrfeige, die sie zur Seite fallen ließ. Hätte Aiden sie nicht aufgefangen, wäre sie womöglich hart auf dem Boden aufgekommen. Sie hatte aber auch eine große Kraft, denn nun fing ihre Wange an zu brennen.
Jetzt hatte Emmanline wirklich den Zorn auf sich gerichtet und ein feuerndes Inferno, loderte in den Augen der Königin auf. Sie brannte vor Wut. „Du kleines Miststück. Deine eigene Dummheit wird dir eines Tages dein Leben kosten. Dafür sorge ich. Du weißt überhaupt nicht wo du dich befindest und mit wem du dich anlegst. Du beschwörst den ganzen Zorn meines Volkes auf dich. Da wird es dir nichts mehr nützen was du erlitten hattest, denn so langsam beschleicht mich das Gefühl, das du es provozierst.“ Knurrte sie tödlich.
„Mutter es reicht jetzt.“ Kam ihr Sohn dazwischen und stellte sich vor sie, damit sie sich doch nicht in wenigen Sekunden auf die Elfe stürzte.
Emmanline kochte innerlich vor eisiger Wut, denn so wirklich konnte sie es nicht mehr ertragen. Je weiter es ging und je länger. Sie riss sich von Aiden abrupt los und wandte sich von ihm ab.
„Emman…“
„Bring mich zurück.“ Schneidet sie Aiden scharf von seinen Worten ab, während sie sich zu allen umdrehte. Vor allem zu der schwarzhaarigen Frau.
Emmanlines Augen zeigten eine eisige emotionslose Kälte und Ausdruckslosigkeit, als fürchtete sie unter ihren eigenen Gefühlen unterzugehen. In ihr tobte ein gewaltiger Orkan, der sich schmerzhaft in ihrem Körper ausbreitete und drohte aus ihr heraus zu brechen. Noch nie hatte sie solch einen Gefühlsausbruch in sich erlebt. Sie vermutete, es lag daran, dass in ihrem zweihundert siebenundachtzig jährigen Leben alles sich in ihr fest gefressen hatte. Und sie vermutete es kam jetzt dadurch zum Ausbruch, weil sie einmal erleben durfte was es bedeutete frei zu sein und sich eigenständig zu fühlen.
Alles andere um sie herum war ihr bedeutungslos vorgekommen, dass sie jetzt nicht einfach wieder zurück konnte wo sie vorher gestanden hatte. Stillschweigend und alles über sich ergehend lassend. Auch wenn sie sich geschworen hatte sich aus allem raus zuhalten und sich unsichtbar zu machen, so war es was anderes wenn sie dermaßen erdrückt wurde. Auf mündliche Äußerungen. Sie wollte sich nie wieder als ein hilfloses Opfer fühlen, welches nicht darum kämpfte. Sei es egal, was es sie kostete. Zu verlieren hatte sie nichts. Rein gar nichts. Noch nicht einmal ihr Leben.
„Tut alles wonach ihr Euch hinterher besser fühlt. Mir soll es Recht sein. Aber glaubt ja nicht, ich werde mich meiner Aussage zurückziehen oder kuschen. Schlagt oder gar foltert mich. Erniedrigt mich, aber es ändert trotzdem nichts daran, dass ich mir für euch Drachen die Strafe dafür wünsche. Egal auf welcher Seite ihr steht, denn im Grunde seid ihr alle gleich. Ich habe vor Euch keine Angst. Nicht mehr.“ Betonte sie die letzten beiden Worte besonders scharf. Gerade wehte ihr währenddessen eine kleine Brise durch ihr Haar, als wollte der Wind ihren Worten mehr Ausdruck verleihen.
„Aiden bring sie weg von hier, bevor ich mich wirklich noch vergesse.“ Bellte Raiden Aiden befehlend zu und versperrte noch immer den Weg zu seiner Mutter. Bedacht sich dazwischen zustellen, wenn seine Mutter die Vernunft verlor. Das passierte zwar selten, aber seit dem Tod seines Vaters fehlte nicht viel dazu.
Drängend packte Aiden sie und zerrte sie hinter sich her. Weg von dem Ort und der Situation.
Oben im Zimmer angekommen, war er etwas rapide und schubste sie rein und knallte die Tür lautstark hinter sich zu, dass sie sogar einmal leicht zusammen zucken musste.
„Sag mal, bist du von allen guten Geistern verlassen?“ Schrie er sie schon förmlich an. Also er war wütend. Eindeutig. „Niemand kann dich hier noch beschützen, wenn du die Königin dazu bringst dich einen Kopf kürzer zu machen.“ Baute er sich vor ihr auf, was ihr ein wenig zu nahe war. Kaum das sie einen Schritt zurück gemacht hatte, kam er einen ihr wieder nach. Das machte sie dreimal, bis er sie an den Oberarmen packt und sie an sich zerrte. Sie fest gegen seine Brust drückte und sein Gesicht in ihrem Haar vergrub.
Emmanline blieb im ersten Moment die Luft weg, danach fiel sie in eine schockartige Starre und dann kam die Besinnung. „Aiden…“ Unsicherheit schwang in ihrer Stimme mit. „Lass mich sofort los.“ Versuchte sie sich jetzt gegen ihn zu stemmen. Sie hatte keine Chance, seine Umarmung zu eisern.
„Nein, werde ich nicht. Weißt du, wie ich mich dabei fühle, Emmanline? Willst du es wissen?“
Nein, wollte sie nicht, denn das würde ihr nicht gefallen. Deswegen schüttelte sie mit ihrem Kopf.
„Schön, ich sage es dir trotzdem. Weißt du, wie wütend es mich macht, wie du dein Leben so riskierst? Verdammt wütend macht es mich, wenn ich sehe wie du dein Leben riskierst. Dabei ist es mir wichtig, dass du sicher bist. Ich bemühe mich so sehr dir zu helfen, aber kannst du nicht einmal...nur ein einziges Mal Hilfe annehmen? Nur einmal?“ Wurde seine Stimme immer verbissener und Zweifel schwangen darin mit. So hatte sie noch niemanden sprechen gehört. Ihm war die Tatsache wichtig, aber für sie lohnte es sich nicht.
„Du verschwendest deine Energie, Aiden. Lass mich los.“ Fing sie an sich in seinen Armen zu winden, aber seine Umarmung wurde nur noch fester. Es tat ihr nicht weh, reichte aber aus, um ihr die Luft abzudrücken.
„Ich kann nicht.“ Sein Atem kam in schnellen Zügen und er hob seinen Kopf, damit er sie anschauen konnte. „Ich kann nichts dagegen tun, Emmanline, aber ich fühle mich wahnsinnig zu dir hingezogen. Ich will dich und nicht an jemand anderen weitergeben. Lass mich dich aus Luciens Fängen herausholen. Ich werde alles dafür tun, aber bitte weise mich nicht so grausam zurück.“ Flehte Aiden sie an. „Ich liebe dich, Emmanline.“
Ihre Augen weiteten sich und sie wirkte sehr entsetzt. Schockiert. Nein, sie war es und so fühlte sie sich auch. Das konnte doch wohl nicht sein. Vor allem nicht sein Ernst.
Er-liebte-sie?
Das konnte nicht sein und durfte es nicht. Niemand könnte das. „Du irrst dich.“ Krächzte sie die Worte nur heraus und ihre Ungläubigkeit hinderte sie daran, klar zu denken.
„Nein, tue ich nicht. Ich liebe dich schon vom ersten Augenblick an. Auch wenn ich gebraucht habe, bis ich es bemerkt hatte. Erst richtig, als du einfach verschwunden warst. Deswegen habe ich dich überall gesucht und war schrecklich erleichtert, als ich dich hier fand. Alle Last ist mir von den Schultern gefallen.“ Sprach er wahrheitsgemäß.
Oh Gott, das durfte nicht sein. „Ich…ich kann das nicht. Hör auf damit.“ Ihr Unbehagen stieg jede Minute stets mehr und sie fühlte sich wie ein Tier in die Ecke getrieben. „Nein,…“ Wehrte sie sich weiter, gegen seine Umarmung. „Aiden…“ Wurde ihre Stimme immer leiser und erstickender.
Irgendwas musste er in ihrer Stimme wahrgenommen haben, dass er sie auch losließ und ein paar Schritte nach hinten machte. Doch zusätzlich machte sie Schritte zurück, bis sie an eine Wand anstieß. Keinen Moment ließ sie ihn aus den Augen.
„Verflucht…“ Knurrte er frustriert auf und fuhr sich durch sein helles Haar, das schulterlang war. „Bitte entschuldige…ich…“ Wischte er sich dann mit der Hand übers Gesicht, als wirke er auf einmal vollkommen erschöpft. „Ich habe nicht nachgedacht und das war unangebracht. Gerade in diesem Augenblick habe ich es ausgenutzt, aber ich konnte es nicht länger unterdrücken, Emmanline. Alles was ich gesagt und getan habe, habe ich für dich getan.“
Sie wusste einfach nicht, was sie darauf sagen sollte. Sie war vollkommen sprachlos und überfordert damit. „Aber…“ Schluckte sie. „…wie…“ Sie war einfach nur durcheinander. So schnell kam ihr Verstand nicht mit, all das zu verarbeiten. Hatte er etwa Mitleid mit ihr?
„Schau mich nicht so an, Emmanline. Wenn du jetzt denkst, ich tue das nur aus Mitleid zu dir, weil ich dich so gefunden hatte, dann muss ich dich leider enttäuschen.“ Verengten sich Aidens Augen dabei. „Es hat nichts damit zu tun. Du musst mir das glauben.“
„Ich kann…nicht. Das kommt alles vollkommen unerwartet und ich weiß nicht was ich denken soll. Das ist mir einfach zu viel, Aiden. Bitte, kannst du mich alleine lassen? Jetzt.“ Wandte sie ihren Blick von ihm ab, denn sie konnte seinem nicht mehr standhalten. Wie denn auch? Wusste er, was er da angerichtet hatte?
Aiden stand starr auf einem Fleck und starrte sie einfach nur an, bis er aufgebend seine Augen schloss. „Natürlich. Aber eins solltest du noch wissen bevor ich gehe. Ich werde dich nicht einfach gehen lassen oder dich jemanden anderen überlassen.“ Und danach verschwand er einfach, ohne sich zu verabschieden, wie er es sonst immer getan hatte.
Noch eine ganze Weile starrte sie auf die verschlossene Tür und ihre Gedanken waren das reinste Chaos, welches Aiden ihr hinterlassen hatte.
Er liebt mich? Er sagt, er liebt mich.
Diese drei Worte Ich liebe dich hallten in ihrem Kopf immer wieder und sie war sich dem Ausmaß dieser Worte und welche Gefühle dahinter steckten nicht bewusst. Am liebsten hätte sie sich jetzt gefragt, wie konnte er ihr das nur antun. Aber das überforderte sie.
Emmanline kannte diese Bedeutung nicht wirklich, da sie noch nie das vermittelt bekommen hatte. Sie wusste nicht, wie das war etwas zu lieben. Nur etwas zu schätzen. Ihr war klar, dass ihre Mutter all ihre Wärme und Zuneigung entgegen gebracht hatte wo sie nur konnte. Aber so waren doch die Mütter, die das immer taten. Oder etwa nicht?
Die drei Worte waren einfach viel mehr, als wie sie begreifen konnte. Sie hatte es einfach nie gelernt und aus diesem Grund konnte sie Aidens Empfindungen nicht nachvollziehen. Wenn sie sich für ihn entscheiden würde und über ihren eigenen Schatten springen würde, so würde sie ihn dadurch nur verletzen, weil sie mit Sicherheit nicht das geben konnte, was Aiden sich wünschte. Es wäre eine Enttäuschung nach der anderen und für niemanden wäre es akzeptabel. Das war alles schon vorher zum Scheitern verurteilt.
Schwermütig rutschte sie an der Wand runter, woran sie sich gelehnt hatte, und vergrub ihr Gesicht in ihre Hände. Es wurde ihr alles zu viel. Wenn sie einfach nur irgendwo eingesperrt wäre, ohne das jemand zu ihr kam. Wenn sie nur alleine geblieben wäre oder mehr gelassen hätten.
Was also sollte sie jetzt tun? So einfach würde sie nicht aus dieser Situation herauskommen. Nicht so, wie sie sich es vorstellte. Flüchten konnte sie nicht, dass fiel schon einmal weg. Nun blieb ihr dann nur der einzige Weg, sie musste sich damit konfrontieren. Aber irgendwie konnte und wollte sie sich dem nicht stellen. Genau deswegen musste sie etwas finden, oder mehr Gedanken machen, wie sie all das ersparen konnte. Für Aiden und sogar für sie selbst mit. Vielleicht sogar für mehr. Doch wie stellte sie das jetzt an?
Immer mehr kauerte sie sich zusammen, zog ihre Knie fest an ihrem Körper heran, schlang ihre Arme um die Beine, während sie frustriert ihren Kopf senkte und sich vergrub. Als könnte sie sich somit selbst einen Schutz bieten. Oft hatte sie so dagesessen, wenn sie in ausweglosen Situationen war. Sie wusste, dass würde sie niemals schützen, aber es gab ihr für einen Augenblick das Gefühl, als könnte sie all dem entkommen. Es war nur dieses Gefühl, welches ihr etwas Trost gab. Einfach nicht da zu sein, aus dem Leben verschwunden.
Emmanline wusste nicht wie lange sie schon so zusammengekauert dasaß, aber was tat sie hier? Sie verlor sich in Selbstmitleid. Das durfte sie nicht zulassen, hatte es sich geschworen. Sie musste stark sein.
„Ich muss einen Weg finden.“ Flüsterte sie in Gedanken zu sich selbst. Wie stellte sie das am besten an? Ihr blieb nichts anderes übrig, als alles was geschehen war noch einmal Revue passieren zu lassen. Ganz von vorne.
Es begann alles damit, dass sie diesen blutroten Rubin aus dem Hort eines Drachen gestohlen hatte, nicht wissend. Den sie durch Dummheit in einen See hatte fallen lassen. Dafür hatte der Drache sie gefangen genommen. Durch einige Konfrontationen hatten sie sich gegenseitig einen Schwur gegeben. Sie könne nicht eher gehen, bis sie ihm diesen Rubin zurückgegeben hatte und er gab ihr das Wort bei den großen Göttern, dass er sie danach gehen lassen würde. Alles nachdem sie drei weiteren aus seiner Gefangenschaft verholfen hatte zu fliehen. Genau das war die Zündschnur gewesen, die alles hier in Gang setzte. Er wird vom Engelsvolk gefangen gehalten, weil sie diesen Engel befreit hatte. Danach kam eins nach dem anderen und sie war hier gelandet.
„Ich muss einen Weg find…“ Unterbrach sie sich selbst und riss ihren Kopf hoch. Ihre Augen waren weit aufgerissen und ihr stockte der Atem. „Das ist es.“ Klang ihre Stimme heiser.
Die ganze Zeit versuchte sie Puzzelteile zusammen zusetzen, um eventuell eine Möglichkeit zu finden hier heraus zukommen. Die ganzen Monate, seit sie hier war, dachte sie Tag für Tag nach. Nie kam ihr ein Ausweg in den Sinn. Doch jetzt...alles war anders. Seit heute war alles anders und einleuchtender geworden. Heute hatte sie etwas erfahren, wo sie nur hatte Vermutungen aufstellen können und bei fast allem hatte sie richtig gelegen.
Alles lag nun klar vor ihren Augen, denn sie hatte eine Möglichkeit gefunden wie sie von hier verschwinden konnte. Sie hatte alle Möglichkeiten dazu. Wenn sie nicht jeden Tag aufs neue überlegte, dann würde sie nie darauf kommen, welche Möglichkeit ihr jetzt offen standen.
Nun ergab auch alles einen Sinn.
Sofort riss sie sich auf die Beine und wanderte im Zimmer auf und ab. „Das ist es.“ Bestätigte sie ihre eigenen Worte erneut. Doch noch ein paar Mal überdachte sie es erneut, kam aber immer auf das gleiche Endergebnis. „Wieso bin ich nicht früher darauf gekommen?“ Blieb sie vor dem Fenster stehen und starrte zum Himmel hinauf, wo leichte Wolken sich vom Wind treiben ließen, während die Sonne sie mit ihren Strahlen begleitete.
„Der Engel. Ich bin ja so dumm. Alles hatte vor meinen Augen gelegen und ich habe das Wichtigste übersehen.“ Tadelte sie sich selbst für ihres nicht Nachdenken. „Ich mag vielleicht diejenige sein die Schuld daran hat, den Engel frei gelassen zu haben, aber alles danach ging selbst seinen Weg. Dieser weibliche Engel ist die Lösung.“ Senkte sie ihren Kopf wieder grüblerisch, wobei sich ihre Stirn vor Konzentration runzelte.
Jetzt musste sie sich nur noch einfallen lassen, wie sie es am besten anstellte. Vielmehr am geschicktesten. Sie konnte nicht einfach auf gutheiße handeln und somit ihre einzige Chance verspielen um frei zu kommen.
Nach einem hin und her nahm sie Ideen auf und verwarf sie auch wieder, bis sie sich ziemlich sicher war und entschied. Sie nahm sich noch einen Augenblick der Konzentration und des Mutes. Holte noch einmal tief Luft, bevor sie anfing ihre Forderung einzufordern, welches Recht sie dazu bekommen hatte. Von einem Engel...
„Jesaja.“ Rief sie den Namen klar und deutlich aus. Obwohl es in ihr ein Unbehagen auslöste. „Hiermit fordere ich dich auf, deine Schuld zu begleichen.“ Nahm sie all ihre Kraft zusammen und stellte sich aufrecht mitten ins Zimmer und wartete. Alles um sie herum wurde still. Als hätte jemand alle Geräusche auf stumm geschaltet, nur noch ihr Herzschlag war in ihren Ohren wahrzunehmen.
Die Minuten vergingen und sie fragte sich wirklich ob sie kommen würde, ihre Schuld begleichen, als sie ihr geholfen hatte zu fliehen. Also musste sie ihr Versprechen halten und ihre Schuld begleichen. Aber was wusste sie schon von ihr? Da sie nicht vertraute, sollte sie sich vielleicht auch nicht all zu viele Hoffnungen machen. In so einer Welt wie der Mythenwelt gab es andere Gesetze, als in der sterblichen Welt, die absolut keine Ahnung hatten. Die Unendlichkeit musste Gesetze haben, denn anders war es nicht möglich sie unter Kontrolle zu behalten und die Welt und Dimensionen in ein Chaos zu stürzten.
Gerade wollte sie daran nicht mehr glauben, dass der Engel kommen würde, aber sie spürte mit einem Mal eine andere Präsenz und sie schaute vor sich, als eine schimmernde Gestalt vor ihr erschien. Etwas erstaunt starrte sie auf das materialisierte Ebenbild des Engels, welches sie kannte. In all ihrer Schönheit erschien sie vor ihr. Ihr strahlend blondes langes Haar, das geschmeidig ihren Rücken hinunterfiel und fast den Boden berührte. Ihre helle Porzellanhaut, die im hell scheinendem Licht leicht leuchtete. Die weißen Flügel etwas ausgebreitet, bis sie sich etwas zusammenfalteten. Dann ihre grünen Augen die wie die edelsten Smaragde schimmerten. Diese Frau war einfach eine unglaubliche Schönheit, von dem sie sich nicht abwenden konnte. Es war ihr Erscheinen der außergewöhnlichen Anziehungskraft. Das musste vermutlich auch der Grund sein, weswegen sich so viele in Engel verloren. Aber der Schein konnte trügen, wenn niemand genauer hinschaute und das hatte sie zuvor schon einmal getan. Sie wusste wie ihr wahres Wesen war und konnte sich auch umso besser aus diesem Bann befreien.
„Ich hätte nicht gedacht, dass du meinen Schuldenbegleich so schnell einfordern würdest.“ Klang ihre Stimme wie ein Melodiengesang. „Aber wenn ich betrachte in welcher Lage du dich befindest, könnte ich es mir doch recht gut vorstellen, dass du mich rufst.“ Blickte sie sich um und verzog leicht angewidert das Gesicht, als ihr selbst bewusst wurde, wo sie sich befand. „Ich vermute, dein Wunsch ist es von hier zu verschwinden? Ich hatte dich ja damals in der Höhle gewarnt gehabt und dich gebeten mit mir zu kommen.“
Doch darum ging es ihr nicht. Nicht in ihren Augen. „Ja das hast du, aber ich habe dich nicht deswegen gerufen um dich zu bitten mich von hier fortzubringen.“ Reckte sie entschlossen ihr Kinn, denn für das was sie jetzt sagen würde, sie würde es vermutlich auf ewig bereuen es getan zu haben. Dies war ihre Dummheit, aber wahrscheinlich auch ihre einzige Möglichkeit frei zu kommen, auch wenn es unwirklich erscheinen ließ.
Emmanline entging auch nicht der Blick des Engels, das sie verwirrt und überrascht war. Das konnte sie ihr nicht verübeln, denn sie fühlte das Gleiche.
„Wie bitte? Habe ich dich jetzt richtig verstanden? Du hast mich nicht gerufen, um dich aus dieser misslichen Lage zu befreien? Es wäre so ein großer Vorteil für dich. Ich bemerke, das sie dich hier gefangen halten, denn das ist nicht zu übersehen.“ Wurde ihr Blick ernst und das schwang auch in ihrer Stimme mit.
„Ja, ich meine es ernst. Sicher wäre es eine gute Chance für mich, dass du mich von hier fortbringst, aber das würde mir nichts nützen.“ Sagte sie stattdessen und sie wollte auch nichts genaueres erzählen. Das schien sie auch zu merken und auch nicht recht zu stören.
„Sollte mir ja egal sein. Was ist es, was ich für dich tun sol...“ Unterbrach sie sich und riss ihren Kopf zur Tür hin. Emmanline fiel auf, wie starr sie geworden war. Mit einem Schlag war sie ganz still geworden und ein erst entsetzter Blick lag auf ihrem Gesicht zur Tür gerichtet, als er sich zu einem finsteren Blick verwandelte. „Am besten du entscheidest dich schnell. Wir sind bald nicht mehr alleine. Sie haben meine Anwesenheit bemerkt.“ Drängte die Frau sie.
Ohne zu zögern gab sie ihr die Forderung. „Ich will, dass du mich zu deinen Obersten bringst, der sozusagen das Sagen bei euch hat.“
„Wie bitte?“ Runzelte der Engel mit ihrer Stirn. „Das ist was ich für dich tun soll? Eine Audienz vor den Rat der Engel beschaffen? Das ist unmöglich. So was kann ich nicht entscheiden.“
„Natürlich kannst du das nicht, aber du kannst es versuchen.“ Blieb sie entschlossen und was anderes würde sie nicht verlangen.
„Ich verstehe dich nicht.“ Das musste sie auch nicht. „Wie ich sehe, wirst du dich nicht umstimmen lassen.“ Nickte Emmanline auf die Feststellung des Engels. „Gut, aber ich kann dir nicht sofort eine Zusage geben. Das liegt nicht in meiner Macht, aber ich kann versuchen eine Audienz für dich zu bekommen. Doch das dauert ein Weilchen. Ich werde kurz vor Sonnenuntergang wieder kommen und dir mitteilen ob es dir gestattet wird vor den Rat zu treten oder nicht.“
„Versuche es einfach.“
„Ja, ich muss dann weg. Die Drachen haben meine Anwesenheit bemerkt, ich muss verschwinden.“ Und dann war sie wieder verschwunden und die ganze anziehende Präsenz war verschwunden, mit einem Schlag.
Langsam ging sie zurück zu ihrem Stammplatz, an dem Fenster, wo sie sich wieder bequem machte und aus dem Fenster starrte. Der Engel hatte Recht gehabt, keine zwei Minuten später und das Zimmer wurden gestürmt. Es war immer wieder recht seltsam anzuschauen, wie sich die Drachen verhielten.
Aiden und der Bruder ihres Entführers kamen ins Zimmer gestürmt und fraglich schaute sie die Beiden an und sie blickten sich um, aber niemand außer ihr befand sich hier in diesem Raum.
„Wer war hier gewesen, Emmanline? Ich habe eine unbekannte Energie gespürt.“ Blickte er sich mit misstrauischen und wachsamen Blick um.
„Niemand war hier gewesen. Wie sollte es auch anders sein? Ich bin hier in einem Zimmer eingesperrt, wo ich nicht raus kann und niemand Fremdes herein kann.“ Und doch hatte es der Engel geschafft, aber vermutlich nur, weil sie sie gerufen hatte. „Hier ist es so gesichert, dass es sich niemand wagt es zu versuchen.“
Nur als ihr Blick zu dem anderen Drachen hin wanderte und ihn mit einem bedachten Augenblick anschaute, wusste sie sofort, dass er wusste wer hier gewesen war. Er wusste es. Aber woher? Waren sie sich schon einmal begegnet? Das konnte nicht gut ausgegangen sein, denn etwas in seinen Augen loderte und das konnte sie nicht definieren. Aber dann. Natürlich war er diesem Engel schon einmal begegnet. Sonst hätte er sie nicht so ausgefragt oder mehr darauf beharrt, denn sein Interesse an dieser Frau schien groß zu sein.
„Hier ist niemand.“ Schaltete er sich mit tiefer Stimme ein. „Sie hat Recht, dass hier niemand so einfach eindringen kann, dafür sind unsere Maßnahmen zu groß. Niemand würde es wagen, wenn derjenige an seinem Leben hängt.“ Hart schaute er sie an und das jagte ihr einen kalten Schauer über den Rücken. Dieser Mann wusste, wie man jemand mit den Blicken durchbohrte. „Lass uns gehen. Wir haben gerade was Wichtigeres zu tun.“ Verengten sich kurz seine Augen, als würde er drohen, er habe sie im Auge. Oh, dass hatte er gewiss.
Mit einem Zögern und ohne dass sie ihr mahnende Blicke zuwarfen, verschwanden beide und ließen sie alleine zurück. Irgendwie ging das für sie zu schnell das sie aufgaben. Das machte sie misstrauisch, aber sie konnte nicht wieder zurück. Dazu war es einfach zu spät.
Stunden vergingen und sie blieb die ganze Zeit alleine, denn bis jetzt war keiner mehr bei ihr gewesen. Vielleicht war es auch besser so, denn so konnte sie den Schein etwas trügen, das nicht geschehen war, aber darauf sollte sie sich nicht verlassen. Das wäre ziemlich dumm.
Wie aus dem Nichts tauchte der Engel mitten im Zimmer wieder auf und Emmanline sprang vom Fensterbrett, wo sie sich keinen Millimeter entfernt hatte.
„Du hast die Erlaubnis bekommen. Sie wollen dich kennen lernen und sehen wer du bist und das du es geschafft hast einen Drachen zu bestehlen und ihn sogar zu überlisten. Das schafft nicht jeder so einfach. Lass uns sofort gehen.“ Beschloss sie und kam auf sie zu, wo sie eine Hand auf ihre Schulter legte und keine Zeit verlor sie hier wegzubringen.
Ein Schwindelgefühl machte sich in ihr breit, als sie eben mal von einem Ort zum anderen teleportiert wurde. Es war ihr erstes Mal gewesen und es schlug ihr doch etwas auf dem Magen. Selbst ihr Gleichgewicht wurde leicht durcheinander gebracht und sie hatte Mühe sich auf den Beinen zuhalten, als sie sich wieder materialisierten. Das ging ihr doch ein wenig zu schnell und es hatte sie unvorbereitet getroffen.
Erst nach ein paar Mal tief durchatmen, konzentrierte sie sich auf ihr Umfeld. Sie stand in einer riesigen leeren Halle. Oder viel mehr in einem kreisrunden großen Saal. Riesige weiße Steinsäulen ragten an den Seiten in die Höhe und die Decke war beim Maße ungefähr zwölf Meter hoch. Und jetzt fiel ihr erst auf, durch die Säulen konnte sie direkt nach draußen in den Himmel blicken und ein Schleier von Wolken umgab sie im Kreis herum. Da fiel ihr auch auf, es gab überhaupt keinen Weg, welcher sie von hier fortbringen könnte. Es war ein reinster eigenständiger abgeschiedener Ort. Er wirkte für sie so unerreichbar und nicht entkommbar, aber auch so unglaublich. Das war ein Ort, der niemals unerlaubt betreten werden dürfte. Dafür wirkte es heilig und es passte vollkommen zu dem Volk der Engel. Kein Wunder das solche Geschichten über sie geschrieben und erzählt wurden.
Der Boden wurde ein oder zwei Farbnuancen von den Säulen dunkler gehalten, welcher glänzte. Beinahe könnte sie sich darin wieder spiegeln sehen. In einem Kreis waren hohe Podeste, die viele Sitzmöglichkeiten boten, das in drei Reihen, wie eine Treppe. Aber ein Platz schien extra hervorgehoben zu sein und schien von den anderen getrennt. Ihre Vermutung? Dort saß der mit den höchsten Rang und der das Sagen hatte.
Das hier aber war die reinste Verhörstelle, wenn jemand als Angeklagter in dieser Mitte stehen würde. Vor allem das nicht wissend, wenn bedacht wurde, wer auf diesen einzelnen Plätze saßen. Das jagte ihr einen Schauer über den Rücken und jetzt fragte sie sich: War das wirklich eine gute Idee gewesen?
Doch nun konnte sie nicht mehr zurück. Dafür war es jetzt zu spät.
Die Zeit verging und langsam bekam sie das Gefühl, dass nichts mehr passieren würde. Das niemand erscheinen würde. Dabei hatte sie vermutet, Engel legten Wert auf Zustimmungen oder es gar einhielten. Deswegen wollte sie gerade fragen, wieso niemand erschien, aber diese Frage blieb ihr im Hals stecken, als Lichter um sie herum aufblitzen. Einmal im Kreis herum und sie bekam das Gefühl, es würde nicht mehr aufhören. Während ein Licht erleuchtete, entstand das Nächste. Aus Lichtern wurden Gestalten mit weißen Gewändern mit riesigen Flügeln, die sich an ihren Körper schmiegten und sie somit nicht behinderten. Sie konnte niemand daraus erkennen, weil sie alle in einem Kapuzengewand gekleidet waren. Ihre ganzen Gestalten waren verdeckt, aber dieses gewisse Leuchten was sie umhüllten, waren unverkennbar was sie waren. Sie spürte hohe Präsenzen von ihnen ausgehen und sie waren sehr machtvoll. Das musste dieser sogenannte Rat sein, von dem die Frau neben ihr erzählt hatte. So genau konnte sie nicht mehr zählen, so schnell wie sie erschienen, aber es waren mehr als dreißig, dachte sie.
Nur der eine und höchste Platz blieb leer. Auch nachdem alle Plätze besetzt waren, aber vielleicht war es ihr ganz recht so. Dieses Ausmaß an Mächten reichten ihr vollkommen aus.
Aus ihrem Seitenwinkel sah sie, wie der Engel neben ihr auf die Knie ging. Unschlüssig was sie tun sollte, tat sie es ihr gleich. Immerhin war sie in einem anderen Reich und damit es kein Problem gab, fügte sie sich. Aber das sollte ihr ja nicht allzu schwer fallen.
„Hoher Rat, das ist die Frau die mir zu meiner Flucht verholfen hatte.“ Senkte sie ehrfürchtig ihren Kopf und ihre Stimme klang so respektvoll, nicht wie sie sie zuvor kannte.
„Ist das so, Jesaja?“ Meldete sich eine vibrierende männliche Stimme, die wie ein einstimmender Klang war. Sie konnte nicht zuordnen woher sie unter all den Gestalten kam, aber sie wollte es auch nicht herausfinden.
„Wenn dem so ist, kannst du dich jetzt zurückziehen. Du wirst hier nicht mehr gebraucht. Deine Schuld zu dieser Frau ist beglichen.“ Schaltete sich eine weibliche hohe Stimme ein.
„Natürlich.“ Und sie verschwand augenblicklich neben ihr. Na toll, nun war sie die Einzige hier. Damit hatte sie nicht gerechnet, dass sie dem Rat alleine gegenübertreten müsste.
Ein erdrückendes Schweigen herrschte und dann noch die unzähligen Augenpaare auf sie gerichtet.
„Als Jesaja nach einem halben Jahrhundert zu uns zurückgekehrt und sie erklärte wo sie gewesen war, ist verständlich wieso sie ihren Pflichten nicht nachgehen konnte. Ein Drache der sie im Kerker gefangen hielt und sogar ihren Lichtkristall gestohlen hatte.“ Erhob sich eine Stimme, die eine hohe Priorität ausstrahlte. „Es war pure Ignoranz sich dessen Gefahr in der Umgebung nicht bewusst zu werden und sie hatte für ihren Leichtsinn gebüßt. Wir zeigen in der Hinsicht kein Erbarmen für solche Ignoranz.“ Wurde seine Stimme eiskalt und bestimmend. „Doch es berechtigt nicht die Dreistigkeit des Drachen so hinterhältig zu sein. Er hat gegen einen Pakt verstoßen, der vor zwei Jahrhunderten beschlossen wurde.“
Emmanlines Kopf war gesenkt und sie runzelte ihre Stirn. Wieso erzählte er ihr das alles?
„Du fragst dich sicherlich, wieso ich dir das erzähle. Nicht wahr?“
Erst zögerte sie. „Ja.“
Ein leises lachendes Raunen. „Dachte ich es mir. Ich…nein wir alle waren neugierig und müssen ehrlich zugeben, dass wir etwas anderes erwartet hatten, als uns Jesaja berichtete, wer sie befreit hatte.“ Anderes Stimmengemurmel klang mit ein, die als Bestätigung zustimmten. „Nicht so eine unscheinbare Elfe, aber du hast dem Drachen die Stirn geboten.“
„Was dumm von mir war.“ Schaltete sie selbst ein.
„In der Tat.“ Eine andere Frauenstimme. „Du hast dem Drachen Lucien De la Cruise etwas aus seinem Hort gestohlen. Das nennt man dumm, aber noch dümmer dort bei ihm zu bleiben. Warum?“
Warum? Warum musste sie sich bei allem und jeden deswegen immer rechtfertigen? „Das kann ich nicht sagen.“ Versuchte sie einmal Luft zu holen, damit sie weiter sprechen konnte. „Es ist etwas persönliches zwischen dem Drachen und mir. Ich muss mich vor niemanden rechtfertigen wieso, weshalb und warum ich das getan hatte.“
Dann Schweigen. Wie sie langsam anfing das zu hassen.
„Du scheinst ja ganz schön bewusst deiner Lage zu sein. Verteidigst du etwa den Drachen?“ Erklang eine neue Frauenstimme.
„Nein, dass tue ich nicht. Es sind allein meine Probleme die ich bewältigen muss, oder würdet ihr eure Probleme anderen weiterreichen, damit sie für euch erledigt werden?“ Das war doch etwas weit gegriffen von ihren Worten her, denn das könnte sie in Teufels Küche bringen, so wie sie mit ihnen sprach.
„Was fällt dir ein so m...“
„Schweig.“ Unterbrach die autoritäre Stimme diese Frau von eben. „Mutig deine Worte, aber du vergisst wo du dich befindest.“ Legte er ihr das nahe. „Doch du solltest es nicht vergessen, dass du dich nicht in einem Reich befindest, wo du frei sprechen kannst. Aber ich akzeptiere deine Entscheidung und somit kommen wir zum eigentlichen. Warum wolltest du eine Audienz vom Rat der Engel?“
Und genau darauf hatte sie gewartet. Sie konnte nicht gleich zu Anfang direkt heraus sein und musste warten. Wie er schon sagte, sie befand sich in ihrem Reich. „Ich weiß, ich habe kein Recht eine Forderung zu stellen und befinde mich auch nicht in der Lage, aber ich bitte euch, lasst den Drachen gehen.“ Hob sie jetzt ihren Kopf, denn es sollte als Beweis dienen, dass sie es vollkommen ernst meinte und nicht scherzte.
Nicht schon wieder. Stille...
Aber dann, dann Stimmen in einem durcheinander von Protesten. Die Worte, was ihr denn einfiele, welche Dreistigkeit, sie habe kein Recht Forderungen zu stellen. Wie sie es geahnt hatte.
„Das ist unmöglich.“ Schaltete sich der Obere ein. „Lucien De la Cruise hat gegen unsere Abkommen verstoßen. Wir hatten einen Waffenstillstand mit seinem Vater Raziz De la Cruise ausgehandelt und es steht auch so auf Messerschneide. Wir können es nicht hinnehmen, dass die Drachen sich alles herausnehmen können.“ Erwiderte er ihren Blick eiskalt, welches ihr einen eisigen Schauer über den Rücken laufen ließ. „Er hatte eine Wahl. Entweder büßt er seine Tat oder sein Volk müsste mit einem Krieg rechnen.“
Das war eine Wahl, wo sie wusste, für welche er sich entschieden hatte. Aber wenn sie ehrlich wäre, hätte sie ihn niemals so eingeschätzt. Sie wäre der Meinung gewesen, er würde sich vor nichts zurückziehen, aber nun sitzt er in einem der Kerker oder wer weiß sonst wo hier im Engelsreich? Also in dieser Hinsicht hatte sie ihn unterschätzt.
„Könnte es keine andere Übereinkunft geben? Ein neues Abkommen?“ Musste sie es doch noch einmal versuchen.
„Nein, den kann es nicht geben.“
„Und wie lange wird er in eurer Gefangenschaft bleiben?“
Der Mann starrte sie die ganze Zeit an, aber sein Gesicht konnte sie einfach nicht erkennen, durch die Kapuze seines Cape. „Solange wir meinen es reicht. Er bekommt seine Strafen.“
Irgendwas an diesen Worten Er bekommt seine Strafen klang für sie in einer Mehrzahl. Das würde bedeuten er würde nicht nur gefangen gehalten, sondern muss auch andere Dinge über sich ergehen lassen. Vielleicht Folter. Es sollte ihr egal sein und das tat es auch. Oder? Sie fühlte sich bei den Gedanken unbehaglich und sie hatte ein mulmiges Gefühl im Magen. Er hatte es verdient gehabt und hatte sie nicht auch einmal zu ihm gesagt gehabt, er würde seine Strafe noch bekommen?
„Ich verstehe nur nicht, warum bist du so bemüht ihn frei zubekommen?“ Fühlte sie sich unwohl, als würden diese Engel tief in sie hinein blicken.
Was sollte sie darauf antworten? Ihr Grund war einfach nur, weil sie ihre Freiheit wieder haben wollte. Aber das wäre kein effektives Argument, damit sie ihn frei ließen. Entweder ließ sie sich was einfallen oder sie gab gleich auf. Ihre Gedanken rasten schon.
Minuten vergingen, als niemand etwas sagte und sie musste es einfach weiterhin versuchen, aber dazu kam sie nicht mehr. Ein gleißender Blitz schlug direkt auf den großen Podest ein, der frei geblieben war.
Emmanline musste ihre Arme vor ihre Augen halten, damit sie nicht durch das grelle Licht erblindete, was sich jetzt schon leicht schmerzlich bemerkbar machte, weil es einfach aus dem Nichts kam. Als das Licht langsam erlosch, riskierte sie einen Blick und sie wusste nicht warum alle unsterblichen Geschöpfe so unglaublich hübsch waren. Aber diese Gestalt die da oben auf der Anhöhe stand, war unbeschreiblich schön. Eine Frau…
Sie ist eine strahlende Schönheit, ihre hohe schlanke Figur wirkte grazil, welches seidige hellblaue halb durchsichtige Gewand sich ihrem Körper geschmeidig anpasste. Ihre leuchtenden goldenen Augen waren leicht schräg gelegt und das exotische spiegelte sich in ihrem Gesicht wieder. Die Haut leicht bräunlich. Ihr Haar das zu einem geflochtenen Zopf über ihrer Schulter lag. Die Haarfarbe konnte sie von ihr nicht genau deuten. Von einem Augenblick schimmerte es weißblond und dann wieder ein helleres blau, wie ihr Gewand. Als hätte ihr Haar ein eigenes Leben. Nichts an dem sie sah, wirkte wie ein Engel, trotz ihrer großen Flügel, die halb ausgebreitet waren. Aber…
„Verschwindet. Alle zusammen.“ Aber ihre Stimme war umso hypnotisierender und gefährlicher. Das entsprach überhaupt nicht ihrem Erscheinen, aber je mehr sie in ihren Augen blickte, die ihr genauso zurückschauten, steckte ein hohes Wissen und Erkenntnis.
Alter darin. Dinge die ihr Leben geprägt haben mussten.
„Göttin Seferati.“ Standen alle Beteiligten um sie herum auf und verneigten sich sofort respektvoll vor ihr und sprachen ehrfürchtige Worte gegenüber dieser Frau. Doch Emmanline konnte überhaupt nichts machen. Konnte nicht aufstehen, da sie noch immer auf dem Boden kniete und sie konnte einfach nicht ihren Blick von ihr abwenden, sowie anscheinbar die Frau auch nicht von ihr.
„Ich hatte augenblicklich gesagt, ihr sollt verschwinden.“ Befahl sie erneut, nur diesmal etwas gnadenloser. Sie schienen alle nun zu gehorchen, als befürchteten sie, die Frau würde alle deshalb bestrafen, wenn sie nicht gehorchten. Daran hatte sie keine Zweifel, dass sie es nicht tun würde.
„Ja Herrin.“ Alle verschwanden nacheinander.
Emmanline schaute sich im Kreis um. Und was war nun mit ihr? Sie kam nicht einfach von hier weg. Was würde sie mit ihr jetzt machen?
„Ich kann es nicht fassen.“ Schwang in dem Klang ihrer Stimme was Unglaubwürdiges und Hoffendes mit. Stirnrunzelnd drehte sie ihren Kopf zu ihr um und dieses leuchten in ihren Augen war, als würde sie…als würde sie einen Geist sehen? „Ich traue wirklich meinen Augen nicht.“ Kam sie entrüstet eine Treppe hinunter gestiegen, die an der Seite vom Podest war.
Langsam wurde es ihr auch etwas merkwürdig und auch nicht geheuer. Als wäre sie etwas…dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen.
„Ihr wisst es.“ Wusste sie nicht, ob sie entsetzt sein sollte oder mehr überrascht. „Ihr wisst was ich bin.“ Sie war mehr geschockt als alles andere.
„Ja das tue ich, mein Mädchen.“ Lächelte sie breit und blieb einen Meter vor ihr stehen. Leicht berührte sie ihr weißes Haar und betrachtet es. „Dieses schneeweiße Haar.“ Hauchte sie, während sie dann in ihre Augen schaute. „Und dann diese Augen. Wie das reinste edelste Silber. So was gibt es nur als Einzigartigkeit.“ Wurde sie immer erfreuter und konnte sich kaum bremsen. „Du bist eine von Ihnen.“
Ihr Unbehagen stieg von jeder Sekunde mehr. Das durfte nicht sein. Niemand durfte wissen was sie war und niemand dürfte es wissen. „Woher?“
„Oh, mein Liebes. Du musst keine Angst vor mir haben. Dir wird nichts geschehen. Ich bin die Göttin Seferati und ich lebe nun schon solange wie die Zeit auf dieser Erde weilt.“ Schien sie sehr amüsiert darauf zu sein und umrundete sie. „Da habe ich schon vieles kommen und gehen sehen. Doch nie hätte ich gehofft, dass es von deinem Volk noch Überlebende gibt.“ Konnte sie einfach nicht aufhören sie wie ein seltenes Relikt zu bewundern.
„Bedeutet das, es gibt niemanden mehr der so ist, wie ich?“ Bekam sie diese Frage kaum ausgesprochen. Sie wusste stets was sie war und das war ihr Wesen nun einmal, aber nie hätte sie die Frage ausgesprochen, gäbe es denn noch andere wie sie? Noch nicht einmal gedacht wollte sie die Frage stellen. Doch jetzt stand jemand vor ihr die ihresgleichen kannte. Nur diese Antwort graute ihr schon, weil das Gefühl nichts gutem bedeutete.
Einen Moment lang schaute sie sie nur an und schüttelte mit ihrem Kopf. „Es tut mir leid, Kleines, aber diese Frage kann ich dir nicht beantworten. Seit über Tausenden von Jahren habe ich keine mehr von deiner Art gesehen. Deswegen bin so aus der Fassung geraten. Du magst kein reines Blut haben, aber es steckt mehr in dir, als der Anschein es annimmt. Es besteht kein Zweifel. Oh Liebes, du bist etwas seltenes und einzigartiges.“
Emmanline wusste das sie von sich aus alleine war, aber die Einzige ihrer Art zu sein, versetzte sie noch in größere Einsamkeit, als sie es zuvor verspürt hatte. Sie war nicht nur alleine von Personen herum die ihr wichtig waren und umgekehrt. Nein, sie war nun auch allein was ihr Volk betraf. Immer hatte sie gehofft noch andere zu finden, die so wie sie waren, aber das wurde hiermit in tausende Scherben zerschlagen, ihre Hoffnung.
„Ich weiß, dass mag endgültig klingen, aber das muss es nicht. Vor dir hätte ich nie den Glauben daran gehofft, aber wer sagt, dass es nicht doch noch welche wie dich gibt.“ Doch sie wusste es besser.
„Wenn ihr so alt wie die Zeit seid und es niemand mehr aus meinem Volk gibt, woher soll ich die Gewissheit und Hoffnung nehmen? Allein wenn ihr es mir sagt. Eigentlich hatte ich mir nie die Hoffnung gemacht daran zu glauben es gäbe noch andere wie mich. Vermutlich habt ihr mehr Ahnung von meinesgleichen als ich. Denn ich weiß nichts.“ Das war schon schlimm genug. Eher enttäuschend. Sie trug zwei verschiedenes Blut in sich und keines der beiden Völker kannte sie. Ihre Mutter konnte sie wohl kaum dazurechnen.
„Irgendjemand hat dich im verborgenem gehalten, sonst hätte ich vermutlich dich spüren können.“ Wenn sie wüsste. „Wo sind deine Eltern? Wer war dein Elternteil, die ein...“
„Meine Mutter.“ Unterbrach sie die Frau und reckte ihr Kinn vor. „Aber das spielt keine Rolle.“ Denn sie wollte nicht über ihre Mutter reden. Das schien der Engel auch zu merken, denn sie fragte darüber nicht weiter nach.
„Ich hatte vernommen, dass du eines meiner Kinder gerettet hattest. Dafür danke ich dir. Es war auch sehr mutig und dumm hier einfach schutzlos aufzutauchen, aber ich bin auch gleichzeitig erfreut.“ Schien sie es noch immer nicht fassen zu können. „Ich habe alles gehört was du mit meinem Rat besprochen hast und du verlangst wirklich die Freiheit des Drachens, der dich gefangen hält?“
Für ein paar Sekunden richtete sie ihren Blick auf den Boden. „Ja das tue ich.“ Was noch immer dumm war. „Ich weiß, dass es unglaubwürdig und dumm ist, aber ich habe meine eigenen Gründe, die ich euch nicht verraten kann. Es ist eine Sache zwischen mir und ihm, weshalb ich andere nicht mit hineinziehen will. Ich bürde meine Probleme keinen anderen auf, denn dafür muss ich gerade stehen.“ Warf sie weiter ein. „Sagt mir nur, was ich tun kann. Wie kann ich euch überzeugen ihn frei zulassen?“
Die Göttin schaute sie schweigend an. Sekunden lang, vielleicht auch Minuten. „Das ist keine so einfache Sache.“ Das wusste sie selbst sehr gut, dass es dies nicht war. „Was ich verlangen könnte, darauf würdest du nicht eingehen. Das ich im Tausch ihn frei lasse, aber du hier bleibst. Für deine Sicherheit. Aber ich sehe selbst, dass du nie zustimmen wirst.“
„Nein, tut mir leid.“
„Das muss dir nicht leid tun. Das ist deine Entscheidung. Aber was würdest du bieten oder vorschlagen?“ Fragte die Frau stattdessen.
Nun sollte ihr schleunigst was einfallen. Vielleicht überzeugende Argumente hervor bringen.
Lucien hatte schon jegliches Zeitgefühl verloren, seit er in den Kerker der Engel geworfen wurde. An einer Mauer angekettet wie ein räudiges Tier. Es waren mit Sicherheit Monate, aber wie viele?
Als er mit Raiden zu diesem Treffen vor dem Rat erschienen war, so hatte er doch tatsächlich die Ehre bekommen, der Gebieterin Seferati zu begegnen. Sofern es als Ehre zu bezeichnen war, denn eine Begegnung war nicht gerade das was er wollte. Sie war eine Göttin und zugleich der Seraphim. Der oberste Rang der Engel, die über das Himmelvolk regierte.
Er hatte schon einiges von ihr gehört. Sie war so alt wie die Zeit und niemand wusste welche Macht sie wirklich besaß. Sie allein hat das Engelsvolk erschaffen. Ihr eigenes Volk, aber für Götter war es nicht selten das sie sich ihr eigenes Reich mit Untertanen schafften.
Götter gab es überall auf der ganzen Welt, in anderen Dimensionen und auf anderen Ebenen. Überall existierten sie. Wer weiß wie viele es gab, aber wenn er ehrlich war, wollte er es auch nicht wissen. Jeder der genug Verstand besaß, sollte sich nicht mit Göttern anlegen, denn ihren Zorn hatte bisher jeder zu spüren bekommen, der versuchte etwas Dummes zu tun. Daran waren schon Tausende oder gar Millionen gescheitert und gestorben. Irgendwann sollte einer sich als klug erweisen, denn es würde nur hervorrufen, dass ein ganzes Volk ausgelöscht werden könnte. Und das kam zu häufig vor. Früher mehr als heute. Aber trotzdem gab es heute noch immer Idioten die dachten, sie könnten Götter bezwingen und töten. Nicht einmal alle Spektren von Mythenwesen könnten vereint gegen sie gewinnen. Es gab unzählige Gründe wieso es nie klappen würde. Es war zwar schwer Götter anzugreifen und zu töten, aber jeder wusste, es war nicht unmöglich sie zu töten. Jede auf ihre eigene Art.
Zum einem Mal gab es viele Völker die friedlich waren und nicht kämpften. Viele fürchteten sich. Andere hatten nicht die Kraft dazu, was auch gegen ihre Natur entsprach. Dann gab es noch, dass viele die Götter verehrten und dieses Heiligtum und der Respekt hinderte sie daran. Zum Schluss aber, würden niemals alle in der Mythenwelt sich miteinander verbünden. Sie alle könnten niemals eine Übereinkunft finden, ohne das es vorher schon Mord und Totschlag geben würde. Viele Völker waren bis zum tiefsten Hass und Blut miteinander verfeindet. Jeder würde jeden ein Schwert in den Rücken rammen, der nicht zu sich selbst gehörte. Genau das ist der Grund, warum sie nicht einen Hauch einer Chance hätten. Sie vernichteten sich schon alle vorher, bevor der Krieg gegen die Götter erst begann.
Aber vielleicht war es auch ganz gut so, das sie keine Chance gegen diese alten Mächte hatten und er fand es auch nicht ganz verkehrt, was so war. Die Götter mischten sich, soweit er kannte, sich nicht in die Angelegenheiten anderer Völker ein. Sie erschienen nur, wenn es wichtige Gründe dazu gab oder wenn ihr eigenes Volk gefährlich bedroht wurde.
Deswegen war es auch seine Frage, wieso erschien die Göttin Seferati vor ihm? Er hatte ihr niemals einen Grund geboten solch eine starke Bedrohung zu werden, ein so starkes Volk anzugreifen. Drachen und Engel waren mächtig, aber auch unglaublich gewandt zu wissen was klug und dumm war. Trotz der Kriege. Deswegen, also was war dieser Grund?
Diese Frage ließ er in vielen Gedankengängen immer wieder durchspielen, um einen plausiblen Grund zu bekommen. Aber fluchend und knurrend gab er es immer wieder auf. Er konnte sich keinen Reim daraus machen. Außerdem konnte er kaum seine Gedanken lange genug konzentrieren, wenn er stets abgelenkt wurde. Dauernd kamen Engelswächter zu ihm und forderten seine Buße, indem sie ihn verhöhnten. Er müsste sich so was nicht bieten lassen, könnte sich jederzeit zur Wehr setzen, auch wenn es danach seinen Tod bedeuten würde. Es war eine Schmach und Schande, aber er hatte sich der Forderung und des Schuldenbegleich zugestimmt.
Alles nur, weil er dumm war und nicht nachgedacht hatte, einen Engel in seinen Kerker zu werfen. Wenn diese…Und genau jetzt lenkten sich seine Gedanken wieder zu der Elfe hin, die auf ihn wartete. In seinen Gemächern. Er hatte ihr gesagt, er würde so schnell wie möglich wiederkehren und er hatte auch schon irgendwie geahnt, dass das nicht so ablief, wie er es vorgehabt hatte.
Lucien hatte Vorschläge aufgetan um zu erreichen, dass er für seine Tat bezahlt, während er bei seinem Volk war. Er hatte ihnen einiges angeboten, selbst Raiden, aber sie blieben bei ihrer Meinung und Sturheit, das sie ihn in einen Kerker warfen. Auf unbestimmte Zeit.
Es wäre für ihn wirklich kein Problem zu flüchten, aber sollte er das tun, würde weitaus schlimmeres passieren. Sein ganzes Volk wäre davon betroffen. Klar dadurch wäre es zu einem Krieg unter ihnen gekommen, aber er konnte nicht der alleinige Grund dafür und verantwortlich sein, wenn sein Volk litt und in Angst lebte.
Das ganze Ausmaß dieser Gefangenschaft und Behandlung könnte zu einem ziemlich großen Problem werden. Lucien war der rechtmäßige Herrscher der Drachen und er saß nun hier im Kerker. Das würde sein Volk nicht lange auf sich sitzen lassen. Er wusste auch das seine Mutter dem Rat einige Vorenthaltungen gemacht hatte. Versuchte mit ihnen zu handeln, aber anscheinend war es noch nicht mit Erfolg gekrönt. Er musste hieraus kommen. Nicht mehr lange und ein Krieg würde ausbrechen. Selbst die Geduld der Drachen war irgendwann zu Ende.
Wenn nur nicht diese Elfe gewesen wäre. Emmanline war dafür verantwortlich das er nun hier saß und versauern musste. Wer weiß wie lange. Er dachte oft darüber nach was er mit ihr anstellte und wollte sie…ja was? Er wollte sie tatsächlich in seine Arme reißen und dort weiter machen, wo er stets unterbrochen wurde. Je länger er von ihr entfernt war, umso verlangender wurde es wieder zu ihr zurück zukehren. Es irritierte ihn und es machte ihn zugleich wütend, dass er so drängend zu ihr wollte.
Sein Drache in ihm streifte unruhig umher und würde alles anstellen um zurück zukehren. Doch diese Stahlketten, die so dick wie seine Oberarme waren, hinderten ihn daran. Die Kette war einbetoniert. Es wäre kein Hindernis sie aus der Wand zu reißen, wenn sie nicht mit einem zusätzlichen Zauber versehen worden wären. Er hatte es schon hunderte Male versucht und nichts als blutige Handgelenke war das Endergebnis für seine kläglichen Versuche. Oft verfiel er dadurch in Raserei und brüllte solange, bis die Gemäuer erzitterten.
Verdammt sollte alles sein.
Mit einem Mal hörte er ein Klicken und die Tür öffnete sich. Sein Kopf erhob sich Mühsam und starrte wutentbrannt die beiden Wächter an, die auf ihm zutraten. Vier weitere standen an der Tür. Alle mit einem angewiderten Blick, den sie ihm zuwarfen. Die zwei Wächter fingen an seine Ketten zu lösen, um gleich darauf Handfesseln um seine Handgelenke an zulegen. Natürlich mit einem Zauber versehen.
„Was habt ihr vor?“ Knurrte Lucien sie an.
„Uns wurde befohlen dich zum Ratssaal zu bringen.“ Antwortete einer mit einer monotonen Stimme.
Misstrauen wuchs in ihm. „Warum?“ Doch es antwortete ihm niemand. Egal wie oft er nachfragte.
Zwei packten ihn und schliffen ihn die Gänge entlang, die trist waren. Die vier anderen Wächter liefen hinter ihnen und waren dazu da, damit sie ihn sofort niederstreckten, sollte er versuchen zu entkommen. Was ging hier nur vor sich? Doch vor allem, was hatten sie mit ihm vor? Oder viel mehr, wer war es?
Die Wächter führten ihn wieder, oder viel mehr teleportierten sie ihn in den Saal zurück, wo er verurteilt wurde. Sofort wurde er auf die Knie gestoßen und kam knallend auf dem harten Boden auf. Er knurrte gefährlich und versuchte sich von ihnen zu entreißen.
„Herrin. Hier ist der Gefangene wie ihr befohlen habt.“ Sprach einer ehrfürchtig, aber alle verbeugten sich. Wonach sie gleich wieder verschwanden.
Da erst erhob er seinen Kopf und schaute sich um. Niemand saß auf den Plätzen. Der Ratssaal war leer. Bis auf eine einzige Person, die mit dem Rücken zu ihm gekehrt dastand.
„Ich mit meinen über dreitausend Jahren auf dem Buckel fühle mich doch gleich noch mehr geschmeichelt die Göttin Seferati innerhalb von so kurzer Zeit noch einmal zu begegnen. Wie komme ich nur zu dieser Ehre?“ Konnte er sich diesen Kommentar einfach nicht verkneifen und leichte Belustigung schwang darin mit.
„Du bist noch immer ein Narr, Lucien De la Cruise.“ Lachte sie leicht höhnisch auf und drehte sich seitlich zu ihm um. „Dabei hätte ich gedacht, deine Vernunft und Klugheit würde nun lehrreicher geworden sein, nachdem ich dich in eines meiner Kerker hab werfen lassen.“
„Meine Dankbarkeit scheint sich in Grenzen zu halten. Nichts für ungut, aber ich bevorzuge doch lieber die Freiheit.“ Kommentierte er es wieder.
„Du solltest aufpassen, mein Lieber. Dein Vater hatte mehr Courage gezeigt und Einverständnis. Und du sollst eines Tages dein Volk regieren?“ Schnaubte sie einmal missbilligend auf. „Dann solltest du eine Menge Veränderungen an dir vornehmen. Mehr Kompromisse schließen und wirklich deinen Kopf anstrengen, wenn du nicht willst, dass bekriegen die Folge dafür ist. Du solltest weiträumiger denken.“ Denn es war unbegreiflich.
Lucien knurrte. „Lass meinen Vater daraus. Ich habe eben meine anderen Ansichtsweisen und Vorgehensweisen.“
„Ja die hast du wahrhaftig. Doch du solltest dich glücklich schätzen.“ Wurde ihr Lächeln messerscharf und ihre Augen verengten sich leicht dabei.
Nur er verstand nicht recht. Wieso sollte er sich glücklich schätzen? Weil er hier gefangen war? Das er nicht lache. „Und wieso sollte ich das?“
„Ich zeige Gnade.“
„Gnade? Davon sehe ich in der Zeit, wo ich hier bin, nicht gerade viel. Ihr wisst selbst, je länger ihr mich hier gefangen haltet, desto wütender und kampfbereiter wird mein Volk werden. Sie werden sich für einen Krieg bewaffnen und das Himmelreich angreifen. Ohne Gnade.“ Sprach er rein rational. „Sie wollen meine Freiheit, denn ich bin der Einzige der das Drachenvolk anführen kann. Es ist meine Bestimmung, nachdem mein Vater getötet wurde.“ Sprach Wut aus seiner Stimme.
„Das ist mir durchaus bewusst und sollte es dazu kommen, weißt du genauso gut wie ich, dass wir kein Erbarmen zeigen und uns wie Heuschrecken auf euch stürzen würden.“ Drohte sie ihm und er sollte Acht darauf geben und die Warnung annehmen. „Unsere Völker sind mächtig und stolz. Genau aus diesem Grund wird keiner der beiden Seiten aufgeben. Nicht solange bis der Letzte vernichtet ist. Und das sind keine leeren Drohungen. Als ich dieses Volk erschaffen habe, da beschloss ich mich nicht einzumischen. Denn ich wollte, dass sie eigenständig handelten. Ich mische mich nur in bestimmten Lagen ein und zeige mich, damit sie Ehrfurcht vor mir haben und wissen wer hier die Göttin ist, die die Macht besitzt.“ Zeigte sie keinerlei Regung.
Fest biss er sich auf seine Zähne und sein Blick glühte vor unbändigem Zorn. Sie hatte Recht und er musste es sich eingestehen. Götter mischten sich soweit nie ein. Sei denn, es forderte Situationen wo es angebracht war. Die Götter könnten mit Leichtigkeit viele Völker auslöschen, aber dadurch würde das Gleichgewicht der Mythenwelt durcheinander gebracht. Doch es hieß noch lange nicht, dass sie Bestrafungen geben konnten. Viele dachten, die Götter seien die Beschützer dieses Planeten und behielten das Gleichgewicht in den Augen. Vielleicht stimmte es auch.
„Ich werde dich freilassen, Lucien De la Cruise.“ Wurde er prompt aus seinen Gedanken gerissen und war verwirrt.
„Was?“ Brachte er dieses eine Wort gerade noch so heraus. Hatte er sich da eben verhört?
„Du hast dich nicht verhört. Ich werde dich gehen lassen. Aber nur unter Bedingungen.“
Das war klar gewesen. Was waren das für Bedingungen? „Und die wären?“ Blickte er sie misstrauisch an. Wenn er was wusste, dann vertraue niemals einem Gott. Sie spielten nicht wirklich mit fairen Mitteln.
„Jemand hat mich an etwas erinnert und ich muss sagen, in meinem unendlichen Dasein vergisst einer vieles.“ Jemand? „Diese Erinnerungen hatten mich tatsächlich zum Nachdenken gebracht. Denn dieser Jemand verlangte deine Freilassung.“ Lachte sie auf, als wäre es ein schlechter Witz.
Dabei versuchte seine Familie nach seiner Freilassung zu verlangen. Aber er wusste, seine Familie war es nicht. Deswegen wollte er gerade fragen wer das denn sein sollte, als ihm plötzlich ein Geruch in die Nase stieg, der ihm so vertraut war, als würde er ihn schon eine Ewigkeit kennen. Auch wenn es nicht wahr war. Wieso hatte er es nicht schon früher gespürt oder ihren besonderen Geruch wahrgenommen?
Sonniges erfüllte die Luft und erfüllte sein ganzes Sein. Es hüllte ihn mit Wärme ein, dass seinen Drachen in ihm aalen ließ. Als würde er sich genüsslich in der Sonne faulenzte. Der frühe Morgen.
„Das kann nicht sein.“ Stockte sein Atem, sein Herz fing leicht schneller anzuschlagen und seine Augen strahlten Ungläubigkeit aus. Das konnte einfach nicht wahr sein. Doch es war wahr, denn genau in diesem Moment tauchte diese unglaublich faszinierende Frau hinter der Göttin auf. „Emmanline?“ Brachte er krächzend ihren Namen heraus. Aber wie?
Emmanline schaute ihn ausdruckslos und musternd an. Sie war es wirklich, wahrhaftig. Ihr schneeweißes Haar fiel in Wellen über Schulter und Rücken, ihre Augen leicht silbrig leuchtend. Ihre grazile, anmutige und feminine Seite, dass durch ihre enge Kleidung sich ihren Körper anschmiegte und alles noch grandioser wirken ließ. Sie wirkte noch schöner als er sie in Erinnerungen hatte. Danach hatte er sich verzerrt. Sie endlich wiederzusehen. In ihrem ganzen Erscheinen. Ihr schmales Gesicht mit diesen unglaublichen bannenden Augen, das ihn in die Tiefe eines silbrigen Meers versinken ließ.
Wie konnte er sich nur einbilden sich an all das erinnern zu können, wie er sie zuletzt gesehen hatte? War sie etwa noch schöner geworden? „Was tust du hier?“ Kam endlich die Frage heraus. Er wollte zu ihr, aber irgendwie konnte er sich nicht rühren. Er war unfähig aufzustehen. Kurz schweifte sein Blick zur Göttin hin und er wusste, dass er ihn mental fest hielt. Sofort aber richtete er seinen Blick auf sie zurück. Er wollte sie nicht aus den Augen verlieren. Zu schade irgendwas zu verpassen. Wieso hatte sie nur so eine große Anziehungskraft auf ihn?
Emmanline traute ihren Augen nicht, als sie ihn erblickte. Sie versuchte sich gefasst und ungerührt zu verhalten, als sie sah wie er in Handketten gelegt war. Es war was Natürliches, wenn sich jemand in einer Gefangenschaft befindet, aber irgendwas ließ sie in Aufruhr bringen.
Dabei konnte sie es noch immer nicht glauben, die Chance überhaupt erreicht zu haben, diesen Drachen frei zubekommen. Seine Präsenz hatte sie sofort wahrgenommen, als er in diesem großen Saal auftauchte. Ihr Körper spannte sich erwartungsvoll an und ein Prickeln ging ihr über die Haut, das sich alle Härchen aufstellten. Eine Gänsehaut war das Ergebnis gewesen oder noch immer. Die ganze Zeit hatte die Göttin ihre Gestalt verborgen und sie konnte auch ihn nicht sehen. Doch sie wollte ihn sehen und konnte nicht anders als hinter der großen schönen Frau aufzutauchen, die sie mindestens zwei Köpfe überragte.
Es verschlug ihr noch immer den Atem. Am liebsten wäre sie zu ihm gegangen, aber was sollte das? War sie wahnsinnig geworden? Solche Sehnsucht hatte sie nun wirklich nicht gehabt. Oder doch? Nein, dass stimmte nicht. Sie war auf ihre eigenen Ansichten aus.
Aber seine Augen loderten regelrecht von seinem inneren Feuer, dass sie zu verschlingen drohte. Er fokussierte sie so sehr, dass es ihr den Atem verschlug. Sie konnte sich einfach nicht von seinem Blick lösen. Noch immer fühlte sie sich bei seiner Anwesenheit unwohl, aber es ließ sie vor Erwartung erzittern. Wieso fühlte sie sich so?
„Hatte ich nicht eben erwähnt, jemand verlangte nach deiner Freilassung?“ Warf die Göttin ein, die anscheinend nicht gerne etwas zweimal wiederholte.
Auf einmal blitzte etwas Unberechenbares in seinen Augen auf, während er sie weiter musterte. „Dann frage ich mich doch gleich, warum? Wenn ich mich nicht recht entsinne, war sie ziemlich froh mich losgeworden zu sein. Ich glaube nicht wirklich daran das sie dazu imstande wäre. Nichts für ungut, Süße, aber ich kann mir keinen Reim daraus machen. Dabei meintest du einmal, dir wäre es im wahrsten Sinne des Wortes scheißegal was mit mir oder meinem Volk geschehe.“ Blickte er sie an, als hätte sie ihn hintergangen.
Sie wusste überhaupt nicht was sie sagen sollte oder gar reagieren. Irgendwie bereute sie es gerade mächtig darum gebeten und eingesetzt zu haben ihn zu befreien. Jetzt fühlte sie sich erst recht schlecht und irgendwo tief in ihr drinnen traf es sie. Er war wütend und dachte sie hätte ihn hintergangen. Dazu hatte er überhaupt kein Recht und sie hier zu verurteilen. Oder dachte er genauso, sie wäre schuld daran dass er hier fest saß?
Endlich konnte sie ihren Blick von ihm abwenden und sich der Göttin widmen. Irgendwie ertrug sie es hier nicht mehr. „Könnt ihr mich bitte dorthin zurück bringen, wo ich herkam?“ Bat sie. Es war unmöglich und irgendwas musste die Frau in ihren Augen gesehen haben damit sie einwilligte. Kaum darauf verschwand sie und tauchte dort wieder auf, wo sie zuletzt gestanden hatte. Mitten im Zimmer dieses Drachen.
Emmanline wollte gerade erleichtert aufseufzen, weil sie sich erleichtert fühlte den Drachen nicht mehr in ihrer Gegenwart zu spüren, als bedrohliches Knurren die Stille durchbrach. Sofort riss sie ihre Aufmerksamkeit durch den Raum wandern, als eine hohe Gestalt vor ihr auftauchte. Es war so unerwartet, dass sie nicht die Möglichkeit hatte zurück zu weichen.
Jemand packte sie fest im Nacken und zog sie nahe an sich heran, sodass die Augen auf gleicher Höhe waren. Goldene brennende Augen starrten sie voller Wut an und sie wollte schlagartig davor flüchten. Doch sie riss sich zusammen es nicht zu tun, denn das würde diesen Mann und Drache nur noch wütender machen. Geschweige würde sie nicht aus seinem Griff raus kommen können.
„Wo warst du gewesen?“ Befahl er ihr lautstark und da erkannte sie, wer vor ihr stand. Es war der Bruder des Drachens, der sie vor Stunden in den Wald geschleppt hatte, damit sie redete. Nur sie brachte kein einziges Wort über ihre Lippen. „Ich habe dich etwas gefragt.“ Brüllte er ihr schon fast ins Gesicht
„Einen kurzen Ausflug?“ Bracht sie etwas unsicher über ihre Lippen.
„Ausflug?“ Brach er schallend und höhnisch ein Lachen über seine Lippen. „Halte mich nicht zum Narren. Ich rieche Engelsgestank an dir und...“ Unterbrach er sich kurz selbst. „...Jesaja.“ Flüsterte er ihren Namen heiser und rau aus. „Also sprich.“ Wurde sein Griff etwas fester und fordernder. Seine Geduld schien nahe an seiner Grenze von Wutausbruch zu stehen.
Doch sie konnte noch immer nichts sagen, außer ihn anstarren.
Lucien brüllte auf, als die Elfe vor seinen Augen verschwand. Etwas hatte er an ihr gesehen, was wie Enttäuschung aussah. Aber genau konnte er nicht sagen ob es stimmte. Nun aber war sie einfach verschwunden, weg. Sie hatte die Göttin darum gebeten sie dort zurück zu bringen, wo sie hergekommen war. Aber wohin?
Nervosität machte sich in ihn breit und er wollte zu ihr. Sie suchen und um sich haben. „Lass mich frei.“ Fauchte er grollend und wehrte sich in seinen Ketten.
„Wie dumm du doch bist, Lucien.“ Wies sie ihn zurecht. „Ich hätte dich für klüger gehalten. Sie riskiert sich in Gefahr zu bringen und hielt ihren Kopf dafür hin dich zu befreien. Und wie dankst du es ihr? Mit Wut und Undankbarkeit.“ Ging sie auf Lucien zu. „Sie hatte auch so gedacht, aber aus irgendeinem Grund hatte sie anders gehandelt. Fragst du dich nicht warum?“
Doch das fragte er sich. Dieses warum. Warum hatte sie das getan? Er gab mittlerweile schon zu das er sie nicht gerecht behandelte und das Unbestimmtheit sich in ihm ausbreitete. Trotz dem er so stark auf sie reagierte. Das machte es ja noch schlimmer.
„Ich weiß zwar nicht was zwischen euch ist, und das geht mich auch nichts an. Ich könnte ihr helfen und sie aus deinen Fängen befreien. Diese Macht besitze ich, aber sie will es partout nicht. Ich kann mich nicht gegen ihren Willen stellen und respektiere ihre Entscheidung. Sie will für sich selber kämpfen.“ Fing sie zu erzählen an, als sie sich elegant vor ihn hin hockte damit sie auf gleicher Höhe waren. „Ich gebe dir eine einmalige Drohung, sollte ihr jemals ein Haar gekrümmt werden, bringe ich Unheil über dich und dein Volk. Höchstpersönlich. Hast du mich verstanden?“
„Wieso sind immer alle darauf behaart ihr dürfe kein Haar gekrümmt werden? Ihr seid so versessen darauf. Auf diese einzige Frau.“ Dabei würde er sie nicht in Gefahr bringen. Er hatte sich selbst geschworen sie zu beschützen. Vor allem und jeden. Sogar vor sich selbst.
„Ich sage dir dies nur einmal. Sie ist etwas Besonderes und Einmaliges.“ Ihr Blick immer ausdrucksstarker und fester.
Da wusste er es. „Du weißt was sie ist?“
„Oh, natürlich weiß ich das. Oder glaubst du ich würde wegen einer normalen Frau oder Unsterblichen so einen Hehl daraus machen? Wohl kaum. Wenn ich wüsste, dass du nicht mächtig bist und das Zeug dazu hättest, würde ich sie gegen ihren Willen zu mir holen. Fürs Erste will sie etwas lösen das ich sie notgedrungen dir überlassen muss. Deswegen sei gewarnt, Lucien De la Cruise.“ Strich sie gefährlich mit ihren langen spitzen Nägeln über seinen Hals. Sie könnte in diesem Augenblick alles mit ihm anstellen. „Auch wenn du unglaublich sexy aussiehst, aber es würde dir nichts nützen.“
Langsam ekelte er sich davor. „Dann verratet mir ihr Geheimnis und was sie ist. Wie soll ich da wissen womit ich es zu tun habe? Ich habe mir selbst geschworen sie zu beschützen und das werde ich mit allen Mitteln.“ Und ob er das tun würde. „Ich muss es wissen.“
Einen kurzen Moment starrte die Göttin ihn regungslos an, als sie von ihm abließ, aufstand und ihm den Rücken zukehrte, um sich von ihm zu entfernen.
„Das werde ich mit Sicherheit nicht.“
„Dann verstehe ich eins nicht. Du weißt das ich auf das Geheimnis von ihr brenne. Du verstärkst nur mein Interesse und dieses Brennen in mir, denn das wird mich ausgiebiger und hartnäckiger machen. Wieso erzählst du mir dann alles?“ Denn es machte ihn rasend ständig im Unwissen zu bleiben, was diese Elfe betraf.
„Damit du daraus lernst.“ Schritt sie den Podest hoch. „Das magst du nicht verstehen, aber vielleicht eines Tages, wenn du darüber nachdenkst.“ Drehte sie sich zu ihm um, als sie oben angekommen war. „Nun der Weg steht dir offen. Verschwinde bevor ich es mir anders überlege. Langsam bekomme ich das Gefühl es passt mir nicht, dich gehen zu lassen.“ Seufzte sie auf, erhob ihre Hand und löste den Fesselungsbann von ihm.
„Dann lass mich vorher noch eine Frage stellen.“ Stand er auf und baute sich in seiner vollen Größe auf. Die Ketten schepperten neben ihn auf den Boden. „Wie hat sie es geschafft dich zu überzeugen mich freizulassen? Keiner hatte es vermocht. Nicht einmal mein überzeugender Bruder Raiden.“ Wollte er es unbedingt wissen.
„Frage sie doch selbst. Sie wird dir sicherlich eine Antwort geben.“ Zeigte sie ein scharfes Lächeln, was sofort wieder verschwand. „Nimm dich in acht, Lucien. In ihr steckt mehr als du ahnst und auch viel schlechtes. Leid wiegt schwer auf ihrer Seele. Wenn du nicht aufpasst, wird sie früher oder später daran zerbrechen. Nichts und niemand könnte sie zurückholen. Nur ein einziger Schritt und sie wird nie wieder die sein, die sie war oder sein könnte. Sie scheint es gut verbergen zu können. Aus diesem Grund sage ich dir das. Tue nichts dummes, was du eines Tages bereuen würdest. Das geht manchmal schneller als man denkt. Nun gut, ich habe noch wichtigeres zu tun.“
Danach verschwand sie ins Nichts. „Denk über meine Worte nach.“ Hallte es wie aus weiter Ferne nach.
Gefühlte lange Minuten stand er nur da und die Dinge, die die Göttin gesagt hatte, schweiften durch seinen Kopf. Ihm war es nicht entgangen, welcher Schmerz und Leid in ihr war. Sie mag es wirklich gut verbergen können, aber er hatte Augenblicke von Sekunden etwas in ihren Augen gesehen. Hinter ihrer Fassade steckte mehr, als sie preisgab. Aber auch wenn sie keinen Funken von Gefühl zeigen würde, so konnte er nur darauf schließen, sei in den Fängen von Culebra, trägst sie etwas Dunkles in sich mit. Glaubte diese Göttin, er wüsste das nicht? Das klang schon fast wie eine Beleidigung, denn noch immer hatte er auf gewisse Weise Gefühle in sich, welche er nachvollziehen könnte.
Jetzt konnte er keine Sekunde länger hier bleiben. Der Gestank nach diesen Engeln verschaffte ihm Übelkeit. Er musste von diesem Ort verschwinden. Deswegen verwandelte er sich binnen von Sekunden in seine Drachengestalt. Feuer entflammte auf und ein Brüllen, mit ausgestreckten Flügeln gegen den Himmel, streckte und dehnte er sich.
Endlich wieder frei. Wie sehr hat es mich entkräftet, mich nicht in meinen Drachen zu verwandeln. Endlich bin ich frei.
Sprach er laut in seinen Gedanken. Mit einem Brausen stürzte er aus dem offenen Saal in die Lüfte. Ein Brüllen erschütterte alles, die Engel um ihn ignorierend, welche ihn sofort angreifen würde, sollte er etwas Dummes tun. Doch er stürzte nur vom Himmel auf die Erde hinunter. Er musste so schnell wie möglich ins Schloss. Es verlangte ihm danach sie wieder zusehen. Er musste zu ihr.
Wie ein Blitz schoss er durch die Lüfte, dem Horizont entgegen, wo die Sonne zu versinken drohte. Rötliche Farben tauchten den Himmel in ein flammendes Meer und dieser Ausblick gefiel ihm. Seinem Drachen gefiel es. Genau am Horizont wartete das wonach er so sehr verlangte. Schneller...
Noch immer hatte der Bruder von dem Drachen sie fest im Griff und ihm schien die Geduld auszugehen. Langsam ermüdet es, dass die Drachen hitzköpfig handelten. Sie besaßen nicht die größte Geduld, aber die Ausdauer.
„Du weißt, als wir zu Anfang das Zimmer gestürmt hatten, dass ich es wusste. Jesaja war hier gewesen. Warum?“ Knurrte er sie an, denn er wollte es unbedingt wissen. Es verlangte ihn danach, denn sie war hier gewesen. In seiner Nähe, zum greifen nahe. Doch so schnell wie sie kam, war sie auch schon wieder verschwunden gewesen. Das war das erste Mal seit einem Jahrzehnt das er sie gespürt hatte. Sie war so nahe gewesen.
Kaum das er Jesaja gespürt hatte, war er los gerannt und folgte ihrer Präsenz. Sein ganzer Körper hatte vibriert und sein Inneres war entflammt. Wie damals in dieser einen Nacht. Sie war hier gewesen. Sein rein persönlicher Engel. Sie gehörte ihm und niemand anderen. Sie war Sein. Und er würde sie eines Tages bekommen. Das hatte er sich selbst geschworen und auch während sie sich immer und immer wieder geliebt hatten. Im Wasser und an Land. Solange bis sie erschöpft nebeneinander lagen, schweren Atems.
Sie gehört mir. Schrie innerlich sein Drache besitzergreifend.
Emmanline sah welcher Kampf in ihm tobte. Welches Feuer in seinen Augen brannte. Dieser Engel bedeutete ihm wirklich etwas und sie war ihm wichtig.
Langsam wich die Anspannung aus ihrem Körper und blickte ihn einfach nur an. „Sie ist dir wichtig.“ Flüsterte sie kaum hörbar, aber der Drache war ihr so nahe, dass er es gehörte. Nur ein tiefes Knurren bestätigte es ihr. Erst nach einem Seufzen gab sie sich geschlagen. „Ich habe sie um Hilfe gebeten. Damals in der Höhle, als ich sie befreit hatte, schwor sie, dass sie tief in meiner Schuld stehe und ich sie jederzeit rufen könnte, damit sie ihre Schuld begleichen könnte. Genau heute hat sie ihre Schuld beglichen.“ Presste sie ihre Lippen fest zusammen.
„Sie stand in deiner Schuld?“ Blickte er sie Stirn runzelnd an. „Wieso bist du noch hier? Wäre es nicht dein Wunsch gewesen von hier zu verschwinden? Das wäre deine Chance gewesen.“ Kam eine Frage nach der anderen von ihm.
„Ja du hast Recht. Ich hatte diese Chance gehabt, aber sie hätte mir nicht wirklich genützt. Langsam bereue ich meinen Wunsch, den ich geäußert hatte.“ Senkte sie halb ihre Augenlider. „Doch aus irgendeinem Grund hatte ich es nicht getan.“ Seufzte sie noch einmal.
Jetzt erst ließ er ihren Nacken los und sie öffnete überrascht ihre Augen wieder und blickte ihn an. Er machte sogar einen Schritt zurück.
„Verrate mir, worum hast du sie gebeten?“
Sie antwortete sofort. „Ich bat sie darum, dass sie mich zu denjenigen bringen sollte, die das Sagen haben.“
Der Drache schien überrascht und irritiert zugleich zu sein. Anscheinend konnte er ihr nicht glauben. Das konnte sie selbst irgendwie nicht, jetzt wo sie darüber nachdachte. Das erschien ihr von Mal zu Mal unwirklicher.
„Du hast was?“ Überraschend und unschlüssig klang er. „Warum hast du das getan?“
„Ich weiß, dass mag unglaubwürdig klingen und so fühle ich mich auch. Ich weiß nicht warum ich das getan habe.“ Starrte sie für einen Moment auf den Boden und sie rieb ihre Hände an ihren Oberschenkeln, die Handflächen die leicht feucht geworden waren. „Ich habe tatsächlich versucht den Drachen frei zubekommen. Damit sie ihn gehen lassen.“
Der Drache vor ihr mag in diesem Moment nichts Tödliches an sich haben, aber es war eine Totenstille die diesen Raum beherrschte.
„Du hast was?“ Wurde er lauter und seine Augen weit vor Unglaubwürdigkeit geöffnet, als sie sich kurz darauf verengten, als könne er somit einschätzen das sie die Wahrheit sagte. Wieso war er nur so wütend? Er könnte doch froh sein, oder nicht?
Viel mehr sog er die Luft in seine Nase, denn seine Nasenflügel bebten leicht. Dann aber spannte er sich an. „Ihr heiligen Götter, du sprichst die Wahrheit. Ich rieche es. Du sagst die Wahrheit.“ Machte er noch einen Schritt zurück, damit er sie von oben bis unten mustern konnte. „Warum hast du das getan?“
„Ich sagte doch, ich weiß es nicht. Oder vielleicht doch. Ich will doch einfach nur frei sein.“ Sanken ihre Schultern nach unten und ihr Blick wurde gefühlloser, denn nichts mehr wünschte sie sich. „Und das kann ich nur, wenn dein Bruder hier ist. Es spielt keine Rolle ob andere mir helfen, denn alles andere würde mir nichts helfen können. Ein Versprechen hindert mich daran. Solange ich ihm nicht seinen Schatz zurückgebe, solange muss ich bei ihm bleiben. Erst danach muss er mich gehen lassen, denn selbst er hatte einen Versprechen abgelegt. Das ist der einzige Grund.“ Oder?
Nun wurde diese Stille immer schlimmer. Seine Augen starrten sie einfach nur an. Anscheinend wurde er von Gedanken überschüttet.
„Und was hast du erreicht?“ Fragte er sie stattdessen, denn sie hatte als erstes mit anderen Fragen gerechnet.
Sie schaute ihn wieder an. „Ich denke er wird auf den Weg hierher sein. Vermute ich mal.“ Zuckte sie mit ihren Schultern. Sie war ja nicht solange geblieben, bis er von den Ketten befreit wurde. Mit Sicherheit sprachen sie noch miteinander und sowie der Drache geredet hatte, war sie sich unschlüssig ob sie ihn dann noch gehen lassen würde. „Sofern er nicht die Göttin erzürnt hat.“ Klang sie gleichgültig, aber ihr Inneres sagte was ganz anderes. Er sollte hierher zurückkommen.
Sein Blick ging an ihr vorbei, Richtung Fenster, als er nach draußen starrte. „Du hast es geschafft? Und du bist der Göttin begegnet?“ Denn dort im Himmelreich war er der Göttin Seferati zum ersten Mal begegnet. „Ich kann es erst glauben, wenn Lucien hier ist.“ Und das konnte sie nachvollziehen, denn ihr würde es nicht anders ergehen.
Seine Meinung schien sich schnell zu ändern, als er zum Fenster stürmte. „Er kommt.“ Sprach er mehr mit sich selbst, aber drehte sich blitzartig zu ihr um. So nach und nach fühlte sie sich unter seinen Blicken immer unbehaglicher, denn dieses Starren und Starren ließ sie nervös werden. „Wie hast du das nur geschafft? Keiner von uns hatte es vermocht. Verrate es mir.“
Aber sie kam erst nicht zur Antwort, sofern sie auch nicht antworten wollte. Ein lautes Brüllen erschütterte das ganze Schloss und jetzt erst Recht wurde sie nervös und drehte sich zur Tür um. Nicht mehr lange und er würde in dieses Zimmer stürmen. Wütend und rasend, sowie er es zuvor getan hatte. Als er ihr einen hintergangenem Blick zugeworfen hatte. Dabei hatte sie wirklich nur geholfen, aber das schien bedeutungslos zu sein.
Lucien war wie der Blitzt durch die Lüfte geschossen, denn er verlor keine Zeit ins Schloss zurück zukehren. Er wollte Antworten. Eine Menge Antworten, die nur die kleine Elfe beantworten konnte. Wie hatte sie es geschafft? Erstens ins Himmelreich zu kommen? Das kam ihm merkwürdig vor. Wie hatte sie das angestellt? Vor allem, wie hatte sie es geschafft ihn daraus zubekommen, wenn zuvor kein anderer es vermochte?
Diese ganzen Gedanken überstiegen seinen horizontalen Verstand, denn noch hatte er keine schlüssige Antwort darauf, aber die würde er bekommen.
Endlich konnte er das Schloss erkennen und er brauchte nur noch Minuten, bis er hart auf den Boden aufschlug, dass den Boden leicht erschütterte. Sein Brüllen kündigte ihn voller Wut an. Binnen von einer Sekunde hatte er seine Verwandlung zu menschlichen Gestalt vollzogen und stürmte ohne Kleidung ins Schloss. Seine Füße trugen ihn automatisch zur dieser Person hin, ohne nur einen Gedanken daran zu verschwenden. Sie wartete in seinen Gemächern und er konnte schon vom weiten riechen das sie nervös war, aber es steckte ein kleiner Funke von Wut darin mit. Warum? Es bestand von ihrer Seite überhaupt nicht das Recht wütend zu sein.
Lucien konnte Stimmen um sich herum hören, welche wie, was mache er hier oder wie konnte er entkommen. Sicher waren alle überrascht, denn er war es selbst noch. Doch er hatte keine Zeit und Nerv dazu zu antworten. Sie wartete auf ihn.
Vor seiner Tür angekommen, zögerte er keine Sekunde und riss die Tür auf. Er blieb sofort stehen, als er sie im großen Raum fand. Sie wirkte so verloren und starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Stocksteif stand sie da und vergriff sich in ihrer Kleidung, als würde sie somit erreichen standhaft zu bleiben.
Ein paar Mal betrachtete sie seine Gestalt und riss sofort ihren Blick zur Seite. Seine Augen verengten sich dabei und ein Knurren entfuhr ihm dabei. Wie konnte sie es wagen ihren Blick von ihm abzuwenden?
Noch größere Wut wallte in ihm auf und blitzartig stand er vor ihr und packte sie fest an ihren Oberarmen. Sie machte ein entsetztes Geräusch, denn so schnell hatte sie anscheinend nicht gerechnet dass er vor ihr stand. Dabei hätte sie es wissen müssen. So naiv.
„Sie mich an.“ Befahl er ihr streng. Erst zögerlich wandte sie ihren Kopf und schaute ihn an, ihre Lippen fest zu einem Strich zusammen gepresst. Der Funke von Wut schien sich von ihr verflüchtigt zu haben, aber an die Stelle von Wut machte sich nun Standhaftigkeit breit. Glaubte sie etwas, sie könne sich vor ihm behaupten? Sehr naives Mädchen. „Ich habe eine Menge Fragen an dich, die ich verdammt noch einmal beantwortet haben will.“ Knurrte er bedrohlich und er schien nichts anderes zu dulden, als Antworten. „Was hattest du da zu suchen gehabt? Und vor allem wie hast du das geschafft dort hinzukommen?“ Schüttelte er sie leicht.
Emmanline hatte entsetzt nach Luft geschnappt, als die Tür so aufgerissen wurde. Sie erstarrte sofort, als sie seine Gestalt erblickte. Sie war entsetzt darüber. Sie hatte vorher schon gewusst wie gefährlich und tödlich er war, aber wie er jetzt in der Tür stand, wirkte er noch aggressiver und tödlicher. Alles an ihm schrie Gefahr und tobende Wut. Seine feurigen Augen sprühten goldene Funken und dieser Orkan der in ihnen tobten, war für sie bestimmt. Sie verstand nicht, warum er so dermaßen wütend war. Sie hatte es doch geschafft ihn zu befreien, was er doch gewollt hatte. Nur je länger er sie so anstarrte, umso mehr schien es seinen Zorn zu schüren. Was hatte sie denn bitteschön verkehrt gemacht?
Sie kam erst zur Besinnung, als ihr Blick seinen Körper rauf und runter wanderte. Sie musste ihre Augen von seinen abwenden, aber das schien keine gute Idee gewesen zu sein. Jetzt konnte sie ihn zum zweiten Mal ohne Kleidung betrachten. Nackt und in voller männlicher Pracht stand er vor ihr. Nur diesmal nicht wie zu Anfang, als er so intensiv auf sie reagiert hatte. Nichts war davon zu erkennen, was ihn gerührt hatte. Also natürlich das Stück was nur ein Mann haben konnte. Sie konnte nicht anders, als sofort ihren Blick von ihm abzuwenden. Wieso gingen die nur so offen damit um? Besaßen die Drachen denn überhaupt kein Schamgefühl? Es waren nicht alle Wesen so offen und konnten dem standhalten. Sie gehörte nun einmal zu diesen Wesen die Prüde waren.
Aber schon wieder passte es ihm nicht. So schnell hatte sie wirklich nicht damit gerechnet, dass er binnen von einer Sekunde vor ihr stand und sie fest an ihren Oberarmen packte. Dann dieser Befehl sie solle ihn anschauen und dieses Mal gehorchte sie. Seine Augen waren atemberaubend und beängstigend zugleich.
„Antworte mir.“ Schrie er sie an und sie zuckte leicht zusammen.
„Wieso…“ Zitterte leicht ihre Stimme. „Wieso bist du nur so wütend?“
„Das fragst du noch? Verflucht noch einmal. Ist dir schon einmal in den Sinn gekommen, was du da angerichtet hast?“ Bebte sein Körper.
Jetzt war es an ihr wütend zu werden. „Ja, verflucht noch einmal, mir ist in den Sinn gekommen was ich da angerichtet habe.“ Zischte sie zurück. „Ich habe deinen Arsch daraus geholt und du bist wütend auf mich.“ Wollte sie ihm unbedingt Schmerzen zufügen, sowie er es bei ihr tat, indem sie gegen sein Schienbein trat. Natürlich schien es ihm nichts auszumachen und das machte sie noch wütender. „Ich habe meinen Kopf für dich riskiert und du bist so wütend und undankbar. Ich hätte dich dort versauern lassen sollen und ich bereue es ungemein es getan zu haben.“ Wurde sie immer lauter, bis sie ihn anschrie.
Gerade wollte sie ihn wieder gegen seinem Schienbein treten, aber sie schaffte es nicht, als seine Arme wie stahlharte Ketten um sie schlangen und seine Lippen hart und wild auf ihre pressten. Sie hatte damit nicht gerechnet und konnte vorher keinen Atemzug holen. Fest presste sie ihre Augen zusammen und sie kam in Atemnot. Er war grob und dieser Kuss war schal und nicht wie all die anderen Küsse von ihm. Nichts Anziehendes lag darin und sie fühlte sich dabei schlecht, dass sie mit ihren Fäusten gegen seine Brust trommelte. Es juckte ihn einfach nicht, küsste sie einfach fordernder weiter. Aber sie musste von ihm loskommen. Sie wollte das nicht. Nicht so.
Er wollte ihre Lippen mit seiner Zunge öffnen, aber sie presste ihre Lippen so fest zusammen, dass es schon fast wehtat. Wieso tat er ihr das nur an?
„Lucien. Verdammt nochmal, lass sie los.“ Schrie jemand, aber sie konnte diese Stimme nicht so genau zuordnen, denn dieser Drache verlangte ihr volles Bewusstsein. Sie wollte nicht nachgeben und doch spürte sie, wie jemand versuchte sie auseinander zu bringen. Mit aller Gewalt schafften sie es und sie bekam keine Luft mehr. Sie keuchte schwer.
Mit ihrem Handrücken fuhr sie über ihre Lippen und sie fühlte sich mies. Das war einfach nicht fair.
Leicht wurde sie zurückgezogen und eine massige Gestalt stellte sich vor sie. Aus ihrem leicht getrübten Blick konnte sie den Bruder des Drachen erkennen und wie er sich zwischen ihr und dem Drachen stellte. Erneut. Wieder einmal stellte er sich zwischen so einer Lage. Beim letzten Mal war es bei der Königin und Mutter gewesen.
„Bist du noch ganz bei Sinnen?“ drohend der Drache knurrend vor ihr.
„Verpisse dich, Raiden. Du hast dich da nicht einzumischen. Sie gehört mir, also verschwinde von ihr.“ Knurrte er drohend zurück. Aggressivität lag in der Luft und dieses Feuer brannte auf ihrer Haut.
„Ganz gewiss nicht. Nicht bevor du dich unter Kontrolle gebracht hast. Schau dich doch einmal an, dein Drache hat vollkommen die Kontrolle über dich übernommen. So wirst du sie nicht anrühren.“ Schob er sie weiter hinter sich.
Emmanline schlang leicht zitternd ihre Arme um sich und starrte auf einen Punkt auf dem Rücken des Mannes vor ihr. So wurde sie noch nie behandelt. Egal welche Folter sie über sich ergehen lassen musste.
„Verschwinde. Ich sage es nur noch einmal. Geh mir aus dem Weg. Das ist eine Sache zwischen ihr und mir. Keiner mischt sich da ein.“ Machte der Drache einen Schritt nach vorne.
„Bleib wo du bist. Und ich sage es dir noch einmal, du wirst sie nicht anrühren.“ Kam gleich ein Gegenargument.
Jetzt erst meldete sich eine herrische Frauenstimme. „Verflucht noch einmal, was ist hier los? Ich verlange eine Erklärung.“ Trat die Königin vor und stellte sich neben den beiden aggressiven Männern. „Raiden hat Recht, sie dich im Spiegel an. Bring dich schleunigst wieder unter Kontrolle.“ Befahl sie streng, wie eine Mutter es tun würde..
Lucien tobte vor Wut und sein Zorn brannte schmerzhaft in ihm. Alle versuchten ihm sein Eigentum vorzuenthalten. Sie hatten kein Recht dazu, denn sie gehörte ihm. Nur ihm.
Nun endlich konnte er seinen Blick von Raiden, seinem Bruder abwenden und schaute seine Mutter an, die selbst ihn wütend anstarrte. Auch andere Blicke fühlte er auf sich ruhen. Wieso nahmen alle sie in Schutz? Sie hatte etwas Dummes getan und er wusste noch nicht einmal so recht warum.
Leicht wandte er sich zur Seite und an der Wand hing ein kleiner Spiegel. Direkt traf sein Blick auf sein Spiegelbild und er wirkte entsetzt. „Scheiße.“ Jetzt verstand er auch, wieso alle sie von ihm fernhielten. Sein Spiegelbild spiegelte seinen inneren Drachen wieder. Auch wenn er in menschlicher Gestalt war, sah er in seinen Augen das Raubtier. Was hatte er da gerade getan? Er konnte sich nur noch daran erinnern, als er sie gesehen hatte, die Vorfreude, aber auch Wut in ihm getobt hatten. Danach hatte alles in ihm ausgesetzt. Er wusste nicht mehr was er getan hatte. Hatte er ihr wehgetan? Er musste sie sehen. Sich vergewissern das er ihr kein Schaden zugefügt hatte. „Geh zur Seite, Raiden.“ Sprach er erst, als er sich einiger Maßen unter Kontrolle hatte und seinen Drachen mühsam zurück gedrängte. Er wollte ihr doch nicht wehtun. Dabei hatte er sich geschworen sie zu beschützen. Sogar vor sich selbst, aber was tat er hier? Genau das Gegenteil. „Bitte.“ Bat er doch tatsächlich. Scheiß auf seinen Stolz jetzt. Er wollte sie sehen, aber sein Bruder verbarg ihre kleine zierliche Gestalt.
Überraschung konnte er in Raidens Blick erkennen und musterte ihn noch intensiver. Anscheinend war er etwas überzeugt davon, dass er seinen Drachen unter Kontrolle gebracht hatte, aber blieb noch immer misstrauisch, während er neben ihr stehen blieb. Auch er war misstrauisch sich selbst gegenüber.
Lucien konnte sie endlich erblicken und er wirkte geschockt. Sie sah so zurückgezogen aus. Einen Schritt nach vorne und sie machte einen Schritt nach hinten. Ihre Arme waren um ihren kleinen Körper geschlungen, als würde sie sich so schützen können. „Emmanline…“ Klang eine stumme Bitte in seiner Stimme mit.
„Nein, bleib da wo du bist.“ Eine eiskalte Zurückweisung, dass es ihm sogar eiskalt den Rücken hinunter lief. „Was habe ich getan, dass du wütend und so grob zu mir bist? Ich habe versucht zu helfen.“ Versuchte sie sich zusammen zu reißen und er konnte sich sehr gut vorstellen was es sie kostete. Ich war so was von ein Arschloch. Dabei hatte die Göttin ihn vorher noch gewarnt, er solle aufpassen was er tat.
Und sie hatte nichts getan, aber woher kam seine Wut?
„Würdet ihr nun einmal anfangen zu erklären?“ Mischte sich seine Mutter wieder ein, aber antworten tat sein Bruder.
„Sowie sie es mir erzählt hatte, hat sie versucht Lucien frei zubekommen. Wie ich sehe ist es ihr auch gelungen.“ Musterte er seinen Bruder grimmig.
„Wie? Muss ich euch alles aus der Nase ziehen? Ich verlange eine allumfassende Erklärung.“ Genervt kam es von der Königin, während sie ihren Blick auf die Elfe richtete. Der Blick von seiner Mutter gefiel ihm überhaupt nicht.
Als Raiden erneut das Wort erheben wollte, schnitt Emmanline ihm das Wort ab. „Ich kann für mich selber reden.“ Kam jetzt ihre Wut nach oben. Ihren Blick richtete sie gefühlskalt geradeaus und er war auf ihn selbst gerichtet. „Es war ein großer Fehler das getan zu haben, aber ich habe trotzdem meinen Verstand ignoriert und es getan. Ich bin vor den Rat der Engel getreten und dann vor dieser Göttin. Ich musste mir jedes Mal etwas einfallen lassen um überzeugend zu klingen oder die Argumente passend aussprechen. Durch den Engel, den du gefangen gehalten hattest und ich sie befreit hatte, war sie mir etwas schuldig gewesen. Sie hatte es für mich arrangiert ein Treffen vor ihrem Rat zu bekommen. Ich weiß, es interessiert euch kein Stück was mit mir geschieht und es interessiert mich nicht, was ihr darüber denkt. Und ihr wollt den Grund wissen, weswegen ich das getan habe?“ Wurde Emmanline immer verbissener. „Sehr gerne nenne ich ihn euch. Seht ihr diesen Stein auf dem kleinen Schrank?“ Streckte sie ihre Hand aus und zeigte mit ihrem Finger darauf. „Das ist doch was du wolltest. Jetzt hast du ihn wieder. Freue dich und ihr seid mich jetzt los. Eure ganzen Probleme. Doch bevor ihr Argumente einbringt, ich besitze all diese Informationen über euch die ich ausplaudern könnte oder an Culebra. Bitteschön, ich schwöre bei allen existierenden Göttern, niemals ein Sterbenswörtchen über euer Volk und was hier geschehen ist zu verlieren. Ich werde nichts sagen was euch schaden könnte. Zu niemandem. Darauf gebe ich mein Wort.“ War das noch ihre einzige Lösung etwas zu erreichen.
Lucien stockte der Atem und er wirkte ziemlich erschüttert. Er war auch gleichzeitig geschockt, als sie auch meinte, sein Rubin würde da liegen. Das konnte doch nicht sein. Nein, das durfte nicht sein, aber sein blutroter Rubin lag dort auf dem kleinen Schrank. Sie hatte ihn zurück geholt, aber wie?
„Wie bist du zu diesem Rubin gekommen?“ Wollte er doch dann wissen.
„Was spielt das noch für eine Rolle? Du wolltest ihn und nun hast du ihn. Du weißt, dass du mich nun gehen lassen musst. Du hast es selbst geschworen.“
Lucien hatte es gewusst, eines Tages würde sie gehen, weil er es ja geschworen hatte, aber nicht so schnell. Für ihn waren es insgesamt vier Tage gewesen, wo er sie bei sich hatte und Monate war es ihm nicht vergönnt gewesen ihre Anwesenheit zu verspüren. Das machte ihn furchtbar wütend. Ihm wurde was verwehrt und jetzt musste er sie gehen lassen. Dagegen konnte er nichts machen. Durch den heiligen Schwur, war er dazu gezwungen sie gehen zu lassen.
„Lasst mich mit ihr allein.“ War er ruhig und gefasst. Er musste mit ihr jetzt alleine sein, denn er wollte etwas sagen, was die anderen nicht hören sollten. Außerdem wollte er mit ihr alleine sein. Das alle anderen nun sein Zimmer gestürmt hatten, war nicht geplant. Er wollte von Anfang an mit ihr alleine sein.
„Dein Drache sitzt noch immer ziemlich an der Oberfläche. Das wäre unüberlegt." Schienen alle der Meinung seines Bruders zu sein, so wie sie ihn alle anstarrten.
„Ich habe mich wieder in Griff. Ihr wird keine Gefahr von meiner Seite drohen.“ Denn er musste mit ihr alleine sein. „Es gibt da etwas, was ich nur mit ihr alleine besprechen kann.“ Blickte er die kleine Elfe intensiv an. Aber irgendwie würde er sie alle nicht wirklich überzeugen können, als müsste er es auf einer anderen Ebene tun.
Emmanline wusste nicht was sie hier tat und langsam fing das an in eine andere Richtung zu gehen. Der Drache war so besessen darauf mit ihr alleine zu sein, aber wer sicherte ihr, dass er nicht wieder das Gleiche tat wie kurz zuvor?
Noch immer steckte zum Teil sein Raubtier an der Oberfläche, aber es war nicht mehr so schlimm wie zuvor. Doch das bedeutete nichts. Das könnte sich von einer Sekunde zur anderen ändern. Also sollte sie einfach gehen.
„Ich bitte dich, Emmanline.“ Drang eine tiefe männliche Stimme in ihren Kopf.
Überrascht schnappte sie nach Luft. Wie konnte er…? „Verschwinde sofort aus meinem Kopf.“ Wie hatte er das geschafft? Niemand konnte vorher in Köpfe eindringen und mental miteinander reden, wenn sie nicht vorher anklopften oder freien Zugang bekamen. Nur er hatte nicht um Erlaubnis gebeten. Er konnte gleich so mentalen Kontakt mir ihr aufbauen. „Wie hast du das gemacht?“ Verbarg sie erst gar nicht ihre innere Überraschung.
„Tue ich erst dann, wenn du mit mir alleine redest.“
Emmanline biss sich fest auf ihre Zähne und knirschte wütend darauf. Erstens weil er einfach so in ihren Kopf eindrang und zweitens, weil er sie erpresste. Dabei könnte es ihr egal sein. Sie könnte es auf sein Alter und seiner Macht schieben, aber wieso hatte sie dann das Gefühl es lag nicht nur daran? Und wieso war sie neugierig darauf es überhaupt zu wissen? Oder war das alles eine Taktik von ihm und wollte sie erneut reinlegen? Das alles war ihr zu viel. Sie sollte sofort und schnell von hier verschwinden.
„Außerdem schuldest du mir noch eine Erklärung. Vor allem wie du es geschafft hast, mich daraus zu holen. Geschweige was hast du ausgehandelt? Ich habe ein Recht darauf, denn mich beschleicht ein Gefühl, dass es mit mir zu tun hat oder gar schlimmeres, mein ganzes Volk.“ Sprach er dann einfach weiter.
Irgendwie hatte er zum Teil Recht. Sie hatte was mit der Göttin vereinbart was sein Volk betraf. Sie hoffte nur, er würde nicht ausrasten oder dergleichen. Sollte sie jetzt nachgeben?
„Ok, ich rede mit dir.“ Rang sie kurz mit sich. „Alleine. Aber nur wenn du dort stehen bleibst wo du stehst. Sonst gehe ich.“ sprach sie nun laut, damit alle anderen es auch hören konnten.
„Einverstanden.“ Gab der Drache sofort hinzu und es machte sie stutzig, das er so schnell nachgab. Das weckte ihre Vorsicht und sie sollte aufpassen.
„Bist du dir sicher, Elfe?“ Wandte der Drache neben ihr ein.
„Ich denke das ist keine gute Idee, Emmanline.“ Bemerkte sie jetzt erst die Anwesenheit von Aiden, als sie seine Stimme vernahm. Er stand an der Tür, bereit sofort einzugreifen, wenn der Drache ihr wehtun würde. Nur sie konnte ihm nicht in die Augen sehen, denn noch immer hatte sie die Szene vor Augen, als er gestand, was er für sie fühlte.
„Nein, bin ich mir nicht.“ Gestand sie, aber es änderte sich nichts daran.
Erst nach einem kurzen Schweigen begaben sie sich alle nach draußen. Das sie das überhaupt taten, war das größte Wunder. Doch dieser Drache vor ihr, mit dem sie jetzt alleine war, schien jetzt schon eine bestimmte Art Autorität zu besitzen. Kein Wunder, er sollte einmal der Herrscher seines Volkes werden. Sicher war das verständlich.
Obwohl er mit ihr reden wollte, schaute er sie einfach nur an und musterte sie immer wieder. Dadurch fühlte sie sich immer mehr wie ein Insekt in einem Glas. Aber beherrschte sich, nichts von ihrer inneren Unruhe zu zeigen.
„Ich musste die Göttin überzeugen dich frei zulassen.“ Begann sie zu erzählen an. „Es war nicht einfach. Egal was ich gesagt und getan habe, war nicht endgültig. Ich meinte, ich könne keine Versprechen geben, denn es ist eure Entscheidung.“
„Emmanline, was hast du getan?“ Verengten sich seine Augen zu Schlitzen und ließ sie nicht aus den Augen.
Kurz musste sie schlucken und einmal tief Luft holen, um weiter sprechen zu können. „Dieser Engel...in deiner Höhle, hatte gemeint, dein Vater hätte so eine Art Pakt mit den Engeln ausgehandelt. Ich habe dort angesetzt. Würde ein erneuter Krieg ausbrechen, wer würde wirklich darunter leiden? Wer würde den größten Schaden nehmen? Was würde danach geschehen? Sag es mir.“ Blickte sie ihn ohne jegliche Emotionen an und sie konnte nicht anders, als die Kälte in ihr aufsteigen zu lassen.
„Mein ganzes Volk würde darunter leiden und der Krieg würde solange bestehen, bis der Letzte gefallen ist. Egal von welcher Seite.“Meinte er selbst und erst bei ihrer angehobenen Augenbraue, da wusste er worauf sie hinaus wollte. „Verflucht...“ Knurrte er wütend, als ihm der Gedanke kam. In eines seiner Worte, die er eben gesagt hatte, wurde es ihm bewusst. „Die Jungen und die Mütter wären in Sicherheit. Wir haben die Vorsicht und vergessen die Schwächeren nicht.“ Verteidigte er sich trotzdem.
„So sicher, dass es einen Ort gibt, der hundertprozentig sicher ist. Die Schwächeren sind immer die als erstes leiden. Da ihr Drachen anscheinend einen großen Beschützerinstinkt habt, wisst ihr, dass dies euer schwächster Punkt ist. Je mehr sterben würden, je mehr tobt ihr, bis ihr nicht mehr mächtig eurer Vernunft seid. Bei eurer Raserei mögt ihr stark sein, aber ihr werdet nicht mehr richtig Denken und Handeln können. Euer Trieb verleitet euch dazu. Dadurch seid ihr sehr leicht angreifbar. Die Engel würden diese Schwäche komplett ausnutzen. Als ich bei den Engeln war, wurde mir etwas bewusst. Sie mögen anziehend und einen Ruf der Heiligen auf der Erde haben, aber sie würden keinesfalls Gnade gegenüber den Schwächeren zeigen. Im Gegensatz zu den Drachen, die keine Schwächeren schaden würden.“ Und sie wusste, sie hatte einen Punkt bei ihm getroffen. „Aber letzten Endes geht es nicht darum. Ich verstehe eure Wut und den Hass die eure beiden Völker belastet. Jeder will seine Eigenen schützen. Ihr seid starke und stolze Völker die sich nichts nehmen lassen. Ihr habt Kriege geführt und was ist daraus geworden? Welche Verluste habt ihr gemacht? Ich will nicht die Sentimentalste sein, aber es werden nicht nur eure Völker betroffen sein, sondern auch unzählige andere. Die Mythenwelt ist ein einziges Chaos und eine tödliche Gefahr. Nur der Stärkste überlebt, denn dies ist das Gesetz unter uns Mythenwesen. Es macht keine Unterschiede aus welchem Volk und wie alt jemand ist. Das weißt du. Nur das Gleichgewicht sollte bewahrt werden.“ Sprach sie monoton weiter.
Und ob er das wusste. Es würde nie einen sicheren Hafen geben, wo alle geschützt vor jeder Gefahr sein würden. Nicht einmal auf einer anderen Ebene oder Dimension. „Und was genau hast du getan?“ Wollte er es noch immer wissen.
Ihr Blick war fest auf ihn gerichtet und er musste Anerkennung deswegen zollen. Nicht viele hatten den Mut dazu, ihn solange anzublicken oder gar seinen Blick stand zuhalten. Sie wirkte so unantastbar, aber wie sah es hinter ihrer Fassade aus? Diese Frau wirkte nicht gar schüchtern oder selbstbewusst. Nein, viel mehr war ihr Vertrauen in sich selbst ein riesiger wunder Punkt, den sie sich eingestand oder auch nicht. Was auch immer sie durchlebt hatte in ihrem Leben, all das hatte sie geprägt. Egal ob auf guter oder schlechter Ebene.
„Ich habe soweit nichts getan. Nur auf den alten Pakt zwischen euren beiden Völker neu angesprochen.“
Das verwirrte ihn für einen Augenblick. „Was gab es darauf anzusprechen? Dieser Pakt war hinfällig, als ich diesen verfluchten Engel in meinen Kerker geworfen hatte. Ich hatte ihn gebrochen, aus Wut und Zorn. Vor dem Rat versucht ich einen neuen Pakt zu schließen, damit dieser Waffenstillstand weiter besteht, aber sie wiesen ihn stets ab.“ Wurde er immer knurriger.
„Sicher lehnten sie dein Friedensangebot ab. Würdest du denn mit einem Bündnispartner, der gegen den Vertrag verstoßen hatte, erneut ein Handel eingehen? Das wäre ja ziemlich dumm.“ Warf sie ihr Argument ein.
Sie hatte schon wieder Recht. Nie würde er mit demjenigen einen neuen Pakt eingehen, denn dieses bisschen Vertrauen wäre zunichte gemacht. Aber dennoch hatte er es versucht. Zum wohle seines Volkes, denn er hatte daran gedacht, sein Volk würde darunter leiden, würde erneut ein Krieg ausbrechen.
„Ich bin keine kluge oder raffinierte Person und habe auch keine Ahnung um diese hohen politischen Dinge, aber ich habe genug Ahnung von deinem Volk, dass ich weiß worum es geht. Die Engel sind bereit neue Kompromisse einzugehen. Doch die kann ich nicht bestimmen. Es wird einiges von euch Drachen verlangt werden was wahrscheinlich nicht gut ist, aber ihr solltet sie zumindest anhören.“ Und diese Ahnung hatte sie wirklich, gestand er sich ein. Aber wie sahen diese Kompromisse aus? „Die Göttin erzählte mir, sie hätten die Macht euch zu erschlagen, aber es würde nichts bringen, denn ihr seid ein Teil des Gleichgewichtes, wie jedes andere Volk auch auf dieser Welt. Ich habe darüber nachgedacht und sie hatte Recht. Würde ein Volk ausgelöscht werden, wird es ein Volk nach dem anderen sein. Das wäre katastrophal, gerade weil es sich um eine mächtige Rasse geht. Mir wird jetzt auch bewusst welche Rolle die Götter haben, denn sie sind dafür da das Gleichgewicht zu bewahren. Ist es nicht so?“ Schaute sie ihn weiter an.
„Ja, hast du.“ Konnte er nur ihre Vermutung bestätigen, denn die Götter mischten sich dann nur ein, wenn etwas Dummes und unüberlegtes stattfand.
„Und als die Göttin mir davon erzählt hatte, fiel mir noch etwas anderes ein. Dein Volk braucht dich, denn du bist der rechtmäßige Drachenkönig. Die Drachen folgen nur seinem wahren König. Sicher könnte es andere Anführer geben die nicht dazu geboren wurden, aber das wäre nicht das Gleiche als der Rechtmäßige. Denn nur der Rechtmäßige besitzt die besondere Macht der die Drachen im Zaum halten kann. Diese Macht kann man nicht erlernen, das konnte nur angeboren werden.“ Woher konnte sie das nur wissen? „Würden die Engel dich auslöschen, würde das Drachenvolk langsam und allmählich zum Untergang geweiht sein, solange bis ein erneuter König geboren wird. Deswegen bist du ja auch so unentbehrlich. Kriege führen ist eine Sache, aber ein ganzes Volk auszulöschen eine andere. Keiner würde es jemals schaffen ein ganzes Volk auszulöschen. Es gibt immer Wege sich irgendwo zu verstecken. Deswegen versuchen selbst die Engel einen Krieg zu vermeiden, auch wenn sie eure Schwachpunkte kennen. Aus Ereignissen lernt man. Niemand sollte so leicht ausgelöscht werden.“
Schien sie sich selbst zu unterbrechen, denn er konnte ein Funken von Erkenntnis und vielleicht sogar Hoffnung in ihren Augen aufblitzen sehen. Aber wofür?
Lucien hatte ihr die ganze Zeit zugehört und er konnte nicht fassen was sie ihm da alles sagte. Niemand wusste davon, keiner konnte dies wissen, denn dies war ein großes Geheimnis seines Volkes. Würde je einer das herausfinden, wie sie es schon meinte, würde sein Volk dem Untergang geweiht sein. Die Drachen folgten wirklich nur dem rechtmäßigen König, doch dazu musste er sich auch unter Beweis stellen das sie ihm Treu ergeben sind. Nur der wahre König konnte Loyalität von ihnen verlangen. Deswegen war es ihm so schleierhaft das sie dieses Wissen davon in sich trug.
„Niemand weiß davon.“ Flüsterte er die Worte mehr zu sich selbst.
„Ich hatte doch erwähnt, ich habe mehr Ahnung über das Drachenvolk als du vermutet würdest.“ Denn für dieses Wissen musste sie mit ihrem Leben bezahlt haben, dass sie gezwungen eingehen musste. Dies war ihm klar und es machte ihn wütend. Natürlich hatte sie viel Ahnung und Wissen wie je ein anderes Wesen zuvor, denn sie wurde in seinem Volk hineingeboren, wuchs mit ihnen auf und das auf die grausamste Art und Weise.
„Culebra…“ Spuckte er diesen Namen voller Hass und Abscheu aus. Nie hatte er gedacht, dass dieser unendliche Zorn und diese Mordlust noch weiter angestachelt werden könnte, als wie er zuvor schon verspürt hatte. Dieser verdammte Bastard wird dafür leiden. Furchtbar leiden, bis er ihn anbettelte um ihn zu verschonen, aber dies würde niemals geschehen. Egal wie lange und verzweifelt er um Gnade betteln sollte, sein Urteil war gefallen. Dieser Bastard würde sterben, als Verräter und Mörder seines eigenen Volkes.
„Emmanline, du weißt das ich dich mit diesem Wissen nicht gehen lassen kann.“ Knurrte er finster auf, denn sie wusste zu viel.
"Und doch musst du.2 Warf sie darauf ein und langsam wurde er mürrischer. Aber war er das nicht schon vorher? Ach, scheiß drauf. Hier ging es um seinesgleichen. „Außerdem habe ich geschworen nie etwas von euch preiszugeben. Schon vergessen? Du kannst mich mit ruhigem Gewissen gehen lassen.“
Das durfte alles nicht wahr sein und es war alles nicht das Gleiche, was sie von sich gab.
Mit ruhigen Gewissen? Genau dies habe ich nicht, verflucht nochmal. Ich werde noch wahnsinnig.
„Sag, tust du das mit Absicht?“ Verengten sich bedrohlich seine Augen zu Schlitzen. Denn er fühlte sich bei ihr irgendwie…zurückgeworfen. Als wenn sie versuche ihn zu veräppeln oder gar aufzustacheln. „Du trägst das Wissen meines Volkes in dir, aber jetzt wird mir erst richtig bewusst, wie viel es ist. Du erzählst mir Dinge die niemand kennt oder wissen sollte, aber jetzt…habe ich das Gefühl du willst mich provozieren.“ Blickte er sie ernst an und auch seine Stimme hatte den gleichen Klang von Ernsthaftigkeit.
Kurz dachte er, sie würde nichts darauf erwidern oder das sie einfach nur darüber nachdachte, aber sie antwortete dennoch. „Ich verstehe das gerade nicht.“ Runzelte sie mit ihrer schmalen Stirn. „Du hast mich gefragt, wie ich es geschafft hatte dich frei zubekommen und ich habe dir eine Antwort darauf gegeben. Eine wahre Antwort, doch erneut stellst du mir etwas gegen. Selbst ich, die Drachen verantwortlich für Grausamkeit und Tod macht, muss es einsehen, dass das Gleichgewicht bewahrt werden muss. Meine Ahnung dieser Welt ist auf minimaler Stufe begrenzt, aber ich versuche zu lernen.“ Wandte sie sich leicht von ihm ab, um aus dem Fenster zu schauen und dieser Blick von ihr, traf ihn in seine Brust. Ihr Blick war ohne Gefühle zu zeigen, aber dennoch strahlten sie eine unendliche Einsamkeit und Sehnsucht aus. Sie blickte in weite Ferne und ihm wurde es nun bewusst.
„Mir ist es egal was andere über mich denken oder reden, aber wieso versteht niemand das ich frei sein möchte?“ Schaute sie noch immer aus dem Fenster und würdigte ihn keines Blickes.
Jetzt konnte er auch nicht anders und machte einen Schritt nach vorne auf sie zu. Er hatte das Bedürfnis sie in seine Arme zu reißen, nur sie bemerkte es sofort und hielt ihn davon ab.
Allein ihr Blick genügte ihm, dass er sofort auf der Stelle stehen blieb. Ihr Blick war in diesem Moment so teilnahmslos das es ihn erschreckte. Jetzt bemerkte er umso mehr das sie ihr Leben als vollkommen egal bezeichnete. Was hatte dieser Bastard von Verräter ihr nur alles angetan, dass sie so jetzt vor ihm stand? Eigentlich wollte er sich das alles nicht vorstellen oder wissen. Aber je mehr er sie anschaute, drängte es ihn jetzt schon es wissen zu wollen. Ein starker Beschützerinstinkt zeigte sich in ihm was er nicht länger unterdrücken konnte. Auch wenn er alles daran setzen würde sie zu beschützen. Sie würde ihm niemals vertrauen, damit sie ihm alles anvertraute. Diese Frau vor ihm war ihr Leben vollkommen egal. Sie zeigte keinerlei Lebenslust in sich, aber sie lebte weiter, weil sie dazu gezwungen wurde. Sie hatte ihm einmal gesagt, wenn sie die Möglichkeit fände wie sie sterben könnte, würde sie diese Chance sofort ergreifen. Doch inwiefern? Sie war ein unsterbliches Wesen, aber für jeden gab es einen Tod. Unverwundbar waren sie nicht ganz. Also welchen Ausmaß hatte es, als sie meinte, sie könne nicht sterben?
Je mehr er sich den Kopf darüber zerbrach, umso mehr erschreckte es ihn. Sein Bedürfnis sie zu beschützen war riesengroß und das er sich zu ihr hingezogen fühlte. Das konnte er nicht länger verleugnen, denn je mehr er sich wehrte, umso schlimmer wurde es. Seine Bedürfnisse und sein Drang ging schon soweit, dass er ihre Einstellung zum Leben verändern wollte, die guten Seite des Lebens und die wundervollen Dinge zeigen die da draußen warteten. Lucien wollte ihr einfach alles zeigen was sie im Leben verpasste. Gerade weil sie durch sein Volk zu ihrem lebenslänglichem Leid geführt hatte. Sein Volk war Schuld daran das sie so leiden musste. Vielleicht lag es daran, das er so fühlte und dachte, weil er sich dafür verantwortlich fühlte. Aber wieso wollte er nichts mehr, sie als alles anderes in der Welt beschützen? Vor allem Übel und Leid. Er musste herausfinden was das alles zu bedeuten hatte. Was sie ihm bedeutete.
„Ich weiß, wenn ich dich jetzt fragen würde ob du bleiben würdest, würdest du nein sagen. Aber kann ich nicht etwas tun dich umzustimmen? Allein damit du nicht in Gefahr bist.“ Fragte er vorsichtig nach. Sie schien ein paar Sekunden nach zudenken, aber sie schüttelte verneinend mit ihrem Kopf, dass ihre Haare bei dieser leichten Bewegung mitschwang. Im Licht wirkte es strahlend weiß und es war faszinierend es anzuschauen.
„Nein. Wieso bist du darauf so versessen? Wieso willst du, dass ich hier bleibe? Du könntest doch froh sein mich los zu sein. Du wärst all deine Probleme los.“
Es stimmte, aber...“Ich weiß nicht warum, aber mein Instinkt sagt mir, ich solle dich beschützen.“ Gestand er wahrheitsgetreu und es wunderte ihn nicht mehr, dass er diese Worte aussprach. Ihre Stirn runzelte sich ungläubig und anscheinend versuchte sie ihn einzuschätzen. Natürlich sollte sie vor ihm Misstrauen haben, denn ihre Erfahrungen mit ihm waren nicht gerade auf charmante Art und Weise gewesen. Langsam bereute er es auch wie er mit ihr umgesprungen war, aber dennoch konnte er es nicht mehr ändern. Es gab nur eine Möglichkeit wie er es gut machen könnte. Aber dazu brauchte er nur eine klitze kleine Chance von ihr, dem sie ihm geben müsste. „Ich entschuldige mich für das was ich dir angetan habe und ich weiß das es nicht reichen würde dich um Verzeihung zu bitten. Dafür hast du zu viele schlechte Erfahrungen gemacht. Aber ich bitte dich darum, gib mir nur eine Chance es wieder gut zu machen.“ Musste er es weiter versuchen.
„Dein Instinkt.“ Murmelte sie leise vor sich hin und ihr Blick wanderte nach unten, als auf einmal Röte in ihre Wangen schoss. Ihre Augen weiteten sich augenblicklich und sie waren nur auf einen Punkt gerichtet. Lucien wusste sofort wo ihr Blick hängen geblieben war. An der Stelle regte sich auch etwas und es richtete sich pulsierend und schmerzhaft vor Verlangen auf. Sofort bei einem einzigen Blick wurde sein Schwanz hart für sie. Bereit über sie herzufallen und sich in ihrer Mitte zu versenken, wo er sich ausmalen konnte, wie feucht und heiß sie sein würde.
Gott verdammt. Ich will sie.
Mühe schien es ihr zu kosten ihren Blick von ihm loszureißen. Wie sehr wollte er jetzt das sie einfach nur dastand und ihn weiter mit gierigen Blicken auffraß. Es ging nicht spurlos an vorbei welches Verlangen in ihr aufstieg. Sie wollte ihn genauso, wie er sie wollte. Ihre Augen hatten sie diesmal verraten. Ihre Augen leuchteten wie das reinste Silber was er je gesehen hatte. Sie begehrte ihn, es lag so greifbar in der Luft.
Sein Drache streifte unruhig in ihm umher und kratzte mit seinen scharfen Klauen unter seiner Haut. Es war schon schmerzhaft, aber seine Bestie verzerrte sich genauso nach ihr, wie es der Mann auch wollte. Auch wie sehr es ihn dazu drängte ihr zu befehlen das sie ihn weiter anschauen solle, sogar berühren, zügelte er sich es zu sagen. Ab heute war Schluss damit das er sie bedrängte und ihr befahl. Selbst wenn es ihn vor Mühe fast zerriss.
„Was ist los, Emmanline? Du hast mich jetzt nicht zum ersten Mal so zu Gesicht bekommen.“ Klang er amüsiert. „Warum jetzt so schüchtern? Du genießt es doch.“ Und noch mehr Röte stieg in ihren Wangen auf.
„N...nein...das ist nicht wahr...“ Zitterte ihre Stimme leicht.
„Oh, doch. Ich kann es sehen wie deine Augen mich fast vor Lust verschlingen und, oh heilige Götter deine Augen leuchten nur gerade so voller Verlangen zu mir. Ich rieche deinen Duft der Erregung.“ Knurrte er voller Gier. „Du kannst mich nicht anlügen, denn du weißt das Drachen sofort riechen wenn jemand lügt.“ Was sie natürlich wusste.
Emmanline biss sich gehörig auf die Lippen und presste ihre Schenkel zusammen. Hoffend das der pochende Schmerz zwischen ihren Beinen so verschwinden würde, aber es wurde dadurch nur noch schlimmer.
Ihr war es vollkommen in Vergessenheit geraten, dass er nackt in diesem Raum gekommen war. Durch dieses ganze durcheinander hatte sie nicht mehr darauf geachtet, aber jetzt wo sie vor ihm stand, war in ihr die volle Realität bewusst geworden. Das Gespräch mit ihm hatte sie vollkommen eingenommen.
Deswegen machte dies hier nun alles noch viel schlimmer. Viel viel schlimmer.
Doch mit allem anderen hatte er Recht. Obwohl sie es nicht wollte, so wollte es ihr Körper. Er handelte schon fast von ganz alleine. Wenn sie nicht eine starke Selbstkontrolle hätte, wäre sie vermutlich schon schwach geworden. Warum reagierte sie so auf ihn?
Seine glühenden Augen waren feurig wie es sein Drache war. Er steckte erneut ganz nah an seiner Oberfläche, aber diesmal war es anders. Hitziger und feuriger. Die Luft vibrierte vor Spannung und Erwartungen. Seine Intensität wie er sie wollte, lag schon bei seiner ganzen Ausstrahlung. Sie wusste, hatte einmal ein Raubtier seine Beute im Blick, würde er sie nie wieder entkommen lassen. Das wusste sie aus Erfahrung. Nicht weil sie gerade die Beute war, aber bei unzähligen anderen. Die Drachen haben immer das bekommen was sie wollten und dieser Drache vor ihr war genau auf das gleiche aus. Es behagte ihr nicht. Ganz und gar nicht. Es machte sie zum Teil ängstlich einen solch starken pulsierenden Blick auf sich zu spüren, das sie beinahe auffraß.
Weg, sie musste hier weg und das schleunigst. Noch mehr Augenblicke und sie wüsste nicht was mit ihr geschah. Ihre Füße bewegten sich wie von alleine, als sie ihn zuvor wieder angeschaut hatte und der Blick noch immer auf ihrem Gesicht gerichtet. Er ließ sie noch nicht einmal eine Millisekunde aus den Augen. Beobachtete sie bei jeder ihrer Bewegungen und selbst ein Knurren erklang. Oh ihr Götter, sie musste unbedingt von hier verschwinden.
Wortlos und ihren Blick von ihm losreißend, ging sie an ihm vorbei, aber er packte sie beim Oberarm. „Lass mich los.“ Versuchte sie nicht panisch zu klingen, aber sie konnte es nicht verhindern, das ihr Herz zu rasen anfing.
„Nein.“ Seine einzige Aussage dazu.
„Du weißt, dass du mich gehen lassen musst. Du hast es...“
„...beim Mythos geschworen. Ich weiß.“ Hatte er sie unterbrochen und beendete ihren Satz. „Aber was ist, wenn ich den Anderen befehle dich aufzuhalten?“ Verengten sich seine glühenden Augen und seine Stimme grollte nur so wissend und fordernd.
„Du kannst mich nicht hereinlegen.“ Musste sie vorher erst ihren Kloß hinunterschlucken. „Der Schwur hindert dich in jeder Lage mich aufzuhalten. Egal ob du es tust oder ob du es anderen befiehlst.“ Gab sie wissend preis.
Ein tiefes Grollen kam aus den Tiefen seiner Kehle. Natürlich hatte er gehofft sie würde es nicht wissen. „Oder die Anderen tun es aus freien Stücken, ohne das ich ein Befehl gebe. Gab er noch ein anderes Argument zu. Natürlich war es möglich, aber sie wollte es nicht.
Gefühlte Minuten schien es zu dauern, bis sie etwas sagte. „Wenn dir so viel daran liegt mir nichts mehr anzutun oder dass ich dich nicht verachten soll, dann lass mich gehen. Du machst es nur schlimmer.“ Das tat er wirklich. Wenn er sie weiterhin so fest hielt und sie in die Enge trieb, dann wäre er nicht anders, wie all die anderen, obwohl er es abstritt.
„Du wärst wie sie.“ Murmelte sie das letzte Wort erstickt heraus. Für eine kurze Zeit verstärkte er seinen Griff um ihrem Oberarm, bis er sie losließ.
„Geh.“ Knurrte er bedrohlich. „Bevor ich es mir anders überlege und einen Ausweg finden werde dieses Schwur zu umgehen.“ Warf er noch hinterher.
Sofort ging sie zur Tür, blieb kurz stehen als seine Stimme noch einmal erklang. „Gehe rechts den Gang runter bis du an einer Abbiegung ankommst. Da gehst du nach links und immer weiter gerade aus, bis du an riesigen Drachenstatuen vorbei kommst. Du wirst automatisch zum Ausgang kommen.“ Beschrieb er allen ernstes jetzt dem Weg nach draußen? Ja er tat es eindeutig.
Wahrhaftig war sie überrascht und starrte ihn an, aber er hatte seinen Blick von ihr abgewandt und stand sogar mit dem Rücken zu ihr umgekehrt. Dabei wusste sie den Weg aus dem Schloss, aber das konnte er ja nicht wissen. Doch bevor sie ging, hatte sie noch eine Sache was sie wissen wollte. „Du sagtest, wenn wir alleine reden, würdest du mir sagen, wie du ohne Erlaubnis mentalen Kontakt mit mir aufnehmen konntest. Also wie?“
Nach einer kurzen Stille antwortete er. „Das kann ich dir nicht beantworten, weil ich es selber nicht weiß warum. Eigentlich wollte ich einen mentalen Kontakt mit dir aufnehmen, aber irgendwie war es eigenartig leicht mit dir zu sprechen. Als würde es bei dir keine Barriere geben.“
Emmanline wusste nicht was sie darauf erwidern sollte, denn das was er sagte war unmöglich. So leicht, als hätte sie keine Barriere? Das konnte nicht sein, denn sie hatte schon immer eine starke unsichtbare Mauer in ihrem Kopf, dass sie vor allen mentalen Angriffen schützen sollten. Solch eine Barriere zu entwickeln, war das Erste was ihre Mutter ihr beigebracht hatte.
Kurz murmelte sie noch etwas, bis sie davon stürmte. Sie konnte es noch immer nicht fassen, aber er ließ sie gehen. Wahrhaftig gehen. Oder hat er gelogen und würde ihr gleich nachkommen und sie wieder zurück holen, obwohl er es nicht konnte? Und doch hielt sie niemand auf. Nicht ein einziger Drache tat es. Im Schloss traf sie auf niemanden. Nicht auf seiner Mutter, oder gar seinem Bruder, geschweige...Aiden. Sie sah nur die Drachen draußen in den Lüften, oder die Wache hielten. Sie würdigten ihr keinen einzigen Blick, standen stramm da und ihre Sinne aufs schärfste ausgerichtet. Auch wenn diese Drachen sie keines Blickes würdigten, so war ihr durchaus bewusst, das sie sie registrierten.
Sollte irgendetwas sein, sie würden ohne mit der Wimper zucken angreifen. Ein Grund mehr sie nicht weiter zu beachten. Emmanline stürmte geradewegs zum Wald hin, spürend wie viele Blicke auf sie gerichtet waren.
Endlich zwischen den Bäumen verschwunden, war es nicht mehr halb schlimm diesen Blicken entkommen zu sein. Sie musste nur noch ihre Beine in die Hand nehmen und so schnell laufen wie sie konnte, damit sie in kürzester Zeit viel Abstand zwischen ihr und diesen Drachen bekam.
Seit einigen Stunden war sie schon unterwegs und niemand verfolgte sie. Woher sie das wusste? Ganz einfach, Vogelgezwitscher über ihr, Geraschel in den Büschen, Tierlaute aller anderer Arten. Überall um sie herum spürte sie das Leben. Selbst in den Bäumen die sich wiegend mit dem Wind im Einklang brachten. Das Rascheln was nur noch beruhigender auf sie wirkte. Wäre alles mucksmäuschenstill, dann wusste sie, dass nichts stimmen würde. Auch das Gefühl sagte ihr, das keine Bedrohung in der Nähe war. Niemand verfolgte sie. Kein einziger Drache. Sie war vollkommen alleine. Sie war frei. Endlich...
Emmanline war schon einige Stunden aus dem Schloss und es drängte ihn jetzt schon ihr hinterher zu stürmen. Sie zurück zu holen. Zu sich. In seine Armen was ihn schon fast verrückt machte. Wie sehr es ihn jetzt drängen mag, aber er musste ihr diese Zeit geben. Ja welche Zeit? Das war doch irrsinnig und lächerlich. Er gab ihr doch nur solange Zeit, damit sie zur Ruhe kommen konnte. Falsch, er musste zur Ruhe kommen. Würde er sie jetzt jagen, dann könnte ihn nichts und niemand mehr aufhalten.
In der Zwickmühle seiner Gedanken und Gefühlen, saß er nun in dem großen Ratssaal mit seiner Mutter und seinen anwesenden Geschwistern, plus.
Die Königin, seine Mutter, saß am oberen Fuße des Tisches. Wo einst mächtig und stolz sein Vater gesessen hatte. An ihrer linken Seite saß Raiden, er ihm gegenüber, zu der Rechten seiner Mutter. Neben ihm saßen Lodan und Taran, welche neben Raiden, Ysera und Charia saßen.
Es herrschte eine schwere und drückende Stimmung. Das Erste was sie taten, als sie sich an den großen Ratstisch setzten, der genau zwanzig Plätze betrug, war es zu schweigen. Normalerweise saßen noch andere Ratsmitglieder an diesem Tisch, aber was sie heute hier besprachen, ging nur der Familie de la Cruise etwas an.
„Glaubst du, es war die richtige Entscheidung diese Frau gehen zu lassen, Lucien?“ Unterbrach Charia die Stille. Endlich.
Doch er musste leise auf knurren. „Nein, es war nicht die richtige Entscheidung. Da ich zu Beginn einen Schwur ablegen musste sie gehen zu lassen, wenn sie meinen Schatz wieder bringen würde. Nun diesen Schatz habe ich jetzt wieder. Der Eid hindert mich daran sie hier aufzuhalten.“ Warf er ein, während er auf den Tisch starrte. Lucien konnte sich sehr gut erinnern, auch wenn es nur ein paar Stunden waren als sie gegangen war. „Ich kann sie weder zwingen hier zu bleiben oder wenn ich einen Befehl geben würde. Die Wörter könnten niemals über meine Lippen kommen.“ Und das setzte ihn noch mehr unter Druck.
Ein Schnauben war zu hören. „Warum hast du dann den Eid geschworen, wenn du doch so dagegen bist?“ Verschränkte Ysera ihre Arme vor der Brust.
Lucien Augen wurden schmal. „Weil sie sonst mit dem...“ Konnte er sich gerade noch zügeln einen verachtenden Ausdruck für den Engel auszusprechen, als er gerade den Ausdruck von Raidens Blick auffing. „...Engel mit gegangen wäre, wenn ich es nicht getan hätte.“ Da sein blutroter Rubin ihn in diesem Moment von großer Bedeutung gewesen war.
„Du hast dich von einer kleinen Frau überlisten lassen.“ Lachte Taran auf und irgendwie stimmten die anderen leise mit ein. Außer seine Mutter, was ihn zur Vorsicht rief.
„Halts Maul, Taran. Wer fragt nach deiner Meinung?“ Fauchte er seinen kleinen Bruder an.
„Schluss jetzt mit diesen Spielchen.“ Rügte die machtvolle Frau, die auf dem Thron saß, mit ihrer Stimme. „Ich will wissen was passiert ist. Was hat sie getan, was wir wissen sollen?“ Das war ein eindeutiger Befehl.
Kurz wurde es still, aber mussten dann berichten. „Eigentlich hat sie so gut wie gar nichts getan. Sie hatte auf den alten Pakt appelliert, da sie in meiner Höhle mitbekommen hatte, wo ich mit Jesaja geredet hatte, das zwischen unseren beiden Völkern ein Pakt bestanden hatte, aber ich dadurch brach. Es ist selbst für mich ein Rätsel wie sie das geschafft hatte.“ Meinte er, als er in all die fragenden Gesichter schaute. „Sie hat Argumente vorgebracht die eigenartig rüber kommen, wie das sie auf wahre Tatsachen zurück gegriffen hatte, wie das Gleichgewicht in der Mythenwelt. Die Engel wissen wo unsere Schwächen liegen, sowie wir ihre wissen, aber es ändert nichts daran was geschehen könnte.“ Verschränkte er stirnrunzelnd seine Arme vor der Brust.
„Das sind für mich keine vorbringenden Argumente, wenn man das Gleichgewicht der Mythenwelt vorbringt. Die Engel sind ein eigensinniges und stures Volk, das nicht einfach nach gibt, nur weil so was hervorgebracht wurde. Da stimmt etwas nicht.“ Setzte Ysera an.
„Ich stimme ihr zu.“ Meldete sich seine Mutter zu Wort. „An dieser Sache ist etwas faul. So leicht geben sie nicht nach. Vor allem nicht, wenn ein unwissendes Gör, das von nichts und niemand eine Ahnung hat, aber eine Göttin auf sie hörte. Das ist unmöglich.“ Hätte er seiner Mutter am liebsten an geknurrt, nur weil sie ein so herablassendes Wort für Emmanline benutzt hatte. Wie idiotisch er sich doch verhielt.
„So ganz kann ich dir nicht zustimmen, Mutter.“ Versuchte Lucien sich zu beherrschen. „So unwissend ist sie nicht. Sie hat wirklich mehr Ahnung, wie wir vielleicht denken. Sie weiß sogar von unserem Geheimnis, was den rechtmäßigen König anbelangt. Es gibt so wenige die davon wissen, dass wir noch nicht einmal die Finger benutzen müssen, um sie abzuzählen. Selbst in unserem Volk ist dieses Geheimnis so gut wie gar nicht bekannt. Meistens betrifft es eh die de la Cruise. Jeder rechtmäßige König war ein de la Cruise. Würde je herauskommen was es bedeuten würde eine Drachenkönig zu stürzen ohne das es einen Nachfolger gibt, wäre es ein herber Schlag für uns.“ Alle ernsten Blicke auf ihn gerichtet.
„Woher weiß sie davon?“ Sprach Lodan misstrauisch.
„Culebra.“ Beantwortete Rhivanna die Frage ihres Sohnes. „Er war ein Mitglied des hohen Rates gewesen, bevor er Verrat begangen hatte. Er wusste von unseren geheimen Gesetzen und anderen Dingen. Wenn ein Rat fungieren muss, dann müssen Geheimnisse geteilt werden, aber nur denen wir vertrauen können. Nur war das nicht der Fall gewesen, denn die Quittung haben wir Jahre später bekommen, als er hinter unseren Rücken Pläne zur Vernichtung der Königsfamilie de la Cruise begangen hatte. Riaz war außer sich gewesen vor Zorn und musste schweren Herzens eine alten und guten Freund zur Hinrichtung verdammen.“ Trübte sich ihr Blick vor Sehnsucht nach ihrem Seelengefährten. Alle haben es mitbekommen wie sehr sie immer weiter darunter litt ihren Gefährten verloren zu haben.
„Also bedeutet das jetzt, diese Frau ist ein wandelndes Lexikon was unsere Rasse anbelangt?“ Wandte Taran ein.
„So könnte man es sagen. Wenn sie eines dieser größten Geheimnisse kennt, was weiß sie dann noch?“ Chiara schien echt davon gefangen zu sein. „Sie wäre unser Untergang, sollte sie je etwas ausplaudern, wenn sie in falsche Hände kommt. Culebra mal ausgeschlossen.“
„Sie kann nichts ausplaudern, Chiara.“ Blickte Lucien finster drein. „Schon vergessen, sie hat einen Eid geschworen, kein einziges Wort über unser Volk zu verlieren, dass uns schaden könnte.“ Verteidigte er Emmanline und wieso verhielt er sich nur so aggressiv allen gegenüber, wenn es um ihr ging?
Lucien wurde langsam verrückt und er musste dagegen etwas unternehmen. Schleunigst, bevor er noch etwas ziemlich dummes passierte. Selbst er wollte all seine Fragen beantwortet haben, die ihn so bedrängten und nicht mehr losließen. Eins war klar, er würde Emmanline folgen. Egal was kommen mag oder sich ihm in den Weg stellte. Sie war vor ihm nicht sicher, auch wenn sie sich noch so gut verstecken würde. Ihr Duft nach dem Sonnigen lag noch immer in seiner Nase. Dieser Duft würde ihn magisch und automatisch zu ihr führen, weil es keinen vergleichbaren Geruch gab, wie der ihren. Sie sollte noch nicht einmal versuchen vor ihm zu flüchten. Sollte sie rennen und sich verstecken, es weckte nur seinen Jagdinstinkt. Es machte ihn Freude, seinen Drachen ebenso, hinter ihr herzujagen. Sie war bis jetzt seine liebste Beute, die ihm das reinste Vergnügen bereitete. Und hatte er sie erst einmal, oh Gnade den Göttern, er würde sich auf sie stürzen. Das war mit Gewissheit, denn so sicher war er sich noch nie in seinem ganzen Leben gewesen.
„Dann soll es also bedeuten, wir lassen sie trotzdem laufen?“
„Nein.“ Klang Luciens Stimme so ernst und sicher, dass er es niemals akzeptieren würde sie einfach davon kommen zu lassen.
„War ja klar, dass du sie angelogen hast. Wäre mir für dein Verhalten ziemlich untypisch vorgekommen.“ Schnalzte Charia mit ihrer Zunge. „Du wirkst ihr gegenüber ganz schön besitzergreifend.“
„Wenn dich das stört, dann lass das mal meine Sorge sein und schau woanders hin.“ Konterte er zurück. „Außerdem kann ich sie nicht einfach davon kommen lassen, gerade weil sie dieses Wissen in sich trägt. Emmanline meinte so ähnlich, dass die Engel zu einem neuen Pakt bereit wären, wenn ich mit ihnen Kompromisse eingehe.“
„Kompromisse?“ schnaubte seine Mutter. „Als wenn wir nicht schon genug Kompromisse eingegangen wären. Diese verfluchten Engel nehmen sich etwas zu viel heraus.“
„Kurz bevor ich befreit wurde, begegnete ich noch einmal die Göttin Seferati. Wir hatten ein sehr nettes Gespräch gehabt.“ Was seine Stimme nur vom Gegenteil überzeugte. „Ich soll mehr Courage und Einverständnis zeigen, wie Vater. Solle mehr Kompromisse eingehen, damit so ein Bündnis überhaupt halten kann. Ich habe mir Gedanken darüber gemacht und werde mir anhören was die Engel zu sagen haben. Ich werde versuchen einen neuen Pakt auszuhandeln, damit wir eine Sorge weniger haben. Nun verstehe ich auch warum Vater mit ihnen einen Pakt abgeschlossen hatte. Ein Krieg steht kurz vor der Haustür, sollten wir nichts unternehmen. Wir haben genug Feinde und können nicht jeder Fraktion standhalten. Uns wird wohl wirklich nichts anderes übrig bleiben ein paar Kompromisse einzugehen.“ Hatte er es wirklich verstanden, als er sich noch einmal alles ins Gedächtnis gerufen hatte. Die Führung seines Vaters auf dem Thron, die Ereignisse all seines Lebens und Erfahrungen, das Gespräch mit dem Rat der Engel und der Göttin Seferati, und zu guter Letzt, mit Emmanline. Ab jetzt verstand er, was sein Vater alles erreichen wollte und wie wichtig das alles war. Vorher hatte er nie verstanden wie sein Vater so etwas Dummes und Verkehrtes tun konnte, als mit den Engeln einen verfluchten Pakt ein zu gehen. Sie waren schon seit er denken konnte Todfeinde. Raziz hatte es immer gewusst das etwas Großes bevor stand und das die Drachen Verbündete brauchten. Dadurch hatte er auch verstanden was die Göttin ihm sagen wollte. Er hatte darüber nachgedacht und erkannt. „Sobald sich alles stabilisiert hat, werde ich ein neues Treffen beordern und Verhandlungen abschließen.“ Was er selbst tun musste, weil er in weniger Zeit der Herrscher der Drachen sein würde. Ab jetzt muss er selbst handeln und aufbauen.
Lucien bemerkte wie seine Mutter ihn intensiv anschaute und blickte zu ihr hin. Er wirkte leicht überrascht als er in ihren Augen Anerkennung lesen konnte und deren Stolz. Anscheinend dachte sie jetzt, langsam begreife er und als Nachfolger gerecht zu werden, aber noch immer nagten Zweifel an ihm. Würde er seinem Vater stets gerecht werden? Er wollte nie so sein wie er oder mit ihm verglichen werden. Seine eigenen Handlungen und Ergebnisse sollten anerkannt werden und nicht nur, weil er der Sohn von Raziz de la Cruise war.
„Nicht schlecht, Lucien.“ Lachte Raiden leicht auf. „Langsam setzt du wirklich deinen Verstand ein. Hatte schon Zweifel wegen dir, ob du dafür überhaupt gewachsen bist.“
„Erspare mir das, Raiden. Ich werde mich mit Sicherheit nicht von deinen beschissenen Kommentaren aus der Fassung bringen lassen. Ich werde das tun, was ich für richtig halte.“ Wobei er auch Ratsvorschläge einholen musste. „Jedenfalls muss ich Emmanline irgendwie zurückholen. Ich musste selbst vor der Göttin ein Versprechen ablegen damit sie unter allen Umständen beschützt werden muss.“ Musste noch nicht einmal ein Versprechen abgeben, um das zu tun.
Ein Schweigen breitete sich im Ratssaal aus.
„Wieso sollte eine Göttin wegen einer Elfe verlangen ein Versprechen abzulegen? Das ergibt keinen Sinn.“
„Doch den gibt es.“ Mischte Lucien sich wieder ein. „Sie hat was an sich, was außergewöhnlich ist. An ihr haftet etwas, was nicht zu beschreiben ist. Vielleicht ist es das, woran es liegt, das sie beschützt werden muss.“
Hingegen wusste Lucien das Emmanline ein Geheimnis in sich trägt. Er verriet nichts davon, weil es sein Verlangen war dieses Geheimnis von ihr zu lüften. Er bezeichnete und beanspruchte das als sein eigenes Recht. Eines Tages würde sie es ihm verraten und nicht da drum herum kommen. Egal wie sehr sie sich wehren würde, denn sie hatte gegen seine Sturheit keine Chance. Eines Tages würde sie ihm vertrauen. Darauf arbeitete er hin.
„Darum werde ich mich kümmern.“ Machte er sein Recht zu beanspruchen. Aber vorher musste er sie finden, nein er verbesserte sich, jagen. Er war schon voller Vorfreude endlich mit seiner Jagd zu beginnen, dass er jetzt sofort aus dem Saal stürmte. Trotzdem musste er sich noch in Geduld üben.
„Ich weiß nicht, ob das so eine kluge Idee ist, das du dich darum kümmern solltest. Vor einigen Stunden sah es danach aus, als wenn du sie fressen wolltest.“ Hob Raiden fragend eine Augenbraue.
Das Wort fressen bekam in seinen Augen eine ganz neue Bedeutung. „Ja, vielleicht hast du Recht das ich sie am liebsten fressen wollte, aber auf eine ganz andere Art und Weise.“ Grinste er breit und ein Goldener Schimmer blitzte in seinen Augen auf. Noch immer hatte er das Vorhaben sie in sein Bett zu holen und davon würde er sich nicht abbringen lassen. „Denkt was ihr wollt.“ Warf er schnell ein. „Sie ist meine Beute die ich für mich auserkoren habe. Ich werde ihr nichts tun was sie nicht auch will, aber ich werde sie jagen. Wird mir je einer in die Quere kommen, denjenigen zerreiße ich in der Luft.“ Kam mit jedem weiteren Wort sein Drache immer mehr in den Vordergrund. Das war keine Bitte gewesen, sondern eine einmalige Drohung, die er würde wahr werden lassen, sollte es nur jemand versuchen.
Sicher hatten alle ihre Meinungen als er in ihre Gesichter blickte, aber ihm war es so was von Scheißegal was sie dachten.
Seine Mutter machte mit geschlossenen Augen einer wegwerfenden Handbewegung. „Tue was du nicht lassen kannst.“ Und ob er das tun würde. „Hole aus ihr alle Informationen heraus die für uns wichtig sind. Sie soll uns die geben und als Austausch beschützen wir sie.“
„Das wird sie nicht tun. Nicht so.“ Schnaubte Lucien. „Ich kann sie in der Hinsicht schon verstehen. Sie wird keinen einzigen Drachen sich anvertrauen, nicht nachdem was sie erlebt hatte. Das Einzige was wir als erstes tun müssen, ist, ihr Vertrauen zu erlangen. Je mehr wir sie unter Druck setzen, umso mehr wird sie sich zurückziehen und weigern.“
„Lucien hat Recht. Diese Frau hat genug durchgemacht und sie wird sich nicht einschüchtern lassen. Wir würden genau das erreichen, was Culebra getan hatte. Das hat sie alles schon längst durch, denn ihr wisst was für ein gnadenloser und krankhafter Bastard er ist. Wir werden uns nicht auf dieses Niveau herab lassen wie Culebra.“ Knurrte Charia, denn sie wusste nur zu gut wie dieser Verräter war. Schließlich jagte sie ihn schon seit einer ziemlichen langen Zeit. „Das ist auch einfach nicht unsere Art. Wir mögen zwar nicht gerade den besten Ruf haben, was richtig ist, aber wir foltern keine Unschuldigen oder quälen sie noch weiter, was sie nicht verdient haben.“
Genau das war es was die Krieger und die Dominanteren stets immer wieder vergaßen wer sie wirklich waren. Ja sicher waren sie Drachen und dadurch brutale und gnadenlose Raubtiere, aber auch sie besaßen ein Herz. Dafür gab es die Mütterlichen, das Herz der ganzen Horde, die es zusammenhielten.
„Als erstes sollten wir sie erst einmal überzeugen, dass sie wieder zurückkommt.“
„Dann solltest du dir schleunigst was einfallen lassen, Lucien.“ Meinte Taran neben ihm.
Luciens Grinsen wurde nur noch breiter. „Ich sagte doch schon bereits, lasst das mal meine Sorge sein.“ Und er hatte auch schon einige Ideen wie er sie dazu bringen könnte wieder zu ihm zurückzukehren. Das würde er auch schaffen, denn er war mit voller Zuversicht. Bald, ja bald schwor er sich, würde er sie wieder haben und dann würde er zum nächsten Schritt übergehen.
Zwei Tage waren vergangen, als Lucien sie hatte gehen lassen. Es wunderte ihn, dass er sich nicht schon längst in die Lüfte erhoben hatte, um sie wiederzuholen. Aber er musste sich wirklich zusammenreißen, damit er genau das nicht tat. Er hatte sich fest vorgenommen, bevor er ihr nachjagen würde, dass er noch etwas Wichtiges zu erledigen hatte. Nicht eher wollte er losstürmen. Auch wenn es ihn beinahe umbrachte, weil seine Befürchtung in ihm aufkeimte, dass sie in Gefahr sei. Verflucht, es zerriss ihn fast, aber nur noch etwas durchhalten. Nicht mehr lange und er kann ihr nachjagen. Er war fast fertig. Das musste er sich immer wieder einreden.
Gerade hatte er sich aufs Bett gesetzt und leicht ermüdet mit seinen Händen übers Gesicht gefahren, als es an der Tür klopfte. Es zerrte wirklich an seinen Nerven das er sich so zurückhalten musste. Lange würde er es wirklich nicht aushalten.
„Komm rein, Mutter.“ Sprach er mit tiefer Stimme und wusste zu genau wer vor der Tür stand.
Langsam trat sie ein und schloss die Tür hinter sich. Mit einem längeren Blick bedachte sie ihn. „Mich wundert es, dass du nicht schon längst auf der Jagd bist.“ Warf sie ein und er wusste welche Jagd sie damit meinte. „Du siehst ziemlich ermüdet aus. Du scheinst ziemlich in Bedrängnis zu sein dieser kleinen Elfe hinterher jagen zu wollen. Wieso gibst du nicht langsam der Versuchung nach?“ Kam sie mit jedem Wort ihm immer näher, bis sie vor ihm stehen blieb. Seine Mutter war nicht sonderlich groß und sie überragte ihn nur mit einem Kopf, obwohl er saß. Das störte aber nicht. Stattdessen legte sie behutsam eine Hand auf seine Wange. „Du gefällst mir so nicht, Lucien. Wieso gibst du deinem Verlangen nicht endlich nach? Es wird nur noch schlimmer werden.“
„Weil ich vorher noch etwas erledigen muss.“ Antwortete er ihr, aber in seiner Stimme lag etwas, was er nicht verraten wollte, was seine Erledigung war. „Außerdem musste ich noch über einiges nachdenken. Über mich. Ich weiß, ich kann mich nicht länger vor meiner Verantwortung drücken, die mir bevorsteht. Deswegen habe ich eine Entscheidung getroffen. Sobald ich Emmanline zurückgeholt habe, werde ich feierlich den Thron besteigen, wie es meine Pflicht als Nachfolger ist.“
Während Lucien gesprochen hatte, hatte seine Mutter die ganze Zeit tröstend über seine Wange gestrichen, bis sie abrupt damit aufhörte, als ihr klar wurde was ihr Sohn da eben gesagt hatte. Er konnte ihre Überraschung verstehen und das war sie schließlich auch. Schon lange war er vor seiner Verpflichtung, als der rechtmäßige König davon gelaufen. Hatte sich in seinen Höhlen zurückgezogen, aber nun musste endlich Schluss damit sein. Ihm war auch klar geworden, dass nicht er derjenige war worum es ging. Es war eigensinnig und egoistisch, was sein Verhalten beträgt. Sein Volk litt nur darunter, aber vor allem seine Mutter. Rhivanna war die Leidtragende, weil sie immer mehr zurückgehalten wurde, ihren Seelengefährten endlich zu folgen. Er spürte wie sehr sie immer weiter davon driftete und all ihr Lebenswille verlor. Sicher, sie kämpfte stark dagegen an, aber irgendwann würde sie elendig zu Grunde gehen. Es zerriss ihn und seinen Geschwistern ihre geliebte Mutter so leiden zu sehen. Schlussendlich hielt er sie nur auf, stellte sich ihr in den Weg, indem er sich weigerte König zu werden. Aber damit war endgültig Schluss.
„Du willst…?“ Schwang Ungläubigkeit in ihrer Stimme mit.
„Ja Mutter, du hast richtig verstanden. Ich werde dich ablösen und meine Pflicht tun, die ich erfühlen muss. Außerdem…“ Unterbrach er sich solange, bis er seine Hand auf der ihren legte, die noch immer reglos auf seiner Wange lag. Er schenkte ihr einen liebevollen und reuevollen Blick mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. „…kann ich dich nicht länger so leiden sehen, Mutter. Es zerreißt mich innerlich, genauso wie all die anderen. Ich war so egoistisch, dass ich blind gewesen war, nur weil ich nicht den Arsch in der Hose hatte, das zu tun, was normalerweise das Richtige gewesen wäre. Das hätte ich schon längst tun sollen, aber stattdessen habe ich dich nur leiden lassen. Ich weiß, dass ich an all dem Schuld habe. Bitte verzeih mir.“ Neigte er reuevoll seinen Kopf vor ihr, denn er schämte sich wirklich in alle Maßen dafür. „Dabei wolltest du schon längst bei Vater sein.“
„Oh, mein Lucien.“ Klang ihre Stimme leicht erstickt und er schaute wieder zu ihr auf, um gleich in getrübte und sehnsuchtsvolle Augen zu schauen. Nichts mehr war von der strengen und ehrgeizigen Königin zu sehen. Nur noch die Frau und Mutter die sie in Wirklichkeit war. Es traf ihn wie ein Schlag in seine Magengegend. „Ich sehne mich wirklich nach euren Vater, aber ich musste ihm damals versprechen, sollte ihm je etwas geschehen, dass ich solange bleibe, bis du wirklich dazu bereit bist. Dein Vater hatte gewusst, dass du es noch nicht warst.“ Lächelte sie leicht traurig und abschweifend, denn da wusste er, das sie zurückblickte. „Er meinte stets, sollte er eines Tages vor mir gehen, würde er bis in alle Ewigkeit auf der anderen Seite auf mich warten. Er war stets mein Halt in der Brandung gewesen und mein Leben. Uns verband mehr als das Seelenband miteinander. Ich weiß, du magst dies nicht vorstellen können, aber solltest du je deine Seelengefährtin finden, so weißt du, wovon ich spreche. Solch ein Bund der Seelen ist nicht zu beschreiben, weil es jeder anders empfindet.“ Wurde ihre Stimme mit jedem Wort erstickter. „Ich weiß, ihr habt alle Angst und der Schmerz über meinen Verlust wird unerträglich sein. Aber für mich war es Raziz gewesen. Sein Tod hat mich seit dem Zeitpunkt aus meinem Leben gerissen. Ich habe euch, meine Kinder, unendlich lieb, wie es eine Mutter nur vermachen kann, und würde mein Leben für euch geben, aber Raziz ist meine Seele. Ich muss gehen. Ihr müsst mich gehen lassen, egal wie schwer es ist. Ich will nicht bis zu meinem Ende, den Leid und Schmerz weiter verfallen, bis ich endlich Lösung erlange. Ich muss es selber tun, bevor ich außer Kontrolle gerate, denn ich bin kurz vor dieser Grenze.“ Gestand sie ihr jetzige Lage und es erschütterte ihn.
„Du stehst schon kurz vor der Grenze die Kontrolle zu verlieren?“ Waren seine Augen leicht geweitet vor Schock und um die Sorge seiner Mutter. „Wieso hast du uns nie gesagt wie riskant dein Zustand ist? Wir hätten das alle verstanden.“ Konnte er es nicht fassen. Überschritt einer erst einmal diese Grenze und verlor die Kontrolle über sich selbst, verlor einer auch seinen Verstand. Der Drache würde sofort die Kontrolle über alles nehmen. Nur noch das Raubtier war vorhanden und nichts Menschliches mehr. Eine Raserei würde über einen hereinbrechen. Der Drache würde solange töten und verwüsten, bis er getötet wurde. Einen anderen Ausweg gab es nicht, denn einmal die Grenze überschritten, gab es kein Zurück mehr.
Ein entdeckter wild gewordenen Drachen, würde sofort der Jäger benachrichtigt und bis jetzt gab es nur einen, seinen Bruder Alastar. Bei den Heiligen, dass wollte er sich erst nicht ausmalen was das bedeutete. Alastar müsste seine eigene Mutter töten, sollte sie die Kontrolle verlieren. Auch wenn sein Bruder nie Gefühle oder desgleichen zeigte, so bedeutete ihm seine Mutter trotzdem etwas. Es würde ihn vollkommen vernichten und in einen Abgrund stürzen, wo er nicht so schnell wieder heraus kam. Es waren zwei verschiedene Sachen, wenn sie ihr Leben beendete oder wenn sie getötet wurde. Beide Gedanken waren schmerzhaft, aber die eine grausamer als die andere.
„Verflucht Mutter.“ Knurrte er etwas wütend auf. Es machte ihn wütend, weil sie zu niemanden gegangen war, denn hätte sie es getan, wüsste er, all seine Geschwister hätten sich zusammengesetzt. „Weißt du, was das für Alastar bedeuten würde, solltest du die Grenze überschreiten? Du wirst ihn damit umbringen.“ Mögen seine Worte wie ein scharfes Messer ins Fleisch schneiden, aber es war die bittere Wahrheit, die wie Säure im Magen brannte.
„Manchmal muss einer mit sich selbst kämpfen, bevor es zu spät ist.“ Gestand sie, aber das war für ihn kein Grund.
Es war schwer den Gedanken hegen zu müssen, dass seine Mutter bald sterben würde, aber es war noch unerträglicher, wenn sie ihre Mutter so in Erinnerung behalten, wenn sie der Raserei verfallen gewesen wäre.
„Bitte tue uns das nicht an, Mutter.“ Schmerz in jeder Silbe seiner Worte. Er konnte es nicht ertragen diesen Gedanken nur zu Ende zu bringen oder gar sich vorzustellen war unmöglich.
„Nein das tue ich nicht, deswegen stehe ich jetzt vor dir. Wenn du mir nicht gesagt hättest, du wärst bereit für den Antritt zum König, wäre ich trotzdem zu dir gekommen. Ich sehe ein das es nicht weiter geht. Nicht so. Ich muss es mir eingestehen, bevor es zu spät ist.“ Gab sie zu und es überraschte ihn wirklich. Es bedeutete ihm verdammt viel das seine Mutter zu ihm gekommen war, anstatt zu Raiden, der Älteste unter seinen Geschwistern, oder gar zu Lya, die eine Mütterliche war und eine beruhigende Wirkung hatte die einen besänftigte. Aber nein sie kam zu ihm und das zollte eine Menge Respekt.
„Danke Mutter, dass du zu mir gekommen bist.“ Lächelte er sie leicht an, denn was sie getan hatte, war keine Selbstverständlichkeit. Dieses Vertrauen von ihr, behandelte er in allen Ehren.
„Das ist aber nicht der eigentliche Grund warum ich zu dir gekommen bin, Lucien.“ Ließ sie ihre Hand sinken und blickte ihm fest in die Augen. Da stimmte etwas nicht. Seine Augen wurden zu Schlitzen und seine Stirn runzelte sich.
„Weswegen dann?“ Was kann noch wichtiger sein, als die Tatsache das seine Mutter kurz davor stand über sich selbst die Kontrolle zu verlieren?
„Vor einigen Monaten hatte ich dir angekündigt, dass ich mit dir über diesen Rubin sprechen wollte. Es ist sehr wichtig.“ Blickte sie zur Seite, denn dieser Rubin lag noch immer auf der Kommode wo Emmanline ihn hingelegt hatte. Daran hatte er überhaupt nicht mehr gedacht. Er war so darauf konzentriert gewesen was seine Erledigung anbelangte, das er keine Beachtung für seinen Schatz hatte. Dabei war er so versessen darauf gewesen.
„Was willst du mir damit sagen?“
Kurz schwieg sie und schloss ihre Augen. „Dieser Rubin ist für unser Volk überlebenswichtig. Diese blutrote Farbe ist unser Drachenblut, womit es entstanden ist. Jeder Drache der stirbt wird ein Teil dieses Rubins. Jeder ist unausweichlich mit diesem Stein verbunden. Schon seit tausenden von Jahren lastet ein Fluch auf uns, dass verhindert, wenn wir in die Ewigkeit zur Ruhe gehen, niemals die Ruhe finden werden die wir nach unserem Tod erwarten. Wir sind ewige Verdammten. Unsere Seelen gefangen in diesem blutrotem Rubin.“ Klang unglaublicher Schmerz aus ihrer Stimme.
Lucien wusste nicht was er sagen sollte, denn davon hatte er zuvor noch nie etwas gehört gehabt. Es verwirrte ihn und es mangelte an Gläubigkeit bei ihm. „Ich verstehe nicht ganz. Willst du mir damit sagen, wenn wir sterben, werden wir nie wirklich frei sein?“
„Ja, so ist es. Es wird auch keine Wiedergeburt geben, weil dieser Fluch uns daran hindert. Die Drachenseelen sind alle in diesem Stein eingeschlossen. Auch die von deinem Vater, sowie es auch meine sein wird.“ Schaute sie sehnsuchtsvoll diesen blutroten Stein an.
Er konnte es einfach nicht fassen. Für einen Moment blieb ihm vor Entsetzen das Herz stehen und sein Verstand setzte aus. „Wieso weiß niemand davon? Wieso weiß ich nichts davon? Ich besitze diesen Rubin schon seit Jahrhunderten und keiner macht die Anstalten mir zu sagen wie wertvoll dieser Rubin in meinem Hort ist?“ Riss er sich auf die Beine und wanderte wütend auf und ab. „Das kann doch wohl nicht wahr sein.“ Wurde er lauter. „Willst du mir jetzt auch sagen, wenn dieser Rubin zerstört wird, dass alle Seelen darin, das mindestens tausende von Seelen sind, für immer verdammt sind? Das es dann keine Erlösung gibt?“ Wollte er verfluchte antworten darauf haben. Er war verflucht wütend, dass so was lebenswichtiges überhaupt in seinem Besitz war.
„Nicht ganz.“ Atmete seine Mutter tief durch. „Dein Vater hatte dir diesen Rubin vor langer Zeit gegeben, nicht weil du der rechtmäßige Drachenkönig bist, sondern weil er dir diese Verantwortung anvertraut hatte. Auch wenn du davon noch nichts wusstest. Raziz hat geschwiegen, ja das tat er, aber aus sicheren Gründen. Niemand im Volk weiß von diesem Fluch, weil wir diese Unruhen und Katastrophen verhindern wollten. Niemand wird es entspannt hinnehmen, wenn sie daran denken müssen nach dem Tod in ewiger Verdammnis zu verweilen. Eventuell den Gedanken daran hegen, dass sie niemals wieder mit ihren Geliebten zusammen kommen könnten. Geschweige die Hoffnung auf eine Wiedergeburt. Es würde alles ins Chaos stürzen und ist dieser Rubin erst einmal in falschen Händen, wird unser Volk erst richtig leiden. Das Blut der Drachen hat diesen Rubin getränkt, was uns das Leben schenkt, aber es kann auch unweigerlich genommen werden. Keiner der von diesem Stein weiß, weiß welche Folgen noch kommen würden, außer die Auslöschung.“ Beobachten sie ihren Sohn an. Mit einer ernsten Standhaftigkeit.
Mit dem Rücken stand er zu ihr gewandt. Das Feuer seines Drachens tobte wie ein Feuersturm in ihm. Wenn das alles stimmt, was seine Mutter ihm da sagte, dann könnte seinem Volk noch viel schlimmeres bevorstehen als jemals zuvor. Da lag es nun an ihm diesen blutroten Rubin anzustarren. „Sie hatte Recht gehabt.“ Flüsterte er vor sich hin. „Emmanline hatte einmal erwähnt das sie nichts dafür kann diesen Rubin gestohlen zu haben. Etwas hatte sie dazu gedrängt ihn zu stehlen.“
„Du glaubst ihr?“
Drohend knurrte er auf und wandte sich zu seiner Mutter um. „Stellst du meine Sinne und Zurechnungsfähigkeit in Frage, Mutter?“ Wollte er wissen, denn er konnte diese Zweifel nicht akzeptieren. „Meine Sinne mögen vorher benebelt gewesen sein, als ich sie gefangen genommen hatte und als meine Wut in mir getobt hatte, aber ich bin wieder vollkommen klar im Kopf. Ich habe es an ihr gerochen das sie die Wahrheit sagft. Was also soll ich glauben? Sie mag vielleicht das alles getan haben, aber ich kann nicht mehr alles auf sie abwälzen, wie ich es gerne hätte.“ Nicht seit er im Himmelreich gewesen war. Irgendwas war ihr Geheimnis was sie außergewöhnlich machte. Selbst die Göttin meinte, sie solle beschützt werden. Das war noch seltsamer und er musste herausfinden was es war. Sonst würde er noch wirklich verrückt werden. Aber er konnte niemanden sagen, dass mit Emmanline nichts stimmte. Sicher mögen sie fühlen das sie anders war, aber sie konnten es nicht tiefer sehen. Nicht so wie er es sehen konnte.
„Du weißt, ich stelle deine Autorität nicht in Frage. Ich wollte nur sicher gehen inwiefern du ihr traust. Diese Elfe hat ein Leben unter Culebra verbracht und keiner weiß, ob sie nicht etwas im Schilde führt. Du hast sie einfach hierher geschleppt ohne auch nur einmal darüber nach gedacht zu haben. Sie kann alles sein. Du kannst ihr nicht leichtfertig vertrauen.“ Seine Mutter sprach die Wahrheit, aber er musste etwas anderes in ihr sehen. Etwas in ihm verlangte danach.
Leicht seufzte er auf. „Ja du hast Recht, aber ich muss ihr eine Chance lassen. Ich bin es ihr schuldig, nachdem ich sie so respektlos behandelt hatte. Ich habe etwas in ihr gesehen, dass unschuldig ist und ich will herausfinden, dass ich mich nicht getäuscht habe. Wir sind nicht wie Culebra und sein Gefolge, dass Unschuldige grausam behandelt. Wir sind anders und ich werde nicht noch einmal den gleichen Fehler machen, indem ich ihr gegenüber Vorurteile habe. Das ist nicht fair. Nicht uns gegenüber und vor allem nicht Emmanline gegenüber.“ An diesen Worten musste er glauben. Nur für eine gewisse Zeit, bevor er ein Urteil pfählte.
Ein warmes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. „Eines Tages wirst du ein guter König sein, welches Volk dir folgen wird.“ Dessen war er sich nicht so sicher.
„Vielleicht, aber ich warte ab.“ Meinte er nur darauf und etwas in diesen Worten sollte hindeuten, dass er sich dazu nicht weiter äußern würde. „Ich denke, ich mache mich jetzt auf dem Weg.“ Beschloss er und blickte den Rubin an, der noch immer auf der Kommode lag. Er ging zu diesem Stein, um ihn an sich zu nehmen. „Ich werde weiterhin diesen Rubin bewahren und wir werden noch ein ernsthafteres Gespräch dessen führen.“ Denn seine ganzen Fragen waren dazu noch nicht beantwortet. Doch jetzt hatte er keine Zeit dazu.
Lucien wollte nach dem blutroten Rubin greifen, als er sich plötzlich in Luft auflöste. Entrüstet, genauso wie seine Mutter, starrten sie auf die leere Stelle wo er gelegen hatte.
„Wo ist er hin?“ Klang Entsetzen und Wut in der Stimme seiner Mutter mit.
Doch woher sollte er das wissen, aber eine kleine Vorahnung packte ihn. Er musste los und somit stürmte er davon. Aus dem Zimmer und aus dem Schloss. Aber nicht vorher eine Tasche zu greifen, die er zurecht gelegt hatte. Dann verschwand er ohne ein weiteres Wort und ließ alles stehen und liegen.
Das durfte doch wohl nicht wahr sein. Soweit sie sich erinnern konnte, war sie schon seit zwei Tagen frei. Sofern einer es frei nennen konnte. Irgendwie machte es sie schon stutzig. Der Drache, der sie gefangen genommen hatte, ließ sie einfach so ziehen? Natürlich war sie erfreut darüber, aber es war auch beängstigend zugleich. Drachen waren Geschöpfe in der Mythenwelt, wenn sie besessen auf etwas reagierten, das sie solange jagten, bis sie es in ihrem Besitz hatten.
Der Eindruck war in ihr geweckt, dass der Drache sie hat mit allen Mitteln aufhalten wollen. Seine ganze Körpersprache protzte nur so danach und dann dieser Blick...oh ihr Götter, bewahre sie. Egal was sie macht, jedes Mal sieht sie seine wahnsinnigen glühenden Augen vor sich. Sie kennt unzählige Drachenaugen, aber solche hatte sie noch nie zuvor gesehen. Nicht so ausdrucksstark wie bei ihm. Jedes Mal wenn er sie angeschaut hatte, versenkte er sie mit seinen Blicken. Jedes Mal bekam sie eine Gänsehaut und sie konnte nicht anders als darauf zu reagieren. Noch nie war das in ihrem Leben passiert. Ihr ganzes Leben verbrachte sie unter Drachen, seit ihrer Geburt, aber noch nie löste ein Drache so etwas wie Anziehung bei ihr aus. Zumal sie es nicht vergessen konnte, was die Drachen ihr alles genommen hatten. Ihr Leben und das Wertvollste, war ihre Mutter. Sie war immer das Einzige gewesen, was sie am Leben erhalten hatte und dessen Vernunft. Auch wenn ihre Mutter nicht mehr lebte, hörte sie noch immer die sanfte und liebevolle Stimme in ihrem Kopf und welche Präsenz in ihr lebte. Trotz das sie nicht mehr lebte, spürte sie ihre Mutter immer noch.
„Eines Tages wirst du jemand finden, der für dich viel bedeutet. Verschließe dich nicht davor, egal was kommen mag. Verschließe dich nicht vor etwas, was dir einmal alles bedeuten könnte. Zeige keine Angst und Scheu, eines Tages wird es jemand für dich geben, der dich beschützt und gut behandeln wird. Sei mutig, mein Schatz."
Waren das einmal die Worte ihrer Mutter gewesen. Sie hatte sie nie verstanden was sie ihr damit sagen wollte und das tat sie auch heute noch nicht. Wie sollte sie auch? Nie hatte sie etwas anderes erfahren als gedemütigt, gefoltert und erniedrigt zu werden. Schmerzen waren ihr ständiger Begleiter gewesen. Jeden Tag aufs Neue. Irgendwann hatte sie sich daran gewöhnt und es als weniger empfunden. Sie mochte vielleicht einige Male gestorben sein, aber nie so, wie sie es sich so sehnlichst gewünscht hatte. Jeden Tag betete sie auf Erlösung, aber nie wurde ihr Gebet erhört. Götter mag es geben, aber sie waren für Wünsche und Gebete nicht erschaffen worden. Es war alles reinster Aberglaube und Märchen, wenn zu einem Gott gebetet wurde. Deswegen hegte sie keinen Glauben daran. Götter waren eigensinnig und extravagant. Mag sein das sie große Macht haben und das sie darauf achteten damit das Gleichgewicht in der Mythenwelt erhalten bleibt, aber sie werden immer auf ihre eigenen Ziele aus sein, sollten sie sich bei irgendetwas einmischen.
Aber alles änderte nichts daran, egal wie sehr sie ihre Gedanken abschweifen ließ, immer wieder erschien der Drache vor ihren inneren Auge. Es war seltsam, aber sie fühlte sich ständig verfolgt von ihm. In allen ihren Sinnen war er vorhanden. Noch immer hatte sie seinen männlichen maskulinen Geruch nach erdigem in ihrer Nase. Seine Gestalt vor ihren Augen. Fühlt noch immer die harte und glatte Haut auf ihrer. Alles kribbelte dort wo er sie berührt hatte. Als wäre sie an all den Stellen gebrandmarkt worden. Und dann dieser Geschmack der ihr auf der Zunge lag. Seine feurigen Küsse haben sie erst zu diesem Verlangen danach aufflammen lassen. Was war nur mit ihr los? Er hatte ihr all das aufgezwungen und sie hatte sich dagegen gewehrt. Natürlich würde sie es jetzt auch noch tun. Nur mehr mit ihrer Vernunft. Sofern noch etwas davon übrig blieb. Es machte sie verrückt dass sie so auf ihn reagierte, weil es ihr zugleich Angst machte. Angst? Nein, das war ein falsches Wort dafür. Es war Unsicherheit auf dieses unbekannte Gefühl was in ihr empor stieg, wenn er nur in ihrer Nähe war. Oder viel mehr, wenn sie sogar an ihn dachte.
Dieser Drache sollte sich aus ihren Gedanken halten. Irgendwo musste er sich in ihren Kopf eingenistet haben, was er mit purer Absicht tat. War es dieser Grund, warum er ihr nicht folgte? Dass er sie nicht jagte? Natürlich, so hatte er die Kontrolle und wusste wo sie sich befand. Es war nicht wirklich einfach, aber diese Macht die er dadurch ausstrahlte sie zu kontrollieren, machte es nur noch schlimmer.
Normalerweise sollte sie danach fragen, warum er so besessen darauf war sie festzuhalten, aber diese Frage beantwortete sie sich in diesem Moment von alleine, als sie die Frage überhaupt gestellt hatte. Es war ihr Geheimnis. Welches sie so fest in sich verschlossen hält. Tiefer als ihr Verstand überhaupt reicht. Und schon wieder tauchte die Stimme ihrer Mutter in ihrem Kopf auf.
„Mein Schatz, zeige niemanden, wirklich niemanden, wer du wirklich bist. Niemand darf erfahren was in dir wohnt. Was du bist und wer du bist. Ich weiß, es wird nicht leicht sein, aber du musst dich immer an meine Worte erinnern und darfst sie niemals vergessen. Eines Tages kann ich nicht mehr bei dir bleiben und muss an einen anderen Ort gehen.“
Hatte sie damals angefangen, sie war sieben gewesen und obwohl ihre Mutter so behutsam und sanft mit ihren Worten umgegangen war, wusste sie nur zu genau welcher Ort dieser gewesen war, wo sie hin musste.
„Dein Wesen muss immer in dir verschlossen bleiben, auch wenn es schmerzt und raus in die Freiheit will. Jeder der bemerkt welches Geheimnis du in dich trägst, wird dich jagen und einsperren, weil sie nicht teilen wollen. Du bist etwas Besonderes und Seltenes, genauso wie ich. Ich weiß was du jetzt denkst, denn schließlich bist du eingesperrt, aber das wird nicht immer so bleiben. Eines Tages wirst du hier rauskommen und frei sein. Erfahrungen machen die dich prägen werden. Etwas Gutes wird für dich bereit stehen, nur für dich alleine und du wirst jemanden finden, dem du alles anvertrauen kannst.“
Aber wo war das Gute was für sie bestimmt war? Wenn sie daran glauben würde, wie lange würde es dauern? Jahre? Jahrzehnte? Oder gar Jahrhunderte? Diesen Glauben oder Hoffnung konnte sie nirgendwo hernehmen oder finden. Damals hatte sie ihrer Mutter versprochen gehabt, dass sie auf das Gute warten würde, aber jetzt bemerkte sie, wie unwissend und dumm sie als Kind gewesen war. Ihre Mutter hatte ihr so viele Hoffnungen gegeben, dass es unmöglich war daran festzuhalten. Es war viel zu viel gewesen.
Beinahe wäre Emmanline gestolpert, als sie so durch den dichten Wald rannte. Schon seit Stunden, seit die Nacht hereingebrochen war. Diese Nacht war düster, das durch die dichten Wolken am Himmel die Sterne und der Mond überhaupt keine Chance hatten sich zu zeigen oder sich in ihrer leuchtenden Pracht.
Aber das sie rannte, lag daran, dass sie erneut auf einer Flucht war.
„Lauf nur Elfe. Wir werden dich finden und haben wir dich erst einmal, werden wir unsere Belohnung holen.“ Lachte eine dunkle und verzerrte Männerstimme auf, die immer näher kam.
„Zuerst werde ich sie bekommen. Mmh, wie schmackhaft sie sein muss…“ Meldete sich eine andere männliche Stimme, die genauso unheilvoll klang.
„Träum weiter. Als erstes bekomme ich sie.“ Lachte eine dritte Stimme auf.
Emmanline wusste ganz genau was ihre Verfolger taten. Sie sprachen mit Absicht so laut und immer wieder, weil sie Spaß daran hatten sie zu jagen. Es war ein psychisches Spiel was sie da trieben. Es sollte sie in die Irre führen und in Panik versetzen, doch sie hatte keine Ahnung. Sie mochte im Nachteil sein gegen fünf Verfolger, nicht nur Verfolger. Sie wusste ganz genau das fünf Vampire sie nun durch den düsteren und schwarzen Wald jagten. Immer wieder konnte sie die rotglühenden Augen sehen, das wie Blut in der Dunkelheit aufleuchtete, wenn sie um sich schaute.
Mehrmals konnte sie die Vampire austricksen, aber das war nicht genug. Immer wieder fanden sie sie. Egal ob sie den Täuschungszauber oder den Zauber der Verborgenheit anwendete. Sie fanden sie. Sie war nicht nur wegen der Anzahl im Nachteil, nein, denn diese Vampire konnten sich überirdisch schnell bewegen. Was so heißt, sie hatte überhaupt keine Chance. Sie hatte davon gehört, das Vampire ziemlich schnell waren, aber es nie Hautnah selbst erlebt. Es sah jedes Mal so aus, als könnten sich die Vampire teleportieren, aber es war nur auf ihre Schnelligkeit zurück zu führen.
Die Vampire spielten mit ihr Katz und Maus, und versuchten dieses Spiel solange hinauszuzögern wie sie nur konnten. Sofern sie ihren Spaß noch daran hatten. Für sie war Emmanline ein Spielzeug und Nahrungsquelle zugleich. Sie werden über sie herfallen, von ihr trinken und wenn es gar schlimmer kommt sogar sexuell missbrauchen. Das Letzte graute ihr am meisten. Sie wollte es sich nicht vorstellen oder ausmalen. Deswegen musste sie die Vampire weiterhin in die Irre führen. Solange bis es Tag wurde und sie sich zurück ziehen mussten. Aber sie wusste nicht, ob sie solange noch durchhalten würde, es wären Stunden bis zum Tagesanbruch.
„Mietz, mietz, mietz! Na komm.“ Lockte ein Vampir sie wie ein Kätzchen, das aus ihrem Versteck kommen sollte. „Wir werden auch ganz sanft zu dir sein.“ Verhöhnte er weiter. Niemals würden sie sanft zu ihr sein. Das lag nicht in ihrer Natur.
Über umgestürzte Bäume und dichtem Geäst musste sie darüber springen oder ausweichen. In dem Wald war alles so zugewuchert, dass sie kaum Fluchtmöglichkeiten hatte. Aber sie konnte auch nicht auf freiem Feld laufen, da wäre sie noch ungeschützter und würden sie innerhalb von Sekunden zu fassen bekommen. Ausgeschlossen, aber sie musste sich dringend etwas einfallen lassen. Ohne eine Idee würde sie ziemlich aufgeschmissen sein. Also wie könnte sie es schaffen, diesen Blutsaugern zu entkommen?
Emmanline war so auf ihr Laufen und Umfeld fixiert gewesen, dass sie gerade noch registrierte, wie ein leichtes Gewicht in ihrer Hand spürte. Sie wäre beinahe gestolpert und über einen Baumstumpf geflogen. Gerade bekam sie noch die Kurve, aber was sie in ihrer Hand sah, entsetzte sie dermaßen das sie geschockt und verwirrt zugleich war. Der blutrote Rubin war wie ein leuchten im dunklem Wald. Sie konnte zwar in der Dunkelheit sehen, aber nicht so gut wie ein Vampir oder ein Drache.
Aber das konnte nicht sein. Wieso lag plötzlich dieser Stein wieder in ihren Händen? Sie hatte ihn doch im Zimmer auf einem kleinen Schrank bei dem Drachen zurück gelassen. Wie also konnte das sein? Dabei hatte sie alles daran gesetzt gehabt diesen Rubin wieder zu beschaffen, damit sie ihn dem rechtmäßigen Besitzer wieder geben konnte. Was sie ja auch getan hatte, aber nun lag er wieder in ihrer Hand.
Sie hatte doch wohl nicht unbewusst einen Zauber bewirkt? Nein, das konnte nicht sein. Das hätte sie doch mitbekommen. Egal ob sie einen Zauber unbewusst wirken ließ oder bewusst. Sie spürte jedes Mal, wenn magische Energie in ihr aufwallten. Deswegen war es ihr unerklärlich. Aber vielleicht lag es auch an diesem blutroten Rubin selbst. Sie spürte das magische Schwingungen von ihm ausgingen. So recht erklären konnte sie es sich nicht. Sie hatte nicht sonderliche Ahnung von Magie.
Doch jetzt war nicht die Zeit und nicht die richtige Situation um darüber nachzudenken, warum dieser blutrote Rubin wieder in ihren Händen lag. Im Augenblick hatte sie ziemliche andere Probleme. Sollten die Drachen toben und wüten, dann sollten sie sich hinten anstellen.
Emmanline packte, während sie rannte, den Stein in ihre Tasche, denn dieser würde sie nur beim Rennen behindern. Sie durfte nicht vergessen in welcher Lage sie sich gerade befand.
Langsam bekam sie das Gefühl das sie in eine bergige Gegend kam, denn immer wieder ragten Felsen auf, die immer größer wirkten. Sie wusste, dass nicht weit von hier ein Gebirge war und es beschlich ihr ein ungutes Gefühl. Die Vampire jagten sie nicht nur lediglich, sondern jagten sie dorthin wo ihre Jagdgebiete waren. Sie war nur zur falschen Zeit am falschen Ort gelandet, denn dies ist ihr Jagdgebiet und nicht einfach nur eine reine Zufälligkeit. Schließlich hatte sie vorher schon bemerkt, dass die Vampire die Gegend kannten, aber sie hätte jetzt nicht damit gerechnet, dass sie hier irgendwo hausten. Nicht in solchen Gebieten. Wobei sie nicht die wirkliche Ahnung und Erfahrung mit ihnen gemacht hatte. Nur durch zufällige Gesprächsfetzen der Drachen in den Höhlen konnte sie einiges aufschnappen. Zwei Wachen hatten sich einmal unterhalten und sich über die Vampire lustig gemacht wie neu modern und wie protzig sie wirkten. Sie waren sich für nichts zu schade und sie nahmen sich ihre Quelle viel einfacher. Die Menschen seien das perfekte Ziel und leichte Beute, dass die Vampire sich nicht wirklich den Finger krumm machen mussten. Sie wählten sich ihre Opfer und setzten sie für ihre Spielchen ein, wie sie es gerade taten.
Vielleicht aber konnte sie die Berge zu ihren Gunsten nutzen. Sie mag dieses Gebirge nicht kennen, aber bestimmte Strukturen waren immer gleich. Da sie ihr ganzes Leben in Höhlen verbracht hatte, konnte sie vielleicht Anhand von Hinweisen ihren Vorteil daraus nutzen. Vielleicht konnte sie die Vampire auch überlisten. Sie musste jetzt jede Chance nutzen, die sie bekommen konnte oder die ihr zur Verfügung standen. So ganz kampflos wollte sie nicht aufgeben.
Tiefer in den Bergen wurde sie jetzt von massivem Felsen umgeben und immer wieder blickte sie sich um. Nicht wegen den Vampiren, viel mehr ob sie eine Möglichkeit fand irgendwo unterzutauchen. Es wird nicht leicht werden, aber es sollte eine Möglichkeit bestehen. Doch wie sah diese Möglichkeit aus?
„Nein, seht euch das an. Das kleine Miezekätzchen versucht sich zu verstecken. Sie denkt sie kann sich vor uns verstecken.“ Lachten sie alle auf und sie fühlte sich von Mal zu Mal immer schlimmer. „Aber ich glaube wir sollten das Spiel langsam beenden. Langsam bekomme ich wirklichen Hunger. Ihr etwa nicht, Jungs?“ Sprach der Vampir heiter weiter.
„Mir geht es genauso. Lass sie uns endlich schmecken. Ich brenne schon darauf. Ich will wissen wie das Blut einer Elfe schmeckt, denn ich habe zuvor noch nie von einer probiert. Das muss köstlich sein. Wann bekommt man eine Gelegenheit eine Elfe zu schmecken.“ Knurrte einer der Vampire vor Verlangen und sie konnte den Hunger in dem Knurren hören. Die anderen Vier stimmten ihm zu und jetzt wurde es wirklich brenzlig und ernst.
Auf einmal erblickte sie einen Spalt im Boden und sie konnte nur eine Vermutung aufstellen, dass es sich um ein unterirdischen Höhlensystem handelte. Sie sah jetzt des öfteren wie sie Höhleneingänge in die Berge führten. Sicher sollte sie lieber die sicheren Eingänge nehmen, aber dieses Risiko war ihr zu hoch. Die Vampire würden einen zu großen Überblick haben. Sie könnten sie schneller packen. Dadurch wäre sie eine leichte Beute und sie kannten diese Gebirge.
Genau in diesem Moment tauchte ein Vampir vor ihr auf. Einer zu ihrer linken und ein anderer zu ihrer rechten. Drei Vampire, aber wo waren die anderen zwei? Nur sie konnte jetzt nicht aufgeben und vor Schock stehen bleiben. Der Spalt war nur wenige Meter von ihr entfernt und sie konnte es schaffen. Plötzlich tauchte neben ihr ein vierter Vampir auf und vor Überraschung und Schock machte sie einen Satz in die entgegen gesetzte Richtung.
Nur noch drei Meter. Drei Meter...
Dann der Fünfte der unmittelbar vor ihr auftauchte und indem sie beinahe rein gerannt wäre. Erneut musste sie einen Sprung machen, aber riskierte jetzt ihre Chance. Durch einen letzten Sprung überbrückte sie die letzten eineinhalb Meter zur Spalte hin.
„Verflucht sie will ins Höhlensystem verschwinden.“ War aber schon längst gesprungen und sie stürzte zu Boden auf dem Grund. Die Spalte war etwas zu eng, dass sie an den Felsen mit ihrer nackten Haut schabte. Ein brennender Schmerz durchfuhr ihren Körper, aber durch ihr Adrenalin, dass durch ihren Körper schoss, konnte sie die Schmerzen ausblenden.
Emmanline versuchte leichter auf dem Boden aufzukommen, ohne unsanft aufzuschlagen. Sie verlor keine Zeit und rannte in die Höhlen tiefer hinein, wie sie vermutet hatte, dass sie existierten.
„Verflucht nochmal.“ Konnte sie einen von den Fünf oben fluchen hören. „Schnappt sie euch.“ Sprangen sie ihr hinterher.
Emmanline nahm so viele Abzweigungen wie möglich, damit sie einen gewissen Vorsprung bekam und vielleicht verwirrte es sie auch.
„Lauf nur, wir werden dich eh bekommen. Du kannst dich überall verstecken, aber du wirst uns nicht entkommen. Wir können dich riechen und dein Herzschlag hören und wie dein schmackhaftes Blut durch deine Adern fließt.“ Klangen seine Worte wie die reinste Vorfreude und er hatte Recht. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie sie hatten und dann werden sie alles mit ihr anstellen, worauf ihre natürlichen Gelüste sie drängten. Entkommen konnte sie ihnen nicht, egal wie verzweifelt sie versuchte zu entkommen.
Gefühlte Stunden rannte sie schon durch die Gänge und schon wieder spielten sie mit ihr. Nahm das je ein Ende? Langsam wünschte sie sich wirklich,dass sie sie endlich zu fassen bekamen. Wo kam plötzlich dieser Gedanke her? Nein, sie durfte nicht so denken. Entweder suchte sie sich jetzt einen Ausgang und hoffte das sie daraus einen Vorteil nutzen konnte, als noch weiter durch die Höhle zu rennen. Oder sie war am Ende angekommen. Entweder eine Sackgasse oder sie würden sie vorher schnappen. Klar war es gut das die Vampire sie nicht mehr von allen Seiten angreifen konnten, nur noch von hinten und vorne. Es war überschaubar, aber die Gelächter kamen immer näher.
Ein Hauch von frischer Luft strömte ihr entgegen und es war unfassbar. Eben gerade dachte sie darüber nach und auf einmal kam sie wirklich dem Höhlenausgang näher. Emmanline hatte eher vermutet, dass sie weiterhin durch das Labyrinth des Höhlensystem herum laufen müsste und sich mehr und mehr darin verlor, aber sie hatte wahllos Gänge genommen, die sie zum Ausgang zurück führten.
Ein Lichtblick vom scheinenden Mond, der endlich den Weg durch die Wolken gefunden hatte, konnte sie vor sich erkennen und die frische Luft strömte ihr entgegen. Sie nahm einen tiefen Atemzug und es erfühlte ihre Lungen mit frischem Sauerstoff. Langsam zerrte diese ganze Lauferei an ihren Kräften und sie würde sich am liebsten irgendwo hinsetzen und ausruhen, aber das war nicht möglich.
Draußen angekommen, rannte sie gegen etwas hartes, womit sie nicht gerechnet hatte, und fiel schmerzhaft nach hinten auf den Boden. Sie unterdrückte ein quälenden Ausdruck des Schmerzes.
„Jetzt ist Schluss mit den Spielchen.“ Knurrte etwas finster und drohend auf und er ragte in voller Gestalt vor ihr auf. Er hatte langes schwarzes Haar das geschmeidig seinen Körper hinunter floss. Seine Augen waren von einem glühenden Blutrot und fixierten sie wie seine schmackhafte Beute, was sie auch für ihn war.
Jetzt tauchte ein Vampir nach einander um sie herum auf. Sie schaute jeden einzelnen an und stellte fest, dass ein Vampir nach dem anderen genauso ein atemberaubendes Aussehen hatte, wie der Andere. Kein Wunder, jeder Unsterbliche hatte ihre eigene außergewöhnlichen Schönheiten. Egal ob tödlich, sowie bedrohlich.
„Ich habe mich doch nicht versehen, sie ist wirklich eine Schönheit.“ Konnte sie die Blicke auf sich spüren, wie sie sie musterten.
Emmanline biss sich auf ihre Lippen und sie konnte gerade so ihre Nervosität gegenüber den Vampiren unterdrücken. Langsam rappelte sie sich auf, doch sie konnte sich dem Drang nicht verwehren trotz allem, auch wenn sie keine Chance hatte, vor ihnen zu flüchten. Sofort wurde sie am Handgelenk gepackt und hart zu Boden gerissen. Durch den harten Aufprall blieb ihr die Luft weg und ein gleitender Schmerz machte sich in ihr breit. Vor Schmerz waren ihre Augen zusammengepresst, aber als sie ihre Augen wieder öffnete, erblickte sie über sich den Vampir gegen den sie gelaufen war. Er war über sie gebeugt, mit einem rasiermesserscharfen Lächeln. Seine Augen glühten blutrot und vor Verlangen auf, dass sie entsetzt schauen ließ, aber nein so durfte sie sich nicht geben. Sie musste stark bleiben, keine Schwäche zeigen, dass ihnen bewies welche Wirkungen sie auf sie ausübten, denn das würde alles nur noch schlimmer machen.
Jetzt erst versuchte sie sich zu wehren, aber der Vampir schnappte sich ihre Handgelenke und drückte sie von beiden Seite neben ihrem Kopf zu Boden, der Griff schmerzhaft spürbar. Trotz allem versuchte sie sich zu wehren und riss an ihren Armen um vielleicht frei zu kommen, aber ihre Hoffnung war vergebens. Es bestand keine Möglichkeit sich zu befreien. Er war zu kräftig.
„Jetzt hat es sich ausgespielt, Miezekätzchen.“ Lachte er über ihr und leckte sich über seine ausgefahrenen Reißzähne, während sich der Speichel in seinem Mund sammelte, sie konnte es sehen. Dabei kam er ihr immer näher, bis er mit seinem Gesicht kurz vor ihrem war. Ein ekelhafter Atem ging von ihm aus und ihr wurde dabei schlecht, aber verzog dabei keine Miene. „Ich muss zugeben, es hat uns wirklichen Spaß gemacht dich zu jagen. Es war mal eine willkommene Abwechslung für uns.“
Als er ihren Gesicht noch ein paar Zentimeter näher kam, war sie der Versuchung nahe gewesen ihren Kopf von ihm abzuwenden, aber sie wusste, dass er genau das erreichen wollte. Sie würde ihm dadurch offen ihren Hals darlegen, sollte sie sich von ihm abwenden. Sicher würde er dessen keine Hilfe brauchen, aber sie wollte ihm die Genugtuung nicht geben, wie verletzlich sie sich gab.
„Ich werde mich nicht vor euch fürchten.“ Hoffte sie glaubwürdig zu klingen.
Gelächter drangen an ihr Ohr. „Warten wir es ab, Elfe.“ Sprach der Vampir über ihr gebeugt, während er mit einer Hand grob ihr Kinn umfasste. Nach einem kurzen Augenblick drehte er ihren Kopf zur Seite und legte offen ihre Kehle dar. Jetzt erst begann sie sich zu wehren und versuchte sich von ihm loszureißen. Doch niemals hätte sie eine Chance gegen ihn. Hätte sie sich befreien können, wären noch vier weitere Vampire dagewesen, die sie zu Fall gebracht hätten, oder dieser Vampir über ihr hätte sie erneut niedergestreckt. Trotz allem ließ sie sich davon nicht abhalten sich zu wehren.
Dann ging alles viel zu schnell, als spitze Zähne das Fleisch an ihrem Hals durchstießen. Wie Säure brannte es. Ein brennender Schmerz durchfuhr ihren ganzen Körper. Ihre Augen weit aufgerissen und beinahe hätte sie vor Schmerz geschrien, aber nichts kam über ihre Lippen. Immer noch wandte sie sich unter ihm, doch jetzt lag sein schwerer Körper auf ihr, dass sie sich so gut wie jetzt gar nicht bewegen konnte.
„Gale, lass uns auch mal ran. Wir haben auch Hunger.“ Beschwerte sich einer der Vampire, aber ein tiefes und tödliches Knurren hinderte ihn daran, dass er ihn von ihr runter riss. Anscheinend war er der Anführer von ihnen. Doch so wie es aussah ließen sich die anderen Vampire sich nicht davon abhalten, auch von ihr Blut zu nehmen. Zwei Vampire schnappten sich jeweils ein Handgelenk von ihr und bissen ohne Zurückhaltung hinein. Weiterer Schmerz der hinzukam. Innerlich schrie sie und es hallte in ihrem ganzen Körper wieder.
Sie würden sie bis zum letzten aussaugen, denn langsam fühlte sie sich benebelt, ihr Körper Bleischwer. Ihr drohte die Ohnmacht zu überfallen und sie konnte nichts dagegen tun.
Schmatzende Geräusche gaben sie von sich und sie wirkte stets mehr in weiter ferne. Dann erklang ein lautes Brüllen, dass die Luft zum vibrieren brachte. Irgendwo her kannte sie dieses Brüllen, aber sie wusste im Augenblick nicht woher. Ihr Verstand vernebelt und nicht mehr fähig zum denken. Nicht mehr lange und sie würde vollkommen das Bewusstsein verlieren und es würde noch schlimmer werden, bis sie vollkommen reglos liegen blieb. Die Vampire haben vor sie komplett auszusaugen und sie waren sehr nahe daran.
Kurz nach diesen grausamen und wütenden Brüllen spürte sie Erleichterung auf ihrem Körper. Aber rühren konnte sie sich nicht, wie gern sie es auch wollte. Es brannte wie Säure in ihrem Körper, als sie ihre Reißzähne in sie geschlagen hatten.
Lucien flog in seiner Drachengestalt wie ein Blitz durch die Lüfte. Er konnte nur vermuten in welche Richtung sie gegangen war, als sie ihn verlassen hatte. Ihren Geruch, was ihn so betörte, konnte er nicht mehr auffangen, aber das war kein Problem. Er war ein guter Fährtenleser, dass er nicht sonderlich ein Problem damit hatte. Er würde sie finden und nichts würde ihn davon abhalten es zu tun.
Mit einem tiefen Flug rauschte er knapp über die Bäume des Waldes unter ihm, auf der Hoffnung irgendetwas von ihr zu finden. Nur eine kleine Spur würde ihm reichen und sie würde ihm nicht mehr davon laufen können. Es hatte lange gedauert, bis er alles erledigt hatte, was er geplant hatte. Er gab wahrhaftig zu das es ihm eine Menge Selbstbeherrschung gekostet hatte, dass er ihr nicht gleich nach gestürmt war. Gut das er so eine große Selbstkontrolle besaß.
In Gedanken bei ihr, durchfuhr ihn ein riesiger Schmerz. Es kam so überraschend und unerwartet, das es ihn beinahe aus der Bahn geworfen und er noch mehr an Höhe verloren hätte, denn sonst wäre er in die Bäume gerauscht. Schon wieder traf ihn ein unerwarteter Schmerz, von woher er nicht wusste, woher er kam. Es traf ihn heftig und sein Drache knurrte auf. Woher kam dieser Schmerz? Niemand griff ihn an und weder noch war er verletzt. Irgendwas musste passiert sein und sein Gefühl sagte ihm, dass etwas mit Emmanline nicht stimmte. Gerade dachte er zurück, als ihm schon einmal so ein unsagbarer Schmerz seinen Körper getroffen hatte. Sein Instinkt hatte danach verlangt in seiner Höhle zurück zukehren, zu der Elfe wo er gedacht hatte, sie wäre tot. Irgendwas wurde in ihm ausgelöst, was ihn magisch hatte angezogen. Und genau jetzt verspürte er das gleiche Verlangen zu ihr zukommen. Sein Instinkt drängte ihn zu ihr zu gelangen. Es leitete ihn sogar, denn jetzt versuchte er sein Tempo noch zu erhöhen. Durch seinen unsagbaren Zorn, der nun in ihm aufstieg.
Sie ist in Gefahr. Rief eine innere Stimme in ihm. Etwas zog sich in seiner Brust zusammen und ein Gefühl der leichten Panik machte sich in ihm breit. Woher kam das schon wieder? Irgendwas stimmte mit ihm nicht. Wieso hatte er nur das Gefühl, dass mit Emmanline nichts stimmte? Es war fast wie eine Art Verbundenheit, was nicht sein konnte. Auch das er einfach so mental mit ihr Kontakt aufnehmen konnte, war für ihn genauso überraschend und merkwürdig, wie es bei ihr auch gewesen war. Genau das war ein zweiter Grund wieso er sie zurück holen wollte, weil er heraus finden wollte, wieso zwischen ihnen solch eine Anziehung bestand.
Als wüsste sein Drache wohin er fliegen musste, flog er von Norden nach Osten. Das war wirklich eigenartig, aber langsam vernahm er den Duft nach sonnigem. Ein Geruch wo er sich in der Wärme aalen könnte. Zufrieden knurrte sein Drache auf, aber trotzdem stimmte etwas nicht. Er roch Blut, dass sich mit dem berauschendem Duft vermischte. Etwas setzte urplötzlich in ihm aus und er stürzte in dessen Richtung. Er brauchte nur wenige Minuten, als er Gestalten entdeckte die auf dem Boden hockten. Er wusste sofort, dass er Vampire vor sich sah, aber dieses unbehagliche Gefühl wuchs in ihm stets mehr. Er brauchte nur das weiße schimmernde Haar von Emmanline sehen, da brach die unsagbare Wut in ihm aus. Lucien brüllte laut und voller Zorn auf. Wogegen er vom Himmel hinab stürzte.
Schon bei der Landung, verwandelte er sich in seine menschliche Gestalt und raste zu den Vampiren, denn er wollte sie nicht in seiner Drachengestalt weiter gefährden, als es nötig war. Zwei blickten sofort auf und Angst spiegelte sich in ihren Augen wieder. Allein sein Brüllen hatte ihnen das Fürchten gelehrt.
Bei ihnen und Emmanline angelangt, die so reglos und hilflos unter ihnen lag, riss er den obersten Vampir von ihr runter, der seine Reißzähne in ihrem zarten Hals vergraben hatte. Der Vampir hatte von ihr abgelassen und die anderen beiden auch, als er gebrüllt hatte. Hätten sie ihre Reißzähne noch in ihr versenkt gehabt, hätten sie ihre Kehle und Handgelenke aufgerissen. Alle werden sterben, jeder einzelne wie sie hier waren. Erbarmen kannte er nicht. Nicht mehr.
„Du beschissener Hurensohn.“ Knurrte Lucien ihn wütend an, als er ihn schmerzhaft an der Kehle gepackt hatte und nun fest zudrückte. Seine Augen loderten glühend golden auf. Der Vampir versuchte vergebens sich zu befreien, schnappte mit seinen Reißzähnen nach ihm, die vor Blut und Sabber trieften. Aber die Gelegenheit gab er ihm nicht, als er ihm, mit seiner Faust, ins Gesicht schlug. Mit voller Kraft konnte er Knochen knacken hören, wie er immer fester seinen Kehlkopf zudrückte, bis er irgendwann erschlaffte und er ihm dann seinen Kopf von den Schultern riss. Eine unglaubliche Kraft strömte durch seinem Körper, dass es nur so aus ihm herausbrach.
Den reglosen Körper ließ er achtlos auf den Boden fallen, zuckend und eine Blutlache die sich um seinem Körper ausbreitete. Wie ein Teppich breitete es sich um ihm aus. Er wandte sich den anderen vier zu, die sich nun in Kampfstellung brachten. Die anderen Beiden ließen von Emmanline ab, fauchten und griffen ihn voller Zorn mit glühenden roten Augen an. Augen des Wahnsinns. Auch die anderen drei umzingelten ihn jetzt, kämpften mit ihm. Immer wieder setzten sie ihre unglaubliche Schnelligkeit ein, während er angriffen wollte. Der Überraschungseffekt von ihm war verflogen, aber sie würden trotzdem bei ihm keine Chance haben.
Er und sein Drache waren zum kämpfen bereit und eine Woge des Vergnügens begleitete ihn dabei. Es lag in der Natur der Drachen, dass sie ausgezeichnete und unbarmherzige Jäger waren.
„Na los. Kommt, greift mich an.“ Lächelte er breit und bedrohlich, herausfordernd. Er lockte sie mit einem gekrümmten Finger, während er sich bereit machte. Sie hatten keine Ahnung auf wem sie sich einließen und wer überhaupt vor ihnen stand. Mit einem breiten Grinsen der Überlegenheit stürzte er sich selbst in den Kampf.
Blut klebte überall auf seiner Kleidung und selbst auf seinem Gesicht, als er schwer atmend und mit glühenden Augen dastand. Nur noch einer stand aufrecht und der Vampir konnte sich gerade noch so auf den Beinen halten. Auch wenn er überlegen war, hatte er trotzdem Schläge und andere kleine Verletzungen einstecken müssen, welche nicht von großer Bedeutung waren.
Immer wieder musste er zu Emmanline schauen, wie es ihr ging. Er bekam mit wie sie sich mit Mühe aufgesetzt hatte. Es schien ihr große Anstrengung zu kosten sich aufrecht zuhalten und immer wieder schien sie mit sich zu ringen nicht das Bewusstsein zu verlieren. Diese verdammten Blutsauger hatten von ihr getrunken und zu viel Blut von ihr genommen. Es hat sie geschwächt und dieser Zustand von ihr gefiel ihm gar nicht. Das hatte seine Wut und Zorn nur noch mehr gestärkt. Deswegen kämpfte er noch erbitterter damit sie in Sicherheit war.
Lucien wusste nicht woher das kam, aber er fühlte sich zum Teil schuldig das er nicht schon vorher dagewesen war, fühlte sich schuldig das er sie nicht hatte beschützen können. Er hätte schon viel eher nach ihr suchen sollen, dann wäre das nicht alles geschehen und sie müsste nicht so leiden. Sie mochte es nicht zeigen, welche Schmerzen sie darunter litt, aber er konnte es spüren. Es durchfuhr seinen ganzen Körper. Wie konnte das nur geschehen?
Endlich hatte er den letzten Vampir zu Fall gebracht und er zögerte keinen Moment, um auf sie zuzugehen. Sofort hockte er sich vor ihr hin und nahm sie in Augenschein.
„Emmanline...“ Flüsterte er rau ihren Namen und suchte nach mehr Verletzungen ab, als nur an ihren Handgelenken und an ihrem Hals. Als er nichts weiter entdeckte außer Schürfwunden, richtete er sich auf die eigentliche Ursache. Finster schaute er in ihr Gesicht. Immerzu musste sie blinzeln, weil sie gegen die Ohnmacht ankämpfte. Vorsicht nahm er ihr Gesicht in seine Hände. „Schau mich an.“ Bat er sie, kein Befehl. Er konnte sehen, dass sie ihn gehört hatte und versuchte tatsächliche sich auf ihn zu konzentrieren. Sie wehrte sich nicht gegen ihn, denn ihre Kräfte waren einfach am Ende. Antworten konnte sie auch nicht, aber sie hörte ihm zu, als er weitersprach. „Aus deinen Verletzungen fließt noch immer viel Blut. Ich muss die Blutung stoppen. Egal was geschieht, Emmanline, aber ich muss sie behandeln. Wehre dich nicht dagegen. Ich werde dir nicht wehtun, das verspreche ich dir.“ Strich er behutsam mit seinen Daumen über ihre Wangenknochen, während er sie sanft anblickte. Ihm entging es auch nicht, dass sie mit sich rang, aber dennoch rang sie ein kleines Nicken ab, welches er nicht hätte bemerkt, wenn er sie nicht genau beobachtete.
Behutsam umfasste er ihr Kinn und neigte es zur Seite. Sofort versteifte und verkrampfte sich ihr Körper. „Sssccht...“ Versuchte er sie zu beruhigen. „Ich werde nichts tun was du nicht willst, Emmanline.“ Sprach er flüsternd weiter. Langsam senkte er seinen Kopf. Trotz das der Geruch von ihrem Blut in der Luft lag, umlagerte sie ihn mit ihrem verführerischen eigenen Duft. Er musste sich mächtig zusammenreißen, um nicht der Versuchung nachzugeben, sie noch enger an sich zu ziehen. Er durfte nichts tun, was sie nicht wollte. Er fühlte ihr Unbehagen und was sie in diesem Moment tat, dass sie sich ihm hingab, lag nicht nur daran das sie geschwächt war. Sie lag in seinen Armen und sie präsentierte sich ihm so offen, das er wusste, dies war nicht leicht für sie. Es erstaunte ihn, sich ihm freiwillig ergab und er nahm es nicht als Selbstverständlichkeit hin und das respektierte er. Weil sie es war.
Immer tiefer neigte er seinen Kopf, bis er einige Zentimeter vor ihrer weichen Haut stoppte. Reiß dich zusammen. Du willst ihr nur helfen. Sprach er in Gedanken mit sich selbst. Sie braucht meine Hilfe. Sie soll nicht weiter leiden. War es ein Verlangen und ein Wunsch in ihm.
Eine Hand von ihm legte sich auf ihrem Hinterkopf und seine andere fasste ihren rechten Oberarm. Die Einstiche des Vampirs auf ihrer rechten Halshälfte, hörte nicht auf zu bluten. Noch immer brannte diese ungeheure Wut in ihm, wie er Emmanline vorgefunden hatte, wie diese Bastarde von Blutsaugern über ihr gehangen und wie widerliche Blutegel an ihr gesaugt hatten. Am liebsten würde er sie alle noch einmal in Stücke reißen, nur diesmal qualvoller und langsamer, damit sie spürten was sie getan hatten und welchen unmessbaren Zorn sie in ihm geweckt hatten. Zu gerne hätte er es noch langsamer getan, aber er musste jetzt an Emmanline denken.
Vorsicht und langsam leckte er mit seiner Zunge über ihre Wunde und was ihn da erwartete, traf ihn unerwartet. Es traf ihn wie ein Schlag und er stöhnte bei diesem süßen und einzigartigen Geschmack auf. Wenn er schon gedacht hatte ihr Duft betörte ihn, dann hatte er nicht damit gerechnet, das ihr Geschmack in dreimal so umhaute. Das sonnige steckte nicht nur in ihrem Duft, sondern selbst in ihrem Blut. Sie war das reinste Ambrosia für ihn.
Fester presste er sie an sich und umschlang seine Arme vollkommen um sie. Ihr Blut berauschte ihn und beinahe wäre er der Versuchung verloren gewesen sie auf jede erdenkliche Art und Weise zu kosten, aber er durfte nicht. Das konnte er ihr nicht antun. Sie hatte sich ihm anvertraut und keinesfalls würde er ihr Vertrauen in diesem Augenblick missbrauchen, so lockerte er seinen Griff wieder leicht, aber behielt seine Arme um ihrem kleinen Körper geschlungen.
Emmanline war bei seiner ersten Berührung seiner Zunge auf ihrem Hals zusammengezuckt, da er sich zusammenreißen musste. Er tat es nur um ihr zu helfen. Dafür war er gekommen, um ihr zu helfen. Womit er aber nicht gerechnet hätte, war, sie schmiegte sich selbst an ihn, mit ihrer letzten Kraft. Selbst ein Stöhnen verließ ihre Lippen, während sie sich weich und ergebend in seinen Armen fallen ließ. Ihre Anspannung war aus ihrem kleinen zierlichen Körper verschwunden, denn sie schien genauso wie er auf diese Berührungen und Empfindungen zu reagieren. Sinnlich und hingebungsvoll.
Mit großer Mühe ließ er von ihrem Hals ab und betrachtete ihre zarte Haut. Aber nicht eher, bevor er ihr einen zarten Kuss auf die Stelle gegeben hatte. Wie er gedacht hatte, hörte das Blut auf aus ihrem Hals zu sickern. Sein Speichel beinhaltete ein besonderes Sekret, was die Blutung stoppte. Dies besaß jeder Drache, denn würden sie schwere Verletzungen von sich tragen, die todbringend sein konnten, dann half es ihnen zu vermeiden, dass es schlimmer werden würde. Mit einer leichten Befriedung wandte er seinen Blick kurz zu ihrem Gesicht hin. Sie betrachtete ihn aus einem verschleierten Blick, ihre Augen zu einem kleinen Spalt geöffnet. Er konnte ihren Blick nicht ganz deuten, ob er Erleichterung, Verlangen oder Unsicherheit zeigte. Vielleicht sogar von allem etwas. Seine Aufmerksamkeit nun zu ihren Handgelenken gerichtet, legte er sie vorsichtig in seine Arme. Zuerst nahm er ihr linkes Handgelenk und tat genau das Gleiche, wo er nie dachte, solch eine Sanftheit zu besitzen. Mit seiner Zunge glitt er über die Einstichlöcher, leckte erneut das köstliche Blut von ihr auf und eine erneute Euphorie durchflutete seinen Körper, selbst seine Sinne. Es berauschte ihn aufs äußerste und wieso konnte er nicht mehr anders, als es genüsslich zu genießen? Drachen waren Raubtiere und jagten auf blutige Art und Weise, aber das es so berauschend seine konnte, davon hatte er noch nie etwas gewusst, so köstlich war es. Unbeschreiblich...
Erneut küsste er über die Wunde, als er fertig war. Das ganze tat er mit ihrem anderen Handgelenk auch, mit einer behutsamen Zärtlichkeit. Letztendlich spürte er ihren Körper, wie er schlaff in seinen Armen versank. Nun war sie vollkommen der Bewusstlosigkeit verfallen, lag reglos in seinen Armen. Er musste zugeben, dass es ihn bedrückte, denn alles andere wäre gelogen. Emmanline, so wie er sie in kurzer Zeit kennen gelernt hatte, war keine Person die sich so auslieferte und das gefiel ihm nicht. Auch wenn er ihr kein Haar, nicht mehr, krümmen würde, war es doch eigenartig, denn sie tat das nicht freiwillig. Gezwungener maßen wurde sie dazu gedrängt, sogar gezwungen in seinen Armen sich schutzlos auszuliefern, obwohl sie niemals schutzlos sein wollte.
Fest an sich gedrückt, griff er in ihr schneeweißes Haar und betrachtete die Frau in seinem Armen. Sie war kreidebleich, fast so weiß wie ihr Haar. Sonst hatte sie stets eine leicht rosige Hautfarbe, aber durch den starken Blutverlust war sie so bleich und kalt. Eiskalt und eine Erinnerung kehrte zurück, er hatte schon einmal gespürt gehabt wie kalt sie gewesen war. Nur war sie damals nicht bewusstlos gewesen. Diesmal schlug ihr Herz, auch wenn nur schwach, aber sie lebte, nicht wie damals und es erleichterte ihn zu einem gewissen Teil. Sie würde leben.
Lucien wusste nicht wie lange er schon so mit ihr, in seinen Armen, auf dem Boden saß, während er sie intensiv anschaute. Trotz ihrer Beschlagenheit, war sie noch immer schön. Leicht hatte er ein paar Strähnen aus ihrem Gesicht gestrichen, gab ihr einen leichten Kuss auf die Stirn. „Du wirst leben, Emmanline. Nun wird alles anders werden.“ Flüsterte er und stand mit ihr, in seinen Armen, auf. Jetzt musste er erst einmal einen Ort finden, wo sie in Sicherheit waren. Sie brauchten einen Ort, wo sie sich ausruhen konnten, vor allem Emmanline. Sie brauchte jetzt vollkommene Ruhe und ihm kam auch schon ein Plätzchen in den Sinn, wo er ihn finden konnte. Er war dort schon lange nicht mehr gewesen, aber das war ein Anfang und sie waren ungestört. In der Zeit wo Emmanline sich ausruhte, konnte er sich weiter überlegen was er als nächstes tun würde. Der nächste Schritt, war, sie zu überzeugen, dass sie bei ihm sicherer war, als irgendwo anders.
Eine schwere Trägheit lastete auf ihr, als sie langsam wieder zur Besinnung kam. Es war schwer diese schwere Müdigkeit von sich zu drängen und um einen klaren Verstand wieder zu bekommen. Sie brauchte eine Ewigkeit, bis sie alles wieder soweit zusammen hatte was geschehen war. Als Erstes erinnerte sie sich an glühende blutrote Augen, die sich tief in ihr Unterbewusstsein gebohrt hatten und diese Gier darin war unverkennbar gewesen. Dieser Wahnsinn und diese Gier nach Blut war unbeschreiblich gewesen.
Diese Monstrums, mit diesen Augen, sie solange gejagt und verhöhnt, bis sie sie gefangen und wie ihre wehrloses Opfer unter sich begraben hatten. Danach konnte sie sich nur noch an brennenden Schmerz erinnern und der tiefe Schrei in ihrem Kopf. Es war gleißend und entsetzlich gewesen, das sie kaum noch bei sich hatte bleiben können. Sie hatte gespürt wie sie immer mehr der Dunkelheit entgegen glitt und wie ihr Leben von Sekunde zur Sekunde immer mehr aus dem Körper gesaugt wurde, als die Vampire sich an ihr labten.
Emmanline war darauf vorbereitet gewesen, unvermittelbar der Tod nach ihr greifen würde und so war es auch. Diese unsagbare Kälte war in ihrem Körper immer mehr rauf gekrochen und hätte sie beinahe übermannt, aber dann war da dieses Brüllen gewesen, was ihr vertraut und doch auch wieder nicht war. Obwohl sie so geschwächt war, konnte sie alles davon fühlen. Dieses Brüllen war durch dringlich und diese unsagbare Wut und Zorn war nicht zu überhören gewesen.
Danach verging alles viel zu schnell und doch auch wieder viel zu langsam, dass sie wahrhaft Mühe brauchte jetzt bei Besinnung zu bleiben. Sie durfte nicht wieder ohnmächtig werden. Nicht jetzt, wo sie doch beinahe alles zusammen hatte. Da waren noch diese goldenen glühenden Augen. Sie wusste, dass diese einmaligen durch dringlichen Augen demjenigen gehörten, von dem das wütende Brüllen gekommen war. Sie wusste, von wem sie waren, aber warum konnte sie sich daran nicht ganz erinnern? Sie hatte es doch gewusst und wieso war ihr das entfallen?
Dieses Gefühl das sie es vergessen hatte schmerzte auf eine gewisse Art und Weise, als wäre es eine Art Verlust. Sie musste sich daran doch nur erinnern, so schwer war es doch nicht.
Mich großer Anstrengung und Selbstbeherrschung schaffte sie es im Unterbewusstsein wach zu bleiben, aber bemühte sich unter Zwang die Augen zu öffnen. Wie Blei lag es schwer auf ihr, dass sie kaum die Augenlider aufschlagen konnte. Doch irgendwie schaffte sie es. Als erstes war ihr Sichtfeld verschwommen, aber zu ihrer Überraschung wurde sie von nichts geblendet. Es war ein dumpfes warmes Licht, was schonend in ihren Augen wirkte. Jetzt auch roch sie den süßlichen Duft, der sie sanft umhüllte. Es war ein angenehmer und leichter Duft, nach Blüten und exotischem, vermischt mit etwas erdigem. Es wirkte beruhigend auf sie und ihr Körper entspannte sich leicht dabei.
Es kam zwar wie eine Ewigkeit vor, aber langsam konnte sie ihre Augen offener halten und ihr Sichtfeld nahm allmählich Konturen an. Mit mehreren Malen von Blinzeln wurde es immer besser. Auch jetzt erst konnte sie Geräusche um sich herum wahrnehmen, wie leises Rascheln und Geplätscher von Wasser. Doch bewegen konnte sie sich noch immer nicht. Sie war so kraftlos, aber sie wollte sich bewegen, wollte wissen wo sie war und wissen was genau passiert war. Sie wollte sich erinnern.
„Du solltest liegen bleiben.“ Meldete sich eine dunkle und männliche Stimme. Sie wäre da schon auf geschreckt, aber doppelt, als sich sanft eine Hand auf ihre Stirn legte und eine andere Hand eine ihrer Schulter.
Erschrocken zuckte ihr Blick zur Seite und blickte in goldene glühende Augen. Sofort fing ihr Herz an zu rasen und ihr Atem ging leicht schneller. Dieser Blick brachte sie vollkommen aus dem Konzept und unmöglich konnte sie sich dagegen wehren.
„Schon gut, Emmanline. Dir wird niemand mehr etwas antun. Du bist in Sicherheit.“ Sprach der Mann weiter, wobei sie genau wusste wer er war. Der Drache...er hatte sie gefunden und hatte es gewusst, dass er kommen würde. Es war nicht seine Anwesenheit, welches sie durcheinander brachte. Nein, viel mehr war es seine sanften Berührungen, wie er mit seiner Hand immer und immer wieder sanft über ihr Haar strich. Oder wie sanft seine Stimme war, die sie umschmeichelte. Oder wie warm und sanft seine Blicke zu ihr waren. Alles was dieser Mann ausmachte, welcher so hart war, strahlte jetzt nur eine unheimliche Sanftheit aus. Alles an ihm und das erschreckte sie am meisten, was ihr Herz zum rasen brachte und ihr Atem unkontrollierbarer machte.
Unfähig ihn weiter anzuschauen, wandte sie ihren Kopf soweit von ihm ab wie sie nur konnte und bemühte sich weiterhin aufzusetzen. Sie wollte nicht wehrlos daliegen und sich kampflos ergeben, wie sie es vielleicht zeigte. Auch wenn sie keine Chance hätte.
„Lass mich.“ Krächzte sie und ihre Stimme hörte sich grauenvoll an. Es schmerzte zu sprechen, aber sie schluckte all den Schmerz unter, wie sie es immer tat.
Ein tiefes Grollen vibrierte durch die Luft und sie wusste, dass es von ihm ausging. „Stures Weib.“ Knurrte er, aber er tat nichts um sie aufzuhalten, als sie sich trotz der ganzen Anstrengungen aufsetzen wollte, half er ihr.
„Warte einen Moment.“ Meinte er und schien sich mit seinem Gewicht kurz anders zu verlagern, als er ihr dabei half und sie mit dem Rücken gegen etwas hartem lehnte. Da merkte sie, sie wurde gegen eine Felswand gelehnt, damit sie nicht umkippen konnte.
„Wie lange war ich bewusstlos?“ Brachte sie gerade noch heraus.
Bevor er ihr antwortete, drückte er ihr etwas in die Hände. „Du solltest etwas trinken.“ Meinte er nur darauf, aber sprach weiter. „Ungefähr neunzehn Stunden.“ Klang seine Stimme tief und rau, dieser Klang jagte ihr einen kleinen Schauer über die Haut. Was war nur an diesem Mann, was sie so aus dem Konzept brachte?
Aber neunzehn Stunden? Eine viel zu lange Zeit, sich schutzlos ausgeliefert zu haben.
„Trink, Emmanline.“
Da bemerkte sie erst wieder, dass er ihr etwas in die Hand gedrückt hatte. Ein kleines Gefäß, worin eine dunkle Flüssigkeit war, welches ein köstliches Aroma ausströmte. Ihr Blick hatte sich allmählich wieder aufgeklart und konnte eindeutig wieder besser sehen, selbst den Mann, der bedrohlich nahe bei ihr saß. Als wäre das nicht genug, musste er sie anstarren und das mit einem Ausdruck, die seine Stimme schon verraten hatte. Diese ungeheure Sanftheit. Das war nicht das Einzige was sie in seinen Augen lesen konnte, während sie ihn jetzt anblickte. Seine Augen strahlten wie Besorgnis und Wut aus, aber auch Entschlossenheit. Aber wofür?
„Lass dass. Ich will das nicht.“ Denn sie verstand seine plötzliche Freundlichkeit und Achtsamkeit nicht. Nicht was er zuvor alles getan hatte. Es erschreckte sie und er merkte das noch nicht einmal. Anscheinend schob er sich das so zurecht, wie es ihm gerade passte und das ärgerte sie zu gewiesenen Maße. Er durfte sich nicht einbilden etwas von ihr zu verlangen, was sie ihm niemals gewähren lassen würde. „Ich brauche das alles nicht. Ich brauche deine Hilfe nicht.“
„Und ob du das brauchst.“ Knurrte er zurück und funkelte sie etwas leicht finster an, aber sie ließ sich davon nicht beirren. Das durfte sie nicht. „Das du meine Hilfe nicht brauchtest, habe ich vollkommen mitbekommen. Erzähle nicht so ein Unsinn. Nimm einfach meine Hilfe an.“
„Warum sollte ich?“ Blieb sie weiterhin stur und funkelte ihn nun finster an. Das brachte ihr ein kleines Knurren seinerseits ein.
„Ich weiß, dass ich bisher keine gute Gründe vorgebracht hatte, dir den Eindruck gegeben zu haben, mir zu vertrauen oder zu glauben, aber ich meine es ehrlich, wenn ich dir sage, dass ich hier bin, um dir zu helfen und zu beschützen.“ Versuchte er weiter auf sie einzureden. Aber warum?
„Warum?“ Wurde ihr Blick immer ernster und kühler. „Warum ist es dir auf einmal so wichtig mich zu beschützen? Oder mir gar zu helfen? Du hast nicht all zu viel Interesse daran gezeigt, es zu tun. Letzten Endes bin ich nur eine Gefahr für euch, weil ich mein Leben bei Culebra verbracht hatte. Ihr seid Todfeinde und ich bin wohl kaum jemand, denn man beschützen oder gar Vertrauen schenken sollte. Vielleicht bin ich ja auch hier, um euch auszuspionieren, nur um Informationen an Culebra weiter zu geben, wie er euch am Ende vernichten kann.“ Sprach sie jedes Wort mit mehr Drohungen aus, wie sie es beabsichtigt hatte.
„Hör auf damit.“ Fauchte er sie laut und wütend an.
„Nein.“ Wurde sie nun auch laut. „Ich werde nicht damit aufhören. Oder willst du mir dann wieder drohen und wehtun? Nur zu, tue dir keinen Zwang an.“ Forderte sie ihn tatsächlich heraus. Sie war wirklich lebensmüde und dumm.
„Du provozierst es echt, Mädchen. Nicht wahr?“ Schaute er sie aus glühenden Augen an, wobei sich sein Blick sich in ihr fest bohrte. „Willst du das, dass ich dich so behandle? Willst du, dass ich dir weh tue? Langsam wird mir allmählich klar, was du hier versuchst. Du versuchst jeden auf dich anzusetzen, weil du vielleicht irgendwann die Hoffnung hast, einer wird sich deiner entledigen.“ Erschien ein überlegendes Grinsen auf seinem Gesicht und es schockierte sie. Nicht das er die Wahrheit sprach, sondern das er sich ihr so Überlegen gegenüber tat. Schließlich war ihr bewusst, dass er alles daran setzen würde es zu verhindern. „Nur wird das bei mir nicht ziehen, Emmanline.“ Sprach er weiter und legte sanft eine Hand auf ihre Wange. Sie zuckte leicht zusammen und konnte ihn nur sprachlos anstarren. „Ich weiß, das ich die Wahrheit spreche. Das wird aber nicht der Fall sein. Versuche es weiter und du wirst sehen was du davon hast. Ich rate dir, deine Kräfte dafür nicht zu verschwenden. Es wird sich nicht lohnen. Dabei solltest du doch wissen wie stur Drachen sein können. Also was ist, wirst du es weiterhin versuchen?“
Ihr Mund öffnete sich leicht, aber schloss ihn gleich wieder, unfähig ein Wort raus zubekommen. Nachdenklich musste sie ihre Stirn runzeln. „Ich verstehe trotzdem nicht, was du dadurch bezweckst. Warum?“ Konnte sie immer und immer wieder nach dem warum fragen. Sie wurde aus ihm nicht schlau.
„Du musst mir einfach vertrauen, dass es so ist, dass ich dich beschützen will.“
„Das kann ich aber nicht. Ich kann dir nicht vertrauen.“ Brachte sie hervor.
„Vielleicht nicht jetzt, aber eines Tages.“ Klang es wie ein Versprechen, als wäre sie eines Tages dazu fähig. „Ich werde es dir beweisen.“
Leicht schüttelte sie mit ihrem Kopf. „Nein, du lügst.“ Legte sie beide Hände auf seine Brust und versuchte ihn wegzudrücken. Er war ihr gerade zu nahe, da sie kaum noch Luft bekam. Er nahm ihr die Luft zum atmen, so dicht drängte er sich ihr auf. Wie konnte er sie nur durch bloße Anwesenheit, sie außer Atem zu bringen? So durcheinander bringen? Was stellte dieser Mann nur mit ihr an? „Der Rubin...er ist Schuld daran.“ Krächzte sie leise und da kam ihr auch dieser blutrote Stein wieder in Erinnerung, wie er urplötzlich in ihrer Hand erschienen war. Langsam nahm sie ihn aus der Tasche heraus und starrte diesen unheilvollen Stein an, der ihr so viel Ärger mit gebracht hatte. „Deswegen bist du hier. Das ist der Grund, weswegen du hier bist. Schließlich ist er wieder in meinem Besitz. Ein erneuter Diebstahl.“ Schaute sie ernst zu ihm rauf und reichte ihn zu ihm hin. Als sie in seine Augen schaute, traf es sie wie ein Blitz. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf sie gerichtet und er schien den Rubin überhaupt nicht zu beachten, würdigte ihn nicht einmal eines Blickes. Was stimmte hier nicht?
Sachte legte der Drache seine Hand auf das Handgelenk von ihr, welche sie den Rubin in der Hand hielt, und drückte ihre Hand nach unten.
„Das ist nicht der Grund, weswegen ich gekommen bin. Natürlich habe ich mitansehen müssen, wie auf einmal der Rubin vor meinen Augen verschwunden war, aber das war mein entscheidender Moment gewesen den ich gebraucht hatte.“
„Wofür?“ Dabei wusste sie die Antwort schon.
„Um zu dir zu gelangen. Ich will ehrlich zu dir sein, Emmanline.“ War er vollkommen ernst und darin lag keine Lüge. Sie konnte es in seinen Augen erkennen, dass es nicht gelogen war. „Du weißt, das mein Schwur mich daran hindert, dich zurück zu holen. Aus unergründlichen Gründen will mein Drache, dass du bei mir bleibst. Ich verstehe es selbst nicht, aber ich kann mich nicht dagegen wehren. Deswegen will ich herausfinden, was genau das ist, was mein Drache so an dir reizt.“
Meinte er das wirklich ernst? Wenn das stimmte, dann steckte sie in größeren Schwierigkeiten, als sie gedacht hatte. Wie sollte sie da wieder heraus kommen, wenn er solch ein Interesse an ihr zeigte? Vor allem sein Drache. Sie reizte seinen Drachen und das war überhaupt nicht gut. Emmanline hatte schon oft mitbekommen, wenn ein Drache Interesse an etwas hegte, gab es keine Chance zu entkommen. Ihre Sturheit und Gunst verstärkte ihren Drang zu besitzen. Sie würde demzufolge überhaupt keine Chance haben zu entkommen. Er wird nicht nur ein Augenpaar auf sie haben. Sie würde erneut eingesperrt werden und ein Leben in unbestimmter Zeit gefangen sein.
Wie sollte sie das jetzt überleben. Zum ersten Mal durfte sie die Freiheit erfahren und sie fand so großen Gefallen an diese neuen Dinge und was sie entdeckte. Ihre Neugierde wuchs mit jedem Schritt, aber wenn sie jetzt daran dachte, dies sei alles nun vorbei, dann überkam es sie wie der kälteste Schauer und ihre Brust schnürte sich schmerzhaft zusammen. Sie fühlte sich beklommen und schwermütig.
Ihre Schultern sackten nach unten und sie konnte nicht anders, als sich zu ergeben. Der Drache hat ihr etwas gestanden, wo sie nie wieder heraus kommen würde. „Ich habe nie eine Chance gehabt zu gehen, nicht wahr?“ Erinnerte sie sich schmerzhaft daran und am liebsten wollte sie seine Antwort auch nicht hören.
„Nein.“ Seine Antwort kurz und knapp, denn selbst er wusste was das für sie bedeutete. „Ich weiß, was du jetzt denkst, aber das wird nicht so sein, Emmanline. Wenn du jetzt mit mir zurück kommst, dann nicht als Gefangene. Das verspreche ich dir.“ Und sie konnte nicht fassen was sie da hörte. Sie soll dann keine Gefangene sein? Wie lächerlich und absurd klang das eigentlich?
„Du behauptest ich wäre keine Gefangene?“ Klang Ungläubigkeit in ihrer Stimme mit, aber wartete nicht auf ein Nicken oder ein Wort seinerseits ab. „Wie kann es keine Gefangenschaft sein, wenn ich gegen meinem Willen zu dir verschleppt werde? Selbst wenn ich gezwungener Maßen freiwillig mitkommen muss. Es ist absurd so etwas zu behaupten und lächerlich zugleich. Warum bist du nicht ehrlich? Du musst mich nicht anlügen oder austricksen, wenn ich doch gezwungenermaßen mit dir kommen muss.“ Behauptete sie und es steckte eine Wahrheit darin. Allein schon, weil er behauptete, sein Drache interessierte sich ihrerseits. Der Drache würde nicht gegen seinen Instinkt ankämpfen und sie gehen lassen. Drachen waren besitzergreifend wie kein andere Mythengestalt. Also warum war er ihr gegenüber einfach nicht ehrlich?
Lucien seufzte leise auf und stieß einmal die Luft aus, bevor er sprach. „So ist es aber nicht, Emmanline. Ich belüge oder trickse dich nicht aus. Dazu habe ich keinen Grund.“ Aber einen Grund sie bei sich zu behalten. Zu Anfang hatte er nicht verstanden, wieso sein Drache von ihr so besessen und fasziniert war. In den zwei Tagen hatte er eine Menge Zeit gehabt über viele Dinge nachzudenken. Über zu viele, wenn er ehrlich war und er war sich über einiges klar geworden, warum sein Drache sich so verhielt, dass er so besitzergreifend war.
Mein Drache will ihr unser Volk mit anderen Augen zeigen. Das nicht mein ganzes Volk so grausam und blutdürstig sind. Selbst ich als Mann will es sogar.
Die Erkenntnis war ihm, wie einen Schlag mit einem Hammer, gekommen. Klar hatte er in diesem Moment nicht verstanden, warum, aber dieser Gedanke war ihm nicht aus dem Kopf gegangen. Das Gefühl wurde immer stärker, das es so war. Egal wie sehr er versuchte diesen Gedanken zu verbannen, es hatte sich falsch angefühlt und letzten Endes war es sein Schuldbewusstsein gewesen, was ihn noch zusätzlich umgestimmt hatte.
Emmanline hatte sein Leben gerettet, als sie den Weg und ihre ungeheuren Mut, welchen er anerkennend und wertschätzend musste, auf sich genommen. Selbst dieser Erkenntnis war zu spät gekommen, denn sie war da schon längst gegangen. Dabei hatte sie viel aufs Spiel gesetzt und selbst sie mit ihrem Leben gespielt.
„Ach, und was soll es dann sein?“ Verfinsterte sich ihr Gesichtsausdruck und riss ihn zugleich aus seinen Gedanken.
Kurz schaute er sie einfach nur an. Er musste diese Stille nicht als Ausrede benutzen, um sich einen Grund zu suchen was es war. „Du hast viel aufs Spiel gesetzt, um mich zu befreien. Doch ich war zu wütend, blind und undankbar gewesen dir das zu zeigen. Das war nicht fair und eine Entschuldigung würde es nicht wieder gut machen. Deswegen könnte ich es nur mit Taten, wenn du es zulässt, beweisen. Ich stehe in deiner Schuld und ein de la Cruise lässt niemals eine Rechnung offen. Es ist eine Wiedergutmachung und ich will dir beweisen, dass es auch eine andere Seite von meinem Volk gibt. Eine gute Seite, die existiert.“ Gestand er alles, denn er wollte ehrlich ihr gegenüber sein. Ab jetzt...
„Das kann ich dir nicht glauben. Auch wenn jemand aus deinem Volk mich aus den Klauen von Culebra befreit hatte, lässt es mich keine gute Seite in euch sehen. Tief in euch allen drinnen steckt der Drache und genau diese Seite ist es, dass euch alle gleich macht. Grausam, brutal und tödlich. Seid ihr erst einmal in eurer Raserei, dann seid ihr für alles andere blind und zeigt kein Erbarmen gegenüber denen, die eure Wut und Zorn erregt haben. Nur dann, wenn euch jemand davon abhält.“ Ihr Blick ausdruckslos und eiskalt.
Ab diesem Moment wusste er, wie sehr ihr Wesen und sogar ihre Seele verletzt sein mussten. Was hatte man mit ihr angestellt, dass ihr Lebenswille so vernichtet hatte? Was musste sie verlieren, um solch einen Blick auf ihrem Gesicht zeigen zu lassen? Was musste dafür getan werden?
Darauf konnte er nichts erwidern. Wie denn auch? Er mochte auch Folter hinter sich haben, aber er hatte andere Seiten im Leben gesehen, gute Seiten. Aber bei ihr war es was vollkommen anderes. Sie meinte, sie habe seit ihrer Geburt ein Leben unter seinem Volk verbracht. Stets eingesperrt und nichts sehend.
Emmanline wich seinem Blick aus und blickte auf einem Punkt hinter ihm. Er sah einen überraschten und bewunderten Blick, ihn ausblendend. Neugierig was sie da sah, wandte er sich um. Er konnte im ersten Augenblick nicht erkennen, was sie sah, denn er sah niemanden. Aber dann überkam es ihm wie ein Blitz. Er wusste, was sie da sah.
„Ich kann dir viele solcher Orte und Augenblicke schenken, Emmanline.“ Drehte er sich wieder zu ihr um und ein ernster und aufrichtiger Blick zeigte sich auf seinem Gesicht.
Im ersten Augenblick wusste Emmanline nicht wie sie darauf reagieren sollte, dass er ihr all diese Dinge sagte. Sie konnte wirklich nicht, ihm Glauben schenken. Er hatte nicht diese Momente gezeigt, welche guten Seiten er meinte. Von Anfang an war er ihr gegenüber aggressiv und unfreundlich gewesen, hatte sie einfach nur schlecht behandelt, wie sie es eben von Drachen kannte. Also wie sollte sie ihm nun einen solchen Glauben entgegen bringen?
Das konnte sie einfach nicht, egal was passieren möge. Sie zeigte nie einer Person, welchen Glauben sie doch in Wirklichkeit besaß. Anders konnte sie es nicht sehen oder gar empfinden. Darauf durfte sie überhaupt nicht eingehen, was sie nur in weitere Schwierigkeiten brachte.
Trotz schien er nicht mehr auf ihre Aussagen und Fragen zu antworten. Zumal er es vielleicht nicht konnte oder gar nicht wollte. Dieser Drache war ein einzelnes Rätsel für sie und es war wirklich schwer aus ihm zu lesen. Obwohl sie wusste, wie Drachen waren. Also konnte sie letzten Endes selbst nichts weiter erwidern und diese Stille war mehr als schwer lastend. Sie musste sich ablenken und sich auf etwas anderes konzentrieren. Deswegen registrierte sie nun zum ersten Mal ihre Umgebung, was sie sonst gleich sofort tat. Aber diesmal war sie so abgelenkt gewesen, das sie vollkommen ihr Umfeld ausgeblendet hatte. Wie unvorsichtig von ihr.
Was Emmanline aber sah, war...unglaublich. Sie hatte das Gefühl, die Zeit würde still stehen und nichts rauschte an ihr vorbei. Vor Aufregung und Bewunderung schlug ihr Herz viel schneller und ihre Augen leicht geweitet. Jeden Eindruck den sie jetzt bekam, sog sie wie einen Schwamm in sich auf. So was atemberaubendes hatte sie zu vor noch nie gesehen, geschweige wusste sie nicht einmal, das so etwas je existierte.
Die Nacht schien längst herein gebrochen zu sein, was sie nach neunzehn Stunden nicht verwunderte. Aber trotz der Dunkelheit, spielten Licht und Farben in einer herrlichen und sanften Kombination miteinander. Mit der Natur und den ganzen Eindrücken zusammen.
Es kam ihr so vor, als wäre sie in einer Höhle, aber sie konnte den Himmel, mit all den Millionen von leuchtenden Sternen, erkennen, wobei sich die restlichen Wolken verzogen hatten. Wie die Sterne in ihrer vollen Pracht funkelten. Den Mond konnte sie nicht erblicken, aber dieser war auch nicht nötig, um all das Andere zu sehen.
Alles was sie hier sah, war von einer einzigen Felswand umgeben, als wäre dies eine eigene kleine Welt. Nur für sich allein und in vollkommener Ruhe. Ein kleiner See, der genau in der Mitte der Idylle lag, aber das war nicht der Mittelpunkt gewesen, der aus allem herausstach. Ein riesiger Baum zierte genau in der Mitte des Sees, wo sich eine kleine Insel befand. Dieser Baum stand in voller Pracht inmitten des klaren Wassers umgeben. Die Wurzeln, die durch das kristallklare Nass, gut zu sehen waren, wie dick und stark sie doch verankert waren. Weinrote Blüten, so riesig wie ihre Handfläche selbst, schmückten den Baum. Äste mit dünnen grünen Blättern, die wie einen Vorhang zu Boden fielen und alles dahinter verbargen, was sich dort befand oder geschah. Als wäre dieser Ort beschützend und für Geheimnisse erschaffen worden.
Mit großer Mühe, konnte sie ihren Blick von dem wundervollem Baum abwenden, um all das andere anzuschauen. Es war ein einziger wilder Garten, mit unzähligen Blumen, die sie in ihrem Leben zuvor noch nie gesehen hatte. Sie hatten nicht nur unterschiedliche Farben, Größen und Formen, sondern einige Blumen und Pflanzen leuchteten ohne jegliche Hilfe, als würden sie von innen heraus erstrahlen. Was sie wahrscheinlich auch taten, trotz das sie nicht wusste, wie das geschehen konnte. Magie konnte es nicht sein, denn sie spürte nichts dergleichen.
Sie konnte das alles nicht beschreiben, was sie hier sah. Das war ein reiner Ort, wo sie genau spüren konnte, wie klar und gesund hier alles war. Selbst Tiere der Nacht tummelten sich in großer Gelassenheit hier herum, wie ein Reh, das auf der anderen Seite des Ufers stand und Wasser trank. Oder wie ein Kaninchen aus einem Gebüsch gesprungen kam, um gleich wieder in das nächste Gewirr zu verschwinden. Sogar andere Kleintiere, die sich an den Blüten gut taten, denn nun wusste sie, woher dieser wundervolle und liebliche Duft kam, der ihr selbst im Schlaf tief ins Unterbewusstsein gedrungen war.
Es umhüllte sie wie einen Mantel der Eindrücke. Alles was sie hier sah. All dieses Grün der Wiesen, mit all diesen Farben geschmückt und dieser Geräusche im Hintergrund. Hinplätscherndes Wasser, als wäre hier in der Nähe eine kleine Quelle. Knistern im Untergeäst und das leise Rascheln des Windes, dass die Blätter und Pflanzen in eine wiegende Bewegung brachte. Als würde der Wind daran gut tun, diese Ruhe und Stille zu bewahren.
Wie konnte nur ein einziger und kleiner Ort, nur so viele Eindrücke hinterlassen? Die so unbeschreiblich waren, wie die Natur selbst? Wie ein einziges und großes Geheimnis, das am Ende niemand verstehen konnte, denn nichts daran war vorhersehbar und erklärbar. Nicht wie dies, was sie alles hier sah.
„Ich kann dir viele solcher Orte und Augenblicke schenken, Emmanline.“
Bei diesen Worten, konnte sie erst richtig, von allem abwenden, um sich dieser Stimme zuzuwenden, die genau diese Worte hervor gebracht hatten. Von dem Mann und Drache, der so viele Dinge getan hatte. Aber jetzt wollte er Dinge tun, von der sie niemals loskommen würde? Denn seine Worte bedeuteten ihr eine ganz andere Welt, die so offen vor ihren Füßen lagen.
...solcher Orte und Augenblicke...
„Es gibt noch mehr solcher Orte?“ Blickte sie ihn skeptisch an und setzte sich wieder gerade hin, denn sie hatte überhaupt nicht bemerkt, wie sie sich in eine vornüber sitzenden Haltung begeben hatte. Sie war in einer Trance gewesen, was ihr unwirklich vorgekommen war.
„Natürlich gibt es noch unzählige solcher Orte wie dieser hier.“ Schaute er sich um. „Manchmal noch schöner.“ Was sie nicht glauben konnte. Gab es noch schönere Orte, wie dieser hier?
„Wieso solltest du das tun?“ Runzelte sie mit ihrer Stirn.
Der Drache blickte sie wieder an. „Weil ich sie dir gerne zeigen möchte und weil ich möchte, dass du mit mir zurück kehrst.“
Sie wusste, dass es da einen Haken gab. Da stellte sich doch gleich wieder heraus, wie alles nur Lug und Trug war. „Das ist Bestechung.“ Warf sie ihm vor.
„Wenn du es so auffassen willst, dann ja.“
Warum war er nur so versessen darauf? Sie verstand ihn nicht. Das war unmöglich. Da sie wusste, er würde sie niemals entkommen lassen oder das er sie gehen lassen würde, was hatte sie dann für eine andere Wahl? „Ich weiß, du wirst mich nicht gehen lassen, ...“ Seufzte sie leise auf, schloss halb ihre Augen und senkte ihren Blick. „... aber was bleibt mir für eine andere Wahl? Woher weiß ich, dass du das hältst, was du mir versprichst?“ Hob sie erst gar nicht ihren Blick zu ihm rauf, denn es war unnütze.
Emmanline spürte eine leichte Berührung von Fingern unter ihrem Kinn, welches nun leicht angehoben wurde, sodass sie ihn doch anblicken musste. Wandernde Finger streichelten über ihre Wange und dann diese Augen, die sie anblickten, als wäre sie...bedeutungsvoll. Der Drache und Mann, der so eine unglaubliche Wut in sich hatte, war auf einmal so unsagbar zärtlich, was sie von ihm nie gedacht hätte. Wie konnte das nur sein? Diese intensiven leuchtenden Augen waren nur auf sie gerichtet und blicken sie auch direkt an, als wäre sie das Einzige.
„Ich verspreche dir, dass es so ist. Du wirst so viele Orte kennen lernen und so viel lernen, dass du erst nicht den Eindruck bekommen wirst, dich als eine Gefangene zu fühlen. Das schwöre ich dir bei meiner Ehre.“ Beugte er sich nach vorne und küsste sie auf ihrer beider Wangen. Seine Lippen waren weich, aber seine Küsse so nachdrücklich. Sie konnte einfach nicht anders, als ihre Augen zu schließen und es sogar zu...genießen.
Dieser Mann war urplötzlich wie verwandelt, das sie ihn nicht wieder erkannte. Wie sollte sie das glauben? Sie wusste, wie große die Ehre eines Drachen sein konnte. Für sie war es furchtbar wichtig die Ehre zu bewahren.
„Komm mit mir, Emmanline. Ich verspreche dir, ich werde dich mit allem beschützen. Vor allem und jedem.“ Ein weiteres Versprechen.
Plötzlich zog er sie an sich heran und umarmte sie fest, als hätte sie das Gefühl, er genoss ihre Nähe. Diesmal konnte sie sich dagegen nicht wehren, denn erschöpft lehnte sie sich an ihn und verbarg ihr Gesicht an seiner Brust. Sie war ihm so nahe, konnte sie seinen eigenen Geruch noch stärker wahrnehmen. Es wirkte wieder beruhigend auf sie und sie konnte es einfach nicht fassen, wie sehr sie sich immer danach sehnte. Ja es stimmte wirklich, sie sehnte sich nach diesem erdigen und starken Duft von ihm. Als wäre sie wirklich beschützend und gut bei ihm aufgehoben. In diesen starken und sicheren Armen dieses Mannes. Es machte ihr furchtbare Angst, das sie so etwas verspürte. Emmanline wusste einfach nicht, wie sie damit umgehen sollte, denn es war ihr zu fremd. Ungeahnte Gefühle die in ihr aufstiegen, die Wärme die er in ihr hervorrief, ließen Emotionen in ihr frei, die unsagbar wohltuend waren. Unfassbar, aber doch wirklich, denn sie spürte es tief in sich drinnen.
Mit einem Nicken, gab sie zu, wie sie sich ergab und freiwillig mit ihm kommen würde, auch wenn sie ihm nicht vertraute oder seiner Worte glaubte. Vielleicht würde sie wirklich was erleben, worauf ihre Neugierde zu groß war.
„Eines Tages wirst du jemand finden, der für dir viel bedeutet. Verschließe dich nicht davor, egal was kommen mag. Verschließe dich nicht vor etwas, was dir einmal alles bedeuten könnte. Zeige keine Angst und Scheu, eines Tages wird es jemand für dich geben, der dich beschützt und gut behandelt. Sei mutig, mein Schatz."
Fielen ihr wieder die Worte ein, die ihre Mutter einmal gesagt hatte. So viele Erinnerungen stiegen wieder in ihr auf und es überschwemmte sie wie ein Tsunami. War er wirklich dieser Jemand?
Lucien konnte es nicht fassen, aber sie ließ es zu. Nicht nur, dass sie sich ergab und mit ihm zurück kam, sondern, dass sie sich in seine Umarmung schmiegte. Zart und tröstend vergrub sie ihr Gesicht an seine Brust. Als suche sie wirklich einen Zufluchtsort, wo sie beschützt werden konnte. Vielleicht tat sie es unbewusst, aber für diesen Moment reichte es ihm vollkommen. Mehr würde er erst einmal nicht von ihr verlangen, denn alles andere wäre viel zu viel für sie.
Seine Arme schlangen sich immer fester um sie und er verbarg sein Gesicht in ihrem weichen wohlduftendem Haar. Er konnte einfach nicht genug von ihrem einzigartigen Geruch bekommen. Er fühlte sich sogar gut aufgehoben, als hätte sie etwas an sich, was seinem Drachen beruhigte. So beruhigend und friedlich, dass sein Tier in ihm sich nur zusammen rollte und genüsslich seine Augen schloss. Ein brummiges Geräusch von sich gebend, was Zeichen genug war, sein Drache war zufrieden. Seit einer halben Ewigkeit hatte er nicht mehr so ein Gefühl gehabt. So eine Stille in sich, welches er nicht mehr gewohnt war. Lucien stellte sogar fest, dieses Gefühl bereitete ihm keine Angst. Genau das war es, was ihn so sehr danach drängte, sie zu besitzen. Mit allem was er aufbringen konnte.
Emmanline verstand es nicht, aber er würde es ihr zeigen. In der Zeit würde er auch darauf kommen, wieso ihre Anziehung so stark aufeinander wirkte. Schlüssig war er sich noch immer nicht, was dies alles zu bedeuten hatte. Er würde es heraus finden. Für beider Seiten.
„Ich habe dir etwas mit gebracht, Emmanline.“ Unterbrach er diese angenehmen Stille, obwohl er es gerne länger genossen hätte. Langsam ließ sie von ihm ab und schaute zu ihm auf. Was er da sah, was sich auf ihrem Gesicht widerspiegelte, brachte ihn schier um. Ihr Augen leuchtenden in einem dunklem Silber auf. Es steckten viele Emotionen darin, was er sehr gut erkennen konnte. So was außergewöhnliches hatte er noch nie gesehen. Nicht einmal in seinem unendlichem Leben und er hatte schon viele außergewöhnliche Dinge gesehen.
Ihre Augen waren einzigartig und außergewöhnlich, in die er ertrinken könnte. Wie das Silber, was sich auf der Oberfläche des Meeres zeigte, wenn der Schein des Mondes das Wasser erleuchtete. Genauso Silber und funkelnd. Es sollte ihm Angst machen, dass sie solch eine Kraft auf ihn ausübte, eo er nur gebannt sein konnte. Keine Frau konnte dies je möglich machen, aber diese Frau war ganz anders, wie er je eine kennen gelernt hatte.
„Was soll das sein?“ Riss sie ihn aus seinen Gedankengängen.
„Ach ja.“ Wandte er sich kurz um und nahm seinen Rucksack. Daraus holte er ein kleines Bündel, was er ihr auf den Schoß legte. Verwunderte schaute sie ihn an und blickte dann auf das Bündel auf ihrem Schoß. Sie schien überrascht zu sein und das amüsierte ihn. „Mach es auf.“
Skeptisch öffnete sie es und behutsam zugleich. Ihr Mund öffnete sich leicht und ihre Augen wirkten verwundert, während sich ihre Stirn runzelte, als sie das erblickte was sich darin verborgen hatte.
„Du hast diese...Kirschen mit gebracht? Warum?“ Beäugen sie ihn aufmerksam.
Leicht lächelte Lucien. „Weil ich will, dass du etwas zu dir nimmst. Ich weiß wie skeptisch du bist und sonst nichts zu dir nimmst. Deswegen habe ich dir etwas vertrautes mitgebracht, woran du Gefallen am Geschmack gefunden hattest.“
„Aber ich...“ Legte er sofort zwei Finger auf ihre Lippen, wo er sie am Sprechen hinderte.
„Ja ja, ich weiß, du brauchst normalerweise keine Nahrung. Hast du schon erwähnt, aber ich wäre nur zufrieden, wenn du ein wenig zu dir nimmst. Es würde mich beruhigen, wo ich nun für dich sorgen werde.“ Sprach er bedacht und strich ein paar Strähnen hinter ihr Ohr, die sich leicht in ihrem Gesicht verirrt hatten.
Langsam und vorsichtig wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder der kleinen roten Frucht zu. Es amüsierte und faszinierte ihn, wie sie sich verhielt. So vorsichtig und behutsam, als sie eine Kirsche mit ihren Fingern nahm. Wie viel würde er jetzt dafür geben, nur in diesem einem Moment, ihre Gedanken lesen zu können? Was ging nur in ihrem kleinen Köpfchen vor?
Emmanline steckte sich eine Kirsche in den Mund und er konnte deutlich erkennen, wie sehr sie den Geschmack überraschte und es sogar herzhaft genoss. Wie konnte nur so etwas, so reizvoll aussehen, wenn er sie beobachtete?
„Danke.“ Konnte er sie leise Murmeln hören und bemerkte, wie eine leichte Röte auf ihren Wangen erschien. Es war ihr unangenehm und er würde sie nicht dadurch noch schlechter fühlen lassen. Da es schon in Ordnung wäre.
„Gerne.“ Antwortete er nur darauf. „Aber wir sollten uns langsam auf den Weg machen. Zurück zum Schloss.“
Gerade konnte er nicht deuten, was er auf ihrem Gesicht sah. „Können wir nicht noch einen kurzen Moment bleiben. Ich würde es mir zu gerne anschauen.“ Bat sie ihm tatsächlich. Wie konnte er ihr das nur verwehren?
„Sicher. Ein wenig Zeit haben wir noch.“ Bevor eine Menge Arbeit auf ihm zukommen würde. Schließlich hatte er seiner Mutter auch etwas versprochen, was er einhalten musste. Er musste seinen wahren Platz einnehmen. „Schau dich nur um und wenn du willst, können wir irgendwann noch einmal hierher zurück kommen. Wenn du es möchtest.“
Leicht presste sie ihre Lippen zu einem Strich zusammen und nickte nur darauf, als sie das Bündel mit den Kirschen neben sich legte. Sie hatte noch drei weitere gegessen gehabt. Langsam stand sie dann auf und ging zum kleinem See, wo sie sich hinhockte. Er konnte sie nur beobachten und ihre Gestalt bewundern. Ihr Gang war die reine Grazie. Sie wusste wie man sich bewegte und das fand er unglaublich sexy an ihr. Allein ihren Körper, wo die Kurven an den richtigen Stellen waren. Sie trug noch immer dieses weinrote Kleid, was er ihr gegeben hatte. Es stand ihr unglaublich gut, trotz das es schmutzig und leicht Schaden genommen hatte.
Doch das Unglaubliche war, sie hatten nun eine Einigkeit gefunden.
Erneut stand Lucien am Fenster seines Arbeitszimmers und blickte hinaus. Es war ein stetiger Drang hinaus zu blicken. Natürlich gab es für alles nur einen Grund, und es konnte nicht anders sein, die Elfe damit zu meinen, die er zurück geholt hatte.
Es waren inzwischen fast drei Wochen vergangen, seit sie zurück gekehrt waren. Lucien konnte nicht sagen oder deuten, ob sie sich schon daran gewöhnte oder nicht. Manchmal wirkte sie so gelassen, dass er hoffte, ihr würde hier alles gefallen und es ihr sogar gut tun. Aber dann gab es Momente, wo sie angespannt und zurückhaltender wurde. Zumal sie es auch war, aber sie wehrte sich.
Aus diesem Grund, war es verdammt schwer überhaupt etwas über sie heraus zu finden. Sie schlief nie und sie aß wirklich so gut wie nichts . Immer musste er sie beten und vielleicht ein wenig dazu zwingen, damit sie etwas zu sich nahm, denn sonst würde sie überhaupt nichts essen. Seinem Drachen gefiel es nicht, dass sie all diese Dinge nicht tat. Allein schon, weil er wollte, es soll ihr gut gehen und er wollte verflucht nochmal für sie sorgen. Was war daran so verkehrt?
Manchmal war er deswegen ziemlich frustriert und wütend. Ihm gingen einfach die Ideen aus. Er war es eben nicht gewohnt auf solche Art und Weise für eine Frau zu sorgen und das er sie beschützen wollte. Aber eins musste er sich eingestehen, trotz das sie nicht schlief und aß, wirkte sie so fit und munter, wie jeder anderer auch, der schlafen und trinken musste. Es war ein Phänomen. Er hatte sich darüber viele Gedanken gemacht und hatte versucht Vergleiche aufzustellen. Mit anderen Völkern, denn noch immer beschlich ihm das Gefühl, dass sie nicht ganz eine Elfe war.
Zum Beispiel waren da die Walküren. Sie hatten silberne Augen, wenn sie im Gefühlschaos waren, aber Emmanlines Augen waren stets Silber. Die nächste Eigenschaft der Walküren waren, dass sie keine Nahrung zu sich nahmen, aber sie mussten genauso schlafen wie jeder andere auch. Diese aggressiven Frauen der Walküren, konnten zwar Nahrung zu sich nehmen, aber taten dies nur, wenn sie Nachwuchs wollten. Erst dann schaltete sich ihre körperlichen Aktivitäten ein. Nur das Problem wieder, sie war nicht Aggressiv und ihre körperlichen Aktivitäten waren voll in Takt.
Furien waren fast so ähnlich wie die Walküren, nur unberechenbarer. Alle anderen Mythenwesen hatten Eigenschaften die nur zu Bruchteile zu ihr passten, aber jedes Mal verwarf er sie wieder, weil einfach nichts passte. Zum einem war er sich mehr als hundertprozentig sicher, sie war keine reinblütige Elfe. Er wusste es vom Gefühl heraus und weil sie ihm nie widersprochen hatte, wenn er gefragte.
Wie stellte sie das nur an? Je mehr er sie ausfragte, umso mehr zog sie sich zurück und verschlossener wurde sie. Sie blockte sofort ab und es ärgerte ihn verdammt noch mal. Er schwor sich ständig bei den Göttern, er würde sie dazu bringen, sich ihm an zu vertrauten und mit ihm darüber zu sprechen. Wie sollte er sie richtig beschützen können, wenn er nicht wusste, womit er es zu tun hatte? Wie stellte er das nur an?
Deswegen konnte er nur darauf hoffen, das er das Richtige tat, indem er ihr eine Menge Freiraum ließ und ihr bewies, er bemühte sich wirklich ihr einen anderen Eindruck von seinem Volk zu geben. Und er wollte, das sie verstand, sie war hier keine Gefangene. Langsam frustrierte es ihn wirklich und er musste auf seufzen.
„Wie lange willst du noch aus dem Fenster starren und vor dich hin seufzen?“ Erklang die Stimme seines ältesten Bruders, Raiden., „Das ist langsam nicht mehr mit anzusehen. Nimm sie doch, wenn du so sehr auf sie stehst.“
Da knurrte er und wandte sich zu ihm um. Sein Bruder saß in einem schwarzen Ledersessel zurück gelehnt vor seinem Schreibtisch, seine Beine lässig übereinander geschlagen und seine muskulösen Arme miteinander verschränkt. Er wusste, das er die ganze Zeit von ihm beobachtet wurde, aber ihm war es egal. Lucien hatte seinen Bruder zu sich bestellt, weil er Pläne hatte. „Lass das mal meine Sorge sein.“ Aber wie sollte er es anstellen, ohne das er sie bedrängte?
Lucien hatte es noch nicht geschafft, aber wenn er bedachte, auch noch nicht wirklich die Zeit gefunden, es zu ändern. Auch wenn er es probierte. Kurz nachdem er mit Emmanline wieder ins Schloss zurück gekehrt war, hatte er sein Versprechen gegenüber seiner Mutter eingelöst. Den Thron bestiegen und den Platz eingenommen, zu dem er bestimmt war. Er hatte sie abgelöst und in ihren Augen erkannt, welche Erleichterung sie dabei empfand. Es hätte ihm beinahe das Herz gebrochen sie so zu sehen. Sie hatte all die Jahre so sehr gelitten, weil sie gewissermaßen dazu gezwungen wurde den Thron einzunehmen. Von ihrem Mann und Gefährten. Sowohl von ihm selbst auch. Da Rhivanna endlich erlöst wurde, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie ihrem Gefährten in den Tod folgte. Es schmerzte ihn und er bekam es echt mit der Angst zu tun. Nicht er und keiner seiner Geschwister wollten sie verlieren, aber trotz konnten sie sie nicht daran hindern es zu tun. Es war der Drang und die Sehnsucht, die sie dazu drängte. Letzten Endes mussten sie ihre Mutter gehen lassen. Egal wie sehr es ihm und seinen Geschwistern schmerzte.
„Doch kommen wir aufs wesentliche zurück warum ich dich hier her bestellt habe, Raiden.“ Fing er direkt an und ging zu seinem Schreibtisch und setzte sich in seinem bequemen Stuhl, aber nicht vorher Emmanline noch einen intensiven Blick zugeworfen zu haben. „Ich will das du eine Audienz auf den Hof der Elfen besorgst und als Botschafter dem König der Elfen gegenüber trittst.“ Lehnte er sich bequem zurück, legte seine Hände auf die Lehnen des Stuhls und blickte seinen Bruder mit entschlossenem und ernsten Blick an.
„Wie bitte?“ Fuhr er aufgebracht auf und er hatte es geahnt das er so reagieren würde. „Das ist nicht dein Ernst? Wie soll das denn funktionieren? Sie würden noch nicht einmal eine Audienz akzeptieren, geschweige annehmen. Sie sind ein zurück gezogenes, aber auch stures Volk. Durch ihren starken Verlust bei dem letzten Krieg gegen die Fae. Geschweige weiß niemand wo sie sich aufhalten. Keiner kennt ihren Aufenthaltsort.“ Beharrte er darauf, aber Lucien wusste es besser.
Ein Lächeln schlich sich auf seinem Gesicht. „Du irrst dich. Es gibt welche die davon wissen.“
Sprachlos schien Raiden ihn anzuschauen. „Sag bloß, du weißt es?“ Runzelte er seine Stirn.
„Ja, ich weiß es, sonst würde ich ja nicht eben mal auf die fixe Idee kommen. Die Elfen mögen es geschickt gemacht haben, einfach aus der Zeit zu verschwinden, aber sie waren nicht so vorsichtig, wie sie vielleicht gedacht hatten. Spione gibt es überall und in jedem Volk. Das weißt du. Du hast es selbst miterlebt. Verräter gibt es überall.“ Auch wenn es beschissen klang Verräter unter sich zu haben. Die Zeiten wurden immer grausamer.
„Nehmen wir an, es stimmt wirklich, dass du es weißt. Sie würden mich sofort angreifen und versuchen mich einen Kopf kürzer zu machen. Ihre Späher und Jäger sind auch nicht ohne. Auch wenn ich es schaffen würde.“ Wandte er ein.
„Seit wann, bist du so zurückhaltend? Ich dachte du liebst die Aufregung eines Kampfes. Warst ja sonst an jeder Front.“ Zuckte Lucien mit seinen Schultern.
Raiden knurrte. „Das tue ich auch heute noch, aber ich schmeiße mich sicherlich nicht in einen sinnlosen Kampf, wo ich weiß, ich könnte ihn alleine nicht gewinnen. Dabei habe ich auch noch andere Sorgen.“ Verfinsterte sich sein Blick. Dabei wusste er wovon sein Bruder sprach. Noch immer verfolgte er die Frau, einem Engel, die vor ihm flüchtete und seine Seelengefährtin war. Es schien ihn echt zu frustrieren und irgendwie konnte er ihn wirklich verstehen.
„Du wirst auch nicht mit leeren Händen gehen. Du sollst dem König Alarion etwas überbringen, was von großer Wichtigkeit ist. Es wird alles in diesem Brief drinnen stehen.“ Schob er ihm einen braunen Brief über dem Schreibtisch, wo das Siegel in Form eines Drachen mit rotem Wachs besiegelt wurde. Sofort würde man erkennen, wenn er unerlaubt geöffnet wurde. Da erkannte er Misstrauen und Verwirrung in Raidens Blick.
„Was hat das zu bedeuten, Lucien? Ich will eine ausführliche Erklärung.“ Beharrte sein Bruder weiter darauf. Lucien kam nicht drumherum es zu erklären, was er wusste und was passieren würde. Er erzählte, was für Intrigen und Pläne vor sich gingen, erzählte ihm, was die Fae geplant hatten. Welche Kriege sie anzettelten, die verheerend wären. Raiden wusste genauso wie er, dass die ein großer Krieg vor der Tür stand. Es war nur eine Frage der Zeit. Selbst sein Volk wurde davon betroffen sein und er würde niemals zu lassen, wie ein Pingpongball missbraucht zu werden. Das würde er niemals zulassen.
„Sag mir, Raiden, was würdest du an meiner Stelle tun?“ Konnte er ihn keine Sekunde aus den Augen lassen.
Raiden knurrte. „Wie sehr es mir widerstreben würde, aber ich würde mir Verbündete suchen. Der Feind meines Feindes ist mein Freund.“ Was misstrauisch und irrsinnig klang, aber es war wirklich so. Besaß man einen mächtigen Feind oder gar einen ungreifbaren, dann gab es nur eine Lösung. Verbündete suchen, die genauso einen Hass und Wut auf dessen hegte.
„Deswegen bleibt mir auch keine andere Wahl, als dessen gewahr zu sein. Ich werde auch noch andere Völker verständigen. Ich werde selbst Charia darauf ansetzen, dass sie den Lykae diese Nachricht überbringt. Sie hat die besseren Kontakte mit ihnen.“ So hatte er sich wirklich ernsthafte Gedanken gemacht. Er durfte keine Chance unversucht lassen.
„Ich weiß nicht ob das gerade die beste Idee ist. Wir würden dadurch nur unsere Schwächen zeigen und kurz vor dem ganzen Dilemma können wir uns das nicht leisten, dass wir so angreifbar sind. Gerade in dieser Zeit sollten wir niemanden trauen. Jeder könnte uns in den Rücken fallen.“ Raiden sprach einen wunden Punkt an.
„Das ist mir selbst bewusst und ich werde ihnen auch keine Möglichkeiten bieten, dass sie einen Schwachpunkt von uns heraus finden. Zu einem gewissen Anteil müssen wir jetzt Kompromisse eingehen, ob es uns gefällt oder nicht. Wir können uns nicht darauf versteifen, dass wir alles alleine schaffen würden. Ich habe das schlechte Gefühl, dass dieser Krieg, der auf uns zukommt, schlimmer sein wird, als alles andere.“ Seufzte Lucien und fuhr sich mit seinen Fingern durch sein dunkles Haar.
Kurz blickte sein Bruder ihn nur an. „Auch ich verspüre so ein derart schlechtes Gefühl. Irgendwas unerwartetes wird passieren.“
Das sein Bruder genau das gleiche verspürte, bestätigte nur seine Vorahnungen und das war schon von vornherein ein schlechtes Omen. Was würde auf sie zu kommen? Welches Unheil bringt dies alles mit sich?
„Aus diesem Grund wäre es mir ziemlich recht darüber nach zudenken, nicht doch ein paar Verbündete zu haben. Ich muss unserem Volk Sicherheit bieten und wir können es auch versprechen es zurück zugeben. Wir dürfen uns nicht länger von unserer Selbstlosigkeit und Verbohrtheit leiten lassen. Auch Vater hatte es damals ändern wollen.“ Zuckte Lucien mit seinen Schultern, als wäre es ihm egal, aber das war es ihm nicht. Er hatte sich in den letzten Tagen viele Gedanken darüber gemacht und war zu dem Entschluss gekommen, dass Veränderungen her mussten. Egal ob Begeisterung mit schwingen würden oder nicht. „Also wirst du es tun, Raiden?“ Sein Blick ausdrucksstark und entschlossen.
Ein lautes Knurren drang von Raiden empor und funkelte ihn wütend und finster an, während er nach dem versiegelten Brief griff. „So viele Wahlmöglichkeiten bleiben uns nicht. Mir behagt das ganze noch immer nicht, aber ich werde es versuchen. Sollte irgendetwas passieren was unserem Volk schaden wird, dann bete zu den Göttern, Lucien. Viele in unserem Volk wollen dir folgen und vertrauen dir sogar. Noch ein niederschmetterndes Erlebnis und wir würden noch angreifbarer sein als zuvor. Der Tod von Vater war ein großer Schlag für uns gewesen und noch einmal werden wir es kaum überleben.“ Sprach Raiden immer weiter. „Auch wenn du weitaus jünger bist und ich noch nicht überzeugt davon bin, dass du zurecht auf dem Thron sitzt, so werde ich dich im Auge behalten. Ich werde versuchen eine Audienz für dich am Hof der Elfen zu verschaffen, aber nur auf meine Art und Weise. Ich dulde kein Eingreifen und ich suche mir selbst aus, auf was ich es beschränke.“
„Mehr verlange ich nicht von dir, Raiden. Du kannst tun und lassen was du willst. Ich verlange auch nicht von dir, als mein Bruder, dass du mir folgst oder blindlings vertraust. Mir ist selbst bewusst das ich mir erst alles verdienen muss und ich arbeite auch daran.“ Antwortete er stattdessen darauf. Was sollte er da auch schon großartig tun, außer sich unter Beweis zu stellen? Zu sehen wie ein Königreich geführt wird war ganz anders, als es selbst zu regieren.
„Es wird sich heraus stellen.“ Stand sein Bruder lässig auch, steckte den Brief in die Innentasche seines schwarzem Hemdes. „Ich werde keine Zeit verlieren und mich darum kümmern. Es wäre nicht schlecht mir den Aufenthaltsort zu nennen.“
Leicht beugte sich Lucien nach vorne und öffnete eine kleine verschlossene Schublade. Dort entnahm er ein älteres abgenutztes Stück Papier dass zusammen gefaltet war. „Hier findest du den Ort.“ Reichte er ihm das Fetzen Papier. Ein ungläubigen Blick erntete er von ihm, als er ihm diesen Zettel aus der Hand nahm. Allein sein Gesichtsausdruck danach bestätigte, dass er verstanden hatte worum es ging. Auch diesen Zettel steckte er in die Innentasche seines Hemdes und verschwand mit eine letzten kalten Ausdruck in seinen Augen.
Seufzend lehnte er sich entspannt zurück, aber er war verflucht müde, dass er sich mit einer Hand erschöpft übers Gesicht fuhr. Es war verdammt anstrengend auf einmal über alles verpflichtet zu sein. Dabei saß er noch nicht einmal einen Monat auf diesem Stuhl. Trotz allem wusste er, dass aller Anfang immer schwer war. Zuerst war immer kämpfen angesagt und dann erst konnte er sich zurück lehnen, würden sich solche Gelegenheiten bieten. Es hatte nicht viel getan, seit sein Vater gestorben war, und vieles war in einem gewissen Chaos entstanden. Jetzt konnte er richtig erkennen, welche Arbeit sein Vater geleistet hatte. Das über Jahrhunderten von Jahren. Gewusst hatte er immer das es kein Zuckerschlecken war, aber er war eisern genug um es zu schaffen. Nicht nur alleine in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, sondern sich auch seine eigene Art von Hierarchie aufzubauen. Er wollte ein gutes Königreich schaffen, welches an seinem Vaters heran kam. Nur ein gutes Königreich besaß ein zufriedenes Volk. Und ein zufriedenes Volk bedeutete wiederum, Stärke und Macht. Überleben und Achtung. Besaßen sie erst einmal all das, dann würden sie sich nicht so leicht vor etwas Gedanken machen müssen. Niemand würde auf den Gedanken kommen, dass sie ein angreifbares Volk in der Mythenwelt wären.
Noch einmal stand er von seinem Stuhl auf und ging zum Fenster hin. Er konnte nicht anders, als nach der kleinen geheimnisvollen Elfe zu schauen, die anscheinend sein ganzes Leben auf den Kopf stellte. Lucien fühlte klar und deutlich wie sehr er sich veränderte und er fand es verflucht erschreckend. Wie konnte es nur soweit kommen, dass diese Frau solch einen starken Einfluss auf ihn hatte?
Zu Anfang hatte er sich noch versucht zu wehren und sogar gedacht sie hätte ihn mit Magie in einen Bann gezogen. Später aber fand er heraus, es lag nicht daran, weil ihre Ahnung von ihrer Magie kaum vorhanden war. Sicher sie besaß eindeutig magische Fähigkeiten in sich. Das wusste er nicht nur, weil sie eine Elfe war, oder zum Teil, sondern weil er es spüren konnte. Sie besaß einen unbestimmten Anteil von Magie in sich, nur war das Wissen darüber nicht ausgeprägt. Elfen wurde dieses Wissen seit ihrer Geburt vermittelt, aber Emmanline hatte nie so eine derartige Erfahrung oder schulische Ausbildung gehabt. Sie war in jeder Hinsicht unerfahren und es machte ihn immer wieder wütend, das ihr all dies in ihrem Leben genommen wurde. Sie hätte es verdient gehabt und ein Recht dazu, weil es ihre eigene Existenz war. Nimmt jemand die Fähigkeit einer Elfe, dann wäre es genau das Gleiche, als würde man einem Drachen seine Flügel zum Fliegen nehmen.
Einmal hatte Lucien Emmanline darauf angesprochen und sie hatte zu ihm etwas gesagt, wo er nicht hatte antworten können.
Was soll ich im Leben bereuen oder vermissen, wenn ich noch nicht einmal diese Erfahrung gemacht habe?
In diesem Punkt hatte er ihr nicht widersprechen können. Das lag im Widerspruch mit sich selbst, denn er hatte selbst oft darüber nach gedacht. Was würde geschehen, wenn er all diese Dinge nie erlebt oder gelernt hätte? Wie würde er sich dabei fühlen? Diese Erfahrungen hatte er nie gemacht und konnte es sich vielleicht nicht so ganz vorstellen, wie es Emmanline tat. Er hatte stets alles gelernt in seinem Leben, was seine Existenz als Drache ausmachte. Nie musste er etwas missen und genau aus diesem Grund war er nicht richtig in der Lage sich in all das hinein zu versetzen. Und solange er sich nicht in sie hinein versetzen konnte, umso schwieriger würde es werden an Emmanline heranzukommen. Sie war ein schwieriger Fall und zum ersten Mal in seinem Leben stand er vor einer großen Herausforderung. Er betrachtete es sogar so und er fand sogar die Geduld sich dem entgegen zustellen. Lucien wollte tatsächlich an Emmanline heran kommen und er würde alles daran setzen es zu schaffen. Alleine schon aus diesem Grund, weil er eine Erklärung haben wollte, warum sie sich so aneinander hingezogen fühlten. Er wusste, dass er nahe dran war es herauszufinden. Er stand kurz davor und er dachte jetzt nicht einmal daran aufzugeben.
Als Lucien aus dem Fenster blickte, hatte er damit gerechnet, dass sie nicht mehr an ihrem Platz saß, wo sie zuvor gesessen hatte. Auf einer kleinen Bank im Garten. Er hatte ihr gestattet sich frei auf dem Gelände zu bewegen, hatte ihr die sicheren Zonen gezeigt wo sie sich aufhalten durfte.
Es kam des öfteren vor, dass sie einfach verschwand, aber kam immer wieder zurück. Es machte ihn neugierig und er wollte wissen, wo sie sich immer aufhielt. Was ihr Interesse weckte und was sie doch tat.
Kurz blickte er auf die Uhr und überlegte sich, ob er sich doch nicht für einen Augenblick davonstehlen sollte. Etwas Zeit blieb ihm, bis er eine nächste Besprechung mit dem Rat hatte. Er entschloss sich auch dafür sie einmal zu suchen. Nur um sicher zugehen was sie tat. Es war nicht so, dass er ihr zutraute, dass sie Dummheiten tat und den Ärger auf sich zog. Er war lediglich nur neugierig und es war eine beste Gelegenheit einmal kurz eine Pause einzulegen. Nur eine kleine Pause.
Wie lange will er mich noch beobachten? Seufzte Emmanline etwas entnervt auf. Glaubte er etwa sie würde ihn nicht bemerken, nur weil er oben am Fenster stand und zu ihr herunter starrte? Sie mochte ihn nicht sehen können von so weit oben, aber seine Präsenz war eindeutig spürbar und es brachte sie zunehmend aus der Ruhe. Das seltsamste an der ganzen Sache war, warum kam sie jeden Tag immer wieder an dem gleichen Platz zurück und setzte sich auf diese kleine Gartenbank?
Natürlich fand sie den Garten hier atemberaubend schön und sie hatte noch nie so etwas schönes gesehen, als diese unterschiedlichen Blumenarten. Und dann so viele. Noch mehr, als an diesem schönen Ort, wo sie gewesen war. In vielen prachtvollen Farben und dann die Düfte die sie wie ein Mantel umhüllten. Sie mochte diesen Platz, aber am Ende war dies nicht der einzige Grund gewesen. Sie empfand es als aufregend und angenehm seinen Blick auf sich zu spüren. Das war irrsinnig zugleich. Sie durfte so was nicht fühlen und als aufregend empfinden. Und doch empfand sie es als so.
Erst als sie spürte, dass er sie nicht mehr beobachtete, drehte sie sich halb um und blickte zum Fenster empor, wo er sich immer aufhielt, wenn er sich seinen Arbeiten widmete.
Kurz worauf sie hier angekommen waren, vor einigen Wochen, hatte er doch tatsächlich den Thron bestiegen. Das kam für sie so unerwartet, als er ihr gegenüber erwähnte, er müsse nun seine Pflicht erfüllen. Sie hatte ihn nicht recht verstanden, aber verstehen konnte sie, dass er es tun musste. Es konnte nur einen wahren König unter den Drachen geben, denn das wusste sie. Ausgerechnet war sie genau diesem einem Drachen in die Hände gefallen, weil sie ja etwas von ihm stehlen musste.
Es war nicht so das sie im genau diesem Moment eingesperrt war, aber dennoch fühlte sie sich eingeschränkt. Doch musste sie sich eingestehen und anrechnen, er hielt sein Versprechen ihr gegenüber. Sein Versprechen sie an so vielen verschiedenen Orten zu bringen, obwohl er eigentlich nicht die Zeit dafür hätte. Er hatte seine Pflichten als König, aber trotzdem zeigte er ihr so vieles. Sie hatte in der Zeit, seit sie hier war, vieles gelernt und gesehen.
Zum Beispiel das letzte Mal wo er sie hingebracht hatte, nannte sich das Meer und der Strand. Sie hatte in ihrem Leben noch nie so viel Wasser gesehen. Soweit das Auge reichte. Durch den leichten Wind der geweht hatte, entstanden Wellen die von groß zu kleineren wurden, je näher sie dem Strand kamen. Er hatte selbst zu ihr gemeint, sie solle mit ihren Füßen einmal hinein gehen und dabei hatte er gelächelt gehabt.
Sie war fasziniert von diesem Lächeln gewesen und konnte ihren Blick nicht so schnell von ihm abwenden. Sicher bemerkte er es, aber hatte nichts gemacht was sie nicht wollte. Obwohl es untypisch für ihn war. Irgendwie war ein Funke Enttäuschung in ihr aufgestiegen, aber hatte dieses Gefühl sofort wieder im Keim erstickt. War sie denn wahnsinnig so etwas zu empfinden? Das war überhaupt nicht gut. Sie durfte das nicht.
Aber trotzdem war dieser Ort wunderschön gewesen. Das Rauschen des Meeres und sie war tatsächlich mit ihren Füßen im Wasser gewesen. Es hatte sich kalt angefühlt, aber zugleich wohltuend. Ihre Zehen hatte sich im Sand vergraben und sie war erstaunt gewesen. Es war ein Staunen aller Sinne und dies würde sie immer in Erinnerungen behalten.
Anderseits aber musste sie ihm zugute tun, dass er sie nicht gezwungen hatte zu fliegen. Das Meer war weit weg gewesen, aber er hatte sie nicht bedrängt. Dieser Mann hatte sich etwas einfallen lassen, was viel leichter und schneller ging. Wo sie keine Furcht haben musste, denn es war nun einmal so, das sie Angst vor dem Fliegen hatte. Das rührte alles nur durch ihre Vergangenheit und Erlebnisse, die sie erleiden musste.
Deswegen wunderte es sie gleich doppelt, obwohl das Fliegen die Leidenschaft und das Leben von ihnen waren. Doch er hatte auf sie geachtet und genau das berücksichtigt. Es erstaunte sie und es brachte sie immer mehr zum grübeln und die leichten Zweifel setzten ein. Emmanline wurde des öfteren nachdenklicher, aber am Ende erwischte sie sich, wie sehr sie sich auf alles einließ. Aber das durfte nicht sein, denn sie hatte eine Menge zu verlieren, niemand würde verstehen. Sie war dazu gezwungen sich Einhalt zu gebieten.
Was sie auch noch erstaunte, als sie Wochen zuvor hierher kam, hatte er ihr etwas gegeben, womit sie wahrhaftig nicht gerechnet hätte. Zu Anfang als sie herkam, musste sie mit ihm ein Zimmer und ein Bett teilen, aber jetzt zum zweiten Mal, gab er ihr ein eigenes Zimmer gleich neben seinem. Natürlich mit einer sogenannten Zwischentür, aber sie fühlte sich dadurch tatsächlich noch weniger bedrängt, als wie sie es zuvor verspürte. Er hatte gemeint, es sei der Grund gewesen, warum er sie nicht hätte schon zwei Tage zuvor zurück geholt. Darum hatten sich damals ihre Gedanken auch bestätigt gehabt, als sie es als eigenartig empfand, dass er ihr noch nicht gefolgt war. Obwohl er Anzeichen auf Besitzgier zeigte.
Mit einem leichten Kopfschütteln verscheuchte sie die ungewöhnlichen Gedanken, denn sie dachte schon wieder darüber nach. Das musste ein Ende haben und sie durfte sich einfach nicht in so vieles hineinsteigern. Letzten Endes verlor sie wirklich alles und das würde sie komplett in den Abgrund ziehen. Es fehlte wirklich nicht mehr viel, weil sie auf einer imaginären Klippe stand. Auf geistiger und sozialer Ebene befürchtete sie eines Tages in den tiefen dunklen Abgrund zu stürzen. Letzten Endes war es vielleicht das, was sie wirklich erwartete, aber dann würde sie gebrochen sein.
Ihr wurde es jetzt erst richtig bewusst, wie nahe sie dem Schlund der Dunkelheit war. Seit sie die Erfahrung und Entdeckung gemacht hatte, was wirkliche Freiheit bedeutete, umso bewusster wurden ihre Augen vor dem realen Leben geöffnet. Vorher lebte sie in einer verkehrten Welt, wo sie sich verkrochen hatte, um sich selbst zu bewahren. Ihr Verstand hatte sich bewusst vor allem Bösen und Leid geschützt, aber jetzt war alles anders. All das was jetzt kam, würde sie nur noch vernichten, sollte es anders ausgehen, als wie sie es sich wünschte. Alles wäre unwiderruflich und nicht wieder rückgängig zu machen.
Nur bis jetzt fühlte es sich eigenartig und anders anders. Trotz das sie sich eingeengt fühlte, spürte sie doch eine gewisse wohltuende Emotion. Ihr wurde zu einem Teil alles leichter und gelassener. Wo sie sich einmal ausruhen konnte, ohne den Gedanken daran zu verschwenden Angst zu haben. Dabei müsste sie vorsichtig sein und keine Minute verstreichen lassen, wo sie unvorsichtig war. Sie war in einem Nest voller Klapperschlangen und es bedurfte ihre volle Aufmerksamkeit. Und trotzdem war alles anders. Egal wo sie hinschaute, überall befanden sich Drachen. Egal ob in ihrer wahren Gestalt oder die eines Menschen. Es machte keinen Unterschied, da ihre Anwesenheit trotzdem spürbar war.
Nur warum fühlte sie sich so ausgelassen, als wäre sie unter dem wirklichen Schutz? Es war nicht erklärbar und sie konnte es sich einfach nicht vorstellen, dass jetzt alles anders war. Niemand könnte sich so schnell ändern oder gar ihre Meinung einfach eben mal so umstellen. Das war einfach nicht möglich. Wie also sollte sie damit umgehen?
„Hallo, Emmanline.“ Erklang eine fröhliche kleine Stimme, die sie aus ihren Gedankengängen riss. Sie erschreckte sich nicht dabei, aber war in diesem Augenblick überrascht über die unangekündigte Begegnung. Sie wusste woher die kleine fröhliche Stimme herkam und blickte zu hellen grünen funkelnden Augen auf, die nur vor Freude strahlten. Es war ein kleines Mädchen, die langes gelocktes schwarzes Haar und zu einem geflochtenen Zopf zusammen gebunden hatte. Emmanline begegnete ihr nicht zum erste Mal, denn vor ein paar Tagen wurde sie aufmerksam darauf angesprochen. Sie war die kleine Schwester von ihm und sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass er so eine kleine süße Schwester hatte. Sie musste sich eingestehen, dass sie ein liebes und hinreißendes Mädchen war, da sie nicht widerstehen konnte mit ihr zu sprechen oder gar Umgang mit ihr zu pflegen. Die Kleine verleitete sie einfach und sie konnte einfach nicht anders.
Sie war schon einige Wochen hier, aber war ihr in der ganzen Zeit noch nicht begegnet. Dabei hatte Emmanline stets auf dieser Bank gesessen, sichtbar für alle Beteiligten hier. Aber eines Tages wurde sie aufmerksam auf das Mädchen. Immer wieder hatte sie gespürt, dass noch jemand anderes, außer der Drache, sie beobachtete. Richtig beobachtete, als sie irgendwann ihre Umgebung absuchte und sie hinter einem Baum entdeckte. Sie hatte zurück haltend gewirkt, war sie aber keinesfalls. Sie war aufgeweckt und strotzte nur vor Energie. Das bewunderte sie wirklich, weil sie auch ausgelassen und unbesorgt wirkte.
„Hallo.“ Antwortete Emmanline zurück. „Du bist aber sehr früh dran. Hattest du keinen Unterricht?“ Fragte sie und blickte sie einfach nur an, als das kleine Mädchen sich neben sie setzte. Sie ging ihr vielleicht bis zu ihrer Brust, aber das spielte keine Rolle. Für ihr Alter wirkte sie verglichen doch größer.
Die Kleine streckte ihre Beine aus. „Eigentlich schon, aber ich habe mich etwas früher davon gestohlen. Es war so langweilig.“ Dehnte sie das letzte Wort übertrieben in die Länge und verlieh damit nur den größeren Eindruck, dass es ihr nicht gefallen hatte. „Ich kenne das doch schon alles, aber Linava wiederholt immer alles.“
„Vielleicht muss sie es auch.“ Entgegnete sie ihr. „Manchmal sind Dinge wichtig und sind daher der Grund, warum es immer wieder wiederholt werden muss. Nur durch Übungen lernt jemand.“ Konnte Emmanline nicht dem Drang widerstehen, ihr einfach übers schwarze seidige Haar zu streicheln. „So wie du es auch tust. Du weißt warum.“ Sprach sie eindringlich weiter.
„Ja ich weiß.“, antwortete die Kleine und sie konnte es schon sehen, dass sie zu einem gewissen Teil darüber nachdachte. „Können wir heute wieder üben?“ Blickten die hellgrünen Augen sie erwartungsvoll an und sie konnte einfach nicht nein sagen. Nicht bei solchen unschuldigen Augen. Deswegen stimmte sie auch zu.
Es war eine wichtige Sache, die Emmanline ihr angeboten hatte, als das kleine Mädchen ihr größtes Geheimnis und zugleich Leid erzählt hatte. Es hatte sie zu Anfang ziemlich geschockt und hatte nicht verstanden wie das sein konnte. So ein kleines Mädchen mit tiefen Kummer geplagt. Dabei lebte sie wirklich frei und ausgelassen. Als kleines Kind hatte sie es verdient unbesorgt und glücklich aufzuwachsen. Aus diesem Grund wollte sie ihr auch helfen. Auch wenn sie vielleicht nicht viel erreichen würde. Nur kein Versuch, würden keine Chancen und Hoffnungen bieten. Also würde sie alles daran setzen eine Lösung für die kleine...Malatya zu finden.
Ja genau, sie konnte es. Sie konnte den Namen dieses kleinen Mädchen aussprechen, ohne daran zu denken, sie könnte etwas verkehrt machen. Es war seltsam und sie konnte es sich selbst nicht erklären, aber in ihren Gedanken konnte sie den süßen Namen dieses kleinen Mädchens aussprechen.
Kurz unterhielten sie sich, bevor sie in dem kleinen Wäldchen verschwanden, wo sie gerne hingingen, wenn sie Ruhe und alleine sein wollten.
Vor der Gartenbank stand Lucien nun, als er sich umblickte. Er hatte sich wirklich dazu entschieden nach Emmanline zu suchen, um mit ihr ein wenig Zeit zu verbringen. Es war ein starkes Gefühl, was ihn dazu leitete und er hatte auch das starke Gefühl ihr nahe sein zu wollen, warum er auf sie reagierte. Warum er sich von ihr angezogen fühlte. Nicht mehr lange und er würde es wissen.
Kurz wurde er aufgehalten von einen seiner Wächter, aber begab sich so schnell wie möglich an die Quelle seiner Gedanken. Durch seinem guten Geruchssinn folgte er dieser leichten süßlichen Note nach etwas sonnigem. Er konnte einfach nicht widerstehen und folgte einfach nur. Sein reinster Instinkt schien ihn erneut zu leiten, wie es zuvor auch immer war, wenn er sie suchte. Es war für ihn nicht schwer, diesen einen besonderen Geruch zu folgen. Er reagierte wie ein Magnet auf sie, als wäre er genau das Gegenpol von ihr.
Aber als er sie diesmal suchte, vermischte sich ein anderer Geruch mit der von Emmanlines. Dieser Geruch war ihm genauso vertraut, wie der ihren. Seine kleine Schwester Malatya. Sie schien an ihrer Seite zu sein und es wunderte ihn etwas. Sie war erst vor einigen Tagen ins Schloss zurück gekehrt. Malatya wurde, wie er es von seiner Mutter vernommen hatte, zu den Ältesten geschickt, weil sie ihre missliche Situation erklären sollten und warum sie trotz ihres jetzigen Alters noch immer nicht ihre drachenähnliche Gestalt annehmen konnte.
So hart wie es klang, aber es war wirklich so. Malatya war ein Drache, die sich nicht zu einem verwandeln konnte. Schon seit ihrer Geburt wurde ihr dies zu einem Fluch auf gelastet und bis jetzt konnte niemand ihr helfen. So wie es sich heraus stellte, noch nicht einmal die Ältesten und das war das Traurigste an der ganzen Sache.
Lucien konnte zwar sehen, dass sie glücklich wirkte, aber nur vom Äußeren her. Von Innen trug sie die Last mit sich. Als ein Mitglied des Königshauses wusste sie es wie jemand sich beherrschen musste und zurückstecken, weil es wichtig war, keine Schwäche zu zeigen.
Ein De la Cruise war stets stark und behauptend.
Und genau das wusste Malatya, deswegen versuchte sie es nicht zu zeigen. Er war ihr großer Bruder und aus diesem Grund hegte er ihr gegenüber noch einen größeren Beschützerinstinkt, als zu irgendjemand anderem seiner Geschwister. Wobei es sich zum gewissen Teil änderte. Es gab da noch jemanden und es nahm ihm zunehmend mit.
Eines Tages würde seine kleine Schwester zu den Mütterlichen gehören und sie würde stark sein, dass wusste er, denn er konnte es in ihren grünen Augen erkennen. Sie würde eines Tages eine stolze Drachin werden, die andere beschützte und umsorgte. Nicht als eine Kriegerin im Kampf und Krieg, aber eine Kriegerin im Herzen, die um ihre Liebsten kämpfte. Um ihr eigenes Volk. Dazu war sie geboren.
Deswegen sorgte er sich zunehmend immer mehr um sie, weil ihr immer und immer wieder erneut die Hoffnung zerschlagen wurde, ihre wahre Gestalt anzunehmen, wodurch sie geboren wurde. Ein nicht verwandelnder Drache, war wie ein Fisch ohne Wasser, dem jemand zunehmend die Luft zum Atmen nahm.
Es war nie leicht für seine jüngste Schwester gewesen, aber sie hatte sich nie unterkriegen lassen. Trotz das sie anders behandelt wurde, aber niemand hatte sie je verstoßen, weil sie einer Gemeinschaft und einem starken Volk angehörte, die untereinander aufpassten. Nur durch ihresgleichen konnte sie solange durchhalten, dass wusste er. Deswegen betete er oft zu den heiligen Göttern, dass eines Tages Malatya, seiner kleinen Schwester, dass große Glück zuteil werden würde, sich in ihren Drachen zu verwandeln. Sie hatte es mehr als jeder andere verdient. Seine kleine und doch so starke Schwester. Er war verdammt stolz auf sie und liebte sie.
Je tiefer er in den Wald vor drang, umso stärker wurden die beiden Düfte nach einer einzigartigen Kombination zwischen Sonnigem und nach Exotischem. Aber je näher er weiter trat, desto mehr vernahm er mit seiner intensiven Nase, andere Düfte. Blumen um ihm drumherum erblühten überall. Er konnte sich nicht daran erinnern, hier in diesem Wald so viele Blumen gesehen zu haben. Noch nie, aber es war wirklich so. Unzählige Blumen leiteten ihm einen Weg entlang, den er beschritt. Es waren angenehme Gerüche und er erkannte jede einzelne Blume wieder, die an geheimen Orten waren und sogar in dem Hofgarten. Es sah alles so aus, als wäre hier nur ein kleines Abbild von jedem einzelnen Ort, den er mit Emmanline besucht hatte.
Deswegen konnte er nur darauf schließen, dass als das ihr Verdienst war. Sie war eine Elfe, was zwar nur ein gewisser Teil war, aber genau dieser Teil zeigte sich in ihr. Elfen waren die naturverbundene Wesen in der Mythenwelt und hatten eine besondere Bindung zu der Natur. Es war ihr Leben, sich um das Leben zu kümmern.
Anscheinend hatte Emmanline genau diesen Teil in sich entdeckt und kostete es in vollen Zügen aus, während sie diesen Wald in eine bunte Blütenpracht verwandelte. Sie zeigte das Leben, welches sie unbewusst zeigte. Es war wirklich faszinierend.
Kurz darauf betrat er eine kleine Lichtung, die er nur zu gut kannte, und konnte nicht fassen was er da sah. Dieses Bild, was sich ihm da bot, nahm ihn jeglichen Verstand und Atem. So etwas hatte er zuvor noch nie gesehen, denn das was er sah, war einfach unbezahlbar. Die Hoffnung, die er in diesem Augenblick verspürte, kehrte mit voller Wucht zurück, weil er zuvor geglaubt hatte, sie nicht mehr verspüren zu können. Die Hoffnung gegenüber seiner kleinen Schwester, die zuvor zart und zurückgeworfen wurde. All das änderte sich schlagartig, denn dieser Anblick der Ungläubigkeit und Überraschung war zu übermächtig.
Letzten Endes war es doch das vollkommene Bild was sich ihm bot. Ein kleiner hellblauer Drache lag eingerollt und schlafend inmitten auf der Lichtung und aalte sich genüsslich und ruhend in der warmen Mittagssonne. Dieser genießende Drache war nicht groß, sondern ein kindlicher Drache von einer Größe einer kleinen Hütte.
Lucien war dem kindlichem Drachen noch nie begegnet, aber wusste ganz genau, wen er vor sich hatte. Seine kleine Schwester hatte sich zum ersten Mal in mehr als neun Jahrzehnten verwandelt.
Malatya in Drachengestalt.
Das noch unfassbare war, dass sich eine zierliche kleine Frau, mit schneeweißem Haar, sich in der Mitte an dem schlafendem Drachenkörper lehnte und genauso dösend vor sich hin ruhte. Emmanline hatte ihre Beine ausgestreckt und ihre Hände auf die Oberschenkel gelegt. Ihren Kopf hatte sie leicht zur Seite geneigt und ihre Augen waren geschlossen. Nur langsam und leicht hob sich ihre Brust, während sie einfach nur da saß und sich genauso sonnte, wie seine kleine Schwester in Drachengestalt.
Er konnte es noch immer nicht fassen. Im ersten Augenblick hatte er gedacht, er würde träumen, aber dem war absolut nicht der Fall und er stand dort, wie zu einer Salzsäule erstarrt. Dieser Anblick von einem Bild, hatte sich in seinem Verstand wie ein Brandmal eingebrannt, dass er nie wieder loswerden würde. Das wollte er auch nicht, denn dieses Bild war wirklich für die Götter geschaffen.
Erst jetzt spürte Lucien, wie ein Schmerz durch seine Brust fuhr und er musste sich schmerzlich mit seiner rechten Hand über die Stelle seiner Brust reiben, wo sein etwas zu schnell schlagendes Herz schlug. Das war unmöglich, aber wie ein Hammer traf ihn die Erkenntnis.
Oh, ihr heiligen Götter. Ich weiß es jetzt.
Wirkte er ziemlich entsetzt und verunsichert zu gleich. Die Erkenntnis konnte nicht stimmen, denn es war unmöglich. Das konnte einfach nicht sein, aber dennoch war es so. Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich etwas einzugestehen. Es war an der Zeit und sein Drache hatte es immer gewusst. Nur der Mann war stur gewesen und hatte sich vor allem gewehrt. Er hatte sich gegen alles geweigert, was darauf hindeuten könnte. Doch jetzt gab es keinen Ausweg mehr, denn es war zu spät geworden. „Emmanline...“ Flüsterte er rau und leise ihren Namen. „...meine Seelengefährtin?“ Konnte er es nicht fassen, denn das war nicht richtig. Nicht so. Sie konnte doch nicht für ihn bestimmt sein. Oder?
Anderseits würde es eine Menge erklären. Warum sie sich zueinander so hingezogen fühlten. Warum sie aufeinander reagierten. Vor allem, warum sie so eine leichte mentale Verbindung zueinander aufbauen konnten, ohne vorher Kontakt aufbauen zu müssen. Es ging viel zu einfach und er hätte das schon als erstes Anzeichen deuten sollen. Es gab viele deutliche Merkmale, die er bewusst ignoriert hatte. Vielleicht hatte es der menschliche Verstand schon realisiert, aber eine Sicherheitsblockade aufgebaut. Nur um sich vor etwas zu schützen, was tiefer als alles andere ging.
Sein innerer Drachen hatte sich sofort zu der Frau hingezogen gefühlt und wollte stets zu ihr, aber er hatte nie dem Bedürfnis nachgegeben zu folgen. Er hatte sich stets vor dem Gefühl und der Empfindung drücken wollen, aber jetzt wo er es weiß, konnte er nicht mehr zurück. Nie wieder.
Jetzt verlangte sein natürlicher Instinkt und Trieb, diese eine Frau zu beschützen. Emmanline war seine Seelengefährtin und egal was es ihn kostete, aber er würde sie mit allem beschützen müssen. Aus diesem Grund wurde zumal sein Beschützerinstinkt ihr gegenüber immer größer und stärker, warum er für sie sorgen und ihr ein Heim bieten wollte, wo sie sich wohlfühlte. Bis zum jetzigen Zeitpunkt hatte er sich wirklich bemüht und angestrengt, damit sie sich wohlfühlte. Empfand sie es auch als so? Er hoffte es inständig, denn mehr verlangte er auch nicht. Jedenfalls im Augenblick nicht.
Als hätte Emmanline ihren eigenen Namen gehört, als er ihn geflüstert hatte, öffnete sie ihre Augen und blickten ihn direkt an. Sie hatte ihn schon gespürt gehabt, dass wusste er, als sie ruhig in seine leuchtenden, tobenden und aufgewühlten Augen blickte. Ohne weiter nachzudenken, ging er auf sie zu. Keinen einzigen Moment sie aus den Augen zu lassen, steuerte er auf sie zu, bis er vor ihr in die Hocke ging.
Ohne ein Wort blickten sie sich schweigend an und er konnte einfach nicht widerstehen, eine Hand an ihre Wange zu legen, während er sie warm anblickte. Er schien leichte Verwunderung und Verunsicherung in ihrem Blick erkennen zu können. Sicherlich müsste das für sie eigenartig vorkommen, denn er hatte herausgefunden, was sie wirklich für ihn war. Sie war sein Gegenstück und seine zweite Seele, die zu ihm gehören sollte. Sie war sein zweites Schicksal in seinem Leben, welches ihn ohne Kontrolle leiten würde. Sein Verlangen und Instinkt würden ihn automatisch dazu verleiten. Er könnte nie etwas dagegen unternehmen, weil es kein einziges Mittel in dieser Gott verdammten Welt gab, dass eine vorherbestimmte Prägung verhindern könnte. Zumal stieg in ihm ein Gefühl auf...er wollte es auch nicht.
Lucien hatte schon viele verbundene Paare gesehen und er hatte stets einen leichten Schmerz in seiner Brust verspürt. Sogar großen Neid, weil er das Glück nicht hatte eine geeignete Partnerin zu haben, die ihm vom Schicksal vorherbestimmt war. Immer hatte er sich gefragt, wie würde seine Seelengefährtin sein? Wer würde sie sein, die großartige Frau an seiner Seite, wo er sie voller Stolz präsentieren könnte?
Nie hätte er es für möglich gehalten eine Gefährtin aus einem anderen Volk zu bekommen. Er hatte immer darauf gehofft eines Tages eine Drachin zu begegnen, die zu ihm gehörte, aber niemals eine Elfe die zu einem gewissen Teil anders war und so ein großes und tiefes Geheimnis in sich trug, was er zu lösen versuchte. Er hatte in letzter Zeit sie nicht dazu gedrängt es zu verraten, weil er ihr Zeit geben wollte, dass sie eines Tages ein gewisses Vertrauen aufbaute, was sie verleitete von alleine zu kommen. Natürlich brauchte es Zeit, bis sie Vertrauen aufbaute, zumal sie so viel schlechtes von seinem Volk erlebt hatte. Sogar ihr ganzes Leben und diese große Wut dadurch wurde von Tag zu Tag immer größer. Er wollte diesen Bastard finden und in brutalster Form in seine Einzelteile zerlegen. Aber letzten Endes war ihm am wichtigsten gewesen, was er sich jetzt stark bewusst wurde, dass er Emmanline wohlbehalten an seiner Seite wissen wollte. Sie sollte sich sicher fühlen und sich an einem Platz zuhause fühlen, weil sie es zuvor nie gekannt hatte. Er wollte ihr so vieles zeigen, dass sie eines Tages sagen würde, sie hätte ein seliges und erfühltes Leben, ohne nur einen einzigen Gedanken daran zu verschwenden, sie würde in Gefahr leben oder etwas vom Leben versäumen.
Nun erkannte er mit vollem Bewusstsein, wen er vor sich hatte. Diese Frau sollte ihm gehören und er schwöre bei den verdammten Göttern, die ihm heilig waren, dass er sie akzeptieren würde. Als seine Seelengefährtin. Gerade eben hatte sie ihm einen Beweis geliefert, dass es nicht hätte anders sein können.
„Was hast du nur getan, Emmanline?“ Sprach er ehrfurchtsvoll und blickte seine schlafende Schwester in ihrer wahren Gestalte an.
Sie folgte seinem Blick und antwortete sogar sofort. „Sie hat sehr traurig gewirkt und ich konnte nicht anders, als zu versuchen ihr zu helfen.“ Erhob sie ihren Arm und streichelte vorsichtig und sanft mit ihrer Hand über ihren Kopf, der direkt neben ihr ruhte, weil sie sich zusammen gerollt hatte.
Lucien verspürte eine Art Eifersucht in sich aufsteigen, als er beobachtete, wie sie seine kleine Schwester liebevoll streichelte. Sein Drache streifte unruhig in ihm umher, weil er derjenige sein wollte, dem sie so zärtlich und vertrauensvoll berührte. Sein Drache und selbst der Mann wollten so gestreichelt werden, weil sie nach der Berührung und Zärtlichkeit ihrer Gefährtin lechzten. Es hungerte sie danach und zum ersten Mal spürte er dieses große Bedürfnis danach. Es war so unglaublich, wie dieses starke Gefühl aus dem Nichts kam und ihn überschattete. Zuvor hatte er diesen Drang nie verspürt, aber innerhalb von Sekunden war alles anders. Es hätte ihn beunruhigen müssen und sogar Angst verspüren sollen, aber eine unsagbare Ruhe war in ihm eingekehrt, seit er erkannt hatte, Emmanline gehörte allein ihm.
„Du hast ihr geholfen und hast ihr etwas gegeben, Emmanline, was unbezahlbar ist.“
„Nein, habe ich nicht. Sie allein hatte den Verdienst geleistet. Sie hatte nur den Anstoß gebraucht und niemand hatte je bemerkt, wie einsam sie doch gewesen war.“ Wandte sie ihren Blick wieder zu ihm um, wo er feststellen musste, ihr Blick trostlos und emotionslos. Das konnte er nicht wirklich verstehen, da sie so etwas wunderbares getan hatte.
„Aber genau das ist es. Du warst dieser Anstoß. Viele haben versucht ihr das zu geben, wonach sie sich seit ihrer Geburt sehnte. Sie ist in ihrer Drachengestalt und niemand hätte je gehofft und gewagt daran zu denken oder zu glauben, eines Tages zu sehen, dass sie es könnte. Es gab so viele Hoffnungen und alle wurden immer wieder zerschlagen. Malatya hat natürlich am schlimmsten darunter gelitten, aber auch wir haben es, weil wir sie so sehen mussten und im Stillen das akzeptieren mussten, ihr niemals helfen zu können. Es hatte stets auf unseren Schultern gelastet, weil wir nicht ihr das geben konnten, was ihre wahre Natur war. Aber du hast es geschafft. Mit einem Mal, aber wie? Selbst unsere Ältesten wussten keinen Rat mehr. Also wie, Emmanline?“ Wollte er diesen Grund unbedingt wissen und er konnte einfach nicht widerstehen, sie weiterhin zu berühren und mit seinem Daumen über ihre weiche Wange zu streicheln, die warm durch die Sonne wirkte und eine leichte Röte überzog, wobei sie sonst so blass war.
Leicht schüttelte sie mit ihrem Kopf, aber ließ seine Berührungen zu. „Durch Zuspruch. Irgendwas muss einmal passiert sein, was ihren Drachen verängstigt und verschreckt hatte, dass sie sich zurück gezogen hatte. Deine Schwester hatte anscheinend davon nichts gewusst, weil ihr Drache sich sehr stark zurück gezogen hatte. Ganz tief in ihrem Herzen. Sie brauchte nur Zuspruch und Leitung durch jemanden, der ihren Geist berührte, aber sie konnte es nur selbst tun. Sie musste selbst in sich hinein schauen.“ Hielt sie seinen intensiven Blick stand. „Vor einigen Tagen beobachtete deine Schwester mich, bis ich sie angesprochen hatte. Auch wenn sie lächelte, hatte ich ihre Trauer und Verlust in ihren Augen gesehen. Sie vermisste einen Teil ins sich, was sie mir auch erzählte, dass sie sich nicht verwandeln konnte. Es hatte mich wirklich überrascht.“ Runzelte sie leicht mit ihrer Stirn, als ihr anscheinend die Erkenntnis kam. „Auch wenn die Chancen gering standen, wollte ich es einmal versuchen. Ich hatte ihr den Vorschlag gemacht und sie meinte, sie hätte nichts zu verlieren. Dabei hing eine Menge davon ab, denn je mehr die Enttäuschung kam, so schneller kam auch der Misserfolg und umso niederschmetternder würde es für sie werden. Ich konnte mich irgendwie trotzdem nicht davon abbringen lassen, ihr zu helfen. Irgendwas hatte sich tief in mir gerührt, was ich nicht erklären konnte.“ Sprach sie weiter und Lucien fragte sich, ob sie eigentlich wusste wie sehr sie sich ihm da gerade anvertraute?
Nun nahm Lucien mit beiden Händen ihr Gesicht und blickte sie respektvoll an, während er ehrfurchtsvoll sprach. „Emmanline...“ Ihr Name rau und flüsternd, kam es über seine Lippen. „Du hast hier gerade was unglaubliches getan. Du wusstest ganz genau was du hier tust und hast meiner kleinen Schwester ihren Lebenssinn wieder gegeben. Trotz das du dich dagegen wehrst, du hättest es nicht tun müssen, wobei du so viel durch mein Volk erleiden musstest.“
Sprachlos schaute sie ihn nur an und schien sich nicht rühren zu können. „Sie hatte mir einfach nur leid getan.“ Flüsterte sie leise und ihre Augenlider schlossen sich halb. „Sie ist doch noch ein kleines Mädchen.“ Dabei sprach sie tief aus ihrer Seele, weil sie genau zu wissen schien, das Kinder keine schrecklichen Dinge erleben durften. Er spürte diese unsagbare druckvolle Aura in der Luft, die deutete, jenes genau zu wissen, wie es war einem Kind die Lebensfreude zu nehmen. Emmanline hatte es am eigenem Leib erfahren und sie versuchte in diesem Augenblick ein kleines Mädchen genau vor Leid und Schmerz zu bewahren. Es schien in ihrer Natur zu liegen, unbewusst zu helfen.
Langsam beugte er sich nach vorne und er konnte einfach nicht widerstehen. So viele Male konnte er das nicht, aber er sehnte sich so sehr danach, sie zu küssen. Er wollte wieder ihre weichen und süßen Lippen spüren, auf der Seinen. Im Augenblick registrierte sie es nicht, als er vorsichtig mit seinen Mund über ihren strich. Sofort zuckte sie zusammen und ihre Augen weiteten sich vor Schreck.
Lucien konnte ihre Hände auf seiner Brust spüren und wie sie sich in sein schwarzes Hemd vergriff. Er konnte ihre Hitze selbst dort noch spüren, obwohl die Berührung so leicht und belanglos war, dennoch auch wieder nicht. Es war ihm ungeheuer wichtig, dass sie ihn berührte. Er genoss ihre Privilegien in allen Zügen und er war nicht im geringsten darauf vorbereitet, was sie in ihm weckte.
Eine brodelnde Hitze loderte in ihm auf und fingen an ihn von innen heraus an zu verbrennen. Sein ganzer Körper reagierte sofort auf ihre Berührung und jeder Teil seines Ganzen spannte sich an. Selbst seine Erregung, die sich schmerzhaft in seiner Hose bemerkbar machte. Diese Frau hatte unglaubliche Macht über ihn und es machte ihn verdammt nervös. Verflucht, er war nie nervös oder hatte gewisse Ängste, weil er stets alles unter Kontrolle hatte.
Doch sollte es je anders kommen, wovon er ausging, würde sie sein Abgrund sein. Da er jetzt mit schrecklicher Erfahrung die Einsicht gemacht hatte, dass Emmanline seine Seelengefährtin war, würde es eines Tages darauf hinaus führen. Er mochte über alles hinwegkommen, was ihm angetan wurde, aber sollte je ihm sein Seelenstück weggenommen werden, würde es ihn unaufhörlich und ohne Gnade zerstören. Denn jetzt bemerkte er erst das komplette Ausmaß von dessen und in welcher Lage sich seine Mutter befand. Sie hatte ihren Gefährten verloren, der für sie bestimmt gewesen war und er konnte nicht begreifen wie seine Mutter solange überlebt hatte. Wie hatte sie das nur überstanden? Unter welchen Schmerz und Leid?
Das Ausmaß dieses Leides und der Gefühle konnte er sich jetzt erst richtig ausmalen, als er tief in die Augen von Emmanline schaute. Ihre Augen waren halb geschlossen, aber er konnte weitaus mehr sehen, als er gewollt hätte.
Die Frau vor ihm, die der Seine war, war von unglaublicher Anmut und besaß weitaus größere Stärke und Mut, wie je manch andere Krieger unter seinem Volk. Sie schien von all ihren Stärken nichts mitzubekommen oder das sie je was davon wusste, doch diese Stärke lebte in ihr. Aber sie waren da und bewohnte diese außergewöhnliche Frau, die ihm zum Geschenk gemacht wurde. Es war egoistisch von ihm, sie als Geschenk anzunehmen, aus welchen Gründen auch immer und ob er es auch verdient hätte, aber er wollte sie und würde alles dafür tun, um sie zu bekommen. Sollten sich Himmel und Hölle zusammen tun, aber er würde sie behalten und besitzen.
Gerade wollte Lucien diese nicht unangenehme Stille zwischen ihnen brechen, als Emmanline ihm zuvor kam.
„Du solltest jetzt gehen. Du hättest nicht hier sein dürfen.“ Leise sprach sie an seine Lippen und drückte ihn mit flachen Handflächen auf seiner Brust von ihr weg. Auch wenn sie keine Chance hätte ihn von sich schieben zu können, tat er ihr trotzdem den Gefallen und rückte etwas ab. Zum einem, überrascht von der brutalen Zurückweisung. Es war ja nichts neues von ihr so zurück gewiesen zu werden, aber jetzt wo er wusste, sie war seine Seelengefährtin, so sah die Sache doch ganz anders aus. Es machte die ganze Sache komplizierter als je zuvor.
Schmerzhaft musste er auf die Zähne beißen, um nicht doch etwas zu sagen, was er bereuen würde. Er musste ihr die Zeit geben, auch wenn es ihm nicht im geringsten gefiel. Doch mit einem Mal verpuffte seine ganz aufgestaute Wut und Zorn der Zurückweisung.
„Deine Schwester...“ Fing sie an. „...wird bald aufwachen. Sie will bestimmt nicht, dass jemand sie so sieht. Sie will euch bestimmt selbst davon überzeugen das sie sich verwandeln kann.“ Blickte sie nicht in seine Augen.
Sicher war er erst einen Augenblick irritiert von ihren Worten, aber es waren nicht die Worte die ihn so zögern ließen. Sondern was dahinter steckte.
„Danke, Emmanline.“ Streichelte er behutsam mit dem Rücken seiner Finger über ihrer weiche Wange. Lucien musste keine unnötigen Worte verschwenden, weil er wusste, was sie eigentlich wollte. Er würde ihrer stummen Bitte folgen und tat es mit einem Lächeln ab, als sie doch zu ihm aufschaute.
Ohne es sich verwehren zu können, hauchte er noch ein letztes Mal einen Kuss auf ihre freie Wange, die nicht von seinen Berührungen verwöhnt worden war. Erst nach einem langem und zwingendem Impuls löste er sich von ihr, zog sich wieder zurück und verließ diesen wunderbaren Ort. Obwohl er gerne länger geblieben wäre und die Zeit mit Emmanline ausgekostet hätte, aber sie hatte Recht gehabt. Es wäre seiner kleinen Schwester gegenüber nicht fair gewesen.
Heute war ihm mehr als eine Offenbarung offen gelegt worden, aber verflucht, selbst er brauchte eine Zeit zur Verdauung. Das alles war zu groß und überwältigend, das er mit sich selbst klar kommen musste, bevor er weitere Schritte weiter planen konnte. Langsam wurde es wirklich Zeit, alles komplett neu umzustrukturieren. Am besten gleich sein ganzes Leben.
Langsam wusste Emmanline überhaupt nichts mehr. Sie hatte sich mit Malatya in diesen kleinen Teil des Waldes zurück gezogen und hatte hier ein Plätzchen gefunden, wo sie sich zurück ziehen konnten. Hier hat sie sich einen Ort geschaffen, wo sie sich wirklich wohlfühlen konnte. Dies war ein Platz, wo sie keinen Drachen sehen konnte und niemand sie. Zumal sie dauernd Blicke auf sich spürte, wenn sie sich im Schloss befand oder außerhalb. Es waren nicht immer freundliche Begegnungen gewesen und sie war hier auch nicht erwünscht, wo sie es ihnen nicht verübeln konnte. Sie gehörte hier einfach nicht her und würde es auch niemals sein. Wenn sie konnte, würde sie gehen wollen, aber der Drache ließ sie einfach nicht gehen. Bis jetzt hatte sie nicht wirklich eine Möglichkeit bekommen dessen auf dem Grund zu gehen. Sie hätte sich nicht daran halten müssen, aber doch hatte sie Rücksicht auf ihn genommen, weil er eine Position eingenommen hatte, welche so vom hohen Stand war. Bis jetzt verstand sie nicht einmal, warum sie solch eine Rücksicht auf ihn nahm. Jedes Mal musste sie mit ihrer Stirn runzeln, je öfter sie einen Grund dafür bekommen wollte.
Allmählich fühlte sie sich eigenartig und sie veränderte sich langsam und stetig. Das war nicht gut. Überhaupt nicht gut. Was sollte sie nur tun? Sie konnte und durfte sich nicht beeinflussen lassen. Es würde sie nur noch mehr den Abgrund näher bringen. Was lief nur alles verkehrt? Wäre sie damals nicht mitgegangen, dann wäre heute nicht alles zu kompliziert gewesen und sie hätte nicht so viele wunderschöne Dinge gesehen und kennen gelernt. Es war doch nicht fair all die Dinge zu kennen, aber trotzdem eingesperrt zu sein. Oder? Dabei würde sie es gerne in freier Wahl genießen und nicht auf jemandem angewiesen zu sein. Ja sicher zeigte ihr der Drache diese wunderbaren Dinge, aber zu welchem Preis? Sollte sie es einfach genießen überhaupt so was kennenzulernen, egal was sie dafür opferte?
Eigentlich dürfte sie sich nicht beschweren, denn sie sollte sich vor Augen halten, wie sie im Vergleich zu Culebra behandelt worden war. Es war ein riesiger Unterschied, denn niemand rührte sie an oder taten ihr weh. Dafür sorgte der Drache, wie er es versprochen hatte.
Es war wirklich zum verzweifeln und sie war einfach nur durcheinander. Sie erinnerte sich an die Lage zuvor, als Malatya zum ersten Mal ihre Gestalt angenommen hatte.
„Glaubst du wirklich, ich bekomme das hin?“ Klangen Zweifel in der Stimme des kleinen Mädchens.
Aus ihren Gedanken gerissen, blickte sie das Mädchen neben sich an. „Natürlich. Du darfst kein Misstrauen hegen. Dein Drache muss sich wohl und willkommen fühlen. Sie ist ein Teil von dir und wird es immer sein.“ Konnte sie sehen, wie Malatya darüber nachdachte und sie konnte es verstehen, wenn man sich in so einer Situation befand, wo es darauf ankam eine Menge verlieren zu können. „Du musst ihr nur eine Chance lassen.“
„Vielleicht hast du Recht. Ich sollte es wirklich probieren. Ich will es ja auch, aber manchmal habe ich Angst.“ Und sie konnte sie verstehen. „Je mehr versucht wird mir zu helfen, umso mehr verliere ich den Glauben und die Hoffnung.“ Schaute sie sehr leidvoll und ihre Stimme klang nicht anders dabei.
Emmanline konnte nicht widerstehen, als ihr eine Hand auf ihrem Kopf zu legen und über das seidige schwarze Haar von Malatya zu streichen. „Natürlich fühlst du dich so und dein Drache wird es genauso empfinden. Deswegen ist es deine Aufgabe deiner Drachin zu zeigen, was auf sie wartet und welche Freiheit sie genießen könnte. Lausche und sehe in dich hinein, Malatya. Suche in dir den Punkt, wo dein sogenanntes zweites Ich befindet und räume ihre Ängste aus.“ Versuchte sie sie zu ermutigen und auf einzureden. „Ich werde dich leiten und begleiten, wenn du das möchtest.“
Kurz wurde sie nur angeschaut und dann rang sich die Kleine ein kleines Lächeln ab. „Ich will es versuchen. Für mich und meinem Drachen. Ich brauche sie so sehr.“ Quälende Sehnsucht in ihren Worten.
„Sowie sie dich auch braucht.“
„Bitte leite mich, Emmanline. Was muss ich tun?“ Bat sie verzweifelt um Hilfe. Da erkannte Emmanline, wie sehr sie dieses Bedürfnis unterdrückt hatte, Hilfe zu brauchen.
„Schließe deine Augen und gehe mit deinem ganzen Bewusstsein in dich hinein. Fühle und sehe in dich, wie du es im wahren Leben auch tust, wenn deine Augen offen sind.“ Wartete sie, bis sie ihre Augen geschlossen hatte, bevor sie weiter sprach. „Versuche die Ruhe um dich herum zu nutzen und denke daran, deine Drachin zu finden. Wo fühlst du sie? Wo ist die Einsamkeit am größten? Folge der Spur.“ Gab sie ihr weitere Anweisungen. „Gehe immer tiefer in dein Bewusstsein.“ Wurde sie immer leiser, bis sie ganz verstummte und Malatya beobachtete.
Abwechselnd runzelte Malatya immer wieder mit ihrer Stirn, bis sie sich glättete und dann doch wieder ihre Stirn in Falten legte. Es schien ihr große Mühe und Anstrengung zu bereiten. Bis sie letzten Endes doch ihre Augen öffnete.
„Ich schaffe das nicht. Es ist so schwer.“ Seufzte Malatya auf.
Kurz überlegte Emmanline. „Es gibt eine Möglichkeit wie ich dich in Gedanken leiten könnte.“ Zögerte sie erst.
„Wirklich? Wie?“ Klang sie etwas aufgeregt.
„Ich weiß nicht, ob es eine so gute Idee ist. Ich müsste dafür zu einen Teil deiner Gedanken werden. Das würde bedeuten, du müsstest mir Zutritt und dein Einverständnis geben. Das ist ein sehr großes Vertrauen, was du mir geben müsstest und ich weiß nicht, dass du es riskieren solltest. Du würdest mir etwas Preis geben, was du nicht geben willst.“ Wollte sie ehrlich sein.
„Aber ich vertraue dir.“ Sagte Malatya prompt. „Ich habe das Gefühl, dass ich dir vertrauen kann.“
„Bist du dir da wirklich sicher? Ich will nichts nehmen, was du nicht willst. Nicht deine Erinnerungen und deine Gedanken.“ Wollte Emmanline nur sicher gehen.
Durch das Lächeln des Mädchens war sie doch dann überzeugt und sie nickte nur darauf. „Schließe wieder deine Augen. Gib mir dein Zugeständnis das ich Zugang über dich habe.“ Legte sie eine Hand auf ihrem Kopf und schloss selbst ihre Augen.
In ihrem Unterbewusstsein konzentrierte sie sich darauf ihren Geist aus ihrem Körper in Malatyas zu schicken. Dadurch das sie sofort einen Zugang zu ihrem Geist bekam, stieß sie nicht gegen eine Blockade. Es überraschte sie, dass sie so schnell und einen so offenen Eintritt in Malatyas Geist bekam. Sie hätte mehr damit gerechnet, dass Misstrauen und etwas Angst in diesem Vertrauen steckte, aber da war nichts davon. Nur reines Vertrauen und Offenheit.
Es ließ sie schwer schlucken, weil es für sie ungewohnt war und genauso was sie erwartete. Malatyas Inneres war das reinste Strahlen in so vielen Farben. Wie ein Regenbogen der Freude, welche Wärme sich bei ihr übertrug und ihren ganzen Körper erwärmte.
Es war unglaublich und sie brauchte einen Augenblick, bis sie sich daran gewöhnen konnte, zu weit es möglich war. Sie musste sich zusammenreißen und konnte sich nicht darum scheren, wie sie sich fühlte. Egal wie gerne sie sich zurück ziehen wollte, denn dieses Gefühl von Glück und Freude war beängstigend. Deswegen klammerte sie sich mehr an die Empfindung der Einsamkeit, der Trauer und des Verlustes.
„Kannst du mich hören?“ Sprach sie im Bewusstsein und sendete ihr das Gefühl, sie wäre nicht alleine.
„Ja, ich kann dich hören. Das ist wirklich unglaublich. Ich spüre dich überall und du bist so nahe.“ Überraschung pur.
„Ich bin mit deinem Geist verbunden, aber wir sollten uns beeilen. Ich kann diesen Zustand auch nicht lange aufrecht erhalten.“ Weil sie es nicht gewohnt war, mit einem Bewusstsein verschmolzen zu sein, zumal sie das zum ersten Mal tat. Das verlangte eine Menge Energie ab und sie musste sich beeilen, weil sie auch nicht voraus ahnen konnte, wie viel Kraft sie dafür aufbringen konnte.
Emmanline umhüllte Malatyas Geist mit ihrem und stärkte ihren Mut und spendete ihr zusätzliche Energie der Entschlossenheit es zu schaffen. „Versuche wieder dich zu konzentrieren und gehe tiefer in dich. Fühle, Malatya. Ich werde dich begleiten.“ Gab sie ihr einen leichten Anstoß im Geiste und blieb stets in ihrer Nähe. Sie konnte nichts sehen, aber genug fühlen, um zusehen wie es in ihr aussah. „Gehe tiefer und dringe immer mehr in deine Seele ein. Suche sie. Sie ist da. Fühle sie.“ Versuchte sie das Mädchen weiterhin zu locken und immer wieder strich sie mit ihrem Bewusstsein an ihrem.
„Ich...“ Stockte die Stimme des kleinen Mädchens und konnte Überraschung und Verunsicherung in ihr spüren, aber sie versuchte sofort dagegen etwas zu unternehmen, dass sie sich nicht zurück zog.
„Habe keine Angst davor, Malatya. Fühlst du es nicht? Die Einsamkeit tief in deiner Seele. Ich kann sie genau spüren. Deine Drachin wartet auf dich. Schon sehr lange. Sie ist genauso einsam wie du auch. Ihr teilt eine Seele, einen Körper und einen Geist. Ihr seid ein Wesen und gehört zusammen“ Versuchte sie sie immer wieder zu ermutigen und das sie weiter machen sollte. Sie hatte sogar zu gewissen Teil Erfolg und sie spürte, wie sie immer tiefer in sich selbst kehrte.
Nach unbestimmter Zeit, trafen sie auf etwas, was so unsagbar war und einen vollkommen sprachlos machte. So was unglaubliches und so eine tiefe Verbindung hatte sie zuvor noch nie in ihrem Leben verspürt. Sie waren wirklich wie eine gemeinsame Seele und so tief verankert, dass sie nichts trennen könnte.
„Kannst du es spüren, Malatya?“
„Ja, ich kann es. Sie ist es. Sie ist da.“ Konnte sie ein Schluchzen hören und wie tief Malatya ergriffen war, von allem. „Ich hätte nie zu hoffen gewagt, aber sie ist da.“
Noch einmal berührte Emmanline Malatyas Geist und ermutigte sie immer mehr. „Gehe zu ihr. Sie wartet auf dich.“ Gab sie ihr mental noch einen kleinen Schubs und sie traute sich wirklich, diesen Schritt zu tun. Mit großer Aufmerksam folgte sie die Kleine auf unsichtbarer Art und Weise. Doch sie beschloss nur noch einen kurzen Augenblick zu bleiben, bis sie sich zurück zog, denn sie sollte nun alleine klar kommen. Sie würde erst gehen, wenn sich beide im Geiste berührten.
Ohne zu zögern ging sie den Schritt und beruhigt konnte Emmanline sich zurückziehen und fuhr in ihrem eigenen Geist und Körper zurück. Langsam öffnete sie ihre Augen und schaute Malatya an. Sie hatte noch immer ihre Augen geschlossen und konnte spüren, welche Energie von ihr ausging. Wie sie sich veränderte und es funktionierte wirklich. Sie musste eine Weile warten, aber es geschah wirklich. Kunterbunte Farben umgaben ihren Körper und sie verwandelte sich. Sie nahm immer mehr die Gestalt eines Drachens an und ihre Größe wurde schmächtiger, aber sie besaß noch immer weibliche Züge, trotz der raubtierartigen Gestalt.
Emmanline rückte zur Seite, damit sie Platz hatte sich vollkommen zu verwandeln. Es freute sie schon, dass sie sich verwandeln konnte, denn es würde das kleine Mädchen glücklicher und zu zufriedener machen. Sie konnte verstehen, dass es eine große Folter war, wenn sich ein Gestaltenwandler sich nicht in ihre wahre Gestalt verwandeln konnten. Deswegen war es richtig ihr geholfen zu haben. Auch wenn sie die Drachen hasste.
Nein, hassen war eine falsche Bezeichnung, was sie für sie empfand. Es war Wut und Schmerz was sich miteinander vermischte. Sie hatten ihr alles genommen. Nicht das es nur um ihre Freiheit ging, sondern weil sie ihr ihre Mutter genommen hatten. Darunter litt sie am meisten und das konnte und würde sie ihnen nicht verzeihen können. Selbst nicht, wenn so ein liebes kleines Mädchen unter ihnen lebte. Sicher würde sie sie niemals für all das verantwortlich machen, denn sie hatte kein Recht dazu.
Dabei verstand sie sich selbst nicht mehr, denn sie veränderte sich und dies nahm sie auch am meisten mit. Wie konnte sie nur so denken, dass es vielleicht anders sein könnte? Viele akzeptierten sie nicht und zeigten ihr missbilligte Blicke. Sogar verachtende, weil sie einfach nicht hier hingehörte, denn sie wussten, welche Gefahr sie bedeutete. Aber trotz allem gab es vereinzelte, die ihr anders gegenüber waren.
Sie wurde immer verwirrter und brachte sie so durcheinander. Wie sollte sie nur damit umgehen?
Malatya hatte ihre volle Gestalt angenommen und ihre Augen öffneten sich langsam, dass sie in leuchten grüne Augen blickte. Sie hatte wirklich wunderschöne Augen, dass vor Leben nur sprühte und so eine Klarheit in Kinderaugen. Aber in ihren Augen spiegelte sich Unglauben, Überraschung und pures Glück wieder. Sie hatte es wirklich geschafft.
„Oh, ihr Götter.“ War ihre Stimme so erstickt von Tränen, konnte sie die Wahrheit nicht ganz glauben. „Ich habe...“ Brachte sie unter schluchzende Gedanken zu ihr heraus.
Es kostete Emmanline eine große Überwindung, aber sie tat es wirklich. Leicht berührte sie den kleinen hellblauen Drachen auf ihrer Schnauze. „Du hast es geschafft, Malatya. Dein Drache ist wunderschön und ihr habt zueinander gefunden.“ Sprach sie die Realität aus und wandte ihren Blick nicht von ihr ab. „Schau dich nur an.“
„Ja, das ist sie. Ich freue mich so. Unsagbar Worte dafür zu finden.“ Schmiegte sich der Drache an ihre Hand vor Freude und Dankbarkeit, dass selbst sie die Freiheit gefunden hatte. „Ich weiß nicht, wie ich dir dafür danken kann. Du hast mir was unbezahlbares gegeben und geschenkt. Ich kann dir das nicht zurück geben, was du mir gegeben hast.“
Emmanline wusste überhaupt nicht was sie darauf erwidern könnte. Sie konnte diese große Dankbarkeit spüren, welche sie für sie empfand. Es machte sie vollkommen sprachlos und so was wurde ihr gegenüber noch nie gezeigt. Verachtung und Hass, aber nie Dankbarkeit. Niemals von einem Drachen.
Ihr Herz lag schwer in ihrer Brust und es schnürte ihr die Luft zum atmen ab. Es fiel ihr verdammt schwer, aber sie konnte einfach nicht anders. „Solange du glücklich bist, ist das Dankbarkeit genug für mich.“ Kamen diese Worte einfach über ihre Lippen, obwohl sie nicht wusste was sie da sagte. „Verspreche mir nur, dass du mit ihr verbunden bleibst. Ihr gehört zusammen.“ Streichelte sie sie weiter.
„Ich verspreche es.“ Solche Ehrlichkeit und großes Versprechen steckten nur in diesen drei Worten. Das reichte ihr vollkommen.
„Ihr solltet euch aneinander gewöhnen und nehmt euch die Zeit, euch besser kennenzulernen. Ihr braucht es.“
Mit geschlossenen Augen gab sie dem nach was Emmanline geraten hatte. Kurz darauf schlief sie sogar vor Erschöpfung ein und sie würden sich sogar vermutlich in ihren Träumen miteinander verbinden. Sie wusste, dass sie ab heute für immer miteinander verbunden sein würden.
Kehrten ihr die Erinnerungen zurück, die zuvor geschehen waren, als sie hierher kamen.
Leicht lehnte sie sich an die Drachin zurück und schloss selbst ihre Augen. Nicht schlafend, aber ruhend und nachdenkend.
Es dauerte eine ganze Weil, bis sie etwas vertrautes spürte und sie konnte sogar hören wie dieses Vertraute ihren Namen flüsterte. Nicht anders könnend, musste sie ihre Augen öffnen und wie es nicht anders sein konnte, stand genau dieser Mann vor ihr, der genauso geheimnisvoll und beängstigend war. Nicht weil er ein Drache war, sondern weil er sich so stark verändert hatte.
Seine Augen, wie er sie jetzt anblickte, als hätte er ein langes und schwieriges Rätsel gelöst. Nur welches? Was verbarg er vor ihr? Würde er ehrlich zu ihr sein und es ihr verraten? Oder würde er vor ihr schweigen?
Erst als er wusste, sie war wach, kam er auf sie zu und hockte sich vor sie hin, berührte sie sogar. Zu sanft und liebevoll, dass sie zusammen zucken musste. Was geschah hier nur? Sie konnte sich gegen seine leichte und warme Berührung nicht wehren. Es war ihr schier unmöglich und ließ ihn sogar gewähren. Ihr Verstand sagte ihr, sie solle sich sofort zurück ziehen, aber ihr Körper ließ ihr diese Vernunft nicht.
Seine sanften Worte, nein alles an ihm war urplötzlich sanft geworden. Sie konnte nichts mehr von dieser Rauheit, Wildheit und Grobheit erkennen, welche zuvor ihn ausgemacht hatten. Sie konnte nicht jede Einzelheit als sanft umschreiben, wenn so viel dahinter steckte, wie Liebenswürdigkeit und Wärme. Wie konnte er sich so schnell nur verändern? Das in kurzer Zeit?
Trotz allem waren seine Worte sanft und was er zu ihr sagte, konnte sie nicht glauben und es verunsicherte sie, auch wenn sie es ihm nicht zeigte. Sie durfte keine weiteren Schwächen zeigen, aber er schien zu wissen, dass sie es vor ihm verbarg. Er drängte sie seit einer langen Weile nicht mehr, ihr größtes Geheimnis zu verraten. Er nahm immer mehr Rücksicht und Vorsicht ihr gegenüber. Was wollte er ihr damit nur beweisen? Konnte sie seinen Worten glauben schenken, die er ihr jetzt alle sagte? Das sie dafür verantwortlich war, so großes geleistet zu haben? Obwohl sie nichts weiter getan hatte, als seiner kleinen Schwester einen Anstoß zu geben? Sie hatte es geschafft und konnte ihre Gestalt annehmen, wie der Beweis vor ihm lag. Was sollte sie nur glauben?
Was danach kam, ließ sie zusammen fahren und in sich hinein zucken. Seine Lippen streiften leicht ihre und wie ein Blitz durchfuhr sie eine unsagbare Hitze. Seit sie hier war, war er ihr nicht mehr so nahe gekommen. Aber auch da konnte sie sich dagegen nicht wehren und sie schloss halb ihre Augen, weil sie nicht anders konnte. Er flüsterte ihr so viele Worte zu, dass sie beinahe nicht mehr verstand, wovon er redete. Sie ließ es einfach nur geschehen, bis er auch von ihr abließ und sie intensiv und feurig anschaute, als hätte er nach jahrhundertelanger Suche etwas gefunden, was für ihn so unsagbar wichtig war. Als hätte er etwas gefunden, was er nie wieder loslassen würde.
Leicht rührte sich etwas in Emmanline und sie wusste es, dass es nicht von ihr kam. Malatya rührte sich in ihrem Schlaf und sie würde bald aufwachen. Sicherlich würde es ihr nicht gefallen, wenn ihr Bruder sie schon so sehen würde. Es wäre ihr gegenüber nicht fair, denn sie sollte es auf ihrer Weise tun. Ihnen zeigen, was sie in Wirklichkeit war und konnte. Deswegen musste sie ihn wegschicken. Auch wenn sich etwas in ihr dagegen wehrte es zu tun, aber sie musste, denn es ging letzten Endes nicht um sie. Würde es nie gehen.
Sicher war der Drache nicht glücklich darüber, dass sie ihn fort schickte und sie konnte sogar leichte Wut und Enttäuschung in seinen Augen erkennen, was sie wunderte, denn aus welchem Grund? Sie wollte doch nur seiner kleinen Schwester etwas ersparen, was ihr vielleicht die Freude davor nahm, etwas unsagbares gefunden zu haben. Emmanline gab es auch in wenigen Worten von sich und auf einmal konnte sie Erkenntnis in den Augen des Mannes vor ihr erkennen. Er verstand sofort und ohne ein Wort des Widerparts zog er sich lautlos zurück. Natürlich nicht sie vorher noch einmal ausgiebig berührt zu haben.
Ihre Haut prickelte noch immer von seinen Berührungen auf ihren Wangen und ihrer Lippen. Obwohl er schon lange weg war. Sie spürte sogar noch immer die Hitze in ihrem Körper und wie sich ein Prickeln in ihrem Unterleib breit gemacht hatte. Ein unsagbares Verlangen staute sich in ihr zusammen und es erdrückte sie immer mehr. Es würde sie weiter unter Druck setzen, bis ihr Körper einen Weg gefunden hätte, all diesen Druck zu entleeren und genau davor bekam sie Angst, denn sie verspürte ein schlechtes Gefühl dabei. Diese Ungewissheit das es mit diesem Mann zu tun hatte, der sie ohne weitere Worte zurück gelassen hatte.
Welcher Erkenntnis sollte sie entgegen treten? Sollte sie vor allem fliehen und einfach nur wegrennen? Oder sollte sie einfach bleiben und den Mut fassen, um zu sehen was als nächstes passierte?
Alles war still um sie geworden, dass sie zu viel nachdenken musste und je mehr sie nachdachte, umso unschlüssiger wurde sie.
„Ach Mutter. Ich weiß nicht was ich tun soll.“ Flüsterte sie fast lautlos und blickte gegen den Himmel, wo sie hoffte, sie würde irgendwo dort sein, aber wusste, so wäre es niemals. Sie war vollkommen aus ihrem Leben verschwunden, aber trug sie trotz allem immer noch in ihrem Herzen. Der einzige Platz, wo sie noch existieren konnte. Allein bei ihr.
Doch letzten Endes wusste sie von Anfang an, welche Erkenntnis sie wählen würde. Emmanline hatte sich geschworen nie wieder zu fliehen und vor irgendetwas davon laufen. Ihr Mut sollte stark sein, vor allem entgegenstellen. Egal was kommen mag. Sollten die Drachen ihr alles nehmen, aber sie würde kämpfen. Wenn es ihr alles kosten würde. Solange bis sie keine Energie mehr aufbringen konnte und bis sie wirklich in dem tiefem Abgrund stürzte, wo sie endgültig zerbrechen würde. Wenn dieser Zeitpunkt gekommen war, würde es keinen Weg mehr geben zurück zu finden, denn sie würde nichts davon mitbekommen und wortlos aus dieser Welt verschwinden. Auch wenn ihr Herz noch schlagen würde, aber ihr Geist und ihre Seele würde dann der Dunkelheit und Kälte gehören. Das wusste sie genau, denn sie war einige Male schon kurz davor gewesen, wenn ihre Mutter nicht gewesen wäre.
Diese eine Erkenntnis könnte ihr Verhängnis und Ende bedeuten.
„Komm, Mama. Ich will dir unbedingt was zeigen.“ Drängte und zog Malatya ihre Mutter an der Hand auf den Hofgarten. Ihre Gesicht strahlte nur so voller Freude und Glück,
Emmanline folgte, denn sie selbst wurde dazu gedrängt. Sowie der Drache und deren Geschwister von ihm, die so schnell wie möglich zum Königshof erscheinen sollten. Auf Befehl und Wunsch von Malatya. Emmanline wusste aus welchem Grund, denn heute war der Tag der Offenbarung gekommen. Das kleine Mädchen wollte ihrer Familie und der ganzen Welt beweisen was sie zu Anfang unmögliches geschafft hatte. Heute würde sie allen ihren Drachen zeigen und selbst diese Freude in diesem Mädchen erwärmte ihr das Herz.
„Ja, mein Schatz, ich komme ja schon. Nur zerr doch nicht so. Wir haben Zeit.“ Lachte die Mutter von ihr auf und folgte ihrer Tochter ohne Protest.
„Nein, die haben wir nicht.“ Widersprach sie sofort, bis sie stehen blieb. „Bleib genau da stehen und ihr auch.“ Deutete sie mit ihren Fingern auf den Platz, während sie hüpfend weiter von ihnen entfernt stehen blieb.
Einige ihrer Geschwister lachten leise über den glücklichen Zustand ihrer kleinen Schwester und sie konnte erkennen, dass alle es selbst kaum abwarten konnten, welche Überraschung sie für alle hatte.
Emmanline hatte sich weiter außerhalb zu ihnen gestellt, aber der Drache blieb genau neben ihr stehen. Kurz blickte sie zu ihm auf und ohne sich zu wundern, schaute er sie selbst an. Mit einem Lächeln im Gesicht.
„Du weißt was sie jetzt tun wird?“ Sprach er zu ihr.
„Ja, das weiß ich. Sie freut sich so.“ Entgegnete sie ihm.
Leicht lachte er auf. „Natürlich freut sie sich so. Anscheinend verstehst du noch immer nicht, Emmanline. Du hast ihr ein unbezahlbares Geschenk gemacht.“ Drehte er sich halb zu ihr um und berührte mit dem Handrücken seiner Finger ihre Wange. Sie bekam jedes Mal eine Gänsehaut davon und sie konnte sich dagegen nicht wehren, ihn zurückweisen. „Warte es nur ab.“ Lächelte er überlegen.
An dem Tag wo Malatya sich zum ersten Mal verwandelt hatte, kam Emmanline spät Abends in ihr Zimmer. Kaum hatte sie ihre Tür geöffnet gehabt, spürte sie eine große Aura und ein erdiger Geruch traf sie vollkommen unerwartet. Der Drache war in ihr Zimmer gekommen und er stand mit dem Rücken zu ihr gekehrt am Fenster. Sie war sofort erstarrt und blieb an der Tür stehen, wo sie ihn einfach nur anstarrte.
Erst nach einem kurzen Augenblick drehte er sich zu ihr um und kam sofort auf sie zu. „Ich habe auf dich gewartet.“ Sprach er rau und riss sie in seine Arme und drückte sie fest an seinem harten und heißen Körper.
Warum konnte sie sich nicht wehren?
„Ich danke dir. Sehr sogar.“ Presste er sie weiter an sich, aber bedacht ihr nicht wehzutun. Sein Gesicht hatte er in ihrem Haar vergraben, eine Hand auf dem unteren Rücken gelegt und seine andere Hand lag besitzergreifend auf ihrem Nacken. Alles an ihm war besitzergreifend und sie schmiegte sich sogar an ihn.
Sie verstand das er froh darüber war, dass seine kleine Schwester sich endlich verwandeln konnte, aber sie verstand nicht, warum er auf einmal so einfühlsam und liebenswürdig war. Er war ihr sogar Dankbar.
Seufzend vergrub sie ihr Gesicht an seiner Brust. Es überforderte sie. „Bitte hört auf damit. Es verwirrt mich.“ Brachte sie heraus und weil sie diese Worte in sein Hemd sprach, klangen sie sehr erstickt, aber wie ein Drache nun einmal war, war es sicher das er sie verstanden hatte.
„Warte es nur ab.“
Hatte er nur an diesem Abend gesagt. Genau die gleichen Worte und genau das gleiche Lächeln. Worauf sollte sie warten?
Der Moment war gekommen, wo Malatya sich verwandelte und leuchtende regenbogenartige Funken sprühten um ihrem kleinen Körper. Entsetztes Luft holen konnte sie hören und überraschte Laute. Kurz blickte sie in die Runde der Anwesenden und sie konnte ihre Gesichter des Staunens sehen, sowie ihre aufgerissenen Augen der Überraschung und des Entsetzen.
„Oh, ihr Heiligen. Malatya du kannst dich verwandeln.“ Sprach eine Schwester von ihr. Sie war die Reinste Schönheit. Sie hatte hellbraunes gelocktes Haar, dass ihr feminines Gesicht umschmeichelte. Ihre Augen strahlten in Azurblau und ihr fällt auf, dass ihr Augen von Dunkelblauen und grünlichen Sprenkeln gezeichnet waren. Obwohl sie blau waren und das ein Symbol der Kälte waren, so stimmte es überhaupt nicht ein. Sie hatte warme und liebevolle Augen. Ihr Blick drückte so viele Gefühle aus, die warmherzig und willkommen waren. Und ihr Lächeln zeigten all das wieder.
„Wie kann das sein?“ Konnte sie Unglauben in der Stimme von der Mutter hören und ging auf ihrer Tochter in Drachengestalt zu. Liebevoll schmiegte sie sich an ihrer Tochter heran. Nur eine leichte, aber ausdrucksstarke Umarmung, die so viel Liebe zeigte. „Oh, meine kleine Süße.“ Schloss ihre Mutter ihre Augen und streichelt leicht über den Drachenkopf. Auch Malatyas Drache hatte ihre Augen geschlossen. Einige ihrer Geschwister kamen auf sie zu und drückten ihre Freude mit großer Begeisterung aus.
„Siehst du nun, welches Geschenk du uns allen gemacht hast?“ Meinte der Mann neben ihr.
Leicht schaute sie zu ihm auf, aber diesmal war sein Blick auf seine Familie gerichtet. Langsam sollte sie es vielleicht eingestehen, dass sie wirklich etwas bewirkt hatte, welch so großer Segen es doch war. „Ich sehe es.“ Flüsterte sie leise und nestelte etwas an ihrem hellblauen Kleid herum, dass nur bis zu ihren Knien reichte. Ihr Kleid hatte kurze Ärmel und war perfekt für ihren Körper geschnitten. Der Drache hatte ihr Kleidung zum Anziehen geschenkt und noch vieles mehr. Das sogar in Massen und manchmal fragte sie sich, was sie mit so viel Kleidung anstellen sollte. Es war viel zu viel und ihre Entscheidung viel ihr jeden Tag immer schwerer, irgendwas von der Kleidung auszusuchen, weil alles wunderschön war.
Auf einmal schauten alle sie mit einem ungläubigen Blick an und sie konnte nicht anders, als einen Schritt zurück zu machen. Es war ja nicht so, als wenn sie flüchten wollte, aber er legte ihr eine Hand auf den Rücken und meinte, sie bräuchte keine Angst haben.
Angst hatte sie ja nicht, aber sie war nervös, denn diese ganzen Blicke auf ihr konnte sie nicht definieren. Vielleicht ein paar, aber nicht alle. Deswegen, ohne das sie es merkte, rückte sie näher an dem Mann neben sich heran. Darauf legte er ihr einen Arm um die Schultern und presste sie leicht an sich. Diesmal hatte sie wirklich nichts dagegen, denn er schien der Einzige zu sein, der sich im Moment normal verhielt, als alle anderen.
„Du brauchst wirklich keine Angst haben, Emmanline.“ Doch konnte sie ihm glauben? Aber letzten Endes hatte er doch Recht. Einige sprachen ihren Dank aus, auch wenn andere sich zurück hielten. Bei einigen war es ihr sogar recht, dass sie sich von ihr fern hielten. Zum Beispiel bei dem Drachen, der sie zu Anfangs beinahe die Luft abgedrückt und sie brutal zu Boden gerissen hatte. Der Drache, in welchen Armen sie lag, hatte ihr gestern über jeden seiner Geschwister etwas erzählt und welche auf welchem Rang waren. Der Drache, mit diesen eiskalten und mörderischen Blick, war ein Jäger. Kein Wunder das er so war, denn sie wusste was Jäger in der Hierarchie der Drachen für Aufgaben hatten. Sie mussten kaltblütig und mörderisch sein. Anders konnten sie ihre Bestimmung nicht entgegen treten, das wusste sie. Das wurde demjenigen in die Wiege gelegt, egal ob es jemand wollte oder nicht.
Auch die Mutter von ihnen hielt sich leicht im Hintergrund, aber bedachte sie mit einem nichts ahnenden Blick.
Am liebsten wollte sie sich nur noch zurück ziehen, aber dann knurrte der Mann neben ihr tief aus seiner Kehle auf und ermahnte seine Geschwister damit, sie sollten sie nicht so bedrängen. Sie war ihm sogar dankbar dafür, dass er das getan hatte. Es war eigenartig, aber sie war wirklich froh darüber und er brachte ihren Herzschlag in einem schnelleren Takt. Sogar des öfteren, als wie sie es sich eingestehen wollte. Sie fühlte sich langsam wirklich beschützt von ihm, aber würde es niemals zeigen oder zugeben. Es ging dabei nicht um ihren Stolz. Viel mehr um ihre Entscheidung, dass sie niemals einen Drachen an sich heran lassen wollte. Sie wollte bei der Meinung bleiben, dass alle Drachen kaltblütige und gnadenlose Bestien waren, wie es erzählt wurde und wie sie sie erlebt hatte. Aber langsam kamen Zweifel in ihr auf.
Der Drache und Mann, der so beschützend und sanft war, so schien ihr, wollte ihr eine ganz andere Ansichtsweise seines Volkes zeigen. Er sagte es ihr nicht, aber sie hatte dieses Gefühl, er wollte ihr weit mehr zeigen, als wie sie wusste und kannte.
Irgendwann führte er sie einfach weg und ließ alle anderen stehen, ohne ihnen noch Beachtung zu schenken. Fragend blickte sie zu ihm auf und er fing ihren Blick auf.
„Ich merke doch, wie unangenehm und beengt du dich gefühlt hattest, Emmanline.“ Sprach er leise und griff nach ihrer Hand und führte sie immer weiter weg, zurück ins Schloss.
Es wunderte sie nicht, dass er sie ins Zimmer zurück brachte und stumm die Tür hinter sie schloss. Ihr Herz schlug ihr immer noch schnell und ihr blieb die Luft weg. Wie er sie anschaute. Es war erschreckend und aufregend zugleich, seinen intensiven Blick zu spüren, als wäre sie die Einzige. Eigentlich war sie auch die Einzige in diesem Raum, aber das war es nicht, warum er sie so anschaute. Sie konnte begehren in seinen Augen erkennen. Sie glühten wie das glänzende Gold. Er ließ sie einfach nicht mehr aus seinen Augen. Trotz blieb er einige Meter auf Abstand. Aber es dauerte nicht lange, als er diese kurze Distanz zwischen ihnen überbrückte. Direkt vor ihr blieb er stehen und legte sanft eine Hand auf ihre Wange.
„Du weißt doch, dass du vor mir keine Angst mehr zu haben brauchst. Oder Emmanline?“ Fragte er sie.
Warum fragte er sie das auf einmal? Leicht presste sie ihre Lippen zu einem Strich zusammen. Kurz darauf öffnete sie leicht ihren Mund und konnte ihn nur anblicken. Was sollte sie darauf antworten? Sie dachte ernsthaft darüber nach, ob es so war. Hatte sie Angst vor ihm? Noch?
Automatisch schüttelte sie leicht mit ihrem Kopf und konnte es nicht fassen, dass sie es getan hatte. Aber es entsprach der Wahrheit, denn er zeigte wirklich, dass er ihr nicht mehr wehtun würde. Entweder meinte er es vollkommen ernst, oder er war ein guter Trickser. Eigentlich waren das alle Drachen, und doch deutete sie keine Tricks von ihm. Sie würde ihm niemals vertrauen, aber sie glaubte daran, er war ehrlich zu ihr. Auch wenn sie nie zu hoffen gewagt hatte, dass sie das je einem Drachen zutraute.
In diesem Punkt viel ihr ein, oder wurde ihr bewusst, wie sie Schutz bei ihm verspürt, als sie vorhin auf dem Platz gewesen waren. Leichte Röte zeigte sich auf ihren Wangen und blitzartig drehte sie ihren Kopf zur Seite. Auch seiner Berührung entkommend. Wie konnte das passieren?
Ein leises Geräusch der Belustigung konnte sie vernehmen und am liebsten hätte sie ihm einen finsteren Blick zugeworfen, aber unterdrückte das große Verlangen danach.
Mit einem Mal entfernte er sich kurz und ging zu einer Kommode. Sie folgte ihm mit ihrem Blick und da viel ihr auf, eine kleine Schachtel stand darauf. Hatte sie schon länger dagelegen? Sie konnte sich nicht daran erinnern, aber es wäre ihr doch aufgefallen. Oder etwa nicht?
Er nahm die Schatulle die aus schwarzem Holz bestand und eine glatte glänzende Oberfläche hatte. Sie fühlte gerade so seine Handfläche aus, aber war nicht sonderlich groß. Was war da in dieser Schatulle? Neugierde packte sie, aber sie würde nicht fragen.
„Ich habe etwas für dich, Emmanline. Ich würde mich freuen wenn du es annehmen würdest.“ Reichte er es ihr und sie sah etwas in seinem Blick, schien es ihm unheimlich wichtig zu sein, dass sie es annahm.
Sollte sie es annehmen? Einen Augenblick hielt sie seinem Blick stand, aber schaute dann auf die kleine schwarze Schachtel. Sie war hin und hergerissen und sie musste sich entscheiden. Ein Gefühl sagte ihr, sie sollte es annehmen und sie nahm es wirklich an. Da viel ihr auf, er schien angespannt zu sein, das er die Luft angehalten hatte. Gerade entspannte er sich und atmete schwer aus.
Langsam und bedacht öffnete sie die Schatulle in ihrer Hand. Einen Moment zögerte sie, aber riskierte doch einen Blick darauf. Ihr stockte der Atem, als sie sah, was darin lag. Ihr Mund öffnete sich vor erstaunen und ihre Augen weiteten sich. Was sie in der kleinen Schachtel sah und auf weinrotem Samt lag, ließ sie sprachlos werden. So was wunderschönes hatte sie in ihrem Leben noch nicht gesehen.
„Aber das...“ Musste sie sich räuspern. „Das kann ich nicht annehmen. Das sieht so wertvoll aus.“ Blickte sie überraschend auf.
„Und doch möchte ich, dass du es bekommst.“ Beharrte er darauf.
Warum?
Wieder schaute sie auf die geöffnete Schatulle. Sie konnte noch immer den Gegenstand darin bewundern. Er glänzte und wirkte so rein wie nichts anderes, was sie bisher gesehen hatte, was auch nicht schwer war, bei ihrem sehr eingeschränkten Wissen.
Auf dem weichen weinroten Samt lag ein kleiner Dolch. Die Klinge in zwei Wellen geformt und aus dem klarsten Kristall. Der Griff war feinste Arbeit gewesen. An den Seiten gingen zwei ausgebreitete Drachenflügel auseinander. Der Schaft schlängelte sich wie ein Schlange nach oben, der allmählich sich zu einem Drachenkopf formte, der sein Maul weit aufgerissen hatte. Als würde er jedem Moment Feuer speien. Schwarz und Gold spielten mit einer perfekten Kombination miteinander.
„Die Klinge ist aus dem härtesten und klarsten Kristall. Aus Diamant.“ Erklärte er ihr.
„Nein, dass kann ich nicht.“ Klappte sie die Schatulle zu und wollte sie ihm wieder geben. „Ich kann das nicht annehmen.“
Vorsichtig legte er seine Hand auf ihre Wange und sie zuckte zusammen, denn diese Berührung kam so unerwartet. Im ersten Augenblick hatte sie gedacht, sie hätte ihn dadurch verletzt, aber sein Blick deutete etwas ganz anderes. Als hätte er damit gerechnet, sie würde es ablehnen. Er nahm es ihr nicht übel. Aber warum fühlte sie sich dann dadurch so schlecht?
Kraftlos ließ Emmanline sich nach vorne sinken und legte ihre Stirn auf seine Brust. Er war so viel größer als sie, aber es störte sie keinesfalls. Die Schatulle mit dem kostbaren Dolch wurde zwischen sie beide ein geklemmt.
„Warum tust du das alles? Warum veränderst du dich so?“ Konnte sie die Fragen langsam nicht mehr zurück halten. Sie wollte es unbedingt wissen, denn sonst würde sie nie Ruhe finden.
Ohne zu zögern legten sich seine Arme um sie und er presste sie fest an sich. Sie konnte seine Wärme spüren, trotz des vielen Stoffs zwischen ihnen. „Weil du mir wichtig geworden bist, Emmanline.“ Flüsterte er diese Worte, als er sein Gesicht in ihrem schneeweißem Haar vergrub. „Du bist der Grund, warum ich mich so verändere. Ich kann dir den Grund nicht verraten, weswegen. Noch nicht.“
„Was hast du gesagt?“ Hatte sie die letztenWorte nicht recht verstanden. Seine Stimme wurde immer leiser und sie verstand nicht, warum er auf einmal so still wurde. Was war nur los mit ihm?
Lucien konnte nur mit seinem Kopf schütteln, denn er konnte ihr den Grund nicht nennen, warum er sich so verändert hatte. Wenn sie jetzt erfuhr, dass sie seine Gefährtin war, dann würde sie sich sofort zurück ziehen. Sogar flüchten, aber genau das wollte er vermeiden.
Also konnte er es ihr nicht erzählen. Es war verdammt schwer für ihn. Einerseits wollte er sie wissen lassen, sie gehörte ihm, aber anderseits war es noch viel zu früh. Deswegen musste er sich stark zusammen reißen, weil sein Drachen ihn dazu drängte genau das Gegenteil zu tun. Lange würde er es nicht aushalten, da war er sich ziemlich sicher.
„Wirst du es annehmen?"“ Durchbrach er die Stille, die sich zwischen ihnen geschoben hatte. Es war ihn wirklich wichtig, welches sie annehmen sollte. Es war ein Beweis und Beanspruchung seiner Gefährtin. In seinem Volk war es Tradition, das die Männer ihrer Seelengefährtin gegenüber ein Geschenk machten, das wertvoller war und eine wichtige Bedeutung in ihrem Leben hatten. Dieser Kristalldolch hatte er vor Jahrhunderten selbst geschmiedet. Herz, Blut und Schweiß selbst hinein gesteckt. Er hätte nie damit gerechnet, seine Seelengefährtin zu finden, aber jeder bekam den Drang dieses besondere Geschenk herzustellen. Egal was es war, aber es wurde aus eigener Hand hergestellt.
Er hatte sich Gedanken darüber gemacht, warum er damals einen Dolch für seine Gefährtin hergestellt hatte, denn anscheinend hatte er schon damals, ohne es zu merken, gewusst, dass er eine Seelengefährtin bekam, die sich nicht mit Klauen oder Reißzähnen verteidigen konnte. Emmanline war alles andere als ein Raubtier das kaltblütig und gnadenlos war. Sie war das vollkommene Gegenteil und er hatte sich die Tage gefragt, warum bekam er genau so eine Gefährtin? Es war ungewöhnlich für seine Art und er verstand nicht. Aber irgendwas hatte sich das Schicksal und die Natur dabei gedacht. Nur musste er das erst einmal heraus finden, was dieser Grund war.
Im ersten Augenblick war es ihm egal, denn er wollte es genießen seine Seelengefährtin in seinen Armen zu halten und ihr so nahe zu sein, wie es ihm nur möglich war.
„Ich bitte dich.“ Wandte er noch einmal ein.
Ein wenig rückte sie von ihm ab, um ihn anschauen zu können. Sie war so klein und wunderschön, das er seinen Blick einfach nicht von ihr abwenden konnte. Sie musterte ihn genau und er wusste, sie wollte etwas in seinem Gesicht finden, was ihr Antworten geben könnte, weswegen er so erpicht darauf war, ihr diesen Dolch als Geschenk zu machen. Sie war nicht dumm und sie überdachte alles so stark und gefasst, verspürte er irgendwie Stolz ihr gegenüber. Seine Gefährtin war nicht dumm, wie er es zu Anfang gesagt und gedacht hatte. Er hatte es nur nie gesehen, wie sehr sie alles beobachtete, vorsichtig war und es analysierte. Es konnte nicht anders sein, aber sie lebte allein von ihren Gedanken und nicht einfach nur sorglos in sich hinein. Ihr ganzes Leben war sie auf der Hut und es bestand nur aus der Gefahr. Er konnte sie verstehen, warum sie so war, denn er würde es genauso machen. Er würde niemanden Vertrauen schenken. Jeden falls nicht so schnell.
In einem kleinen Bruchteil veränderte sich ihr Gesichtsausdruck von Misstrauen zur Entschlossenheit. Was hatte das zu bedeuten?
„Gut. Ich werde dieses Geschenk nur unter einer Bedingung annehmen, indem du mir eine Frage beantwortest.“ Klang sie entschlossen und ihr Blick sagte ihm, sie würde keine Kompromisse machen. „Das du sie ehrlich beantwortest.“ Gab sie noch verbessernd hinzu.
Lucien musste leicht Schmunzeln, denn ihm wurde selbst da bewusst, sie würde sich niemals unterordnen und kampflos aufgeben. Das mochte er, da Drachen Herausforderungen liebten. „Was ist das für eine Frage?“ Wollte er voller Neugier wissen. „Ich werde sie dir ehrlich beantworten.“
Für einen kurzen Moment schien sie ihre Frage so hinzulegen, um genau die Antworten zu bekommen, die sie haben wollte.
„Ich will alles über diesen roten Rubin wissen, den ich aus deinem Hort entwendet hatte. Ich will verstehen, warum dieser Stein sich an mich gebunden hat.“ Senkte sie ihren Kopf. „Ich spüre es, wie viel Macht von ihm ausgeht. Als würden viele Seelen diesen Rubin nähren und solch eine Einsamkeit hervor rufen. Ich höre so oft Stimmen, die mich verfolgen, aber ich kann diese Worte nicht verstehen.“ Zitterte sie leicht und sie musste ihre Arme um sich schlingen, als würde sie frieren.
Lucien war sprachlos und geschockt zugleich, was er von ihr erfuhr, packte er sie an ihren Oberarmen. „Woher...?“ Das war unmöglich und konnte nicht sein. Sie konnte es nicht so intensiv wahrnehmen. Sicher sie war eine Elfe und sie verfügten über große Magie und Spürsinn dafür, aber niemals so intensiv. Aber wie konnte sie dann wissen, das Seelen, Drachenseelen, in diesem blutroten Rubin gefangen gehalten wurden.
Bei seinem Griff riss sie ihre Augen weit auf und er verstand. Sofort ließ er von ihr ab und seine Arme senkten sich. „Entschuldige. Ich wollte nicht grob erscheinen.“ Meinte er es wirklich und er konnte ihre Blicke regelrecht spüren, als er für einen Moment weg schaute.
Da seufzte sie auf. „Ich will es nur verstehen und ich kann dir nicht sagen woher. Was soll ich tun? Ist es verkehrt zu wissen, warum ich nicht von diesem Rubin los komme? Du willst ihn doch wieder haben, oder etwa nicht?“ Fragte sie.
Es stimmte schon, seinen Schatz wollte er wieder haben, aber anderseits auch wieder nicht. Dieser Rubin verschaffte ihm einen Vorteil, weil sie dadurch bei ihm blieb. Er nutzte es schamlos aus, denn das wusste er, aber empfand keinerlei Schuld dabei.
„Ich kann dich verstehen.“ Blickte er sie sanft an und konnte sie einfach nur anschauen. „Setz dich.“ Bat er sie und sie gehorchte wirklich und sie schien zu wissen, das es ein längeres Gespräch werden würde. Sie wusste auch, wie wichtig und ernst es war, was dieser Rubin bedeutete. Dieser Rubin würde sich auch nicht umsonst an sie binden.
Sie hatte sich auf das Bett niedergelassen und erneut schossen ihm unanständige Dinge durch seinen Kopf und krampfhaft konnte er sie abschütteln.
„Dieser Rubin...“ Versuchte er nach Worten zu suchen. „...ist so eine Art Gefängnis.“
„Gefängnis?“ Schaute sie ihn ungläubig und verwirrt an.
„Ja. Ein Gefängnis für Seelen. Drachenseelen. Es klingt merkwürdig und ich weiß es auch erst seit geraumer Zeit und versuche es selbst noch zu verstehen. Ich habe immer geglaubt, wenn jemand aus meinem Volk stirbt, würde ins heilige Reich übergehen, wo sie eines Tages wiedergeboren werden. Aber alles ist ein reiner Aberglaube und Irrsinn. Wenn dieser Rubin nicht wäre, wäre es vielleicht anders. Meine Mutter hatte es mir erzählt und sie meinte, jede Seele wird in diesem blutroten Stein verbannt und auf ewig dort eingesperrt sein. Viele haben schon versucht dies zu ändern. Doch zerstören können wir ihn nicht, weil wir dann nicht wissen, was danach geschieht. Vielleicht könnte es uns erlösen, aber was wenn es nicht so wäre?“ Blickte er sie besorgt an.
„Dann würdet ihr vielleicht verschwinden.“ schien sie zu schlussfolgern.
„Vielleicht.“ Nickte er bestätigend. „Es ist nicht leicht, Emmanline.“ Seufzte er auf.
Für einen Augenblick schaute sie ihn nur an. „Ich verstehe schon. Dadurch kannst du mich nicht gehen lassen. Zumal du es auch nicht vor hast. Ich werde versuchen heraus zu finden, wie ich diesen Rubin von mir entbinden kann. Auch wenn ich nicht weiß, wie.“ Senkte sie nachdenklich ihren Kopf.
Lucien ging auf sie zu und kniete sich vor ihr hin, sodass er ihre Hände in seine nehmen konnte. „Ich weiß, dass es nicht fair dir gegenüber ist, es zu verlangen, aber ich bitte dich darum. Bleibe bei mir.“ Auch wenn mehr dahinter steckte. „Durch mein Volk musstest du eine Menge erleiden und ich bin verdammt wütend, nein, zornig darüber, was du hattest miterleben müssen. Ich weiß, dass ich das niemals gut machen kann.“ Wurde seine Stimme verbitterter, flehender und entschuldigender.
Leicht hob er seine Hände mit der ihren und führte sie zu seinen Lippen, wo er seinen Mund auf ihre Finger presste. Seine Augen wurden schmal und erneut spürte er einen unsagbaren Zorn in ihm aufsteigen. Emmanline schien es zu spüren und eine Hand entzog sich aus seinem Griff.
„Das sollst du auch nicht gut machen.“ Seufzte sie ermüdend auf und legte eine Hand auf seine Wange. Sie war so warm und sanft. So eine leichte Berührung, aber sie zeigte eine große Wirkung bei ihm. Das sein Herz sogar schneller schlagen ließ. „Das möchte ich nicht und ich werde es auch niemals verlangen, weil du mir nicht das zurück geben kannst, was ich alles verloren habe. Ich weiß nicht, aus welchem Grund es dir auf einmal so wichtig ist, dich zu entschuldigen und in Schuld leben zu müssen. Ihr Drachen mögt gleich sein, aber ich muss es eingestehen, dass du nichts mit Culebra Machenschaften zu tun hast. Sowohl wie die, die sich auf diesem Anwesen befinden.“ Sprach sie in einem gleichen Ton mit ihrer zarten Stimme und er konnte nicht genau erkennen, in wessen Richtung sie ging. Er konnte nicht aus ihrer Stimme erkennen, welche Gefühlsregung sich darin befand. Selbst ihr Blick verriet es nicht, auch wenn sie ihn direkt anschaute.
Irgendwie wirkte er sprachlos und fühlte sich auf eine gewisse Weise schon schuldig und er verdiente es auch nicht ihre zärtlichen Berührung zu spüren. Aber er konnte nicht anders, als seine Wange an ihre kleine Handfläche zu schmiegen und er musste selbst seine Augen voller Zufriedenheit schließen.
Auch da erkannte Lucien, sie war seine vorherbestimmte Seelengefährtin. Sein Drache spürte es und er genoss es genauso wie der Mann. Beide waren sich vollkommen einig und in einem Einklang zueinander, den sie seit einer unendlichen Ewigkeit nicht mehr verspürt hatten. Jetzt verstand er auch alle anderen Gefährtenpaare, die sich sowohl in ihrer Prägung fühlten, weil sie sich ihren Gefährten vollkommen hingeben konnten. Das wollte er auch. Er wollte auch eine besondere Bindung mit dieser Frau eingehen, die ihm so ein unerklärliches Rätsel war. Er wollte ihr vollkommen vertrauen und ihr alles geben, was in seiner Macht stand. Solange sie glücklich war. Er würde alles tun damit sie es wäre. Ihr sogar vertrauen.
Als wüsste sie, was er gerade dachte, schüttelte sie mit ihrem Kopf, sodass sich ihr schneeweißes Haar mit ihr schwang. „Das darfst du nicht. Du darfst mir nicht vertrauen. Durch mich würdet ihr nur Unglück erfahren.“ Versuchte sie ihre Hand wieder von seiner Wange fort zu ziehen, aber er ließ es nicht zu. Ein leichter Hauch von einem Kuss berührte ihre weiche Haut auf die Handinnenfläche.
Etwas erschrocken schaute sie ihn an und ihr Mund war leicht geöffnet, wobei ihr Atem und ihr Herzschlag schneller ging. Ihre Brust senkte sich hektischer auf und ab. „Lass das.“ Flüsterte sie fast atemlos.
„Ich kann nicht, Emmanline.“ Weigerte er sich und hielt sie weiterhin fest, während er tief in ihre silbernen Augen schaute. Sie waren so wunderschön und sie schienen einen leichten Schimmer anzunehmen. „Ich werde selbst alles versuchen dich davon zu befreien. Von allem was dir Angst macht. Dir soll niemals wieder etwas so derartiges widerfahren, was du erleben und erleiden musstest. Das schwöre ich dir hier und jetzt.“ Blickte er sie so entschlossen und ernst an, könnte er sich niemals davon abbringen lassen. Niemals.
Dafür schwor er auch auf seine Ehre und seinem Stolz. Ehre und Stolz eines Kriegers und eines Mannes, der seiner Seelengefährtin ein Versprechen ewiger Zeit schwor. Dies würde er niemals brechen. Niemals.
„Du bist ein so großer Dummkopf. Ein Narr, zu glauben, du könntest das alles. Das alles mir geben und versprechen. Du solltest dami...“
Lucien musste sie jetzt unterbrechen. Von diesem Blödsinn ihrer Worte. Mit einem Kuss ließ er ihre Worte verstummen. Blitzartig legte er seine Lippen auf ihre und schmeckte diese Süße auf seiner Zunge. Ein Aufstöhnen konnte er nicht unterdrücken, denn es war zu intensiv, als das er sich zurück halten konnte.
Seine Lust und sein Verlangen trieb ihn so weit, dass er einfach nicht aufhören konnte, sie weiterhin zu küssen. Emmanline wehrte sich im ersten Augenblick, aber ihre Gegenwehr war so gut wie gar nicht vorhanden. Sie verhielt sich, als genoss sie es genauso wie er. Ihr Körper tat genau das, was seiner auch tat.
Weiter nach vorne beugend, schob er sich zwischen ihre Beine und er schlang seine Arme um ihren zierlichen Körper. Dabei schmiegte sie sich an ihn und ihr schien ein zufriedener Seufzer mit erstickter Stimme zu entkommen. Kein Wunder das er nicht von ihr ablassen konnte, wenn sie so verführerisch auf ihn wirkte.
„Warum...?“ Klang ihre Stimme atemlos zwischen diesen wilden und leidenschaftlich Küssen.
Sanft packte er sie am Nacken und sein lodernder Blick ließ sie nicht mehr aus den Augen. „Ist das denn so schwer zu übersehen? Ich begehre dich und möchte dich besitzen, Emmanline. Du glaubst nicht wie sehr ich das will.“ Überbrückte er den Abstand sofort wieder zwischen ihnen. Erneut eroberte er ihre Lippen und fing sogar an ihrer Unterlippe zu knabbern. Sie stieß einen entsetzten Laut der Überraschung aus und fing leicht an zu zittern.
Es war unverkennbar, aber er nahm ihren verführerischen Geruch ihrer Erregung wahr. Es roch süß und exotisch, wie er noch nie ein Duft in sich aufgenommen hatte. Es berauschte ihn, und all seine Sinne waren damit erfüllt.
Ihre Finger glitten seiner Brust hinauf und kamen auf seinen Schultern zum liegen, wo sie sich hinein krallte. Ein Zucken der Erregung durchfuhr seinen Körper, je mehr Berührungen er von ihr bekam. Es breitete sich immer weiter die Lust in ihm aus, als würde er unter Strom stehen.
Leicht leckte Lucien mit seiner Zunge über ihre Lippen und bat um Einlass. Aber als sie es nicht zu ließ, biss er noch einmal in ihre Unterlippe. Ein Gefühl der Genugtuung durchfuhr ihn, da nutzte er sofort seine Chance und schoss mit seiner Zunge in ihre Mundhöhle. Er stöhnte gierig auf, während er ihre Zunge suchte, um sie gleich in Beschlag zu nehmen. Schnell entfachte sich ein Spiel zwischen ihnen und es erstaunte ihn wirklich, wie sie sich ihm hingab.
„So süß.“ Knurrte er in einer Mischung zwischen Stöhnen und Rauheit. „Mehr.“ Stürzte er sich wieder wild auf ihre Lippen, während er sie sanft auf das Bett zurück drückte. Er konnte es nicht lassen, seine Hände einzusetzen. Sachte strich er mit seiner Hand, ihren Oberarm entlang, die Zärtlichkeit, die er zuvor noch nie besessen hatte. Es fühlte sich so gut an ihre nackte Haut zu streicheln. Und es fühlte sich richtig an.
„Ich brauche dich, Emmanline. So sehr.“ Gestand er ihr aus ehrlichen Worten.
„Ich...“ Stöhnte sie auf und konnte seinen Küssen und Berührungen nicht entkommen. „...verstehe dich nicht.“ Atemlos flüsterte sie es.
Kurz ließ Lucien von ihr ab und blickte ihr tief in die Augen. „Ich verspreche dir. Eines Tages werde ich es dir verraten. Ich verspreche es dir.“ Küsste er sie erneut, als würde er somit einen Schwur ihr gegenüber ablegen. Ihm war es verdammt wichtig, dass er ihr solch einen Schwur leistete, weil er es ihr schuldig war. Weil sie seine Seelengefährtin war und weil seine Natur von ihm verlangte, er müsse ehrlich zu dieser Frau sein. Sie war die Seine und er war der Ihre. So war es vorher bestimmt. Nichts und niemand könnte es ändern, denn eine Prägung war das intensivste und einmalige Phänomen, das je existierte. Er wäre dumm, würde er sich dagegen auflehnen, wenn ihm solch ein Glück zugesprochen wurde.
Jetzt konnte er Raiden verstehen. Wie er sich fühlte, da er selbst seine Seelengefährtin gefunden hatte. Er empfand Scham und Respektlosigkeit seinem älteren Bruder gegenüber. Dafür musste er sich bei seinem Bruder entschuldigen und damals hatte Raiden Recht behalten. Es war egal, welcher Art die tief verbundenen Gefährten waren, denn so eine Zugehörigkeit und Bestimmung kannte einfach keine Grenzen. Das lernte er gerade in rasenden und riesigen Schritten. Von Tag zu Tag immer mehr.
Seine Hände wanderten immer weiter nach unten, bis er ihren Oberschenkel erreichte. Eine unendliche Zufriedenheit durchströmte ihn und er konnte sie nur dort streichen. Sie stöhnte auf und schloss ihre Augen dabei, da sie die Empfindung selbst versuchte zu verarbeiten. Genauso wie er. Für dem ersten Moment war es zu viel, aber er konnte am Ende nicht genug davon bekommen.
Kein Wunder, dass sich etwas in seiner Hose regte. Immer härter und schmerzlicher wurde es, je mehr sein Schwanz an schwelte. Er wurde so hart, dass die bloße Reibung des Stoffes seiner Hose, entsetzlich für seine Erregung wurde.
„Du fühlst dich so gut an.“ Hatte er sich in eine richtige Position zwischen ihren Beinen gebracht. „So verdammt gut.“ Stöhnte er und rieb seine harte Wölbung gegen ihrer empfindliche Mitte.
Emmanline schrie vor Erregung auf und ihr Blick weitete sich vor Schrecken und Empfindungen.
Ein starker Geruch der Erregung und Moschus breitete sich im Raum aus. Gierig inhalierte er ihren Duft der Lust und des Verlangen ein. Ihre Finger krallten sich hart in seine Haut und er empfand es als große Zufriedenheit, während sie sich so an ihm fest hielt. Sie schien einen Halt zu suchen und das tat er bei ihm.
Die Reibung ihrer erregten Zonen, wurde stets immer stärker und er könnte nun nicht mehr auf hören. „Wie fühlt es sich an?“ Schaute er sie wild an. Kein Wunder, wenn sein Drache in den Vordergrund trat. Er wollte sie genauso mit höchster Intensität, wie sie ihn. Er konnte es riechen und spüren, sie wollte das Gleiche.
„Ich...“ Schrie sie erneut auf und ließ ihren Kopf im Nacken fallen. Ihr Zittern wurde übermächtiger. Sie biss sich fest auf die Unterlippe und sie schien ihre lustvollen Schreie zu unterdrücken.
„Nicht, Emmanline. Lass es zu. Du siehst dabei unwiderstehlich aus und ich kann mich kaum beherrschen. So unglaublich schön.“ Erstickt und mit schnellem Atem, kam es über seine Lippen. Er hörte ihr Herz schnell und laut schlagen, sowie seines. Im gleichen Takt zueinander. Das zeigte erneut, die Verbundenheit zwischen ihnen. Ein Herz und eine Seele.
Sie presste ihre Augen zusammen, sowie ihre Lippen und schüttelte mit ihrem Kopf. „Nein...bitte...“ Bat sie ihn. Aber um was? Wollte sie, dass er weiter machte? Oder aufhörte?
„Was nein und bitte?“ Wollte er verlangend wissen, aber sie schien kein Wort über ihre Lippen zu bekommen. Ein erstickter Laut kam stattdessen über ihre Lippen, anstatt der Worte, die er hören wollte.
Mit einem schnell Aufschlag öffnete sie ihre Augenlider. Was er dort in ihren Augen sah, ließ seinen Atem stocken und er hielt unbewusst die Luft an. Selbst seine Augen weiteten sich vor Erstaunen und Faszination. Ihre silbernen unglaublichen Augen leuchteten das reinster Silber aus, welches er je zu Gesicht bekommen hatte. Es lag keine Kälte in ihnen, wie er es zuvor gesehen hatte, sondern eine so unbeschreibliche Hitze. Als würde ein silbernes Feuer ihn verschlingen. Bereitwillig ließ er sich davon in Brand setzen, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, das es vielleicht seinen Untergang bedeuten würde.
Langsam und vorsichtig beugte er sich zu ihr hinunter, aber diesmal berührte seine Lippen nicht der Ihren, aber der zarten Haut an ihrem Hals. Lucien musste an dieser Stelle einen tiefen Atemzug nehmen, um ihren einzigartigen exotischen Duft aufzunehmen, und sie einmal kosten, bevor er sie weiter mit seinen Lippen liebkoste.
Im ersten Augenblick zuckte sie zusammen, bis eine leichte Gänsehaut sie überzog. Emmanline schien es nicht zu bemerken, wie offen sie ihm ihre Kehle darbot. Er war ein Raubtier und es wäre eine Leichtigkeit für ihn, ihre Kehle heraus zu reißen, aber dies würde er niemals tun. Was sie hier tat, war ein Anzeichen auf Vertrauen und er würde es nicht auf so grauen artige Weise wieder zerstören. Lucien wollte sie für sich gewinnen und er würde alles dafür tun. Sie solle ihm gehören.
Leicht leckte er über ihre zarte Haut am Hals und knabberte sogar verspielt. Sie schrie auf und bäumte sich ihm entgegen.
„Nicht...“ Keuchte sie schwer und versuchte ihn weg zudrücken. Aber er hatte das Gefühl, dass sie sich nicht groß anstrengte und es wollte, aber irgendwas vernahm er in ihrer Stimme. Es klang wie Verzweiflung und...Angst.
Sofort ließ er von ihr ab, stützte sich auf seine Arme ab und blickte zu ihr herab. So wie sie aussah, hatte er ihr zu viel zugemutet. „Entschuldige.“ Flüsterte er sanft und streichelte mit seinen Fingern über ihre Wange. „Ich habe dich bedrängt.“ Gab er ihr einen zärtlichen Kuss und mit schweren Herzen ließ er von ihr ab und rollte sich von ihr runter. Nun lag er auf dem Rücken neben ihr und starte verbissen an die hohe Decke. Es war unerträglich und es schmerzte. Sein Schwanz pulsierte immer noch verlangend und er fühlte, als würde jeder Moment seine Hose sprengen. Er konnte es nicht verhindern, er musste einmal aufstöhnen. Dabei spürte er Emmanlines Blicke deutlich auf ihm ruhen. Leicht drehte er seinen Kopf zu ihr herum und blickte sie einfach nur an. In ihren Augen spiegelte sich ein Gefühlschaos wieder, welches er sich nicht entscheiden konnte, was für Emotionen es waren. Es war alles durcheinander. Verlangen, Angst, Neugierde, Unverständnis, aber doch wieder Verständnis. Es war wirklich eigenartig. Dabei hatte sie stets versucht ihre ganzen Emotionen mit einer eiskalten Schicht zu überspielen, aber anscheinend war es ihr diesmal unmöglich. Endlich. Dachte er innerlich. Sie zeigte Gefühle. Nun hoffte er, sie würde sich ihm gegenüber nicht mehr verändern.
Emmanline schien sich keinen Zentimeter zu regen. Ihr Atem ging noch immer schnell, sowie ihr Herzschlag. Sie schien noch immer zu versuchen, all das zu verarbeiten, was eben geschehen war. Lucien legte sich etwas zur Seite und stützte sich mit seinen Ellenbogen auf dem Bett ab. Mit der anderen Hand strich er mit seinen Fingern über ihrer Wange. „So wunderschön.“ Konnte er diese Worte nur noch einmal wiedergeben, während er sie sanft anschaute.
Vergebens versuchte Emmanline gerade das zu verarbeiten was gerade hier und jetzt passiert war. Sie konnte es einfach nicht glauben, aber dieses Gefühl. Noch immer raste ihr Herz unnatürlich schnell und sie hatte das Gefühl sie bekam keine Luft mehr. Sie konnte ihren Blick einfach nicht mehr von ihm abwenden, aus unerklärlichen Gründen. Sie war ihm gefolgt mit ihrem Blick, als er sich von ihr runter gerollt hatte. Er schien sehr gequält aus zu sehen und, was erschreckend war, ihr ging es genauso. In ihr brannte ein flammendes Feuer, dass in ihr wütete. Sie verlangte nach etwas, wovor sie Angst hatte. Unglaublich, aber sie verspürte Angst davor, was er mit ihr gemacht hatte. Emotionen die sie nie gekannte hatte, überrollten sie übermächtig. Sie konnte nichts dagegen tun und war machtlos.
Wie schaffte er das nur? Sie spürte noch immer seine Küsse auf ihren Lippen, oder wie er sie leicht gebissen hatte. Vor allem, wie er seine Härte genau an ihrer empfindlichsten Stelle gerieben hatte. Es pulsierte schmerzhaft und sie sehnte sich so sehr nach der Erlösung, was endlich aufhörte sollte.
Dieser Mann entfachte in ihr eine Leidenschaft und Verlangen, welches sie von innen heraus auf fraß. Diese Zärtlichkeit von ihm, war ihr noch immer neu, das sie nicht aufhören konnte sich danach zu sehnen. Sie sehnte sich immer mehr danach, wie er ihr zeigte, welche Zärtlichkeit und Sanftheit ihr gegenüber zustand. Er sagte ihr ständig liebevolle Worte und sandte sanfte Blicke, die sie atemlos machten. Es war ihr unangenehm, aber sie fühlte sich auch erstaunlich besonders dabei. Nur in seinen Augen. Sie konnte es sehen. So viele Male schenkte er ihr diese unglaublichen Blicke, als wäre es ihr Recht.
„Warum sagst du mir immer wieder solche Worte?“ Brachte sie erst die Frage heraus, als sie einiger maßen ihren Atem unter Kontrolle hatte.
Seine Mundwinkel hoben sich zu einem Lächeln. „Weil es die Wahrheit ist. Ich will dir damit sagen, wie du wirklich bist. Mir ist einfach danach.“ Beantwortete er ihr die Frage, aber hörte nicht mit seinen Streichen auf ihrer Wange auf.
Es war merkwürdig, aber warum wehrte sie sich nicht gegen seinen Berührungen? Sicher, sie sehnte sich zu einem Teil danach, aber es sollte ihr widerstreben. Sie wollte es nicht, weil er ein Drache war und sie hatte genug davon, aber doch konnte sie es nicht. Diese Andersartigkeit in ihr machte ihr Angst, aber sie wollte es. Ihr Körper schien danach zu verlangen und sogar ihr...Verstand.
„Du verwirrst mich.” Gestand sie flüsternd und nahm seine Hand in der ihren, mit der er sie von Berührungen liebkoste.
Mit einem Mal, verschwand sein Lächeln und blickte sie ernst an. „Ich weiß, dies ist alles neu für dich und ich will dir gerne so viele Dinge zeigen und lernen. Nur ich.“ Klang er besitzergreifend, raubte er ihr erneut den Atem. „Ich will dir nicht weh tun und werde es auch nie wieder tun. Mehr als einen Schwur und diese Beweise kann ich dir nicht geben. Ich will lediglich nur, dass du mir glaubst.“ Was ihm ziemlich wichtig erscheinen ließ. Leicht wandte er seinen Blick von ihr ab.
Emmanline hatte das Gefühl, all das was sie sagen könnte, würde ihn verändern. Egal ob es positiv oder negativ war.
Ihre Hand ließ die der seinen los und behutsam legte sie ihre Hand auf seine Wange. Sie fühlte sich, durch seine kleinen Bartstoppeln, kratzig an, aber es fühlte sich gut und interessant an. „Sie mich an.“ Flüsterte sie diese kleinen Worte, als würde sie ihn das sogar befehlen. Erst hatte sie damit gerechnet, er würde abweisend und verärgert reagieren. Sie irrte sich, denn stumm folgte er ihren kleinen Befehl. Es erstaunte sie, da nie ein Drache sich etwas befehlen ließ. Diesmal war es anders. „Ich glaube dir.“ Flüsterte sie weiter, während sie mit ihren Daumen, über seinen Wangenknochen fuhr. Ihr war im ersten Moment nicht bewusst, was sie dazu gegeben hatte, aber auch als sie es merkte, konnte sie diese Worte nicht zurück nehmen. Aus ihrem Bauch heraus und weil es überall in ihr brannte, konnte sie das nicht tun. Zumal es die Wahrheit war. In diesen Augen, in denen sie gerade blickte, war kein Funken einer Lüge. Er war ehrlich zu ihr.
Leise kam ein Knurren aus seiner Brust und er verzog leicht das Gesicht. „Erlaubst du mir, dass ich dich in den Arm nehmen darf? Ich würde dich so gerne umarmen, um dich bei mir zu spüren.“
Überrascht schaute sie ihn an und musste sogar schlucken, bevor sie nickte.
Der Drache schien sie sofort beim Wort zu nehmen und zog sie an sich, sodass es eine Leichtigkeit war, sich an seine Brust zu schmiegen. Wohltuend schloss sie ihre Augen und atmete seinen herben und erdigen Geruch ein. Noch immer beruhigte es sie und nun verstand sie auch, warum er solch einen wunderbaren und einzigartigen erdigen Geruch an sich trug. Dies schien sie auf eine gewisse Art und Weise zu erdigen und sie fühlte sich zum ersten Mal so, als würden ihre beiden Beine fest auf dem Boden stehen. Jedes Mal, wenn er sie so ansah, liebevolle Worte zu ihr sagte oder gar sie einfach nur in den Arm nahm, wie jetzt.
Seine Hand hatte sich auf ihrem Hinterkopf gelegt und die Andere auf ihren unteren Rücken. Sie hingegen schlang ihre Arme um ihn und sie schmiegte sich noch weiter an ihn, als würde sie in ihn hineinkriechen wollen.
„Richtig. Es fühlt sich so richtig an.“ Murmelte er in ihr Haar und sie merkte, dass er nicht mit ihr sprach. Seine Stimme klang abwesend, als würde er für sich selbst etwas feststellen.
Allein diese Worte reichten aus, schlug ihr Herz ununterbrochen schneller. Doch sie konnte es nach vollziehen was er damit meinte. Auch sie verspürte es, als wäre es richtig. Als müsste sie das tun.
„Warum fühle ich mich so seltsam dabei, wenn du mich in den Arm nimmst oder so anders...behandelst?“ Hatte sie nach ein passendes Wort am Ende gesucht.
Seine Finger vergriffen sich in ihrem Haar und sie verspürte an ihrem Rücken einen stärkeren Druck seines Armes. Es tat ihr nicht weh, aber dadurch wirkte er sehr überrascht, als sie ihm das gefragt hatte.
„Weil du zu mir gehörst, Emmanline. Allein zu mir.“ Und schon wieder diese Besitzgier. Aber diesmal kamen diese Worte des Drachen und nicht die des Mannes. Sein Drache schien des öfteren an der Oberfläche zu sein, wenn sie bei ihm war. Natürlich war ihr bewusst, sie teilten sich einen Körper und sicher war es, dass beide die Führung dieses Körpers haben wollten. Normalerweise gab es immer eine sichtbare Grenze, wer gerade hier und jetzt anwesend war, aber in letzter Zeit schienen sie sich regelrecht zu einem Wesen zusammen getan zu haben. Als wären sie miteinander verschmolzen, aber das konnte nicht sein. Kein Gestaltenwandler konnte eine so starke Verbundenheit hervor bringen, dass niemand mehr weiß wer vor einem stand.
Ja, sie wusste noch, wenn dieser Mann vor ihr stand, oder sein Drache. Aus irgendeinen Grund konnte sie es und er wirkte stets gelassener. Je länger sie in seiner Nähe war und das nahm er wahr. Es war kein Zweifel, er wusste es.
Seine Worte, die er zu ihr flüsterte, hatte eine sehr starke Wirkung auf sie. Am liebsten würde sie darin versinken, denn sie klangen so lieblich und versprechend. Aus diesen Worten konnte sie auch entnehmen, was er ihr damit ausdrückte wollte. Dieser Mann betrachtete sie schon als sein Eigentum und als sei es ihr Schicksal bei ihm zu bleiben.
Für diesen einen Augenblick nahm sie seine Worte und seine Besitzgier hin, weil sie nur einmal dieses Gefühl behalten wollte, das sie als wärmend und sicher bezeichnete. Nur einmal...
Eine unbekannte Zeit lagen sie so beieinander, selbst nun die Nacht herein gebrochen war. Lucien war tief mit ihr versunken, sein Zeitgefühl vollkommen ignoriert. Ihm war nur wichtig gewesen, sie in seinen Armen zu halten. Natürlich könnte er sich noch andere Dinge vorstellen, aber was er hier hatte, dies war Belohnung genug. Er wusste, er machte Fortschritte und als sie sich ihm näherte. Ihr mag es vielleicht bewusst sein, aber sie kannte das vollkommene Ausmaß nicht. Nicht, was sie wirklich miteinander verband. Ihre Frage, warum sie sich so seltsam in seiner Nähe fühlte, hatte ihn im ersten Augenblick verschreckt. Mit dieser Frage drückte sie etwas einsichtiges aus. Sie gab zu, das sie selbst seine Nähe suchte und das es eigenartig war. Ja das war es, aber es war nicht alles.
„Emmanline.“ Sprach er sanft ihren Namen aus und fing an über ihr Haar zu streicheln.
„Mmh,...?“ Schien sie zu murmeln, als wäre sie weit weg. Er spürte, sie schlief nicht, aber sie wirkte irgendwie schläfrig. Dabei hatte sie kein einziges Mal geschlafen, seit sie wieder auf diesem Königshof war. <noch nie eigentlich. Es war seltsam, aber er kannte noch immer nicht den Grund dazu. Dabei müsste sie schon längst vor Müdigkeit umgefallen sein.
Doch er kam nicht umhin, durch ihrer abwesenden Stimme, zu schmunzeln. „Ich würde gerne noch eine halbe Ewigkeit so mit dir hier liegen bleiben, aber ich glaube mein Arm ist eingeschlafen.“ Lachte er leicht.
Emmanline schien schnell zur Besinnung zu kommen und wollte sich blitzartig zurück ziehen, aber er wollte sie nicht aus seiner Umarmung entkommen lassen. Also drehte er sich auf den Rücken und sie lag halb auf ihm drauf. Sie gab einen Protest ab, aber er ignorierte ihn gekonnt. Jetzt konnte er auch wieder direkt in ihr Gesicht schauen. „Schon viel besser.“
Ihm war bewusst, dass er ihre weichen Brüste nicht ignorieren konnte, als sie sich fest gegen seine Brust drückten. Dabei würde er gerne mit ihnen sündhafte Dinge anstellen.
Röte zeigte sich auf ihren Wangen und ihr schien selbst bewusst zu sein, als sie seine Härte spürte. „Lass mich los.“ Versuchte sie sich von ihm weg zu drücken, aber es war aussichtslos. Sie hatte keine Chance.
Ihm reichte nur ein Arm, um sie fest zu halten, weil er seinen anderen brauchte. Sachte strich er ihr Haar nach hinten und klemmte es hinter ihr Ohr. „Keine Sorge, mein kleines Vögelchen.“
Da erstarrte sie. „Vögelchen?“
Mit großer Mühe versuchte er ein Lachen zu unterdrücken, aber er konnte es nicht ganz verbergen. Sie sah statt dessen empört und wütend aus.
„Ich finde, dieser Name passt zu dir.“
„Wohl kaum.“ Schnaubte sie abfällig. „Das beweist nur, dass ich in einem Käfig eingesperrt bin. In deinem Käfig.“ Funkelte sie ihn an.
Sein Lachen erstarb bei ihrer Aussage. „Nein, so meine ich das nicht.“ Verneinte er ausdrucksstark. „Was ich damit sagen will, ist, dass du oft scheu wie ein kleiner Vogel bist, aber dann doch neugierig, was es zu sehen gibt. Du bist kein Vögelchen in einem Käfig. Ich weiß das du nicht gehen kannst, aber dennoch versuche ich, dass du deine kleinen Flügelchen ausbreiten kannst.“ Versuchte er es ihr verständlich zu erklären. Er wollte sie dadurch nicht verschrecken.
Prüfend schaute sie ihn an und sagte eine Weile nichts, bis er ihr die Entscheidung abnahm. „Ich habe eine Idee.“ Meinte er und versuchte etwas besänftigend zu klingen. „Wenn du mir erlaubst, das ich dich ab und zu so nennen darf, dann zeige ich dir noch einen besonderen Ort von mir. Dort bin ich in meinen jungen Jahren gewesen. Immer wenn ich Ruhe brauchte und um nachdenken. Was meinst du?“
Lucien konnte sehen, wie verbissen sie ihn anschaute und wie es ihr widerstrebte, aber er wusste auch, diese kleine Elfe war sehr neugierig und wissbegierig. Meistens konnte sie es nicht abschlagen, weil sie es sehen und wissen wollte. Es sollte ihn freuen, sie dadurch lebendig zu sehen, aber anderseits machte es ihn verdammt wütend. Das zeigte erneut, wie lange ihr ein Leben in Freiheit beraubt wurde.
„Das machst du mit Absicht. Du weißt ganz genau, dass ich schwer etwas abschlagen kann, wenn ich neue Dinge sehen kann. Aber was ist das für ein Ort?“ Sah sie ihn misstrauisch an und ihre Stimme deutete nichts anderes.
Erneut strich er eine Strähne von ihr zurück, die sich gelöst hatte und ihr ins Gesicht fiel. „Lass dich überraschen.“ Sagte er, weil er wollte, das Neugierde sie packte. Es verfehlte nicht seine Wirkung, denn er konnte in ihren Augen etwas erkennen. Ihre wunderschöne Augenfarbe, die das reinste Silber war, wirkte nicht mehr so kalt und scharf, wie eine Klinge. Nun wirkten ihre Augen milder und sanfter, als hätte sie etwas in ihrem Leben erkannt.
Während er merkte, Emmanline sträubte sich nicht mehr gegen ihm, streichelte er zart über ihrem Rücken und eine Hand legte er auf ihre Wange. Sachte streichelte er mit seinem Daumen über ihrer Wange und blickte tief in ihre Augen. Ihm kam es normal vor, er müsse sie berühren. Als sollte er das tun und nur er hatte das Recht dazu, sie so zu berühren. Für ihn war es normal geworden, sie einfach nur um sich zu haben. Einfach ihre Nähe spüren. Es war ihm wichtig, sie bliebe bei ihm und er konnte zum ersten Mittel nur eines benutzen, ihre Neugierde und ihre Wissbegierde. Es war kein Ausnutzen, sondern viel mehr eine andere und neue Welt offenbaren. Sie hatte es verdient.
„Bitte, Emmanline.“
Kurz blieb sie stumm. „Dann will ich es aber jetzt sehen.“
Ein kleines Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Natürlich.“ Erhob er sich mit ihr. Ohne sich groß anzustrengen, erhob er sich mit ihr auf seinen Armen.
Ein überraschter Schrei entfuhr ihr. „Lass mich runter.“ Ihre Peinlichkeit daraus zu hören.
Lucien musste laut auflachen, aber er gab ihrer Bitte nach und ließ sie herunter. „Du bist ein Fliegengewicht. Langsam bekomme ich Angst, dass du wirklich an Gewicht verlierst. Du isst einfach nichts.“
„Du lügst.“ Klang sie empört und blickte provozierend zu ihm herauf. Ja, er konnte das Feuer in ihr erkennen. Ein silbernes und loderndes Feuer.
Endlich.
Aber Recht hatte sie. Sie mochte ein Fliegengewicht sein, aber sie nahm nicht ab. Er konnte es daran erkennen, wenn er sie des öfteren auf den Arm genommen hatte, auch wenn es ihr missfallen hatte.
„Dann komm.“ Ging er voraus und sie folgte ihm tatsächlich. Er hielt ihr die Tür auf und wartete solange, bis sie auf dem Gang stehen blieb. Langsam trat er auf sie zu und legte seine Hand auf ihren Rücken, um ihr die Richtung zu zeigen. Die Gänge waren manchmal ein verwirrendes Labyrinth und man konnte sich schnell verlaufen, wenn sich niemand den Weg merken konnte. In seiner Kindheit hatte er sich oft verlaufen, aber bei Emmanline ging es ziemlich schnell, das sie sich sofort zurecht gefunden hatte. Er konnte es nur darauf schließen, weil sie Jahre lang in Höhlen gelebt hatte. Höhlen waren die reinsten Labyrinthen.
Draußen auf dem Hof führte er sie in Richtung des Gartens, bis sie auf einmal stehen blieb. Er war die ganze Zeit neben ihr gelaufen und schaute nun auf sie herab. Ihr Blick war nach oben gerichtet und er folgte ihr. Er blickte gegen den Himmel, der voller leuchtender Sterne war. Heute schien eine Nacht zu sein, die klar und rein war. Es gab selten solche Nächte, wo unzählige Sterne sich wie eine leuchtende Straße aufbauten, als würde das Universum ihnen einen Weg zeigen, das vieles offen hielt. Manchmal gab es auch solche Momente, wo er dachte, er könnte diesem Weg folgen, aber es war unmöglich. Dann auf einmal verspürte er eine unendliche Einsamkeit, welches ihn manchmal zu ersticken drohte.
Nur, in diesem einen Moment, während er zu den Sternen herauf schaute, verspürte er nichts davon. Unwillkürlich nahm er Emmanlines Hand in die seine, aber er konnte den Blick nicht senken, so gebannt war er vom funkelnden Nachthimmel. Dennoch konnte er ihre Blicke auf sich spüren.
Sie schien etwas sagen zu wollen und er wollte sie gerade auffordern, damit sie sprach, als er zwei verschiedene Gerüche wahrnahm. Sie näherten sich ihnen und ihm waren diese Düfte vertraut.
„Lange hatten wir Zweifel daran, dass du je den Thron besteigen und deine Mutter ablösen würdest.“ Scherzte eine ihm bekannte Stimme.
Am liebsten hätte er diesen beiden eine reingehauen, weil sie ihn und Emmanline bei solch einen schönen Augenblick störten. Nicht jetzt.
Schnaubend drehte er sich zu dessen Personen um, die einige Meter von ihnen entfernt standen. „Nimmst du deinen Mund nicht etwas zu voll, alter Freund?“ Lachte er schnaubend auf und blickte auf zwei Männer in hoher Gestalt. Sie waren ein gutes Stück größer als er, aber es war kein Wunder. Sie stammten von einen Indianerstamm ab. Sofort würde jemand erkennen, woher sie kamen. Sie hatten eine bräunliche Haut, die der Bronze ähnelte. Ihr Haar war Pechschwarz und zu einem geflochtenen Pferdeschwanz gebunden, das ihnen über den ganzen Rücken fiel. Unter ihrem Stamm, waren die Haare etwas heiliges und niemand schnitt es je ab. Trotz allem gehörten sie dem Drachenvolk an, weil selbst in ihnen ein Drache lebte.
„Nicht das ich wüsste.“ Lachte er und kam auf ihn zu, um ihm eine Umarmung zu geben, wie es sich gute Kumpel eben gaben.
Sicher erwiderte er die Umarmung. „Was führt euch hier her, Cyrill und Arokh?“ Grüßte er den zweiten Mann genauso.
Vor ihm standen Zwillinge, die sich nicht ähnlicher nur sein konnten. Viele hatten große Problem sie auseinander zu halten. Cyrill war der Ältere von ihnen, aber es machte keinen Unterschied.
Cyrills Blicke wurde wieder ernster. „Irgendwas stimmt nicht, Lucien. In Tarascon verändert sich alles.“
„Wie meinst du das, in Tarascon verändert sich alles?“ Wurde auch er vollkommen ernst und sein finsterer Blick deutete alles, was in ihm gerade vor sich ging. Sein Körper spannte sich an und er wollte auf alles gefasst sein, aber wie sollte er das anstellen?
Ein leichter Druck verspürte er in seiner Hand und er verstand sofort. Er hielt noch immer ihre Hand, was er vollkommen vergessen hatte. Er ließ etwas locker, aber er wollte ihre Hand nicht los lassen.
„Am Anfang war es noch alles normal, aber nach und nach wurde die Unzufriedenheit immer schlimmer und größer. Drachen verhalten sich anders. Vor allem die Krieger und Jugendlichen. Es geschehen Dinge, wie,...“ Unterbrach Cyrill sich für einen Moment. „...das Drachen noch aggressiver werden, obwohl sie zuvor nie solche Anzeichen gezeigt hatten. Als erstes waren es nur vereinzelte, aber die Zahl steigt stets weiter an. Selbst die Ältesten wissen keinen Rat mehr.“ Schüttelte er mit seinem Kopf und er sah die Erschöpfung in dem Gesicht seines Freundes, die er zuvor gut verborgen hatte.
„Warum seid ihr nicht schon eher gekommen?“ Knurrte Lucien auf und blickte beide finster an. „Ich hätte es wissen müssen.“ Wurde seine Stimme bedrohlich laut und seine Augen fingen vor Wut golden an zu leuchten. Ihm war es auch im Moment egal, ob sein Freund verbittert drein schaute. Wenn es um sein Volk ging, dann hörte bei ihm der Spaß auf. „Was hast du dazu zu sagen, Arokh?“ Wandte er sich an den anderen Mann, Drache und Freund. Irgendwie kam er ihm seltsam Schweigsam vor. So war er sonst nicht. Doch, wie er bemerkte, reagierte er im ersten Moment nicht auf seine Frage, denn seine Aufmerksamkeit war auf jemand ganz anderes gerichtet. Er wusste es.
Knurrend schob Lucien Emmanline hinter sich und anscheinend bemerkte Cyrill jetzt erst die Frau neben ihm. War er so achtlos gewesen, dass er sie nicht einmal bemerkt hatte? Was war hier nur los? Er wollte Erklärungen. „Redet.“ Befahl er streng.
„Weil wir in erster Linie selbst das Problem lösen wollten, ohne dich damit hinein zu beziehen. Wenn es nichts schlimmes wäre, hätten wir dieses Problem beseitigt. Aber sollten wir nicht woanders hingehen, wo wir uns gestört unterhalten können? Ohne ungebetene Zuschauer?“ Meldete sich Arokh zum ersten Mal zu Wort. Seine Stimme war tief und düster.
Nur eines störte ihn. Warum konnte er den Blick nicht von Emmanline ablassen?
„Wir werden uns noch ausgiebig unterhalten.“ Versprach Lucien ihnen und das würde eine Menge Folgen davon tragen. „Ich muss vorher noch etwas erledigen. Nehmt euch ein Zimmer und ruht euch aus. Anscheinend müsst ihr erst vor kurzem eingetroffen sein.“
„Aber...“ Wandte Cyrill ein, aber Lucien unterbrach in mit einer erhobenen Hand. Auch wenn diese Sache eine hohe Wichtigkeit hatte, hatte er trotzdem etwas versprochen.
„Geh ruhig.“ Weckte eine ruhige Stimme ihn aus seiner verärgerten Stimme.
Langsam drehte er sich zu ihr um und blickte sie an.
Unentwegt schaute sie ihn an. „Schau mich nicht so an. Es scheint sehr wichtig zu sein.“ Entzog sie sich ihm und trat zwei Schritte zurück. „Du solltest gehen.“ Legte sie leicht ihren Kopf schräg. Diese Geste empfand er als ziemlich anregend. „Bist du dir sicher?“
„Ja, bin ich. Ich kann warten.“
Diesen kurzen Abstand zwischen ihnen, überbrückte er nur mit einem Schritt und er wollte sie, bevor er ging, noch einmal kosten. Mit einem leidenschaftlichen Kuss, besiegelte er ihre Lippen und atmete noch einmal ausgiebig ihren einzigartigen Duft ein. Nur dieser Augenblick ging so schnell vorüber, dass es ihn schon widerstrebte sie los zu lassen. Letzte Worte flüsterte er ihr ins Ohr, die nur sie hören durfte, was sie leicht erröten ließ. Erst danach ließ er sie los und ging mit den beiden Wächtern ins Schloss zurück.
Emmanline hatte das Gefühl, ihr war heiß und kalt zu gleich. Was war da eben passiert?
Sie schaute noch eine längere Zeit hinter ihnen her, auch als sie schon verschwunden waren. Irgendwas stimmte hier nicht. Warum hatte sie ein beklemmendes Gefühl verspürt, als die beiden Männer hier aufgetaucht waren? Sie hatte sich in ihrer Gegenwart erdrückt gefühlt und wenn sie nicht beinahe gegangen wären, dann wüsste sie nicht, was sie getan hätte. Es hatte sie viel Mühe gekostet gehabt, dass sie es nichts hatte anmerken lassen. Irgendwas stimmte ganz und gar nicht. Nur was?
Es würde sie eine sehr lange Zeit nicht in Ruhe lassen, bis sie das gelöst hatte, was sie am meisten störte. Irgendwas schien sich in ihrer Erinnerung fest gesetzt zu haben und ein dunkler Schleier verbarg sich vor ihr. In ihrem Kopf hatte sich ein undurchdringbares Labyrinth auf getürmt. Sie wusste, dieses verwirrende Labyrinth in ihrem Verstand existierte, aber es war zuvor noch nie so sichtbar gewesen. Als könnte sie jetzt erst sehen, wie die Strukturen dieses Chaos aufgebaut waren. Was ihr auch bewusst war, warum dieses Labyrinth in ihr existierte. Vor sehr langer Zeit hatte sie es selbst in sich errichtet. Sie hatte nie gewusst, wie sie das angestellt hatte, aber es musste eine Art Selbstschutzfaktor gewesen sein. Sie war noch ein Kind gewesen. All ihre Erinnerungen waren in diesen wirrenden Gängen verborgen. Es waren so viele Sackgassen, Abzweigungen und Irrwege, das sie selbst den Ausgang nicht sah. Um jede Ecke lauerte eine Erinnerungen ihrer selbst.
Wie sollte sie in all dem Chaos etwas finden, was ihr eine Lösung geben könnte? Ohne, dass sie von anderen Erinnerungen verfolgt werden würde?
Sicher, sie könnte es sein lassen, dass sie es erst nicht versuchen müsste, aber sie konnte nicht. Es drängte sie, die Lösung zu finden. Egal was sie aufbringen musste, aber sie würde es finden.
Wieder in der Gegenwart zurück gekehrt, blickte sie sich um. Sie stand noch immer an der gleiche Stelle, wo sie zurück geblieben war. Es schien kälter geworden zu sein. Aber vielleicht lag es auch nur daran, weil er nicht mehr bei ihr war. Seine Nähe barg so viel Hitze, gefroren hatte sie nicht wenn er bei ihr war.
Frische Erinnerungen kamen in ihr hoch. Ein Lachen machte sich in ihrem Kopf breit und danach kamen die Worte. Röte stieg in ihre Wagen, als sie sich an die Worte des Drachen zurück dachte.
„Warte auf mich. Ich werde zu dir zurückkommen und danach werde ich mein Versprechen dir gegenüber erfühlen und da weiter machen, wo wir aufgehört hatten. Schließlich will ich das Anrecht bekommen, nicht wahr mein kleines Vögelchen?“
Es waren nur einfache Worte gewesen, aber warum fühlten sie sich so intim an? Nur diese Worte waren an sie gerichtet und nicht wirklich von Bedeutung, aber seine Stimme schon. Wie er es gesagt hatte, war vertraut gewesen. Auf alles wäre sie vielleicht vorbereitet gewesen, aber darauf war sie ganz und gar nicht vorbereitet gewesen. Langsam wusste er, wie er wunde Punkte bei ihr treffen musste und es sollte sie ärgern. Nur tat es das nicht.
Dieser Mann weckte in ihr Sehnsüchte, die sie zuvor nicht gekannt hatte. Allein seine Nähe und sein erdiger Geruch reichten vollkommen aus, um solche Gefühle in ihr zu wecken. Am liebsten würde sie ihm sagen, er solle damit aufhören und sie in ruhe lassen, aber eine starke Blockade hinderte sie daran. Etwas in ihr war so tief verankert, dass sie diese Worte der Ablehnung nicht über ihre Lippen bekam. Allmählich wurde sie verrückt, wenn sie es nicht zuvor schon gewesen war.
„So alleine?“ Drang eine eisige Stimme in ihr Ohr und sie zuckte leicht zusammen, bevor sie zu der Person hinschaute, die aus den tiefen der Dunkelheit kam.
Das Gefühl, das langsam Furchen auf seinem Boden erschienen, war mit großer Wahrscheinlichkeit. Lucien ging in seinem Arbeitszimmer auf und ab, während seine alten Freunde Bericht erstatteten.
Da sein älterer Bruder Raiden nicht anwesend war, weil er ihm die Aufgabe zugeteilt hatte, eine dringliche Wichtigkeit dem Elfenkönig zu überbringen, hatte er sich jemand anderes zu sich geholt. Seine älteste Schwester Ysera, die Wächterin, und seine jüngere Schwester Charia, die Befehlshaberin einer speziellen Einheit war. Auch sie müssen wissen, was in ihrem Reich vor sich ging.
„Warum seid ihr nicht schon eher gekommen?“ Schrie Charia wütend auf und war aus ihrem Sessel hoch gefahren. Sie hatte genau die gleichen Worte der Frage verwendet, wie er es zuvor getan hatte. Was doch ziemlich witzig war.
Es lag ein schweres Schweigen in der Luft.
„Über die Konsequenzen werden wir uns dann noch unterhalten.“ Unterbrach er und blieb einen kurzen Moment stehen, damit er allen einen strafenden Blick zu werfen konnte. Bevor er wieder seinen Weg auf sich nehmen konnte. Dabei kam er am Fenster vorbei, wo er in den Garten hinaus blicken konnte. Seine Augen waren perfekt in der Dunkelheit, aber seine Enttäuschung war groß gewesen. Er hatte damit gerechnet, einen Blick auf Emmanline erhaschen zu konnte, aber sie war nicht da. Nicht mehr, verbesserte er sich.
Wo ist sie hin?
Später würde er sie suchen gehen, beschloss er und würde ihrem einzigartigen Duft folgen. Das Sonnige in einer Nachtluft. Wie verführerisch und ein interessantes Spiel. Er freute sich darauf und sein Drache konnte es genauso kaum abwarten endlich frei gelassen zu werden.
„Ysera ich möchte dich der Aufgabe betrauen.“ Hatte er ihnen den Rücken gekehrt gehabt, da er noch immer aus dem Fenster starrte. Seine Arme hatten er sich vor der Brust verschränkt und er war grimmig. „Du wirst einige deiner besten Leute mitnehmen. Ich will, dass du dir diese Lage einmal anschaust und mir Bericht erstattest. Ich will Gründe haben, warum sie sich auf einmal aggressiv verhalten. Das muss einen Grund haben und ich will ihn verflucht noch einmal haben. Nimm einer unserer besten Spurenleser mit, damit sie selbst Gerüche wahrnehmen können, die nicht zu unserer Art gehören.“
„Was?“ Klang seine Schwester perplex. Anscheinend hatte sie nicht damit gerechnet, dass er ihr diese Aufgabe anvertraute.
„Ich dachte, du willst eine Herausforderung. Wenn du nicht willst, beauftrage ich jemanden anderes damit.“ Wandte er sich um, und blickte seine ältere Schwester an.
Kurz knurrte sie. „Natürlich nehme ich das an. Doch dafür will ich genauere Berichte.“ Sprach sie Cyrill und Arokh an. Ohne weiteres stimmten sie zu.
„Am besten wir werden dich begleiten.“ Meinte Cyrill.
„Nein.“ Widersprach Lucien. „Ihr beide werdet hier bleiben. Ich werde euch für eine andere Aufgabe betrauen, aber darüber sprechen wir später. Charia, du wirst noch immer bei deiner alten Aufgabe bleiben. Ich will diesen Bastard in meinen Klauen, damit ich ihn Stücke zerreißen kann.“ Knurrte er erzürnt und hasserfüllt, als er an diesen Verräter dachte. Seine Augen sprühten goldene Funken vor Zorn. Er wollte diesen Bastard leiden sehen, während er ihn foltert und ihm mit größten Vergnügen leiden sah. So schnell würde er nicht sterben. Er würde ihn Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte, foltern. Auf grausamste Art und Weise. Das hatte er sich geschworen. Er würde sich solange rächen, was er Emmanline angetan hatte. Er trachtete danach, dass sein Blut endlich floss.
Charia schaute ihn funkelnd an. „Sicher werde ich dran bleiben. Ich lasse keinen Verräter freien Lauf, der selbst auf seiner eigenen Art keinen Halt macht.“
Durch seinem Blick konnte sie erkennen, warum er Culebra wirklich in die Hände bekommen wollte. Er machte daraus auch keinen Hehl.
Lucien drehte sich wieder zum Fenster um und blickte auf dem Garten hinunter. Noch immer konnte er sie nicht erkennen. Langsam streifte sein Drache unruhig umher. „Was ist mit den Mütterlichen in Tarascon?“ Überdachte er noch einmal die Notlage in der Hauptstadt.
„Sie versuchen heraus zu finden, warum sie sich so aggressiv verhalten. Sie versuchen auch, sich um sie zu kümmern. Tarana hat beauftragt, dass eine Lösung gefunden werden muss. Deswegen hat sie uns auch zu dir geschickt. Sie macht sich große Sorgen, weil sie das Gefühl hat, dass etwas schreckliches passieren wird.“ Antwortete Cyrill.
Tarana war ein Mitglied des Rates, zugleich eine Mütterliche und Heilerin, die sich um alles kümmerte. Sie besaß ein großes Herz und tat alles für ihr Volk.
„Ah, dass hätte ich beinahe vergessen. Hier, dies hat Tarana uns mitgegeben.“ Holte er einen blauen Briefumschlag aus seiner Tasche. Sofort stieg ihm ein rosiger Duft entgegen. Ja, er stammte eindeutig von ihr. Die Drachin mochte den Geruch von Rosen und besaß einen riesigen Garten. Sie liebte es und besaß eine süßliche Note, die sie gerne für andere Dinge benutzte und für sich selbst. Zum Beispiel für diesen Briefumschlag. Manchmal musste er darüber schmunzeln, wie besessen sie doch von Rosen war, aber diesmal enthielt der Inhalt des Briefes keine gute Nachricht. Darum nahm er den Brief ernst entgegen. Er würde ihn später und alleine lesen. Darum legte er ihn auf seinem Schreibtisch. Wenn er ihn durch gelesen hatte und die Botschaft erfuhr, dann musste er auch eine Antwort zurück schreiben.
„Ysera, du wirst morgen sofort aufbrechen, aber wirst vorher noch einmal zu mir kommen.“ Schaute er seine Schwester an und sie nickte als Antwort darauf.
Er besprach noch kleinere Einzelheiten mit ihnen, bevor er ihnen erlaubte zu gehen, damit sie ihre Pflichten nachgehen konnten. Außer Cyrill blieb noch.
„Ich hätte nicht gedacht, das du so früh den Thron übernehmen würdest. Dabei hast du dich stets davor gedrückt.“ Sprach sein Freund es erst an, als alle anderen die Tür hinter sich verschlossen hatte.
„Wenn ich ehrlich bin, hätte ich es auch nicht gedacht.“ Gab er ehrlich zu. „Aber die Zeiten ändern sich, mein Freund, und ich musste es tun. Es ist meine Aufgabe und Pflicht. Es kann nicht ewig so weiter gehen, allein Mutter gegenüber. Jetzt erst habe ich bemerkt, wie sehr ich Mutter hab darunter leiden lassen.“ Und seine Schuldgefühle plagten ihn deswegen noch immer.
„Ich weiß, wie du bist, Lucien. Deswegen weiß ich auch, du wirst dich zu einem guten König entwickeln.“ Lächelte Cyrill verschmitzt. „Weißt du eigentlich, viele der Jugendlichen eifern dir nach und dich als ein Vorbild ansehen?“
Überrascht schaute er seinen alten Freund an. „Was, sie sehen mich als ihr Vorbild?“ Glomm Unverständnis auf. „Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Was an mir soll bitte schön vorbildlich sein?“
Sein Gegenüber lachte. „Du wirst es kaum glauben. Du hast dich in Tarascon mehr als bewiesen und viele wissen dich zu schätzen und würden dir jederzeit die Treue schwören. Sie sehen dich wirklich als ihren nachkommenden König an.“
„Na ja, ich bezweifle manchmal, dass ich ein nachkommender und guter König werden würde.“ Klangen wirkliche Zweifel in seiner Stimme mit.
Ein Schnauben. „Rede keinen Müll, Lucien. Du warst für viele da gewesen und glaubst du etwas, sie würden es nicht merken, wie sehr du dich um das Volk sorgst und kümmerst? Sie spüren es. Jedes Mal, wenn du dort gewesen warst, hast du dich jederzeit um die Jugendlichen gekümmert. Hast ihnen sogar zusätzlich gelehrt zu kämpfen und was wirkliche Ehre bedeutet. Oder die Kinder sehen in dir etwas Gutes. Du hast ihnen immer Aufmerksamkeit geschenkt. Alle sehen in dir etwas Gutes.“ Ging Cyrill auf seinen Freund zu und klopfte ihm auf seine Schulter.
Ein Lächeln erschien in seinem Gesicht. „Ja, da hast du Recht. Mir liegt mein Volk sehr am Herzen.“
Cyrills Lächeln verschwand auf einmal. „Genau wie bei der Frau, die vorhin neben dir gestanden hatte? Liegt sie dir auch am Herzen? Eigentlich kenne ich dich überhaupt nicht darin, dass du dich je an einer Frau interessiert hast. Dir war das Vergnügen Zufriedenheit genug, als das je eine Frau dir wichtig wäre.“
Lucien wirkte überrascht, aber er konnte es nicht länger vor anderen verheimlichen. „Ja, dass tut sie. Sie liegt mir am Herzen.“ Fuhr er sich mit beiden Händen durch sein Haar und sein Herz schlug gleich etwas schneller, als er an die kleine Elfe dachte. „Wenn ich daran denke, wie alles begonnen hatte, hätte ich es niemals für möglich gehalten. Ich bin ihr zum ersten Mal begegnet, als sie einen Rubin aus meinem Hort gestohlen hatte.“ Musste er auf einmal darüber lächeln, denn vorher war es noch keinem gelungen, je was aus seinem Schatz zu stehlen.
„Gestohlen? Und sie ist noch immer nicht tot?“ Klang diesmal Überraschung in seiner Stimme mit.
„Das hatte ich zu Anfang auch vorgehabt. Wenn sie damals nicht so ungeschickt gewesen wäre und einen Zauber der Unsichtbarkeit angewendet hätte, um ihn danach gleich in einem See fallen zu lassen, wäre sie vermutlich tot. Da sie sich geweigert hatte meinen Rubin wieder zu geben, hatte ich beschlossen sie vorerst gefangen zu nehmen. Solange bis ich ihn wieder bekommen habe.“ Konnte er noch immer nicht glauben, wie es zu so einem Durcheinander kommen konnte.
Diesmal entstand ein Lächeln auf Cyrills Gesicht. „Klingt ziemlich interessant.“
„Das ist es in der Tat. Sie hat mich oft überrascht und mir sogar einmal in einer miesen Lage gerettet. Vor einigen Monaten wurde ich vom Rat der Engel gefangen gehalten.“ Erzählte er seinem Freund alles, was geschehen war. Er wusste, er konnte Cyrill alles anvertrauen, ohne das er von seinen Geheimnissen etwas preis geben würde. Sicher war sein Freund nicht begeistert davon, gerade weil das Engelsvolk und das Drachenvolk keine gute Übereinkünfte gehabt hatten. Noch immer standen kriegerische Zeiten zwischen ihnen. „Es war aber auch meine Schuld gewesen. Ich habe einige Jahrzehnte einen Engel in meiner Gewalt gehabt. Es hat alles damit begonnen, dass Emmanline sie befreit hatte.“ Wo er gerade daran dachte, er hatte sie noch nicht darüber ausgefragt, wie sie so leicht aus seinem Kerker befreien konnte.
„Emmanline?“
„Die kleine Elfe. So heißt sie.“ Welcher Name vollkommen zu ihr passte. Der Name klang außergewöhnlich, sowie es zu der rätselhaften Frau passte, die so viele Geheimnissen in sich verbarg. „Aber letzten Ende war sie es gewesen, das sie mich aus der Gefangenschaft der Engel befreit hatte. Ich war verflucht sauer auf sie gewesen und von Anfang an nicht gerade freundlich und wohlgesonnen ihr gegenüber gewesen. Dabei hat sie weitaus mehr verdient.“ Verspürte er selbst bei ihr Schuldgefühle gegenüber.
„Inwiefern meinst du das? Was hat sie weitaus mehr verdient?“ Schien sein Freund immer neugieriger zu werden.
Kurz blieb Lucien stumm, bevor er weiter sprach. „Wenn ich bedenke, wo sie ihr ganzes Leben verbracht hatte, werde ich noch immer vor Zorn und Wut gepackt.“ Brodelte er vor Wut und seine Augen glommen voller Feuer auf, während er sich verspannte und sein ganzer Körper vor Zorn anfing zu beben. „Ihr ganzes Leben wurde sie von dem Verräter Culebra gefangen gehalten. Und wenn ich sage, ihr ganzes Leben, dann meine ich es Wort wörtlich.“ Wo er jetzt am liebsten etwas zertrümmern könnte.
Cyrill schien sprachlos und entsetzt zu sein. Er brauchte eine Weile, bis er seine Stimme wieder fand. „Das ist nicht dein Ernst? Wenn das wirklich stimmt, wie konnte sie solange überleben? Niemand überlebte je in Culebras Klauen. Das würde bedeuten, das sie eine Menge Folter, Leid und Schmerz erleiden musste.“ Woran Cyrill Zweifel gehabt hatte, aber er erkannte, Lucien machte keine Scherze. „Verfluchte Scheiße.“
„Ich habe erst davon erfahren, als Aiden aufgekreuzt war. Charia verfolgt Culebra schon Jahrzehnte und sie haben Emmanline in eines der Höhlen gefunden, wo er sich aufgehalten hatte. Aiden hatte sich ihrer angenommen, aber war ihm am Ende entwicht. Bis sie mir über dem Weg gelaufen war. Seitdem ist sie unter meiner Obhut.“
„Also, ich weiß jetzt, was du damit meinst, sie hat weitaus mehr verdient. Aber wenn ich darüber nachdenke, was sie unter unserer Art erfahren hat, wie kann sie dann nur hier sein? Sie müsste voller Wut, Zorn und Hass toben.“ Fuhr Cyrill mit einer Hand über seinen Nacken.
„Sie verspürt eine unendliche Wut uns gegenüber, aber sie tobt nicht. Manchmal würde ich mir wünschen, sie würde es tun, damit ich weiß, wie es in ihr aussieht, aber sie tut es einfach nicht.“ Seufzte er auf. „Ich versuche alles daran zu setzen, ihre Meinung würde sich verändern. Ich möchte ihr eine andere Seite von uns zeigen und das wir nicht alle schlecht sind. Das selbst in uns Gutes steckt. Es gibt Zeiten, da denke ich sie sieht es, aber dann ist sie auch wieder so verschlossen, dass ich daran Zweifle. Du musst dir vorstellen, Malatya kann sich endlich in einen Drachen verwandeln.“ Glomm solcher Stolz auf, was ihrer kleinen Schwester galt, aber großer Respekt Emmanline gegenüber.
„Ist sie dafür verantwortlich?“
Lucien musste nicht überlegen. „Ja, sie ist dafür verantwortlich das Malatya sich verwandeln kann. Nicht einmal die Ältesten konnten meiner kleinsten Schwester helfen, aber Emmanline. Sie steckt voller Geheimnisse. Obwohl sie es niemals tun müsste, was ich verstehen würde. Doch hilft sie uns auf eine gewisse Art und Weise.“
„So langsam habe ich das Gefühl, es hat sich einiges auf diesem Hof verändert.“ Kam die Erkenntnis.
„Eine Menge.“ Bestätigte er.
Einen Augenblick beobachtete sein alter Freund ihn. „Ich fasse es echt nicht, aber heilige Scheiße, sie liegt dir wirklich am Herzen. Du empfindest was für sie. Habe ich Recht?“
Ein mattes Lächeln und ein Funkeln in seinen Augen waren eigentlich Antwort genug, aber er musste es in Worte zugeben. „Sie bedeutet mir verdammt viel. Ich muss es tun. Immerhin ist sie meine Seelengefährtin.“ Schaute er zu Cyrill auf, als er zuvor zu Boden geblickt hatte. „Ich habe sie gefunden und ich sage dir man, es fühlt sich unglaublich an. Irgendwie hat sie sich so schnell in meinem Herzen eingenistet, das ich es überhaupt nicht mitbekommen hatte.“
„Deine Seelengefährtin? Verflucht, hast du verdammtes Schwein.“ War Cyrill überrascht, aber er verspürte große Freude seinem Freund gegenüber. „Herzlichen Glückwunsch, alter Freund.“ Umarmte er ihn. „Deswegen ist es dir auch so wichtig, sie würde ihre Meinung uns gegenüber ändern. Ich hoffe es gelingt dir. Aber weiß sie es, was sie für dich ist?“
Verbissen schaute er drein. „Nein, ich konnte es ihr noch nicht sagen. Sie würde sofort abblocken und sich noch mehr zurück ziehen, dass ich vermutlich überhaupt nicht mehr an sie ran kommen würde. Auch wenn es ungerecht ihr gegenüber ist, es ihr verheimliche, aber ich kann es noch nicht. Aber eines Tages werde ich es ihr sagen, aber ich kann sie einfach nicht gehen lassen. Sie ist etwas besonderes und ich wette darauf Culebra hat noch Interesse an ihr. Sie ist einfach nicht sicher. Ich muss alles daran setzen, dass ihr nichts geschieht. Sollte je etwas geschehen und ich verliere sie, würde es auch mein Untergang sein. Ich würde ohne zu zögern ihr folgen.“ Knurrte er und seine Hände ballten sich schmerzhaft zu Fäusten.
Ohne zu zögern. „Hiermit schwöre ich bei den heiligen Göttern und beim meiner Ehre, dass ich sie mit meinem Leben beschützen werde.“ Kniete Cyrill sich vor ihm nieder und zeigte damit seine Treue und der Wichtigkeit seiner Schwüre.
Lucien war entsetzt und überrascht zu gleich. „Erhebe dich.“ Befahl er und legte ihm eine Hand auf seine Schulter, wo er sie anerkennend drückte. Auf seinem Gesicht erschien ein Lächeln. „Vielen Dank, alter Freund. Du weißt überhaupt nicht, was du mir mit diesem Worten gegeben hast.“ Sprach er. Seine Worte wahren Ehrlichkeit und das wusste er. Aber was entscheiden in Cyrills Worten war, war dies, dass er nicht nur ihm die Treue schwor, sondern vor Emmanline auch, weil sie seine Frau und Gefährtin war. Dieser Schwur galt genauso dem Volk gegenüber, weil das Volk dem Untergang geweiht wäre, würde er sterben. Sei denn, ein Nachfolger würde geboren werden.
„Es war seltsam. Vorhin, als wir dich aufgesucht hatten, hatte ich sie nicht bemerkt. Obwohl sie neben dir gestanden hatte.“ Runzelte Cyrill mit seiner Stirn und es beschäftigte ihn.
„Vielleicht warst du zu sehr auf die Botschaft gerichtet, dass du sie nicht bemerkt hattest.“
„Nein, ich bin nie so unaufmerksam, das ich wegen so was meine Aufmerksamkeit verliere.“ Was ihn mitnahm. „Ich habe Dinge preis gegeben, was ich anderen gegenüber nicht hätte erzählen dürfen.“
Lucien schaute ihn schweigend an. „Du weißt, ich darf vor meiner Seelengefährtin keine Geheimnisse haben. Wenn ich sie für mich gewinnen will, dann muss ich offen und ehrlich zu ihr sein.“
„Hast du keine Bedenken, wenn Culebra sie wirklich zurück haben will und bekommt, dass sie keine Geheimnisse von uns ausplaudert? Ich will ihr nichts unterstellen, aber sie könnte genauso eine Spionin sein. Ich dachte, Culebra würde nie etwas zurück lassen, was ihm wichtig und vom Vorteil sein könnte.“ Entgegnete Cyrill vorsichtig, denn er äußerte sich gegenüber seiner Gefährtin mit Vorsicht.
„Das ist mir durchaus bewusst, aber ich werde diesen Gedanken nicht an mich heran lassen. Sie gehört zu mir.“ Was ein Machtwort war.
Auf einmal verspürte Lucien blicke auf sich ruhen und er drehte sich um und blickte aus dem Fenster. Emmanline...sie saß auf der Bank im Garten. Sie war zurück gekommen und schien auf ihm zu warten. Wo war sie gewesen?
„Für eine Elfe scheint sie ein außergewöhnliches Erscheinen zu haben. Schneeweißes Haar und silberne Augen?“ War sein Freund neben ihm ans Fenster getreten.
„Ja, zuvor hatte ich noch keine Elfe gesehen, die diese Merkmale an sich trägt.“ Und ein großes Geheimnis. Davon würde er noch mit niemanden reden. „Ich muss gehen. Wegen all dem Anderen, werden wir später darüber sprechen.“ Drehte er sich um und ging zur Tür.
Er konnte ein Lachen hinter sich hören. „Mit Leib und Seele verfallen.“
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, verschwand er und ging Richtung Hofgarten und es dauerte keine fünf Minuten, da war er endlich wieder bei ihr. Nun stand er endlich vor ihr und konnte ihren sonnigen Duft einatmen, der ihn noch immer an einem sonnigen Morgen erinnerte. Die ersten Sonnenstrahlen am Horizont, die sich durch Baumkronen hindurch schlängelten.
„Wo warst du gewesen? Ich habe dich nicht gesehen.“ Wollte er zu gerne wissen und für einen Moment setzte sein Herzschlag aus, sowie sie ihn anschaute. Ihr Blick war im ersten Augenblick unergründlich, aber ihre Augen leuchteten silbern auf, als würde ihr etwas auf der Seele liegen.
„Es tut mir leid.“ Waren das die einzigen Worte, die sie heraus brachte.
Lucien verstand nicht, warum sie sich entschuldigte und er wollte auch Nachfragen, weil er den Grund wissen wollte, als ein unsagbarer Schmerz durch seinen Körper fuhr. Er brüllte laut auf und ging auf die Knie. Er war nicht der Einzige der laut auf gebrüllt hatte. Noch immer hallte dieser Schrei von Schmerz und Trauer durch seinen Körper. Sein Herz schmerzte und trauerte, als hätte er was sehr wichtiges verloren.
Es dauerte nicht lange, als die Erkenntnis kam. „Nein.“ Kam es erst zu einem unhörbaren Flüstern herauf, aber seine Stimme wurde lauter und verzerrter. „Nein...nein...nein...“ Bis er irgendwann laut brüllte.
Es war schon vorauszusehen gewesen, aber jetzt? „Mutter!?“ Tiefe Trauer. Seine Mutter hatte wirklich den Tod gewählt. Das durfte nicht sein, nein. Sie durfte nicht einfach verschwunden sein, ohne das sie sich verabschiedet hatte. Sie hat den Tod einfach gewählt, ohne nur noch einmal ihren Kindern übergetreten zu sein.
Unsagbarer Schmerz machte sich in ihm breit und er konnte an nichts mehr anderes denken. Zu sehr stach es in sein Herz, als würde er mit einem spitzen und scharfen Messer aufgespießt. Großer Verlust und ein Stück Leere verspürte er in sich aufsteigen. Seine geliebte Mutter war endlich ihrem Gefährten in den Tod gefolgt. Er wusste, dass es nicht anders gekommen wäre, denn er würde das Gleiche tun. Für Emmanline...
Erst jetzt verstand er, was sie ihm mit diesen wenigen Worten sagen wollte. „Du hast es gewusst?“ Klang es wie eine Anklage. „Du wusstest, dass sie heute den Tod gegenübertreten würde. Nicht wahr?“ Wurde er immer wütender und blickte sie mit erzürnten Augen an. Überall in ihm brodelte es voller Zorn und er musste dringend hier weg, bevor er noch etwas unverzeihliches Tat. Doch er wollte eine Antwort. „Rede.“ Schrie er schon fast.
Emmanline zuckte einmal zusammen und nickte. „Ja.“ War es das Einzige was sie herausbrachte, aber es reichte ihm vollkommen als Antwort. Eins musste er ihr aber zugute tun. Sie weichte ihm nicht mit ihren Blicken aus, aber es könnte zu ihrem Verhängnis werden.
„Ich hatte dir vertraut. Du hast es gewusst, aber vor mir verheimlicht. Du wusstest, dass sie heute sterben würde.“ Wurde seine Anklage immer größer und er konnte nicht mehr zurück. „Verflucht, ich hatte dir vertraut. Ich habe dir alles gegeben was ich nur konnte, aber du besitzt keinen Funken Dankbarkeit mir gegenüber ehrlich zu sein. Ich war es stets vor dir, weil ich wollte, dass du etwas Gutes in uns siehst, aber jetzt merke ich, dass es sich niemals ändern wird. Auch wenn du es nicht zeigst, du siehst es mit Sicherheit als Genugtuung dich an mich und an mein Volk zu rächen. Du willst uns leiden sehen. Ist es nicht so?“ War er schon längst aufgestanden und blickte sie voller Verachtung an. Emmanline schien ihn die ganze Zeit nur anzuschauen und rührte sich keinen einzigen Zentimeter. Er konnte aus ihrem Blick keine Regung erkennen und das reichte ihm auch als Antwort.
„Du bist wütend auf mich und das verstehe ich.“ Brachte sie Worte über ihre Lippen. „Und ich weiß wie du dich fühlst, aber es...“
„Gar nichts weißt du.“ Unterbrach er sie barsch. „Wenn du genau das Gleiche fühlen würdest, hättest du es mir gesagt. Ich habe es auch jetzt verstanden, Emmanline.“ Packte er sie grob am Kinn und beugte sich so weit nach vorne, dass ihre Nasen sich beinahe berührten. Er merkte, wie ihr Atem im Halse stecken blieb, aber ihr Blick änderte sich keinen Deut. Ohne Emotionen war sie. „Wenn du es fühlen würdest, würdest du mich jetzt nicht so gefühllos anschauen. Du weißt es keinen Deut, was es bedeutet jemanden um sich zu haben, der einem wichtig ist. Weil du niemanden hast.“ Ließ er sie rasant los, wo sie sich mit Händen auffangen musste, damit sie nicht nach hinten von der Bank fiel, als sie zum sitzen kam. „Bleibe alleine und lasse ja niemanden an dich heran. Es wäre für dich sicherer und wirkungsvoller, denn so wird dich niemand erreichen. Sei Dankbar dafür, denn so besitzt du keine einzige Schwäche. Sei dankbar. Wehe du kommst mir jetzt noch einmal unter die Augen.“ Waren dies die letzten Worte die er zu ihr sagte und in der Dunkelheit verschwand. Er musste weg von hier. Von diesem Ort und vor allem von ihr.
Sie würde niemals verstehen, was es heißt, jemanden am Herzen zu liegen. Er hatte wirklich alles in seiner Macht getan, um sie vom Gegenteil zu überzeugen, weil er ihr wichtig sein wollte. Er sollte ein Teil von ihr sein, sowie sie ein Teil von ihm war. Nein, gewesen war, verbesserte er sich.
Genau aus diesem Grund wollte er auch niemanden an seiner Seite besitzen. Das war der Grund, warum er niemanden an sich heran ließ. Er wollte sich den Schmerz ersparen und den Verlust und die Leere die er jetzt dabei empfand. Er fühlte sich zu tiefst von ihr verraten. Niemals hätte er je gedacht, wie schmerzhaft das sein konnte. Sie hatte ihm wirklich alles bedeutet gehabt.
War alles nur Lug und Trug gewesen?
Eine noch größere Wut und Zorn überkam ihn. In ihm stieg ein übermächtiges Gefühl auf, dass er selbst ihr etwas nehmen wollte. Doch was war ihr wichtig? Es gab ja nichts, wie er schon fest gestellt hatte. Wobei, ein Gedanke kam ihm und wie von selbst machten sich seine Füße auf den Weg. Lucien konnte nicht anders. Sie sollte erfahren was es heißt etwas zu verlieren. Er wusste, es war nicht richtig, aber einen vernünftigen Gedanke konnte er jetzt nicht besitzen.
Selbst sein Drache verspürte diesen Verlust, aber sein Instinkt schien anders zu sein, als des Mannes. Der Drache wollte wieder zurück, wollte zu seiner Gefährtin. Nun verspürte er selbst Verrat von seiner wahren Natur. Begriff er denn nicht, was diese Frau ihnen angetan hatte? Spürte er es denn nicht, dass sie ihnen Leid zufügen hatte? Wie blind er doch gewesen war und wie blind sein Drache jetzt war.
Lucien drängte seine wahre Natur soweit zurück, damit er seinen eigenen Weg folgte. Nämlich in die Entgegen gesetzte Richtung. Weit genug von dieser verräterischen Elfe weg.
Es war an der Zeit, dass er bei ihr ein Exempel statuierte.
Geschockt und regungslos saß sie auf dieser Bank. Emmanline versuchte noch immer zu verarbeiten, was da eben gerade passiert war. Was war nur geschehen?
Ein weiteres Gefühlschaos überwältigte sie und ihre Gedanken überschlugen sich immer wieder erneut. Es ging alles so schnell, als sie in der Stille diese Szene zwischen ihm und ihr immer und immer wieder abspulen musste. Wie eine Endlosschleife. Er war so erzürnt gewesen und wie er sie angeschaut hatte. Sein Blick war voller Wut und Verachtung gewesen. Ihr gegenüber.
Und da waren noch seine Worte, die sie wirklich zu tiefst getroffen hatten. Wie konnte er ihr so was nur unterstellen? Was hatte sie denn schlimmes getan?
Er meinte zu ihr, sie wäre nicht ehrlich zu ihm gewesen und sie hätte ihn verraten. Sie hätte offener ihm gegenüber sein sollen. Sie konnte genau nach empfinden, wie er sich im Moment fühlte. Glaubte er etwa, sie wüsste es nicht, wie es war, jemanden wichtiges zu verlieren? Doch sie wusste es zu gut und besser. Mehr als das. Ihre Mutter war ihr wichtiger als alles andere gewesen. Auch sie hatte sie in ihrer Vergangenheit verloren. Es war schmerzhaft und unerträglich gewesen, denn dieser Schmerz haftete immer noch tief in ihr. Wie ein Dorn, der sich verankert hatte und sich einfach nicht lösen ließ.
Innerlich fühlte sie sich verletzt und schwermütig, das sie sich wie eine Statue vor kam. Schmerzhaft krallte sie sich in ihren Oberschenkeln fest. Sie brauchte es jetzt, sie brauchte diesen realen Schmerz. Würde sie nichts spüren, würde sie sich nur noch mehr verlieren. Erneut machte sie einen Schritt nach vorne und kam dem Abgrund näher. Der Sog in ihr drinnen wurde stärker und bald bekam sie keinen Halt mehr. Sie verspürte in sich eine unsagbare Kälte, dass sie sich bald nicht mehr dagegen wehren konnte. Sie würde fallen. Eines Tages war es soweit. Die Zeit würde kommen.
Emmanline musste sich besinnen, in die Realität zurück kehren musste. Sie durfte sich nicht zu viel in sich einkehren, denn es würde sie stets näher in die Dunkelheit ziehen, die ihr mehr als vertraut war. Es war für sie wie ein zweites Ich geworden. Es fehlte nur ein einziger Schritt.
Sie solle ihm nie wieder unter die Auge treten, weil er sie nicht wieder sehen wollte. Warum ließ er sie dann nicht einfach gehen? Dann müsste er sie nie wieder sehen. Sie würde soweit laufen, dass sie nicht mehr zurück blicken konnte und er bräuchte sich keine Gedanken machen, ihm zu begegnen. Sinnlos war es, solch ein Gedanke zu hegen, er würde sie gehen lassen, denn das würde er niemals tun. Sie wusste es einfach. Der Mann mochte zornig sein, aber er würde sie stets gefangen halten.
Ein weiterer Grund warum sie verspürte, sie wäre hier eine Gefangene. Auch wenn er es zuvor geschworen hatte, es wäre nicht so. Sowie er geschworen hatte, wenn er zu ihr zurück käme, würde er dort aufhören, wo er zuletzt aufgehört hatte, weil er ein Anrecht von ihr haben wollte. Gelogen hatte er. Er hatte sie herein gelegt, weil er sie nur milder stimmen wollte und damit sie ihm schweigsam folgte. Ein erneuter Stich eines Dornes.
„Hör auf.“ Ermahnte sie sich selbst. Sie durfte sich nicht von ihm beeinflussen lassen. Auch wenn er wirklich vieles getan hatte, um ihr etwas anderes zu zeigen. Eine gute Seite.
Ihr Gefühl und ihre Blicke wurden kälter und gefühlloser, denn sie musste ihre eiserne Mauer wieder errichten, die sie zu vor etwas hatte bröckeln lassen. Wie konnte das geschehen?
Wütend über sich selbst stand sie auf und ging zum Schloss zurück. Sie musste sich etwas einfallen lassen, wie sie von hier entkommen konnte. Sie konnte nicht länger hier bleiben. Nicht bei ihm.
Mitten auf dem Hof blieb sie stehen, weil sie einen kleinen Schatten in der Dunkelheit erkennen konnte. Verzweifelt versuchte sie in der Dunkelheit etwas zu erkennen, aber sie musste sich nicht anstrengen, um zu wissen, wer dort stand.
Ohne darüber nach zu denken, rannte sie auf den Schatten zu. Ihr Herz hatte einen Moment aufgehört zu schlagen. Wie konnte sie es nur vergessen? Dabei hatte sie es doch versprochen.
„Malatya.“ Klang Mitgefühl in ihrer Stimme mit. Erst als das kleine Mädchen unter Tränen und Schluchzen ihren Kopf hob, konnte sie erkennen wie alleine sie sich fühlte. Ohne auch nur nach zudenken, öffnete sie ihre Arme und selbst Malatya schien nicht zu zögern, während sie sich in ihre Arme schmiss. Ihr Herz tat weh, das dieses sonst freudige und aufgeweckte Kind, so sehr verstört aussah.
„Mama.“ Brachte sie unter erstickten Schluchzen aus. „Sie ist nicht mehr da.“ Weinte sie bitterliche Tränen.
Noch enger drückte sie das kleine Mädchen an sich und legte ihre Wange auf ihr schönes seidiges schwarzes Haar. „Pssscht,...“ Versuchte sie sie zu trösten. „Ich bin hier.“ Konnte sie nur diese Worte sagen und sie reichten vollkommen aus, weil sie wusste, dass das kleine Mädchen genau diese drei Worte am meisten brauchte.
Finger krallten sich verzweifelt an sie. In diesem Augenblick verspürte sie keine Schmerzen, denn wichtig war es, das sie für Malatya da war. Sie war ihr so ans Herz gewachsen, ehe sie es jetzt wirklich bemerkte.
Stillschweigend und sie hielt die Kleine weiter in den Arm, während noch mehr Tränen vergossen wurden. Sie zitterte und bebte am ganzen Körper, das sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. „Komm mit, meine Kleine. Wir gehen rein und ich werde bei dir bleiben. Solange du möchtest.“ Flüsterte sie in ihr Haar und ihre Augen waren dabei geschlossen. „Ich werde dich nicht alleine lassen.“ Versprach sie ihr.
Zustimmend nickte sie und führte sie in Malatyas Zimmer. Unterwegs waren sie keinen Einzigen begegnet und es war seltsam. Doch im Moment konnte sie sich deswegen nicht den Kopf zerbrechen. Jemand brauchte sie und sie würde da sein.
Heiße Flammen hatten außerhalb und in ihm getobt, doch er fühlte sich keinen Deut besser. Noch immer war der Verlust, die Leere und der Schmerz da. Entkräftet sank er zu Boden und schlug mit seinen Fäusten auf der harten und schwarzen Erde ein, solange bis sie blutig waren, aber den Schmerz verspürte er trotzdem nicht. Er hatte seiner Wut und seinem Zorn freien Lauf gelassen, aber warum fühlte er sich nicht besser? Was musste er noch alles anstellen, damit er sich zufrieden stellen konnte und Ruhe empfand? Es sollte aufhören. Er wollte es nicht.
Jetzt erst begann die Trauer in Lucien überhand zu bekommen und brüllte voller Schmerz gegen dem Nachthimmel auf. Sterne funkelten ihn noch strahlender entgegen, als sie es je zuvor getan hatten. Er hatte das Gefühl, der Nachthimmel und die Sterne verspotteten ihn. Musste er sich das bieten lassen?
Gefühlte Stunden saß er da, sein Körper aufrecht und sein Kopf gegen dem Himmel gereckt. Sein Herz versuchte ruhiger zu schlagen und sein Adrenalin wurde stets weniger. Seine Wut und seinen Zorn waren verraucht, als er sich mit seinem inneren Feuer ausgetobt hatte. Er hatte es dringend gebraucht und jetzt empfand er nicht einmal Genugtuung, während er seine Umgebung betrachtete. Was er getan hat, würde er sich niemals verzeihen können. Was hatte er nur getan? Alles war in Schwärze getaucht und nichts war, wie es zuvor gewesen war.
Sein Gefühl der Beschämung wurden größer und dadurch wurde sein Verstand klarer. Erinnerungen kamen zurück, die er zuvor verdrängt hatte. Entsetzen trat in seine Augen und sie weiteten sich vor Schock. Sein Herz setzte aus und sein Atem blieb ihm fern. Seine Schultern sackten nach unten und seine Arme hingen schlaff an seinem Körper hinunter.
„Oh, ihr heiligen Götter. Was habe ich nur getan?“ War es ein Hauch von Flüstern. Es waren Dinge gefallen, die hätten niemals fallen dürfen. Was geschehen war, konnte er nie wieder rückgängig machen.
Lucien hätte niemals gedacht, dass er je zu so was fähig war, aber dies war Beweis genug, er war fähig dazu. Er hatte hiermit seinen Stolz und Ehre verloren. Verloren hatte er es dadurch, eines der höchsten Gesetze gebrochen zu haben. Seiner Seelengefährtin gegenüber respektlos gegenüber getreten zu sein. Das was er gesagt hatte, waren Beleidigungen, Beschuldigungen und Mutmaßungen gewesen. Vorwürfe sie hätte ihn verraten, obwohl sie ihm nie Beweise deswegen geliefert hatte. Er war voller Trauer, Wut und Zorn gewesen, hatte alles ausgeblendet was ihm wichtig gewesen war. Er hatte sie von sich gestoßen und sie somit verleumdet.
Sein Herz wurde schwerer als ein Stein und es drohte in die Tiefe zu versinken. Nun hatte er ihr einen erneuten Grund gegeben, warum sie sein Volk dafür verachten sollte.
„Verzeih mir.“ Wurde er immer wehmütiger. Wie sollte er sich dafür entschuldigen? Wie sollte er das wieder gut machen können? All die Hoffnungen und Chancen die er zuvor gehabt hatte, waren mit nur so einem kurzen Augenblick zerstört worden. Seine Trauer und sein Schmerz für den Verlust seiner Mutter war keine Entschuldigung dafür, was für furchtbare Dinge er zu ihr gesagt hatte. Diese Worte konnte keiner mehr ungeschehen machen. Wie also sollte er sich ihrer untergeben, damit sie ihm verzieh? Allein die Worte, sie solle ihm nie wieder unter die Augen treten, waren niemals ernst gemeint. Alles war nicht ernst gemeint gewesen. „Emmanline...“ Reue nahm einen unglaublich Besitz in ihm. Er musste zu ihr. Sofort.
Jetzt konnte er auch verstehen, warum sein Drache so in ihm tobte. Selbst das Raubtier in ihm wollte seine Gefährtin und sie in den Arm nehmen, sie um Verzeihung bitten und sich ihr ergeben, ihr schuldig gegenüber.
Ohne weiter auf alles zu achten, machte er sich auf die Suche nach seiner Seelengefährtin.
Emmanline hatte sich mit Malatya aufs Bett gelegt. Sie saß an der Rückenlehne gelehnt und ihre Beine ausgestreckt. Der Kopf von Malatya lag auf ihrem Schoß gebettet. Schon seit längerer Zeit war sie unter Tränen und Erschöpfung eingeschlafen, während sie ihr stetig beruhigend über ihr schwarzes Haar strich. Was sie jetzt noch immer tat, auch wenn sie eingeschlafen war.
Sie sieht so unschuldig aus, dass es ihr wirklich im Herzen weh tat, solch eine Erfahrung von Verlust durch zu machen. Sie hätte es ihr gerne erspart, aber niemand war vor allem gefeit gewesen. Niemand.
Jetzt, wo sie so still da saß und dem kleinen Mädchen beim Schlafen zu sah, kamen ihr immer wieder die Worte des Mannes hoch, der ihr sehr weh getan hatte. Nicht mit körperlichen Verletzungen, aber mit verbalen Worten. Sie hatte es niemals gewollt, dass es dazu kam.
Nur warum fühlte sie sich genauso verraten, wie er es ihr gegenüber angedeutet hatte? Da konnte selbst ein Seufzen der Frustration nicht helfen.
Auf einmal klopfte es an der Tür und ihr Herz machte einen Sprung. Warum hatte sie das Gefühl, sie wusste genau wer vor der Tür stand? Sie konnte einen schwachen erdigen Geruch wahrnehmen.
Emmanline sagte kein Wort, als die Tür aufging und, wie sie vermutet hatte, er ins Zimmer kam. Sie blickte ihn nur an und konnte nicht fassen, was sie da sah. Er kam mit gesenktem Kopf ins Zimmer, als er sie auch hinter sich schloss. Selbst blieb er noch mit gesenkten Kopf an einer Stelle stehen. Das er sein Haupt senkte, bedeutete nur eines, er zeigte damit seine Reue und das er etwas unverzeihliches getan hatte, was er schwer bereute. Damit bat er sie um Entschuldigung und zeigte ihr, er habe einen sehr großen Fehler begangen. Aber das entscheidende war, niemals senkte ein Drache sein Haupt vor jemanden, der nicht dem Respekt gegenüber gerecht war. Meistens taten sie es nur vor desgleichen oder vor den Eltern, wenn sie etwas getan hatten was sie bereuten.
Dieser Mann und Drache senkte seinen Kopf vor ihr? Sie verstand nun überhaupt nichts mehr. Was hatte er nur vor? Wollte er sie damit noch weiter beleidigen, indem er ihr etwas vorgaukelte? Aber, keiner senkte sein Haupt so tief, nur um jemanden zu täuschen. Sie müsste es besser wissen.
Darum verstand sie sich jetzt am wenigsten. Sie tat etwas, was sie vermutlich eines Tages sehr bereuen würde. Mit nur einer einzigen Bewegung streckte sie ihren Arm zu ihm hin. Die Handfläche nach oben zeigend und sie wartete. Er schien diese kleinste und leiseste Bewegung wahrgenommen zu haben und erhob sein Kopf. Der Ausdruck der in seinem Gesicht geschrieben war, war genau so schockierend, wie er demütig dort stand. Seine Augen baten um unendliche Entschuldigung und das er etwas getan hatte, was er niemals ungeschehen machen konnte. Trotz allem hielt sie ihre Hand erhoben und er kam ohne zu zögern auf sie zu. Sein Arm streckte sich ihr dann schon entgegen, als er schon einen Schritt getan hatte. Er brauchte nur drei Schritte, bis er seine Handfläche in der ihren legen konnte.
Vorsichtig näherte er sich ihr und setzte sich auf die Bettkante. Der Mann kam ihr so nahe, dass er seine Stirn an ihre legte. Schwermütig ließ er die Luft aus seinen Lungen frei. Hatte er etwa die ganze Zeit über, als er hier herein gekommen war, die Luft angehalten?
Noch immer hielt er ihre Hand fest und erhob sie zu seiner Brust hin, an der Stelle wo sein Herz rasend und unregelmäßig schlug. Seine andere Hand legte er an ihrem oberen Halsansatz, während seine Augen geschlossen waren.
Eine ganze Weile verharrten sie so beieinander, bis er endlich diese unangenehme Stille durchbrach. „Ich weiß nicht, wie ich dich um Entschuldigung bitten soll.“ Gestand er ihr wehmütig. „Ich habe mir so vieles zurecht gelegt, aber nichts kann ich tun. Ich habe dir unsagbares Unrecht getan, habe dich Beleidigt, etwas Unterstellt und all meinen Schmerz, Wut und Zorn an dir ausgelassen. Dazu hatte ich kein Recht.“ Presste er seine Stirn mit mehr Druck gegen ihre und seine Augen noch fester zusammen gepresst.
Emmanline konnte ihn dabei nur schweigend anschauen und sie konnte ihm keine Worte gegenüber seiner Worte entgegen bringen. Sie war noch nicht in der Lage dazu. Stattdessen sagte sie nur. „Deine kleine Schwester braucht dich. Du und ihr alle habt sie vernachlässigt.“ Klagte sie ihn diesmal an. „Sie braucht dich, ihre Familie und Liebsten.“ Löste sie sich von ihm und blickte zu Malatya hinunter. Sie hatte mit ihren zärtlichen Berührungen aufgehört gehabt, als er ins Zimmer getreten war, nahm sie aber jetzt wieder auf. „Wie konntet ihr sie nur vergessen?“ Beschuldigte sie ihn, wobei es auch den anderen galt.
Jetzt legte er eine Hand auf das Haar von seiner kleinen Schwester und blickte sie traurig an. „Du hast Recht.“ War seine Stimme rau geworden. „Ich bin jetzt hier, meine Kleine.“ Beugte er sich nach unten und drückte einen sanften Kuss auf die Stirn seiner kleinen Schwester, aber mit Vorsicht, damit sie nicht wach wurde. „Ich danke dir, dass du bei ihr gewesen warst.“ Blickte er zu ihr rauf.
Emmanline schüttelte mit ihrem Kopf. „Nimm sie in deine Arme. Sie wird wissen, dass du bei ihr bist. Sie hatte bitterlich geweint.“ Verfolgte sie seine Bewegungen, als er seine kleine Schwester wirklich in den Arm nahm. Sie konnte sofort sehen, wie sehr sich Malatya an ihren Bruder schmiegte. Sie konnte hier nicht bleiben und deswegen stand sie auf.
„Wo willst du hin?“ Schoss sein Blick zu ihr hoch und leichte Angst erklang als Hall mit.
Ihr Rücken war zu ihm gewandt. „Ich werde ihr etwas warmes zum trinken holen. Es wird ihr später sicherlich gut tun.“ Log sie, aber es kam glaubwürdig über ihre Lippen. Dann verließ sie einfach das Zimmer, ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren.
Die Tür hinter sich geschlossen, lehnte sie sich dagegen. Ihr Blick war zu Boden gerichtet und sie konnte es nicht fassen, was da eben passiert war.
Sie wusste nicht was hier geschah. Er war wütend und zornig gewesen, wo sie dachte, er würde ihr in dem Moment über sie herfallen, mit seiner tödlichen Präsenz, die in ihm wohnte. Doch konnte sie unter all der Wut und dem großen Zorn, nicht den Drachen erkennen. Er hatte sich im Hintergrund gehalten und auf seine eigene Art sich zur Unruhe bewegt.
Was jetzt geschah, was sie in diesem Zimmer erlebt und gesehen hatte, hatte ihr den Atem geraubt. Sie hatte von ihm eine ganz andere Seite gesehen, die voller Reue und Schuld war, anscheinend seinen Stolz vollkommen vergessen. Jetzt erkannte sie den großen Ausmaß, was da geschehen war. Er hatte sein Haupt vor ihr gesenkt und er bettelte um Verzeihung. Sein Blick sprach, er würde am liebsten alles zurück nehmen, was er vor einigen Stunden gesagt hatte. Was sollte sie davon halten? Gar tun?
Etwas stieg in ihr auf und sie wusste nicht genau was es war, aber es setzte sie unter Druck. Eines wusste sie, das nicht viel fehlte, bis sie einen Druckausgleich brauchte. Etwas rührte sich in ihr.
Mit einem leisen Seufzer löste sie sich von der Tür und schritt den linken Gang hinunter. Ihre Füße bewegten sich wie von alleine und sie wusste nicht, welchen Weg sie einschlug.
Langsam registrierte sie, wo sie hin lief und sie hatte das Gefühl, ihr blieb die Luft weg. Überall in der Luft lag eine Anspannung von Trauer und Verlust. Sie konnte es genau fühlen. Jeder trauerte um die ehemalige Königin, Clanangehörige und Mutter.
Plötzlich vernahm sie Geräusche von Schluchzen unter Tränen wahr. Es kam aus einem kleinen Saal und die Tür leicht angelehnt. Sie blieb stehen und konnte durch den kleinen Spalt Personen erkennen, wo sie genau wusste, wer sie waren. Es waren die Geschwister von ihm. Es war ihr ein Rätsel, aber sie tat etwas, womit sie selbst nicht gerechnet hätte, sie trat in den Raum wo sie alle saßen.
Sofort vielen Blicke auf sie, als sie einfach so da stand und sie regungslos anschauten. Eines verstand sie nicht und irgendwie machte es sie wütend.
„Was willst du hier?“ Stieß eine Drachin unter Kummer aus.
Hier in diesem befanden sich fünf seiner Geschwister.
Es machte sie wirklich wütend und ihre Augen verengten sich, während sie mit eisiger Stimme fragte. „Die Frage ist wohl eher, warum seid ihr hier?“
Die Wächterin, wie er ihr erzählt hatte, riss ihren Stuhl nach hinten, als sie vor Wut aufgestanden war, während sie sie mit finsteren Blick an funkelte. „Du hast ja wohl kaum das Recht, deine Klappe so weit auf zu reißen. Du weißt überhaupt nicht...“
„...was los ist?“ Beendete sie ihren Satz, aber als Frage formuliert. „Oh, und wie ich es weiß. Ich weiß, dass eure Mutter ihren Gefährten in den Tod gefolgt ist.“ Klangen entsetzte Laute der anderen in ihr Ohr.
„Wage es ja nicht, so respektlos über sie zu reden.“ Erwiderte die Wächterin erneut.
„Beruhige dich, Ysera.“ Ertönte eine sanfte Stimme einer Frau, die eine beruhigende Wirkung hatte. Diese Frau war die ruhigste und gelassenste unter all den Geschwistern. Er hatte ihr erklärt, sie sei eine Mütterliche, die sich um alle kümmerte. Jetzt verstand sie auch, sie war eine von ihnen. Ihre Berührungen beruhigten diese Kriegerin. Es war erstaunlich.
„Sie will uns etwas sagen.“
Kurz schaute Emmanline sie nur an, bevor sie ihre Augen schloss, um sie gleich wieder zu öffnen. „Ihr befindet euch hier zusammen, aber ihr seid nicht die einzigen, die um eure Mutter trauern. Welche die hilfloser und kleiner sind. Ihr seid nicht alleine, aber dennoch werden andere alleine gelassen. All was ich hier auf diesem Gut mitbekommen habe, war, dass ihr zusammen haltet und niemanden im Stich lasst. Aber ob es stimmt? Ich kann euch Drachen einfach nicht verstehen.“ Drehte sie sich einfach um und verließ den Raum, während ihre Füße sie in eine anderen Richtung lenkten.
Emmanline konnte nur ein Laut der Überraschung und entsetzen hören, wobei ein Name viel. „Malatya.“ Schrie jemand mit hoher Stimme auf und sie stürmten alle samt aus dem Raum, um sie zu suchen.
Irgendwie wurde ihr schwer ums Herz. Ihre Worte waren hart gewesen, wusste sie, aber sie musste ihnen klipp und klar zu verstehen geben, was in Vergessenheit geraten war. Sie konnte eigentlich nicht wirklich ahnen, was für ein Ausmaß zwischen ihnen allen bestand, aber sie verstand nun, was für eine starke Bindung zwischen ihnen herrschte.
Dabei spürte sie einen Stich im Herzen, was sie sich nicht recht erklären konnte. Darum fühlte sie sich auch so fehl am Platz und das sie einfach nicht hierher gehörte.
Durch ein Krachen zuckte sie innerlich zusammen und dadurch wurde sie abrupt aus ihren Gedanken gerissen. Es hatte sich angehört, als wenn vieles zu Bruch gegangen war. Ihr Herz klopfe schnell und sie blickte den Gang hinunter. Aus einem Zimmer konnte sie Licht brennen sehen. Eine Tür stand offen und sie wusste, aus diesem Zimmer stammten das Klirren von zerbrochenem Glas.
Nur ein paar Schritte musste sie tun, bis sie genau davor stand. Einen Blick wagte sie und erkannte den ältesten Bruder von ihm.
War er nicht erst heute Morgen irgendwohin aufgebrochen? Sprach sie innerlich mit sich selbst.
Der Mann saß an einem Tisch, hatte seine Ellenbogen auf die Fläche abgestützt und sein Kopf in seinen Handflächen vergraben. Ihr Blick schweifte von ihm ab und sah all die Dinge auf dem Boden liegen. Glas war zerbrochen, Papier lagen überall verstreut und andere Dinge. Erst da schaute sie zu ihm auf und blickte in zwei glühenden Augen, die wie Kohle erschienen. „Was willst du hier, Elfe? Verschwinde.“ Knurrte er bedrohlich und tödlich.
Emmanline presste ihre Lippen zusammen und sie konnte ihren Blick nicht von ihm abwenden. Ein Seufzen entrang sich ihrer Kehle. Sie musste mit Sicherheit heute einen Rekord im Seufzen gemacht haben. Bei dieser Bemerkung ging sie ins Zimmer und hob all die Verstreuten Blätter auf.
„Ich hatte gesagt, du sollst verschwinden.“ Stand er wütend auf und schlug hart mit seinen Handflächen auf dem Tisch auf. Als sie ihn einfach ignorierte und nicht die Anstalten machte zu gehen, kam er um dem Schreibtisch herum. Hart packte er sie am Handgelenk und zerrte sie hoch.
Die Blätter an sich gedrückt, blickte sie ihn ausdruckslos in seine glühenden Augen. „Ja, was willst du dann machen? Mir Schmerzen zu fügen? Oder vielleicht den Kopf abreißen?“ Gab sie nicht klein bei. „Tue es.“ Forderte sie ihn heraus.
Ein tiefes Knurren, als er sie los ließ. „Dumme Elfe. Was stimmt nicht mit dir? Was willst du?“ War er ihr noch immer so nah.
P„Die Sachen aufheben, die du anscheinend runter geschmissen hast.“ provozierte sie ihn.
„Willst du mich verarschen? Ich bin jetzt ganz nah an der Grenze dir wirklich den Kopf abzureißen.“ Fast ein Versprechen. „Ich bin zu keinen Späßen aufgelegt. Also versuche mich nicht zu reizen. Was willst du verflucht nochmal hier?“
„Du trauerst.“ Konnte sie einen kleinen Funken von Verwunderung in seinen Augen erkennen, aber er verschwand genauso schnell, wie er gekommen war.
„Das geht dich nichts an.“ Wandte er sich wutentbrannt von ihr ab, als er zum Fenster hinüberging und hinaus starrte.
Es war nicht zu übersehen, welcher Zorn in ihm brannte, während er seine Hände immer und immer wieder zu Fäusten ballte. Sie ließ sich nicht beirren und hob die anderen Dinge vom Boden auf, als ihr etwas ins Auge stach. Sie war überrascht darüber. Er rührte sich keinen Zentimeter vom Fleck und schien sie zu ignorieren. Das sollte ihr ganz Recht sein.
Emmanline hatte alles ordentlich auf den Tisch gelegt gehabt und die Scherben in dem Eimer getan, der neben ihr gestanden hatte. Seltsam erschien es schon, das sie all dies tat, aber sie tat es dennoch. All das getan, verschwand sie einfach wortlos.
Raiden musste sich zügeln, bevor er komplett die Kontrolle verloren hätte. Diese Elfe hatte ihn rasend gemacht, weil er alleine sein wollte. Was fiel ihr überhaupt ein sein Arbeitszimmer zu betreten, ohne von ihm eine Aufforderung bekommen zu haben? Er hatte das Recht wütend zu sein.
Lucien hatte ihm einen Auftrag gegeben und befolgte ihn. Nicht weil er der König war. Es hatte ihn überrascht gehabt, dass sein Bruder vor hatte dem Elfenkönig einen Brief überbringen zu lassen, da sie sich schon seit Jahrhunderten nicht mehr hatten Blicken lassen. Woher bekam er diese Information, wo sich dieses Volk befand? Zumal es auch reiner Selbstmord war, denn so leicht werden sie sich nicht finden lassen. Das wäre für jede Fraktion das Leichteste. Aber seine große Neugierde war geweckt gewesen, weswegen er auch den Befehl seines Bruders befolgte.
Heute Morgen hatte er sich zu dieser Mission auf gemacht, aber als sich ein unendlicher Schmerz des Verlustes in ihm breit gemacht hatte, wäre er beinahe zusammen gebrochen. Sein Herz wäre beinahe in tausende Splitter zerbrochen, als ihm bewusst war, was es gewesen war. Seine Mutter hatte sich nach so langer Zeit ihr eigenes Leben genommen. Jeder wusste, es könnte jeden Tag soweit sein, was nun geschehen war. Heute war sie von allen gegangen, um seinem Vater in den Tod zu folgen.
Darum konnte er nicht anders und er musste nach Hause zurückkehren. Dann würde er eben später aufbrechen. Doch er konnte einfach nicht, nicht nachdem er sich so fühlte. Der Schmerz und Kummer um seine Mutter würde anderen einen großen Vorteil nutzen ihm einen Kopf kürzer zu machen. Das konnte er nicht riskieren.
Das war der Grund warum er wutentbrannt sein Zimmer verwüstete und dabei Dinge zu Bruch gingen. Doch musste er sich eingestehen, dass er mit der kleinen Elfe nicht gerechnet hätte.
Ohne seiner Aufforderung war sie eingetreten. Er hatte ihr gedroht gehabt, damit er ihr Angst einjagen konnte und darauf verschwand. Ihr Blick war unberührt gewesen. Wenn sie Gefühle besaß, dann konnte sie die sehr gut verbergen.
Seit sie auf dem Hof war, behielt er sie im Auge. Nicht weil er scharf auf sie war oder aus Neugierde, sondern damit sie keinen dummen Fehler beging seinem Volk Schaden zu zufügen. Manchmal hätte er sich vielleicht gewünscht, sie würde einen dummen Fehler begehen, aber nichts geschah. Zumal sich seine finstere Seite dem widerstrebte ihr wehtun zu wollen. Wenn er ihr so oft weh tun wollte, warum hatte er sie mehr als einmal beschützt? Vor seinem Bruder? Oder sogar vor seiner Mutter? Nun gut, er hatte sie beschützt gehabt, weil sie etwas von Jesaja wusste. Diese Chance durfte er sich damals nicht entgehen lassen. Tot hätte sie ihm nichts genützt.
Etwas an ihr war anders und jetzt gestand er sich ein, dass doch eine gewisse und reine Neugierde in ihm herrschte. Das er sie permanent beobachtete, lag auch daran, weil er gehofft hatte, etwas zu sehen, was niemand sah. Vielleicht würde er etwas heraus finden, wenn sein gewisser Bruder nicht wie ein Hund ihr hinterherlaufen würde. Das war schon witzig, denn Lucien lief nie einer Frau hinterher. Es war widersprüchlich in sich selbst, wobei er sich fragte, ob Lucien es überhaupt bemerkte. Lucien hatte sich verändert. Sie hatte ihn verändert. Auf welche Art und Weise?
Es war eine Erkenntnis, die ihm schon länger gekommen war. Hier auf dem Hof und Gut würde noch eine Menge passieren, was er zu spüren wusste. Als wenn sich etwas ganz großes auf den Anmarsch machte. Nur konnte er nicht sagen, ob es was Gutes oder Schlechtes war.
Wie hypnotisiert hatte er aus dem Fenster geschaut gehabt. Wütend über alles und jeden. Gerade noch konnte er seinen Zorn zügeln, die Wut nicht an der kleinen Elfe auszulassen. Raiden spürte, dass sie sich nicht mehr im Raum befand. Ruckartig drehte er sich um und sie war verschwunden. Warum hatte er das nicht mitbekommen? War er so in seinen Gedanken verstrickt gewesen, dass er nicht einmal mitbekommen hatte, wie sie gegangen war?
Mit einem aufmerksamen Blick, sah er, wie all die Utensilien, die er zuvor vom Tisch gefegt hatte, säuberlich, getrennt und ordentlich auf dem Schreibtisch lagen. Unwillkürlich hob er eine Augenbraue. „Dumme Elfe.“ Knurrte er.
Während er auf seine ordentlichen liegenden Sachen starrte, viel ihm etwas auf. Mit gerunzelter Stirn ging er zu seinem Schreibtisch hin und hob eine kleine getrocknete Blume auf, die ganz oben auf dem Stapel der Papiere lag. Wenn er sich nicht irrte und ihm sein Geruch nicht im Stich ließ, dann war dies eine Kamille. Wer legte denn bitteschön eine kleine Blüte in sein Zimmer? Ihm wäre diese kleine weiße Blüte, mit dem beruhigenden Duft sofort aufgefallen. War es die Elfe gewesen? Das konnte nicht sein, denn er hatte diese Art von Duft nicht an ihr wahrgenommen. Wobei seine Gedanken und Sinne gerade eine kleine Auszeit nahmen.
Ein kleiner Blitz durchzuckte ihn, als ein Teil seiner Vergangenheit an die Oberfläche auftauchte.
Wie immer saß er schwer beschäftigt in seinem Arbeitszimmer. Jeder Tag war wie jeder andere auch und er verspürte innerlich eine große Trostlosigkeit, das sich tiefer in seine Seele fraß. Melancholisch wurde sein Gemüt und daraus eine wirkungsvolle Desinteresse.
„Wenn das so weiter geht...“ Knurrte er ermüdet und frustriert auf. „...dann werde ich eines Tages noch verrückt.“ Was durchaus passieren könnte, wenn nicht irgendwann etwas interessantes passierte, was dem Mann und dem Drachen gleichermaßen faszinierte.
Drachen im hohen Alter konnten schnell in einer Melancholie verfallen und das war nie ein gutes Zeichen, weil sie sonst Wege einschlugen, die nur mit Gewalt und Blut vergießen zu tun hatten. Das war nicht wirklich sein Weg den er einschlagen wollte. Vielleicht alles anderes, aber nicht abhängig von seinen Trieben. In einem Rausch verfallen, wo er der Raserei anheimfiel. Einmal diesen Schritt getan und er wäre verloren, wo er niemals hätte heraus kommen können.
Seine Muskeln schmerzten ihm, als er sich in seinem Stuhl zurück lehnte und sich ermüdend mit seinen Fingern durch sein Haar strich.
Raiden hatte vor einigen Jahrzehnten den Posten als Botschafter nur angenommen gehabt, weil sein Vater ihn darum gebeten hatte und weil er gehofft hatte, somit sein Überdruss los zu werden. Zu Anfang hatte es auch geklappt, aber umso schneller kam dieses Gefühl zurück. Es wäre vielleicht anders, wenn sein Vater nicht versuchen würde mit einigen Fraktionen Pakte, bezüglich mit Frieden oder Waffenstillstand, zu vereinbaren. Wo waren nur die Zeiten der Kriege gewesen? Wo einer sich austoben konnte?
Es wurde mal wieder an der Zeit, dass er jagen gehen sollte und sich einfach nur seinen Instinkten hingab. Er und sein Drache brauchten das, genossen jeden Flug in den Lüften der Freiheit. Heute Nacht beschloss er, würde er sich ausgiebig seinen Trieben nach geben. Sei es Jagdinstinkte oder rein sexueller Natur. Vielleicht sollte er sich da auch mal ganz austoben. Oder sogar gleich beides zusammen.
Ein süßlicher Duft stieg in seine Nase, den er zuvor noch nicht wahrgenommen hatte. Er müsste irgendwo aus seinem Zimmer kommen. Kurz blickte er sich um und folgte dem Geruch. Er war nicht weit von ihm entfernt und zerwühlte ein paar Papiere auf seinem Tisch, aber fand nichts. Aufgeben tat er nicht, weil er wusste, dass hier etwas war.
Leicht konnte er schon erahnen was er finden würde und wie er schon gedacht hatte, entdeckte er eine kleine Blume, die durch die Stapel seiner Papiere etwas zerdrückt wurde. Schwarze Blütenblätter die sich wie Samt anfühlten, wenn er sie mit seinen Fingern berührten. Vollkommen Schwarz mit einem lila Schimmer, wenn das Licht günstig drauf fiel. Sie war wirklich schön anzusehen, dabei hegte er kein großes Interesse Blumen und Pflanzen gegenüber.
Ein kleines Lächeln breitete sich auf seinen Mundwinkeln aus. Raiden wusste, warum diese zarte Blume, die er mit einem Nichts zerstören konnte, hier bei ihm befand. Seine kleinste und jüngste Schwester hatte sich irgendwie zur Aufgabe, nein, zu eine Art Hobby gemacht, in jedem Winkel seines Arbeitszimmer Blumen verschiedener Arten und Farben zu verstecken.
Zu Anfang hatte er sich immer gewundert, wer so dreist war, sich in sein Arbeitszimmer zu wagen, oder wer solch einen Unsinn tat. Er hatte es mit reiner Dummheit und Zeitverschwendung abgetan, aber nur solange, bis er heraus gefunden hatte, wer Schuld daran trug.
Einmal hatte er seine kleine Schwester dabei erwischt, wie sie in sein Arbeitszimmer geschlichen war. Vor Amüsant kichernd. Als Erstes wollte er sie darauf hinweisen, wie oft er ihr schon gelehrt hatte, dass sie nicht in sein Zimmer gehen sollte und durfte, aber zügelte sich sofort, als er an der Tür gestanden und sie beobachtet hatte. Während sie einen günstigen Platz aussuchte, wo sie ihr neues Präsent verstecken konnte, beobachtete er sie dabei. Sie strahlte über das ganze Gesicht, ihre Augen leuchteten fröhlich und ihr Kichern des Glücks ließen sein Inneres erwärmen. Malatya war so unschuldig und hatte eine freie und nicht bändigende Art an sich. Sie war das Energiebündel unter seinen Geschwistern, die ausgelassen war. Kein Wunder, sie war erst zwanzig, was das Alter von fünf Jahren entsprach, wenn es zu anderen Völkern verglichen wurde. Sie war die reine Unschuld.
Wie also konnte er ihr diese Freude nehmen, wenn er sie jetzt darauf hinwies, dass sie nichts in seinem Arbeitszimmer zu suchen hatte?
Vor einiger Zeit hatte sie damit angefangen und versteckte immer wieder eine Blume. Es war schon eigenartig und er würde gern den Grund dafür wissen, warum sie das tat. Doch er wollte sie nicht darauf ansprechen. Noch nicht.
Die neu erstandene Blume nahm er zwischen seinen Fingern und begutachtete sie erneut. „So verrückt.“ Schmunzelte er und stand auf, als er zu seinem Bücherregal hinüber ging. Er besaß so viele Bücher, dass er irgendwann aufgehört hatte zu zählen, die er sich in seinem ganzen Leben angesammelt hatte. Sie hatten die unterschiedlichsten Einschläge und ziemlich in der Mitte zog er ein rein weißes Buch heraus, welches er öffnete. Seiten blätterten sich beim aufschlagen automatisch um. Es war ein hütendes Buch, was er vor sehr langer Zeit erstanden hatte, aber wusste nicht, für welchen Gebrauch er dieses Buch überhaupt nutzen sollte. Doch das hatte sich schon längst geändert. Nun hatte es einen Nutzen, indem er so viele kleine, mittlere und großen Blumen beherbergte. Eine kleine Ansammlung, die er sich zugelegt hatte.
Wie könnte er denn all die kleinen Geschenken und Gesten seiner kleinen Schwester missachten und wegwerfen? Das hätte er niemals übers Herz gebracht, denn es zeigte ihre Zuneigung zu ihm, was er niemals verlieren wollte. Sie war die Jüngste und sie lag ihm, wie all den anderen seiner Geschwister, sehr am Herzen. Sie war das kleine Nesthäkchen in der Familie.
Vorsichtig, wie er jede Blüte behandelte, legte er sie zu all den anderen. Verschiedene Arten von Gerüchen stiegen ihm in die Nase, als er dieses behütende Buch aufgeschlagen hatte. Niemand würde es öffnen können, weil ein Zauber es zu verhindern wusste. Nur er konnte es. Nicht einmal Feuer konnte es zerstören und das sollte was heißen, welche Magie darauf lastete. Woher das Buch stammte, dass wusste er nicht. Er hatte schon oft versucht heraus zu finden, woher es kommt, aber er hatte schon längst mit der Suche aufgehört gehabt. Es war ein sinnloses Unterfangen gewesen.
Einen kurzen Augenblick kostete er den Anblick aus, bevor er das Buch wieder zuschlug und es wieder zwischen all den anderen Büchern schob.
Da kehrte Raiden mit seinen Gedanken langsam wieder in die Realität zurück. Es war eines seiner schönsten und guten Rückblicke in seine Vergangenheit gewesen, als er sich daran erinnerte. Seit langem hatte er schon keine Blume mehr von Malatya bekommen. Kein Wunder, denn er war ständig, durch seine Pflichten als Botschafter, unterwegs. Dabei war sie auch eine längere Zeit auswärts gewesen. Anscheinend hatte sie jetzt ihre einmalige Chance genutzt und es erneut getan.
Wo die kindlichen Gesten von ihr aufgehört hatten, war er schon etwas enttäuscht gewesen und deswegen waren ihm auch all die Erinnerungen in den Hintergrund gerückt. Erst jetzt konnte er sich daran erinnern und es entlockte ihm ein erneutes Lächeln, welches sofort verschwand. Abrupt stand er auf und verließ sein Arbeitszimmer, schritt den Gang hinauf. Endete nicht eher mit seinen Schritten, bis er vor einer Tür stehen blieb. Leise Stimmen konnte er darin vernehmen, die ihm mehr als bekannt waren. Ohne zu zögern trat er ein. Was er da sah, ließ ihn stutzen. Dies war das Zimmer seiner kleinen Schwester.
„Na, wurdest du auch zusammen gestaucht?“ Sprach seine kleine Schwester Jade, die in einem weichen Sessel mit bunten Blumen saß.
Jade war nicht die Einzige unter seinen Geschwistern, die sich hier im Malatyas Zimmer befanden. Alle, wirklich alle befanden sich hier in einem Raum. Selbst die Anwesenheit seines schweigsamen und mörderischen Bruders Alastar. Es war nicht zu fassen, aber er war hier. Auch wenn er sich im Hintergrund hielt und an einer Wand lehnte, wo er finster vor sich hin brütete.
Einzeln blickte er jeden an. „Nein. Warum?“ Dachte er noch einmal über die Frage von ihr nach. „Von wem?“
„Sie hat uns nicht zusammengestaucht.“ Widersprach Lya ihrer Schwester. Sie saß auf dem Bett, neben Lucien, der die schlafende Malatya im Arm hielt. „Sie hat uns lediglich nur auf etwas aufmerksam gemacht, was wir beinahe vergessen hätten.“ Sprach sie weiter und drehte ihren Kopf zu ihrer kleinen Schwester um, während sie ihr zärtlich und sorgenvoll über den Kopf streichelte.
„Ihr meint die Elfe?“ Wandte er ein. „Sie war zwar bei mir aufgetaucht, aber sie hatte nichts zu...“ Verstummte er plötzlich, als er seinen Arm hob. Noch immer befand sich die Blume in seiner Hand und er hatte verstanden. Unbewusst hatte sie es doch getan und das ärgerte ihn ein klein wenig.
„Redet nicht so beiläufig von ihr, als wäre sie ein Thalon.“ Knurrte Lucien drohend und alle blickten ihn an. Thalon waren so was wie die niedrigsten in der Dämonenfraktion. Sie konnten die Gestalt eines schwarzen Wiesels von etwa zwei Spann Schulterhöhe und kämpften mit einer unvorstellbaren Wildheit. Nur passte die unvorstellbare Wildheit nicht zu ihr.
„Fällt euch überhaupt nicht auf, das zum ersten Mal, seit sehr langer Zeit, wir uns alle in einem Raum befinden? Wann war es das letzte Mal gewesen?“ Machte Lucien allen auf etwas aufmerksam.
Jeder schaute jeden an und Erkenntnis blitze in ihren Augen auf.
„Er hat Recht. Das gibt es ja nicht.“ Brachte Ysera die ersten Worte raus. „Ich komme mir da so dumm und reingelegt vor.“ Etwas ungestüm.
Zum ersten Mal kamen die Zwillinge zu Wort. „Dumm und reingelegt ist verkehrt dahin gesagt.“ Meinte Lodan. „Wir wissen alle hier, seit der Ankunft von Emmanline, wie sehr wir sie beobachten. Niemand sollte leugnen, dass keiner sie nicht im Auge behält.“ Wandte er sich an jeden.
„Wir glauben, sie weiß überhaupt nicht, was sie wirklich da tut.“ Stellte Taran fest.
„Natürlich weiß sie nicht was sie da tut.“ Luciens Stimme ernst und eisern.
Raiden fragte sich, ob sein Bruder überhaupt bemerkte wie besitzergreifend er ihr gegenüber eigentlich war. Er verteidigte sie in jeder Lage und es brachte ihn zum grübeln. Irgendwas steckte doch dahinter.
„Emmanline,...“ Will Lucien weitersprechen. „...sie scheint eine Art an sich zu haben. Sie kann nicht anders. Es liegt in ihrer Natur zu helfen. Schaut euch nur Malatya an.“ Blickte er zu ihr herab. „Sie kann sich in ihre Drachengestalt verwandeln, welche Hoffnung wir niemals gewagt hätten. Wir wissen alle, wie sehr unsere kleine Schwester darunter gelitten hat. Als ich sie das erste Mal sah, wo sie ein Drache gewesen war, da traute ich meinen Augen nicht. Emmanline war die Einzige die es möglich gemacht hatte, ihr das zu geben. Dabei wäre es ihr gutes Recht, uns nicht zu helfen. Aber sie hatte es trotzdem getan. Aus einem guten Grund.“ Schaute er zu jeden seiner Geschwister.
„Und was soll das sein?“ Eine eisige Stimme, wie der kälteste Gletscher. Alastar haftete seinen Blick auf Lucien, der bohrend war. „Wollt ihr euch jetzt von dieser Elfe täuschen lassen, nur weil sie ein Wunder vollbracht hatte, was andere nicht vermocht hatten?“ Jede Silbe klang wie das ätzen von Säure. „Dann seid ihr dümmer, als ich dachte.“
„Treibe es nicht zu weit, Alastar.“ Eine Messerschneidende Drohung.
„Sie hat es wegen Malatya getan.“ War eine zärtliche und warme Stimme, unter all der Aggressionen zu hören. Sie durchschnitt diese Stimmung wie eine scharfe Klinge. „Lucien hat Recht. Emmanline bräuchte sich nicht dazu verpflichten uns zu helfen. Seit ich auf diesen Hof bin, habe ich bemerkt, wie Malatya ihre Nähe sucht. Als würde sie von ihr angezogen.“ Sprach Lyas Stimme ruhig weiter.
„Was wenn sie sich unser Vertrauen erschleichen will? Was dann?“ Gab Alastar noch nicht auf. Es war nicht zu übersehen, wie sehr er diese Elfe hasste.
„Nein.“ Widersprach dieses eine Worte alles, was in diesem Raum gesagt wurde. „Sie ist nicht so.“ War Malatya aufgewacht, während sie sich auf setzte.
„Hey, meine Kleine.“ Wollte Lya sie in den Arm nehmen, aber aller Erstaunen zog sie sich zurück.
Alle waren sprachlos darüber. Auch als sie alle mit einem verbissenen Blick anstarrte.
„Was ist nur los mit dir?“ Lucien fraglich, aber sie sprang zurück, als er sie berühren wollte.
Steif stand Malatya neben dem Bett und ihr kleiner Körper bebte vor Zorn und Schmerz. „Ihr wart nicht da gewesen.“ Flüsterte sie die Worte heraus. „Keiner.“ Schluchzte sie leise. „Emmanline ist gut und nicht böse. Auch wenn ich noch nicht lange wieder Zuhause bin, aber sie war immer ehrlich. Ich konnte es spüren. Sie hat mir geholfen und meiner Drachin, wo wir es am dringendsten brauchten.“ Unterbrach sie sich und biss sich auf ihre Lippen, weil sie nicht weiter sprechen wollte.
Sie wusste, dass es stimmt. Sie wusste, Emmanline hatte nie etwas böses im Sinn. Ihre Drachin hatte es ihr bestätigt und sie vertraute ihr. Es waren die Instinkte eines Raubtieres, stets auf der Hut.
„Was willst du uns damit sagen, Süße?“ Konnte sie Lyas Stimme wahrnehmen.
Dann war Schluss. „Ich will damit sagen, dass mir Emmanline mehr gegeben hatte, als ihr alle zusammen, was ich von euch bekommen hatte.“ Schrie sie fast.
Ihr war es egal gewesen wie schockierend und wie entsetzt sie sein mögen, aber sie konnte ihre Wut, Trauer, Schmerz und Ängste nicht mehr unterdrücken.
Sie taumelte einen Schritt zurück und schniefte einmal. „Mein ganzes Leben hat es mir weh getan, das ich mich nicht verwandeln konnte, wie es ihr konntet. Ich hatte euch beneidet und war auch eifersüchtig und wütend auf euch alle. Auf alles und jeden.“ Rückte sie mit allem raus, was sie bedrückte. „Ich hatte euch beneidet, wie ich euch sehen konnte, wie ihr vor Freude im Himmel wart. In mir steckte eine so große Sehnsucht, aber ich konnte sie nie befriedigen, wenn ich es am dringendsten gebraucht hätte. Natürlich, ich bin aus der Königsfamilie und sollte mich beherrschen keine Schwäche zu zeigen, aber ich habe es so satt. Ihr mochtet vielleicht da gewesen sein, aber ich habe es oft nicht als dem empfunden. Ich habe mich darüber gefreut euch alle zu sehen, weil ihr meine Geschwister seid und weil ich euch lieb habe, aber niemand hatte mich je verstanden, wie es in mir ausgesehen hatte. Niemand. Nicht einmal Mutter oder Vater.“ Liefen ihr die ersten Tränen über ihre Wange. „Emmanline wusste es. Sie hatte es gewusst, wie ich mich gefühlte und wie es in mir aussah. Ich kann nicht sagen warum, aber ich wusste es einfach. Und noch mehr wusste ich, als sie meinen Geist berührt hatte, als ich ihr die Erlaubnis ergab.“
„Wie bitte? Du hattest ihr erlaubt in deinem Geist herum zu werkeln?“ Brach entsetzen aus.
„Ja habe ich.“ Trotzig und reckte das Kinn nach oben, was sie noch nie getan hatte. „Sie hat nie etwas getan, was mir hätte weh getan. Sie hatte mir nur den Weg gezeigt, wie ich geistig meine Drachin erreichen konnte. Ihre Stimme...“ Senkte sie ihren Kopf, als könnte sie noch immer die sanfte und liebevolle Stimme von Emmanline hören. „Ihre Stimme war ermutigend gewesen und sie hatte nicht aufgegeben mir Zuspruch zu geben. Obwohl ich immer wieder aufgeben wollte. Sie war da gewesen und geblieben. Bis ich am Ziel war.“ Wurde ihr Klang leiser und sie erhob ihre Hände, um auf sie zu starren.
Malatya zuckte zusammen, als sich eine Hand auf ihr Schulter legte und als sie aufblickte, schaute sie in die Augen von Raiden. Sein Blick war entschuldigend und mitfühlend, was sie bei ihm noch nie gesehen hatte.
„Niemand wollte dich so verletzen, kleine Blume.“ Lächelte er sie leicht an. Nur Raiden nannte sie so und sie wusste auch warum. „Erinnerst du dich?“ Hielt er eine kleine getrocknete Blume hoch, welche sie zwischen seinen Sachen im Arbeitszimmer gelegt hatte. Sie wusste, dass sie nicht in sein Zimmer gehen durfte, aber sie hatte es dennoch getan gehabt. Aber nie hatte Raiden sie zur Rechenschaft gezogen. Erst hatte sie immer gedacht, er würde nicht merken das sie es war, aber er hatte es schon immer gewusst.
Eine leichte Röte zeigte sich auf ihren Wangen. „Ich wollte dir immer eine Freude machen, wenn du so traurig und bedrückt gewesen warst.“ Gab sie zu.
Seine große Hand legte sich auf ihre Wange und er blickte sie sanft an, wie ein großer Bruder es seiner kleinen Schwester gegenüber tat, die er liebte. „Ja, das weiß ich. Ich hatte mich auch immer sehr darüber gefreut, auch wenn ich dir verboten hatte, dass du nicht mein Arbeitszimmer betreten solltest. Am Anfang war ich böse gewesen, bis ich dann wusste, warum. Mir ist heute aufgefallen, das ich es doch sehr vermisst hatte, eine Blume von dir zu bekommen.“ Gestand er ihr.
Im ersten Augenblick war sie geschockt über seine offene und ehrliche Art. Das hatte er noch nie getan.
„Das ist eine Kamille.“ Blickte sie ihn an.
Sein Lächeln mochte sie. „Ja, ich weiß.“
„Diese Blume habe ich für dich ausgesucht, weil sie eine Bedeutung hat, die ich dir geben wollte.“
Jetzt konnte sie Verwunderung in seinen Augen sehen. „Ach, wirklich? Was für eine?“
Diesmal war es an ihr, die Hand auf seine Wange zu legen, auch wenn sie klein war. „Sie soll dir Trost und Hoffnung geben. Emmanline sagte mir was sie bedeutete und da wusste ich, die möchte ich dir schenken. Du warst immer so abwesend und trostlos.“ Ein kleines zögerndes Lächeln. Alles um sie herum war mit Stille getränkt.
Am liebsten hätte sie gesagt, er solle was sagen, aber seine Antwort auf das, war eine starke Umarmung von Raiden.
„Danke dir.“ Seine Stimme heiser und sie klammerte sich fest an ihn.
Eine weitere Hand legte sich auf ihre Schulter und erneut blickte sie zu der Person hin. Lucien hatte sich auf die Bettkante gesetzt gehabt und lächelte sie herzlich an. Ja, Lucien hatte sie stets auch so in den Arm genommen, wenn er zu Besuch kam, aber es hatte ihr immer gefehlt gehabt, wenn er weg gewesen war.
Langsam ließ sie ihren Blick zum einem zum anderen wandern. Alle sahen sie warm an und sie wusste, dass es ihnen leid taten. Wie könnte sie je böse auf ihre großen Brüdern und Schwestern sein? Dazu liebte sie sie zu sehr.
Zum ersten Mal fühlte sie sich von all dem Druck und der Sehnsucht befreit, die auf ihr gelastet hatte.
Wie erstaunlich das doch war. Zum ersten Mal saßen all seine Geschwister in einem Raum und keiner machte Anstalten, sich dagegen zu wehren. Das sie jetzt hier alle so gemeinsam saßen, verdankte er nur Emmanline. Erneut hatte sie etwas getan, was sie besonders machte. Am liebsten hätte er voller Stolz gelächelt, aber seine Gedanken machten ihm einen Strich durch die Rechnung. Er musste daran denken, was er ihr alles angetan hatte. Was er gesagt und wie er gehandelt hatte.
Natürlich hatte er um Vergebung gebettelt, während er ergebend ihr gegenüber getreten war. Sein Stolz war ihm in diesem Moment Scheißegal gewesen. Zum Teufel damit, hatte er sich gedacht gehabt. Wenn er sie so um Vergebung bitten konnte, würde er alles tun, dass sie ihm verzieh.
Das Problem war, als er sein Haupt vor ihr gesenkt hatte, war es aus Reue gewesen. Er hatte es stets vor seinen Eltern getan, aber nie vor jemand anderen. Da Emmanline ihm wichtig war, bat er so um Entschuldigung. Als er auch meinte, er wüsste nicht, wie er sie um Entschuldigung bitten sollte und das er sich eine Menge zurecht gelegt hatte, wusste er nicht, wie er es anstellen sollte. Es gab keine richtigen Worte für seine Tat, die er seiner Seelengefährtin gegenüber angetan hatte. Das wusste er und diese Konsequenzen spürte er gerade am eigenen Leib. Es fühlte sich so an, als würde etwas in seiner Brust zerreißen, das schmerzhaft war.
Letzten Endes hatte sie nichts gesagt, um ihm Erlösung zu geben. Stillschweigend hatte sie ihn angestarrt, als er ins Zimmer getreten war. Er hatte es nicht gesehen, wie sie ihn angeschaute, aber fühlen konnte er es. Er hatte in diesem Augenblick diese erdrückende Stille gehasst, denn so schwer hatte es auf ihm gelastet gehabt.
Kurzes Rascheln ihrer Kleidung konnte er wahrgenehmen und er war neugierig gewesen, was sie tat. Was er sah, blieb ihm schier die Luft weg und das Herz stehen. Emmanline streckte ihm ihre Hand hin und ihr Blick sprach überhaupt keine Worte. Wie sollte er darauf reagieren?
In ihm stieg nackte Angst auf, aber er konnte es ihr nicht so zeigen, wie verloren er sich gerade fühlte. Ja sicher, es wäre ratsam es zu tun, aber die Angst, sie würde ihn dann zurück stoßen, war schlimmer, als sich irgendwo eine scharfe Klinge in die Brust zu bekommen. Das war nichts dagegen, was er dann erleiden würde.
Verflucht, diese Frau hatte ihn vollkommen in der Hand und sie wusste es noch nicht einmal. Da war fraglich, sollte er jubeln oder einfach nur bestürzt darüber sein?
Es war zum verzweifeln, aber er war darüber bestürzt. Sie sollte es wissen. Alles sollte sie wissen. Aber stell das einmal richtig an, denn seine ganzen Ideen gingen ihm aus. Lucien wusste, was er getan hatte, konnte er nicht mit besonderen Orten oder anderen unwissenden Dingen wieder wett machen. Diesmal hatte er es wirklich vermasselt und steckte in einer riesigen Klemme.
Verwehren konnte er es sich trotzdem nicht, auch wenn sie kein Wort sagte, dass er nach ihrer Hand greifen musste. Sein Körper bewegte sich von ganz alleine und so schnell konnte er auch nicht schauen, da hatte er diese kurze Entfernung überbrückt.
Ihre Hand war so klein und zart, das er nur mit einem Griff ihre Hand zerquetschen konnte. Aber er war bedacht und vorsichtig. Langsam und aufmerksam setzte er sich neben ihr aufs Bett, wo er augenblicklich seine Stirn gegen der ihren legte. Endlich konnte er einmal Atem schöpfen, während er ihren zarten Duft einatmete. Wie er ihn vermisst hatte.
Lucien fand keine richtigen Worte, als er sprach und er konnte einfach nicht. Nichts würde dem gerecht werden, was es als Ausgleich dafür gab, damit sie ihm verzeihen würde, denn auch jetzt sagte sie kein einziges Wort darauf, was ihn betraf. Diese Frau ließ ihn leiden.
Ihre zarte Stimme erhob sich, aber es war nicht das gewesen, was er erwartet hatte. Seine kleine Schwester brauchte ihn und sie hatte vollkommen Recht. Auch dafür sollte er sich rügen. Die ganze Zeit hatte er nur an sich gedacht, seine Wut ausgelassen und vergessen, was wichtig war. Malatya war noch so klein und unschuldig, dass sie furchtbar darunter leiden musste, da ihre Mutter den Tod gewählt hatte. Niemand hatte sich um sie gekümmert, außer Emmanline, die trotz allem gutherzig war.
Wie konnte ich dann nur behaupten, dass sie keine Gefühle in sich trägt? Sie wusste, wie es ist jemanden zu verlieren, weil auch sie einen schmerzhaften Verlust hinter sich hatte. Sie hatte genauso ihre Mutter verloren. Wieso nur, konnte ich all diese Behauptungen stellen, wenn ich überhaupt keine Ahnung von ihr habe?
Er sollte sich schleunigst was einfallen lassen, dass sie ihm vergeben sollte. Am besten wollte. Er konnte sie dazu nicht zwingen.
Auf schmerzhafte und schockierender Weise zeigte Malatya zum ersten Mal, welche Gefühle in ihr steckten. Es kam zum Ausbruch ihrer Gefühle. Jeder einzelne in diesem Raum, konnte er spüren, das es sie traf. Selbst bei Alastar konnte er leicht eine Zurückhaltung seiner Gefühle wahrnehmen. Lucien wusste, auch wenn sein Bruder kaum anwesend war, so gut wie nie, welche Einsamkeit in ihm wohnte. Er wurde mit der Aufgabe geboren, die ihn dazu zwang, Abtrünnige seines Volkes zu jagen und zu exekutieren. Dadurch war ihm bewusst, welche große Einsamkeit und Kälte in ihm wohnte. Alastar musste seine ganzen Gefühle unterdrücken, die ihn dazu zwangen, seine eigenen Leute zu töten. Würde er es nicht tun, würden ihn all seine Gefühle einstürmen und ihn zerstören. Dafür zollte Lucien Respekt vor ihm. Sein Bruder war am schlimmsten mit einem Fluch belegt, als sie alle zusammen.
Deswegen, nur weil er ohne Gefühle leben musste, bedeutete es noch lange nicht, dass er seiner Familie so gegenüber treten musste. Schließlich gehörte er in jeder Form zu ihnen. Er zeigte es nur nicht.
„Ich muss noch einmal fort.“ Stand er auf, denn alles in ihm drängte ihn, er müsse zu seiner Seelengefährtin. Irgendwas in ihm rührte sich, dass mit ihr nichts stimmte. Er musste zu ihr.
„Tue das. Ich glaube du musst eine Menge bei ihr gut machen.“ Blickte Raiden ihn dabei an.
Ein gezwungenes Lächeln erschien in seinem Gesicht, denn die Worte seines Bruders waren untertrieben. „Ja, dass muss ich wohl. Ich werde später noch einmal vorbei schauen.“ Hoffend das Emmanline mit dabei sein würde. Darum verschwand er einfach aus dem Zimmer. Raiden sagte noch zum Schluss, in welche Richtung sie gegangen war. Aber er hätte es nicht wissen müssen, denn er wusste es auch vorher schon. Wenn er schon daran dachte, an welchen Ort sie sich begab, graute es in ihm. Er fühlte sich verdammt schlecht dabei, denn das würde nichts mehr recht fertigen, was er ihr da angetan hatte. Er sollte sich dafür selbst verfluchen.
Es war nicht so das er die Zeit aufschieben wollte, während er zu Emmanline ging, aber es kam ihm nur wie eine Ewigkeit vor. Seine Füße fühlten sich wie Blei an und alles in ihm rumorte. Sein inneres Gefühl war schlecht, sowie er sich auch fühlte. Nur gab es keinen Weg drum herum, wenn er sie haben wollte. Er musste es tun.
Lucien begab sich in den Wald, wo sie immer hin ging, wenn sie alleine sein wollte, oder all dem nur entkommen wollte. Sein Herz wurde verdammt schwer und es drohte ihm in die Hose zu sinken, als er sie sitzend auf dem Boden Vorwand. Zwischen all der schwarzen Asche, die überall benetzt war. Es war wie ein Kohlraben schwarzer Teppich, der alles bedeckte und nichts war von ihm und seinem Feuer verschont geblieben.
Diese Tat würde sie ihm nie vergeben.
„Verschwinde.“ Ihre Stimme rau und erstickt.
„Emman...“ Wollte er ansetzen.
„Ich hatte gesagt, du sollst verschwinden.“ Schrie sie wutentbrannt. Er war regelrecht zusammen gezuckt, als er ihre schneidende Stimme hörte, die nichts gegen die eisigste Kälte war.
Ihr ganzer Körper bebte vor unterdrückter Wut und sie konnte sich einfach nicht mehr beherrschen. Was er hier getan hatte, brachte jedes Fass zum überlaufen. Nein, jeden Vulkan zum Ausbruch, verbesserte sie sich.
Vorhin wollte sie einfach nur fort gehen. Weit weg, von all dem Schmerz und Leid, die im Schloss herrschten, bevor sie selbst davon ergriffen wurde. All dem wollte sie entgehen und wollte sich zu ihrem einzigen Platz zurück ziehen, den sie hier mochte und sich erschaffen hatte. Es war das Einzige was sie hier mochte und wo sie sich auch wohlfühlte. Sie wollte unter der ganzen Natur ihre Ruhe und Zuflucht finden, wie sie es stets auch getan hatte. Aber nun war alles in einer schwarzen Schicht von Asche überdeckt. Alles was sie erschaffen hatte, all diese unsagbar schöne Natur mit ihrer Vielzahl an Pflanzen und Blumen, wurde alles niedergebrannt. Ein Feuer hatte hier getobt und sie wusste wessen Flammen es gewesen waren. Wie konnte Wut und Zorn nur so grausam sein, dass man so was schönes nur zerstörte?
Zu Anfang hatte sie Hoffnung daran gehegt, das vielleicht noch irgendeine Pflanze oder Blume überlebt hatte, aber nichts war verschont geblieben. Anhand ihrer Kohlraben Schwärze an ihren Händen bestätigten das Ergebnis dazu. Überall war sie mit Ruß beschmiert. Auf ihrer Kleidung und sogar in ihrem Gesicht. Warum nur all das?
Keineswegs wollte er gehen und das brachte ihr Blut zum kochen. Noch nie hatte sie solch eine Wut verspürt, hatte es stets unterdrückt, weil nichts all dem Wert war, die Wut freien Lauf zu lassen. Aber jetzt...ungezügelt und brodelnd wütete ihre Wut in ihr. Ihr ganzer Körper bebte.
„Was habe ich dir getan, dass du hier alles in Asche verwandelst?“ Ihre Stimme vorerst noch beherrschend, aber diese eiskalte Kälte war darin nicht zu überhören. „Stets habe ich mich immer verhalten, mich zu fügen und teilweise es zu akzeptieren. Aber weißt du was?“ Stand sie auf und wandte sich sehr langsam zu ihm um. Oh ja, sie konnte gut verstehen, das er geschockt von ihr war und ihr verfluchtes Recht. Noch nie zuvor in ihrem Leben fluchte sie oder brach in Raserei ihrer Gefühle aus. Doch dieser eine Drache hatte es tatsächlich geschafft. Mochte ihr Gesicht vor Zorn verzerrt sein. Ihre Augen sollten all ihrer Wucht preisgeben, was sie jetzt dachte und wie sie sich fühlte. „Langsam verstehe ich.“
„Emmanline...“ Flüsterte er und wollte einen Schritt auf sie zu kommen.
„Wage es nicht mir nur einen Schritt näher zu kommen.“ Drohte sie ihm, denn diesmal würde sie alles dran setzen, damit sie ihn verletzen konnte. In diesem Augenblick war sie zu allem fähig und sie würde sich all ihrer Kräfte nachgeben, die sie dachte, sie würde sie nicht besitzen. Eine unsagbare Macht bahnte sich in ihr auf. Diesmal war sie fähig dazu und es sollte sie schockieren das ihre wahre Natur dazu fähig war. Andernfalls würde sie keine Reue dafür verspüren.
Sofort war er stehen geblieben und sie erkannte seine Körpersprache. Alles schien in ihm zu widerstreben.
„Ihr Drachen, vor allem du.“ Betonte sie extra seine Person. „Du nimmst dir alles heraus, was dir recht ist. Du nimmst jedes Mittel, um deine Ziele zu erreichen, egal ob im guten oder bösen Sinne. Du achtest keinen Deut darauf, wie sehr du andere dadurch verletzt. Denkst du auch nur einmal darüber nach? Nein? Dann solltest du jetzt einmal damit anfangen.“ Wurde sie immer lauter und sie hielt sich nicht hinterm Berg. Nun waren die Grenzen überschritten, dem sie nicht wieder zurück schreiten könnte. „Für einen Augenblick hatte ich wirklich geglaubt ihr wärt anders, als...
„Das sind wir.“ Unterbrach er sie kleinlaut.
„Ruhe. Jetzt rede ich.“ Ermahnte sie ihn drohend und mit gehobenen Finger, er habe zu schweigen. „Ich hatte angenommen ihr wärt anders als er. Nichts von dem unterscheidest dich mit ihm, denn du nimmst wie er alles. Alles was ich je besaß, nehmt ihr mir einfach. Alles was mir lieb und teuer gewesen war und ich hatte nie viel gehabt, was ich mein eigen nennen konnte. Nun das.“ Streckte sie ihre Arme zu allen Seiten aus und deute um sich herum, damit er das Ausmaß wirklich wahrnahm. „Es war hier das einzige an diesem Ort, wo ich für Augenblicke euch Drachen einfach ignorieren konnte. Wo ich mal nicht an dein Volk denken musste und das ich hier gefangen war. Dieser Ort gab mir zum ersten Mal etwas, was ich zuvor nicht gekannt hatte. Eine Ruhe und Frieden. Ich hatte mir all das erschaffen, was ich zu bewundern schien und ich war stolz darauf gewesen, ich war zu all dem Leben fähig. Aber du,...“ Musterte sie ihn grimmig und etwas angewidert von oben bis nach unten. „...hast nur mit einem witzigen Augenblick alles zerstört. Wahrlich passt der Name Zerstörer zu dir, denn das tust du nun einmal. Es liegt in deiner Natur.“ Sprach sie weiter, ohne auch nur einen Funken daran zu denken, welche Konsequenzen es für sie haben könnte. Sein Blick war finster und grimmig, aber sie konnte so was gekonnt ignorieren.
„Los sag mir. Was habe ich getan, warum ihr Drachen mir alles nehmt? Ich will es verstehen. Sag es mir.“ Befahl sie, denn sie wollte eine Erklärung für all das haben.
Kurz dachte sie, dass er überhaupt nicht anfangen zu sprechen. „Es tut mir leid, Emmanline.“ War es das Einzige was er dazu zu sagen hatte? Eine Entschuldigung?
Warum nur, machte es sie nur noch wütender? „Weißt du was? Lass es einfach. Ich habe es mir anders überlegt. Ich will es nicht mehr wissen. Vermutlich würde ich es nicht verstehen.“ Wandte sie ihren Blick von ihm ab.
„Ich hatte nicht gewollt, dass das hier passiert. Ich gebe zu, es geschah aus reiner Wut und Zorn heraus. Der Tod meiner Mutter machte mich so blind vor Verlust und Schmerz, dass ich nicht mehr klar denken konnte. Der Mann konnte es nicht mehr. Ich hatte mich so verraten gefühlt.“ Senkte er sein Kopf, als sie ihn wieder angeschaut hatte. „Aber all der Verlust und Schmerz ist keine Entschuldigung dafür, was ich dir angetan habe.“
„Verraten gefühlt?“ Klang sie verständnislos. „Und besitzt du dieses Gefühl noch? Glaubst du, ich habe das getan? Dich verraten?“ Wollte sie seine ehrliche Meinung wissen.
„Ich weiß es nicht.“ Gestand er ihr ehrlich. „Ich denke nicht.“
Ein missbilligendes Schnaufen. „Du denkst nicht? Gut, ich habe verstanden. Der sich verraten fühlen müsste, das bin ich. Nicht du. Aber weißt du, mir ist es egal.“ Geworden. „Du hast vermutlich mit all dem Recht, was du mir angeschuldigt hast.“ Dachte sie an all seine Worte zurück, die sich wie ein Brandmal in ihrem Kopf eingebrannt hatten. „Ich besitze keinen Funken Dankbarkeit dir gegenüber, weil du mich zu all dem zwingst. Ich werde es niemals einsehen, dass ihr anders sein könntet, weil ich tatsächlich Genugtuung verspüre. Ich dachte, ich könnte es vielleicht nicht, aber du hast meine Einsicht komplett verändert. Ich mag gefühllos sein, aber das liegt daran, dass ich nicht anders sein kann. Genau das habt ihr mir auch genommen, als ihr mir meine Mutter genommen habt. Glaubst du, ich hätte nie das Gleiche empfunden, während ich sah, wie sie getötet wurde? Glaubst du, ich hätte nie Wut, Trauer oder Schmerz verspürt? Was glaubst du, wärst du da nicht kälter in dir?“ Wurde ihre Tonlage immer sachlicher, aber das Eis verschwand keinen einzigen Moment lang. Das konnte sie nicht ablegen. „Sehe es als Rache, was ich jetzt verspüre, denke oder gar handle. Es sollte mir gleich sein. Bestrafe mich, foltere mich oder lass mich leiden, wenn das in dir Zufriedenheit, Vergelten oder Genugtuung bedeutet. Es stimmt auch in der Tat, das es wirklich und besser ist, alleine zu bleiben. So würde ich niemals eine Schwäche besitzen, wie du erwähntest.“ Aber warum fühlte sie sich dann so schlecht dabei? Sie war stets alleine und es hatte ihr nie etwas ausgemacht. Warum ausgerechnet jetzt?
„Ich kann all das nicht zurück nehmen, was ich gesagt habe, auch wenn ich alles dafür geben würde, es zu tun, aber ich kann es nicht. Ich kann und werde dich niemals bestrafen, foltern oder irgendwie leiden lassen.“ Klang in seinen Worten ein Punkt Entschlossenheit mit. „Ich will keine Zufriedenheit, Vergelten oder Genugtuung. Das Einzige was ich will bist...“
„Nein.“ Schrie sie ihn an. Sie wollte das nicht hören. Kein einziges Wort davon, denn alles war eine reine Lüge. „Ich will das alles nicht hören. Geh. Verschwinde. Ich will alleine sein. Verschwinde.“ Forderte sie ihn wütend auf. Alles wurde ihr zu viel und es sollte alles aufhören.
Ohne ein Wort, wandte er sich um und ging ein paar Schritte, den Weg zurück, den er gekommen war. „...du.“ War er noch einmal stehen geblieben, als er flüsterte, bevor er ganz verschwand.
Jetzt erst konnte sie in sich zusammen sacken und fiel mit ihren Knien zu Boden. Das war ihr alles zu viel und sie besaß keine Kraft mehr in sich. Keinen einzigen Funken Energie und dennoch spielten ihre Gedanken und Gefühle vollkommen verrückt. Am liebsten würde sie schreien, aber in ihrem Hals steckte ein riesiger Klumpen fest, die alles in ihr ersticken ließ.
Warum nahm all das kein Ende?
Noch immer stand Lucien unter Schock und Entsetzen, was gerade zwischen ihm und ihr geschehen war.
Lucien hatte gewollt, sie soll vor Wut toben und all ihren Zorn aus sich herauslassen. Jetzt wo er das hatte, was er wollte, stand er in einer Starre, welches er nicht mehr ein und aus wusste. Sein Herz war wie ein Stein in seiner Brust, eine große Last auf seinem Körper und seine Gefühle total am Boden. Was man von seinen Gedanken auch behaupten konnte.
Es hätte nichts gebracht, wenn er bei ihr geblieben wäre. Festgestellt, sie würde in diesem Augenblick nicht zur Ruhe kommen, wenn er bei ihr geblieben wäre. So gerne er auch bei ihr geblieben wäre, sein Instinkt sagte in ihm, nimm sie in den Arm und tröste sie. Lindere ihren Schmerz und Leid. Schließlich musste er sich zwingen, genau das Gegenteil zu tun. Sie hätte sich von ihm niemals in den Arm nehmen lassen wollen, geschweige trösten zu lassen. Emmanline hielt sich an ihrem Schmerz fest, der sich tief in sie fest gefressen hatte, bis zum Grund ihres Herzen und ihrer Seele. Warum war ihm dieses Ausmaß nicht schon vorher deutlich gewesen? Er hatte doch gewusst, was ihr zum groben Teil widerfahren war, aber trotzdem hatte er es getan. Sie erneut verletzt und etwas genommen, was ihr am Herzen lag.
Warum schaffte er es nicht einmal ihr gegenüber etwas richtiges zu tun? Bis jetzt hatte er immer von sich behauptet, das er sich bei ihr die größte Mühe gab. Reichte das nicht aus? Musste er sich noch mehr bemühen, damit er endlich was bei ihr erreichte? Das er sie erreichte?
Wie sehr würde er seiner Mutter jetzt um Rat fragen. Doch sie war nicht mehr da und auch dies saß tief in ihm. Es fühlte sich an, als müsste er zwei Verluste bewältigen. Langsam verkraftete er es nicht mehr. Eigentlich könnte er es auf geben und Emmanline in Ruhe lassen, was für ihn einfacher wäre, aber am Ende wusste er es schon im voraus, dass er es niemals schaffen würde. Sein Drache war von dieser Frau besessen und er würde sie niemals gehen lassen. Sowie der Mann es auch nicht mehr tun würde. Diese kleine und so zerbrechliche Frau, was sie eigentlich nicht war, hatte sich tief in sein Herz fest gesetzt. Sie sollte wissen, wie es in ihm aussieht. Sie sollte wissen, was sie ihm bedeutete. Wie wichtig sie ihm doch sei. All das, was sie für ihn bedeutete. Es wurde an der Zeit, das er mit ihr Klartext redete, dass sie ihn endlich verstand. Auch wenn er etwas unverzeihliches getan hatte, er würde sie vom Gegenteil überzeugen. Nein, er musste sie überzeugen können. Alles andere würde er nicht akzeptieren. Sie gehört zu ihm und somit an seine Seite. Sollte sie weiterhin toben, wüten und ihn sogar voller Zorn anschreien, aber nicht einmal würde er nachgeben und aufgeben ihr Verzeihen zu bekommen. Sei es, wenn er den Rest seiner Ehre und seines Stolzes hergeben müsste. Es war auch an der Zeit, das er sich über einiges klar werden musste. Sie hatte damit Recht, das er ernsthaft darüber nachdenken musste. Genau das würde er tun und hatte er ein Mittel und Weg gefunden, dann würde er es verflucht noch einmal anwenden. Wenn er sogar auf Knien rutschen musste, um von ihr Vergebung zu bekommen.
Ein tiefes Feuer der Entschlossenheit brannte in seinen Adern und sein Blut kochte vor Ehrgeiz. Nein, jetzt gab es kein Weg mehr zurück. Entscheidet sich einmal ein de la Cruise, dann stand diese Entscheidung in Stein gemeißelt und nichts und niemand könnte diese Entscheidung jemals brechen. Absolut nichts.
Sollten ihn alle für verrückt halten, dass er hinter ihr her rannte oder sogar betteln musste, dann war es deren Problem, aber diese Frau würde er nicht aufgeben und nie wieder hergeben. Sie wurde ihm vom Schicksal her gegeben und er müsse dumm sein, sich dessen nicht bewusst zu sein. Oder dumm sein, wenn er damit sein zukünftiges Leben hinschmeißen würde.
Emmanline war eine gefühlsvolle und sinnliche Frau, was er des öfteren zu spüren bekommen hatte. Sie mochte den Anschein nicht haben, aber er glaubte und verstand nun, was wirklich hinter ihrer Art steckte. Sicher war ihm bewusst, warum sie eine eiskalte und felsenfeste Mauer errichtet hatte, damit sie nie wieder verletzt werden würde. Aber auch diese Zeit war vorbei. Er würde ihre innere Mauer einreißen und ihr zeigen, was es heißt, nie mehr alleine zu sein und das sie sich vor nichts mehr fürchten müsste. Langsam sollte er aufwachen und wie ein wahrer Seelengefährte für sie sein, was seine Aufgabe und Pflicht war. Jetzt war Schluss und er sollte sich verdammt noch einmal zusammen reißen.
Emmanline gehörte ihm und er würde sie nie wieder hergeben. Er wollte ihre ganze Sinnlichkeit, Leidenschaft und Gefühle erfahren und kennenlernen. Sie standen ihm zu, sowie seine ganzen Gefühle, Empfindungen und Taten ihr gehörten. Diese Frau hatte seine ganzen Rechte, die ihr auch zustehen und ihn sollte der Tod ereilen, wenn er ihr seine ganzen Rechte nicht zusprechen würde. Von jetzt an sollte sie nur noch Liebe, Glück und Freude empfinden und erleben. Sei es das Letzte was er tun müsste. Er würde Leid und Schmerz wie ein Schwamm aus ihr heraussaugen. Sollte er das geschafft haben, würde er sie all mit seiner Liebe, Glück und Freude überschütten.
Mit einem grimmigen Gesichtsausdruck und geradeaus richtendem Blick, war er entschlossen und eisern. Nun müsste er einen Weg finden, wie er ihr eine Entschädigung geben könnte. Worte würden ihm da nicht weiterhelfen, aber Taten tat es alle male. Vielleicht besaß er sogar schon ein Gedanke, wie er ihre Aufmerksamkeit bekommen konnte.
Große Zuversicht und Hoffnung machte sich in ihm breit. Diesen Gedanken würde er in die Tat umsetzen, wenn er diese Idee durchdacht hatte. Es würde hart und schwer sein, was ihm einiges kosten und abverlangen würde, aber er wollte das durchziehen.
Lucien würde es allein nur für sie tun, weil sie es wert war. Also war es ratsam sich gleich ans Werk zu machen, weil er keine Zeit verlieren wollte. Alles war kostbare Zeit, wenn er nur hier herum stand. In Mitleid und Trauer würde er sich nicht mehr wälzen, da er ein großes Ziel hatte, wovon er sich nicht mehr abbringen lassen würde. Er war felsenfest überzeugt, er würde es schaffen.
„Ich darf keine Zeit verlieren.“ Verschwand er in tiefer Dunkelheit, anstatt ins Schloss zurück zu kehren.
Tage und Wochen sind vergangen, seit Emmanline ihn nicht mehr gesehen hatte. Kein einziges Mal ließ er sich blicken. Nicht einmal seinen Schatten hatte sie von ihm sehen können. Vor allem sein erdiger Geruch war verschwunden. Seit sie all ihre Wut aus sich herausgelassen und ihn angeschrien hatte, er solle verschwinden, ließ er sich überhaupt nicht mehr blicken. Egal wohin sie ging, dort war er nicht. Manchmal konnte sie ihn spüren, aber das war in seltenen Fällen gewesen, als sie meinte, er würde sie beobachten.
Hörte er wirklich auf das, was sie gesagt hatte? Blieb er wirklich von ihr fern?
Sie sollte glücklich darüber sein, dass sie so die Luft zum atmen bekam, weil er ihr ständig den Atem nahm. Oder, da sie sich in seiner Gegenwart immer erdrückt fühlte. All das fiel ihr nun leichter und es gab keine Einschränkungen ihrer körperlichen Funktionen. Von ihrem Verstand war im Augenblick nicht die Rede, denn dort war alles chaotischer und wüster.
In ihrem Kopf schwirrten viele unzählige Gedanken herum, die einfach keinen festen Platz fanden. Es war untypisch für sie, wo sie nicht zu einem klaren Verstand kam. Es hatte zu dem Zeitpunkt angefangen, als er nicht mehr aufgetaucht war.
Wenn sie glücklich darüber sein sollte, wie es jetzt wäre, warum war sie es dann nicht? Ihr fehlte etwas entscheidendes und das empfand sie als furchtbar. Dieser Mann hatte in ihr etwas angerichtet, dass sich einfach nicht mehr beheben ließ. Er hatte ihr immer Brocken von Dingen zugeworfen, um gleich danach sich zurück zu ziehen oder es ihr einfach zu verwehren. Warum tat er ihr das an? Alles? Warum spielte er mit ihr? Was musste sie tun, damit das alles ein Ende hatte?
Niemand würde glauben, wie oft sie sich dessen bewusst gewesen war, wie sehr sie es sich wünschte, der Tod würde sie ereilen. Sie würde den Tod mit offenen Armen empfangen und sie würde sogar Glück verspüren. Trotz allem hatte sie genau diese Last oder Fluch zu tragen, nichts und niemand konnten ihr den Tod geben. Sie war verdammt, auf wirklicher Unsterblichkeit zu leben, ohne das sie eine Art Erlösung verspüren könnte. Es war nicht fair, wenn sie andere sah, das sie eine Gnade bekamen und sterben konnten, weil sie nicht mehr konnten. Emmanline war schon lange am Ende angekommen, aber es klappte einfach nicht. Egal was sie versuchte oder gar andere, sie war mit ihrem eigenen Wesen verflucht, was ihr vererbt wurde. Es war ihre größte Schattenseite dem sie niemals los sagen könnte, weil es ein Teil von ihr war. Niemand konnte ein Teil seines Wesen selbst aufgeben. Was würde geschehen, wenn jemand dazu fähig wäre?
Sie konnte darüber nicht weiter nachdenken. Je weiter sie mit ihren Gedanken ging, umso verzwickter wurde es und sie würde sich in diesen Fäden nur weiterhin verheddern, als wie sie es ohnehin schon tat. Es war eine reine Sackgasse in ihrem Labyrinth. Es gab kein entkommen, sollte sie sonst welche Bemühungen auf sich nehmen.
Das brachte sie nun zum Anfang zurück. Dieser Mann und Drache brachten ihr inneres verzerrtes Labyrinth in ungeahnte Gänge und Sackgassen. Manchmal kam sie nicht weiter und sie stand vor einer Mauer, die so groß war, das sie nicht einmal das obere Ende sehen konnte. Egal wie sehr sie ihren Kopf in den Nacken legte. Oder wie sehr sie ihre Augen dazu zwang, es zu sehen. Er zwang sie dazu, all diese verwirrenden und nicht endenden Gänge zu durchlaufen. Nur um eine Erinnerung nach der nächsten in ihr zu wecken.
Des öfteren kam es vor, kleine Gedankenfetzen, die sie gehofft hatte, nie zu existieren, oder sie einfach verdrängt hatte. Aber alles war ein Teil von ihr und das wusste sie. Es gab niemanden der ihr falsche Erinnerungen oder Gedanken einpflanzen konnten, weil sie es wissen würde. Ihr Wesen würde es wissen, wenn jemand in ihr eindrang. Seit sie hier war, hatten sich ihre Instinkte und Sinne so verstärkt, das sie übermächtig geworden waren. Sicher, sie musste mit einigem kämpfen und verarbeiten, was das alles bedeutete. Für sich selbst und welche Wirkungen es auf ihr Leben hatte. Sie konnte noch nicht wirklich das Ausmaß ihrer Fertigkeiten und Möglichkeiten deuten. Es war kompliziert und sie war noch lange nicht gänzlich bereit dafür alles zu analysieren. Eine Art Zurückhaltung war in ihr verborgen und sie konnte sie noch nicht überwinden. Vielleicht würde sie eines Tages dafür bereit sein, aber es war nur rein fraglich. Nur das Unbekannte würde je ihre Fragen beantworten und sagen können, was das Beste wäre.
Seit einigen Stunden saß sie wieder im Garten und sie wusste nicht, was sie genau hier tat. Es waren zu viele Eindrücke und Vorstellungen. Zum ersten hatte sie sich mehrere Male erwischt, wie sie heimlich und ungewollt zu dem Fenster hinauf schaute, wo der Drache sie eigentlich immer beobachtete. Aber sie wusste, er stand da nicht. Sie konnte ihn nicht spüren und von daher, war er noch immer verschwunden. Sie könnte sich dafür verurteilen und dumm nennen, aber sie vermisste es wirklich. Anfangszeit war es ihr unangenehm gewesen, aber ihr Körper und Inneres hatten sich sehr daran gewöhnt gehabt, dass sie nicht genug davon bekommen konnte. Vor allem von seinen zärtlichen Blicken und Berührungen. Stets schien er darauf zu achten ihr niemals weh zu tun. Letzten hatte er aber was anderes bewiesen und irgendwie stimmte es nicht überein.
Ja, er war sauer gewesen und Schmerz hatten ihn blind werden lassen. Aber warum konnte sie sich nicht ganz dafür durchringen, es könnte anders sein? Seine Blicke und seine Haltung hatte ihn oft verraten, dass er alles zu tiefst bereute und wirklich alles rückgängig machen wollte. In seinen Augen hatten sich viele Emotionen aufgetan, was sie nun erschaudern ließ. Dieser Mann hatte ihr alles gezeigt, aber er war in diesem Moment, als sie ihn so angeschrien hatte, kein einziges Mal wütend oder zornig geworden. Das waren Verhaltensweisen, die normalerweise nicht zu ihm passten.
Nein, und sie seufzte erschöpft auf. In letzter Zeit war sie so energielos, das sie nicht mehr ein und aus wusste. So ausgelaugt hatte sie sich noch nie gefühlt. Selbst ein wunderschöner Sonnenuntergang, der sich ihr gerade bot, brachte sie in keiner Weise zur Ruhe. Sie fühlte sich rastlos und unruhig, als würde etwas in ihr zerren. Sie verspürte einen Drang. Was geschah mit ihr?
Selbst dieses Buch in ihrer Hand, auf welches sie herab starrte, brachte ihr keine Ablenkung. Obwohl sie eine kleine Vorliebe dafür entwickelt hatte. Durch Malatya bekam sie Zutritt zu einer Bibliothek, wie sie es ihr erklärte. Sie hatte einen entsetzten Laut von sich gegeben, als sie von hunderten Büchern umgeben war. Es waren so viele, das niemand sie zählen konnte. Ein riesiger Raum, wo Regale sich von unten bis zur Decke empor ragten. Alle mit Büchern voll. Es war einfach unglaublich gewesen. Seit dem Zeitpunkt an hatte sie sich immer ein Buch genommen, um es sich anzuschauen. Sie kam immer damit zum Garten hinaus, blätterte darin herum und genoss alles. Aber dennoch wieder nicht. Egal wie sehr sie sich anstrengte, sie fand einfach keinen Punkt, wo sie sagen konnte, Endlich.
Es war zum verrückt werden und sie war nahe daran es zu werden.
„Hallo. Ich hoffe ich störe Euch nicht.“ Erklang eine monotone Stimme, die vieles versprechen konnte.
Emmanline war zusammen gezuckt, weil sie vollkommen überrascht wurde, das sie sogar ihr Buch hatte fallen lassen. Gerade wollte sie sich danach bücken, da tauchten Hände in ihrem Sichtfeld auf und da blickte sie zu der Person auf.
„Bitte entschuldige. Ich wollte Euch nicht erschrecken.“ Blickte sie in freundliche und warme Augen. „Hier, bitteschön.“ Reichte der Mann vor ihr das Buch. Sie erkannte ihn, was auch nur flüchtig gewesen war. „Ich glaube, ich habe mich noch nicht wirklich vorgestellt.“ Meinte er und blieb vor ihr kniend. „Ich bin Cyrill und ein sehr guter Freund von Lucien.“ Stellte er sich vor.
In seiner Art konnte sie nichts abwertendes erkennen. „Danke.“ Nahm sie es von ihm entgegen, als sie ihn weiterhin im Auge behielt. Er hielt einen gewissen Abstand und sie war sehr glücklich darüber. Dieser Mann hatte eine Ausstrahlung die vieles versprechen konnte und er sah auch gut aus.
Aber nicht so gut wie er. Schoss dieser Gedanke blitzartig durch ihren Kopf. Woher kam dieser Gedanke?
Auch blitzartig tauchte ein Bild vor ihrem Auge auf, was den Mann zeigte, der sie so mied. Moment mal, woher das nun wieder? War sie noch bei Sinnen?
„Darf ich mich neben Euch setzen?“ Bat der Mann und riss sie in die Wirklichkeit zurück.
Kurz zögerte sie, aber sie rutschte ein großes Stück zur Seite. Es war ihr unerklärlich, warum sie das überhaupt tat, aber ihr Gefühl sagte ihr, sie habe nichts zu befürchten, aber das war schon Befürchtung genug.
„Danke.“ Setzte er sich neben sie. Ein kurzes Schweigen herrschte, als er die Stille brach. „Darf ich Euch Emmanline nennen?“
Überrascht schaute sie ihn kurz an. „Ihr Drachen neigt doch gerne dazu, dass ihr das tut, was ihr möchtet. Oder etwa nicht? Warum fragst du mich das?“ Runzelte sie mit ihrer Stirn und sie versuchte zu erkennen, was er vor hatte.
Ein leises Lachen. „Ja, das stimmt wohl, aber ich neige eher dazu, dass ich höflich frage. Wenn Ihr es nicht möchtest, dann werde ich es nicht tun.“ Blickte er sie an und kein einziges Mal wandte er sich von ihr ab.
„Nein, ich möchte das nicht.“ Denn es würde ihr zu weit gehen. Verständnisvoll nickte er, und er respektierte das?
„Das Buch in Eurer Hand, ist ein sehr gutes Buch. Ich hatte es auch einmal durch Zufall gelesen gehabt.“ Deutete er auf ihren Schoss hinunter, wo das Buch lag. „Es wundert mich nicht, warum Ihr dir dieses Buch ausgesucht habt.“ Stellte er fest.
„Warum wundert dich das nicht?“ War sie skeptisch, und sie war es nicht bewohnt, mit Höflichkeit zu handeln.
Wieder dieses Lächeln. „Weil dies ein Buch aus Eurem Volk der Elfen ist. Es erzählt Sagen und Geschichten über euch. Es steckt voller Geheimnisse und Wahrheiten.“
„Wirklich?“ Klang sie verwundert und starrte auf das Buch. Es gab wirklich einen Grund, warum sie sich aus all den unzähligen Büchern, genau dieses heraus gesucht hatte. Sie hatte eine Verbundenheit verspürt gehabt, als würde selbst das Buch nach ihr verlangen. „Darum.“ Flüsterte sie. „Ich verstehe nur nicht, warum besitzt ihr ein Buch vom Elfenvolk, obwohl es nicht hätte sein dürfen?“ Wollte sie wissen.
Er zuckte nur mit seinen Schultern. „Ich weiß es nicht mehr ganz genau. Dein Volk lebt schon seit einigen Jahrhunderten im Verborgenem und niemand weiß wo sie sich befinden. Man munkelt viel, aber am Ende sind es reine Vermutungen und niemand weiß, worin eine Wahrheit liegt.“ Schaute er in die Ferne, als würde er über vergangene Zeiten nachdenken.
„Was ist passiert? Warum leben sie im Verborgenem?“ Wollte sie doch gerne wissen, auch wenn sie keine Verbundenheit mit den Elfen hatte. Da viel ihr auch auf, seit sie wusste, was mit dem Volk der Elfen geschehen war, hatte sie sich noch nie Gedanken darüber gemacht, warum sie sich ins Verborgene zurück gezogen hatten.
Jetzt wandte er sich ihr wieder zu und sie erkannte in seinem Blick, dass er sich nicht wunderte, warum sie dies fragte. Er antwortete ihr lediglich. „Vor einigen Jahrhunderten herrschte ein Krieg zwischen den Elfen und Nymphen. Es wird gesagt, dass das Ende grausam gewesen sein musste. Wir Drachen mögen es vielleicht ein Schwert zu schwingen oder unsere Natur heraus zu lassen, aber wir würden doch niemals so skrupellos sein, alles abzuschlachten, was uns vor die Flinte läuft. Damals wäre dein Volk beinahe ausgerottet worden, wenn sie sich nicht ins Verborgenen zurück gezogen hätten.“ Machte er eine kurze Pause, damit sie es verstehen konnte. „Viele haben mitbekommen, das die Feindseligkeit dieser beiden Völker unermesslich waren und die Fae hatten ihre Chance genutzt. Sie mischten sich im Krieg mit ein und metzelten alles nieder.“
Emmanline war entsetzt darüber, was er ihr da erzählte. Sie konnte sich das Ausmaß nicht vorstellen, wobei...doch das konnte sie. „Warum haben sie das getan?“ Räusperte sie sich vorher, bevor sie sprechen konnte.
„Weil viele Angst vor dem Volk der Elfen hatten. Sie besitzen Macht, was sie aus ihrer Umgebung schöpfen können. Es machte sie unschlagbar und viele Völker befürchteten, dass die Elfen eines Tages vieles sich aneignen würden, aber sie hätten vermutlich nichts derart im Sinne ihrer Loyalität und Ehre getan. Ihr Elfen seid mehr mit der Natur verbunden, als nach wirklicher Macht zu streben.“
„Du bist dir so sicher, als würdest du es wirklich wissen.“ Misstraute sie ihm irgendwie.
Ein gezwungenes Lächeln. „Ja, ich weiß es wirklich. Ich bin mir dadurch so sicher, weil ich dabei gewesen war.“ Schnappte sie entsetzt nach Luft. „Ich habe deinem Volk nie Schaden zu gefügt. Ich bin zufällig in die Fronten geraten.“ Wurde seine Stimme gefasster und in seinem Blick konnte sie erkennen, was für Erinnerungen ihn plagten. Es lag eine Menge Leid in seinen Augen.
„Du hast den Elfen geholfen.“ War es ihre Feststellung und keine Frage.
Er behielt das gezwungene Lächeln aufrecht. „Ja, das hatte ich. Ich konnte nicht zusehen, wie Unschuldige und Wehrlose einfach....“ Schüttelte er langsam mit seinem Kopf, als würde er Erinnerungen abwerfen können. „Das hätte ich nicht mit meiner Ehre vereinbaren können. Vor allem nicht mit meinem Gewissen.“ Seufzte er auf und fuhr sich mit einer Hand über seinen Nacken. „Im ersten Moment, als ich Euch das erste Mal gesehen hatte, dachte ich, eine Elfe? Ich war wirklich verwundert gewesen, da ihr euch nicht mehr zeigtet. Als wärt ihr komplett aus der Welt verschwunden. Bis Lucien mir etwas erzählte.“ Blickte er sie an.
Emmanline hatte sich bei dem Namen dieses Mannes versteift und blickte starr gerade aus. Wieder hatte er über ihre Herkunft erzählt und was ihr widerfahren war. Konnte er nicht einfach den Mund halten? Wusste er denn nicht, was er ihr damit an tat?
„Sei ihm nicht böse, das er mir das verraten hatte. Er meint es nicht im bösen Sinne. Er tut manchmal Dinge, die er zu voreilig beschließt, aber er ist stets bedacht was er tut.“ Wollte er ihn in Schutz nehmen? Natürlich war es so. Er gehörte zu ihm und es missfiel ihr.
„Davon sehe ich überhaupt nichts.“ Schaute sie ihn eisig an. Sie konnte nicht anders. „Das er Dinge voreilig beschließt, da gebe ich dir Recht, aber nicht im guten Sinne. Er denkt überhaupt nicht nach.“
Für einen Augenblick schaute er sie nur an. „Ich kann verstehen, warum Ihr so wütend auf ihn seid. Er hat Dinge getan, die ihm nicht zustanden oder nicht richtig waren. Lucien ist da sehr eigen, aber das Letzte was er will, ist Euch weh zu tun.“
Sie schnaubte. „Was soll das hier werden?“ Wurde sie leicht wütend und ihre Augen verengten sich. Seit wann wirkte sie immer so gereizt? „Willst du mir ins Gewissen reden? Willst du ihn jetzt bei mir gut reden?“ Warf sie ihm vor.
Er schüttelte mit dem Kopf. „Nein, ich will Euch nicht ins Gewissen rein reden. Das ist nicht meine Absicht. Ihr werdet sicherlich selbst bemerkt haben, wie selten Lucien im Augenblick hier ist, nicht wahr?“ Und ob sie das wusste. „Er ist dauernd abwesend und abweisend. Er hat kaum Zeit, als wäre er an etwas angebunden. Dabei hat er eine Menge Pflichten die er nachgehen muss. Wir haben eigentlich keine Zeit, denn es gibt viele Sachen, die verdammt schwierig und wichtig sind. Wir können sie nicht ohne ihn beeinflussen.“ Redete er offen und ehrlich mit ihr. Das konnte sie spüren.
„Soll das etwa bedeuten, es sei meine Schuld, dass ihr in solch einer Lage steckt?“ Konnte sie es nicht glauben. Machten sie ihr erneut Vorwürfe für Taten, wofür sie nichts konnte?
„Um der heiligen Götter Willen, nein. Das ist nicht Eure Schuld, sondern allein Seine. Es ist seine Pflicht für all das zu sorgen und nicht Eure. Er muss dessen nachkommen.“ Schüttelte er mit seinem Kopf.
„Dann verstehe ich eins nicht. Warum sagst du mir das alles?“ Verstand sie ihn nicht ganz recht.
Ein Schulterzucken von ihm, wies auf das Ungewisse hin.. „Weil ich glaube, dass er etwas für Euch tut. Er möchte niemanden erklären was er macht oder vor hat. Lucien wirkt so, als wäre er nur auf eines konzentriert, was ihn einfach nicht los lässt. Das nach Wochen schon. Ihm scheint etwas verdammt wichtig zu sein und eins weiß ich, dass es nur für Euch sein kann.“ Sein Blick glühend und ernst.
Emmanline konnte gerade nicht fassen, was er ihr da sagte. Es wäre nur für sie? Unmöglich. Ja, sie mochte ihn eine sehr lange Zeit nicht gesehen haben, aber es war schlicht und einfach, weil er ihr aus dem Weg ging. Anders konnte sie es sich nicht erklären, denn sie vermutete auch, sein Stolz würde es schon nicht zulassen, das sie ihn zurecht abgewiesen hatte. Er war mit Garantie wütend, dass er jetzt irgendwo war, wo er sich abreagieren musste, sowie er es an ihrem Ort getan hatte. Er hatte alles in Flammen aufgehen lassen.
Seit dem Vorfall und der Auseinandersetzung mit ihm, war sie seither nicht mehr an diesem Ort gewesen. Sie konnte irgendwie nicht in den Wald gehen, denn ein Gefühl des Verlustes würde sie einfangen. Sie konnte es schlicht und weg nicht.
„So ein Unsinn. Warum sollte er das wegen mir tun?“ Schüttelte sie mit ihrem Kopf.
„Es ist kein Unsinn. Ich will ehrlich und offen zu Euch sein. Ihr seid ihm sehr wichtig und ich weiß, dass er Euch niemals aufgeben wird.“ Welchen Grund er ihr nicht nennen konnte. „Es liegt in seiner Natur, dass er bei Euch sein muss.“
Was hatte das nun wieder zu bedeuten? Was liegt in seiner Natur, dass er bei ihr sein musste? Allein das musste, brachte in ihr Fragen auf.
„Schaut mich nicht so fragend an. Ich kann es euch nicht verraten warum.“ Blockte er ab.
Wie scherzhaft. „Erst sagst du mir das und auf einmal kannst du es mir nicht verraten?“
Leicht verzog er sein Gesicht. „Es steht mi...“
„Ihm nicht zu.“ Knurrte eine drohende Stimme hinter ihnen, als der Mann neben ihr unterbrochen wurde. Es klang mehr nach Tier, als nach einem Menschen.
Durchaus war ihr bewusst, wer hinter ihnen stand, aber sie traute sich nicht umzudrehen. Es konnte nur er sein. Allein sein Knurren und seine Anwesenheit deutete auf alles hin. Seine Energie spürte sie um sich herum und sie war so übermächtig. Es hüllte sie vollkommen ein, wie ein Mantel.
„Cyrill, verschwinde.“ Knurrte er erneut.
Mit erhobenen Händen stand er auf. „Sicher.“ Grinste er leicht. „Habt Dank für die Unterhaltung, Mylady. Bis zum nächsten Mal.“ Verbeugte er sich kurz vor ihr und verschwand kurzerhand, blitzartig. Sie sah ihm hinterher und konnte sein Haar wirklich bewundern. Er hatte schönes Kohlraben schwarzes Haar. Es wirkte, als wenn sie ihm heilig wären.
„Emmanline.“ Wurde ihr Name mit klarer und einer ausdrucksvollen Stimme aus gesprochen.
„Geh.“ Hauchte sie, aber bestimmt. „Es gibt nichts zu sagen.“
Eine Stille kehrte ein und unausgesprochene Worte lagen in der Luft. Niemand rührte sich. Er nicht. Sie nicht. Erst einen Moment später vernahm sie, wie er einen tiefen Atemzug nahm.
„Ich weiß, ich habe wahnsinnigen Mist gebaut, aber ich würde dir gerne etwas zeigen.“ Bat er sie in stiller Bitte.
Sie biss sich auf ihre Zähne. „Was verstehst du nicht darunter, dass du geh...“ Drehte sie sich in diesem Augenblick um und ihr stockte der Atem. Der Mann und Drache vor ihr, sah so niedergeschlagen und erschöpft aus, als hätte er eine sehr lange Zeit nicht mehr richtig geschlafen. Seine Augen waren von einem dunklen Schleier benetzt, sein Gesicht in ermüdender Erscheinung. An diesem Mann war nichts mehr zu sehen, was ihn zuvor ausgemacht hatte. Er sah so verändert aus. Was war mit ihm nur geschehen?
Es zuckte in ihr und am liebsten wäre sie zu ihm gelaufen und hätte sich doch tatsächlich in seine Arme geschmissen. Ein großes Bedürfnis zwang sie dazu, zu ihm zu gehen, sich um ihn kümmern und zu trösten. Woher auch immer dieser Drang kam, aber es war übermächtig. Gerade noch konnte sie sich davon abhalten, genau das zu tun. Es kostete ihr große Mühe.
„Ich verstehe, dass du noch immer wütend auf mich bist und das sollst du sein.“ Fuhr er sich erschöpft mit einer Hand über das Gesicht und der Klang in seiner Stimme war dem gleich. Es erschreckte sie.
„In Ordnung. Ich begleite dich.“ Willigte sie ein, ohne auch nur einmal darüber nachzudenken. Er schien überrascht darüber zu sein und bemerkte, wie er etwas erleichtert ausatmete. Normalerweise hätte sie mit einem Lächeln von ihm gerechnet, aber nichts. Kein einziges Zucken auf seinen Lippen. Dabei war er doch immer zuversichtlich, wenn er das bekam was er wollte. Etwas stimmte nicht mit ihm.
Emmanline ging um die Gartenbank herum und trat gebannt auf ihm zu. Sie wollte ihn so gerne berühren, aber sie durfte es nicht. Noch nicht. Als sie dann vor ihm stand und zu ihm aufschaute, schaute er sie nicht an. „Zeige es mir.“ Flüsterte sie ihm zu und er nickte nur. Dieser Mann rührte sie noch nicht einmal an. Er vermied es sie zu berühren und anzusehen. Also folgte sie ihm nur schweigend. Er lief vor ihr und sie konnte es nicht verhindern, dass sie ihn von oben bis unten musterte. Sicher spürte er es, denn sie erkannte es, wie er sich am ganzen Körper versteifte. Sein Unbehagen konnte sie tief in sich spüren.
Einen kurzen Augenblick, wie sie abgelenkt war, hatte sie nicht bemerkt, wo er sie hinführte, aber jetzt tat sie es. Sie wusste, wo er sie hinbrachte und es behagte ihr nicht. Der Mann führte sie in den Wald, wo sie zuvor immer gewesen war. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und ihr Atem kam stoßweise. Sie wollte einen Rückzieher machen, aber ihr Verstand rügte sie. Sie durfte es nicht tun, nicht jetzt. Alles schrie in ihr auf und ihre Alarmglocken läuteten, dass sie nicht zurück durfte. Standhaft lief sie ihm weiter hinter her, befürchtend etwas zu sehen, was ihr nicht gefallen würde. Doch irgendwie war es ihm wichtig, sie sollte genau das sehen, was er ihr zeigen wollte. Sie musste sich auf alles gefasst machen, egal was kommen mag.
Die Dunkelheit am Himmel war schon längst hereingebrochen und die ersten Sterne erschienen. Auch der Mond ließ sich blicken, der sich auf dem Weg machte zu einem Vollem zu werden. Er wirkte heute so klein und unerreichbar.
Je weiter sie in den dunklen Wald gingen, umso düster wurde es. Sie konnte kaum etwas erkennen, bis sie etwas helles von weiter vorne erblicken konnte. Jetzt erst stieg ihr ein wohltuender und herrlicher Duft in ihre Nase. Es war exotisch und süßlich. Mit jedem Schritt wurden die Düfte immer stärker und intensiver, bis sie auf die sogenannte Lichtung kam, die sie so gut kannte. Was sie hier sah....stockte ihr den Atem.
Mitten auf der Lichtung blieb sie stehen, ihre Augen weit aufgerissen und sich langsam im Kreis drehend. Ihr Mund stand vor Staunen offen, so fasziniert und hypnotisiert war sie gewesen. „Oh.“ Brachte sie kaum ein Wort heraus. Um genau zu sein, überhaupt keines.
Vor ihr erstreckte sich eine Lichtung voller prachtvoller Blumen. In so vielen bunten Farben und sie schienen zu leuchten, wie damals an diesem Ort, wo er sie nach dem Angriff der Vampire hingebracht hatte. All das überstieg ihre Vorstellungen. Viele Pflanzen hatte sie noch nie gesehen, aber sie waren unsagbar schön. So große Blüten und Blätter. Alles war in voller Lebendigkeit und überall schwirrten Nachttiere herum, die sich genüsslich an den Blumen gut taten.
Was sie hier sah, war mit dem zuvor nicht zu vergleichen. All die Asche, die alles verbrannt hatte, war verschwunden, als hätte es sie nie gegeben. Als hätte hier nie ein Feuer gewütet.
„Warst du das gewesen?“ Drehte sie sich langsam zu ihm um. Er hatte sie die ganze Zeit beobachtet und tat es jetzt noch mit einem ausgiebigen Blick. Seine Augen glühten voller Begehren und es sollte sie erschrecken. Trotzdem empfand sie keine Angst ihm gegenüber. Im Gegenteil, es war etwas viel komplizierteres als Angst.
Sein Blick, der solange auf ihr ruhte, ging zur Seite. Es überraschte sie. „Ich wollte dir etwas wieder geben.“ Klang seine Stimme noch immer müde und erschöpft.
Mit Gewissheit nein, ihr gefiel es ganz und gar nicht, wie er sich ihr jetzt gegenüber gab und wie er aussah. Zum ersten Mal konnte sie es richtig fühlen, wie sehr er litt. „Sieh mich an.“ Bat sie ihn im Flüsterton. Sie klang leise bei dieser Entfernung, aber sie wusste, er hatte sie gehört. Allein sein Körper hatte ihn verraten, als er sich noch mehr anspannte. Nur schien er nicht ihrer Bitte nachzugehen. Ein kleiner Schmerz durchzuckte sie. Sie fühlte sich schlecht und ein riesiger Klumpen bildete sich in ihrer Magengegend.
Kurz zögerte sie, aber ihre Füße bewegten sich von ganz alleine, als sie auf ihn zuging. Langsam und bedacht, weil sie befürchtete, sie würde ihn dadurch bedrängen. „Sie mich an.“ Bat sie ihn erneut, als sie vor ihm stehen blieb, was noch nicht einmal einen Meter betrug. Sachte legte sie ihre Hand an seine Wange und drehte sein Gesicht zu sich um, damit er sie anschaute. Er hätte sich wehren können, aber er tat es nicht. Ihr Blick war sanft. „Du hast das für mich getan?“
„Ja.“ Nur ein einziges Wort.
Es rührte sie zutiefst.“Vielen Dank.“ Sprach sie sanft und ließ ihn keinen einzigen Augenblick aus ihren Augen. Sie empfand wirklich Dankbarkeit dafür, was er da getan hatte. Sicherlich, es war unverzeihlich gewesen, dass er zuvor all das Leben zerstört hatte, aber er hat diesen Ort wieder zum leben und zum erblühen gebracht. Wie konnte sie solch eine Geste ignorieren, wenn sie doch auch sah, das er sich wirkliche Mühe dabei gegeben hatte, alles in solch einer Schönheit zu verwandeln? „So etwas hat noch niemand für mich getan. Willst du so sehr, dass ich dir vergebe?“
„Ja.“
„Willst du so sehr mein Einverständnis?“
„Ja.“
Allein nur dieses einzige Wort brachten viele Emotionen hervor, dass sie zu Anfangs sprachlos machte, aber sie konnte nicht anders. Es war einfach nicht mehr möglich bei allem, was er tat, zu widerstehen. Sie konnte es einfach nicht mehr.
Sachte streichelte sie mit ihren Fingerspitzen über seine warme Wange, die angespannt war. „Ich verzeihe dir.“ Reichten allein diese Worte aus, damit sie spüren konnte, welch eine große Last von ihm gefallen war. Sie konnte es in seinen Augen sehen, die vor Erleichterung anfingen zu glühen. Wie heiße Kohlen, die alles in Brand setzen konnten. Nein, sie hatten ein Feuer entzündet, in ihr. Sie brannte lichterloh von diesen unglaublich schönen Augen.
„Ihr Götter, Emmanline...“ Flüsterte er rau und blickte sie voller Zärtlichkeit an. Selbst seine Berührungen waren nicht anders, als reine Zärtlichkeit und Sanftheit, während er mit seinen Händen, von ihren Schultern bis zu ihren Fingerspitzen hinunter wandern ließ. Eine Gänsehaut breitete sich auf ihrer Haut aus, weil es eine unglaubliche Berührung war. Alles kribbelte in ihr und ein Schauer der Wärme durchströmte ihren ganzen Körper.
Ein Seufzer der Zufriedenheit entfuhr ihr und für einen Moment gestattete sie sich, dass sie ihre Augen bei dem Gefühl schloss. Es tat so unglaublich gut.
„In den ganzen Wochen habe ich mich danach verzerrt dich zu berühren.“ Sprach er heiser.
Bei diesen Worten und seiner beruhigenden Stimme, öffnete sie wieder ihre Augen und blickte zu ihm auf. Er war so groß und maskulin, sein Aussehen einer fein gemeißelten Statue purer Männlichkeit ähnelnd. Seine breiten Schultern waren breit, die perfekt zum anlehnen waren und zum festhalten verleiteten. Seine Wärme die er ausstrahlte fühlte sich geborgen und sicher an. Ihr ganzes Inneres sehnte sich danach, all das zu bekommen, was er ihr geben konnte. Tief in ihrem Inneren wusste sie auch, dass er ihr all das geben würde, was sie verlangen würde. Nur ihre Angst hielt sie zurück. Angst Vertrauen aufzubauen. Ihm gegenüber. Sie hatte Angst, wenn sie all das bekommen würde, dass dies schnell wieder verschwindet, weil es immer so gewesen war. Sie hatte immer alles verloren.
„Es war grausam gewesen so von dir fern zu bleiben. Ich habe mich so sehr danach gesehnt, dich zu sehen, zu berühren, zu spüren und zu schmecken. Es war die Hölle für mich gewesen.“ Wurde seine Stimme immer flüsternder, aber sie konnte seine Worte genau verstehen, weil er ihr nahe war. Seine Hände legten sich beschützend auf ihre Wangen, während er seine Stirn an der ihren lehnte, was er gerne bei ihr tat. „Ich brauche dich, Emmanline. So sehr. Alles in mir verlangt danach bei dir zu sein, weil du mir ungeheuer wichtig geworden bist. Bitte bleibe bei mir.“ Flehte er regelrecht und dies brachte ihr Herz erst zum stillstand, aber um gleich einen fünffachen Takt aufzunehmen. Es schlug schmerzhaft in ihrer Brust und sie bekam kaum noch Luft.
Emmanline starrte ihn sprachlos an, denn was sollte sie darauf erwidern. In seinen Worten steckte solch eine große Sehnsucht, die ihr vollkommen fremd war. Seine Worte bedeuteten seine Sehnsüchte und Ängste zugleich. Sie konnte es hören und fühlen.
„Ich habe es vermisst.“ Schmiegte sie ihr Gesicht in seine Handflächen und ihre Hände legten sich auf der seinen. „Das du mich berührst.“ Gestand sie mit schnellem Herzklopfen.
Lucien zog scharf seine Luft ein, als er ihr Geständnis hörte. Er konnte es noch immer nicht fassen, was hier gerade geschah. Sein Herz wurde unsagbar schwer, während er sie so betrachtete. Sie war unglaublich schön und er hatte es wirklich vermisst, sie vor sich zu haben. Sie zu berühren, damit er mit seinen Fingern über ihre zarte Haut streicheln konnte. Ihren herrlichen femininen und sonnigen Duft einzuatmen. Der klang ihrer Stimme und ihre ganze Präsenz. All das hatte er an ihr vermisst. Es war eigenartig und so was banales ihre Nähe zu spüren, aber es war unglaublich wichtig für ihn. Wichtig für ihn geworden.
In der ganzen Zeit, als er von ihr fern bleiben musste, was ihn all seine Kraft und Selbstbeherrschung gekostet hatte, dachte er ständig an sie. Sehnsüchte waren in ihm aufgestiegen die eine außergewöhnliche Kraft besaßen, wogegen er sich manchmal nicht wehren konnte. Immer wieder musste er sie sehen, auch wenn es nur aus der Ferne gewesen war. Er hatte sich selbst geschworen, er würde erst vor ihr treten, wenn er es geschafft hatte, was er erreichen wollte.
Diesen Ort hatte er nur ihrer Willen zum Leben erwecken lassen, um sie glücklich zu machen und um Entschuldigung zu erbitten. Er hatte all sein Blut und Schweiß in diese eine Aufgabe und Schwur gesteckt, dass er nicht aufgeben konnte. Je schneller er es schaffte, umso eher war er wieder bei ihr, hatte es gehofft.
Darum war er von einer unglaublichen Eifersucht zerfressen worden, wo er Cyrill und Emmanline hat zusammen gesehen. Er hätte beinahe Rot gesehen. Seine Selbstbeherrschung hatte an einem seidigen dünnem Faden gehangen, der in jeder Sekunde hätte reißen können. Wenn er nicht gesehen hätte, wie zurück haltend Emmanline sich gegeben hätte, wäre er vermutlich auf seinem alten Freund losgegangen und ihn im wahrsten Sinne des Wortes in Stücke gerissen. Er wusste, das Cyrill niemals etwas tun würde, weil er wusste, dass diese Frau vor ihm seine Seelengefährtin war. Doch sein Instinkt hätte ihm beinahe jede Vernunft verlieren lassen, wenn er nicht in sich gegangen wäre. Sie war die Seine und sie würde es immer bleiben. Dafür würde er sorgen, alles geben was er konnte und hatte.
Mein.
Am Ende, wo er mit ihr alleine gewesen war, ließ seine Anspannung ihn kaum zum Luft holen, weil er befürchtete, sie würde ihn jeden Moment verwehren. Ja, er war müde und vollkommen erschöpft, weil er nicht eher Ruhen konnte, bis er seine Aufgabe erfüllt hatte. Es hatte ihn eine Menge Schlaf und Kraft gekostet, aber es war all das Wert, was er nun vor sich hatte. Ihre Augen funkelten wie ein silbriger Mondschein, der die Nacht erst richtig ein Mysterium verlieh. Das Sanfte in ihr, wärmte ihn und endlich, nach unbestimmter Zeit, konnte er wieder richtig atmen. Auch wenn sein Herz sich nicht beruhigen wollte. Ihr Herz schlug genauso schnell, welche beinahe im gleichen Takt schlugen.
„Verzeihst du mir wirklich?“ Kam er nicht drum herum, weil er sicher gehen wollte, ob sie ihre Worte ehrlich gemeint hatte.
Mit ihren wunderschönen Augen blickte sie ihn an. „Würdest du diesen Ort erneut zerstören wollen?“ Fragte sie stattdessen.
„Niemals.“ Klang er entsetzt, ihm überhaupt so eine Frage gestellt zu haben. Er hatte nicht umsonst diesen Ort zum leben erweckt, nur um ihn eines Tages wieder zu zerstören. Egal was kommen mag, aber er würde es niemals tun. „Ich werde dir nie wieder etwas wegnehmen, was dir so sehr am Herzen liegt. Bitte vergebe mir.“ Schloss er seine Augen, weil er befürchtete, sie würde ihre Entscheidung zurück nehmen.
Ein kleiner Seufzer entfuhr ihr. „Ich habe dir verziehen. Dieser Ort ist wunderschön. Wie hast du das alles geschafft? Es ist noch viel schöner als vorher.“
Lucien verzog sein Gesicht zu einer Grimasse, weil er sich daran nicht wirklich zurück erinnern wollte. Es war schon schwer genug gewesen. „Ich glaube, das ist unwichtig.“
„Unwichtig?“ Runzelte sie mit ihrer Stirn. „Ich glaube nicht. Verrate es mir.“ Beharrte sie darauf und er könnte fluchen. Allein wenn sie ihn so anschaute, wie könnte er ihr da was verwehren?
Ein Knurren des Nachgebens, entrang sich ihm. „Ich musste eine Menge Handel abschließen, um dir all das zu schenken.“
„Was für Handel?“ Blickte sie ihn fordernd an, damit er antwortete, denn sie schien zu spüren, das er sich gerne weigern würde, ihr all das zu verraten.
„Waldgeister können ganz schön gierig sein.“ Verzog er leicht sein Gesicht. „Sie besitzen keine richtige Gestalt und bestehen aus reiner Energie. Darum ernähren sie sich auch nur von reiner Energie, damit sie überleben können. Egal ob von Lebewesen oder von der Natur.“
„Soll das bedeuten, du hast als Austausch für all das, deine Energie gegeben?“ Wirkte sie überrascht. Oder entsetzt?
„So in etwa.“
„Das würde bedeuten, du hast eine Menge geben müssen. All das ist unsagbar viel. Darum bist du auch so erschöpft und müde.“ Wurde ihre Stimme zu einem Flüstern, während sie in seinem Gesicht forschte. „Du hättest das niemals tun müssen.“
„Doch das musste ich, Emmanline. Es soll nur für dich sein und diese Energie habe ich gerne für dich gegeben. Ich würde es immer wieder tun, damit du glücklich bist.“ Lächelte er sie warmherzig an.
Sie versuchte mit ihren Kopf zu schütteln, aber es gelang ihr nicht wirklich, da er ihr Gesicht noch immer mit seinen Händen umfasst hielt. „Ich hätte das auch tun können. Ich kann Pflanzen wachsen lassen.“
„Ich weiß, meine Kleine. Meine Energie kommt wieder. Mach dir da keine Gedanken, denn ich werde wieder fitter. Oder hast du schon vergessen, das ich unsterblich bin? Ich bin ein Drache.“ Würde sein Lächeln zu einem Schmunzeln.
Seine Aufmerksamkeit flog sofort auf ihre Lippen, als sie die so fest zusammen presste. Wie gerne würde er seinen Mund jetzt auf der ihren legen. Erst nur zärtlich, dann nachgiebig, was zu einem stürmischen und feurigen Kuss anwachsen würde. Diese kleine Frau war so verführerisch und anziehend, das er sich wirklich nicht mehr lange beherrschen könnte. Mit Haut und Haaren sollte sie ihm gehören.
Behutsam ließ er ihr Haar durch seine Finger gleiten. Es war weich wie Seide und so rein wie der weiße Schnee auf einem Berggipfel. Wie exquisit.
„Wirst du bei mir bleiben, Emmanline?“ Schaute er wieder in ihre Augen, die voller Wärme funkelten. „Ich versprec...“ Wurde er mit ihren kleinen zierlichen Fingern auf seinem Lippen unterbrochen.
„Nein, tue das nicht. Versprich mir nichts, was du nicht halten kannst. Immer wenn du mir ein Versprechen gegeben hast, konntest du es nicht halten.“ Sprach sie bittend.
Lucien genoss das Gefühl wie ihre Finger auf seinen Lippen lagen und sie sogar seine Konturen nach fuhren.
Leicht verlegen lächelte er und er konnte es nicht fassen. Verlegen? Er? „Würdest du, Emmanline? Bleibe bei mir.“ Legte er erneut behutsam seine Stirn gegen der ihren, während er mit seinen Fingern der ihren verschränkte, wo er sie in seine Hand genommen hatte. Ein Flehen und eine Bitte zugleich.
Ihr Kopf legte sich leicht schräg, während sie ihn prüfend anschaute. Wie gerne würde er wissen wollen, was in ihrem kleinen Köpfchen vor sich ging. Er konnte sehen, wie sehr sie darüber nach dachte und alles abwog, was sie nur zu fassen bekam. Sie war wirklich außergewöhnlich und sie überdachte alles. Sie war eben einfach nur vorsichtig, aber was am Ende herauskam, machte sie klug und wunderschön. Ja, sie war jung, aber sie hatte mehr Wissen und Erfahrungen in sich, wie je ein anderes Wesen in ihrem Alter haben könnte.
„Ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll. Ein Teil in mir verlangt danach, ich soll soweit wie möglich vor euch Drachen fliehen. Aber ein anderer Teil.“ Schüttelte sie mit ihrem Kopf und seufzte leise auf. „Ich verstehe mich selbst nicht mehr. Ich will fliehen, aber etwas in mir drängt mich, zu bleiben. Es verwirrt mich und manchmal macht es mir Angst. Ich zweifle an mir selbst.“
Sofort riss er sie an seine Brust und umschlang sie fest und sicher. „Nein, du darfst niemals an dir selbst zweifeln. Ich bin hier, um für dich da zu sein und zu beschützen. Immer werde ich da sein. Egal wofür du dich entscheiden würdest.“
Emmanline schmiegte sich sofort an ihn und umfasste mit ihren Armen seine Taille. Genau das hatte er vermisst gehabt, wie sie anschmiegsam und weich war. Ihre schlanke Gestalt und der wohltuende Duft, der ihn immer wieder umhüllte und besänftigte. Genau hier fühlte er sich wohl und endlich angekommen. Das hatte er oft gedacht. Sie gab ihm das Gefühl, endlich ein Ziel erreicht zu haben, wo er schon immer sein wollte.
„Das habe ich vermisst.“ Murmelte sie an seiner Brust, während sie ihr Gesicht an ihn schmiegte. „Dein Geruch, der so erdig duftet.“ Schien sie tief einzuatmen. „Warum fühle ich mich von dir so angezogen? Ich weiß, dass du es weißt. Nur du verschweigst es vor mir.“
Das sollte ihn aus der Ruhe bringen, aber er wusste, was er es ihr nicht ewig verschweigen konnte. Sie hatte vollkommen Recht, er wusste es, warum sie sich genauso zu ihm hingezogen fühlte, wie er zu ihr hin. Es war ein magischer Magnet, die sie immer wieder zusammen führen würde. Sie waren in einem Stadion angekommen, wo sie nicht mehr voneinander loskommen würden. Auch wenn sie nicht bereit dafür war, aber ihre Seelen waren schon längst mit einander verwoben. Wie ein Teppich mit tausenden von Fäden.
„Ja, ich weiß es.“ Gestand er schon etwas offensichtliches. „Du hast die Wahrheit auch verdient und ich werde ab heute auch vollkommen ehrlich zu dir sein und auch nichts mehr verheimlichen. Das kann ich auch nicht mehr, egal wie sehr ich mich anstrengen müsste. Ich kann es nicht, weil du meine Se...“
„LUCIEN.“ Schrie einer aufgebracht seinen Namen und entriss sie beide aus diesem wichtigen Moment.
Er drehte sich halb um und sah, wie Cyrill auf die Lichtung gestürmt kam. Sein Freund war mehr als aufgebracht. Sofort schrillten in ihm seine Alarmglocken. Da stimmte was nicht. „Was ist passiert?“ Schlug seine Stimme zu einem Befehlston um und er war wachsam auf alles.
„Die Lykae. Sie sind weit in unser Territorium vorgedrungen. Einer der Späher ist zurück gekommen und hat berichtet, dass sie wild und sich nach einem Krieg sehnen. Selbst Garett Wisdom ist an vorderster Front dabei. Wenn du mich fragst, ist alles eine geplante Taktik und sie verlangen nach etwas.“ Berichtete der Krieger.
„Was?“ Brüllte und knurrte er wütend auf. „Warum hat mir niemand was darüber gesagt? Es kommt nicht von heute auf morgen, dass sie in unserer Territorium eindringen.“
Sein Freund knurrte ärgerlich zurück. „Wir haben versucht dich darüber zu informieren. Du warst aber mit anderen Dingen beschäftigt gewesen und warst kaum zu sehen. Du warst nicht anwesend gewesen.“
Da erkannte er, dass Cyrill Recht hatte. Er war zu sehr auf sein Vorhaben fixiert gewesen, dass er all das andere vergessen hatte. Er hatte seine wahre Aufgabe vernachlässigt, aber auch Emmanline war ihm wichtig.
„Verflucht.“ Fluchte er lautstark los und musste kurz nachdenken. Seine Gedanken rasten regelrecht an ihm vorbei. „Versammle alle Krieger und bereite alles andere vor. Wir werden sofort aufbrechen. Die dürfen nicht weiter vordringen.“ Befahl er.
„Wir sind dabei alles vorzubereiten.“ Meinte er zu ihm. Kurz schaute Cyrill Emmanline an, bis er dann wieder verschwand.
Lucien drehte sich zu ihr um und blickte sie ernst an.
„Schon in Ordnung. Ich habe es verstanden. Gehe ruhig. Alles andere kannst du mir später erklären.“ Sprach sie.
Es wärmte sein Herz, wie verständnisvoll sie doch war. Sie achtete stets darauf und setzte sich zurück, nur damit andere den Vorrang hatten. Dabei hätte sie es verdient. Vor allem in seinen Augen. „Ich werde so schnell wie es geht, zurück kommen. Zu dir.“ Zog er sie in seine Arme und versiegelte seine Lippen mit der ihren. Er musste sie kosten, bevor er gezwungen war zu gehen. Nur einmal noch, wollte er alles an ihr auskosten. Darum war er unsagbar froh gewesen, dass sie es ihm gestattete.
Es kostete ihm große Mühe sich von ihr zu lösen, aber er musste. Bald, schwor er sich selbst. Bald würde er sie wieder in seinen Armen haben und dann konnte er nicht mehr so schnell aufhören.
„Pass auf dich auf.“ Bekam Lucien gedanklich eine Nachricht, als er die Lichtung verlassen wollte. Überrascht und benommen zugleich, hielt er an und drehte sich zu Emmanline um. Zum ersten Mal hatte sie gedanklich Kontakt zu ihm aufgenommen, wo er sich stets zurück gehalten hatte, weil sie sich nicht bedrängt fühlen sollte. Diesmal aber, war sie diejenige gewesen, die Kontakt zu ihm auf genommen hatte.
„Das werde ich.“ Antwortete er ihr mit schnell schlagendem Herzen, worauf er danach verschwand. Er musste gehen, bevor sie ihn zum Gegenteil verleitete. Diese Frau würde sein Untergang bedeuten, aber er wollte es nicht anders haben. Egal was geschehen würde, er würde für sie stehen und überall hin folgen.
Lucien gab Anweisungen und Befehle, die dringend befolgt werden mussten, bevor sie endlich aufbrechen konnten. Jede Sekunde zählte. Was auch immer in Garett vor sich ging, aber er musste aufgehalten werden. Er musste wissen, was sein Anliegen war, warum er sein Volk angriff.
Sicher hatten Drachen und Lykae ihre Meinungsverschiedenheiten, aber sie waren sich desto trotz immer aus dem Weg gegangen.
Lykae waren Gestaltenwandler, die sich jederzeit in ihre Wolfsgestalt verwandeln konnten. Sei es in einen normalen Wolf oder in eines der Kreaturen, die man sich in Geschichten erzählten. Sie verwendeten nicht gerne den Namen Werwolf, aber es war am leichtesten zu beschreiben. Sie konnten sich in abscheuliche hohe Kreaturen verwandeln. Ein Wesen auf zwei Beinen, mit riesigen Klauen, der Kopf monströs groß mit scharfen Reißzähnen, die so scharf waren, dass sie alles durchbeißen und zerreißen konnten. Ihr kräftiger Kiefer gab ihnen die Kraft und Macht dazu. Einmal in einem Maul von ihnen, verspürt man so schnell nichts mehr.
Also was war es, das sich Garett Wisdom, ihnen auf diese bedrohliche Art und Weise näherte?
„Er wird wieder kommen.“ Erklang eine weiche und schöne Stimme hinter ihr, während Emmanline vor den Toren des Schlosses wartete. Die tödlichen Wächter hatte sie schon längst ausgeblendet.
Sie gestand es sich ein, dass sie schon seit fünf Tagen, immer wieder gegen den Himmel starrte, nur um zu sehen, dass er zurück kam. Sie hatte sich auch ständig dabei ertappt, wie sie einen mentalen Kontakt mit ihm aufbauen wollte, aber er hatte nie darauf reagiert. Langsam befürchtete sie, etwas musste schreckliches geschehen sein, aber sie konnte das irgendwie nicht glauben. Ihm durfte nichts passiert sein.
Keine ruhige Minute konnte sie verbringen, ohne das ihre Gedanken zu ihm abschweiften. Er war nicht hier, aber in ihr war seine Präsenz so stark, wo sie nicht klar denken konnte. Diese Ungewissheit machte sie verrückt und das sollte beängstigend sein. Stets war es ihr schlicht weg egal gewesen, aber mit einem Schlag war sie wie ausgewechselt. Sie hatte sich verändert und sie fühlte sich schwermütig, als würde ein Teil von ihr fehlen. Ihr war es klar, das er dieser Teil war, was niemals hätte sein dürfen. Doch warum sehnte sie sich so sehr nach ihm?
„Ja, ich weiß.“ Wandte sie ihren Blick vom Himmel ab und drehte sich zu der weiblichen Stimme um. Vor ihr stand eine Frau, ungefähr ihre Größe, die unsagbar schön war und eine warme Ausstrahlung hatte. Es war eine seiner vielen Schwester von ihm, die eine sanfte Art hatte, im Gegensatz zu seinen anderen Geschwistern. Gut, Malatya gehörte du den Sanften unter ihnen, aber sonst waren alle aufbrausender und wüster.
Langsam stellte die Frau sich neben sie und blickte sie sanft an. „Lucien wird nicht so schnell aufgeben. Was auch immer da vor sich geht, sie alle werden zurück kommen. Zumal mein Bruder nur einen Grund braucht.“ Lächelte sie mit ihren funkelnden azurblauen Augen. „Du allein bist der Grund, warum mein Bruder zurückkehren würde.“
Einen kurzen Augenblick musterte Emmanline sie nur, bevor sie ihren Blick wieder gegen dem Himmel richtete. Sie konnte darauf nichts erwidern, weil es unmöglich war. Das Ausmaß all dessen konnte sie nicht erfassen. Erahnen konnte sie es, dass er wegen ihr zurück kommen würde. Ob es allein ihretwegen so wäre, darin hatte sie keine Gewissheit.
„Da wir noch keine Gelegenheit hatten miteinander zu reden, wollte ich mich bei dir bedanken. Mein Name ist Lya.“ Wechselte die Frau das Thema, weil sie zu spüren glaubte, sie würde nicht weiter darauf eingehen, was auch stimmte. „Seit so langer Zeit war es wieder das erste Mal gewesen, dass wir alle Geschwister zusammen in einem Raum gewesen waren, als unsere Mutter gestorben war. Es liegt schon solange zurück. Als damals unser Vater gestorben war, brach für uns alle eine große Welt zusammen. Ich weiß nicht, wie das geschehen konnte, aber ab diesen Zeitpunkt an, haben sich fast alle zurück gezogen und jeder mit sich selbst getrauert. Damals wusste ich nicht, wie ich den Abstand von uns allen mindern könnte. Meine ganze Kraft ist davon in Anspruch genommen worden. Wenn mein jetziger Gefährte und Mann nicht gewesen wäre, der immer für mich da war und mich nicht hätte beschützt, wäre ich vermutlich ausgebrannt.“ Erzählte sie ohne bedenken weiter, als auch sie ihren Blick zum Himmel richtete. „Ich fühle mich schlecht deswegen, weil ich vergessen hatte, weil wir alle zusammen gehören. Ich war nur auf einen Teil von ihnen beschränkt gewesen, dass ich so vieles übersehen hatte. Das hätte mir nicht passieren dürfen.“ Klang sie etwas verbittert und schuldbewusst.
„Du hättest niemals für alle da sein können.“ Hatte sie der Frau aufmerksam zugehört. „Du hattest eben selbst gemeint, wenn du deinen Gefährten nicht gehabt hättest, der dich beschützt und für dich da gewesen wäre, dann wärst du ausgebrannt. Du kannst nicht für alle da sein.“ Betonte Emmanline ihre letzten Worte und sie konnte nicht anders, als sie anzuschauen.
„Aber ich muss.“ Entgegnete sie ihr.
„Warum glaubst du das? Weil du eine Mütterliche bist, die dazu verpflichtet ist, für alle da zu sein? Oder weil du dazu gedrängt wirst, da es in deiner Natur liegt?“
„Ich bin dazu nicht verpflichtet. Es liegt in meiner Natur, weil ich nicht anders kann. Das ist meine Priorität und ich würde alles tun, die mir lieb und teuer sind.“ War die Drachin energisch und eisern. Sie konnte es in ihrem Blick erkennen, das selbst ihr Drache verbissen war. Sie würde für jeden durchs Feuer gehen, oder gar ihr eigenes Leben geben, nur um die zu retten, die ihr so sehr am Herzen lagen.
„Ich würde auch nichts anderes behaupten. Du hast dein bestes in diesem Augenblick getan, so gut, wie du es nur konntest. Ich bin der Meinung, in solchen Momenten sind auch die anderen daran beteiligt, für andere da zu sein. Nicht nur einer, der sich die größte Mühe gibt. Irgendwann ist die Energie aufgebraucht und das hat damals dein Gefährte erkannt. Er hatte dich davor bewahrt. Es reicht nur ein kleiner Beitrag.“
Auf dem Gesicht der Frau neben ihr, erschien ein Lächeln. „Wusste ich es doch.“
Emmanline wirkte verwirrt. Was wusste sie? Hatte sie eben etwas falsches gesagt?
„Lucien hatte wirklich Recht gehabt. Du hast eine Art an dir, das du einfach nicht anders kannst. Unbewusst hilfst du, auch wenn es dir widerstreben mag.“ Klang sie hell auf begeistert.
Etwas runzelte sie ihre Stirn, während sie darüber nachdachte. „Ich verstehe nicht, worauf du hinaus willst.“ War sie verwirrt.
„Gehst du mit mir ein Stück?“ Fragte sie stattdessen, als sie zum Hof hinwies.
Egal was diese Frau vor hatte, sie wusste nicht, ob es ihr gefallen würde. Aber sie entschloss es zu wagen. Langsam gingen sie die Treppe hinunter und liefen erst schweigend nebeneinander her.
Erst als sie ein gute Stück vom Schloss entfernt waren, fing sie an zu sprechen. „Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll, aber es tut mir schrecklich leid, was du durch unser Volk alles erleiden musste.“
Emmanline blieb prompt stehen und ihre Gesichtszüge hatten sich zur einen grimmigen Grimasse verzogen. „Ich habe das Gefühl, dass es euch allen einen riesigen Spaß macht, mich ständig daran zu erinnern. Es reicht wenn ich hier bin.“ Konnte sie nicht anders, denn in ihr stieg eine Wut hoch. Wenn es allen so furchtbar leid taten, warum sprachen sie es bei ihr immer und immer wieder an?
„Bitte, entschuldige. So meinte ich das nicht. Es ist nur, du bist eine gute Seele und ich bedauere es schrecklich, was du durchmachen musstest. In mir kommt einfach meine fürsorgliche Seite hoch, dass ich dagegen nichts machen kann. So sind wir Mütterlichen eben. Wir können es nicht lassen anderen zu helfen. Ich mag vielleicht ein ruhigeres Äußeres haben, aber selbst in mir brodelt es manchmal und ich könnte denjenigen genauso die Köpfe abreißen.“ Gestand sie ehrlich und da erkannte Emmanline, trotz ihrer sanften und ruhigen Art, steckte selbst in ihr das tödliche Raubtier.
„Ich gehöre nicht zu deiner oder eurer Art.“ Schüttelte sie mit ihren Kopf.
„Das spielt keine Rolle, Emmanline. Lucien ist verrückt nach dir und er würde alles für dich tun. Allein das mein Bruder so aufgeblüht und vor Lebenslust ist, ist Grund genug für alle, dich zu beschützen. Niemand würde dich anrühren.“ Versicherte sie ihr.
Emmanline schüttelte mit ihrem Kopf. „Es mag vielleicht sein, dass mir niemand etwas antun würde, aber ich werde nur toleriert. Ich bin eine Gefahr für euch und das lässt sich nicht leugnen. Ich kann ungeachtet Informationen über euch sammeln. Ich muss noch nicht einmal was davon mitbekommen. Culebra ist gerissen und ich kenne ihn gut genug, dass er nicht eher ruhen wird, bis er das erreicht hat, was er will. Egal über wie viel Leichen er gehen würde. Es widerstrebt mir, aber eigentlich solltet ihr mich irgendwo einsperren oder einfach nur gehen lassen.“ Seufzte sie auf. „Ich habe mir in letzter Zeit einige Gedanken gemacht und ich gebe es ehrlich zu, dass es eine andere Seite in euch Drachen gibt. Hier beschützen sich alle gegenseitig und sind für einander da. Es hatte mir einige Zeit gekostet, damit ich das verstand. Ich habe wirklich versucht aus euch zu lernen und meine Einsicht ist erst dann gekommen, als ich sah, wie aufgeweckt, fröhlich und gelassen Malatya gewesen war, trotz das sie sehr unter sich gelitten hatte. Aus diesem Grund konnte ich nicht zulassen, dass etwas in ihrem Leben sie belastet.“ War sie nachdenklich geworden und ihr Blick hatte sich zu Boden gerichtet.
Leicht wurde sie von der Frau, neben ihr, am Arm berührt. „An dem Tag, wo wir uns alle in einem Raum befanden, ist etwas geschehen, womit wir nicht gerechnet hätten. Zum ersten Mal hat Malatya uns allen die Stirn geboten. Sie hatte all ihren Zorn und ihre Gefühle uns gegenüber freien Lauf gelassen. Dabei ist das nicht ihre Art, aber wir waren sehr froh darüber. Malatya hält sehr viel von dir und sie hat dich uns sogar vorgezogen, obwohl wir ihre Geschwister sind und sie durch ihr ganzes Leben begleitet haben. Sie hatte sehr darunter gelitten, das sie sich nie hatte verwandeln können. Wir waren dem Ausmaß nie richtig bewusst gewesen, weil wir nie in ihrer Lage gewesen waren. Wir hatten immer gedacht, solange wie wir ihr alles geben würde was sie brauchte, umso mehr könnten wir ihr den Schmerz daran lindern. Aber wir haben uns tierisch getäuscht. Es hatte die ganze Sache nur verschlimmert. Darum ist dies auch ein weiterer Grund, warum dir niemand etwas antun würde. Du hast hier einiges verändert.“
„Warum erzählst du mir das alles?“ Wollte sie wissen, denn irgendwas fand sie eigenartig. Ernst schaute sie in die Augen der Frau.
„Damit du weißt, was hier passiert. Du strahlst etwas aus, was ich nicht ganz deuten kann. Etwas reines und anziehendes. Selbst ich muss es zugeben, das ich das Verlangen habe dir Dinge anzuvertrauen, was für mich nicht üblich ist. Nicht Fremden gegenüber, aber bei dir ist es ganz anders. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass du eine Elfe bist, aber letzten Endes ist es auch einfach die Neugierde.“ Sprach sie sanft und ging auf eine der schönen wohlduftenden blutroten Rosen zu, die sie sachte berührte, um sich auch einmal vorzubeugen, damit sie daran schnuppern konnte. „Ich will ehrlich sein, Emmanline. Ich habe das Gefühl, durch dich wird sich vieles entscheidendes verändern. Etwas unbekanntes, wo wir den Ausmaß nicht deuten können. Es muss nichts schlechtes sein, aber viele scheinen es auch zu spüren. Manche sind neugierig, misstrauisch oder auch ängstlich deswegen. Lucien vertraut dir und für viele scheint es auszureichen, dass du unter unser gleichen akzeptiert wirst. Es mag für dich nicht so rüber kommen, aber du solltest es wissen, Emmanline.“
Sie war sprachlos und sie versuchte gerade das alles zu verarbeiten, was sie ihr sagte. Wenn es wirklich stimmte, sie wäre zu so etwas fähig, dann veränderte sie sich wirklich. Sie hatte vermutlich ein Verdacht, warum sie eine Wirkung auf andere ausübte und genau diese Seite in ihr konnte sie nicht kontrollieren. Es steckte tief in ihr drinnen und sie wusste es daher, weil ihre Mutter genauso gewesen war. Sie hatte ihr vieles gelehrt und was für sie wichtig war. Vor allem, wenn es um ihre zweite Natur ging, denn dann war sie ganz anders. Trotz allem, musste sie ihr zweites Ich verbergen und so tun, als würde es sie nicht geben. Es viel ihr wirklich schwer und jetzt wo sie hörte, was sie unbewusst auf andere ausübte, dann war ihr klar, sie musste sich besser unter Kontrolle bringen. Anders ging es nicht und sie hatte es ihrer Mutter versprochen.
Sie konnte sie verstehen, weil sie es aus Sorge um ihre eigene Tochter getan hatte und weil sie wusste, welche gefährlichen Gefahren ihr drohten.
Es war frustrierend und sie fühlte sich nicht wohl dabei. Sie konnte niemand vertrauen, weil die Befürchtung ihres endlosen Dasein sie wirklich leiden lassen würde, was ohnehin schon so war. Manchmal wünschte sie sich auch, sie wäre niemals geboren worden, aber es war ein falscher Gedankengang, weil sie sich dadurch nur noch schlechter fühlte. Allein schon, weil ihre Mutter für sie alles getan hatte, was in ihrer Macht gestanden hatte. Sie konnte nicht undankbar sein und rachsüchtig an sich selbst denken.
Ihr Instinkt verbietet ihr zu schlafen und zu essen. Sie brauchte all das nicht, da sie alle Aufmerksamkeit brauchte. Würde sie das Wort Überleben nutzen, dann war es wohl eine falsche Definition bei ihr, wenn sie nicht sterben konnte. Egal was geschehen würde, nichts würde ihr den Tod schenken.
„Ich habe euch Drachen noch nie verstanden.“ Musste Emmanline sich wieder wachrufen, bevor sie von einer Woge von seelischen Schmerz eingeholt wurde. Das konnte und durfte sie sich nicht erlauben.
Plötzlich fing die Frau neben ihr herzhaft an zu lachen. „Ich denke, es ist am besten so, dass wir nicht verstanden werden.“
Beide gingen noch ein Stück, als die Drachin auf einmal wie erstarrt stehen blieb. Gerade wollte sie fragen, was mit ihr war, als sie den schockierenden Gesichtsausdruck sah. Angst, Schock und Schmerz zugleich spiegelten sich in ihren Augen wieder. Leicht fing ihr Körper an zu zittern und ein entsetzlicher schmerzhafter Klag kam ihr der Kehle empor.
„Nein. Nein. Nein.“ Hörte sie bitterliche Angst in ihrer Stimme und da verstand Emmanline, irgendwas schreckliches muss passiert sein. „Ian.“ Schluchzte sie einen Namen.
„Was ist passiert?“ Ging Emmanline auf die Frau zu.
Noch ein Schluchzen. „Ich muss zu ihm. Tut mir leid, Emmanline. Aber ich muss gehen. Mein Gefährte braucht mich. Oh, ihr heiligen Götter, nehmt ihn mir nicht.“ Trat sie einen Schritt zurück. Sofort sprühten regenbogenartige Funken um sie herum und da wusste sie Bescheid. Sie nahm die Gestalt ihres Drachen an und Emmanline brachte sich außer Reichweite. Die Zeit und ihr Herz schienen gleichzeitig stehen zu bleiben.
Sekunden später stand vor ihr ein hellblauer Drache mit unglaublich schönen Augen. Das Einzige was in diesen funkelnden Augen störte, war, dass sie voller Trauer und Schmerz waren. Dann drückte sie sich mit ihrem ganzen Gewicht vom Boden ab und schoss in die Luft. Blitzartig flog sie davon.
„So warte doch.“ Schrie sie hinterher und rannte ihr nach. Sie kam nur soweit, bis sich zwei Arme um sie schlangen. „Nein, lasst mich los.“ Wehrte sie sich mit Händen und Füßen. Ein Gefühl des Dranges stieg in großen Schritten in ihr auf, dass sie unbedingt folgen musste. Doch die Arme um sie waren wie Stahlfesseln, die sie nicht los schütteln konnte.
„Es ist verboten, dass Ihr das Terrain verlasst. Auf Befehl von Lucien“ Ertönte eine tiefe und brummige Stimme, die sie zuvor noch nie gehört hatte.
Sofort hörte sie sich auf zu wehren, als sie diese schaurige Stimme hinter sich wahr genommen hatte. Eine Gänsehaut befiel ihren ganzen Körper. Erst jetzt wagte sie einen Blick über ihre Schulter. Ein riesiger Mann mit kahlgeschorenen Haaren hielt sie fest. Er hatte breite Schultern, eisblaue Augen, war mit Sicherheit über zwei Meter groß.
Warum mussten alle Drachen immer eine anormale Körpergröße besitzen?
Sein ganzer Körper strotzte nur vor Muskeln und seine Präsenz strahlte Mordlust aus. Aber was ihr am meisten einen Schauer über den Rücken laufen ließ und was ihn noch gefährlicher aussehen ließ, war seine gekreuzte Narbe in seinem Gesicht. Sie verlief von beiden Seiten seiner Stirn und kreuzten sich über seiner Nasenwurzel und verliefen zu seinen Wangen. Diese Narbe musste er sich in einem schweren Kampf zugezogen haben, weil sie konnte sich nicht vorstellen, dass er so unvorsichtig gewesen war.
Trotz allem versuchte sie nicht auf seine blasse Narbe zu starren, die sich von seiner dunklen Hautfarbe deutlich abzeichnete. Sie hielt seinen tödlichen Blick krampfhaft fest. „Lass mich los, ich muss ihr folgen.“ Versuchte sie sich ab jetzt zu wehren, als sie sich aus ihrer Starre befreite. Ihr Blick wurde verbissener und ernster, denn dieser Drang der Drachin zu folgen, war so übermächtig, dass sie es mit allem aufnehmen würde.
„Ich kann Euch nicht gehen lassen.“ War er so höflich und förmlich. .
„Ich muss.“ Wurde sie immer hysterischer.
Sie konnte sehen, das er mit seiner Stirn runzelte und sie fragend anschaute. „Warum seid Ihr so aufgebracht und wollt ihr folgen?“ Stellte er ihr doch die Frage, obwohl sie es gewusst hatte.
„Ich weiß nicht warum. Ich weiß nur, das ich ihr folgen muss. Irgendwas stimmt da nicht. Sie war voller Schmerz und Leid.“ Wehrte sie sich immer mehr, aber er ließ sie einfach nicht los. „Bitte, bevor es zu spät ist.“ Konnte sie sich nicht erklären, warum sie das Gefühl hatte, das etwas schreckliches passieren würde, wenn sie ihr nicht folgte.
„Lass sie los, Segan.“ Erklang eine weitere Stimme und diese erkannte sie diesmal.
Aiden.
Sofort wurde sie los gelassen und sie drehte sich zu ihm um. „Aiden ich muss.“ Wurde ihre Stimme zu einem Flüstern.
„Was ist passiert, Emmanline?“ Kam er auf sie zu und berührte sie federleicht am Oberarm.
Ihr blieb die Luft weg, als sie sah, mit welchem feurigen Blick er sie anschaute. Jetzt kam ihr all das wieder im Sinn, was er einmal zu ihr gesagt hatte, wo er sie auf dem Zimmer bedrängt hatte. Wie er sie liebte und haben wollte. Irgendwie hatte sie es vergessen gehabt. Vielleicht lag es auch daran, da sie ihn seit dem nicht mehr gesehen hatte. Als wäre er ihr aus dem Weg gegangen.
„Ich weiß es nicht, aber ich weiß, dass ich ihr hinter muss. Bitte, Aiden. Ich muss.“ Wurde sie immer nervöser und blickte in die Richtung, wo die Drachin verschwunden war.
„Gut.“ Sagte er fest und drehte sich zu dem anderen Mann um. „Segan, gehe wieder auf deinem Posten zurück. Danke, du hast deine Arbeit erledigt. Ab jetzt übernehme ich.“ Sprach er zu ihm. Kurz blieb der Mann regungslos stehen, aber nickte und verschwand. „Lass uns gehen. Ich werde dich nicht alleine gehen lassen und begleite dich.“ Wandte er sich ihr wieder zu und nichts anderes ließ er zu, er begleitete sie.
Emmanline könnte es abstreiten, aber erstens, wusste sie, er würde sie nicht alleine gehen lassen. Lieber würde er sie fest halten. Und zweitens, hatte sie keine Zeit zu verlieren, also stimmte sie zu.
Blitzartig drehte sie sich um und rannte los, als wäre der Teufel hinter ihr her. Sie mochte nicht fliegen können, aber sie konnte auch schneller am Boden sein. Sicher sie könnte Aiden bitten, sie durch die Lüfte zu bringen, aber sie würde es niemals tun. Also rannte und rannte sie einfach in die Richtung.
Aiden war sprachlos, als Emmanline einfach von dannen zog. Er war perplex welches Tempo sie an den Tag legte. Als wäre der Teufel hinter ihr her.
Normalerweise war er ins Schloss zurück gekehrt, weil er was erledigen musste und hatte Charia darum gebeten. Er war gerade hier angekommen, als er Emmanlines zärtliche und sinnvolle Stimme gehört hatte. Nur war sie diesmal voller Panik gewesen. Also musste er dem Grund nachgehen und aus einem tiefen Grund bewegte in ihr etwas dazu, dass sie Lya hinterher musste.
Ja, er hatte die Drachin von dannen ziehen sehen, als wäre auch hinter ihr der Teufel her. Er hatte in der Luft Panik und Angst wahrgenommen und die ging eindeutig von Lya aus. Irgendwas war wirklich passiert und es musste was schreckliches sein. Das schien selbst Emmanline zu spüren.
Aiden musste heraus finden, was geschehen war und er verlor keine Zeit, weil Emmanline sich schon einen großen Vorsprung verschafft hatte. Er musste wirklich zugeben, sie hatte ein ordentliches Tempo drauf. Wie schaffte sie das nur, mit ihren dünnen kleinen Beinchen? Das hätte er ihr überhaupt nicht zu getraut. Er wusste, Elfen waren schnelle Waldläufer, aber so schnell? Wirklich faszinierend. Kein Wunder, warum er sie als etwas besonderes ansah. Alles an ihr.
Eigentlich wollte er ihr aus dem Weg gehen, weil er sich zu viel heraus genommen hatte. Es war ehrlich gemeint, als er ihr vor einigen Monaten seine Gefühle gestanden hatte. Doch sie sollte es eigentlich nicht wissen. Noch nicht, aber es war zu spät gewesen. Sicher hätte er ihr das irgendwann erzählt und gestanden, aber er fürchtete sich einfach vor ihrer Entscheidung. Zumal er das Gefühl hatte, dass sie ihn abweisen würde, aber er würde nicht so schnell aufgeben. Das konnte er nicht.
Aiden gab auch zu, das Eifersucht ihn gepackt hatte. Lucien hatte genauso Interesse an Emmanline und er scheint selbst hartnäckig zu sein. Es war hart zu sehen, wie er sich an ihr klemmte, obwohl Frauen für ihn nur ein Zweck und Mittel waren. Er war auch nie ein Unschuldslamm, aber er hatte stets den Frauen Respekt gegenüber gebracht. Das mochte Lucien vielleicht auch getan haben, aber er nahm sich das Maß heraus, jede Frau war nur einmal was wert. Niemals ein zweites Mal. Sollte Lucien das bei Emmanline tun, würde er ihn ohne mit der Wimper zu zucken an die Kehle gehen. Auch wenn es sein Tod bedeuten würde, denn er würde niemals zu lassen, wenn diese außergewöhnliche Frau respektlos und wie ein Spielzeug behandelte wurde. In ihrem Leben wurde sie genug herumgeschubst, gedemütigt und respektlos benutzt. Sie wurde nicht wie ein eigenständiges Wesen behandelt, das selbst sie Anrecht auf ein erfülltes und gutes Leben hatte. Diese zarte Frau war mehr als alles andere wert.
Es dauerte eine Weile, bis er sie eingeholte. Emmanline konnte locker mit seinem Tempo mithalten, wenn nicht sogar noch besser. Sie scheint an Kräften und Ausdauer zugenommen zu haben. Er erkannte es auch daran, wie sie aufblühte und noch nicht einmal außer Atem kam. Das schaffte nicht jeder, solch eine Glanzleistung hinter sich zu bringen.
Aiden wusste durch Charia, das die Lykae einen Krieg anzetteln und niemand verstand aus welchen Grund. Bis jetzt sind sie sich immer aus dem Weg gegangen. Ysera war die Einzige die er kannte, die einen Draht zu einem Lykae hatte. Auch wenn es auf einer außergewöhnlichen und umständlichen Situation heraus war. Doch ansonsten gab es überhaupt keinen Grund, warum sie sich auf dem Schlachtfeld gegenübertreten mussten.
Charia hatte seinen Bruder gefragt, ob er sie und ihre Leute in der Schlacht dabei haben wollten, aber Lucien hatte es sofort verneint. Seine ganze Körpersprache sagte deutlich aus, er wollte Culebra zwischen seinen Klauen haben. Aiden konnte es verstehen, denn es ging ihm da nicht anders. Er wollte diesen Bastard von Verräter seine scharfen Klauen in das Fleisch stoßen und mit seinen spitzen Reißzähnen die Kehle heraus reißen. Er würde es genießen, wie er um sein Leben betteln würde. Seine Schreie würde wie Musik in seinen Ohren sein. Wie sehr er es doch genießen würde.
Emmanline rannte in genau die richtige Richtung, als würde sich in ihr ein Kompass befinden. Er musste ihr überhaupt nicht den Weg zeigen. Wenn er dachte, er müsste ihr sagen wo sie lang laufen sollte, merkte er, es war absolut nicht nötig. Sie schien nach ihrem Instinkt zu gehen und der funktionierte hervorragend. Da machte sich auch wieder bemerkbar, in ihr steckte eine Elfe, denn Elfen waren mit der Natur seelisch verbunden. Man sagt, die Natur flüstere mit ihnen, aber niemand fand je heraus, ob dies stimmte. Wenn er Emmanline da so betrachtete, nahm er die Vermutung wirklich wahr. In ihr steckte auf einmal solch eine Lebenslust und eine Energie, die er an ihr nicht kannte. Es erfreute und erwärmte ihn, das in ihr so etwas steckte.
Nicht einmal Halt machte sie, während immer wieder Hindernisse vor ihr auftauchten. Entweder sprang sie über Hindernisse oder wich ihnen anders aus. Oder sie kletterte in die Höhe oder sprang in die Tiefe. Es schien ihr überhaupt nichts auszumachen. Ihre Bewegungen waren geschmeidig und elegant. Er könnte ihr ewig dabei zu sehen.
Aiden wagte es nicht, sie anzusprechen, so konzentriert war sie gewesen. Das einzige was er konnte, war, ihr zu folgen und heraus zu finden, was sie vorhatte. Er wusste, wo die Schlacht statt fand und sie kamen ihrem Ziel schneller näher, als gedacht. Der Geruch von Tod stieg in seine sensible Nase und eine Übelkeit breitete sich in seinem Magen aus. Das viele Blut, was vergossen wurde, lag schwer in der Luft. Zu viel Grausamkeit und Gewalt vermischten sich miteinander. Eine Kombination, die nichts weiter als Verderben brachte.
Emmanline wusste was sie erwarten würde, wenn sie den Ort erreichte, weil sie es kannte. Sie wusste, wenn der Tod um sie herum war. Sie konnte es spüren und je näher sie sich näherte, umso schlimmer wurde ihr Gefühl dabei. Übelkeit stieg in ihr auf und es kostete ihr große Mühe, sich nicht übergeben zu müssen. Hart musste sie es sich erlernen, gegen all die Gewalt und Furcht an zu kämpfte. Es war nie leicht gewesen.
Wie oft wäre sie gerne wieder umgekehrt und vor all dem geflüchtet, was auf sie zu kommen würde?
Leid, Kummer und Schmerz erdrückten sie und lasteten schwer auf ihrem Körper. Es war so schwer, was sie große Anstrengungen kostete ihren Atem unter Kontrolle zu behalten. All diese Gefühle stürmten auf sie ein, aber es machten ihre Schritte nicht minder langsamer. Es war wirklich erstaunlich, welche Leichtigkeit sie beim Laufen verspürte. Es war ein Teil von ihr, wie es die Natur auch war. Sie fühlte sich frei und voller Energie. Selbst damals, als sie vor dem Drachen geflüchtet war, wurde sie von einer unendlichen Freiheit und Energie durchflutet, dass sie zu Beginn nicht wusste, wohin damit. All das konnte sie jetzt bündeln und endlich das sein, was sie wirklich war.
Nicht wissend, wie lange sie schon gelaufen war, konnte sie verschiedene Gerüche wahrnehmen. Es waren so viele, dass sie nicht jedes einzelne benennen konnte, aber eines vernahm sie überall heraus. Blut. Überall verbreitete sich der Geruch von Blut. Metallisch, selbst sie konnte es mit ihrer weniger empfindlichen Nase aufnehmen. Es graute sie, was sie erwarten würde, aber sie kehrte nicht mehr um. Nein, würde sie nicht tun. Sicher, sie war nicht dazu verpflichtet und hatte jedes Recht auf dieser ganzen Welt, aber sie konnte nicht zurück. Es war ihr zuwider. Schließlich konnte sie es sich nicht mit ihrem eigenen Gewissen vereinbaren, wenn sie all das Leid und den Schmerz ignorierte. Immerhin hatte sie sich auch selbst geschworen, dass sie nicht mehr davon laufen würde. Nie wieder. Dieses Versprechen musste sie mit allen Mitteln behalten, auch wenn es ihr widerstrebte. Wahrscheinlich lag es einfach in ihrer eigenen Natur, dass sie nicht anders konnte, als zu helfen. Wie es selbst der Drache zu ihr gesagt hatte.
Aus dem Wald rennend, blieb sie am Rande stehen. Vor ihr erstreckte sich ein breiter Pfad, der von hohen Felswänden umgeben war. Sie blieb taumelnd und voller Entsetzen stehen. Emmanline hatte gewusst, was auf sie zu kam, aber es jetzt vor sich zu sehen, war schockierend und furchtbar zugleich. Kummer und Klage erfüllten die Luft. Schmerz und unendliche Wut verrieten die Gesichter von all den Beteiligten.
Vor ihr erstreckte sich ein notdürftiges Lager, wo verletzte behandelt wurden oder zum ausruhen. Normalerweise konnten sich die Unsterblichen selbst heilen, aber schwerwiegende brauchten ihre Zeit, welche manche nicht hatten.
Mit unvorsichtigen und kleinen Schritten ging sie weiter. Ihren Blick ließ sie umherschweifen. Sofort vielen Blicke von Wut, Missgunst und Vorsicht auf sie, aber sie schreckte nicht zurück. Sie suchte die Frau, die sie einfach hatte stehen lassen.
„Wer bist du?“ Wurde sie von tödlichen Kriegern umzingelt, die in ihr eine Bedrohung sahen. Sogar Schwertklingen waren auf sie gerichtet. Sie konnte verstehen, das sie sie so drohend und missachtend anschauten. Immerhin war sie in einem Lager voller Drachen eingedrungen, welche eine Zufluchtsstätte war.
„Rührt sie nicht an.“ Stellte sich ein Mann vor ihr. Sein Haar verriet ihn sofort. „Verflucht, was habt Ihr hier verloren?“ Drehte sich der Mann grimmig zu ihr herum. Er war einer der Zwillinge und er hatte sich mit ihr vor wenigen Tagen auf der Gartenbank unterhalten.
„Ich habe sie hierher gebracht, Cyrill.“ Antwortete Aiden für sie, als er aus dem Dickicht kam und sich neben sie stellte.
Der Mann vor ihr knurrte Aiden bedrohlich und wütend an. „Bist du noch bei Sinnen?“ Schrie er fast. „Lucien wird dir den Kopf abreißen, wenn er erfährt das sie hier ist.“
Erneut ging es wieder um ihn. Das ärgerte sie maßlos. „Hört auf damit. Alle beide.“ Funkelte sie beide Männer wütend an, die sie nun überrascht anschauten. „Ich bin nicht hierher gekommen, um mir anzusehen, wie ihr euch die Köpfe abreißt.“ Verschränkte sie provozierend ihre Arme vor der Brust. Sie konnte es einfach nicht fassen. Wie konnten sie in diesem Moment nur darüber streiten, was sie hier zu suchen hatte?
Aiden grummelte neben ihr. „Wo ist Lya?“ Wandte er sich zu dem Mann um. „Irgendwas ist passiert?“
Das Gesicht des Mannes verzog sich zu einem leidvollen und mitfühlenden Ausdruck. „Ian wurde schwer verwunden. Es sieht verdammt übel mit ihm aus.“ Erklang Schmerz und Wehmut in seiner Stimme.
„Verfluchte Scheiße.“ Knurrte Aiden.
Emmanline war geschockt und sofort stürmte sie an alle vorbei. Sie musste sie finden. Warum verspürte sie nur den großen Drang diese Frau zu finden? Sie konnte nichts tun. Ihr Gefährte, den sie so über alles liebte, war schwer verwundet. Diese Frau musste vor Schmerz und Kummer umkommen. Am Ende konnte sie ihr nicht helfen, aber sie musste zu ihr gelangen.
Keiner hielt sie auf und sie war wirklich dankbar dafür. Natürlich waren alle Blicke auf sie gerichtet, die dazu in der Lage waren. Hier waren so viele schwer verletzt und mit unzähligen Wunden, die ihre Körper verunstalteten. Selbst Frauen waren unter den Opfern und sie kam aus ihrem Entsetzen nicht mehr heraus. So viel Leid hing in der Luft und der Tod wandelte durch dieses Lager, welch ihr einen eisigen Schauer über den Rücken laufen ließ. Allein die Schmerzenslaute und das Weinen verschlimmerten die tödliche Atmosphäre.Wenn ihr niemand half, musste sie eben alleine suchen gehen. Sie hatte keine Zeit mehr zum warten.
Ihr Kopf schmerzte fürchterlich und sie fühlte sich schrecklich. Sie bekam kaum noch Luft. Was stimmte nur nicht mit ihr? So hatte sie sich noch nie gefühlt gehabt. Noch nie so elend schlecht. Dieses Bedürfnis all dem zu entgehen war riesengroß, aber sie konnte nicht gehen. Wie sehr sie es auch wollte, denn ihr Körper hatte einen eigenen Willen bekommen.
Mit einem Mal wurde sie am Oberarm gepackt und sie zuckte zusammen. „Hier entlang. Ich bringe Euch hin.“ Zog der Mann, der eine hohe Höflichkeitsfloskel an sich hatte, sie in eine andere Richtung. Je weiter sie in dieses Lager ging, umso mehr Zelte waren aufgestellt und desto schockierter war sie. Wenn sie daran dachte, was sie bis jetzt gesehen hatte, dann war sie auf dies nicht vorbereitet gewesen. Selbst Kinder waren von all dem betroffen.
„Oh mein Gott. Was ist hier geschehen?“ Kam es erstickt aus ihrem Mund, was zu einem Flüstern wurde.
„Sie haben auf ihrem Weg Dörfer zerstört und vor nichts halt gemacht.“ Beantwortete er wütend ihre Frage.
„Für all das waren die Lykae verantwortlich? Bei Kindern?“ Fing ihr Herz an zu bluten, denn nichts und niemand durfte Kinder anrühren, die unschuldig waren.
Er musste ihr nicht antworten, wenn sie sowieso schon die Antwort kannte, aber warum sollten die Lykae das tun? Dieses Volk war dafür bekannt, dass sie niemals Kinder angriffen. Sie waren wehrlos und hilflos. Aus diesem Grund verstand sie es nicht. Ihr tat das Herz weh, als sie das Weinen der Kinder hörte, wie sie vor Angst Schutz suchten, oder ihre Leiber zitterten. Sie mussten furchtbare Angst haben und wenn sie daran dachte, was sie alles gesehen haben mochten, dann drehte sich ihr den Magen dabei um. Die Erwachsenen taten alles um sie zu trösten und zu beruhigen.
Es kostete Emmanline große Mühe, ihren Blick vor der schrecklichen Wahrheit zu entreißen, was um ihr herum geschah. Sie waren stehen geblieben und jetzt wurde sie ihrem Umfeld erst wieder richtig bewusst, als sie eine Frau vor sich sitzen sah, die bitterliche, flehende und schmerzvolle Worte von sich gab. Die Tränen rollten regelrecht über ihre gerötete Wangen. Ein Mann lag vor ihr und er sah sehr schlimm aus. Überall Blut und seine Verletzungen schienen böse auszusehen. Der Mann neben ihr hatte nicht gelogen gehabt. Dieser Mann war übel zugerichtet worden und es schien ihm sehr schlecht zu gehen. Sie hatte das Gefühl, dieser Mann lag im sterben. Diese Frau wusste das ihr Gefährte dem Tode nahe war und für immer verlieren würde.
Emmanline riss sich von ihm los und ging die letzten Schritte zu dieser Frau hin, um sich ihr gegenüber hinzuhocken, der Mann zwischen ihnen.
Aufgelöst schauten sie zwei Azurblaue Augen mit dunkelblauen und leicht grünlichen Sprenkeln an. Eigentlich steckten in ihnen viel Wärme, aber diesmal waren sie gequält und voller Trauer. Sie konnte jede einzelne Gefühlsregung dieser Frau spüren und sehen.
„Was tust du hier, Emmanline? Du darfst nicht hier sein.“ Flüsterte sie schluchzend. Sie verstand sie kaum, was durch ihren starken Gefühlsausbruch kam.
„Ich bin dir gefolgt.“ Antwortete sie nebenbei, während sie den Mann vor sich begutachtete. Es sah wirklich nicht gut um ihn aus. Irgendwas musste sie doch unternehmen können. Aber was? Emmanline wusste, wenn dieser Mann starb, würde sich vieles entscheidend verändern. Sie alle würden nicht nur ihn verlieren, sondern sie ebenfalls. Sie hatte gehört, wenn der Gefährte oder die Gefährtin starb, so würde nach geraumer Zeit, auch derjenige oder diejenige in den Tod folgen. Sowie es bei der Mutter des Drachen gewesen war. Das Schlimme aber, sie beide hatten eine kleine Tochter. Wenn ihre Eltern starben, dann würde es ihr das Herz brechen. Das konnte sie nicht zulassen.
Ihr war bewusst, während die Frau die Hände auf seiner Brust liegen hatte, dass sie ihn damit, soweit es ihr möglich war, am Leben zu erhalten. Sie versuchte seinen letzten Funken Leben bei sich zu behalten und sie versuchte ihm Lebenskraft zu geben, aber es würde nichts nützen.
„Würdest du mir vertrauen?“ Schaute Emmanline erwartungsvoll zu ihr auf. In ihren Augen herrschten Ernsthaftigkeit und Ehrlichkeit mit.
Überrascht und verwirrt blickte sie sie an. Sie schien in Emmanline etwas zu sehen, dass sie zum nicken brachte. „Ja, das tue ich.“
„Halte ihn solange am Leben, wie du es kannst.“ Sagte sie und stand auf. „Ich bin sofort wieder zurück.“ Wandte sie sich um und rannte davon. Niemand sprach sie an oder hielt sie auf, was ihr recht war. Sie konnte es jetzt nicht gebrauchen, das sich ihr jemand in den Weg stellte. Sicher wurde sie verfolgt und im Auge behalten, aber sie ignorierte es. Später konnte sie sich darum kümmern, wie verärgert sie darüber war. Sie konnte ohnehin nicht abhauen.
Zum Wald zurück gekehrt, suchte sie sich einen ruhigen Platz, der ihr für einen Moment Gelassenheit und Zufriedenheit gab. Das brauchte sie jetzt. Sie hatte beschlossen, sich von ihren Instinkten leiten zu lassen. Je mehr sie darüber nachdachte, umso komplizierter wurde es und sie konnte dadurch nicht richtig denken eine Lösung zu finden. Was anderes konnte sie jetzt nicht machen, als sich einfach leiten zu lassen. Es war ein Versuch wert, aber sie hatte das ahnende Gefühl, sie könnte etwas bewegen. Ja, sie konnte es.
Vor einem Baum kniend legte sie ihre beiden Hände auf den dicken rauen Baumstamm, als sie zu der dichten Baumkrone hinauf schaute. Es war ein saftiges Grün der Blätter, die die Sonne zur Geltung brachte.
Fest konzentrierte sie sich auf diesen langjährigen Baum, als sie ihren Kopf nach vorne sinken ließ und ihre Stirn legte sich auf die raue Rinde des Stammes. Langsam und leicht schloss sie ihre Augen dabei, während sie ihr ganzes Sein öffnete.
„Bitte helft mir. Ich brauche eure Hilfe, ihr Götter der Natur.“ Flüsterte sie in Gedanken und sie hoffte, sie wurde erhört. „Ich weiß, ich darf nicht darum bitten, aber ich muss es tun. Ich brauche das Leben.“ Wartete sie auf eine Antwort.
Für einen Augenblick dachte sie, niemand würde sie erhören, bis ein Wispern ihr antwortete. „Du bittest uns darum, dass wir dir Leben schenken, damit du Leben geben kannst?“ War die Stimme hart.
„Ja, darum bitte ich. Ich muss helfen.“
Vor ihrem inneren Auge erschienen ihr kleine Wesen von reiner Energie. Ihre Gestalten waren durch ein schimmerndes gelbes Licht kaum zu erkennen. Sie machte sich keine Mühe, sie besser sehen zu können.
„Was willst du uns bieten, wenn wir dir die Hilfe geben?“ Wisperte eine männliche Stimme.
Emmanline wusste, dass es nicht einfach war, aber sie konnte nur etwas wieder geben. „Ich will heilen können. Ich spüre in mir, dass ich das kann, aber ich kann es nicht ohne einen Tausch tun. Die Energie kann ich geben.“
Jemand lachte und es schallte in ihrem Kopf wieder. „Für eine Elfe bist du sehr unwissend. Natürlich besitzt du die Gabe zu heilen. Jede Elfe kann dies.“
Bittere Galle stieg in ihr auf, als sie diesen Anspielung auf ihre Art hörte. Was konnte sie denn dafür, dass sie nie eine Chance bekommen hatte, sich Wissen dessen anzueignen?
„Schweig.“ Gebietet eine Stimme herrisch. „Ich kann aus deinen Gedanken entnehmen, dass du über deine Fähigkeiten und Gaben absolut keine Ahnung hast. Stimmt das Mädchen?“ Fragte sie, aber sie wartete auf keine Antwort, als sie einfach weiter sprach. „Ich sehe, die Drachen sind daran Schuld, aber dennoch willst du ihnen helfen? Sie haben es nicht verdient Hilfe zu bekommen. Nicht von dir. Aber dennoch sehe ich deine Entschlossenheit. Warum?“
„Ich kann nicht genau sagen warum. Tief in mir spüre ich, ich muss es tun. Wenn mir die Gabe zu heilen wirklich angeboren ist, dann habe ich sie zuvor noch nie angewendet.“
Ein längeres Schweigen machte sich breit. Eigentlich hatte sie die Zeit nicht dafür. Jemand brauchte sie.
„Ich verstehe.“ Erklang eine neue Stimme. „Du willst unsere Hilfe nur, weil du Angst hast nur zu nehmen. Wir Waldgeister profitieren schon seit Ewigkeiten von euch Elfen. Nur so können wir überleben. Ihr schenkt der Natur Leben und dies ist euch heilig. Durch die Kräfte der Heilung nehmt ihr die Energie aus der Natur und irgendetwas stirbt ab. Es mag so sein, aber ihr gibt immer wieder einen Übergang. Leben nehmen, bedeutet zugleich Leben geben.“
„Du hast schon bewiesen, dass du Leben geben kannst. Du brauchst unsere Erlaubnis nicht mehr, Elfe. Tue das, wofür du bestimmt und geboren wurdest.“ Verschwand die Stimme und die Gestalt von ihr.
„Eines Tages wirst du wissen, wofür du geboren wurdest. Du bist etwas besonderes. Denke stets daran.“ Verschwanden alle nacheinander. Sie wollte nicht darüber nachdenken, was sie damit meinten.
Mit einem Mal riss sie ihre Augen auf und stand ruckartig auf. Nur um sich blitzartig umzudrehen. Sie hörte, dass Stimmen auf sie einredeten, aber sie konnte ihnen nichts erzählen, was geschehen war.
Bei der Frau angekommen, schien sie aufgelöster und hoffnungsloser zu sein, als sie zuvor gewesen war. Ihr Gefährte war drauf und dran von ihr zu gehen, aber das konnte sie nicht zu lassen. Ihre Hände lagen noch immer auf seiner Brust, um ihn zu erdigen. Sie war überall mit dem Blut ihres Mannes beschmiert. Vor allem in ihrem Gesicht, weil sie mit ihren Fingern immer wieder versuchte ihre Tränen weg zu wischen, weil sie einfach nicht versiegen wollten.
Sachte legte Emmanline ihre Hände auf die der Frau, die so hilflos war. „Ich mache das.“ Sprach sie sanft und blickte sie mitfühlend an. „Ich werde ihm helfen.“
Ein Wimmern der Klage kam über die Lippen der Frau, als sie sie unter Tränen anstarrte. Es widerstrebte ihr, ihren Gefährten jemand anderes zu überlassen. Das sah sie in ihren Augen. „Wenn du es kannst, bitte helfe ihm. Ich darf ihn nicht verlieren.“ Schluchzte sie verbittert.
„Das wirst du nicht.“ Klang es wie ein Versprechen, was zuerst nicht beabsichtigt war.
Zögernd und gegen ihren Willen, zog sie die Hände von ihrem Mann weg, aber rührte sich keinen Zentimeter. Das war in Ordnung und verstand sie auch.
Langsam schloss sie ihre Augen und spürte. Sie spürte, als sie sich konzentrierte, wie ein scharfer Schmerz durch ihren Körper fuhr, aber sie zuckte nicht zurück, oder gab einen Laut von sich. Sie konnte es unterdrücken. Nur einmal holte sie Luft, während sie sich ganz aus ihrem Umfeld abschaltete. Sie ließ alles in Vergessenheit geraten und sie überließ ihren Sinn und Sein ihrem Instinkt.
Ohne darüber nachzudenken, fühlte sie, wie wohlige Wärme ihrem Körper hinauf wanderte, die sich zu ihren Armen hinauf führte, um in ihre Fingerspitzen zu fließen. Der Schmerz wurde mit jeder Sekunde weniger, was eine große Erleichterung für sie gewesen war.
Ohne zu wissen, was sie genau tat, ließ sie sich einfach leiten und es fühlte sich so gut an, richtig und einfach. Niemals hätte sie gedacht, dass so was in ihr steckte.
Sie öffnete ihre Augen und schwankte leicht. Sie wäre beinahe zur Seite gefallen, wenn sie niemand gestützt hätte. Irgendwie war sie nicht erschöpft, viel mehr verwirrt und benebelt. Sie fühlte sich eigenartig und irgendwie verändert. Erst als jemand schrie, kam sie langsam wieder zur Besinnung.
„Oh mein Gott, Ian.“ Schluchzte die Frau laut auf.
Für einen Moment setzte ihr Herz aus, weil sie dachte, sie konnte nichts tun, obwohl sie es versprochen hatte. Konzentrierend schaute sie vor sich hin, als sie das Spektakel mit ansah. Die Schwester des Drachen viel stürmisch um den Hals ihres Mannes. Ihres Gefährten, der sich gerade versuchte aufzusetzen, aber wurde durch seine Frau wieder zu Boden gerissen. Ein Stöhnen entfuhr ihm.
Doch es hatte...funktioniert. Hatte sie das bewirkt, dass der Mann jetzt seine Frau in die Arme nehmen konnte, um sie zu trösten? Ungläubig starrte sie auf die zwei. Erst nach mehren Malen, hörte sie, wie Stimmen auf sie einsprachen. Langsam wandte sie sich ihnen zu.
„Emmanline, geht es dir gut?“ Klang Aidens Stimme besorgt und forschte in ihrem Gesicht. „Was hast du getan?“
Emmanline schüttelte mit ihrem Kopf. Von außen konnte man meinen, sie wüsste es nicht. Dabei versuchte sie den Nebel aus ihrem Kopf zu vertreiben. „Ja alles gut.“ Murmelte sie.
„Sicher?“ Meldete sich eine weitere männliche Stimme.
Dauernd wurde sie untersucht und ihr Gesicht wurden mit sanften Fingern gestreichelt. Es frustrierte sie etwas und schob die Berührungen immer wieder fort. „Lasst das. Mir geht es gut.“ Grummelte sie etwas. Seit wann waren sie so darauf bedacht, sich um sie zu sorgen? „Was ist passiert?“ Fragte sie lieber, als all diese Fragen zu beantworten.
„Das weißt du nicht mehr?“ Beantwortete Aiden ihr die Frage. „Du bist zweimal an uns vorbei gestürmt, ohne auch nur zu reagieren. Kurz darauf hast du dich über Ian gekniet und hast...“ Stockte er und versuchte nach den richtigen Worten zu suchen. „Ich weiß nicht wie ich das erklären soll. Aber es sah so aus, als würdest du seine ganzen Verletzung in dich aufnehmen, als du deine Hände auf seine Brust gelegt hattest. Eine nach der anderen.“ Schien er verwirrt zu sein, als sie zu ihm aufschaute. Da bemerkte sie auch, wie unzählige Blicke auf sie gerichtet waren. Alle den gleichen Gesichtsausdruck, wie auf Aidens.
Das schien sie selbst zu verwirren, während sie zu ihren blutigen Handflächen hinunter schaute, die sie immer wieder öffnete und schloss. Hatte sie es wirklich geschafft?
Warme Hände legten sich auf ihre Wangen, als sie in wunderschöne und zärtliche Augen blickte. Die Schwester von dem Drachen blickte sie so dankend und liebenswürdig an, was es ihr den Atem raubte.
„Vielen Dank, Emmanline. Oh, wie kann ich dir nur danken?“ Rückte sie näher heran und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Du hast mir meinen Mann zurück gegeben.“ Schluchzte sie glücklich und riss Emmanline in ihre Arme.
Eindeutig, sie war sprachlos und entsetzt zugleich. Langsam wusste sie nicht mehr, was sie tun sollte. Alle waren auf einmal so freundlich und zuvorkommen. Irgendwas stimmte nicht. Es konnte doch nicht nur mit dem zusammen hängen, nur weil sie diesen Mann geheilt hatte. Oder?
„Schon in Ordnung.“ Murmelte sie, weil sie nicht wusste, wie sie eigentlich reagieren sollte. Es viel ihr schwer. Darum versuchte sie sich von ihr weg zu drücken, da sie sich unbehaglich fühlte. Sie wusste, diese Frau war warmherzig und gutmütig, die ihr kein Schaden zu fügen wollte, aber diese vielen Berührungen waren einfach zu viel für sie.
„Ich bin dir zu Dank verpflichtet.“ Meldete sich eine tiefe Stimme. Sie war freundlich und warmherzig, wie der Frau. „Ich stehe tief in deiner Schuld.“
Emmanline schaute in warme braune Augen, die sie sanft anblickten. Der Gefährte dieser Frau unterschied sich nicht von ihr selbst. Sie waren sich ähnlich und besaßen das gleiche Gemüt und sie passten perfekt zu einander. Es erstaunte sie und jetzt verstand sie auch, welche Verbindung zwischen ihnen stand. Allein wie sie sich jetzt ansahen, voller Zärtlichkeit und Verbundenheit. Zwischen ihnen bestand eine Anziehung, die weit über eine Bindung hinaus ging.
Irgendwie verspürte Emmanline einen Stich in ihrer Brust und ertappte sich dabei, wie sie dachte, sie würde so etwas besitzen. Solch eine Zärtlichkeit, Verbundenheit und Anziehung. Sie könnte sich jetzt etwas vormachen, wenn sie daran dachte, das könnte sie mit dem Mann und Drachen besitzen, aber es war nicht so. Dieser Mann und Drache zeigte ihr, welch Interesse er an ihr hegte. Er hatte es ihr mehrere Male klar und deutlich gemacht. Schon von Anfang an. Er behandelte sie nur so, weil er sie nur an einem Ort haben wollte. Sein Ziel war es, sie würde in seinem Bett landen und sobald er das geschaffte, würde sie nichts mehr von ihm sehen. Keine lodernde Leidenschaft in seinen Augen, keine nachdrücklichen Küsse auf ihren Lippen, keine zärtliche und warmen Umarmungen, keinen erdigen Geruch, der sie so beruhigte. All das würde sie nicht mehr bekommen, wenn er das bekam was er wollte. Nichts von all dem. Das versetzte ihr einen zusätzlichen Stich in der Brust und sie wusste einfach nicht woher diese schmerzhaften Gefühle kamen. Es war seine Schuld, dass sie jetzt so empfand. Aber sie war auch selbst daran Schuld, wenn sie sich hatte so was gefallen lassen. Es wurde langsam Zeit, dass sie sich gegen ihn wehrte, um sich selbst zu schützen. Wie konnte sie nur so leichtsinnig gewesen sein, sich gehen zu lassen? Das war nie ihre Art gewesen und dafür hasste sie sich. Dabei hatte sie doch gelernt, wie man sich gegen jederart von Gefühlen und Emotionen schützen konnte. Dafür musste sie nun büßen.
Was Lucien da von seinem Krieger hörte, ließ ihn schockieren und wüten zugleich. Das durfte doch nicht wahr sein, was er da gerade hörte. Diese Frau würde ihn noch in den Wahnsinn treiben, wenn sie nicht schon längst damit angefangen hätte.
„Bist du dir da sicher?“ Fragte er seinen Krieger noch einmal, der ihm eine fürchterliche Botschaft überbracht hatte, die sein Herz kurz zum stehen brachte.
„Ja, mein König.“ Bestätigte er seine Frage zum zehnten Mal, während sein gegenüber den Kopf gesenkt hatte. „Cyrill hat mich geschickt um die Botschaft zu überbringen. Ich habe sie auch gesehen.“
Ein bedrohliches Knurren kam tief aus seiner Kehle. Es machte ihn nur noch wütender. Verstand Emmanline denn nicht, wie gefährlich die Lage war? Sie standen in einem heran nahenden Krieg. Diesmal könnte es schlimmer werden, als je zu vor. Es war nicht das erste Mal, dass sie mit den Lykae im Krieg standen, aber das letzte Jahrhundert waren sie sich so gut es eben ging aus dem Weg gegangen. Darum verstand er einfach nicht, warum Garett Wisdom plötzlich einen Krieg anzettelte. Was war nur mit ihm los?
Lucien konnte sich vorstellen, das Wut und Zorn in ihm kochte, weil noch immer sein älterer Bruder Dyade im Kriegsgetümmel war, und er selbst nicht. Dabei war Dyade der rechtmäßige Lykaekönig und nicht Garett. Doch trotzdem musste Garett widerstrebend das Zepter schwingen, worauf er nie das Verlangen verspürt hatte. Er kannte die Brüder und war ihnen auch schon des öfteren begegnet. Es war nicht ihre Art, dass sie ohne Vorwarnung angriffen. Was also war der Grund dafür?
Aber was die Sache mit Emmanline betraf, akzeptierte er überhaupt nicht. Es war ein falscher Moment, aber er musste zu ihr gelangen, um den Grund zu erfahren, was sie hier verdammt noch mal zu suchen hatte. Im Lager zwischen Felsen, wo alle Zuflucht gesucht hatten. Vor ein paar Tagen war er dort gewesen und hatte sich der Lage bewusst gemacht, wie es da ausschaute. Ein schöner Anblick war es nicht gewesen, wie viele Verletzte es gab, was immer mehr wurde. Vor allem hatte ihm es nicht gefallen, als er Kinder vor Ort sah. Sie hatten dort nichts zu suchen, aber was sollte er tun? Schließlich mussten sie irgendwohin fliehen. Aus den Kriegsgebieten heraus. Normalerweise taten die Lykae Junge nichts, aber er wollte kein Risiko eingehen. Nicht, bevor er eine Erklärung von Garett bekam.
Viel wichtiger war es jetzt, dass er sich auf den Weg zum Lager machte. Er konnte nicht zulassen, dass seiner Seelengefährtin etwas passierte. Eifersucht brannte in ihm, wenn er nur daran dachte, wie andere Männer sie anfassten. Offen gab er es zu, er war von Eifersucht zerfressen. Er würde jeden töten, der sie auch nur schief anschaute. Darum sah er auch rot. Drachen konnten verflucht besitzergreifend sein und manche mögen damit nicht umgehen können, aber das war ihm gerade so was von egal. Das einzige was er jetzt wollte, war zu Emmanline zu kommen. Sie würde sich einiges anhören müssen und er würde toben und schreien, wenn sie sich ihm stur entgegen stellte, was er schon direkt vor sich sehen konnte.
Ja, diese Frau hatte sich verändert. Sie war noch immer wachsam und ruhig, aber in ihr steckte mehr Temperament, als man ihr zutrauen würde. Sie ließ sich nicht mehr so schnell was sagen und das fand er auch gut, was bedeutete, dass es ihm mehr Freude bereitete. Sie bot ihm mehr und mehr die Stirn, was zu Diskussionen und Streits führten. Er mochte es, wenn sie dies taten. Das zeigte wie lebendig diese Frau war und sich endlich im Leben wehrte. Darum gab er wahrscheinlich auch so viel nach, weil sie das Gefühl haben sollte, dass sie auf vieles Rechte besaß. Sicher, er könnte sie unterdrücken, aber das beabsichtigte er nicht. Er wollte sie lediglich aus der Reserve locken und sie sollte ihre eigene Stärke entwickeln.
Eine Elfe besaß eine Menge Fertigkeiten und sie waren zu gewissen Teilen Krieger. Vermuten konnte er, das in ihr selbst eine Kriegerin steckte. Vielleicht nicht ganz im Kampf, aber im Inneren schon. Es musste irgendwas mit ihrem anderen Wesen zu tun haben, was in ihr verborgen lag. Noch immer machte er sich Gedanken darüber was in ihr steckte. Langsam wurde er verrückt vor Neugierde. Je länger er darauf wartete, sie erzähle ihm etwas, umso wahnsinniger machte es ihn. Es war manchmal zum verzweifeln, aber er ließ sich nicht von seiner Ungeduld verleiten. Das würde bei dieser geheimnisvollen und sturen Frau nichts nützen. Würde er sie nur weiterhin unter Druck setzen, desto mehr würde sie sich zurück ziehen. Es reichte auch schon, dass sie seine schreckliche Tat verziehen hatte. Ein Wunder war es schon gewesen, dies hatte sie getan. Damit hätte er niemals gerechnet, weil er wusste, wie sehr ihr dieser Ort bedeutet hatte. Sie hatte so viel Leben und Farbe in ihrer kleinen Welt gebracht, welche er ihr mit einem feurigen Inferno zerstörte. Durch seine Wut hatte er sich leiten lassen, was er sich selbst noch nicht verzeihen konnte.
Emmanline mag es nicht merken, aber sie besaß mehr Herz und Seele wie manch anderer. Oft zog sie sich einfach nur zurück und als erstes kamen die anderen. Sie stellte sich niemals an erster Stelle, was ihn nachdenklich machte. Sie konnte eine Menge verlangen, wenn sie es wollte, denn immerhin hatte sie im Leben eine Menge nachzuholen. Ihre Rechte standen ganz oben auf seiner Liste. Ihr sollte es gut gehen und an nichts fehlen. Sie sollte alles bekommen, was sie sich wünschte. Nichts. Einfach nichts nahm sie an. Dabei hätte sie es verdient.
Lucien war lediglich mit fünf der besten Fährtenleser los gezogen, um ein paar Kundschaften einzusammeln. Er musste wissen, wo sich die Lykae aufhielten und nichts und niemand kannte sich besser in ihrem Territorium aus. Erfolgreicher wären sie in den Lüften gewesen, aber das hätte sie sofort verraten.
Er sandte einen kleinen mentalen Befehl an seine fünf Begleiter aus, sie sollen weiter machen und so viele Informationen sammeln, sofern sie es konnten, ohne entdeckt zu werden. Später dann berichten, sollte sich etwas ergeben. Sie waren seine besten Fährtenleser, weil niemand sie sah. Es gab Momente, wo selbst er schauen musste und genau das zeichnete sie aus.
Keine längere Sekunde zögerte er, um ins Lager zurück zu gelangen, wo er eine kleine Elfe maßregeln musste. Er würde ihr nicht weh tun oder mit Worten, aber er wollte ihr nur zu verstehen geben, welche Sorgen er sich um sie machte, wenn sie sich in Gefahr brachte. Es machte ihn wütend, weil sie unvorsichtig war und einfach das Schloss verlassen hatte.
Fünf Tage war es jetzt schon her, als er Emmanline hatte im Wald stehen lassen müssen. Widerstrebend und schweren Herzens musste er gehen, dabei sah sie atemberaubend aus, in diesem natürlichen Licht der Blumen. Trotz all der Düfte um ihn herum, war ihr Duft noch immer am stärksten gewesen, was ihn gebannt und eingenommen hatte. Jedes Mal aalte sein Drache sich darin, wie eine Katze in Minze. So niedrig, wie die Kratzviecher, wollte er nicht sinken, aber die Götter bewahre ihn, genau so verhielt er sich. Wie ein fickeriger Kater, der den Duft einer heißen Katze wahrgenommen hatte. Emmanline sprühte vor ungestilltes Verlangen, was sie nicht mitbekam, aber sein Drache umso mehr. Es brachte ihn oft um den Verstand sich so zurückhalten zu müssen, aber was opferte er nicht alles für diese Frau?
In kurzer Zeit, mit erhöhtem Tempo, kam er ins Lager an und hielt gleich Ausschau nach Emmanline. Er konnte sie riechen, sie war hier. Freudige Erwartung durchströmte ihn und er konnte es nicht fassen, wie glücklich er darüber war, sie wieder zu sehen. Ja, er war wütend auf sie, aber sein Herz machte Sprünge, wenn er sie nur zu Gesicht bekommen würde. Nie hätte er vermutet, dessen so befangen zu sein, das er voller Freude es kaum noch abwarten konnte. Mochte er seltsame Blicke ernten, es war ihm vollkommen egal. Er musste sie einfach nur sehen und sie in seine Arme reißen, nur um ihren Duft ganz einzuatmen und ihre Nähe und Wärme zu spüren. Allein sein Drache tobte in ihn auch und er wollte sie. Mann und Drache verzerrten sich nach dieser Frau.
Auch wenn er das halbe Lager durchsuchen musste, bis er sie endlich fand, blieb er abrupt stehen. Entsetzliche Wut packte ihn, als Emmanline vor einem Mann saß und ihn berührte. Ein Knurren der rasenden Eifersucht drang seiner Kehle hinauf. Er wollte töten und zerreißen. Am besten diesen Krieger, den er kannte und auch schätzte. Was tat sie da? Niemand, absolut niemand sollte sie berühren, außer ihn. Ihm gebührte das Recht ihre Streicheleinheiten und Berührungen zu bekommen. Niemand anderen, außer ihn.
Gerade wollte er auf sie zu stürmen, als er bemerkte wie sie sich versteift hatte und blitzartig aufgesprungen war. Sie war wie erstarrt, drehte sich zu ihm um und beide blickten sich einander an. Was er in ihrem Gesicht und Augen sah, ließ sein Herz und Atem stocken. Sehnsucht und Verlangen. Nur das konnte er in ihren Augen lesen.
Sie gehört mir.
Stürmte Lucien sofort auf Emmanline zu.
Es gab nur zwei Sachen, das sein Blut erst richtig in Wallung brachte. Es brauchte nicht viel, aber es sollte auch nicht zu wenig sein. Zumal er sich das nahm, was er wollte. Denn wenn er etwas wollte, holte er sich das mit großer Gewissheit.
Sex und Gewalt waren die beiden Sachen, die ihn erst lebendig machten. Allein wenn er daran dachte, wenn das Blut in Strömen floss und es überall nach Tod roch, turnte ihn erst richtig an. Oder, wenn er die bettelnden und qualvollen Schreie hörte, was wie Musik in seinen Ohren war. Es gab nichts besseres, was er sich vorstellen konnte.
Mag man ihn wahnsinnig und tyrannisch nennen, aber so war er nun einmal. Er liebte es, anderen Schmerzen zu bereiten und alles nieder zu brennen, was vor ihm lag. Es war seine Stärke und Macht, die ihn dadurch bestärkte, all das zu tun. Er hatte die Kraft dazu und das überzeugte ihn zu großer Zuversicht, dass er als alleiniger Herrscher regieren sollte. Er würde sein Volk zu noch größerer Stärke führen, als es je schon war. Nichts und niemand würde es mehr wagen, sie anzugreifen, wenn er seine Ziele endlich erreicht hatte.
Wenn er nur daran dachte, welche Macht er hätte, wenn ihm alle Untertanen waren, erfühlte es ihn mit vor freudiger Erwartung. Er, der niemand anderes war, als Culebra selbst, besaß er die Stärke, die ihn dafür auszeichnete, dass er als Alleinherrscher für das Drachenvolk bestimmt war. Nicht im Gegensatz zu den de la Cruise. Sie hatten absolut keine Ahnung, wie man ein Reich regierte und er würde alles daran setzen es zu ändern. Egal was er bei seinem Weg alles niederwalzen musste.
Ihm stieg jedes Mal die Galle hoch und der Hass und Zorn brodelte wie kochende Lava in ihm. Gerade wenn er daran dachte, das Lucien de la Cruise auf dem Thron saß. Wie er ihn verachtete und wie gerne er ihn qualvoll leiden lassen wollte. Allein dieser Gedanke, dass er eines Tages ihm alles nehmen würde, was ihm lieb und teuer war, würde er vor Euphorie sich kaum noch beherrschen können. Er würde sich diesen Genuss des Flehens und der schmerzhaften Schreie nicht verwehren. Zulange wartete er schon darauf, diese Blutlinie de la Cruise auszumerzen. Oh, und wie er darauf aufbaute. Er kam seinen Ziel immer näher und es würde nicht mehr lange dauern, dann würde er alles bekommen, was er sich schon sehnlichst erträumte.
Schon vieles hatte er in die Wege geleitet, Bündnisse geschlossen die ihm normalerweise zuwider waren, aber solange ihm alle dienten, scheißt er darauf. Schon seit Jahrhunderten hatte er sich klamm und heimlich seine eigene Streitmacht aufgebaut. Er hatte Abtrünnige und Widersacher, die seiner Meinung waren, zu seinem Volk gemacht. Es wuchs stetig an und keine Probleme Überzeugungskünste anzuwenden. Viele waren seiner Meinung, wenn nicht langsam etwas geschah und Macht unter ihnen herrschte, würde das Drachenvolk eines Tages untergehen. Davon waren alle überzeugt. Also würde er die Drachen erst wieder zur vollen Stärke empor erheben lassen.
Durch all seine Gedanken, drang ein flehendes und schmerzendes Wimmern in seine Sinne und kam dadurch auch wieder zur Besinnung. In dem hier und jetzt.
Eine Nymphe lag vor ihm gebeugt und er spürte den lustvollen Druck um seinen Schwanz, als er immer und immer wieder hart in diese Schlampe von Nymphe eindrang. Nachgiebig und skrupellos spießte er sie immer wieder auf. Sie müsste wissen, wie sehr es ihn erregte, wenn sie bettelte, er solle aufhören. Oder das Schluchzen, wenn sie versuchte von ihm weg zu kriechen. Er liebte es, wenn er beim Sex Gewalt anwenden musste. Es gab ihm den besonderen Kick und das ließ sein Blut richtig in Wallung bringen.
Seine scharfen Krallen hatten sich in ihre Hüften gegraben, sodass sie ihm nicht entkommen konnte. Nicht zum ersten Mal vergriff er sich gewalttätig an dieser Nymphe und er würde es so oft wieder tun, bis er das vollkommene Interesse an ihr verloren hatte, nutzlos war oder wenn sie tot vor seinen Füßen lag. Er machte sich nichts aus dieser Frau, denn er konnte sich jederzeit eine andere suchen, die seine Gelüste stillte.
Culebra interessierte es nicht, wie viel Gewalt er anwenden musste, er tat es einfach, ohne sich Gedanken darüber zu machen. Hart nahm er sie ran und er konnte Blut wittern, denn auf Vorspiele verzichtete er gleich ganz. Solche Spielchen fing er erst gar nicht an und sie langweilten ihn zu Tode.
Ihm blieb es nicht unbemerkt, als ein bekannter Geruch in seine Nase drang, der die geschwängerte Luft nach Blut und Sex durchströmte. Ein wildes Knurren ließ ermahnen, dass er nicht gestört werden wollte, aber sogleich erklang eine ehrfurchtsvolle Stimme.
„Meister, ich bitte um Verzeihung, das ich störe.“ Schwang ein unsicheres Zittern in die Stimme des Mannes mit. „Ich habe Neuigkeiten, die Euch interes....“
„Diese Neuigkeiten sollten von unheimlicher Wichtigkeit für mich sein, dass ich gestört wurde. Ich hasse es, wenn ich gestört werde.“ Unterbrach er ihn brüsk, aber er hörte kein einziges Mal auf, seine Hüften zu bewegen. Erneut klatschten nackte Haut aufeinander, während er seinen Schwanz weiter in sie trieb, endlich zur Erlösung zu kommen. Es gab jetzt nur noch eins, was ihn die genussvolle Entspannung bringen sollte. Für den Augenblick ignorierte er seinen Lakai, der bei einem gewissen Abstand auf dem Boden kauerte und sein Haupt bis zum Boden gesenkt hatte.
Weiter rammte er seinen Schwanz in ihre enge Möse, die vor Röte gefärbt war, wenn er sich daran ergötzte. Sein ganzer Oberkörper beugte sich zu ihr vor, seine Brust gegen ihren Rücken gepresst, als er sie unsanft auf den kalten steinharten Grund drückte.
„Wie ich es genießen werde, deine Schreie in mich aufzunehmen und wie sehr ich dich schmecken werde.“ Flüsterte er in ihr Ohr und die Nymphe wusste sofort, wovon er sprach. Ein entsetzter Laut kam über ihre Lippen, als sie zu Keuchen anfing. Sie versuchte sich zu wehren, aber gegen seiner Stärke hatte sie keine Macht. Er war der stärkere und machtvollere.
Mit einem genussvollem Lecken, fuhr er mit seiner Zunge über ihre nackten Haut, zwischen ihrer Schulter und dem zarten Hals. Er stöhnte lauf auf und konnte es vor lauter Vorfreude kaum erwarten, endlich seine scharfen Zähne in ihre Haut zu bohren. Mit nur einem einzigen Biss, drangen seine Reißzähne in ihre Haut, zwischen Schulter und Hals. Vor Schmerz und Angst schrie sie entsetzt auf und erstarrte in seiner Umklammerung und unter seinem schweren Körper.
Alleine schon, als der erste Tropfen von ihrem süßen Blut, seine Zunge benetzte, stöhnte er voller Genuss auf. Der erste Schluck brachte ihn endlich zur Erlösung und knurrte bei seinem heftigen Höhepunkt machtvoll auf. Sein Ejakulat strömte regelrecht aus ihm heraus und pumpte es in ihren Körper. Sein Erguss kam so plötzlich und mit einer Heftigkeit, dass er vollkommen außer Atem war und ein Beben seinen Körper erzittern ließ. Schweißtropfen liefen ihm die Stirn hinab und er brauchte eine Weile, bis er sich erhob und aus ihr zurück zog. Sofort brach die Nymphe vor ihm zusammen, zitterte am ganzen Leib und schluchzte, während sie sich zusammen rollte und versuchte sich kleiner zu machen.
„Schafft sie mir aus den Augen.“ Befahl er einen seiner Wächter, der sofort herbei geeilt kam und sie davon schleppte. „Nun zu dir.“ Blickte er ihn eiskalt an, der sich keinen Zentimeter gerührt hatte.
Eine eisigen Höhle nannte Culebra seine Domizil, welches er sich bedacht ausgewählt hatte und es diente als sein Versteck. Die Eishöhle erstreckte sich in einem riesigen Labyrinth, was sich unter einigen Eisschichten unter der Erde befand.
Es machte ihm nichts aus, in voller Nacktheit sich preis zu geben, während er die paar Stufen von einem kleinen Podest herunterkam. „Was sollen das für Neuigkeiten sein, die mich zu interessieren scheinen?“
„Ich wollte es im ersten Augenblick nicht glauben, aber ich habe die Frau gefunden, die euch verloren gegangen ist, Meister.“ Antwortete sein Untergebener sofort.
Sofort wusste Culebra auch, von welcher Frau er sprach. „Wo?“ Forderte er mit gebieterischer Stimme auf, es endlich zu verraten. Schon seit längerer Zeit versuchte er dieses Miststück von einer Elfe wieder zu finden. Er hatte einmal eine Lage nicht richtig einschätzen können, als er von einer kleinen Garnison in seinem vorigem Versteck entdeckt wurden. Er konnte entkommen, aber er musste teilweise was zurück lassen und dazu zählte diese geheimnisvolle Frau, die seit ihrer Geburt in seiner Gefangenschaft war.
Damals hatte er eine außergewöhnliche Frau gefangen genommen, die Gemahlin des Elfenkönigs persönlich. Culebra wusste, das mit dieser Frau etwas nicht stimmte, sie anders war. Ihm war so ein Wesen noch nie begegnet. Was reiner Zufall war, war sie in der Zeit schwanger gewesen. Das war ein Glücksfall gewesen. Sie hatte ein Gör zur Welt gebracht und er hatte einen schwachen Geruch von einer Elfe wahr genommen. Eine Mischung aus Elfe und etwas Unbekanntem.
Eigentlich hatte er dieses Gör töten wollen und um die Überreste dem Elfenkönig zu schicken. Nur entdeckte er etwas außergewöhnliches und unerklärliches bei ihr. Egal was er tat, aber er konnte das Gör auf keinerlei Art und Weise töten. Dachte er, sie hätte den letzten Atemzug getan, erwachte sie immer und immer wieder zum Leben. Wie oft versuchte er dieses Rätsel von ihr zu lösen?
Ihre schlampe von Mutter sang nicht wie ein kleines Vögelchen, egal wie sehr er sie folterte. Selbst nicht mit ihrem eigenen Kind. Es schien ein größeres Geheimnis zu sein, als er zu Anfang gedacht hatte. Das trieb ihn des öfteren in den Wahnsinn, aber er hatte sich in den Kopf gesetzt, es heraus zu finden.
Nur das missliche war, das die Mutter des Görs ihren letzten Hauch getan hatte. Oft kam ihm die Frage, wie konnte die Frau sterben, aber ihr Kind nicht? Was war das Geheimnis darin?
Darum wollte er dieses Gör zurück bekommen und dort weiter machen, wo er mit ihr aufgehört hatte, als er sie verloren hatte. So einen Fehler würde ihm nicht noch einmal unterlaufen. Das hatte er sich geschworen.
„Sie ist in der Obhut von Lucien de la Cruise, dem König. Sie weicht nicht von seiner Seite und anscheinend scheint er gefallen an ihr gefunden zu haben.“ Beantwortete er zögerlich seine Frage und er war vorsichtig, weil er genau wusste, wie sehr er diesen Bastard hasste.
Wutentbrannt brüllte er auf und er riss seinem Untergeordneten hoch und packte ihn an der Kehle. „Was sagst du da?“ Fauchte er ihn an. Immer fester drückte er zu und er fing sich langsam an zu wehren. Seine Gedanken rasten regelrecht und er musste es erst einmal verdauen. Wie kommt Lucien zu ihr? Mit Sicherheit würde er sie als ein Vorteil nutzen und selbst heraus finden, dass mit ihr nichts stimmte. Also musste er sie noch schneller zurück bekommen, wie er konnte, bevor Lucien sie für seine Zwecke nutzte.
Oder? Da kam ihn ein Blitzgedanke. Culebra ließ von ihm ab und er fiel hustend und röchelnd zu Boden. Dabei machte er eine halbe Drehung und ging zum Podest zurück. „Du hattest gemeint, er weicht nicht von ihrer Seite und er zeigt Interesse an ihr? Hoch interessant.“ Lachte er einmal hocherfreut auf. „Vielleicht kann ich das zu einem großen Vorteil nutzen. Wenn es wirklich stimmt, dann wäre sie zu größeren Nutzen, als ich dachte. Ich habe einen neuen Auftrag für dich.“ Wandte er sich wieder um und setzte sich auf seinen Thron, der nur aus reinem Eis bestand. Ein Baustein auf den anderen bauten sich vor seinem geistigen Auge auf und ein hämisches Lächeln breitete sich in seinem Gesicht aus. Wie er sich darauf freute, wenn sein Plan genau den Zweck erfüllte, was er sich vorstellte.
„Mögen die Spiele beginnen.“ Lachte Culebra euphorisch auf.
Gerade war Emmanline auf dem Mann vor ihr konzentriert, als sie sich um ihn kümmerte. Sie beschloss, dass sie, wenn sie schon hier war und zuvor den Gefährten von dieser Frau geholfen hatte, den anderen auch zu helfen. Es widerstrebte ihr zwar, aber sie konnte nicht anders. Sie konnte nicht einem helfen und die anderen einfach ignorieren. Es war einfach unmöglich dies zu tun und gegen ihrer Natur.
Es brach ihr beinahe das Herz, je mehr sie das Leid und die Qual in diesem Lager sah. Vor allem in den Gesichtern der Kinder. Was hatten sie alles erleben und ansehen müssen? Sie könnte ihre Augen davor verschließen, egal wie gerne sie es getan hätte, aber sie konnte es nicht. Wenn es um Kinder ging, hörte es bei ihr auf und sie konnte nicht anders. Ein großer Drang in ihr zwang sie dazu. Sie wollte nicht, das Kinder von Kummer, Schmerz und Leid geplagt wurden, egal welcher Rasse sie angehörten. Sie konnten nie was gegen solch grausame Situationen ausrichten.
Darum versuchte sie dem Mann vor ihr zu helfen, wo zuvor sie ein kleines Mädchen angebettelt hatte ihrem Vater zu helfen. Die Tränen auf ihren Wangen hatte sie keinen Moment zögern lassen. Sie versprach ihr ihm zu helfen und bemühte sich regelrecht die schweren Verletzungen von ihm zu heilen.
Mochte sie ihre eigenen Vorsätze und Gefühle verraten, nie einem Drachen zu helfen, aber die Bitte eines Kindes könnte sie niemals abschlagen. Nicht wenn sie solange mit großen und hoffnungsvollen Augen angeblickt wurde.
Gerade als sie mit ihrer Heilung fertig war, seufzte sie leise auf und begutachtete diesen Mann. Er hatte eine große und muskulöse Statur und sah wie jeder Krieger tödlich aus. Selbst als er so geschwächt vor ihr lag. Seine Verletzungen waren geheilt, aber er würde vermutlich noch einige Schmerzen haben, bevor er sich vollkommen erholt hatte. Sie gestellte fest, sie konnte die Verletzungen vollkommen heilen, aber sie konnte ihnen nicht die Schmerzen abnehmen. Das war ihr nicht möglich gewesen, trotz das sie es nicht konnte, schienen ihr viele dankbar dafür zu sein und aus irgendeinen Grund, der aus einem Winkel tief in ihrem Inneren kam, sich sogar darüber freute etwas außergewöhnliches geschafft zu haben. Sicher waren noch sehr viele ihr gegenüber misstrauisch und wollten das sie verschwindet, aber niemand wagte es auszusprechen. Einige verteidigten sie. Vor allem Aiden und der Freund von ihm.
Sofort schweiften ihre Gedanken zu dem einem Mann hin und sie presste ihre Hand schmerzhaft auf ihre Brust. Sie fühlte einen ungeheuren Druck auf ihrer Brust und sie wagte normalerweise nicht darüber nachzudenken woher es kam, aber sie wusste es besser. Sie wusste, dass es durch ihn kam. Nicht einmal hatte sie bemerkt wie sehr sie sich an seine Anwesenheit und Nähe gewöhnt hatte. Er strahlte eine große Sicherheit und Wärme aus, in welche sie sich liebsten darin versinken wollte. Sie wünschte es sich sogar, aber konnte sich nie überwinden es zu tun. Er versicherte ihr immer wieder, er würde alles daran setzen sie zu beschützen, damit ihr ja nichts geschah. Es schien ihr langsam zu gefallen, wenn er ihr das immer wieder versprach, weil sie erkannte welche Ehrlichkeit in seinen Worten steckte. Sie konnte spüren das er sie nicht anlog und was blieb ihr dann anderes übrig, als ihm dann zu glauben? Vertrauen konnte sie ihm nicht. Vermutlich noch nicht, aber diesen Gedanken konnte sie noch nicht weiter führen. Dafür war es noch zu früh.
Warum also konnte sie ihn nicht aus ihrem Kopf verbannen? Selbst wenn sie ihre Augen schloss, sah sie sein Gesicht und seinen glühenden Blick, als würde er nur sie anschauen, niemand anderen. Dabei war sie ihm und allen anderen eine große Gefahr. Ein starkes Gefühl sagte ihr, das Culebra ihr auf der Spur war und das er sogar schon wusste, wo sie sich befand. Sollte er je an sie heran kommen, würde etwas sehr schreckliches geschehen. Das fühlte sie und sie wusste nicht, ob sie es sich je verzeihen könnte, wenn auch nur jemand zu Schaden kommen würde, wegen ihr. Sie war nun schon eine so lange Zeit unter diesen Drachen, das sie wirkliche gute und richtige Seiten in ihnen erkannte. Sie waren anders und lebten mit ganz anderen Vorsätzen. Nie hatte sie in der Gefangenschaft erfahren und gesehen, wie Jugendliche, Kinder oder andere Mitglieder in ihrer Sippe so viel Liebe und Aufmerksamkeit bekamen. Sie kümmerten sich umeinander und ein kleiner Schmerz der Eifersucht und Sehnsucht machte sich in ihr breit. Vor allem als sie gerade sah, wie der Mann und Vater seine kleine Tochter so herzzerreißend in seine Arme schloss, um sie zu trösten. Das Mädchen klammerte sich verzweifelt an ihrem Vater fest, das bitterlich weinte und schluchzte. Aber Erleichterung und Freude umgab die beiden, was ihren Schmerz ein wenig linderte.
Emmanline sollte sie am besten alleine lassen und um ihnen die Zeit zu geben, die sie gemeinsam brauchten. Kaum war sie aufgestanden, als sie intensive Blicke auf sich spürte. Ihr blieb mit einem Schlag die Luft weg und erstarrte wie eine Statue. Sie kannte dieses Gefühl und sie wusste ganz genau wer es war. Ihr Herz raste wie ein tosendes Pferd und ihre Augen waren weit geöffnet, als sie daran dachte, wie sehr es sie aus dem Konzept brachte.
Es widerstrebte ihr sich umzudrehen, denn sie wusste was sie erwarten würde, aber wie schon eine ganze Weile tat ihr Körper genau das Gegenteil. Langsam drehte sie sich um und blickte in Augen, wo glühende Kohlen nicht mithalten konnten. Wie schaffte er es nur, sie jedes Mal außer Atem zu bekommen, wenn sie in seine glühenden Augen schaute? Sie zweifelte an sich selbst und kam sich so dumm vor, wenn sie jedes Mal stark auf seine Anwesenheit reagierte. Alles veränderte sich, als sie ihn erblickte. Ihr ganzes Inneres zog sich zusammen und Hitze stieg in ihr auf, was in letzter Zeit zu oft geschah. Es war ein erschreckendes Gefühl, aber auch wieder faszinierend. Sie konnte sich dagegen nicht wehren, egal wie sehr sie es versuchte. Dieser Mann löste in ihr Dinge wach, die sie verdrängt hatte oder wo sie gedacht hätte, sie nie zu besitzen.
Unbewusst blendete sie ihr ganzes Umfeld aus und ignorierte gekonnt alle Blicke auf sich ruhend. Im Augenblick existierte eine Welt nur zwischen ihm und ihr selbst. Nichts war von Bedeutung, außer was zwischen ihnen herrschte. Eine ungeheure Anspannung und Anziehung die zu übermächtig wurde, je länger sie sich anschauten.
Seine Blicke waren das Feuer was in ihm tobte und sein Drache war unmittelbar zu erkennen. Selbst seine Brust hob und senkte sich in schnellen Atemzügen. Ihm ging es ganz genauso wie ihr. Sie wusste es aus diesem Grund, weil er auf sie zusteuerte. Wie ein Raubtier schlich er sich an, aber sein Blick sagte ihr, sich lieber auf sie stürzen zu wollen. Ein erneuter Schock durchzuckte sie, als sie erkannte, dass sie keinen Funken Furcht in sich spürte. Sie hätte sich vor Panik umdrehen und davon rennen sollen. Im Gegenteil, sie machte zwei Schritte nach vorne um ihn entgegen zu kommen. Wie sehr sehnte sie sich danach das er endlich den Abstand zwischen ihnen überbrückte. Sie wollte zu ihm rennen und sich in seine Arme werfen, damit sie endlich das Gefühl bekam, starke Arme umranken sie.
Keiner von ihnen sprach ein Wort oder ein Laut kam über ihre Lippen. Stille herrschte zwischen ihnen, aber diese Intensität brauchte keine Worte.
Es dauerte nur wenige Sekunden, aber für sie kam es wie eine Ewigkeit vor, als er endlich vor ihr stand und wie erhofft sie in seine Arme riss. Er musste ihren Blick gedeutet haben, wie gerne sie jetzt umarmt werden wollte. Sie gab sich dem Gefühl hin und schmiegte sich ohne Bedenken an ihn. Ihr Gesicht vergrub sich an seiner Brust, als selbst ihre Arme um ihn schlangen. Ihre Arme konnten seinen Körper nicht ganz umfassen, was ihr keine Probleme bereitete. Er konnte sie ganz in seine Umarmung schließen, darin halb vergraben. Es müsste ungewöhnlich aussehen, wie sie als kleine Person sich an solch einen Kraftprotz schmiegte.
Ihre Augen waren geschlossen und ein kleiner Seufzer der Zufriedenheit kam über ihre Lippen, als sie seinen schnellen Herzschlag in seiner Brust schlagen hörte. Sie hatte das Gefühl, als würde sein Herz mit ihrem im Einklang schlagen.
Nicht lang genug, löste er sich von ihr und am liebsten hätte sie dagegen protestiert, aber konnte es gerade noch unterdrücken. In seinem Gesicht konnte sie Wut und Unverständnis lesen. Warum war es ihr klar gewesen, das er nicht vollkommen begeistert war sie zu sehen? Ja, es stimmt, sie hätte nicht hier sein sollen, aber was hätte sie machen sollen? Nichts, weil sie keine Chance gehabt hatte. Also wäre es unvermeidlich gewesen, das er jetzt wütend auf sie war. Das brachte wohl nichts.
„Was glaubst du, was du hier tust?“ Knurrte er verärgert und hielt sie eine Armeslänge von sich weg, während er sie von oben bis unten musterte, nicht nur einmal. <als wollte er sicher gehen, ihr war nichts geschehen und keine Verletzungen trug sie an sich.
Leicht seufzte sie. „Warum bist du immer gleich so wütend?“ Stellte sie eine Gegenfrage, anstatt seine Frage zu beantworten. Es würde ihn nur noch wütender machen, egal was sie sagen würde. Es ging ihr auf die Nerven.
In seinem Kiefer zuckte ein Muskel, wo sie genau wusste, er war nahe dran einen Wutausbruch zu bekommen. Doch es war ihr egal, denn sie hatte es satt, das er sie behandelte, wonach ihm gerade beliebte. Er musste langsam lernen, er konnte es nicht machen, wie er es gerne hätte. In letzter Zeit waren seine Launen ein stetiger Wechsel, welche gute und schlechte Momente waren. Zurzeit hatte er mehr sanfte Seite an sich und er wollte wirklich, sie sollte sich bei ihm wohlfühlte. Manchmal war es das auch. Sie konnte es fühlen. Es viel ihr noch immer schwer das zu glauben, aber langsam beschlich ihr ein eigenartiges Gefühl, sie konnte nicht ewig ihre Augen davor verschließen. Sie musste anerkennen, das er sich wirkliche Mühe gab. Natürlich hatte er ihr vieles zuvor genommen, aber er hatte sich stets darum bemüht es wieder gut zu machen, oder es doppelt als Widergutmachung auszubessern. Dieser Mann steckte voller Überraschungen und langsam fand sie das faszinierend, denn noch niemand hatte sich je so um sie bemüht.
Eine Sache, wo sie des öfteren mit ihrem Kopf schütteln konnte, war, wenn er etwas liebenswertes getan hatte, dann konnte sie nur darauf warten, bevor er es wieder zerstörte. Dieser Mann konnte sich einfach nicht entscheiden.
„Darüber möchte ich nicht mit dir streiten.“ Knurrte er sie an.
„Knurr mich nicht an.“ Wies sie ihn darauf scharf hin. Langsam wusste sie, was für ein Problem dieser Mann und Drache hatte. „Das kannst du mit deines Gleichen tun, aber ich gehöre nicht dazu.“ Konnte sie sich einfach nicht mehr zurück halten. In ihr mag ein vager Schmerz liegen, weil sie trotz allem eine Außenseiterin war. Sie gehörte nicht zu ihnen oder zu den Elfen. Sie gehörte nirgendwohin, weil sie ganz genau wusste, es gab nichts und niemanden, der so wie sie war. Einfach niemand. Sie war alleine und es fühlte sich wie eine große Leere in ihr an. Doch sie konnte sich dadurch nicht beeinflussen lassen. Sie war es gewohnt und hatte schon immer auf eigenen Beinen stehen müssen, denn sie konnte sich nur auf sich selbst verlassen.
Lucien war einem Ausbruch sehr nahe und er wäre am liebsten auch in die Luft gegangen. Er konnte es doch tatsächlich nicht fassen, sie hier im Lager zu sehen. Glaubte sie denn, er wäre zornig, wenn sie nicht hier gewesen wäre? Natürlich nicht. Es ging immer nur um sie, was in letzter Zeit der Hauptfall war. Seit sie in sein Leben getreten war, musste er ununterbrochen an sie denken, sie sehen, sie berühren und selbst all das haben. Der reine Beschützerinstinkt war es, der ihn so außer Kontrolle brachte. Er hatte sonst stets die Ruhe weg, aber wenn es um sie ging, war er schneller in der Luft wie eine Rakete. Er konnte es nicht leugnen, aber diese Frau vor ihm ging ihm unter die Haut. Sie nistete sich überall in ihm ein und er konnte tun was er wollte, aber er wurde sie nicht mehr los. Zumal er es auch nicht wollte. Nicht mehr.
Sie gehörte einfach ihm, so wie es vorherbestimmt war. Sie gehörte an seine Seite und da würde sie auch hingehören, egal wer sich ihnen in den Weg stellte, oder Emmanline selbst. Er würde ihr viele Gründe geben, dass sie zu ihm gehörte und würde es ihr auch verständlich machen, sie konnte ihm nicht entkommen. Sein Drache war bereit für seine Gefährtin zu kämpfen, die er anerkannte. Mag es das Letzte sein, aber er bekommt sie, egal wie stur und wortkarg sie sich jetzt gab.
Eben war alles noch fantastisch gewesen, als er sie in seine Arme gerissen und an sich gespürt hatte. In ihren Augen hatte eine Art Sehnsucht gesteckt, sie wollte, er solle sie in die Arme nehmen und er hatte es getan. Wie könnte er je die stumme Bitte von ihr ignorieren, wenn sie ihn anschaute, als bräuchte sie einen Halt? Weil er es nicht gekonnt hatte, war er auf sie zu gegangen.
Ihm waren nicht die Zuschauer um ihn herum entgangen, aber es war ihm schlicht egal gewesen, was sie dachten. Sollten sie ihn so sehen, wie er einer Frau so entgegen kam. Sicher könnte es schwach wirken, aber wenn er diese Frau sah, war es ihm vollkommen egal, weil sie ihm gehörte.
Darum entsetzte es ihn, als sie sagte, sie gehörte nicht zu der Seinen. Glaubte sie das etwa? Natürlich gehörte sie zu ihnen, vor allem zu ihm. Wenn nicht kurz ein Schmerz in ihren Augen aufgeblitzt wäre, hätte er glatt glauben können, es wäre ihr egal, aber dies war nicht der Fall gewesen. Sollte sie glauben, sie wäre alleine und niemand würde sie wollen, dann war sie schief gewickelt. Er würde es solange versuchen und die Zeit nehmen, bis er es ihr verklickert hatte. Genau das würde er jetzt tun.
Blitzartig griff er nach ihrem Handgelenk, drehte sich um und zerrte sie hinter sich her. Was er mit ihr tat oder tun würde, ging den anderen nichts an. Dies war eine Sache zwischen sie beide, also zog er sich mit ihr zurück. Er würde niemals etwas tun, was sie nicht wollte. Eher würde er sich selbst Schmerzen zufügen. Er hoffte sie würde es auch verstehen.
Gekonnt ignorierte er ihren Protest und Gegenwehr, denn sie hatte kräftemäßig keine Chance gegen ihn. Keiner wagte es sich einzumischen und das war auch gut so, denn er hätte jeden einzelnen die Visiten gelesen, sollten sie sich in den Weg stellen. Ihm war nicht entgangen, Aiden versucht es, aber ein einziger tödlicher und vernichtender Blick reichte vollkommen aus, um ihn zum Stillstand zu bringen.
Ihm waren die Gefühle von Aiden bewusst, die er für Emmanline empfand. Sein Drache tobte unter seiner Haut, wenn er ihn in der Nähe seiner Gefährtin spürte und sah. Sie gehörte ihm und darum hatte kein männliches Wesen in ihrer Nähe zu suchen. Nicht solange sie seine Frau und Seelengefährten geworden war. Nicht eher würde er ruhen, bis sie die Seine war.
„Lass mich los.“ Riss sie ihn aus seinen Gedanken und immer wieder zerrte sie an seiner Hand und ihre Fingernägel krallten sich in seine Haut am Unterarm. Ihn störte es wenig, denn ihre Gegenwehr war nichts gegen seine Stärke.
„Nein. Wir werden nun miteinander reden, wie du es wolltest. Du wolltest eine Erklärung für all das, und die werde ich dir jetzt, heute und hier.“ Blieb er an einem Bach stehen, der weit vom Lager entfernt war. Hier würde sie niemand hören und der Ort lag still und entfernt, passend für ein Gespräch zwischen ihnen.
Noch einen Augenblick stand er wie eine Statue, aber drehte sich langsam zu ihr um. Sie schaute ihn mit einem skeptischen und vorsichtigen Blick an, das sie verriet auf der Hut zu bleiben. Vielleicht sollte sie das tun, aber er würde ihr niemals weh tun.
„Schaue mich mich nicht so an, Emmanline. Du weißt, ich würde dir niemals weh tun.“ Trat er einen Schritt nach vorne und blieb so dicht vor ihr stehen, dass sich ihre Brust der seinen berührten. Ihr Atem ging mit einem Mal schneller und ihr Herz fing zu rasen an, was er hören konnte. Erstarrt stand sie da, aber sie schaute ihn mit geraden Blick an. Welche wahnsinnigen Augen sie doch hatte. Sie schienen jetzt zu leuchten und in ihnen steckte so viel Intensität, der selbst ihm den Atem raubte. Anscheinend wusste keiner von beiden welche Anziehungskraft sie untereinander ausübten.
Sanft legte Lucien seine großen Hände an ihre Wangen. Sie wirkte gegen seine mächtige Gestalt so klein, dass sein Beschützerinstinkt immer mehr angestachelt wurde.
„Du musst mir da Vertrauen, das ich dir niemals etwas antun würde. Ich gebe zu, ich hätte nicht so wütend sein dürfen und dich anknurren sollen. Bitte entschuldige.“ Lehnte er seine Stirn gegen der ihren, um ihr tief in die Augen zu blicken. „Aber wenn es um dich geht, schaffe ich es nicht ruhig zu bleiben. Ich will dich nur beschützen.“
Emmanline erwiderte seinen Blick und blieb für einen Moment stumm. „Du kannst mich nicht dauernd anknurren, wann es dir gerade passt. Ich mag dir unterliegen, aber ich kann es nicht mehr.“ Flüsterte sie die letzten Worte, während sie ihre Augen halb schloss. „Warum wollt ihr Drachen mich so unterdrücken und einschüchtern?“
Für einen kurzen Augenblick war er sprachlos, was er von ihr hörte. „Um Gottes Willen, Emmanline. Niemand hier will dich unterdrücken oder einschüchtern.“ Zuckte er etwas von ihr ab, um sie besser sehen zu können. „Ich weiß nicht, was du genau alles durch machen musstest, aber ich weiß, keiner wird dir je wieder etwas antun. Wenn ich nicht durch Zufall mit angehört hätte, als ich ins Lager kam, hast du was unglaubliches getan. Du überraschst mich immer wieder und du glaubst nicht, wie erstaunt ich darüber bin. Du tust es einfach, du hilfst Anderen, obwohl es nicht in deinem Sinne liegt.“ Sprach er ruhig und lächelte sie leicht an. Sie war einfach umwerfend und je länger er sie um sich hatte, umso mehr verankerte sie sich in seinem Herzen fest. Er war eindeutig verloren.
„Du hast Recht, es liegt nicht in meinem Sinne. Aber warum kann ich damit nicht aufhören? Alles in mir verlangt, ich muss helfen. Ich kann nichts dagegen tun.“ Seufzte sie.
„Genau das macht dich aus, Emmanline. Du besitzt ein gutes und großes Herz und du schaffst es wirklich, meinem Volk immer näher zu kommen. Es mag einige geben die noch misstrauisch sind, aber sie akzeptieren dich und danken dir, was du bisher getan hast.“ Sprach großer Stolz aus ihm heraus, weil diese Frau ihm gehörte. Gehören würde.
„Wie kannst du so was sagen? Ich gehöre nicht zu deinem Volk. Ich gehöre nirgendwohin.“ Klang Tonlosigkeit in ihrer Stimme mit, das ihm schier das Herz weh tat. Noch schlimmer, als sie abrücken wollte, aber er ließ es nicht zu.
„Erzähle nicht so einen Unsinn.“ War seine Stimme leicht ermahnend. „Du gehörst zu mir. Allein zu mir.“ Versiegelte er ihre Lippen mit seinen, als sie sofort widersprechen wollte. Er küsste sie wild und leidenschaftlich. Alles brannte in ihm und er wollte sie. So sehr und intensiv, das es ihn beinahe von innen heraus zerriss.
Dieser Mann raubte Emmanline beinahe den Atem, sowie er sie küsste. So wild und intensiv. Beinahe hätte sie laut aufgestöhnt, als er sich so an sie drängte. Ihr Körper verlangte nach seiner Nähe und sie lechzte nach seinen Küssen und Berührungen. Sie würde es niemals zugeben, aber sie genoss jede einzelne Sekunden mit ihm. Wie konnte es nur dazu kommen? Oder gar, soweit kommen?
Emmanline konnte nicht anders, als diesen unglaublichen Kuss zu erwidern. Sein Kuss war hart, aber seine Lippen weich und nachgiebig. Sein Geschmack erdig und mit einer Prise Herben. So männlich und stark. Genau was sie gerade brauchte. Je mehr er ihr gab, umso mehr verfiel sie ihm und bald würde sie sich überhaupt nicht mehr wehren können, egal was er tun würde. Dieser Mann und Drache verzauberte sie immer mehr, auch wenn sie sich wehren sollte. Die Drachen waren ihr Unglück und Verderben, die ihr so viel genommen hatten. Also wie konnte es so weit kommen, das sie sich genau nach dem Wesen hingezogen fühlte, die ihr so viel Grausamkeit gegeben hatten? Es widersprach allem was sie kannte.
„Ich...“ Konnte sie aus den wilden Küssen nur abgehackte Worte aussprechen. „...kann nicht...“
„Doch das kannst du.“ Küsste er sie einfach weiter, bis ihre Lippen angeschwollen waren.
Wehren konnte sie sich schon lange nicht mehr, deshalb presste sie sich fest an ihn, wie sie nur konnte. Seine Arme schlangen sich automatisch noch fester um sie, als bildete er mit seinen Armen für sie einen sicheren Kokon, genau das was sie brauchte. Er schien zu wissen, was sie im Augenblick brauchte und sie war ihm sogar teilweise etwas dankbar dafür, er gab ihr das.
Sie durfte das alles nicht zulassen, aber was war schon gegen einmal gehen lassen? Wirklich gehen lassen und doch musste sie auf passen. Wissen konnte sie nicht, warum er sich auf einmal aufmerksam, verständnisvoll und liebenswürdig gab. Darum musste sie sich von ihm lösen, egal wie schwer es ihr am Ende fiel.
„Warum...“ Drückte sie sich mit all ihrer Kraft von ihm weg. Sie hätte nie eine Chance gehabt sich von ihm zu lösen, aber er gab sie frei. Auch wenn es gegen seinem Willen war, doch respektierte er sie. Das war neu und sie musste jetzt tierisch aufpassen, durfte nichts verkehrtes machen.
Auch wenn der Mann sich von ihr gelöst hatte, der unglaublich küssen konnte, blieb er doch vor ihr stehen, schaute ihr tief in die Augen, welche Feuer und Flamme waren. Für sie.
Das brachte ihr Herz in einem ungleichen Takt und sie musste hart schlucken. Dieser Mann war ihr Verhängnis, wenn sie sich weiterhin auf ihn einließ. Da ihre Vernunft einfach nicht das tat, was es sollte, musste sie ihn einfach berühren. Sie wollte es so sehr, was schon ein Zwang war. Das war wirklich nicht mehr normal, aber was sollte sie machen?
Vorsichtig und sanft legte sie ihre Hände auf seine Brust, ihre Augen halb geschlossen, schaute sie ihren Händen nach. Wie sie wanderten und spürten. Seine Brust war hart und strotzte nur vor Muskeln, aber es fühlte sich unglaublich gut und...richtig an. Es war ein verstörender Gedanke, aber sie wollte es. Auch seine Nähe und Berührungen.
Dabei gab dieser Mann ihr andauernd Berührungen, schien ihr aber nicht genug zu sein. Sie war fast süchtig danach.
Erschreckend riss sie ihre Augen auf und zuckte leicht zurück.
„Emmanline, was ist los?“ Klang wirkliche Besorgnis in seiner Stimme mit.
„I...ich muss mich waschen.“ Schluckte sie hart, als sie ihre Hände betrachtete, die voller Blut waren. Es musste durch ihre Berührungen kommen, als sie den anderen geholfen hatte. Sie war so in ihrem Tun gefangen gewesen, das sie alles andere vergessen hatte. Gegen Blut hatte sie nichts und ekelte sich auch nicht davor, dennoch war es für sie erschreckend. Natürlich war sie es gewohnt, aber warum reagierte sie ständig so stark darauf? Vermutlich, weil es zu schnell vergossen werden konnte. Das Blut an ihren Händen stammte durch grausame Taten, die denjenigen zugefügt wurden. Allein die Erinnerungen reichten ihr vollkommen aus, wenn sie auch nur an ihre Gefangenschaft dachte. All die Schreie und die Qual. Immer und immer wieder war Blut vergossen wurden, vor ihren Augen.
Vorsichtig und sanft legten sich Hände um ihre eigenen. Überrascht und aus ihren Gedanken gerissen, schaute sie auf und sie blickte in warme und verständnisvolle Augen, als würde er wissen, was in ihr vorging.
„Nicht.“ Sprach er. „Komm mit.“ Zog er sie hinter sich her, bis er vor einer kleinen Quelle stehen blieb. Er deutete ihr, ihre Hände hier waschen zu könne und sie tat es sofort.
Auf den Knien beugte sie sich vor und hielt ihre blutigen Hände in das kühle Nass. Es fühlte sich gut und erfrischend an. Genau das was sie jetzt brauchte.
Die Quelle sprudelte aus einem kleinen Vorsprung eines Felsens, von saftigem grünen Moos bedeckt. Überall rankten Pflanzen, das, wenn man nicht wüsste, würde diese Quelle verborgen liegen. Selbst sie hatte sie nicht gesehen, wenn er sie nicht darauf aufmerksam gemacht hätte, obwohl das Wasser plätscherte.
Der Mann stand einige Schritte von ihr entfernt. „Ist es besser?“
„Ja.“ Nickte sie leicht, als sie zu der hohen Gestalt aufblickte. Doch irgendwas stimmte nicht. Er wirkte so ernst und grimmig. „Was ist los?“ Schaute sie sich um. War etwa Gefahr in Sicht?
„Ich habe eine Frage an dich.“
Ruckartig drehte sie ihren Kopf wieder zu ihm herum und blickte ihn mit Vorsicht an. „Was für eine Frage?“ Wollte sie es wissen.
Kurz schien er zu zögern. „Ich kann deine Lage verstehen, du lebst ungewollt bei mir.“ Wobei er seiner Vermutung nicht verfehlte. „Du bist eine längere Zeit hier und ich versuche wirklich alles möglich zu machen, dass du es hier gut hast und das dir niemand schadet. Ich würde dich jederzeit beschützen und alles für dich tun.“ Schloss er einen kurzen Augenblick seine Augen.
Was sollte das werden?
„Ich verstehe auch, warum du immer auf der Hut sein musst, weil du es nicht anders kennst, aber dennoch brennt mir eine einzige Frage auf der Zunge. Sie beschäftigt mich schon eine sehr lange Zeit.“ Öffnete er seine Augen und in seinem Blick stand etwas wie...Verlangen wieder?
„Was beschäftigt dich?“ Leckte sie unbewusst über ihre trockenen Lippen, was sofort seinen Blick auf ihren Mund richtete. Doch musste sie es wissen. Emmanline musste wirklich ehrlich zugeben, nichts und niemand einen solchen Mann aus der Ruhe und Fassung bringen konnte. Ihm schien etwas sehr wichtig zu sein, was sie ihm scheinbar nicht gab.
Ein weiteres Zögern. Gerade wollte sie ihn dazu drängen, als er von alleine anfing. „Warum sprichst du nicht meinen Namen aus?“
Vor Überraschung klappte ihre Kinnlade nach unten. War das wirklich sein Ernst? Das war es, was ihn andauernd beschäftigte? „Du willst das ich deinen Namen ausspreche? Das ist es, was du mich fragen wolltest?“ Konnte sie es noch nicht glauben.
Ein kleines Brummen drang aus seiner Brust, als er kurz zur Seite schaute. Er schien des öfteren sein Gewicht anders zu verlagern. Es war ihm doch tatsächlich unangenehm, ihr diese Frage zu stellen.
„Mach dich ja nicht über mich lustig.“ Lief er knurrig auf und ab.
Tatsächlich, es brachte ihn aus der Ruhe.
Gerade wollte sie aufstehen, als jemand sie packte und grob nach hinten riss. Ein kleinen Laut konnte sie nicht unterdrücken, als sich ein starker Arm um ihren Hals schlag. Durch ein Reflex griff sie nach dem Arm, der ihr die Kehle zudrückte. Der Arm war hart und unnachgiebig.
Ein drohendes und wildes Knurren durchschnitt die Stille, die gerade herrschte. Außer ihre erstickenden Atemzüge, war es jetzt das Einzige, was sie hören konnte. Sowie ihren dröhnenden Herzschlag in den Ohren.
„Lass sie los, Wisdom.“ Wurde die Stimme immer wütender. Anscheinend kannte er diese Person, der sie im Würgegriff hatte.
„Du wirst für alles bezahlen, Lucien de la Cruise.“ Klang so viel Hass in seinem Namen mit, als würde er ihn verabscheuen.
„Was soll das?“ Wollte er auf sie zukommen, aber umso fester wurde der Druck auf ihrer Kehle, das ihr stets mehr die Luft weg blieb.
„Keinen Schritt näher, oder deine kleine Hure wird sterben.“ Drohte er und es waren keine leeren Worte. Er würde sie umbringen. In seinen Sinnen, was nie passieren könnte.
Sofort blieb der Drache stehen und selbst durch ihren verschleierten Blick konnte sie den Drachen in ihm erkennen. Er war kurz davor in Raserei zu verfallen, nur um sie zu retten.
„Verflucht noch mal, Garett. Was soll der Scheiß? Was habe ich getan, warum du so verdammt wütend auf mich bist? Krümmst du ihr auch nur ein Haar und ich zerreiße dich in Stücke.“ Knurrte er tödlich und seine Blicke deuteten auf nichts anderes. „Ich bin derjenige der die Fragen stellen sollte. Du dringst einfach in mein Reich ein, überfällst und tötest alles und jeden?“
Lucien konnte Verwirrung in Garetts Gesicht erkennen und er runzelte seine Stirn. Er ging fest davon aus, dass ihm seine Taten bewusst waren. Aber es widersprach sich auch.
„Ich weiß nicht, wovon du sprichst.“ Schien wirkliche Ungläubigkeit in Garetts Stimme mitzuschwingen.
Für einen Moment blieb er still und blickte ihn forschend an. „Höre auf mich für dumm zu verkaufen, Garett.“ Ermahnte er ihn. Er hatte keine tierische Lust sich verarschen zu lassen. Zumal es um sein Volk ging und vor allem jetzt um seiner Seelengefährtin. Der Spaß hörte bei ihm endgültig auf, denn er hatte es so was von verdammt satt.
Dabei hätte er auch niemals gedacht, das er leichte Panik verspüren konnte. Dieser Mann, der Emmanline im Würgegriff hatte, war nichts anderes, als ein Lykae. Einer der Wolfsbestien in der Mythenwelt. Stets dachte er, Garett war eher der gesonnene der Wisdom Brüder, aber mit seinem Verhalten was er vor sich legte, machte ihn wütend. Verdammt wütend, denn das würde er ihm nicht durch gehen lassen. Er würde ihm den Kopf abreißen, weil er ohne jeglichen Grund in sein Territorium eingedrungen war und weil er Leben von seinem eigenen Volk auf dem Gewissen hatte. Stets hatten sie sich aus ihrem Territorium raus gehalten.
Doch sollte er Emmanline auch nur mehr als ein Haar krümmen, würde er ihn auf brutalste Weise in der Luft zerreißen, ohne auch nur mit einer einzigen Wimper zu zucken. Er verspürte jetzt schon die mörderische Lust ihn in Stücke zu zerreißen, weil er sie bedrohte. Nur weil sein Verstand durchdrehte. Anders konnte er es sich nicht vorstellen.
Ein Knurren weckte seine Aufmerksamkeit wieder auf den Lykae. Aber nicht eher, bevor er noch einmal einen Blick auf Emmanline geworfen zu haben. Er musste sie zurück haben und das sofort.
„Dabei müsste ich dich in Stücke reißen. Wer ist in mein Territorium eingedrungen und hatte wahllos gemordet und überfallen? Jede Ansiedlung die nur in Reichweite waren? Wer hat Frauen und sogar Kinder auf ihren Gewissen, die nun tot zu meinen Füße gelegen haben? Einfach abgeschlachtet, als wären sie nur Vieh gewesen.“ Wurde seine Augen zu glühenden Gold, was ihn mörderisch anschaute, als sei er der Einzige, den er vernichten müsste.
Jetzt lag es an Lucien, der fragen musste, wovon er überhaupt sprach. „Was meinst du damit? Wir sind keinerlei Art und Weise in deine Territorien eingedrungen und haben ebenso wenig gemordet und überfallen.“
Das schien Garett nur noch wütender zu machen, was ihn zu einem tödlichen Grollen hervordrängte. Lucien konnte sehen, wie nahe er seiner Verwandlung zum Wolf war, dass er ihn schon regelrecht riechen konnte. Es wäre nur ein Funken nötig, dann würde er seine Gestalt verdoppeln und eine tödliche Bestie würde vor ihm stehen. Das war ja bei weitem ja nicht das Schlimmste. Nein, aber Emmanline war genau zwischen ihnen und er konnte ihr Leben dadurch nicht riskieren. Er konnte es einfach nicht.
Garett schien etwas zu sagen, aber er konnte seine Worte nicht hören, weil Emmanline etwas zu ihm flüsterte. In Gedanken. Und wie könnte er ihre Stimme da ignorieren, selbst wenn die Lage am ungünstigsten war?
„Er ist tödlich verwundet.“ Sagte sie zu ihm und er blickte sie ausdruckslos an.
Er war was? Sprach er zu sich selbst.
Kurz hielt er den Blick dieser Frau stand, als er merkte, sie meinte es wirklich ernst. Erst da schaute er Garett an und da nahm er auch den Geruch von getrocknetem Blut und...ja was war es noch? Er kannte diesen Geruch. Es lag eine kleine Spur von Tod darin, aber da war noch etwas anderes. Nur was?
„Woher weißt du das?“ Wisperte er in ihre Gedanken, aber dennoch blieb sein Blick auf den Lykae geheftet.
„Ich kann es spüren. Ich habe es am Anfang auch nicht bemerkt, aber er wurde tödlich verletzt. Es ist nicht die offene Wunde die ihn umbringt. Es ist ...“ Suchte sie nach richtigen Worten. „... als würde ihn etwas von innen heraus zerfressen. So eine Art Gift oder ... Parasit.“ Warf sie das letzte Wort zögernd hinterher, als wenn sie genau das Wort gesucht hätte.
Da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Das war der andere Geruch, den er zu Anfang nicht zuordnen konnte. Doch jetzt wusste er es. Emmanline hatte Recht. Etwas war in seinem Blut. Durch die offene Wunde konnte er es riechen.
„Wer hat dich verwundet, Garett?“
Das schien der Funke gewesen zu sein, dass die Leine des Wolfes zerreißen ließ. Mit lautem bestialischem Gebrüll schubste er Emmanline brutal von sich weg, das sie hart auf dem Boden aufschlug, während Garett sich verwandelte. Seine Gestalte wurde vier Meter groß, seine Hände zu messerscharfe Klauen, sein Gesicht wurde zu einer riesigen Schnauze mit rasiermesserscharfen Reißzähnen, die es mit seinen aufnehmen konnten. Seine massige Gestalt ließ seine Kleidung in Fetzen reißen und Fell überzog seinen ganzen Körper.
„Du verdammter Hurensohn. Ich werde dir deine Kehle zerfetzen und dein Herz raus reißen, wenn ich soweit bin.“ Seine Stimme wurde immer animalischer und er war die Bestie, die er stets im Verborgenen hielt. Noch nie hatte er ihn so mörderisch gesehen.
Was war hier verdammt nochmal los?
Lucien fuhr mit seiner rechten Hand zu seiner Linken, wo er sein Schwert am Gurt hatte. Augenblicklich zog er es und machte sich kampfbereit, um sofort anzugreifen. Er riskierte einen flüchtigen Blick zu Emmanline, die versuchte sich vom Sturz aufzurichten. Am liebsten wäre er jetzt zu ihr gestürmt, aber er konnte nicht. Noch immer war die Bestie ihm im Weg, die kurz vor einer Raserei war.
Einfacher könnte er es haben, wenn er sich in einen Drachen verwandeln würde, aber da befürchtete er, er könnte Emmanline noch mehr schaden, als er versuchte zu vermeiden. Es würde ein unerbittlicher Kampf werden, wo er wusste, den Überblick zu verlieren. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als sich ihm so zu stellen. Mit Hand und Schwert. Auch darin war er ein gekonnter Krieger und mörderisch zugleich.
Seine Wut und Hass schien Garett blind gemacht zu haben, denn sein Ziel war er selbst. Aus irgendeinen unerfindlichen Grund, hatte Lucien etwas getan, wovon er keine Ahnung hatte.
Nicht einmal eine Sekunde später kam die tödliche Bestie auf ihn zu gestürmt. Nur mit einem Ziel, ihm die Kehle herauszureißen, wie er es ihm gedroht hatte. Zum Angriff bereit, wartete er auf den einen Moment, wo sie aufeinander prallen würden. Ein hoher Schrei ertönte, aber nahm ihn kaum wahr. Sein Ziel war es zu verteidigen. Nicht sich selbst, sondern Emmanline, die schutzlos ohne ihn wäre, wenn er nichts als Sieger hieraus hervorgehen würde. Sicher werden seine Krieger und alle im Lager das mörderische Gebrüll des Lykae gehört haben. Mit Sicherheit waren sie hierher unterwegs, um ihn und Emmanline zu retten. Doch bis sie hier waren, wäre es zu spät.
Ihm wurde selbst nach dem ersten Angriff von Garett bewusst, dass er in seiner menschlichen Gestalt keine Chance hatte ihn zu besiegen. Er kämpfte mit einer mörderischen und listigen Präsenz, ihm nicht mit einem Schwert Parole bieten zu konnen. Wenn er sich nicht was einfallen lassen würde, würde er es nicht schaffen. Sollte es wirklich bis zum äußeren kommen, dann musste er sich eben verwandeln, also war die einzige Möglichkeit, ihn soweit wie möglich von Emmanline wegzulocken.
Ihm kam der aussichtslose Kampf wie eine Ewigkeit vor und selbst er musste langsam mit Atem ringen. Garett schien zu wissen was er vor hatte, denn er ließ sich einfach nicht von diesem Platz weglocken. Glaubte er, er hätte ihn ein Stück von ihr weg, bewegte er sich wieder in ihre Richtung. Emmanline schien noch immer etwas benommen wach zu werden. Sie musst mit ihrem Kopf hart auf dem Boden aufgeschlagen sein, als er seitlich Blut von ihrer Stirn fließen sah. Das brachte ihn zur großen Wut, als er auf die monströse Wolfsgestalt einschlug. Mit dem Schwert, Tritten oder sogar mit seiner linken Faust. Er landete Volltreffer, aber sie machten der Bestie nichts aus.
Lucien hatte davon gehört, wenn Lykae in Raserei verfielen, verspürten sie keinerlei Schmerzen. Nur reiner blinder Zorn, die ihren Verstand von jeglicher Vernunft abkapselten. Eine einzige und reine Kampfmaschine blieb zurück, die nicht eher halt machte, bis sie alles in Schutt und Asche gelegt hatten, was vor ihnen war. Sie machten solange weiter, bis sich nichts mehr bewegte.
Bei Drachen war es genauso, aber es gab nichts nach dieser Raserei. Verfielen sie einmal in diesem Zustand, wachten sie nie wieder auf. Die Lykae hingegen konnten ihrer Raserei Einhalt gebieten, aber ein Drache tötete bis zu ihrem Ende.
„Verflucht“ Knurrte er durch zusammengebissenen Zähnen. Er hatte es schon ein paar Mal versucht mit Worten zu ihm vorzudringen, aber nichts. Er musste es tun. Er musste sich verwandeln. Seine Kraft verschwand stetig und er konnte sich die sinnlose Energieverschwendung nicht leisten. Es hing so viel auf dem Spiel, das er es sich verdammt noch einmal nicht leisten konnte.
Gerade als er sich verwandelt wollte, stürmten mit tödlicher Effizienz drei seiner Krieger aus dem Dickicht und griffen den Lykae an. Er erkannte sie sofort.
Cyrill war der Erste, der sich auf die rasende Bestie stürzte. Er erkannte ihn sofort an seiner tödlichen Präsenz und mit welcher Effizienz er sein Klingen schwang. Eine in jeder Hand. Seine geliebten Zwillingsschwerter.
Und da war noch Ian. Der Gefährte seine Schwester Lya. Es war ungewöhnlich ihn im Kampf zu sehen, weil er nie an vorderster Front war. Ian war ein Krieger bis ins Blut und kämpfte wie ein Teufel, aber hier war er ein ungezähmter Dämon, was keinesfalls als eine Beleidigung klingen sollte.
Doch der Dritte war Aiden gewesen. Er sah noch immer Rot, wenn er ihn sah, aber er war hier als Krieger. Jedes Mal wenn er ihn sah, wurde ihm immer mehr bewusst, was Aiden getan hatte. Er hatte Emmanline aus der Gefangenschaft befreit. Er sollte ihm dafür dankbar sein, aber er verspürte ihm gegenüber eine unsagbare Eifersucht. Aus dem Grund, weil er sie haben wollte, obwohl sie die Seine war. Niemals würde er sie gehen lassen. Nicht wo er sie endlich gefunden hatte.
Außer Atem wischte Lucien sich mit seinem Oberarm über seine feucht verschwitzte Stirn, während er den Dreien zuschaute, wie sie eingespielt mit der tobenden Bestie kämpften. Er mochte ein paar Verletzungen von sich getragen haben, aber sie waren alle bedeutungslos und oberflächlich, also er achtete nicht weiter darauf.
Wie gerne würde er jetzt zu Emmanline gehen, aber er musste erst eine Sache beenden. So sehr es ihn auch zu ihr hinzog. Wenn einer diesen Lykae tötete, dann wäre er es. Garett hatte ihn auf seinen eigenen Grund und Boden angegriffen und er würde ihn dafür töten. Alleine schon, weil er seiner Seelengefährtin tödlich nahe gekommen war und weil er sie verletzt hatte, würde er nicht ungestraft davon kommen. Niemand greift die Gefährtin eines Drachens an, ohne dafür bluten zu müssen.
„Er gehört mir.“ Knurrte Lucien zu seinen Kriegern, während er auf die niedergerungene und blutende Bestie schaute. Angeblich das Parasiten durch Garetts Blut wanderten, hatte er eine verdammte Ausdauer, weil seine Kraft desto trotz noch stark war. Selbst jetzt zeigte Garett keine Schwäche und gegen drei seiner besten Krieger, war selbst er niedergestreckt.
Garett schien sich ein letztes Mal zu wehren, als er sich unerwarteter Weise zurück verwandelte. Es überraschte Lucien wirklich, denn damit hätte er nicht gerechnet. Sein nackter Körper war vollkommen mit Blut bedeckt und er blickte ihn mit zornigen Blicken an, während er mit seinen Zähnen fletschte.
„Na los, tue es. Beende endlich womit du angefangen hast.“ Zischte Garett voller Verachtung und Abscheu.
Das würde er mit Vergnügen tun. Auch wenn sie stets einander aus dem Weg gegangen waren. Da erklang wieder der Schrei, den er einmal wahrgenommen hatte. Nur diesmal verstand er in diesem Schrei die Worte. Es war Emmanlines Schrei gewesen.
„Nein, tue das nicht.“ War sie auch schon bei ihm und stellte sich zwischen ihm und dem Lykae.
Lucien knurrte wütend. „Was soll das? Gehe mir aus dem Weg.“
„Nein, werde ich nicht.“ Erhob sie erhobenes Hauptes und streckte trotzig ihr Kinn hervor. Diese Frau war verdammt mutig, aber auch verdammt dumm.
Auf einmal hörte er ein höhnisches Lachen. „Lässt sich von einer Frau etwas sagen.“ Spottete Garett und spuckte Blut.
„Geh mir aus dem Weg.“ Wurde er wütender, denn er konnte es sich nicht leisten, irgendeine Schwäche zu zeigen. Nicht dem Feind und erst recht nicht seinen Kriegern gegenüber. Das müsste er ihr noch beibringen, dass er sich niemals was sagen ließe. Vor allem nicht in solchen Situationen.
Kleine Arme schlangen sich um seinen Körper und ein anderer Körper schmiegte sich an ihm. Sofort strömte Hitze durch seinen Körper.
„Du darfst ihm nichts tun.“ Schaute sie mit bittenden Augen zu ihm auf, als er sie von unten herauf anstarrte. „Das wäre nicht richtig.“
„Nicht richtig?“ Klang er fassungslos und er konnte wirklich nicht verstehen. „Er wollte dich töten und das ohne Gnade. Doch du willst, dass ich ihn verschone?“ Konnte er es noch immer nicht fassen.
Kurz schwieg sie, als sie leicht ihren Kopf schüttelte. „Ja, das will ich. Ich hatte gedacht, er würde es tun, aber er hätte es nie getan. Wenn er mich töten wollte, hätte er es schon längst getan. Mir geht es gut.“ Versuchte sie ihm zu versichern.
Luciens Herz machte einen kleinen Aussetzer, als er sie einfach nur anschaute. Sie war wirklich wunderschön und er verstand zwar noch immer nicht, warum sie sich so für Garett einsetzte. Sanft berührte er mit Fingern ihre verletzte Stirn. Sie zuckte nicht einmal zusammen oder mit der Wimper, denn er wusste, sie müsste Schmerzen haben. Diese Frau mag danach nicht aussehen, aber sie besaß mehr Kraft und Mut, als man ihr zutrauen würde.
„Du bist verrückt. Warum soll ich deiner Meinung nach ihn verschonen?“ Wollte er schon ihre Meinung dazu hören.
Ihr Blick schien für einen kurzen Augenblick weicher zu werden, als er sie das fragte. „Weil ich denke, dass all das auf große Missverständnisse heraus führt.“
Das brachte doch alles zum überlaufen. Sofort machte er sich von ihr los und er war furchtbar wütend, als er sie anschaute. Sie kam ins wanken, aber ließ sich von ihm nicht erschrecken. „Große Missverständnisse?“ Wiederholte er ihre Worte, nur als Frage formuliert. Selbst Garett schien seiner Meinung zu sein. Was war mit dieser Frau los? „Bist du noch bei Sinnen?“ Schrie er fast, aber sie wich noch immer nicht zurück.
Langsam wurde es Emmanline wirklich zu bunt, denn was war nur mit diesen Männern los? Langsam wurde sie wirklich verrückt, wenn sie es nicht schon war. Sie wusste nicht wann, aber sie hatte sich wirklich geändert, denn was sie hier tat, hätte sie früher nie getan.
Sie behauptete sich gegenüber einem Drachen, was sehr lebensmüde war, aber was hatte sie schon zu verlieren? In ihr drängte ein Gefühl, dies hier war falsch. Vollkommen falsch und sie musste was dagegen tun. Dieser Lykae mochte sie bedroht haben, wo sie zu Anfang wirklich gedacht hätte, er würde sie umbringen. Aber schnell war ihr bewusst geworden, hätte er es niemals getan. Ja, er hatte sie hart zur Seite gestoßen, sodass sie mit ihrem Kopf gegen etwas hartes aufgekommen war. Benommenheit hatte sie sofort überschüttet, aber konnte noch immer in Fetzen das Geschehen verfolgen. Einmal hatte sie geschrien, sie sollten aufhören, aber keiner hatte auf sie reagiert. Auch während des Kämpfens war der Lykae bedacht gewesen sie nicht zu verletzen. Es musste etwas anderes sein.
Darum behauptete sie sich jetzt einem Drachen gegenüber. Mit verschränkten Armen, finsteren Blick und ohne mit der Wimper zu zucken. Was sollte ihr da noch geschehen?
„Ja, vielleicht bin ich verrückt und nicht bei Sinnen, aber ich bleibe bei meiner Vermutung, dass alles eine Sache der Missverständnisses ist.“ Blickte sie ihm tief in die Augen. Sie wusste, dass sollte man bei einem tödlichen Tier nicht machen und vor allem keiner Bestie gegenüber. Aber was wusste sie schon?
„Weib.“ Knirschte er mit seinen Zähnen und sein Körper war zum zerreißen angespannt. Am liebsten wäre er sie angegangen, aber er tat es nicht. Das verblüffte sie in erster Sekunde, dass er sich trotz allem noch so unter Kontrolle hatte, sie nicht anzurühren. Da wurde ihr einer weitere Erkenntnis zu teil.
Er würde mir wirklich nie etwas antun.
„Er hat mich, sowohl dich angegriffen und mein Volk angegriffen und sogar getötet. Glaubst du, ich werde ihn da ungestraft davon kommen lassen?“ Kam er ihr bedrohend nahe, aber sie wich nicht zurück. Sie durfte und konnte nicht. Nicht als er eben noch sie mit in seinen Satz einbezogen hatte. Er verteidigte sie, obwohl er wütend auf sie war.
Ein verachtendes schnauben ertönte hinter ihr, als sie sich halb umdrehte und den Mann anblickte, der von drei Männern, mit vier Klingen, umzingelt war. Sie konnte spüren, jeder einzelne hier war tödlicher als der andere. Sie war die Einzige, die hier schwach wirkte und auch war. Jeder hier könnte mit einem Wimpernschlag ihr das Licht ausknipsen.
Doch was sie vor sich war, war nicht das, was sie wirklich sah. Der Mann mit dem Blut überströmt, blickte finster und wütend drein. Noch immer wie das glühende Gold.
„Angegriffen? Ihr habt uns angegriffen und alles nur in Schutt und Asche gelegt. Einfach wahllos gemordet.“ Wandte sich der Lykae ein.
„Gar nichts haben wir getan. Wir haben verflucht besseres zu tun, als deinesgleichen wie Vieh abzuschlachten. Und mit Sicherheit keine Frauen und Kinder.“ Verteidigte er sein Volk, wie ein König es tat.
„Ach ja?“ Wollte der Mann aufstehen, aber sofort legte sich eine scharfe Klinge an seinen Hals.
„Wage es nicht mal.“ Knurrte der Krieger mit den langen schwarzen Haar, der ein guter Freund des Mannes hinter ihr war. Sie konnte seinen Blick regelrecht spüren, die sich in ihr Hinterkopf bohrten.
„Ich müsste es am besten wissen.“ Höhnte er voller wütendem Sarkasmus. „Du willst wissen, wer mich verwundet hat? Was hat dich so vergesslich gemacht, dass du dich nicht einmal daran erinnerst, du es selbst gewesen warst, Lucien de la Cruise?“
Alle wirkten fassungslos, selbst sie. Gerade wandte sie ihren Kopf zu ihm herum, als er seinen Kopf nach oben zucken ließ, um den Mann anzustarren. Sie konnte in seinem Gesicht nichts außer Regungslosigkeit erkennen.
„Ich war es nicht gewesen.“ War es das Einzige was er sagte.
Ein emotionsloses Lachen ertönte von dem fremden Mann. „Du hast es wirklich vergessen. Glaubst du allen ernstes, dass ich je deine tödliche Klinge und dein Gesicht vergesse, die du in meine Brust gerammt hattest? Wohl kaum.“ Röchelte er und er spuckte erneut ein Schwall Blut aus.
Emmanline starrte noch immer auf ihn, weil sie ihn einfach beobachten musste. Er schien wirklich nicht zu wissen, wovon er sprach. Wie der Lykae genauso wenig. Was war hier nur los?
Die nächsten Worte die fielen, hörte sie nicht mehr. In Gedanken versunken, während sie ihn anstarrte, versuchte sie nach einer greifbaren Lösung zu finden. Da war etwas gewesen, was er ihr einmal erzählt hatte. Sie wusste es, nur musste sie sich daran erinnern. Es war einiges passiert und je mehr Zeit sie bei ihm verbrachte, umso mehr erzählte er ihr. Sie hatte nie recht verstanden warum er ihr so viele Dinge anvertraute, obwohl es keine gute Idee war. Das hatte sie ihm auch schon einmal gefragt, warum. Aber wie jedes Mal gab er ihr eine verwirrende Antwort.
„Ich tue das, weil du mir gehörst.“
Das waren seine Worte gewesen und was sollte sie daraus bitte vernehmen?
„Stimmt es wirklich, was du gesagt hattest?“ Wurde sie aus ihren Gedanken gerissen.
Erst später, durch eine leichte Berührung wurde ihr bewusst, dass er mit ihr redete. Hatte sie ihn wirklich die ganze Zeit angestarrt? Schnell versuchte sie auch wieder den Faden zu finden. „Was stimmt wirklich?“
Es brachte ihr ein kleines Runzeln ein und er kam auf sie zu. „Was ist los?“ Er brauchte nur einen Schritt bis zu ihr. Erneut versuchte er, durch eine leichte Berührung ihr noch näher zu sein, aber diesmal wehrte sie es ab.
„Nicht.“ Wehrte sie seine Hand ab, als er ihre Wange berühren wollte. „Ich war nur eben in Gedanken gewesen.“
Langsam ließ er seinen Arm sinken und blickte sie an. „Ich wollte wissen, ob es stimmt, was du mir gesagt hattest, dass du in ihm eine Art Gift oder Parasit spürst?“
Schnell kam sie wieder zur vollen Besinnung. „Ja, es stimmt.“ Wandte sie sich zu dem Fremden um, als er sie anstarrte. „Ich konnte es spüren, als er mich berührte. Es ist nicht die Wunde, die dich tötet, sondern der Parasit in dir.“ Sprach sie direkt zu ihm. Anscheinend schien er es nicht zu wissen, was in ihm lauerte.
„Du...“ Fauchte der Lykae voller Zorn, denn das schien seiner Bestie in ihm nicht zu gefallen.
„Nein.“ Schnitt Emmanline ihm sofort das Wort ab. Jeder schaute sie verblüfft an. „Er kann es nicht gewesen sein, sowie ein anderer Drache.“ Bemerkte sie. Sie sprach sofort weiter, ehe noch jemand das Wort ergriff. „Drachen mögen nicht die Gütigsten sein, aber sie würden niemals Gift oder gar Parasiten benutzen. Selbst die Grausamsten und Ehrlosesten nicht.“ Und sie wusste wovon sie redete. Immerhin hatte sie ein ganzes Leben unter den Grausamsten verbracht.
Lucien konnte gerade nicht fassen, was sie da tat. Gerade in diesem Augenblick verteidigte sie nicht nur ihn, sondern sein ganzes Volk. Er war einfach fassungslos.
Bis gerade eben, war er noch verdammt wütend auf sie gewesen, wollte sie einfach nur durchschütteln, damit sie zur Vernunft kam. Aber jetzt...jetzt könnte er sie in seine Arme reißen und sie bis zur Atemlosigkeit küssen. Wild und verlangend.
Da keiner sprach, redete sie einfach weiter. „Keiner von euch beiden scheint zu wissen, worüber der Andere spricht. Du weißt nichts davon, dass ihr Zerstörung in...“ Schaute sie ihn an. „...ihren Reich angerichtet habt. Und ihr wisst nicht, dass ihr...“ Wandte sie sich zu Garett um. „...in ihrem Reich Zerstörung angerichtet habt. Das ist alles verwirrend und merkwürdig und da fragt ihr euch nicht, was komisch daran ist?“ Zuckte sie einfach so mit ihren Schultern, als würde sie über etwas belangloses reden. Wenn er nicht gesehen hätte, wie ihre Augen dabei aufblitzten, hätte er ihr das womöglich geglaubt.
„Wer soll es sonst gewesen sein? Ich habe gesehen wie er...“ Zischte Garett aus zusammengebissenen Zähnen hervor, während er ihn hasserfüllt anschaute. „...mir sein Schwert ins Herz gerammt und andere getötet hatte. Glaubt ihr, das bilde ich mir alles ein?“
„Verflucht nochmal. Ich habe dich nicht angegriffen oder andere deiner Art getötet. Was hätte ich davon?“
„Woher soll ich das wissen? Ich war es nicht gewesen.“ Fauchte Garett zurück.
„Ruhe. Alle beide.“ Ertönte Emmanlines Stimme hart, aber auch mit einem mahnenden und herrischen Nachklang. „Merkt ihr beide überhaupt, wie sehr ihr euch anstachelt. Keiner merkt, der eine vom anderen nichts weiß. Vielleicht war es keiner von euch beiden gewesen. Vielleicht war keiner von euch auf beiden Seiten anwesend gewesen. Mir kommt ein ziemlich dummer Gedanke, ihr seid von einem Täuschungszauber hereingefallen.“ Wurde es einmal vollkommen Still, als keiner versuchte, auch nur den kleinsten Laut von sich zu geben.
„Du...“ Blickte sie zu ihm herauf, als sie ihn ansprach. „...hast mir Dinge anvertraut, die du mir niemals hättest sagen dürften, dennoch tust du es. Ich habe darüber nachgedacht und ich denke nicht nur, sondern glaube, ihr seid auf eine Täuschung hereingefallen. Zur Zeit ist viel Unruhe in der Mythenwelt und ein Volk nach dem anderen bekriegt sich. Obwohl bei vielen Übereinkünfte herrschten. Da meintest du zu mir, dass im Augenblick der größte Feind, die Fae wären.“
In dem Augenblick, als sie die Fae erwähnte, viel es ihm wirklich wie Schuppen von den Augen. „Wie konnte ich das nur übersehen?“ Stockte ihm der Atem und er kam aus der Fassungslosigkeit nicht mehr heraus. Trotz das er stets davon gesprochen hatte, wie hinterlistig die Intrigen der Fae gewesen waren, viel er selbst auf ihre Spielchen herein?
„Wenn sie wirklich Recht behält, Lucien, dann sind wir wahrhaftig von einem Täuschungszauber getäuscht worden.“ Kam Cyrill zu Wort, der selbst fassungslos war. Wie jeder hier, wie er vermutete. Außer Emmanline, die ihn geradeheraus anschaute.
„Die Fae haben die Mittel dazu, andere täuschen zu lassen. Aber das sie so weit gehen würden?“ Mischte sich Ian ein.
Ein ungläubiges Schnauben ertönte von Aiden. „Diese kleinen gierigen Bastarde haben nie einen Hehl aus all ihren hinterlistigen Intrigen gemacht. Sie mögen es gut versteckt halten, damit sie sich die Finger nicht dreckig machen müssen, aber trotz allem haben sie die Fäden in der Hand. Es würde einiges erklären, wenn keiner von uns weiß, was hier eigentlich los ist.“
Am liebsten hätte er sich einem Wutausbruch hingegeben, aber der feste Blick von der einzigartigen Frau vor ihm, hielt ihn auf festen Boden. Ihre Augen bannten ihn und diese silbernen Augen waren scharf wie eine Klinge, die tief in seine Brust schnitt. Diese Frau hatte Macht über ihn, denn das konnte er nicht mehr bestreiten.
„Kann mir verflucht noch einmal jemand erzählen, was dieser ganze Scheiß mit Täuschung und hinterlistigen Intrigen bedeuten soll?“ Knurrte Garett ungeduldig auf.
Nur schwer konnte er den Blick von ihr lösen, als er zu dem Lykae aufsah. Er versuchte sich zu regen, aber hatte nicht viele Bewegungsmöglichkeiten, durch die scharfen Klingen. „Senkt eure Schwerter.“ Befahl er.
Ungläubige Augenpaare richteten sich auf ihn, aber keiner gab ein Widerpart, als sie ihre Schwerter sinken ließen und einen Schritt zurück machten. Sicher steckten sie ihre Schwerter nicht wieder in ihre Scheiden zurück, jederzeit zu einem neuen Angriff bereit, wenn es um das Leben ihres Königs ging.
Aus einem Augenwinkel heraus, erkannte er eine kleine Bewegung und bemerkte, dass Emmanline sich von ihm fortbewegte, in Richtung des Lykae.
Reflexartig griff er nach ihrem Oberarm und hielt sie zurück. „Das wirst du schön bleiben lassen.“ Schaute er sie finster an, denn er wusste was sie vor hatte. Mittlerweile kannte er sie schon soweit, das sie nicht anders konnte, als anderen zu helfen. „Garett, wir beide sollten miteinander ein paar Worte wechseln, was unser beider Völker betrifft.“ Meinte er zu ihm, denn es dürfte keine Unstimmigkeiten geben. „Es liegt an unserer beiden Interessen. Bringt ihn in eins der Verpflegungszelte außerhalb des Lagers und versorgt ihn. Ich werde so schnell wie möglich dort sein.“
Lucien merkte, wie sie gerade protestieren wollte und sich versuchte aus seinem Griff zu befreien. Er konnte es nicht ertragen und zerrte sie hinter sich her, zurück ins Lager. Er nahm sie in eines der leeren Zelte, denn er musste jetzt mit ihr alleine sein. Er konnte nicht anders.
Mitten im Raum blieb er mit dem Rücken zu ihr gekehrt stehen. Er konnte ihre bohrenden Blick in seinem Rücken spüren und die Stille lag schwer in der Luft, als sie keinen einzigen Laut von sich gab. Auf dem Weg hatte sie sich nicht noch einmal gewehrt oder widersprochen. Das kam ihm seltsam vor, darum drehte er sich jetzt zu ihr um und blickte sie aufmerksam an.
Ihm wurde etwas sehr starkes bewusst, als er sie so anschaute, was seinem Herz einen stolpernden Schlag machte. Das Adrenalin war durch seinen ganzen Körper geschossen, als er dem Lykae gegenüber gestanden hatte. Emmanline war seine Sorge in der Situation gewesen und es hatte ihn panisch gemacht. Sie hätte ernsthaft verletzt werden können, darum konnte er jetzt nicht anders und musste sie berühren. Wo er nur konnte, um zu sehen, ob es noch mehr Verletzungen gab, außer ihrer Stirn.
Seine Finger berührten erst ganz sanft ihre weichen und rosigen Wangen. Während er seinen Blick seinen Fingern folgte, hatte sie sich versteift und befürchtete das Schlimmste.
Ein Fluch kam über seine Lippen. „Oh ihr heiligen Götter.“ Musste er sich selbst ans Herz fassen. Dann auf einmal riss er ohne jegliche Vorwarnung, sie in eine stürmische Umarmung. Sie gab einen überraschten Laut von sich. „Dir geht es gut. Den Göttern sei dafür gedankt.“ Vergrub er sein Gesicht in ihr wohlduftendes schneeweiße Haar.
Erstaunt und nicht fassend, war Emmanline von seiner Berührung erstarrt. Er war zärtlich und so aufmerksam zu ihr, als ihr die Luft wegblieb. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und sie brachte kein einzigen Ton heraus. Das konnte sie schon nicht, als er sie bei der Hand genommen hatte und sie zum Lager zurück gebracht hatte. Etwas in seinen Augen hatte sie zum verstummen gebracht, was sie sich nicht erklären konnte. Als hätte sie Funken von Angst in seinen flammenden Augen gesehen.
Dies war sie nicht gewohnt. Unbehagen hatte sich in ihr breit gemacht, aber auch eine wohlige Wärme, als er sie so berührte, als könnte sie zerbrechen.
Vorsichtig, aber überrascht wie zärtlich er war, streichelte sie mit ihren Händen über seinen Rücken. „Mir geht es gut.“ Flüsterte sie an seine Brust. Er hörte sie, was sie wusste. Langsam hatte sie ihre Augen geschlossen und schmiegte sich enger an ihn, während sie seinen wunderbaren Duft einatmete. Sie könnte wirklich süchtig danach werden, was sie zurück schrecken sollte, aber das konnte sie nicht. Dieser Mann war ihre Versuchung und vermutlich auch der Untergang, wenn sie sich weiter so eng an ihn klammerte und schmiegte. „Aber du...“ Flüsterte sie weiter, als wäre dies für sie ein prickelnder Augenblick, niemand durfte hören. Es waren nur für seine Ohren bestimmt.
Sanft drückte sie sich von ihm weg, um zu ihm rauf zu blicken. In diesem Moment wurden ihre Augen groß, als sie in seine Augen blickte. Sein besorgter Blick musterte sie von oben bis unten, denn er wollte sich selbst versichern, das sie die Wahrheit sagte.
Oh mein Gott, dieser Mann wird mich eines Tages soweit bringen, dass ich ihm nicht mehr widerstehen könnte.
Ein Stich versetze ihre Brust und sie hatte vergessen, wie man atmete. Wie könnte sie ihm noch lange widerstehen, wenn er sie nur so anschaute? Er machte sich wirklich Sorgen um sie und er wollte für sie sorgen. Sie konnte sich nicht mehr blind stellen und das ignorieren, was er ihr alles gab oder geben wollte. Es sollte sie davonlaufen lassen, aber auf der anderen Seite sehnte sie sich danach. Ihr Herz tat es mit jedem schnellen Schlag, den es tat. Darum schmerzte ihre Brust auch so, weil ihr Herz schmerzte.
Wärme durchströmte sie, während sie ihre Arme erhob und ihre beiden Handflächen auf seine Wangen zur Ruhe kamen. Ein sanfter und sorgenvoller Blick lag auf ihrem Gesicht. Sie wusste es, weil sie sich selbst in seinen weit aufgerissenen Augen sehen konnte.
„Du wolltest mich wieder retten und beschützen.“ War es keine Frage.
„Immer.“ Entgegnete er atemlos, als sich seine Stirn gegen ihre lehnte und seine Augen schloss. „Alles werde und würde ich dafür tun, damit du nur in Sicherheit bist.“ Und sie glaubte ihm jedes Wort.
Ihre Hände lagen noch immer auf seinen Wangen, denn nun streichelten ihre Daumen über seine Wangenknochen. „Ich danke dir, dass du es tust.“ Konnte sie selbst nicht fassen, wie ehrlich sie jedes Wort meinte. „Ich weiß, du tust es die ganze Zeit, aber jetzt begreife ich wirklich. Ich weiß es.“ Gab sie ihm einen leichten, aber liebevollen Kuss auf seine Lippen, nach denen sie sich gerade so sehr sehnte. Zum ersten Mal kam dieses Verlangen von ihr, dass sie es unbedingt wollte und auch tat.
Zuerst wirkte er sehr überrumpelt, aber er erwiderte ihren Kuss sofort, was nur eine Sekunde gebraucht hatte. Sie wirkte jetzt schon atemlos und sie musste Luft holen, aber konnte es nicht. Oder wollte es nicht mehr.
Es war so unglaublich und magisch, es verzauberte sie und einfach nur mehr wollte. Eng lehnte sie sich an ihn und wollte sich am liebsten in ihn vergraben. In seinem herrlichen und berauschenden Duft, der sie sanft umschmiegte. Wie konnte sie sich nur so wohl fühlen? Diesem Mann gegenüber? Dabei sollte sie sofort verschwinden und das Weite suchen. Er war ein Drache und sie haben ihr so viel Unheil, Schmerz und Trauer gegeben, dass sie nicht mehr wusste, wie sie damit umgehen sollte.
Es war vieles geschehen, als sie aus den Fängen von Culebra befreit wurde, um gleich wieder in die Klauen eines anderen Drachen zu kommen. Ja, dieser Mann war bei weitem anders als das Ungeheuer, welcher sie auf grausame Art und Weise gequält hatte. Nicht nur sie, auch unzählbar andere. Noch immer hörte sie die Schreie des Todes und das Flehen von Erbarmen, aber niemand wurde je erhört. Darum hatte sie damals schon längst aufgegeben nach Erbarmen zu beten, denn es hätte ihr niemals genützt. Nicht einmal ihrer Mutter, die so oft Erbarmen für sie gefleht hatte. Für ihr Kind und Tochter, die sie von ganzen Herzen geliebt hatte.
Die Erinnerungen an ihrer Mutter erfüllte sie und am liebsten wäre sie vor Schmerz umgekommen. Weitere Erinnerungen flammten in ihr auf und es schnürte ihr die Kehle zu. Sie fühlte sich beklommen und erdrückt, was ihr Herz mehr und mehr schmerzhaft zusammen ziehen ließ. Dieser Mann brachte sie in Fehden, das sie auf wimmern ließ.
Sofort ließ er von ihr ab, als er zu spüren begann, etwas stimmte nicht mit ihr. „Was ist los, Emmanline?“ Klang Sorge in seiner Stimme mit und seine Augen strahlten nichts anderes aus.
Nur ein Kopfschütteln brachte sie zustande, denn sie konnte nicht sprechen, so schwer erdrückte es sie, sie bekam kaum Luft.
„Ssscht, schon gut.“ Drückte er sie fest an sich, sodass er sie in einer festen Umarmung verbarg, der ihr Trost spenden sollte. Sanft drückte er ihren Kopf an seine Brust, die Hand behutsam auf ihrem Hinterkopf. „Es tut mir leid. Es war zu viel für dich. Du machst mich noch verrückt.“ Flüsterte er in ihr Haar.
Einen Moment der Stille ließ sie beruhigen und jetzt merkte sie erst, dass ihr ganzer Körper gezittert hatte, der sich langsam beruhigte. Wie konnte sie sich nur in einer einfachen Umarmung so sicher und geborgen fühlen?
Sanft drückte sie ihn von sich, sodass sie in sein Gesicht sehen konnte. Er ließ sie gewähren und erwiderte sofort ihren Blick, der sich sehnsüchtig nach ihr richten wollte. Er war so lieb und sanft, was sie innerlich erwärmte.
„Setz dich dahin.“ Sprach sie sanft und wies ihn auf eine Truhe hin. Es überraschte sie, dass er sofort ihrer Anweisung nachging. Er schien nicht zu wissen, warum sie ihn darum bat, aber er vertraute ihr. Sie konnte es an seinem Blick erkennen. Erneut erwärmte es ihr Herz.
Ohne Fragen zu stellen, kam sie auf ihm zu. „Ziehe dein Hemd aus.“ Bat sie ihn erneut und er gehorchte sofort. Es verschlug ihr auf einmal den Atem, als sie seine entblößte Brust sah. Wie hart und voller Muskeln er nur strotzte. Dieser Körper war von tödlicher Effizienz und dieser Mann wusste, wie er seinen Körper dazu nutzen musste. Selbst durch kleinste Berührungen, bewegten sich seine Muskeln unter der Haut und jeder seiner Bewegungen zog sie magisch an. Ihr Blick konnte sich von ihm nicht losreißen, so fasziniert war sie.
Ein Wort des Schweigens ging sie die paar Schritte zu ihm. Ohne zu wissen was sie da tat, legte sie ihre kleinen Hände auf seine Brust. Sie nahm jedes Detail auf und es stockte ihr den Atem, als sie auch die ganzen Verletzungen sah, die er durch den grausamen Kampf mit dem Lykae davongetragen hatte. Sie fühlte sich schuldig, weil er Wunden nur durch sie bekommen hatte. „Es tut mir leid.“ Flüsterte sie entschuldigend. „Wegen mir wurdest du so verletzt. Nur weil...“
„Hör auf damit, Emmanline.“ Unterbrach er sie barsch. „Es ist nicht deine Schuld.“ Wollte er ihr schlechtes Gewissen mindern. „Es ist eher meine Schuld, weil ich hab mich ablenken lassen. Ich weiß in welcher Lage wir uns befinden, aber ich habe meine Aufmerksamkeit für die Gefahr ausgeblendet.“ Legte er sanft eine Hand auf eine der ihren, die auf seiner Brust lagen. „Es ist nicht deine Schuld. Weitaus hast du mehr getan. Erneut verhinderst du etwas, was dumm hätte enden können. Ich war so voller Wut und Zorn gewesen, dass ich meine Vernunft nicht halten konnte. Die Sorge um dich war der Grund gewesen.“ Streichelte sein Daumen zart über ihrem Handrücken. „Schau dich nur an. Du bist wunderschön und...klug. Du hast uns vor etwas bewahrt und du könntest Recht behalten. Wir könnten durch ein Komplott hereingefallen sein und wir hatten es nicht einmal bemerkt.“
„Es ist nicht zu spät.“ Ignorierte sie sein gutes Gerede über sie. „Trotzdem ändert es auch nichts an die Wut dieses Mannes, die er in sich fest hält. Er kann sie nicht so einfach ablegen.“ Blickte sie ihn geradeheraus an. „Sein Recht ist es zu erfahren, was hier vor sich geht oder gar bevorsteht. Er will sein Volk genauso beschützen wie du auch deines. Darum solltest du dich so schnell wie möglich mit ihm unterhalten. Zeit ist das allerwenigste was ihr jetzt besitzt.“ Schüttelte sie nachdrücklich mit ihrem Kopf, während sie ihn weiterhin so fest und gefasst anschaute.
Ein kleines Lächeln umspielte seine sinnlichen Lippen, die sie mehr als einmal gespürt hatte. Mehr sogar, als sie sich wagte vorzustellen.
„Jetzt frage ich mich gerade, wer hier ein Volk führen will und wer die größere Vernunft hat?“ Lachte er auf, worauf sie glühende Wangen bekam.
Es war ihr unangenehm, dass er sich so belustigend ausdrückte, dass sie vor ihm zurückschrecken wollte. Sie wollte sich ihm entziehen, aber er ließ sie nicht gewähren. In seinen Augen blitzte Schalk und Belustigung auf, was sie misstrauisch werden ließ.
„Nicht doch, mein kleines Vögelchen.“ Zog er sie näher an sich heran, dass sie schon sozusagen auf seinem Schoss saß. Sie versuchte sich zu wehren, aber sie hatte keine Macht gegen ihn, geschweige über ihren Körper, der sich nun perfekt an seinen anschmiegte.
Doch kleines Vögelchen hatte er sie schon lange nicht mehr genannt. Sie hatte es nicht gewollt, weil sie es nicht leiden konnte, aber jetzt benutzte er es erneut als ein Scherz, das glimmender Zorn in ihr aufloderte. „Lass mich los.“ Presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Was war nur an diesem Mann falsch? Er war ihr ein einzelnes Rätsel, welches sie nicht zu lösen vermochte.
„Ich finde es sehr imposant, wie du dich voller Ehrgeiz gibst, Emmanline. Ich bewundere das sehr.“ Schien er es ihr offen und ehrlich zu gestehen. „Manchmal frage ich mich, ob das alles nicht zu viel wird, aber dann bemerke ich, nein, dass tut es nicht. Du hattest mich doch einmal gefragt, warum ich dir all das erzähle, obwohl es wichtige und geheime Dinge sind, nicht wahr?“ Konnte sie nur zögernd nicken. „Es ist die reine Neugierde darauf was für eine Ansicht du hast und was deine Gedanken dazu sind. Ich finde es wirklich höchst interessant, weil ich zugeben muss, dass es manchmal einfacher zu verstehen ist.“ Berührte er hauchzart ihre Wange, während er sie liebevoll anblickte, als wäre nichts anderes wichtiger, als sie. Nicht in diesem Moment und die Götter bewahre sie, es gab im Augenblick nichts, was für sie wichtiger wäre.
Unbewusst und ohne es zu merken, schmiegte sie ihre Wange in seine große Handfläche, als er sie auf ihre Wange gelegt hatte. Ihre Augen waren halb geschlossen, während sie sich auf seine zärtlichen Berührungen einließ. Wie schaffte er es nur immer und immer wieder, dass sie sich so gehen lassen konnte?
„Ich will dir damit zeigen, wie sehr du zu mir gehörst. Ich sage dir auch all das, weil ich will, dass du Teil dieses Leben werden sollst. An meiner Seite, Emmanline.“ Sprach er rau und flüsternd weiter.
Ihr Herz nahm ein noch höheres Tempo an und ihr Atem blieb nun ganz aus. Ihre Augen weit aufgerissen und entsetzt über seine Worte. „Nein.“ Hauchte sie. „Ich kann nicht.“
Ein herzzerreißendes Lächeln erschien auf seinem Gesicht, dass sie nun unfähig zu allem war. Das konnte er nicht alles ernst meinen. Oder?
Und wie genau Lucien es sagen konnte, wie sehr er Emmanline überrumpelt hatte. Er wusste auch, niemals das ganze Ausmaß davon zu wissen, was er mit seinen Worten ausdrücken und sagen wollte. Wie sehr Lucien auch all die geheimen Informationen bewahren wollte, er konnte es nicht, da diese Frau für ihn vom Schicksal vorher bestimmt war, konnte er von nun an keine wirklichen Geheimnisse vor ihr haben. Sicher hätte er vermutlich eine Wahl, aber er wollte es nicht.
Seine Lippen berührte hauchzart ihre Wange und seine Zärtlichkeit zu ihr, erschreckte ihn selbst. Noch nie hatte er je zuvor gewusst, wie vorsichtig und sanft er sein konnte. Nicht bei seiner ganzen Grobheit die in ihm wohnte. Diese Frau in seinen Armen veränderten ihn in ungeahnter Ebene. Niemand durfte wissen, was sie ihm wirklich bedeutete. In all der ganzen Zeit war sie zu seinem wertvollsten Hort geworden. Alles glänzendste Gold und Edelsteinen der Welt waren nichts im Vergleich zu ihr.
Als würde Emmanline seinen zärtlichen Liebkosungen entkommen wollen, rückte sie von seinem Schoss ab, aber ihre Hände lagen noch immer auf seiner nackten Brust, als könne sie es selbst nicht ertragen, ihn nicht berühren zu können. Es erfreute ihn schon, aber er wollte sie ganz spüren, mit allem.
Lucien wusste, dass er jetzt nicht die Zeit dazu hatte, aber er musste langsam mit ihr darüber sprechen, warum er sie nicht gehen lassen konnte. „Emmanline, du musst erfahren, warum ich dich unbedingt bei mir behalten will. Aus zwei Gründen kann ich dich nicht gehen lassen. Du gehörst zu mir, weil du meine Se...“ Würde er abrupt unterbrochen, als Cyrill ins Zelt gestürmt kam. Schon wieder.
„Lucien du solltest so schnell wie möglich ins Zelt des Gefangenen kommen. Es steht verdammt schlecht um ihn.“
Ein wildes Knurren entrang seiner Kehle. Langsam hatte er es verdammt satt, dass er jedes Mal dort unterbrochen wurde, wenn er ihr etwas wichtiges und entscheidendes erzählen wollte. Welches beider Leben schlagartig verändern würde. Wenn er ihr einmal offenbarte, was sie ihm bedeutete und was sie für ihn war, würde Emmanline keine Chance mehr haben, ihm zu entkommen. Er wusste auch, wenn sie es erfährt, sie genau wissen würde, was dieses Ausmaß bedeutete.
Einfach ignorieren konnte er diese Situation nicht. Wie sehr es ihn widerstrebte, ergriff er nach ihren Händen, stand auf und ließ sie trotzdem noch auf seiner Brust liegen. Sein Blick glitt über sie und seinem Freund entgegen. „Gehe schon einmal vor, Cyrill. Ich werde gleich nachkommen.“ Versicherte ihm, wobei Cyrill das Zelt schon einmal verließ. „Ich muss.“ Richtete er seinen Blick auf sie herunter. Dabei wollte er sie nicht verlassen, weil sein Verlangen noch immer wie ein Inferno in ihm tobte.
„Ich werde mitkommen.“ Sprach sie geradeheraus aus und blickte ihn ernst an.
Überrascht verneinte er es sofort. „Ich werde es sicherlich nicht zulassen, dass du in seine Nähe kommst.„ Knurrte er erzürnt auf, als er zurück dachte. „Ich werde dich nicht in seine Nähe lassen, nicht nachdem er dich verletzt hatte.“
„Mir ist aber nichts geschehen. Ich muss.“
„Nein, musst du nicht. Nicht solange ich anwesend bin. Ich will es nicht riskieren, dass er dir erst richtig Schaden zufügt. Niemals.“ Hätte er beinahe gesagt, dass er sie hätte angebunden, damit sie ihm nicht folgte.
Leicht legte sie ihren Kopf schief, da sie zu überlegen schien und das war kein gutes Zeichen. „Du weißt, dass es sehr schlecht um ihn steht. Er wird sterben. Ich kann ihm helfen.“ Senkte sie halb ihre Augenlider. „Was würde geschehen, wenn dieser Mann hier und jetzt sterben würde?“
„Verflucht noch einmal, musst du immer so rational denken?“ Fluchte er lautstark. „Du tust nichts, was ich für richtig halte, verstanden?“ Nickte sie ihm zu. Er fand es schon bemerkenswert, das sie auf seine Forderung einging, aber sie hatte wahrhaftig Recht. Würde er nichts unternehmen, damit Garett überlebte, dann würde der Krieg nur noch schlimmer werden, der anscheinend unabsichtlich entstanden war. Emmanline hatte schon einmal beteuert, dass sie ihn retten könnte, also musste er ihr vertrauen. Anders konnte er nicht und mehr als einen Versuch hätte er eh nicht.
„Dann komm.“ Schnappte er sich ein Shirt und als er an sich herunter schaute, verschlug es ihm den Atem. Wo er zuvor Verletzungen und Kratzer auf den Körper hatte, waren sie nun alle verschwunden. Seine Haut war so unverletzt wie zuvor auch. Nur noch sein eigenes Blut klebte auf seiner Haut. Seine Verletzungen hätten schnell geheilt, aber nicht nach so kurzem Zeitraum. „Emmanline?“ Schaute er sie erstaunt an.
Leichte Röte stieg auf ihren Wangen, als sie einen Schritt zurück trat und leicht ihren Blick senkte. „So ging es schneller.“ Gestand sie.
Ein leichtes Lächeln erschien auf seinem Gesicht und er konnte es sich nicht nehmen, dass er mit seinen Fingerknöchel über ihre Wangen strich. „Danke dir.“ Klang er sanft und vor lauter Stolz quellt es aus ihm heraus. „Lass uns gehen.“ Nahm er ihre Hand und führte sie aus dem Zelt, genau außerhalb des Lagers und zu dem Lykae hin.
Es war kein langer Gang, bis sie ins Zelt ankamen, wo der Verwundete auf einem provisorischen Bett lag. Der Mann kämpfte mit Krämpfen und er wälzte sich hin und her. Der Lykae hatte fürchterliche Schmerzen, die ihn von jeder Minute zur Minute qualvoller wurden. Die Parasiten in ihm, schienen ihn förmlich von innen heraus zu zerfressen.
Emmanline versuchte sich zu dem Mann hinzubewegen, aber sie wurde sofort am Oberarm gepackt.
„Ich werde vorgehen.“ Schaute der Drache grimmig drein, als er seinen Blick auf den Lykae richtet. Er schien noch immer der Vorsicht bedacht zu sein. Vermutlich hatte er Skepsis, dass er in diesem Rausch sie angreifen könnte. Sie musste sich da zurückhalten, auch wenn es sie drängte ihm sofort helfen zu wollen. Sie hatte es ihm versprochen.
Langsam folgte sie ihm, als er sich der Bettstelle näherte. Sein Körper war angespannt und er war jederzeit bereit zum Angriff über zu gehen. Erneut bemerkte sie, wie bedacht er für ihre Sicherheit sorgte. Es sollte sie ärgern, weil er sich manchmal grob und ungehobelt zeigte, aber auf der anderen Seite, empfand sie es als angenehm, dass er ihr solch eine Sicherheit zugestand. Seine Bemühungen waren wirklich vollkommen klar und sie sah es auch endlich ein, er wollte nichts anderes, als sie nur zu beschützen.
„Wir werden dir helfen, Garett.“ Fing er an zu sprechen, während seine Stimme als ein Knurren und gleichzeitig als eine Drohung rüber kam. Er bedachte auch, dass er ihn verstand. „Wage nur eine falsche Bewegung zu machen und ich schwöre, du wirst es bereuen.“
Ein verächtliches und krächzendes Schnauben kam von dem Lykae. „Als wenn ich jetzt eine Chance gegen dich hätte. Ich werde krepieren, da musst du mir nicht drohen.“ Hustete und krümmte er sich erneut vor Schmerzen, als er die Worte des Drachens einfach abtat. So als wäre sein Leben hiermit beendet.
Da reichte es Emmanline und sie trat um ihn herum. „Er wird mir nichts tun.“ Versuchte sie ihn zu beschwichtigen. „Er hätte mir schon längst schaden können, aber hatte es nicht getan. Er würde nicht. Nicht wahr?“ Blickte sie fragend zu dem fremden Mann. Das lange Schweigen von ihm bestätigte ihre Vermutung und es reichte aus, dass sie ihm endlich helfen konnte. Sie wusste, dass der verwundete Mann ihr nicht traute und keinerlei Hoffnung hegte, könnte er je geheilt werden.
Mit einem kräftigen Luftholen, legte sie ihre Hände auf seine Brust, die sich wie glühende Kohle anfühlte. Er schien sehr hohes Fieber zu haben und es würde schlimmer werden. Langsam senkten sich ihre Lider und sie konzentrierte sich allein auf ihre Fertigkeit zu heilen. Emmanline bemerkte, eine Krankheit oder gar etwas unnatürliches, wie diese Parasiten, was vollkommen anderes war, schwerer war, als wenn sie nur Verletzungen heilte. Kaum hatte sie die Erfahrungen darüber und wusste, wenn sie ehrlich war, dass sie unbeholfen mit ihrer Gabe war. Auch wenn es ihr im Blut und von der Natur gegeben wurde, musste sie erst lernen und beherrschen. Mehr als versuchen konnte sie nicht, aber sie hatte Bedenken, sie würde es nicht schaffen, auch wenn sie es großspurig versprochen hatte, sie könne es. Vorher war sie so zuversichtlich gewesen, aber jetzt kamen in ihr Zweifel auf.
Hände legten sich auf ihre Schultern und sie zuckte unter dieser Berührung zusammen. Sie wusste, von wem sie waren und sie musste nicht ihre Augen öffnen, um es zu sehen. Der Mann und Drache gaben ihr Unterstützung und den Willen, sie könnte es schaffen. Es brachte ihren Herzschlag zum schnelleren Tempo. Mit einem Seufzen ließ sie sich gehen, in ihrem ganzen Sein. Eine glühende Wärme durchströmte sie und riss sie in Wellen mit. Es war fast, als würde sie geleitet werden. Sie fühlte sich schwerelos und etwas in ihr öffnete sich, worin sie im ersten Augenblick keinen Sinn empfand. Nach kurzem konnte sie erkennen, was sie leitete und es war nichts anderes, als ihre zweite Natur.
Wie ein grelles Licht strömte es durch ihren Körper und versuchte sich zu dessen Körper des Mannes Bahn zu machen. Als würde das Licht ihn reinigen wollen. Jetzt verstand sie auch, die Parasiten in diesem Mann nagten sich überall hindurch und die Helligkeit verschlang alles ungebetenes. Eine einzige flutende Lichtquelle strömte aus ihr und fuhr in dem Körper des Lykae. Es ging alles so schnell, dass sie keine Ahnung hatte, was sie genau tat. Mit einem Mal zog sich das Licht und deren eingeschlossene lebendige Gift in ihr zurück.
Ein heftiger Ruck durchfuhr ihren Körper, dass sie nach hinten gedrückt wurde. Sie prallte an etwas hartem und sofort schlangen sich wie eine Art warme Fesseln um sie. Sie müsste Gefahr verspüren, aber es war alles andere als das. Wie von selbst schmiegte sie sich in dessen festen Fesseln und hartem. Es gab ihr die Stütze und Kraft auf beiden Beinen stehen zu bleiben.
Nachdrücklich wurde immer wieder ihr Namen ins Ohr geflüstert und erst jetzt öffnete sie langsam ihre Lider wieder.
„Oh meine Götter, Emmanline.“ Wurde ihr nun bewusst, dass er sie in seine Arme gerissen hatte. Es war so tröstend und warm, dass sie ein müdes Seufzen nicht unterdrücken konnte.
Jetzt kam sie auch langsam zur Besinnung. „Mir geht es gut.“ Schmiegte sie sich voller wohliger Gemütlichkeit an ihn. Ohne sich was dabei zu denken. Doch da kam sie noch mehr zur Besinnung und schreckte zurück. „Habe ich es geschafft?“ Wirkte sie nervös und zugleich hoffnungsvoll.
Er schaute über sie hinweg und blickte auf den fremden Mann. „Drehe dich um.“ Schlug er ihr vor.
Erst zögerlich, aber vor reiner Neugierde, ob sie es geschafft hatte, drehte sie sich um. Ihr stockte der Atem und sie wirkte erstaunt, als sich der Lykae auf dem Bett aufsetzte. Noch immer unter Schmerzen verzog er sein Gesicht zu einer verzerrten Grimasse. Dennoch wusste sie nicht, ob sie ihm wirklich helfen konnte.
Plötzlich hob er seinen Kopf und ihre Blicke trafen sich. Emmanline wollte einen Schritt zurück machen, konnte es aber nicht, als sie eine harte Brust an ihrem Rücken verspürte. Sie war dankbar dafür, dass er hinter ihr stand und sie dadurch stützte.
„Du.“ Kam ein Krächzen aus dem Mund des Mannes. Verwirrt schien er seine Stirn in Furchen zu ziehen, als er sie wie eine Beute anschaute. „Was hast du gemacht?“
„Dich geheilt.“ Hoffte sie. „Nur ich kann dir nicht die Schmerzen nehmen. Fühlst du dich besser oder schlechter?“ Musste sie es langsam wissen. Je weiter sie unter seiner Beobachtung stand, umso mulmiger wurde es ihr, aber sie ließ sich nichts anmerken, wie nervös sie eigentlich war.
Warum antwortete er ihr nicht? Warum starrte er sie weiterhin nur stumm an?
Kurz schaute sie ihn noch an, als sie sich von ihm abwandte und ihre Aufmerksamkeit dem Mann hinter sich gab. „Ihr solltet miteinander reden. Ich werde zurück gehen und...“ Suchte sie nach richtigen Worten „...etwas helfen.“ Ging sie an ihm einfach vorbei, ohne auf seine Antwort zu warten.
„Emmanline?“ Drang eine tiefe Stimme in ihr Geist, dass sie am Eingang des Zeltes zum stillstand brachte, bevor sie den Stoff zur Seite schieben konnte. „Danke für deine Hilfe und passe auf dich auf.“
Wie versteinert stand sie da und bedachte seine Worte in ihrem Geist. Noch einmal drehte sie sich zu ihn um und sie konnte ihn nur anschauen. Mit einem kleinen Nicken verschwand sie einfach.
Was sie aber am meisten überraschte und wunderte, war, dass in seinen Worten kein Funken von einem Befehl mitschwangen. Er hatte ihr lediglich zu verstehen gegeben, wie sehr er sie schätzte. Sie hatte es aus seiner Stimmer heraus gehört. So was belangloses brachte doch nicht ihr Herz ins stolpern, oder? Dennoch raste ihr Herz in Dauergalopp. Sie veränderte sich und sie konnte es nicht mehr wagen ihre Gefühle zu missachten. Sie konnte ihrer Widerspenstigkeit nicht mehr trauen, denn je mehr sie mit diesem Mann zusammen war, umso schwerer fiel es ihr sich von ihm zu trennen. Zwischen ihnen herrschte eine magische Anziehung, dass sie immer mit einen Sog erfasste, wenn sie sich sahen.
Mitten auf dem Weg zum Lager blieb sie stehen und war in einem wirren Knäuel der Gefühle befangen. Sie wollte nicht, aber sie konnte nicht. Eingestehen musste sie es sich, denn sie fühlte sich wahrhaftig in seinen Armen wohl und behütet. Wenn er nicht bei ihr war, fühlte sie eine unsagbare Leere in sich und sobald er bei ihr war und sie einfach nur anschaute, fühlte sie dieses kribblige Gefühl, was sich in ihren Magen ausbreitete. Als würde irgendwas darin herum flattern. Danach wurde sie nervös und eine Art Vorfreude packte sie schlagartig, was sie veranlasste in seine Arme zu rennen. Da kam ihr eine Erkenntnis und sofort fühlte sie, wie ihre Wangen glühend heiß wurden.
Um Gottes Willen, genau das hatte sie getan. Sie hatte vor allen Leuten, die hier in diesem Lager waren, sich in seine ausgebreiteten Arme geworfen. Alle hatten sie beobachtet. Allein der Gedanke daran zurück, wie sie sich da gefühlt hatte, war so übermächtig gewesen. Ein großer Drang war in ihr aufgekommen, dass sie zu ihm rennen musste. Es waren so viele Eindrücke gewesen, dass sie wirklich und schlagartig in sich Trost gesucht hatte. Doch sie konnte sich dies nicht selbst geben, dann war er dagewesen und sie hatte nicht anders gekonnt, als zu ihm zurennen. Seine starken Arme hatten sich ohne zu zögern um sie geschlungen und in seinem Blick hatten so viele Emotionen gebrannt, dass es sie beinahe versengt hätte. All diese Emotionen hatten allein ihr gegolten, was sie wusste. Oder hatte es gespürt, weil nichts anderes ausschlaggebender war, als dieser eine kleine Augenblick.
Es hätte ihr peinlich sein sollen, aber warum konnte sie es nicht damit abtun, dass es so war? Nein, stattdessen fühlte sie sich erwärmt und sogar...glücklich. Tatsache glücklich. Wie konnte das einfach passieren? Wie hatte er sie so schnell eingenommen? Aber zum ersten Mal verspürte sie Glück in ihrem Leben. Wirkliches Glück.
Emmanline hatte fürchterliche Angst. Nicht vor ihm oder der anderen Drachen. Viel mehr vor ihren eigenen Gefühlen und das überwältigende daran, je weiter diese Gefühle gingen, umso weniger konnte sie sich dagegen wehren und umso weniger konnte sie sich ihm entziehen.
Wie oft hatte sie sich gewünscht vor ihm fliehen zu können? Wie oft hatte sie Pläne gehabt wie sie entkommen konnte? Nach und nach hatte sie sich immer weniger Gedanken darum gemacht und hatte wirklich alles wie ein Schwamm in sich aufgesogen was er ihr gab. Es waren keine materiellen Dinge, die ihr auch nicht wichtig waren, aber er hatte ihr alles gegeben, was sie sehen konnte, mit eigenen Augen. Dies war viel mehr, als er ihr wirklich geben konnte. Sie wusste, dass er das tat, weil er sich schuldig dafür fühlte, was sie unter dem Volk der Drachen hatte erleiden müssen. Jeden Tag hatte sie daran denken müssen, was sie durchmachen musste. Nur kamen die Gedanken immer weniger auf. So viel mehr wollte sie von ihm und er genauso. Seine feurigen Augen verrieten ihn immer. Wie glühende heiße Kohlen entzündete sie selbst in heißes Feuer. In tobendes Feuer, was sie innerlich verbrannte. Es schmerzte nicht, aber es verlangte. Es verlangte nach diesem Mann, dass er ihr mehr gab und das er die Lösung ihres Leiden war. Nur er konnte dieses tiefe hohe brennende Feuer in ihr stillen. Woher sie es wusste? Sie wusste es einfach, ohne eine wirkliche Antwort darauf zu haben.
Eine kleine Erinnerung aus ihrer Vergangenheit kehrte zurück. Flüsternde Worte der weichen und warmen Stimme ihrer Mutter hallten in ihrem Kopf wieder. Es waren Worte gewesen, die sie nun im ganzen verstand. Das brachte ihr Herz und ihr Atem zum stocken.
„Eines Tages wirst du jemand finden, der dir viel bedeuten wird. Verschließe dich nicht davor, egal was kommen mag. Verschließe dich nicht vor etwas, was dir einmal alles bedeuten könnte. Zeige keine Angst und Scheu, eines Tages wird es jemand für dich geben, der dich beschützt und gut behandeln wird. Sei mutig, mein Schatz."
Das waren die Worte ihrer Mutter gewesen. Sie war damals ein kleines Mädchen und nie verstanden, was sie damit sagen wollte, aber jetzt? Ihr Verstand setzte ein Stück nach dem anderen zusammen.
Ich werde jemanden finden, der mir viel bedeuten würde. Der für mich mehr als alles andere sein könnte. Egal was kommt, ich soll keine Angst und Scheu zeigen. Weder mich davor verschließen. Der mich beschützt und gut behandelt. All das tat er für mich. Dieser Mann tut alles für mich und ich versuche mich davor zu verschließen. Ich tue alles, was Muttern mir verboten hatte. Soll ich es wirklich wagen?
Da kam ihr noch mehr Worte in den Sinn.
„Eines Tages wirst du hier rauskommen und frei sein. Erfahrungen machen die dich prägen werden. Etwas Gutes wird für dich bereit stehen, nur für dich alleine und du wirst jemanden finden, dem du alles anvertrauen kannst.“
Soll es das sein, was ich wagen soll? Jemanden finden, dem ich alles anvertrauen kann?
Ihre Gedanken rasten durch ihren Kopf. Angst fing an Besitz von ihr zu ergreifen. Sie durfte es nicht zulassen, dass die Angst über sie siegte. Dabei solle sie doch keine Angst und Scheu bekommen, wie ihre Mutter es ihr gesagt hatte. Wenn es wirklich stimmen sollte, könnte sie sich ihm anvertrauen?
Es war irgendwie widersprüchlich, dabei hatte ihre Mutter immer geraten, sie solle niemand von ihrer wahren Natur erzählen und doch wollte sie gleichzeitig, dass sie genau das tat. Sie sollte ihr Geheimnis dem anvertrauen, der ihr mehr bedeuten könnte. Der für sie mehr als alles andere bedeuten könnte. Aber am Ende war es doch gleich. Woher sollte sie wissen, ob sie ihm alles anvertrauen konnte?
Emmanline stand immer alleine mit ihrem Gewissen und ihrem Geheimnis da, welches sie zu ersticken drohte. Es war schon schwer genug, musste sie ihr zweites Ich immer unterdrücken. Es hatte überhaupt keine Chance zu leben. Dabei hatte sie damals zu große Worte gespuckt, als sie Malatya geraten hatte, niemals zu zulassen, seine wahre Natur zu unterdrücken. Aber genau das tat sie selbst. Einen unterschied gab es dabei, dass sie es nicht durfte.
Nein, sie durfte sich von all den widersprüchlichen Gedanken nicht beeinflussen lassen. Sie musste sich ablenken und es kam ihr sehr recht, Hilfe in diesem Lager anzubieten. Genau das war es was sie jetzt brauchte.
Ablenkung.
Noch einen kurzen Augenblick schaute Lucien Emmanline nach, bis er ihre Präsenz sich von ihm entfernte. Er wollte ihr nach, sie besänftigen und trösten. Sie war verwirrt gewesen und was sie da gemacht hatte, erstaunlich. So was zuvor hatte er noch nie gesehen.
Um Emmanline hatte eine sonderbare Ausstrahlung geherrscht, denn er hatte das gespürt. Seine Hände hatten auf ihren Schultern geruht und es hatte ihn getroffen wie ein Schlag, als plötzlich heiße Wärme durch seinen Körper floss. Sein Atem war ausgeblieben und er hatte gebebt. Es war nichts unangenehmes, aber unbeschreiblich vom Gefühl her. Eindeutig war sie anders und was besonderes.
Lucien konnte sich von seinen Gedanken losreißen, als er sich Garett widmete und er trat auf ihn zu. Er holte aus und verpasste ihm einen harten Schlag ins Gesicht, dass er vom Bett nach hinten flog. Sicher hatte er nicht damit gerechnet und er verspürte eine kleine Zufriedenheit dabei. Aber es war bei weitem nicht genug.
„Wage es noch einmal sie so anzuschauen und so zu behandeln, dann schwöre ich dir, da bleibt es nicht nur bei einem Schlag.“ Drohte er ihm mit einem finsteren Blick. „Cyrill, folge ihr und habe ein Auge auf sie.“ Bat er seinen alten Freund, der sofort einstimmte und das Zelt verließ. Nun waren nur noch Garett und er hier.
Sofort wandte er seine Aufmerksamkeit wieder Garett zu, der das Blut von seinen Mund wischte und sich aufrichtete. „Konntest du ihr nicht einfach die Frage beantworten und sagen, dass sie dir helfen konnte? Oder ihr ein Danke zusprechen?“ Verschränkte er seine Arme vor der Brust.
„Verflucht.“ Stieß Garett ein Knurren aus. „Ok, die habe ich wohl verdient. Das hätte ich tun sollen, aber mir ist so was noch nie begegnet. Man hat mir versichert, nichts und niemand könnte mich heilen, aber da kam diese Frau daher und hat genau dieses Wunder vollbracht. Ohne Probleme, einfach so.Wie würde das für dich rüber kommen?“ Erklärte er mit einem Grummeln.
Da gab er ihm ausnahmsweise Recht. „Denk einfach an meine Warnung und mache das nie wieder.“
„Ja ja, ich habe es kapiert.“
„Du kannst froh sein, dass noch niemand über dich hergefallen ist, da sie wissen das du hier bist. Es herrscht eine tödliche Stille hier, weil sie denken, dass es dein Volk gewesen war.“
„Wir haben überhaupt nichts getan. Warum sollten wir das tun? Wir sind uns immer aus dem Weg gegangen.“ Widersprach er seine Worte.
„Genau das ist auch meine Meinung. Warum sollten wir euch angreifen, wenn wir uns doch immerhin aus dem Weg gehen.“ Bestätigte Lucien.
Garetts blick verfinsterte sich schlagartig. „Was hat die Frau damit gemeint, wir sind auf einem Täuschungszauber hereingefallen und was hat das mit den Fae zu tun?“
„Schon seit längerer Zeit lasse ich die Fae aus spionieren, weil sie mehr Unruhe in der Mythenwelt verbreiten, als alle anderen. Sie waren für mehrere Kriege verantwortlich, wie das die Elfen sich komplett zurück gezogen hatten, oder das ihr einen unerbittlichen Krieg mit den Dämonen führt. Du weißt selbst, Fae legen keinen großen Wert an Zurückhaltung und sie sind Giftmischer. Es war nicht meine Klinge gewesen, das dein Herz durchbohrt hat. Jemand muss sich als mich ausgegeben haben und ich habe niemals einen Anschlag auf dein Volk geplant. Glaubst du etwa, ich will unschuldiges Blut an meinen Händen kleben haben? Wohl kaum.“ Schnaubte er verächtlich darauf, als er nur einen kurzen Gedanken daran hegte.
Aufmerksam hatte Garett ihm zugehört. „Warum sollte ich das glauben, dass du mir da die Wahrheit sagst? Woher willst du wissen, ob daran etwas stimmt?
„Weil ich es weiß, Garett. Meine Quellen kommen aus erster Hand und es sind schon lange keine Gerüchte mehr. Fae waren schon immer hinterlistig und feige gewesen, die Schwächen anderer Völker aus zu nutzten. Sie nutzen die Chance andere Völker gegeneinander auf zu bringen. Es wäre nichts einfacher, als andere für sich kämpfen zu lassen, damit sie sich ihre Hände dabei nicht schmutzig machen müssen. Darum weiß ich es mit Gewissheit, dass wir auf sie hereingefallen sind, ohne es auch nur zu bemerken.“ Berichtete er alles, was er wusste und dachte. „Wir sollten den Fae keine weitere Genugtuung geben, sie hätten gewonnen. Oder das sie sich schlauer gegeben haben, als wie wir beide es gewesen waren.“ Verengten sich seine Augen, weil er solch einen Zorn auf die Bastarde verspürte, die versucht hatten ihn und sein Volk zu täuschen und zu vernichten. Sowie noch ein anderes Volk.
„Was schlägst du da vor?“ Schien der Anführer der Lykae alles genau abzuwägen, was ihm richtig erschien.
Ein wissendes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Das wir zusammenarbeiten und diesen hinterhältigen Hurensöhnen alles mit hundertfacher Münze heimzahlen werden. Lass uns ihnen zeigen, was es bedeutet sich mit Drachen und Lykae anzulegen, ohne über Konsequenzen nachzudenken.“ Klang so große Gewissheit und ein Versprechen mit, wie ernst er jedes seiner Worte meinte. „Ich will Rache für all das, was sie uns angetan haben.“
„Du schlägst wahrhaftig einen Pakt vor?“ Breitete sich ein tödliches Lächeln auf seinem Gesicht aus. „Gut, lass uns in der Zeit ein weiteren Friedenspakt eingehen und ich will genauso Rache haben, wie du es willst. Ich will jeden einzelnen vor mir knien sehen und wenn sie um ihr Leben betteln, wie es Kinder und Frauen getan haben, als sie um Gnade hatten betteln müssen. Sie sollen dafür büßen, was es heißt sich mit Lykae anzulegen. Es wird blutig und grausam sein.“ Jedes einzelne Wort war ein hochheiliger Schwur, dass genau das eintreten würde, was hier und jetzt im Zelt gesagt wurde. Alle heiligen Götter waren Zeugen dafür.
Lucien reichte Garett seine Hand und er schlug ein. „Dann lass uns ein paar Ärsche aufreißen. Aber vorher müssen wir alle anderen beruhigen. Wir müssen unseren beiden Völker klar machen, dass kein Drache oder Lykae an diesen Leid und Tod von uns schuldig sind.“ Stimmte Garett ihm zu.
Es würde eine sehr lange Zeit dauern, bis alle dies begreifen würden, aber ihm blieb keine andere Wahl. Drachen und die Lykae waren hier die Opfer und niemand würde mehr schaden haben wollen. Also konnte er nur eine Zusammenarbeit vorschlagen. Es würde auch eine sehr lange Zeit dauern, bis sie sich ein gewisses Vertrauen entgegen bringen konnten.
Wer weiß, ob meine Entscheidung richtig war, aber ich muss das Risiko eingehen. Allein meinem Volk gegenüber.
„Lucien?“ Unterbrach Garett seinen kurzen Gedankengang. „Du hattest eben gemeint, wir würden einer Täuschung verfallen sein, weil die Fae ihre Finger im Spiel hatten. Sind sie auch für den Krieg von uns und den Dämonen verantwortlich?“
Sofort wusste Lucien, worauf Garett aus war. Allein sein Blick sprachen unausgesprochene Worte, welcher Hass und Zorn in ihm wohnte. Er wusste, sein Bruder Dyade war im Krieg gegen die Fraktion der Dämonen. Noch immer herrschte eine unerbittliche Schlacht zwischen ihnen. Niemand wusste wo er sich zurzeit befand. Kein Wunder, dass er jetzt in ihm ein Kampf der Gefühle tobte. Selbst Garett wäre gerne in dieser Schlacht dabei. Ihm würde es genauso ergehen, aber der Lykae wurde dadurch gezwungen, das Reich zu schützen. Selbst er würde das nicht jeden anvertrauen. Es gäbe auch nur wenige unter seinen Geschwistern, ihnen diese große Verantwortung zu geben.
„Ja, dass habe ich gemeint. Gerade du solltest es wissen. Ich kann dir nicht wirklich genau sagen, dass sie dafür verantwortlich sein, aber ich würde es ihnen zutrauen“ Beantwortete er seine Frage nach einem Augenblick.
„Wie lange wusstest du schon davon?“ Knurrte er zornig auf.
„Eine längere Weile.“ Gab er zu. „Ich hätte es dir schon viel eher mitteilen sollen, aber auch ich hatte viel um die Ohren gehabt.“
„Also bedeutet das, dass ich noch einen Grund mehr habe, die Fae auszulöschen. Das werden sie bitter bereuen.“ Sprach großer Hass aus ihm heraus.
Lucien trat auf ihn zu und legte eine Hand auf seine Schulter. „Wir werden unsere Rache bekommen. Vielleicht kannst du herausfinden, wo dein Bruder sich befindet. Du musst ihm berichten was hier geschieht. Vielleicht können wir mehr als nur das vermeiden.“ Meinte er und es wunderte ihn nicht, dass er überrascht war, wo er seinen Bruder erwähnt hatte. „Warum schaust du mich so an? Glaubst du, dass weiß niemand, das Dyade in einem nicht endenden Krieg gezogen ist? Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie du dich fühlst. Ich kenne das, wenn man gegen unendlich viel ankämpfen muss.“ Was er wirklich tat.
Vor ziemlich langer Zeit, war es ihm und seiner Familie genauso ergangen, als ein Angehöriger einfach spurlos verschwand. Es war sein Bruder Alastar gewesen, der wie vom Erdboden verschluckt war. Es war ein Wunder, dass er überhaupt lebend zurück kam. Fast dreihundert Jahre vergeblicher Suche und kein einzigen Hinweis darauf wo er sein könnte. Es war einen schmerzhafter Kampf gewesen.
Auf einmal, ohne damit je gerechnet zu haben, stand er vor den Toren des Schlosses. Alle waren überrascht und gleichzeitig überwältigt gewesen. Nur Alastar hatte sich vollkommen verändert. Er war verschlossen, kalt und abweisend, als wäre er gestorben und gleichzeitig von den Toten auferstanden. Ein komplett anderer Mann. Sein Bruder lebte zwar, aber ihm interessierte sein Leben vollkommen wenig. Vermutlich würde er in einem sehnsuchtsvollen Todesrausch verfallen, wenn er nicht eine Aufgabe bekommen hätte. Vater hatte es damals gewusst. Ein Jäger zu sein und Abtrünnige seiner Art zu jagen, war ein grausames Unterfangen. Doch so war es der einzige Weg gewesen, ihn am Leben zu erhalten. Solange Alastar leben würde, solange würde er auch sein Volk beschützen, dass wusste er. Auch wenn er den Tod niemals ausweichen würde.
Darum, was hatte er alles erleiden müssen? Was musste sein Bruder über sich ergehen lassen, dass solch ein starker Krieger und Mann, sein Leben vollkommen aufgab? Seinen Sinn und seinen Mut zum Leben? Dabei hatte er Pläne gehabt, aber kein Funken war davon übrig geblieben. Es war traurig mit ansehen zu müssen, wie leblos er durchs Leben ging. Mit kalten Augen und seine Gefühle in einer riesigen Eisschicht vergraben. Niemand hatte Zugang zu ihm, nicht einmal Mutter, Lya oder Malatya. Selbst Vater nicht.
Mit einem Kopfschütteln wehrte er die aufkeimende und schlechten Erinnerungen zurück. Solange Alastar einen Grund hatte am Leben zu bleiben, konnten sie ohnehin nicht mehr tun. Vielleicht eines Tages würde jemand kommen und ihm alles wieder geben, was er verloren hatte. Vielleicht würde jemand ihm seine Lebenslust wieder geben und seine Seele heilen. Auch wenn es nur zu einem Teil war, Hauptsache er lebte weiter.
„Wir sollten uns jetzt Gedanken darüber machen, wie wir unsere beider Völker beruhigen können, bevor alles wirklich zu spät ist.“ Lenkte Lucien von seinen düsteren Gedanken ab.
„Das Beste ist, wenn ich zurückkehre und das fürs Erste unter uns regle und du unter deinen. Danach sollten wir so schnell wie möglich uns erneut zusammen setzen. Das wird erst der Anfang des großen Gipfels sein.“ Schlug Garett vor und er musste ihm Recht geben.
Je länger er hier im Lager blieb, wo sie so verwundbar waren, musste er gehen. Es hatte ihn so auch schon große Mühe gekostet, ihn so nahe ans Lager zu bringen. Das hätte er nicht tun dürfen, was ein großer Fehler war. Er würde mit Sicherheit einige Schwierigkeiten hier im Lager bekommen, wenn er vor seinen Leuten trat. Ihre Wut und ihren Zorn würde auf ihn einströmen, wenn er daran dachte, wie schwer es sein würde, es ihnen klar zu machen. Das werden sie mit Sicherheit nicht gut heißen, im Gegenzug was sie verloren hatten. Das würde verdammt schwierig werden und ihm große Probleme bereiten. So würde es Garett vermutlich selbst ergehen.
„Umso eher, desto besser.“ Mussten sie es versuchen. So einigten sie sich auch und ihre Wege mussten sich hier trennen.
Plötzlich, mit einem Blitz, empfing er in Gedanken eine schockierende Nachricht. Er fluchte lautstark und blickte Garett finster an. „Hast du eine Garnison aufgestellt, die uns angreifen soll, wenn du nicht zurückkehrst?“ Musterte Lucien ihn finster.
Grimmig schaute sein Gegenüber drein, als wüsste er überhaupt nicht wovon er sprach. „Nein habe ich nicht. Ich bin alleine gekommen.“
„Warum wurde mir dann berichtet, das eine halbe Armee von Lykae hier unterwegs sind? Dein Oberoffizier ist an vorderster Spitze.“
Da knurrte und fluchte Garett. „Verdammt nochmal. Ich hatte Gaias verboten auch nur einen Finger zu rühren, mir zu folgen, wenn ich längere Zeit verschwunden wäre.“ Verengten sich seine Augen und er dachte darüber nach.
Anscheinend war sein oberster Offizier davon überzeugt, er müsste seinen vorzeitigen Herrscher aus den Klauen der Drachen befreien. Das gefiel Lucien absolut nicht.
„Du musste sie davon abhalten, Garett.“ Verfinsterte sich Luciens Gesicht.
„Mit Garantie.“ Stürmte er aus dem Zelt und er selbst folgte ihm. Selbst er musste mit, denn es könnte passieren, je näher diese Armee der Lykae dem Lager näherten, desto schneller würde seine verborgene Kämpfer sie angreifen. Es war kein Befehl gewesen, aber sie würden alles tun, um seinesgleichen zu beschützen. Verboten hätte er es niemals und es war richtig, sollten sie sich dem Lager nähern. Es geht hier schließlich um den Schutz ihres Volkes.
Darum musste er mit gehen, damit kein weiteres Blutvergießen gab und damit er auch seine eigenen Leute zurück halten konnte. All das musste verhindert werden und er hoffte inständig, sie würden rechtzeitig kommen.
Lucien schnappte sich ein paar Krieger und zogen blitzschnell los, damit sie keine Zeit verlierten. Auch wenn er schweren Herzen Emmanline einfach so zurück lassen musste. Ohne seinen Schutz, aber er vertraute Cyrill, den er für ihren Schutz zurück gelassen hatte. Dies war nun einmal wichtig und es hängte viel davon ab, selbst der Schutz von Emmanline. Das musste er sich gewahr nehmen.
Durch den besten Freund des Drachens, hatte sie erfahren, das er blitzartig verschwinden musste, als sie ihn suchen wollte. Anscheinend musste er wegen einer Notsituation das Lager schnell verlassen. Es hätte ihr wirklich mehr bedeutet, wenn er es ihr persönlich gesagt hätte. Auch wenn es nur per Gedanken gewesen wäre, aber anscheinend war es von hoher Dringlichkeit.
Darum verschwendete sie keinerlei weiteren Gedanken darüber, weil es sie nichts anginge und weil es nun einmal wichtig war. Er hatte ein ganzes Volk zu beschützen und das verlangte eine Menge ab. Nie würde sie sich davor schieben, denn dieses Recht hatte sie nicht dazu. Nicht wenn sie all die Kinder hier sah, die um sie herum waren. Genauso wie jetzt.
Viele der Kleinen waren ihr vertrauensvoll näher gekommen und versuchten bei ihr Halt zu suchen. Dabei wäre es doch realistischer gewesen, wenn sie bei ihren Verbundenen gingen. Doch sie war von kleinen Kindern umzingelt.
Da konnte sie sie einfach nicht zurückweisen. Gütige Götter, sie mochte es sogar. Allein diese Unschuld und sie wollte ihn die Sorgen nehmen und diesen Blick von Schmerzen, die aus ihren kleinen Augen kamen. Es machte ihr das Herz schwer und darum beschäftigte sie sich mit ihnen.
Doch eins wunderte sie etwas, dass die Erwachsenen sie gewähren ließ, sich um ihren Nachwuchs zu kümmern. Zuvor hatte sie noch einige Verletzungen geheilt gehabt, bis ihr angeblicher Aufpasser, sie dazu gezwungen hatte, eine Pause einzulegen. Dabei fühlte sie sich wirklich gut. Kam trotzdem nicht drumherum. Jetzt saß sie halt zwischen einer ganzen Schar von kleinen Kindern.
„Stimmt es wirklich, das du eine Elfe bist?“ Fragte ein kleiner Junger, der ungefähr ein Aussehen von sechs Jahren hatte.
Sanft legte sie ihm eine Hand auf sein weiches braunes Haar. „Ja es stimmt, Jack.“ Kannte sie jeden einzelnen Namen von ihnen. Ohne es wieder zu wollen, konnte sie all diese Namen aussprechen. Sie tat es auch, weil sie bezüglich ihrer eigenen Personen es brauchten, dass man sie direkt ansprach. Auch wenn sie ihnen nicht die ganze Wahrheit sagen konnte, aber belügen würde sie sie niemals.
„Ich habe noch nie eine Elfe gesehen. Dürfen wir deine Ohren sehen?“ Klang eine mädchenhafte Begeisterung auf.
„Cassy sei nicht so unhöflich.“ Ermahnte eine Frau das Kind streng, die sofort entschuldigend den Kopf einzog. Diese Stimme gehörte zu der Schwester des Drachen und deren Gefährten sie gerettet hatte.
Erst war sie darüber erstaunt gewesen, aber empfand es doch nicht als schlimm. „Schon in Ordnung.“ Nahm sie ihr Haar von beiden Seiten und hielt es sich nach hinten. Dadurch das ihre Ohren durch ihr langes weißes verborgen lag, zeigten sich jetzt zwei Ohren, die zu einer Spitze führten.
Überraschte Laute kam über die Lippen der Kleinen. „Ich habe noch nie eine Elfe gesehen.“ Warf ein Kind ein.
„Ich auch nicht.“ Ein anderes.
Alles fühlte sich im ersten Augenblick ungewöhnlich an, aber niemand zeigte eine Abscheu ihr gegenüber. Es war nur reine Neugierde und Bewunderung. Es ließ sie Erleichterung verspüren und ein wenig Druck verließ ihren Körper, wo sie sich etwas entspannen konnte.
Die Kinder stellten ihr noch einige Fragen, was sie ihnen beantworten konnte, aber den Göttern sei Dank nichts schlimmes aus ihrer Vergangenheit. Solange sie etwas Gutes tun konnte und um Ablenkung zu verschaffen, damit sie von all dem Grauen ihren Blick abwandten. Sie ließ sogar ein Teil ihrer Fähigkeit präsentieren, als sie Pflanzen und Blumen wachsen ließ. Selbst die Älteren waren erstaunt darüber.
Es brachte den Kleinen eine große Freude und Lachen, was ihr Herz erwärmte. Es gab wirklich nichts schöneres, als die fröhlichen Gesichter und das freudige Lachen der Kinder zu hören. Es steckte voller Leben und Energie, das sie unbeschwert erscheinen ließ. Emmanline hatte das alles nie erfahren, aber darum war es ihr jetzt unheimlich wichtig, das andere Kinder eine Kindheit hatten. Wie diese Kleinen hier. Den Mädchen und den Jungen.
Je länger sie ihre Zeit miteinander verbrachten, je schneller brach die Nacht herein,, umso schneller schlief ein Kind nach dem anderen ein, durch ihre Ermüdung. Sanft streichelte sie über ein paar Köpfe, während sie ihnen beim Schlafen zu schaute.
„Vielen Dank.“ Erklang eine volle und tiefe Männerstimme. „Das Ihr euch so sehr um unsere Kinder kümmert.“
Emmanline schaute auf und blickte in warme braune Augen, die ihrem Aufpasser galten. Ihr entrang sich nur ein kleines Nicken.
„ Sie mögen Euch. Wir hätten nicht damit gerechnet, das wir sie so leicht hätten ablenken können. Das gibt uns eine größere Zuversicht, sie werden es gut überstehen.“ Lächelte er sie an.
Einen Augenblick hielt sie seinen Blick stand, als sie sich von ihm abwandte und die schlafenden Kinder um sich anschaute. „Sie sind so unschuldig und niemand sollte ihnen solch ein Leid zu fügen. Ich habe es gerne gemacht.“ Die letzten Worte kamen leise über ihre Lippen.
„Ihr habt eine gute Seele.“ Kam es nach einer kurzen Stille, wo sie ihn wieder anschauen musste. Seine Worte schienen ernst gemeint zu sein und es machte sie wirklich verlegen. Konnte deswegen nichts darauf erwidern.
„Würdest du kurz einen Moment auf die Kinder aufpassen? Ich würde gerne noch einmal durch das Lager gehen und schauen, ob jemand noch Hilfe braucht. Das würde meinen Beinen sicherlich auch gut tun.“
„Ich sollte dich begleiten.“ Stand er mit ihr auf, als sie auf beiden Beinen sich aufgerichtet hatte.
„Nein, schon gut.“ Denn sie würde gerne auch einen kleinen Moment für sich selbst haben, was er jetzt zu verstehen schien. Der Mann nickte kurz und setzte sich wieder hin. Er schien trotzdem noch sehr skeptisch zu sein, weil es ihm missfiel . „Ich werde im Lager bleiben.“ Was sie tun würde. Das schien ihn etwas zu beruhigend, erkannte es an seiner Körpersprache.
Weiter anschauend. „Du bleibst im Lager.“ War es fast schon ein Befehl.
Mit einem Nicken verschwand sie und wanderte wirklich bei ihrer ersten Runde, um zu sehen, ob wirklich alles in Ordnung war. Erstaunlich war, ein paar schienen sie zu begrüßen oder anzulächeln. Es war ungewöhnlich für sie, aber es steckte wirkliche Ehrlichkeit in ihnen. Unsagbare Gefühle stiegen in ihr auf, die immer unkontrollierbarer wurden.
Mitten in der Nacht durch das Lager laufend, lauschte sie, den Waldgeräuschen, den Stimmen, das Knistern des Lagerfeuers und der unzähligen anderen. Es war eine Ruhe in diesem Lager eingekehrt, was nicht mehr von klagenden Lauten erfühlt wurde. Es machte einiges leichter, auch wenn noch immer die traurige und leidvolle Atmosphäre herrschte.
Am Lagerfeuer vorbeigehend, was lodernd und machtvoll aufleuchtete, strömte Hitze aus. Kurz blieb sie stehen und schaute gebannt ins Feuer. Sie bemerkte, das sich zwei Krieger vor dem Feuer hingesetzt hatten und sich ausgiebig unterhielten. Sie wollte nicht lauschen und wollte gerade weiter gehen, als sie Worte vernahm, die sie erstarren ließen. Empfindungen und Erinnerungen stürmten wie eine Welle über sie herein, das sie mitreißen ließ. Die Luft wurde immer dünner, ihr Inneres schwerer und wahrhaftig rutschte ihr Herz in die Hose. Große Panik machte sich in ihr breit, was sie leicht zum Zittern brachte.
„Nicht mehr lange und er wird es schon merken was er davon hat. Er wird dem nicht entkommen können und wenn es so weit ist, wird es ein leichtes Spiel sein. Darauf legt er es nur an. Ich freue mich schon, wenn der Zeitpunkt kommt, wo es zu Ende geht.“ Berichtete ein Mann mit tiefer und grummeliger Stimme, die nicht von Begeisterung herrührte.
Es war nicht seine Stimme, was sie so aus der Fassung brachte, aber seine Worte. Da tauchte ein Bild nach dem anderen in ihrem Kopf auf. Blitzartig mit rasender Geschwindigkeit, das sie leicht schwanken ließ.
Der andere Mann lachte abwertend darüber. „Das wird wohl auf eines hinaus führen.“ Sprach er, aber sie hörte schon gar nicht mehr richtig zu.
Ihre Panik und Angst wurde immer größer, als sich mehr Fetzen in ihrer Erinnerungen zusammen fügten. Sie konnte sich erinnern. Da war etwas, was sie zutiefst schockierte, was sich tief in ihr vergrub. Ein unsagbarer Schmerz in ihrer Brust machte sich breit, während sie versuchte Sauerstoff in ihre Lungen zu bekommen. „Oh ihr gütigen Götter.“ Krächzte sie heiser, mit Schreck geweiteten Augen.
Sofort lief sie hektisch durch das Lager und suchte vergebens jemanden, aber sie wusste nicht warum, aber sie wusste mit hoher Wahrscheinlichkeit das diese Person nicht mehr hier im Lager war. Etwas schreckliches würde passieren und dies verspürte sie in einen unsagbaren Schmerz. Stattdessen rannte sie los. Sie konnte nur noch rennen und hoffen, sogar beten. Ihre Beine trugen sie von ganz alleine, ihr Verstand meilenweit weg.
Nein. Nein. Nein, das darf nicht sein. Kam es wie ein Mantra.
Cyrill konnte nicht mehr genau sagen, wie lange er nun schon hier bei den Kindern saß, aber es fühlte sich wie eine kleine Ewigkeit an, als er auf Emmanline wartete.
Zurzeit hatte sie viel mitgemacht und für sie war es nicht leicht, was er sehr gut nachvollziehen konnte. Alles was Lucien ihm erzählt hatte, konnte er es mehr als verstehen, wie schwer es sie hatte. Dieser Frau wurden eine Menge unsagbare Schmerzen zugefügt, was nur durch das Volk der Drachen kam, seinem Volk. Normalerweise müsste sie von Hass erfüllt sein, doch trotz allem half sie wo sie konnte. Niemand hätte es von ihr verlangt, wobei viele ihr gegenüber misstrauisch oder sogar feindlich gesinnt waren. Nur schien ihr das auch nicht sonderlich was auszumachen, da sie es kannte. All das Gute tat sie unbewusst, er konnte es spüren. Trotz der Qual, Verlust, Schmerz und Leid, war ihre Seele immer noch vorhanden. Bei wie vielen konnte man behaupten, die in grausamer Gefangenschaft gewesen waren, das sie guten Wesens wieder dort heraus kamen? Das lag verdammt gering.
In dieser Frau steckte eine Kriegerin, die nicht so schnell gezähmt werden konnte. Behauptend schlug sie sich sehr gut, nichts nachgebend und doch auf der Hut. Alles lag in ihren Augen, der silberne Blick, wenn sie vor schärfe einer Klinge sprühten. Eine Schärfe, das alles durchschneiden könnte. Wahnsinnige Augen und ihre Ausstrahlung war bannend, als würde sie etwas in sich bergen, was wie ein Magnet war. Es zog an, wie das Licht die Motten.
Sie das Licht und alles um sie herum die Motten, in Scharen kommend. Selbst er verspürte diesen Drang sich ihr zu nähern. Es ging ihm da nicht alleine so, allein die Kinder fühlten sich bei ihr wohl und genossen es. Emmanline strahlte etwas aus, was sie am dringendsten brauchten, das Licht in der Dunkelheit. Genau das war sie in dieser Stunde der Dunkelheit. In dieser Grausamkeit von Gewalt und Blut. Sie war das Licht und der Wegweiser.
Es mag irrsinnig und blödsinnig klingen und völlig verrückt. Er klang schon fast wie ein Geistlicher, der über Licht und Dunkelheit nachdachte.
Darum kam es ihm merkwürdig vor, dass sie noch immer weg war. Er musste nach ihr schauen. Sollte ihr etwas geschehen, würde Lucien ihn zerlegen. Emmanline war seine Seelengefährtin und er wollte sich im mindestens nicht ausmessen, was er mit ihm machen würde, sollte ihr auch nur ein Kratzer zugefügt werden. Er wäre da lediglich erledigt.
„Lya, könntest du mal eben auf die Kleinen aufpassen? Ich will schauen wo sie steckt.“ Stand er auf, wandte sich an die Frau neben ihm, die sich vor einiger Zeit zugesetzt hatte.
„Sicher.“ Antwortete sie sofort.
Keine Zeit verlierend schritt er durch das Lager, sein Blick schweifend und nach ihren Geruch gehend. Cyrill blieb da stehen, wo er ihren Duft am stärksten war. Am Lagerfeuer schaute er sich um, aber konnte sie nirgendwo sichten.
„Hey Volteer. Molnar. Habt ihr vielleicht die Elfe gesehen?“ Machte er kurzen Prozess, und fragte nach.
Die beiden Männer unterbrachen ihr Gespräch und drehten sich zu ihm um.
„Vor kurzem war sie noch hier gewesen.“ Antwortete Molnar als erstes.
„Als wir sie bemerkt hatten, sah sie ziemlich bleich und schockiert aus. Als wäre ihr ein Geist über dem Weg gelaufen. Wo wir sie ansprechen wollten, was los sei, ist sie wie der geölte Blitz davon gerannt.“ Gab Volteer ein.
Cyrill hatte das Gefühl, als würde sein Herz in die Hose rutschen und eine sehr schlechte Vorahnung beschlich ihn. Sie würde doch wohl nicht?
„Wohin?“ Krächzte er. „Wo ist sie hingelaufen?“
„Richtung Wald.“ Nickten sie in dessen Richtung.
„Verfluchte Scheiße. Warum habt ihr sie nicht aufgehalten?“ Schrie er die Beiden an, die sich jetzt vor ihm duckten, was eine wahnsinnig kluge Entscheidung war.
Ohne noch weiter darüber nach zu denken, rannte er los. Stürmte in den Wald und hoffte, betete zu den Göttern, er möge sie finden.
Wie konnte er nur darauf vertrauen, sie würde nicht aus dem Lager verschwinden? Dabei meinte er es zu Anfang nur gut, weil sie danach ausgesehen hatte, das sie mal ein paar Minuten für sich brauchte. Es schien eine Menge von ihr abzuverlangen und es war zu viel, was sie hier tat. Deswegen wollte er ihr den Freiraum geben, seine Enttäuschung groß und die Panik, das er sie nicht wieder finden würde. Er folgte ihren Duft schon, aber er kam sich vor, als würde dieser zarte Duft schon eine lange Weile in der Luft zu hängen, das er kaum noch tragbar war. Hatte sie so viel Vorsprung?
Je weiter er in den tiefen dunklen Wald rannte, umso mehr bekam er einen schrecklichen Verdacht. Sie würde doch wohl nicht? Stellte er sich diese Frage zum zweiten Mal.
Wenn es stimmte und sie war diesen Weg gegangen, dann...Konnte ein Herz noch tiefer sinken, als in die Hose?
Dies war die Richtung, woher sich die Lykae näherten. Sollte da was schief laufen, würde es dort eine kriegerische Auseinandersetzungen geben, die nicht ohne Blutvergießen ging. Emmanline wäre in all dem Gemetzel mitten drinnen und Gnade den Göttern, er würde dafür schwer büßen müssen, mit seinem Leben.
Einen weiteren Zahm legte er zu und rannte wie ein besessener durch den Wald, alles um sich ausblendend. Seine einzige Sorge und sein einziges Ziel, war, Emmanline so schnell wie möglich zu erreichen und in Sicherheit zu bringen. Bevor noch etwas furchtbares passierte. Würde ihr etwas geschehen, dann betraf es auch seinen König. Niemand verlor seine vorhergesehene Seelengefährtin, ohne nicht selbst darunter zu leiden. Ihr Tod, würde seinen auch bedeuten.
„Verfluchte Scheiße.“ Kamen ihm immer wieder Flüche über die Lippen, während er gleichzeitig zu den Göttern betete. Was für eine hoffende Kombination. Es durfte einfach nichts geschehen.
Kaum zu glauben, aber ihre Lungen brannten wie Feuer und vor mangelnden Sauerstoff. Stets wenn sie so frei laufen konnte, verspürte sie nie eine Atemnot, aber jetzt umso deutlicher. Außer Atem, ihr Hals trocken und brennend, rannte sie unaufhörlich weiter. Ihr Herz schlug schmerzhaft in ihrer Brust, welch einer schnellen Trommel glich. Laut und schnell. Ohne Pause und Gnade.
Trotz allem durfte sie nicht aufgeben, nichts was sie gerade in Erfahrung gebracht hatte. Nicht welche Erinnerungen in ihr aufgestiegen waren. Ohne zu wissen woher diese furchtbare Angst und Panik kam, aber sie wusste, wem sie galt.
Ihm, dem Drachen.
Alles zwang sie sich dazu, zu ihm zu rennen, ihn warnen, es würde etwas schreckliches passieren. Was furchtbares. Sie hoffte nur und bat selbst zu den Göttern, sie möge nicht zu spät kommen. Natürlich konnte sie sich nicht sicher sein, es würde sofort geschehen oder egal in welchen anderen Zeittraum. Nur eines musste sie tun, egal ob es jetzt, morgen oder wann anders war, sie musste ihn warnen. Vor der Gefahr in der er schwebte.
Emmanline eilte weiter voraus, ohne sich umzublicken, ohne nach Gefahr zu schauen, was in unsagbarer Nähe war. Es war sehr gefährlich, aber daran konnte sie nicht denken. Nicht wenn sie die furchtbaren Bilder vor Augen hatte.
Außer Atem rannte sie aus dem Wald und kam vor einem riesigen offenen Feld zum stehen. Was sie hier sah, nahm ihr den letzten Atem. Blutrünstige Kreaturen kämpften ohne Erbarmen miteinander. Zerfetzten sich mit Klauen. Reißen und beißen mit ihren scharfen Reißzähnen. Der schwere Geruch von Blut hing greifbar in der Luft.
Die Kämpfenden waren in einen Wirrwarr eines Knäuels von Körper verbunden. Staub und Dreck verschlechterten ihr die Sicht, als sie ihren Blick durch die Menge schweifen ließ. Atemlos suchte sie vergeblich, lief hin und her, schaute weiter. Immer weiter, bis sie endlich ihr Ziel ausgemacht hatte. Mitten all der Schlacht stand er, ragte über alle heraus. Wie könnte sie ihn da nur übersehen, wie machtvoll er doch war. Sogar machtvoll strahlte. Jedes Mal verschlug es noch immer ihr Atem, wenn sie ihn sah, vollkommen von ihm eingenommen.
Für einen Augenblick bemerkte sie eine kleine blitzende Bewegung außerhalb der Schlacht. Schlagartig wurde ihr Körper von Eiseskälte überschüttet, ihr Körper selbst reagierend und ihr Verstand vollkommen leer. Wie in Zeitlupe, aber keine Sekunde zögernd, rannte sie und schrie. Schrie so laut sie konnte. Immer und immer wieder, bis sie heiser werden würde.
Doch je mehr sie versuchte zu ihm zu kommen, nach ihm zu schreien oder seine Aufmerksamkeit zu bekommen, wusste sie, es war längst zu spät. Sie würde nicht mehr rechtzeitig ankommen.
Ein bedrohlicher Mann stand außerhalb des Schlachtfeldes, die Waffe bedrohlich auf dem König der Drachen gerichtet.
Nein. Nein. Nein.
Weiter nahm sie nichts mehr wahr, als plötzlich die tiefe Dunkelheit über sie hinein brach. Die Hitze, der Schmerz verursachte und das schreckliche laute mörderische Gebrüll in weiter Ferne. Ihre Kraft und Lungen versagten ihr langsam den Dienst.
Es war zu spät gewesen, als Lucien mit Garett auf seine Garnison trafen. Sie hatten noch gehofft, sie würden rechtzeitig ankommen, bevor eine verdammte Schlacht ausbrach. Doch zu spät, schön längst waren Drachen und Lykae aufeinander losgegangen. Blutrünstige Kreaturen wie sie waren, kämpften sie erbarmungslos.
„Wir müssen sofort was unternehmen.“ Schwang ein Knurren in Garetts Stimme mit. Sofort willigte Lucien ein und sie stürmten in die Menge. Jeden versuchten auseinander zu reißen, zu befehlen, sie haben aufzuhören. Es war verdammt schwer sie von sich zu bringen, weil immer wieder welche aufeinander los gingen. Es waren zu viele, als sie von sich zu bekommen, weil selbst er und Garett angegriffen wurden. Jetzt kämpften beider Seiten stärker, weil der Anführer und König inmitten dieser Schlacht waren. Schleunigst mussten sie sich was anderes einfallen lassen.
Zwischen all der Lautstärke, des Kampfes und des Gebrülls, nahm er etwas bekanntes wahr. Eine Stimme und ein Gefühl, was sein Herz vor Schmerz zusammenziehen ließ.
Nein, dass kann es sein?
Nach allen Seiten umdrehend, blickte er mit seiner Größe über alle. Nein, es durfte nicht sein. Sie konnte doch nicht hier sein. Und doch sah er sie. Emmanline, die schreiend zu ihm gerannt kam. Einen Arm ausstreckend, als wollte sie ihn so schnell wie möglich erreichen.
Gerade wo er zu ihr eilen wollte, blieb er wie angewurzelt stehen, etwas unsagbares aus ihrem Mund hörend.
„Lucien. Lucien. Lucieeeen.“ Schrie sie seinen Namen immer und immer wieder. Ohne Unterbrechung, ihn vor Angst und Panik anschauend. Was war mit ihr geschehen? Ein Grund mehr, zu ihr zu gelangen. Immer mit ihrem Kopf schüttelnd, versuchte sie all der Gefahr auszuweichen.
Für immer wieder Augenblicke wurde er abgelenkt, weil er dauernd gegen Lykae ankämpfen musste. Er musste sich durcharbeiten. Jede Sekunde zählte, um endlich bei ihr an zu gelangen. Selbst ihren Namen schreiend und das sie von hier verschwinden sollte, aber nichts. Sie tat es einfach nicht. Warum hatte sie so eine Panik und Angst?
Erneut wurde er wieder in einem Kampf verwickelt. Er tötete nicht, sondern schaltete sie nur aus. Dann ging alles viel zu schnell. So schnell konnte er nicht reagieren. Danach verlief alles in Zeitlupe. Sein Herz blieb stehen, die Geräusche um ihn belanglos und stumpf.
Entsetzten und purer Schmerz breitete sich in seiner Brust aus, die immer weiter durch seinen Körper wanderte.
Nein. Nein. Nein.
Ein Körper prallte gegen seine Brust, die durch eine Wucht nach hinten geschleudert wurde. Ein gewaltiges Brüllen stieg seiner Kehle empor, das zu einem mörderischen anwuchs, welches seine Lippen verließ. „Nein. Nein. Nein.“ Wie eine Endlosschleife, was er dauernd wiederholte. „Nein. Nein. Nein.“
Als Lucien sich wieder zu ihr umdrehen wollte, sah er, wie ein Pfeil auf ihn zugeschossen kam, als sich die Menge etwas lichtete. Gerade als der Pfeil sich im blitzartig näherte, warf Emmanline sich in letzter Sekunde vor ihn. Die Spitze sich in ihrer Brust bohrend, die Wucht sie nach hinten reißend. In seinen Armen auffangend, sackte sie in sich zusammen. Mit ihr auf die Knie gehend, kauerte er über sie. Schützte sie vor weiteren Gefahren. Sein Blick richtete sich auf ihr Gesicht, ihre Augen geschlossen, ihr Atem stoßweise. Sein Blick ihren Körper hinab wandernd, sah er den Pfeil mitten in ihrer Brust, der tief saß. Blut benetzte ihre Haut und es tränkte ihre Kleidung. Ihr süßer Blutgeruch, der seine ganzen Sinne erfühlten. Es sah furchtbar schlimm aus. Nackte Angst und Panik breitete sich in seinem Körper aus, bis er vollkommen eingenommen war. Sein Körper zitterte vor eisiger Kälte, sein Herz stockte in seiner Brust. Schmerzhaft schlug es, ein Verlust spürend.
„Emmanline. Nein, das darf nicht sein.“ Strich er über ihr Haar, ihrer Stirn, ihrer Wangen. Überall wo er sie spüren konnte. Er durfte sie nicht verlieren. Sie musste bei ihm bleiben.
Langsam flatterten ihre Augenlider und mit verschleierten Blick schaute sie zu ihm empor. Ihre Lippen bewegten sich kaum merklich, aber ein Flüstern kam darüber.
„Pssscht...“ Strich er beruhigend über ihr Haar. Lucien wusste, sein Gesicht war vor Schmerz verzerrt, wie er sich fühlte. „Du wirst bei mir bleiben.“ Befahl er ihr streng, aber sie schaute ihn nur voller Sanftheit an.
„Verräter...Culebra...“ Krächzte sie, das Sprechen schien schwer für sie zu sein.
Sein Gesicht näherte sich ihrem, als er ihr tief in die Augen schaute. „Nicht sprechen, meine Silvahdin.“ Kamen zum ersten Mal wieder ein Wort seiner eigenen Sprache über seine Lippen. Unsagbar lange sprach er keine Worte mehr aus der alten Drachensprache. Zu lange her, das er sich noch daran erinnerte. Seit dem Tod seines Vaters hatte er sich dagegen geweigert, ohne auch nur wirklich einen Grund zu haben. Doch jetzt, jetzt konnte er es.
Silvahdin war das Wort, was Seelengefährtin bedeutete. Emmanline war die Seine und er machte einfach kein Hehl mehr daraus, was sie ihm bedeutete. Ganz offen hatte er preis gegeben, wie nahe sie ihm lag. Tiefer in seinem Herzen, als alles andere. Seine Seelengefährtin.
Leicht schüttelte Emmanline mit ihrem Kopf. „Aufpassen...Gefahr...Verräter...“ Flüsterte sie schon vor mehr Anstrengung. Lucien sah, wie schwerer sie sprechen konnte und das ihre Augen immer wieder zu fielen, während sie versuchte ihm etwas zu sagen. Nur vereinzelte Worte konnte er von ihr aufschnappen, trotz seines guten Gehörs.
Es durfte einfach nicht sein, er durfte sie nicht verlieren. Nicht wo er sie endlich gefunden hatte, akzeptiert als die Seine. Es war ihm schon länger bewusst gewesen, aber nie so klar und deutlich, wie in diesen einen Augenblick. Diese Frau in seinen Armen war sein ein und alles. Sie war sein einziger Tod, den er je im wirklichen Ausmaß spüren konnte. Egal in welchen Arten er sterben konnte, aber ihr Verlust war der größte und schmerzvollste.
„Du raus...ich wieder...“ Kamen ihr die letzten Worte über die Lippen, als sie ihre Augen endgültig schloss und sie leblos in sich zusammen sackte. Ihr Herz zum letzten Schlag ausholte, bevor es in ihrer Brust zum still stand kam.
Genau da war sie, die unsagbare Leere in seinem Körper, seiner Seele. Ein entrissener Teil, das ihn vor Trauer und Schmerz laut aufbrüllen ließ. Lucien hatte keine Chance, als sich von dieser Welle mitreißen zu lassen. Die Welle der Wut und Trauer.
Unbeschreibliche Stille war über ihn hereingebrochen, als er aufblickte. Seine Augen glühten voller Zorn und Wut, das er am ganzen Körper bebte. Er wollte den Schuldigen und ihn leidvoll in tausende von Stück reißen. Das Kampfgetümmel hatte schon längst sein Ende gefunden, als sein Gebrüll die Luft und Erde zum Beben gebracht hatte. Nichts würde vor seinen Zorn und Trauer Erbarmen finden. Er war blind für Vernunft und Verständnis. Man nahm ihm seine Seelengefährtin und er hatte das verdammte Recht, Rache zu nehmen. Niemand rührte je eine Silvahdin an, nicht wenn derjenige auf seinen eigenen Tod aus war.
„Wo ist derjenige?“ Brüllte er zornig, sein Drache im Vordergrund. „Ich will ihn zwischen meinen Klauen.“ Fauchte und zischte er.
Gerade da teilte sich die Menge und ein blutüberströmte Mann wurde einige Meter vor ihm auf die Knie gerissen. Sein Kopf hing hängend vornüber. Doch er konnte es nicht glauben, wen er vor sich sah. Entsetzt und schockiert zugleich schaute er auf. Sein Blick traf sich mit Cyrill seinen, der ihn zuerst anschaute, aber blitzschnell seinen Blick abwandte. Schmerz, Schuld und Verrat standen ihm ins Gesicht geschrieben.
Von seinem Krieger wandte er sich wieder dem Mann zu, der vor ihm auf den Knien saß. Noch immer nicht fassend, aber der vor ihm kniete, es war ein Schock. Wut flackerte wieder in ihm auf, seine Augen verengten sich.
„Bei allem was mir heilig ist, du Arokh?“ Es war jemand aus seinem eigenen Volk, der sich zu einem Verräter entlarvt hatte. Es war Arokh gewesen, der Zwillingsbruder und genaue Ebenbild von Cyrill. Jetzt verstand er auch, warum sein Freund und Krieger solch eine Pein verspürte. Seinem König gegenüber, denn dieser Schmerz und diese Schuld hatte nicht nur ihm selbst gegolten, sondern seinem König gegenüber.
„Bringt ihn aus meinen Augen. Werft ihn in den Kerker, bis ich mir die Zeit für ihn nehme. Du hast dich hiermit zum Tode verurteilt, Arokh. Du wirst dafür angeklagt, versucht deinen eigenen König zu töten und auf den Angriff auf dessen Seelengefährtin und Frau. Deiner Königin, die du zu Tode brachtest.“ Lucien konnte von allen Beteiligten um ihn herum hören, wie sie entsetzt nach Luft schnappten. „Dir wird kein Widerrufsrecht zugesprochen. Allein der Tod wird dich ereilen, bis nichts mehr von dir übrig bleibt.“ Verurteilte er Arokh aufs äußerste. Sein Urteil war gepfählt und niemand könnte es rückgängig machen. Jeder wusste, das bei dieser Tat es kein Erbarmen gab. Nicht einmal sein Bruder könnte es. Selbst Cyrill wusste, was seinem Bruder erwartete. Egal wie schmerzhaft es enden würde.
Bei einem letzten hasserfüllten Blick auf dessen Verrat, wusste er, er hatte sein selbstgefälliges Grinsen aus seinem Gesicht gewischt, als er das gnadenlose Urteil pfählte. Seine Rache würde grausam sein, als er in aller Öffentlichkeit beteuert hatte, dass Emmanline seine vorherbestimmte Seelengefährtin war. Diese Erkenntnis war schockierender, als alles andere. Arokh wusste das es sein Tod bedeutete, aber nicht auf dieser Art und Weise, welches Ausmaß das ganze bedeutete. Es war sein gutes Recht des Gesetztes, dass er das Urteil auswählen konnte, wie er den Mörder und Verräter bestrafte. Selbstverständlich pfählte er die letzte Strafe aller Strafen, das Todesurteil.
Endlich wurde der Verräter aus seinen Augen geschafft, denn eine Sekunde länger, und er hätte ihn hier und jetzt seinem Todesurteil verpasst, was nicht dramatisch gewesen wäre. Doch er wollte Arokh keine schnelle Erlösung bescheren, die hatte er nicht verdient. Keinesfalls.
Auf Emmanline herabblickend, spürte er Trauer und Schmerz. Vor allem eine tiefe Leere in sich, die er nicht bekämpfen konnte. Sie war verloren und es überraschte ihn nicht, dass er so empfand.
Mit einen wütenden Knurren, betrachtete er den Pfeil in ihrer Brust, der noch immer in ihr steckte. Erneut stieg sein unsagbarer Zorn in ihm hoch, das er nach dem Pfeil griff, ihn ruckartig herausriss und trotzdem bedacht, ihren Körper nicht zusätzlich zu verunstalten. Er wollte sie perfekt und rein haben, um sie trauern, wie er sie sah.
Nun war es soweit. Wahrhaftig trauerte er um sie.
Blitzartig stand er auf, mit ihr auf seinen Armen, sein Blick auf ihr Gesicht gerichtet, das nur aussah, als würde sie schlafen. Dem war aber nicht so.
Lucien konnte hunderte Blicke auf sich spüren, die ihm langsam zuwider wurden. Sie sollten woanders hin glotzen. Ein tödliches Knurren verließ seine Lippen, als er sich zu ein wenig Vernunft und Klarheit besinnen musste. Es war zum Wohl seines Volkes.
„Zieht euch zurück.“ Ein harter mörderischer Ton, der keine Verweigerung duldete, wenn keiner Konsequenzen haben wollte. „Zurück zum Sammelpunkt und wartet auf andere Anweisungen.“
Sofort gehorchten sie dem König und zogen sich schnellst möglichst zurück. Niemand würde seine Stimmungslage noch weiter provozieren.
Er wandte seinen Kopf leicht geneigt zu Garett, während er ihn kalt anschaute. „Von dir Garett, erwarte ich, dass wir eine Vereinbarung zwischen uns finden.“
„Sicher.“ Antwortete er sofort.
Ohne noch unnötig Zeit zu verschwenden, verwandelte er sich zu seinen Drachen, der eine monströse Größe angenommen hatte. Er stand regelrecht in Flammen, das er sich kaum noch unter Kontrolle halten konnte. Er musste schleunigst hier weg, bevor er noch größeren Schaden anrichtete, das zuvor herrschte.
Emmanline lag behutsam und reglos in seinen Krallen, als er einen kurzen Blick zu ihr warf. Behutsam und beschützend, presste er sie an seine Drachenbrust. Mit einem kräftigen Stoß preschte er in die Luft, auf den Weg zurück. Nicht ins Lager, sondern ins Schloss zurück. Lucien musste mit ihr alleine sein und er wusste, die Wucht seines Schmerzes würde erst dann richtig zum Leben erweckt werden, wenn er den wirklichen Schockzustand überwunden hatte, wo genau er wusste, es würde nicht mehr lange dauern. Bevor er die Selbstbeherrschung über sich verlor, musste er so schnell wie möglich ins Schloss zurück, in seine Gemächer. In ihre Gemächer. Alleine...
Garett stand wie angewurzelt da und wusste nicht was er denken oder wie er handeln sollte. Dies war alles eine verdammte Scheiße, die immer beschissener wurde. Was eben hier passiert war, war eine verkackte Scheiße. Er hätte vielleicht mit vielen gerechnet, bei all diesem Chaos, aber das? Auf keinen Fall.
Mit Lucien war er in diese Schlacht gestürzt, aus dem Grund, weil sie die Kämpfenden auseinander bringen wollten. Er war verwirrt und musste jedes Puzzleteil erneut zusammensetzen. Es stieg ihm vieles zu Kopf und wie sollte er bitteschön alles wieder in Ordnung bringen? Zurzeit war zu viel passiert und wenn er ehrlich zu sich selbst war, hatte er mit seinem Leben schon längst abgerechnet. Sein Körper war schon am Ende gewesen und es hätte nicht viel gefehlt, bis der letzte Hauch Leben aus ihm verschwunden wäre.
Ihm war bewusst, er wurde vergiftet und tot sicher, Lucien war es gewesen, aber was hier jetzt alles passierte, da war er sich überhaupt nicht mehr so sicher. Das schlimmste an der ganzen Sache war die, das er dem Drachen wirklich Glauben schenkte. Aus irgendeinen Grund tat er das wirklich und das machte ihn fix und fertig. Darum war es nur eine vollkommene verkackte Scheiße, welcher Haufen immer größer wurde.
Unter hoher Spannung, dachte er an die Geschehnisse zurück. Erst die Angriffe in seinem Reich, dann der Anblick vom angeblichen Drachenkönig, welches Schwert sich in seine Brust bohrte. Die vergeblichen Versuche sein Leben zu retten, die Rache er sich geschworen hatte und auch ausführte, aber nicht bis zum Ende kam.
Diese Frau an Luciens Seite, die eindeutig eine Elfe war. Dies war wirklich merkwürdig, aber waren die Elfen nicht vor einer verdammt langen Zeit von der Bildfläche verschwunden? Niemand hat seit Jahrhunderten keine Elfen mehr gesichtet. Es gab unzählige Gerüchte über dieses Volk, dass sie schon längst ausgerottet wurden, oder sich ein Leben zu ihrem eigenen Gefängnis auserkoren hatten. Wie dümmlich, aber es war doch ziemlich klug gewesen. Lieber ins Exil gehen, anstatt ausgelöscht zu werden. Eine reine und formelle Überlebensstrategie.
Dann blieb ihm also die Frage, aus welchem Loch kam diese Elfe gekrochen?
Trotz allem hatte diese Frau es geschafft ihn zu retten, obwohl nichts und niemand sein Leben hätte retten können. Selbst die stärksten Hexen waren dazu nicht in der Lage gewesen, was schon was heißen sollte. Es gab nicht vieles, wofür es kein Gegenmittel gab, doch existierten solche Dinge. Der langsame und herannahende Tod. Auf schmerzhaften Sohlen und niemand würde es bemerken. Was für ein verfluchter Tod das war und wie elendig.
Es war nicht so, er wäre undankbar, das er noch lebte. Es erschreckte ihn nur ein wenig, mit welcher Leichtigkeit diese Elfe ihn von dem Gift in seinem Körper befreien konnte. Schockiert hatte er sich gefühlt und konnte in dem Zelt kein einziges Wort über seine Lippen bringen, so fixiert hatte er sie.
Was dann zu Tage kam, war weitaus schockierender. Sein Volk, die Lykae, waren in einen gestrickten Krieg verwickelt worden. Selbst die Drachen, die sich gegenseitig auslöschen sollten. Alles durch die kleinen Bastarde von Fae, die einfach nicht ihren Arsch aus Dingen heraus halten konnten, die ihnen nichts angingen. Mit diesem Anschlag begingen sie einen verdammten Fehler, den sie hätten nicht begehen dürfe. Rache und nach Blut trachtend, war eine ganz schlechte Kombination eines Lykae, was nur zum Tod führte. Keine Chance zu entkommen.
Einmal Blut geleckt, immer Blut geleckt. War die Devise.
„Garett?“ Erklang eine respektvolle Stimme hinter ihm, die ihm mehr als vertraut vorkam. Wut stieg in ihm auf, seine Fäuste geballt, dass er sich blitzartig umdrehte und diesem Mann einen harten Schlag ins Gesicht verpasste, der ihn zu Boden riss.
„Bist du komplett bescheuert, Gaias? Habe ich dir nicht einen ausdrücklichen Befehl gegeben, dich nicht einzumischen?“ Brüllte er seinen Oberoffizier wütend an. Am liebsten würde er ihm noch eine reinhauen. Er hatte sich seinem Befehl eindeutig widersetzt. Sein Ziel war es gewesen, alleine ins Drachenvolk aufzubrechen, weil sein Leben eh verwirkt gewesen war. Es war ein Rachefeldzug, der am Ende zum Tod geführt hätte. Egal durch die Klauen eines Drachen, oder dem Gift in seinem Körper.
Gaias wischte sein Blut von seinen Mundwinkeln. „Klar, als wenn ich dich dem Tod ausgeliefert hätte.“ Schnaubte er.
„Pass auf was du da sagst. Ich wäre eh krepiert, aber ich habe die Schnauze voll, dass du dich dauernd widersetzt. Ist dir in den Sinn gekommen, das du einen großen Fehler gemacht hast?“ Wandte er sich von ihm ab und fixierte jeden einzelnen Krieger mit einem tödlichen Blick. Die sich sofort einen Kopf kleiner machten. Garett verstand keinen Spaß, wenn man sich ihm aufbegehrte.
„Dir scheint weit davon entfernt zu sein, zu krepieren. Was ist geschehen?“ Wollte sein Oberoffizier wissen.
Kurz überlegte er. „Die Drachen haben mir geholfen.“ Konnte er nur die Wahrheit aussprechen, obwohl es ihm ein wenig widerstrebte. Überraschung zierte die Gesichter seiner Krieger, die er gut nachvollziehen konnte.
„Warum sollten die das tun?“
„Auch wenn es mir widerstrebt es zu sagen, aber sie waren es nicht gewesen, die uns angegriffen haben.“ Gab Garett von sich.
Entsetztes und wütendes Knurren schnitten scharf durch die Luft. „Nicht gewesen? Wir haben sie gesehen. Drachen die unsere abgeschlachtet haben, das wie Vieh war.“ Verachtende und hasserfüllte Worte, die er sehr gut nachempfinden konnte.
„Dann sagt mir, wart ihr es gewesen, die jetzt Dörfer von den Drachen angegriffen haben? Wart ihr es, die genauso solche abgeschlachtet haben?“ Glühten seine Augen voller Zorn, alle schreckten einen Schritt zurück. Garett war kurz vor der Grenze seine Kontrolle zu verlieren. „Was habt ihr getan, als ihr hierher eingedrungen seid? Ich will eine verfluchte Erklärung.“
Schwere Stille, die ihm langsam zu viel wurde, als das er noch auf einem Fleck stehen bleiben konnte. Er brauchte dringende Bewegung, ein Auf- und Abgang war eine minimale Lösung dafür.
Das Schweigen hielt solange an, bis sein Gaias etwas sagte. „Wir haben nichts dergleichen getan. Wir sind nicht wie diese vermaledeiten Drachen.“
„Genau das ist es.“ Hörte er nicht auf, seinen Gang zu unterbrechen. „Ich war in der Nähe von ihrem Lager gewesen. Sie wurden wirklich angegriffen. Es hat nach Tod und Blut gerochen. Außerdem hatte ich ein Gespräch mit Lucien gehabt. So ungern ich es wirklich sage, waren sie es nicht gewesen. Nicht die Drachen sind unsere Feinde, sondern die Fae. Sie stecken hinter all den Anschlägen. Sie haben uns und die Drachen getäuscht, damit wir uns bekriegen. Die Fae hatten es so aussehen lassen, das Drachen uns angegriffen haben. Genauso war es umgedreht auch. Sie haben uns hereingelegt und ich soll verflucht sein, wenn ich meine Rache nicht bekommen werde.“ Hätte er am liebsten voller Zorn und Hass gebrüllt. „Ihr hättet niemals hier sein dürfen, Gaias. Das war genau das, was die Bastarde wollten. Sie waren es auch gewesen, die mich vergifteten. Mit tödlichen Parasiten. Ich wäre auch beinahe daran krepiert, wenn mich jemand nicht geheilt hätte.“ Wollte er noch nicht ganz ins Detail gehen.
„Bitte verzeiht unseren dummen Fehler.“ Fielen alle auf die Knie vor ihm, aber die Worte sprach Gaias mit gesenkten Haupt.
Stumm schaute er all seine Krieger an. Er mochte es überhaupt nicht, wenn sie sich ihm so untergraben. Als König wurde er nicht geboren und er würde es niemals sein wollen. Dieser Platz gehörte seinem Bruder Dyade, sonst niemanden. Es nervte ihn tierisch, dass sein Bruder ihn damals dazu gezwungen hatte, er sollte, solange er weg war, den Platz für ihn einnehmen. Zu Anfang hatte er sich mehr als gewehrt und ihn maßlos wütend gemacht, wo sein Bruder berichtete, er müsse in den Krieg ziehen. Dabei sein wollte er und nicht hier Aufpasser spielen. Langsam fing er an seinen Bruder dafür zu hassen. Zumal hörte man kein Sterbenswörtchen von ihm, als wäre er vom Erdboden verschluckt. Sein Gefühl sagte ihm, er lebte noch. Aber wo? Es war nur eine Frage der Zeit, bis er selbst etwas unternehmen würde und um ihn zu finden. Langsam hielt er es nicht aus. Der Posten als König war auf keinem Fall etwas für ihn, darum sollte Dyade sofort seinen Arsch hierher bewegen. Wenn er wüsste, was sich hier abspielte und geschah, würde er einen Anfall bekommen. Toben wäre wohl der beste Begriff, wenn er nur daran dachte, dass er mit den Drachen einen Pakt eingegangen war. Was hätte er sonst tun sollen? Es gefiel ihm genauso wenig, aber es musste etwas logisches und vorteilhaftes passieren.
„Das hier ist noch lange nicht vorbei. Zieht euch alle zurück und wir werden eine große Schlacht planen. Seid bereit dafür.“ Gab es einen Schlachtruf. „Seid bereit für unsere unerbittliche Rache.“ Ein weiter Ruf, der niemals ein Mitglied des eigenen Stammes in Stich lassen würde. Egal ob tot oder lebendig. „Betet zu unseren Göttern. Hell, Göttin des Todes, und Tyr, dem Gott des Kampfes und Sieges. Sie werden an unserer Seite weilen und uns die Kraft und Mut geben. Wir werden als Sieger hervorgehen.“ Brüllte er voller Tatendrang.
Sein Blut pulsierte in ihm, als würde der Strom durch seine Adern fließen. Sein Herz schlug stark in der Brust, voller Vorfreude endlich seine wahre Natur heraus zulassen. Auch er wollte endlich einen Krieg, nicht nur Dyade. Alle wollten ihn und der würde kommen, unentwegt. Sollen sie alle kommen, sie würden warten und bereit sein.
„Kehrt zurück.“ Befahl er seinen Kriegern. „Wir müssen uns auf das Bevorstehende vorbereiten. Sammelt so viele Krieger wie möglich zusammen.“ Stimmten alle ein, während sie sich alle zurückzogen. Bis auf er und Gaias.
„Sollten wir wirklich einen Krieg beginnen, solange König Dyade davon nichts weiß?“ Entgegnete sein Oberoffizier nach einer Stille.
„Wenn du weißt wo er ist, bitteschön. Seit nun mehr als fünf Jahren hören wir von ihm kein einziges Wort. Wir wissen nicht, wo er sich befindet oder wann er zurückkehren wird. Ich weiß überhaupt nichts. Da fragt sich dann, sollten wir solange warten, bis er da ist? Ich will keine weiteren Verluste und wir sind kein Volk, das sich untergraben lässt. Wir sind Lykae und in uns steckt nun einmal das Tier, was immer wieder frei gelassen werden muss. Irgendwann werden wir verrückt.“ Fuhr er sich grummelig mit seiner Hand durch sein kurzes dunkles Haar.
In diesem Augenblick war er voller Energie geladen und er würde es willkommen heißen, endlich seine überschüssige Energie los zu werden. Er steht schon viel zu lange unter Strom. Ein Blitzableiter wäre da genau das richtige. Dieser Krieg kam wie gerufen. Seit den fünf Jahren, war er nur dafür verpflichtet gewesen, Ordnung im Königreich zu halten, Dinge, die er nur auf dem Anwesen erledigen durfte. So eingeengt zu sein, war einfach die Hölle. Sein Raubtier in ihm fühlte sich wie in einem Käfig, das knurrend und wütend hin und her lief. Es wollte ausbrechen und das tun, wozu er geboren wurde. Jagen und Töten, was ein Raubtier auszeichnete. Wahrlich jagen, wie ihm das gefallen und gut tun würde.
Gaias widersprach ihm nicht. „Ich werde dich dafür beauftragen ein Heer von Kriegern aufzustellen. Bereite sie auf alles vor. Sammle alle zusammen, aus all den Ebenen und Welten. Wir brauchen jeden Krieger, den wir finden können.“
„Natürlich. Ich werde mich sofort darum kümmern.“
„Gut.“ Blieb er kurz still. Seine Gedanken rasten in seinem Kopf. Da beschloss er etwas. „Ich habe noch einen anderen Auftrag für dich. Suche die besten Fährtenleser aus, die sich auf die Suche nach dem König machen sollen. Auch wenn ich nicht weiß wo er sich gerade befindet, vielleicht ist es besser, Dyade weiß davon.“ Was vielleicht für ihn zum großen Vorteil zukommen würde. Wenn sein Bruder zurück kam, dann könnte er endlich den Posten auf dem Thron abgeben. „Sie sollen ihm eine Nachricht überbringen. Vielleicht wäre es ein guter Trumpf im Ärmel, wenn wir von hinten Verstärkung bekommen würden. Aus Sicherheit, auch wenn wir es vielleicht nicht brauchen. Ich will nur auf eine Nummer sicher gehen. Beginne jetzt damit.“ Wandte er sich von Gaias ab, als er das Schlachtfeld betrachtete. Er musste nicht eins und eins zusammen zählen, nur um zu meinen, das war erst der Anfang vom Ganzen.
Diese Schlacht zwischen Lykae und Drachen war viel zu schnell zustande gekommen. Ein erschreckendes Bild und eine Menge Verluste zu beklagen. Auf beiden Seiten.
Als Garett sich wieder umwandte, Gaias war verschwunden. Ein kleines Lächeln erschien auf seinen Lippen. Er war ein sehr guter Krieger und er hatte den Rang als Oberoffizier mehr als verdient. In vielen Schlachten gekämpft und sich in allem behauptet. Er besaß die Kraft und den Trieb zu einem guten Anführer einer Streitmacht.
Noch einmal wollte sich Garett dem Schlachtfeld zuwenden, um einen letzten Eindruck davon zu bekommen, als ihm der Pfeil im Seitenwinkel auffiel. Der Pfeil, der sich in die Brust dieser Elfe gebohrt hatte. Es war so schnell gegangen, niemand hätte es vorausgesehen.
Ein Zorn erfülltes Brüllen hatte die Umgebung erschüttert, das alle in ihrer Schlacht aufgehört hatten. Es war erschreckend gewesen, wie qualvoll es klang. Eine Qual die nur vom Verlust herrührte. Einen herzzerreißenden Verlust. Kaum darauf wusste er auch warum, denn diese Frau war die Seelengefährtin von Lucien gewesen. Das schien alle schockiert zu haben, selbst die Drachenkrieger.
Das hieß überhaupt nichts Gutes. Lucien hatte seine vorherbestimmte Gefährtin gefunden und auch wieder verloren. Es passierte durchaus, das der Drachenkönig seinen Verstand verlieren würde. Kein gebundener Gefährte, würde es je verkraften ohne sein Gegenstück weiter zu leben, ohne bei Verstand zu bleiben. Könnte er Lucien da noch vertrauen schenken?
Das würde kein gutes Ende nehmen und er war sich jetzt nicht mehr sicher, diesen Pakt einzugehen. Doch er hatte ihm kurz zuvor ein Versprechen gegeben, sie würden eine Vereinbarung finden. Daraus musste er erst einmal was nehmen, bevor er wirklich noch anders entscheidet.
Bedacht hob er den Pfeil auf, woran immer noch Blut haftete. Es war schon getrocknet, aber es war noch immer intensiv und frisch. So süßlich und...Da runzelte er mit seiner Stirn, als sich etwas verdorbenes mit der Süße vermischte. Er kannte diesen Geruch. Da schlug es ein wie ein Blitz. Er wusste es.
„Ach du Scheiße.“
Kaum zu fassen, aber es gab nie in seinem ganzen Leben, was so schmerzlich war, als seine Seelengefährtin zu verlieren. Seine Seele und Herz. Jetzt konnte Lucien genau nachvollziehen, wie sehr seine Mutter Rhivanna gelitten hatte. Wie ihr Leben doch stumpf erschienen sein musste und die Qual nach all den unendlichen Jahren. Kein Wunder das sie ihrem Gefährten so schnell in den Tod gefolgt war.
Doch war es nicht anders? Bevor seine Mutter starb, sagte sie zu ihm, kein Drache würde nach dem Tod frei sein, oder würde bei denen sein, die über alles geliebt wurden. Es war ein Fluch, den die Drachen tragen mussten und genau dieser blutrote Rubin war das Artefakt dazu. Gerade weil niemand weiß, dass sie nie nach dem Tod bei ihren Liebsten sein konnten, gingen sie trotzdem in den Tod. Egal welche Folgen es gab. Keiner dachte auch nur darüber nach, sowie er es auch tat. Dabei wusste niemand, das dieser Fluch existierte, auf ewiger Verdammnis. Jetzt fragte er sich, woher kam dieser Fluch überhaupt?
Sein Drang Emmanline zu folgen, war übermächtig. Bei ihr zu sein, war der einzige Gedanke, den er jetzt noch hegen konnte. Er wollte bei ihr sein, sie spüren und berühren. Alles an ihr wollte er.
Dabei hatte er sie in den Armen, aber nicht wie er es wollte. Nicht wenn sie so reglos in seinen Armen lag. Nicht eiskalt und bleich. Sie war alles andere als das, was er wollte. Sie sollte vor Leben sprühen, ihre Haut zart und weich, ihre Augen offen und klar, ihr Duft rein und sonnig, ihre Wärme und ihre sinnlichen Berührungen. All das hatte er genossen und lechzte stets nach mehr. Stets hatte er nur darauf gewartet, dass sie zu ihm kam und auch seine Nähe suchte, wie er es immer tat.
Emmanline verspürte auch so eine Anziehung zwischen ihnen, die stärker wurde. Eine starke Bindung, das sie unauslöschlich verband. Aber jetzt? Nichts. Absolut nichts.
Trauer und Verlust schnürten seine Brust zu, während er Emmanline immer mehr in seine Arme zog, so fest, als würde er sie bald zerquetschen. Es war ihm vollkommen egal, denn er hatte alles verloren. Seine Seelengefährtin, die sein Leben war. Sein Kopf vergrub sich in ihrem schneeweißem seidigen Haar. Schon lange konnte er seine Tränen nicht mehr unterdrücken, die ihm lautlos über die Wangen liefen. Sein Herz schmerzte unendlich und eine lähmende Qual überfiel seinen ganzen Körper.
Seit mehr als sechs Tagen saß er in der gleichen Position in seinem Bett. Sein Rücken lehnte am Kopfteil des Bettes, seine Beine ausgestreckt, während er seine Frau verbittert in seinen Armen hielt. Er ließ sie kein einziges Mal los, weil er trauern wollte. Er wollte seinen Schmerz herauslassen, die ihn quälten. Er wollte leiden, weil er so dumm gewesen war und so blind. Hätte er ihr doch viel eher gesagt, wie wichtig sie ihm sei und was sie ihm bedeutete. Das sie sein Leben und seine Seele in den Händen hielt, womit sie alles hätte tun können. Nur ein einziges Wort wäre kostbarer als alles andere, aber nein, er konnte nie in den Momenten seinen Mund aufmachen. Nie konnte er ihr wirklich beweisen, was sie für ihn war. Die alleinige Frau in seinem Herzen.
Nun saß er hier und heulte Tag für Tag, zu den Göttern betend und flehend, sie mögen sein Gegenstück wieder geben, aber nichts geschah. Keiner erhörte ihn. Wissen tat er, je länger er mit Emmanline in seinen Armen hier saß, umso mehr wurde ihm bewusst, er starb innerlich. Jede Minute immer mehr, bis nichts mehr von ihm übrig blieb. Es würde sein Tod zufolge haben.
Lucien wusste zu genau was es für sein Volk bedeutete, sollte er sterben. Ein Untergang wäre unvermeidbar, aber er konnte und wollte nicht darüber nachdenken. Seine Gedanken galten einzig und allein Emmanline. Ohne sie konnte er nicht leben und so tun, als würde alles besser werden. Das würde es nie. Wenn er am Leben bleiben würde, dann nur als leere und tote Hülle. Sein Körper würde leben, aber nicht seine Seele und seinen Geist.
„Warum?“ Wiederholte er dieses Wort tausende male schon. Sein Verstand begriff noch immer nicht ganz und wollte es auch nicht wahrhaben, dass er sie verloren hatte. Lucien würde jedes Opfer bringen, wenn er wüsste, er könnte sie damit zurück holen. Selbst mit seinem eigenen Leben, was er opfern würde. Ohne nur eine Sekunde zu zögern, sofort.
Die Muskeln steif und schmerzend, änderte er trotzdem nie seine Position. Seit Tagen versuchten seine Geschwister ihn dazu zu bewegen, er müsse etwas essen und trinken. Von einem Hunger oder einem kleinen Appetit war er weit entfernt, denn dazu war er nicht imstande. Nahrung konnte er überhaupt nicht zu sich nehmen. Zumal keiner in sein Zimmer kommen konnte, weil er es versiegelt hatte. Niemand durfte das Zimmer betreten und sie so zusammen sehen. Er wollte alleine leiden und alleine um sie trauern. Sein Besitzerinstinkt stellte sich gegen ihn, nicht einmal seiner jüngsten Schwester Malatya gestattete er etwas zu oder hörte auf sie. Alle sollten ihn in Ruhe lassen, was sie jetzt anscheinend taten. Er war wirklich dankbar dafür, denn diese Zeit wollte er nur für sich haben, um über seine Seelengefährtin zu trauern. Sein Herz zerriss und sein ganzes Inneres gleich mit. Seine Welt war ein einziger Trümmerhaufen, wenn es schon nicht vorher so gewesen war, dann spätestens jetzt.
Dabei hatte er auch einen großen Hoffnungsschimmer verspürt, als er daran dachte, was Emmanline ihm einmal erzählte. Sie hatte erwähnt, nichts und niemand könnte sie töten, egal was geschehen möge. Nur schwand der Hoffnungsschimmer langsam, denn je mehr Zeit dahin ging, umso bewusster wurde ihm, das es niemals geschehen würde. Sie hätte doch längst wieder leben müssen, ihr Herz in der Brust schlagend und ihr Atem strömend aus ihrem Mund. Dann ihre wunderschönen und einzigartigen Augen, die ihn intensiv anblickten. Nur ihn alleine.
Ein paar Mal dachte er an die Situation in seiner Höhle zurück, wo ihm in den Sinn gekommen war, Emmanline war schon einmal ohne Herzschlag gewesen. Sie hatte in seinen Armen gelegen, ohne jegliches Leben, eiskalt und kalkweiß. Der bleiche Tod.
Damals aus einem Grund, verspürte er in einem tiefen Winkel seines Herzen, ihr Tod war ein kleiner Verlust gewesen. Jetzt war alles anders, denn dieser Verlust war viel größer als alles andere. Ein großes klaffendes Loch im Herzen, blutete er innerlich.
Vielleicht dauerte es einfach länger, aber diese Hoffnung darauf war so qualvoll. Diesmal empfand er nichts, eine vollkommene stille Leere. Sein Leben war nutzlos und leer geworden, nichts war mehr vom Wert. Nicht einmal sein riesiger Hort in seiner Höhle. Er wollte das alles nicht mehr, denn alles Gold der Welt würde ihn nie wieder so glücklich machen, als seine Gefährtin an seiner Seite zu haben, die ihm vom Schicksal vorbestimmt war.
Wie lange konnte er noch trauern, bis er vollkommen am Ende war? Es war alles nur eine Frage der Zeit und die würde kommen. Früher als spät.
Plötzlich schreckte Lucien auf. Vor Erschöpfung und Müdigkeit musste er eingeschlafen sein. Kein Wunder, wenn er seit Tagen nicht mehr schlief. Stets hatte er sich geweigert seiner Müdigkeit nachzugeben, aber irgendwann holte sich der Körper immer das, was er brauchte.
Ihm kam alles zeitlos vor und es würde keine Möglichkeit geben, die Zeit weiter zu drehen. Die Zeit wurde für ihn angehalten. Jetzt empfand er die Zeit noch belangloser, als er es zuvor verspürte. Stets wurde sein Leben immer langweiliger, trostloser und ermüdender. Außer die Momente mit Emmanline war alles spannend, interessant und lebenswert gewesen. Sie hatte ihm gezeigt, welchen Sinn das Leben haben konnte. So schnell wie er diesen Sinn gefunden hatte, so schnell hatte er ihn auch wieder verloren. Mit nur einem einzigen Wimpernschlag.
Langsam aus seiner traumartigen Trance heraus, spürte er, wie zittrig sein Körper doch war. So heftig und wild, dass er schon keine Kontrolle mehr über seinen Körper hatte. Seine Augen geschlossen, kein Verlangen sie zu öffnen, weil er sowieso wusste, was ihn da erwartete, seine tote Gefährtin. Darum zwang er sich, seinen zittrigen Körper wieder unter Kontrolle zu bringen, aber je mehr er es versuchte, umso schlimmer wurde es. Vielleicht sollte er seine Augen doch öffnen, damit er sich an einem Punkt fixieren konnte, was helfen könnte.
Kaum seine Augenlider aufgeschlagen, wusste er, hier stimmte was nicht. Nicht sein Körper war es, der so heftig und wild zitterte, sondern das der Frau in seinen Armen. Sie bäumte sich stetig auf, wandte sich wild und immer wieder schüttelte es sie durch. Ohne Luft, schaute er entsetzt auf Emmanline herab, fühlte und horchte.
Ihr Herz, es schlägt.
Schoss der einzige Gedanke durch seinen Kopf, was sein Herz nun zum Stillstand brachte. Lucien musste sich versichern, dass er noch immer nicht träumte, weil er sich das genau wünschte, ein schlagendes Herz.
„Emmanline?“ Flüsterte er mit kaum hörbarer Stimme, während er sie versuchte fest zu halten. In ihrem Körper steckte eine Menge Gewalt, was ihm einiges an Kraft kostete, weil er ihr auch nicht wehtun wollte.
Lucien setzte sich etwas aufrechter hin, er brauchte mehr Spielraum. „Emmanline?“ Wäre er am liebsten in Tränen ausgebrochen. Sie schien starke Schmerzen zu haben, die ihren ganzen Körper durch schüttelten. Krämpfe schienen sie zu beherrschen. Es war genau das Gleiche wie damals, in seiner Höhle. Genau das Gleiche.
Kein einziger Schrei kam über ihre Lippen, nur hin und wieder ein Wimmern. Ihr Gesicht war voller Qual und Schmerz verzerrt, was sein Herz zum brechen brachte. Es blutete und tat ihm schrecklich weh, seine Seelengefährtin so leiden zu sehen, weil er wusste, er könnte ihr nicht helfen. Es stand nicht in seiner Macht, ihr die Schmerzen zu nehmen. Sofort würde er es tun, aber er wusste nicht wie.
„Meine Silvahdin, alles wird gut.“ Legte er eine Hand sanft auf ihre Wange, versucht sie zu beruhigen. „Ich bin hier. Komm zu mir zurück, meine Silvahdin.“ Drückte er sie an sich und hauchte Küsse auf ihre Stirn, während er sie überall streichelte.
„Kalt...so kalt...“ Wimmerte Emmanline leise, als er bemerkte, sie hatte ihre Augen geöffnet. Sie schaute ihn tatsächlich mit ihren silbernen Augen an. Sie mögen nicht glänzen und glühen, aber das war mehr als genug.
„Komm her.“ Zog er sie in einen schützenden Kokon. Innerlich rollte sich der Drache in ihm zusammen, als wollte er sie mit seinem Drachenkörper umwickeln und wärmen. In ihm steckte das Feuer, er konnte ihr so viel Wärme geben, wie sie brauchte. Sie würde alles bekommen. Zusätzlich zog er noch eine Decke heran und wickelte sie teilweise darin ein.
Kein Wunder das sie fror, da ihr Körper von einer Kälte überzogen war. Zuvor konnte er sie nicht mit seiner Wärme erwärmen, aber jetzt. Trotz das ihr Körper noch von starken Krämpfen und Erschütterungen beherrscht wurde, schmiegte sie sich an ihn heran, als würde sie in ihn hinein kriechen können.
„So warm...“ Seufzte sie einmal auf, wieder in sich zusammensackend.
Im ersten Augenblick blieb ihm sein Herz stehen, als er dachte, sie würde wieder aufhören zu atmen, aber er hörte und spürte überdeutlich wie ihr Herz schlug, welches gegen seine Brust wummerte, als würden seines und ihres im gleichen Takt schlagen. Diesmal musste er erleichtert aufseufzen, sie lebte.
Unbeschreibliche Gefühle tobten in ihm, er wollte lachen, heulen, jubeln, schreien...alles gleichzeitig. Ein Ausbruch aller Emotionen stiegen in ihm empor. Sein Drache wollte ein Triumphgeheul ausstoßen und aller Welt mitteilen, seine Seelengefährtin lebte. Doch er zwang sich dazu, es nicht zu tun, weil er abwarten wollte und um die Zeit mit ihr zu verbringen.
Noch einige Male erkundigte er sich, ob sie noch immer bei ihm war. Seine Frau war nur vor Erschöpfung eingeschlafen...Eingeschlafen?
Wissend tat er, dass sie durch die Schmerzen schlief. Also nichts worüber er sich freuen sollte. Sie schlief nur dann, wenn sie in einen Schlaf versetzt wurde, aber ansonsten nie. Sollte ihn das beruhigen oder eher nicht? Bei ihr wusste er überhaupt nichts, was für sie da gut wäre. Nervös machte es ihn, dennoch war Ruhe in ihr eingekehrt. Er fühlte es tief in sich.
„Oh, ihr Götter.“ Konnte er ihr nicht nahe genug sein. Nie wieder würde er seine Silvahdin gehen lassen. Egal auf welcher Art und Weise. Jeden Tag würde er ihr erklären, was sie ihm bedeutete, das es ja nie wieder Missverständnisse zwischen ihnen gab, keine Geheimnisse mehr. Nie wieder, das schwor er sich selbst. „Bleib bei mir. Für immer.“ Flüsterte er ihr liebevolle zu. Diese Frau war etwas besonderes für ihn. Gehen lassen könnte er sie nie wieder. Nicht, wenn sie sein Herz und seine Seele mitnehmen würde.
Irgendwie fühlte er sich immer steifer an, aber es juckte ihn kein Stück. Sie anzublicken machte alles wieder wett. Sie war so wunderschön. Endlich hatte sie auch wieder etwas Farbe bekommen und war nicht mehr so leichenblass wie zuvor. Ihr Atem ging regelmäßig, ihr Herzschlag anpassend. Sie schlief seelenruhig und ihm war der Gedanke gekommen, ihr Körper holte sich gerade das, was er brauchte. Anscheinend kam sie ohne Schlaf sehr gut aus, aber auch sie konnte in einem Schlaf versinken. Ihre Energie würde vermutlich so schneller aufgeladen werden, als im wachem Zustand. Sie war echt einzigartig und es konnte praktisch sein, ohne Schlaf auszukommen. Wie viel er noch von ihr lernen wollte und alle Seiten kennen. Sie sollte ein Teil von ihm werden, sowie er es für sie sein wollte.
Ununterbrochen streichelte er sie, wo er nur konnte, versicherte sich noch immer, dass sie atmete. Hauchte ihr des öfteren einen Kuss auf ihre Stirn. Lucien konnte es kaum erwarten, bis sie endlich ihre Augen öffnete. Glauben konnte er es nicht wirklich, aber er war voller Vorfreude und Aufregung, sie würde es schnell tun. Sein Herz schlug schnell und heftig in seiner Brust. Er war definitiv verloren und vernarrt in diese eine Frau. Niemals würde er eine Andere anschauen können, daran denken oder aufzusuchen. Für ihm gab es nur noch Emmanline, die ihn wirklich glücklich machte.
Schon einmal festgestellt, fühlte er sich bei ihr Zuhause, was er stets gesucht hatte. Unbewusste suchte er danach, aber jetzt endlich gefunden und angekommen. Wie zufrieden er jetzt wirkte, als könnte er Taten vollbringen, wozu er nicht imstande gewesen wäre. Seine Kraft war noch stärker als zuvor. Die Vorstellung, welche Macht er durch eine Verbindung zwischen ihnen bestand, konnte vom Ausmaß nicht bestimmt werden. Er war wirklich voller Vorfreude und Erwartungen, sogar wahrhaftig aufgeregt.
„Wahrhaftig, ich bin verloren.“ Nahm er alles in Kauf, schloss seine Augen, während er seine Wange auf ihr Scheitel legte. Endlich konnte er ihren herrlichen Duft einatmen, den sie verströmte. So sonnig und süß, was seinen Drachen in Aufruhr versetzte. Er aalte sich darin.
„Warum verloren?“ Erklang eine leise Frauenstimme an sein Ohr, das ihn zurückzucken ließ. Emmanline war endlich erwacht. Allein der Blick in ihre silbernen Augen. Sie waren noch immer etwas verschleiert, aber es steckte Wärme und Leben in ihnen.
Mit einem leichten Lächeln, blickte er sanft zu ihr herab. „Wegen dir bin ich verloren, Emmanline. Du hast mir einen großen Schrecken eingejagt.“ Legte er vorsichtig eine Hand auf ihre Wange. „Wie geht es dir?“
Emmanline schaute ihn an, als wollte sie ihn einschätzen. „Mir...mir geht es gut.“ Kam es nach einem Zögern.
Er konnte es nicht vermeiden, an ihr herabzublicken. Hunderte Male hatte er ihren Körper abgesucht, ob sie nicht noch mehr Verletzungen besaß. Die Wunde, wo der Pfeil in ihrer Brust gesteckt hatte, war verschwunden, aber schaute ob er andere Stellen entdeckte, was nicht der Fall war. Aber trotzdem musste er sich noch ein paar Mal versichern, ob es ihr wirklich gut ginge. Immerhin hatte sie schreckliche Krämpfe und Schmerzen gehabt. So was konnte er nicht einfach abtun.
„Ich bin nur etwas kraftlos und meine Energie muss sich erst wieder auffüllen. Keine Sorge, mir geht es gut.“
Alleine ihre Worte, keine Sorge, brachte endlich alles zum überlaufen. Endlich konnte er sich seinen Gefühlen freie Bahn machen. „Keine Sorge?“ Knurrte er grimmig, als er wütend, aber auch verletzt schaute. „Du hast mir eine verdammte Heidenangst eingejagt.“ Ist er etwas lauter geworden, als beabsichtigt. Er konnte es einfach nicht mehr ertragen. „Weißt du, wie ich mich gefühlt habe, als ich dich inmitten all der Schlacht sah? Wie furchtbar es gewesen war, mit anzusehen, wie ein Pfeil dich traf? Oder wie du in meinen Armen in den Tod geglitten bist? Das hat alles sicherlich nichts mit, keine Sorge zu tun. Ich hatte mir unsagbar schreckliche Sorgen um dich gemacht. Du bist in meinen Armen gestorben.“ Zitterte seine Stimme leicht, als er an diesen Moment zurück dachte. Es war furchtbar gewesen und am liebsten würde er jetzt all diese Erinnerungen auslöschen, immerhin hatte er sie jetzt wieder, oder?
Trotzdem bekam er diese Erinnerung nicht aus seinem Kopf, denn sie hatte sich in ihm fest gebrannt. Es würde ihn immer wieder daran erinnern, was er verloren hatte, was er immer verlieren könnte. Eine Frau, die sein Leben war. „Mache das nie wieder.“
Vorsichtig rückte Emmanline von ihm ab. Es gefiel ihm nicht, aber er musste sie loslassen, damit sie sich nicht bedrängt fühlte, oder eingesperrt und gezwungen. Seinem Drachen beunruhigte es.
Mit einem Seufzen, schüttelte sie ihren Kopf. Allein an ihrem Blick erkannte er, dass sie etwas sagen wollte, was ihm absolut nicht gefallen würde.
„Es ist doch alles wieder gut und mir geht es gut.“
Nun war es endgültig vorbei. Wutentbrannt riss er sich auf die Beine, wanderte auf und ab. „Verflucht noch mal.“ Knurrte er laut und unheilvoll. Er wusste zu gut, wie sie jetzt reagierte, dass sie vor Schrecken vor ihm zurück wich. Doch das war ihm jetzt egal, denn sie sollte wissen wie wütend er auf sie war. Sie sollte es mit eigenen Augen sehen und am eigenen Leib erfahren. Nein, er würde ihr niemals wehtun. Sie sollte nur wissen, wie es ihm ergangen war und wie er sich jetzt fühlte.
„Wage es ja nicht, die ganze Situation so glimpflich erscheinen zu lassen.“ Drehte er sich zornig zu ihr herum. Sein Blick glühte nur voller Wut. „Ich werde es dir nie verzeihen, wenn du weiter so unachtsam bist. Ich hatte dich darum gebeten im Lager zu bleiben und es war kein Befehl. Du solltest in Sicherheit bleiben.“
Sie schien fassungslos zu sein, aber fand trotzdem Worte. „Du warst in Gefahr gewesen.“
„Ach und du etwa nicht? Glaubst du, einfach in eine Schlacht zu stolpern und zwischen kämpfenden Bestien zu spazieren, sei keine Gefahr?“ Schnaubte er abfällig.
„Ich wollte dich nur warnen.“
„Sicher, dabei stürzt du dich auch gleich in die Schusslinie.“
„Dieser Pfeil hätte dich getroffen.“ Wurde sie anscheinend auch wütend. Er erkannte es in ihren Augen. Sie fingen an zu leuchten, scharfes Silber.
„Lieber ich, als du.“
„Dann wärst du jetzt tot.“ Fauchte sie zurück, als wäre sie ein Kätzchen.
Grunzend wertete sie ihre Aussagen ab. „Ich bin unsterblich und hätte es überlebt.“ Etwas in ihrem Blick veränderte sich, aber konnte es nicht genau deuten. Betroffen?
„Bin ich auch. Du wärst jetzt tot, das versichere ich dir. Dieser Pfeil war nicht harmlos gewesen. Er war in Gift getaucht. Genau das Gleiche, was in diesem Werwolf inne wohnte. Es hätte dich von innen aufgefressen.“ Senkte sie Stimme und ihren Kopf. „Ich habe es gefühlt.“ Nur ein Flüstern.
Entsetzt schaute er sie auch nur an. Wenn es wirklich stimmte und dieser Pfeil war in Gift getränkt, denn die Tatsache war die Gleiche, sie war in Gefahr gewesen. Es machte keinen Unterschied. „Genau das meinte ich. Du bist so egoistisch und selbstlos, dass du einfach nicht an andere denkst. Du hast andere in Situationen gebracht, die sie ein Leben lang im Gedächtnis behalten.“
Emmanline gab einen empörenden Laut von sich. „Was ist bitteschön dein Problem? Ich wollte dir nur helfen und langsam habe ich das Gefühl, nein des öfteren schon, dass du auf alles und jeden wütend wirst, wenn man dir versucht zu helfen.“ Schrie sich auch schon fast.
Da konnte er sehr gut mithalten, er war wütend. „Was mein Gott verdammtes Problem ist? Das sage ich dir. Die ganze Situation was passiert war, ist mein Problem. Immer und immer wieder spielt sich in meinem Kopf die gleiche Szene ab, wie du durch diese ganzen Kämpfenden und Tötenden hindurch gerannt bist, als seien sie nicht da, wie du mit erhobenen Arm versucht hast mich zu erreichen und dann deine Blicke. Mir ist mein verdammtes Herz in die Hose gerutscht, weil ich mit allem befürchtet hatte, du könntest umkommen. Ich hatte dich fast erreicht und einmal nicht aufgepasst, dann...“ Konnte er es kaum aussprechen. „...bohrte sich ein Pfeil in deine Brust. Mitten ins Herz. Was glaubst du, was da mein Problem ist? Eine Heidenangst hatte ich um dich gehabt, hatte sogar gefleht du sollst bei mir bleiben. Du bist in meinen Armen gestorben. Einfach so und ich konnte einfach nichts tun.“ Verschwand langsam seine Energie. Ermüdend fuhr er mit seiner Hand über sein Gesicht, seine Schultern ließ er hängen und er konnte es nicht mehr ertragen sie anzuschauen. Er musste sich von ihr abwenden. Sein Herz schmerzte und blutete für diese Frau. „Fast sechs Tage habe ich dich in meinen Armen gehalten, habe die Götter angefleht sie sollen dich mir zurückgeben, weil ich es einfach nicht ertragen konnte, dich verloren zu haben. Du bist in meinen Armen gestorben.“ Brauchte er unbedingt Halt und gut das der Tisch neben ihm stand.
Unglaubliche Stille lag nun in diesen Raum, was die Situation noch schlimmer machte. Es war unerträglich und er wollte am liebsten nur noch weg. Frische Luft würde ihm da ganz gut tun. Gerade wollte er einen Schritt nach vorne gehen, doch plötzlich schlangen sich zwei Arme von hinten um seinen Körper.
Fassungslos und entsetzt lauschte Emmanline all seinen Worten. Dieser Mann war vollkommen aus der Fassung geraten. Seine Wut und Zorn war praktisch spürbar, aber auch sein...Schmerz war greifbar. Großer Schmerz. Das konnte doch nicht sein. Alles wegen ihr?
Ihr Herz tat auf einmal so weh, je länger sie ihn anschaute. Fast sah es aus, als wäre er vollkommen verstört. So wollte sie ihn nicht sehen, nicht so.
Sie war tot gewesen, hatte sich für ihn geopfert, damit er leben konnte. Durch eine wiederkehrende Erinnerung, war ihr etwas eingefallen, wo sie nichts dagegen machen konnte. Unbewusst war sie zu ihm gerannt, um ihn zu warnen. Einfach so, als wäre sie von einer unbekannten Macht und Zwang dazu gedrängt worden. Ihr eigener Wille komplett ausgeschaltet. Es war ein reiner Schock für sie gewesen, nicht über sich selbst Herr zu sein.
Stimmen tat es, dieser Pfeil hatte sich tief in ihre Brust und Herz versenkt, als wäre es nichts. So spitz und durchdringend. Sofort hatte sie eine unsagbare Kälte erfasst, aber kurz darauf eine große Hitze. Unverkennbar bekam sie von diesem Mann Wärme, das sie behütet in seinen Armen gehalten wurde und er sie wie ein sicherer Kokon umhüllte. Sicher und geborgen fühlte sie sich in diesen Moment. Zum ersten Mal verspürte sie da keine Angst, als würde er ihr unendlichen Trost spenden, einfühlsam und sehr nahe. Dieser Augenblick schien ihr vollkommen egal zu sein, dass sie sterben würde, solange er sie nur so weiter hielt.
Jetzt bemerkte sie auch, wie müde er aussah, als hätte er wirklich nicht geschlafen. Er sprach davon, er hätte sie fast sechs Tage in den Armen gehalten und darauf gehofft, sie würde wieder aufwachen. Wo sie ihn zuletzt so müde und erschöpft sah, war in der Zeit, als er sich Tage lang nicht hatte blicken lassen. Alles nur deswegen, weil er ihr den wunderschönen Ort schenken wollte. Noch immer fand sie es unglaublich, das er sich solche Mühe gegeben hatte, alles nur wegen ihr. Und jetzt tat er es wieder. Wieder gab er sich solche unendliche Mühe. Für was alles? Ihr war nun klar, es war für sie, aber was steckte wirklich dahinter? Warum bemühte er sich so stark?
Ihr Körper kam plötzlich, ohne zu wissen warum, in einen klaren Ruhestand. Ihr Herz schlug in einem mäßigen Takt und ihr innerstes füllte sich mit Wärme.
Mit leisen Sohlen stand sie auf und ohne zu zögern ging sie auf ihm zu. Nie zuvor kannte sie eine unendliche Ruhe in ihr. Sie wollte ihn so nicht sehen und als sie bemerkte, er wollte gehen und sie alleine zurück lassen, das konnte sie nicht zulassen. In diesem Augenblick wollte sie nicht alleine sein. Auch wenn sie es immer abstritt, aber sie brauchte ihn. Nun mehr als denn je.
Sanft lehnte sie sich an seinem Rücken an, schlang ihre kleinen zarten Arme um seine Taille und schloss ihre Augen, während sie einen tiefen Atemzug nahm. Sein erdiger Geruch strömte sofort in ihr und es gab nichts vergleichbares, als sein Duft. Auch wenn ihre Arme klein waren und sie nicht seinen ganzen Umfang umarmen konnte, so war es ihr egal.
„Geh nicht.“ Schmiegte sie sich fester an seinen Rücken. Er war warm und sein Körper hart vor Anspannung. Seine Muskeln arbeiteten unter seiner Kleidung, konnte es deutlich spüren. „Es tut mir leid.“ Kam es erstickt aus ihrem Mund. In ihrer Kehle steckte auf einmal ein dicker Kloß, während sie zum ersten Mal etwas zugab. „Es ist alles so ungewohnt für mich und manchmal verstehe ich auch vieles nicht. Ich bin es nicht gewohnt, das man sich solche Sorgen um mich macht. Meine Mutter war immer die Einzige in meinem Leben, bis sie mir genommen wurde. Ich weiß manchmal einfach nicht, wie ich damit umgehen soll.“ Wurde ihr Griff etwas fester, da sie zurück denken musste, an all das Schreckliche. „Es ist sehr schwer für mich, das zu glauben, was ich bei euch sehe. Ich habe durch euch alles verloren und kenne auch nur durch euch alles, was ich weiß. Mein ganzes Leben baut sich nur von euch Drachen auf, nichts weiter. Ich habe nichts, wo ich denken kann, das bin nur ich und niemand anderes. Einmal in meinem Leben durfte ich das machen, was ich wollte, und frei sein. Seit ich hier bin, verändere ich mich nur noch mehr und ich habe schreckliche Angst davor. Ich habe das Gefühl, ich werde verrückt und verliere den Verstand. Ich habe Angst davor, was noch kommt. Vor allem bei dir.“ Krächzte sie die letzten Worte.
Sanft legten sich seine Hände auf der ihren, wo ihr auffiel, wie sie sich bei ihm festgekrallt hatte. Trotz seiner rohen Kraft, war er unsagbar sanft und zärtlich. Völlig widersprüchlich.
„Ich würde dir niemals was antun, Emmanline.“
„Ich weiß.“
„Dann vertraue mir. Ich will alles versuchen, damit du all das hast, was du dir wünschst. Ich will dir das geben, damit du keine Angst mehr verspürst. Ich würde alles tun.“
„Ich weiß.“
Auf einmal befreite er sich aus ihrer Umarmung und drehte sich zu ihr um. Sein Blick war so zärtlich, mitfühlend und sanft, wie seine Stimme. „Dann tue es. Vertraue mir wirklich.“
Verbittert schaute sie zu ihm rauf. „Aber wie? Ich habe Angst davor.“ Gestand sie etwas wesentliches.
„Dann sage mir, wovor genau hast du Angst? Ich werde dir helfen, egal was es ist. Das verspreche ich dir.“
Plötzlich fing ihr Herz an zu rasen und sie wurde leicht nervös. Ihr Blick senkte sich, aber er gab ihr keine Möglichkeit, ihm auszuweichen. Mit einem leichten, aber nachgiebigen Griff, hob er ihr Kinn.
„Verrate es mir.“ Drängte er leicht.
Einmal atmete sie tief ein, aber kaum kam Sauerstoff in ihre Lungen, noch immer ein dicker Kloß im Hals. „Wenn ich vertraue, bedeutet es für mich alles. Alles bedeutet, irgendwann verlieren. Ich will nicht ständig alles verlieren. Darum versuche ich nie etwas an mich heranzulassen, weil ich nicht will, das es für mich von Bedeutung ist. Und ich will nichts beim Namen nennen, weil ich genau weiß, ich werde es verlieren. Ich weiß es genau.“ Fing sie leicht an zu zittern. Dies war immer ihre größte Angst alles zu verlieren, was ihr je wichtig war oder sein könnte. Dieses Gefühl ertrug sie nicht auf Dauer und versucht stets sich davor zu schützen.
„Darum sagst du nie wirkliche Namen.“ Stellte er mehr fest, als wäre es eine Frage. „Das war es, warum du es nie getan hast. Obwohl du es bei Aiden und Malatya getan hast. Bevor du in den Tod gestürzt bist, hast du meinen Namen geschrien. Genau meinen Namen.“ Glühten seine Augen und versengten sie beinahe. „Sag ihn.“ Befahl er schon fast.
Hart musste sie schlucken, dieser Blick, als würde er sie in jeden Moment verschlingen wollen. Mit Haut und Haaren. So ganz traute sie sich nicht, denn er brachte sie vollkommen aus dem Konzept. Dieser Mann war hartnäckig und fordernd. Er bedrängte sie nicht, aber sie spürte, er würde vieles gerne von ihr wissen.
Doch sie musste langsam über ihren Schatten springen, was nicht gerade einfach war. In seinen glühenden goldenen Augen konnte sie erkennen, er würde ihr helfen, ohne jegliche Bitte. Bereit alles zu geben, was nur in seiner Macht stand. Also blieb ihr am Ende nichts anderes übrig, wäre es eigentlich gelogen, denn zum Teil wollte sie es doch.
„Lucien.“ Bekam sie seinen Namen nach einem längeren Zögern heraus, aber sehr leise.
„Sag ihn noch einmal.“
„Lucien.“
„Noch einmal. Sage ihn oft.“ Verlangte er.
Verlegen schaute sie ihn an. „Lucien. Lucien. Lucien.“ Wiederholte sie ihn unzählige Male, als wenn er wollte, sie solle sich daran gewöhnen.
Sofort stürzten sich seine Lippen auf der Ihren, so wild und impulsiv. „Wie lange ich darauf gewartet habe, das du ihn sagst.“ Stöhnte er halblaut an ihren Mund. Selbst sie musste aufstöhnen bei dieser Intensität.
Immer weiter pressten sich ihre Körper aneinander, wie von einem starken Magnet angezogen. Es war endgültig vorbei, sie konnte sich nicht mehr gegen seine Berührungen und Nähe wehren. Sie war verloren, voll und ganz.
„Ich muss dich spüren. Muss wissen das es dir wirklich gut geht. Bitte, ich muss es wissen. Ich will dich überall berühren und mich vergewissern.“ Schien es ein sehr großer Drang zu sein, das sie nur noch mehr zum zittern brachte. Sie brannte innerlich lichterloh. Ein Feuer in ihr wurde entzündet, durch diesen Mann herbei gerufen.
Als Antwort konnte sie sich seinen Küssen und Streicheln nur ergeben, was er sofort nutzte. Es war eine stille Einwilligung, die er sofort verstand.
Ruckartig hob er sie hoch. „Schlinge deine Beine um meine Taille“ Ohne diesen leidenschaftlichen Kuss zu unterbrechen. Sie gehorchte schnellst möglich. Hart und unnachgiebig spürte sie etwas hartes in ihrer heißen Mitte, die schon schmerzhaft pulsierte. Lucien stieg ein wildes Knurren aus, welches wie ein Schauer durch ihren Körper strömte.
Zum ersten Mal konnte sie selbst überall seinen Namen benutzen. Lucien, genau sein Name hatte sich wie ein Brandmahl in ihren Kopf gebrannt. Nie würde sie ihn je vergessen können, so wichtig erschien er ihr.
Emmanline wusste, er bewegte sich. Reflexartig hatten sich ihre Arme um seinen Hals geschlungen, was er zufrieden bestätigte. Es gefiel ihm. Wohin der Weg führte, wusste sie sofort. Ins Bett, wo sie zuvor waren. Erschrocken musste sie fest stellen, das sie keine Angst verspürte. Sie wollte es genauso. Ihn spüren und berühren.
Vorsichtig legte er sie auf das Bett nieder, ohne sich von ihr zu lösen. Mit dem halben Gewicht legte er sich auf sie und vergrub seine Finger in ihrem Haar. Zwischen ihren Körpern entstand eine erotische Reibung, was sie zum aufbäumen und stöhnen brachte. Verrückt machte er sie und sie widersetzte sich keinen Augenblick. Hingebungsvoll ergab sie sich ihm. Und wie könnte sie ihm da widerstehen? Nicht bei diesen heißen und sinnlichen Küssen.
Ohne Worte gaben sie sich einander hin. Ihre Hände wanderten über seinen ganzen Körper, wollte eigentlich nackte Haut spüren. Auf einmal ließ er von ihren Lippen ab, was ihr ein protestierenden Protest entfleuchte. Doch seine Mund verließ niemals ihre Haut.
Oh du meine Güte.
Mit seinen Zähnen knabberte er an ihrem Hals, um gleich darauf darüber zu lecken, mit seiner heißen Zunge einen Weg ziehend. Es war wie eine Brandspur. Sie versuchte sich aufzubäumen, was durch seinen Körper nicht so einfach war, weil er noch immer auf ihr lag. Ihre Augen waren weit geöffnet, während sie immer wieder ungewöhnliche Laute von sich gab. Hart biss sie sich auf ihre Unterlippe, weil es ihr zu beschämend erschien.
„Nein nicht. Ich will deine sinnlichen Laute hören. Sie klingen so wunderbar aus deinem Mund.“ Verlangte Lucien, als gleichzeitig sein heißer Atem über ihre feuchte Haut strich.
Es versetzte ihr eine Gänsehaut, während er leicht ihre Träger von ihren Schultern löste. Hatte sie ein Kleid an? Sie konnte sich nicht daran erinnern, je ein Kleid angezogen zu haben. War er es gewesen?
Ach, egal. Sie war einfach im hier und jetzt. Nicht in weiter Ferne.
Lucien schob ihr Kleid immer weiter nach unten, was ihre Brüste entblößte. Peinlich gab sie sich ihm hin, nicht gewohnt nackt zu sein. Vor allem nicht ihm gegenüber. Doch er gab ihr das Gefühl, sie sei etwas ganz besonderes, denn er verschlang sie regelrecht. Sein gieriger Blick richtete sich auf ihre Brüste, die so frei lagen, als präsentierten sie sich ihm.
„So wunderschön.“ Stöhnte er ehrfurchtsvoll und beugte sich nach vorne.
Ohne zu wissen was er wirklich vor hatte, schrie sie auf einmal auf. Sein Mund schloss sich um eines ihrer Brustwarzen. Erneut reckte sie sich ihm entgegen, ihre Augen weit aufgerissen und ihre Laute wurden immer rauer. Sie konnte nicht fassen wie es sich anfühlte, prickelnd und heiß. Sie fühlte sich, als würde sie gleich zerfließen, voller intensiven Emotionen. Alles stürmte auf sie ein, aber sie gab sich dem allen hin, weil sie es so sehr wollte. Seine Nähe, Berührungen und diese Hitze in ihr, die sich immer weiter nach unten ausbreiteten. Alles in ihre heiße Mitte zwischen ihren Beinen. Automatisch legten sich ihre Beine um seine Hüften, weil sie ihm nicht nahe genug sein konnte. Es gefiel ihm genauso, erkannte es an seinen Stöhnen und wie gieriger er wurde, das er sie fast in den Wahnsinn trieb.
Sein Saugen wurde immer stärker, was sie zum winden brachte. Sie rieb sich ohne bewusst zu werden, an seiner harten Beule in seiner Hose. Es fühlte sich großartig an und auf einmal so begehrlich. Er sollte einfach nicht auf hören. Sie wollte mehr, viel mehr.
Fest krallten sich ihre Finger in sein seidiges dunkles Haar, dass ihn nach unten drückte, so sehr wollte sie es. Lucien schien auch so, als würde er niemals aufhören wollen. Selbst er rieb sich an ihr. Er war sinnlich und hingebungsvoll, einfach perfekt.
Plötzlich spürte sie eine Hand auf ihrer Hüfte, was ihr Kleid nach oben schob. Obwohl ein kleiner kalter Luftzug sie auf ihrer erhitzen Haut spürte, merkte sie kaum das Kühle. Die Hitze die um sie herum lag, ließ alles unwichtig erscheinen. Schon längst hatte sie den Draht zur Realität verloren, schwebten auf einer ganz anderen Ebene. Eine Ebene wo nur sie beide schwebten. Ihre erhitzen Leiber ineinander geschlungen.
„Ich liebe deine weiche Haut.“ Stöhnte er mit einem kleinen Knurren der Zufriedenheit an ihrer feuchten Brust. Da wandte er sich ihrer anderen zu, als würde er sie nicht vernachlässigen wollen. Für sie war es unglaublich, wie sich das anfühlte. Solche Empfindungen waren unbeschreiblich. Sie wusste wie der Akt aussah, weil sie es durch die Drachen in den Höhlen mit beobachten musste, aber hätte nie gedacht, das es so intensiv sein konnte. Dabei sah es immer so aus, als würde es den Frauen nicht gefallen, weil sie gequält ausgesehen hatten. Es hatte brutal und gefühllos ausgesehen, doch Lucien war nicht im Ansatz so wie die anderen Drachen. Er war leidenschaftlich und sinnlich, stets darauf bedacht ihr niemals weh zu tun. Vielleicht verspürte sie genau aus diesem Grund keine Angst davor sich ihm hinzugeben, weil er einfach anders war. Sie sehnte sich nach seinen Berührungen und sie brauchte es. Wie lange musste sie stets auf Nähe und Berührungen verzichten? Zärtliche und liebevolle, keine unsanften und brutale?
Luciens und ihr Start war sehr holprig gewesen und hätte niemals gedacht, sie würde hier unter ihm liegen. Es war für sie das erste Mal. Noch nie wurde sie auf solch einer Art berührt und sie fing langsam an, sich danach zu verzerren. Mehr war keine Definition dafür, wie viel sie in Wirklichkeit wollte.
Liebevolle und erregende Worte flüsterte er immer wieder ins Ohr, was sie reizte. Plötzlich konnte sie mehr spüren, welche Nässe und Hitze zwischen ihren Beinen war. Es pulsierte schmerzhaft und voller Erwartung.
„Lucien.“ Stöhnte sie seinen Namen.
„Oh ja, das will ich hören. Mehr. Ich kann mich kaum vor Verlangen zu dir bremsen. Ich will dich unter mir und in dir. Bitte gebe dich mir ganz hin.“ Bat er, was viele Versprechungen offen hielt.
„Ich will mehr.“ Bettelte sie schon fast, er solle ja nicht aufhören.
Besitzergreifend knurrte der Drache über ihr. „Ich will dich so sehr kosten.“ Wanderte er nach unten. Was hatte er nur vor?
Ihre Augen mussten leuchten, weil sie voller Sehnsucht und Erwartung seinen Bewegungen folgte. Plötzlich verschwand sein Hemd und was sie da zu sehen bekam, stockte ihr der Atem. Er sah so gut aus und er strotze vor Muskeln. Wie gerne würde sie jetzt mit ihren Händen über seine Brust streicheln. Sie wusste, sie waren hart, aber glatt.
Kaum hatte er sein Hemd ausgezogen und in eine Ecke geworfen, stand er auf und entledigte sich seiner anderen Kleidung, bis er vollkommen nackt vor ihr stand.
Bekam sie noch Luft? Oh ihr Götter, wie gut er aussah. Ihr Blick richtete sich von seinem Gesicht immer weiter nach unten. Seiner Brust immer weiter abwärts, bis sie an seiner intimsten Stelle ankam. Hitze und Röte stieg in ihr Gesicht. Es ist nun das dritte Mal, dass sie ihn so nackt betrachten konnte. Jedes Mal brannte sie lichterloh und ein Feuerorkan raste durch ihren ganzen Körper. Ihr Blut fühlte sich wie heiße Lava an, das durch ihre Adern rauschte. Sie verbrannte innerlich.
Seine Männlichkeit ragte sich nach vorne auf und fing leicht an zu zucken, je mehr sie darauf starrte.
„Emmanline?“
Kaum am Rand bekam sie mit, wie er ihren Namen sagte. Es war was drängendes, wo sie sich zwingen musste, sich von seiner Härte abzuwenden. Oh ihr Götter, wie konnte sie noch leben? Ihr Atem hatte sich komplett abgestellt, aber ihr Herz schlug noch immer. Rasend schnell, das es ihr fast aus der Brust sprang. Es war kaum beschreibbar, was sich in seinem Gesicht spiegelte. Seine Augen strahlten heller als das wertvollste Gold, aber hitzig wie heiße Kohlen. Eindeutig zeichnete sich sein Drache in seinen glühenden Blicken wieder. Begierig, verlangen und verzerrend starrte er auf sie herab, musterte ihren ganzen Körper, als gäbe es nichts anderes. Ein Zittern beherrschte ihren Körper voller Erwartung. Was würde er jetzt tun?
Lucien ging vor ihr auf die Knie, packte ihre Fußknöchel und zog sie mit einem Ruck zu sich hin, sodass ihre Hüfte auf der Bettkante lag. Sie hatte einen überraschten Laut von sich gegeben, was seine Mundwinkel zum zucken brachte. Leicht leckte er sich über die Lippen und etwas blitzte in seinen Augen auf, als sein Blick immer weiter nach unten wanderten.
„Du bist so wunderschön.“ Keuchte er schwer, seine Brust senkte sich in schnellen Zügen. Ohne auch nur zu zögern spreizte er ihre Beine. Sofort wollte sie vor Peinlichkeit und Scham ihre Beine wieder zusammendrücken, aber gegen seine Kraft hatte sie keine Chance.
Vor Scham schlug sie ihre Hände aufs Gesicht und wimmerte leise. Ihre Wangen erhitzten sich und sie glühten. Sie schämte sich für diese Offenheit, aber konnte sich gegen ihn nicht wehren, denn was jetzt kam, ließ sie aufschreien und aufbäumen. Vollkommen verloren war sie.
Lucien konnte einfach nicht fassen, was hier und jetzt geschah. Er war schon vieles gewohnt und hatte viel gesehen. So viele Frauen hatte er schon unter sich, was für ihn nur reine Befriedung bringen sollte. Es war etwas gewesen, was er nur brauchte, aber was hier mit Emmanline passierte, war mehr als nur reine Befriedung bekommen. Es war so vieles mehr. Nur sie brachte sein Feuer in ihm zum toben. Sie entzündete etwas in ihm, da reichte nur ein einziger Blick und Kuss aus. Alles war viel intensiver und erregender. So leicht und schnell geschah es, dass er nicht einmal viel tun müsste. Sein Blut schoss jedes Mal in seine Lenden, was ihn steif werden ließ. Dabei brannte sein Feuer in ihm, da er ein Feuerdrache war. Doch dieses Feuer war nichts gegen ihr entfachende Flamme.
Ohne Wehr und Bedenken gab sie sich ihm hin, obwohl er genau mit dem Gegenteil gerechnet hätte. Normalerweise hätte sie sich gewehrt und verlangt, er solle aufhören. Diesmal kam nichts von alle dem, denn sie wollte es genauso wie er. Wie könnte er ihr da nur widerstehen? Er wollte es schon zu langen, sie intim berühren und in ihr sein. Jeden Tag drängte es ihn immer mehr. Es verlangte, er soll seine Seelengefährtin zeichnen, damit jeder wusste, sie gehörte ihm. Seine Zeichnung sollte sie als sein Eigen zeichnen, das niemand auch nur auf dem Gedanken kam sie zu berühren. Es war nur ihm gestattet, denn er war ihr Seelengefährte. Er legte ihr alles zu Füßen, was er je besaß.
Vor ihr stehend, betrachtete er die sinnliche Frau. Sie verschlang ihn mit den gleichen Blicken, wie er sie. Emmanline lag bereitwillig vor ihm, als wartete sie nur darauf was er als nächsten tun würde. Vieles hatte er sich in all der Zeit ausgemalt. Viele Gedanken er sich darüber gemacht hatte, was er mit ihr anstellen würden, wenn sie so vor ihm lag. Ihm gefiel es, wie sie auf seinem Bett ausgebreitet da lag, halb nackt. Es gab einen erotischen Kontrast, wie ihr schneeweiße Haar auf den seidigen schwarzen Laken sich wie ein Fächer über ihrem Kopf ausgebreitete. Wie lange er sich das schon erträumte. Genauso hatte er es sich vorgestellt, aber jetzt wo sie vor ihm lag, präsentiert wie auf einem Tablett, wusste er nicht mehr genau wo er anfangen sollte. Wusste nicht mehr genau, was er jetzt am liebsten mit ihr machen würde. Über vieles hatte er Fantasien gehabt, aber jetzt in diesem Augenblick, konnte er sich einfach nicht entscheiden. Das einzige was ihn jetzt drängte, war sie zu schmecken. Er hatte sich vieles vorgestellt, aber er wusste nicht genau wie sie schmecken würde. Wie sehr er es herausfinden wollte. Aber eins wusste er mit Sicherheit, sie gehörte genau hier her, in sein Bett und Reich. In seine Arme und Nähe.
Langsam ging er vor ihr auf die Knie, packte ihre Fußknöchel und zog sie zu sich heran. Hungrig leckte er sich über seine Lippen. Er musste nicht hinsehen, dass sie für ihn feucht war. Er konnte ihre Erregung riechen. Ein süßer herrlicher Duft, was ihn fast in den Wahnsinn führte. Er konnte sich kaum beherrschen und hätte sich am liebsten sofort darauf gestürzt, aber das konnte er ihr nicht antun. Lucien wusste, für sie war es das erste Mal. Er wollte sie damit nicht überstrapazieren, also musste er sich dazu zwingen die ganze Sache vorsichtig angehen zu lassen. Es kostete ihm eine Menge Kraft und Energie, aber er würde für sie alles tun.
Sachte strich er mit seinen Fingern über ihre Feuchte zwischen ihren Beinen. Sofort stöhnte er auf, als er die Hitze an seinen Fingern spürte. Sie war wirklich sehr nass, dass ihr kleines Höschen davon triefte. Leicht schob er ihren Stoff beiseite und es traf ihn wie ein Schlag. So glänzend feucht präsentierte sich ihr Geschlecht vor ihm.
„Oh, verdammt...“ Stöhnte er laut auf, schaute begierig darauf, das er wieder hungrig über seine Lippen leckte. „So verdammt heiß.“ Tauchte er einen Finger in sie ein. Emmanline keuchte auf und bog ihren Rücken durch. „Ich muss dich kosten.“ Senkte er seinen Kopf immer weiter runter. Ihr Duft roch so erregend gut, das sein Glied zucken ließ. Sein Schwanz pochte vor Sehnsucht und Schmerz, hoffend davon erlöst zu werden. Seine Hoden waren prall gefüllt mit seiner weißen Flüssigkeit.
Beinahe wäre er gekommen, wo er zum ersten Mal mit seiner Zunge über ihre heiße Zone leckte. „Oh Gott,...“ Zitterte er am ganzen Körper. Es kostete ihn solch große Kraft nicht die Beherrschung zu verlieren. Ihr Geschmack war sinnlich, süß und sie schmeckte nach purer Ekstase. Ihr Saft war wie ein Aphrodisiakum, eine Droge aller Sinne. Jetzt konnte er nicht anders, sein Mund drückte sich auf ihre Schamlippen. Begierig saugte er daran und leckte sie abwechselnd.
Emmanline schrie auf, zitterte am ganzen Körper und räkelte sich unter ihm. Er wollte ihr große Lust bereiten, als er eine Hand auf ihren Bauch legte, damit sie auf dem Bett liegen blieb. Er wusste, es würde sie besinnungslos machen, aber genau das wollte er erreichen. Zeigen wollte er ihr, wie erregend und lustvoll das sein konnte. Sex war etwas sinnvolles und erotisches, was nichts mit Grausamkeiten zu tun hatte. Darum wusste er, woher ihre Ängste über die Nähe herrührte. Das Gegenteil wollte er ihr beweisen.
Mit einem lauten Schrei zuckte ihr Leib und er wusste, sie würde einen Höhepunkt erreichen. Eine Flutwelle erreichte sie, was ihr ganzer Körper zum Zittern brachte. Sie schien zu wimmern und gleichzeitig zu schluchzen. Sie musste vor tausenden von Gefühlen überschwemmt sein, was für sie zu viel war.
Lucien wartete bis sie sich soweit beruhigt hatte und bewegte sich zu ihr hoch. „Du schmeckst so verdammt gut.“ Krächzte er rau. Seine Stimme verschwand stetig mehr. „Ich muss in dir sein.“ Blickte er mit einem brennenden Blick auf sie herab, während er ihren letzten Saft von seinen Lippen leckte.
Zögernd und zittrig hob sie ihre Arme und legte sie auf seine Brust. Sanft streichelte sie darüber, ihr Blick vor Lust verschleiert. Das Silber in ihren Augen war heiß und flüssig. Er war wirklich kurz davor zu kommen. Reine Ekstase durchflutete seinen Körper. Mit einem warmen Lächeln beugte er sich zu ihr herunter und küsste sie leidenschaftlich. So sinnlich und berauschend. Es brauchte keine Worte um diesen Moment einzuschätzen, welcher von großer Bedeutung war.
Ohne Bedenken nutzte er seine scharfen Krallen und schnitt ihr Höschen und Kleid durch, als wäre es nichts. Ihm war es egal, er wollte sie nackt unter sich haben, keine Kleidung an ihrem Körper. Wie sie beide erschufen wurden, lagen ihre beiden Körper aufeinander, küssten sich wild und gierig. Selbst sie begann sich seinen Körper näher heran zudrücken, als würde sie sich am liebsten in ihm verkriechen. Ihm ging es nicht anders, er wollte mit ihr verschmelzen.
Ihre Haut waren mit einer Schweißschicht bedeckt, nichts und niemand würde sie trennen können. Sei denn, Emmanline würde es wollen, dann würde er sich dazu zwingen aufzuhören, egal wie viel Kraft er dafür aufwenden musste. Auch wenn er darunter leiden würde und vor Verlangen unterging, Hauptsache für sie sollte es so sein, wie sie es gerade brauchte. Er würde niemals von ihr verlangen, was sie nicht wollte.
„Lucien, ich kann nicht mehr...zu viel...“ Keuchte sie an seinen Lippen, während sie noch immer miteinander verschmolzen waren.
Sanft biss er in ihre Unterlippe, dass sie wimmern ließ. „Sag mir was ich machen soll. Soll ich aufhören? Nur ein Wort und ich tue es.“ Hob er etwas seinen Kopf und schaute mit lodernden Leidenschaft auf sie herab, als er sanft mit den Handrücken seiner Finger über ihre erhitzte Wange streichelte. Ihre Wangen hatten eine rosige Farbe und merkte wie zufrieden es ihn machte. Endlich musste er sich in Gedanken zugestehen, sie war nicht mehr so blass und kalt. Das war eine Überzeugung, dass es ihr gut ging, aber es reichte ihm einfach nicht aus.
Jedes Mal wenn es um sie ging, war er so gierig und verwandelte sich in eine hungrige Bestie, die sich jedes verlangende Gefühl in sich rein schlang. Er war ja so hungrig.
Ihre silbernen Augen schimmerten in dem schwachen Licht. Die Nacht war schon längst hereingebrochen und nur zwei Kerzen brannten, jeweils eine auf beider Seiten des Bettes, auf einem kleinen Tischen. Ihre Haut schimmerte wie Perlmutt, was ein leichtes leuchten hervorbrachte.
„Oh ihr Götter, du bist das wunderschönste was ich je gesehen habe, Emmanline.“ Zitterte seine Stimme leicht vor Ehrfurcht. „So weich und rein.“ Wanderte er mit seinen Fingerspitzen seitlichen ihren Hals entlang, bis zu ihrem Schlüsselbein. Seine Augen bewegten sich automatisch seinen Streicheln mit. Er konnte nie genug davon bekommen, von ihr.
Warme Hände legten sich auf seine Wange und sein Gesicht wurde nach oben gehoben. Sein Herz schlug auf einmal in einem rasenden Tempo. Ihre Augen leuchteten noch heller, eine nicht gekannte Leidenschaft erstrahlte darin. Sofort verlor er sich in dem silbrigen Meer, was ihn immer tiefer versinken ließ. Was der Sauerstoff anging, die war ihm vollkommen egal. Da würde er eben glücklich und selig sterben. In ihren Armen und auf ihrem Körper.
„Tue es.“ Flüsterte sie kaum hörbar. „Ich will es spüren.“ Ihr Blick wurde immer sanfter und offener, wie nie zuvor.
Seine Handflächen mögen groß und rau sein vor Schwielen, aber sie legten sich behutsam auf ihre Hände. Zärtlich nahm er sie in die seine, so kleine zarte Hände. Leicht verschränkte er seine Finger mit der ihren und streckte seine Arme mit ihren nach oben aus. Links und rechts waren sie miteinander verbunden, wie ihre Körper zueinander.
„Bist du dir wirklich sicher. Ich will dir nicht...“
„Küss mich.“ Unterbrach sie ihn einfach, ohne jegliche Bedenken. Ein silbernes Feuer loderte in ihren Augen auf, das ihn zu verschlingen drohte.
Ohne länger zu zögern ihren Befehl folge zu leisten, beugte er sich zur ihr herab. Erst vorsichtig streiften seine Lippen über der ihren, bis er nachdrücklicher wurde. Langsam schlossen sich seine Augen und gab sich der Woge der Hitze hin, die durch ihm tobte. Ihr herrlicher Duft nach sonnigen und erotischem Duft umhüllte ihn wie ein Mantel, voll und ganz.
Jetzt konnte sich Lucien auch nicht mehr zurück halten. Er musste in ihr sein, mit ihr verschmelzen und endlich mit seiner Seelengefährtin vereint sein. Wie sehr er sich danach verzerrte, das es ihn schon auslaugte. Es kostete ihm jetzt schon eine ungeheure Selbstbeherrschung nicht einfach in ihr einzudringen und sich das nehmen, wozu es ihn schon längst drängte. Doch es bedurfte mehr als die Eile. Emmanline war vieles mehr Wert, als alles auf dieser Welt. Egal ob Ebene oder Dimensionen, was alles keine Rolle spielte.
Langsam brachte er sich in Position, brachte die Spitze seiner Männlichkeit an ihre heiße Öffnung. Nur ein einziger Stoß nach vorne und er tauchte in eine warme Hitze. Er wusste es, weil er es jetzt schon spürte, auch wenn es nur seine Eichel war. Es brachte ihn jetzt schon um den Verstand.
Keuchend hingen sie wild an ihren Mündern. Emmanline reckte sich ihm entgegen und drängte ihn sich endlich weiter zu bewegen. Nachdrücklich biss sie ihn in seine Unterlippe. Machte sie das unbewusst? Verflucht, dass turnte ihn mächtig an. Sie zeigte ihre wilde Seite und es erstaunte ihn, solch eine Seite zu besitzen. Es schien ihr reiner Instinkt zu sein, der sie auch dazu drängte. Egal, denn sie tat es auch aus ihrem Sinne und weil sie sich nicht wirklich dazu gezwungen fühlte.
Zentimeter für Zentimeter drang er in sie ein, beide außer Atem keuchend. Kaum darauf spürte er eine kleine Barriere, als er an ihre Jungfräulichkeit stieß. Mit einem einzigen Stoß durchstieß er sie und sie schrie laut auf. Sofort erstarrte er auf und in ihr.
„Emmanline?“ Schwang große Sorge in ihm mit. Lucien wusste, dass es schmerzlich für sie sein würde. Schon einigen Frauen hatte er ihre Jungfräulichkeit genommen, aber keine war so wertvoller gewesen, als der Ihren. Er verspürte großes Glück dabei, weil er genau wusste, kein einziger Mann hatte sie angerührte. Er war der Einzige und Erste in ihrem Leben. Er durfte es nehmen und ihr dafür mehr geben, als je einer zuvor. In ihm strotze er nur vor Stolz.
Ich bin der Erste.
Still verharrte er in ihr, starrte auf sie herab, wartete und betete, ihr möge es gut gehen. Ihre Augen waren geschlossen, ihr Körper angespannt und reglos. Es musste ihr Schmerzen bereiten und er wollte ihr diese nehmen.
Es war zwar qualvoll so in ihr zu verharren, weil ihr Inneres seinen Schwanz fest im Griff hielt. Das sie Angespannt war, verschlimmerte es nur noch mehr. Wie gerne er sich bewegen würde, aber er würde sich zügeln und sich ihrem Rhythmus anpassen. Möge es ihn all seine Kraft und Energie kosten.
Schweißperlen liefen seiner Stirn hinab, vor Anstrengung und Selbstbeherrschung. Er würde es schaffen, also wartete er auf eine Reaktion von ihr.
Langsam schien sich Emmanline zu entspannen, atmete einmal hörbar aus und öffnete wie in Zeitlupe ihre Augenlider. Sie strahlten noch heller, als je zu vor.
Ich bin ja so was von verloren.
Stöhnend erwiderte er ihren Blick, wie sie ihn verlangend anschaute. Erst jetzt versuchte sie sich weiter vorzuwagen und bewegte langsam ihr Becken, was sie selbst zum stöhnen brachte.
„Alles gut.“ Schien sie seinen Blick erkannt zu haben, seine Sorge in seinen Augen. „Mehr.“ Keuchte sie schweren Atems, während sie ihre Beine um seine Hüfte schlängelte, ihre Fersen auf seinen Hintern pressend. Ihre Arme umfingen seinen Rücken, die Fingernägel in seinen Rücken grabend. Erschöpft senkte er seinen Kopf und vergrub sein Gesicht in ihre Halsbeuge.
„Du machst mich echt fertig, aber du fühlst dich so verdammt heiß und eng an. Ich will mehr.“ Bewegte er sich erst langsam in ihr. Langsam raus und rein. Raus. Rein.
Emmanline wusste gerade nicht was da gerade passierte. Ihr Verstand hatte sich komplett ausgeschaltet, als hätte ihr Gehirn einen Kurzschluss bekommen. Sie hatte ihn wahrhaftig dazu gedrängt endlich in sie einzudringen. Mit seiner ganzen Männlichkeit. Was sie als erstes verspürte, als er es wirklich getan hatte, schoss ein scharfer Schmerz durch ihren Körper. Sofort hatte sie sich versteift und ihr Herz hatte ausgesetzt. Um sie herum wurde alles still, nur ihre keuchenden Atemzüge waren zu hören.
Träumte sie, oder war es Realität? Nicht mehr genau wissend in welcher Sphäre sie schwebten, gab sie sich jedem Gefühl hin.
Der Schmerz verebbte nach und nach, dass sie einen weiteren Versuch starten konnte. Vorsichtig bewegte sie ihre Hüfte, was dann kam, raubte ihr alles. Lucien nahm es als eine Art Bestätigung und Einladung hin, da sie ihm auch versichert hatte, dass es ihr gut ginge. Nun bewegte er sich rein und raus. Das immer und immer wieder, langsam. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, welches ihren Körper durch schwemmte.
Alles war viel intensiver, als was er mit seiner Zunge und Mund getan hatte. Dies war ja schon unsagbar gewesen, aber als er sie jetzt vollkommen ausfüllte, war was komplett anderes. Auf einmal fühlte sie sich zugehörig und als wäre es...richtig. Ja genau, es war richtig. Richtig, wie sich all das anfühlte. Richtig, das er sich in ihr bewegte. Wie zwei Teile die zu einem ganzen verschmolzen. Vollkommen richtig.
Stöhnend schlang sie ihre Beine um seine Hüfte, ihre Finger krallten sich in seine Haut. Erst wollte sie wieder locker lassen, aber konnte es nicht. Nicht während er sich in ihr bewegte. Sein Gesicht vergrub sich in ihre Halsbeuge und sie konnte nicht widerstehen, als mit ihren Fingern durch sein vor Schweiß nass gewordenem Haar zu streichen und zu vergreifen.
Zu vieles strömte in ihr ein, all diese Empfindungen, was sie regelrecht überschwemmte.
Wimmernd und keuchend legte sie ihren Kopf nach hinten, reckte sich seinen Stößen immer entgegen. Seine Stöße wurden immer schneller und fordernder, was sie mit Freuden aufnahm. Der Schmerz war schon längst verflüchtigt, wo sie nur noch Lust verspürte. Heiß und erregend zugleich. Ihr Körper verlangte nach viel mehr, als würde er nach etwas streben. Nach das Vollkommene und der Erlösung. Wie zuvor bei ihrem Höhepunkt, wusste sie, diesmal würde es viel mehr als alles Andere sein. Viel heftiger und erlösender.
Lucien stieg keuchende Flüche aus, weil es ihm genauso ging wie ihr. Dieses Gefühl war atemberaubend, weil sie selbst solch eine Macht bei ihm ausübte, wie er es bei ihr tat. Zum ersten Mal, seit sie hier war, waren sie gleichgestellt. Auf einer selben Stufe und nichts gab es, was zwischen ihnen stand. So wie es ihre Leiber taten, kein Blatt würde dazwischen passen, so fest pressten sie sich aneinander. Jeder versuchte dem Anderen immer näher zu kommen, zu einem Ganzen zu verschmelzen.
Plötzlich spannte sich ihr ganzer Körper an, ihre Augen rissen sich in diesem Moment auf. Leicht zitterte sie am ganzen Körper, ihr Inneres zog sich in einer wohligen Welle zusammen, während eine Flut über sie hereinbrach und sie ohne Gnade mitriss.
Emmanline bekam nur am Rand mit, wie sie aufschrie und alles aus sich heraus ließ. Selbst ein lautes Brüllen war nebensächlich, als etwas in ihrem unteren Leib zuckte. Sie wusste, es war er, als er genauso von dieser Welle der Lust überschwemmt wurde. Etwas heißes strömte in sie ein und hörte einfach nicht mehr auf. Gemeinsam gaben sie sich allem hin, umschlungen und gierig nach mehr. Noch einmal schrie er, aber diesmal konnte sie ihren Namen darin vernehmen. Sie antwortete ihm sofort mit seinem Namen, als eine nächste Welle sie überrollte. Kaum verebbte sie, kam die Nächste.
Schluchzend und kraftlos ließ sie sich sinken. Seine Arme schlangen sich fest, geborgen und tröstend um sie. Noch nie hatte sie sich je geborgen und geschützt gefühlt. Das in seinen Armen, die hart und muskulös waren, die vor roher Kraft strotzten, aber so behütend und sanft waren. Vollkommen widersprüchlich zueinander.
Minuten verstrichen, was wie Stunden vorkamen. Endlich fanden sie einen Rhythmus, was sie zum Luftholen brachte. Endlich konnten sie wieder atmen, aber ihre Herzen bekamen keinen normalen Schlag. Nicht nachdem was geschehen war, aber sie schlugen im gleichen Takt, was sie spürte.
Lucien schaffte es seinen Kopf zu heben. Immer wieder stockte ihr Atem dabei, wenn er sie nur anschaute. Voller Ehrfurcht und völliger Hingabe, blickte er sie mit leuchtenden goldenen Augen an. Ein nie gekannter Ausdruck.
„Oh ihr heiligen Götter, alle sollen mein Zeuge sein, du bist unglaublich und nichts macht mich stolzer, als dich an meiner Seite zu wissen. Vor dir verneige ich mich und werde dir immer untergeben sein.“ Was wie ein hochheiliger Schwur klang.
Ihr Mund öffnete sich völligen Unglaubens. Es war ein heiliger Schwur, der niemals zu brechen galt. Seine Ehre und Stolz würde es niemals zulassen. Zu mal in seinen Augen eine Ernsthaftigkeit und Leidenschaft mit schwang. Verunsichert schaute sie ihn an, nicht wissend was sie tun oder sagen sollte. Noch immer war er in ihr, noch immer hart und groß. Bekam sogar das Gefühl, als würde er weiter anschwellen, in ihr drinnen. Urplötzlich reagierte ihr Körper und wurde erneut geweckt. Erneut bereit für ihn, dabei sie vollkommen erschöpft.
Ohne damit gerechnet zu haben, zog er sich aus ihr zurück und setzte sich auf. Mit glühendem Blick schaute er sie an, als würde er ein zufriedenes Meisterwerk vor sich haben. Seine Gestalt und Aussehen, in diesem Kerzenschein, war unglaublich schön. All seine Züge waren wie reinste Kunst. Männlich und stark. Am liebsten hätte sie ihm gesagt, er solle sich neben sie legen, aber sie brachte ihre Lippen einfach nicht geformt. Zumal kein Ton heraus kommen würde. Ihr Mund und Hals fühlte sich trocken an. Ihr Leib energielos und kraftlos, lag sie wie ein Stein da. So fühlte sie sich auch.
Plötzlich sprang er vom Bett auf und rannte ins Bad. Gerade wollte sie fragen, wohin er ging, als er kurz darauf auch gleich wieder kam, mit einem Tuch in der Hand. Erst schaute sie ihn fraglich an, als er sich vor sie hinkniete. Da dämmerte es ihr, etwas feuchtes floss zwischen ihren Beinen. Behutsam wusch er sie, mit einer hohen Konzentration. Vorerst wollte sie sich dagegen weigern, aber gewährte ihn. Verhindern konnte sie nicht, dass ihr Röte in die Wangen schoss. Sie war peinlich berührt. Es war leicht kühl auf ihrer erhitzten Haut, aber es tat sehr gut.
Als er schien, es sei genug, legte er den Lappen zur Seite, legte er sich neben ihr und zog sie in seine Arme. Damit hatte sie nicht gerechnet, aber wieder tat ihr Körper das, was er wollte. Sofort schmiegte sie sich an seinen Körper, ihre Wange ruhte auf seine Brust, während sich ein Arm über seinen Bauch legte und ihre Beine sich miteinander verschlungen. Die Decke über sie gelegt. So geborgen und sicher.
„Danke. Vielen Dank.“ Drückte er sie fester an sich, als seine Worte in ihr sickerten und die Bedeutung daraus verstand.
Es war kein Danke, das sie ihm gewährt hatte Sex miteinander ihr zu haben. Oder das sie sich ihm hingegeben hatte. Es war ein Danke dafür, dass sie ihm das große Vertrauen geben hatte. Er wusste, dies war einer ihrer größten Schritte gewesen, Überwindung. Er wusste, es war nie leicht für sie gewesen.
Danach geschah etwas unglaubliches. Zum ersten Mal in ihrer ganzen Lebenszeit schlief sie ein. Noch nie war es vorgekommen, sie viel in einen tiefen Schlaf. Stets verbrachte sie ihr Leben mit offenen Augen, außer vom künstlichen Schlafe hervorgerufen. Diesmal fühlte es sich wohlig, warm und sanft an, als sie in eine Tiefe der Ruhe versank. Wissend, dass sie beschützt und behütet wurde. Zum ersten mal in ihrem zweihundert siebenundachtzig Jahren.
Endlich.
War es ihr letzter Gedanke gewesen, bevor sie sich komplett im Schlaf verfiel.
Voller Überraschung und Erstaunen, stellte er fest, Emmanline war eingeschlafen. Zum ersten Mal schlief sie von ganz alleine. Stets hatte er immer gedacht, sie könnte es nie. So war es genauso mit dem Essen, aber das sie jetzt schlief war eine verdammt große Vertrauenssache. Jetzt wusste er warum sie nie schlief, weil er jetzt ihre Ängste kannte. Sie befürchtete alles zu verlieren, sogar sich selbst. All das diente zu ihrem Schutze und er konnte es mehr als verstehen. Die Drachen waren an all ihrem Leid Schuld. Dies würde er ihr jetzt nehmen, die Angst.
Behütet schloss er sie in seine Umarmung. Seine Hand bewegte sich automatisch ihren Rücken rauf und runter. Richtete seinen Blick an die hohe Zimmerdecke, während er ihren leichten und regelmäßigen Atemzügen lauschte.
Überglücklich fühlte er sich und sein Herz floss vor Freude über. Es lag nicht daran, dass er endlich mit ihr Sex hatte und hier mit ihr im Bett lag. Es lag schlicht und weg daran, sie vertraute ihm. Ohne Bedenken.
Das sie sich geliebt hatten, war unbeschreiblich gewesen. Nie hatte er je so was mit einer Frau gefühlt, diese starke Verbundenheit. Kein Wunder, sie war seine Gefährtin und seine zweite Hälfte seiner Seele. Da musste er sich mit ihr verbunden fühlen, aber er würde es niemals als eine reine Selbstverständlichkeit hinnehmen. Niemals.
Kaum wissend wie viel Zeit vergangen war, musste er kurz wohin. Es widerstrebte ihm, aber da gab es etwas, dass er regeln musste. Jetzt da er seine Gefährtin wieder hatte, wollte er nur bei ihr sein. Jeden Tag würde er sich vergewissern, dass sie lebte und sicher war. Jeden Tag würde er ihr sagen, was sie ihm bedeutete. Jetzt war wirklich Schluss mit den großen Geheimnissen und dem Schweigen. Sollte sie aufwachen, würde Emmanline erfahren, sie war seine wahre und einzige Seelengefährtin.
Widerspenstig löste er sich von ihr und stand leise auf. Es wunderte ihn, das sie nicht wach wurde, aber anscheinend brauchte sie den Schlaf am dringendsten. Er würde wieder da sein, bevor sie erwachte. Dann sollte sie nicht alleine sein. Das wollte er auch nicht.
Schweren Herzens entfernte er sich vom Bett, denn würde er sie jetzt nur noch einmal anschauen, würde er sich sofort wieder zu ihr legen.
Suchend raffte er sich seine Kleidung zusammen, dabei sah er ihre zerstörte Kleidung an, was ihm ein kleines Schmunzeln abverlangte. Da war er ziemlich ungeduldig gewesen. Danach ging er dann kurz ins Bad, duschte sich schnell und als er raus kam, musste er doch noch einmal seinen Blick auf die schlafende Frau in seinem Bett richten, nahm er ihr ganzes Antlitz auf. Merkte sich jede Wölbung und Kontur. Auch wenn sie unter Seide lag, kannte er jeden Zentimeter ihres Körpers. Endlich war sie die Seine und so würde es verflucht nochmal bleiben. Nichts würde das mehr erschüttern können. Wahrhaftig gehörte sie ihm und das würde er ihr sagen und beweisen.
Ruckartig entriss er sich dem Bild seiner Frau vor ihm und verließ das Zimmer. Die Tür hinter sich verschlossen, knurrte er auf. Nicht mal eine Minute aus dem Zimmer, wollte er wieder kehrt machen, sich nackt ausziehen und sich zu ihr legen. Ihren herrlichen Duft einatmen, der langsam verblasste. Es schien erbärmlich aus zu sehen, aber empfand es als keineswegs so. Das war keine Schwäche.
Etwas grimmig und knurrig ging er den Korridor entlang, seine Miene düster. Je mehr er sich von dem Gemach entfernte, umso schneller kehrte seine Wut wieder zurück. Sein Drang sich zu rächen und Vergeltung zu üben, wog schwer in ihm. In der ganzen sechs Tagen hatte er keinen Gedanken daran verschwendet, wie er sein Urteil für diesen Verräter pfählte. Es würde hart werden, vor allem für Cyrill, aber darauf konnte er keine Rücksicht nehmen. Es würde seinen Krieger erschüttern und einen Verlust verspüren, aber so waren die Gesetze. Ein Angriff auf König und Königin war das höchste Verbrechen aller Delikte, die man begehen konnte. Das Töten an den Kinder und den jungen Bündel waren da fast auf gleicher Stufe. Jetzt würden harte Zeiten auf sie zukommen, er spürte es.
Keinen einzigen traf er auf den Gängen, aber er wusste, sie waren überall und sie wussten, er war unterwegs. Eine kluge Entscheidung ihm jetzt aus dem Weg zu gehen. Zusätzliche Störungen konnte er jetzt nicht gebrauchen. Seine Schritte waren groß und schnell durchquerte er den Korridor, bis er vor einer Tür trat. Es war eines der Versammlungssäle, genau wissend wer sich alles dahinter in diesem Raum befand. Ein Teil seiner Geschwister war hier und es wurde Zeit etwas zu unternehmen. Die Zeiten der Ruhe waren vorbei.
Ohne anzuklopfen trat er ein und blickte in die Runde. Cyrill, Charia, die anscheinend durch die Vorfälle zurückgekehrt sein mussten, Aiden und sogar Lya war hier anwesend. Diesmal waren die Zwillinge nicht dabei. Sofort rissen sie sich in die Höhe, als er reinkam und sie ihn erblickten. Doch welcher Anblick ihn am meisten überraschte, war Cyrill seiner. Nie hätte er gedacht das er sich hier aufhalten würde. Nicht nach allem was mit seinem Bruder geschehen war. Sein Freund gab sich professionell und resigniert. In ihm steckten große Schuldgefühle und es war für keinen unverkennbar.
„Lucien.“ War Lya die Erste, die etwas sagte. Er wusste, sie wäre am liebsten auf ihn zu gestürmt und hätte ihn umarmt, aber anscheinend bekam sie nicht wirklich eine Einladung dazu. Musste wohl an seinem Gesichtsausdruck liegen. Doch so war er jetzt nicht, darum gab er ihr eine einladende Geste, die sie sofort entgegen nahm, bis sie in seinen Armen lag. Lucien wusste auch, das Lya dies brauchte und er vermutlich auch etwas. Sie waren eben ein Volk der größten Körperprivilegien.
„Den Göttern sei dank.“ Blickte sie zu ihm rauf und er konnte ihre unausgesprochene Frage in ihren Augen lesen.
„Mir geht es gut.“ Blickte er dann in die kleine Runde.
Kurzes zögern. „Was ist mit Emmanline?“ War es Aiden gewesen, der fragte. Kein Wunder, selbst in ihm steckte die größte Sorge.
Sein Umfeld würde sowieso mitbekommen, wenn seine Seelengefährtin tot wäre, das er in einer ganz anderen Verfassung wäre. Er wäre nicht anwesend und noch nicht einmal hier. Darum würden sie es wissen, sie lebte.
„Ihr geht es gut und sie schläft.“
Entsetztes Luft holen. „Wie ist das möglich? Sie war tot gewesen.“ Kam Cyrill zu Wort. „Ich habe es gesehen.“
„Emmanline lebt und es wird verflucht noch einmal so bleiben.“ Dann wurde es wohl Zeit, dass sie einiges erfahren mussten. „In Emmanline steckt etwas, was ich noch nicht deuten kann. Sie ist nur zur Hälfte eine Elfe, aber ich bin mir unschlüssig was die andere Hälfte betrifft. Es muss etwas unbekanntes sein und ich werde es auch herausfinden. Einmal sagte sie zu mir, nichts und niemand könnte sie töten.“ Fand er es gut, das er die Tür hinter sich geschlossen hatte und dieser Raum war nun vollkommen dicht. Nichts würde nach außen gelangen. „Unsterblichkeit ist etwas natürliches bei uns, aber nicht so. Dieser Pfeil war mit einem Gift getränkt, welches genau das Gleiche wie bei Garett gewesen war. Das sagte sie zu mir. Es hätte uns töten können, aber nicht sie. Nicht was ich gesehen habe.“ Was ihm leichter ums Herz werden ließ, aber es machte die ganze Situation nicht besser. Nicht da sie ihr Leben geopfert hatte, wegen ihm.
Eine tödliche Stille ging durch den Raum, was ihm merkwürdig vor kam. Gerade wollte er nachfragen was los sei, als er sich dem Tisch näherte. Da fiel ihm ein Gegenstand auf, der auf dem Tisch lag. Sofort erkannte er was es war, der Pfeil der in Emmanlines Brust gesteckt hatte. Sein Gesicht verfinsterte sich.
„Den hat Garett uns zukommen lassen.“ Klang die Stimme seiner Schwester Charia sachlich und bereit. „Mit freundlichen Grüßen an dich und er wird sich mit dir in Verbindung setzen. Recht seltsam, wenn du mich fragst.“ Verengten sich ihre Augen.
Das war wohl die zweite Sache die er ansprechen musste. Da erzählte er die ganze Geschichte, während er sich setzte. Leicht war es keinesfalls, aber es stehen schwere Zeiten vor der Tür. Alles berichtete er, vom Kampf mit Garett bis hin zur Schlacht. Außer was im Zelt mit Emmanline vorgefallen war. Oder an der Quelle. Das ging niemanden etwas an.
Es kam zur Sprache, in welchem Zusammenhang es mit den Fae stand, der Krieg mit den Elfen, das Anzetteln zwischen Drachen und Lykae. Und das es weitaus schlimmer kommen würde, wenn ein ganzer Krieg in der Mythenwelt ausbrechen würde. Alleine durch die Fae und das störte ihn am meisten.
„Wir dürfen ihnen keine weiteren Gelegenheiten geben sich frei herauszunehmen, das sie machen können was sie wollen. Es wird Zeit das wir ihnen mal eine Grenze setzen. Darum habe ich mit Garett eine Übereinkunft beschlossen, dass wir uns in der Hinsicht zusammen tun. Wir wissen nicht was die Fae noch alles geplant haben und wen sie jetzt alles aufmischen. Diese Bastarde haben einen viel größeren Vorsprung als wie wir. Sie konnten schon viel mehr planen, als es uns möglich wäre. Und wer weiß wie viel. Da wir am Anfang stehen, bedeutet das auch, das wir klein anfangen und Kompromisse schließen müssen. Wie es der letzte König getan hatte.“ Sein Vater, der anscheinend schon längst geahnt haben musste, etwas würde passieren.
Lucien wusste, dass er gerade eine mächtige Bombe hatte platzen lassen, doch er musste es tun. Wenn sie nicht langsam damit anfingen, dann würde es alles einfach nur den Bach runter gehen. Sie konnten froh sein, nicht von den Lykae überrannt worden zu sein. Eine Menge Verluste hatten sie zu beklagen, aber nicht weil die Lykae es getan hatten. Da blieb die Frage: Seit wann konnten die Fae solch gute Täuschungszauber anwenden, ohne das sie es bemerkten?
„Also schlägst du einen Pakt zwischen uns und den Lykae vor?“ Runzelte Charia mit ihrer Stirn.
„Ja, ich hatte es vorgeschlagen. Wir können nicht ewig so weiter machen. Ich hatte auch schon mit Raiden darüber gesprochen. Verbündete wären in diesem Krieg genau das, was wir bräuchten. Wir wissen überhaupt nicht, was und wer uns angreifen würde. Die Lykae und die Engel sind eigentlich schon viel zu viel, sollten wir gegen sie einen Krieg führen. In der Zeit sind wir mehr als angreifbar. Niemals könnten wir es schaffen noch mehr abzuwehren und es würde uns vernichten. Eindeutig brauchen wir Verbündete. Garett hat eingewilligt und ich wäre ziemlich dumm, es nicht zu versuchen. Ihnen würde es genauso wie uns ergehen. Garett ist zwar nicht der König, aber solange Dyade abwesend ist, muss er selbst handeln. Es wird uns einfach nichts anderes übrig bleiben, nicht wenn wir unser Volk und Liebsten beschützen wollen. Es geht halt nur um Verbündete an unserer Seite. Garett wäre jetzt nicht dumm und würde uns in einen Hinterhalt locken, weil er selbst Verbündete und Verstärkung braucht. Auch sie haben eine Menge Opfer zu beklagen.“ Musste er es endlich einsehen, es ging nicht anders.
Geahnt hatte er es, dass sie im ersten Augenblick sprachlos waren, aber er wusste, sie würden genauso handeln wie er. Jeder wollte sein Volk schützen und die sie liebten. Es würde auf nichts anderes hinauslaufen. Außerdem müssten sie auf die Entscheidungen des Königs hören. Sie konnten ihm Ratschläge erteilen und sich dazu äußern, aber am Ende zähle die Aussage des Königs. Sie müssten und würden sich fügen müssen.
„Vielleicht ist es keine verkehrte Entscheidung. Es könnte wirklich nicht schaden, wenn wir Verbündete hätten. Wenn es wirklich stimmt und die Fae solche einen Hinterhalte planen, dann müssen wir es tun. Ich habe von den Überfällen in den Territorien der Lykae gehört.“ Klang die große Befehlshaberin aus Charia raus. Sie war klug und entschied sich in schwierigen Situationen auf kluge Art und Weise. Schon von klein auf wussten alle das sie dazu geboren wurde, um eine Streitmacht anzuführen. Er wäre sehr dumm, wenn er es nicht ausnutzen würde. Zumal sie solche Krieger und Kriegerinnen brauchten. Jeder einzelne war wichtig und unentbehrlich.
„Warum glaubst du daran, das die Lykae uns in keinen Hinterhalt führen?“ Wollte Lya es wissen. Es sprach die reine Sorge aus ihr heraus.
Cyrill kam ihm zuvor. „Weil Emmanline ihm das Leben gerettet hatte und wir ihn nicht getötet haben.“
„Wir müssen sie beschützen. Egal was kommt und vor allem vor Culebra.“ War es nicht seine Stimme gewesen, sondern Aidens. Womit er im stillen gerechnet hatte. Da war es an der Zeit etwas anderes mitzuteilen. Was andere als schockierend auffassen würden. Doch es musste sein.
„Ich habe euch noch etwas anderes mitzuteilen.“ Schloss er für einen kurzen Moment seine Augen und schaute dann jeden einzelnen an. Blieb dann aber ausdrücklich auf Aiden hängen. „Emmanline gehört allein mir, weil sie meine vorherbestimmte Seelengefährtin ist.“
Doch dann, er hatte nicht mit dieser Reaktion derer gerechnet. Er schaute in ihre Augen und erkannte, sie waren überhaupt nicht überrascht darüber.
„Da erzählst du uns nichts neues. Überall an dir haftet ihr Geruch und wir wissen, dass du sie als dein Eigen ansiehst. Außerdem ist das auch so nicht zu übersehen, nicht wie du sie anschaust und wie du dich um sie bemühst.“ Entstand ein Lächeln auf dem Gesicht seiner jüngsten Schwester Lya. Ihre azurblauen Augen strahlten voller Wärme und Glück für ihn, da wurde sein Herz schwer. Alle schienen ihn das zu wünschen, aber Aiden schien verbittert auszusehen. Natürlich würde es ihm nicht gefallen, da seine Gefühle für sie aufrichtig und ehrlich waren. Immer sah er ihn als einen Konkurrenten, aber ihm fiel jetzt auf, Aiden hatte nie etwas unternommen, obwohl er so darauf beharrt hatte um sie zu werben. Und ein weiterer Aspekt fiel ihm auf, Emmanline hatte nie ein Anzeichen gegeben, sich für Aiden zu interessieren.
Deshalb wunderte er sich auch, Emmanline fühlte sich zu ihm hingezogen, was durch ihre Verbindung verständlich war, aber es war keine Selbstverständlichkeit. Nicht was er ihr alles angetan hatte und trotzdem war sie bei ihm. Sein Respekt und seine Zuneigung zu ihr wurden immer größer und je mehr nistete sie sich in seinem Herzen ein.
Plötzlich stand Aiden auf. „Entschuldigt mich.“ Und verschwand ohne weiteres.
„Na, da hast du ja was platzen lassen.“ Meinte Charia, als sein Untermann aus der Tür verschwunden war.
„Und doch war es längst überfällig.“ Sagte sogar Cyrill etwas.
Es stimmte. Anscheinend schien es, alle warteten darauf, dass Lucien Emmanline öffentlich als seine Seelengefährtin und Frau ansah. Darum überraschte es ihn nicht, eine große Erleichterung befreite ihn, welcher Druck auf seiner Brust gelastet hatte. Er fühlte sich freier und offener. Jetzt würde auch niemand seine Gefährtin und Frau anrühren. Nichts dagegen unternehmen, weil sie ihm gehörte.
„Ich freue mich so für dich, mein Bruder.“ Lächelte Lya warm und herzlich. Sie gönnte es ihm von Herzen, weil sie wüsste, die Liebe war das größte im Leben, was man erfahren durfte. Vor allem, wenn der vorherbestimmte Gefährte oder Gefährtin demjenigen geschenkt wurde. Niemand würde sich dagegen wehren, weil es eine einmalige Chance im unendlichen Leben war. Diese Person war die zweite Hälfte, worauf sie im tiefsten Inneren immer gewartet hatten. Auch wenn damit niemand rechnet und sich davor sogar schützte.
Nun wusste Lucien, stets hatte er im heimlichen darauf gewartet sie zu finden. Er mochte niemals damit gerechnet haben, aber er hatte Emmanline so vieles zu verdanken. Unbewusst hatte sie ihn aus seine Höhle herausbekommen, wo er sich geschworen hatte immer zu bleiben, sich vor seiner Verantwortung drückte. Sie hatte ihn unbewusst dazu gebracht, endlich seiner Bestimmung den Thron zu besteigen, seiner Verpflichtung zum König. Sie hatte ihm unbewusst gezeigt wie wertvoll das Leben sein konnte und was es bereit hielt, welche wundervollen Dinge es gab. Er war so alt, schon immer sah er all die Dinge in der Welt, weil er schon alles gesehen hatte und es als für ihn eine reine Selbstverständlichkeit es zu kennen. Langsam war es ihm langweilig geworden. Darum konnte er nicht fassen, er ließ sich von ihr mitreißen und entdeckte alles neu und in einem ganz anderen Blickwinkel.
Oh ihr Götter, warum kann ich es nicht genug sagen, das ich ihr so verfallen und verloren bin? Sie ist mein Leben und ich bin glücklich darüber. Ich würde es niemals überleben, sollte sie mir je einmal genommen werden. Noch einmal werde ich es nicht ertragen, was ich in den letzten sechs Tagen erlebt habe. Es wird mich umbringen.
„Lucien, du solltest zu ihr zurück gehen. Sie wartet sicherlich auf dich.“
Wurde er gerade aus den Gedanken gerissen. Beinahe hätte er die Worte nicht verstanden, aber seine Schwester hatte Recht, er musste es. Da er ihr noch erklären musste, was sie für ihn war. „Ja.“
„Nimm dir die Zeit für sie. Sie wird es am Anfang brauchen.“ Was auch stimmte.
Und doch brauchte er irgendwie einen Moment. Schließlich wollte er es richtig angehen und nichts verkehrtes machen. Wie sollte er es ihr nur schonend beibringen und das sie nicht gleich abhaute? Es würde schwer werden, aber er gab sich selbst das Versprechen niemals wieder etwas vor ihr zu verschweigen.
Alle bemerkten, er würde noch einen Augenblick brauchen, also begaben sie sich alle nach draußen. Außer Cyrill schien nicht so schnell zu gehen. Er mochte zwar aufgestanden sein, aber auf halben Weg blieb er stehen und stand mit dem Rücken zu ihm gekehrt.
Eine drückende Stille lag zwischen ihnen, was für beide schwer war. Zwischen ihnen lag unausgesprochene Worte, aber am Ende mussten sie ausgesprochen werden. Lucien wusste auch, er selbst hatte in diesem Augenblick kein Recht zu sprechen. Cyrill musste den eigenen Antrieb haben, denn es war schwieriger als je gedacht.
„Ich kann mich nicht dafür entschuldigen, Lucien.“ Fand sein alter Freund endlich Worte. Er mochte ihm den Rücken noch immer zugewandt haben, aber sein Kopf senkte sich, als würde er sich schämen. „Nicht was mein Bruder getan hat.“ Erstickt klang seine Stimme.
„Ich weiß es, alter Freund.“
Erst da drehte er sich zu ihm um. Sein Gesicht wütend und ernst. „Wie kannst du es wissen?“ Wurde er lauter. „Ich bin sein Bruder, sogar Zwilling, aber nie hatte ich geahnt, er würde einen Verrat begehen. Immer dachte ich, ich kenne ihn, aber jetzt? Ich zweifle daran und an mir selbst, dass ich es nie bemerkt habe. Dabei bin ich der Ältere von uns beiden. Er hat dich, mich, uns verraten.“ Schüttelte er mit seinem Kopf.
Lucien stand auf und ging um den Tisch herum. Kurz vor ihm blieb er stehen und schaute ihn an. „Niemand hätte es je geahnt. Stets hatte ich ihm den größten Respekt geschenkt und ich war schockiert gewesen. Nicht dir gebe ich die Schuld, sondern Arokh. Mir tut es leid, aber um dich. Ich bin nicht blind, als würde ich nichts sehen, was du hättest geahnt und gewusst. Doch letzten Endes kann ich mein Urteil nicht zurück nehmen. Nicht mir gegenüber und vor allem vor Emmanline nicht. Sie wurde dadurch verletzt und...“ Konnte er es immer noch nicht aussprechen, obwohl sie jetzt wieder lebte und ihr Herz in der Brust schlug.
Cyrills Blick verzerrte sich voller Verbitterung. „Ich verlange nicht von dir das Urteil zurück zunehmen, weil es gerecht ist. Du hast allen Grund ein Todesurteil auszusprechen. Diese Frau ist deine Seelengefährtin und wenn sie stirbt, stirbst auch du. Du bist der rechtmäßige König. Ohne dich werden wir nicht überleben. So ist es nun einmal und es ist eine wahre Tatsache, die niemand ignorieren kann. In den paar Tagen hatte ich genug Zeit gehabt darüber nachzudenken. Ich liebe meinen Bruder über alles und ich weiß nicht wie ich das unseren Eltern beibringen soll. Sie werden am Boden zerstört sein, aber sie werden wissen, das es dein Recht ist.“
Sprachlos war wohl die richtige Definition dafür, wie er sich jetzt gab. Sollte er überhaupt was dazu sagen, denn das Gefühl hatte er keineswegs. Denn anscheinend war er auch noch nicht fertig.
„Auch wenn es mir widerstrebt und mir das Herz zerreißt, weiß ich doch, ich muss dabei sein. Ich muss sehen was mein Bruder ereilt.“
„Cyrill...“ Stockte ihm der Atem und er war geschockt von seinen Worten. Er würde niemals verlangen das er beim Tod seine Zwillingsbruder dabei wäre, nicht da sie schon ihr ganzes Leben zusammen waren. Sie standen Seite an Seite und beschützten einander.
„Bitte nicht Lucien. Ich muss es tun. Ich als der Älteste habe die Verantwortung für ihn und dies habe ich meinen Eltern damals geschworen, dass ich ihn beschütze. Für mein Versagen gegenüber meinen Eltern ist es meine Pflicht. Ich werde nicht meine Augen vor dem Verrat meines Bruders verschließen, egal wie gerne ich es nicht sehen möchte. Ich muss es einfach.“ Schien er keine Umstimmen zu akzeptieren.
Also hatte er kein Recht seine Entscheidung zu ignorieren, denn es war sein Wille. „So sei es.“
Ein gezwungenes Lächeln erschien auf dem Gesicht seines Freundes. Gequält und voller Reue. „Gestattest du mir nach dem Urteil nach Hause zurück zu kehren, damit ich meinen Eltern die Botschaft überbringen kann?“
„Cyrill, darum musst du mich niemals beten. Natürlich kannst du das. Bleib solange wie du es für nötig hältst.“
Gleich darauf schüttelte sein Gegenüber mit seinem Kopf. „Nein, ich will das nicht. Ich will keine so vertraute Umgebung mit all diesen Erinnerung. Nicht jetzt. Es würde mich zerstören und davor muss ich mich bewahren. Ich kann es mir nicht leisten. Nicht was uns bevor steht. Ich bin ein Krieger der an der Seite des Volkes kämpft. Ich will so schnell wie möglich zurückkehren.“
„Verstehe. Ich respektiere deine Entscheidung.“ Tat er wirklich.
„Danke.“
Lucien hatte das Gefühl, sein Freund war noch nicht ganz fertig. Er bemerkte es an seiner Haltung. „Was ist los? Willst du mir noch etwas sagen?“ Eigentlich war es nicht üblich von ihm, das er sich so zurückhielt. Ansonsten war er immer geradeheraus. Da dämmerte es ihn. „Glaubst du etwa, da dein Zwillingsbruder Verrat begangen hatte, das du genauso werden würdest?“
„Ich bin mir einfach nicht...“
„Hör auf.“ Unterbrach er ihn mit einem barschen Befehl. „Eines will ich dir sagen, Cyrill. Ihr mögt das gleiche Aussehen besitzen, das gleiche Blut in den Adern haben und aus dem gleichen Leib einer Mutter stammen, aber ihr seid dennoch grundverschieden. Arokh war immer der draufgängerische und der hitzköpfige. Warum glaubst du haben dich deine Eltern je darum gebeten, du sollst auf ihn aufpassen? Weil sie genau das befürchtet hatten. Doch du bist mehr der strategische und der logischer denkt, der alles umsichtiger sieht. Du bist genau das Gegenteil von ihm, aber ihr beide seid die fähigsten Kämpfer.“
„Das sagt noch nichts.“
Gut, das würde wohl jetzt reichen. „Dann knie vor mir nieder, schwöre deinem König gegenüber deine Treue und Dienste. Schwöre, das du bis zum Tod an meiner Seite kämpfst. Nicht für mich, sondern für unser Volk. Schwöre es Cyrill. Tue es, wenn du so von Zweifel zerfressen bist. Tue es sofort und das wird Beweis genug sein, dass du niemals ein Verrat begehen könntest. Dein Schwur und deine Ehre würden es dir verbieten. Tue es.“ Was kein Befehl war, denn es sollte aus freien Stücken geschehen.
Cyrill schien im ersten Augenblick überrascht und überrumpelt zu sein, aber kniete sich sofort nieder. Eine Hand legte er sich auf die Brust, genau über seinem Herzen und sein Kopf senkte sich auf seine Brust, tief und ergebend.
„Sofort schwöre ich meinem König und meinem Volk, stets mit Ehre und ohne Furcht zu verteidigen. Ich schwöre jedes Unheil abzuwenden, welches in meiner Macht steht. Ich werde mein Leben für all meine Liebsten und meiner eigenen Art und die zu uns gehören zu beschützen. Selbst der Gefährtin meines Königs, der Königin. Sollte ich je meinen Schwur brechen, sollte mich das gleiche Todesurteil ereilen. Alle Götter sollen Zeuge meiner Worte sein.“
Ein Lächeln entstand auf Luciens Gesicht und er hatte nichts anderes von seinem alten Freund erwartet. Schon viele Gefahren hatten sie gemeinsam gemeistert und sich schon oft aus den schwersten Situationen heraus gekämpft. Seite an Seite. Rücken an Rücken. Schwert mit Schwert. Mit Klauen und Reißzähnen. Es hätte vieles passieren können, aber nie haben sie sich in Stich gelassen oder sind feige davon gerannt. Das machte wahre Freundschaft aus und machten daraus fähige Kämpfer ohne Bedenken an einem Verrat.
„Erhebe dich, Cyrill. Beschützer aller Wehrlosen und Unschuldigen.“ Dabei legte er seine Hand auf der Brust, direkt über seinem Herzen. „Dein Schwur soll tief in mir verankert sein und niemand wird deine Ehre infrage stellen. Die Götter waren deiner Worte Zeuge und sollte dein Schwur je gebrochen werden, erwartet dich deine angemessene Strafe. Besiegle deinen Schwur mit deinen und meinem Blut.“ Zog er eine kleine Klinge aus seinem Gürtel, der um seine Hüfte geschlungen war. Mit einem Schnitt, schnitt er einen länglichen Streifen über seine inneren Handfläche. Danach streckte er seine blutige Hand aus und mit der anderen überreichte er den kleinen Dolch. Cyrill nahm die Klinge in seine Hand, schnitt ohne Zögern seine Handfläche auf. Ohne jegliche Unschlüssigkeit schlug er ein. Blut vermischte sich mit Blut.
Ein Blutschwur war das Heiligste in seinem Volk, denn nichts und niemand könnte es je brechen. Es war bindend wie das Leben, nur der Tod könnte es beenden.
„Ich danke dir.“ Entstand diesmal ein ernsthaftes Lächeln auf seinen Lippen.
„Immer.“
Danach ging Cyrill wirklich und Lucien stand ganz alleine an Ort und Stelle. Ihm machte es wirklich nichts aus mit ihm einen Blutschwur eingegangen zu sein. Dabei war es sein erster und es fühlte sich eigenartig an. Nicht schlecht oder auf anderer Art negativ. In seinen Adern rauschte jetzt Blut, was sonst nicht sein eigenes war. Er konnte es deutlich spüren und wenn er ehrlich war, dann fühlte es sich unglaublich an. Es war eine starke Verbundenheit, denn dadurch spürte er, welche Treue in Cyrill herrschte. Zu ihm und seinem König. Sollte seinem Freund je etwas geschehen, er würde es mit Sicherheit wissen, weil er seine Präsenz in ihm spürte. Wirklich unglaublich.
Nach all dem hin und her, vor allem vom vielen Nachdenken, musste er endlich wieder zu Emmanline zurück. Ein großer Drang stieg in ihm auf, wie ein Magnet aufgeladen. Das negative wollte unbedingt zum positiven Pol. Er war schon zulange weg gewesen, was sich für ihn wie Tage anfühlte. Darum waren seine Schritte gleich noch größer und schneller, bis er vor der Tür stand.
Nervosität kroch in ihm empor, vor lauter Aufregung und Empfindungen. Ganz genau konnte er spüren, wenn er jetzt dieses Zimmer betrat, würde sich vieles verändern. Sein ganzes Leben und seine Persönlichkeit. Eine Klarheit würde sein Wendepunkt sein, welches Emmanline bestimmen würde. Schon jetzt tat er alles für sie. Wie würde es danach aussehen? Würde sie alles akzeptieren, was er sagte und versprach?
Denn nicht nur sein Leben würde sich vollkommen verändern, sondern gleich ihres mit.
Vielleicht lag es daran, warum er sich schwer tat in dieses Zimmer zu gehen. Es war die Angst die in ihm lauerte. Sollte Emmanline ihn zurückweisen, was dann? Was würde er dann machen? Eins wusste er schon von Anfang an, er würde kämpfen und sie am Ende sogar umwerben. Nur damit sie ihm endlich gehörte. Als Frau und Gefährtin. Wie sehr er sich das doch wünschte.
Seinen ganzen Mut zusammennehmend drückte er die Türklinke herunter und trat ein. Doch was er vorfand war ein leeres Bett. Im ersten Augenblick blieb sein Herz stehen und sein erster Gedanke, war sie wieder davon gelaufen?
Als er aus dem Bad Wasserrauschen hörte, da spürte er erst, sie war nicht fort gelaufen. Im Raum konnte er einen undefinierbaren Duft aufnehmen, welchen er nicht zuordnen konnte. Vorsichtig und bedacht betrat er das Bad. Hitze und eine Dampfwolke kam ihm entgegen. Er hatte kaum Sicht, der Spiegel beschlagen und die Luft drückend.
„Emmanline?“ Keine Reaktion. Er wusste, sie war in der Dusche, aber reagierte nicht auf ihn. Hier stimmte etwas nicht.
Noch immer vorsichtig und bedacht, wagte er sich zur Duschkabine vor, die geschlossen war. Langsam schob er die Tür auf und was er da sah, schockierte ihn zu tiefst. Nackt und zusammengekauert saß sie auf einer kleinen Bank, die in der Dusche ein intrigiert war. Heißes Wasser prasselte auf ihr Haupt, ihre ganzen Haare klebten überall an ihrem Körper und ihre Haut war leuchtend rot. Er wusste, dass es nicht nur vom heißen Wasser kam. Da war viel mehr.
„Oh mein Gott, Emmanline.“ Ging er ohne zu zögern mit all seiner Kleidung unter den Wasserstrahl und hockte sich vor ihr hin, während er das heiße Wasser abstellte. „Was ist passiert?“ Wollte er sie berühren, aber sofort zuckte sie vor ihm zurück.
„Fass mich nicht an.“ Klang sie verletzt und verbittert. Ihr Blick deutete nichts anderes, als sie auf seiner Augenhöhe war und ihn direkt anschaute.
Lucien verstand nicht wirklich was auf einmal los war. Vollkommen aus der Fassung geraten, blickte er sie nur stumm an. Sein Herz rutschte ihm irgendwie in die Hose und er kam sich hilflos vor. Was war geschehen? Irgendwas schien Emmanline aufgewühlt zu haben und er wollte verdammt noch einmal den Grund wissen.
„Sag es mir. Was ist passiert?“ Da kam ihm eine Erkenntnis und er zog scharf die Luft ein. „Habe ich dir weh getan?“ Blickte er an ihrem Körper rauf und runter. Er entdeckte keine äußerlichen Verletzungen, also musste es von irgendwo in ihr drinnen kommen. „Sag es mir, bitte.“ Wirkte er immer verzweifelter.
„Lass mich gehen.“ Flüsterte sie heiser. „Du hast das bekommen was du wolltest.“
Konnte er jetzt noch entsetzter aussehen? „Wovon sprichst du? Ich kann dich nicht gehen lassen. Nicht jetzt.“ Wurde er ernst.
„Tue nicht so. Du weißt ganz genau wovon ich rede.“ Stieß sie wütend gegen seine Brust. „Du hast es jetzt bekommen, dann lasse mich gehen, wie du es versprochen hast.“
Plötzlich dämmerte es ihm, was sie meinte. „Verdammt...“ Rieb er sich mit seiner Hand schmerzhaft über die Brust. Jetzt verstand er und fühlte sich mies dabei. Erinnerungen an die Anfangszeit blitzen in ihm auf. „Es hat sich geändert, Emmanline. Alles hat sich geändert.“ Wollte er sie am liebsten berühren, aber er wusste, sie würde es jetzt nicht ertragen.
„Du elendiger Lügner. Du hast es versprochen, du lässt mich gehen, wenn ich mit dir ins Bett gehe. Gebe dich mir nur einmal hin und ich werde dich gehen lassen. Nur einmal. Das waren zum Teil deine Worte. Jetzt da wo du mich haben wolltest, lass mich gehen.“ Sackte sie verzweifelt in sich zusammen.
Nun war es aller höchste Zeit die Wahrheit zu sagen, bevor es zu spät wurde. „Ich kann dich nicht gehen lassen, wie oft ich es versuchen würde. Es stimmt, dass habe ich zu dir gesagt, aber alles hat sich verändert. Vieles, welchen Ausmaß ich noch nicht messen kann. Aber eines weiß ich gewiss, ich will dir nahe sein. Immer und überall. Ich will dich nirgendwo anders wissen wollen, als nur an meiner Seite. Jeden Gott verdammten Tag und jede Nacht. Du bist mir wichtig geworden und hast dich in mein Herz geschlichen. Dies und noch viele weitere Gründe bestätigen das, aber vor allem aus einem ganz wichtigen Grund.“ Kam jetzt das, was er ihr die ganze Zeit sagen wollte. Nichts könnte ihn jetzt aufhalten. Bei jeder weiteren Störung und er würde demjenigen in Stücke reißen.
„Dieser wichtige Grund, warum ich dich nicht gehen lassen kann, ist, du bist meine vorherbestimmte Seelengefährtin.“
Gerade fragte sich Emmanline, ob sie sich da gerade nicht verhörte. Das konnte nicht sein. Nein, nur nicht das. Alles andere, aber wahrhaftig nicht das.
„Nein, das kann nicht sein.“ Fühlte sie sich total schockiert und bewegungsunfähig. Sie konnte ihn einfach nur anstarren und sie versuchte herauszufinden, ob er nur scherzte oder sie veralbern wollte. Nur das Problem daran war, nichts an seiner Haltung oder seinem Gesichtsausdruck konnte darauf hindeuten, er machte Scherze. Oder? Doch Lucien meinte es vollkommen ernst.
„Dennoch ist es so. Du, Emmanline, bist meine vorherbestimmte Seelengefährtin. Niemand anderes.“
„Nein. Nein. Nein.“ Fing sie sich an zu wehren und stritt es immer wieder ab. Das konnte sie nicht akzeptieren und sie wollte es nicht hören. Fest presste sie ihre Hände auf ihre Ohren und kniff ihre Augen zu, weil sie versuchte sich von all dem abzuschotten, was er ihr sagen wollte. Dachte daran zurück, wie sie sich gefühlt hatte, als sie alleine im Bett aufgewacht war.
Noch nie hatte sie sich so gefühlt, zufrieden und entspannt. Sie wusste noch alles ganz genau, wie sie empfunden hatte. Wie weich es unter ihr gewesen war, von Wärme eingehüllt und da war dieser Geruch. Wie sehr sie es mochte sich darin zu wälzen. Immer gab ihr dieser Duft Geborgenheit und Schutz. Je mehr sie sich davon umhüllen ließ, umso mehr fühlte sie sich behüteter und beschützter, als würde nichts und niemand sie erreichen.
Emmanline wusste, sie dürfte es nichts zulassen, aber was zählte dieser eine Augenblick? Dabei gab es diese Momente immer mehr, aber diesmal schwor sie sich, es würde der Letzte sein. Es sollten keine weiteren Hoffnungen und Empfindungen geben. Nicht wenn sie sich selbst zerstören wollte. Allein durch ihre Abwehr konnte sie sich schützen, denn nichts und niemand sollte je an sie heran kommen.
Darum, nur einmal wollte sie es wissen und erleben, wie es heißt umsorgt und behütet zu werden. Nur einmal hatte sie dies spüren dürfen, aber war in Vergessenheit geraten. Ihre Mutter war so gewesen, mit viel Liebe und Wärme. Auch wenn sie sich kaum daran erinnern konnte, aber sie war noch immer in ihr Präsenz und ihre Stimme verhallte nie in ihr. Dies war ein Grund, warum sie im Hier und Jetzt war.
Träge und müde machte sie ihre Augen auf. Immer noch lag ein leichter Müdigkeitsschleier auf ihr. Einmal gähnte sie und dann ein zweites Mal. Als sie ihre Augen noch einmal schließen wollte, erstarrte sie und riss ihre Augen weit auf. Ihr Herz setzte aus und schreckte schockiert in eine sitzende Position auf.
„Heilige Götter...“Zitterte sie am ganzen Körper. „Eingeschlafen? Ich bin eingeschlafen? Das kann nicht sein. Ich schlafe nie.“ Redete sie mit sich selbst und schüttelte ihren Kopf, als wollte sie einen Irrtum abschütteln.Gerade als sie dachte, sie schaffte es, kam der nächste Schlag in ihr. Einzelne Bilder flackerten in ihrem Kopf auf, die sich rasend schnell in einzelne Szenen zusammen setzten, bis es zu einem einzigen Film vor ihrem inneren Auge abspielte.
Zuerst wurde sie bleich, als sie daran dachte, wie verschlungen sein und ihr Körper miteinander gewesen waren. Wie sie sich geküsst hatten, voller Wildheit und Intensität. Nackt verbunden und sie hatte es wirklich getan. Dabei hatte sie sich geschworen, nie etwas mit ihm anzufangen oder mit ihm die Zeit im Bett zu verbringen. Sie hatte tatsächlich mit ihm geschlafen und das nicht nur neben einander zu liegen. Ihre Körper waren miteinander verschmolzen gewesen und er tief in ihr drinnen.
Emmanlines Kopf wurde von kalkweiß, zu rot glühend. Ihre Wangen brannten vor Scham und am liebsten würde sie sich irgendwo verkriechen. Am besten weit weit weg, wo niemand sie finden würde. Für ihr restliches unendliches Dasein. Für immer.
Was sollte sie jetzt tun? Wie könnte sie ihm je wieder in die Augen sehen, ohne die ganzen Bilder in ihrem Kopf zu sehen?
In ihren Gedanken und Gefühlen verstrickt, riskierte sie einen Blick neben sich. Er müsste neben ihr liegen, aber könnte sie es ertragen, ihn jetzt anzusehen? Sie konnte einfach nicht anders, denn in ihr drängte es, sich zu ihm zu wenden. Würde er noch schlafen? Oder war er schon wach?
Was sie sah, sollte sie eigentlich nicht schockieren, aber warum tat es genau das, weil er nicht mehr neben ihr lag? Lucien war nicht mehr neben ihr. Anscheinend hatte er sie verlassen und ein scharfer Schmerz machte sich in ihrer Brust breit. Nicht mehr ertragend, wandte sie ihren Blick ab. Sie hätte es wissen müssen, dass er sie verlassen würde. Jetzt da er das bekommen hatte, was er von Anfang an wollte. Jedes einzelne Wort kam ihr in Gedanken, wie sehr es ihn dazu gedrängt hatte, sie ins Bett zu bekommen. Nur einmal, hatte er gemeint.
Wie oft hatte er ihr gegenüber gezeigt, er wollte sie genau hier haben, bevor er sie fallen ließ. Es sollte ihr mehr als bewusst sein, aber warum tat es dann so weh?
Lucien hatte nie ein Hehl daraus gemacht, er wollte genau das und er hatte nie gezeigt, sie wäre etwas besonderes für ihn. Sie war nur irgendeine Frau, die zu einen seiner Trophäen gehörte. Dieser Mann holte sich Frauen ins Bett, welche sofort wieder fallen gelassen wurden. Nicht nur von ihm allein wusste sie es, denn Aiden hatte sie auch davor gewarnt wie er war. Ein reiner Verführer.
Als sie ihren Körper bewegte, zog sich ein leichter Schmerz von ihrem Unterleib aufwärts. Da dachte sie an die Vereinigung, während er in sie drang. Am Anfang hatte es geschmerzt und sie wäre am liebsten davon gelaufen. Nach einer Zeit, als er sich in ihr bewegte, entstand ein eigenartiges und wohliges Gefühl, das ihren ganzen Körper zu erzittern brachte. Heiß hatte sie es durchfahren und konnte ab diesem Augenblick sich nicht mehr dagegen wehren. Auch wenn sie es nicht zugeben wollte, aber sie hatte es genossen. Aus diesem Grund hatte sie sich ihm hingegeben. Den Empfindungen ergebend.
Nicht mehr länger im Bett liegend, stand sie auf. Erst war sie zittrig auf ihren Beinen, bekam ihr Gleichgewicht aber zurück. Was sollte sie jetzt tun? Sie wollte von hier weg, all dem entgehen. Emmanline schaute auf den Boden und entdeckte ihre Kleidung, die zum Teil zerrissen waren. Wieder hätte sie Scham verspüren müssen, aber diesmal kam nichts. Rein gar nichts.
Niemals hätte sie sich auf diese Empfindungen einlassen dürfen, denn sie hatte es gewusst. Gewusst, hier zu enden. Nun bekam sie die Quittung dafür, das sie nur ein einziges Mal die wohlige Wärme und das Behütete spüren wollte. Da sie nun wieder alleine dastand mit all diesen Chaos in ihr, musste sie damit leben. Sie war ja so was von dumm gewesen, je glauben zu können, es gäbe jemand in ihrem Leben, der anders als alle Andere sein könnte. Jemand, für dem sie wichtig wäre. Jemand, der sie mochte und beschützte, weil sie es selbst war.
Sie fühlte sich unendlich schmutzig und musste sich unbedingt rein waschen. Ob sie es je hinbekommen würde, war fraglich, aber sie wollte es versuchen. Ohne auch nur zu denken, begab sie sich ins Bad und stellte die Dusche auf heiß. Ihre Kleidung musste sie sich nicht entledigen, da sie schon nackt war. Sie musste sich rein waschen, von ihrer Vereinigung und ihren Gedanken.
Schon lange spürte sie nicht mehr das kochende Wasser auf ihrer Haut, was auf ihren Kopf und Körper hinab floss. Als wäre jegliches Empfinden aus ihr verschwunden.
Plötzlich gelangte sie in einem Tief, dass sie einfach nicht auf den Beinen halten konnte. Darum war sie froh, hinter sich eine kleine Bank zu haben, wo sie sich hinsetzen konnte. Ihr ganzes Leben geriet aus den Fugen und sie wusste nicht einmal, wie schnell das überhaupt passieren konnte. Dabei hatte sie auf alles genau geachtet, ja nicht in irgendwelche Schwierigkeiten zu geraten. Sie stand sowieso schon auf einer Klippe in den tiefen Abgrund.
Sie war ja so unglaublich dumm und das sie sich da hineinsteigerte, war das Schlimmste an der ganzen Sache. Irgendwie hatte es ihr etwas bedeutet, was zwischen ihm und ihr vorgefallen war. Sie war keinesfalls anhänglich oder begierig, aber für sie war es ein besonderer Augenblick gewesen. Wie dumm es auch klang, doch sie steckte in Schwierigkeiten. Nie hätte sie auf die Worte ihrer Mutter hören dürfen, die ihr eigentlich viel bedeuteten. Genau darum steckte sie jetzt hier fest. In all dem Chaos ihrer Gefühle.
„Du lügst.“ Kam sie in die Gegenwart zurück und stritt es weiter ab. „Ich kann es nicht sein. Ich bin keine aus deinem Volk. Du irrst dich.“
Anscheinend schien ihm das nicht zu gefallen und er zeigte es ihr auch. Doch, er wurde nicht wütend oder schrie sie an. Er war die Ruhe selbst.
„Glaubst du, es interessiert mich, ob du aus meinem Volk bist oder nicht? Für mich spielt es absolut keine Rolle, weil du meine Seelengefährtin bist. Nicht jedem wird dieses Glück zuteil, sein Gegenstück zu finden. Hat man jedoch das Glück, würde nie derjenige dumm genug sein, dieses Geschenk nicht anzunehmen. Ob wir es glauben oder nicht, keiner würde sich dagegen wehren, weil es etwas kostbares ist.“ Sprach er sanft und hob seine Hand um sie zu berühren, aber stoppte, weil er sich nicht sicher war, ob sie es wollte.
Emmanline konnte es nicht glauben, was er ihr da erzählte. „Warum ich?“ Schaute sie ihn skeptisch an.
„Es geht hier nicht um das Warum, Emmanline. Du wolltest doch einmal wissen, warum es so leicht war, dass wir Kontakt zueinander aufbauen konnten, nicht wahr?“ Nickte sie, weil er darauf wartete. Schließlich wollte sie es noch immer wissen. „Ich hätte es damals schon sehen müssen. Alles hatte darauf hingedeutet. Der leichte mentale Kontakt, die starke Anziehung zu dir, mein Drache, der in mir unruhig wird, sobald er dich sieht. Oder mein großer Drang dich vor alles und jeden zu beschützen. Zumal verspüre ich jedes Mal, wenn ich dich mit einem anderen Mann sehe, pure Eifersucht und ich würde jeden am liebsten in Stücke reißen, die dich nur schief anschauen oder berühren. Ich kann einfach nicht anders, weil du es bist. Nur allein du und weil du meine Seelengefährtin bist.“
Fassungslos schaute sie ihn an, sprachlos und entsetzt zugleich. Warum konnte sie aus seinen Worten und seiner Art, wie er sich jetzt gab, nur reine Ehrlichkeit entnehmen? Warum straften seinen Worten keine Lügen?
War es nicht das, was sie sich erhofft und gewünscht hatte? Noch heute morgen oder der letzten Nacht? Nur einmal hatte sie sich gewünscht geborgen und behütet zu fühlen. So hatte es sich, als sie immer zusammen gewesen waren, stets angefühlt. Behütet und beschützt.
Dieser Mann gab ihr all das und sie wehrte sich dagegen. Wie gerne würde sie ihn wegstoßen und keines seiner Worte glauben schenken. Sie könnte es so leicht tun, ihren Blick davon abwenden und sich einfach dagegen wehren. Vielleicht konnte sie es nicht mit Kraft, aber mit ihrem Verstand schon.
Nur, so einfach war es leider nicht. Wenn sie könnte, würde sie es vermutlich sofort tun. Aber, ob sie wollte oder nicht, sie konnte es einfach nicht.
„Du spürst es, Emmanline. Du fühlst genau die gleiche Anziehungskraft wie ich. Uns beiden verbindet etwas miteinander und es wird nicht weniger. Im Gegenteil, immer stärker. Sei ehrlich zu mir und zu dir selbst.“
Ihr Kopf war wie leer gefegt und ihre Energie verschwand mit einem Mal aus ihrem Körper. Unsicherheit war jetzt das, was sie erfasste. Es stimmte, sie spürte es, diese Anziehungskraft. Auch sie wollte ständig bei ihm sein und es wurde immer schlimmer. Je länger sie von ihm getrennt war, umso unerträglicher wurde es.
„Das ist alles so viel.“ Fing sie irgendwann in der Stille an zu sprechen, nachdem sie ihre Stimme wieder gefunden hatte. „Ich weiß nicht was ich denken soll. Geschweige tun. Du erzählst mir all das von Anziehungskraft, die Nähe und Wichtigkeit. Woher soll ich wissen, dass dies alles ernst gemeint ist und nicht nur Lügen?“ Legte sie ihre Hände vor ihr Gesicht, als könnte sie sich so vor allem abwenden, doch ohne Erfolg.
Sanft wurden ihre Hände gepackt und von ihrem Gesicht genommen. Ihr Blick traf in warme braun goldene Augen. Darin könnte sie immer versinken, obwohl sie es nicht durfte. Sein Blick durchbohrte sie, seine Stirn stieß leicht gegen ihrer.
„Alles was ich sage und in letzter Zeit meine, meine ich vollkommen ernst. In meinem Leben ist mir keine Frau wie dir begegnet. Ich weiß, es klingt eigenartig aus meinem Mund, aber du hast mich verändert. Alles hat sich verändert. Du hast mir etwas gezeigt, was ich schon längst vergessen habe, wie wichtig und wertvoll das Leben sein kann. Ich tue Dinge, die ich sonst nie tue oder getan habe. Jedes einzelne Wort, was ich dir sage, ist vollkommen ernst gemeint. Warum sollte ich dich in dem Sinne belügen? Welchen Zweck hätte es für mich?“
„Mein Geheimnis.“ Sagte sie prompt, denn genau das war es, was er immer von ihr haben wollte. Lucien wollte ihre tiefsten Geheimnisse wissen, die sie ihn nicht verraten konnte.
„Ok, das ist ein Grund, aber ich will dir gleich im vornherein sagen, ich habe es nicht nötig durch Lügen an meine Ziele zu kommen. Zumal ich ohnehin nicht mehr daran gedacht hatte. Jedenfalls in letzter Zeit nicht. Es stimmt, ich würde deine Geheimnisse sehr gerne wissen, weil ich neugierig bin, aber auch nur, weil ich alles über dich wissen will. Dich als ganze Person und damit ich dich beschützen kann. Mir liegt nichts lieber am Herzen, als wie deine Sicherheit und dein Glück. Das schwöre ich bei meinem Leben und meiner Ehre.“ Sprach Lucien weiter und weiter.
Ja, sie war sprachlos und wusste irgendwann keine Argumente mehr, die sie hervorbringen konnte. „Woher willst du wissen, dass du meiner nicht irgendwann überdrüssig wirst? Woher soll ich das wissen? Ich könnte dir nie das geben, was du jemals willst oder brauchst. Eines Tages würdest du es bereuen und gehst wie alle anderen.“
Ein kleines Lächeln entstand auf seinem Gesicht. „Das würde niemals passieren. Du weißt, geprägte Partner könnten nie einander schaden oder verlassen. Seelengefährten sind bis zum Lebensende miteinander verbunden und erst der Tod könnte sie trennen. Niemals könnte ich dich verlassen oder betrügen, weil es ein Teil in mir nicht erlaubt. Es liegt in der Natur, das gebundene Paare nie einander betrügen können. Zumal will ich das auch nicht. Ich will dir gehören, sowie ich will, das du mir gehörst. Verstehst du nicht, Emmanline, ich will und brauche dich an meiner Seite, weil du mir ungeheuer wichtig geworden bist.“ Hauchte er bei jeden seiner Aussagen Küsse auf ihr Gesicht. Überall wo sie ihn spürte, wurde es warm. „Ich werde es dir jeden Tag beweisen. Jeden vereinzelten Tag, bis ich mein Leben ausgehaucht habe. Mir ist es egal was andere darüber denken, solange du mir glaubst und vertraust, ich würde dich niemals verletzen oder je verlassen.“
Lucien hörte mit seinen ganzen Zärtlichkeiten nicht auf und sie ließ es einfach zu. Alles saugte sie wie ein Schwamm in sich auf. Seine Worte, Berührungen und Kundgebungen. Nur ohne Beweise könnte sie ihm nie wirklich glauben, aber dafür müsste sie ihm diese Chance geben, damit er ihr das beweisen konnte.
„Wie...willst du das beweisen?“ Wollte sie es schon gerne wissen.
„Oh, Emmanline...“ Küsste er sie mit all der Leidenschaft die er hatte und sie spürte, es war nicht wenig. In ihm brannte das gewisse Feuer, was sie zum entbrennen brachte. „Ich werde dir jeden Tag sagen, wie schön du bist und wie wichtig du mir bist.“ Berührte er sie überall.
Atemlos konnte sie nicht anders, als sich ihm hinzugeben. Ihre Gegenwehr war gleich null, weil sie gegen ihn einfach keine Kraft mehr aufbringen konnte. Eigentlich wollte sie es auch nicht mehr, denn all was dieser Mann ihr gab, wollte sie haben. Einfach alles. Eines Tages würde sie es vermutlich bereuen, aber warum sollte sie jetzt daran denken und es nicht einmal in ihrem Leben genießen, was sie sich wünschte und bekommen wollte? In ihrem ganzen Leben musste sie auf alles verzichten. Es stimmte, die Drachen haben ihr alles genommen und sie müsste sie aus tiefsten Herzen hassen. Doch sie hatte sich dem Gefühl niemals hingegeben, all das zu verspüren, weil sie selbst das nie verdient hatte. Sie wollte sich nie die Mühe machen oder die Energie dafür verschwenden, weil es sich nie lohnte. Denn eines Tages würde sie sich selbst dafür hassen, das sie Hass für all das empfand. Darum war es besser überhaupt nichts zu empfinden.
Seit sie hier bei ihm und all den anderen Drachen war, konnte sie es eigentlich noch nicht akzeptieren, dass sie anders waren. Nur musste sie es langsam einsehen, sie waren anders und sie hatten eine gute Seite. Culebra war das abgrundtiefe Böse, was keine Scheu kannte, den Weg mit Blut und Leichen zu pflastern. Dies hatte sie unzählige Male gesehen und auch am eigenen Leib gespürt.
Sofort verbannte sie all die schrecklichen Gedanken und Bilder, weil sie die in diesen besonderen Moment nicht haben wollte. Nicht während er sie so berührte und fühlen ließ. Sie wollte es nicht zerstören, was Lucien mit ihr tat. Diese ganzen Empfindungen und Augenblicke sollte sie auskosten und genießen, weil es jeden Tag zu Ende sein könnte. Alles war vergänglich und sie wusste es nur zu gut wie das war.
Lucien hatte sich zwischen ihren Beinen gedrängt und sie bemerkte erst jetzt, er hatte sich seiner ganzen Kleidung entledigt.
Wann hatte er das denn getan?
Dachte sie in sich hinein, denn sie hatte es überhaupt nicht bemerkt. Als sie sich erneut ihm so hingab, wusste sie noch etwas, sie hatte sich sehr verändert und sie würde nie wieder so sein, wie sie einst gewesen war. Nicht nach allem was geschehen war.
Letzte Nacht hatte er beteuert, sie sei sein Untergang und es traf auch auf sie zu. Dieser Mann, sollte je etwas mit ihm geschehen, es würde sie genauso treffen. Jetzt wo sie darüber nachdachte, setzte sich ein Puzzleteil nacheinander zusammen. Den Tag im Lager, als sie in seine Arme gerannt war, ohne auch nur an irgendwelche Konsequenzen zu denken. Oder als sie ihn warnen wollte, weil er in Gefahr geschwebt hatte. In ihr kamen Erinnerungen hoch, die sie warnten und somit hatte sie ihr Leben riskiert, nur damit er sicher war. Oder all die anderen Momente, während sie ihre Zeit auf dem Anwesen verbrachte. Sie hatte vieles mit angesehen und auch geholfen, wo sie manchmal konnte. Ohne sich Gedanken darum zu machen, was sie da anrichtete oder sich selbst gegenüber.
Emmanline war es mehr als bewusst, was es bedeutete, die Seelengefährtin eines Drachen zu sein. In ihrer Gefangenschaft hatte sie vieles gesehen und gehört, wusste daher auch, Drache die geprägt waren, ließen niemals sein Gegenstück ziehen. Egal was geschah, sie waren auf die Bindung so fixiert, weil eine unbekannte Kraft sie dazu zwang sich mit dessen Partner zu vereinen. Egal was passieren würde, keiner von beiden Seiten könnte sich gegen diese Bindung wehren. Egal wie sehr sie es nicht wollten.
Wollte sie all das hier? Um ehrlich zu sein, ja sie wollte es. Nur ein einziges Mal in ihrem Leben wollte sie sich verlieren und gehen lassen. Dieser Mann vor ihr konnte es. Bei ihm konnte sie sich verlieren und all das sein, was sie schon immer sein wollte. Begehrt und nur die Eine zu sein.
Keine Zweifel lagen daran, er könne sie jemals betrügen oder sitzen lassen, weil es seine Prägung zu ihr niemals zulassen könnte. Fraglich war es dann nur, ob er es freiwillig tat, nicht weil er dazu gezwungen wurde. Immerhin wollte sie nicht schon wieder ausgenutzt fühlen. So fühlte sie sich im Augenblick auch gar nicht, weil er sie zu nie etwas drängte, sondern immer darum bat, als wäre sie ihm gegenüber eine
Gleichberechtigte.
„Ich will eines noch wissen.“ Verlangte sie atemlos.
„Alles was du willst.“ Unterbrach er nicht seine Küsse auf ihrer Haut.
Sie verlor noch den Verstand. „Ich weiß wie stark eine Prägung sein kann.“ Schluckte sie hart, um sich zu wappnen, die nächsten Worte auszusprechen. „Man wird dazu gezwungen sich dem Partner hinzuge...“
„Falls du wissen willst...“ Unterbrach er sie barsch, während seine Augen wie ein Feuer glühten. „...das ich dazu gezwungen werde dir so nahe zu sein, muss ich dich leider enttäuschen. All das hier was ich mit dir tue, geschieht alles aus meinem freien Willen heraus. Ich will dich, Emmanline. Ich würde dich auch wollen, wenn es zwischen uns keine Bindung gäbe.“ Stellte er alles klipp und klar.
Es war keine Erleichterung, als sie um seinen Hals fiel, ihr Gesicht in seine Halsbeuge vergrub und sich verzweifelt an ihn fest krallte. Ihr Körper zitterte leicht und er brauchte keine Sekunde, als er sie fest in seine Arme nahm. Lucien schien zu wissen, wie sehr sie jetzt diese Umarmung brauchte und nur er konnte sie ihr geben.
Es vergingen Minuten, wie gefühlte Stunden, bis sie sich von ihm löste. Ihre Hände lagen auf seiner starken Brust und sie schaute ihn mit suchenden Augen an. Dann tat sie etwas, was sie zuvor noch nie getan hatte. Sie nahm all ihren Mut zusammen und beugte sich nach vorne, um ihn zu küssen. Es war erst ein zarter Hauch, den sie aber intensivierte. Lucien schien überrascht zu sein, aber gab sich ihr hin, weil sie sich sicher fühlen sollte und bei den Göttern, sie fühlte sich sicher.
Fassungslos gab Lucien sich ihr hin. Emmanline küsste ihn aus freien Stücken. Er hatte wirklich eine Heidenangst gehabt, er würde sie verlieren. Emmanline sah so schockiert aus, als er ihr erzählte, was sie für ihn war. Sein Herz war sogar zum Stillstand gekommen, was ihn Angst machte. Nie im Leben war ihm je etwas wichtiger gewesen, sie davon zu überzeugen, wie viel sie ihm bedeutete. Es hatte ihn eine Menge Kraft gekostet, all seine Gefühle und Emotionen raus zulassen. Vor allem sie in Worte zu fassen. Das Einzige was er hatte machen können, war, sein Herz sprechen zu lassen.
Anscheinend hatte er das Richtige getan, denn für all seine Mühe und Fleiß bekam er jetzt die Belohnung. Niemals würde er jetzt sagen, dass seine Sorge unbegründet war, sie zu verlieren, denn dies war keine reine Selbstverständlichkeit. Wahrhaftig schätzte er es mehr als seinen größten und wertvollsten Schatz in seiner Höhle. Es wog mehr als das schwerste Gold oder die größten Diamanten und Rubine auf dieser Welt.
Aber es war nichts dagegen, welche Erleichterung er jetzt in sich spürte und es fiel ihm echt ein Stein vom Herzen. In Sicherheit wollte er sich auch nicht wiegen, noch immer wog sie in Misstrauen und Vorsicht. Darum versprach er ihr auch inständig, er würde jeden Tag beteuern wie wichtig sie ihm sei. Das war nicht gelogen und dies sollte einer seiner heiligsten Schwüre sein. Emmanline konnte sich auf einiges gefasst machen, weil sie ihm nicht so schnell entkommen würde.
Hingebungsvoll lieferte er sich ihr aus und genoss jede einzelne Initiative von ihr. So schnell würde er keine Gelegenheit wieder bekommen. Außerdem wollte er ihr das Gefühl geben, dass er sie niemals unterdrücken würde oder wollte. Auch sie sollte wissen, welche Macht sie über ihn besaß.
Qualvoll und langsam bewegten sich ihre Hände über seine nackte Haut. Noch immer war er selbst über sich verblüfft, wie schnell er seine Kleidung ausgezogen hatte, ohne wirklich von ihr abzulassen. Selbst eine Sekunde war pure Qual für ihn, wenn er sie nicht berühren konnte.
„Mehr.“ Stöhnte er an ihre heißen Lippen, seine Hände ihren Rücken rauf und runter wandernd. Ihre Haut war so weich und zart, was seine nicht war.
Zärtlich wanderten ihre Hände seiner Brust hinauf, sodass sich ihre kleinen Finger in seine Schulter gruben. Es versetzte ihm eine Gänsehaut und er konnte nicht mehr anders, als sich ihr weiter aufzudrängen. Je näher er ihr kam, umso fester drückte sich sein Glied an ihr Unterleib. Gemeinsam keuchten sie auf und ab jetzt konnte er sich nicht mehr bremsen. Mit einem Ruck stand er auf und zog sie mit sich. Ihr entfleuchte einen überraschten Schrei. Hart presste er sich an ihr und drückte sie an die Wand der Dusche. Emmanlines Beine schlangen sich um seine Hüften und ihre Arme um seinen Hals, um nicht den Halt zu verlieren. Mit einem einzigen Stoß drang er in sie ein.
Emmanline schrie überrascht auf und er hatte vorher schon gewusst, wie nass sie war. Sofort hatte ihre heiße Mitte ihn aufgenommen. Eng wie ein Samthandschuh umschmiegte es seinen Schwanz, welche Mühe es ihn doch kostete, nicht gleich in ihr zu kommen. Ihr Inneres presste sich so fest um sein Glied, was ihn beinahe um den Verstand brachte. Keine Frau hatte es jemals geschafft, ihn so schwach zu machen, als in ihren Armen. Für sie würde er unendliche Male in die Knie gehen.
Lucien spürte plötzlich ein leichtes Zwicken an seiner Schulter und stöhnte sehnsuchtsvoll auf. Emmanline hatte ihn in seine Schulter gebissen, mit ihren kleinen stumpfen Zähnen konnte sie ihn nicht verletzten, aber es reichte alle male aus, um die Kontrolle zu verlieren.
Immer wieder rammte er seinen Schwanz hart in sie rein, während er sie an die Wand drückte. Seine Hände hatten ihr Gesäß umfasst, sodass sie nicht hart gegen die Wand gedrückt wurde und damit er mehr Macht über ihren Körper hatte. Er zog sich bis zu seiner Spitze aus ihr zurück, kam sie ihm beim Eindringen mit ihrer Hüfte entgegen. Spüren konnte er intensiv, wie tief er in ihr eindringen konnte. Das könnte er bis in alle Ewigkeit mit ihr machen.
Als einen wahnsinnigen Ritt konnte er es nicht mehr bezeichnen, denn es war tausende Male besser, als wie er es sich vorgestellt hatte. Oder könnte.
Mit einem lauten Schrei kam Emmanline und er bekam das Gefühl, sie quetschte sein Glied wie eine Zitrone aus und genau darauf lief es hinaus. Bei ihrem ersten Orgasmus konnte er noch standhalten, aber beim zweiten Mal war es um ihn geschehen. Mit einem lauten Brüllen kam er in ihr. Jeden einzelnen Tropfen von seiner Samenflüssigkeit pumpte er in ihren Körper, bis nichts mehr von ihm übrig blieb.
Keuchend und zittrig waren sie wie ein Knäuel miteinander verschlungen. Keiner bekam wirklich Luft und in diesem Moment brauchte keiner Worte, denn diese Vereinigung sagte mehr als tausende von Worte. Diese Frau gehörte ihm und jetzt hatte er erst recht keine Zweifel mehr daran, zumal er keine hatte. Sie war seine vorherbestimmte Seelengefährtin und er konnte seinem Glück noch nicht richtig Glauben schenken. Oft hatte er sich gefragt, womit er sie verdient hatte, aber je mehr er darüber nachdachte, umso weniger wollte er die Antwort hören. Jede Antwort würde am Ende nur zu viele Gedanken und Widersprüche hervorrufen. Keiner sollte sie ihm wegnehmen und dafür würde er sorgen.
„Oh Gott,...“ Keuchte sie mit heißen Atem an sein Ohr, was ihn schon wieder hart werden ließ. Schnell wuchs seine Erektion in ihr zu einer harten Größe an, die sie aufstöhnen ließ. Er wusste, sie war überrascht darüber, aber genauso wie er auf sie reagierte, war ihr Körper für ihn bereit.
Weitere Orgasmen seiner und ihrerseits später, lagen sie Arm in Arm auf dem Bett. Aus irgendwelchen Gründen hatten sie es von der Dusche hierher geschafft. Komplett hatte er sein Umfeld ausgeblendet und nur Emmanline war in seinem Sichtfeld.
„Zu viel.“ Murmelte sie matt an seine Brust. Ihre Augen waren halb vor Erschöpfung geschlossen. Selbst ihn hatte es eine Menge an Energie gekostet.
Zumal verspürte er zum ersten Mal in seinem Leben, wie gesättigt und befriedigt er sich fühlte. Emmanline gab ihn etwas, wonach er sich immer verzerrt hatte. Sie war sein Sinn im Leben, was sein Herz immer zum schnellen Schlag ausholte.
„Wenn ich dich am Ende immer so im Arm halten kann, werde ich dir viel mehr geben, als das von eben.“ Schmunzelte er und scherzte ein wenig, denn sie ließ einen ermüdenden Seufzer von sich zu geben.
„Du bist unmöglich, weißt du das?“
Leicht lachte er. „Ich denke, das weiß ich. Aber nur so bin ich bei dir. Bei keiner anderen.“ Klang er plötzlich ernst.
Sie schien es gespürt zu haben, weil sie zu ihm rauf blickte und ihn einfach nur still anschaute. In ihren Augen konnte er im Augenblick nicht lesen, so verschwiegen wie sie sich gerade gab.
„Wie lange wusstest du schon, das ich deine Seelengefährtin bin?“ Wurde auch Emmanline ernst. Das war eine Frage, wo er nicht drum herum kommen würde.
„Seit dem Zeitpunkt an, als ich dich mit Malatya auf der Lichtung vorgefunden habe. Wo sie sich zum ersten Mal in einen Drachen verwandeln konnte.“
Emmanline schnappte nach Luft. „Solange schon?“ Flüsterte sie leise.
„Ich wollte es dir schon viel eher sagen. Zwei Mal sogar, aber jedes Mal wurde ich dabei gestört. Zumal hatte ich auch ein komisches Gefühl wie du darauf reagieren würdest. Ich weiß, dass du schockiert darüber bist, doch ich kann nicht anders, Emmanline. Das ist auch der Grund, warum ich so an dir hänge, dich beschützen und dir alles Gute tun will, was du nur brauchst. Es ist nicht nur mein natürlicher Drang dies zu tun, denn ich tue es freiwillig, weil du mir am Herzen liegst. Ich sage das alles nicht nur so, weil ich dich herum bekommen wollte, damit ich dich im Bett haben konnte. Letzte Nacht war es nicht geplant gewesen mit dir zu schlafen. Ich schwöre es bei meiner Ehre.“ Versteifte er sich etwas, da er zu nervös war. Er konnte sie nur anschauen.
Sie erwiderte seinen Blick, bis sie sich von ihm abwandte und sich an ihn presste. „Ich glaube dir.“ Flüsterte sie weiter und strich mit ihrer Hand sanft über seine Brust. Direkt über seinem Herzen, das in rasenden Tempo schlug.
„Ich habe nur nie damit gerechnet und es war ein Schock für mich.“ Selbst für ihn. „Ich weiß wie ihr Drachen gegenüber eurer Seelengefährtin seid, oder umgekehrt mit Seelengefährten. Seit ich hier bin, konnte ich sehr oft sehen, wie ihr miteinander umgeht. Es steckt vieles dahinter und mit welcher Hingabe ihr euch zeigt. Dies ist alles anders, was ich gesehen und gelernt habe. Ich gebe zu, am Anfang wollte ich das alles nicht sehen und wollte es glauben, dies sei nur Lug und Trug von euch. Ich wollte in euch nichts Gutes sehen.“ Gestand sie ehrlich.
„Was ich verstehen kann. Ich weiß nicht was du genau alles durchmachen musstest, aber mir reicht schon vollkommen, dass du unter Culebras Hand gelebt hast. Jeden Tag wächst meine Wut und meinen Zorn immer weiter an, je mehr ich darüber nachdenke.“ Welche Emotion jetzt in ihm aufkam.
„Bitte nicht. Nicht hier. Ich will ihn selbst in Gedanken nicht hier haben, während wir hier liegen. Ich muss es einsehen, ich fühle mich dir nahe und verbunden. Es ist für mich der gleiche Drang in deiner Nähe zu sein und mir wird es auch bewusst. Darum habe ich mich bei der Schlacht vor dich geworfen. Ich habe es getan, weil mein Inneres dich schützen wollte. Ich kann dieses Ausmaß zwischen uns beiden nicht deuten.“
Langsam verschwand seine Wut in ihm und sie hatte Recht. Es war kein passender Zeitpunkt an diesen Bastard zu denken. Dieser Augenblick sollte nur ihm und ihr gehören. „Du hast Recht, er gehört nicht hier her.“ Streichelte er sie zärtlich am Oberarm. „Ich möchte nicht, das du dich wieder in solche große Gefahr stürzt. Noch einmal halte ich es nicht aus.“ Spannte er sich an, denn der Gedanke war noch immer grausam, wenn er daran zurück dachte, wie sie in seinen Armen gestorben war.
„Ich kann dir nicht bei allem garantieren. Aber dann musst du es auch versuchen. Bringe dich nicht unnütz in Gefahr. Wenn das alles Wirklichkeit zwischen uns ist, kann und werde ich es nicht ertragen, wenn dir etwas geschieht. Noch einmal stehe ich es nicht durch. Ich habe die einzige Person verloren, die ich je im Leben hatte. Ich will nichts empfinden, wenn ich weiß, ich könnte wieder alles verlieren.“
Das schockte Lucien. Rein instinktiv schloss er seine Arme um sie und drückte sie fest an sich, sodass er sein Kinn auf ihr Haupt legen konnte. „Du wirst mich nicht verlieren. Niemals. Du wirst immer Mein bleiben und sowie ich Dein. Nichts soll uns trennen können, nicht einmal der Tod. Ich werde dir überall hin folgen, bis in alle Ewigkeit.“
Fest schlang sie ihre Arme um ihn und vergrub ihr Gesicht an seine Brust. Es kostete ihr eine Menge Mut und Kraft, sich ihm wirklich hinzugeben und zu glauben. Er konnte es spüren. Seelische Schmerzen brachten ihn beinahe um. Eine Stille zwischen ihnen entstand, während sie Arm in Arm auf dem Bett lagen. Es war kein unangenehmes Schweigen, denn beide brauchten jetzt die Umarmung und Nähe.
Emmanline schien einmal tief durch zu atmen, als wollte sie sich für etwas wappnen. „Ich muss dir auch noch etwas sagen. Es geht um deine Mutter.“ Sprach sie leise und vorsichtig, als wäre sie auf der Hut ihn nicht zu verschrecken.
Lucien zuckte zusammen, als sie seine Mutter erwähnte. Noch immer schmerzt es, denn es war zu frisch. „Was ist es?“
Leicht und windend entzog sie sich seiner Umarmung und richtete sich in eine sitzende Position auf. Sanft blickte sie tief in seine Augen, da sie ihm anscheinend sehen wollte. Das brachte ihn selbst, dass er sich aufsetzen musste. „Was ist es, Emmanline?“ Wollte er es unbedingt wissen. Auch schon aus diesem Grund, weil sie ihn so anschaute.
Einen kurzen Augenblick schaute sie ihn an, als würde sie aufpassen und nach etwas suchen. Was sie sah, schien sie zu überzeugen. „Als du dich mit deinen beiden Kriegern zurück gezogen hattest, erschien deine Mutter bei mir. Sie wollte mir etwas sagen und darum bin ich mit ihr gegangen. Eigentlich wollte ich es dir schon viel eher sagen, aber ich hatte nie den passenden Moment gefunden. Und als du auf mich so wütend warst, wusste ich überhaupt nicht, was ich machen sollte.“ Senke sie ihren Kopf.
„Emmanline.“ Flüsterte er leise ihren Namen, als er sich nun richtig aufsetzte. Noch immer fühlte er sich schlecht darüber, wo er sie für all das die Schuld gegeben hatte. Er hatte schlicht und weg ein schlechtes Gewissen. „Es tut mir leid. Wirklich. Es war nicht fair dir gegenüber gewesen.“ Sprach er und legte sanft seine Hand auf ihre Wange, damit sie sich ihm zuwandte.
„Ja ich weiß es. Ich kann es verstehen, immerhin warst du durch den Verlust verletzt und ich weiß auch, wie schwer es sein kann. Wut und Trauer ist meistens das Erste was man empfindet.“
„Das rechtfertigt trotzdem nicht, dass ich meine ganze Wut an dir ausgelassen habe, ohne dir auch nur zugehört zu haben.“
Klar und deutlich schaute sie ihn an. „An dem Tag hatte deine Mutter mir eine Menge erzählt. Zum größten Teil handelte es sich um diesem blutroten Rubin.“ Wandte sie ihren Blick zu dem Stein, der noch immer auf dieser Kommode lag. „Ich weiß das etwas in ihm wohnt und sie erklärte mir, bei jedem Tod eines Drachens wird er in diesen Stein eingesperrt, ohne wahre Erlösung zu finden. Zumal es erklären würde, das ich Stimmen höre, die so verzerrt und weit weg erscheinen. Das hatte ich dir schon einmal erzählt.“
„Ja, das hattest du. Was hat dir meine Mutter noch erzählt?“
„Sie meinte, es ist für sie selbst unerklärlich, warum dieser Rubin sich an mich gebunden hatte. Doch es muss eine Bedeutung dahinter stecken. Ich konnte nicht sagen, was es sein könnte, aber sie hatte eine Vermutung und je länger ich darüber nachdenke, umso verwirrter werde ich.“ Machte sie eine kurze Pause. „Deine Mutter meinte, ich wäre vielleicht die Lösung für die Erlösung. Ich kann ihr nicht zustimmen. Ich habe rein gar nichts mit diesen Stein zu tun und hatte ihn zuvor auch noch nie gesehen. Ja es stimmt vielleicht, ich fühle mich zu diesen Rubin hingezogen und umgekehrt scheint es genauso zu sein. Doch wo soll ich da eine Lösung für diesen Fluch sein, der auf euch lastet? Es passt nicht zusammen, denn dann müsste ich die Schuldige sein, die euch dieses Unheil aufgebürdet hatte. Ich kann es nicht sein, weil dieser Fluch schon mehrere tausende Jahre auf euch lastet.“
Die ganze Zeit hatte er Emmanline angestarrt, aber richtete nun seinen Blick auf den roten Rubin, der schon seit längerem in seinen Besitz lag. Niemals hätte er damit gerechnet, dies war wertvoller als jedes Leben seiner Rasse. Warum hatte ihm niemand etwas gesagt, wie kostbar dieser Rubin war? Niemals hätte er ihn so zwischen all seinem Hort getan, sondern behüteter und vorsichtiger behandelt. Doch niemand hatte ihm je was davon erzählt. Nicht einmal sein Vater, der selbst ihm überreichte. Langsam verstand er nichts mehr. Vor allem, Emmanline hätte damit etwas zu tun oder das sie daran Schuld wäre. Es verwirrte ihn genauso.
Da kam ihm etwas in den Sinn. „Nehmen wir mal rein theoretisch an, du hättest etwas mit diesem Fluch zu tun.“ Was sie empöre. „Nur rein theoretisch, Emmanline.“ Versuchte er sie zu beruhigen, denn er würde sich kein Urteil darüber leisten. „Was ist mit deiner zweiten Hälfte? Du bist zur Hälfte eine Elfe, aber auch etwas anderes. Ich weiß nicht was es ist, aber ich weiß es, dass du etwas bist, was ich nicht kenne.“
Ihr Mund öffnete sich leicht und sie wirkte irgendwie schockiert. Runzelte jedes Mal mehr mit ihrer Stirn, je mehr sie darüber nach dachte. „Das kann nicht sein.“ Wirkte sie ungläubig.
„Dann verrate mir was du bist.“ Wandte er ein. Doch den Blick den sie ihm jetzt zu warf, ließ sein Herz bluten. Resigniert und lebloser wurden ihre Augen, als würde sie sich an etwas erinnern.
„Das kann ich nicht.“ Wandte sie ihren Blick von ihm ab. Sie schwang ihre Beine über die Bettkante und setzte sich aufrecht hin. „Das geht nicht.“
Genau dies war ihr Geheimnis und er würde es zu gerne wissen, aber er bemerkte, sie würde nie etwas darüber verraten. Nicht wenn sie ihn nicht vertraute, zumal ob es auch da nicht passieren würde. Sie war ein Buch voller Rätsel.
„Gut, dass musst du auch nicht. Doch sollte je etwas sein, Emmanline, kannst du jederzeit zu mir kommen. Einverstanden?“ Musste er ihre Entscheidung akzeptieren. Irgendwie verletzte es ihn, als sie ihm einen überraschten Blick zuwarf. Sicher konnte sie nur glauben, wie stur er eigentlich war und wie gerne er ihr Geheimnis wissen würde. Darauf kam es am Ende ja nicht an, oder? Da war die eine Frage. Wie konnte er sie wirklich beschützen, wenn er nicht alles über sie wusste?
Plötzlich stand sie auf und ging zu der Kommode rüber, wo der blutrote Rubin lag. Wusste sie eigentlich, dass sie dabei vollkommen nackt war? Ihn störte es keinesfalls, denn er liebte ihren Anblick. Vor allem wenn sie ohne Kleidung vor ihm stand. Er konnte nicht anders, als darauf zu reagieren, noch immer die Erinnerungen an ihre Vereinigungen, die zu lebhaft noch in seinen Gedanken abspielten.
Was für einen Hintern, den ich am liebsten anbeten würde.
Stöhnte er in Gedanken. Kein Wunder das jedes Mal sein Schwanz darauf reagierte. Sie war die reinste Versuchung. Würde er jemals genug von ihr bekommen? Gut, diese Frage konnte er sich selbst beantworten. Niemals.
Vorsichtig nahm Emmanline den Stein in die Hand und betrachtete ihn weit in Gedanken. Irgendwie erschütterte es sie, das er sie darum bat ihm von ihren Geheimnis zu erzählen. Sie wusste ja, er wollte ihr Geheimnis wissen, aber das schlimme daran, war, niemals drängte er sie. Jetzt war es schon soweit, sie könne zu ihm kommen, wenn sie bereit dazu wäre. Könnte sie es? Könnte sie ihm alles verraten? Alles was sie war?
Ihre Gedanken spalteten sich. Stets wurde sie seit ihrer Geburt immer wieder eingebläut, nie etwas über ihre zweite Natur zu erzählen. Sie hatte es ihrer Mutter versprochen und war stets damit durch gekommen. Aber warum drängte etwas in ihr, es ihm zu verraten? Denn da schaltete sich die Stimme ihrer Mutter wieder ein.
„Eines Tages wirst du hier rauskommen und frei sein. Erfahrungen machen die dich prägen werden. Etwas Gutes wird für dich bereit stehen, nur für dich alleine und du wirst jemanden finden, dem du alles anvertrauen kannst.“
Das waren ihre Worte, nur waren sie vollkommen widersprüchlich. Einerseits soll sie schweigen, aber andernfalls es jemanden anvertrauen. Langsam wusste sie nicht mehr was sie machen sollte. Ihre Gedanken drehten sich im Kreise. Was sollte sie nur tun?
Sie zuckte zusammen, als sie eine leichte Berührung auf ihrer Schulter spürte. Leicht drehte sie ihren Kopf nach hinten, um und blickte in wunderschöne braune Augen. Lucien strich zärtlich über ihre Schulter und hauchte Küsse darauf. Sinnlich und sanft. Wie könnte sie ihm nur widerstehen? Er musste es gespürt haben, welch Chaos in ihr wohnte. Dieser Mann war zu gut für alles, obwohl er ein Drache war.
Emmanline lehnte sich an seine Brust zurück. „Dieser Stein ist ein Seelenstein und wahrhaftig ein Gefängnis. Von ihm geht etwas trauriges aus und diese Stimmen sind qualvoll und einsam.“ Blickte sie auf den Rubin in ihrer Hand. Sein Äußeres hat die Farbe von Blut und eigentlich stimmte es. Durch die toten Seelen herrschte der Tod, das nur Blutvergießen verheißen konnte. Egal ob leidvoll oder nicht. „Ich werde versuchen heraus zu finden, wie ich diesen Bann brechen kann. Ihr müsst ihn zurück bekommen.“ Denn eines Tages wusste sie, etwas würde geschehen, je länger sie ihn bei sich trug.
„Nein, wir werden es heraus finden. Ich werde dich nicht alleine lassen, sondern dir zur Seite stehen. Schließlich hat er etwas mit uns Drachen zu tun. Du wirst nicht mehr alles alleine bewältigen müssen.“ Schlang Lucien seine Arme um sie.
„Dein Vater gab dir damals diesen Rubin, weil er vermutete, dass er sterben würde. Er bat deiner Mutter nichts zu verraten.“
„Wie bitte?“ Schien er schockiert zu sein. „Dabei ist diese ganze Situation nicht unbedeutend, vielleicht sogar lebenswichtig. Warum? Was hat meine Mutter dir noch alles erzählt?“
Ab diesen Punkt dachte sie daran zurück, dieses Gespräch mit seiner Mutter und ihr.
„Warum gerade ich?“ War Emmanline doch etwas überrascht. Die Mutter von dem Drachen hatte sie aufgesucht, nur um ein Gespräch mit ihr zu führen. Sie konnte es nicht ganz deuten und war bereits auf der Hut.
„Ich weiß, dass es dir komisch vorkommt, aber ich kann dieses Gespräch mit keinen meiner Kinder führen.“
Was sie nicht verstand. „Sie sind Eure Kinder.“
Ein sanftes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. „Genau aus diesem Grund kann ich es nicht tun. Egal wie sehr ich sie liebe. Du weißt was passieren wird, nicht wahr?“
Auch wenn es ihr widerstrebte, konnte sie nur zustimmen. „Ja, Euer Tod.“
„Ja, heute ist meine Zeit gekommen. Ich kann mich nicht mehr länger dagegen wehren. Jeden Tag schmerzt es immer mehr. Jetzt wo ich mein Versprechen eingehalten habe, werde ich gehen müssen. Es wird meinen Kindern zwar das Herz brechen, wenn ich gehe, aber sie werden es verstehen. Ich muss meinen Gefährten in den Tod folgen. Darum werde ich dir jetzt ein Geheimnis verraten.“
Emmanline öffnete ihre Augen weit. Ein Geheimnis? „Das solltet Ihr nicht tun. In bin die falsche für wichtige Geheimnisse.“
„Das glaube ich nicht. Der Rubin hat dich ausgesucht und das muss etwas bedeuten, sonst würde er sich niemals jemanden aussuchen. Du scheinst etwas in dir zu haben, was keiner von uns hat. Viele fühlen sich von dir angezogen. Ich kann sagen was es ist.“ Lächelte sie gewissenhaft und Emmanline wusste was es war. „Warum so überrascht? Ich bin viel zu alt um nicht zu wissen was auf dieser Welt geschieht. Ich habe vieles kommen und gehen sehen. Am Anfang war es mir nicht bewusst, aber dann, je länger ich dich beobachtete, kam der Moment. Du bist zum Teil zwar eine Elfe, aber du verbirgst etwas verlorenes, was nicht mehr existiert. Etwas besonderes und aus diesem Grund wird sich der Rubin dich ausgesucht haben. Und genau aus diesem Grund habe ich dich ausgesucht, dir ein Geheimnis anzuvertrauen.“
Unglaubwürdig schaute sie diese Frau an. Irgendwas stimmte hier nicht und ihr gefiel es irgendwie nicht. Das was sie sagen würde, würde ihr absolut nicht gefallen. „Ich will es nicht hören.“ Trotzdem wusste sie, sie würde es ihr verraten.
„Manchmal gibt es Situationen, wo man ihren Instinkt folgen sollte, egal wie schlecht dieser Gedanke auch sein mag. Ich gebe es ehrlich zu, mir behagt es nicht, aber ich werde es trotzdem tun. Unsere Begegnung war nicht die Schönste, aber genau diese sind meistens die Denkwürdigsten. Findest du nicht?“
Dem konnte sie absolut nicht zustimmen.
„Darum, du darfst diesen Rubin niemals verlieren. Er ist ein wichtiger Standpunkt im Leben der Drachen. Auch wenn du uns nicht ausstehen kannst. Schon seit tausendsten von Jahren lastet ein Fluch auf uns und wir können nicht sagen, wer uns verflucht hat. Auch der Grund ist unbekannt. Derjenige muss mächtig sein, ein ganzes Volk zu verfluchen, was einiges heißen muss. Der Grund und wer es gewesen war, ist in Vergessenheit geraten, was ich absolut nicht nachvollziehen kann.“ Schien die Frau es nicht zu verstehen und um ehrlich zu sein, ihr auch nicht. Wie konnte jemand so was nur vergessen? Das war absolut unmöglich.
„Das ist nicht nachvollziehbar. Wie kann so was in Vergessenheit geraten?“
„Es gibt nicht viele Möglichkeiten weshalb. Entweder jemand hat alle getötet, die davon wussten. Oder aber, jemand hat es so geheim gehalten, das dieses Wissen nicht an die Öffentlichkeit gelangt ist. Dies kann ich verstehen, weil wir es von Generation zu Generation genauso getan haben. Wir hatten beschlossen, das es besser ist. Es sollte keine Unruhe oder Machtkämpfe geben. So könnte niemals ein Volk bestehen. Niemand könnte es je verstehen, nach dem Tod nicht ins heilige Land über zu gehen.Weißt du, was das bedeuten würde?“ Schaute sie sie ernst an.
Ja, sie wusste es. „Das Volk wäre kurz vor einer Auslöschung. Vor allem wenn Feinde an dieses Wissen kommen. Doch in einem Punkt stimme ich nicht ganz zu. Es würde keine Machtkämpfe geben. Viel mehr die Panik würde das Volk auseinander treiben. Es würde keine Zusammengehörigkeit und Einheit geben.“
„Da irrst du dich. Machtkämpfe würde es geben, wenn jemand die Macht über ein Volk haben will. Das solltest du wohl am besten wissen, schließlich bist du unter so einem aufgewachsen, der nach Macht giert.“
Daran hatte sie überhaupt nicht mehr gedacht. Sie hatte Recht, denn es wäre ein großer Vorteil. Erpressen und herrschen.
„Du bist nicht dumm, Kleine.“ Kam die Frau auf sie zu und blieb direkt vor ihr stehen. Sanft blickte sie sie an und Emmanline konnte sie nur anstarren. Leicht wurde ihrer Wange mit dem Handrücken der Frau gestreichelt. „Es ist nicht fair es von dir zu verlangen, aber ich bitte dich als ehemalige Herrscherin die ihr Volk beschützen will und bitte dich als Mutter, die ihre Kinder liebt. Du hast mit allem nichts zu tun und hättest jedes Recht uns ins Verderben zu stürzen, aber ich bitte dich, tue es nicht. Dein zweites Wesen würde meinem Volk gut tun, auch wenn du einfach nur da wärst. Vor allem für Lucien.“ Lächelte sie.
Was hatte das jetzt mit ihm zu tun?
„Nun kannst du entscheiden was du tun willst. Entscheidest du dich für den friedlichen oder dem gewalttätigen Weg ? Alle die so sind wie Culebra, führen nichts Gutes im Sinne und genau das soll verhindert werden. Du weiß genau wie schrecklich so ein Leben sein kann. Niemand soll den Gedanken daran hegen, keine Chance zu bekommen, ihre Liebsten wiederzusehen. Oder jemals wiedergeboren zu werden. Alle glauben daran und nur die Götter alleine mögen es wissen.“
„Das ist nicht gerade fair, genau dieses Argument einzubringen. Ihr wisst ganz genau, ich würde es niemals wollen.“ War Emmanline etwas wütend darüber, weil es fast wie eine Erpressung klang. Sie mochte irgendwo Recht haben, denn sie wollte bei Leibe nicht noch einmal so etwas durch machen.
Emmanline hatte zwei Seiten von den Drachen kennengelernt. Einmal, wie grausam sie sein konnten und einmal ihre liebevolle. Wenn sie schon unter den Drachen leben musste, dann würde sie die liebevolle Seite wählen. Es war sehr schwer sich überhaupt zu entscheiden, aber sie hatte keine große Wahl. „Ich weiß nicht, ob ich das jemals kann.“
„Ich sagte schon einmal, es reicht sogar nur, dass du da bist. Allein deine Anwesenheit reicht aus. Sei einfach du selbst.“
Plötzlich wusste Emmanline nicht mehr, was sie sagen sollte. Reichte das wirklich vollkommen aus? Sie zweifelt daran, denn was sollte sie schon großartiges tun? Nachdenklich richtete sie ihren Blick zu Boden. Je mehr sie nachdachte, umso mehr bekam sie Kopfschmerzen dabei.
„Ab heute hast du eine Aufgabe wofür du auserkoren wurdest, eine Hüterin. Das ist wohl dein Schicksal, denke stets daran. Selbst Luciens Schicksal ist es, dir zur Seite zu stehen, weil ihr zueinander gehört. All dies wird eure Prüfung sein.“ Klang ein leises Lachen in der Stimme der Frau mit, als würden ihre Worte wie ein Echo klingen.
Schockiert schaute sie auf und was sie vor sich fand, ließ sie erstarren. Ohne es zu bemerken, war die Mutter des Drachen verschwunden. Selbst wenn sie um sich blickte, als wäre sie von der tiefen Finsternis verschlungen worden. Ab da wusste sie, sie würde nie wieder zurückkehren und sie wusste auch, dies war ein Beginn einer schweren Zeit. Nichts mehr würde so sein, wie es einst gewesen war.
Doch eine Hüterin? Das konnte nicht sein, nur weil ein Stein sie ausgesucht hatte. Wie sollte sie denn so etwas hüten, ohne ihrer Aufgabe je bewusst zu sein?
Beendete Emmanline ihre Erinnerung an die Begegnung mit Luciens Mutter. Da sie viel Zeit hatte, konnte sie zu oft darüber nachdenken und sie war noch nicht zu einem Entschluss gekommen.
„Das hatte meine Mutter zu dir gesagt?“
Wurde sie aus ihren Gedanken gerissen. Hatte sie ihre Erinnerungen laut erzählt? Sowie Lucien sie jetzt anschaute, musste es so gewesen sein. „Ja.“ Konnte sie nicht viel darauf antworten.
„Und wirst du es tun?“ Schien er etwas zu zögern. „Ich meine, eine Hüterin zu sein?“ Mochte er vorsichtig sein.
Lange schaute sie ihn an. „Habe ich denn eine Wahl?“
„Ja, die hast du. Ich werde dich zu nichts zwingen.“
Das genügte ihr. Sanft legte sie ihre Hand auf seine Wange, ihr Blick sanft und ruhig. „Wenn du mich so ansiehst, kann ich nichts dagegen tun. Ich kann und will mich nicht mehr verstecken und davon laufen. Ich kann und will nicht mehr alleine sein. Ich will irgendwo dazu gehören. Ich kann es nicht bei dem Volk der Elfen oder bei dem anderen Volk, weil ich nie ein vollkommenes bin.“ Atmete sie tief durch. „Da ich mein ganzes Leben unter euch Drachen verbracht habe, gehöre ich dann auch dazu?“
Lucien schien sprachlos zu sein, denn was sie da sagte war überflüssig. „Natürlich gehörst du meinem Volk an, aber nicht weil du dein ganzes Leben unter uns verbracht hast. Du gehörst dazu, weil du meine Seelengefährtin bist. Doch zu aller erst gehörst du zu mir. Durch unsere Bindung würdest du immer dazu gehören, egal was passieren möge. Du wirst nie wieder alleine sein, das verspreche ich dir.“ Schlang er seine Arme fest um sie. Beschützend war sein Körper wie ein Kokon, der sie hüten sollte. „Nie wieder, egal was du bist.“
„Dann will ich es sein. Eine Hüterin, die diesen Rubin bewahrt.“ Drückte sie sich fest an ihn.
Er konnte nicht anders, als seine Augen zu schließen und ihren herrlichen Duft einatmen. „Du riechst so gut, Emmanline. Und es fühlt sich richtig an, dich an meiner Seite zu haben. Bei dir fühle ich mich, als wäre ich endlich dort angelangt, wo ich immer sein wollte.“ Konnte er nur noch ehrlich zu ihr sein. „Darum hatte meine Mutter Recht, denn du gibst mir alles, was ich brauche. Allein deine Anwesenheit reicht mir aus.“
„Jetzt verstehe ich auch die Worte meiner Mutter.“
„Was für Worte?“ Sprach er sanft, denn er wollte sie zu nichts drängen.
„Einmal sagte mir meine Mutter, ich soll mein Geheimnis und was ich bin, stets verbergen und geheim halten. Doch eines Tages wird es jemand geben, der mich beschützt und gut behandelt. Ich soll keine Angst oder Scheu zeigen. Eines Tages würde es für mich jemandrn geben, dem ich alles anvertrauen könnte. Ich hatte nie ihre Worte wirklich verstanden, weil sie für mich zu widersprüchlich waren. Nun...“ Erschien eine kleine Pause. „...finde ich immer mehr heraus, ihre Worte könnten einen Sinn ergeben. Ich bin zwar aus den Fängen von Culebra frei gekommen, aber ich konnte nie etwas daran ändern, weil ich mich stets eingesperrt fühlte. Ich will wirklich, das sich etwas ändert, aber es ist nicht so leicht für mich, Vertrauen zu schenken. Würde ich je mein Geheimnis verraten, würde ich niemals wirklich sicher sein. Alle würden mich jagen und niemals in Ruhe lassen. Dabei sollte ich stets unsichtbar bleiben und keine Aufmerksamkeit auf mich lenken.“
Lucien war entsetzt, aber wusste sie überhaupt, das sie ihm gerade etwas wichtiges anvertraute? Hiermit gab sie zu, in ihr steckte etwas wirklich geheimnisvolles, was aller Welt nicht wissen durfte. Und dann fiel ihm etwas ein. Seine Mutter hatte es gewusst. Sie wusste die ganze Zeit was Emmanline war und sie erzählte ihm kein Sterbenswörtchen. Damals auch die Göttin Seferati nicht. Er wollte wirklich ihr Geheimnis wissen, aber der Druck würde sie nicht offener machen, sondern genau das Gegenteil erreichen. Also musste es etwas geben, warum seine Mutter und eine Göttin ihr Geheimnis genauso geheim hielten.
Schon von Anfang an hatte er gewusst, Emmanline war anders. Allein ihr Geruch nach sonnigen, ihr schneeweißes Haar und ihre silbernen Augen. Etwas musste geben, was keiner in der Welt wissen durfte. Egal was sie sein möge, es könnte vielleicht etwas entscheidendes verändern und genau aus diesem Grund würde er sie niemals vereinnahmen. Sie verdiente was viel besseres.
„Behalte dieses Geheimnis für dich, Emmanline.“ War es kein Vorwurf, da sie ihm es nicht erzählte. „Vielleicht ist es wirklich besser, wenn du dein Geheimnis nicht preis gibst. Egal was es ist, ich werde dich beschützen. Auch wenn ich es nicht weiß. Sollte du je das Bedürfnis haben es mir zu verraten, bin ich jederzeit da, der dich auch beschützt. Aber es ist für mich nichts entscheidendes dich weiter zu lieben und zu beschützen.“
Emmanline schien fassungslos auszusehen, sowie sie jetzt vor ihm stand und ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. Sie wirkte verwirrt und er konnte ihr genau ansehen, wie sehr ihr Köpfchen arbeitete. Anscheinend versuchte sie all seine Wort zu drehen und zu wenden, wo vielleicht etwas hinter gedankliches steckte. Dabei konnte sie so viel nachdenken wie sie wollte, denn es würde nichts geben, was schlecht für sie wäre.
„Du bist verwirrend.“ Schüttelte sie schwer verständlich ihren Kopf. „Jeder würde mich dazu drängen es zu verraten. So war es immer gewesen, egal bei wenn und sie hatten stets alles versucht an ihre Ziele zu kommen.“
„Ich bin nicht jeder, Emmanline.“ Missfiel es ihn etwas, weil sie nur ansatzweise daran dachte, er wäre wie diese Bastarde. „Mir ist egal wer du bist, Hauptsache du bist es.“ Konnte er nicht anders, ihr gegenüber sanft und liebevoll zu sein. Sachte legte er seine Hände auf ihre Wangen und umfasste so ihr Gesicht. „Ich meine es wirklich ernst. Gib mir eine Chance es zu beweisen.“ Lehnte er seine Stirn gegen ihre, wo er ihr tief in die Augen schauen konnte. Silber und wunderschön.
„Ich will es versuchen.“
Mehr würde Emmanline nicht sagen und tun können, aber es reichte ihm. Er nahm eben alles, was er von ihr bekommen konnte. Es war ein weiterer Hoffnungsschimmer, sie ganz aus dem heraus zu holen, wo sie drinnen fest steckte. Darum würde er sich auch bemühen, denn sie verdiente so vieles mehr.
Still verharrten sie in einer tiefen Umarmung, die ewig andauern könnte, aber irgendwann würde dieser Moment vorübergehen. Doch es gab noch wichtige Dinge die geklärt werden mussten und das so schnellst wie möglich. Zeit war das Geringste was sie jetzt hatten. Je schneller sie jetzt mit allem handelten, umso besser standen sie da.
„Ich habe eine Bitte an dich, Emmanline.“ Missfiel es ihm, aber welche Chance hatte er schon? „Ich habe vor den Vorkommnissen mit dem täuschenden Angriff eine Ratssitzung berufen. Alle sollten morgen Abend eintreffen und es wird auch dann stattfinden. Ein wichtiger Punkt davon würde sein, das es um Culebra geht.“
„Du willst, das ich über ihn spreche und alles verrate, was ich von ihm weiß.“ Stellte sie fest und rückte von ihm ab.
„Ja. Mir gefällt es überhaupt nicht, wenn ich daran denke, wo du gewesen warst, aber es könnte uns eine große Hilfe sein, um ihn zu fassen. Ich will ihn die gerechte Strafe verpassen und die wird grausam sein. Er soll für alles bezahlen, was er jeden angetan hatte. Egal aus welchen Volk. Er muss aufgehalten werden. Ich kann auch nicht den Gedanken daran hegen, Culebra sei noch immer hinter dir her. Je schneller er von der Bildfläche verschwunden ist, umso besser werden sich alle dabei fühlen. Darum gefällt es mir nicht, weil du dich daran zurück erinnern musst.“ Blickte er kurz zur Seite, weil er sie in diesem Augenblick nicht anschauen konnte. Es war eine Bitte, die er eigentlich nicht verlangen durfte.
Kurz herrschte eine drückende Stille. „Kann ich darüber nachdenken?“ Konnte er ihr Herz rasen hören und ihr Atem kam stoßweise. Sicher wusste er, wie schwer es für sie war.
„Natürlich. Mehr verlange ich nicht von dir. Du sollst es aus freien Stücken entscheiden.“ Ein Nicken genügte fürs erste. „Willst du jetzt vielleicht eine heiße Dusche nehmen?“ Wollte er von diesen unangenehmen Thema ablenken. Es sollte nicht ihr Handeln beeinflussen, denn es gehörte nicht hierher.
„Ja, es wäre schön.“ Seufzte sie etwas auf.
Gemeinsam gingen sie ins Bad. Er stellte das Wasser an und nahm sie an der Hand, um sie in die Duschkabine zu ziehen. Da sie noch immer nackt waren, ersparten sie sich das ausziehen. Während er ihren verführerischen Körper anschaute, konnte er sie nur bewundernd anschauen. Er konnte immer wieder sagen, wie schön sie doch war. Ihre Rundungen waren genau diese, wie er es mochte und liebte. Zarte Schultern, ihre Figur schlank und schmal. Aber sie sah und war in seinen Händen nicht zerbrechlich, was ihn wunderte. Sicher er könnte sie durch seine Kraft zerbrechen, aber genau das mochte er daran. Trotz seiner rohen Kraft, beherrschte sie ihn und seinen Drachen. Emmanline rief seine sanfte Seite hervor und er mochte es wirklich. Wie oft hatte er sich dafür verachtet, seinen brutalen ungewollten Elan zu zeigen? Unzählige Male. Vielleicht lag es auch daran, dass er sich mehr und mehr in seine Höhle zurück gezogen hatte.
Emmanline war atemberaubend. Auch wenn er sie und ihren Körper anbetete und er sich in ihr verlieren konnte, war es für ihn jetzt einzig und allein wichtig, dass sie sich wohlfühlte. Lucien machte keine Annäherungsversuche oder ging auf sinnliche oder erotische Tuchfühlung. Er genoss es, sie einfach nur zu berühren und zu waschen. Ihre Haut war zart und milchig weiß. Ihre Hautfarbe gab einen deutlichen Kontrast ab, als seiner gegenüber.
Aber was er noch viel mehr genoss, waren ihre eigenen Berührungen auf seiner Haut. Aufmerksam folgte sie ihren eigenen Berührungen, wie ihren Händen über seine nasse Brust wanderten.
„Warum habe ich das Gefühl, genau das ist es, was ich brauche?“ Seufzte Emmanline schwer auf.
Leicht lächelte er und sprach sanft. „Weil wir zueinander gehören. Du bist meine Seelengefährtin und das bedeutet, du besitzt meine Seele.“ Strich er ihr nasses klebriges Haar nach hinten, sodass er einen freien Blick auf ihre entblößten Brüste hatte. Wohlgeformt und sie passten genau in seine Handfläche. Oh ja, und wie er es ausgiebig ausgenutzt hatte sie zu berühren und zu schmecken.
„Bedeutet das dann, du besitzt meine Seele?“
Sein Lächeln wurde breiter, aber bedacht zärtlich. „Das bestimmst du selbst, ob sie mir gehören soll. Sicher wünsche ich es mir, aber ich werde sie dir nicht entreißen. Du musst es freiwillig wollen. Wenn wir unsere Seelen tauschen, dann ist es eine Verbundenheit für eine Ewigkeit. Nur der Tod könnte das Band vielleicht zerreißen, aber selbst auf der anderen Seite wären sie ein Ganzes.“
„Habt ihr nicht gemeint, eure Seelen könnten nie zueinander finden?“ Legte sie fraglich ihren Kopf schräg.
„Ja, das stimmt.“ Wanderten seine Hände von ihrer beiden Schultern den Armen hinab, bis er ihre kleine zarten Hände in der seinen hielt. „Allein die Hoffnung und der Glaube hilft einen dabei, das es so ist. Dies ist auch ein Grund, warum niemand davon weiß. Jeder will mit ihren Liebsten wieder vereint sein und diese Hoffnung sollte niemals genommen werden.“
„Ich verstehe.“ Senkte sie ihren Kopf und starrte auf seine Brust.
Die ganze Zeit schon, prasselte das Wasser ihren Körper hinab und das Nässe umfing sie wie ein Mantel. Ihre Haut glänzte davon. Selbst dieser Anblick brachte sein Herz zum rasen und machte ihn atemlos. Sein Drache und er würden jeder Zeit vor ihr auf die Knie gehen. Drachen waren machtlos, wenn sie ihre vorherbestimmte Frauen begegneten. Sie waren meistens die bessere Hälfte von ihnen und genau das traf auch auf ihn zu. Emmanline war seine bessere Hälfte. Schon von Anfang an hatte sie ihm eine Menge gezeigt und gelehrt, obwohl er dieses Wissen besaß und er unzählige Male älter als sie war.
Unzählige Gründe gab es, sie immer an seiner Seite zu haben. Je mehr er sie bei sich hatte, umso schwerer wurde es für ihn, sie gehen zu lassen. Darum fühlte er jetzt große Erleichterung, weil sie bei ihm blieb. Sie hatte ihm gesagt, sie würde die Hüterin dieses Rubins sein und versuchen einen Weg zu finden, diesen Fluch zu brechen. Auch wenn niemand weiß wie genau das geschehen sollte. Sie standen in Ungewissheit, was sich vermutlich nicht so schnell ändern würde.
Schweigen wuschen sie sich, bis sie sich gegenseitig abtrockneten. Schweigend kleideten sie sich an und gemeinsam verließen sie, Hand in Hand, ihr Gemach. Vielleicht würde es jetzt entsetzte Ausrufe geben, warum Emmanline wieder lebendig war, doch irgendwann mussten sie sich zeigen. Ihm würde schon etwas einfallen, wie er all den anderen eine Erklärung geben konnte.
Auf den Weg in die öffentlichen Räume, hörte er und der Geruch der in der Luft lag, kündigte sich seine kleine Schwester an.
„Emmanline?“ Schrie Malatya auf dem Korridor. Kaum angekommen, schmiss sie sich in die Arme von ihr. Seine kleine Schwester brach in Tränen aus und er konnte nicht anders, bei diesem Anblick zu lächeln. Es war wirklich herzerwärmend.
„Malatya.“ Schlang sie tröstend ihre Arme um das weinende Mädchen. „Alles ist gut.“
„Ich hatte mir furchtbare Sorgen um dich gemacht. Und als man mir sagte, dass du...“ Konnte sie nicht aussprechen und er wusste zu genau, wie es war, es nicht zu können.
„Schon gut. Ich bin hier, wie ich es dir einmal versprochen hatte.“ War sie sanft und strich mit ihrer Hand zärtlich über ihren Kopf.
„Den Göttern sei Dank.“ Kam erleichternde Ausrufe ihnen entgegen. Langsam näherten sich seine Schwester Lya und fast alle anderen seiner Geschwister entgegen. Raiden, Alastar und Jade waren die einzigen nicht anwesenden. Es überraschte ihn doch etwas und genau jetzt bemerkte er, wie bemerkenswert stark ihre Verbundenheit jetzt geworden war. Stets war jeder ihren eigenen Weg gegangen, aber jetzt hielten sie, seit ihre Mutter tot war, immer mehr zusammen. So hätte es immer sein sollen. All das hatten sie Emmanline zu verdanken, was offensichtlich war. Verdammt, wie stolz er gegenüber seiner Gefährtin war.
Es gab keine Zweifel, sie war genau die Richtige an seiner Seite. Sollte es je so bleiben, wäre sie eine gerechte Königin seines Volkes. Sofern sie ihn akzeptieren würde. Wegen seines Volkes brauchte er sich nicht wirklich Gedanken machen, da sie mehr als einmal bewiesen hatte, was Emmanline getan hatte. Selbst für ihn, dem König der Drachen.
„Stürmt nicht alle auf sie ein.“ Schmunzelte er, als er Emmanlines Blick begegnete. „Sie weiß sich überhaupt nicht zu wehren.“ Zog er sie an sich.
Auch wenn Emmanline es nicht unbedingt zugab, aber Lucien hatte Recht, sie wusste sich unter all der erdrückenden Besorgtheit nicht zu wehren. Noch immer war es ihr unangenehm und sie kannte es nicht. All was sie erlebt hatte, war dies das Ungewöhnlichste.
Vieles hatte Lucien ihr im Zimmer und unter der Dusche erzählt. Ihr Verstand versuchte es noch immer zu verarbeiten. Vieles war von Bedeutung und allein der Gedanke daran, seine Seele gehörte ihr. Ihr ganz allein. Ein Funke der Freude durchströmte sie und es war ein undefinierbares Ausmaß, den sie wohl nicht messen konnte. Ihr Herz hatte in diesem Moment wie verrückt geschlagen und sie hatte das Gefühl gehabt, es würde jeden Augenblick aus ihrer Brust springen. Allein diese Worte hatten sie aus dem Konzept gebracht, obwohl es hätte nicht passieren dürfen. Noch nie hatte sie sich aus solch schmeichelnden Worten gemacht, weil es unangebracht und immer gelogen war. Doch bei ihm konnte sie keine Lüge erkennen. Nicht an die Ehrlichkeit seiner Worte und vor allem nicht, an den zuneigenden Blick, wie er sie anschaute.
Am liebsten würde sie sich nur von ihm umarmen lassen, was ein starkes Bedürfnis war. Es machte ihr teilweise Angst, wie sehr es sie dazu drängte. Dagegen wehren konnte sie sich schon lange nicht mehr, als wäre es ein natürlicher und normale Teil in ihr. Vielleicht hatte er sogar Recht und sie waren wirklich tief miteinander verbunden. Bis zur ihren Seelen hin? Womöglich. Aber könnte sie ihm jemals ihre Seele geben? Fraglich.
Nichts trotz allem genoss sie es, dass er sie an sich zog, um sie zu beschützen, was ihr Innerstes erwärmte.
„Lucien, du solltest wissen, die ersten Ratsmitglieder sind angekommen. Darius und Saphira erwarten dich.“ Machte seine Schwester namens Charia ihn darauf aufmerksam und sie wurde aus ihren Gefühlschaos heraus gerissen. Aber auf einmal bemerkte sie, zum ersten Mal konnte sie selbst andere Namen in Aussprache nehmen, ohne das es ihr widerstrebte.
„Irgendwie war das zu erwarten.“ Lächelte er darauf, als wäre es für ihn vollkommen normal. „Sie sollen in meinem Arbeitszimmer kommen.“ Gab er zu verstehen und sie wusste, er wollte ihr Worte sagen.
„Schon ok, ich werde zurechtkommen.“ Drückte sie verständnisvoll seine Hand, als sie mentalen Kontakt zu ihm aufnahm.
„Bist du sicher?“ Wirkte er überrascht, weil sie erkannte, er wollte sie nicht alleine lassen.
„Natürlich.“
„Ehrlich gesagt, will ich dich nicht alleine lassen.“ Gestand er es doch tatsächlich. Irgendwie war es ihm unangenehm, aber solange sie es wusste, war es ihm egal.
„Ich weiß, aber du solltest gehen. In dieser Sache sollte ich nicht dabei sein. Ich werde warten.“ Versprach sie es und hielt seine Hand weiterhin fest.
„Habe ich dir schon einmal gesagt, wie wundervoll ich dich finde?“ Lächelte er.
Lucien bemerkte, je länger sie sich auf mentaler Ebene unterhielten, umso schwerer wurde es für ihn, sich von ihr zu trennen. Es mochte schwach und besessen aussehen, was zweitens auch stimmte, aber sicherlich nicht schwach. Irgendwie fühlte er sich durch ihr beflügelt und hatte mehr Kraft, als je zu vor.
Sie bleibt bei mir und wartet sogar auf mich.
Dachte er innerlich und strotzte nur vor purer Glückseligkeit. Diese Frau war sein Glück und sein gleichzeitiges Verderben. Aber ein gutes Verderben.
„Gut, dann sehen wir uns später.“ Lächelte er Emmanline sanft an, gab ihr einen letzten leidenschaftlichen Kuss auf den Mund, bevor er sich endgültig von ihr trennen musste. Es behagte ihm nicht, aber es war wichtig. Wenn er weiterhin mit Emmanline unbeschwert leben wollte, dann stand das Beschützen und Verteidigen an erster Stelle. Seine Gefährtin war immerhin noch nicht außer Gefahr, da sie behauptete, dass Culebra noch immer hinter ihr her sei.
Also musste er sich für diesen Augenblick von ihr trennen, aber er würde sich beeilen. Schließlich konnte er es kaum abwarten, sie endlich wiederzusehen.
Wie lange stand sie jetzt schon da und schaute ihm hinterher, bevor er dann endgültig verschwand? Am liebsten hätte sie gesagt, er solle nicht gehen, was ziemlich idiotisch wäre. Sie konnte doch nicht auf sich beharren, nur weil sie wollte, er solle sie nicht alleine lassen. Ihr ganzes Wesen schrie danach in seiner Nähe zu sein. Wie konnte sie dieses starke Verlangen nur wieder abstellen?
Emmanline wusste aber eins, egal wo sie wäre, er würde sie überall suchen. Kaum zu glauben, aber sie vertraute seinen Worten, aber nun hoffte sie, er möge schnell kommen. Allein ihr Herz raste wie ein wild gewordenes Pferd und es schnürte ihr die Kehle zu. Weitere Sehnsüchte stiegen in ihr auf und sie wollte sich nicht wagen, sie alle zuzulassen. Das wäre noch unerträglicher.
Langsam musste sie sich zusammenreißen und sich davon lösen, woran sie immer hing. Als sie sich umdrehte, bemerkte sie erst jetzt, sie war nicht alleine. Irgendwie war es ihr unangenehm und doch war es vorhersehbar gewesen.
Hinter ihr standen fast alle seine Geschwister Kaum das sie sich umgedreht hatte, stoben alle auseinander. Außer die kleine Malatya und Lya. Alle anderen suchten aus einen unerfindlichen Grund das Weite, als wäre ihnen diese Atmosphäre unbehaglich. Ihr ging es da nicht anders.
„Meine Kleine, du solltest jetzt wieder schleunigst in dein Unterricht zurück gehen.“ Sprach Lya ihre kleine Schwester an.
„Nein, ich will aber nicht. Ich würde gerne bei Emmanline bleiben.“ Trotzte sie.
„Du kannst nicht dauernd den Unterricht ausfallen lassen. Du musst lernen.“ Seufzte ihre Schwester auf.
Immer wieder wehrte sie sich dagegen, bis sie trotzig ihre Arme vor der Brust verschränkte und ihre Wangen aufblähte. Malatya war wirklich bezaubernd und sie konnte nicht anders, als vor ihr in die Hocke zu gehen.
„Mach dir keine Gedanken. Ich werde noch immer hier sein, wenn du mit dem Unterricht fertig bist.“ Legte sie sanft eine Hand auf ihre Wange. „So schnell werde ich nicht davon laufen.“ Versprach sie schon fast.
Traurig blickte sie sie an. „Wirklich?“
„Wirklich.“
Ein letztes Mal umarmte Malatya sie und verschwand darauf. Anscheinend konnte sie wirklich nicht mehr abwarten, dass der Unterricht schnell vorbei gehen möge.
„Du hast wirklich einen großen Einfluss auf Malatya.“ Erklang eine sanfte und warme Stimme hinter ihr.
Emmanline drehte sich zu der Frauenstimme um und erblickte Lya erneut. Es wäre angebracht etwas zu sagen, aber sie wusste nicht, was sie überhaupt sagen sollte. Genau in diesem Augenblick lächelte sie sie an und es wunderte sie ein wenig.
„Komm, lass uns ein Stück spazieren gehen.“ Harkte Lya sich unerwartet unter ihrem Arm ein und zog sie hinter sich her. Überrumpelt war der richtige Ausdruck, wie sie sich jetzt fühlte. Dennoch kam es ihr sehr zugute.
Für den ersten Moment gingen sie schweigend auf den Hof, in den Garten und irgendwann verschwanden sie in Richtung Wald, wo sie sich am liebsten aufhielt, falls sie mal alleine sein wollte. Irgendwie wurde dieser Ort kein Zufluchtsort mehr, sondern ein Ort, wo sich etwas gemeinschaftliches entwickelte. Oft passierten hier unerwartete Dinge, wie, als Malatya sich in einen Drachen verwandeln konnte. Oder das Gefühl, als Lucien sie auf der Lichtung entdeckt hatte. Umgeben von all der farblichen Pracht der Natur, stand er majestätisch vor ihr. Oder als sie hier alles in Asche vorgefunden hatte, was sie damals schockierte. Aber umso mehr überraschte es sie, als alles wieder so schön war, wie vorher.
Seit sie Lucien das erste Mal begegnet war, schien es chancenlos zu sein, jemals ein Leben in Freiheit zu führen. Bestreiten konnte sie es nicht mehr, das er ihr nicht vieles zeigte und ihr Dinge gab, wovon sie niemals zu träumen wagte. Es gab so vieles neues und wunderbares, das sie es sich ohne alldem nicht mehr vorstellen konnte. Dieser Mann wurde jemand, der ihr viele Möglichkeiten offen hielt.
„Was bedrückt dich?“ Wurde sie von Lyas Stimme aus ihren Gedanken gerissen. Sie hatte überhaupt nicht bemerkt, wie tief sie in Gedanken versunken war.
Kurz war sie sprachlos, aber fasste sich schnell wieder. Es stimmte, sie war nachdenklich und sogar etwas unsicher. Darum wusste sie nicht ganz genau wie sie anfangen sollte, geschweige zu erklären.
„Lass dir Zeit, Emmanline.“ Lächelte die Frau vor ihr, die eine wunderschöne Anmut hatte. Sie war wirklich aufmerksam und hilfsbereit, was sie bewunderte. Immer mehr Widersprüche kehrten in ihr, was die Drachen betraf. „Hier ist es wirklich wunderschön. Unglaublich, und das hast du alles selbst erschaffen?“ Ging sie zu einem Meer von Blüten. „Alles duftet so wunderbar und wohltuend, das ich mich hier wirklich wohl fühle. Ich kann verstehen, wie gerne du hier deine Zeit verbringst.“ Sprach Lya weiter.
„Dieser Ort hier ist für mich wirklich wie ein Zufluchtsort gewesen.“ Erwiderte Emmanline. „Doch, es hat sich so vieles geändert. Obwohl ich mein ganzes Leben unter Euresgleichen verbracht habe, weiß ich, wie ihr seid. Ich kenne jede Kleinigkeit von euch und weiß wie ihr denkt, sogar handelt. Dafür hatte ich eine lange Zeit es zu lernen. Aber jetzt?“ Ihre Stimme war rau und weit entfernt, als würde sie in die Vergangenheit gehen. „Jetzt habe ich das Gefühl, euch überhaupt nicht zu kennen. Seit dem ich hier bin, ändert sich alles. Ich beobachte, wie sehr ihr einander beschützt und zusammen haltet. Ihr schätzt euch, vertraut und ihr liebt, was von eurer Natur ziemlich widersprüchlich ist. In meinen Augen. Darum fällt es mir unheimlich schwer und es verwirrt mich, euch so zu beobachten. Ich verstehe nicht viel, was es heißt zu vertrauen, zu lieben, geschweige solch ein Leben zu führen.“
Emmanline musste Lya nicht anschauen, sie hörte ihr zu. Zumal konnte sie nicht in ihre Augen schauen, weil in ihr ein Unbehagen herrschte. Darum beherrschte eine drückende Stille zwischen ihnen, aber es wirkte nicht wirklich negativ.
„Ich weiß nicht was du alles erleben musstest und will es auch nicht wissen, aber ich sehe mehr als genug um zu verstehen, wie sehr du darunter leidest. Das alles hast du nicht verdient und jeder weiß das hier. Vor allem Lucien. Man müsste blind sein, um es nicht zu sehen, wie verbunden ihr zueinander seid.“ Klang so viel Wärme und Sanftheit in ihrer Stimme mit.
„Genau das ist mein nächster Punkt. Lucien sprach davon, ich sei seine Seelengefährtin und ich wäre somit sein Gegenstück, seine zweite Hälfte.“
„Ja, das stimmt. Lucien und sein Drache erkennen dich als ihre vorherbestimmte Seelengefährtin an und wollen dich. Dich beschützen, lieben und sie wollen immer an deiner Seite sein. Ihre Natur hindert sie daran, dich gehen zu lassen. Selbst du kannst es nicht, nicht wahr?“
Sie konnte einfach nicht lügen, auch wenn sie es gerne abstreiten wollte. „Nein, ich kann es nicht. Am Anfang hatte ich es nicht verstanden, warum ein Teil tief in mir drinnen sich zu ihm hingezogen fühlte. Nach einer längeren Zeit wurde es immer komplizierter und ich spürte, da stimmt etwas nicht. Ich erkannte viel zu spät, dass ich ihm auch nahe sein wollte und sogar beschützen. Ich tat es in den ersten Momenten unbewusst. Am Ende verspürte ich irgendwie Panik und Angst, weil ich so was nicht wollte. Nicht solche Handlungen und Gefühle.“ Senkte sie immer weiter ihren Kopf und ihr Körper versteifte sich schlagartig, wie ihr Herz schnell in der Brust schlug. Das Wummern ihres Herzschlages hallte durch ihren ganzen Körper und entfaltete sich zu einem Dröhnen in ihrem Kopf. Sogar fast schmerzlich.
„Du musst keine Angst haben. Er würde dir niemals wehtun.“ Versicherte Lya ihr.
„Ich weiß. Ich spüre es, wie sehr er sich bemüht, aber trotzdem begreife ich noch nicht das ganze Ausmaß von dem, was es bedeutet eine Gefährtin zu sein. Niemals kann ich das sein, was ich für ihn zu sein scheine. Ich bin vollkommen anders, als ihr oder jemand anderes.“ Schaute sie in den klaren blauen Himmel, wo die Sonne am höchsten Punkt stand.
Neben sich hörte sie ein leises Lachen, was sie irritierte und blickte die Frau neben sich an. Verwundert schaute sie sie an und verstand nicht wirklich warum.
„Vermutlich ist es genau das, weil du anders bist. Ist dir nicht aufgefallen, wie unbewusst du alles tust? Ich weiß nicht ob es allen von Anfang so ging, aber mir schon, als ich etwas einzigartiges in dir erblickt hatte. Du bist einfach du selbst und das macht auch dein Wesen aus. Schau dich nur um und du bemerkst es, was du alles zustande bringst.“ Richtete Lya ihren Blick auf all die bunte Pracht vor ihnen. „Wir sind Raubtiere und dazu imstande, mehr zu nehmen, als zu geben. Sicher versuchen wir alles, damit wir gerecht sind. Aber du gibst mehr, als jemand von dir verlangt. Genau dies tust du unbewusst, aber verlangst kaum etwas als Gegenleistung. Du denkst nicht an dich, aber das solltest du. Denke einmal darüber nach, was selbst du gerne haben möchtest. Denk darüber nach, was du dir wünschst. Denk darüber nach, was dir am Herzen liegt. Für all das hast du genauso das Recht wie jeder andere auch. Keiner kann dir das Recht verwehren, genauso glücklich zu sein, wie jeder andere auch.“
Emmanline wirkte geschockt, von all diesen Worten. Sie wusste nicht wirklich, ob ihr Herz rasend schnell schlug, oder gar nicht, weil ihr stockender Atem sie davon ablenkte. Ihre Worte waren erschreckend, aber sie hatte vermutlich recht. Sie machte sich keine Gedanken über all dies und verlangte wirklich nie eine Gegenleistung, weil sie es nicht gewohnt war etwas zu verlangen. Stets nahm man ihr alles, aber niemals gab ihr jemand etwas zurück. Bis auf jetzt...
„Glaube mir, Emmanline. Lucien wird alles tun, damit du glücklich wirst, auch wenn er dich nicht gehen lassen kann. Nie habe ich meinen Bruder je so erlebt, dass er solch eine Zurückhaltung besitzt. Stets nahm er sich all das, was er begehrte, weil er es kann. Nicht weil er irgendwann ein Herrscher oder König sein kann. Seine Natur verlangte es, wie jeden von uns. Wir kämpfen um das was wichtig ist und was wir lieben. Dafür würden wir alles tun und wenn du uns so gut kennst, wie du meintest, dann müsstest du genau wissen wovon ich spreche. Drachen sind erbarmungslos, eigensinnig und stur, weil es die Natur von uns verlangt. Darum sind wir auch so erpicht darauf alles zu beschützen, was uns lieb und teuer ist.“ Lächelte sie ernst und wissend.
Ja, sie hatte Recht und es machte sie weiterhin sprachlos. Sicher dachte sie darüber nach und ging all ihre Worte durch. Als sie die letzten Stunden, oder den Tag, mit Lucien verbracht hatte, wusste sie, dass darin etwas lag. Er hatte ihr gesagt, während sie im toten Zustand war, er war die ganze Zeit über bei ihr geblieben. Sie konnte es nicht übersehen, wie entsetzt er ausgesehen hatte. Abgrundtief traurig und verletzlich, was eigentlich nicht zu ihm passte. Ihr Herz hatte dabei wehgetan und sie konnte es nicht ertragen ihn so zu sehen. Es passte nicht zu ihm, da er mächtig und stark sein musste. Dabei konnte er es sich nicht erlauben Schwäche zu zeigen, aber ihr gegenüber hatte er es getan. Lucien zeigte ihr eine Seite von ihm, die vermutlich niemand zu Gesicht bekam. Sicher sorgte er sich um vieles und zeigte es in der Hinsicht, aber ob er es in diesem Ausmaße tat, wusste sie am Ende nicht. Dieser Mann war etwas einzigartiges und machtvolles, was sie zuvor noch nie gesehen hatte.
„Soll ich dir etwas verraten, was es für dich vielleicht einfacher machen würde?“ Wurde sie aus tiefe Gedanken gerissen.
„Ja, bitte.“ Wollte sie es unbedingt wissen.
„Sei einfach so wie du bist und verstelle dich nicht. Lucien wird dir zeigen, wie sehr er dich braucht. Nicht weil du vom Schicksal auserwählt wurdest, um an seiner Seite zu sein, sondern, weil du genau die Richtige für ihn bist. In deiner Nähe scheint er einen ruhigen Pol gefunden zu haben, welches ihn ausgleicht. Du hältst ihn im Gleichgewicht und das ist seine wahre Stärke. Verstehst du was ich meine, Emmanline? Lucien wird dich mehr als alles andere brauchen und er wird sich nicht scheuen es dir gegenüber zu zeigen.“ Schüttelte seine Schwester mit ihrem Kopf. „Während Lucien die Tage mit dir in seinen Gemächern verbracht hatte, konnte ich spüren welche Trauer ihn beherrschte. Jeder konnte es, weil du gestorben warst. Er aß und trank nicht und verließ niemals das Zimmer, weil er um dich trauern wollte, sowie bei dir sein. So kannten wir ihn zuvor nicht, aber es beherrscht ihn. Du beherrschst ihn.“
Wusste Lya überhaupt was sie von ihr verlangte? Sicher erwarteten alle, so schien es ihr, dass sie bis in alle Ewigkeit an Luciens Seite verbringen sollte. Doch sie hatte das schlechte Gefühl, es würde niemals so sein. Es beunruhigte sie, weil es nicht fair war. Keineswegs war es das. Und doch sprach eine innere Stimme zu ihr, sie müsse es tun. An seiner Seite sein. Es war egoistisch, aber sollte je etwas geschehen, wäre sie dafür verantwortlich sein Untergang zu sein. Wenn es so weiter ging und ihre schlechte Vorahnung holte sie ein, dann wäre es auch ihrer. Es würde ihr Herz und Seele zersplittern, je mehr sie sich darauf einließ. Am Ende war sie machtlos und niemand kam gegen das Schicksal an. Oder nicht?
Schwer würde ihr Weg sein und alleine würde es sie nicht schaffen können. Egal wie schwer es sein würde, um eine Veränderung kam sie nicht drum herum. Ihr Schicksal war hiermit besiegelt und ab heute würde sie nicht mehr alleine gehen müssen. Sollte sie darüber glücklich sein, oder eher vorsichtig, weil sie nicht wusste, wie weit das alles führte?
Trotz allem konnte sie Lyas Worten nicht entgegen kommen, denn die Stille war jetzt ihr einziger Begleiter und ihre Gedanken beherrschten sie wie ein Sturm. Wer weiß was auf sie zukam, aber sie musste nach vorne schauen. Sie musste es schaffen, weil sie es versprochen hatte. Nicht nur Lucien, weil er um ihre Hilfe bat, sondern ihrer Mutter gegenüber. Sie durfte nicht weglaufen, nie wieder. Also würde sie bleiben und abwarten was passieren würde. Sofern sie noch standhalten konnte. Egal was passieren würde, es würde unerwartet passieren, da war sie sich gewiss. Wenn sie eins wusste, dann dass das Leben eine unerwartete Kehrtwende machte. Möge das Schicksal über alles bestimmen, denn ein Entrinnen gab es nicht.
Niemals...
Kaum zu glauben, aber Lucien konnte es einfach nicht mehr abwarten endlich wieder bei Emmanline zu sein. Dabei waren sie mal gerade ein paar Minuten getrennt. Es kam ihm jetzt schon wie eine Ewigkeit vor. Da er auf schmerzliche Art und Weise erfahren musste, wie hart es sein konnte, diese Frau zu verlieren, die ihm mehr am Herzen lag, als eigentlich dürfte. Wer hätte das gedacht, dass er einmal so enden würde? Er sicherlich nicht, aber so war es nun einmal gekommen. Der Verlust und Schmerz war wohl ein kleiner Vorgeschmack, wenn er bedachte, dass sie noch ganz am Anfang standen.
Sollte sich Emmanline jemals entscheiden ihn zu wählen, dann würde die Bindung nur verfestigt. Je tiefer sie ging, um so härter würde es werden, was fest stand. Darum würde er alles daran setzen sie jederzeit und überall zu beschützen. Niemand würde ihn aufhalten können, wenn es um seine Seelengefährtin ging. Selbst sein Drache würde es niemals zulassen. Niemals.
Was sollte er nur tun? Emmanline schien sich entschieden zu haben hier zu bleiben, aber er war sich nicht ganz so sicher. Ihm graute es, sie würde sich urplötzlich anders entscheiden. Sie mochten sich nahe sein, aber dennoch auch wieder nicht. Wobei, auch wenn sie sich vereinigt hatten, war es noch lange nicht so, dass sie sich gefunden hatten. Immer noch trennte sie einen Abgrund zueinander und bis jetzt schien er unüberwindbar zu sein. Auch wenn sie noch am Anfang waren, so durfte er nicht zulassen, dass dieser Abgrund immer weiter auftat. Manchmal war er ziemlich am verzweifeln, was er einfach nicht gewohnt war. Nun, wenn er es unbedingt wollte, diese Frau zu besitzen, dann müsste er sich eben mehr anstrengen und sie überzeugen. Einerseits machte es ihn schon zu schaffen, aber auf der anderen Seite freute er sich auf dieses Spiel zwischen ihnen. Das konnte er nun einmal nicht bestreiten. Es gab nichts aufregenderes, als eine Jagd. Vor allem wenn es darum ging, seiner Seelengefährtin nachzujagen. Eine Euphorie der Vorfreude packte ihn, was ihn zum grinsen brachte. Nicht ein Grinsen, das eben so angedeutet war, sondern das strahlend über sein ganzes Gesicht ausbreitete. Gott, das müsste erbärmlich aussehen, aber ihm war es scheißegal. Hauptsache er verspürte das unglaubliche Gefühl, was sein Inneres zum schmelzen brachte. Wer hätte je gedacht, sein Feuer in ihm würde noch höher und stärker lodern.
„Das muss ja etwas außergewöhnliches und schönes sein, wenn es bei dir solch ein Grinsen hervorruft.“ Lachte eine tiefe und starke Stimme hinter ihm.
Sofort wandte er sich um und schaute direkt in blass blaue Augen. Er wusste augenblicklich wohin sie gehörten, allein seine Stimme schon. „Darius.“ Nannte er den Namen seines Onkels und Bruder seines Vaters Raziz. „Schön dich wiederzusehen.“ Lächelte er ihn anerkennend an, weil er Respekt ihm gegenüber zollte. Es war schon eine lange Zeit her, ihn zuletzt gesehen zu haben.
Darius sah seinem Vater sehr ähnlich und hatten die gleiche Statur, wie Haar und Augen. Trotz allem waren sie verschiedener wie sie nicht sein könnten. Alleine in ihren Verhaltensweisen bewies es. Sein Vater war mehr der Autorität besaß und die Fähigkeit ein mächtiges Volk zu regieren. Darius eher, der im Hintergrund blieb und sein eigenes Ding machte. Nichts falsches und schlechtes, aber er besaß genauso ein Teil an Macht. Nicht weil er ein Mitglied des Rates war, sondern von seiner Persönlichkeit. Das bewunderte er auch an ihm, weil das auch an Stärke zeigte und sich für das Volk einsetzte.
„Ich freue mich auch, mein Neffe. Wie ich hörte und nun auch sehe, hast du wirklich den Thron bestiegen. Ich wollte es erst nicht glauben, aber wie ich sehe bist du endlich deinem Schicksal gefolgt.“ Kam sein Onkel auf ihn zu und legte beide Hände anerkennend auf Luciens Schultern. Danach umarmten sie sich einmal, zur Begrüßung eines Wiedersehens.
„Ich weiß, dass ich davor weggelaufen bin, aber es gab keinen längeren Aufschub mehr.“ Antwortete er lediglich.
„Solange du es endlich eingesehen hast, solltest du daran arbeiten, aber wie ich auch sehe, tust du es. Ich hatte mich schon gefragt, wann du endlich den Rat einberufst.“
„Es gab noch nicht viele Chance den Rat zu rufen, weil einiges passiert ist. Und genau darüber sollte der Rat Bescheid wissen. Doch lasst uns erst einmal in mein Arbeitszimmer gehen.“ Schlug er vor.
„Das ist eine sehr gute Idee.“ Erklang eine freundliche, starke Frauenstimme. Er kannte den Klang genauso gut, wie Darius seinen.
„Saphira.“ Begrüßte Lucien sie. „Ich hatte mich schon gefragt, wo du bist.“ Umarmte er sie auch freundlich.
Sie hingegen lächelte darauf, sodass ihre perfekten weißen Zähne hervor blitzten. „Ich wurde kurz aufgehalten.“
Saphira war eine herzensgute Person, keine Mütterliche, aber ebenso ein Mitglied des Rates. Sie war Darius Frau, aber wie er bemerkte, waren sie noch immer nicht miteinander verbunden. Dabei waren sie vom Schicksal ausgesucht worden.
„Ihr seid noch nicht verbunden?“ War er doch schon neugierig darauf.
Erst in seinem Arbeitszimmer bekam er eine Antwort darauf.
„Nein, sind wir noch nicht. Stets hatten wir uns dagegen gewehrt und nicht einsehen wollen, dass wir Seelengefährten sind, bis wir keine Macht mehr über uns hatten. Zumal wir große Verpflichtungen nachgehen müssen, haben wir uns darauf geeinigt, diese Verbindung zu zulassen.“ Fing Darius an.
„Wir mögen und schätzen uns gegenseitig, aber es ist nicht die Verbindung, die uns ewig aneinander binden kann. Es ist die Liebe, die nie entstehen würde.“ Lächelte Saphira. „Auch wenn wir keine Bindung eingehen, um uns als ewige Gefährten zu kennzeichnen, werden wir trotz allem davon betroffen sein, wenn einer von uns in den Tod geht. Wir sind nicht mehr als sehr gute Freunde und Mitglieder des Rates.“
Es gab schon ein paar Fälle, das bezeugte, Seelengefährten zu sein, aber nichts füreinander empfanden. Ohne Gefühle war es vermutlich das Schrecklichste, wenn er es sich vorstellte, gezwungen sich dem anderen hinzugeben. Obwohl sie keine Verbindung wollten. Gegen dem Schicksal und der Natur war man machtlos und es änderte nichts daran, ob jemand es wollte oder nicht.
Lucien hatte nicht gewusst, solch eine Ungebundenheit zwischen ihnen zu kennen. Dabei gingen sie stets liebevoll und schätzend miteinander um. Es sah immer so aus, als wären sie füreinander bestimmt und ihnen bedeuteten der andere mehr als alles andere. Es war seltsam über dieses Wissen zu verfügen und es würde einiges verändern.
„Mach dir keine Sorgen, Lucien. Wir werden trotzdem uns gegenüber wert schätzen und trotz eine Verbindung haben, aber es wird nur nicht die Liebe sein, die normalerweise andere miteinander verbinden.“ Schienen sie wahrhaftig darüber einig zu sein. „Doch jetzt sollten wir uns mit den Problemen unseres Volkes vertraut machen.“ Da stimmte er Darius zu.
Lucien umrundete seinen Schreibtisch und setzte sich auf seinen Stuhl, wo er sich zurück lehnte. Darius und Saphira setzten sich ihm gegenüber.
„Es ist vieles geschehen.“ Erzählte Lucien alles, was seither geschehen war. Die Bedrohung der Fae und von Culebra, wie der vorgetäuschte Angriff zwischen Lykae und Drachen. Es war nicht gerade wenig, aber die Augen sollten dafür offen sein und nicht über die kleinsten Dinge geschlossen bleiben. Der kleinste und unwichtigste Punkt kann manchmal der sein, der einen in die Knie zwang, oder einen vernichteten Schlag verpasste.
Eine drückende und angespannte Atmosphäre herrschte in diesen Raum. Wie hätte es auch anders sein können. Doch es war noch längst nicht alles. Der Rat musste auch wissen, dass Arokh ein Verräter war.
„Arokh wollte dich töten?“ Saphira war schockiert.
„Verflucht noch mal.“ Knurrte Darius wütend. „Das wird Tarana und Volteer überhaupt nicht gefallen. Ist er schon tot?“
Lucien machte ein finsteres Gesicht. „Nein, noch nicht. Ich war bis jetzt mit etwas anderem beschäftigt gewesen. Doch der Tag wird kommen, dass ich ihn in Fetzen reißen werde. Egal was für ein erstklassiger Kämpfer er ist, oder der Bruder von Cyrill, kann ich ihm nicht verzeihen. Es geht mir nicht auf den Anschlag auf mich selbst.“ Verwandelte sich sein Blick in voller Abscheu und unendlicher Wut, wenn er daran dachte, wie Emmanline gestorben war. In seinen Armen. Nie würde er je diesen Moment vergessen können.
„Geht es um die Frau, die du seit längerer Zeit bei dir beherbergst? Es macht schon überall die Runde, wie verfallen du ihr bist.“ Sagte Darius.
Das konnte er nicht bestreiten und vor allem das es unter seinem Volk das Gesprächsthema Nummer eins war. „ Sie ist nicht nur irgendeine Frau, sondern meine Seelengefährtin.“ Auf einmal verpuffte die ganze Anspannung in diesem Zimmer.
„Ist das wahr? Deine Seelengefährtin?“
„Ja, ist es. Sie ist mir vom Schicksal vorherbestimmt. Auch mein Drache ist der Meinung und das kann ich nicht ignorieren. Sie heißt Emmanline und sie war diejenige gewesen, die mich vor dem Anschlag gerettet hatte.“ Kam er einfach nicht darüber hinweg, was sie getan hatte.
Erneute Stille.
„Sie hat was? Ist ihr etwas geschehen?“ Warf Saphira ein.
„Mehr oder weniger.“ Grummelte er. Auch wenn er Darius und Saphira schätzte und soweit alles andere, aber er konnte es nicht erwähnen.
Darius musste es bemerkt haben, er würde nicht gerne darüber sprechen. „Gut. Du hast das richtige getan und den Rat einberufen. Wir haben eine Menge zu besprechen und vor allem ist es das erste Mal das wir hier sind, seit du der König bist. Es wurde höchste Zeit, Lucien. Du hättest es schon früher tun müssen, aber es ist unveränderbar. Alles weitere werden wir morgen in der Sitzung besprechen und über alles abstimmen was das Beste und Ratsame ist.“
„Das weiß ich, dies ist ein später Zeitpunkt. Auch dessen werde ich mich rechtfertigen. Auf uns wird eine unveränderbare und neue Zeit zukommen. Ob wir es mögen oder nicht.“ Fuhr sich Lucien über sein Gesicht. „Hat man euch ein Zimmer zugeteilt?“
Saphira antwortete ihm und sie schien etwas gedankenverloren zu sein, wie seinen Onkel auch. Das konnte er gut nachvollziehen, da sie mit einer Menge zu tun hatten. Es würde nicht einfach sein, aber alles versuchen, es zu verbessern oder abzuwenden. Manche Dinge konnten nicht ohne den Rat besprochen werden.
Aus heiterem Himmel stand Saphira auf und schaute Lucien direkt an. „Ich werde mich schon einmal zurückziehen.“ Neigte sie kurz den Kopf und verließ das Zimmer. Gerade fühlte er sich etwas überrumpelt.
„Ich habe sie darum gebeten zu gehen.“ Riss Darius ihn aus den überraschten Zustand. „Wir sollten uns mal unter vier Augen unterhalten. Nicht zwischen Ratsmitglied und König. Lediglich nur unter Onkel und Neffe.“ Lehnte er sich weiter in seinem Stuhl zurück.
Das gefiel ihm nicht wirklich. „Sollten wir das?“
„Mir ist einiges zu Ohren gekommen und ich verlange das du ehrlich zu mir bist.“
„Und was wäre das, was dir zu Ohren gekommen war?“
Ein Lächeln entstand auf seinem Gesicht. „Man erzählt vieles, was dich betrifft. Ich freue mich wirklich, dass du deine Seelengefährtin gefunden hast und das du sie anerkennst. Doch zumal bekam ich zu hören, woher sie kommt. Sie war unter Culebras Hand gewesen?“ Verschwand das Lächeln.
„Ich weiß was du denkst, Onkel, aber ich versichere dir, sie ist nicht so.“
„Bist du dir da sicher? Jemand der große Geheimnisse in sich trägt, kann mehr sein, als man wirklich denkt. Man könnte alles sein, nur manchmal nicht das, was sich jemand vorstellt. Du solltest ihr nicht so viel Freiraum lassen und ihr gestatten überall hinzugehen.“ Gab er ihm einen Rat.
Knurrend riss er sich von seinem Stuhl hoch und lief vor dem Fenster auf und ab. Sicher kam er nicht drumherum aus dem Fenster zu schauen. Es war schon eine Angewohnheit geworden, weil er immer nach ihr suchte. „Glaubst du, ich wüsste nicht wie es sein könnte? Selbst Emmanline selbst riet mir, ich soll sie nicht an allem beteiligen. Nur es ist nicht so einfach. Ich will es ja, aber mein Inneres sagt mir, ich darf keine Geheimnisse vor meiner Seelengefährtin haben. Mein Drache sieht es genauso. Es ist vieles passiert und wenn ich daran denke, ich wäre jetzt tot, wenn sie nicht gewesen wäre. Sie musste für alles büßen.“ Wurde er immer unruhiger.
Darius konnte verstehen, wie sein Neffe sich fühlte und in welchem Konflikt er stand. Geheimnisse vor seiner Seelengefährtin zu haben, war nicht gerade einfach. Selbst für ihn war es eine eigenartige Lage, wenn er an Saphira dachte. Sie waren Seelengefährten, aber es wäre nie wie es sein sollte. Er verstand nicht, warum das Schicksal gerade sie auserwählt hatten, obwohl sich niemals Gefühle entwickeln würden. Sie fühlten sich eher zueinander hingezogen, was das sexuelle anging, aber am Ende hatten sie nur eine Beziehung, wie es bei Geschwistern hätte sein können.
Saphira und er trieben es zwar miteinander, aber ansonsten machte jeder sein eigenes Ding. Sex und die Angelegenheiten des Rates waren das Einzige, was sie zusammenbrachte. Von Liebe könnten und würden sie niemals sprechen und es würde auch niemals so sein, egal wie sehr sie sich bemühten, was sie schon einmal versucht hatten. Aus diesem Grund könnten sie niemals ein Bund eingehen, weil sie beide fühlten, es wäre nicht richtig.
Darum verstand er Lucien in einer gewissen Hinsicht, denn er konnte vor seiner Gefährtin keine Geheimnisse haben. Nun gut, fast nicht. Es gab gewisse Ausnahmen. Dieses Gespräch würde trotz allem unter ihnen bleiben.
„Wie meinst du das, sie musste für alles büßen?“ Horchte Darius auf.
Ein kurzes Zögern schien Lucien zu beeinflussen, aber er wusste selbst, er würde nicht eher locker lassen, bis er eine Antwort bekam.
„Vorhin hatte ich den Konflikt mit den Lykae erwähnt. Ich hatte mich mit Garett auf den Weg gemacht, unserer beider Seiten, die Kämpfenden, auseinander zur reißen. Es war nicht möglich gewesen und ich habe zu diesem Zeitpunkt nicht damit gerechnet, dass ein Verräter unter uns steckte. Arokh hatte mit Culebra gemeinsame Sache gemacht und dieser Kampf war eine perfekte Gelegenheit dafür gewesen, mich aus dem Weg zu räumen. In der Lage wäre es ein leichtes, die Lykae zu beschuldigen. Gerade dann auf beider Seiten hätte es ein Abschlachten gegeben. Doch Emmanline schien sich an etwas erinnert zu haben, was sie mir unbedingt sagen wollte. Ich werde nie wieder das Bild vergessen, wie sie durch die tödliche Menge versucht hatte zu mir zukommen.“ Spannte sich Luciens Körper mehr und mehr an.
Darius schwieg, weil er wusste, sein Neffe würde nicht mehr preis geben, wie er es wollte.
„Nie hätte ich geglaubt, wenn mir jemand erzählte, manche Augenblicke können vor den Augen wie in Zeitlupe ablaufen. Ab diesen Augenblick wusste ich es besser. Ich hatte alles um mich herum vergessen und nur noch Augen für sie gehabt, weil ich Panik hatte. Wirkliche Panik, ihr könnte etwas geschehen. Auch wenn es wie in Zeitlupe geschah, war die Realität schneller als jede Wahrnehmung. Kaum als ich mich versah, lag Emmanline in meinen Armen, mit einem Pfeil in ihrer Brust.“
Nicht fassend was er da hörte, schien Darius nicht mehr zu Atmen. „Heilige Götter.“ Flüsterte er rau und schockiert. Lucien musste mit ansehen wie seine Seelengefährtin verwundet wurde? „Aber sie lebt, was gut ist.“ Versuchte er gute Worte zu finden.
„Wieder.“
Ein fragender Blick erschien auf seinem Gesicht und verstand nicht wirklich. „Soll das bedeuten, sie war tot gewesen?“
Lucien stieß ein Knurren aus. „Ja, sie ist in diesem Augenblick in meinen Armen gestorben, ohne das ich was hätte dagegen tun konnte. Dieser Pfeil hätte mich nicht töten können, aber hätte es dennoch. Die Spitze war mit einem Gift getränkt, welches Garett beinahe das Leben gekostet hätte, wenn Emmanline nicht imstande gewesen wäre, ihn zu heilen.“ Stieß er pressend die Luft aus.
Nun konnte selbst er nicht mehr sitzen und stand auf. Was sein Neffe da erzählte, ging weiter als alles andere hinaus. Kein Wunder das er so sehr auf diese Frau fixiert war. Immerhin verdanke Lucien ihr sein Leben, auch wenn es ihm unerklärlich war, wie es möglich war, wenn zwei mächtige Wesen daran gestorben wären. Bis jetzt hatte er sie noch nicht zu Gesicht bekommen, aber er hatte durch die Gerüchteküche erfahren, sie war eine Elfe, was verwunderlich war. Wie lange war es her, seit Elfen noch unter ihnen gelebt hatten?
„Dies war nicht das erste Mal gewesen, dass sie mich gerettet hatte. Auch damals vor den Engeln, als sie mich zur Strafe gefangen genommen hatten. Emmanline war vermutlich auch der Grund, dass ich überhaupt hier stehe und auf dem Thron sitze.“
„Warte mal, ganz langsam.“ Versuchte Darius zu begreifen, was er ihm da alles erzählte. „Warum weiß ich von all dem nichts?“
„Weil es bisher keine Gelegenheiten gegeben hatte. Zu vieles ist in einem kurzen Zeitraum passiert, was ich selbst versuche zu begreifen. Doch eines weiß ich mit Gewissheit, Culebra und die Fae spielen ein falsches Spiel und mich würde es auch nicht wundern, wenn sie nicht zusammen unter einem Hut stecken. Doch davon will ich erst noch nicht ausgehen. Aber Fakt ist, wir haben es nicht mit einem Problem zu tun, was sich eben schnell beseitigen lässt. Das ist schon ein großes Problem, das wer weiß wie lange schon geht. Die Fae haben das wirklich gerissen eingefädelt und sie sind zu einem gewissen Prozentsatz daran beteiligt, warum wir alle in große Konflikte und Kriege mit andern Völkern verstrickt sind.“ Hatte Lucien für einen kurzen Moment mit dem hin und her laufen aufgehört, aber nahm ihn sofort wieder auf. „Beinahe wäre es, vor einigen Tagen, mit den Lykae eskaliert, wenn wir es nicht rechtzeitig erkannt hätten. Fae sind Meister der Täuschung und sie haben uns wahrhaftig getäuscht. Wir sollten glauben, Lykae greifen uns an und wir greifen sie an. Damit wir am Ende einen Krieg gegeneinander führen, uns gegenseitig schwächen oder vernichten, wo die Fae dann freie Bahn hätten.“
Zu unsicher auf den Beinen, ließ er sich in den Sessel zurückfallen und war wirklich dankbar dafür. In seinem Kopf arbeitete es ununterbrochen, als er all das gehörte zu verarbeiten versuchte. „Soll das bedeuten, in all den Jahren sind wir auf Intrigen reingefallen?“
„Jahrhunderten planen sie schon und ich kann nicht sagen, wie weit sie schon sind, oder was sie am Ende bezwecken.“ Blieb Lucien direkt vor dem Fenster stehen und starrte hinaus. Darius bemerkte sofort, wie sich sein Gesichtsausdruck veränderte. Seine harten Gesichtszüge wurden weicher und sein Blick schien sehnsuchtsvoll zu sein. Da wusste er sofort, was seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Mit großer Wahrscheinlichkeit beobachtete er diese eine Frau.
Ihm fiel es sofort an seiner ganzen Art auf, wie verzaubert er von dieser Frau war. Sie bedeutete seinem Neffen wirklich viel und er kam nicht drumherum, es als gut zu bezeichnen, aber er wusste einfach nicht, was er denken sollte. Diese Frau hatte unter Culebras Hand gelebt und niemand weiß, ob sie nicht alles vorspielt und etwas plant, oder ob sie überhaupt nichts böses im Sinne hatte. Das galt wohl heraus zu finden.
„Woher weißt du das alles? Was macht dich da so sicher, es sei alles wahr?“ Fragte Darius.
Mit einem Ruck schien sich Lucien zu zwingen, sich vom Fenster abzuwenden, damit er ihn anschauen konnte. „Jade ist die Informantin.“ Was schon alles sagte.
Jeder aus dem Volk wusste, Jade war eine Tochter aus dem Königshaus. Aber kaum einer wusste, was sie in Wirklichkeit war, eine gerissene Spionin. Niemand wusste woher ihre Neigung zur Spionage kam, aber sie verstand wirklich ihr Handwerk und machte es auch sehr Professionell. Sie lag so gut wie nie verkehrt mit ihren Informationen und sollte das wirklich stimmen was Lucien ihm da erzählte, kamen sehr schlechte Zeiten auf sie zu.
Fassungslos und erschöpft fuhr er sich mit einer Hand über sein Gesicht. Dabei hatte er zuvor voller Energie gesteckt, aber auf einmal fühlte er sich wie ausgelaugt, als würde er seit Tage sinnlos durch die Gegend fliegen, ohne einen Anhaltspunkt zu haben.
„Ich weiß, du verstehst es nicht wirklich.“ Wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Jetzt erst bemerkte er, wie still und schweigsam es geworden war.
Gut, vielleicht konnte er es nicht ganz verstehen, weil er nicht so eine Verbundenheit hatte, wie sein Neffe. Jemand müsste blind sein, um nicht zu sehen, wie sehr er dieser Elfe verfallen war. „Vermutlich nicht.“
„Ich kann nichts dagegen tun, Onkel. Egal was kommen mag, ich werde sie vor allem und jeden beschützen. Sie ist Mein und wird es immer sein, bis zu meinem Tod hinaus. Selbst mein Drache hat sich entschieden und es gibt kein zurück mehr. Nie wieder und ich will es auch nicht. Ich darf sie nicht verlieren.“ Blickte er die ganze Zeit aus dem Fenster und wieder wurde sein Blick weicher und sehnsuchtsvoller.
„Dich scheint es ganz schön erwischt zu haben.“
„Das weiß ich selbst.“
„Weiß sie denn, was alles auf sie zukommt und was sie sein wird?“
Lucien schien leicht zu lächeln. „Ja, sie weiß was sie für mich bedeutet und ich kann es noch immer nicht glauben, dass sie bleibt. Ich weiß auch, welches Los sie aufgebürdet bekommt, weil sie, wenn sie sich für mich entscheidet, die Königin sein wird. Doch ich bin fest davon überzeugt, sie ist die Richtige.“
„Nun gut.“ Stand Darius auf. „Dann bin ich wirklich gespannt sie einmal kennenzulernen und mich macht es auch sehr neugierig, was für eine Frau dich so gezähmt hat.“ Lachte er leicht auf. „Sie muss eine Menge Mut und Stärke besitzen, dir die Stirn zu bieten.“
„Oh, den Göttern, das hat sie. Nach allem was ich über sie weiß, mutiger und stärker als jeder Krieger. Auch wenn sie die körperliche Kraft nicht besitzt.“
Es erschreckte Darius etwas, als er sich erneut zu ihm umwandte und sein Gesichtsausdruck war verblüffend. Das muss wohl die wahre Liebe sein, die einen zusammenschweißen konnte. Weit über die Seele hinaus, bis über den Tod hinweg. Das erste und letzte Mal, hatte er solch eine starke Verbindung gesehen, die Vereinigung zwischen seinem Bruder Raziz und seiner Gefährtin Rhivanna. Zwischen ihnen hatte genau solch eine Anziehung, Hingabe und Liebe geherrscht, was niemals zu trennen vermochte. Stets wurde dieses Band stärker und stärker. Genau das gleiche könnte sich bei seinem Neffen und dieser Elfe abspielen.
Freuen war wohl ein Ausdruck, den er nicht wirklich definieren konnte, aber es machte eine Menge aus. Solange Lucien sich wie jetzt verhielt, schien er eine größere Stärke in sich zu haben, als wie zuvor. Doch sollte er eines Tages, was er nicht hoffte, seine Gefährtin verlieren, dann ihn gleich mit. Geschah das, dann würden sie ohne König dastehen, was miserable Aussichten waren.
„Wenn du diese Frau wirklich zu deiner Gefährtin machst, solltest du es dem ganzen Rat mitteilen. Immerhin würde sie die zukünftige Königin sein, die du erwählt hast. Vielleicht würde es Gegenargumente und Missbilligungen geben, weil sie nicht aus unserem Volk ist, aber sie sollten es erfahren.“ Sprach Darius offen.
„Das werde ich, sobald ich die Gewissheit habe. Ich kann es schon vor Augen sehen, dass es den Traditionen widerspricht und das viele auf alte Gesetze beharren, doch trotzdem leben wir in einer neuen Welt. Alles hat sich verändert, sowie wir selbst auch. Ich sitze auf den Thron und bestimme das Gesetz, kann es selbst ändern, aber sollte irgendjemand meiner Gefährtin schaden wollen, werde ich gnadenlos sein.“ Funkelten seine Augen golden auf, als unbändiger Zorn und Warnungen sich in ihnen spiegelte. Das war dann wohl eine klare Ansage.
Darius fand es schon ziemlich interessant, denn dies ganze brachte neuen Wind unter die Drachen. Wie alle wohl reagieren würden, sollten sie die Auswirkungen spüren? Was für Aufstände würde es geben?
Er selbst hätte ja keine Probleme damit, aber andere gewiss. Ein paar im Rat würde es mit Garantie geben. Namen könnte er nennen, aber wer weiß.
Diese Frau müsste einiges tun, damit sie den Respekt der Drachen verdiente. Anscheinend hatte sie es schon bei einigen geschafft und das interessierte ihn sehr, wie sie es bei ihm anstellen wollte. Da würde er ihr doch einmal durch reinen Zufall über den Weg laufen müssen.
Langsam beschloss er, sich erst einmal zurück zu ziehen, da er wirklich jetzt einen kurzen Augenblick brauchte, um zur Ruhe zu kommen und um sich Gedanken darüber zu machen. Geschweige erst einmal alles zu verarbeiten. Doch bevor er ging, hatte er noch eine Frage.
„Du hast vorhin erwähnt, sie ist in deinen Armen gestorben und der Pfeil hätte ihr Herz durchbohrt. Dabei war Gift an der Spitze, was selbst dich oder Garett getötet hätte, aber wie kann es sein, dass sie jetzt lebt? Sie hätte dann selbst tot sein müssen. Warum lebt sie?“
Luciens Gesichtszüge verfinsterten sich und seine Züge wurden hart. „Das kann ich nicht verraten. Das einzige was du wissen musst, sie ist etwas besonderes und genau das macht sie einzigartig.“
Kurz beobachtete er seinen Neffen und da wusste er, er würde nichts weiter sagen. Also ging er einfach und ließ Lucien zurück.
Auf den Gang, lief er in Richtung der Schlafsäle, die er mit Saphira teilte. Auch wenn es ungewöhnlich für ihre komplizierte Lage war. Seine Gedanken streiften überall hin und er versuchte noch immer zu verstehen, wie das alles hatte nur zustande kommen können, ohne das es einer bemerkte. Irgendwas liegt in der Luft und je mehr er davon wusste, umso schwerer wog das ganze.
Bevor er in sein Gemach kehrte und sich etwas zur Ruhe bettete, provozierte er es und ging eine Runde durch den Hof. Er war zu neugierig und seinem Drachen reizte es genauso, der Frau, der Lucien so verfallen war, zu begegnen.
Doch, was tat er hier eigentlich? Es war doch irrsinnig, dass er das überhaupt tat. Warum war seine Neugierde so groß, er müsste unbedingt diese Elfe kennenlernen?
Als Darius einen Rückzieher machen wollte, hörte er Stimmen und blieb stehen. Eine vertraute und fremde weiblich Stimme. Kann das sein?
„Das musst du wirklich nicht tun?“ War die Stimmer vorsichtig, aber sanft.
„Nichts da.“ Lachte die Stimme seiner Nichte Lya auf. Sie war genauso sanft und liebevoll. „Ich bestehe darauf. Entweder du nimmst es freiwillig, oder ich bringe dich dazu es zu nehmen.“
Es erklang ein ergebendes Seufzen, als würde sich die vorsichtige und sanfte Stimme geschlagen geben.
Darius trat aus einem Torbogen und stellte sich in einen dunklen Schatten, sodass man ihn nicht sehen konnte. Dort im Garten erblickte er die beiden Frauen, die nebeneinander auf der Bank saßen.
Seine Nichte Lya war eine wunderschöne Frau, mit ihrem hellbraunen gelockten Haaren, wie ihre einzigartigen Augen von Azurblau. Es waren die Augen seiner Mutter, die er über alles geliebt hatte.Genauso wie Raziz, bevor sie starb und sein Vater kurz darauf.
Was die andere Frau betraf, war sie anders vom Aussehen, vollkommen anders. Sie hatte schneeweißes Haar, helle Porzellanhaut, ihre Statur schlank und zart. Er konnte ihre spitzen Ohren sehen und spürte leichte magische Schwingungen von ihr ausgehen, was Anzeichen von einer Elfe waren. Aber dennoch, da war noch etwas anderes, was er nicht wirklich zuordnen konnte. Ihre Ausstrahlung war komplett anders und ein Gefühl der Ruhe kehrte in ihn ein, was er zuvor noch nie verspürt hatte. Irgendwie wirkte er ausgeglichener, wobei er immer gedacht hatte, er wäre es. Von Natur aus war er ruhiger und klarer vom Verstand, ließ sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen. Doch im Vergleich zu jetzt, war es ein bisschen anders.
Was ihn aber am meisten an ihr schockierte, da sie nun in seine Richtung blickte, waren ihre Augen. Waren sie tatsächlich Silber? Oder hatte sie ihn gerade entdeckt? Das wäre eigentlich unmöglich, da er sich weit in den Schatten zurück gezogen hatte. Es konnte nicht sein, und doch durchbohrte sie ihn, wie ein Pfeil.
Kaum bewusst hatte er den Atem angehalten und war regelrecht von ihr gefesselt. Was war das?
Langsam, aber sachte, richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder Lya zu und er hatte gerade keinen blassen Schimmer, was da gerade passiert war. Jetzt war es, als wäre nichts geschehen, aber innerlich war er aufgewühlt, wie sein Drache unruhig. Er musste fürs erste hier weg, selbst, wenn er sich fortschleppen müsste. Nach mehreren Versuchen schaffte er es auch und verschwand wieder ins Schloss innere. Jetzt war es definitiv an der Zeit sein Gemach aufzusuchen. Definitiv brauchte er jetzt eine Runde Schlaf, bevor sein Hirn sich hier und jetzt abschaltete.
Was war das denn gewesen? Schoss es durch ihren Kopf. Emmanline beschlich das Gefühl, als würde sie beobachtet. Sicherlich war es logisch, sie wurde beobachtet, durch all die Anwesenden hier, aber nicht so durchbohrend. Zwischendurch hatte sie die Blicke von Lucien gespürt, was ihrem Herz einen Hüpfer verursachte und insgeheim hatte sie sich sogar darüber gefreut. Wie irrsinnig, aber dennoch war es so.
Nur diesmal war es ganz anders, denn dieser Blick war alles andere, als den von Lucien. Diesen scharfen Blick hatte sie in düsteren Schatten verspürt, aber sie konnte nichts sehen. Es jagte ihr einen Schauer über die Haut und es war eigenartig. Trotz das sie derart fühlte, verspürte sie nichts schlechtes darin. Was könnte das gewesen sein? Oder besser gesagt, wer könnte das gewesen sein?
Emmanline richtete ihre Aufmerksamkeit auf Lya zurück, die weiterhin mit ihr redete. Diese Frau war außergewöhnlich und so liebenswert.
Irgendwann hatten sie sich aus dem Wald begeben und saßen nun im Garten, zwischen all den vielen bunten Rosen, auf der Bank. Die ganze Zeit versuchte sie ihr auszureden, sie könne ihr Geschenk nicht annehmen. Lya wollte ihr doch tatsächlich ein wunderschönen Talisman schenken, der wie das Meer funkelte. Wunderschön blau und berauschend. Dieser Talisman war wirklich etwas fürs Auge, aber was sollte sie damit anstellen?
„Es ist ein Drachentalisman. Es soll dir Glück bringen und dich vor Gefahr bewahren. Wir Drachen sind Hüter für unsere wertvollsten Dinge, sowie unsere Liebsten, die uns unendlich viel bedeuten. Dies ist ein Symbol für Energie, wie für deine geistige und körperliche Schöpfungskraft.“ Erklärte sie ihr.
Dennoch konnte sie es nicht annehmen. Das wäre vollkommen falsch, wenn sie solch etwas annahm. Sie wurde all die Jahre gequält und unterdrückt, und jetzt sollte sie einen Glücksbringer von den Drachen bekommen?
Der Talisman sah aus wie eine blaue Münze, die mit einem Drachen bedruckt war. Das Maul war weit aufgerissen, als würde es jeden Moment Feuer speien wollen, um den Besitzer zu schützen, wenn derjenige in Gefahr war. Seine Klauen und Reißzähne würden alles zerreißen, wenn sie nur die Möglichkeit hätten, aber was sie am meisten an dem Talisman bannte, war der Blick dieses Drachen, als kenne sie diesen Blick.
„Er ist wirklich schön, aber er sieht so kostbar aus. Ich kann e...“
„Nichts da, du nimmst diesen Talisman.“ Beharrte sie unausweichlich darauf und sie konnte nichts anderes tun, als nachzugeben. Was war nur los mit diesen Drachen? Dies wurde ihr langsam wirklich unheimlich.
„Danke.“
Vorsichtig nahm sie diese Art von Münze in die Hand und drehte sie mit ihren zarten Fingern von Vorderseite zur Rückseite. Das immer und immer wieder, während sie darauf starrte. Es sah aus, als würde der Drachen lebendig erscheinen und es wahr atemberaubend. „Wunderschön.“ Säuselte sie vor sich hin.
„Wie du.“
Wurde Emmanline schreckhaft aus den Gedanken gerissen. Mit rasenden Herzschlag schaute sie auf und entdeckte Lucien vor sich, der ihr erneut den Atem raubte. Ohne es zu wollen oder zu kontrollieren, riss sie sich von der Bank auf und viel ihm doch tatsächlich um den Hals. Was stimmte nur nicht mit ihr?
Ihr Herz klopfe fest in der Brust, während er sie mit seinen Armen umschlingt.
„Ja, ich habe dich auch vermisst.“ Lachte er leicht auf.
Genau das war es gewesen, selbst sie hatte ihn auf eine Weise vermisst, was sie nicht beschreiben konnte. Was stimmte nicht mit mir?
„Lass uns gehen.“ Hob er sie schlagartig auf seine Arme und sie gab einen überraschten Laut von sich. „Es wird Zeit das du dich noch etwas ausruhst.“
Im ersten Augenblick wusste sie nicht was mit ihr geschah. „Nein, lass mich runter. Mir geht es gut und ich kann alleine laufen.“ Versuchte sie sich windend zu befreien, aber sie hatte gegen seine Kraft absolut keine Chance. Bis sie irgendwann aufgab und sich an seine Brust schmiegte, ihren Kopf auf seine Schulter legte und ihr Gesicht verbarg sich an seinem Hals, während sie seinen herrlichen Duft in ihre Lungen aufnahm. Wieder beruhigte es sie. Auch wenn es sie verlegen machte.
Emmanline hatte vollkommen das Zeitgefühl vergessen, als sie was weiches unter sich spürte. Lucien hatte sie ins Gemach zurück gebracht und auf das Bett gelegt. Sofort legte er sich zu ihr und nahm sie in die Arme. Als erstes schossen ihr die Bilder in den Kopf, wie er sie intim berührt hatte, aber er machte keine Anstalten ihr so nahe zu kommen. Stattdessen nahm er sie einfach nur in die Arme.
Lucien strahlte eine starke Wärme aus, was sie sofort erwärmte.
„Danach habe ich mich gesehnt.“ Klang seine Stimmer erstickt, weil sich sein Gesicht in ihrem Haar vergraben hatte. „Dich einfach nur bei mir haben, dich zu umarmen und deinen Duft einzuatmen.“
Jetzt war es an ihr, die Arme um ihn zu schlingen, was ihr wohl nur zur Hälfte gelang. Dennoch reichte es ihr, denn so konnte sie ihr Gesicht an seiner Brust vergraben. Leise lauschte sie seinen Herzschlag, was ruhig in seiner Brust schlug. Es beruhigte und tröstete.
„Konntest du alles klären?“ Obwohl es ihr nichts anging, fragte sie dennoch.
„Ja, mein Onkel war angekommen und wollte mich nur begrüßen. Er ist ein Mitglied des Rates, welches ich für morgen einberufen habe. Auf uns kommt eine harte Zeit zu.“ Seufzte er.
Langsam strich sie mit einer Hand über seinen Rücken, als würde sie ihn trösten wollen und das schien wirklich zu helfen. Vorher hatte sie überhaupt nicht bemerkt wie angespannt er gewesen war, denn sein Körper fühlte sich entspannter an.
„Manchmal habe ich einen Augenblick, wo ich sage, das ich nicht mehr weiter weiß. Ich weiß, ich tue das für mein Volk und für die, die ich liebe und beschützen will. Doch dann frage ich mich, ob es alles ist. Ich versuche das Richtige zu tun.“ Drückte er sie fester an sich.
„Das tust du doch. Du bemühst dich.“
„Aber nicht genug. Vorher habe ich mich immer davor gedrückt , den Thron zu besteigen, weil ich wusste, was es alles mit sich bringt. Ich habe all die Jahre meines Lebens meinen Vater dabei zugesehen, wie er alles meisterte. Er konnte es, das Volk liebte ihn und er war gerecht. Jetzt wo ich an diesem Punkt bin, wo mein Vater gestanden hatte, versuche ich genau wie er zu sein. Dabei habe ich es immer gehasst, mit ihm verglichen zu werden, weil ich nicht in seinem Schatten stehen wollte.“
Lucien schien einen Augenblick in der Phase zu sein, wo seine Energie verbraucht war. So kam es ihr rüber, aber es war schon erschütternd ihn so zu sehen. „Ich kenne deinen Vater nicht und wie er gewesen war, aber eines weiß ich, du gibst dir stets Mühe und tust dein Bestes, was in deiner Macht steht. Ich bin schon eine sehr lange Zeit hier und in diesem Zeitraum habe ich schon einiges gesehen und wie sehr du dich bemühst. Du magst es vielleicht nicht sehen, aber ich tue es. Jedes mal wenn du nicht hinsiehst, bemerke ich die anderen Blicke, die sich zu dir aufrichten. Sie schätzen und respektieren dich. Egal wie du es machst, aber du tust genau das, was sie brauchen.“ Rückte sie von ihm ab und blickte in sein Gesicht. Er hatte einfach atemberaubende Augen, wie sie voller Leidenschaft loderten, als würde ein Feuersturm in ihnen wohnen.
Unbewusst erhob sie ihren Arm und strich vorsichtig ein paar kleine Strähnen aus seiner Stirn. Sein Blick verschlang sie regelrecht, welches ihr der Atem raubte. Überdeutlich konnte sie ihr Blut im Kopf rauschen hören und ihr Herzschlag dröhnte lautstark. Nie würde sie diesen Augen widerstehen können, wenn er wie jetzt weiter machte. Liebevoll, zärtlich und wärmend.
„Genau das will ich.“ Flüsterte er und nahm ihre Hand, die seine Haare berührten, um sie zu küssen. Warm hauchte er sie auf ihre Handinnenfläche. „Egal was ist, du bist mein Pol der mich hält. Wenn ich glaube, mir fehlt die Energie, brauche ich dich nur anschauen und ich bin wieder voller Elan. Ich brauche dich nur zu berühren und ich könnte Berge versetzen und ich könnte alles schaffen, was ich erreichen will.“
Sprachlos schaute sie ihn an und konnte sich nicht rühren. War sie wirklich so was besonderes für ihn?
„Schau mich nicht so entgeistert an, Emmanline. Ich sage, was ich fühle und denke. Für mich bist du was besonderes und egal was passieren wird, es wird immer so bleiben. Nichts und niemand kann was daran ändern. So sehr sie es auch zu versuchen mögen.“ Küsste er sie diesmal hauchzart auf die Lippen.
Atmete sie noch? Jeden falls durchströmte in ihr eine unsagbare Hitze, die sie zum brennen brachte.
„Du wirst mich nie gehen lassen, obwohl ich es so sehr will. Du willst mich beschützen und behütest mich mit allem. Alles hältst du von mir fern, egal wer oder was es ist. Nie hast du mein Verlangen respektiert und wie ich fühle, dass ich frei sein will. All das bekam und bekomme ich nicht von dir.“ Versuchte sie seinem Blick nicht auszuweichen, was ohnehin nicht möglich gewesen wäre.
Lucien schien ein Knurren zu unterdrücken, erkannte es an die hohe Anspannung seines Kiefers.
„Doch warum fühle ich mich dann so, als würde ich nicht gefangen sein? Oder eingesperrt? Oder gegen meinen Willen hier zu sein? Es kann doch nicht einzig und allein an der Seelenverbindung liegen. Was steckt noch dahinter? Was geschieht hier wirklich, Lucien?“
„Das kannst nur du selbst heraus finden. In dieser Sache werde und kann ich nichts sagen oder tun können.“
Das half ihr definitiv nicht weiter, aber sie konnte es an seinem Blick erkennen, er könnte und wüsste es nicht. Tief in sich mochte sie vielleicht schon eine Antwort und Lösung darauf haben, aber sehen konnte sie es noch nicht.
„Aber eines weiß ich, Emmanline.“ Durchbrach er die unerwartete Stille, die aufgekommen war. „Egal was geschehen mag, wie du denkst und welche Entscheidung du je treffen wirst. Egal was es ist, ich werde immer hinter dir stehen und alles tun, damit du glücklich und zufrieden bist.“
Von jetzt auf gleich wurde ihr Herz unsagbar schwer und sie konnte nicht anders, als ihr Gesicht an seine Brust zu vergraben. Ihre Finger krallten sich in sein schwarzes Oberteil, was seine muskulöse Brust zur Geltung brachte. Ihre Finger entkrampften sich und leicht streichelte sie über seine harte Brust, weil sie ihn einfach weiter berühren musste.
„Emmanline, wenn du so weiter machst, kann ich mich kaum noch zurück halten.“ Knurrte er warnend, aber ihr war es egal. Wie sich doch alles verändert hatte.
Im ersten Augenblick war sie vorsichtig, beim zweiten offener, beim dritten mutiger und beim vierten neugieriger. Je mehr dieser Mann ihr gab, umso mehr wollte sie von ihm, wie jetzt auch.
Ein Stöhnen hallte in dem Raum wieder und jetzt war es endgültig um sie geschehen. Sie konnte sich nur von seiner Welle der Lust und Verlangen mitreißen zu lassen. Er hatte ihre volle Hingabe, was er sofort ausnutzte.
Mit einer schnellen Bewegung drehte er sie auf den Rücken, lag halb auf ihr drauf und ergriff Besitz von ihrem Mund. Stürmisch und voller Gier eroberte er sie und es war ein leichtes für ihn, sie so zu verzerren.
Lucien stöhnte auf. „Du bist so wunderschön.“ Hatte er von ihr abgelassen und blickte ihr tief in die Augen. Seine Augen strahlten Wärme und Sanftheit aus, worin sie versinken könnte. Doch seine Worte brachten nur Röte auf ihre Wangen. „Ich habe dir geschworen, jeden Augenblick zu nutzen, um dir zu beweisen, wie ernst ich es meine und das tue ich hiermit, indem ich dir sage, wie wunderschön du bist. Jeden Tag immer mehr.“ Küsste er ihre Stirn. „Wie sehr du mich in deinen Bann ziehst.“ Küsste er ihre Nasenspitze, was ihn zum lächeln brachte. „Wie sehr ich mich nach dir verzerre.“ Starrte er voller Verlangen auf ihre Lippen und eine Hand wanderte zu ihren Brüsten hinab. Ohne das er mit seinen Fingern dort angekommen war, bäumte sie sich ihm entgegen.
Das brachte Lucien noch mehr zum lachen, aber nicht weil er sich über sie lustig machte. Jedes mal, wenn er sie berührte, tat er aus Zärtlichkeit und mit einer behutsamen Vorsicht, was ihr schlicht und weg den Atem raubte. Ein starker und kräftiger Mann, der ein brutales Erscheinen hatte, konnte so liebenswürdig und hingebungsvoll sein. Wie könnte sie je eine Chance haben, sich dagegen zu wehren? Geschweige den Verstand aufbringen, überhaupt daran zu denken?
Ihre Gedanken drehten sich in diesem einen Augenblick nur um ihn und seinen Berührungen. Anders konnte sie es nicht.
„Lucien.“ Stöhnte sie, während sie ihren Kopf nach hinten auf den Kissen legte. Ihre Augen waren genussvoll geschlossen und sich ihm ergebend. Ihre Finger hatten sich schon längst in sein weiches kastanienbraunes Haar vergriffen. Nicht um ihn von sich weg zu zerren, sondern ihn dort zu behalten, wo er sich gerade befand. Neckend leckte, saugte und biss er an ihren Brustwarzen, was sie außer sich brachte.
„Oh, Emmanline. Sag ihn noch einmal. Meinen Namen.“ Keuchte er und sie konnte seinen heißen Atem auf ihren Knospen spüren.
„Lucien.“ Gehorchte sie sofort, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden. Solange er nicht aufhörte. Und er hörte auch nicht auf, sondern trieb sie weiterhin bis zum äußersten. Also wiederholte sie seinen Namen unzählige Male, was ihn weiter anspornte.
Plötzlich gab es einen weiteren Ruck und sie lag auf dem Bauch und ihr Gesicht vergrub sich im weichen Kissen, was nach ihm roch. So gut und erregend. Sie wimmerte und keuchte.
Ohne da sie es dann versah, hob er ihre Hüfte an und zeigte auch da kein Erbarmen. Schreiend versuchte sie vor der übermächtigen Gefühlen zu flüchten, aber er gab ihr nicht die Chance dazu. Seine starken Arme schlangen sich um ihre Beine, während er ihren Slip zur Seite schob und sich gütlich an ihrer brennenden Mitte tat. Immer zu wandte sie sich unter seiner Umarmung, als seine Zunge immer wieder aus seinem Mund heraus schnellte, um sie an ihrer Kitzler zu necken. Er trieb es soweit, das sie nach wenigen Sekunden unter seinem Erbarmungslosigkeit zum Höhepunkt kam. Zitternd und bebend lag sie reglos mit dem Oberkörper und ihrem Gesicht auf dem Kissen. Wenn er sie nicht fest halten würde, wäre sie schon längst vor Erschütterung zusammen gebrochen. Am liebsten wäre sie erschöpft auf das Bett gefallen, aber sie wusste, Lucien war noch längst nicht am Ende.
Unter großer Anstrengung versuchte sie mit zu bekommen, was er als nächstes vor hatte. Sie konnte sich kaum rühren, aber versuchte ihren Kopf so zu drehen, um über ihre Schulter zu schauen. Zum Teil schaffte sie es und was sie da sah, machte sie atemlos. Sie hätte es wissen müssen, er wäre voller Gier, aber es traf sie unerwartet, als sie seinem Blick traf. In den Tiefen seiner goldenen glühenden Augen versprach er ihr, welche Lust er ihr bereiten würde. Egal was kommen mag, er würde ihr gegenüber kein Erbarmen zeigen. Nicht, solange sein Drache direkt an der Oberfläche war.
Den heiligen Göttern, bewahre sie. Aber sie wollte es, genauso wie er es ihr gab. Ergebend lieferte sie sich ihm aus und bereitete sich auf das wesentliche, was jetzt kommen mag, vor.
Auf einmal schrie sie vor Lust lauf auf, als er langsam von hinten in ihr eindrang. War er schon immer so lang und hart gewesen? Sie hatte nicht das Gefühl gehabt, zumal es immer wieder ein neues Erlebnis war. Nichts fühlte sich gleich an, weil es immer anders war. Intensiver, lustvoller und hingebungsvoller.
Emmanline war diesem Mann und Drache vollkommen ausgeliefert.
Fluchend drang er mit einem Stoß in Emmanline und er bebte am ganzen Körper, weil er in ihr verweilte. Lucien wollte jedes Gefühl in sich aufnehmen, was er von ihr bekommen konnte. Obwohl er schon öfters in ihr war, so war es immer wieder anders. Ihre feuchte warme Höhle umschmiegte ihn immer wieder und fester. Gott verdammt, sie war eng und so was von bereit für ihn. Wie konnte er sie da nicht anbeten?
Endlich bewegte er sich in ihr und es gab nichts vergleichbares, während er sie dabei beobachtete. Ihr Blick war vor Erregung und Lust verschleiert, weil sie ihn genauso beobachtete. Ihr Mund war leicht geöffnet und ihr Stöhnen vermischte sich mit den Geräuschen, das Klatschen von Haut auf Haut. Welch ein herrlicher Klang, den sein Gehör da wahrnahm.
Immer gezielter, schneller und fester stieß er in sie. Seine Hände hatten fest ihre Hüfte gepackt, damit sie nicht vor ihm davon kommen konnte. Sein Drache wollte sie mit allem besitzen und zu seinem Eigentum machen. Auch der Mann wollte sie beherrschen und bei sich haben. Drache und Mann wollten sie kennzeichnen und sie zu seiner Gefährtin machen. Auf ewig sollte sie mit ihm verbunden bleiben.
„Komm Emmanline.“ Beugte er sich keuchend zu ihr herab, um ihr ins Ohr zu flüstern. „Komm für mich.“
Sofort spannte sich ihr Körper an, ihr Inneres zog sich um seinen harten Schwanz zusammen, ein Beben das ihren Körper durchströmte. Er konnte es in jeder Phase seines Körpers spüren. Ihr Orgasmus traf sie hart und sie schrie voller Erlösung in das Kissen, worauf sie lag.
Ja, genau das wollte er. Kaum hatte sie sich von ihrem Höhepunkt mitreißen lassen, schwappte die nächste Welle über sie rein und es traf ihn genauso hart. Erbarmungslos riss sie ihn mit und ertrank in der Erlösung. Auch er kam mit einem Schrei, was er triumphierend heraus brüllte. Mehr sein Drache, als der Mann. Ein hoher Besitzanspruch klang darin mit.
Fast wäre er auf ihr zusammen gebrochen, während sein Körper erbebte, aber konnte sich noch zur Seite reißen. Nicht ohne sie mit sich zu ziehen. Eng lagen sie aneinander geschmiegt, beide vollkommen außer Atem. Emmanline wimmerte und noch immer fuhren Zuckungen durch ihr Inneres. Es war überwältigend und wie richtig sich das anfühlte, sie so zu halten und noch immer in ihr zu sein.
„Du bist unglaublich.“ Hauchte er Küsse auf ihrer Schulter. Beide waren sie von einer leichten Schweißschicht bedeckt, was Genugtuung in ihm hervorrief.
Irgendwas murmelte sie vor sich hin, was er wirklich nicht verstehen konnte. Zuerst wollte er sie auffordern es noch einmal zu sagen, als er ihren gleichmäßigen Atem bemerkte. Ohne Zutun war sie in seinen Armen eingeschlafen. Sein Drache in ihm knurrte zufrieden, weil er sie befriedigen konnte und auch er als Mann war überwältigt davon.
Emmanline mag es sich noch nicht eingestehen, aber zu einem gewissen Punkt vertraute sie ihm schon. Auch wenn es nur die Reaktion ihres Körpers war. Er würde sich ihr restliches Vertrauen auch noch holen, welches er bedachte und wie seinen größsten Schatz behüten würde. Niemals wollte er sie enttäuschen, verletzen oder missbrauchen. Niemals...
Noch lange beobachtete er Emmanline, wie sie schlafend in seinen Armen lag. Er könnte ihr ewig dabei zuschauen, doch sein Körper hatte andere Pläne mit ihm. Selbst er versank in einem tiefen Schlaf, gegen dem er einfach nicht ankam.
Emmanline wusste, sie war in einem tiefen Schlaf versunken und ergab sich ihm auch. Im ersten Augenblick schien es sorglos zu sein, aber irgendwie veränderte sich alles. In ihr änderte sich etwas. Von einem Schlag auf dem anderen wurde sie unruhiger und ein ungutes Gefühl beschlich sie auf leisen Sohlen.
Immer wieder drangen weit entfernte Stimmen zu ihr hindurch. Durch das dunkle Nichts konnte sie nicht deuten, woher es kam, weil es immer wieder hallte. Wie ein Echo. Die Dunkelheit machte ihr verwunderlich keine Angst, sondern was ihre Ohren wahrnahmen. Die Stimmen waren am Anfang undeutlich und verzerrt, aber je näher sie kamen, umso düster wurden sie. Eine Gänsehaut breitete sich über sie aus und egal wie sehr sie sich dagegen wehrte, konnte sie dieses ungute Gefühl nicht abschütteln.
Plötzlich machte Trauer und Schmerz für all die Dunkelheit platz, die sie umgab. Trotzdem konnte sie nichts sehen, was in diesem Augenblick unwichtig erschien, weil die Stimmen immer lauter und durchdringender wurden. Sie versuchte sich die Ohren zuzuhalten und hockte sich in eine schützende Position, während sie sich vor und zurück wiegte.
Als wäre die Stimme nicht genug, fühlte sie etwas auf ihrer Haut. Als würden hunderte von Spinnen über ihren Körper krabbeln. Es wurden mehr und sie konnte dieses Empfinden nicht abschütteln. Ihr Herz raste, ihr Atem blieb stehen und sie zitterte am ganzen Leib. Nein, so durfte es nicht sein.
Mit einem Ruck riss sie sich in eine aufrechte Position. Sie hatte sich geschworen nie wieder klein beizugeben oder davon zu laufen. Es wurde an der Zeit, ihre Augen zu öffnen und sich dem zu stellen, was vor ihr stand. Darum öffnete sie ihre Augen und nichts war mehr in tiefste Dunkelheit getaucht.
Ein Anblick das sie tiefst erschütterte, bot sich vor ihr. Hitze umhüllte sie und alles stand in Flammen. War sie in der Hölle?
Fassungslos stand sie mitten im Fegefeuer, aber nichts konnte sie verbrennen. Sie spürte zwar die unsagbare Hitze, als würde sie beinahe verbrennen. Dennoch stand sie zwischen all den Flammen. Langsam nahm sie ihr Umfeld richtig wahr und es gab nichts, woran sie sich hätte orientieren können. Auch wenn sie sich ein paar Mal um ihre eigene Achse drehte. Zu diesem Zeitpunkt bemerkte sie, sie war nicht ganz in dieser Hölle.
Durchscheinend existierte sie hier und sie fühlte sich derart schwerelos. Schwebend leicht und trotzdem fühlend. Was geschah hier nur? War es eine Art Alptraum in dem sie sich befand? Oder nur ein Gespinst ihres Verstandes?
Nun versuchte sie ein paar Schritte zu gehen und die Flammen züngelten um sie herum. Sie stand mitten in einem Flammenmeer, was sie niemals verbrennen könnte. Wie widersprüchlich dies doch war.
Emmanline setzte ein Fuß vor den anderen und blickte in eine Flamme, die zur nächsten führte. Stets begleitete sie ein Sog, was sie voran trieb, ohne auch nur zu wissen, wohin sie ging. Wie ein Kompass lief sie in die vorgegebene Richtung, als würde sie von irgendwas magnetisch angezogen.
Mit einem mal zog ein unglaublicher Sturm auf, wo sie versuchte sich nicht mitreißen zu lassen. Der Sturm entwickelte sich zu einem Orkan, der sich zu einem brausenden Feuertornado anwuchs. Entsetzt schnappte sie nach Luft, riss ihre Arme vor die Augen, weil sie befürchtete in den Flammen zu ersticken. Trotz allem geschah ihr nichts, obwohl ihr langes Haar im Sturm peitschte, ihr leichtes Kleid sie umschlang. Dann plötzlich hörte es mit einem Schlag auf, als wäre dieser gewaltige Tornado nie gewesen.
Bedacht wartete sie, ob noch etwas fürchterliches geschah und da bemerkte sie, die Hitze war gemindert. Verwundert senkte sie ihre Arme und alles hatte sich in ein ganz anderes Umfeld verwandelt. Flammen mochten zwar noch flimmern, aber nicht mehr so stark wie zuvor.
Der Himmel war blutrot, die Erde in glühende Kohlen getaucht und in einem Zentrum stand ein riesiger Baum. Der Stamm war unbeschreiblich dick, die Verzweigung der Äste enorm und die Wurzeln riesig, die mit Garantie tief verwurzelt waren. Egal wie monströs dieser Baum auch war, an ihm hing kein einziges Blatt. Er war vollkommen ausgedörrt, was sie verwunderte. Der Baum hatte hier keine Existenzbedingung. Bei all dem Feuer und der Hitze konnte so was mächtiges niemals bestehen. Wasser würde sofort verdunsten. Oder auch vor Trockenheit in Flammen stehen.
So was hatte sie zuvor noch nie gesehen und irgendwo aus ihrem tiefsten Inneren empfand sie Mitgefühl und Schmerz, sowie Trauer. Genau das strahlte dieser Baum aus. Reinste Trauer, Einsamkeit und Schmerz. Und, als würde er nach etwas rufen. Nach ihr.
Schmerzhaft rieb sie sich mit einer Hand über die Brust. Wie konnte solch ein Gehölz in so einem Flammenmeer bestehen? Warum ging er nicht in Flammen auf? So dörre er war.
Unbewusst setzte sie sich erneut in Bewegung, lautlos und schwebend, kam sie diesem außergewöhnlichen Baum nahe, bis sie vor ihm stehen blieb. Sie schaute nach oben, aber konnte nicht einmal die Kronspitze sehen. Unten konnte sie erst richtig erkennen, wie dicht die Äste verzweigt waren, der Stamm voller Risse, die Wurzeln aus der Erde erhebend. Vor diesem Baum kam sie sich, wie die allerkleinste Ameise vor. Sie war ein Nichts gegen ihm. Jetzt fühlte sie sich noch kleiner als zuvor. Doch was sie mehr als alles andere faszinierte, war, das Geäst bewegte sich stetig. Nicht vom Wind, sondern sie wuchsen beständig in die Höhe weiter. Immer wieder verzweigten sich Äste, dem Feuerhimmel empor.
„Unglaublich.“ Flüsterte sie, von dem Baum vollkommen in Anspruch genommen.
Je mehr sie diesen Baum betrachtete, umso mehr veränderte er sich. Die Risse dieses Baumes wurden größer und breiter, woraus Flüssigkeit heraus trat. Da beschlich ihr ein Gefühl, der Baum weinte Tränen. Keine salzigen Tränen, sonder Tränen aus Blut. Schockiert schaute sie auf die blutrote Flüssigkeit, die dem Stamm hinunter floss. Panisch machte sie zwei Schritte rückwärts. Sie begriff nicht was hier geschah. Dies war doch alles nur ein Alptraum. Das musste einer sein.
Doch sie konnte sich nicht dagegen wehren, sich ihm wieder zu nähern. Nein, sie wollte das nicht. Sie wollte sich umdrehen und davon laufen, aber ihr Körper reagierte nicht mehr auf ihre Befehle. Wie bei einer Marionette bewegte sie sich wieder auf ihn zu, ihr rechter Arm erhob sich. Emmanline versuchte zu schreien, aber es kam kein einziger Laut über ihre Lippen. Zitternd musste sie sich fügen, mit großer Panik.
Plötzlich ging alles viel zu schnell. Ihre Finger berührten zuerst das Gehölz einer Wurzel, welch ihre Handfläche folgte.
Eine unsagbare Kraft durchströmte ihren Körper, Hitze breitete sich wie ein Feuersturm in ihr aus. Ihr Blut fühlte sich wie Lava in ihren Adern an. Sie stand regelrecht in Flammen, aber sie verbrannte einfach nicht, egal wie sehr sie das Feuer verschlang.
Emmanline versuchte sich dem Baum zu entziehen, doch es brachte nichts. Sie war vollkommen ausgeliefert und musste sich all dem ergeben, was hier geschah. Wie lange konnte sie das noch aushalten?
Wieder schoss eine Welle der unsagbaren Kraft durch sie hindurch. Diesmal war es anders, als würde etwas enormes in ihr Leib übertragen. Sie konnte es nicht definieren, aber es hatte sie fest umklammert, wie Klauen. Es riss sie mit und sie konnte nichts dagegen tun, egal wie sehr sie sich dagegen sträubte. Sie wurde einfach erbarmungslos niedergestreckt, was sie in die Knie gehen lies, ohne auch nur von dem Baum ablassen zu können.
Ihr Atem kam nur noch stockend, weil sie einfach keine Luft mehr bekam. Atmen, sie musste atmen, sonst würde sie ersticken. Sie konnte spüren, wie ihr Herz verzweifelt versuchte zu schlagen. Sie bekam nicht genug Sauerstoff. Oh Gott, sie erstickte.
„Nein.“ Krächzte sie. Es sollte aufhören, oder sie ertrank an den Flammen, die heftiger zu lodern anfingen.
Mit einem schmerzhaften Ruck wurde sie von dem Baum weggerissen. Nein, als würde sie fortgeschleudert.
Mit einem erstickten Schrei wurde sie aus diesem furchtbaren Alptraum gerissen.
„Emmanline?“ Hörte sie weit entfernt eine männliche Stimme. „Verflucht, wach auf.“ Schrie diese Stimme. „Atme.“ Befahl er.
Und auf einmal schnappte sie verzweifelt nach Luft und endlich, sie konnte wieder atmen. Sauerstoff strömte regelrecht stoßend in ihre Lungen. Ein weiterer Ruck durchfuhr ihren Körper und wachte endgültig auf.
„Was?“ Zuckte sie zusammen. „Wo...“
Sofort wurde sie in starke Arme gerissen und dieser Körper schien zu beben. Automatisch reagierte ihr Körper auf diese Wärme und schmiegte sich tröstend an ihn, was sie jetzt dringend brauchte.
„Lucien.“ Flüsterte sie und kam ihm so nahe, als würde sie in ihm verkriechen wollen. Nur er konnte ihr den Halt geben, den sie jetzt so dringend brauchte.
„Was ist mit dir geschehen? Oh verdammt, mir ist es eiskalt den Rücken runter gelaufen. Noch eben hast du friedlich in meinen Armen geschlafen und plötzlich hast du geschrien.“ Hörte sie Verzweiflung aus seiner Stimme. Was seine Umarmung bestätigte.
„Ich weiß es nicht.“ Klammerte sie sich fester an ihn. „Ich weiß es...nicht.“ Verlor sie all die Kraft in ihrer Stimme.
Ihr Herz raste noch immer wie ein wild gewordenes Pferd. Ihr Körper zitterte und ihr wurde schlagartig kalt.
„Pssscht,...“ Versuchte Lucien sie zu beruhigen. „Alles wird gut. Es ist vorbei.“ Streichelte er beruhigend über ihr Rücken und sandte warme Wellen in ihren Körper, was gut tat. „Ich bin hier. Dir wird nichts mehr geschehen.“ Wo sie einer ganz anderen Meinung war. Irgendwas hatte sich unwiderruflich verändert, was sie noch nicht bemessen konnte.
„Halt mich.“ Bat sie ihn.
„Immer.“ Hauchte er ihr einen langen Kuss auf ihr Haar. So viel Zärtlichkeit, worin sie sich vergrub.
Es dauerte eine längere Weile, bis sie sich einigermaßen beruhigt hatte. Sie wusste nicht ob es Minuten oder Stunden gewesen waren, aber sie hatte es dringend gebraucht und Lucien war bei ihr geblieben, hatte sie gehalten und geduldig gewartet.
„Lucien.“ Wiederholte sie seinen Namen und rückte von ihm ab, um in sein Gesicht zu schauen. Ihr Blick begegnete seinen und seine Augen wirkten beruhigend auf sie. Es erdete sie wieder und sie kam auf dem Boden der Tatsachen zurück. Dieser Mann gab ihr einen festen Stand, dass sie nicht fortgerissen werden konnte.
Luciens Hände legten sich auf ihre Wangen und er schaute ihr tief in die Augen. Sein Blick begegnete ihr mit tiefer Sorge. „Du hast ein Alptraum gehabt.“
Warum konnte sie ihm nicht zustimmen, dass es einer gewesen war? Ihr Mund bewegte sich einfach nicht. „Ich weiß es nicht.“ Schmiegte sie sich in seine warmen Hände Wie tröstend sich das anfühlte.
„Was hast du gesehen? Sprich mit mir, Vahdin.“
Solange sie in seine glimmenden Augen schaute, hatte sie das Gefühl alles zu können. „Ich kann es nicht genau sagen. Erst hat mich die Dunkelheit umgeben und dann waren wieder die Stimmen da. Sie haben mich verfolgt.“ Musste sie schlucken. „Ich hatte mich versucht vor diesen verzerrten Stimmen abzuschotten, aber es hatte nichts geholfen. Später als ich meine Augen geöffnet hatte, stand ich in einem großen Flammenmeer, soweit das Auge sehen konnte.“ Wurde sie von leichten Berührungen auf ihren Wangen beruhigt, als er mit seinen Daumen darüber streifte. Es gab ihr die nötige Kraft. „Es war furchtbar heiß gewesen, aber ich konnte nicht verbrennen. Das Feuer konnte mir nichts anhaben. Plötzlich entstand ein riesiger Feuersturm, wie schnell er auch wieder verschwand. Es hatte sich was entscheidendes verändert. Die Flammen waren gedimmt, der Himmel blutrot und der Boden wie heiße Kohlen. Doch nicht das war es gewesen, was meine Aufmerksamkeit erlangt hatte. Mitten in all der Flammen und Hitze, stand ein riesiger Baum.“
„Ein Baum?“ Runzelte Lucien seine Stirn.
„Ja. Ich hatte es auch nicht verstanden, wie ein ausgetrockneter Baum dort überleben kann. Er war so monströs, die Rinde hatte blutrote Tränen geweint, die Äste bewegten sich wachsend und verzweigend. Es wurde immer mehr, dass ich kaum noch hindurch schauen konnte. Irgendetwas hatte mich gedrängt diesen Baum zu berühren und ich tat es. Auf einmal durchströmte mich eine gewaltige Kraft, was mich niederstreckte. Als würde etwas in mir fließen. Kaum das ich mich versah wurde ich zurück geschleudert und wachte auf.“ Durchfuhr ihr wieder eine Gänsehaut.
Wieder riss Lucien sie in die Arme und schütze sie wie ein undurchdringbares Schild. „Es ist vorbei. Du bist wieder hier. Es war nur ein Alptraum gewesen.“
„Aber warum fühlt es sich dann wie keiner an? Irgendwas ist passiert. Etwas hat sich geändert.“
Beinahe wäre Luciens Herz in die Hose gerutscht. War Panik jetzt sein ständiger Begleiter, wenn es um Emmanline ging?
Bis eben hatte er noch mit ihr seelenruhig geschlafen, als Emmanline auf einmal anfing zu schreien. Sofort hatte er sich hoch gerissen und versucht sie wachzurütteln. Sie hatte am ganzen Körper gezittert, ihr Körper war heiß gewesen, als würde sie in Flammen stehen. Jetzt wo Emmanline ihm erzählte, was sie gesehen hatte, wurde ihm schlagartig bewusst, warum. Auch wenn er es nicht sehen wollte oder gar zugeben, hatte Emmanline Recht. Etwas war passiert und etwas hatte sich verändert.
„Egal was kommen mag oder passiert, wir werden es schaffen.“ Versprach er ihr und es schien ihr zu reichen, denn etwas entspannte sich ihr Körper. „Komm, lass mich dich etwas verwöhnen.“
Überrascht schaute Emmanline ihn an und er musste einfach schmunzeln.
„Nicht was du denkst. Warte einen Augenblick.“ Ließ er von Emmanline ab und stand auf. Nackt lief er ins Bad und steuerte auf die große Badewanne zu, die genug Platz bot, sie zu zweit zu benutzen. Lucien ließ warmes Wasser hinein und gab ein beruhigendes aromatisches Schaumbad hinzu. Es tat für die Sinne gut und genau das ist es, was Emmanline jetzt gebrauchen konnte. Zufrieden wanderte er ins Schlafzimmer zurück. Am liebsten hätte er aufgestöhnt, wie sie ihn jetzt anschaute. Sinnlich und verlangend. Verflucht, seine Knie würden jeden Moment einknicken und würde sie auf Knien anbeten. Aber das war es nicht, was er vor hatte. Auch wenn er erregt war und sie am liebsten genommen hätte, würde er es nicht tun. Auch wenn er ihre Erregung roch und das Verlangen in ihren Augen erkennen konnte. Kein Wunder wie schnell sein Glied auf sie reagierte.
„Verflucht, Emmanline. Schaue mich nicht so an.“ Stöhnte er.
Unbewusst fuhr sie mit ihrer Zunge über die Lippen. „Ich mache doch nichts.“ Keuchte sie.
„Und genau das ist es. Du machst nichts, was vollkommen ausreicht. Dein Blick und dein Geruch machen mich auch so schon wahnsinnig genug.“ Knurrte er und kam direkt auf sie zu. Er wusste wie er aussehen musste, wie ein Raubtier das auf seine Beute zusteuerte. Aber er würde sich genau das vornehmen, was er geplant hatte. „Komm, ich habe dir ein Bad eingelassen. Das wird dir gut tun.“ Hob er sie hoch und sie schlang ihre Arme um seinen Hals, ihren Kopf bettete sie auf seine Schulter.
Im Bad angekommen, legte er Emmanline ins warme Wasser und sie seufzte wohlig auf. Lucien stieg ebenso in die Wanne und setzte sich hinter ihr und zog sie an seine Brust, wo er seine Arme um sie schlang. Ihre Haut war zart und weich, im Gegensatz zu seiner. Ihre Haare klebten silbern auf ihrer Haut, sobald sie nass geworden waren. Ein Geruch von Würze stieg in seine Nase und es besänftigte seinen Drachen, sowie sich selbst auch. Zufrieden legten sie sich zurück und genossen diesen herrlichen und ruhigen Moment.
Endlich konnte er für einen kurzen Augenblick abschalten und sich zurück lehnen, ohne einen Gedanken an die Probleme zu verschwenden. Dafür blieb ihm danach noch immer Zeit. Dabei wusste er auch, dieser Moment, wie dieser, würde er nicht oft bekommen. Nicht mit Emmanline zusammen.
„Ich werde es machen.“
Schreckte Lucien aus seinen Gedanken auf. „Was wirst du machen, Vahdin?“
„Helfen, Informationen über Culebra zu geben. Die nützlich sind.“ Wandte sie ihren Kopf zu ihm um und schaute ihn entschlossen an.
„Bist du dir sicher?“
„Ja, bin ich.“
Noch enger zog er sie an seine Brust und bettete sein Kinn auf ihren Kopf auf. „Ich verspreche dir, ich werde alles versuchen, damit er büßt was er dir angetan hatte und all den anderen. Ich werde ihn zwischen meinen Klauen bekommen, damit er die gerechte Strafe bekommt. Nie wieder werde ich zulassen, dass er in deine Nähe kommt.“
Emmanline legte ihre Hände auf der seinen, die sie umschlungen hielt. „Auch wenn ich es kaum glauben kann, weiß ich doch, wie ehrlich du das meinst.“ Flüsterte sie die letzten Worte, aber er verstand alles.
Er musste darauf nicht antworten, weil beide wussten, wie tief dies alles ging. Wie es aussah, schien selbst Emmanline zu versuchen, ihre Verbindung zueinander zu verstehen. Sein Gefühl sagte ihm, sie wehrte sich nicht mehr ganz dagegen, was sie miteinander verband, was ihn glücklich machte. Er wollte keine Grenzen zwischen ihnen.
„Lucien.“ Zögerte sie kurz. „Ich habe eine Bitte an dich.“
„Ja?“
„Wenn ich mit zum Ratstreffen gehe und euch helfe, möchte ich nur ausschließlich dabei sein, wenn es um Culebra geht. Ich möchte bei weiteren Angelegenheiten nicht dabei sein.“
Schockiert saß er im lau gewordenem warmen Wasser. „Ich verstehe nicht ganz.“
„Ich sollte bei weiteren Gesprächen nicht dabei sein. Es sind geheime Angelegenheiten, die unter euch bleiben sollen. Du musst mich verstehen, denn ich will für nichts verantwortlich sein, wenn etwas passiert. Ich stecke so schon zu tief drinnen und will es nicht komplizierter machen. Das kann ich nicht.“
Er musste es respektieren, weil sie ihn darum gebeten hatte. „In Ordnung.“
Eine ganz Weile lagen sie schweigend beieinander, was er sichtlich genoss. Trotz allem mussten sie irgendwann diese Gemeinsamkeit beenden, er wollte es nicht. Aber der Tag war schon längst angebrochen, konnte es fühlen. Bald stand die Sitzung des Rates an und sie mussten pünktlich sein, egal wie gerne es hinauszögern wollte. Darum befanden sie sich genau auf diesem Weg zu machen.
Angezogen liefen sie durch die Gänge des Schlosses, Hand in Hand. Diese Vertrautheit zwischen ihnen, tat ihm und seiner Seele gut. Was ihn sogar stolz machte, diese Frau an seiner Seite zu haben. Es machte ihn stärker und selbstbewusster, dass er alles schaffen könnte. Auch nur aus diesem Grund, weil er Emmanline beschützen wollte, seine Seelengefährtin.
Leicht war er in Gedanken versunken, als er einen kleinen Ruck verspürte. Verwundert blieb er stehen und blickte zu Emmanline hinab, die auf einmal stehen geblieben war.. Ihre Aufmerksamkeit schien auf etwas gelenkt zu sein und er schaute in dessen Richtung. Sie standen an einer Abzweigung und den rechten Gang runter stand eine Drachin mit hell blondem Haar. Es war kurz geschnitten und ihre Größe war für die Drachenfrauen normal. Er kannte sie. Es war Linava, die Gelehrte der jugendlichen Drachen. Auch Malatya war in ihrer Gruppe. Linava war freundlich und liebte Kinder. Sie war die Geduld in Person, aber konnte sich aber sehr gut durchsetzen. Die Aufgabe zu lehren war geschaffen für sie und man bemerkte auch, welche Freude es sie bereitete. Diese Frau gehörte mit zu den Mütterlichen, die alles aufrecht erhielten.
„Was ist los, Emmanline? Ist irgendetwas?“
Das schien sie wachzurütteln. „Oh, entschuldige. Nein, alles in Ordnung. Ich hatte gedacht, ich hätte etwas gesehen.“ Schüttelte sie leicht mit ihrem Kopf. „Wir können gehen.“
Lucien war da etwas misstrauisch, aber er würde dessen später auf dem Grund gehen, das war gewiss.
Vor dem Ratsaal angekommen blieb er stehen und schaute sie an. „Warte hier einen Augenblick. Ich werde dich gleich kommen holen.“ Gab er ihr einen Kuss, bevor er den Saal betrat, die Tür hinter sich schloss und auf die versammelte Ratsmitglieder schaute. Sie saßen an einem großen runden Tisch, aber standen ruckartig auf, als sie hörten, er hatte den Raum betreten. Es war der reine Respekt dem König gegenüber zu zeigen. Obwohl er bei vielen, bei weitem nicht so alt war wie sie. Dennoch verneigten sie sich vor ihm.
Mit großen Schritten trat er an den großen runden Tisch ran und steuerte auf den weit wertvollsten Stuhl zu, der schon fast einem Thron ähnelte, der mit Gold verziert war. Wahrhaftig königlich und er musste fest stellen, heute saß er zum ersten Mal darauf. Vorher hatte er noch nicht die Ratsversammlung einberufen. Dabei war er schon einige Monate der König, was wohl der Grund war, es wurde langsam Zeit.
„Setzt euch.“ Sagte Lucien, aber er blieb noch stehen. „Danke das ihr alle erscheinen konntet. Ich weiß, es ist viel zu spät für eine Ratssitzung, aber es ist vieles geschehen, was wir nicht ungeachtet hätten lassen können. Ihr alle werdet darüber informiert werden und mit darüber entscheiden, wie wir weiterhin vorgehen.“ Schaute er in die Runde und es herrschte große Aufmerksamkeit.
Der König war hier im Raum der Mittelpol und alle anderen, die vier Himmelsrichtungen. Tarana und Volteer waren der Rat im Norden, in Tarascon. Saphira und Darius im Osten, in Nascar. Lyndiana und Terrador im Süden, in Lacrier. Und Messuria und Darco im Westen, in Polarius.
„Es werden einige Geschehnisse besprochen und ich werde mit einem Punkt als erstes beginnen. Es geht um Culebra.“ Konnte er sofort verabscheuende Laute hören, sowie ihre Gesichter, die Wut, Zorn und Hass versprachen, die von Verrat hervorgerufen wurden.
„Was ist mit diesem Verräter?“ Trieften die Worte von Terrador voller Hass.
„Ist er noch nicht krepiert?“ Wandte Volteer ein.
Es kamen noch weitere Abneigungen dessen. Lucien erhob die Hand, um die Stimmen verstummen zu lassen. „Nein, er lebt noch immer, was mich mehr als erzürnt. Er hat großen Verrat an uns begangen, indem er Beihilfe am Mord meines Vaters und damaligen König begangen hatte. Das er sich klamm und heimlich seine eigene Armee aufgebaut hat, die nur Schrecken, Tod und Gewalt hinter sich lässt. Sie töten unsere eigene Art, was gegen das höchste Gesetzt verstößt. Er verleitet ohne Skrupel und giert nur nach Macht. Es wird an der Zeit, dass man ihm das Handwerk legt, bevor es schlimmer wird. Culebra muss aufgehalten werden.“ Zusprechende Zurufe.
„Und was schlägst du unserer Meinung vor? Wie willst du diesem Bastard das Handwerk legen?“ Sprach Darius. Sein Onkel saß zurück gelehnt und seine Arme waren vor seiner Brust verschränkt. „Wir haben oft versucht ihn zu töten, aber jedes Mal war er uns einen Schritt voraus. Er scheint unsere Vorgehensweisen genaustens vorauszusehen. Er ist nicht unvorsichtig.“
„Darius hat Recht. Charia ist schon seit Jahrzehnten hinter ihm her. Warum schaltet man nicht Alastar ein? Er ist doch der Jäger, der Abtrünnige jagt.“ Kam Lyndiana zu Wort. Diese Frau war die jüngere Schwester seiner Mutter Rhivanna. Seine Tante.
Leise seufzte Lucien. „Das tut er. Doch Alastar muss selbst andere jagen. Es ist selbst für ihn nicht einfach, weil er manchmal überall sein muss. Unter Culebra gibt es genug Verräter und die ihm helfen. Selbst die müssen gestoppt werden. Alastar ist der einzige Jäger unter uns und es ist zu wenig. Wir müssen beschließen, vielleicht noch mehr zu finden, oder auszubilden. Mein Bruder ist ein starker Krieger und trotzt vor nichts zurück, aber es wird schlimmer. Etwas unheilvolles kommt auf uns zu. Nicht nur auf uns, sondern der ganzen Mythenwelt gegenüber. Darum ist es ratsam, wenn wir Culebra als erstes aus dem Weg räumen.“
„Da bleibt noch immer die Frage, wie wollen wir das anstellen.“
Lucien war kurz still, als er sich alle nacheinander anschaute. „Ich werde euch jemanden vorstellen. Ihr werdet mit Sicherheit Gerüchte gehört haben, was das anbelangt. Ich weiß auch, viele werden dagegen sein. Doch es bleibt uns nichts anderes übrig.“ Entfernte er sich kurz vom Tisch und ging zur Tür zurück. Zusammen kam er mit Emmanline zurück. Er konnte genau die überraschten Laute hören und das einige die Luft anhielten.
„Eine Elfe?“
„Ich möchte euch Emmanline vorstellen. Sie ist schon seit einer längerer Zeit hier auf dem Schloss. Sie wird uns helfen, mehr Informationen über Culebra zu geben.“ Ignorierte er die Aufrufe.
„Wie soll sie das können?“ Strömte Misstrauen in den großen Raum.
„Weil...“
„Ich kann für mich selbst sprechen, Lucien. Du musst mich nicht vertreten.“ Unterbrach Emmanline ihn und schaute zu ihm auf, während sie ihre Hand auf seinem Unterarm legte.
Plötzlich lachte jemand auf und alle wandten sich der Person zu. Darius schien darauf belustigend zu reagieren. „Ich glaube, sie gefällt mir.“ Stand er auf und kam einmal um den Tisch herum und nahm sich einen Stuhl, der an der Seite an der Wand stand. Aufmerksam brachte er ihn zum Tisch und stellte ihn hinter Emmanline, damit sie sich setzen konnte. Sein Onkel war schon immer der charmante und aufmerksame Gentleman gewesen. Dabei war er noch nicht so weit gewesen.
„Danke.“ Reagierte selbst Emmanline überrascht und ihre Augen schien sich zu verengen. „Ihr seid es gewesen. Gestern im Garten.“
„Erwischt.“ Hob er ergebend seine Hände. „Setz dich doch.“ Und sie setzte sich wirklich hin. Nun nahm auch Lucien wieder platz.
„Wie willst du helfen, meine Liebe?“ Fragte Tarana sanft. Diese Frau war wahrscheinlich die liebevollste in diesem Raum.
Ernst richtete Emmanline ihr den Blick zu. „Weil ich mein ganzes Leben unter ihm verbracht habe.“
Lucien war es mehr als bewusst gewesen, wie schockiert und ab neigend sie reagieren würden. Doch so war es nun einmal und er würde nicht zu lassen, dass sie seiner Gefährtin gegenüber schlecht redeten.
„Was soll das Lucien? Du bringst eine Frau in dieses Schloss, die eine Spionin sein könnte?“
„Dann auch noch in eine Ratssitzung?“
„Sie wird uns ausspionieren und verraten.“
Nicht alle reagierten voller Abneigung und Misstrauen. Er wusste, sein Onkel zählte zu ihnen, weil er über sie schon etwas erzählt hatte. Aber er war nicht der einzige.
„Heilige Götter.“ Schnappte Messuria nach Luft. „Unter Culebra?“
„Wie konntest du das überleben?“ Knurrte Lyndiana auf. Auch wenn sie die Schwester seiner Mutter war, waren sie trotz allem vollkommen verschieden. Weder vom Wesen, noch vom Aussehen waren sie gleich. Seine Mutter hatte schwarzes Haar, hell grüne Augen, kräftige Statur. Und Lyndiana war genau das Gegenteil. Dunkel braunes Haar, blaue Augen und zierlich. Aber sie sollte man nicht unterschätzen.
„Nicht am Leben teilnehmen.“ Sagte Emmanline mit eiskalter Stimme, dass selbst er eine Gänsehaut bekam. Diese Antwort von ihr, kam erschreckend und unerwartet. „Aber wir sind nicht wegen mir hier. Ich versuche zu helfen, damit Culebra gefunden wird.“
Alle schienen im ersten Moment schockiert zu sein. Darco war der Erste, der sich meldete. „Woher sollen wir wissen, dass du uns die Wahrheit sagst?“
Emmanline hatte gewusst, wie schwer es sein würde, hier vor diesem Rat und Drachen zu stehen. Sie würde genauso reagieren, wenn es darum gehen würde, alle zu beschützen. Dennoch war sie hier, weil sie helfen wollte und weil Lucien sie darum gebeten hatte. Eigentlich hätte sie es nicht machen müssen, weil sie die größten Gründe dazu hatte. Trotzdem tat sie es, weil sie sich mit diesem Mann, neben ihr, eingelassen hatte.
„Überhaupt nicht. Aber es spricht nichts dagegen, wenn ich vielleicht was wertvolles sagen kann. Aber ihr müsst zugeben, Culebra ist euch immer einen Schritt voraus. Egal was ihr macht.“ Konnte sie nichts dafür, das ihre Stimme sich kalt und emotionslos anhörte. „Ich kann auch wieder gehen, wenn ihr es wünscht.“
Aus irgendeinem Grund, vermied sie den Augenkontakt mit Lucien, weil sie genau wusste, wie er sie überrascht anschaute. Er war nicht alleine, aber sie würde nicht hier sitzen bleiben, wenn ihr alle mit purer Verachtung, Misstrauen oder Zurückweisung gegenüber traten. Das hatte sie nicht verdient, dass wusste sie. Dafür hatte sie sich zu viel von den Drachen bieten lassen müssen. In der ganzen Zeit, die sie hier war, hatte sie mehr Selbstbewusstsein entwickelt, wie je gedacht.
„Du musst nicht gehen, Vahdin.“ Bedachte Lucien und nahm ihre Hand in die seine. Und wieder Schweigen und tiefes Luftholen.
„Was hat das zu bedeuten?“ Schienen fast alle ihre Blicke zwischen ihnen beiden hin und her zu wandern, weil sie anscheinend nicht alles verstanden.
„Ganz einfach. Emmanline ist meine vorherbestimmte Seelengefährtin. Mann und Drache haben sich entschieden.“ Sprach er fest und beherrscht, als würde er keine Widerworte hören wollen. Anscheinend verstanden alle es als Zeichen, es am besten nichts zu tun. Irgendwie war es ihr unangenehm und sie rutschte etwas auf ihrem Stuhl hin und her. Lucien hatte eine mächtige Bombe platzen lassen und irgendwie verärgerte es sie. Wie konnte er es wagen öffentlich bekannt zu geben, was sie miteinander verband?
Es war eine Sache, wenn sie es privat hielten und das andere, in der Öffentlichkeit. Sie konnte es nicht fassen.
Lucien wusste genau, sie konnte in der Öffentlichkeit keinen Aufstand machen. Dieser...vielen ihr hunderte von obszönen Worte ein, die für diesen Mann neben ihr galten. Noch nie war sie zu solchen Worten fähig. Oder schlicht Gedanken. Dabei hatten sie noch nicht das letzte Wort gesprochen.
Was würden die Anwesenden jetzt denken, da sie wissen, was sie war? Für Lucien? Sie konnte es selbst noch nicht fassen, was sie für ihn war. Irgendwie konnte sie sich damit auch nicht anfreunden. Es mag vielleicht Ausnahmen geben, aber es werden viele gegen diese Verbindung sein und wenn sie ehrlich war, wollte sie es im Stillen nicht. Doch, da sie Lucien versprochen hatte, um ihm zu helfen, was dieser Rubin betraf, musste sie wohl zum Teil darüber hinwegsehen. Darum fand es Emmanline nicht fair, wie er es in der Öffentlichkeit sie so präsentierte. Ohne sie vorher gefragt zu haben.
„Also ich habe nichts gegen diese Verbindung. Solange mein Neffe glücklich ist.“ Sprach ein Mann weiter hinten, der irgendwas an sich hatte, was Lucien auf eine gewisse Art und Weise ähnelte. Sowie es sich anhörte, war dieser Mann Luciens Onkel?
„Ich auch nicht.“ Meinte die Frau neben diesem Mann. Sie bemerkte, zwischen ihnen bestand eine besondere Verbindung. Sie konnte es spüren, so stark war sie. Sie waren Seelengefährten, kam es aus dem tiefsten Winkel ihres Verstandes.
Lucien schien nur dankend zu lächeln und sie konnte es einfach nicht fassen. „Können wir jetzt vielleicht darüber sprechen, wie ihr Culebra finden und fangen wollt?“ Wollte sie so schnell wie möglich hier raus. Ihr behagte es gerade nicht.
„Sicher. Sprich nur, meine Liebe. Was weißt du?“ Eine liebenswürdige Anrede?
Oh je, wie soll ich da nur anfangen?
Sie blickte in die Runde. „Ich weiß, Culebra war auf dem königlichen Hof, ein Mitglied des Rates gewesen.“
„Das ist nicht wirklich ein Geheimnis.“
„Nein, ist es nicht, aber er kennt euch alle. Er weiß wie ihr handelt und wie ihr die Sache angeht. Ich habe ihn oft sagen hören, wie leicht durchschaubar ihr seid und das ihr keinerlei Gefahr für ihn bedeutet. Er ist euch immer einen Schritt voraus. Egal was ihr macht. Culebra wird solange weiter machen, bis er sein Ziel erreicht hat.“ Zuckte sie kurz mit ihren Schultern.
„Und was soll das sein? Was ist sein Ziel?“ Fragte Lucien neben ihr.
Einen kurzen Augenblick schaute sie ihn an, um dann zu antworten. „Er will dich vom Thron stoßen, um selbst die Herrschaft zu übernehmen. Er will über das Drachenvolk herrschen.“
„Unfug. Wie will er das denn bewerkstelligen?“ Schnaubte ein Mann mit braunen kurzgeschnittenen Haaren.
„Ich weiß, wie das klingt. Unter den Drachen kann nur der rechtmäßige König herrschen, dem alle folgen. Es kann kein anderer, weil es sonst keine Einheit im Drachenvolk geben würde und somit mehr als angreifbar sein, sollte jeder für sich sein. Nur der Rechtmäßige beherrscht die Drachen.“ Blickte sie erneut in die Runde. „Schaut mich nicht so an. Zu recht solltet ihr Misstrauen mir gegenüber entgegen bringen, weil ich zu vieles weiß. Geheimnisse die niemand wissen sollte, aber ich konnte es mir nicht aussuchen.“ Zu sehr saßen die tiefen Wunden, die sie deswegen davon tragen musste. „Oft hat Culebra sich an viele Gefangene vergriffen, gefoltert und getötet, vor Wut und es hatte ihm nie etwas ausgemacht darüber etwas zu erzählen. Wenn etwas nicht nach seinen Plänen ging, hatte er seine Wut und Frustration an andere ausgelassen.“ Was immer so gewesen war.
„Du lieber Himmel.“
„Dieser Bastard.“
Klangen hasserfüllte, entsetzte und wütende Laute durch diesen großen Saal.
„Ich will kein Mitleid, Bedauern oder Entschuldigungen hören. Culebra ist nie auf den Gedanken gekommen, dass je einer entkommen könnte. Er ist gerissen und macht seine Pläne mit großer Präsenz und Klugheit. Seine Intrigen sind die grausamsten. Ich habe gesehen, wie viel mehr seine Anhänger werden, Er schließt Pakte und er beherrscht sein Handwerk von Überredungskünste. Er scharrt sie alle um sich.“ Hielt sie kurz inne. „Ihm ist egal, ob nur der vorherbestimmte König regieren soll, darf oder nicht. Er ist der Meinung, dass das Volk der Drachen dem Untergang geweiht ist, weil sie an Stärke verlieren. Culebra will das Drachenvolk wieder neu auferstehen lassen. Egal wie viel Blut vergossen wird, oder über wie viele Leichen er steigen muss, solange es seinem Ziel dient und ihn näher bringt.“
„Und was schlägst du uns vor, was für uns ein Vorteil dienen könnte? Was müssten wir tun?“ Wandte der Onkel von Lucien ein.
Kurz sah es aus, als würde sie überlegen, aber es war eigentlich nicht nötig. „Ihr müsst genauso denken, wie er.“
„Niemals.“ Wurde es sofort abgelehnt und sie wusste auch warum.
„Ich meine auch nicht, ihr sollt das Gleiche tun, wie er. Es gibt eine Gemeinsamkeit, die euch alle verbindet. Ihr seid alle Drachen. Culebra hat Raffinesse und Verstand, aber er tut es allein aus seiner Natur heraus. Er lässt sich von seinem Drachen leiten, was ihn soweit bringen lässt. Der Drache ist eben nun einmal ein blutrünstiges Wessen, tief in sich drinnen. Es soll keine Verurteilung sein, aber dennoch ist es so.“
Eine drückende Stille beherrschte diesen Saal, als sie endete.
„Schlägst du uns vor, wir sollen alles unserer wahren Natur überlassen? Wenn es das ist, was du da vorschlägst, Emmanline, dann könnte es passieren, wir würden der Raserei verfallen. Passiert das einmal, kommen wir niemals wieder zurück und wir würden keine Kontrolle über unser Tun haben. Wir wären genau das blutrünstige Wessen, wie du es meinst.“ Sprach Lucien und seine Stimme war so gefasst und ernst, was sie schlucken ließ.
Sie wusste ja, sie schlug etwas unwirkliches vor, aber was sollte sie dann tun? Die Wahrheit war das Einzige, was sie weiterbringen würde. Also gab es nur einen Punkt, wie sie darauf antworten konnte. „Was ist dann mit euren Liebsten und dem ganzen Volk, welche ihr so sehr beschützen wollt? Würdet ihr nicht alles tun, was in eurer Macht steht?“ Konnte sie eine Frage nach der anderen stellen.
„Sicher, wir würden alles tun. Genau das ist es, was uns schneller dazu drängt.“ Erklang die weiche Stimme wieder.
„Seit ich hier auf diesem Hof bin und beobachten konnte, sah ich etwas, was ich zuvor noch nie gesehen habe. Solange ich denken kann, wuchs ich unter euch auf und lernte nichts anderes kennen, als Brutalität, Gewalt und der Tod. Doch hier, es ist genau das Gegenteil und so widersprüchlich, bei allem, was ich zuvor lernte und kannte. Ihr geht liebevoll miteinander um, respektiert euch, schätzt und beschützt, sowie die Liebe zueinander. Alle gemeinsam und niemals alleine. Ich sah, wie ihr euch umeinander kümmert, egal ob ihr euch kennt oder nicht. Hauptsache ihr seid euresgleichen.“ Sprudelten die Worte einfach aus hier heraus. Konnte einfach nichts dagegen tun, nur der Wahrheit ergebend. Es versetzte ihr sogar einen leichten Stich in die Brust, weil sie all das nicht kannte oder erleben durfte, geschweige hatte oder je haben würde. „Dann würde es doch bedeuten, niemand würde zulassen, ihr würdet in eine Raserei verfallen. Es gibt eines, was Culebra nicht hat. Er hat zwar viele Anhänger und Mitstreiter, aber niemanden, den er vertrauen kann. Es gibt nichts und niemanden der ihn zurückhalten kann, der ihn in die Grenzen weist. Ihr schon. Gerade weil ihr aufeinander achtet.“
Regungslos saß Lucien auf seinem Stuhl und hatte große Mühe, überhaupt dem zu folgen, was Emmanline da sagte. All diese Worte waren alles andere als dahin gesagt oder nur leere Worte. In allem was sie sagte, steckte eine Menge Kraft dahinter. Es schien so, als wäre er nicht der Einzige der sprachlos war. Selbst alle in diesem Raum, jeden eingeschlossen, waren von Schweigen erfüllt.
Er konnte Emmanline einfach nur anstarren, weil er so von ihr hin und weg war. Das was sie sagte, steigerte seine Zuneigung und Gefühle zu ihr nur noch. Wie könnte er sie da nicht weiterhin ins Herz schließen? Er war ihr vollkommen verfallen, mit Leib und Seele. Wie gerne würde er sie jetzt an sich reißen und sie bis zur Endlosigkeit küssen. Dennoch wusste er, Emmanline würde sich weigern, gar wäre es ihr peinlich. Zumal konnte er es auch nicht tun. Nicht vor aller Öffentlichkeit, sie so dermaßen zu überfallen, wenn sie ihn noch nicht als ihren Gefährten akzeptierte. Er würde sie damit nur in Verlegenheit bringen. Auch wenn es dem Mann und Drachen nicht gefiel, zu sehen, wie abweisend sie ihm gegenüber war. Oder gar zu fühlen. Sicher, sie hatten Sex miteinander gehabt, aber waren es doch nur reine körperliche Sehnsüchte gewesen. Nur er wollte mehr, viel mehr. Sie sollte ihm mit Herz und Seele gehören, sowie seine ihr gehörten.
Trotz allem verspürte er großen Stolz, der nur allein ihr galt.
„Du hast Recht.“ Wurde er von einer warmherzigen Stimme aus seinen Gedanken gerissen. Tarana war die erste, die ihre Stimme wiederfand. „Wir würden jederzeit alles für unser Volk tun, die wir lieben.“
„Dann liegt es in eurer Entscheidung. Was ich auch ganz gewiss weiß, ist, er wird niemals aufgeben sein Ziel zu erreichen. Er wird alles und jeden töten, egal, seien es sogar wehrlose Kinder. Er besitzt kein Herz und absolut keine Skrupel.“ Senkte sie ihren Kopf und er wusste genau, Emmanline dachte an diese Zeit zurück. An ihre Zeit und es machte ihn wahnsinnig wütend. Am liebsten würde er diesen Bastard jetzt in seinen Klauen haben und ihn mit seinen Reißzähnen zerfetzen.
Jetzt kam er diesem Punkt an, wo er wissen wollte, was sie alles hatte erleiden müssen. Er wollte alles wissen, damit sein Zorn weiterhin anwuchs, damit er seinen Hass und Wut mehr anheizen konnte. Er würde es alleine nur für Emmanline tun, weil er sie sicher bei sich haben wollte. Gut, wenn sie meinte, sie sollen so sein, wie diese Missgeburt, würde er so werden. Sein Drache stimmte ihm zu und sollten alle Götter ihn davon ab halten, würde er noch mehr toben und wüten. Da würde er keine Grenzen kennen.
Mit einem Ratschen eines Stuhles, stand Emmanline auf. Verwundert schaute er leicht zu ihr rauf. „Was hast du vor?“ Stand er nun auch auf.
„Lucien, du weißt, wenn ich alles über Culebra erzählt habe, was ich weiß, werde ich gehen. Ich gehöre hier nicht her.“ Und ob sie das tut. „Du weißt es und ich will es auch nicht. Ich will keine wichtigen Informationen über euch wissen.“ Entfernte sie sich vom Tisch.
Auf halben Weg hielt er sie am Oberarm fest und drehte sie zu sich um. Gerade da wurde ihm bewusst, was er genau hier tat. Sein Instinkt sagte ihm, er solle sie hier behalten, weil er keine Geheimnisse vor ihr haben wollte, aber Emmanline tat genau das, was richtig war. Sie hatte so schon Schwierigkeiten sich hier einzugewöhnen und sie brauchte nicht noch mehr Steine im Weg. Aber genau das tat er jetzt, indem er sie hier und jetzt vor dem Rat vorführte. Vermutlich würden sie jetzt denken, sie habe ihn irgendwie mit einem Trick überlistet, weil er von ihr besessen war. Dem war nicht so. Natürlich war er von ihr besessen, aber auf reiner Gefühlsebene, dass wusste er mit großer Gewissheit.
Mit großer Mühe und Zwang, ließ er sie los und blickte sie schweigend an. Sie verstand ihn sofort und nickte einmal. Ihm den Rücken zugewandt, machte sie zwei Schritte, aber drehte sich noch einmal zu den Anwesenden um. „Eines solltet ihr noch über Culebra wissen. Alles was ihr von ihm wisst, wird er sich zunutze machen. Er wird genau das tun, womit ihr bei ihm nicht rechnen würdet. Ihr müsst anders denken. Sucht nicht an Orten, wo ihr glaubt, er würde dort sein, sondern an welchen er sich niemals aufhalten würde. Genau dort werdet ihr ihn finden. Culebra ist ein Feuerdrache der stärksten Klasse. Ich kann euch nicht sagen, wo er sich genau aufhält, weil er immer seine Aufenthaltsorte wechselt. Ich kenne mich nicht aus, wo was liegt. Aber eines ist gewiss, er bevorzugt die eisigen und tiefen Abgründe.“ Darauf verließ sie den Besprechungssaal. Die Totenstille entstand erst, als das Türschloss in ihre Verankerung fiel.
Plötzlich ging das Stimmengewirr los. Alle sprachen durcheinander, spekulierten und versuchten darüber zu diskutieren. Lucien ging zum Tisch zurück und setzte sich auf den Stuhl und zunehmend nervte und verärgerte es ihn. Bis auf einmal die Faust hart auf dem Tisch gehauen wurde. Erschreckend wandten sich alle um, aber nicht zu ihm. Er war nicht derjenige gewesen, der fast den Tisch in zwei Hälften geteilt hätte. Sondern Darius.
„Verflucht noch mal.“ Knurrte er verärgert. „Habt ihr nichts besseres zu tun, als andauernd alles in Frage zu stellen.“
„Was glaubst du, warum wir das tun. Wir wollen unser Volk beschützen.“
„Woher wollen wir wissen, ob das kein Hinterhalt ist? Wir können ihr nicht vertrauen, wenn sie doch ihr ganzes Leben unter Culebra verbracht hatte.“
Furchtbare Wut brodelte in ihm auf. Langsam reichte es ihm wie sie über Emmanline redeten. „Ich vertraue ihr.“ Knurrte er wütend, damit ihm keiner missverstand. „Charia war kurz davor ihn zu erwischen. Sie erzählte mir, das sie sie in einer eisigen Höhle in den Agrargebirgen gefunden haben. Ich möchte wissen, wie jemand wie Emmanline dort überleben kann.“ Dabei wusste er mehr. Emmanline war mehr als unsterblich, im Sinne des Wortes. Sie hätte ansonsten nicht die größten Chancen gehabt. Trotz allem verspürte er eine unsagbare Unruhe in sich, die ihn mörderisch machen könnte. Es gab auch Momente, war er blind vor Wut und er würde alles vergessen, wenn er nicht wüsste, Emmanline an seiner Seite zu haben. Sicher und wohlbehalten.
„Nehmen wir mal an, wir können ihr vertrauen.“ Wandte Saphira ein. „Dann kann ich mir nicht vorstellen, Culebra könnte sie einfach entkommen lassen. Immerhin weiß sie zu viel.“
„Sie hat Recht. Was, wenn er sie zu fassen bekommt, wird sie vielleicht auch alles über uns verraten.“
Das konnte Lucien nicht vorstellen, aber er konnte es nicht einfach abtun, welch Misstrauen sie in Emmanline sahen. Er kannte sie nun schon länger und vereinzelte auch und sie würden seiner Meinung ihr gegenüber teilen. Egal wie viel sie schon seinem Volk geholfen hatte. Vor allem ihm.
Wie könnte er nur anders von ihr denken, außer das Richtige in ihr? Diese Frau war seine Seelengefährtin, zu die er jederzeit halten würde. Sein Instinkt drängte ihn dazu und sein Drache gab ihm den Rest. Er konnte einfach nicht anders.
„Ich kann eure Bedenken verstehen, aber ich kann sie nicht gehen lassen. Ihr wisst wie ein Drache ist, der seine Seelengefährte gefunden hat. Im Leben bekommt man nur die einzige Chance. Wir haben keine Macht darüber für wen wir vorherbestimmt sind.“ Lehnte er sich zurück und schaute jeden vereinzelt an, während er seine Arme auf die Lehnen des Stuhls legte. „Ihr solltet es nicht gleich abtun, sondern ihr in dieser Hinsicht eine Chance geben. Ich weiß, es könnte ein Hinterhalt sein, aber ich kann sie zu nichts beschuldigen, wenn ich es nicht genau weiß. Sie hätte jedes Recht uns gegenüber zu hassen oder wütend zu sein, aber trotzdem hatte sie mir und den anderen einige male geholfen. Ich verdanke ihr mein Leben und meine Ehre lässt es auch nicht zu, meine Schuld ihr gegenüber zu begleichen.“
„Ich habe nichts gegen sie. Wenn sie dich glücklich macht, Lucien, ist es mir egal.“ Zum ersten Mal, setzte sich Lyndiana für ihn ein, was ihn verwunderte. Sie war die Schwester seiner Mutter und normalerweise hatte er nicht viel mit ihr zu tun. Er sah sie kaum, außer wenn mal eine Ratssitzung anstand. „Rhivanna hätte es genauso gesehen.“ Konnte er den Schmerz des Verlustes ihrer Schwester heraus hören. Dabei hatten sie genauso wenig Kontakt gehabt, aber trotzdem standen sie sich immer nahe.
„Ich danke dir.“ Lächelte er seine Tante an.
Darius und Saphira teilten Lyndianas Meinung. Es war wirklich einfacher und erleichterte ihn, das vereinzelte zu ihm hielten. Er konnte wirklich verstehen, wie misstrauisch sie waren, aber am Ende konnten sie nichts dagegen tun. Nicht weil er der König war und es bestimmen konnte, sondern weil er dazu gezwungener maßen getrieben wurde. Es war nicht solch ein Zwang, nur sein Trieb drängte ihn dazu. Und mit großem Verlangen und Sehnsucht folgte er es auch mit Freuden.
„Aber lasst uns das Thema wechseln. Wir werden bestimmen, wie wir gegen Culebra vorgehen, aber es gibt noch mehr, worüber wir dringend sprechen müssen.“ Schaute erneut alle einzeln an. Dann berichtete er alles, was geschehen war. Jede kleinste Einzelheit. Es gefiel niemanden, aber es war die nackte Wahrheit. Genauso, das sie dringende Maßnahmen dagegen tun müssen. „Was der nächste Punkt anbelangt, habe ich ein Bündnis mit den Lykae vorgeschlagen.“
Entsetzen durchströmte den Saal.
„Bist du wahnsinnig geworden?“ Reagierte Volteer ab neigend.
„Das würde niemals funktionieren.“ Mischte sich Lyndiana ein.
„Sie hat Recht. Wir können den Lykae niemals trauen. Seit Jahrhunderten stehen wir mit ihnen im Krieg, obwohl zwischen uns jetzt einen Waffenstillstand steht. Nur eine einzelne Kleinigkeit und wir stehen wieder im Krieg mit ihnen.“
Lucien seufzte ermüdend auf und fuhr mit einer Hand über sein Gesicht. „Mir ist wohl bewusst, wir könnten erneut in einem Krieg mit den Lykae stehen. Aber dennoch könnte es ein entscheidender Vorteil für uns sein. Die Lykae sind genauso betroffen wie wir auch, sind in einem Hinterhalt geraten. Zurzeit ist König Dyade anderweitig beschäftigt und sein Bruder Garett vertritt ihn zurzeit, bis er wieder zurück ist. Garett wäre beinahe an einem tödlichen Gift krepiert, wenn Emmanline ihm nicht geholfen hätte. Wir hätten niemals über solch ein Mittel verfügt, zumal wir keine Gifte benutzen. Es gibt nur wenige Giftmischer, die Talente dafür entwickelt haben. Fae sind eine dieser Völker. Wir waren niemals daran beteiligt, Lykae getötet zu haben. Vor allem, wenn es so wäre, hätten wir niemals Kinder getötet, die wehrlos sind. Das würde gegen unserer Ehre gehen. Sagt mir, was schlägt ihr vor? Aber eines solltet ihr vorher noch wissen. Mein Vater hatte damals alles versucht einen Waffenstillstand auszuhandeln und hatte es geschafft. Vater hatte es damals gewusst, dass sich sehr bald etwas zusammenbraut, was die ganze Mythenwelt betrifft. Sollte es zu einem Massenkrieg kommen, würden wir niemals eine Chance haben, uns gegen alles und jeden zu wehren. Culebra hängt uns im Nacken, wie die Fae genauso. Sie planen anscheinend schon seit Jahrzehnten oder Jahrhunderten, uns alle gegenseitig auszulöschen, ohne das sie sich die Hände schmutzig machen müssen. Sie sind auch Meister der Täuschung und jeder im Raum weiß das. Also sagt mir jetzt, was schlagt ihr vor, wie wir weiter machen sollen?“
Noch schwiegen alle, wo sie anscheinend alles verarbeiteten. „Sagt mir nicht, das ihr alle sprachlos seid.“ Lächelte Lucien irgendwie amüsiert auf, obwohl es eine blöde Situation dafür war.
„Bist du sicher, das du den Lykae trauen kannst?“ Fragte Tarana als erstes.
Seine Antwort war kurz und knapp. „Nein.“
„Warum bist du dann der Meinung, wir sollten mit ihnen ein Bündnis eingehen?“
„Weil wir keine andere Wahl haben, wenn wir überleben wollen. Sowie die Lykae auch keine Wahl haben. Wir sollten es versuchen und vielleicht klappt es auch.“
„Haben wir wirklich keine andere Wahl?“
„Wenn es wirklich so kommt, sicherlich nicht. Wir mögen stark und mächtig sein, aber nicht gegen alle. Wir sind nicht unbesiegbar.“ Sprach Darius und lehnte sich nach vorne, damit er seine Unterarme auf die Tischplatte legen konnte. „Wir sollten wirklich über ein Bündnis nachdenken.“
So gingen die Gespräche weiter, bis sie eine Lösungen hatten, worüber Lucien sehr dankbar war. Er hörte weiterhin zu, aber seine Gedanken waren zunehmend woanders. Nämlich, bei Emmanline. Noch immer passte ihm das nicht, das sie einfach aus dem Saal verschwunden war. Es schmerzte, je mehr er sie von allem fernhalten musste. Zumal, er wollte es schon, sie wäre bei ihm, aber sie wollte es nicht. Er sollte es respektieren und sie machte es auch richtig, aber es fühlte sich einfach nicht richtig an. Nicht für ihn. Vor allem nicht, wenn sie sich so ausgrenzte.
Wie lange gingen diese Gespräche noch? Stunden, bis er wieder zu Emmanline konnte? Es war wichtig, was diese Themen im Rat betraf, noch wichtiger aber, war bei ihr zu sein.
Erleichtert atmete Emmanline aus, als sich die Tür hinter ihr ins Schloss fiel. Endlich war sie aus diesem Raum raus und konnte wirklich einmal tief Luft holen. Zwar hatte sie versprochen vor dem Rat alles über Culebra zu erzählen, aber dafür braute sich etwas in ihr zusammen. Es lag nicht daran, was und worüber sie erzählt hatte, aber etwas entscheidendes hatte sich in ihr geändert. Ihr ganzes Leben lang musste sie unter Culebras Hand alles ertragen. War sie jetzt soweit gekommen, das er geschnappt werden könnte? Könnte er dadurch endlich seine gerechte Strafe bekommen?
Irgendwie war sie sich überhaupt nicht sicher, weil sie ihn kannte. Mehr als ihr zur gute kam und überhaupt wollte. Niemals würde er Halt machen, wenn er das haben wollte, was er möchte. Darum beschlich ihr das Gefühl, er würde sie niemals wirklich gehen lassen. Culebra war schon immer besitzergreifend, wenn es um seine Gier ging. Nur hatte sie nie verstanden, warum er sich solche große Mühe mit ihr gab. Sicher war er darauf erpicht, woher ihre wahre Unsterblichkeit herkam, aber sie konnte es genauso wenig erklären, weil sie selbst keine Ahnung hatte. Stets fragte sie sich oft, warum sie niemals von all dem befreit wurde. Wie oft sie immer darüber nachgedacht hatte zu sterben, wie all die anderen, die es nicht mehr ausgehalten hatten. Sie war so oft schon neidisch auf die Anderen gewesen, hatte unendliche Gebete gesprochen, damit sie endlich erlöst wurde.
Zur Anfangszeit hatte sie noch ihre Mutter gehabt, aber haben sie ihr dann weggenommen. Das war ein weiterer Aspekt, warum ihre Mutter sterben konnte, aber sie nicht. Dabei war sie doch ihre Mutter gewesen. Es war kaum vorstellbar, dass das Volk der Elfen eine unsagbare Unsterblichkeit besaßen. Darum hatte sie sich schon lange nicht mehr diese Fragen gestellt. Nicht dieses Warum oder Wenn.
Irgendwie war es an der Zeit, das sie sich ablenkte und was anderes tun würde. Sie hätte da auch schon ein Gedanke und das wäre vermutlich das Beste, wenn sie weiter kommen wollte. Darum ging sie den gleichen Weg wieder zurück, den sie mit Lucien zusammen gekommen waren. Plötzlich hielt sie an einer Verzweigung der Gänge an, wo sie vorhin schon einmal Halt gemacht hatte. Wieder kam es ihr merkwürdig vor. Die Frau die sie vorhin schon gesehen hatte stand noch immer dort. Sie hatte diese Frau schon öfters gesehen und Malatya hatte zu ihr gemeint, das sie ihre Lehrerin sei. Sie war wirklich hübsch mit ihrem blondem Haar. Es schimmerte leicht golden und verlieh ihr eine freundliche Ausstrahlung, aber durch ihr kurzes Haar, eine gewisse Autorität. Durchaus war ihre Tätigkeit als Gelehrte sehr gerecht, was ihre Augen bewiesen, die ein tiefes Grau waren.
Schon fand sie die Frau interessant, aber was ihr Interesse wirklich beanspruchte, war ein kleines Mädchen, das neben ihr stand. Das gleiche Haar wie diese Frau. Es müsste ein Alter von zwei oder drei Jahren sein. Es klammerte sich vergebens an dem Kleid dieser Frau, als würde sie die Aufmerksamkeit bei ihr suchen. Warum bemerkte sie das kleine Mädchen nicht?
Emmanline konnte nicht erkennen, was sie da machte, aber schien sehr beschäftigt zu sein. Doch, auf einmal, richtete sie ihren Blick auf sie und musterte sie einen Augenblick.
„Oh, entschuldige. Ich wollte nicht stören.“ Brachte Emmanline plötzlich ein.
„Schon ok. Du hast mich nicht gestört.“ Lächelte sie sanft und da musste sie feststellen, das sie sie jetzt schon mochte. Von Anfang an. „Ich versuche nur gerade heraus zu finden, wie ich dieses kleine Kätzchen aus dieser Spalte heraus bekomme.“ Seufzte sie verzweifelt auf. „Einer meiner Sprösslinge glaubte, er müsse eben mal eine Katzen Junges verspeisen. Das tun sie andauernd und dann flüchten sie. Da braucht sich doch niemand wundern, wenn niemand ein Haustier halten kann. Sie sehen immer nur ein Leckerbissen vor sich.“
„Wenn ihr Drachen so darauf reagiert, warum wollt ihr dann Haustiere, wenn sie in euren Augen eine Mahlzeit sind?“ Kam Emmanline auf sie zu.
„Genau das müssen die Jungdrachen lernen, das sie nicht überall und alles als ihre Mahlzeit ansehen. So lernen sie das sonst nie.“
Emmanline ging in die Hocke und richtete ihre Aufmerksamkeit der kleinen Katze zu, die sie ängstlich anschaute. „Du musst keine Angst haben.“ Sprach sie sanft und die Katze schien mit ihren Ohren zu zucken, als würde sie ihr zu hören. „Niemand wird dir etwas tun.“
Urplötzlich kam das Kätzchen aus ihrem Versteck gerannt und sprang in ihre Arme. Sie vergrub sie vollendend in ihren Armen, was sie überraschte, aber auch erwärmend sah.
„Wie hast du das gemacht?“ Klang Erstaunen in der Stimme dieser Frau mit.
„Vielleicht liegt es daran, dass ich nicht so viele scharfe Zähne besitze, wie ihr es tut. Sie mag zwar auch ein Raubtier sein, aber noch lange nicht so wie ihr.“ Stand sie mit der Katze in den Armen auf.
Leise gluckste die Frau auf. „Okey, das ist ein Argument.“
Automatisch fing sie mit ihrer Hand über das weiche Fell der Katze zu streicheln. Ihr Fell war glänzend weiß und hatte vereinzelt grau schwarze Flecken. Bei dem längeren Streicheln fing sie an komische Geräusche zu machen, was sie skeptisch machte.
„Oh, jetzt fängt sie auch noch an zu schnurren. Anscheinend mag sie dich.“
„Schnurren?“ Schaute sie die Drachin verwundert an.
Wieder gluckste die Frau auf. „Das bedeutet, das sie dich mag. Das haben Katzen an sich, wenn sie sich wohl fühlen.“
Verwundert schaute sie wieder auf das Bündel in ihren Armen, die ihren Kopf immer und immer wieder an ihrer Brust rieb. Sie konnte einfach nicht anders, als es in ihr Herz zu schließen.
„Behalte es. Bei dir scheint sie sich sicher zu fühlen.“ Lächelte sie sie an.
Vielleicht würde sie es auch tun.
Nach kurzem Zögern, schaute sie zu der Frau auf. „Darf ich Euch eine Frage stellen?“ Wusste sie erst nicht, wie sie anfangen sollte.
„Natürlich, frage ruhig. Aber nenne mich ruhig Linava. Keine Höflichkeit.“ Schien Linava ihre Vorsichtigkeit zu bemerken.
Noch einmal zögerte sie und schaute ihr direkt in die Augen. „Vorhin und jetzt sehe ich, die ganze Zeit steht ein kleines Mädchen neben dir, als versuche sie deine Aufmerksamkeit zu bekommen.“
Emmanline machte einen Schritt zurück, als sie das Gesicht von ihr sah. Sie wusste nicht warum, aber sie schien schockiert und irgendwie verletzt zu sein und blickte um sich herum, was sie sich nicht erklären konnte. „Ein kleines Mädchen? Hier ist keins.“
Hatte sie sich geirrt? Aber warum sah sie noch immer dieses kleine Mädchen, das erst sie anschaute und dann wieder zu Linava auf. Nein, sie stand wirklich da. Sie konnte es klar und deutlich sehen. „Das kleine Mädchen hat dein Haar. Blond Golden. Nur etwas länger als deines. Und ihre Augen sind Lila und sie...“
„Hör auf!“ Unterbrach sie Emmanline brüsk und machte noch einen Schritt rückwärts.
Das junge Kätzchen hörte sofort auf zu schnurren und verkroch sich wieder weiter in ihren Armen, während es anfing zu zittern. Vor Angst.
„Ich will das alles nicht hören. Ich glaube dir nicht, weil da nichts ist.“ War sie noch immer laut in ihrem Ton. Linava versuchte sich zu beherrschen, aber vergebens. Stattdessen schaute sie sie finster an und wäre ihr am liebsten ins Gesicht gesprungen. Aus welchen Grund auch immer, aber sie hatte diese Drachin wirklich wütend gemacht. Sie erkannte ihren Drachen, in ihren Augen. Sie hatte das nicht gewollt.
Doch bevor mehr geschah und etwas wirklich schreckliches passierte, wandte Linava sich blitzartig um, verschwand schnell und augenblicklich aus ihrem Blickfeld.
Verdattert blieb Emmanline zurück und stand mit offenem Mund da. Auf einmal verspürte sie einen Ruck an ihrer Kleidung und schaute nach unten, in ein unschuldiges und trauriges Kindergesicht. Das ließ ihr Herz schmerzhaft schlagen. Was hatte das alles auf sich? Dieses Mädchen war realer als wie alles andere. Nur schien sie niemand zu sehen. Warum?
Danach rannte das Mädchen einfach dieser Frau hinterher und ließ sie starr zurück.
Wie viele Stunden haben sie noch im Besprechungssaal gesessen und über so viele Dinge diskutiert? Es schien ihn viel länger, als es zu meinen wagte. Sein erste Ratssitzung und er war schon jetzt am Ende seiner Nerven? Wie sollen all die anderen Sitzungen werden? Sollen die immer so ablaufen? Na prima, dann kamen ja jetzt die besonderen rosigen Zeiten auf ihn zu. Wie sehr er sich darauf freute. Vielleicht wäre es einfacher, wenn nicht immer so viele skeptisch oder zu stur wären, um eventuell ein paar Veränderungen positiv entgegen zu treten, oder gar zu verändern. Wie hatte sein Vater das nur solange ausgehalten, bevor er gestorben war?
Unvorstellbar.
Lucien musste trotz allem, was er von seinem Vater gelernt hatte, noch eine Menge mehr lernen, als gedacht. Wissen tat er auch schon, wie schwer es war, ein König zu sein. Aber jetzt bekam er das ganze Ausmaß dafür.
„Lucien.“
Jemand rief seinen Namen und er wandte sich zu dessen Person um und vor ihm stand die fürsorgliche Drachin. „Tarana.“ Lächelte er sie warmherzig an.
„Du bist wirklich sehr erwachsen geworden.“ Trat sie mit einem Lächeln zu ihm vor und streichelte liebevoll über seine Wange. „Deine Herangehensweise ist eine vollkommen andere, aber du bist deinem Vater sehr ähnlich.“
„Danke, ich weiß das sehr zu schätzen.“ Auch wenn er es nicht mochte mit seinem Vater verglichen zu werden, verspürte er einen großen Stolz darüber und es ehrte ihn. Auch, weil es von dem ältesten Ratsmitglied kam, die im Rat saß.
„Ich habe deinen Brief bekommen. Darum sollten wir uns noch einmal unterhalten.“ Wobei er ihr zustimmte.
Weil sie nicht wusste, wo sie jetzt genau hin sollte, als sie im Gang von der Drachin einfach zurückgelassen wurde, kehrte sie in ihr Zimmer zurück. Das ihr bezog sich darauf, auf Lucien und sie selbst. Sie teilten sich ein Zimmer und es fühlte sich schon eigenartig an, aber sie fühlte sich gut dabei. Wirklich eigenartig.
Gerade schloss sie die Tür hinter sich und die kleine Katze noch immer auf ihren Arm, die sich weiterhin schnurrend an sie schmiegte. „Du scheinst dich wirklich wohl zu fühlen.“ Kam ein bejahendes Maunzen und große gelb grüne Augen blickten zu ihr auf.
Emmanlines Gedanken rasten Kreise in ihrem Kopf. Erneut hatte sich das Labyrinth in ihr verändert. Nur jetzt veränderte sich einiges. Es wuchsen nicht mehr die riesigen und massiven Mauern in die Höhen, die ansonsten ihren Weg versperrten. Je mehr sie sich damit befasste, umso mehr lichtete sich in ihr etwas. Immer mehr Erinnerung kamen zu ihr zurück, die sie zuvor immer verdrängt hatte. Plötzlich und gnadenlos stürmten sie wie eine Welle über sie rein. Es riss sie erbarmungslos mit sich und ertränkte sie fast. Wenn nicht diese Stimme in ihr erklang. Kraftvoll und bestimmend. Diese Stimme half ihr wirklich und es bestärkte sie danach zu greifen.
Durch all dieser Lichtung, kehrten auch stetig mehr Erinnerungen ihrer Mutter mit. Ihr Herz tat dessen weh, das sie nicht mehr lebte, aber niemals wollte sie je die Erinnerungen an ihr verlieren. Sie hütete sie wir ihren wertvollsten Schatz.
Leicht seufzte sie auf und blickte sich im großen Zimmer um. Da bemerkte sie, dass das Bett ordentlich gemacht wurde und vermutete, es war eines der Dienstmägde in diesem Schloss. Merkwürdig war es schon, andere verrichteten nebensächliche Arbeiten, das es die höheren gestuften es besser hatten. Nichts desto trotz taten sie es freiwillig und waren Stolz auf ihre Arbeiten, alles in Ordnung und Sauberkeit zu halten, um alle zufrieden zu stellen.
Erneut seufzend begab sie sich in die Mitte des Zimmers, wo das Bett war und setzte sich auf die weiche Kante.
„Du wirst deine Bestimmung finden, die das Leben für dich bereit hält. Du musst es nur sehen und erkennen und es akzeptieren, das es so ist. Eines Tages kannst du erkennen, wie wertvoll alles sein kann und so leben, wie du es willst und wünschst.“ Wurden weitere Erinnerungen, an ihrer Mutter, in ihr geweckt.
„Ich verstehe das nicht,Momma.“ Wusste sie es wirklich nicht. Sie war in der Zeit ungefähr fünf Jahre und viel zu jung für solche Gespräche.
Ein warmherziges Lächeln, welches sie immer so geliebt hatte, erstrahlte ihr ganzes Gesicht. „Das magst du jetzt noch nicht verstehen, meine süße kleine Filia.“ Was Tochter bedeutete. Diesen Namen hatte sie immer gemocht, weil sie sich wohlbehütet fühlte, obwohl sie in Gefangenschaft waren.
„Meine Süße kleine Filia.“ Umarmte sie Emmanline und sofort kuschelte sie sich an ihren warmen Körper. „Vergesse niemals wie sehr ich dich lieb habe. Du bist meine tapfere Kleine und bin sehr stolz auf dich. Ich werde dich weiterhin auf das Leben vorbereiten, so gut ich kann.“ Strich sie sanft über ihr langes weißes Haar.
„Momma, wirst du immer bei mir bleiben?“ Fragte sie an ihre Brust.
Kurz schwieg ihre Mutter. „Ich kann es dir nicht versprechen, mein Schatz.“ Reine Ehrlichkeit, die sie als Kind nie richtig verstand. „Aber merke dir eines, du wirst niemals alleine sein, egal was geschehen mag. Auch wenn ich irgendwann nicht mehr bei dir sein sollte, werde ich weiterhin bei dir bleiben und dich beschützen. Ich gebe dir vieles mit auf dem Weg, das du behüten wirst. Eines Tages wirst du ein Wissen in dir tragen, worüber du verfügen kannst und auch wissen dieses zu benutzen.“ Drückte ihre Mutter etwas von ihr ab. „Sowie das Richtige zu tun. Niemals wirst du alleine sein.“ Küsste sie sie auf ihre Stirn.
Tränen glitzerten in Emmanlines Augen. „Ich will nicht, dass du gehst.“ Schluckte sie hart, aber beherrschte ihre Tränen zurück zu halten. Sie versuchte stark zu bleiben.
„Ich weiß, Filia.“ Tröstete sie sie. „Alles was ich dir sage und beibringe, präge sie gut ein. Dies wird dein Leben bestimmen und dich leiten. Dein zweiter Instinkt wird dich begleiten und höre darauf. In dir steckt mehr als nur eines, was dich einzigartig macht.“
Ein scharfer Schmerz schoss durch ihren Kopf und unterbrach sie in ihren Erinnerungen. Stöhnend hielt sie sich ihre Hände an ihren Kopf und schloss ihre Augen dabei.
Jetzt bemerkte sie das ganze Ausmaß ihrer Erinnerungen und es werden noch viel mehr kommen. Es werden nicht die letzten sein, aber sie war froh darüber, sie kamen in kleinen Stücken und hoffte, es möge so bleiben.
Ein kleines Miauen lenkte sie ab und blickte auf das kleine Bündel auf ihrem Schoss, das besorgt zu ihr auf blickte. „Keine Sorge, mir geht es gut.“ Streichelte sie über den Kopf des Kätzchens. Es war wirklich liebenswert und entzückend, wie so ein kleines Wesen bezogen auf sie reagierte, obwohl sie sich nicht einmal eine Stunde kannten. Anscheinend hatte sie Bezug zu ihr gefunden und es war rührend zu sehen, welche Klarheit in diesen großen Augen steckte.
Emmanline drehte ihren Kopf zur Seite und sie war jetzt noch mehr entschlossen, den Grund zu erfahren, was es mit diesem Rubin auf sich hatte. Sie musste herausfinden, warum dieser blutrote Stein sie einfach nicht gehen lässt. Vorsichtig holte sie den Stein zu sich und setzte sich wieder auf das Bett, aber viel eher in die Mitte. Weich und nachgiebig saß mit ein gewinkelten Beinen darauf. Den Rubin schwer in ihre Hand, während sie diesen Rubin genau betrachtete. Aufmerksam betrachtete sie ihn, drehte und wendete ihn. Was hatte es nur mit diesem Rubin auf sich? Es musste eine Verbindung geben, dem sie folgen konnte. Nur ein kleinen Hinweis.
Die Drachen spielten eine große Rolle und wie Lucien ihr erklärt hatte, war dieser Stein aus Blut, wie ein Gefängnis für sie. Unzählige Seelen müssten darin eingesperrt sein und keines würde Frieden finden. Warum war es so? Wer könnte solch einen Fluch ausgesprochen haben, damit Seelen eingesperrt wurden? Oder war es nur reine Magie?
Das würde sie wohl auch herausfinden müssen, denn eine starke Macht strahlte aus ihm heraus. Noch immer hörte sie hin und wieder Stimmen, womit sie vermutete, es könnte von diesem Rubin stammen. Wie fand sie es also heraus? Vielleicht müsste sie eine Verbindung zu diesem Stein herstellen, um genaueres zu erfahren.
Mit ruhigen Atem versuchte sie sich zu konzentrieren und einen inneren Punkt zu finden. Sie schloss ihre Augen und während sie den Rubin in ihrer Hand hielt, sandte sie all ihre Energie und Aufmerksamkeit hinein. Noch einmal tief Luft holend, versetzte es sie in einen gepolten Zustand. Es war unglaublich wie viel Kraft zu ihrem Körper zurückfloss. Es hätte sie niederschmettern müssen, aber nichts kam dergleichen.
Der einzige Grund, warum solch eine Macht in ihm steckte, waren diese hunderten von Seelen. Kein Wunder das ein größeres Ausmaß davon verspürte.
Unglaublich. Dieser Rubin war die reinste Macht und diese Stärke erst. Schossen Gedanken durch ihren Kopf.
Immer weiter vertiefte sie sich in ihrem Tun und blendete ihr Umfeld komplett aus. Etwas rief nach ihr und als sie innerlich die Augen öffnete, stand sie erneut in diesem Flammenmeer, welches sie zuvor in ihrem Traum gesehen hatte. Erneut hätte sie Panik empfinden müssen, aber es war diesmal vollkommen anders. Als würde sie mit offenen Armen empfangen.
Der riesige und monströse Baum tat sich wieder vor ihr auf. Noch immer existierte er in all dieser Flammen, aber jetzt nur noch gebieterisch. Also war der Rubin daran Schuld, warum sie den Traum gehabt hatte und ihr auch keine Ruhe ließ? Er rief nach ihr und es kam von diesem Baum. Sie spürte es klar und deutlich. Doch was verlangte er von ihr?
Um heraus zu finden was dieser mächtige Baum, der viel Leben in sich trug, von ihr wollte, müsse sie sich wohl auf ihn einlassen und sie würde es auch versuchen. Ein Teil in ihr drängte sie sogar dazu und eine Aufregung stieg in ihr empor.
Doch bevor sie überhaupt etwas tun konnte, riss erneute eine Kraft sie zurück. Erschrocken kehrte sie außer Atem wieder in ihrem Bewusstsein zurück. Keuchend blickte sie mit großen Augen in das Gesicht von...Lucien? Was tat er denn hier?
„Bist du verrückt geworden?“ Schrie er sie fast an. Aber warum?
„Ist etwas passiert?“ Blickte sie um sich und schien verwirrt zu sein und ihr Herz raste sogar etwas zu schnell.
Lucien knurrte und blickte finster drein. „Hast du dich vielleicht mal angesehen?“
Sie schaute an sich hinab und erstarrte etwas mehr. Nein, das konnte doch nicht sein. Nicht schockiert, aber verblüfft, betrachtete sie sich selbst. Dies war nun wirklich faszinierend.
Noch immer lag der blutrote Rubin in ihrer Hand, der angefangen hatte zu glühen, aber keineswegs heiß. Von ihren Finger aus, über ihre Handflächen, bis zu ihren Unterarmen hinauf, schienen Brandmale auf ihrer Haut zu zieren, als hätte sie sich stark verbrannt.. Es tat überhaupt nicht weh, dennoch je mehr sie darauf schaute, verblassten sie immer mehr.
„Das ist wirklich interessant.“ Bemerkte sie, aber es schien Lucien nicht zu passen.
„Interessant?“ Umfasste er Hände mit seinen und erhob sie, bis sie auf Augenhöhe war. Ihrer natürlich. „Und wie nennst du das?“ Knurrte er wieder.
Jetzt war aber Schluss. „Knurr mich nicht an.“
„Ich kann dich so viel anknurren wie ich will, wenn es um dein Wohlergehen geht.“
„Mir geht es gut.“ Konterte sie etwas verärgert zurück.
„Sag mir ja nichts, wenn ich sehe, was für Brandmale deine Arme zieren. Und wage es jetzt bloß nicht zu sagen, dass sie durch deine Besonderheit wieder schnell verheilen würden.“ Was stimmte. „Ich will davon nichts hören.“
Etwas verbissen, starrte sie ihn einfach nur an. „Ich hatte auch nicht vor, dies zu sagen. Es tut nicht weh und ich sehe keinen Grund mir Gedanken darüber zu machen, wenn mir keine Gefahr droht.“ Versuchte sie sich aus seinem Griff zu befreien, ließ ihr aber kaum eine Chance. Eigenartig, aber diesen Rubin hielt sie noch immer in ihrer Hand und klebte regelrecht an ihr. Jetzt verstand sie auch warum. Anscheinend hatte Lucien versucht ihn ihr wegzunehmen und das hatte der Rubin nicht zu gelassen.
„Ich mache mir einfach nur Sorgen.“
„Was ich sehr zu schätzen weiß.“ Blickte sie ihn finster an. Was er konnte, konnte sie auch. „Ich versuche gerade herauszufinden, was es mit diesem Rubin auf sich hat und du hast mich dabei gestört.“ Riss sie energischer an ihren Händen. „Lass mich los und verschwinde.“ Würde sie jetzt am liebsten knurren, wenn sie es könnte.
Aber er nahm ihr dies ab. „Was kann ich dafür, wenn ich hier reinkomme, weil ich dich gesucht habe und finde dich auf dem Bett, wie Verbrennungen deinen Arm hinauf wandern?“
„Jetzt hör aber auf. Wie du siehst, sind sie schon wieder alle verschwunden und warum muss ich dir noch einmal erklären, das es mir gut geht? Warum bist du nur unglaublich stur?“
Mit einem Stoß ließ Lucien sie los und stand auf. Sie erkannte genau, wie wütend er war. Doch sie versuchte nicht, sich darauf einzulassen.
„Du weißt ganz genau warum ich so unglaublich stur bin. Ich mache mir einfach nur Sorgen um dich.“
Und da war es wieder, wie oft er ihr doch sagte, welche Sorgen er sich um sie machte. „Ich bin nicht so hilflos und schwach, wie du es vielleicht glauben tust oder siehst.“
„Das behaupte ich auch nicht.“
„Ach nein, warum bist du gerade so wütend, knurrst und schreist mich an, als wäre ich genau das?“
Mit einem Zucken blieb Lucien stehen, machte gerade seinen Mund auf, um etwas zu sagen, aber klappte ihn sofort wieder zu. „Ich knurre und schreie dich nicht an.“ Knurrte er mürrisch.
Emmanline hob eine Augenbraue und das schien Lucien jetzt zu bemerken. Und sie bemerkte es ebenfalls.
„Komm her, Lucien.“ Streckte sie ihm ihre Hand hin, die er ohne zu zögern nahm. Auch wenn sie die Kraft nicht dazu hätte, ließ er sich zu ihr herunter ziehen. „Ich weiß, du hast eine Menge zu tun und kaum Zeit dich auszuruhen.“ Streichelte sie mit ihren Fingern über seine Wange, die sich durch seine Bartstoppeln rau anfühlten. „Aber du darfst dich nicht andauernd beeinflussen lassen, mich überall herum zu kommandieren und mir das zu sagen, was ich tun soll. Du willst das ich dir helfe und den Grund dafür finde, was es mit diesem Rubin auf sich hat. Lucien, du lässt mir nicht die Chance dazu. Das muss aufhören.“ Seufzte sie auf und sie sah ihn an, das sie die Wahrheit sprach.
„Wenn es so einfach wäre.“ Schmiegte er seine Wange in ihre Handfläche, während er seine Augen dabei schloss. „Ich will dir alles geben was du brauchst, aber mein Drache ist verflucht stur, wenn es um dich geht.“ Öffnete er lodernd seine Augen und lächelte sie warmherzig an.
Wie könnte sie solch ein Lächeln widerstehen?
„Du bist unmöglich, weißt du das?“
„Ich weiß.“ Wurde sein Blick aber wieder ernst. „Und ich weiß auch, dass ich dir dafür danke, welch großes Risiko du heute vor dem Rat eingegangen bist. Ich kann mir nicht annähernd vorstellen, was es für dich bedeutet hat, welche Überwindung es für dich gekostet hatte.“ War nun er derjenige, der sanft über ihre Wange streichelte und sein Blick wurde erneut warmherzig.
Sie bekam wieder großes Herzklopfen.
Auf einer ganz anderen Ebene, in einer ganz anderen Welt, herrschten ganz andere Regeln und Gesetze, die erbarmungslos waren. Hier lebte ein Volk, das nichts anderes wollte, als ganz oben auf der Herrschertreppe zu sein. Sie wollten endlich die mächtigsten und stärksten sein. Es war klar, das sie niemals die körperliche Stärke besaßen, aber sie konnten die geistreichsten sein.
Mórag war der König der Fae und er hatte große Pläne, sehr große Pläne. Er würde alles daran setzen das zu bekommen, was er wollte. Schon seit Jahrhunderten arbeitete er daran und stets was er wollte. Seine Ziele hatte er nie aus den Augen verloren und jedes Mal waren seine Intrigen und Pläne aufgegangen. Zu dumm, denn niemand hat es jemals mitbekommen.
Warum dann ausgerechnet jetzt?
„Seid ihr zu nichts fähig?“ Brüllte er seinen Kommandanten Brae, seiner Armee, an. Er war stets eisern und befolgte genau seinen Anweisungen. Bis jetzt hatte es auch gut geklappt und er war mehr als wütend auf ihn. Seine Wut grenzte an purem Wahnsinn.
„Mein König...“ war sein Kopf so tief geneigt, das seine Nasenspitze beinahe den steinernen Boden berührte, aber er konnte nicht anders, als eine leichte Handbewegung zu machen, somit er gegen die nächst gelegene Wand geschleudert wurde. Er akzeptierte keine Fehler oder Versagen.
„Schweig.“ Befahl er und beobachtete, wie sein Kommandant auf die Füße kam. Mórag wusste genau, ein paar Knochen von ihm waren gebrochen und er bekam das Gefühl und die Lust, noch mehr zertrümmern zu wollen. „Es war alles perfekt geplant gewesen und ihr habt es vermasselt. Wie also konntet ihr versagen?“
Wieder war Brae vor ihm verneigt. „Wir haben den Bruder des Königs der Lykae mit dem tödlichen Gift vergiftet und es hätte nicht lange gedauert und er wäre zugrunde gegangen. Wir haben ihn verfolgt und wollten ihm den Rest geben, als er in das Königreich der Drachen eingedrungen war.“
Er konnte sich daran erinnern, welchen Plan er in dieser Sache geschmiedet hatte. Konnte sich daran erinnern, wie einfach es gewesen war, Drachen und Lykae aufeinander zu hetzen, ohne das es jemand bemerkte. Mórag hatte aufgeschnappt, vor längerer Zeit, als noch der Drachenkönig Raziz gelebt hatte, bevor er von seinem eigenen Bruder kaltblütig ermordet hatte. Damals war er es, der einen Waffenstillstand mit den Lykae ausgehandelt hatte. Stets war ihm bewusste wie wacklig dieses Abkommen war und hatte sich genau das zu nutzen gemacht.
Durch Raffinesse täuschte er die Drachen und Lykae. Fae beherrschten die Täuschung sehr gut und sie waren Meister darin. Für ganz kurze Augenblicke konnten sie andere Gestalten annehmen, aber es hielt nie länger als dreißig Minuten an. Es war nicht viel Zeit, aber genug Zeit um Zwietracht zu sähen. In Drachengestalt griffen sie ein kleines Dorf an der Landgrenze der Lykae an. Töteten alle. Egal ob Frauen oder Kinder. Ihm war es gleichgültig, wenn es ihm zu Gunsten kam.
„Mit seinem Heer. Wir wollten ihn zur Strecke bringen, als wären es die Drachen gewesen, wie ihr es befohlen habt. Doch bevor wir dazu kamen, war Lucien de la Cruise uns in die Quere gekommen. Beinahe hätte der Drachenkönig den Todesschlag gegeben, wenn nicht diese Frau ihn in die Quere gekommen wäre.“
„Was für eine Frau?“
„Das wissen wir nicht. Sie schien eine Elfe zu sein, was einige Anzeichen darauf hinweisen.“ Beantwortete sein Kommandant seine Frage.
Wutentbrannt schleuderte er einen großen Energiestoß von sich und schrie:“ Eine Elfe?“ Spuckte er das letzte Wort voller Hass aus, als wäre es die einzige ätzende Säure, die so bitter in seiner Kehle brannte.
Schon vor vergangener Zeit hatte er alles daran gesetzt dieses verfluchte und verräterisches Volk zu vernichten. Durch Mithilfe der Nymphen war es ihm auch gelungen. Die Elfen wurden dem Erdboden gleich gemacht, in einem Krieg der blutig und brutal gewesen war. Kein Fae und Nymphe hatte halt gemacht. Nicht vor Frauen oder Kinder.
Hätten sie damals mit ihnen kooperiert, wäre das alles nie geschehen, aber der Elfenkönig Alarion hatte sich geweigert, weil sie ja ein ach so gutes Volk waren, das in Frieden leben wollte. Sie verabscheuten Gewalt und Blutvergießen. Damals war er es gewesen, der ihm den tödlichen Schlag gegeben hatte und er hatte verfluchte Genugtuung dabei verspürt, als der restliche Lebenshauch in ihm erloschen war.
Wie kann es also sein, das eine von dem verräterischen Abschaum lebte?
„Ja, mein König. Ich konnte es genau erkennen. Sie strahlte das gewisse etwas aus, was nur Elfen besitzen.“
„Evanna.“ Rief er laut und gleich darauf tauchte eine große Frau aus den Schatten hervor.
„Ja Vater?“ Sprach sie mit eisiger Stimme. Sie war für eine Fae sehr hoch gewachsen, ihre Augen eisig grau, pechschwarzes kurzes Haar, was alle Fae kennzeichnete. Ihre schlanke Statur verlieh ihr die tödliche Eleganz, ihr Blick arglistig und boshaft. Das musste sie auch alles sein, denn sie war eine Sleeper. Eine Spionin, was charmant ausgedrückt wurde. Killerin traf es dann doch schon eher.
Das liebte er an seiner Tochter. „Ich habe einen neuen Auftrag für dich.“ Lächelte er boshaft. Darum wusste er, seine Tochter wartete begierig darauf wieder einen Auftrag zu bekommen. Bei ihr wusste er, sie würde niemals sich einen Fehltritt leisten. Dafür war sie viel zu gut ausgebildet worden, denn seit ihrer Geburt hatte er schon längst dafür gesorgt, das sie die beste Ausbildung bekam. Eine tödliche Kriegerin.
„Welchen Auftrag?“
„Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber eines der verfluchten Elfen, eine Frau, hat überlebt. Und wenn es das schon ist, werden es vermutlich mehr sein. Ich will sie verdammt noch einmal tot sehen. Ich will ihren Kopf und genau du wirst ihn mir bringen. Ich will das keiner dieser Brut lebt. Damals schon nicht und heute erst recht nicht. Mache dich auf die Suche und bringe ihn mir.“
Evanna wusste nicht wirklich, was sie davon halten sollte, aber sie würde die Methoden und Handlungen ihres Vaters nicht infrage stellen. Es mochten brutale und erbarmungslos sein, dennoch würde sie es nicht tun. Sie befolgte alle Befehle ihres Vaters. Was anderes konnte sie nicht.
Seit ihrer Kindheit lebte sie nur fürs Töten und wurde als eine Killerin ausgebildet. Schon lange zählte sie ihre Opfer nicht mehr und bei Tausenden hatte sie schon aufgehört. Was machte es schon aus, ob es eine mehr oder weniger wäre? Gerade weil sie zu viel Blut an den Händen hatte, würde sie die Befehle ihres Königs nicht missachten.
„Ich werde es tun.“ Antwortete Evanna kurz und knapp und wollte sich auch schon umdrehen, als ihr Vater sie aufhielt.
„Warte.“
Noch einmal wandte sie sich schweigend um. Kalt schaute sie ihn dabei an, wobei sie wusste, wie sehr er darauf bestand, dass sie emotionslos war. Ein weiterer Teil, warum sie diese Ausbildung hatte machen müssen.
„Enttäusche mich nicht, Tochter.“ War es schon fast eine Drohung, aber sie wusste, wie sie damit umgehen musste. Mit ihm umgehen müsste.
„Ich habe dich nie enttäuscht und werde auch heute nicht damit anfangen. Ich werde nicht eher zurückkommen, bis ich sie tot zurück bringe.“ Und sie wusste es, genauso gut wie er, sie würde niemals aufgeben. Solle kommen was da wolle.
Auf grausame Art und Weise lächelte er sie an. „Gut.“
Es war nicht seltsam, dass sie nicht zurück lächelte. Noch nie hatte sie je in ihren dreihundert und fünf Jahren es jemals getan. Sie empfand nichts und würde es auch niemals.
Mit einem kurzen Nicken verschwand sie und befolgte einfach nur dieses einen Befehl. Was anderes hatte sie nie getan, würde sie auch nicht und dafür wurde sie nun einmal geboren. Um einfach zu töten.
Evanna trat aus dem Schloss raus, was eigentlich nicht bewohnt war. Ein Schloss konnte man es nicht mehr nennen, eher eine verfallene Ruine. Dennoch diente sie als Schein, denn ihr Reich existierte unter der Erde. Es mochte nicht sicher sein, aber war es auf der Erdoberfläche auch nicht.
Kaum wandte sie ihren Blick von ihrem sogenannten Zuhause ab, brachen die Schleusen im Himmel auf. Wie ein stürzender Bach fing es an zu regnen. Binnen von Sekunden war sie bis unter die Haut durchnässt. Es machte ihr nichts aus.
Ohne sich weiter daran zu stören, verschwand sie in den nächstgelegenen Wald und würde das tun, was sie am besten konnte.
Töten.
Zwei Tage waren seither vergangen, als Emmanline vor dem Rat gestanden hatte. Sicher war sie sich nicht gewesen, aber sie hatte es getan und trat vor all diesen Drachen. Erst dachte sie, sie hätte es für Lucien getan, weil er sie darum gebeten hatte. Doch je mehr sie darüber nachdachte, umso mehr stellte sie fest, sie hatte es für sich selbst getan.
Es war lächerlich, aber vielleicht hatte sie wirklich einen kleinen Funken daran gehegt, sie alle könnten Culebra aufhalten. Vielleicht könnte die Chance bestehen ihn endlich zu finden und zu töten. War es wert, sie könnte daran glauben?
Viel zu viele Gedanken brodelten in ihrem Kopf und dies passierte immer wenn sie hier im Garten auf der Bank saß. Vermutlich, weil sie hier einfach zwischen all den Blumen und der Düfte sich wohl fühlte. Hier konnte sie sich wirklich gehen lassen und vor allem ihrem Lieblingsplatz im Wald. Dort verbrachte sie genauso viel Zeit, wie hier auch. Sobald sie zwischen all den Pflanzen sitzen konnte. Dies lag wohl in ihrer Natur, da die Elfen mit der Natur verbunden waren und sie war ein Teil davon.
Jedes Mal wenn sie hier auf der Bank saß, kam sie nicht drum herum, das sie immer eine Blume mehr zum wachsen brachte. Allein ein Gedankengang von ihr genügte und wenige Sekunden später entstand eine neue Pflanze. Sie konnte schon sagen, jeden Tag kam immer eine neue Blume hinzu, dass es schon fast ein Meer von Blüten und Farben gab. Vor allem der Duft.
Aufmerksam schaute sie der Blume beim wachsen zu, während sie sich darauf konzentrierte. Stets war sie gebannt, wenn etwas wuchs, hieß es neues Leben. Auch wenn es nur ein zartes kleines Pflänzchen war.
Abgelenkt bemerkte sie nicht, jemand näherte sich ihr. Ihr Blick war auf den Boden gerichtet und sie bemerkte erst, als Füße in ihr Sichtfeld traten, das sie nicht mehr alleine war. Etwas erschrocken fuhr sie nach oben und stand auf beiden Beinen. Erst da schaute sie zwei Person an. Es war eine Frau und einen Mann.
„Bitte entschuldige, wir wollten dich nicht erschrecken.“ Sprach eine Frauenstimme. Sie erkannte sie sofort. Es war die Lehrerin von Malatya, Linava.
„Schon in Ordnung.“ Wandte sie ihren Blick zu dem Mann, der neben ihr stand.
„Das ist mein Gefährte Cynder.“ Stellte sie ihn ihr vor.
Ihr Gefährte hatte einen fast kahlgeschorenen Kopf, aber sie konnte erkennen, sie waren schwarz wie die Nacht. Es erschien ihr nicht, das er ein Kämpfer war. In seinen Augen konnte sie ein großes Wissen erkennen und es passte nicht mit einem Krieger zusammen. Zumal sein Blick auch etwas sanftmütiges ausstrahlte. Jetzt bemerkte sie auch, wie gut die beiden zusammen passten und das Schicksal schien sie legitim zusammen gebracht zu haben.
Abwarten schaute sie die beiden an, weil sie nicht wusste, warum sie hier bei ihr war. Immerhin war Linava, bei ihrem letzten Treffen, wütend und verletzt. Nur, als sie von dem kleinen Mädchen gesprochen hatte, die anscheinend noch immer neben ihr stand. Doch sie würde sie nicht darauf ansprechen.
„Ich wollte mich für das entschuldigen, wie ich bei unserem ersten Treffen zu dir gewesen war.“ Entschuldigte sie sich wirklich aufrichtig, das konnte sie spüren.
„Schon in Ordnung.“
„Nein, es ist nicht in Ordnung. Ich war ungerecht und gemein zu dir.“
„Nein, warst du nicht. Anscheinend habe ich mit etwas angefangen was dich wütend und verletzt hatte. Dafür müsste ich mich entschuldigen, weil ich kein Recht dazu hatte. Es tut mir auch leid.“
Kurz schwiegen sie alle, bis ihr Gefährte zum ersten Mal seine Stimme erhob. Er besaß eine tiefe Stimme, die wissend klang.
„Nun müsst ihr euch nicht entschuldigen.“ Begann er mit einer großen Höflichkeit. „Ihr konntet nicht wissen, was für eine Wirkung das auf meine Gefährtin hatte.“ Legte er eine beschützenden und tröstenden Arm um die Taille seiner Frau. „Als Linava mir von eurer Begegnung erzählte, war ich ziemlich überrascht gewesen. Nur ganz wenige wissen, wir hatten eine kleine Tochter gehabt, die kurz nach ihrer Geburt gestorben war.“
Emmanlines Herz setzte aus und ihre Augen wurden groß. Entsetzen und Mitgefühl verspürte sie den beiden gegenüber. „Das tut mir leid. Ich wusste es nicht.“
Ein warmherziges Lächeln entstand auf dem Gesicht dieses Mannes. „Nein, schon in Ordnung. Mir ist es ein Rätsel woher ihr es wisst. Linava erzählte mir auch, ihr hätte sie neben ihr stehen sehen. Stimmt es?“
Sie zögerte einen kurzen Augenblick, aber sie musste ehrlich sein. „Ja.“
„Siehst du sie noch immer?“
„Ja, das tue ich. Sie steht genau vor euch.“ Schaute sie zu der Stelle, wo sie das kleine Mädchen stand.
„Bitte, beschreibe sie uns?“ Bat er.
Da erst drehte sich das Mädchen zu ihr um. War es wirklich so, dieses kleine unschuldige Mädchen starb nach ihrer Geburt? Wie konnte das möglich sein, das sie noch immer hier war? Warum konnte sie sie sehen, aber andere nicht? Vor allem, wenn es so wäre, warum war sie dann vom Aussehen eines jungen kleinen Mädchens?
„Ihr Haar ist hell und aus einer Mischung zwischen blond und golden, wie das Haar von dir.“ Schaute sie Linava an. „Sie hat die Augen von euch.“ Wandte sie sich an Cynder. „Sie hat von euch beiden etwas. Ihre Ausstrahlung und Gesichtszüge.“
Erst da flossen Tränen bei Linava und das hatte sie nicht gewollt.
„Kann es wirklich sein, Cynder? Steht wirklich unser kleines Mädchen vor uns?“ Fing sie an zu schluchzen und vergrub ihr Gesicht an seiner Brust.
„Warum ist sie hier?“ Wollte er wissen.
„Ich kann es euch nicht sag...“ wurde sie von einer verzerrten Stimme unterbrochen. Erst wusste sie nicht wohin sie gehörte, aber richtete ihren Blick zu dem kleinen unscheinbarem Mädchen.
„Bitte hilf mir.“ Bettelte sie schon fast, als darum zu beten.
Mit einem Nicken gab sie das Einverständnis dafür.
„Sag ihnen, sie dürfen nicht aufhören. Mama und Papa sollen wirklich leben und nicht aufgeben. Meinetwegen weint Mama oft und ich kann sie nicht traurig sehen. Auch Papa geht es so.“ Klang das Mädchen selbst sehr traurig. „Bitte sage es ihnen.“ Flehte sie.
Wie konnte sie das ignorieren , worum sie sie bat?
„Sie will nicht, das ihr traurig seid. Sie sieht euch leiden und will das ihr lebt und nicht aufgebt.“
„Ich will so gerne wieder bei Mama und Papa sein. Ich habe sie sehr lieb.“ Kullerte eine kleine Träne ihre Wange hinunter. „Ich will wieder bei ihnen sein, aber solange sie nicht leben und nicht aufgeben, kann ich nicht wieder kommen. So sehr wie ich das möchte, aber ich kann nicht. Etwas hält mich fest. Ich will es so sehr. So sehr.“ Fing sie an zu schluchzen.
Es zerriss fast ihr Herz sie so zu sehen. Mitfühlend blickte sie auf das kleine Mädchen herab.
„Was sagt sie?“ Wollte Linava unbedingt wissen. Anscheinend glaubte sie ihr jetzt. „Bitte.“
Das würde jetzt sehr schwer werden. „Sie liebt euch und würde so sehr wieder bei euch sein. Doch solange ihr nicht am Leben fest hält, scheint sie darin zu hindert zurück zu kommen. Dabei will sie wieder so gerne bei euch sein. Sie wünscht es sich so sehr.“
„Oh, ihr heiligen Götter.“ Wirkten beide entsetzt, aber nur Cynder fand Worte, während er seine weinende Gefährtin in seinen Armen hielt, die bitterlich weinte. „Soll das bedeuten, wir sollen nur am Leben festhalten, sie würde eines Tages wiedergeboren werden?“ Klang so viel Hoffnung in seiner Stimme mit, das ein Stich in ihrer Brust versetzte, so viel Mitgefühl brachte sie ihnen entgegen.
„Sie wünscht es sich von tiefster Seele und würde alles daran setzen wieder bei euch sein zu wollen. Ich spüre und sehe es. Ihr dürft nicht aufgeben. Sie liebt euch sehr und sie will, ihr sollt glücklich sein und will ein Teil davon sein.“
„Ja, ich will es.“ Schluchzte Linava an Cynders Brust und richtete ihren Blick zu ihr hin. „Ich will mich daran festhalten und daran glauben und hoffen, mein kleines Mädchen würde wieder kommen. Ich will daran glauben und hoffen, mein süßes kleines Mädchen im Arm zu halten und das sie lebt. Cynder, bitte.“
Traurig, aber liebevoll, schaute er zu seiner Gefährtin herab. „Alles will ich daran setzen.“ Streichelte er zart über ihre Wange und Emmanline selbst verspürte den Drang, genauso etwas zu fühlen. Lucien hatte ihr solche Augenblicke gegeben. Nun sehnte sie sich danach und ihr Gefühl beschlich sie, dass nur er ihr das geben konnte.
Überraschend und unbemerkt verschwand das kleine Mädchen, als würde sie sich in Luft auflösen. Verwundert schaute sie auf den Fleck, wo sie eben noch gestanden hatte.
Irgendwie fühlte sie sich jetzt fehl im Platz und sie sollte sich zurückziehen. Die Beiden sollten jetzt alleine sein, weil sie genau diese Zeit brauchten. Darum schlich sie sich leise davon, ohne das sie es bemerkten. Leise ging sie immer weiter rückwärts und beobachtete noch einen Moment die Zwei, wie eng verbunden sie miteinander waren. Da kam wieder diese Sehnsucht in ihr auf.
Ohne das sie ihre ganze Aufmerksamkeit auf ihre Umgebung richtete, stieß sie hinter sich an etwas hartes. Erschrocken wirbelte sie herum und blickte in das Gesicht von Lucien. Erleichtert seufzte sie auf.
„Alles in Ordnung, Emmanline?“
„Oh ja, sicher.“
„Du wirkst etwas aufgelöst.“ Schaute er auf und blickte an ihr vorbei und nach vorne. Er scheint zu bemerken, das noch immer Linava und ihr Gefährte dort standen. Er konnte es an seinem Stirnrunzeln erkennen, wie fragend er drein schaute. „Was ist passiert?“
Was sollte sie darauf antwortet? Das sie ein kleines Mädchen gesehen hatte, das fast durchsichtig gewesen war? Eine Art Geist?
„Ich weiß es selbst nicht genau. Ich muss es noch selbst verstehen.“ Schaute sie zu den beiden zurück. „Lass mir diese Zeit, Lucien.“ Bat sie ihn und er schien es zu respektieren, weswegen er nicht weiter fragte.
„Dir geht es aber wirklich gut?“ Drehte er sie zu sich um und nahm zärtlich ihr Gesicht in seine Hände, während er mit seinen Daumen über ihre Wangen streichelte.
Genau das hatte sie gewollt, als Emmanline die Zusammengehörigkeit bei Linava und Cynder gespürt und gesehen hatte. Genau danach hatte sie sich aus unerfindlichen Gründen gesehnt. „Ja, alles gut.“ Genoss sie seine Berührungen.
Noch schwieg er, als er tief in ihren Augen eine Art Antwort suchte. „Gut.“
„Habt ihr alles besprochen, was ihr wolltet?“ Musste sie das Thema wechseln.
„Ja, haben wir.“ Lächelte er leicht.
Oh je, sie war vermutlich unwiderruflich verloren.
Noch wusste Lucien nicht, ob er ihr wirklich glauben konnte, dass es ihr gut ging. Etwas in ihren Augen konnte er erkennen, sie war verwirrt und abgelenkt. Irgendwas war geschehen und er würde es nur zu gerne wissen, was es war. Doch er wusste genau, er durfte sie nicht bedrängen, denn sonst würde sie sich wieder vollkommen zurück ziehen. Genau das wollte er vermeiden. Wenn sie die Zeit brauchte, dann würde er ihr so viel geben, wie sie brauchte. Sie schien wirklich die Zeit brauchen um etwas zu verstehen.
„Gut.“ War die einzige Antwort auf seine Äußerung, ob der Rat und er alles klären konnten. Wie gerne er ihr alles erzählen wollte, aber sie würde es sofort wieder ablehnen. Er stand in einer ganz schönen Zwickmühle.
„Aber ich glaube wir sollten uns noch einmal unterhalten.“ Wechselte sie auf einmal schlagartig das Thema und aus irgendeinem Grund wusste er auch, worum es ging.
Mit einem Nicken nahm er ihre Hand und führte sie weg, aber nicht in Richtung ihrer Gemache. Er würde gerne mit ihr an einen anderen Ort gehen und er hatte auch schon etwas wo das sein würde.
„Wo willst du hin? Wollen wir nicht zurück?“
„Nein, ich würde dir gerne noch einen Ort zeigen und dort sind wir genauso ungestört.“ Führte er sie immer weiter vom Schloss weg und immer tiefer in den Wald hinein. Dort wollte er schon immer mal mit ihr hin, aber in letzter Zeit hatte er nie eine Chance dazu gehabt.
Es war ein gutes Stück zu laufen, aber nicht all zu weit vom Schloss entfernt. Vor ihnen tat sich ein Eingang zu einer Höhle auf. Durch einen Ruck blieb er stehen und wandte sich zu Emmanline um. „Keine Sorgen, ich werde dir darin nichts tun, was ich zuvor in meiner anderen Höhle getan habe.“
„Andere Höhle?“
„Dies ist meine Höhle, nahe dem Schloss. Jeder meiner Geschwister besitzt eine hier in der Gegend. Außer Malatya vielleicht. Sie ist noch zu jung dafür.“ Gab er zu verstehen. „Niemand darf durch meine Erlaubnis diese Höhle betreten. Bei der Anderen ist es etwas anderes, aber das ist vollkommen Privat.“ Versuchte er sie zu beruhigen, was anscheinend nicht notwendig war.
Beruhigt führte er sie in seine Höhle. In den Gängen war alles, durch einem Gedankengang, mit Fackeln beleuchtet. Für ihn wäre es nicht unbedingt nötig gewesen, aber es war leichter.
Schweigend leitete er sie immer weiter in seine Höhle, kamen an Nischen vorbei, die mit allerlei Dingen gefüllt waren und sogar bewohnbare gemütliche Höhlenräume.
Trotzdem führte er sie an allen vorbei und kam am Ende in eine viel größere Höhle, die Decke unerreichbar. Selbst für seine Drachengestalt. Doch hier, oder leicht gesagt, in fast allen Höhlen gab es unterirdische Seen und Flüsse, da Drachen es liebten. Es gab ihnen ein Teil der Ruhe, von allem was in ihrem Leben passierte.
Und genau in dieser Höhle befand sich ein riesiger See, der seiner Drachengestalt vollkommen untertauchen ließ. Dieser Höhlenraum war nicht hell, aber der Seeboden leuchtete trotz allem durch die Tiefe. Es waren leuchtende Kristalle, auch Bergkristalle genannt, die den ganzen Grund des Wassers bedeckten. All das brachte die Wände zum leuchten, funkeln und blitzen. Aber nicht nur durch Kristalle erhellte diese Höhle.
Ganz oben an der Decke konnte man dünne Fäden erkennen, aber nur durch das Leuchten. Doch es waren nicht selbst die Fäden die leuchteten, sondern Fangfäden für eine Art Larven die wie Glühwürmer glühten. Sie lebten in Höhlen, wo es am ruhigsten war und es war ein einzigartiges Ereignis, was die Natur öffentlich zur Bewunderung machte. Genau das konnte er jetzt in Emmanlines Gesicht erkennen.
Bewunderung und Staunen. Sie mochte alles, was einzigartig und besonders war.
„Es ist alles...“ Drehte sie sich öfters im Kreis. „...so wunderschön. Sogar die Wände leuchten. Alles leuchtet.“ Klang großes Erstaunen in ihrer Stimme mit.
Zärtliche lächelte er Emmanline an, weil er sie gerne dabei beobachtete, wie schnell sie verzaubert von allem war. Solange es was Gutes war. Es gab nichts offenherziger, als wie diese eine Frau. Sie möchte es vielleicht nicht sehen, aber sie tat es auf unbewusste Art und Weise. Sie bemerkte es nicht einmal, wie sie wirklich war. Doch das würde sie eines Tages, denn er würde dafür sorgen ihr dessen die Augen zu öffnen. Sie war einzigartig und wachsam und mitfühlend.
„Ja, das ist es. So wie du.“ Nur Ehrlichkeit kam aus ihm heraus. So wie sie jetzt da stand und von all dem Leuchten umgeben war, strahlte sie noch heller als sonst. Ihr schneeweißes Haar wurden gleißender und klarer. Ihre blasse Haut reiner und glänzender. Ihre silbernen Augen funkelnd und strahlender.
Emmanline war die wunder schönste Frau, die er je zu Gesicht bekommen hatte. Sie war die Einzige die bisher sein Herz heftig zum schlagen brachte und das sein Atem vor Ehrerbietung stehen blieb. Er würde jederzeit für sie auf die Knie gehen und er würde für sie in jeden Abgrund stürzen, nur um bei ihr zu sein. Diese Frau war mehr als nur seine Seelengefährtin. Sie ging viel tiefer unter die Haut, als es sein dürfte. Trotz allem tat es das. Nicht nur tief unter seiner Haut, sondern auch tiefer in sein Herz.
Gütige Götter, ich fange an mich in sie zu verlieben. Wirklich zu verlieben und ich weiß, ich kann niemals dagegen ankommen. Nie wieder zurück.
Erstarrt drehte sie sich zu ihm um und er konnte nichts aus ihrem Blick heraus lesen, was sie dachte. Aber sie hatte sofort auf seine Worte reagiert.
„Lucien, was soll das alles? Warum hast du das im Ratsaal getan?“ Wollte sie von ihm unbedingt wissen. Was er nachvollziehen konnte.
„Ich weiß es selbst nicht genau. Es kam von ganz alleine, dass ich allen zum verstehen geben musste, das du meine Seelengefährtin bist und niemand dürfte respektlos dir gegenüber sein. Mir ist egal,...“ Stoppte er sie, bevor sie was sagen konnte. „...was andere denken oder sagen.“
„Aber mir ist es nicht egal.“ Gab sie ihm hart zu verstehen und er wäre gerne zusammen gezuckt. „Was glaubst du was du hier tust, Lucien? Ich bin niemand, den du zu deinem Eigentum machen kannst.“
„Das bist du auch nicht. Du bist mehr als das.“ Trat er ihr energisch entgegen.
„Wie bitte?“ Trat sie einen Schritt zurück.
„Du hast genau verstanden, Emmanline. Du bist mehr als das. Oder glaubst du, ich würde dich für all das benutzen oder missbrauchen? Ich habe dir nie das Gefühl gegeben, dich zu irgendwas gezwungen zu haben. Ich habe stets dir die Entscheidungen überlassen und dir die Freiheit dessen gegeben. Ich gebe durch aus zu, ich hätte es nicht tun dürfen, aber ich kann mich dessen auch nicht entschuldigen. Egal wie du jetzt darüber denkst. Du wirst und bist ein Teil von mir. Auch wenn du mich nicht akzeptieren solltest oder willst.“ Stellte er ihr mit harter Stimme klar. Und ihm war klar, es belastete sie mehr, als er zu sehen glaubte.
Vielleicht, wenn er ausdrucksstark und ehrlich zu ihr war, könnte er seine wachsenden Gefühle zu ihr gestehen, aber er tat es nicht. Nicht jetzt, aber irgendwann würde er es tun. Tun müssen. Nur war es jetzt ein falscher Zeitpunkt dafür, weil sie jetzt schon so aussah, wie ein in die Ecke gedrängtes Reh. Wie könnte er ihr da jetzt all das erzählen? Schließlich wollte er sie nicht von sich drängen. Das wäre genau die falsche Richtung.
Erstarrt schaute Emmanline Lucien an und fragte sich, warum er das alles tat. Dieser Mann war hartnäckig und vollkommen stur. Er war beharrend und extrem verbohrt. All das zu kombinieren war absolut schrecklich.
Sie konnte nicht glauben, aber sie wusste absolut nicht, wie sie darauf reagieren sollte. Wie sie auf ihn reagieren sollte.
Am Anfang fragte sie sich, wo er sie hin führen wollte und am Ende kamen sie an diesem wunderschönen Ort an. Alles war atemberaubend und einmalig. Sie fühlte sich an diesem Platz sofort wohl. Vor allem das Leuchten überall. Es hatte was warmes und sie spürte eine Verbundenheit. Sie konnte es sich denken, warum sie sich so verbunden mit all dem Schimmern fühlte. Dieses Licht war ein Teil von ihr und sie nutzte jede Gelegenheit aus, so was in sich aufzunehmen. Wie ein Schwamm, der das Wasser bevorzugte. Sogar brauchte.
Niemand außer sie wusste das und es würde ihr Geheimnis bleiben. Sie würde sogar sagen, bis zum Tod und sie würde es mit ins Grab nehmen, aber es war lächerlich. Also gäbe es keinen, absolut keinen dem sie je etwas verraten würde. Sollte es eben die größte Last auf ihren Schultern sein und es würde keine Möglichkeit geben, sich Erleichterung zu schaffen.
„Lass es, Lucien.“ Wollte sie einfach nichts mehr davon hören und drehte sich um, damit sie gehen konnte, aber wie befürchtet ließ er sie nicht gehen. Er hielt sie am Oberarm fest, damit er sie herumwirbeln konnte und riss sie in seine Arme.
„Wage es ja nicht jetzt zu gehen. Und ich werde nicht zu lassen und zusehen, wie du dich immer wieder zurück ziehst. Du bist soweit gekommen und ich werde nicht einfach zusehen, wie du immer wieder davon läufst..“
„Ich laufe nicht davon.“ Schrie sie fast.
„Ach ja, und warum schreist du mich dann an, wenn es so nicht ist?“ Stellte er sie zur Rede, aber blieb die ganze Zeit ruhig. Das ärgerte sie ein wenig und machte sie auch etwas wütend.
„Dann lass mich in Ruhe und ich würde dich nicht anschreien.“ Stemmte sie sich gegen seine harte Brust, aber er hatte einen zu starken Griff, das sie sich kaum rühren konnte. Er tat ihr nicht weh, wie immer.
Mit einem verschmitzten Grinsen schaute er zu ihr herunter. „Na, was ist los, mein kleines Vögelchen?“
„Grinse nicht so herablassend und ich bin nicht dein kleines Vögelchen. Du sollst mich nicht so nennen.“ Versuchte sie sich noch immer zu wehren. „Lass mich los.“
„Gut, wie du willst.“ Ohne Vorwarnung ließ er sie los.
Sie verlor dadurch das Gleichgewicht, sodass sie nach hinten fiel. Diesmal fing er sie nicht auf. Sie stellte sich auf einen schmerzhaften Aufprall auf dem Steinboden ein, aber es kam nicht wie erwartet. Natürlich, ihre Luft wurde aus ihren Lungen gepresst, dennoch tat es nicht weh.
Überrascht und entsetzt rang sie nach Atem.
Dieser...
Lucien hatte sie soweit an das Ufer des Sees gedrängt, damit er sie ins Wasser fallen lassen konnte. Nach Luft ringend schwamm sie an die Wasseroberfläche und schnappte nach Luft. Das erste was sie wahrnahm, war sein lautes Lachen.
„Du...“ Hustete sie, weil sie etwas Wasser in den Lungen hatte. „Das hast...du mit...Absicht getan.“ Hielt sie sich durch das Strampeln an der Oberfläche. Und sie versuchte irgendwie nicht in Panik zu geraten.
„Nein, habe ich nicht.“ Sprach er erst dann, als er sich etwas beruhigt hatte, von seinem Lachen. „Du hast mich darum gebeten, ich solle dich loslassen und ich bin deiner Bitte nachgegangen.“ Bebte sein Körper immer noch durch das Feixen.
Warum war sie urplötzlich so wütend auf ihn? Wütend starrte sie ihn an, während sie an den Rand des Sees schwamm. Das würde sie ihm nicht so schnell verzeihen. Darum ignorierte sie ihn jetzt, egal was er tun würde.
Am Ufer angekommen, legte sie ihre Ellenbogen am Rand ab, stemmte sich mit ihren Armen auf und schaute nach oben. Stirnrunzelnd schaute sie um sich und...er war nicht mehr da? Wo war er hin? Hatte er sie jetzt alleine gelassen?
Gerade hievte sie sich hoch, aber etwas packte sie um ihre Taille, riss sie zurück und ihr blieb ein zweites Mal die Luft weg. Eine harte Wand traf ihren Rücken. Sie sollte kalt sein, aber war alles andere als das. Heiß war das richtige Wort dafür.
Wie kam er unbemerkt ins Wasser? Bis eben stand er noch am Rand des Sees. Sie hatte nichts gehört.
Ihre Gegenwehr war kaum als das zu bezeichnen, denn sie reagierte sofort. Lucien hatte sie in seinem Griff. Er würde ihr nicht wehtun, aber er hatte etwas ganz anderes im Sinn. Dies konnte sie spüren und fühlen. Seine Art wie er sie behandelte und berührte zeigte seine Sinnlichkeit. Allein seine Zärtlichkeit machte sie machtlos.
„Bitte nicht. Lass das.“ Stöhnte sie leise, als er ihr einen Kuss auf ihrem Hals gab. Warum musste sie nur so auf ihn reagieren?
„Oh mein liebes kleines Vögelchen. Dein Körper zeigt mir aber was ganz anderes.“ Hauchte er heiß auf ihre Haut.
Ihr Kopf viel automatisch zur Seite, damit er weiter machen konnte. Seit wann hatte er ihren Körper in seinem Bann? Ihr Herz schlug rasend und ihr Atem schneller. Er hatte sie in seiner Gewalt. Seine Hand legte sich auf ihren Bauch und fuhr mit ihr bis zur ihrer Brust hinauf, damit er ihre Brust umfassen konnte. Wieder stöhnte sie auf.
„Du bist so schön.“ Hauchte er weitere Küsse auf ihren Hals und zwickte sie leicht mit seinen Zähnen, in ihre Schulter. Diesmal kam ihr Stöhnen lauter über ihre Lippen.
„Lucien...“
„Ja, mein Vögelchen?“
„Hör damit auf.“
„Warum?“ Gluckste er auf, als wäre es für ihn ein amüsantes Spiel.
„Lass mich gehen.“ Versuchte sie sich vergebens zu befreien.
Wie schafften sie es überhaupt an der Wasseroberfläche zu halten, obwohl der See so tief war? So wie sie eng beieinander waren und ziemlich in der Mitte im Wasser, wäre es unmöglich. Was passierte hier?
„Fühlst du es nicht, Emmanline? Du willst es genauso sehr, wie ich es will. Unsere Körper sehnen sich nacheinander und du weißt genauso gut wie ich, dass wir uns nicht wehren können. Ich zu meinen Teil will es, weil ich dich begehre, wie kein Anderer. Spürst du es denn nicht?“ Zog er sie enger an seinen Körper und fühlte die harte Männlichkeit an ihrem Hintern.
Oh ihr heiligen Götter. Ich will es nicht zu geben, aber er hat Recht.
Kaum bekam sie mit, wie er sie zum Rand des Sees brachte und setzte sie darauf. Er drängte sich zwischen ihre Beine und küsste sie mit großer Intensität, während er sich immer weiter zu ihr heran drückte. Sie musste es tun. Sie musste sich ihm hingeben, sonst würde sie verrückt werden. Egal wie sehr Emmanline sich dagegen wehren könnte, sie zerfloss in seinen Händen wie Wachs.
Ihre Finger krallten sich in seinen Schultern fest und sie neigte sich ihm entgegen. Wollte mehr, weil ihr Körper danach schrie.
„Ja, genau so.“ Stöhnte er an ihren Lippen. Seine Hände hatten sich auf ihre Wangen gelegt, als befürchtete er, sie könnte ihm entkommen, aber diese Vermutung war unbegründet. Längst hatte Emmanline sich ihm hingegeben und sie lechzte nach ihm und seine Berührungen, wie er es tat.
Vorhin wollte er sie nur provozieren, weil er jede Emotionen aus ihr heraus locken wollte. Sie sollte wütend sein und all ihren Zorn aus sich heraus lassen. Nur so konnte sie sich vollkommen gehen lassen, weil sie endlich leben sollte. Das sie erfuhr was es hieß am Leben zu sein. Leicht würde sie ihm nicht entkommen und zulassen wäre das Letzte, was infrage kam.
„Lass dich gehen.“ Flüsterte er ihr an die Lippen. Sanft leckte er mit seiner Zunge darüber, weil er sie vollkommen schmecken wollte.
Anscheinend, ohne es zu bemerken öffnete sie ihre Lippen zum Einlass. Das würde er sich nicht zwei mal entgehen lassen und stürzte sich wieder auf ihren sinnlichen Mund. Seine Zunge drang gierig in ihre Mundhöhle und entfachte ein Spiel der Leidenschaft.
Seine Hände wanderten an ihren Armen hinab, legten sich auf ihren Rücken und wanderten immer weiter hinab, bis sie auf ihrem Hintern lagen. Mit einem Ruck zog er sie zu sich heran, hievte sich hoch, legte sie auf auf den Boden ab, aber unterbrach kein einziges Mal diesen stürmischen Kuss. Verführerisch und sinnlich.
Luciens Augen öffneten sich leicht und blickte in ihr Gesicht. Ein Herzschlag aussetzend beobachtete er sie. Ihre Augen waren geschlossen, keuchte und stöhnte in seinen Mund, während sie verzweifelt nach Luft schnappte. Ihr Gesicht strahlte pure Lust aus und dies erregte ihn nur noch mehr.
Seine Selbstbeherrschung hing am seidenen Faden. Am liebsten würde sein Drache auf sie stürzen und sie verschlingen und der Mann wollte sie besitzen. Mit Herz und Seele.
Hätte er jemals gewusst, so voller Leidenschaft zu sein? Hätte er jemals gewusst, so zu einer Frau hingezogen zu fühlen? Hätte er jemals gewusst, nur einer Frau Leidenschaft zu geben?
Gewusst hätte er es niemals, aber umso dankbarer war er dafür, wie ahnungslos er doch gewesen war und jetzt die Erkenntnis bekam, alles kam anders. Unvorbereitet trat sie in sein Leben. Und umso besitzergreifender wurde er.
„Lucien...bitte.“
Lucien wusste genau was das bedeutete. Ihre Lust staute sich weiter an und es war unerträglich für sie. Sie schien Erlösung zu suchen, weil er es auch wollte und die würde er ihr und für sich selbst geben.
Ruppig zerrte er erst an seiner Hose und zog sie über seine Hüfte. Danach vergriff er sich an ihrem Kleid und schob es nach oben. Da bemerkte er, sie trug überhaupt keine Unterwäsche.
Oh verdammt. Sie ist mein.
Mit einem einzigen Stoß drang er hart in sie ein. Verzweifelt drang er immer wieder in sie ein und immer tiefer. Bei jedem Stoß kam sie ihm entgegen und er spürte ihre heiße Enge um seinen harten Schwanz, die sich fester an ihn hielt, als er zu ertragen glaubte. Ein Druck baute sich in ihm auf und nicht mehr lange und er könnte sich nicht mehr zurück halten. Wobei er genauso wusste, ihr ging es nicht anders.
Mit einem Aufschrei kam sie sofort und ihr Inneres zog sich so heftig zusammen, dass er sich heiß in sie entlud, wo er fast Sterne sah. Seine Sinne waren benebelt und er dachte nichts weiter, als nur solange in sie zu stoßen, sofern es seine Kraft und Energie zu ließ. In langsamen Stößen, aber umso härter. Qualvoll langsam.
Wie lange hatte das gedauert, bis er sich vollkommen in ihr erleichtert hatte? Eine halbe Ewigkeit? Kraftlos brach er jetzt auf ihr zusammen und keuchte schwer. Da er irgendwann zu schwer für sie werden würde, hievte er sich hoch, stöhnend glitt er aus ihr heraus, zog ihre und seine restliche Kleidung aus Er nahm sie in seine Arme, damit er sie mit ins Wasser nehmen konnte. In seinen Armen. Sie war matt und sah ermüdet aus.
Wie ihr weißes Haar, das nur noch mehr durch das warme Schimmern, von der Decke und des Seebodens, erstrahlte. Noch weißer wie der frisch gefallene Schnee. Ihr Haar klebte auf ihrer nassen Haut, Wassertropfen perlten von ihrem Gesicht, als wären es Diamanten, die sie verschönerten.
Noch immer waren ihre Augen geschlossen und schien ihre Nachbeben abklingen zu lassen.
Erst als Lucien Emmanlines nassen Strähnen aus ihrem Gesicht strich, öffnete sie ihre Augen.
„Was tust du mit mir?“ War sie heiser vom ganzen Stöhnen geworden und das klang verdammt sexy. Er war wieder sofort bereit für sie.
„Ich halte dich in meinen Armen, damit du nicht untergehst.“ Lächelte er sie an.
„Das meine ich nicht.“
Er lächelte einfach weiter. „Und was meinst du genau?“
„Lucien.“ Ermahnte sie ihn.
„Du musst schon genauer werden. Ich will es von dir hören.“ Küsste er sie auf ihre Wange.
Ein Seufzer des Ergebens entfuhr ihr. „Ich weiß nicht wie oft ich schon einmal gesagt habe, wie unmöglich du bist. Ich will wissen, was du mit mir machst. Warum bist du auf einmal so anders, als zuvor?“
Sein Lächeln verblasste und blickte sie einfach nur an. „Weil du mich zu jemand anderen machst, Emmanline. Du hast mich verändert. Nicht weil du nur meine Seelengefährtin bist, sondern als eigenständige Frau, mit Güte und Zuversicht. Es liegt auch nicht nur daran, was du bisher für mich und mein Volk getan hast, sondern einfach nur, weil du es bist.“ Betonte er das Letzte.
„Unfassbar.“ Seufzte sie und schmiegte sich in seine Arme.
Leicht und sanft lächelte er auf sie herab. Sie war tatsächlich in seinen Armen eingeschlafen und kaum es zu bemerken, vertraute sie ihm. Würde sie sonst sorgenlos in seinen Armen einschlafen, während sie mitten in einem See schwammen, stets bedacht jeden Augenblick unterzugehen? Auf unbewusste vertraue sie ihm und darauf war er sehr stolz. Genau das wollte er und er wollte sie weiterhin beschützen, damit sie ihm vollkommen vertraute. Am Anfang wollte er nicht mehr, aber jetzt wünschte er sich bei weiten viel mehr von ihr. Es lag nicht an dem fantastischen Sex den sie miteinander hatten, weil er sich mit ihr verbunden fühlte. Sondern viel mehr wünschte er sich ihr Herz. Möge es schwach klingen, aber für ihn war es eine Stärke, die nur er verstand.
Ohne wirkliche Mühe zu brauchen, erhob er sich aus dem leicht kühlen Wasser. Emmanline in seinen Armen brachte er sie in eines der Schlafgemache in seiner Höhle, wo sie sich erholen konnte. Diese Frau mochte wenig Schlaf brauchen, aber er würde ihr jede einzelne Minute, sogar Sekunden geben, damit sie seelenruhig schlafen konnte. Er gönnte es ihr und er fühlte sich dadurch besser, wenn sie sich wie jeder andere normale auch, den Schlaf brauchte.
Etwas länger schon fragte er nicht mehr danach, was ihr großes verborgenes Geheimnis war. Je mehr er darüber nach dachte, umso zermürbender und nerviger war es, weil er keine Antworten darauf bekam. Solle sie von ganz alleine kommen, wenn sie jemals mit ihm darüber sprechen wollte. Oder gar ihm anvertraute, was sie wirklich war oder was in ihr steckte. In erster Linie war sie ihm jetzt so wichtig, wie sie hier in seinen Armen lag.
Luciens Höhle war ganz anders eingerichtet, als die er sonst bewohnte. Die hier war geräumiger und bewohnbarer. Nicht so kalt und leer, wie die andere. Hier hatte er eindeutig mehr, was die Gegenstände anbelangte. In seinen Wohnräumen besaß er richtige Möbel und ein richtiges großes Bett, das er sonst mit niemanden teilte. Bis heute.
Emmanline war die Erste, die er jemals in dieses Bett legte, was jetzt vor ihm stand. Am Fußende des Bettes, betrachtete er die weichen Kissen und das nicht gemachte Bett, was er zuletzt so zurück gelassen hatte. Irgendwie musste er dabei Schmunzeln, denn zuletzt war er überrascht aufgebrochen, nur um Jade aus einer ihrer vielen tollpatschigen Lage heraus holen musste.
Jade war damals nicht älter als hundert drei gewesen. Gerade mal aus dem jugendlichen Alter entwachsen, legte sie sich doch gleich mit den biestigen Harpyien an. Sie waren einfach nur übergroße Vögel, die einen menschlichen Kopf besaßen. Trotz ihre irritierenden Aussehen voller Federn und langen Hühnerbeine, waren sie schöne Geschöpfe. Die mystische Rasse bestand nur aus Frauen. Es kam ganz selten vor, das wirklich eine männliche Harpyie geboren wurden, aber ihr Dasein wurde schnell wieder beendet. Gleich nach ihrem schlüpfen wurden sie doch tatsächlich von ihrer eigenen Art auf gefressen. Wie kannibalisch, aber sie waren der großen Überzeugung, die Männer waren Schwächlinge und würden sie nur aufhalten. Dem konnte er nicht zustimmen, aber jedes Volk hatte ihre eigene Lebensweise. Doch das Schlimmste war ihr donnernder Schrei, der einen die Ohren zum bluten brachte. Keine angenehme Sache, wie er gehört hatte.
Harpyien konnte man wohl zu den Amazonen zählen, nur unter Frauen. Sie kamen nur mit Männern zusammen, wenn sie sich paaren mussten. Oder, wenn sie Sklaven brauchten. Da waren das männliche Geschlecht wohl bestens dazu geeignet. Ansonsten waren sie die Aussätzigen. Ihm sollte es egal sein, aber damals war es das nicht gewesen.
Er konnte sich genausten daran erinnern, was seine kleine gerissene Schwester angestellt hatte. Noch heute erzählten die anderen davon, wenn es ein festliches familiäres Treffen gab. Tatsächlich hatte sie das unmögliche geschafft. Sie hatte eine kleine Gruppe von Harpyien entdeckt, die Rast in eines der äußeren Wäldern in den Territorium der Drachen machten. Da sie noch außerhalb ihres Gebiet waren, hatte es keinen gekümmert, aber nein, Jade konnte nicht anders. Durch irgendeine Art hatte sie alle, mögen es vielleicht zwanzig gewesen sein, in einen tiefen Schlaf versetzt. Bis heute wusste niemand wie sie es geschafft hatte, aber am Ende, das Geschrei konnte er heute noch hören. Es war hunderte von Kilometer weit zu hören.
Jade hatte doch tatsächlich, während sie in einen tiefen Schlaf versunken waren, all ihre langen Fußkrallen mit einer leuchten pinken Farbe lackiert, die nicht abwaschbar war. Damals erwachten die Biester schneller, als wie es Jade berechnet hatte auf und es hatte an ihn, Raiden, Charia, Ysera, seinen Vater und seinen Onkel Darius gelegen sie aus dieser misslichen Lage heraus zu holen. Dabei war es ihre Schuld gewesen und er und alle anderen hätte sie am liebsten für ihre Dummheit büßen lassen, aber seine Mutter war ganz anderer Meinung gewesen.
Also lag es an ihnen sie daraus zu holen. Wenn er es damals nicht selbst gesehen hätte, wie lächerlich die Harpyien ausgesehen hätten, hätte er es sich niemals vorstellen können. Alle waren sie in gellendes Gelächter ausgebrochen und es war schwer damit aufzuhören. Nur die Harpyien waren nicht gleicher Ansichten gewesen und es gab eine kleine Auseinandersetzung, wo Federn flogen und ohne ein paar Kratzern waren sie nicht davon gekommen.
Doch das furchtbare daran, es hatte Jade keine Sekunde interessiert, in welchen Konflikt sie geraten war. Sie hätte tot sein können. Nicht einmal Sorgen hatte es ihr bereitet, so schlitzohrig sie auch war. Was sie heute noch immer war. Faust dick hinter den Ohren hatte sie es in sich und diese Sorglosigkeit machten ihn und all seine Geschwister am meisten zu schaffen. Trotz ihrer Berufung zu heute, auch wenn kaum einer von ihr es wusste.
Allein die Erinnerungen halten daran fest, wie es einmal gewesen war. Manchmal wünschte er sich diese Zeit zurück, aber dies könnte niemals passieren, weil keiner Macht über die Zeit besaß. Vielleicht war es auch gut so, ein Spiel mit der Zeit würde das furchtbarste sein, was der Weltuntergang bedeuten könnte.
Jetzt stand er hier, vor einem zerwühlten Bett, Emmanline auf seinem Arm, während er in Erinnerungen schwelgte.
Sanft legte er sie auf sein Bett und deckte ihren nassen Körper mit einer Decke zu, setzte sich auf die weiche Kante und beobachtete sie, wie sie seelenruhig schlief. Genauso sollte es sein, friedlich und ruhig. Möge es jetzt der Moment sein, wie es aussah, aber es würde nicht immer so bleiben. Eines Tages würde die Zeit kommen, wo alles ein Ende hatte. Nur wollte er in diesem Augenblick nicht daran denken.
Dies wollte er mit Emmanline genießen und gesellte sich zu ihr unter die Decke. Liebevoll zog er sie an seinen warmen Körper, nahm ihren einzigartigen Duft wahr und spürte ihren Herzschlag an seiner Brust, was bedeutete, sie lebte.
Sofort verdrängte er die Erinnerungen und Bilder, wie sie tot in seinen Armen gelegen hatte oder zusehen musste.
„Ich werde nie wieder zu lassen, das du von mir gehst.“ Säuselte er in ihren Haaren und schloss genussvoll seine Augen. „Nie wieder.“ Schwor er seinen heiligsten Schwur, bis selbst er in einen tiefen Schlaf fiel.
„Was soll das heißen, er ist nicht hier?“ Wurde ihre Stimmer immer höher, während Jade zu ihrem Onkel hinauf schaute, den sie endlich nach...wie vielen Jahren wieder sah? Ach egal. „Och komm schon, Onkelchen Darius.“ Klimperte sie leicht mit ihren Augen.
„Komm mir ja nicht damit, Fräulein.“ Ermahnte er sie. „Woher soll ich wissen, wo du deinen kleinen Lakai gelassen hast? Du bist doch erst gerade angekommen.“ Seufzte Darius auf.
Jetzt schniefte Jade und fiel ihrem Onkel in die Arme. „Ich weiß es nicht. Ich habe nur einen kurzen Augenblick weggeschaut und dann war er weg. Wie konnte mir das nur passieren?“ Schniefte sie noch einmal und er tätschelte ihren Rücken.
Wieder seufzte ihr Onkel, als hätte er jetzt schon genug von ihr. „Ich weiß es nicht, meine Kleine.“ Fing er doch jetzt an zu lächeln, sie konnte es aus seiner Stimme heraus hören.
„Nicht? Mmh, schade.“ Rückte sie von ihm ab, aber strahlte ihn freudig an. „Aber toll das du wieder da bist, Onkel.“ Meinte sie das wirklich ehrlich.
Jade mochte viele nicht oft sehen oder sie sie, aber dennoch waren sie ihr alle wichtig und lagen ihr auch am Herzen. Auch wenn es der kleinste Idiot war oder das kleinste Biest.
„Ich dich auch, Jade. Es sind jetzt schon drei Jahrzehnte her und du hast dich wirklich kein Stück geändert. Ich muss gestehen, du wirst deiner Großmutter Araveena immer ähnlicher. Erschreckend, aber wahr.“ Lachte er leicht.
Theatralisch legte sie ihre rechte Hand auf ihr Herz und schaute entsetzt drein. „Wie kannst du nur Onkel, mich mit Oma Araveena vergleichen? Ich fühle mich geehrt.“
Wurde das Lachen ihres Onkels immer lauter und sie stimmte mit ein, weil sie nicht anders konnte. Wie sie ihn doch vermisst hatte.
Trotzdem kam sie nicht drumherum, dass sie etwas verloren hatte. Jemanden verloren hatte. Wie konnte ihr das nur wieder passiert? Wenn jemand mitbekam wenn ein kleiner...
Ein Schrei ertönte und etwas stieß gegen ihre Füße.
„Jade.“ Schrie eine hohe Stimme ihren Namen. Sie wusste sofort zu wem sie gehörte. Da kam auch schon das Übel in den Saal hineingestürmt.
Automatisch breitete Jade ihre Arme aus und wollte voller Freude los stürmen. „Meine geliebte große Schwester Ysera.“
Ysera zischte sie an. „Wage es auch nur einmal mich zu umarmen und ich reiße dir beide Arme aus.“
Vorgetäuscht enttäuschend blieb sie stehen und nahm, mit hängenden Schultern, ihre ausgebreiteten Arme herunter. „Nicht gleich wieder zynisch werden. Steht dir absolut nicht, geliebte Schwester.“ Beugte sie sich nach unten.
„Wäre ich nicht, wenn du deinen dreckigen Zwerg an die Leine nehmen würdest oder am besten erst gar nicht mitbringen.“
„Er ist nicht dreckig. Nur weil du ihn jetzt auf den Boden geschmissen hast, ist er nicht gleich dreckig. Du machst ihn noch kaputt.“
„Kaputt? Kaputt? Kaputt?“ Wurde Yseras Stimme immer höher.
„Was schreist du so? Fenni ist ein guter Zwerg und mir treu ergeben.“
Ihre Schwester schien schockiert auszusehen. „Guter Zwerg? Es gibt keine guten Zwerge. Alle sind hinterhältig und schäbig. Sie sind mit uns nicht gleichgestellt.“
Da brach Darius in gellendes Gelächter aus. „Genau das habe ich vermisst. Es hat sich eindeutig nichts verändert.“
Endlich konnte sie die Zeit nehmen, damit sie ihren Gefolgsmann Fenni, den kleinen Zwerg, aufheben konnte. Sie brauchte ihm keine Fragen stellen, weil er nicht antworten konnte. Vor einem halben Jahrhundert..oder waren es hundertfünfzig Jahre? Ach egal. Sie hatte ihm ihm jedenfalls das Leben gerettet. Vermutlich, weil sie einen guten Tag gehabt hatte. Dies wusste sie nicht mehr so genau. Es war in einem kleinen Dorf gewesen, das für Sklaverei bekannt war. Sie war nicht gerne dort, aber sie bekam meistens dort alles was sie brauchte.
Normalerweise interessierte es sie nicht, wie niedere Wesen behandelt wurden, aber aus irgendeinem Grund, würde er ihr aufgedrängt. Später, als sie ihn dauernd etwas fragte und er ihr nicht antwortetet, fand sie es doch nervig und lästig. Beinahe hätte sie ihre Geduld verloren und am liebsten gefressen. Auch wenn er nicht nach ihrem Geschmack war.
Da fiel ihr auf, man hatte ihm die Zunge raus geschnitten. Einerseits hatte es auch etwas gutes, Zwerge konnten wirklich nervig und lästig sein. Fenni tat immer genau das, was sie ihm auftrug und genau das wollte sie. Einen ergebenen Lakai, der alles für sie tat. Genau was sie brauchte.
„Fenni, mach jetzt das, was du immer machst.“ Befahl sie und er verschwand sofort. Klamm und heimlich.
„Was soll das, Jade? Was tust du hier?“ Verschränkte ihre Schwester die Arme vor der Brust und schaute sie grimmig an.
„So, wo ist denn Lucien hin?“ Ignorierte sie Ysera und es schien sie zu ärgern. „Oder die außergewöhnliche Elfe?“ Wandte sie sich an Darius.
„Du bist wirklich unglaublich.“ Lachte ihr Onkel einfach weiter.
„Ich weiß.“
Nur zu gut wusste sie, wie stark ihr Selbstbewusstsein war und es machte ihr auch nichts aus herablassend und hochmütig zu sein. Alles war ihr egal, denn sie nutzte alles zu ihrem Vorteil aus. Nicht viele wussten, was sie wirklich war, aber dies war auch nicht wichtig. Egal wie man sie behandelte. Es machte ihr nichts aus, auch wenn sie wie Ysera waren. Sie wusste trotzdem, niemand würde ein Mitglied ihrer Sippe in Stich lassen. Egal was derjenige tat. So war es nun einmal. Jeder hatte seine gewisse Aufgabe und eigene Lösungen, die sie befolgten.
„Jade.“ Schrie eine weitere Stimme ihren Namen. Nur war diese Stimme freudig und voller Erwartung.
Lächeln und strahlend drehte sie sich. „Oh meine kleine geliebte Schwester.“ Breitete sie die Arme aus und fing die springende kleine Malatya auf. „Wenigstens du hast mich lieb, nicht war?“ Grinste sie verschmitzt zu ihrer kleinen Schwester rüber.
„Und wie.“
Ysera knurrte. „Ich hätte dich damals schon in der Nach erdrosseln sollen, als du geschlüpft warst.“ Brauste sie stampfend davon.
„Musst du Schwester immer so verärgern?“ Seufzte Taran.
„Das machst du jedes Mal.“ Seufzte Lodan.
„Was soll ich machen? Ich kann einfach nicht anders.“ Kicherte sie und ließ Malatya frei. „Aber ich freue mich auch euch zu sehen. Ihr kleinen klugen Köpfe.“
„Was führt dich nach Hause?“
Jade schnalzte mir ihrer Zunge. „Muss ich jedes Mal einen Grund haben nach Hause zu kommen? Ihr verletzt mich.“ Schaute sie betroffen.
Es stimmte schon, sie war selten zu Hause. Das letzte Mal war es bei dem Tod ihrer Mutter gewesen. Dies war vor drei Jahren gewesen und je mehr sie darüber nach dachte, umso schneller verging die Zeit. Sie vermisste ihre Mutter auch, aber es war unveränderbar. Nun würde sie bei Vatern sein, wie sie es sich immer gewünscht hatte, seit dem Tod. Dies war nun auch schon ein Jahrzehnt her.
Jade war etwas müde und setzte sich im Saal auf eines der Bänke. „Ich habe einen weiten Weg hinter mir. Ich verhungere gleich. Gibt es nichts zu Essen?“ Sagte sie laut und sofort kam eine Bedienstete an. „Oh, danke Lilien. Sehr aufmerksam von dir.“ Konnte sich aus einen unerklärlichen Grund sich an den Namen erinnern.
Vor ihr stand nun ein großer Teller mit Rindfleisch. Roh und blutig, wie sie es mochte. Aber heute mochte sie es lieber gar und gut durch. Sie stieß eine kleine Flamme aus und röstete ihr Fleisch. Es duftete köstlich und lecker, was sie sofort und ohne abzuwarten verschlang. Es war kein sonderliches Benehmen, aber sie war ein Drache. Was sollte sie da tun? Natürlich nichts.
„Schon viel besser.“
„Wo warst du solange gewesen, Jade? Du warst lange nicht Zuhause gewesen.“
Ihre beiden Brüder saßen vor ihr und Malatya neben ihr. Darius war gegangen, was sie nicht einmal bemerkt hatte. Auch gut.
„Och, ein wenig Unruhe gestiftet, was ich am Besten kann.“ Zeigte sie ihre Reihe scharfer weißer Zähne. „Schön, das ihr euch so viele Sorgen gemacht habt. Das wärmt mein Herz.“
„Wenn du meinst.“ Antworteten Lodan und Taran gleichzeitig, aber etwas gleichgültig. Die typischen Verhaltensweisen ihrer Zwillingsbrüder.
Jade erhob sich. „Ich muss mal dringend. Ach ja, bevor ich es vergesse, dort in dem Beutel habe ich euch Mitbringsel mitgebracht. Für Taran und Lodan Bücher aus Langula. Und für meine liebste und kleinste Schwester neue und hübsche Kleider. Wehe die gefallen euch nicht. Ihr wisst nicht, wie schwer dieses ganze Kram war. Fenni hat sich die größte Mühe gegeben.“ Stolzierte sie erhobenen Hauptes davon.
Nicht aufhaltend, musste sie unbedingt Lucien finden. Irgendwie erreichte sie ihn nicht mit mentaler Stimme. Er blockierte sie und sie konnte erahnen was es sein könnte. Oder viel mehr, wer. Ihr war beim Tod ihrer Mutter aufgefallen, wie verfallen Lucien gegenüber der Elfe war. Sie hatte einige Geschichten von dieser Elfe gehört und war auch mit ihrer Anwesenheit dabei gewesen, als sie allen ihr und ihrer Geschwister eine Meinung gegeigt hatte. Mutig für ihre Verhältnisse, obwohl sie solche schlechten Erfahrungen mit Drachen gemacht hatte.
Ihre erste Begegnung war auch sonderbar gewesen. Das erste Mal in Luciens Höhle, wo sie tot in seinem Bett gelegen hatte. Angekettet, wohlgemerkt. In ihr steckte wohl viel mehr, als man vermutet. Das würde sie auch noch heraus finden, denn sie war noch heute quicklebendig.
Gehört hatte sie noch, sie war durch einen giftigen Pfeil gestorben und noch immer quicklebendig. Wie war dies also möglich? Es wurde tatsächlich immer interessanter und sie liebte nichts mehr als schlagkräftige Gerüchte. Sie liebte es, wie ihre eigene Schönheit.
Nun gut, würde sie halt einiges aufbringen müssen, um ihren Bruder zu finden, der anscheinend nicht auffindbar war. Wird Zeit, dass sie jetzt genau das tat, was sie am besten konnte.
Mit einem Ruck erwachte Lucien und irgendwie schien ihn etwas zu frösteln. So was passierte doch nicht ihm, er war ein Feuerdrache. Stirnrunzelnd schaute er zur Höhlendecke hinauf und tastete neben sich, damit er sich von Emmanlines Nähe erwärmen konnte, aber er griff ins Leere. Panisch setzte er sich auf und musste schmerzhaft feststellen, sie lag nicht mehr neben ihm. Sofort sprang er auf die Beine, nackt, und stürmte aus dem Schlafgemach. Er konnte noch ihren sonnigen Geruch wahrnehmen.
Ihr Duft wurde immer stärker und eilte in die Kammer, wo er hoffte, sie sei dort und tatsächlich fand er sie auch. Sie saß auf weichen Kissen, ihr Körper in weichen blauen Stoff gehüllt. Ihr schneeweißes Haar, was nun trocken war, ausgebreitet auf dem grauen Steinboden, ihr Blick gesenkt und ein Buch auf ihrem Schoss liegend. Kaum war er in die Kammer eingetreten, obwohl er lautlos war, hob sie ihren Kopf und blickte ihn mit ihrem wunderschönen Augen an.
„Du bist wach.“ Bemerkte sie.
„Ja, und du hast nicht neben mir gelegen, als ich aufgewacht war.“ Kam er ihr näher und hockte sich vor sie. Seine Finger berührten hauchzart ihre Wangen.
„Hast du gedacht, ich würde weg laufen?“
Leicht verzog er sein Gesicht, wirklich daran gedacht zu haben. „Wenn ich sage, es ein wenig gedacht zu haben?“
„Völlig unbegründet, Lucien. Ich kann dir nicht entkommen, wie du es oft beteuerst. Zumal will ich auch nicht davon laufen. Ich habe eine Aufgabe.“
Ihre letzten Worte trafen ihn schon ein wenig, dass sie nur wegen der Aufgabe blieb, was es mit diesem blutigen Rubin auf sich hatte. „Natürlich.“ Ring er sich ein kleines Lächeln ab.
Woher wusste sie, das er nicht ehrlich zu ihr war? Es war sein gekünsteltes Lächeln, was ihn verriet. Und er sah etwas betrübt aus. Irgendwie konnte sie es sich schon denken, weswegen.
„Würdest du dir etwas überziehen?“
Das lockte ihm wieder ein Lächeln auf sein Gesicht. „Wie oft haben wir schon beieinander gelegen und dir ist es noch immer peinlich?“
Sofort lief sie rot an, was sie wütend machte. „Ihr besitzt absolut keinen Scham.“ Beschwerte sie sich.
„Nein, kenne ich nicht. Was ist das?“ Lachte er und zog sie in seine Arme, aber stemmte sich gegen ihn.
„Das ist nicht lustig. Lucien.“ Schnappte sie nach Luft.
Vergebens versuchte sie zu wehren, aber kam nicht aus seiner Umarmung frei. Es ärgerte sie wirklich, aber was sollte sie tun? Sie war vollkommen hilflos. Das schlimme, er hörte einfach nicht auf zu lachen. Sein Klang hallte an den Wänden wieder und es fühlte sich schon anders an. Es machte sie entspannt und sie konnte nicht anders, als sich seiner Umarmung hinzugeben. Wieder atmete sie seinen wohligen Duft ein, spürte das Beben seines Körpers.
„Du hast mich unterbrochen.“
„Wobei?“
Ein kleines Seufzen. „Wir sind hier in einem Raum mit ganz vielen Büchern. Was tut man wohl hier?“
„Das was wir jetzt tun?“ Drückte er sie noch enger an sich und sie bekam fast, aber nur fast, keine Luft mehr. Er erdrückte sie beinahe.
„Ich meine es ernst, Lucien. Ich habe gelesen.“
„Wirklich?“ Rückte er sie von sich ab und blickte ihr ins Gesicht, sein Blick prüfend. Auch prüfend, als er das Buch studierte. „Du schaust dir doch sonst nur Bücher an, wenn du Bilder siehst.“
„Das ist jetzt wirklich gemein.“ Stieß sie ihn von sich, schnappte sich das Buch, klappte es zu und stand auf. „Ich versuche es zu erlernen. Das Lesen meine ich.“ Stand sie vor dem Regal und schob das Buch wieder an seinem bestimmten Platz zurück. Sanft berührte sie mehrere Bücherrücken und ging der Reihe entlang. Hier standen unzählige Bücher. Nicht so viele wie im Schloss, aber mehr als genug. „Es ist nicht leicht, aber mache dich nicht über mich lustig.“
Gerade wollte sie ein neues Buch heraus holen, als sich eine große Hand, auf der ihren legte und sie aufhielt. Lucien stand hinter ihr, sehr dicht hinter ihr. Sie konnte seinen Atem fühlen, wie er ihren Hals erwärmte. Es durchfuhr sie durch und durch. Unbewusst hielt sie ihren Atem an. Seine Finger verschränkten sich mit der ihren und mit seinem Ellenbogen lehnte er sich an das Regal. Zwischen Bücher und ihm eingekeilt.
„Bitte entschuldige, ich wollte mich nicht darüber lustig machen. Oder über dich. Wirklich nicht.“ Küsste er sie auf ihre nackte Schulter. „Woher hast du gelernt zu lesen? Wer hat es dir beigebracht?“
„Ich hatte Malatya darum gebeten. Ich kann einiges schon verstehen, aber ich muss noch so viel lernen.“ Sagte sie und lehnte ihre Stirn an die Rücken der Bücher.
„Ich staune immer wieder, wie sehr du dich bemühst. Ich kenne niemanden, der so ehrgeizig ist, wie du. Du hast so vieles miterlebt, durch mich und mein Volk. Dennoch gibst du nicht auf. Du versuchst nach vorne zu sehen und zu gehen, ohne einen Blick zurück zu werfen. Viele würden das tun, selbst ich. Aber nicht du. Wie schaffst du es, bei dem zu bleiben, wer du bist?“
Emmanline staunte über die Worte von Lucien und wie aufrichtig sie waren. Sie konnte es fühlen, wie ehrlich sie waren. Einfach war es nie gewesen, sie selbst zu bleiben.
„In dem man vieles vergisst, Lucien. Erinnerungen lassen einen zurück blicken, aber es stimmt nicht. Ich blicke genauso zurück, wie jeder andere auch. Ich besitze genauso meine Erinnerungen, aber viele will ich bewahren. Viele leiten mich auf meinem Weg. Nicht das Furchtbare, sondern die kleinen guten Augenblicke. Es muss nicht viel sein, aber wiegt mehr als alles andere.“
„Was sind deine guten Augenblicke?“
Sollte sie es ihm verraten? Sie konnte nicht anders, als wirklich und ehrlich zu antworten. „Ich brauche mich nur an meine Mutter erinnern. Wenn ich nur sie in mir bewahre, sehe ich alles anders. Stets hat sie versucht mich auf das Leben vorzubereiten, egal was kommen mag. Das ich nicht aufgeben soll und das ich mich niemals selbst verlieren darf.“
Luciens Finger blieben noch immer mit der ihren verschränkt, aber sein anderer Arm legte sich um ihre Taille, die sie enger an sein Körper zog. Das er noch nackt war, hatte sie vollkommen vergessen.
„Deine Mutter scheint eine gute und weise Frau gewesen zu sein, die dich sehr geliebt hatte.“ Sprach er voller Mitgefühl und viel Wärme.
Ein Kloß steckte in ihrem Hals fest, wie sehr sie ihre Mutter doch vermisste. „Ja, das war sie. Sie war die einzige Person, die wirklich in meinem Leben existierte und das tut sie heute noch. Ich höre noch immer ihre Stimme, wie sie oft Worte zu mir flüstert. Ich spüre noch ihre Nähe, obwohl sie schon längst verschwunden ist.“
„Weil du sie in deinem Herzen trägst, Emmanline.“ Gab ihr eine Menge Trost und sie nahm es an.
Irgendwas fühlte sich dabei richtig an, wie sehr es ihr bedeutete, er war bei ihr. Es dürfte nicht sein. Sie durfte sich nicht mehr auf andere einlassen, aber genau das tat sie. Emmanline ließ sich auf Lucien ein und es sollte sie abstoßen und ihn auf Abstand halten. Es war das sicherste für sie und für ihn selbst. Sowie seiner Familie und Freunden. Das Letzte was sie wollte, war, andere in ihrem Leben mit hinein zu sehen. Niemand sollte durch sie zu Schaden kommen.
„Vermutlich.“
„Nicht vermutlich, Emmanline. Du tust es einfach, weil du niemanden anderes in deinem Leben hattest. Aber es gibt auch noch andere, die ein Teil deines Leben werden wollen. Genau ich will Teil deines Leben sein, oder ein Teil meiner Geschwister. Sie haben dich in ihr Herz geschlossen, nicht weil du uns oft geholfen hast. Sie tun es deinetwegen, weil du gut bist.“ Redete er immer weiter und weiter. „Alle sehen aus welchem Grund du das tust. Dir ist es wichtig, dass niemand verletzt wird. Vor allem den Kindern nicht. Du magst vielleicht deine Gefühle nicht zeigen, oder du denkst, du könntest nicht fühlen. Aber genau das machst du. Unbewusst, aber so ist es. Lasse sie einfach zu.“
Was war nur los mit ihr? Seine Worte bewegten sie wirklich und nichts konnte sie hindern, daran zu glauben. Gefühle waren eine Sache sie zu zeigen, anstatt sie zu fühlen und zu verschweigen. Sie wollte doch einfach nur nicht verletzt werden. Niemand sollte an sie heran kommen, aber genau dieser Mann kam ihr näher und näher, ohne je eine Chance zu bekommen, dagegen anzukämpfen. Stetig mehr brach er eine Mauer nach der Anderen ein und sie fühlte sich dabei so hilflos. Sehr hilflos.
„Wie hieß deine Mutter?“
Ihr Körper versteifte sich mit einem Herzschlag, was danach zu rasen anfing. Ihre Augen waren starr auf die Bücher gerichtet, aber war weit in die Ferne gerichtet. „Ich...“ Schluckte sie.
Verständnis brachte er ihr gegenüber auf. „Schon gut, du musst ihn mir nicht verraten.“
Noch einmal schluckte sie. „Adriana.“ Nannte sie Lucien den Namen ihrer Mutter. „So hieß sie.“ Senkte sie ihren Kopf, soweit ihr der Platz durch die Bücher erlaubte.
„Ein sehr schöner Name.“
„Ja, das ist er.“ Nickte sie kurz. „Doch, darf ich dir eine Frage stellen?“
„Sicher, jede Frage werde ich dir beantworten.“
„Warum glaubst du, ich könnte mich ändern? Meine Gefühle? Mein Wesen? Einfach alles?“
Lucien schien zu überlegen, was sie etwas unsicher machte. „Weil ich sicher weiß, wie sehr du dich bemühst und dein Ehrgeiz leitet dich zu etwas, was dich ausmacht. Das verändert dich. Du veränderst dich.“
Damit hatte er recht. Sie veränderte sich wirklich. Zu schnell, wenn es nach ihrem Denken geht. So sollte es eigentlich nicht sein. Zu viel würde nicht gut für sie sein. Zu viel war einfach zu viel. Gewisse Grenzen sollten eingehalten werden, aber genau in dieser Hinsicht hatte sie keine Kontrolle. Egal was sie tun würde, das war reine Gewissheit, mit einem Schlag würde sie sehr schnell verändern.
„Außerdem muss ich auch wohl bemerken, das du ziemlich stur bist.“ Gluckste er auf.
Das er einen so tiefen Augenblick gleich wieder belustigte, war ihr ein Rätsel, aber einerseits war sie ihm auch dankbar dafür, das er es getan hatte. Lucien schien es zu bemerken, wie angespannt dieses Thema für sie war. Vor allem mit ihrer Mutter.
„Ich habe schon lange bemerkt, wie stur, herablassend, anmaßend, herausnehmend, besitzergreifend und egoistisch du bist.“ Konterte sie zurück.
„Ich bin alles, aber nicht herausnehmend oder herablassend.“ Biss er leicht in ihre Schulter, um sie zu strafen.
Kurz schreite sie auf. „Du hast mich gebissen?“ Protestierte sie und versuchte sich aus der Enge seines Körpers und des Bücherregals zu entkommen, aber keine Chance. Beide Seiten waren unüberwindbar, wie Mauern.
„Oh ja, das habe ich getan. Und ich muss wahrhaftig zugeben, du schmeckst fantastisch. Darf ich noch einmal?“ Biss er erneut zu.
„Lucien.“ Sagte sie laut. „Du hast mir überhaupt keine Sekunde gelassen, nein zu sagen. Hör auf damit.“
Dieser ungehobelte und aufdringliche Drache.
Lachend in ihr Haar, konnte sich Lucien nicht mehr beherrschen. Jedes Mal liebte er es erneut sie wahnsinnig zu machen und er wusste ganz genau, er konnte es nur auf neckische Art und Weise tun. Zumal tat er es auch zu einem zweiten Grund, warum er es tat. Nicht nur wegen der unangenehmen Lage, in der sich Emmanline fühlte, wo das Thema ihrer Mutter aufgekommen war. Es sollte eine Ablenkung sein, aber es entwickelte sich als mehr, als nur eine Ablenkung. Viel mehr.
„Ich bin eben besitzergreifend und egoistisch, wenn ich mich um dich kümmere. Immerhin muss ich dich ja bei Laune halten. Dir soll es ja schließlich nicht langweilig werden.“
„Langweilig? Mit ist nicht langweilig. Ah Lucien, höre endlich auf damit.“
Sein Lachen ebbte einfach nicht ab, je mehr sie sich gegen seine Bisse wehrte. Sie schmeckte wirklich fantastisch, denn sein Drache bekam nicht genug von ihr. Wahrlich würde er sie von oben bis unten anknabbern und sogar ablecken. Gut, das sollte sein nächstes Vorhaben sein, wenn er Emmanline wieder in seinem Bett verführte. Er würde auf seine Kosten kommen und seine Gier nach ihr stillen, aber ihr dabei auch unendliche Lust bereiten. Nichts stand ihm im Weg, zumal er sich auch nicht aufhalten ließ.
„Den Göttern sei mir gnädig.“ Stöhnte sie auf und er drückte sie immer weiter gegen das Regal., bis nichts mehr zwischen ihnen passte. Egal zwischen ihm und ihr, oder zwischen den Büchern und ihr. Entkommen war absolut zwecklos. Alleine ihre Kapitulation reichte aus, um seine Kontrolle über sich und seinen Drachen zu verlieren.
„Gott vermaledeit nochmal, Jade, hör endlich auf damit.“ Stöhnte Lodan auf, als er sein Buch, was er bis eben noch versuchte hatte zu lesen, zu klappte und laut auf den Tisch fallen ließ. Dieses Buch endlich in den Händen zu halten und es aufklappen zu dürfen, darauf hatte er gewartet. Bevor er mit der schweren Lektüre, 'Alles über Machtkünste', beendet hatte. Niemals hätte er gedacht, dieses Thema würde sich bis über fünfzig Bücher ausstrecken und er musste auch zugeben, es war schon recht interessant gewesen, aber vieles hatte er schon gewusst.
Doch jetzt war es etwas anderes. Jetzt kam ein noch interessanteres Thema, worin er sich wirklich einarbeiten wollte. Die Lektüre in 'Schlachtpläne und deren Hinterlist'. Schon viel hatte er darüber gehört, das sich über zehn Exemplare ausweitete. Und jetzt hatte er sie sich besorgen lassen. Es war zwar ein kleines Vermögen was für ihn drauf gegangen war, aber es lohnte sich und sie hatten eine ordentliche Dicke an Seiten.
Taran und er hatten sich die große Bibliothek im Schloss eingenommen und führten sie jetzt. Sie hielten alles in Stand und vergrößerten sie nur noch. In diesem Raum waren an die dreitausend Bücher und alle haben er und seinem Zwillingsbruder Taran gelesen. Was schon einiges hieß, in ihren hundert neun und achtzig Jahren.
„Ignoriere sie doch einfach, Bruder.“ Gab Taran von sich, der in einer Ecke saß, immer noch vertieft in den Geschichten früheren Könige der Drachen. Die er schon längst durch hatte.
Nur war es nicht gerade einfach, seine Schwester Jade zu ignorieren, die ein besonderes Talent darin pflegte, nervig zu sein. Vor allem, wenn jemand in wichtigen Sachen sehr beschäftigt war. Normalerweise müsste er sich daran gewöhnt haben, aber das konnte man einfach nicht.
„Kannst du nicht einfach gehen und anderen auf die Nerven gehen? Ysera vielleicht?“ Versuchte er sie abzuschieben, aber sie machte absolut keine Anstalten. „Also, was willst du wirklich, Jade?“
„Nun kränkt ihr mich wirklich.Dabei habe ich euch diese wundervollen Geschenke mitgebracht.“ Schien sie wie immer, theatralisch zu sein. Sie konnte ja so gut schauspielern. „Ich will doch nur etwas Zeit mit meinen Lieblingszwillingsbrüdern verbringen, bevor ich wieder ganz wichtig beschäftigt bin. Das ist sehr anstrengend.“
Was vermutlich heißt, wie einfach durch die Welt trecken, alles auf zu mischen und einfach nur ihre Schönheit zur Schau stellen, was sie ja besonders gut konnte. Klar war es schon, sie war eine wunderschöne Frau und viele, sehr viele männliche Wesen lagen ihr zu Füßen. Ihr machte es keinen Deut aus, sich mit ihnen einzulassen. Kein Wunder das sie oft als eine Schlampe bezeichnet wurde. Nicht gerade hilfreich, wenn es um das Königshaus der Drachen ging. Sie war eine Prinzessin und versaute ihren Ruf ganz schön und das des ganzen Hauses De la Cruise. Manchmal vollkommen hoffnungslos.
Seine Schwester war selten Zuhause und wenn sie da war, dann war sie wie eine Zecke, die sich ganz schön fest biss.
„Ja, sehr vorstellbar, wie hart du es doch hast.“
„Höre ich da etwa gerade Sarkasmus in deiner Stimme, Brüderchen?“ Was sie nicht sagte. „Na ja, egal. Es sei dir verziehen. Mir ist einfach langweilig und da wollte ich mich mal mit euch unterhalten. Lenkt mich ab, bis unser königlicher Bruder wieder auftaucht. Ich meine, ich kann mir denken, was er gerade tut.“ Kicherte sie. „Wenn ich ein Mann wäre, würde ich diese Elfe auch nicht von der Bettkante schubsen. Ein hübsches kleines Ding, aber ich bin noch hübscher.“
Keiner kann noch größer in sich selbst verliebt sein, als Jade selbst. Einfach unfassbar und sie war eine seiner Schwestern. Noch unfassbarer.
„Kommt schon. Was gibt es Neues? Was ist passiert, seit ich nicht mehr Zuhause war?“ Drängte sie.
Niemals würde sie nachgeben, er wusste es. Sowie sein Bruder.
„Warum fragst du nicht Lucien, wenn er wieder da ist? Wird sicher nicht mehr lange dauern.“ Antwortete Taran, der nun auch sein Buch zur Seite gelegt hatte. „Wenn du öfters hier wärst, würdest du nicht nachfragen müssen. Helfe dir selbst, denn ich habe keine Zeit dafür.“ Sprach er monoton und stand auf. „Ich gehe, wenn du nicht gehst.“ Schnappte er sich sein Buch und verließ sofort den Raum.
Klasse, er tat genau das Richtige.
„Nun geh doch nicht gleich, Taran.“
„Tue was du nicht lassen kannst.“
„Heute ist er aber eine Miesmuschel.“
„Jade, Taran ist immer so. Ob du es glaubst oder nicht.“ Packte er ein paar Bücher ins Regal, die er noch immer neben sich liegen hatte, aber nicht mehr benötigte. „Du hast keine Ahnung mehr. Taran hat Recht, du solltest Lucien selbst fragen. Sofern er dir das verrät.“ Murmelte Lodan die letzten Worte.
„Das habe ich gehört.“
Vielleicht sollte sie das auch, war ihm sowieso egal. „Bist du jetzt fertig? Ich habe noch wichtigere Dinge zu tun, als dir zu zu hören.“
„Ihr seid ja alle so gemein zu eurer Lieblingsschwester.“ War sie schon wieder theatralisch.
Doch, er ging einfach, ohne noch ein Wort an sie zu richten, gar an zu schauen.
So blieb Jade alleine in der Bibliothek zurück und die hatten ja alle keine Ahnung. Sie sollten froh sein, dass sie jetzt hier war. Aber keiner schien ihre Anwesenheit zu schätzen. Wie undankbar sie doch alle waren.
Seufzend stand sie auf und verließ genauso die Bibliothek, wie seine Brüder zu vor. Dann sollte sie wohl eine Runde gehen und mal sehen, wer ihr alles über den Weg lief und es dauerte auch nicht lange, entdeckte sie Lyndiana. Die Schwester ihrer Mutter.
„Tante Lyndiana, du bist noch immer so hübsch wie immer.“ Umarmte sie ihre Tante.
„Schön dich zu sehen, meine Liebe.“
Lyndiana sah wie ihre Mutter aus. Hellgrüne Augen, schwarzes Haar und kräftiger gebaut. Jade war hingegen etwas zierlicher, zarte helle Haut und rötliches Haar. Keiner besaß rote Haare in ihrer Familie. Aber viele sagten ihr, sie komme nach ihrer Großmutter Araveena. Die Mutter von ihrer Mutter und Tante Lyndiana. Wenn Jade vom Aussehen nach ihr kam, musste sie eine bildhübsche Frau gewesen sein, was sie ziemlich stolz machte. Wie schade, sie hätte sie gerne einmal kennen gelernt. Nun, egal. Sie war jedenfalls auch froh, dass sie nicht nach ihrer Mutter kam, denn so perfekt kamen sie nicht miteinander aus, aber Jade hatte sie trotzdem in ihrem Herzen bewahrt. Auch ihr Verlust hatte sie zu tiefst getroffen, egal wie ihre Beziehung zueinander gewesen war. Doch ihre Augenfarbe hatte sie eher von ihrem Großvater Bortak, der Vater von ihrem Vater Raziz.
„Was führt dich zu uns ins Schloss?“
„Dein Bruder hatte uns zu einer Ratssitzung berufen.“
Eine Ratssitzung? Na das ist ja interessant. Jade wusste, es wäre jetzt nicht ratsam danach zu fragen, denn kein Mitglied durfte etwas von dem Treffen etwas verraten, solange keiner die Erlaubnis vom König bekam. Jetzt wusste sie wenigstens schon etwas mehr, als zuvor.
„Was macht die Grenze in Lacrier? Gibt es dort was Neues?“
„Komm doch einmal in Lacrier vorbei und überzeuge dich selbst davon.“ Lächelte ihre Tante.
„Vielleicht werde ich das mal tun.“ Lächelte Jade zurück. „Erzähl doch mein liebes Tantchen, woher bekommst du nur immer diese schönsten Kleider? Ich beneide dich immer, wenn wir uns sehen.“
Ihre Tante lachte. „Wie immer ein gutes Auge dafür. Statte doch einmal einen Besuch in Serasus ab. Dort gibt es die feinsten und edelsten Stoffe, von denen du nur träumst.“
Serasus war eine große Handelsstadt, wo man alles bekam und wenn sie ihre Tante jetzt so sah, würde sie das wirklich einmal tun. „Werde ich. Werde ich.“
„Du hast dich wahrhaftig nicht verändert. Noch immer meine Lieblingsnichte.“
„Wirklich?“ Legte sie berührt eine Hand auf ihr Herz. „Und du meine Lieblingstante.“ Küsste sie ihr auf die Wange. „Ich würde mich später gerne noch einmal mit dir unterhalten. Leider muss ich jetzt meinen königlichen verschollenen Bruder suchen gehen.“
„Lucien wird vermutlich mit der Frau zusammen sein, die ihm ganz schön den Kopf verdreht hat.“
„Oh ja, das hat die kleine Elfe eindeutig. Da ist auch noch viel mehr.“
„Wenn Lucien sie als seine Seelengefährtin vorstellt, steckt viel mehr dahinter.“
Das überraschte Jade jetzt wirklich. Seelengefährtin? Lucien? Im Gegensatz zum letzten Mal hat sich was entscheidendes verändert. Jade wusste, Emmanline war etwas anders und ihr Bruder hatte ein Auge auf sie geworfen, aber eher um sie ins Bett zu bekommen, wie er es mit jeder Frau tat. Scheint wohl, sie hatte sich geirrt. Vermutlich war sie nicht die Einzige. Nun gut, solange ihr Bruder es glücklich machte. Verdient hatte er es.
„Was für eine Überraschung.“
„Nicht nur für dich, mein Liebe. Uns allen im Rat ging es nicht anders. Ich habe nichts gegen ihre Verbindung, trotz der Vorgeschichte von dieser Elfe. Aber es denkt nicht jeder wie dein Onkel Darius, Saphira und meiner Wenigkeit. Wer weiß was noch passiert.“
Oh, das würde sehr interessant werden und sie konnte es kaum abwarten, wie sich alles entwickelte. Scheint so, als würden einige Veränderungen auf sie zukommen. Sie war begeistert.
Kurz unterhielten sie sich noch, bevor sich wieder ihre Wege trennten.
Was würde sie noch alles heraus finden?
„Warum reagierst du immer auf die Sticheleien von Jade? Du weißt doch wie sie ist. Jedes Mal wenn du dich aufregst, genießt sie es. So war sie schon immer, als sie geschlüpft war.“ Meinte Lya.
„Genau das ist es ja, sie wurde geboren um mir das Leben zur Hölle zu machen. Ich hätte sie bei ihrer Geburt schon von irgendeiner Klippe fallen lassen sollen. Dann wäre sie nicht solch ein Plagegeist.“ Knurrte Ysera wütend.
Ysera und Jade waren wie Katz und Maus. Die Maus brachte die Katze zur Weißglut, indem sie ihre Spielchen mit ihr Trieb.
„Vater hat dich damals ganz schön zusammen gestaucht, als du das vor hattest. Kaum hast du es versucht, hat sie dich beim ersten Blick in deine Drachenschnauze gebissen.“
„Grund genug es zu tun. Jetzt muss ich sie wohl im Schlaf erdrosseln, wenn ich sie auch nur noch länger ertragen muss.“
Jetzt knurrte Lya. „Schluss damit. So was will ich nicht hören.“
„Ist ja gut.“
Lya und Ysera saßen in der großen Halle am Tisch und hatte eben gerade was gespeist. Am Anfang war sie es mit ihrer kleinen Tochter Shay, bevor sie ihr kleines Mädchen davon geschickt hatte, weil sie genau wusste, zu welchem Gespräch es sich entwickeln würde. Sie musste es tun, sonst würde ihr Kleine nur zu früh unnötige Dinge lernen, bevor Ysera nur anfangen konnte zu sprechen.
„Du musst es wirklich lernen, Schwester.“
„Eines Tages wird es soweit sein, bis ich meine Drohungen wahr mache.“ Drohte sie.
Langsam war sie es wirklich leid, sich überhaupt die Mühe zu machen, sich dort einzumischen. Das war schon Voreingestellt, wenn sie aufeinander trafen. Doch vor allem sollte man die beiden sehen, wenn ein Familientreffen statt fand. Die sorgten auf jeden Fall für Aufmerksamkeit. Und manchmal auch für Belustigungen.
Das Lied am Ende, es war vollkommen hoffnungslos.
Wie peinlich sie sich jetzt berührte fühlte, kehrte sie mit Luciens ins Schloss zurück. In seiner Bibliothek, in seiner Höhle, war er regelrecht über sie hergefallen. Es war nicht so, dass sie sich nicht gegen ihn gewehrt hatte oder es nicht wollte. Ehrlich gesagt, sie hatte es genossen. Er hatte sie auf jede erdenkliche Weise verführt und geliebt. Sie errötete, bei all diesen Erinnerungen, was er mit ihr angestellt hatte.
„Wirst du etwas rot?“ Küsste er sie lachend auf die Wange.
„Lucien, hör auf damit.“ Versuchte sie ihn verärgert zu schubsen, aber er bewegte sich wie erwartet keinen Millimeter. Dieser...Drache.
Trotzdem machte er weiter und ließ sie nicht in Ruhe, während er sie an der Hand hielt und durch das Tor führte. Das tat er in letzter Zeit zu oft, was ihr nicht sonderlich behagte. Nicht wenn sie überall die Blicke um sich herum spürte. Es sollte ihr nichts ausmachen, aber tat es dennoch.
„Nach all unseren Liebesspielen habe ich einen Mordshunger, das ich ein ganzes Rind verdrücken könnte.“
Es war hoffnungslos, aber sie verzog etwas angeekelt das Gesicht. Verständnislos, aber er war ein Raubtier.
„Für dich gibt es natürlich was anderes.“
„Ich habe absolut keinen Hunger.“ Seufzte sie ergeben, als er sie hinter sich herschleppte und zum Speisesaal brachte. „Überhaupt keinen.“
Von weiten konnte sie schon hören, wie sich eine weibliche hysterische Stimme aufregte. Die ihr sogar bekannt vorkam und Lucien erschien es nicht anders zu ergehen, da er schon ahnend seufzte. Das ganze würde sich zu einem Schauspiel entwickeln und kaum betraten sie den Speisesaal, bekam sie den perfekten Überblick.
Luciens älteste Schwester Ysera war diejenige, die sich anscheinend nicht beruhigen konnte. Lya schien ihr bestes zu versuchen, aber nach ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen, hatte sie es schon längst aufgegeben, sie zu beruhigen. Jetzt sah sie es wieder mit eigenen Augen wie Drachen in Wirklichkeit waren. Aggressive und tobende Kreaturen. Gut, sie hatte gelernt, das nicht alle so waren, aber in ihnen allen steckte doch noch etwas in ihnen, was die Kreatur beinhaltete.
Mitten im Raum ließ Lucien ihre Hand los und ging auf seine beiden Schwestern zu. Sie konnte nicht anders, als das ganze Geschehene zu verfolgen. Vermutlich würde das jetzt interessant werden und etwas in ihr sagte, es könnte etwas entscheidendes verändern. Mit großer Wahrscheinlichkeit, aber konnte es noch nicht deuten was es sein könnte.
„Was verflucht noch einmal ist hier los?“ Wurde Lucien etwas lauter, während er breitbeinig und mit verschränkten Armen vor diesen Frauen stand.
„Ich will das du dieses verdammte Miststück aus dem Schloss wirfst?“ Fauchte Ysera.
„Schon gut, ich weiß es. Sowie ich deine Laune und Stimme vernehme, scheint Jade im Schloss zu sein. Ist es immer das Gleiche, Ysera, wenn ihr zwei euch sehen müsst?“
„An mir liegt es nicht, wenn sie andauernd anfängt.“
„Dann ignoriere sie doch einfach.“
Im ersten Augenblick verwirrte es Emmanline, in welcher Lage sie sich gerade befand. Sie befanden sich in einen Geschwisterstreit und wie die Situation aussah, war es was normales. Waren solche Streits wirklich normal?
„Das habe ich ihr auch schon einige Male gesagt, Lucien.“ Seufzte Lya erschöpft auf.
„Glaubst du, ich versuche das nicht?“ Knurrte Ysera wütend.
Irgendwie hatte sie das Gefühl, diese Drachin machte sich keine sonderliche Mühe, es zu ignorieren und alle hier in diesem Raum schienen zu wissen, dass dem so war.
Mit großem Gelächter hinter ihr, zuckte Emmanline erschrocken zusammen und wandte sich sofort um. Sie blickte in ein amüsiertes Frauengesicht. Wunderschön wohl bemerkt. Allein ihre Augen verrieten ihren Namen sofort, denn ihre Augenfarbe war das reinste Grün das sie je gesehen hatte und nur ein Jadestein könnte solch ein Funkeln entstehen lassen. Dieser Name zu dieser rothaarigen Frau passte mehr als perfekt zu ihr.
„Oh Bruder, da bist du ja endlich. Ich musste schon das ganze Schloss nach dir absuchen.“ Klang Jade erschöpft, aber etwas übertrieben.
„Wohl eher hast du andere nach mir suchen lassen.“ Entgegnete er seiner Schwester, als er an der Seite von Jade vorbei blickte. Auch Emmanline wandte sich um.
Es überraschte sie doch ein wenig...War das ein Zwerg? Tatsächlich, dies war ein Zwerg. Zwar hatte sie schon einiges von ihnen gehört, aber noch nie einen zu Gesicht bekommen, oder eher eine Bekanntschaft gemacht zu haben.
Der Zwerg sah grimmig drein, seine Nase relativ lang und noch spitzere längere Ohren als sie selbst. Seine dunkelbraunen Haare waren ziemlich zerzaust, buschige dicke Augenbrauen Augenbrauen und vermutlich nicht sonderlich sauber, aber dies konnte sie nicht wirklich erkennen. Aber so schlimm sah er dann doch nicht aus. Er war ziemlich rundlich auf seinen kurzen Beinen, aber sie konnte sich vorstellen, dass er ziemlich flink war.
„Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du diesen Zwerg wenigstens vorher waschen sollst, wenn du ihn schon mit ins Schloss bringst?“
„Ist er doch.“ Sprach Jade verwirrt, als wären Luciens Worte ein Flüchtigkeitsfehler. „Oder glaubst du, er würde so wunderschön aussehen wie ich, wenn du ihn wäschst? Ich bitte dich Bruder. Fenni ist ein Zwerg und Zwerge sehen nun einmal so aus. Er ist vollkommen sauber. Außerdem, wenn er neben mir steht, komme ich doch vollkommen zur Geltung. Ich sehe noch hübscher aus, wie ich jetzt erscheine. Das sind große Pluspunkte für mich.“ Gluckste Jade.
Irgendwas stimmte nicht mit dieser Frau, aber sie wusste ihr Verhalten zu erkennen und sie musste sich ehrlich zugestehen, dies war sehr raffiniert.
„Bei den heiligen Göttern.“ Fuhr Lucien mit seiner Hand über sein Gesicht und schaute zur Decke empor, als würde er zu den Göttern beten, um Erlösung zu finden.
„Ich habe dir gesagt, werfe dieses Miststück heraus, weil sie einen unheimlich auf die Nerven geht.“
„Och, jetzt bist du aber wieder gemein zu mir, geliebte Schwester.“ Schmollte sie und zog eine Schnute. Tat sie das wirklich?
„Ich bin nicht deine geliebte Schwester und höre mit deinem theatralischen Getue auf. Das nervt tierisch.“
„Jetzt wirst du noch gemeiner.“
„Eines Tages, ich schwöre es bei allen heiligen Göttern, ich werde dich im Fluss ertränken.“
Mit einem Mal hörte sie ein eigenartiges Geräusch und es schien nicht aufzuhören. Es erschien so nahe, aber auch wieder so fern. Es hörte einfach nicht auf und ab da an, wusste sie, dieses eigenartige Geräusch kam von ihr, denn alle schauten sie ungläubig an.
Lucien wusste nicht was unfassbarer war. Der riesige und unmögliche Streit zwischen seinen Schwestern, der nie enden würde, wenn er sie nicht alle an den Haaren zerren würde, damit sie endlich aufhörten. Nur Schmerzen brachte sie auseinander.
Oder schockierte es ihn am Meisten, wenn er Emmanline jetzt ansah? Tat sie das jetzt wirklich, was er jetzt sah und hörte? Noch einmal versuchte er richtig zu hören, sogar zu sehen. Noch einmal und noch einmal.
„Sie lacht.“ Keuchten all seine Geschwister um ihn herum, während er nur eines aus seinem Mund sprechen konnte.
„Raus. Alle raus.“ Schrie er nicht, sondern er brüllte laut und stark.
Der Streit zwischen seinen Schwestern war wie weg gewischt und alle stürmten nur noch aus dem Saal und selbst die Türen krachten regelrecht in ihre Schlösser.
Er hatte alles ausgeblendet und starrte die Frau, die ihm wichtig war, noch immer verwundert an, aber dann kam die Erkenntnis. Lucien ging mit schnellen Schritten auf sie zu und riss sie, noch während sie lachte, in seine Arme. Kaum das er das getan hatte, bebte ihr ganzer Körper und sie fing an zu schluchzen, dann brach sie in Tränen aus und weinte bitterlich. Nach den Tränen brach ein unbändiger Zorn und Wut in ihr aus, wo er doch einiges an Kraft aufbringen musste, was nicht wirklich lange anhielt, als Panik über sie herfiel, was sich zur Enttäuschung und Verzweiflung entwickelte. Stetig wuchsen immer mehr Gefühlsveränderungen in ihr auf, bis es wieder von vorne anfing. Lachen, Weinen, Wut, Zorn, Angst, Mutlosigkeit. Aber vor allem Zerstreuung und Verwirrung.
Emmanline hatte einen Gefühlsausbruch, der sich sehr lange hinzog. Viele Minuten oder sogar Stunden. Zeit war in dieser Hinsicht bedeutungslos und er würde sie niemals messen. Nicht jetzt.
Er hielt sie solange in seinen Armen, bis sie sich beruhigt hatte.
„Was...“ Versuchte sie ihre Stimme zu suchen. „Was ist mit mir gerade...passiert?“ Klang so viel Verwirrung und Verzweiflung in ihren Worten mit. Er konnte es verstehen.
„Ich glaube, du hattest eben einen Gefühlsausbruch.“ War er sich ziemlich sicher.
„Einen Gefühlsausbruch?“
„Ja.“ Nickte er, auch wenn sie es nicht sehen konnte. „Emmanline, du hast deine Gefühle solange unterdrückt, bis sie das Fass zum überlaufen brachten, wie es jetzt der Anschein ist. Sie haben sich endlich eine Bahn aus dir her raus gebrochen.“ Und er danke den Göttern dafür, das es endlich passierte. Zugeben musste er es, wie oft er daran gedacht hatte, dies würde eines Tages passieren. Niemand konnte ewig ohne Emotionen leben. Egal ob es Zorn oder Hass waren. Alles gehörte zu einer Persönlichkeit, wie Liebe, Trauer, Angst oder Freude. All dies waren nur Definitionen, von einem ganz kleinen Teil.
„Wird es wieder wie vorher werden?“
„Nein, ich vermute nicht und weißt du, ich will es auch nicht. Ich will es nicht, dass du wieder wie vorher wirst. Ich will alles von dir und nicht nur das eine.“ Gestand er, auch wenn es hart für sie klang. „Es musste eines Tages so kommen.“ Nahm er sie noch fester in seine Arme und sie krallte sich verzweifelt an ihn.
Lucien konnte ihre Panik und Angst aus der Luft greifen, um zu verstehen wie sie sich jetzt fühlte. Es war alles neu und so viele Gefühle auf einmal, waren verstörend.
„Verstehe.“
Tat sie das wirklich, worauf er nicht antworten würde? Er würde für sie jederzeit da sein und sie solange halten, wie sie es benötigte. Jederzeit.
„Ich würde gerne auf unser Zimmer zurück.“ Bat sie ihn, aber da war noch etwas anderes.
Unser Zimmer?
Das nahm jetzt eine ganz andere Richtung, wie er vermutete.
„Sicher doch.“
Kaum bekam sie es mit, wie Lucien sie auf ihr Zimmer brachte. Wie sie weit entfernt erkannte, kam keiner ihnen entgegen, als wären die Gänge ausgestorben. Als würde in diesem Schloss keiner leben, außer Lucien und sie selbst.
Noch immer konnte sie nicht glauben, was da gerade passiert war. Mit ihr passierte. Sie stand noch immer unter Schock, Verwirrung und Ungläubigkeit. War das gerade wirklich passiert? Hatte sie tatsächlich einen Gefühlsausbruch gehabt, wie Lucien es gedeutet hatte? Wenn ja, fühlte es sich furchtbar und grausam an. Sie fühlte sich schlecht, deprimiert, erschöpft und sogar etwas erleichtert. Nicht weil sie dies jetzt wirklich fühlen konnte, sondern das sie es überlebt hatte.
Ja, es stimmte. Für einen kurzen Moment, als diese enorme Welle von Gefühlen sie überrollte, hätte sie gedacht, sie würde sicher daran ersticken. So brutal und mächtig wie sie gewesen war. Gnadenlos und erschütternd.
Lucien ließ sie kein einziges Mal los und sie war ihm dankbar dafür. Aus einem tiefen Winkel ihrer Selbst, wusste sie, ohne seine Nähe und Berührungen fehlte ihr die Kraft auf beiden Beinen zu stehen. Sie wäre schon längst zusammen gebrochen.
Langsam führte er sie zum Bett hin und ließ sie hinsetzen, während er sich vor ihr hinkniete. Behutsam nahm er mit beiden Händen ihr Gesicht in seine Hände, damit sie ihn anschaute. Emmanline gehorchte und sein liebevollen Blick machte sie machtlos. Sie konnte nichts tun, wenn er sie so anschaute. Liebevoll und warmherzig. Und das für einen Drachen, der tödlich und brutal war.
„Ist mit dir alles in Ordnung?“ Wollte er anscheinend gerne wissen.
„Ich weiß nicht.“ Gestand sie und ihre Augenlider schlossen sich halb vor Erschöpfung. „Alles ist so...nun zu viel.“
„Das kann ich verstehen. Egal wie lange Emmanline, eines Tages wäre es so gekommen. Ich werde da sein, das du es lernst mit deinen Gefühlen umzugehen. Ich werde dich nicht alleine lassen. Hast du gehört?“ Zog er ihr Gesicht näher zu seinem heran, damit er sie küssen konnte.
Und den Göttern seien ihr gnädig, dieser Kuss war alles andere als die letzten, die er ihr gegeben hatte. Diesmal war es wirklich anders. So einfühlsam und versprechend immer da zu sein. Als würde er sie niemals alleine lassen und dieser Kuss beherbergte noch vieles mehr, was sie dennoch nicht beschreiben konnte. Voller Intensität und Einfühlsamkeit.
Emmanline konnte nicht anders, wie sie machtlos war, denn sie musste seinen Kuss erwidern. Sie musste wirklich. Eine halbe Ewigkeit dauerte es, bis er sich von ihren Lippen trennte. Sie hätte ihn am liebsten daran gehindert. Dennoch fühlte sie sich ihm großartig gegenüber. Er gab ihr mehr, als sie erahnte.
„Bei den heiligen Göttern.“ Stöhnte er und sein Kopf fiel auf ihren Schoss. „Wenn du mich weiter so ansiehst, bringst du mich noch um. Würde ich nicht schon vor dir auf den Knien sitzen, würde ich es gerade in diesem Augenblick tun.“ Stöhnte er noch einmal und er klang gequält.
Kurz verstand sie nicht wirklich, bis sie bemerkte, sie lächelte. Sie lächelte tatsächlich. Sie konnte es und es fühlte sich eigenartiger an, aber sehr gut. Da hatte sie wohl noch einiges vor sich, um all dies zu verarbeiten.
„Ich tue doch nichts.“ Wobei sie sich tatsächlich einen Spaß draus machte. Sie konnte es.
„Du gemeine, böse und lügnerische Frau. Das machst du mit Absicht.“ Schaute er zu ihr auf. Sie erkannte, dass er versuchte ernst und böse zu sein, aber seine Mundwinkel zuckten immer wieder nach oben.
„Nein, mache ich nicht.“ Konnte sie nicht aufhören zu lächeln.
„Hör auf damit. Du nutzt das schamlos aus.“
„Erst willst du, das ich Gefühle zeige und jetzt nicht mehr?“
„Ich hätte nur nicht gedacht, das es mich so unfähig und schwach macht.“
Jetzt kicherte sie leicht. „Das ist doch vollkommen irrsinnig. Du bist ein Drache.“
„Dennoch nicht gegen alles gerüstet. Wir mögen Stärke und Ausdauer haben, aber wir haben keine Chance, wenn es um Gefühle geht. Also, ja, du machst mich vollkommen wehrlos und schwach. Und du nutzt es tatsächlich aus? Du bist doch so was von ungerecht zu mir. Und gemein.“
„Das tust du andauernd mit mir. Warum dürfte ich das dann nicht?“
„Weil ich gewisse Rechte habe?“
Stirnrunzeln schaute sie ihn an. „Wie bitte? Rechte? Welche Rechte?“
Das brachte Lucien herzhaft zum lachen. „Echt unglaublich.“ Lachte er einfach weiter.
Ihre Furchen auf ihrer Stirn vertieften sich immer weiter. „Was gibt es da zu lachen?“
„Nichts. Nichts.“ Winkte er ab.
„Ich verstehe nicht warum du so bist?“
„Wie bin ich denn?“
Kurz dachte sie nach. „Nun ja, so sehr von dir überzeugt, dass du alles darfst und kannst.“
Da lachte er wieder und es ärgerte sie zunehmend mehr.
„Emmanline, du vergisst, ich bin ein Drache. Wir nehmen uns alles raus, was wir wollen und benötigen. Also warum sollte ich mich da zurück halten, wenn ich dich bekommen will? Das ist das natürlichste von der Welt.“
Das natürlichste von der Welt? Wusste er überhaupt wovon er da überhaupt sprach?
„Natürlich.“ Schnaubte sie und wollte auch gar nicht weiter auf dieses Thema eingehen. Es würde zu nichts führen, aber anscheinend wusste es nicht besser.
„Warum höre ich da so großen Spott in deiner Stimme mit?“ Erhob er fragend eine Augenbrauen.
Gütige Götter, er machte sie noch vollkommen fertig. „Stimmt doch überhaupt nicht. Ich verspotte dich nicht.“
„Ich glaube, ich sollte dir noch einmal einiges klar stellen. Ich will dich wirklich. Nicht nur weil du meine Seelengefährtin bist. Mein Drache, gleichermaßen wie Mann, haben sich entschieden dich zu behalten. Wir sind von dir so sehr fasziniert, wir können nicht anders. Wir fühlen uns in deiner Gegenwart wohl und wollen nicht mehr von deiner Seite weichen, egal was passieren möge.“
Gütige Götter, er sprach vollkommen die Wahrheit. Sie war sich so sicher, wie sie atmen musste. Das schockierte sie dermaßen, aber versuchte ihre Reaktion zu verbergen, wie sehr es sie betraf.
„Auch wenn es klingt, als würden wir von einem Gegenstand sprechen, so ist dem nicht so. Wir betrachten und schätzen dich mehr, als unseren gegenständigen Drachenhort, den wir so mühselig angeschafft haben. Du bist alles andere als das und darum wollen wir dich. Wir wollen dich als eine besondere und wertvolle Person an unserer Seite haben. Wir wollen, du sollst ein Teil von uns werden. Nicht nur vom Schicksal auserkoren.“ Lächelte er sie sanft an, während er zärtlich ihre Wange berührte.
Emmanline wusste nicht, für was sich ihr Herz entscheiden sollte. Sollte es stocken, oder rasend schnell schlagen? Es wechselte von einer Sekunde zur anderen. Warum war sie nur so machtlos gegen ihn? Vom Verstand her, versuchte sie sich zu weigern. Aber aus dem Tiefen ihrer Selbst, wollte sie genau das. Sie sehnte sich nach all dem, was ihr der Drache gab und sagte. Sie sollte sich so sehr dagegen wehren, weil sie wusste, dies wäre nicht ewig so. Eines Tages würde es so kommen, dass sie genau das alles aufgeben musste. Sie würde ihn verlieren. Darum, je weiter sie sich auf ihn einließ, umso schwerer würde es sein, würde dieser Tag kommen, los zu lassen.
Schon einmal hatte sie eine wichtige Person in ihrem Herzen verloren und es hätte sie beinahe zu Grunde gerichtet. Wenn ihr das zum zweite Mal passierte, würde sie nicht drüber hinweg kommen. Das wusste sie mit unendlichen Prozenten gerechnet. Sie würde es allein durch ihre angeborenen Überlebensinstinkte überleben, aber nicht ihrer Seele gegenüber. Sie würde am Boden zerstört sein. Nichts und niemand könnte es je ungeschehen machen.
Genau das machte sie am Meisten zu schaffen. Egal was sie tun würde, es würde sie töten.
„He.“ Nahm Lucien sie in seine Arme.
Sie wusste nicht genau warum, als ihr Verstand etwas zurück kehrte. Doch jetzt wusste sie warum. Sie spürte Tränen auf ihrer Wange und sie war machtlos dagegen.
Diese verflixten Gefühle. Ich beginne sie jetzt schon nicht zu mögen.
„Ist schon ok. Ich bin hier.“ Und genau das war es ja. Er war hier. Trotzdem konnte sie ihm das nicht sagen.
Darum schmiegte sie sich nur noch mehr an ihn.
Was war schockierender? Zu spüren, wie Emmanline all gegen ihre Gefühle ankämpfte, oder sie verstört und weinend in seinen Armen zu halten? Egal was er dachte oder fühlte, alles beides war schockierend.
Irgendwas ging in ihrem kleinen Köpfchen vor, was er schon rattern hörte. Wie im Innenleben einer Uhr, die alles in Bewegung hielt. Mit all ihren zahllosen kleinen Rädchen. Aber dennoch konnte er sie deshalb nicht fragen. Er spürte genau, dies war kein richtiger Zeitpunkt.
Lucien wusste, Emmanline würde eine Zeit brauchen, ihre Gefühle zu ordnen und zu beherrschen. Es würde nicht leicht werden, denn es war ein großer emotionaler Ausbruch, den sie hatte erleiden müssen. Also würde es für sie wirklich hart werden und er konnte es schon verstehen. Niemals würde er sie alleine lassen, schließlich gehörte sie zu ihm. Sie gehörte an seiner Seite und er würde immer auf ihrer Seite stehen. Komme was da wolle.
Ihm war es gar nicht bewusst gewesen, das sie in seinen Armen eingeschlafen war. All diese Emotionen mussten sie müde gemacht haben. Als sie so in seinen Armen lag, sah sie friedlich und unbekümmert aus, was ihn sehr erfreute. So wollte er sie sehen. Friedlich und sorglos.
Sanft legte er sie neben sich auf das Bett und betrachtete die Frau, die ihm mehr als alles andere bedeutete. So wie sie jetzt da lag und ihr sanft eine weiße Haarsträhne aus ihrer Stirn strich, kam diese Erkenntnis mit einem Schlag. Er hatte schon ein solches Gefühl gehegt, aber jetzt wurde ihm es richtig bewusst.
Ich liebe sie. Wahrhaftig. Ich liebe sie.
Jetzt war es an ihm, das er von großen Gefühlen überschwemmt wurde. Seine Gefühle ihr gegenüber waren immer offensichtlicher und er vermutete, jeder sah es. Außer Emmanline und vielleicht war es erst einmal am besten so. Lucien wusste nicht, wie sie darauf reagieren würde. Vermutlich total entsetzt und abweisend ihm gegenüber.
Seufzend schloss er für einen Augenblick seine Augen und genoss das Gefühl einfach sie bei sich zu haben. In seinem Bett und ganz in seiner Nähe. Ihr Anblick war alles was er je sehen wollte. Das für den Rest seines Leben.
Behutsam streichelte er über ihr Haar und sie seufzte auf, was ihn wirklich zum schmunzeln brachte. Sie war am Ende doch so unschuldig und rein, obwohl sie sich so taff gab. Ja, diese Frau war stark und behauptete sich, aber in ihr schlummerte noch was ganz anderes. Nicht der Teil, was ihr anderes Wesen war, sondern in ihrem Inneren. In ihr steckte viel mehr, als das.
„Du bist einfach unglaublich.“ Beugte er sich zur ihr herab und küsste sie auf die Stirn. Kurz bewegte sie sich, bis die sich zur Seite einrollte. Er konnte einfach nicht aufhören zu lächeln.
Die Götter mögen ihn bewahren. So unschuldig und rein.
Ihm war nicht klar, wie lange er schon auf der Bettkante saß und sie beobachtete, als er daran dachte, dass er noch etwas erledigen musste. Wie sehr er auch bei ihr bleiben wollte, er musste sie für einen Augenblick verlassen.
„Geh ruhig, Lucien.“ Murmelte Emmanline verschlafen, als sie mit einem verschleierten Blick zu ihm herauf schaute. „Ich weiß, du musst noch etwas erledigen.“
Um ihm war es einfach geschehen.
„Ja, muss ich.“ Lächelte er sie an. „Aber ich werde schnell wieder bei dir sein.“
„Schon ok.“ Lächelte sie zurück.
Wenn er nicht sofort ging, würde er nicht mehr aus diesem Zimmer heraus kommen. „Ich beeile mich.“ Küsste er sie noch einmal auf dem Mund, bevor er verschwand. Er stand auf und bevor er die Tür öffnete, schaute er noch einmal zu ihr zurück. Doch, sie war schon wieder eingeschlafen. Wie leicht sie dies jetzt tat. Einfach einschlafen, wenn er dachte, am Anfang hatte sie nie geschlafen. Scheint so, als hatte sie jetzt einen Drang dazu. Unerklärlich.
Bevor er wirklich länger blieb, ging er raus, sandte er seiner Schwester Jade eine mentale Nachricht.
„Jade, komm in mein Arbeitszimmer.“
„Warum klingen deine Bitten immer wie Befehle?“ Klang es, als würde sie schmollen, aber er kannte sie besser.
Mit einem Seufzen antwortete er ihr. „Tue es einfach, Jade.“
„Ist ja gut. Ist ja gut.“
Und die Verbindung brach ab. Mit einem Kopfschütteln begab er sich direkt in sein Arbeitszimmer. Gerade als er sich hinter seinem Schreibtisch setzten wollte, kam Jade fröhlich hereingeschlendert. Nur sie schaffte das. So war seine kleine Schwester immer gewesen.
„Hallo Brüderchen.“ Setzte sie sich fallend auf dem Sofa seiner Couch. „Ich habe dich heute schon den halben Tag gesucht, aber du warst ja nicht dagewesen.“
„Was weißt du?“
„Nun wirst du aber immer gemeiner.“ Zog sie einen Schmollmund. „Nicht einmal, wie geht es dir. Oder, schön das du wieder da bist. Oder, toll wie sehr du mich doch vermisst hast. Oder, wie hübsc...“
„Ist ja gut. Ich habe schon verstanden. Toll das du wieder da bist. Ehrlich. Du weißt, das ich mir immer Sorgen um dich mache, wenn du da draußen bist.“ Lächelte er sie an.
„Das freut mich echt zu hören. Also gut, ich habe schon einiges in Erfahrung gebracht und ich sage dir gleich im Voraus, es ist nichts Gutes.“ Wurde ihr Blick ernst und ihre Drachin sprach aus ihr. Ihre ganze fröhliche Art war wie weggeblasen. Aber ihm war es klar gewesen, dass sie nichts Gutes mit brachte.
„Was hast du heraus gefunden?“
„Ich war in der großen Hauptstadt Tarentea und die berichten vieles. Durch meinen unglaublichen Charme konnte ich einiges in Erfahrung bringen. Einige sind hinter deiner Elfe her.“ Blickte sie ihn weiter ernst an.
Schockiert schaute er seine Schwester an. Ihm war es schon bewusst gewesen, sie waren hinter Emmanline her. Schließlich hatte sie es ihm oft gesagt. Aber zu hören, war eine andere Sache. „Wer?“ Wandelte Schock in unbändigen Zorn um. Sein Drache tobte in ihm.
„Durch eine alte Freundin habe ich erfahren, dass es ein Dämon gewesen war. Ein Schakal Dämon, um genau zu sein.“
Verflucht, Schakal Dämonen waren die hinterlistigsten unter den Dämonen. Sie besaßen keine Ehre und sie waren ohne Skrupel, wenn sie ihre Ziele erreichen wollten. Die Schakale waren mit allem bestechlich. Verfluchte Bastarde.
„Was haben die davon, Emmanline gefangen zu nehmen?“
„Es könnte vieles sein. Darum habe ich Fenni auf diesen Schakal Dämon gehetzt. Später teilte er mir mit,..“
Konnte Lucien noch immer nicht verstehen, wie Jade sich mit diesen dreckigen Zwerg verständigen konnte. Immerhin war seine Zunge heraus geschnitten. Doch, ihm sollte es egal sein, solange seine Schwester ihn brauchte.
„...zwei Drachen hätten ihm den Auftrag gegeben. Vermutlich waren die Drachen Anhänger von Culebra gewesen. Das kann ich nicht genau sagen, aber eines ist gewiss, sie haben keine guten Absichten. Das steht fest. Egal wer es ist, derjenige ist fest entschlossen. Ein Schakal Dämon wird nicht der einzige sein, die es versuchen werden und glaube mir, sie wissen wo sich Emmanline befindet. Sie wissen, das sie hier bei dir ist und sie werden nicht aufhören. Egal was sie tun würden.“
Nein, das dürfte niemals passieren. Niemals würde er sie verlieren. Dafür würde er sorgen. Möge da komme was da wolle, niemand würde sie bekommen. Geschweige anrühren.
„Das wird niemals passieren. Niemand wird Emmanline bekommen.“ Knurrte Lucien besitzergreifend und wütend zugleich.
„Das ist mir schon bewusst, Lucien. Es ist auch keine Option. Ich glaube, Arokh ist nicht der Einzige, der vielleicht unter uns ein Verräter ist. Culebra mag vielleicht uns kennen, aber er könnte niemals genauere Informationen über uns haben. Wer weiß, wo die Spione sind. Ich an deiner Stelle würde aufpassen, wem du vertraust. Vor allem, was du preis gibst.“
Da war etwas dran und seine kleine Schwester hatte vollkommen Recht. „Ich werde es mir vor Augen halten.“
„Du solltest wirklich aufpassen, Lucien. Emmanline ist etwas besonderes. Alleine weil sie eine Elfe ist. Elfen seien vor einer Ewigkeit normalerweise ausgelöscht wurden, aber niemand hatte daran gezweifelt, das keiner mehr lebte. Sie sind schlau genug, wann sie wissen, sich verdeckt zu halten.“ Da stimmte er ihr weiterhin zu. Er hatte Informationen.
„Da scheinen die Fae anderer Überzeugung zu sein. Sie triumphieren über ihren gewonnen Krieg. Aber nur durch die Hilfe der Nymphen. Sollten sie heraus finden, das noch eine von den Elfen lebt, werden sie auch jagt auf Emmanline machen.“
„So ist es. Wenn diese nicht schon längst auf der Suche nach ihr sind. Der jetzige König Mórag ist wahnsinnig und so was von krank. Ich kann ihn überhaupt nicht als zurechnungsfähig einstufen. Er würde sie bis zum tot jagen. Vermutlich weiß er es schon längst von ihr und hat seine besten Killer auf sie angesetzt. Ich habe über ihnen auch nichts Gutes gehört, obwohl sie wenige von dieser Sorte haben, aber umso tödlicher. Über die sogenannten Sleeper.“ Zuckte Jade mit ihren Schultern.
Lucien war es bewusst, es ging seiner kleinen Schwester nicht spurlos an ihr vorbei. Nicht wenn es um das Wohl ihres Volkes ging. Und sie war verdammt gut in ihrem Element.
„Also bedeutet es, wir haben nicht nur einen, der uns gefährlich werden könnte.“
„Sieht so aus, Bruder. Wir sollten vorsichtiger sein, wie denn je.Wir dürfen jetzt nichts als schwach erscheinen. Es geht um das Wohl aller. Wir müssen auf alles vorbereitet sein. Ich werde weiterhin Informationen sammeln, was ich nur beschaffen kann. Ihr müsst euch hier etwas ausdenken. Vor allem Außerhalb dieses Schlosses. Vermutlich würden sie andere Drachensiedlungen angreifen.“
„Dann tun wir Maßnahmen treffen. Ich werde mich mit Darius zusammen setzen und was einfallen lassen.“
Darius war ein guter Stratege und wüsste darauf vielleicht einiges zu sagen oder sogar eine Antwort.
„Ich will das du aufpasst, Jade.“ War es schon keine Bitte mehr, sondern ein Befehl. „Es könnte schlimmer werden. Wenn es gefährlich wird, ziehst du dich zurück. Hast du mich verstanden?“
Jetzt lächelte seine Schwester. „Du musst dir keine Sorgen machen. Ich passe immer auf mich auf. Bis jetzt bin ich aus jeder Lage heraus gekommen.“
Und genau darum machte er sich auch die meisten Sorgen um sie. Er bezweifelte ja nicht, das sie ihre Sache nicht gut machte, aber manchmal hatte er die Befürchtung, ihr würde das zum Verhängnis werden. Dennoch konnte er nicht mehr als ihren Worten vertrauen. Sie war ein Drache und eisern, sowie hartnäckig, wie mutig.
„Ich nehme dich beim Wort, kleine Schwester.“ Lächelte er sie an. „Kannst du mir noch etwas sagen?“
„Nein, noch nicht. Ich versuche jetzt noch genauere Informationen zu sammeln, was Mórag als nächstes vor hat. Da ja sein letzter Plan, Lykae und Drachen aufeinander hetzen, fehl geschlagen war. Er wird sich definitiv was einfallen lassen und ich habe absolut keine Ahnung was auf uns zu kommen wird.“ Schloss seufzend Jade ihre Augen. „Auch wenn ich es nie gehofft hätte es zu sagen, aber ich bin vollkommen deiner Meinung. Es ist eine richtige Entscheidung darüber nachzudenken mit den Lykae ein Bündnis einzugehen.“ Wandte sie ihren Blick voller Ernsthaftigkeit auf ihn zu. Ihre Stimme den gleichen Ausdruck.
Es überraschte ihn wirklich wie entschlossen seine Schwester ihm gegenüber war. „Danke.“ War das einzige, was er da nur drauf antworten konnte.
„Jedenfalls tue was du kannst, wenn es unserem Volk dient. Darin hast du mein Vertrauen.“ Stand sie auf und streckte sie wie eine Katze in die Länge und gähnte einmal vergnüglich, ohne auf ihre königlichen Anstandsregel zu achten. Es gehörte sich nicht für eine Prinzessin, was sie eigentlich war, aber ihm scherte es einen Dreck.
„Ich werde mich dann mal zu Bett begeben. Ich bin Hundemüde.“ Kicherte sie. „Wie witzig das für ein Drache klingt. Dabei ist es doch hin und wieder eine leckere Mahlzeit für mich.“ Gluckste sie, wünschte ihm eine gute Nacht und verschwand aus seinem Arbeitszimmer.
Verrücktes Weib. Lachte er innerlich.
Seufzend lehnte er sich zurück und genoss für einen Augenblick die Stille um sich herum. Die Nacht war schon längst herein gebrochen. Er musste nicht aus dem großen Fenster hinter sich blicken, um es zu sehen, aber tat es dennoch. Zu sehr gewöhnt war er es.
Mit einem leisen Klopfen an der Tür wurde er aus seinen Gedanken und aus der Stille gerissen. Ruckartig wandte er seinen Blick in Richtung Tür. Lucien wusste sofort wer dahinter stand. Sofort erkannte er dieses Duft und er konnte es an der Präsenz in der Luft spüren. Es war unverkennbar und ein Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit.
„Du kannst ruhig herein kommen, Emmanline.“
Das glühende Flammenmeer umgab Emmanline erneut, in dem sie schon ein paar Mal gewesen war. Am Anfang war sie davor zurück geschreckt und hatte sogar Panik dessen verspürt. Aber jetzt wusste sie, dieses Meer voller Flammen wollte ihr nichts antun, sondern vor etwas bewahren. Sie wusste zwar noch nicht wovor, aber vielleicht würde sie den Grund eines Tages erfahren.
Ungewöhnlich, aber sie hatte sich wirklich an diese Umgebung gewöhnt. Dieses Meer aus Feuer, was dennoch nicht wirklich brannte. Es sollte vor Hitze alles verbrennen, aber es war nur eine angenehme Wärme auf ihrer Haut. Sofern sie es spüren konnte. Als wäre ein wohliger Mantel um sie gelegt worden. Dabei trug sie nichts als einen dünnen Stoff am Leib, während sie mit nackten Füßen über heiße Kohle lief. Trotzdem verbrannte sie ihre Fußsohlen nicht.
Erwartungsvoll trat sie wieder zu dem Baum heran, der ständig nach ihr rief. Nicht mit Worten, eher so eine Art von magischen Schwingungen, mit einer starken Anziehungskraft.
Emmanline hatte tief in sich gespürt gehabt, das Lucien noch eine andere Aufgabe zu erledigen hatte und sie hielt ihn auch nicht auf. Das würde sie auch niemals tun. Es war seine Pflicht als ein König. Zumal hatte sie ihn auch fortgeschickt, damit sie alleine sein konnte. Würde Lucien sich noch immer mit ihr in einem Raum befinden, könnte sie niemals dem weiter auf dem Grund gehen, weswegen sie hier war. Sie wollte wirklich den Dingen auf dem Grund gehen, was dieser Rubin beinhaltete. Nur einen klitzekleinen Augenblick und er würde sie wieder zurück reißen, ohne das sie Erfolg auf neue Antworten hätte.
Alleine konnte sie viel mehr erreichen, auch wenn es Lucien nicht akzeptieren oder sehen wollte. Immerhin hatte er sie darum gebeten, ihm zu helfen. Das tat sie auch. Darum konzentrierte sie sich nur noch ausschließlich auf diesen Rubin.
„Was willst du von mir?“ Fragte sie flüsternd zu den Baum. Sicher konnte er ihr nicht antworten, aber das war nicht nötig. Nicht weil sie die Antwort wusste, sondern weil sie die eigentlich auch nicht brauchte und wissen wollte. Dies passierte aus einem ganz bestimmten Grund, den sie nicht hinterfragen würde.
Wieder ganz nahe trat sie an diesen Baum heran und schaute hinauf, der größer und größer wurde. Stetig wurden die Verzweigungen immer mehr und es war ihr immer noch ein Rätsel, wie er weiter wachsen konnte. Es konnte nur ein Phänomen in ihrem Traum sein und dennoch war es kein Traum. Dies mochte eine Erscheinung in ihrem Geist sein, aber es musste eine Bedeutung geben, welche sie heraus finden würde müssen.
Aufmerksam beobachtete sie dieses Monstrum und versuchte irgendwas heraus zu finden, womit sie anfangen könnte. Einen Anfang finden, wonach sie gehen könnte.
Emmanline kniff ihre Augen zusammen, als sie noch immer nach oben blickte. Jetzt fing sie an mit ihrer Stirn zu runzeln. Etwas stimmte da nicht. Sie blinzelte einmal. Noch einmal. Vielleicht noch ein paar weitere male. Sie trat noch einen Schritt an den Baum heran, um vielleicht besser sehen zu können, dennoch gab es keine bessere Sicht, aber sie brauchte keine weitere Sicht, oder gar einen weiteren Schritt. Etwas wirklich erstaunliches bot sich vor ihren Augen, woran sie nicht geglaubt hätte.
Sanft legte sie ihre beiden Handflächen auf die raue trockene Rinde des Baumes und konnte einfach nicht den Blick von oben abwenden. Was sie da sah, war nur ein einzelnes...Blatt? Ein grünes kleines Blatt.
Der Baum war trocken, die Umgebung heiß und es gab nichts, was zum Schutz diente. Voller Überraschung und Unglauben betrachtete sie dieses kleine grüne Blatt, das an einem der vielen verzweigten dürren Äste hing. Normalerweise hätte es darunter verschwinden müssen, dennoch stach es heraus, so außergewöhnlich war das. Sie hatte ja schon viele Dinge in ihrem Leben gesehen, aber dies wahrhaftig noch nicht. Sie brauchte sich nicht umblicken, wie abstrakt das aussehen musste. All dies konnte sie auf den Gespinst ihrer Phantasie schließen, der ihr einen Streich spielte. Einen Streich, der sich wiederholte und sich etwas neues hin zu spinnen, wie ein Spinnennetz, das stetig größer wurde.
Nichtsdestotrotz war es mehr als nur ein Gespinst ihrer Phantasie. All das was sich vor ihr abspielte, immer und immer wieder, war die Schuld des Rubins der Drachen. Es hatte etwas abgrundtiefes, wenn es sich so offenbarte. Sie konnte es spüren, tief in sich drinnen. Tief in ihrem Herzen, in ihrer Seele, wo sie berührt wurde. Jetzt noch fester und tiefer, als je zuvor.
Also wie konnte es sein, ein solch hellgrünes Blatt existierte in einem Meer von Flammen? Dieses Feuer mochte ihr nichts anhaben, aber war dennoch auch der Baum davon betroffen. Sicher stand er nicht in Flammen, aber das Feuer kam auch nicht an den Baum heran, weil es durch Gestein und Geröll geschützt war. Es war mehr als seltsam und sie konnte vermutlich so viel ihren Kopf zerbrechen wie sie wollte, sie würde darauf keine Lösung und Antwort bekommen. Vielleicht eines Tages. Oder auch gar nicht. Wer wusste das schon.
Nur was sollte sie jetzt tun? Schön, der Baum hatte ein grünes Blatt. Was hieß das jetzt? Wuchsen jetzt langsam neue Blätter? Würde der Baum zum neuen Leben erwachen? Würde hier in diesem Traum oder was auch immer etwas widersprüchliches entstehen? Leben würde zwischen etwas vernichtendes entstehen. Etwas würde zwischen Hitze und Flammen wachsen, was es zuvor noch nie gegeben hatte.
Gleichzeitig war es doch wieder nicht ungewöhnlich. Immerhin war es wie ein Traum. Eine andere Welt die existierte, wo alles möglich sein könnte. Sogar auch ein Leben in einem tosenden Feuer.
„Sie tun es.“
Erschrocken drehte sie sich blitzartig um. Ihr Herz setzte einen Schlag aus und ihre Augen waren geweitet. Dort in all den Flammen gehüllt, stand ein kleines Mädchen. Das kleine Mädchen mit blond goldenen Haaren und lila Augen. Es war die kleine Tochter von Linava und Cynder.
„Sie tun es.“ Wiederholte sie die gleichen Worte wieder. „Mama und Papa wollen es versuchen.“ Entstand auf dem kindlichen Gesicht solch ein herzerwärmendes Lächeln, was sie beinahe zu Fall brachte. Hoffnungsvoll und so voller Vertrauen. „Jetzt darf ich endlich gehen und wieder da sein.“
Emmanline wusste nicht wovon sie sprach, aber sie wolle auch nicht nachfragen. Sie wollte nichts von diesem Strahlen in ihrem Gesicht nehmen, was sie so bezaubernd und unschuldig machte. Doch wie kam sie auf einmal hierher?
„Ich muss jetzt gehen. Er ruft nach mir.“ Blickte Laila über ihr hinweg, zum Baum hinauf.
Wer rief nach ihr? Mit einem Blick nach hinten, blickten sie den Baum an, aber gleich wieder zu dem Mädchen, die bereits wieder verschwunden war. Das Einzige was sie noch erkennen konnte, waren aufsteigende Funken. Jetzt konnte sie etwas in Verbindung bringen.
Erneut wandte sich Emmanline wieder zum Baum um und schaute zum grünen Blatt hinauf. Könnte es möglich sein, das dieses Blatt, Laila war? Also könnte dieser Baum noch grüner werden, wenn jetzt schon eines daran wuchs. Dies könnte ein Grund sein, warum die Drachen keine Erlösung fanden, weil sie gefangen waren. Gefangen in einer Zwischenwelt, zwischen Leben und Tod. Dies musste ein Fluch sein, was sie daran hinderte, einen wirklichen Abschied zu nehmen. Lag es an ihr, ihnen allen zu helfen? Sah sie jetzt alle tote Drachen um sich herum?
Sie bekam jetzt schon eine Gänsehaut. Warum sah sie sie erst jetzt und nicht schon früher? Lag es vielleicht daran, sie akzeptierte jetzt erst ihre Aufgabe, was der blutrote Rubin ihr auftrug? Womöglich. Sollte es so sein und sie könnte sogenannte Geister sehen, dann könnte es sehr schwierig werden. Vor allem zu viel. Was würde ihr begegnen? Wer würde ihr begegnen? Was würden sie tun? Oder gar handeln?
Wie könnte sie mit all dem umgehen, ohne verrückt zu werden?
Mit einem Seufzer wandte sie sich von dem Baum ab, denn sie musste darüber nachdenken. Und zwar nicht hier.
Emmanline schlug mit einem Schlag ihre Augen auf, aber blieb so liegen und starrte die Decke an. Ihre Gedanken rasten. Was sollte sie jetzt tun? Das übersteigt alles, was sie kannte.
Nach einer gefühlten Ewigkeit stand sie auf. Lucien war noch nicht zurück gekehrt und es musste wirklich was wichtiges gewesen sein. Sie konnte auch nicht sagen, wie lange sie in dieser Art Traum gewesen war.
Sie griff auf dem Bett nach einer dünnen braun gelben Decke, die sie sich um die Schultern legte, bevor sie das Zimmer verließ. Am Tage war sie eingeschlafen und jetzt war es dunkel, sowie die Gänge, die vollkommen leer waren. Egal ob sie nach links oder rechts schaute. Hinter sich schloss sie die Tür und machte sich auf dem Weg zu Luciens Arbeitszimmer, welchen Weg sie gut kannte. Sie kannte alle Gänge gut und wohin sie führten.
Gerade als sie um die letzte Ecke biegen wollte, hörte sie eine Tür öffnen und sah Luciens Schwester Jade aus seinem Arbeitszimmer kommen. Anscheinend bemerkte sie sie nicht und es war vielleicht auch besser so. Irgendwas schien sie zu beschäftigen, denn sie konnte es, an ihrem Gesichtsausdruck erkennen.
„Wo hast du gesteckt, Fenni?“ Klang ihr Ton tadelnd.
Da erkannte sie, neben ihr erschien ein kleiner Zwerg. Sie hatte ihn schon oft an ihrer Seite gesehen.
„Ach wirklich? Wo?“
Am Anfang hatte sie nicht verstanden, wie Jade sich mit diesen Zwerg verständigen konnte, aber nach der Zeit hatte sie es herausgefunden, ohne das sie nachfragen musste. Lucien hatte ihr zu Beginn erzählt, Fenni besaß keine Zunge mehr und konnte somit nicht mehr sprechen. Dennoch verstanden sie sich, denn zwischen ihnen bestand ein Band. Entweder sie besaßen einen magischen Gegenstand oder ein magisches Zeichen. Dies wollte sie auch nicht wissen.
„Führe mich dort hin?“ Befahl Jade den Zwerg im strengen Ton und sie verschwanden augenblicklich.
Einen Augenblick wartete sie noch, bis sie sich wieder in Gang setzte und sich Luciens Arbeitszimmer näherte. Leise klopfte sie an, aber sie bräuchte es eigentlich nicht, denn er wusste es auch vorher schon, als er sie herein bat. Ohne weiteres trat sie ein.
Als sie ihn jetzt so sah, sah er sehr müde und erschöpft aus. Seine Kräfte schienen ihn verlassen zu haben und es gefiel ihr nicht. Ohne zu zögern ging sie auf ihn zu. Ohne das er seine Hand heben musste und sie darum bat.
Emmanline ging um den Schreibtisch herum und ergriff seine Hände, die er ihr hinstreckte. Sie fühlten sich zwar warm an, aber doch etwas kühler als sonst.
„Du solltest doch schlafen, meine Vahdin.“ Lächelte er sie warmherzig, aber müde an.
„Was du jetzt auch tun solltest.“ Entzog sie ihm eine Hand und strich ihm eine verirrte dunkelbraune Strähne aus seinem erschöpften Gesicht. „Du siehst sehr müde aus, Lucien.“
Er lachte leise. „So fühle ich mich auch. Ziemlich im Eimer.“ Zog er sie an sich. Aber auf einmal war er zu ruhig, als er sie nur in seiner Umarmung hielt.
„Lucien, was ist los?“ Er antwortete nicht. Emmanline schlang ihre Arme um seinen Hals, als wüsste sie, er könnte es jetzt gebrauchen.Sie könnte jetzt noch einmal fragen, was los war. Erstens würde er ihr wieder nicht antworten und zweitens wusste sie, was die Antwort war.
„Es geht um mich, nicht wahr? Ich bin das Problem.“ Und sie hatte genau den Punkt getroffen, weil Lucien zusammenzuckte. „Deine Schwester Jade hat dir das berichtet, das man mich sucht, nicht wahr?“
Wenn Lucien sie nicht festgehalten hätte, wäre sie nach hinten gefallen, so schnell wollte er sie anschauen. Er stieß sie nicht von sich, wollte sie nur anschauen. Jetzt wusste sie Bescheid und bedachte ihn mit einem Lächeln, was jetzt viel leichter von ihren Lippen fiel.
„Ich bin nicht dumm, Lucien.“
Bei weitem nicht.
Gestand Lucien sofort ein, denn sie war keinesfalls dumm. Emmanline war für eine nicht Drachin, die selbstbewusste und klügste Frau, die er je begegnet war. Emmanline war etwas besonderes und kein Wunder das sein Drache sich zu solch einer besonderen Frau hingezogenen fühlte, die außergewöhnlich war. Die einem mitfühlend schwach machen konnte, wenn sie nur bezaubernd lächeln konnte, wie jetzt. Gut das er saß, denn er wirkte jetzt schon in ihrer Gegenwart wackelig auf den Beinen.
Ein Drache war eines der mächtigsten Kreaturen der Mythenwelt und verbreiteten nur Schrecken wohin sie auch nur kamen. Ihr Feuer hinterließ nur Tod und Asche, wenn sie ihrer freien Natur freien Lauf ließen. Drachen besaßen die schärfsten Klauen, die alles auseinander reißen konnten. Drachen besaßen rasiermesserscharfe Zähne, die alles zerfleischen konnten, ihr Kiefer so stark, die alles zermalmen konnten. Ihre Muskelkraft war unermesslich, die Luft ihr Revier. Drachen besaßen harte Schuppen, die einiges aushalten konnten. Drachen hatten viele Stärken und viel Macht, wenn sie ein Teil von Magie besaßen, wenn es auch nicht viel war.
Genau all das verkörperte Lucien, all diese Macht in einem Wesen. All dies und dennoch machte eine kleine winzige Frau ihn schwach und zähmte seine wilde und tödlichste Bestie in sich, das er sich vor ihr verneigte. Sein Drache senkte vor Emmanline sein Haupt, nur damit sie ihm die volle Aufmerksamkeit schenkte und niemals Angst vor ihm verspürte, weil er ihr vollstes Vertrauen haben wollte. Sie sollte ihr Leben in seine Klauen legen, damit er sie für immer beschützen konnte. Sein ewiges Leben für die Seine. Für immer,... wie es ein Schwur bezeugte. Ein Schwur, der bezeugte, für alle Ewigkeit die Frau zu beschützen, für die er geboren wurde und allein aus diesem Grund lebte. Für seine Seelengefährtin. Der Drache spürte und wusste es besser, als der Mann es selbst wusste.
Niemand hatte eine Ahnung was er in Emmanline sah. Niemand kannte sie, wie er sie kannte. Niemand sah sie, wie er sie sah. Wie wunderschön und klug sie war. Sie bewegte etwas, was er noch nicht genau benennen konnte, aber es veränderte sich einiges, seit sie hier war.
„Ich weiß was Jade ist. Ich kenne solche wie sie, die als Spione arbeiten. Auch wenn deine Schwester es auf ihre ganz andere Art und Weise tut, ist sie dennoch eine. Du musstest es mir nicht einmal verraten.“ Blickten ihre tiefen silbernen Augen in seine.
„Seit wann wusstest du das?“
„Kurz nach dem ich sie das erste Mal gesehen habe und die Verhaltensweisen deiner Schwester hat mich darauf gebracht.“
Er konnte einfach nicht anders, als einfach herzhaft anfangen zu lachen und konnte auch so schnell nicht mehr damit aufhören. Sein Lachen hallte von den Wänden wieder.
„Was gibt es da zu lachen? Hör auf damit.“ Legte sie ihre Hände auf seine Brust und versuchte ihn dadurch schubsen zu wollen, aber sie besaß die Kraft nicht dazu, was ihn nur noch mehr zum lachen brachte.
„Hör auf.“ Klang es von ihr schon etwas strenger.
„Schon gut. Schon gut. Ich höre auf.“ Gluckste er noch einmal. „Doch das musst du mir noch einmal genauer erklären. Welche Verhaltensweisen meiner Schwester haben dich darauf gebracht eine Spionin zu sein?“
„Lucien, muss das sein?“
„Oh ja, durch aus. Ich bestehe darauf. Ich bitte dich sogar darum.“ Lächelte er sie verschmitzt an. Sofort unterdrückte er ein weiteres Lächeln, als er sah, wie finster sie ihn anstarrte. So verdammt sexy und verführerisch.
„Na fein.“ Versuchte sie sich los zu machen, aber er ließ sie nicht gehen und sie gab schnell auf. War auch gut so, denn er wollte sie weiterhin spüren und berühren.
Die Decke um ihren Schultern war schon längst überflüssig geworden und lag vergessen auf dem Boden, während er sie an sich heran gezogen hatte. Seine Hände legten sich auf ihre Hüften. Mittlerweile stand sie zwischen seinen Beinen, ihre Hände lagen noch immer auf seiner Brust. Ihre Finger, zart und feingliedrig wie sie waren.
„Deine Schwester versucht es gut zu überspielen, in dem sie viele auf die sogenannten Nerven geht. Mir ist es sehr oft aufgefallen. Niemand erkennt es, was für ein grünes Feuer in ihren Augen lodert. Durch ihr Aussehen kann sie viele und vieles manipulieren. Viele wissen wie klug sie ist, aber nur wenige scheinen zu wissen, wie gerissen sie ist. Genau das scheint sie auszunutzen, um andere an ihrer Nase herum zu führen, wobei sie daran den größten Spaß zu haben scheint.“
„Den hat sie in der Tat.“ Murmelte er. Lucien betrachtete Emmanline ausgiebig. Er lauschte ihren Worten, aber noch mehr betrachtete er sie. All das was sie sagte, zu seiner Schwester, stimmte. Jade war eine kluge Frau, aber keiner wusste die Raffinesse von ihr. Jade könnte sie jeden zeigen, der sie für Schwach hielt, aber sie tat es nicht. Würde je einer Jade für einen schwachen Drachen halten, würde seine kleine Schwester denjenigen nicht vom Gegenteil überzeugen. Sie würde es nur mit einem Schulterzucken hinnehmen und meinen... Dann sei es so. Oder... Narren sind der Mühe nicht Wert, für die ich meinen königlichen Hintern bewegen werde. Sollen sie denken und sagen was sie wollen, das juckt meinen königlichen Hintern nicht.
Und jedes mal hörte er das Gelächter seiner kleinen Schwester, wenn sie diesen Spruch immer von sich gab. Vor allem, wenn sie von ihrem eigenen Hintern sprach. Dabei ging es ihm am Allerwertesten vorbei.
„Deine Schwester redet, redet, redet und redet, um alles von dem abzulenken, was sie überhaupt tut. Je mehr sie redet, je mehr stört sie andere und umso mehr ignorieren andere sie. Ich habe schon einige Spione gesehen, aber nicht so eine wie sie. Nicht wie ihre Herangehensweise. Das macht sie zu einer guten Spionin.“
Sein Lippen verzogen sich zu einem liebevollem Lächeln. „Du hast ein erstaunliches Auffassungsgabe, was mich sehr beeindruckt. Niemand könnte Jade je so einschätzen wie du. Wenn ich ehrlich bin, nicht einmal ich selbst. Jedenfalls nicht so ausgiebig wie du.“ Berührte er ihre Wange. Er liebte es ihre Haut zu berühren, weich und geschmeidig. „Du bist eine stille Beobachterin.“ Was keine Anklage war, sondern eine gute Eigenschaft, wenn er das bemerken durfte.
Emmanline schaute ihn für einen tiefen Augenblick in die Augen. „Dafür hatte ich eine lange Zeit um es zu lernen. Still zu beobachten.“ Fuhr sie mit ihren Händen über seine Brust zu seinen Schultern hinauf, während sie mit ihren Gedanken irgendwo anders war.
Diesmal schwieg er, ohne sie darauf aufmerksam zu machen, sie könne mit ihm reden, wenn sie es möchte. Er wusste sowieso, sie täte es nicht. Wer weiß, ob sie es jemals tun würde.
„Ich war fünf gewesen, als Culebra mich so viele Male zu sich in seine eisige Räume gerufen hatte.“ Fing sie an. „Ich wusste, was mich erwartete. Nur wusste ich nie, wie und was es sein würde. Culebra machte sich immer einen Spaß daraus, wie er mich töten oder quälen würde. Er dachte sich stets etwas neues aus. Wenn er es tat, vergaß er mich stets und ließ mich liegen. Culebra wusste, ich würde wieder neu auferstehen. So viele Male wie er mich schon getötet hatte, so viele Male konnte ich beobachten und lernen, wenn er andere um sich hatte. Egal ob seine Wächter, Mitstreiter oder Verbündete. Nie hatte er gedacht, ich würde je aus seinen Klauen verschwinden.“
Fünf Jahre? Er war mehr als schockiert, als sie anfing zu erzählen. Über sich, aber die Offenbarung war das Schlimmste. Sie vertraute ihm etwas an, was tief in ihr drinnen verborgen lag und zum ersten Mal erzählte sie ihm etwas.. Er fühlte sich nicht glücklich dabei. Nicht wenn es um etwas so grausames ging. Nicht wenn es um ein damaliges verlorenes Kind ging. Es tat ihm tief in der Seele weh, doch vor allem im Herzen. Es blutete für seine Seelengefährtin.
„Daher kommt auch meine Panik vor dem Fliegen, Lucien.“ Wurde ihre Stimme leiser und wandte ihren Blick ab.
Erst verstand er nicht, bis ihm dann ein Licht aufging und sein Herz setzte einen Schlag aus. „Emmanline, es tut mir leid, ich...“
„Du konntest es nicht wissen.“ Biss sie sich auf ihre Unterlippe. „Jedes mal, wenn du es mir anbietest zu fliegen, oder jemand anderes, bekomme ich panische Angst. Ich versuche es mir nicht anmerken zu lassen. In der Gefangenschaft haben sie sich oft den Spaß daraus gemacht, mich von ganz weit oben fallen zu lassen, ohne mich vorher wieder aufzufangen. Ich kann nicht mehr zählen, wie oft ich diesen Tod ins Auge geblickt habe.“ Wurde ihr Blick immer verbitterter und es war um ihn geschehen. Es gab ihm den Rest.
Mit einer Bewegung zog er sie auf seinen Schoß und lehnte sich mit ihr auf seinen Stuhl zurück, während er beschützend seine Arme um sie legte. Sie schlang ihre Arme sofort um seinen Hals und vergrub ihr Gesicht in seine Halsbeuge, als würde sie sich in ihm vergraben wollen. Dies könnte sie jederzeit tun.
„Ich werde dich nie wieder danach fragen. Nie wieder.“ Versprach er ihr.
„Er wird niemals aufgeben, Lucien.“ Antwortete sie stattdessen. „Culebra wird alles daran setzen um mich zu bekommen.“
„Ich weiß, das ich keine Antworten auf die Fragen bekomme, warum Culebra dich unbedingt haben will, aber dennoch will ich eines wissen, wie sehr hängt dein Leben davon ab?“ Klang er vollkommen ernst.
Emmanline schien überrascht zu sein, als sie sich zurück lehnte, um ihn anzuschauen. „Lucien?“
Sein Blick wurde schmal. „Ich akzeptiere es, wenn du nicht darüber sprechen kannst oder willst, aber ich akzeptiere es nicht, wenn es bezüglich um dein Leben geht. Ich werde dich vor ihm beschützen und ich will das du es annimmst. Mehr will ich nicht von dir. Culebra soll dir nie wieder Schmerzen bereiten. Verstehst du das nicht, ich will dich einfach nur beschützen.“ Fühlte er sich nur noch müder, als er seinen Kopf senkte und an ihre Schulter lehnte.
Für kurze Zeit musste Schweigen zwischen ihnen geherrscht haben, da Emmanline die Erste war, die sprach. „Es ist nicht, das ich nicht darüber sprechen will, Lucien, sonder, ich kann es nicht. Doch, ich akzeptiere es, das du mich beschützen willst und ich werde auch niemals mehr von dir verlangen, was du mir geben kannst. Tue was du kannst um mich zu beschützen, aber wage es ja nicht mich einzusperren.“
Drohte sie ihm?
Verwundert lehnte er sich zurück, damit er ihr ins Gesicht schauen konnte und sah in drohende silberne funkelnde Augen. Ja eindeutig, sie drohte ihm. Dies bezüglich brachte ihm zum schmunzeln und er musste ihr einen Kuss rauben.
„Nein, ich werde dich nicht einsperren.“ Versprach er ihr. Das meinte er auch ernst. Am liebsten und am einfachsten wäre es, aber am Ende keine Lösung. Er würde sie somit nur verlieren. Da würde er sich was einfallen lassen.
„Nun lass uns aber ins Bett gehen.“ Schlug Emmanline vor, während sie mit ihren Fingern sanft über seine Wange strich. Ihr Blick so weich, warm und zärtlich.
Jetzt kenne ich die Bedeutung, wenn einige vom süßen Tod sprachen. „Gibst du mir noch einen Augenblick?“ Lächelte er sie an. Wenn er jetzt aufstand, würde er sich vor ihr zum Deppen machen. Er hatte doch jetzt glatt weiche Knie bekommen und würde sonst sofort wie ein nasser Sack zu Boden stürzen. „Aber ich lasse dir den Vortritt.“ Schob er sie von seinem Schoß runter und gab ihr einen kleinen Klaps auf ihren knackigen Hintern, wo er ein kehliges Knurren hinterher gab. Er liebte und betete ihren Hintern an.
Emmanline machte ein empörtes Geräusch, blickte ihn finster über ihre Schulter hinweg an, während sie ihren Hintern rieb. Er wusste, sie tat nur so, denn so fest hatte er nicht zu gehauen. Er könnte ihr niemals wehtun.
„Gut, dann lass uns gehen.“ Stand er auf, da er sich nun sicher fühlte. Eindeutig, diese Frau machte ihn schwach.
Gemeinsam gingen sie in ihr Zimmer, welches sie gemeinsam bezogen hatten, zurück. Ohne Umschweife lagen sie eng beieinander und er hielt sie in seinen Armen, während ihr Kopf auf seiner Brust lag und eine Hand auf seinem Bauch, wie sie es mittlerweile jede Nacht tat. Er hatte sich schon so sehr daran gewöhnt, das er es nicht mehr missen wollte. Nie wieder.
Es dauerte wirklich nicht lange und sie beide schliefen sofort ein, ohne sich noch weitere Gedanken zu machen.
Ohne wirklich zu wissen wo Lucien sich befand, versuchte er sich zu orientieren. Das erste was er wahrnahm, war diese eisige Kälte. Es war eigenartig. Er war ein Feuerdrache, aber er hatte in seinem ganzen Leben noch nie so gefroren, wie in diesen Augenblick. Eisige Kälte kroch in seinem Körper hoch, das bis tief in seine Knochen eindrang. Es fühlte sich an, als würde in ihm überhaupt kein Feuer existieren. Nichts wärmte ihn von innen her und es beunruhigte ihn. Es machte ihn nervös.
Im ersten Moment tappte er im Dunkeln, als er langsam Klarheit bekam, vernahm er ein blendendes kaltes Licht, was ihn fast in den Augen weh tat. Er wollte die Arme heben um seine Augen zu bedecken, aber seine Arme fühlten sich bleischwer an. Doch durch einen ziehenden Schmerz, wusste er mehr. Wunderlich bemerkte er, er war an seinen Handgelenken mit einem dicken Strick festgebunden. Seine Handgelenke waren aufgeschürft und blutverschmiert, als hätte er ständig versucht sich aus diesen Fesseln zu befreien. Dabei hätte er sich ohne jegliche Mühe daraus befreien können. Er war ein Drache und es war nur ein Strick, der kein Hindernis für ihn darstellte. Dennoch schaffte er es nicht. Nicht einmal in diesem Augenblick.
„Nicht Emma, du machst es nur noch schlimmer. So werden deine Handgelenke nicht heilen.“ Sprach eine sanfte Frauenstimme, die so liebevoll und sanft klang, um jemanden zu beruhigen. Es klappte und er hörte auf.
Aber, Emma?
Verwirrt schaute er an sich herab und bemerkte erst jetzt, das es nichts seine Hände waren, die er betrachtete, sondern es waren Kinderhände. Nicht Kinderhände eines Jungen, sondern eines jungen Mädchen. Eines sehr jungen Mädchens. Er sah noch weiter an sich herab, bemerkte kleine nackte Füße und entblößte kleine Beine, der kleine Körper in einem dünnen Fetzen gehüllt. Genaustens übersetzt, mit einem Hauch nichts am Leib. Wenn er jetzt befürchtete, was hier geschah, dann brauchte er sich nicht wundern, warum er hier diese eisige Kälte verspürte und sein eigenes hitziges Feuer nicht.
Eigentlich war ihm in Erinnerung geblieben, dass er sich mit Emmanline in ein warmes Bett begeben hatte und mit ihr eingeschlafen war. Friedlich und seelenruhig, ohne an etwas zu denken. Er hatte sie an sich gezogen und sie in seinen Armen gehalten, bis sie eingeschlafen war und ihr dann versprochen sie jederzeit zu beschützen. Egal wo sie sein würde. Überall.
Zuvor hatte Lucien auch immer wissen wollen, was Emmanline in Culebras Gefangenschaft hatte erleiden müssen, nur um zu wissen, was er ihr alles angetan hatte. Er wollte es wissen, damit sie darüber sprach und nicht alles in sich einschloss und in all ihrer Dunkelheit ertrank. Er wollte sie dadurch nicht verlieren, aber er konnte sie dazu nicht zwingen, nur weil er es wissen wollte.
Jetzt, aus einen unerklärlichen Grund befand er sich hier, in Emmanlines Erinnerungen. In ihren Körper. In ihrer Vergangenheit. Er wusste es irgendwie, das es so war.
„Aber es tut so weh, Momma.“ Schluchzte Emmanline leise.
„Ich weiß.“
Lucien riss sich aus seinen Gedanken und konzentrierte sich auf das jetzige was vor ihm lag. Er wollte die Wahrheit wissen, was geschehen war. Alles was Emmanline betraf.
Nun nahm er auch die Frau vor ihm wahr. Ihm stockte der Atem. Diese Frau war das genau Ebenbild von Emmanline selbst. Nur war sie etwas größer und schlanker. Ihr Haar noch länger. Ihre Ausstrahlung war fast die gleiche. Emmanline hatte etwas sonniges und einen Hauch von den ersten Sonnenstrahlen eines Morgen an sich, aber diese Frau etwas vollkommen anderes. Es war etwas am frühen Morgen, was ihn an den morgendlichen Tau erinnerte. Frisch und rein.
Sie war zwar im Gesicht mit Dreck und Blut verschmiert, aber ihre Schönheit wurde um nichts vermindert. Keineswegs.
Ihm fiel auf, das ihre Mutter genauso gefesselt war, wie Emmanline selbst auch. Jeder saß an der gegenüberliegenden Wand. Um sie herum befand sich nur Eis, was er bis zu den Knochen spüren konnte. Es gab einfach nichts, wie er sich vor der Kälte schützen konnte.
Lucien bemerkte, der Ausgang besaß keine Tür, sondern war nur ein einfacher Durchgang wie in seiner Höhle. Emmanline hatte in der Ratssitzung erwähnt, er blieb nie lange an einem Ort, sondern wanderte. Da würde er sich wegen Türen keine sonderlichen Gedanken machen.
Wieder konzentrierte er sich auf die zwei weiblichen Personen in diesen Raum, die so tief miteinander verbunden waren.
„Ich will, dass du wiederholst, was du niemals vergessen darfst.“ Sprach ihre Mutter plötzlich auf mentaler Ebene mit Emmanline. Es kam so schnell, das es ihn überraschte.
„Ich darf niemanden vertrauen und mich niemanden nähern. Ich muss mich stets unsichtbar machen und ich darf keine Aufmerksamkeit auf mich erregen. Das ist sehr wichtig. Niemand darf wissen wer und was ich bin, sonst werden sie mich jagen bis aufs Blut und nicht eher ruhen, bis sie das haben was sie wollen. Ich werde es niemals vergessen, wie du es mir gesagt hast, Momma.“
Ihre Mutter fing an warmherzig zu lächeln. „Richtig. Ich bin sehr stolz auf dich, meine Filia.“
Was willkürlich auch ein Lächeln auf Emmanlines Gesicht zauberte, aber es erstarb sofort wieder. Er konnte es nur erahnen warum, als er die Schritte auf dem Gang hörte. Er konnte spüren, wie sein Herz anfing zu rasen. Nein, nicht seines, sondern das von Emmanlines. Schließlich steckte er in ihrem Körper fest. Er fühlte nun alles, was sie fühlte. Ihren rasenden Herzschlag, den schnellen Puls, den überflüssigen Adrenalinschub und die wachsende Panik.
Emmanline versuchte mit ihren gefesselten Handgelenken von den Höhleneingang hinwegzukriechen, in eine hintere Ecke. Auch wenn sie wusste, es gäbe keinen Schutz, aber weiter weg. Kinder dachten anders als Erwachsene.
Gerade als Emmanline eine hintere Ecke erreicht hatte und zu dem Eingang blickte, standen dort zwei finster hochgewachsene Männer. Der Rechte trug nur eine Hose und Stiefel. Ihm schien die Kälte nichts auszumachen. Er hatte tiefbraunes Haar und sein ganzer Oberkörper war mit Narben bedeckt. Der erste Gedanke der ihm kam, war, er musste ein Drache sein. Der Linke trug mehr Tierfellkleidung, was ihn vermuten ließ, das es ihn vor der Kälte schützen sollte. Nach seinem Aussehen zu urteilen war er kein Drache. Er erkannte es an seinen Augen, die dumpf und schwarz erschienen. Er war ein Dämon.
In Lucien schrillten die Alarmglocken und sein Beschützerinstinkt schaltete sich ein. Er wollte sich die Beiden schnappen und fertig machen. Allein wie sie Emmanline ansahen, wusste er sofort Bescheid. Sie wollten ihr wehtun und das machte ihn unsagbar wütend. Sein Drache wollte aus ihm herausbrechen, aber er hatte keine Chance. Er konnte nichts tun, weil niemand ihn sah.
„Na, wen haben wir denn hier?“ Hallte Gelächter von den Wänden wieder.
Emmanline schien es zu wissen, denn er konnte es spüren. Ihr Körper zitterte vor Angst.
„Genau nach dir haben wir gesucht.“ Kamen sie auf sie zu, wobei sie sich immer weiter versuchte zurück zu drängen. Doch sie kam durch die eisige Wand nicht weiter.
„Nein.“ Schüttelte Emmanline mit panisch weit geöffneten Augen den Kopf.
„Lasst sie in Ruhe.“ Schrie die Mutter von Emmanline aus der anderen Ecke voller Wut, als er sie in einem Augenwinkel sah, wie sie sich versuchte wollte zu befreien. „Fasst sie nicht an. Nehmt mich. Bitte lasst sie in Ruhe.“
Auch er wollte schreien, sie sollen sie nicht mit ihren dreckigen Pfoten anfassen. Niemand dürfte das. Er würde sie jeden einzelnen abhaken.
Die beiden Männer schienen nicht auf ihre Mutter zu reagieren, geschweige auf ihn, sondern der eine Drache packte lachend mit seiner Hand grob in Emmanlines Haar und zog sie auf die Beine. Emmanline schrie auf, als der Schmerz durch ihren Kopf schoss, den er auch verspürte.
„Schneide ihre Fesseln los.“ Befahl der Drache den Dämon und er schnitt ihre Handfesseln los. Emmanline griff sofort mit ihren Händen nach dem des Drachen um sich aus seinen Griff zu befreien. Sie hatte keine Chance. Nicht bei einer solch rohen Kraft..
Wie ein Spielzeug schleiften sie hinter sich her, die schreiende Mutter entfernte sich zunehmend von ihnen. Innerlich bekam Lucien eine Gänsehaut, weil selbst für ihn die Ungewissheit zu schaffen machte. Vielleicht hätte es ihn in seiner wahren Gestalt nicht so viel aus gemacht, aber er steckte in Emmanlines Gestalt, in Emmanlines Vergangenheit, fest. Er fühlte und erlebte genau das mit, was sie erlebte, oder erlebt hatte. Er durchlebte genau das, was sie hatte erleiden müssen. Es brach ihm schier das Herz. Doch er wusste, es würde noch schlimmer kommen und er wusste, es würde noch ganz anders kommen.
Keine Frage, er litt mit Emmanline, aber es steigerte seine Wut nur noch mehr.
Wimmernd und kraftlos schliffen sie Emmanline weiter hinter sich her, als sie sie in eine riesige Höhlenkammer brachten, wo sich viele Drachen aufhielten. Viele waren verwandelt und ragten über ihnen auf. Aber auch viele andere Fraktionen und Völker wie Dämonen, Vampire, Hexen, Nymphen, Gestaltenwandler und sogar Inkubuse waren vertreten. Entweder sie kämpften gegeneinander, hurten oder hatten Sexorgien miteinander, oder sie besaufen sich einfach nur.
Inmitten all dieser, auf einem eisigen Thron saß dieser Verräter Culebra voller Stolz und Ehrfurcht, als gehöre ihm alles. Doch nach Jahrhunderten sah er ihn, diesen Verräter, zum ersten Mal wieder. Auch wenn es aus Emmanline heraus war.
Lucien war entsetzt. Nicht weil er ihn so sah. Hatte er all diese Schar zu einer Armee zusammen geführt? Zu seinem eigen Imperium? Zu seiner eigenen Macht? So viele Fraktionen zu einem?
Ihm blieb die Luft weg und er wusste nicht was er denken sollte. Er und all die anderen wussten, Culebra war ein gefährlicher Drache und Feind und er war einer der besten Strategen. Culebra war ihnen auch immer einen Schritt voraus, sonst hätten sie ihn schon längst, aber wenn er dies jetzt sah, die Höhle voll von diesen unzähligen Anwesenden. Es müssten an die Zweihundert sein und er konnte nicht erahnen wie alt diese Erinnerung von Emmanline war.
Mit einem dumpfem Aufprall fühlte er den Schmerz durch seinen Körper schießen, als er auf dem Boden aufschlug. Fühlte es durch Emmanline. Mühsam versuchte sie sich aufzurappeln, indem sie ihre Hände auf den eisigen Boden legte und sich versuchte mit aller Kraft aufzustemmen. Ihre Augen waren geschlossen und somit konnte er nichts erkennen, aber als sie sie wieder öffnete, sah er eine Spiegelung. Der Boden gab durch das Eis, zwar etwas verzerrt, das eigene Spiegelbild zurück.
Sein Herz setzte ein weiteres Mal aus. Ihr Gesicht war Kalkweiß und teilweise mit Blutergüssen, die schon auf dem Wege der Heilung waren. Überall an ihr hing Schmutz. Wie alt war sie da gewesen? Sieben vielleicht? Den heiligen Göttern, nein. Viel zu jung und doch musste sie schon durch so eine Hölle gehen und er spürte es, es war erst der Anfang von alle dem. Er spürte es. Es brach ihm erneut das Herz. Wie viele Male würde ihm das passieren? In wie viele Splitter?
Er wollte sie daraus holen, aber konnte es nicht. Er besaß die Macht nicht dazu.
Erneut verspürte er eine unbändige Wut und er wollte einfach nur ausbrechen. Er wollte toben und sein Drache wollte zum Ausbruch kommen, wie ein Vulkan. Jetzt gerade war er am gefährlichsten und genau in diesem Augenblick wollte er töten. Lucien wusste, vor ihm war alles ein Trugbild, aber er konnte trotzdem seinen Zorn keinen Einhalt gebieten. Nicht wenn er die Visage von diesem Bastard sah.
„Wenn das nicht mein Lieblingsspielzeug ist.“ Lachte Culebra voller Hohn auf, der in seiner Drachengestalt auf dem Thron saß. „Bist du heute bereit dazu?“ Verschwand sein Spott aus seiner Stimme sofort und wurde Ernst.
Emmanline setzte sich auf und blickte ihn direkt an, aber antwortete nicht. Sie forderte ihn nicht heraus, weil sie sich fürchtete. Dann wurde das Grinsen von Culebra breiter. In Drachengestalt war es noch grauenhafter, während er seine rasiermesserscharfen Reißzähne zeigte. Culebras spitzer Schwanz schnellte nach vorne, umschlang Emmanlines schlanken Hals und hob sie in die Luft empor. So schnell hätte sie, selbst er nicht, reagieren können.
Verzweifelt versuchte sie sich aus seinen tödlichen Griff zu befreien. Ohne Boden unter den Füßen hatte sie noch weniger Chancen dazu und die anfeuernden Rufe im Hintergrund waren beängstigend. Als wäre dies ein Schauspiel der Freude. Oder ein Stimmungsmacher.
Culebra hob Emmanline bis zu seiner großen Schnauze heran, sein Atem übel riechend. „Du bist so ein dummes dummes kleines Mädchen. So jung und doch so dumm. Anstatt es einfach zu sagen was ich wissen will, willst du doch lieber leiden. Jeden Tag aufs neue. Dabei könnte es für dich doch viel einfacher sein. Stattdessen hörst du auf deine herzlose Mutter. Sie ist Schuld das du so leidest.“ Sprach er nur so laut, das nur sie es hören konnte. „Es sind doch nur einfache Fragen. Was ist dein Geheimnis, warum du immer wieder zu den Lebende wiederkehrst? Egal welchen Tod du erliegst? Ich will es wissen. Sind es irgendwelche magischen Relikte? Zaubersprüche?“ Wurde sein Blick immer wahnsinniger.
Da wurde Lucien erst richtig bewusst, wie sehr Culebra der Macht hinterher war. Emmanline behielt Recht und er konnte sich vorstellen, wie gerne er ihn vom Thron stoßen wollte. Er hätte es sich auch so vorstellen können, aber jetzt bekam er die Vorstellung, das er es wirklich vorstellen konnte. Sogar das er auch die Macht besaß, er könnte das Volk der Drachen in eine Richtung herrschen, das Jenseits von Gut und Böse war. Es grenzte vom größten Wahnsinn.
„Nein.“ Krächzte Emmanline. „Ich werde es dir niemals verraten.“ Presste sie die Worte mühsam heraus, als sie ihre Augen schloss. Immer wieder verschwamm die Sichtweise vor ihm und das Atmen viel ihm schwerer, da der Griff um dem Hals fester wurde.
Am Rand nahm er ein wütendes Brüllen wahr. „Dummes Weibsgör.“ Damit verschwand er von den Anwesenden weiter ins Höhleninnere. Da wusste er, Culebra hatte jetzt noch weitaus schlimmeres vor. Ohne noch etwas mitzubekommen wohin es ging, spürte er irgendwann, noch mehr Kälte um sich herum. Noch eisigere Kälte als zuvor. Mit einem Schock wurde er hellwach und fand sich im eisigen Wasser wieder, das Herz schlug unnatürlich schnell in der Brust. Verzweifelt bemühte er sich an der Wasseroberfläche zu halten, aber es war kaum möglich.
„Na, was ist los? Schon so oft schwimmen gewesen und noch immer kein schwimmen gelernt?“ Lachte Culebra amüsiert am Rand des Sees in der Höhle auf.
Japsens versuchte Emmanline sich an der Wasseroberfläche zu halten. Mit Armen und Beinen strampelte sie wild im Wasser, verzweifelnd nicht unter zu gehen. Lucien spürte, wie schnell die Kraft aus ihren Körper verschwand und die restliche Wärme sich entzog. Da sie noch ein Kind war, würde sie in solch eisigen Gewässer schnell unterkühlen und ihr Herz würde noch schneller aufhören zu schlagen, als hätte sein dürfen. Sein Herz zog sich noch mehr zusammen, als für ihn gut tun dürfte.
Nicht mehr lange und sie würde aufhören sich zu bemühe an der Wasseroberfläche zu halten. Es war nicht tief in sich drinnen, aber in Emmanline Bewusstsein spürte er, sie würde aufgeben, aber ihr Überlebensinstinkt sagte ihr, sie müsse um ihr Leben kämpfen. Es schmerzte ihm, das sie so dachte, sie müsse aufgeben, anstatt zu kämpfen, aber vielleicht würde er auch so denken, wenn er immer wieder so leiden müsste.
Dann plötzlich, als wurde ein Schalter umgelegt, wurde Emmanline ruhig und wehrte sich nicht mehr. Mit ihrem ganzen Körper sank sie wie ein Stein in die Tiefe des Wasser. Ihre Lungen wurden sofort mit Wasser gefüllt und ihr Atem blieb aus. Alles um sie wurde es urplötzlich leicht und schwerelos und bedeutungslos. All dies konnte er aus ihr fühlen. Bis die Dunkelheit wieder über ihn herein brach und er den letzten Herzschlag spüren konnte, das in der Brust von Emmanline schlug. Nur ein einziges Mal und es war vorüber.
„Lucien?“
Lucien wurde durch einen lauten Schrei wach. Sein Herz raste unglaublich schnell. Seine Augen waren vor Panik weit aufgerissen, er war Schweiß gebadet und starrte geradewegs an die Decke. Unter ihm spürte er eine weiche Matratze. Über ihm beugte sich ein vertrautes, aber besorgte und bekümmertes Gesicht, woran er sich noch gewöhnen musste. Sanft wurde er von zarte und liebevolle Hände an seinen Wangen berührt.
„Emmanline?“
„Pssscht.“ Beruhigte sie ihn. „Ich bin hier.“ Lächelte sie leicht.
Sofort riss er sie in seine Arme und drückte sie wortlos an seine Brust. Schweigend musste er sie halten. Wie sollte er jetzt damit umgehen? War das wirklich real gewesen, was er da geträumt hatte? War das Wirklichkeit gewesen?
„Lucien, was ist denn los?“ Keuchte Emmanline atemlos an seiner Brust auf.
Es war doch alles nur ein Gespinst seiner Fantasie, oder nicht? Weil er im Ungewissheit steht. Weil Emmanline ihm nichts erzählte. Er konnte sich alles zusammenreimen, weil Culebra grausam und erbarmungslos war. Er könnte alles tun, ohne Gnade.
„Lucien, sprich mit mir?“ Sprach sie weiter auf ihn ein.
Aber warum konnte er dann so viele Details von ihr sehen? Wie ihre Mutter? Oder solche Gespräche zwischen ihnen? Die Versammlungen der verschiedenen Fraktionen? Die Gefühle von Emmanline? Ihre Schmerzen und ihr Leid? Vor allem ihr Tod?
„Ich hatte einen Traum.“ Konnte er ihr endlich antworten.
„Einen Alptraum?“
„Ja. Nein. Ach, ich bin mir nicht sicher.“ War er sich unsicher.
Sie versuchte sich aus seinen Armen zu befreien und er ließ sie gewähren. Aufgerichtet, blickte sie auf ihn herab. „Was hast du gesehen?“
Sollte er ihr das wirklich erzählen? Es kam ihm zu unwirklich und schrecklich vor.
Doch, dann erzählte er ihr alles. Alles was er gesehen hatte. Was er gefühlt, gehört und dabei gedacht hatte. Wirklich alles und ihm war nicht wohl dabei. Nicht wenn er jetzt Emmanlines Gesichtsausdruck sah, wie kalkweiß und fahl sie aussah. Ihre Augen waren ausdruckslos und entsetzt zugleich. Er konnte nichts in ihnen erkennen und es traf ihn zutiefst.
„Ich weiß nicht warum, ich schwöre es, Emmanline. Ich weiß nicht warum, ich all das sehen konnte. Ich bin mit dir hier in den Armen eingeschlafen und befand mich dort.“ Schwor er ihr zutiefst. Er würde sie niemals hintergehen und etwas finden, um heimlich etwas zu finden, um in ihre Erinnerungen zu tauchen. Nicht in ihre Vergangenheit. Es käme mit etwas gleich, als würde er sie missbrauchen. Vor allem hätte er somit ihr Vertrauen missbraucht.
Dennoch machte es ihn selbst zu schaffen. Er bekam es einfach nicht aus seinen Kopf heraus. Wieder und wieder spürte er Emmanlines Herzschlag wie es in ihrer Brust schlug, aber dann mit einem Schlag nicht mehr. Es war wie damals, als sie in seinem Armen gestorben war, für ihn. Mit einem tödlichen giftigen Pfeil in ihrer Brust.
„Lucien?“ Hörte er entsetztes Luft schnappen und kurz darauf berührten zarte Finger seine Wangen.
Erst da spürte er Nässe auf seinen Wangen und wie verschwommen seine Sicht war. Wie erbärmlich, er heulte jetzt doch tatsächlich wie ein kleines Kind.
„Es hat mir das Herz gebrochen, als ich dich hab da so sehen müssen, ohne das ich was tun konnte. Dabei hatte ich dir versprochen, dich vor allem und jeden zu beschützen. Vor jedem Leid und Schmerz. Doch in diesem Augenblick konnte ich gar nichts tun. Absolut nichts, egal was ich tat. Ich wollte ausbrechen, beißen, zerreißen und töten. Jeden einzelnen in dieser Höhle. Vor allem diesen Bastard Culebra. Nur um dich zu beschützen. Er hat dir wehgetan. Fürchterlich wehgetan und ich wollte ihn hundertfach dafür büßen lassen. Mit unendlichen Qualen und Schmerzen leiden lassen. Verstehst du das denn nicht. Ich ertrage es einfach nicht.“ Konnte er einfach nicht mehr ihren Blick stand halten und wandte sich von ihr ab.
Zarte dünne Ärmchen schlangen sich um seinen Hals und drückten ihn. „Es tut mir leid.“ Drückte sie seinen Hals etwas fester. „Ich bin es einfach nicht gewohnt so viel Aufmerksamkeit zu bekommen und das sich jemand so sehr um mich kümmert, außer meine Mutter damals.“ Rieb sie ihre Wange an seiner.
Seine Arme schlangen sich um ihren zierlichen Körper und er konnte sie nicht mehr loslassen. Niemals wieder.
„Du hast ein großes Herz, Lucien.“ Klang viel Wärme aus ihrer Stimme, die er nie zuvor von ihr vernommen hatte. Es traf ihn zu tiefst. Er wollte sie nie wieder gehen lassen.
Nun wurde ihm nur noch schmerzhafter bewusst, wie stark Emmanline mit ihm verankert war. Sein Teil seiner Seele war schon mit ihrer tief verwurzelt, aber ob es umgekehrt auch so war, da wusste er, dies war noch nicht der Fall. Egal was kommen würde, es würde ihn als erstes zerstören, sollte Emmanline irgendwann nicht mehr sein.
Emmanline wusste besser als wie jedes andere Wesen, wie gefährlich ein Drache sein konnte. Wie blutrünstig und mörderisch. Brach ihre wahre Kreatur erst voller Zorn und Wut aus, konnte nichts und niemand ihnen Einhalt gebieten. Unzählige Male hatte sie das schon miterleben müssen. Nichts als Zerstörung und Asche würde zurück bleiben, hätten sie erst einmal ihren heißen Feueratem auf die Erde niederprasseln lassen. Alles würde nur Tod und Asche hinterlassen.
Drachen waren gnadenlose Bestien, die alles zerfleischten, was sie zwischen Klauen und ihren scharfen Reißzähnen bekamen. Ihr Hunger und ihre Gier war grenzenlos. Sie nahmen sich alles, womit sie sich zufrieden gaben.
Lucien war eines dieser gnadenlosen Bestien, die Schrecken und Tod verbreiteten, aber dennoch war er anders. Er fühlte und handelte anders. Sie sah es. Genau in diesem Augenblick. Vor allem seine Tränen in seinen Augen sagten ihr alles und sie konnte ihm nicht mehr böse oder wütend sein. Es löste sich einfach in Luft auf und sie konnte ihm stattdessen nur in ihre Arme nehmen und trösten. Es kam aus ihrem tiefsten Inneren.
„Ich glaube es dir.“ Meinte sie es wirklich ehrlich. Sie glaubte ihm, wenn er ihr jetzt so beteuerte, was er über ihre Vergangenheit gesehen hatte. Sicher es hatte sie mehr als schockiert und entsetzt, denn es waren ihre Erinnerungen die sie mit niemanden teilen wollte. Nicht weil es niemanden etwas anging, sondern weil sie sich irgendwie dabei unangenehm fühlte. Sie wollte kein Mitleid oder derart andere Gefühle. Sie wollte einfach kein mitleiderregendes Wesen sein.
„Auch wenn ich es nicht verstehe, warum du es sehen konntest.“
„Ich will es wissen und verstehen, Emmanline. Vor allem woher es kommt. Ich will nichts von dir wissen oder erfahren, wenn du noch nicht bereit dafür bist. Sofern du es überhaupt willst, über deine Vergangenheit zu sprechen. Niemals will ich etwas erzwingen oder dir etwas wegnehmen, womit ich mir deine vorhandene Zuneigung und Aufmerksamkeit zunichte mache. Du bist meine Seelengefährtin. Ich wäre ein riesengroßer Narr, würde ich das aufs Spiel setzen.“
Unbewusst musste sie an seinem Hals lächeln, als sie seine Worte vernahm. Es berührte sie, weil sie spürte, welche Ehrlichkeit aus ihm kam. Er wollte ihr nicht wehtun oder gar auf andere Art und Weise. Er wollte sie beschützen.
Emmanline befreite sich aus seiner Umarmung, auch wenn es ihr widerstrebte, weil sie sich in seinen Armen wohl fühlte. Wie nie zu vor. Um ihren Wort mehr Kraft zu verleihen, legte sie ihre Handflächen auf seinen Wangen und blickte ihm tief in seinen Augen. „Solltest du je noch mehr von meinen Erinnerungen sehen, Lucien, musst du mir einiges versprechen.“
„Alles was du willst.“ Antwortete er ihr sofort und es verschlug ihr den Atem. Damit hätte sie nicht gerechnet.
„Solltest du je wieder einen Traum haben, wenn es um mich geht. Egal was es ist, du musst mir stets erzählen, was du gesehen hast. Verheimliche nie meine eigene Vergangenheit vor mir, egal wie furchtbar sie sein mag.“
Auch wenn sie sah, dass es ihm nicht leicht fiel, stimmte er ihr dabei zu. Sie wusste jetzt, er würde ihr nie wieder was verschweigen. Sei denn, sie würde es ihm verbieten und dies bedeutete ihr wirklich sehr viel.
„Was mir noch wichtiger ist, wie sehr du das Verlangen verspürst mich zu beschützen, weil ich deine Seelengefährtin bin, darfst du nicht auf den Gedanken kommen oder dem Drang nach geben, mich einzusperren. Sperre mich niemals ein.“ War es ihr vollkommen ernst.
Ihr schien es, als würde Lucien sie eine halbe Ewigkeit anschauen und sie fühlte sich auf einmal unbehaglich in ihrer Haut. Und das plötzlich und sie wusste noch nicht einmal warum. Dabei hatte sie doch das Recht nicht eingesperrt zu werden, oder etwa nicht?
„Glaubst du etwa immer noch, ich würde dich einsperren?“ Wurde sein Ton ernst und befreite sich von ihrer Berührung.
Unwillkürlich musste sie schlucken und sie wäre am liebsten abgerückt, als sie jetzt in seine Augen starrte. Ihre Augen weiteten sich vor Schreck, denn seine funkelten wie heiße Kohlen, was in der Art heißen sollte, sie sollte sich vorsehen.
Emmanline presste ihre Lippen fest aufeinander und ihr Herz fing auf einmal mit einem schnellen Gang anzuschlagen. Plötzlich bekam sie auch keine Luft mehr, je länger sie ihn anschaute, denn seine Augen verschlangen sie regelrecht und sie konnte sich einfach nicht von ihnen abwenden. Es war wie eine Liebkosung, aber gleichzeitig aber auch eine Warnung an sie.
„Wie oft muss ich dir noch sagen, das ich dich niemals einsperren würde? Ich mag es zu Anfang getan haben, was ich zutiefst bereue, aber ich werde es nie wieder tun, das schwöre ich bei meiner Ehre. Auch wenn ich den Drang verspüre dich bei mir zu behalten und dich vor allem und jeden zu beschützen, weiß ich dennoch, dass ich dich nicht wie ein Vogel in einem Käfig einsperren kann. Ich weiß ganz genau, ich würde dich dadurch verlieren und alles kaputt machen, was ich je zwischen uns gewonnen habe. Deine Nähe, deine Berührungen und deine Zuneigung. Sogar jetzt, deine Wärme und dein bezauberndes Lächeln, womit ich nie zu hoffen gewagt hätte, es sehen zu können. Deine Gefühle zu sehen. Dein Lachen, deine Tränen, deine Wut, deine Herzlichkeit,...einfach alles an dir, Emmanline. All das will ich niemals verlieren. Aus all diesem Grund würde ich dich niemals einsperren.“
Erst bemerkte sie es nicht, dann konnte sie es nicht kontrollieren wie Tränen sich in ihren Augen bildeten. Seit sie diesen großen Gefühlsausbruch hatte, wie Lucien es genannt hatte, war sie anscheinend anfällig und es kam einfach über sie. Sie konnte es noch nicht kontrollieren, so frisch war es. Wie sollte sie das bitteschön auch?
Lucien schien es zu bemerken, wie sich salzige Tränen in ihren Augen bildeten und sein Gesichtsausdruck wandelte sich von ernst zu sanft. „Hey, nicht weinen.“ Strich er zärtlich über ihr Haar und legte eine Hand in ihren Nacken und zog sie zu sich heran, damit er seine Stirn gegen ihre legen konnte. „Anscheinend muss ich es dir immer wieder verständlich machen.“ Lächelte er sie an.
Irgendwie lächelte sie zaghaft zurück und versuchte ihre Tränen weg zu blinzeln. „Oder es liegt daran, ich will das du es tust.“
„Willst du das?“ Schien er überrascht zu sein.
„Ich weiß nicht. Diesmal hatte ich das Gefühl, du würdest es womöglich aus Angst tun. Als ich gesehen habe, wo du aufgewacht warst, habe ich deinen Drachen sehr nahe an der Oberfläche gesehen. Er wollte aus dir ausbrechen und hätte mich am liebsten gepackt und irgendwo hingebracht, wo mich niemand finden würde. Dein Blick war voller Panik und Angst. Aber gleichzeitig voller Wut und Zorn. Als du mir dann erzähltest, es ging um meine Vergangenheit überstieg es meine Gedankenkraft. Ich weiß noch immer nicht, wie das sein kann, warum du plötzlich etwas aus meiner Vergangenheit siehst.“ Seufzte sie und schloss für einen kurzen Moment ihre Augen. „Ich will das niemand etwas darüber erfährt. Über mich und meine Vergangenheit.“
Emmanline öffnete ihre Augen wieder, als sie ein Zucken von Lucien wahrnahm und erkannte an ihm, wie betroffen er aussah. Anscheinend hatte sie etwas zu ihm gesagt, was er nicht hören wollte. Was ihn verletzt hatte.
„Ich will ehrlich sein Lucien. Wenn du meine Erinnerung gesehen hast, musst du dich erinnern, das ich meiner Mutter immer wieder einen Schwur wiederholen musste, den ich nie vergessen durfte. Ich darf ihn nicht brechen.“
„Ich kann dich beschützen, Emmanline. Vor allem, wovor du auch Angst hast.“
„Nein, kannst du nicht.“ Schüttelte sie mit ihrem Kopf. „Ich akzeptiere es hier und jetzt, das du mich beschützen kannst, aber du könntest es niemals in alle Ewigkeit. Dies musst du akzeptieren, Lucien.“
Zornig funkelte er sie an. „Das werde ich nicht akzeptieren.“ Riss er sich von ihr los und stand auf und blieb vor dem Bett stehen und blickte auf sie herunter. Er war noch größer vom Erscheinen, was ihn bedrohlicher machte. „Merke dir eines, Emmanline, ich bin König und ich habe eine unermessliche Macht und ich bin ein Drache. Ich kann dich jawohl beschützen und werde alles daran setzen es zu tun. Du bist meine Seelengefährtin und ich empfinde das als Kränkung und Beleidigung, das du so wenig Vertrauen in mich hast.“ Knurrte er verärgert und sie konnte eine Menge verschiedener Emotionen in seinen leuchtenden Augen widerspiegeln sehen.
Dies brachte einen dicken Kloß in ihren Hals, den sie nicht so leicht unter schlucken konnte.
Für einen kurzen Augenblick schaute er sie einfach nur an, bevor er sich von ihr abwandte und Richtung Tür bewegte. Ohne etwas zu sagen verließ er einfach das Zimmer. Ohne ein einziges Wort. Gut, jetzt fühlte sie sich eindeutig schlecht.
Bis eben fühlte sich der Raum noch warm und wohlig an, aber jetzt kalt und leer an. Sie wusste überhaupt nicht, wie bedeutend seine Präsenz sein konnte. Nein, das war gelogen. Natürlich wusste sie das. Dies hatte sie schon vor einer längeren Zeit gewusst, wie wichtig ihr das geworden war. Wie nahe er ihr doch gekommen war. Wie wichtig seine Nähe, Zuneigung, Berührungen und Wärme für sie waren. Alles von ihm waren ihr wichtig. Es kam alles so plötzlich, kaum das sie sich versah und sich gegen ihn nicht mehr wehren konnte. Jetzt hatte sie sich in etwas reingeritten, wo sie nicht mehr heraus kam und genau das hatte sie befürchtet. Genau vor dem hatte sie sich schützen wollen.
Und genau jetzt hatte sie es vermasselt, weil sie einfach dumm war. Und weil sie einfach nicht fähig war kein richtiges Vertrauen aufzubauen. Ja, sie gab ja zu, zu einem gewissen Teil vertraute sie ihm wirklich. Wie könnte sie ihm denn erlauben, dass er sie beschützen könnte? So leichtfertig würde sie niemanden ihr Leben in die Hände legen. Vor allen keinem Drachen. Lucien war der einzige dem sie es jemals zugestehen würde, weil er all diese Gefühle und Empfindungen in ihr hervorrief. Nicht nur das. Seine Zärtlichkeit und seine Liebenswürdigkeit besänftigen sie auf die tiefe Art und Weise trafen sie in ihrer Seele, wo niemand sie berührte. War es dieses Band, wovon Lucien so oft sprach? War es dieses Band zwischen zwei Seelengefährten?
Je mehr sie nachdachte, je mehr erschöpfte es sie. Was war in letzter Zeit mit ihr los? Sie fühlte sich auf Dauer immer ausgelaugter und müder. Zuvor kannte sie so etwas wie Schlaf überhaupt nicht. Das über zweihundert Jahrhunderte nicht. Dann auf einmal konnte sie ein paar Stunden Ruhen und jetzt schlief sie Nächte durch. Nun hatte sie geregelte Stunden wo sie Schlaf brauchte. Irgendwas stimmte nicht mit ihr, aber sie konnte einfach nicht einordnen was es ist.
Seitlich ließ sie sich aufs Bett fallen und rollte sich zu einer Kugel zusammen und überrascht stellte sie fest, jemand hatte sich neben sie gesellt. Vollkommen hatte sie vergessen, dass sie ein kleines Kätzchen im Zimmer gelassen hatte. Zwei Tage hatte sie es vergebens gesucht gehabt, als es plötzlich verschwunden gewesen war. Sie war vom Schlimmsten ausgegangen, wo sie daran zurück dachte, als Linava meinte, es kam vor, kleine Katzen wurden als kleine Mahlzeit betrachtet. Aber wenn sie jetzt in diese wunderschönen lebendigen leuchtenden Augen blickte, atmete sie erleichtert auf.
„Hallo. Wo warst du denn gewesen? Ich hatte dich gesucht und mir schreckliche Sorgen um dich gemacht.“ Lächelte sie das Katzenjunge an, das sie mit großen gelb grünen Augen anstarrte. Es hatte so schöne hübsche Augen, die aufmerksam und intelligent erschienen. Leicht streckte sie ihren Arm aus, damit sie über den kleinen Kopf streicheln konnte. „Dann sind nur wir zwei übrig.“
Sofort kam die Katze an sie heran gekuschelt und fing an zu schnurren, wie es vom ersten Augenblick an getan hatte, als sie ihn auf den Arm genommen hatte. Sie bemerkte, es war ein er, so ausdrucksstark wie seine Präsenz war. Etwas in seinen Augen und seiner Haltung hatte etwas Dominantes, auch wenn es nur ein Junges war.
„Möchtest du hier bei mir bleiben?“ Fragte sie ihn, der sich wärmend an sie presste, was sie sichtlich genoss. Das Miauen schien ein Ja zu bedeuten und es brachte sie leicht zum lächeln, trotz das sie sich mit Lucien gestritten hatte. Es lag ihr schwer auf der Brust, aber sie sollte ihm diesen Freiraum geben. „Besitzt du denn einen Namen?“ Sie konnte Tiere verstehen, aber nur zu einem gewissen Grad. Nicht in ihrer eigenen Sprache. Aber sie bemerkte, besaß der Kleine keinen Namen.
Emmanline lag noch immer auf der Seite und winkelte ihren unteren Arm an, damit sie ihren Kopf darauf betten konnte. Den anderen Arm legte sie über das Kätzchen und streichelte mit ihrer Hand über das schneeweiße glänzende Fell mit schwarzgrauen Flecken, damit sie auf ihn herab sehen konnte. „Möchtest du einen haben? Einen Namen?“ Fragte sie nach. Mit einem kleinen lecken seiner kleinen rauen Zunge auf ihren Kinn war es eine Bestätigung. Sie lachte leise auf. „Du bist wirklich herzlich.“ Blickte sie ihn tief in seine wunderschönen tiefen gelbgrünen Augen und ihr kam auch schon die erste Idee für einen außergewöhnlichen Namen für ihn, der vielleicht passen könnte. „Was hältst du von Audray?“ Schlug sie vor.
Herzhaft lachte sie auf, als sie ein komisches Funkeln in den gelbgrünen Augen erkannte, als wäre der Name etwas eigenartig. „Der Name passt zu dir. Audray bedeutet Stärke und in deinen gelbgrünen Augen erkenne ich nichts anderes als das.“ Plötzlich erschien ein erneutes Funkeln in seinen Augen und er schien seine Meinung über diesen Namen geändert zu haben. „Dann bedeutet es wohl, das du ab heute Audray heißt.“
Mit weiteren Kuscheleinheiten und Schnurren, fand sie genug Bestätigung und es dauerte auch nicht lange, bis sie am Ende ihrer Kräfte angelangt war. Sie war auf einmal vollkommen müde. Mit einem Schlag und sie schlief so ein wie sie hier lag, mit Audray in ihrem Arm.
Seine Ohren zuckten und er rümpfte mit seiner Nase, als er bemerkte, das sie eingeschlafen war. Er konnte es noch immer nicht fassen, wie schnell das ging. Die Frau die in einen tiefen Schlaf versunken war, hatte ihn mehr als einmal geholfen.
Audray? Stärke?
Das gefiel ihm wirklich. Er hatte wirklich zuvor noch keinen Namen besessen und auch kein Zuhause. Er wusste zuvor auch nicht, wohin er gehörte. Er konnte sich noch nicht einmal erinnern, woher er kam. Er war noch jung und schon beinahe ausgewachsen für einen Schneeleoparden Gestaltenwandler. Na gut, vielleicht bräuchte er doch noch zwölf Jahre um ein volles Alter zu erreichen. Aber was spielten die paar Jahre schon für eine Rolle? Er war jetzt schon zu einem gewissen Satz erwachsen.
Woran er sich zuletzt erinnern konnte, war, das er in seiner jetzigen Leopardengestalt durch einen Wald gehetzt war. In Panik und Angst und Schmerz. Danach war alles Dunkel und Schwarz gewesen. Darauf war er bei einer fremden Frau aufgewacht, die ihn...nun er wusste es nicht mehr.
Diese Frau war groß, hatte kurzes goldenes Haar und ihre Augen waren ein dunkles und tiefes Grau gewesen. Alles an und in ihr schrie nach Raubtier. Es hatte ihn in Angst und Panik versetzt. Er konnte sich kaum rühren. Vor allem nicht, als sie ihn mitgenommen hatte und vor kleinen Rudelangehörigen abgesetzt hatte, die sich dann auf ihn gestürzt hatten. Auf ihrer Mahlzeit. Danach war es vollkommen vorbei gewesen und es gab einen Kurzschluss bei ihm. Jemand wollte ihn fressen.
Das Einzige woran er nur noch denke konnte, war, die Flucht zu ergreifen. Er musste flüchten, denn überall haftete der Geruch von mächtigen Raubtieren, die ihn töten würden, weil er als nicht Rudelmitglied in ihrem Revier war. Sein Instinkt hatte ihn beherrscht und ihm war nicht bewusst gewesen wohin er rannte.
Egal wohin er rannte, umso mehr hatte er das Gefühl und die Panik verspürt, dass es schlimmer wurde. Darum hatte er sich das bestmögliche Loch gesucht worin er sich verstecken konnte. Wo er sich ängstlich verkriechen konnte. Er musste sich tief verkriechen wie möglich, aber da war wieder die Frau gewesen und sie ging einfach nicht weg, aber dann war da eine andere Frau und diese Stimme.
Plötzlich wurde ihm auf einmal unsagbar leichter und er horchte auf, aber er blieb trotzdem auf der Hut. Er lauschte jedes Wort was sie miteinander wechselten und dann tauchte ihr Gesicht in diesem kleinen Eingang auf und er versteifte sich schlagartig. Seine Augen weiteten sich, als er ihre Augen erblickte. Sie waren wie flüssiges Silber und ihr Haar wie weißer Schnee das ihm bekannt vorkam. Es weckte Erinnerungen. Sie war hübsch und hatte warme Züge an sich, wogegen er sich einfach nicht wehren konnte.
Kaum das sie mit ihrer sanften Stimme gesagt hatte, er müsste keine Angst haben oder niemand würde ihm wehtun, kam er aus seinem Versteck gerannt und sprang direkt in ihre Arme. Ohne zu zögern hatte sie ihn in ihre Arme geschlossen.
Er wusste, diese Frau war kein Raubtier. Besaß keine Krallen und keine Reißzähne, die ihn vor all diesen Raubtieren beschützen konnten, aber aus irgendeinen Grund fühlte er sich bei ihr sicher und wohl. Sie vermittelte ihm ein Gefühl, wo er sich behaglich und tröstlich fühlte. Einfach gut aufgehoben. Er wusste, sie würde ihn beschützen.
In den letzten Tagen hatte er sich zurück gezogen, weil er sich nicht sicher gewesen war und doch wollte er zu ihr hin. Nur hatte er nicht sonderliche Gelegenheiten gehabt. Da war immer dieser große Mann gewesen, der immer viel in ihrer Nähe war. Er ließ sie kaum aus den Augen und war immer aufmerksam zu ihr. Sorgte sich stets um sie, wie er es bemerkte, aber heute scheint er wütend auf sie zu sein.
Seine Ohren zuckten leicht, als er sie beim schlafen beobachtete. Er hatte gesehen, wie traurig ihr Blick gewesen war, wo er einfach das Zimmer verlassen hatte. Da konnte er sich einfach nicht mehr nur verstecken. Er musste zu ihr hin und trösten. Er musste sich einfach weiter an sie kuscheln und sich seinen kleinen Körper an ihren reiben. Es fühlte sich so gut an und es entspannte ihn genauso. So viel er konnte, versuchte er von ihrer Nähe zu bekommen, weil er es einfach vermisste. Er war einsam und empfand es als schrecklich. Ihm fehlte die Vertrautheit und Gemeinschaft, die er zuvor gehabt hatte. Hatte er doch, oder nicht?
Egal was er zuvor gehabt hatte, er konnte sich an nichts mehr erinnern.
Mit einem Schlag wurde er aus seinen Gedanken gerissen und seine Alarmglocken schrillten auf. Jemand bedrohliches kam auf sie zu und es verhieß nichts Gutes. Keine Minute später und die Tür ging auf und dort stand der Mann, der zuvor wütend das Zimmer verlassen hatte. Gerade wollte er seinen Mund aufmachen, als er ihn erblickte. Überrascht schaute er ihn an. Während seine Augen sich verengten, weiteten sich seine und rückte näher an ihren Körper heran.
Je länger er ihn finster anstarrte, umso verängstigter fühlte er sich, bis er nicht mehr anders konnte, als ein Wimmern von sich zu geben. Dieser Mann war ein sehr großes und mächtiges Raubtier, was er in seinen Augen erkennen konnte. Nicht länger konnte er seinen Blick standhalten und fügte sich seiner Dominanz.
Eingeschüchtert und mit angelegten Ohren bettete er seinen Kopf auf seine Vorderpfoten und kauerte sich zusammen. Er machte sich so klein wie er konnte.
„Lucien, hör damit auf. Du schüchterst ihn ein.“ Drang die Frauenstimme neben ihm streng.
Der Mann knurrte nur.
„Lucien.“
„Verwandle dich.“ Klang der Befehl streng und hart, was ihn zusammen zucken ließ.
„Wovon redest du?“ Setzte sich die Frau vorsichtig auf und nahm ihn vorsichtig auf seinen Schoß.
„Er ist ein Gestaltenwandler.“ Ließ er ihn keinen einzigen Augenblick aus den Augen. Er wusste sofort, würde er ihr etwas antun, würde er keine weitere Sekunde überleben. Aber er würde ihr niemals wehtun.
„Ich verstehe nicht ganz.“ Klang Verwirrung in ihrer Stimme mit. „Audray?“ Schaute sie ihn an.
Der Mann schnaubte verächtlich. „Du kennst seinen Namen? Dann weißt du es doch.“
„Ich weiß es überhaupt nicht.“ Erwiderte sie wütend. „Ich habe ihm diesen Namen selbst gegeben.“ Funkelte sie ihn böse an. „Aber stimmt es, Audray? Bist du ein Gestaltenwandler?“ Fragte sie mit sanfter Stimme, die nur für ihn bestimmt war.
Er konnte nur wimmern, weil er sie verstand.
„Keine Sorge. Weißt du noch, ich habe dir doch einmal gesagt, niemand wird dir etwas tun. Das wird auch dieser ungehobelte Kerl nicht tun.“ Lächelte sie auf ihn herab. Auch wenn er das bedrohliche Knurren von diesem angsteinflößendem Mann nicht ignorieren konnte, sie konnte es wirklich gut.
„Würdest du dich für mich verwandeln?“ Streichelte sie so liebevoll über seinen Kopf, dass er nicht anders konnte, als seine Augen zu schließen. Es fühlte sich zu gut an. Er vermisste es so sehr, was ihm im Herzen wehtat.
Doch er konnte nicht. Sein Körper sackte auf ihrem Schoß zusammen und wirkte niedergeschlagen. Verzweifelt schaute er zu ihr rauf und es beschämte ihn, denn irgendwie schaffte er es nicht. Irgendwie konnte er nicht seine menschliche Gestalt annehmen. Nicht mehr.
„Ich will mich nicht wiederholen müssen.“ Sagte der Mann streng, wo er erneut zusammen zuckte.
„Warte, Lucien.“ Hob sie eine Hand, aber ihr Blick blieb unverändert auf ihn gerichtet. „Kann es vielleicht sein, dass du dich nicht verwandeln kannst, Audray?“ Fragte sie behutsam nach, als sie nicht aufhörte ihn zu streicheln.
Noch mehr Scham breitete sich in ihm aus und er traute sich nicht mehr zu rühren. Augenblicklich war er zu einer Salzsäule erstarrt. Es war erbärmlich. Ein Gestaltenwandler, der sich nicht mehr verwandeln konnte.
„Hör mir jetzt gut zu, Audray.“ War sie jetzt, die etwas befahl, aber nicht so streng wie dieser Mann ein paar Schritte vom Bett entfernt. Aufmerksam blickte er zu ihr rauf. „Ich kann deine tierische Seite nicht zurückdrängen, weil sie Dominant ist, aber ich kann deine menschliche Seite anregen an die Oberfläche zu gelangen. Aus irgendeinen Grund will sie nicht an die Oberfläche kommen. Ich habe zu Anfang nicht bemerkt das du ein Gestaltenwandler bist, aber wenn ich jetzt deine Präsenz spüre, spüre ich es klar und deutlich.“ Lächelte sie ihn an. „Aus diesem Grund musst du, wenn du es von dir aus willst, den letzten Schritt tun. Wenn du deine menschliche Gestalt annehmen willst, dann musst du derjenige sein, der dann dein Tier in dir zurückdrängt. Verstehst du mich?“
Mit einem verstand er alles was er ihr sagte. Er hatte schon etwas Angst davor, aber anderseits wollte er schon wieder seine menschliche Gestalt annehmen. Zulange steckte er in diesen Körper fest.
Dann plötzlich ging alles viel schneller als er gedacht hatte. Er hätte damit gerechnet, das es schwieriger wäre und etwas in ihm streiken würde, aber dem war nicht so. Sie behielt Recht. Durch irgendeinen kleinen innerlichen geistigen Stoß in ihm versetzt, gab es einen Ruck in seinem Verstand und es hatte ihn als erstes erschüttert. Doch dann kam ein klarer Augenblick den er nutzte und seine menschliche Hälfte kam an die Oberfläche. Wie durch ein Wunder sprühten regenbogenartige Funken um ihn herum.
Aus Pfoten wurden Hände und Füße, aus Fell wurde glatte Haut, aus einem tierischen Gesicht ein menschliches und seine kleine Gestalt nahm eine größere an. Für seine Statur war er sehr dünn und nicht wohlgenährt. Seine Haare waren schwarzgrau und ungepflegt, was zuvor an seinem Fell nicht zu erkennen gewesen war.
„Du liebe Götter, Audray.“ Klang so viel Sanftheit in ihrer Stimme mit, als sie sein zerzaustes Haar aus seinem Gesicht strich um ihn anzuschauen, der jetzt vor ihm kniete. Behutsam nahm sie sein Gesicht in beide Hände und blickte ihn tief in seine Augen. Jetzt brach alles aus ihm heraus und er konnte es nicht mehr zurück halten. Die Tränen kullerten über seinen Wangen und Trauer machten sich aus ihm Bahn.
Entsetzt holte Emmanline nach Luft, als Audray vor ihr in Tränen ausbrach. Aus reinen Reflex zog sie ihn in ihre Arme und hielt ihn einfach nur fest. Nicht wissend warum, aber etwas an diesem Jungen tat ihr in der Seele weh. Sie hatte das Gefühl, er hatte einen sehr langen und traurigen Weg hinter sich.
Wie könnte es auch anders sein, wenn sich eine menschliche Hälfte als Gestaltenwandler in den Hintergrund zurück zog? So was hatte immer etwas zu bedeuten. Es war immer eine Sache es bewusst zu verdrängen, oder keine andere Wahl zu haben.
Es schien, irgendwas schockierendes muss bei ihm der Auslöser gewesen sein, das seine menschliche Seite sich zurück gezogen hatte und nur dem Tier ihren Instinkt überlasse hatte. Irgendwann muss die menschliche Seite in ihn erwacht sein, aber er konnte nicht an die Oberfläche. Also war er sozusagen im Unterbewusstsein eingesperrt und musste immer das miterleben was seine tierische Seite erlebte, auch wenn ein gewisser Verstand dabei war.
Wie furchtbar.
Wie könnte sie ihm also nicht ihr Mitgefühl schenken? Einem Kind? Er war vermutlich erst acht Jahre alt und er war so dünn. Und einfach so jung. Es tat ihr in der Seele weh, dass sie ihn noch enger an sich zog.
Da spürte sie Luciens Blick auf sich ruhen und schaute ihn an. Er schaute nur sie an und sein Gesichtsausdruck war unergründlich. Sie spürte, er war noch immer wütend, aber das mussten sie später klären. Jetzt konnten sie nicht den Jungen zur Seite schieben und Lucien wusste das. Er wurde es auch niemals tun. Das würde selbst sein Herz nicht zulassen. Das hatte sie an ihm schon erkannt, wie wichtig ihm Kinder erschienen. Sie wusste auch, er würde diesen Jungen niemals einen Schmerz zufügen. Was er getan hatte, war lediglich, seinen Standpunkt klarzustellen. Nur etwas zu mächtig für so einen kleinen Jungen, wenn es nach ihrer Betrachtungsweise ging.
„Ich wusste es wirklich nicht, Lucien, das er ein Gestaltenwandler war. Ich habe ihn vor drei Tagen, nach der Ratssitzung gefunden.“ Nahm sie mit Lucien gedankliche Verbindung auf, damit der kleine Junge in ihren Armen in Ruhe weinen konnte.
„Ich wusste noch nicht einmal das du überhaupt etwas gefunden hast.“ Knurrte er in ihren Gedanken.
„Ach nein, denke noch einmal gut darüber nach.“ Konnte sie nicht verhindern, das ihre Stimme scharf klang, während sie ihn etwas wütend anblickte.
Das schien Lucien zu tun. Er dachte nach und etwas blitze in seinen Augen auf, als würde eine kleine Erkenntnis kommen.
„Dann hast du es vollkommen ernst gemeint, als du meintest, du suchtest ein Kätzchen? Dann musste ich wohl von deinen sexy Hintern abgelenkt worden sein, als ich zur Tür rein kam und du dich unter das Bett gebückt hattest. Er hatte mich förmlich angelächelt. Dabei dachte ich, du hast es mit Absicht getan, nur um mich zu strafen, weil ich zu spät ins Bett gekommen war.“ Grinste er sie verschmitzt an.
„Lucien.“ Wurde ihre Stimme schärfer.
„Schon gut. Schon gut. Nicht gleich böse werden.“ War er mehr amüsiert, als genervt.
„Ich meine es vollkommen ernst.“
„Ich auch.“
Langsam war sie es manchmal wirklich leid und das schlimme daran war, er machte es mit Absicht das er sie so aufzog und sie ging immer wieder darauf ein, ohne das sie es manchmal bemerkte. Dann war es meistens zu spät. Später war es soweit, das sie ihn einfach ignorierte und dann hörte er einfach nicht mehr auf. Er machte solange weiter, bis sie vollkommen nachgab und er das bekam, was er wollte, aber diesmal war es anders.
„Wir werden jetzt folgendes tun.“ Sprach er jetzt laut und riss sie somit aus ihren Gedanken und ihre ganze Aufmerksamkeit richtete sich auf ihn. „Emmanline nimmst dich dir jetzt...ähm...“
„Audray.“
„Ja, wie dem auch sei. Lass ihn von den Dienstmädchen waschen und Essen geben. Danach will ich mit ihm reden.“
Kurz war sie überrascht, weil er auf einmal so ruhig und gefasst war. Weil er auf einmal so verständnisvoll war. Er nahm Rücksicht auf den kleinen Gestaltenwandler und weil sie nicht genau wussten in welche Lage er steckte und Lucien wollte herausfinden in welcher. Weil er ein Kind war und es unkontrolliert ihr Herz schneller schlagen ließ. Wobei sich eine wohlige Wärme in ihrer Brust verbreitete und sie konnte nicht anders als ihn einfach nur anzublicken und er erwiderte ihren Blick einfach nur mit einem liebevollen Augenblick. Er wusste es und diese Moment reichte ihr.
„Lass mich das übernehmen. Ich glaube, ich bin die Einzige, bei der er sich wohlfühlt. Bei euch all Raubtieren scheint er ziemlich eingeschüchtert zu sein. Möchtest du das Audray? Baden und etwas Essen?“
Der Gestaltenwandlerjunge scheint sich in ihren Armen beruhigt zu haben und seine Tränen versiegt, als er jetzt zu ihr aufblickte. Seine Augen waren leicht gerötet und geschwollen. Und plötzlich aufs Stichwort fing sein Magen an zu knurren. Sie lächelte einfach nur, aber Lucien meinte nur.
„Dann wäre die Sache ja wohl geklärt.“ Ging Lucien für diesen Moment.
Lucien wusste nicht was nerviger und schlimmer war. Entweder dieser Streit mit Emmanline, den er eigentlich nicht hatte so ausarten lassen sollen. Oder das plötzlich ein kleiner Gestaltenwandler neben Emmanline auf dem Bett lag.
Es war schon kindisch von ihm gewesen, wie er sich so schnell aufgeregt hatte. Doch sie hatte an ihm gezweifelt und es hatte ihn verletzt. Zutiefst, wenn er noch ehrlicher zu sich selbst war. Und es hatte an seinen Stolz gekratzt. Sie war seine Seelengefährtin und es gehörte zu seiner wichtigsten Aufgabe sie zu beschützen. Wie konnte sie also an ihn zweifeln? Diese Frau brachte ihn an den Rand seiner Verzweiflung und manchmal seiner Nerven, das es ihm tatsächlich Kopfschmerzen bereitete. Und er bekam niemals Kopfschmerzen.
Und dann dieser kleine Gestaltenwandler. Es war ein Schneeleopard. Sein Raubtier in ihm hatte geknurrt, weil ein fremdliches Wesen auf seinem Grund und Boden war, ohne sein Wissen. Und weil er bei Emmanline war. So vertraut und sorglos, als würden sie sich kennen. Er wusste, Eifersucht sprach aus ihm, auch wenn es kindisch von ihm war, weil es nur ein kleiner Junge war, aber dennoch war es so.
Lucien glaubte nicht, das der kleine Schneeleopard eine Bedrohung für sie war, trotzdem konnte er dessen nicht außer acht lassen. Er musste dessen nachgehen. Ihm hatte es nur gewundert, weil er seine menschliche Gestalt nicht annehmen konnte. Es gab nur drei Möglichkeiten dafür. Es war seine eigene freie Entscheidung, seiner tierischen Seite die Kontrolle zu überlassen. Oder entweder er steckte zulange in seiner Tiergestalt, oder er wurde durch eine Art Schockzustand in sein Tier verwandelt. Das bedeutete, das der Mensch soweit in den Hintergrund zurück gedrängt wurde, dass das Tier mehr die Kontrolle bekam, als das menschliche. Irgendwas musste mit dem Jungen passiert sein und er wollte es heraus finden.
Nein, er würde dem Jungen kein Leid zu fügen, denn er tat generell den Jugendlichen nichts zuleide. Keiner würde das aus seinem Volk tun. Das würde gegen Ehre und Stolz gehen. Niemand rührte Junge an. Egal aus welchen Volk sie kamen. Egal von welchem Feind.
Sollte Emmanline ihn erst einmal versorgen, danach konnte er noch immer den Grund erfahren. Das konnte warten. Er schien ziemlich verstört zu sein. Das konnte er auch verstehen. So Jugendhaft und dann noch auf ein gefährlichen Gebiet. Trotzdem, wie kam er hierher? Schneeleoparden waren ansatzweise nicht in ihren Umkreisen Zuhause. Sie grenzen nirgendwo an. Wo kam er also her?
Die Fragen auf später verschoben, war er aus dem Zimmer gegangen und lief erneut den Gang herunter, um wieder in sein Arbeitszimmer zu gehen. Als er eintrat blieb er ruckartig stehen, denn jetzt erst bemerkte er, jemand wartete. Sein Onkel Darius saß lässig in der Sofaecke. Zurückgelehnt, ein Bein über das andere geschlagen, die Arme auf beiden Seiten auf die Sofalehne gelegt und sein Kopf in den Nacken, während er seine Augen geschlossen hatte. Aber er wusste, er schlief nicht.
„Ich habe auf dich gewartet.“
Er hatte es gewusst. Mit einem leisen Klicken schloss er die Tür hinter sich. „Das sehe ich.“
„Wie ich sehe, hast du nicht sonderlich gut geschlafen.“
„Hätte besser sein können.“ Wenn er an Emmanlines Erinnerung dachte, die er in seinen Traum gesehen hatte, drehte es sich ihm wieder der Magen um und seine Galle wäre ihm wieder hoch gekommen. Vor Wut natürlich. Doch das würde er sicherlich nicht vor seinem Onkel erwähnen.
„Ich wollte mit dir über etwas sprechen.“ Irgendetwas an seiner Tonlage gefiel ihm nicht.
In der Zeit war er zu seinem Schreibtisch hinübergegangen und hatte sich dahintergesetzt. Kurz dachte er daran zurück, als er an letzter Nacht zurück dachte, als Emmanline zu ihm kam, um ihn zu Bett zu holen. Diese Frau raubte ihn wirklich noch einmal den letzten Funken Verstand.
„Und worüber?“ Lehnte er sich zurück und blickte seinen Onkel an.
„Ich habe noch einmal über die Ratssitzung nachgedacht und über die Worte deiner Gefährtin.“
Meine Gefährtin? Ja, das ist sie. Klang so viel Stolz in seiner gedanklichen Stimme mit. Mit einem Blick bat er weiter zusprechen.
„Sie ist wirklich klug genug, das sie danach den Saal verlassen hatte, aber es hatte auch einiges an Wirbel gesorgt, als du sie überhaupt mit zur Sitzung gebracht hast. Es war ein bisschen unüberlegt von dir gewesen.“ Tadelte er ihn erst ein wenig, aber nur durch das familiärische Band, was er akzeptieren konnte. „Es geht um Culebra. Wenn sie wirklich die Wahrheit spricht und er die Herrschaft über die Drachen will, dürfen wir dies nicht außer acht lassen.“
„Sie spricht die Wahrheit.“
„Was wir annehmen.“
„Nein, ich meine es ernst, Darius. Emmanline spricht wirklich die Wahrheit.“ Sprach er in seinem ganzen Leben noch nie so ernst wie in diesem Augenblick und durch den Gesichtsausdruck seines Onkels konnte er die Erkenntnis erkennen.
Doch er konnte ihm nicht erzählen, was er in seinem Traum gesehen hatte, aber er konnte es auch nicht verschweigen. Dies waren wichtige Informationen, aber dennoch würde er sie jetzt nicht verraten. Nicht bevor er mit Emmanline darüber gesprochen hatte. Er wollte sie nicht hintergehen, indem er private Dinge von ihr preis gab, die sie nicht wollte. Es wäre ein Vertrauensmissbrauch. Das wollte er niemals riskieren. Nicht bei ihr.
„Emmanline?“ Nahm er so selten mentalen Kontakt zu ihr auf, aber er freute sich auch ihre Stimme in seinem Kopf zu hören.
Emmanline war gerade mit Audray beschäftigt, als sie Luciens Stimme in ihrem Kopf vernahm. Erst erschrak sie bei seiner sinnlichen männlichen Stimme, was sie erschaudern ließ. Er nahm sonst nie Kontakt zu ihr auf. Nicht in Gedanken.
„Lucien?“ Antwortete sie zurück, weil sie nicht anders konnte.
„Ich wollte mich wegen meines Verhaltens vorhin entschuldigen. Es war nicht richtig gewesen dich anzuschreien.“ Sie war schockiert und sprachlos. „Emmanline? Bist du noch da?“
Anscheinend musste sie eine lange Zeit geschwiegen haben. „Ja, natürlich.“ Schluckte sie ihren Kloß runter. Sie hatte nur nicht damit gerechnet, eine Entschuldigung von ihm zu bekommen. „Warum entschuldigst du dich? Und warum tust du es nicht, während du mir in die Augen siehst, wie du es sonst auch tust?“
„Würde ich gerne, aber irgendwie hatte ich das Bedürfnis es nicht aufschieben zu wollen. Immerhin bist du beschäftigt und ich auch. Ich sitze in meinem Arbeitszimmer und mein Onkel hatte auf mich gewartet, um mit mir ein Gespräch zu ersuchen.“
Das entlockte ihr ein Lächeln. Ihm war es ein Bedürfnis gewesen. „Wenn er mit dir ein Gespräch ersucht, warum unterhältst du dich dann mit mir per Gedanken? Du solltest dich auf deinen Onkel konzentrieren. Wir können uns auch später unterhalten.“ Versprach sie ihm.
„Ja, ich weiß. Aber ich wollte auch noch einmal deine Stimme hören.“ Seufzte er in ihre Gedanken und klang müde.
„Was ist los, Lucien? Irgendwas stimmt nicht?“
„Ich weiß es nicht. Auch wenn ich es nicht wirklich gerne zugebe, aber irgendwie habe ich ein schlechtes Gewissen.“
Also das schockierte sie doch noch mehr, als er sich zu Anfang bei ihr entschuldigt hatte. „Ein schlechtes Gewissen? Für was?“ Als er noch immer schwieg, fragte sie etwas anderes. „Worüber unterhaltet ihr euch? Du und dein Onkel?“
„Weißt du worin mein Onkel gut ist?“
Der plötzliche Themawechsel verwunderte sie etwas, aber auf irgendwas hinaus wollte er. „Nein. Sollte ich es denn wissen?“
„In Strategien und er hat weitaus mehr Erfahrungen in allem, die ich kenne. Ich brauche Hilfe, wenn ich weiterkommen will.“
Zu erst wusste sie nicht worauf er hinaus wollte, aber dann dämmerte es ihr. „Warum sagst du mir nicht gleich, dass es um Culebra geht?“ War sie irgendwie nicht verärgert oder wütend, was sie verwirrte. Sie hätte es sein müssen. „So ist es doch, oder nicht?“
„Nein, es soll nicht nur wegen ihm alleine sein. Ja, es geht auch wegen ihm als Verräter, aber auch im allgemeinen. Als ich letzten Abend das Gespräch mit meiner Schwester hatte, ist mir etwas in den Sinn gekommen und etwas klar geworden und sie hatte mit etwas Recht. Nur hatte ich mir bis jetzt noch nicht den Kopf darum gemacht, bis jetzt, während ich mich mit meinem Onkel in einem Raum befinde. Erst jetzt, obwohl ich es hätte schon in der Ratssitzung tun sollen. Woher soll ich wissen, ob Arokh nicht der einzige Verräter unter mir ist? Unter meinem Volk?“
Emmanlines Herz setzte einen Herzschlag aus, als ihr bewusst wurde, was Lucien ihr da anvertraute. War ihm überhaupt bewusst was er da sagte? Dabei schnappte sie nach Luft, als ihr eine Vermutung kam. „Lucien, willst du damit andeuten, du verdächtigst deinen Onkel, er könnte vermutlich ein Verräter sein?“
„Nein, dies tue ich nicht. Ich kenne ihn und er würde nie seine eigene Familie verraten. Dafür hat er zu viel Blut geopfert.“
„Worauf willst du dann hinaus?“
„Ich brauche jemanden, den ich uneingeschränkt vertrauen kann, ohne mir Gedanken machen zu müssen jeden Moment ein Messer in meinen Rücken zu bekommen. Ich brauche jemanden, mit dem ich zusammen arbeiten kann. Ich brauche einen zweiten Kopf.“
Kurz musste sie schweigen, weil sie nicht richtig deuten konnte, worauf Lucien hinaus wollte. Ihr war es nicht ganz begreiflich und es fiel ihr auch nicht ganz leicht, aber es sollte auch nicht schwer sein. Für einen Moment musste sie ihre Augen schließen, weil ihr Herz schwer wurde und ihr Atem etwas aussetzte. „Was verlangst du von mir?“ Wollte sie es nicht so gepresst klingen lassen.
„Dich.“ War es ein klipp und klares Wort, das durch ihren Kopf schnitt, wie ein scharfes Schwert. Brutal und unbarmherzig.
Jetzt verstand Emmanline nichts mehr. Hatte sie sich da verhört? Oder nahm sie in seinen Worten etwas anderes war, als wie sie zuerst vermutete?
„Ich verstehe nicht?“ Wirkte sie unsicher.
„Ich glaube schon, das du richtig verstehst, Emmanline.“ Seine Stimme ernst. „Ich will mich nicht mehr davon stehlen oder verschließen und ich ertrage es auch nicht mehr. Es zerreißt mich innerlich, wenn ich so weiter machen muss.“ Klang so viel Wehmut und Schmerz in seiner Stimme mit, das sie mit ihm litt. „Du bist meine Seelengefährtin, Emmanline, und jeder weiß es und es soll auch jeder wissen. Es soll kein Geheimnis mehr sein, sonst werde ich noch verrückt. Kaum zu glauben, aber ich strotze vor Glück und Freude und Stärke dich gefunden zu haben. Mein Leben ist viel lebenswerter geworden und schon längst nicht mehr langweilig wie früher, als es noch so trostlos war. Mich nervt es tierisch, je länger ich es unterdrücken muss, Geheimnisse vor dir zu haben. Ich respektiere es, unter welchem Druck du stehst, welches mein Volk dir auferlegt hat, aber ich will sie mit dir gemeinsam bewältigen. Ich akzeptiere aber nicht, wie du dich dauernd von mir absonderst und abwendest. Jedes mal triffst es mich zutiefst, wenn du liebevoll auf mich zu kommst, aber mich im anderen Augenblick abweist. Darum verlange ich dich hiermit, Emmanline. Ich will dich hiermit an meiner Seite haben und bei allem. Und wenn ich sage, bei allem, dann meine ich bei allem. Ohne wenn und aber. Ich will keine Geheimnisse mehr vor dir haben, egal was kommen mag. Ich vertraue dir voll und ganz und das wird auch immer so sein. Egal was kommen mag. Mein Drache ist der gleichen Meinung und wir irren uns nie. Ich hatte einen einzelnen, auch wenn es ein kleiner Augenblick war, Einblick in deine Vergangenheit und dies hatte mir vollkommen gereicht. Ich bin der Überzeugung und Übereinkunft meine Meinung würde sich niemals ändern.“
Wie versteinert stand sie mitten im Zimmer und war in sich gekehrt und lauschte Luciens Worten. Jedes Wort was er sagte, war ein Schock mehr der sie traf. So durfte er nicht reden. Sie wollte ihn unterbrechen. Ständig, aber sie hatte keine Möglichkeiten oder Chancen, weil er einfach redete und redete.
„Darum akzeptiere ich jetzt noch weniger, das du dich zurück ziehst. Solltest du es tun, wirst du es dennoch erfahren. Wie gesagt, am Anfang habe ich es akzeptiert, aber jetzt ist Schluss. Du gehörst zu mir und ich will nicht mehr schweigen. Ich will deine Meinungen und Gedanken hören. Egal was es für welche sind. Ich will deinen Verstand, weil er vollkommen anders ist und weil du ganz anders denkt. Sehe es von mir aus auch als eine Drohung. Bei allem was ich tue werde ich mentalen Kontakt zu dir aufnehmen und dir wichtige Dinge zeigen, wenn ich meine es sei wichtig. Ich will das du mein zweiter Gedanke wirst. Nur dich will ich.“
Ihr viel alles schwer. Das Atmen. Das Denken. Das Bewegen. Jede einzelne Funktion ihres Körpers und Geistes. Alles in ihr war wie leer gefegt, je mehr Lucien zu ihr sagte. Er sollte einfach aufhören, aber er tat es einfach nicht.
„Das einzige was ich nur will, ist, das du ein Teil von mir wirst.“
„Warum?“ Wusste sie nicht, ob sie ihn anschreien wollte oder einfach nur irgendwie in Tränen ausbrechen sollte. Diese miesen Gefühle. Sie wollte sie nicht mehr. „Warum verstehst du mich denn nicht? Ich tue das für euch, Lucien. Je weniger ich über euch weiß, umso besser ist es und ich bringe euch vielleicht eines Tages nicht in Gefahr.“
„Nein.“ So herrisch wie sein Drache es war. „Du tust es nicht für uns, sondern nur für dich selbst.“
Das ist nicht wahr. Dachte sie sich.
„Nur so willst du dich doch schützen und dich im allein sein befinden. Aber das werde ich nicht akzeptieren. Ich habe die Worte gehört, die du deiner Mutter immer wieder wiederholen solltest. Ich kenne zwar dieses Geheimnis nicht, aber ich werde dich nicht verlieren, indem du dich bewusst zurückziehst. Hast du mich verstanden, Emmanline? Alles was jetzt hier geschieht, wirst du mit Verlauf erfahren und du wirst mir zuhören.“
Warum tat er das? Warum zwang er sie dazu? Dabei wollte sie all das nicht. Und er log. Niemals tat sie dies aus Eigennutz. Dies würde sie niemals wagen. Oder?
„Du kannst mich nicht dazu zwingen?“ Wollte sie sich jetzt anfangen zu wehren. Sie konnte sich das nicht gefallen lassen.
„Nein, das stimmt. Ich werde dich auch nicht dazu zwingen. Das wäre das letzte, was ich tun würde, aber ich kann dich darum bitten und ich werde es. Darum bitte ich dich auch. Bitte Emmanline. Sei an meiner Seite.“ Nichts als Zärtlichkeit und Wärme kam aus seiner Stimme, die sie am liebsten dahin schmelzen ließ.
„Und was war mit der Drohung?“ Gab sie nicht auf.
„Ich hatte nicht gemeint das es eine war, nur lediglich gemeint, du kannst es von mir aus so sehen, als wäre es eine Drohung. Ich ersehe es als keine, sondern nur als eine Bitte.“
Und genau das mochte sie nicht an ihm. Er spielte seine eigene Worte aus, drehte und wendete wie er es gerne wollte und brauchte. Hauptsache es diente ihm zu seinen Vorteilen. Gut, dann musste sie mit vernünftigen Argumenten kommen.
„Ich denke, so funktioniert das nicht.“ Unterbrach er ihren Gedankengang. „Ich würde dieses Gespräch gerne weiterführen. Darf ich dich zu mir bitten?“ Es war kein Befehl gewesen. Lediglich eine liebenswürdige Bitte.
„Das ist kein passender Augenblick. Immerhin ist auch dein Onkel bei dir und du unterhältst dich noch immer mit mir.“
Lucien lachte in ihrem Kopf. „Ja, ist er. Aber vielleicht ist es keine schlechte Idee, wenn er eine Meinung dazu geben könnte. Du weißt schon, weitaus mehr Erfahrungen.“
Sie musste ihm einfach nachgeben und stimmte ihm einfach zu, denn sie beabsichtigte noch etwas anderes. Sie schätzte Luciens Onkel vernünftig und klug ein, als sie ihn das erste Mal sah und hoffte darauf, er würde Lucien zu klaren Verstand bringen.
Aber er musste noch einen Augenblick Geduld haben, bevor sie zu ihm kommen konnte. Immerhin hatte sie noch Audray, aber er schien auf wundersamerweise, oder auch wieder nicht, müde zu sein. Dies konnte sie verstehen. Also blieb sie noch einen Moment, bis er eingeschlafen war. Mit einem kleinen Lächeln ging sie dann hinaus.
Darius wusste nicht woran er es erkannte, als er anfing mit sich selbst zusprechen. Daran, das Lucien ihm nicht mehr antwortete? Oder weil er seine Anwesenheit nicht mehr spürte, obwohl er genau vor ihm saß?
Er brauchte seinen Neffen nur zu beobachten und er wusste, er stand in einem mentalen Kontakt zu jemanden und nach seinen Gesichtszügen zu urteilen konnte er es sich auch denken, mit wem. Der Junge musste ja verdammt glücklich sein und es freute ihn auch wirklich, aber am Ende musste er auch wirklich aufpassen. Er durfte sich keine großen Ablenkungen als König leisten, egal welche es waren. Auch wenn es seine vorherbestimmte Seelengefährtin war. Keine einfache Sache.
Es war witzig zu beobachten wie die Züge von Luciens sich in unterschiedliche Ausdrücke veränderten. Anscheinend war das Gespräch ziemlich hitzig und es lief nicht so, wie er es sich wahrscheinlich erhoffte, aber keine Frau war einfach. Er konnte es noch nicht einmal von Saphira behaupten, das sie leicht sei, obwohl sie kaum ihre ganzen Tage und Nächte miteinander verbrachten. Sie kamen eben nur zum Sex und zu wichtigen Dingen zusammen.
Verflucht traurig als Seelengefährten. Vom Schicksal auserkoren, aber dennoch nicht mehr. Es passte einfach nicht und es hatte zwischen ihnen nie gefunkt. Manchmal traf es ihn wirklich, wenn er andere tief verbundene Paare beobachtete, die ein tiefes Band miteinander verband. Er verstand nicht, warum er seine Seelengefährtin gefunden hatte, aber nie die Liebe und Zuneigung erfahren durfte, die er sich ersehnte. Dabei sehnte er sich mehr als irgendein anderer danach.
Saphira und er versuchten ihr bestes, damit sie so gut sie konnten und so viel sie einander geben konnten, wie es eben nur in ihrer Situation möglich war. Aber egal was sie taten, es kam nie zu dem Punkt, wo sie es vollenden konnten. Sie beide achteten und respektierten einander, aber es gab keine tieferen Gefühle wie er es sich vielleicht insgeheim wünschte. Saphira wusste von all seinen tiefen Wünschen nichts, so gut verbarg er sie in sich, weil er sie auch niemals zeigen wollte. Niemanden. Er hätte ja eh keine Möglichkeit seinen Sehnsüchten freien Lauf zu lassen. Er könnte sich ja keine andere Frau suchen, weil er seine Seelengefährtin gefunden hatte. Sein Drache akzeptierte keine andere mehr und er würde dadurch auch keinen mehr hoch bekommen. Saphira war die Einzige.
Durch ein Knurren wurde er wieder in die Gegenwart zurück geholt und richtete wieder seine Aufmerksamkeit auf Lucien. Anscheinend war er mit seinen Gedanken wieder bei sich selbst, anstatt bei einer mentalen Unterhaltung. Dies amüsierte ihn und er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Sein Neffe legte immer mehr merkwürdige Verhaltensweisen an den Tag, seit er diese kleine Frau an seiner Seite hatte und dies war in der Tat gut. Auch wenn viele nicht begeistert darüber waren. Dennoch machte es Lucien lebendig und aufgeschlossen für Dinge, die er sonst nie besessen hatte. Das war wichtig, wenn er ein Volk und ein Königreich regieren wollte. Wie es sein Vater getan hatte.
„Wir müssen etwas klären.“ Fing sein Neffe ohne Umschweife an.
„Und das wäre?“
„Sobald Emmanline da ist, klären wir das.“
Daher wehte der Wind. Aber er antwortete nicht darauf, weil es nichts bringen würde. Also würde er warten. Er wusste zwar nicht warum, aber Antworten würden kommen.
Nun warteten sie, bis Emmanline kam. Es dauerte eine Weile, bis es an der Tür klopfte und die junge Elfe eintrat. Ihr Erscheinen erstaunte ihn immer noch. Sie war wirklich eine Schönheit und er hatte in seinem langen Leben nie solch schneeweißes Haar gesehen. Vor allem waren ihre silbernen Augen auffällig. Sicher hatte er schon welche gesehen, aber die nicht konstant waren und so natürlich. Vor allem waren sie durchblickend, wenn sie einen erblickten, als könnten sie alles durchschauen. Das Silber ihrer Augen war nicht scharf und kalt, sondern eher warm und sanft, was einen irgendwie beruhigte. Es war merkwürdig, aber selbst sein Drache fühlte sich so und das selbst war schon erstaunlich. Darum hatte er nichts gegen sie. Sie schien etwas besonderes zu sein und er konnte Lucien verstehen, egal ob sie seine Seelengefährtin war oder nicht, wie sehr er sie beschützen wollte. Es steckte viel mehr dahinter.
Da Darius wusste, wie er sich zu benehmen hatte, stand er auf, als sie das Zimmer betrat und zauberte sofort ein Lächeln auf seinen Lippen, wo sie ihren Blick auf ihn gerichtet hatte. Doch es erstaunte ihn wirklich, sie erwiderte sein Lächeln mit einen unsicheren Lächeln zurück. Er musste schon zu geben, dass traf ihn ein wenig in seiner Brust vor Bewunderung. Er wusste noch nicht einmal genau warum. Ihn wunderte es am meisten, das sie überhaupt lächelte.
„Sehr erfreut, Lady Emmanline.“ War er höflich.
„Ganz meinerseits,...“ Unterbrach sie sich.
„Darius. Nenne mich einfach Darius.“ Lächelte er sie an.
„Ja, danke Darius. Nenne mich nur Emmanline.“ Lächelte sie kurz zurück und wandte ihren Blick zu Lucien, der um seinen Schreibtisch herum kam. „Hier bin ich und nun können wir darüber sprechen. Ich bin trotzdem noch dagegen.“ Schien sie auf etwas zu beharren.
Nach Luciens finsteren Blick zu urteilen, würde er am liebsten toben. Er konnte seinen Drachen direkt spüren, wie unruhig er in ihm tobte. Anscheinend brachte die Frau ihn auf, was ihm nicht gefiel.
„Da wir ja jetzt alle hier sind, würde ich sagen, klären wir das, was auch immer das sein soll.“ Wollte Darius das am besten so schnell wie möglich geklärt haben, denn dies konnte nicht weiter gehen. Jedenfalls nicht so, denn es würde schlimmer kommen, wenn man bedachte, das sie schon einen gedanklichen Schlagaustausch hatten.
Emmanline war die erste die sprach. „Sagt mir, das Ihr vernünftig seid.“ Interessanter Start der ihm außerordentlich gefiel. „Euer Neffe will, das ich als Außenstehende mich in eure Angelegenheiten eures Volkes einmische.“
Lucien will was? Verwirrt schaut er in das zerknirschte Gesicht von Lucien und betrachtete ihn. Anscheinend meinte er es ernst.
„Ist das wahr, Lucien?“ Fragte er nach.
„Ja, es ist wahr, Onkel. Emmanline ist meine Seelengefährtin und ich kann und werde keine Geheimnisse mehr vor ihr haben. Das kann ich nicht mehr.“
„Lucien, du kannst nicht von mir verlangen, das ich als Außenstehende mich in eure Angelegenheiten einmische. Das würde unter deinem Volk nicht gut aufgenommen werden. Vor allem nicht, da ich unter Culebra gelebt habe. Sie werden in mir kein Vertrauen finden. Es würde für dich genauso wenig gut tun, wenn du auf mich hören würdest. Am Ende würde es noch heißen, ich hätte dich mit irgend einen Zauber belegt oder beeinflusst, obwohl ich das noch nicht einmal wirklich bewirken kann.“ Seufzte sie auf.
„Einerseits hat sie Recht, Lucien. Anderseits kann ich dich auch verstehen. Ihr steckt in einer ganz schönen Zwickmühle.“ Konnte er sich nicht ein kleines Lachen verkneifen, weil es ihn doch schon etwas belustigte. Dabei war die Lage ernst. Es schien den beiden nicht so zu ergehen, aber was sollte er machen, es waren seine Empfindungen. Da kam ihm auch schon ein Gedanke.
„Lucien, wenn du glaubst und denkst es sei das Richtige deine Seelengefährtin in alles einweihen zu müssen worin du gedenkst, musst du es entscheiden. Immerhin bist du der König und kannst Befehle und Gesetze erteilen. Du trägst alles.“ Sagte Darius voraus. „Ich habe vielleicht eine Möglichkeit, wie ihr etwas herausfindet, was euch weiterhelfen könntet.“
„Und das wäre?“ Reagierte Lucien sofort.
„Unternehmt einige Besuche in den umliegenden Dörfern. Seht wie die Reaktionen von den einzelnen Bewohnern kommt und entscheidet dann. Ich habe ein paar eurer Taten gehört,...“ Schaute er Emmanline an. „...die mir selbst in Nascar zu Ohren gekommen sind. Außerdem solltest du dich mal als König unter deinem Volk zeigen, Lucien. Sie wollen dich auch mal sehen. Auch so und nicht nur, wenn du in den Krieg ziehst oder nur zur Rettung eilst.“
Nun herrschte großes Schweigen im Raum und es wirkte keineswegs als erdrückend.
„Du hast Recht.“ War es Lucien der sprach, in einem nachdenklichen Ton.
Emmanline klang da eher anders. Misstrauischer. „Ich empfinde das als keine so gute Idee. Ich bin eine Fremde und habe praktisch dort nichts zu suchen.“
„Warte es doch erst einmal ab. Vielleicht ist es am Ende doch ganz anders. Verurteile es doch nicht gleich, bevor du es überhaupt angefangen hast, meine Liebe.“ Lächelte Darius sie an.
Lange schaute die Elfe ihn an und seufzte ergebend. „Nun gut, ich bin einverstanden. Unter einer Bedingung, Lucien. Ich werde sofort gehen, sollte es anders sein.“
„Natürlich. Oder glaubst du, ich würde dich unter den schlechtesten Bedingungen dort lassen?“
„Dann haben wir damit dieses Problem geklärt. Kommen wir nun zu meinem Anliegen.“ Wechselte Darius das Thema.
„Dann werde ich gehen.“ Wandte Luciens Frau ein.
„Nein, du kannst gerne bleiben. Es geht um Culebra und deine Worte in der Ratssitzung, worum ich mir Gedanken gemacht habe.“ Erwiderte er darauf. Darauf versteifte sie sich.
Sie wandte sich an ihn und bedachte ihn mit einem Blick, den er nicht so recht deuten konnte und warf dann einen Blick zu Lucien hinüber, als erinnere sie sich an etwas.
„Worüber habt ihr nachgedacht?“ Fragte sie anstelle.
„Du hattest erwähnt, Culebras Ziel sei, er will Lucien vom Thron stoßen und selbst Drachenkönig werden, was eigentlich unmöglich ist. Du meintest auch, er scharrt eine Menge Anhänger um sich und schließt Pakte. Was sind das für welche und mit wem? Kannst du mir noch was genaueres darüber erzählen? Egal was es wäre, jede Kleinigkeit ist da wichtig.“ Stand Darius noch immer und kam auf die beiden zu und blieb vor ihnen stehen.
Für einen Augenblick schien es, als hätten sie eine kleine Diskussion in ihrem Geiste, während sie sich anblickten, als Emmanline Lucien anschaute.
„Du musst wissen, es ist nicht alles einfach für mich. Welches Leben, was ich unter Culebra verbracht habe und um zu überleben. Um nicht verrückt zu werden, musste ich sehr oft meine Erinnerungen weit in meinen Verstand begraben. Vergessen kann man niemals, aber man versucht zu verdrängen, um nicht sich selbst zu verlieren. So hat es mir meine Mutter beigebracht. Darum kann ich nicht mehr sagen, wie viel es war, aber es ist wirklich in der tat etwas zurück gekehrt, was von Wichtigkeit sein könnte.“
„Dies musst du nicht machen, Emmanline.“ Packte Lucien sie an den Schultern und drehte sie zu sich um, damit sie ihn anschauen musste. Die beiden waren einander wirklich verbunden, bekannte Darius.
„Nein, muss ich nicht.“ Gestand sie. Dann wandte sie sich wieder an ihn. „Doch vorher muss ich dich etwas fragen.“
„Sicher, frage ruhig.“
„Sagt mir, Darius, wie loyal seid ihr?“
Er schien ziemlich überrascht und er konnte auch Luciens überraschte Laute hören, während er sie anstarrte. Im ersten Augenblick musste er nachdenken was sie mit dieser Frage überhaupt bezweckte, aber im nach hinein verstand er sie.
„Emmanline, was...“ Versuchte sein Neffe sie entgeistert zu fragen.
Mit einem schnellen Griff, zog er sich einen kleinen Dolch aus seinen Gürtel und fiel vor den beiden auf ein Knie. Sicher hatte Lucien seine Gefährtin bei der Bewegung hinter sich gezogen, aber er würde ihr niemals etwas antun. Vor ihnen auf den Knien, senkte er die Klinge in den Boden und sein Haupt, während er sprach.
„Ich, Darius De la Cruise, Ratsmitglied und Mitglied des königlichen Hauses der De la Cruise, schwöre ich meinem König und meinem Volk, stets mit Ehre und ohne Furcht zu verteidigen. Ich schwöre jedes Unheil abzuwenden, welches in meiner Macht steht. Ich werde mein Leben für all meine Liebsten und meiner eigenen Art und die zu uns gehören zu beschützen. Selbst der Gefährtin meines Königs, der Königin. Sollte ich je meinen Schwur brechen, sollte mich das gleiche Todesurteil ereilen. Alle Götter sollen Zeuge meiner Worte sein. Vor allem meiner ewigen Treue.“
Es herrschte längeres Schweigen und niemand regte sich, bis Lucien das Wort erhob.
„Erhebe dich, Darius De la Cruise, Ratsmitglied und Mitglied des königlichen Hauses De la Cruise.“ Legte Lucien seine Hand auf seine Brust, direkt wo sein Herz schlug. „Dein Schwur soll tief in mir verankert sein und niemand wird deine Ehre infrage stellen. Die Götter waren deiner Worte Zeuge und sollte dein Schwur je gebrochen werden, erwartet dich deine angemessene Strafe. Besiegle den Schwur mit deinen und meinem Blut.“
Lucien und er vollzogen den heiligen Blutschwur, der tief verwurzelt war und es gab nichts vergleichbares, als diese Treue zu bekräftigen. Das wurde Darius jetzt bewusst und in der jetzigen Zeit und was vor kurzem passiert war, der Verrat von Arokh, war Grund genug viele Zweifel zu hegen. Selbst am eigenen Volk. Dennoch war es auch etwas anderes.
„Mach dir keine Sorgen, Lucien.“ Lächelte er seinen Neffen erst an, als er dann die Frau neben ihn anblickte. „Ich weiß, dass Emmanline mich nicht beleidigen wollte oder meine Loyalität infrage zustellen. Sie hat es nicht aus diesem Grund getan, weil es Zweifel an meiner Loyalität gibt, sondern lediglich, ob man mir vertrauen kann. Sie hat es für sich getan. Ich kann dir versichern, Emmanline, dies kannst du. Deine Geheimnisse sind bei mir sicher aufgehoben und werden an niemanden preis gegeben. Doch durch deine Frage ist mir auch etwas anderes klar geworden.“ Wandte er seinen Blick wieder an seinen Neffen. „Du bist der neue König, Lucien. Auch wenn du mein Neffe bist, bist du es trotzdem und führst uns jetzt an. Jeder der dir folgen sollte und will, sollte dir seine und eine neue Treue schwören. Gerade jetzt in dieser Zeit von Verrätern und vom Mord deines Vaters. Man kann niemand mehr vertrauen. Nicht mehr, seit dem Anschlag auf dich, als Arokh es versucht hatte. Darum ist es gerade in der jetzigen Zeit wichtig, wer alles deine Treue schwört und dir Loyal gegenüber ist.“
„Er hat Recht.“ Sprach Emmanline. „Du hast es gesehen, Lucien. Culebra scharrt alle um sich. Nicht nur Drachen. Du musst dir vollkommen sicher sein.“
Wieder konnte Darius bei den beiden eine zärtliche Intimität beobachten, was er beneidete. Emmanline hatte ihre Hände auf seine Brust gelegt und Lucien eine Hand auf ihre Wange, während sie sich intensiv in die Augen schauten.
„Ich weiß es. Darius...“ Richtete Lucien sein Gesicht zu ihm, was verfinstert drein blickte. „...wir müssen dringend über etwas sprechen. Durch...“
Bemerkte Darius, das sein Neffe für einen kurzen Augenblick unsicher war, als er zu Emmanline blickte, bevor er weiter sprach.
„...eine Erinnerung von Emmanline haben wir in Erfahrung gebracht, die sogar selbst ich sehen konnte, wie Culebra Anhänger um sich scharrt. Nicht nur Drachen. Sondern auch aus anderen Fraktionen und Völkern.“
Kurz runzelte Darius mit seiner Stirn, als er versuchte darüber nachzudenken. „Was für Fraktionen und Völker?“ Wollte er es wissen.
„Dämonen, Vampire, Hexen, Nymphen, Gestaltenwandler und wenn ich mich sogar nicht irrte, sogar Inkubuse. Es war eine ganze Schar und ich weiß nicht, wie es heute aussieht.
Er wusste nicht, ob er schockiert oder entsetzt sein sollte. Wenn Lucien die Wahrheit sprach und Culebra wirklich ein solches Heer um sich scharrt, kann es niemals Gutes bedeuten. „Wie meinst du das, wie es heute aussieht?“
„Ich war damals noch ein Kind gewesen.“ Beantwortete Emmanline seine Frage. „Keine Ahnung wie groß es jetzt ist. Irgendwann habe ich so schnell wie möglich versucht, so viel zu vergessen wie ich konnte.“ Senkte sie etwas ihren Kopf und Darius konnte mit ihr fühlen.
Er konnte sich zwar nicht vorstellen was sie alles hatte durchmachen müssen, aber es musste furchtbar gewesen sein. Vor allem da sie damals noch ein Kind gewesen war. Was hatte sie alles durchstehen müssen? Oder erdulden? Oder überleben? Es war nicht so, das diese Frau ihm leid tat, aber sie hatte sein Mitgefühl. Zumal sie deutlich gemacht hatte, das sie kein Mitleid wollte.
„Schon ok, Emmanline. Dir nimmt es niemand übel oder gibt dir die Schuld dafür. Wir können dich verstehen, dass du das alles vergessen willst. Darum musst du dies hier auch nicht tun.“ Sagte Lucien es in einem sanften Ton zu ihr.
Emmanline erwiderte es mit einem zaghaften Lächeln, was Darius wirklich erstaunte. Zuvor hatte sie nie den Eindruck gemacht, als könnte sie lächeln. Das könnte alles wirklich interessant werden und sich zu etwas entwickeln, was alles verändern könnte. Vielleicht nicht immer zum Guten, aber es könnte durch aus was Neues und Besseres für das ganze Volk sein. Er hatte so ein Gefühl, das es so war.
„Aber wenn er damals schon so eine große Streitmacht zusammen hatte und sie heute noch dermaßen größer, worauf wartet er dann noch, wenn er doch den Thron will? Er hätte schon längst Raziz stürzen können.“ Kam ihm so der Gedanke und Lucien schien darüber auch nachzudenken.
„Das ist eine gute Frage. Vielleicht hat es nie ausgereicht.“
„Oder er wartet auf etwas bestimmtes.“
„Dann ist nur die Frage auf was.“
Jetzt erklang Emmanlines Stimme. „Alles ist Teil seines Plans. Culebra schmiedet schon seit einer halben Ewigkeit genau seine Ziele und bis jetzt sind sie immer aufgegangen, wie er es sich vorgestellt hatte. Nur vermutlich nicht, als ich diesen Pfeil aufgehalten habe, der dich hätte töten sollen.“
„Willst du mir sagen, das mein Vater ein Teil von Culebras Plan gewesen war und sterben musste?“
„Das könnte durchaus möglich sein. Wer war es gewesen, der dein Vater getötet hat, Lucien?“ Fragte Emmanline.
„Das war mein Onkel, sein Bruder Shiraz.“ Konnte er kaum die Worte aussprechen.
„Dann war sein eigener Bruder ein Verräter.“
„Sie könnte Recht haben, Lucien.“ War selbst Darius über das Ergebnis überrascht. „Wenn Shiraz wirklich mit Culebra zusammengearbeitet haben könnte, gab es keine bessere Gelegenheit, als in die Nähe des Königs zu kommen. Der eigene Bruder. Niemand hatte damit gerechnet.“
„Culebra hat seine Anhänger überall und ihr solltet aufpassen. Ich kann mich in eure Angelegenheiten nicht einmischen, weil ich das Recht nicht dazu habe. Das einzige was ich tun kann, ist, aufzupassen. Ich werde meine Augen offen halten und wenn mir etwas auffällt oder einfällt, werde ich sofort Bescheid geben. Aber verlangt nicht von mir, das ich mich dazwischen stelle.“
Langsam bekam er mehr Respekt ihr gegenüber, als er vielleicht angenommen hatte. Sie wusste wirklich wann sie sich zurück halten und wie sie sich in manchen Situationen verhalten musste. Das konnte nicht jeder.
Aber anscheinend fiel es Lucien nicht leicht, das Emmanline sich selbst in die Schranken wies und sich auch zurück hielt, aber er konnte sie auch verstehen. Sie war fremd in einem anderen Volk und vollkommene Akzeptanz war für sie nicht vorhanden und es war nicht leicht für sie. Vor allem nicht, da sie unter Culebras Hand gelebt hatte. Er nahm es ihr nicht übel, weil sie dafür nichts konnte und er traute es ihr auch nicht zu, das sie eine Spionin war, oder gar eine Verräterin. Das sagte ihm sein Instinkt und das trügt ihn eigentlich nie.
„Einverstanden. Aber sollte je etwas sein, Emmanline, wirst du sofort Bescheid geben. Nicht nur meinetwegen. Auch deinetwegen. Das musst du mir versprechen. Es geht nicht nur um mich oder um mein Volk, sondern auch um dich.“ Schien er nichts anderes als ein Einverständnis zu tolerieren. Das wusste diese Frau auch.
„Einverstanden.“
Nun, das was zwischen diesen beiden war, war wirklich erstaunlich und es machte ihn neugierig wie sich das weiter entwickelte. Wer weiß was die Zeit noch brachte, aber es bestand was großes bevor, was er noch nicht ganz deuten konnte. Sollte Lucien sie je als seine Seelengefährtin nehmen und mit ihr ein Bund eingehen, würde das eine große Veränderung geben. Zumal würde diese Frau die Königin des Drachenvolk werden. Das außergewöhnliche wäre, noch nie gab es eine Königin, die nichts anderes war als eine Drachin. Doch Emmanline war etwas vollkommen anderes. Etwas verlorenes und vergessenes.
Wie würde wohl sein Volk damit umgehen?
Emmanline wusste erst gar nicht, wie sich dieses Gespräch entwickelte. Kaum das sie sich versah, war sie mittendrin. Eigentlich wollte sie Lucien zur Vernunft bringen und ihn davon abraten sie in alles einzugliedern. Es wäre nicht das Richtige, wenn sie zu vieles weiß. Warum verstand er es denn einfach nicht?
Sein Onkel Darius sollte ihr eigentlich dabei helfen Lucien davon abzubringen und er hatte dann den Vorschlag gemacht in einigen Dörfern ein paar Besuche abzustatten. Sie wusste, was er damit bezwecken und einfach nur erfahren wollte, wie sie auf sie reagierten.
Sie hatte nur eingestimmt, damit sie beweisen konnte, das dem nicht so war. Sie konnte sich sehr gut vorstellen, wie die Drachen auf sie reagieren würden. Wenn es stimmte und es stimmte, gingen Informationen herum wie das Lauffeuer. Jeder wusste wo sie ihr Leben verbracht hatte. Jeder wusste, sie war bei Culebra gewesen.
Aber es war noch etwas anderes, warum sie zugestimmt hatte, weswegen sie mit in diese Dörfer kam. Sie wollte etwas anderes heraus finden, als diese Reaktionen dieser Drachen ihr gegenüber. Sie musste sich einer Sache sicher sein, was sie nur so herausfinden konnte und nur so konnte sie Antworten bekommen.
Also blieb ihr nichts anderes übrig, als in den sauren Apfel zu beißen und in eines dieser Dörfer zu gehen und sich dieser Blicke auszuliefern. Sogar dieser Momente der Stimmen und Worte, die sie vielleicht nicht hören wollte, aber es sollten Beweise für Lucien sein. Beweise, die ihn endgültig umstimmen sollten, er solle vorsichtig sein.
„Hat Culebra einen engsten Vertrauten, den er seine rechte Hand nennt?“ Riss Darius sie aus ihren Gedanken.
„Nicht das ich wüsste. Er lässt nie wirklich jemanden nahe an sich heran, das er jemanden vertraut. Er weiht niemanden wirklich in seine Pläne ein, sondern behält sie für sich. Er gibt nur Aufträge.“ Antwortete sie darauf.
„Beschafft sie mir.“ Schrie er aus tiefster Kehle, das sie sich die Ohren zu halten musste, weil sie ihr weh taten. Nein, ihr tat alles weh, aber sie konnte es nicht.
Manchmal wusste Emmanline nicht, wo sie war oder was mit ihr geschehen war. Sie fühlte sich matt und kraftlos. Nicht müde, aber unendlich energielos. Wieder einmal hatte Culebra es getan. Er hatte sie zu Tode gebracht, aber wie hatte sie vergessen, zu unzählige Male geschah dies.
Jetzt lag sie hier auf dem Boden, ihr Körper hatte unendliche Schmerzen, weil er versuchte zum Leben zu erwachen. Sie wollte sich bewegen, aber sie schaffte es nicht und jeden Millimeter den sie versuchte sich zu regen, war eine neue Qual für sie. Es tat so furchtbar weh und sie stand kurz davor erneut ohnmächtig zu werden, aber sie kämpfte dagegen an.
Noch immer konnte sie die Laute und verärgerte Stimme in der Ferne hören, die ihr mehr als vertraut war. Sie war voller Zorn, Hass und Wut, die in ihren Ohren schon normal klang. Etwas muss geschehen sein, stellte sie fest, aber sie konnte nur vereinzelte Wortgefechte aufnehmen.
„Mein Meister, ich versichere euch, wir werden sie finden. Wir sind kurz davor euch diesen Ring zu beschaffen.“ Sprach jemand schnell und unsicher.
„Dann verschwindet endlich.“ Schrie die wütende Stimme und sie konnte nur noch ein durcheinander hören, bevor sie kurz das Bewusstsein verlor.
Als sie wieder zu sich kam, konnte sie noch immer nicht ihre Augen öffnen und der Schmerz war noch nicht abgeklungen. Sie hörte nur noch eine einzelne Stimme, als würde sie mit sich selbst reden.
„Unfähiges Pack. Es wäre besser, wenn ich alles alleine mache.“ Knurrte eine männliche Stimme und da bemerkte sie, das sie mit Culebra alleine war.
Am liebsten hätte sie sich versteift und wäre irgendwo hin gekrochen, aber sie bemühte sich nicht zu regen und kein Laut von sich zu geben. Um keine Aufmerksamkeit erregen.
„Wenn ich nicht bald diesen verdammten Ring des Zwangs bekomme, brenne ich noch alles nieder, was mir über die Quere läuft. Der fehlt mir in meinen entscheidenden Plan. Ich brauche ihn.“ Sprach er einfach weiter. „Diese Schlampe von einer Göttin soll sich nur weiterhin weigern und sie wird es bereuen. Wenn Calandra, Göttin des Zwang meint, sie könne sich mit mir anlegen, dann hat sie falsch gedacht. Es täte ihr gut sich meiner zu beugen.“
Bei seiner Stimme und seinen Worten wurde es Emmanline übel und sie wusste nur zu gut Bescheid, wie es sich anfühlte, wenn er Drohungen aussprach. Wer auch immer diese Göttin war, ihr würde nichts Gutes widerfahren, sollte Culebra sie je zu fassen bekommen.
„Ah, verweilen wir wieder unter den Lebenden?“ Führte er jetzt keine Selbstgespräche mehr, denn seine Stimme war jetzt so nahe, das sie zusammen zucken musste. Ihr Körper reagierte automatisch. „Wie lange bist du schon wach?“
Doch sie antwortete nicht. Sie konnte es nicht, denn sie fand ihre Stimme nicht. Was hatte er zuvor mit ihr getan?
„Anscheinend ist dein Körper noch nicht so wiederhergestellt, als könntest du sprechen. Ich müsste wirklich Mitleid mit dir haben, was ich vielleicht hätte, wenn du mir endlich sagen würdest, was ich wissen möchte.“
Konnte sie endlich ihre Augen etwas öffnen. Leicht verschwommen konnte sie ihn erkennen, wie er über ihr gebeugt da hockte und verachtend zu ihr herab blickte. Diesmal war er in Menschengestalt. Seine Arme lässig auf seine Knie abgestützt, während sein Kinn leicht gereckt war. Er strotzte nur voller Eitelkeit und Arroganz.
„Wirklich zu dumm. Du wirst von Zeit zu Zeit immer hübscher und ich finde es wirklich schade drum dir immer wieder wehtun zu müssen, aber du willst es nicht anders, Mädchen. Warum gibst du nicht endlich auf?“ Griff er mit einer Hand nach ihren Kinn und erhob es zu sich, damit er sie betrachten konnte. „Du könntest es viel besser haben. An meiner Seite. Etwas an dir ist besonders und mich interessiert es brennend. Die ganzen Schmerzen und die Qual kann endgültig ein Ende haben, wenn du mir endlich dein Geheimnis für deine Unsterblichkeit verrätst. Wie kehrst du immer zum Leben zurück? Ich will es wissen. Ich will selbst über dieses Wissen verfügen und es besitzen. Diese vollkommene Unsterblichkeit soll auch Mein sein.“
Emmanline konnte ein machthungriges Glitzern in seinen Augen erkennen, was ihr furchtbare Angst machte. Ihre Mutter hatte Recht. Egal was er ihr antun würde, sie dürfte ihm nie etwas verraten. Niemals.
„Emmanline?“
„Was?“ Blinzelte sie benommen und blickte in Luciens Gesicht, das besorgt aussah. Nun versuchte sie zu realisieren und bemerkte, das sie in seinen Armen lag und auf seinem Schoß auf einem Sofa saßen. Wie waren sie dort hin gekommen?
Noch immer besorgt schaute er sie an und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht, seine Geste so voller Zärtlichkeit, die sie erwärmte.
„Ist mit dir alles in Ordnung? Du hast dich an etwas erinnert, nicht wahr?“
„Ja.“ Legte sie eine Hand auf seine Brust, direkt dort wo sein Herz schlug. Sie brauchte das jetzt. Seine Nähe, was ungewöhnlich war. „Sagt euch eine Göttin Namens Calandra etwas?“
„Calandra, die Göttin des Zwang?“ Erklang Darius Stimme neben sie und schaute dort hin, wo er in einem Sessel saß. Er selbst schaute sie etwas besorgt an, was sie wunderte.
„Ja, genau die.“
„Sie ist nicht gerade eine Göttin von guten Worten. Sie bringt nur Unheil. Sie besitzt einen Ring des Zwangs, der alles und jeden in seine Gewalt bringen kann. Man kann der Person alles aufdrängen was man will. Sie vollkommen in Besitz nehmen.“ Erklärte Luciens Onkel weiter. „Aber sowie ich gehört hatte, scheint die Göttin Langeweile darin gefunden zu haben andere in einen Zwang zu fesseln. Sie zwingt sie lieber so.“
Lucien sah sie an. „Was ist mit der Göttin des Zwangs, Emmanline?“
Für einen Augenblick schaute sie ihn an. „Wenn ich mich nicht verhört habe, sucht er diesen Ring des Zwangs. Er will ihn von der Göttin Calandra.“
Eisiges Schweigen herrschte jetzt in dem Arbeitszimmer von Lucien und sie konnte es sich denken was dies bedeutete. Alle wussten es, was dies bedeutete.
„Jetzt kann ich mir vorstellen wie Culebra sich die Macht sichern will.“ Wurde Darius Stimme auf einmal kalt wie Eis. „Sobald er die Macht über das Drachenvolk hat, wird er diesen Ring des Zwangs einsetzen. Nur so könnte er das Volk beherrschen.“
Lucien lief es eiskalt den Rücken runter, als er das Vernommene aufnahm. Er glaubte Emmanline und was sie gesehen hatte. Als ihr Blick auf einmal so starr und ausdruckslos wurden und einen Augenblick später in seinen Armen zusammengesackt war, hatte er sie gepackt und sie zum Sofa getragen. Er hatte sie auf seinen Schoß gesetzt und zu ihr gesprochen. Liebevoll und sanft, während er sie gestreichelt hatte.
Würde ihm jedes Mal sein Herz stehen bleiben, wenn er sie in diesem Zustand sehen würde?
Jedenfalls war er froh, dass sie schnell zu sich gekommen war und auf ihn reagiert hatte. Trotzdem waren es keine guten Erkenntnisse gewesen, was sie erzählte. Keine gute Erinnerungen, was es nie sein würden. Nicht bei Emmanline und es zerriss ihm das Herz. Dafür würde er sich jetzt umso mehr anstrengen, damit er ihr genau das jetzt geben konnte. Schöne und gute Erinnerungen. Nur noch diese und keine anderen.
„So leicht wird sich Calandra nicht fangen und töten lassen.“ Fand er endlich Worte. „Sie wird diesen Ring niemals hergeben.“
„Hoffen wir es. Bekommt Culebra diesen Ring in seine Hände und schafft es auch nur in die Nähe von dir, Lucien, wird er dich töten. Sobald er das geschafft hat, wird es verdammt schwierig werden.“ Meinte sein Onkel, weil er Recht damit hatte.
Sollte Culebra ihn getötet haben und diesen Ring des Zwangs besitzen, könne er sich jeden unter seinen Zwang bringen und das tun lassen, was er möchte. Er könnte zwar nicht ein ganzes Volk unter einen Bann stecken, aber die Mächtigen würden vollkommen ausreichen.
„Dann wird es Zeit, dass wir Culebra endlich das Handwerk legen und ihn finden. Wir können nicht länger warten und müssen noch stärkere Maßnahmen ergreifen. Wir müssen uns noch einmal mit Charia zusammensetzen. Sie ist damit beauftragt und vertraut.“
„Ich habe eine Bitte an dich, Lucien.“ Schaute Darius ihn ernst an und es wunderte ihn und war gespannt, als er nickte. „Berufe mich hier ans Schloss als deinen Strategen. Gerade in der Zeit und in Nascar werde ich alle Vorkehrungen treffen. Ich werde auch mit Saphira sprechen. Ich kann hier mit meinen Fertigkeiten gute Dienste leisten, sowie ich es bei deinem Vater stets getan habe. An deiner Seite.“
Von gespannt sein, wechselte zu Überraschung und er konnte sogar von Emmanline spüren, dass sie das gleiche Empfand. Sein Onkel wollte am Hofe bleiben und hier an seiner Seite als Taktiker arbeiten. Es könnte vom Vorteil sein und er hatte erst vor kurzem selbst zu Emmanline gesagt, wie gut er als Stratege war. Er wäre ziemlich dumm, es auszuschlagen.
„Besitzt du die Möglichkeiten eine Vertretung in Nascar zu finden? Vielleicht sogar auf Dauer, Onkel?“ Wollte er wissen.
„Ja, es gibt da jemanden, den ich im Blick habe. Er hat mich schon einige Male Vertreten, während ich abwesend war, sowie jetzt. Tull macht seine Aufgaben gut und gewissenhaft.“
„Tull? Irgendwoher habe ich diesen Namen schon einmal gehört. War dies nicht dein Schützling gewesen?“
„Ja, war er. Er hat sich zu einem guten und klugen Krieger entwickelt. Er erinnert mich sogar etwas an dich, aber er wäre eine gute Wahl.“
„Was ist mit Saphira? Müsstest du das nicht vorher mit ihr besprechen? Immerhin ist sie deine Seelengefährtin.“
Leicht lächelte Darius. „Ich habe schon mit ihr darüber gesprochen und wir sind uns einig. Sie ist der gleichen Meinung wie ich und es wäre eine gute Idee, wenn ich hier bleiben würde und du es willst, Lucien. Doch Saphira wird erst einmal allein nach Nascar zurück kehren und dort alles klären, während ich hier bleiben würde.“
„Du scheinst ja schon alles geplant zu haben.“ Lächelte Lucien seinen Onkel an.
„Glaubst du ich würde mit halben Sachen ankommen, Neffe?“
„Nein, das hast du noch nie getan.“ Lachte er leicht auf. „Ich nehme dein Angebot gerne an. Dein Wissen kommt mir sehr recht und ich wäre dumm es abzulehnen. Gerade jetzt in der kritischen Zeit. Ich könnte dich auch gut gebrauchen. Wenn ich auch ehrlich bin, ich hätte dich auch gefragt, ob du nicht bleiben und mir zur Seite stehen könntest, sowie du es bei Vater getan hast.“
„Dann sind wir uns ja einig.“ Nickte sein Onkel dankend und zustimmend. „Ich werde mich auch sofort darum kümmern und mir alles in die Wege leiten, was ich brauche.“
„Sage Bescheid, wenn es noch was dringendes sein soll.“
„Natürlich.“ Nickte er ernst. „Wenn euch noch was einfällt, dann sagt es mir bitte, ansonsten würde ich mich jetzt zurück ziehen. Ich würde, wie gesagt, um einiges kümmern und um Informationen einholen. Du kennst mich ja, ich halte nie still, wenn ich einmal das tue, was ich am besten kann.“
Das stimmte wirklich. War sein Onkel einmal in seinem Element und in der Kriegsführung, gab er nicht eher Ruhe, bis er seine Ziele erreicht hatte. Das bewunderte er wirklich an ihm und damals, als er noch viel jünger gewesen war, hatte er ihn sogar als ein leichtes Vorbild genommen. Aber es war noch immer sein Vater gewesen, den er am meisten bewunderte und als sein wirkliches Vorbild hatte. Für ihn war sein Vater sein Held gewesen, auch wenn er des öfters mal streng sein musste. Er hatte es verstanden.
„Ich verstehe schon, Onkel. Fällt dir noch etwas ein, meine Liebe?“ Blickte er zärtlich auf Emmanline herab, während er sie auf ihrer Schulter berührte. So hauchzarte weiche Haut. Er liebte es.
„Nein.“ Schüttelte sie mit ihrem Kopf. „Ich weiß nichts mehr.“ Bettete sie ihren Kopf auf seine Brust und es brachte sein Herz zum schneller schlagen. Es geschah so leicht und schnell, sie hörte es. Er bemerkte es dadurch, als sie ihre Hand auf seine Brust legte, direkt wo sein schnelles Herz schlug. Es erfreute ihn und brachte ihn einfach zum lächeln.
„Gut, dann werde ich euch jetzt alleine lassen. Ihr macht euch einen tollen Tag in den Dörfern und ich kümmere mich um den Rest.“ Stand Darius auf und wandte sich auch schon um und ging zur Tür. Er hatte was wahrhaftig eilig. Kaum das er sich verabschiedete, war er auch schon verschwunden und sie waren alleine.
„So schnell geht das also?“ Meinte Emmanline in die Stille, die eingekehrt war.
„Anscheinend. Ich hätte nur nicht damit gerechnet, das er selbst auf mich zukommt. Ich wäre wirklich auf ihn zugegangen und hätte ihn darum gebeten.“
„Ja, ich weiß. Du hast es in unserer mentalen Verbindung verständlich gemacht, wie wertvoll er in deinem Hof sein könnte. Es war eine gute Entscheidung. Dein Onkel ist sehr ehrgeizig und er scheint was er tut wirklich ernst zu nehmen.“
Lucien zog sie enger an sich, weil er ihr nicht nahe genug sein konnte und legte seine Wange auf ihr Haupt. „Ja, das ist er. Darius hat schon damals bei Vater in vielen gute Strategien geplant, die Raffinesse hatte. Die sogar in Geschichtsbücher eingegangen sind. Man kann ihn sogar als eine Legende ansehen.“
„Vielleicht ist es an der Zeit, das diese Legende zurückkehrt.“ Flüsterte sie leise, aber er verstand sie gut.
Darauf musste er lachen. „Vielleicht hast du sogar Recht. Vor allem so einer wie er. Aber eine andere Sache.“ Seufzte er dann. „Als du vorhin in meine Arme gesunken bist und eine Erinnerung aus deiner Vergangenheit hattest, habe ich etwas gesehen.“ Blickte er starr gerade aus. Eigentlich stand dort ein Bücherregal mit Haufen Bücher, die er niemals in die Hand nehmen würde, aber er übersah es einfach.
„Hast du meine Vergangenheit gesehen?“
„Ja. Ich habe nur nichts erwähnt, weil ich es meinem Onkel gegenüber nicht erwähnen wollte. Ich habe alles gesehen und gefühlt. Alles was du sahst und fühltest. Und die Worte von ihm.“ Knurrte er wütend, wenn er nur daran dachte, wie er Emmanline behandelt hatte. Je mehr Erinnerungen er von Emmanline sah, umso mehr musste er keine Bestätigungen mehr haben, dass sie unschuldig sei.
„Etwas muss uns verbinden, warum du meine Erinnerungen aus meiner Vergangenheit sehen kannst. Sogar wenn nur ich mich an sie erinnere, siehst du sie. Du erträumst sie nicht nur.“
„Vielleicht liegt es daran, weil du meine Seelengefährtin bist. Ich bin mit dir verbunden.“ Wäre es für ihn eine eindeutige Erklärung, die für ihn infrage kommen könnte. Gerade solch ein Band wäre imstande so stark zu sein etwas so außergewöhnliches Zustande zu bekommen.
„Vielleicht.“ Klang sie nachdenklich. „Weißt du jetzt auch, warum Culebra mich haben will? Warum er mich jagt und unbedingt wieder haben will? Warum er mich nicht gehen lassen will?“ Versteifte sie sich leicht.
Nun dachte er an die Worte von diesem Bastard. „Er will wissen, was dein Geheimnis ist. Er will selbst so unsterblich sein wie du und über die Macht verfügen. Aber du hast dich stets dagegen geweigert und all diese Schmerzen und Qual auf dich genommen. So groß ist dein Geheimnis.“
„Er und auch sonst niemand darf es wissen, Lucien.“ Fing sie sich weiter an zu versteifen.
Lucien konnte spüren, wie leichte Panik sich in ihr breit machte. „Ich will es nicht wissen, Emmanline. Solange es dir zu Nutzen ist, soll es mir recht sein, aber Culebra werde ich solch ein Geheimnis nicht zukommen lassen. Wie sollen wir ihn sonst besiegen können, wenn er immer wieder von den Toten aufersteht? Ich versichere dir, egal was passieren wird, es wird nicht soweit kommen. Ich werde auch dafür sorgen, das er dieses Wissen nicht erlangt, egal was es sein mag.“ Küsste er sie auf die Stirn, weil er nicht anders konnte, als nur zärtlich zu sein.
„Aber es kann auch ein Fluch sein.“ Lehnte sie sich entspannter an ihn. „Wenn du das gefühlt hast, was ich gefühlt habe, dann weißt du es wie schlimm es sein kann. Wie schlimm der Tod und wie furchtbar es sein kann, in das Leben zurück zu kehren. Am Anfang hatte Culebra mir nur wehgetan, um meiner Mutter wehzutun, bis er irgendwann bei mir zu weit gegangen war. Als er schließlich bemerkte, wie ich zum Leben erwachte, war er so darauf besessen, es herauszufinden, das er mich immer wieder zu sich geholt hatte. Nicht jeden Tag und auch nicht in geregelten Abständen. Wann ich wieder zum Leben erwachte, war nie von prognostizierbarer Dauer. Irgendwann tötete er mich aus reiner Neugier und Wissbegier, weil er mein Geheimnis wissen wollte. Vielleicht konnte er es so herausfinden, da meine Mutter und ich nicht sprachen.“
Aufmerksam hörte er ihr zu und es schnürte ihm die Brust zu, je mehr sie ihm erzählte. So viel Leid und Schmerz und er konnte ihr kein einziges Mal helfen.
„Was war mit deinem Vater? Wo war er?“ Musste wenigsten er etwas unternommen haben, um die beiden zu retten und zu beschützen.
„Ich habe ihn nie gekannt. Meine Mutter hatte auch nie wirklich von ihm erzählt. Sie meinte nur, ich solle ihn niemals hassen und verurteilen, ohne ihm einmal zu begegnen.“
„Tust du es denn?“
„Was? Hassen und verurteilen?“
„Ja.“
Kurz schwieg sie, aber schüttelte dann mit ihrem Kopf. „Nein, tue ich nicht. Ich kenne ihn nicht, egal wer es auch sein mag. Ich war damals zu klein um es zu begreifen, als meine Mutter mir von ihm erzählte. Auch wenn sie niemals seinen Namen erwähnte. Warum verstand ich nie. Auch Culebra erwähnte ihn nicht. Niemand tat es.“ Zuckte sie mit ihren Schultern. „Außerdem glaube ich nicht das er was von mir weiß. Ich habe erfahren, das Culebra meine Mutter gefangen genommen hatte, bevor mein eigentlicher Vater wissen konnte, das sie schwanger war. Also kann er nichts von mir wissen.“
„Oh, Emmanline...“ Flüsterte er entsetzt.
„Er mochte meine Mutter bis zum Ende gesucht haben, weil sie Gefährten waren, aber mit ihrem Tod, war auch die Verbindung weg. Auch meine zu ihr.“
„Liebste.“ Umarmte er sie fest und stark, weil er ihr Trost spenden wollte. Solange sie ihn nicht davon stieß, hielt er sie solange fest wie sie wollte.
„Am liebsten wollte ich ihn hassen und verurteilen, ich gebe es zu, aber ich konnte es irgendwie nicht. Nicht weil er nichts dafür konnte, weil er sie nicht beschützen konnte. Das einzige was ich ihm gegenüber empfinde, ist große Enttäuschung, weil er meine Mutter niemals gefunden hatte. Dabei hatte sie jeden Tag darauf gehofft. Ich habe es gesehen, Sie hat immer gewartet.“
„Du etwa nicht?“
„Nein. Meine Mutter war das Einzige für mich. Sie war meine Welt und mein Leben. Wäre er gekommen, wäre ich mit ihr gegangen.“
Das musste er kurz auf sich wirken lassen. Er war irgendwie schon entsetzt so etwas von ihr zu hören. Ihr alleiniges Vertrauen galt nur ihrer Mutter, weil sie ihr Mittelpunkt im Leben war, der aber nicht mehr existierte. Sie hatte alles mit nur einem Schlag verloren. Ihr Verlust, war auch sein Verlust. Er konnte genau nachempfinden wie sich dies anfühlte. Und er hatte sie damals auch noch dafür beschuldigt, sie hätte keine Ahnung wie es sei jemanden zu verlieren. Was für ein riesen Arschloch er doch war.
„Du bist zum Teil eine Elfe. Damals herrschte ein unerbittlicher Krieg zwischen den Fae, Nymphen und Elfen. Sie sind aus der Mythenwelt verschwunden. Niemand weiß ob sie noch existieren, oder ob sie im verborgenen Leben.“ Zumal er einen kleinen Hinweis wusste, den er nachgegangen war und hoffte das es stimmte. Aber er wollte es noch nicht ansprechen. Wenn es nichts als eine Fehlinformation war, dann wollte er nichts falsches sagen und vielleicht keine falschen Hoffnungen setzen. Oder die unnütze wären. Falls es Emmanline interessierte, jetzt da er wusste, wie sie über ihren Vater dachte.
„Mag sein.“ War ihre einzige Antwort darauf und er erwiderte auch nichts weiter. Es war besser so.
„Was hältst du davon, wenn wir uns fertig machen und uns dem widmen, was wir vor hatten? Nämlich eine kleine Besucherrunde zu machen. In den Dörfern.“ Schlug er vor, in dem er das Thema wechselte.
Erst jetzt rückte sie von ihm ab und schaute ihm ins Gesicht. „Ja, in Ordnung.“
Es dauerte nicht lange, bis sie sich fertig gemacht hatten und unterwegs waren. Etwas musste sie schon zugeben, das sie nervös war. Es war nicht, wie die Drachen und Bewohner auf sie reagierten, sondern was sie erwartete.
Audray war auf dem Schloss geblieben, weil er noch immer den Schlaf nachholte, den er brauchte. Später würden ein paar Bedienstete etwas zu Essen vorbei bringen und heute Abend wären sie auch wieder im Schloss. Dann würden sie sich auch wieder um ihn kümmern. Lucien würde dann wohl auch mit ihm ein Gespräch führen, was wohl gut wäre. Nur so konnten sie heraus finden was mit ihm geschehen war.
Auf dem Hinweg zum Dorf war sie froh das Lucien ihr nicht anbot zu fliegen und wie er es versprochen hatte. Sie nahmen den Landweg und sie stellte fest, soweit war es gar nicht entfernt. Jedenfalls nicht auf den Pferden. Was ziemlich irrsinnig aussehen mochte oder wenn man darüber nachdachte, Drachen ritten auf Pferde? Dabei kam es vor, das sie sie als ihre Mahlzeit ansahen, was sie nervös machte. Trotzdem blieben diese Lasttiere ruhig und trugen diese Drachen als ihre Reiter. Sie vertrauten ihnen das sie sie nicht frassen.
Es war sonniges Wetter und strahlend blauer Himmel, während sie die herrliche Landschaft genoss. Sie hatte überhaupt nicht gewusst, das hinter dem Wald Wiesen und Felder lagen, so wie Lucien ihr erklärte, etwas angebaut wurde, was zur Nahrung diente. Sie verstand sofort und war wirklich begeistert und neugierig zugleich. Alles war so weiträumig und groß, das sie eine herrliche Aussicht in die Ferne hatte. Hier und da konnte sie ein paar Personen auf den Feldern erkennen, die dort zu arbeiten schienen. Sie schienen erfreut zu sein, als sie Lucien bemerkten und kamen sogar auf ihn zu. Sie beobachtete das Geschehene und die Gespräche und begrüßten selbst sie freundlich, was sie erstaunte. Damit hätte sie nicht gerechnet. Es war alles irgendwie normal.
Irgendwann konnte sie in der Ferne die ersten Häuser erkennen und es dauerte nicht mehr lange, sie waren inmitten einer großen Massen von Personen umgeben. Von allen Seiten wurden sie höflich und herzlich begrüßt, wie es sich anscheinend gehörte. So viel auf einmal fühlte sie sich doch etwas zu unbehaglich und erdrückend an. Es war ein zu großer Auflauf, den sie am liebsten entkommen konnte.
Lucien beschwichtigte sie sofort und sie löste sich sofort auf.
„Wie hast du das denn gemacht?“ War sie schon neugierig.
„Ich habe ihnen versprochen, bei jeden einzelnen vorbei zu schauen, während ich hier bin.“
„Emmanline.“ Wurde laut ihr Name voller Freude und Begeisterung geschrien, das sie sich einfach umdrehen musste. Irgendwoher kannte sie die Stimme. Auf sie kam ein kleines Mädchen zugerannt, welches Lächeln über das ganze Gesicht strahlte. Hinter ihr liefen noch vier weitere Kinder. Sie erkannte sie alle sofort. Jetzt erinnerte sie sich.
„Cassy.“ Freute sie sich sogar auch. „Rick. Bitsie. Trey. Rob.“ Nannte sie alle Namen der Kinder. Sie waren alle in diesem Lager gewesen, welche Verletzten beherbergten wurden. Sie hatte sich dort um sie gekümmert und abgelenkt und sofort in ihr Herz geschlossen. Lächeln schaute sie auf sie herab, als sie vor ihr stehen blieben.
„Wie toll, du kommst uns besuchen.“ Strahlte Bitsie.
„Ja, wie geht es euch?“ Fragte sie.
„Uns geht es gut und wir haben wieder mit geholfen alles wieder aufzubauen.“ Richtete Rick den Blick auf Lucien, der aufgeregt zu sein schien.
Lucien lächelte auf ihn herab. „Das sehe ich. Habt ihr gut gemacht.“
Sofort strahlten die Kinderaugen, aber vor allem die der drei Jungen. Es war die Anerkennung des Königs, was sie so erfreute.
„Kommst du mit uns etwas spielen, Emmanline? Wir würden uns so sehr freuen.“ Fragte Cassy aufgeregt.
Kurz blickte sie zu Lucien und dann auf die Kinder. Sie war sich etwas unsicher. „Was spielt ihr denn?“
„Das Spiel nennt sich Hase und Jäger.“ Antwortete ihr Trey.
„Da kannst du gerne mitspielen.“ Stimmte Rob zu.
„Nun...“ Musterte sie die Kleinen. „...ich weiß nicht wie das Spiel funktioniert.“
Emmanline bemerkte da plötzlich, das Cassy einen Ball in der Hand hielt und hoch hielt. „Das ist kein Problem. Dann erklären wir es dir. Das ist ganz einfach.“
„Es gibt einen Jäger, der hat den Ball und alle anderen sind die Hasen, die müssen wegrennen. Der den Ball hat, muss die anderen abwerfen. Der der getroffen wurde, scheidet dann aus. Du kannst den Ball aber dann auch fangen und irgendwo hinwerfen. Der am Ende übrig bleibt hat gewonnen.“
Überraschend war es, wie begeistert sie darüber sprachen und sie hatte noch nie solche Kinderspiele gespielt. Es wäre das erste Mal und es hörte sich auch interessant an.
„Gehe doch mit ihnen, Emmanline. Sie würden sich freuen und es hört sich doch spaßig an.“ Wandte sich Lucien ein.
Noch einmal schaute sie zu ihm auf und er lächelte sie an. Sie schmolz augenblicklich dahin. „Was ist mit dir?“
„Ich werde hier im Dorf sein. Du wirst mich finden.“
„In Ordnung. Ich komme sehr gerne mit.“ Lächelte Emmanline dann die Kinder an, die in strahlende Gesichter sah und deren Augen, die leuchteten.
Keine Sekunde länger zögernd nahmen sie ihre Hände und zogen sie hinter sich her. Sie hatte absolut keine Chance.
„Ich wünsche dir viel Spaß.“ Konnte sie Lucien noch laut rufen hören, bevor er außer Reichweite war. Sie war jetzt vollkommen eingenommen. Von kleinen Kindern, von denen sie einfach nichts mehr abschlagen konnte.
Lucien musste lächeln, als die Kleinen Emmanline einfach davon zerrten. Es war ein wundervoller Anblick zu sehen, wie sie herzlich aufgenommen wurde. Keiner behandelte sie aussätzig oder feindselig. Es beruhigte ihn ungemein und sein Onkel hatte Recht behalten. Es waren Emmanlines Taten gewesen, die die Drachen dazu verleiteten sie so aufzunehmen und ihr gegenüber so herzlich zu sein. Immerhin hatte sie ihnen zu der Zeit von Schmerz und Leid geholfen. Als sie angegriffen und schwer verletzt wurden, hatte sie Leben gerettet und Wunden geheilt. Sie hatte Schmerzen und Leid genommen. Viele waren ihr dankbar und vor allem, weil sie ihnen ihre Liebsten wiedergegeben hatte. Sie hatte sie vor dem Tod gerettet.
Niemals hätte Emmanline es tun müssen, aber trotzdem hatte sie es getan. Ihm war all dies zu Ohren gekommen, als er damals das Notfalllager betreten hatte. Es machte ihn verdammt stolz, sie seine Seelengefährtin zu nennen. Er brauchte sich absolut keine Sorgen zu machen, sie hätte Probleme. Niemand würde ihr etwas tun, sondern sie beschützen, sollte ihr etwas geschehen. Es lag daran, weil sie das Leben der ihren gerettet hatte. Es verlangte die Ehre, das sie nun ihres beschützten.
So sollte sie mit den Kindern mitgehen und wie komisch das klingen mag, aber sie sollte es lernen. Da er wusste und wie schmerzhaft das klingen mag, hatte sie keine Kindheit gehabt. Sie solle lernen wie man spielte. Einfach frei heraus, ohne etwas dabei zu denken. Wer könnte das besser, als kleine Kinder?
Nun gut, es wurde Zeit, das er seinen Rundgang im Dorf machte und bei jedem verweilte, wie er es versprochen hatte. So konnte er sich einige Informationen beschaffen und wie der Stand war, was in seinem Reich geschah. Dies hatte selbst sein Vater getan. Und er selbst früher. Außerhalb seiner Pflichten als ehemaliger Prinz und Anführer einer Garnison von Kriegern.
Wie eigenartig sich das anfühlte, aber so was hatte sie wirklich noch nie getan. Emmanline hatte sich zu Anfang wirklich daran gewöhnen müssen, wie dieses Spiel funktionierte. Doch vor allem, das man spielte. Sie kannte es nicht und hatte in ihrem ganzen Leben noch nie gespielt. Es war ihr vollkommen neu, aber es hatte ihr in der Tat Spaß gemacht. Kaum zu glauben, aber sie hatte auch mal gewonnen. Nicht immer, aber in dem Spiel musste man wirkliche Geschicklichkeit anwenden. Es war ein außergewöhnliches Spiel. Später kamen sogar noch ein paar mehr Kinder dazu, was es noch aufregender gemacht hatte. Erwachsene gesellten sich dazu und lachten mit.
Obwohl sie keinen Hunger hatte, bekam sie zu Essen, was sie hinterher nicht abschlagen konnte. Gut das es mehr als nur Fleisch gab. Was sie am liebsten mochte, waren die sogenannten Schokoladenkekse, die die Mutter von Cassy gebacken hatte, wie sie erfuhr. So was hatte sie noch nie gegessen und alle waren entsetzt darüber gewesen, worauf alle bestanden hatten, sie müsse sie probieren. Danach hatte sie tatsächlich zehn Stück gegessen, wovon sie mehr als genug davon hatte.
Erst später konnte sie sich verabschieden um Lucien zu suchen, aber wurde erneut aufgehalten. Sie musste nachfragen ob ihn jemand gesehen hatte und jeder sagte ihr was anderes. Es war nicht leicht, bis sie selbst aufgehalten wurde. Wieder wurde sie von einem kleinen Mädchen aufgehalten. Diesmal war es das kleine Mädchen, wessen Vater sie damals vor dem Tod gerettet hatte, welches sie so angefleht hatte ihn zu retten.
„Hallo.“ Klang sie so außer Atem, als sie vor ihr stehen blieb und anlächelte. „Als ich hörte, das du hier im Dorf bist, bin ich sofort hierher gelaufen.“ Erzählte sie aufgeregt.
„Hallo.“ Lächelte Emmanline zurück. Sie konnte einfach nicht anders. Es war herzerwärmend. Waren alle Drachenkinder so? „Komm erst einmal zu Atem. Warum das denn?“
„Ich wollte dich unbedingt wiedersehen und dir auch noch einmal danke sagen, das du meinen Papa gerettet hast.“
Gerade wollte sie sagen, es sei kein Problem, aber sie entschied sich anders. „Gern geschehen.“
„Darf ich dich zu mir nach Hause einladen? Papa würde sich sicherlich auch freuen dich wieder zu sehen.“
Oh je, wie könnte sie solchen Augen nur widerstehen?
„Wenn du mich so lieb bittest, sehr gerne.“ Lächelte sie sie an und das kleine Mädchen strahlte zurück.
„Oh, wie toll.“ Hüpfte sie drei Mal, als sie Emmanlines Hand ergriff. „Es geht da entlang.“ Deutete sie mit der anderen Hand etwas außerhalb des Dorfes.
„Wir haben uns noch gar nicht vorgestellt. Ich bin die Emmanline.“ Wie einfach es ihr jetzt fiel, sich mit ihren Namen vorzustellen.
„Oh, entschuldige. Das stimmt. Ich bin Anjanna und mein Papa ist Travis. Aber ihn wirst du gleich kennen lernen.“ Kicherte sie.
Anjanna war wirklich niedlich und folgte ihr stattdessen einfach. Sie hatten ein wirklich hübsches kleines Häuschen außerhalb des Dorfes. Einen großen Hof mit Garten, wo sie eine Menge angebaut hatten. Damit hätte sie nicht gerechnet, aber es musste eine Menge Arbeit machen. Anscheinend konnten Drachen auch sesshaft sein, was sie wunderte.
„Papa. Papa. Schaue mal wen ich mit gebracht habe.“ Schrie auf einmal Anjanna neben ihr, als sie zu winken begann. Erst da bemerkte sie eine große Gestalt inmitten des großen Gartens. Sie erkannte ihn sofort und diesmal war er bei bester Gesundheit.
Durch die Arbeit und der Sonne, wischte er sich den Schweiß von der Stirn, wie sie bemerkt und kam auf sie zu. „Hallo. Mein Name ist Travis. Ich bin Anjannas Vater.“ Klang seine Stimme tief. „Anscheinend hat meine kleine Tochter Euch so sehr bedrängt mit ihr zu kommen. Bitte entschuldigt. Vermutlich habt Ihr viel zu erledigen.“ War er sehr freundlich und neigte sein Kopf.
„Das stimmt gar nicht, Papa.“ Widersprach seine Tochter sofort und verschwand auf einmal.
„Hallo. Nennt mich einfach Emmanline. Ohne Höflichkeit.“ Blickte sie zu ihm rauf und lächelte. „Und Anjanna hat mich sehr lieb darum gebeten und ich hoffe es macht keine Umstände.“
„Oh, keineswegs. Ih...Du bist jederzeit willkommen. Ich habe dir sehr viel zu verdanken und das du mein Leben gerettet hast. Ich weiß nicht wie ich mich erkenntlich zeigen soll.“
Leicht schüttelte Emmanline mit ihrem Kopf. „Schon in Ordnung. Wenn ich in so ein glückliches Gesicht, wie in das deiner Tochter schaue, ist es Bezahlung genug. Das genügt mir.“ Meinte sie. „Damals konnte ich auch nicht anders und wie ich sehe, hätte es deine Gefährtin genauso betroffen.“
„Meine Gefährtin?“ Schien Travis verblüfft zu sein und sah sie fraglich an. „Ich habe keine Gefährtin mehr. Sie ist damals bei der Geburt von Anjanna gestorben.“ Wurde sein Gesicht traurig und betrübt, aber ein warmherziges und liebevolles Lächeln erschien auf seinen Lippen.
Plötzlich stand sie da wie zur Salzsäule erstarrt und blickte den Mann an. „Das tut mir leid. Ich wollte nicht...“ Entschuldigte sie sich sofort und blickte für eine Sekunde neben dem Drachen. Sie hätte es sehen müssen, jetzt wo sie genauer hinsah.
Neben ihm stand eine bildhübsche Frau, die fast real erschien, aber jetzt da sie genauer hinschaute, sah sie ein leichtes Flimmern. Sie war ein Geist, wie das kleine Mädchen und Tochter von Linava und Cynder. Wie erwartet konnte nur sie sie sehen und gerade hatte sie sich erneut in etwas reingeritten, was sie nicht vorhatte.
„Schon in Ordnung. Du konntest es nicht wissen. Aber was meinst du mit, und wie ich sehe?“
Sie konnte es ihm nicht sagen. Schon Linava hatte nicht gut darauf reagiert, als sie sie darauf angesprochen hatte. Sie war sehr wütend geworden und vermutlich wäre es jetzt das Gleiche.
„Du kannst mich sehen.“ Erklang eine verzerrte, aber liebliche Frauenstimme, die nur von der verstorbenen Gefährtin von Travis stammen konnte. „Bitte rede mit ihm.“
„Ich kann sie sehen. Deine Gefährtin.“ Brachte sie es doch heraus und presste danach ihre Lippen aufeinander, weil sie auf seine Reaktion wartete. Er stand einfach nur da und starrte sie an.
„Du kannst Alanna sehen?“ Fragte er nach und sie nickte nur bestätigend. „Wirklich?“ Blickte er sich um. „Wo ist sie?“
Überrascht musste sie feststellen, er war nicht wütend, sondern schien aufgeregt zu sein. Dies war nicht ganz womit sie gerechnet hätte. „Sie steht zu deiner rechten Seite.“ Und er wandte sich sofort zu dieser hin.
„Du belügst mich auch nicht?“
„Sage ihm, ich war es damals gewesen, die den ersten Schritt getan hatte, um ihn zu überzeugen, ich sei seine erste Liebe und er die meine. Doch er war nur zu schüchtern um mich anzusprechen. Lieber hatte er mich mit etwas dummes beeindrucken und mein Herz gewinnen müssen, indem er eine wertvolle Kette für mich zurück holen wollte, die mir von einer Walküre gestohlen wurde. Walküren werden von funkelnden Dingen angezogen, wenn sie erst einmal einen Blick darauf geworfen haben und können wie Drachen tödlich werden. Er war es gewesen, der mir mein liebstes Stück wieder gebracht hatte und endlich den Mut fand mir zu sagen, was er für mich empfindet. Wie sehr er mich liebt.“ Lächelte die Frau verliebt und warm ihren Mann an, auch wenn er sie nicht sehen konnte. Ihr schien es vollkommen egal zu sein.
Emmanline wiederholte genau diese Worte.
„Ja, sie ist es. Es ist meine Alanna.“ Tiefste Gefühle sprachen aus ihm. „Oh meine Geliebte. Ich vermisse dich so sehr, seit du nicht mehr da bist.“
„Ich dich auch, mein Liebster.“ Wiederholte Emmanline ihre Worte, nur dann umformuliert.
„Ohne dich fehlt ein Teil hier, seit dem du nicht mehr da bist. Und dann unsere Tochter. Anjanna wird dir immer ähnlicher, mit jedem Tag der anbricht.“ Lächelte Travis auf die Stelle, wo er dachte, dort stehe seine Frau. „Sie ist genauso schön wie du und sie erinnert mich an so vieles von dir, wenn ich sie jedes Mal ansehe.“
Im ersten Augenblick dachte Emmanline, er würde seine Tochter dafür verurteilen, aber mit dem hatte sie sich geirrt.
„Sie ist so lieb und lebenslustig, wie du damals. Jetzt wo du nicht mehr bei mir bist, brauche ich nicht zu befürchten, dass ich dich jemals vergessen würde.“ Klang so viel Liebe, aber auch Schmerz und Sehnsucht in seiner Stimme mit, das es ihr im Herzen wehtat. Sie fühlte mit ihm.
Die Frau fing an zu schluchzen. „Oh Travis. Mein geliebter Travis. Ich habe jeden einzelnen Tag gesehen wie unsere Tochter aufwächst. Unter deiner Liebe, Fürsorge und Lebenslust. Sie ist ein glückliches Kind, genau wie ich es mir für unser Kind immer gewünscht habe. Sie kann sich keinen besseren Vater wünschen.“ Lächelte die Frau warmherzig ihren Mann an und streckte ihren Arm aus. Auch wenn sie ihn nicht berühren konnte, strich sie trotzdem über seine Wange. „Tag für Tag. Nacht für Nacht. Jederzeit habe ich euch beobachtet. Doch jetzt kommt die Zeit, wo ich gehen muss, mein Liebster. Ich spüre es.“ Wurde ihre Stimme immer mehr zu einem Flüstern, was sie kaum noch verstand. Emmanline wiederholte alles.
„Ich verstehe.“ Kam es erstickt von Travis heraus. „Doch bevor du gehen solltest, Liebste, musst du noch eines wissen.“ Lächelte er traurig, aber voller Zärtlichkeit und Liebe. „Auch wenn wir nie vom Schicksal vorherbestimmt waren, wie viele anderen um uns herum, warst du für mich nur die EINE. Die wirst du immer sein. Es wird keine andere Frau in meinem Leben geben, die ich so sehr geliebt habe, wie dich, Alanna. Nie.“ Schüttelte er bekräftigend mit seinem Kopf. „Stets gehört mein Herz dir, bis in alle Ewigkeit, wie ich es dir geschworen habe. Keine Frau könnte deinen Platz einnehmen, nicht einmal meine vorherbestimmte Seelengefährtin. Ich liebe dich, Alanna. Das bis in alle Zeit und überall und bis über den Tod hinaus.“ Schloss er seine Augen, als würde er jetzt spüren können, wie die Hände derjenigen toten Frau auf seinen Wangen lagen, die er nicht sehen konnte.
Emmanline war kaum fähig dem standzuhalten, was sie hier sah. Normalerweise müsste sie sich abwenden und gehen, weil es etwas privates und inniges war. Aber dann könnten sie sich nicht mehr verständigen. Zumal es sie auch unendlich traurig machte. Dies war eine Bindung, die tief verankert war.
Schluchze erklang in der Stille. „Auch meine Liebe und mein Herz gilt allein nur dir. Von dem ersten Augenblick an, als ich dich sah. Meine Drachin wusste es sofort, sie wollte dich als ihren Gefährten. Sollte ich je wiedergeboren werden, will ich nur dir nahe sein.“
„Ich werde ewig auf dich warten.“
„Und ich auf dich. Lebewohl, mein Liebster.“
Beides klang wie ein bindender Schwur, der tiefer als alles anderer ging. Alles ging ihr unter die Haut und sie bekam sogar eine leichte Gänsehaut.
Dann ging es irgendwie alles viel zu schnell und die Gefährtin von Travis vor ihm löste sich immer weiter auf, bis von ihr nichts mehr übrig blieb.
„Sie ist fort, nicht wahr?“ Fragte er nach längerer Zeit, während er da verloren dastand.
„Ja.“
„Verstehe.“ Lächelte er in den Himmel. „Ich danke dir.“ Blickte er dann sie an.
Verwundert blinzelte sie ihn an. „Wofür?“
„Das ich ein letztes Mal mit meiner Gefährtin sprechen durfte. Davor blieb mir nicht die Chancen dazu, weil sie sofort von mir gegangen war, als Anjanna geboren wurde. Ich konnte ihr nicht all das sagen, was mir auf dem Herzen und auf der Seele gelegen hatte. Doch dank dir konnte ich es jetzt tun.“ Schien er wahrhaftig glücklich darüber zu sein.
Sie war sprachlos und schaute ihn einfach nur an. Damit hätte sie nun wirklich nicht gerechnet, das er so liebevoll und sanftmütig damit umging. Dabei steckte in ihm doch tiefe Trauer und Schmerz von dem Verlust seiner Gefährtin.
„Du scheinst ziemlich sprachlos zu sein?“ Wirkte er jetzt verwirrt.
Kurz versuchte sie sich zu orientieren. „Nun, ehm...“ Wie versuchte sie das zu erklären? „...dies ist nicht leicht für mich. Es ist noch ziemlich neu für mich, das ich so nebenbei...Wie nennt man sie? Geister?...sehen kann. Als ich das letzte Mal jemanden darauf angesprochen habe, würde Wut am Anfang am ehesten passen, was mir entgegen gebracht wurde. Darum bin ich nur irgendwie sprachlos, wie du es so locker und gefasst aufnimmst. So liebevoll und sanftmütig.“
Emmanline konnte zuerst aus seiner Miene nichts lesen, bis sich sein Gesicht erhellte. „Du hast mir den Beweis doch geliefert, indem du mir erzählt hast, was ich wissen musste. Nur Alanna konnte das wissen. Außerdem vertraue ich dir.“
Was war sie jetzt? Schockiert oder überrascht? Sie glaubte, mehr schockiert als überrascht. Dieser Mann und Drache vertraute ihr? Dabei gehörte sie nicht einmal zu ihnen.
„Emmanline schau mal.“ Wurde sie hart aus ihren Gedanken gerissen. Anjanna riss an ihrem Kleid, als sie ihr einen kleinen Korb überreichte, wo lauter Früchte darin lagen. Das erkannte sie mittlerweile. „Das ist für dich. Die habe ich alle für dich gepflückt.“ Wurde sie strahlend angelächelt.
Wie?
„Nimm schon.“ Ermutigte Travis sie. „Die Früchte haben wir alle selber angebaut.“ Lächelte er.
„Ja, und sie sind total lecker.“ Lachte die Kleine, worauf sie nur lächeln konnte.
„Vielen Dank.“ Nahm sie den Korb entgegen. Auch wenn sie das nicht annehmen konnte, hatte sie sich doch große Mühe gegeben.
Anjanna erklärte ihr noch mit großer Freude was sie ihr gesammelt hatte und auch alles hier anbauten, während Travis ihr erzählte, das sie hier im Dorf dazu beitrugen, damit sie im Schloss all die Nahrung und notwendigsten Dinge hatten. Im Gegenzug bekamen sie selbst Hilfe und Schutz.
Jetzt musste Emmanline nach denken. Denn wenn sie bedachte, Drachen waren ein kriegerisches Volk, konnte sie sich bei besten Willen nicht vorstellen wie ein Drache Feldarbeit betrieb. Nie hatte sie darüber nachgedacht oder hätte es geglaubt, wenn jemand darüber gesprochen hätte, aber Travis war jemand. Oder wir viele andere, die sie auf der Hinreise gesehen hatte. Es war so ziemlich widersprüchlich zu Raubtieren, das sie sich das nicht vorstellen konnte. Absolut nicht. Normalerweise kämpften sie, gierten nach Blut und Gewalt.
Doch Travis schien in seinem Leben glücklich zu sein. Was er tat und wie er es tat. „Darf ich dir eine Frage stellen?“ Konnte sie einfach nicht anders.
„Natürlich. Du kannst mich ruhig alles fragen.“ Hatten sie sich auf eine Bank unter den Schatten einer großen Eiche gesetzt.
„Ich gebe wirklich zu, es ist eigenartig einen Drachen bei solch einer einfachen Feldarbeit zu sehen, obwohl ich sie nur in Kämpfen und Kriegen sehe. Eigentlich leben sie nur für den Rausch des Kampfes und der Jagd. Wie kommt es aber, das du so zufrieden und glücklich wirkst, wenn ich dich bei deiner Arbeit beobachte?“ Hoffte sie, das sie ihm nicht so nahe trat.
Mit einem kleinen Lächeln bedachte er sie. „Ich bin noch immer ein Drache.“ Meinte er zuerst. „Sollte es je einmal soweit kommen, werde ich auch kämpfen. Sicher braucht mein Raubtier auch die Jagd und sollte es erforderlich sein, tue ich das auch. Das ist eben mein Instinkt. Doch was ich hier tue, ist mein Leben und meine Freizeit, was ich gerne tue. Es macht mir Spaß, weil ich es mit meinen eigenen Händen erschaffen kann.“ Betrachtete er seine ausgestreckten Hände, die Schwielen aufwiesen, wie hart er schon geschuftet hatte. „Jeder von uns Drachen empfindet das Leben als anders. Einer lebt nur für den Krieg und ist ausschließlich ein Krieger. Andere wiederum teilen sich ein Leben. Sind zum Teil ein Krieger und leben aber noch ein anderes Leben. Oder andere haben nur ein ruhiges Leben.“
„Verstehe. Dann teilst du dir ein Leben.“
„Ja, wenn ich gebraucht werde, wie beim letzten Vorfall, als wir angegriffen wurden. Ich tue es für meine Tochter und meinem Volk, damit sie in Sicherheit sind.“
Wieder konnte sie die große Loyalität bewundern, die sie in letzter Zeit immer wieder zu sehen bekam.
„Ich bin ein ruhiger Drache und mag es auch als so. Jeder der hier im Dorf lebt denkt auch so und hat seine eigenen Gründe. Je länger du hier bist, je eher wirst du sie erfahren.“ Zwinkerte er ihr zu und sie konnte nur darauf lächeln. Dieser Drache und Mann war wirklich sehr freundlich und aufgeschlossen. Sie mochte ihn.
Auch wenn sie es als schade empfand, musste sie sich verabschieden, aber versprechen sie wieder besuchen zu kommen. Das würde sie wirklich gerne. Vielleicht könnte sie Lucien einmal überreden, wenn er Zeit finden könnte.
Mit einem Winken verschwand sie wieder ins Dorf zurück, um Lucien zu finden. Nach der Sonne am Himmel zu beurteilen musste es schon späten Nachmittag sein. Seltsam das er sie noch nicht suchen gekommen war. Sonst tat er es sofort, weil er sie nie aus den Augen lassen konnte. Jetzt auf einmal konnte er das? Das er sie nicht finden konnte, war kein Grund. Nicht in einem Drachendorf.
Als Emmanline mitten auf dem Marktplatz stehen blieb und sich umblickte, wirkte alles normal. Überall standen Verkaufsstände, es duftete nach Essen, Stimmengewirr lag in der Luft und jetzt fiel ihr auf, alle waren in Menschengestalt. Sie unterhielten sich gelassen. Keiner hier im Dorf hatte seine Drachengestalt angenommen. Nur Außerhalb und in der Luft konnte sie hin und wieder einen verwandelten Drachen erkennen. Dies war nicht ungewöhnlich. Drachen in ihrer wahren Gestalt passten ja nicht in so ein Dorf und vor allem nicht in solch kleinen Häuser. Sicher mussten sie in Menschengestalt bleiben.
Nun riskierte Emmanline einen zweiten Blick und warum sie auch wirklich hierher gekommen war. Eben war es durch reinen Zufall passiert. Wachsam ließ sie ihren Blick durch die Menge von Massen schweifen, während ihre Augen immer größer wurden. Danach setzte ihr Atem aus. Also konnte es wirklich sein.
Zwischen all den Drachen die sich auf den Straßen und Plätzen befanden, bewegten sich nebelhaft und unklare Gestalten. Unter allen bewegten sich Geister oder von ihr aus auch Gespenster genannt. Wobei, das war für sie doch etwas zu eigenartig und beängstigend. Dafür würde sie sich noch was einfallen lassen, wie sie das nannte.
Aber eines wusste sie definitiv, sie war einen großen Schritt weiter gekommen und sie hatte etwas entscheidendes heraus gefunden.
Das musste Lucien erfahren und zwar sofort. Irgendwie war sie auch etwas aufgeregt, denn, wenn sie dann noch einen letzten Hinweis nachging und es stimmte, dann könnte es etwas großes und bedeutendes für die Drachen sein. Sogar eine Lösung, worauf sie vermutlich warteten.
Dann war da noch ein anderer Punkt worüber sie sich Gedanken gemacht hatte. Wenn es stimmte, was sie vermutete und es mit diesen blutroten Rubin auf sich hatte, dann war es was vollkommen anders als wie die Drachen es annahmen. Wohl eher Lucien und deren Mutter, wie sie es behauptet hatten. Rhivanna hatte ihr etwas über diesen Rubin erzählt, aber wenn es das war was sie vermutete, dann war es was komplett anderes. Dann suchten sie auch in eine ganz andere Richtung.
Wie würde Lucien darauf reagieren, was sie darüber zu erzählen hatte? Eines war ihr klar, verheimlichen würde sie es ihm nicht. Tief in ihr drinnen wusste sie es, sie dürfe es nicht und sie konnte es auch nicht. Vor allem jetzt nicht, da sie jetzt die Bedeutung von allem heraus gefunden hatte. Ja, ihr stand nun alles vor Augen. Sie wusste nun, aus welchem Grund dieser blutrote Rubin existierte.
Gerade wollte sie wieder die Suche nach Lucien aufnehmen, um endlich mit ihm zu sprechen, als sie umgerannt wurde. Unsanft landete sie auf ihren Hintern. Es tat nicht weh, wie sie an ihren Beinen getroffen wurden, aber ihr Hinterteil schmerzte schon ein wenig. Mit einem quengelnden Maunzen blickte sie auf und sah zwei kleine Katzen auf ihren Schoß sitzen. Verwundert schaute sie die beiden kleinen Katzen an. Das eine hatte dunkle braune Augen und das andere eisblaue. Je länger sie in ihnen schaute, je eher wurde ihr etwas bewusst. Diese kleinen Jungen waren keine normalen Tiere, sondern es konnten nur Gestaltenwandler sein.
„Trey. Conner.“ Schrie von weiten eine Frauenstimme, die außer Atem klang und sogar etwas wütend.
Wieder fingen die beiden Katzen auf ihren Schoß an zu quengeln und rissen sich auf, um davon zu laufen. Aber viel mehr sprangen sie von ihrem Schoß und versteckten sich hinter ihr. Nun verstand sie überhaupt nichts mehr.
Die Frau kam immer näher und konnte sie durch die mehreren Massen von Personen gut erkennen. Sie war eine bildhübsche Frau und sie erkannte sofort, dass sie kein Drache war. Etwas an ihr war anders. Ihre Ausstrahlung mag von Außen auch her ein Raubtier sein, aber sie war ein anderes Wesen. Durch ihre dunkle Mokka braune Hautfarbe, wirkte sie sehr exotisch. Ihr Haar war ein helles braun und kurzgeschnitten. Ihre Körperstatur kräftig gebaut, was trotz ihrer Schwangerschaft nicht geschmälert wurde. Ja, sie war tatsächlich schwanger, was man eindeutig sehen konnte. Dafür konnte sie sich noch sehr gut bewegen. Trotz ihres dicken Bauches.
Kurz vor ihr blieb sie stehen. „Trey. Conner. Kommt sofort hervor.“ Ermahnte sie, während ihre Fäuste in die Hüfte gestemmt waren. „Es tut mir schrecklich leid.“ Bat sie um Entschuldigung.
Emmanline war dermaßen verwirrt, dass sie die Frau in den ersten Augenblicken nur anstarren konnte. Sie strahlte Autorität aus, was sie ziemlich beeindruckte. Darauf konnte sie nur schließen, sie war die Mutter dieser Jungen.
„Oder habt ihr euch weh getan?“ Klang nun Sorge in der Stimme der Frau mit, als ihr eine Hand hingehalten wurde, damit ihr auf geholfen werden konnte.
„Schon in Ordnung, es ist ja nichts passiert.“ Fand sie endlich ihre Stimme, als sie kurz ihren Kopf schüttelte. „Ich war wohl mehr überrascht, das ich auf einmal auf dem Hintern saß.“ Lächelte sie herauf. Doch sie konnte nicht nach ihrer Hand greifen. Sie war schwanger und sie zu schwer, weil sie sich nicht anstrengen sollte.
„Keine Sorge, auch wenn ich schwanger bin, bin ich noch lange kein Pflegefall. Mir geht es gut. Du kannst ruhig nach meiner Hand greifen.“ Zwinkerte sie ihr zu und mit einem lächeln, weil sie nicht anders konnte, griff sie nach ihrer Hand. Ohne Mühe und mit einer Leichtigkeit riss sie sie auf ihre Beine, als würde sie nichts wiegen.
„Ich muss mich noch einmal für meine beiden Jungen entschuldigen. Sie sind kleine verdammte Ausreißer und weil sie das sind, werden sie sich jetzt zurück verwandeln und als Entschuldigung, dieser netten Frau das ganze Obst in ihren Korb aufsammeln.“ Schienen ihre Worte und Stimme keine Widerworte zuzulassen.
Sie gaben nur kurz ein kleines klagendes Maunzen von sich, als regenbogenfarbene Funken die kleinen Körper der Katzen umgaben und plötzlich zwei kleine nackte Kinder, vielleicht das Alter von vier, die schuldbewusst vor ihnen da standen. Ohne ein Wort sammelten sie ihr Obst auf, das durch ihren Zusammenprall auf dem ganzen Boden verteilt da lag. Sie konnte nur schweigend zu sehen.
„Die Zwei sollten ein Bad nehmen und sie mögen es nicht in ihrem Alter mit Wasser in Berührung zu kommen.“ Seufzte sie angestrengt auf und schloss ihre Augen kurz dabei.
„Ich weiß, ihr seid Gestaltenwandler. Aber darf ich fragen, was für eine Art Katzenart ihr seid?“ Hatte sie keine Ahnung von irgendwelchen Tierarten.
Verwundert schaute die Frau sie an, aber sie sagte nichts verwerfliches. „Ich bin eine Löwengestaltenwandlerin und meine Jungen durch Zufall auch.“ Blickte sie auf ihre Kinder, die noch immer damit beschäftigt waren das Obst aufzusammeln.
„Durch Zufall?“
„Ja. Mein Gefährte ist ein Drache und eigentlich ist er der dominantere Teil von unseren beiden Raubtieren.“
Jetzt wusste sie was sie meinte, aber wirkte überrascht. „Du bist mit einem Drachen verbunden?“
Da erstrahlte sie über das ganze Gesicht. „Oh ja, das bin ich. Am Anfang war es schwer ihn zu überzeugen, aber es hat geklappt und wir sind sehr glücklich. Wir haben zwei gesunde schlitzohrige Söhne und ein drittes ist unterwegs.“
Emmanline konnte das gewissen Funkeln in ihren Augen sehen, was Glück und Freude bedeutete. Es war die Wahrheit. Diese Frau war glücklich und hatte genau das was sie sich wahrscheinlich gewünscht hatte.
„Oh, da fällt mir auf, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Mariah und meine beiden Söhne Conner und Trey.“ Lächelte sie.
„Stimmt. Ich bin Emmanline.“
„Ich weiß, meine Liebe. Das ganze Dorf spricht von euch. Auch was ihr damals alles für uns getan habt. Dafür danken wir euch auch.“ Wurde sie höflich.
Jetzt wurde sie sprachlos und nervös, was Mariah zum Lachen brachte.
„Komm mal mit.“ Bat sie sie. „Conner. Trey. Bringt bitte den Korb mit.“ War es wieder ein Ton der keinen Widerspruch enthielt. Diese Frau beherrschte ihn perfekt, denn die Jungs befolgten ihre Anweisungen. Obwohl sie zuvor vor einem Bad abgehauen waren.
Und schon wieder wurde sie woanders hingeführt. Bald hatte sie selbst das ganze Dorf erkundet und es war selbst für sie interessant. Vor allem weil die Dorfbewohner sie so offen aufgenommen haben und nicht so abweisend wie sie angenommen hatte. Zumal hatte sie gedacht, es würde nur aus reinen Drachen bestehen, aber es lebten noch andere Wesen, wie Löwengestaltenwandler hier. Damit hätte sie nicht gerechnet.
Was würde noch alles kommen?
Wunderschön fiel ihr nur ein, als Emmanline inmitten von einem Blumengarten stand. Es gab zwar nur eine Sorte von Blumen, aber das in unterschiedlichen Farben. Rot, gelb, rosa, hellgrün, blau, weiß, orange, lila und sogar vereinzelten mehr. So viele Farben in nur einer Blumenart.
„Wunderschön, nicht wahr?“ Stellte sich Mariah neben sie. „Das sind Rosen. Ich liebe sie von ihrer Schönheit und ihren Duft her.“ Schloss sie ihre Augen und atmete tief ein.
Ja, sie konnte auch den herrlichen Duft riechen der in der Luft lag. Er war nicht zu übertünchen, solch ein Rosenmeer existierte hier.
„Nach der Zeit wollte ich immer mehr haben. Mein Gefährte brachte mir immer mehr und zu meiner Überraschung und Leidenschaft, sogar neue Farben und Sorten.“ Ging sie auf eine Rose zu. „Meine liebste ist immer noch die schwarze Rose. Nicht weil sie als geheimnisvoll und Kraft spendend gilt. Oder was rätselhaftes und edles an sich hat. Was auf meinen Gefährten zu treffen könnte.“ Kicherte sie kurz, bevor ihr Blick wieder sanft und liebevoll wurde. „Nein, diese Rose hat genau die gleiche Farbe und Ausstrahlung die meines Gefährten.“
Emmanline hörte ihr aufmerksam zu, aber jetzt kam sie nicht mehr mit. Wie meinte sie das? „Ich verstehe nicht ganz.“
„Mein Gefährte ist ein schwarzer Drache und seine Schuppen genauso schwarz, wie diese Blütenblätter dieser Rose.“
„Ich verstehe.“ Was sie wirklich tat. Ihr Gefährte war ihr Herz und ihre Seele. „Ihr seid Seelengefährten, nicht wahr?“
Erst da drehte Mariah sich um, weil sie mit dem Rücken zu ihr gekehrt war. „Ja, das ist er. Wir sind vom Schicksal vorherbestimmt.“
„Auch wenn ihr nicht vom gleichen Volk seid?“ Zeigte sich Neugierde in ihr.
Da zeigte sich ein Lächeln auf den Lippen von der Frau, was sie noch hübscher machte. „Das spielt keine Rolle, solange man sich liebt, vertraut und zueinander hält. Es war zu Anfang zwar nicht leicht für mich gewesen ihn zu überzeugen, das ich seine wahre Gefährtin bin, aber letzten Endes hatte er es doch eingesehen und mich gewählt.“
Sie fand es wirklich faszinierend ihr zuzuhören und Mariah wirkte bei ihren Erzählungen lebendig. Sie strahlte regelrecht.
„Wer ist dein Gefährte?“
„Oh, du kennst ihn.“ Lächelte sie noch immer. „Er ist im Schloss Wächter und ist dir schon einmal begegnet, sowie er es mir erzählt hatte.“
„Ach wirklich? Wer?“
„Er wird bald nach Hause kommen. Überzeuge dich dann selbst.“ Blieb ihr Lächeln einfach auf den Lippen. Aber warum sollte sie sich davon selbst überzeugen? Und überhaupt, warum machte sie darum ein großes Geheimnis?
„Ah, da sind sie ja. Das habt ihr gut gemacht.“ Lobte sie ihre beiden Kinder, als sie den Korb Obst vor ihnen abstellte. Mariah ging vor ihnen in die Hocke und blickte sie liebevoll an, während sie sie sanft an den Wangen berührte. „Das nächste Mal seid ihr wachsamer und gebt acht. Geht noch ein wenig spielen und wartet bis euer Vater nach Hause kommt und dann werdet ihr ihm alles erzählen. Habt ihr mich verstanden?“ Nickten sie kurz. „Gut, dann ab mit euch.“ Küssten die beiden Jungs sie noch einmal auf die Wangen, verwandelten sich und verschwanden im nächsten Gebüsch. Nur kleines Fauchen war zu hören, was schnell leiser wurde.
„Diese Kleinen halten einen nur auf Trab.“ Seufzte sie und kam wieder in die Höhe. „Nur Unfug in ihren Köpfen.“
„Warum setzt du dich nicht ein paar Minuten hin?“ Schlug sie vor und nahm ihren Obstkorb, den die beiden Jungen so sorgsam hierher gebracht hatten. Damit ging sie zu einer Bank, die zwischen den herrlichen Blume stand, und stellte ihn daneben ab. „Ich will damit nicht sagen das du ein Pflegefall bist, aber auch so können wir uns unterhalten.“ Sprach sie sofort weiter, bevor Mariah ansetzen konnte.
Da fing sie an zu lachen. „Das war gut. Einverstanden.“ Setzte sie sich hin und sie gesellte sich daneben.
Emmanline hatte noch etwas beschlossen ein wenig Zeit hier zu verbringen, bevor sie Lucien suchen ging. Oder er würde sie suchen kommen. Das was sie heraus gefunden hatte, konnte noch ein klein wenig warten. Dies lief nicht weg.
„Vorhin habe ich bemerkt, du findest es unangenehm, wenn man dich darauf anspricht, wie du uns damals geholfen hast. Warum?“ Brach Mariah die Stille, die sie gar nicht bemerkt hatte.
Damit hatte sie jetzt nicht gerechnet. „Weil ich keine große Aufmerksamkeit und Aufregung will. Zu Anfang habe ich es für die Schwester von Lucien getan, wie verloren sie wegen ihres Gefährten gewesen war, weil sie ihn beinahe verloren hatte. Dann war da dieses kleine Mädchen gewesen, das mich so angefleht hatte ihren Vater zu retten das ich einfach nicht konnte, als ihm zu helfen. So kam eines nach dem anderen und es liegt vielleicht in meiner Natur, wie Lucien es behauptet.“ Zuckte sie kurz mit ihren Schultern.
„Was liegt in deiner Natur?“
„Anderen zu helfen, ohne das ich darüber nachdenke.“
„Das ist doch etwas Gutes.“ Lächelte Mariah und legte eine Hand auf der ihre, die auf ihrem Schoss lag. „Solche Dinge kommen vom Herzen und die solltest du dir bewahren, Emmanline.“
Vielleicht hatte sie Recht, aber es war die Aufmerksamkeit die sie eigentlich hatte vermeiden wollen und die sie nicht hatte auf sich ziehen wollen. Wie sie es ihrer Mutter auch versprochen hatte. Doch das war alles schief gelaufen und das Problem war, sie konnte nicht wieder zurück. Vielleicht wollte sie zu einem gewissen Grat auch nicht zurück.
Aber nun kam ihr noch etwas anderes in den Sinn, was sie zu gerne wissen wollte. Dies ließ sie ernst werden und das bemerkte Mariah.
„Was ist los?“ Wollte die Frau wissen.
„Als der Angriff auf euer Dorf verübt wurde, wie schlimm war es da gewesen?“ Presste sie ihre Lippen fest aufeinander. Sie wusste nicht ob sie das Recht darauf hatte etwas darüber zu fragen, aber sie musste es probieren. Aber dadurch das Mariah überrascht über ihre Frage zu sein schien, wirkte sie unsicher.
„Es war ein brutaler Angriff gewesen und beinahe wurde alles vom Dorf niedergebrannt.“ Erklang eine männliche Stimme, was sie aufschrecken ließ.
Kaum erblickte sie den Mann zu dessen Stimme sie gehörte, erkannte sie ihn sofort wieder. Er war ein Wächter des Schlosses den sie damals begegnet war. Es war schon eine längere Zeit her, aber sie konnte sich noch ganz genau an ihn erinnern. An seinen kahlgeschorenen Kopf, seine hohe Gestalt, sein gefährliches Aussehen die nur Drachen besaßen, seine eisblauen Augen. Doch was sie nie vergessen würde, war seine gekreuzte Narbe, die von beiden Seiten sich über seiner Nasenwurzel kreuzten und sich zu seinen Wangen hinzogen. Die war unvergesslich.
Damals hatte er sie aufgehalten, als sie Lya hinterher wollte, wo sie voller Auflösung und Verzweiflung davongeflogen war. Er wollte sie damals nicht gehen lassen, wenn Aiden nicht gewesen wäre.
„Du?“ Stand sie starr dem Wächter gegenüber, während sie ihn anstarrte. Sie hatte keine Angst vor ihm, aber sie wunderte sich, warum er hier war.
„Emmanline darf ich dir meinen Gefährten Segan vorstellen.“ Ging sie lächeln auf ihn zu und harkte sich in seinen Arm ein.
Dieser Mann und Drache war ihr Gefährte? Damit hatte sie jetzt nicht gerechnet. Aber warum auch nicht?
„Freut mich.“ Brachte sie schnell heraus.
„Du scheinst schockiert zu sein.“ Meinte Mariah.
Emmanline blinzelte. „Nein, eher überrascht. Ich muss ehrlich zugeben, bei unserer ersten Begegnung habt ihr mir gegenüber einen ganz anderen Eindruck gemacht.“
Leicht verzog Segan sein Gesicht. Sie konnte nicht deuten, ob das ein Lächeln sein sollte. „Tut mit leid, wenn ich euch damals Angst eingejagt habe. Damals musste ich meine Befehle befolgen und die lauteten, das ich euch nicht vom Schloss lassen durfte.“
„Schon in Ordnung.“ Lächelte sie, weil sie irgendwie nicht anders konnte. Das schien ihn auch irgendwie zu überraschen. „Ich habe schon verstanden. Um ehrlich zu sein, mein erster Gedanke damals war, warum alle Drachen immer eine anormale Körpergröße haben müssen.“
Erst hörte sie ein Prusten und dann lautes Lachen, was von Mariah stammte. „Anormale Körpergröße?“
„Ja. Dann erst habe ich seine wahre Gestalt wahrgenommen. Damals sahst du schon gefährlich aus.“ Gab sie zu.
„Dennoch warst du bereit gegen mich zu treten, nur um der Drachin hinterher zu jagen.“ Sprach Segan.
„Ich hatte das Gefühl, ich musste es tun.“
„Ich weiß. Wenn Aiden damals nicht gewesen wäre, wer weiß wie es gekommen wäre.“
Da mischte sich seine Gefährtin ein. „Darüber kann man nur spekulieren was gekommen wäre, also brauchen wir uns darüber nicht zu unterhalten. Es ist so gekommen wie es gekommen ist, Segan, und nicht anders. Wir sind jetzt hier.“ Streichelte sie über seine Brust und küsste ihn auf seine Wange, als sie ihn dann los ließ. „Ich werde uns mal was zu trinken holen.“
„Das kann auch ich tun.“ Wollte er, aber sie entfernte sich schon und beklagte sich schon, sie sei kein Pflegefall. Anscheinend stritten sie sich öfters darüber.
„Deine Gefährtin ist eine starke Frau.“
„Ja, dass ist sie und sie kämpft für das was sie will. Sie ist auch eine Kriegerin.“ Glomm für einen kurzen Augenblick Stolz in seinen Augen auf, als er hinter seiner schwangeren Gefährtin her schaute.
„War sie und deine Söhne hier im Dorf gewesen, als dieser Angriff passierte?“ Wollte sie wissen.
Ausdruckslos schaute er sie einfach nur an. „Nein, in der Zeit war meine Gefährtin mit den beiden bei ihrer Familie gewesen und ich konnte von Glück reden, das ich diese Sorge nicht mit den anderen teilen musste. Es mag jetzt grausam klingen, aber sie sind das Wichtigste und das was für mich an aller erster Stelle kommen. Erst danach kommt mein Volk.“
Dies konnte sie irgendwie verstehen und sie machte ihm keinen Vorwurf und sie würde es auch niemals wagen es jemals zu tun. Dazu hätte sie auch niemals das Recht. Nicht einmal der König.
„Du hast erwähnt, es war ein brutaler Angriff gewesen und beinahe alles wurde vom Dorf niedergebrannt. Es ist noch gar nicht lange her seit dieser schreckliche Angriff her ist, aber das Dorf und die Umgebung sehen so erholt und neu erbaut aus. So schnell?“
„Wir alle waren bemüht in unser altes Leben zurück zu kehren und so schnell wie möglich das schreckliche zu vergessen. Das wird niemals ganz geschehen. Nicht für die Kinder, aber hauptsächlich haben wir es für die Kinder getan. Wir haben es wieder so erbaut wie es zuvor gewesen war, damit sie keine großen Veränderungen durchmachen müssen. Da wir auch Verluste hatten.“ Erzählte er ihr.
Sie konnte sich nicht rühren was er ihr da erzählte. „Wie viele habt ihr verloren?“
„Einundzwanzig.“ Antwortete er ihr ohne zu zögern, was für sie zu viele waren.
„Waren Kinder unter ihnen?“ Musste sie es wissen, auch wenn es ihr wehtun würde, was sie zu hören bekommen würde. Doch er schwieg für den ersten Moment und da wusste sie es. „Wie viele?“ Wollte sie dann nur noch wissen. „Wie viele?“ Wurde sie nachdrücklicher, als er noch immer nicht antwortete.
„Acht.“
„Was, so viele?“ Stockte ihr Atem und ihre Stimme wurde immer heiserer. Wodurch sie schockierter wurde. Das Herz tat ihr weh.
Acht Kinder wurden bei dem Angriff getötet und niemand konnte sie retten. Solche kleine Wesen wurden einfach ausgelöscht, als wäre nichts gewesen und sie konnte sich sehr gut vorstellen wie leicht dies war. Wie oft hatte sie es mit ansehen müssen. Ein Leben einfach auslöschen. Aber keine Kinder durften die Opfer sein.
„Und weiter?“ Sollte Segan weiter sprechen.
„Wie und weiter?“ Runzelte er mit seiner Stirn.
„Wer und was waren die anderen?“
Nun schien er zu verstehen. „Zwei Drachen waren dem ausgewachsenem Alter nahe, fünf Frauen und der Rest Männer.“
Emmanline senkte den Blick und empfand großes Mitgefühl für all den Verlust und diejenigen die den Verlust hinnehmen mussten. Sie konnte nicht anders. Entschuldigungen und das es ihr leid tat waren hier nicht angebracht, das wusste sie, aber sie konnte etwas tun und beitragen. Vor allem was vielleicht wichtig sein könnte.
Überzeugt und mit standhaften Blick richtete sie ihn zu Segan auf, der sie über weitem überragte. „Gibt es einen Ort, wo ihr eure Toten zur Ruhe begebt?“
Das schien ihn zuerst zum verstummen zu verbringen, bis er dann nickte. „Ja, es gibt einen Ort. Eine Ruhestätte wo wir unsere Toten ehren. Für ihre letzte Reise ins nächste Leben.“ Bestätigte er. „Dort gehen alle hin.“
„Kannst du mich dorthin bringen?“
„Warum willst du dort hin?“ Erklang Mariahs Stimme und sie erblickte sie mit einem Tablett Tassen in der Hand.
„Ich will sie sehen.“ Beantwortete sie ihre Frage. Auch wenn sie sie anders verstand.
„Ich werde dich hinführen.“ Sprach Segan zu ihr, aber wandte er sich zu seiner Frau um.
„Willst du das wirklich, Segan?“ Wollte diese wissen.
Segan ging auf seine Gefährtin zu, nahm ihr das Tablett ab und stellte es auf die Bank ab. „Begleite uns.“ Bat er sie und nahm sie in eine Umarmung die sie erwiderte. Obwohl man es ihm nicht ansah, fand sie es erstaunlich, wie offen er seine Gefühle seiner Gefährtin gegenüber zeigte. Wie sehr man sich nicht vom Äußeren täuschen lassen sollte.
Emmanline konnte nicht sagen warum oder was es war, aber etwas begann sie magisch anzuziehen. Etwas bewegte sie zu einem Ort hinzugehen, wo Tote beehrt wurden. Erst als sie von der Ruhestätte gehört hatte. Erst ab da fing der Drang an.
Die Ruhestätte befand sich auf einer Anhöhe eines kleinen Berges, was von ein paar Felsen versteckt lag. Es hätte klein wirken müssen, dennoch war es ein riesiges Feld. Überall ragten schmale Steine aus der Erde, die sie nicht zählen konnte.
Als Emmanline dort den Boden betrat, spürte sie etwas magisches und es raubte ihr den Atem, was sie erstarren ließ. Ihre Augen wanderten umher, als suchten sie etwas und es bedurfte nicht lange, bis sie es fand. Die verlorenen Seelen, wie sie die Geister nun nannte. Einer nach dem anderen erschienen, die in unzähligen Erscheinungen um sie herum auftauchten. Für sie wirkte es schon fast normal. Jetzt und an diesem Ort wirkte es so real und normal, als kannte sie es schon eine kleine Ewigkeit.
Etwas in ihr wurde verändert.
„Wir dürfen nicht hier sein, Segan.“ Sprach Mariah zu ihm.
Segan wusste das, aber dennoch waren sie hier. Am heiligen Ruheort seines Volkes, wo kein Außenstehender hin durfte. Seine Gefährtin gehörte zu ihm, was ihr gewährt wurde, aber nicht die Frau vor ihm.
Sicher sie gehörte zu Lucien, dem König und er erkannte sie sogar als seine Seelengefährtin an, aber solange sie noch kein Bund eingegangen waren, bestand noch kein Recht für sie. Diese Frau hätte vielleicht sonderliche Rechte, da sie schon vieles für sein Volk getan hatte, aber es gab Regeln und Gesetze die eingehalten werden mussten. Immer wieder. Dennoch standen sie hier und missachteten die Regeln und Gesetze. Er zumindest. Sie hatte keine Ahnung. Dabei war er nicht so.
„Ja, ich weiß.“ Antwortete er nur darauf.
„Warum sind wir dann hier? Wenn jemand Emmanline hier sieht, wird sie in großen Schwierigkeiten sein. Nicht einmal der König könnte ihr daraus helfen. Dies ist heiliges Land.“
„Ich weiß es, Liebste.“ Blickte er seine Gefährtin nun ernst an, da er die Elfe die ganze Zeit beobachtet hatte. „Ich weiß welches Risiko ich hier eingehe. Sie dürfte eigentlich nicht hier sein und dennoch hatte ich das Gefühl, das es so sein müsste. Ich weiß nicht warum, aber es war so.“ Zuckte er einmal mit seinen Schultern und schaute wieder zu der Frau.
Er wusste, seine Frau beobachtete ihn aufmerksam. „Was siehst und denkst du, Segan?“ Was sie ihn immer fragte, wenn er so schweigsam war.
„Das mein Drache genau diese Entscheidung für richtig hält. Irgendwas zieht ihn zu dieser Frau hin. Irgendein Teil von meinem Tier will diese Frau beschützen und in ihrer Nähe sein. Mir ist aufgefallen, das es nicht mir alleine so geht. Es geht vielen so und es ist auf eine gewisse Weise eigenartig. Noch nie verspürte mein Drache so eine Art Hingabe für jemanden, dem er so schnell vertraute, als zu jemand so Fremdes. Etwas stimmt nicht mit ihr, aber mein Drache spürt ihr gegenüber keinerlei Gefahr. Kein einzigen Funken.“ Sprach er und bemerkte die Stille neben sich, also blickte er seine Frau an, die ihn entsetzt anschaute. Da verstand er warum. „Nein, das verstehst du komplett falsch, Mariah.“ Umfasste er ihr Gesicht mit seinen großen schwieligen Händen. „Was ich meine, ist, diese Frau gehört zu Lucien und das wird auch so sein. Du gehörst zu mir und das wird immer so sein, sowie ich zu dir immer gehören werde. Es geht hier ums beschützen, wie um meinen König.“
„Also meinst du, Emmanline wird eines Tages eure Königin werden?“ Wurden ihre Augen groß.
„Das weiß ich nicht. Und wenn, etwas drängt meinen Drachen sie zu beschützen. Egal ob sie es wird oder nicht. Irgendwas verbindet sie mit uns und ich habe das Gefühl, sie ist wichtig für uns Drachen.“
Kurz schwieg Segan, als er noch einmal zu Emmanline schaute, die weiter auf die Mitte der Ruhestätte zu gegangen war und sich auf wundersame Weise umschaute, als würde sie andere sehen. Das konnte natürlich nicht sein. Hier war niemand. Und Geister zu sehen, waren reine Gespinste.
„Damals bei ihrer ersten Begegnung, als ich sie aufgehalten hatte, wo sie hinter der Schwester von Lucien hinterher wollte. Wir Wächter hatten den Auftrag erhalten, sie nicht vom Schloss entkommen zu lassen und ich hatte meine Aufgabe sehr ernst genommen. Ihr Blick und Beharrlichkeit hatten sie damals nicht davon abgehalten sich gegen mich zu wehren. Obwohl ich viele Reaktionen von anderen kenne die von meinem Aussehen kommen. Sie war nur auf eine Sache konzentriert, Lya hinterher zu rennen. Trotzdem wusste ich, ich würde mich niemals von meinem Vorhaben abbringen lassen. Egal was passiert.“
„Aber du hast doch damals gemeint, Aiden habe sie mitgenommen.“ Horchte seine Frau ihm aufmerksam zu.
„Ja, das hatte er, aber ich wollte es am Anfang erst nicht. Auch wenn er vielleicht etwas im Rang höher steht als ich. Ich hatte einen Auftrag gehabt, aber ich habe ihn nicht erfüllt und somit genauso versagt.“
„Was redest du da? Du hast nicht versagt. Natürlich hast du deinen Auftrag erfüllt, weil Aiden es für dich übernommen hatte.“
„Du verstehst nicht, Mariah.“ Schüttelte er mit seinem Kopf. „Egal wie ich eigentlich die Sache überdenke, es kommt aufs gleiche hinaus. Wir hätten unseren König dabei verlieren können.“
Das Entsetzen war in ihr ins Gesicht geschrieben.
„Wenn diese Frau nicht gewesen wäre, wäre Lucien jetzt tot. Das stünde fest. Dies darf niemand erfahren, Mariah. Versprich mir das.“ Versprach sie ihm sofort. „Aber wir haben nie bedacht wie wichtig ihm diese Frau ihm schon war. Niemand hatte geahnt, sie ist die Seelengefährtin von unserem König. Wir alle auf dem Schloss haben die Seelenqual von ihm gespürt. Ich habe selbst gesehen, wie er mit ihr von der Schlacht zurück kam. Sie lag tot in seinen Armen. Und doch steht sie hier, lebendig.“ Schaute er wieder auf, was seine Frau ihm gleich tat. „Alle Drachen auf dem Schloss finden es entweder unheimlich oder geheimnisvoll. Sie finden es als ein Wunder wieder oder als eine Art Fluch.“
„Dann war es doch gut, das du sie hast gegen lassen. Sie hat euren König das Leben gerettet.“ Meinte sie vorsichtig.
Segan knurrte leise. „Du verstehst es einfach nicht.“ Funkelte er sie einfach an. „Dazu wäre es nicht gekommen, wenn sie nicht dabei gewesen wäre. Auch wenn sie von unseren so viele Leben gerettet hatte. Ja, wir verdanken ihr vieles, aber wir hätten unseren König auch durch eine Seelenqual verlieren können. Das ist ein schlimmerer Tod, als der durch einen anderen. Ich würde mir nicht ausmalen wollen, wenn ich dich verlieren würde. Lieber würde ich jeden anderen qualvollen Tod wählen, als diesen Seelentod. Wir alle mussten Jahre lang bei der Königin Rhivanna zuschauen, wie es sie von Tag zu Tag zu Grunde richtete. Jeder sah und wusste es.“ Schüttelte er mit seinem Kopf. „Ich bin damals zu Lucien gegangen. Nachdem diese Frau wieder am Leben war und er wieder bei klarem Verstand und ansprechbar.“
„Wie meinst du das?“ Klang sie verwirrt und das konnte er verstehen, denn er hatte ihr damals davon nichts erzählt gehabt. Was er jetzt tat.
Es zerfraß ihn innerlich, weil er seinen Auftrag einfach nicht erfüllt hatte. Es ging gegen seinen Stolz und seine Ehre. Auch wenn er durch einen Ranghöheren abberufen wurde, machte es diese Sache nicht besser. Er, Segan war ein Wächter vom königlichen Hofe De la Cruise. Und auch verdammt stolz darauf. Er fühlte sich geehrt in die königliche Garde zu gehören und der Familie auch zu dienen. Das auch schon viele Jahrhunderte lang. Stets tat er seine Pflichten gewissenhaft und akkurat. Er leistete sich keine Fehler und tat genau das was man ihm sagte. Doch diesmal war er seiner Pflicht nicht nach gekommen und hatte versagt. Er konnte seinen Auftrag nicht ausführen, den sein König ihm aufgetragen hatte und dafür musste er jetzt gerade stehen. Er wollte es so.
Segan stand nun vor der Tür des Arbeitszimmer des Königs. Er hatte um eine Audienz gebeten und hatte sie bekommen. Erstens hatte er damit nicht gerechnet, weil er zu viele Befürchtungen hatte. Warum eigentlich? So war er sonst nicht und stets voller Zuversicht auf seine Handlungen. Doch er tat seine Aufgaben stets mit voller Hingabe und Ehrgeiz. Nur dafür war er ein Krieger und Wächter geworden, weil er etwas längst vergangenes wieder gut machen wollte. Und weil er seiner Gefährtin etwas versprochen hatte, was er um jeden Preis halten würde.
Entschlossen klopfte er an und wurde auch sofort herein gebeten. Segan war bewusst, dem König war es nicht entgangen, das er seine Anwesenheit nicht schon gespürt hatte, auch wenn er ihn nicht durch die Tür hören konnte durch die Dämmung. Das war ihm aber auch egal, er wollte nicht im verborgenen bleiben, sondern war bewusst hier erschienen.
„Was führt dich zu mir, Segan?“ Sprach Lucien erst dann zu ihm, als er hinter sich die Tür geschlossen hatte.
Lucien saß hinter seinen Schreibtisch und schien auf einem Pergament konzentriert zu sein, was er nicht entziffern konnte. Aber das hatte ihn auch nicht zu interessieren.
Er war alleine in diesem Raum, aber er nahm ihn selbst komplett ein. Segan fiel auf, je mehr er sich als König darbot, umso mehr Präsenz zeigte er. Draußen fiel es nicht so auf, aber in Räumlichkeiten umso deutlicher. Ein König musste Macht ausstrahlen und das tat er, was er genau an ihm respektierte.
„Werde ich den Grund heute noch erfahren, weshalb?“ Wurde sein Ton etwas strenger, sein Blick noch immer auf das Stück Papier gesenkt.
„Es war meine Schuld gewesen.“ Antwortete er monoton. Er musste es hinter sich bringen.
Ab da erhob er seinen Kopf und schaute ihn an. Sein Blick konnte man nicht deuten. „Was war deine Schuld gewesen, Segan?“
Nun erzählte er alles, wirklich alles. Was er damals hätte richtig machen müssen. Er hätte diese Frau hier fest halten müssen und trotz allem nicht Aidens Befehlen nachgehen müssen. Er verriet Aiden damit nicht, weil es kein Geheimnis war, aber es wäre alles anders gekommen. Vielleicht.
Resigniert rollte er seine Pergamentrolle zusammen und legte sie behutsam zur Seite. „Verstehe, darüber wolltest du also mit mir sprechen.“ Konnte er noch immer nichts aus seiner Stimme entnehmen. Vorsichtig lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und schaute ihn durch dringlich an. „Warum, Segan? Ich weiß das einer meiner Wächter nachlässig gewesen war, aber ich hätte nicht damit gerechnet, das er freiwillig zu mir kommt und sich stellt, der dafür verantwortlich war.“ Zuckte er gleichgültig mit seinen Schultern und legte seine Arme auf den Stuhllehnen.
„Ich wäre schon früher gekommen.“ Starrte er seinen König hinter dem Schreibtisch an.
Wäre da die Trauerzeit nicht gewesen.
„Ich glaube es dir und ich rechne dir deinen Mut auch an, das du es getan hast. Vermutlich hätte das nicht jeder getan. Immerhin hattest du eine Aufgabe von mir, die du erfüllen solltest. Auch als Aiden dazwischen kam. Doch dies ist abänderbar. Egal wie es sich nun drehen und wenden lässt, es ist wie es jetzt ist.“
„Und wir hätten dich als König verlieren können.“ Knurrte Segan.
„Und dennoch sitze ich noch hier. Dank, Emmanline.“ Lächelte er. „Hör mir zu, Segan.“ Stand er von seinem Stuhl auf und kam um seinem Schreibtisch herum auf ihn zu. Er war fast so groß wie er selbst, aber mächtiger als er. „Auf uns werden harte Zeiten zu kommen und es wird sich einiges ändern. Manchmal müssen wir Entscheidungen treffen, die wir nicht verstehen werden. Manchmal gibt es Augenblicke, da sollten wir auf unseren inneren Drachen hören. Er weiß manchmal besser Bescheid, als wie unser klarer Verstand.“ Blieb er direkt vor ihm stehen. „Ich weiß wie treu du meinem Vater schon gedient hast und in welchen Schlachten du schon alles mitgekämpft hast. Schon oft konnte ich es miterleben, Segan und ich vergesse es nie. Das Volk verdankt dir genauso viel ab, wie vielen anderen auch. Du hast genauso viel Blut geopfert, wie jeder andere auch. Darum werde ich dich zu nichts beschuldigen oder bestrafen, wie du es vielleicht gedenkst.“
Segan konnte seinen Ohren nicht trauen. Kam er einfach so davon, ohne eine Strafe zu bekommen? Dabei hatte er doch versagt.
„Schaue mich nicht so ungläubig an.“ Lächelte Lucien. „Dafür wirst du einen neuen Auftrag bekommen.“
„Natürlich.“
„Wie gut kennst du alle Wächter auf diesem Schloss?“
„Gut genug.“
„Gut genug, um zu wissen, was sie können?“ Wollte der König wissen.
Segan brauchte nicht lange überlegen um das zu wissen. Er brauchte kein unnützes Kram merken, aber wenn es um das Wissen ging, wie Kampfkünste oder Verteidigung eines Kriegers, sah die Sache ganz anders aus. Darin war er gut. „Ja.“
„Dann würde ich dir die Aufgaben und die Abteilung der Wächter zuteilen. Ich übertrage dir die Verantwortung und die Ausbildung der neuen und alten Wächter. Sowie die Zuweisung der Pläne und Zuteilung. Wenn was sein sollte, kommst du jederzeit zu mir und wenn du was brauchst. Eine regelmäßige Besprechung wird es geben und unveränderbar geben.“
Segan wirkte sprachlos.
„Ich will natürlich über alles informiert werden. Egal was es ist.“ Sprach er einfach weiter.
„Das ist unmöglich.“ Widersprach er.
Da stoppte der König in seinem Redensfluss. „Warum? Du meintest doch, du kennst die Wächter gut genug um zu wissen was sie können.“
„Ja schon, aber es ist nicht die Aufgabe eines Wächters, die Wächter zu beauftragen, was sie zu tun haben, sondern die des Königs. Wie schon seit jeher.“ Schaute Segan Lucien skeptisch an. Er wusste, er sprach die Wahrheit.
„Ja, ich weiß.“ Seufzte er und wandte sich von ihm ab, als er sich zum Fenster ging und hinausschaute. Er wusste nicht was er da suchte, aber er hatte ihn oft da stehen sehen. Von außen. „Du hast mir nicht zu gehört. Eben habe ich dir noch erklärt, es wird sich einiges ändern und manchmal müssen wir Entscheidungen treffen, die wir nicht verstehen werden. Jetzt ist es eine Entscheidung die ich treffe und es wird eine Veränderung eintreffen. Es wird keine letzte sein, Segan.“
„Ich verstehe nicht ganz.“ Was er nicht gänzlich tat, aber er bemühte sich.
„Stets hat der König nur Aufgaben und die Befehle erteilt, aber es wird Zeit, das gewisse Teile abgegeben werden müssen. Ich als König kann nicht alles alleine bewältigen. Ich kann nicht überall gleichzeitig sein. Auch mein Vater konnte es nicht. Wer soll also das Schloss verteidigen, wenn es angegriffen wird und ich einmal nicht anwesend bin? Wer wird dann die Anweisungen geben, wenn es dann nicht einen Anführer meiner Wächter hier gibt, der sie anleitet und das Schloss verteidigen kann? Sag es mir Segan? Wer?“ Wandte er sich jetzt mit einem ernsten finsteren Blick zu ihm um, der eine Antwort erwartete.
Doch er hatte Recht. Es würde niemanden geben. Fürs erste würde es nur ein Angriff sein, bis sie erst richtig zum Einsatz kamen. Trotz das sie tödlich und mörderisch waren. Bisher hatten sie sich immer nur auf ihren König verlassen, oder auf die Königin. Jetzt schien Lucien etwas anderes ermöglichen zu wollen.
„Woher willst du wissen, ob ich der Richtige dafür bin?“
„Du hast mir schon wieder nicht zu gehört. Wie oft habe ich dich schon kämpfen sehen, Segan? Wie oft haben wir Seite an Seite gekämpft?“ Ließ er ihn einen Augenblick Nachdenkzeit. „Ich kenne dich und weiß auch auf wen ich zugehen kann. Du musst es nicht tun, wenn du es nicht willst oder dir nicht zutraust. Überlege es dir einfach. Ich gebe dir eine Bedenkzeit bis zum nächsten Vollmond. Bis dahin will ich eine Antwort von dir.“
„Bis zum nächsten Vollmond?“ Wirkte Mariah entsetzt, als sie ihn anschaute. „Der ist morgen Nacht. Wann hattest du es vor mir zu sagen?“ Schien sie geschockt. „Oder nein warte. Hast du etwa schon eine Entscheidung getroffen? Ohne mich?“ Wurde sie jetzt sauer.
„Was? Nein, ich habe noch gar nichts entschieden. Ich wollte heute mit dir darüber reden, bevor ich morgen mit Lucien darüber spreche. Du weißt, ich würde nie eine solche Entscheidung ohne dich treffen.“ Widersprach er ihr.
„Ach nein? Und wie lautet dann deine Entscheidung, da du ja nicht gleich zu mir gekommen warst, um mit mir darüber zu sprechen? Immerhin bin ich deine Seelengefährtin und rein zu fällig auch eine Kriegerin. Nur weil ich schwanger bin, heißt das noch lange nicht, das du mich mit Samthandschuhen anfassen sollst. Ich bin eine Löwin vom Ashanti Rudel und wir zeigen niemals...“
„...eine Form der Schwäche. Ich weiß für was euer Rudel steht und das drücke ich damit auch nicht aus.“ Blieb er die Ruhe selbst, während er in ihre Augen blickte. Ganz nah an ihrer Oberfläche steckte ihre Raubkatze, was Segan an ihren funkelnden Augen erkennen konnte. Ihn störte es keinesfalls, aber er wusste nicht, wie die Frau auf dem Platz damit umgehen konnte. „Warum ich dir davon noch nichts erzählt habe, lag einfach nur daran, weil ich vorher mir Eindrücke einholen musste.“
„Eindrücke einholen musste?“ Wiederholte sie ungläubig seine Worte.
„Du wusstest, bevor du mich zu deinen Gefährten nimmst, das ich nicht der sonderlich umgänglichere bin und das bin ich auch heute noch nicht, Mariah. Wenn ich wirklich die Position übernehme, dann will ich auf alles vorbereitet sein, was mich erwartet. Ich tue das nicht nur für mich, sondern auch für euch.“ Schaute er sie an. „Ob du es mir nun glaubst oder nicht. Ich wollte mit dir heute Abend darüber reden, weil ich nicht mit halben Sachen kommen wollte, weil du auch eine Kriegerin bist. Du hättest doch dann eh zu mir gesagt, checke die Lage und entscheide dann. Oder etwas nicht?“
Kurz war sie stumm. „Muss ich mir Sorgen um dich machen? Du wirst mir unheimlich. Ja, das wären in etwa meine Worte.“ Lächelte sie ihn verschmitzt an.
„Nein, musst du nicht. Ich kenne dich nur zu gut, meine Gefährtin.“ Erhob er seinen Arm und streichelte mit seinen Fingerspitzen über ihre zarte Wange, wie er es immer tat, wenn sie einen Geplänkel hatten.
„Wirst du es nun tun, worum dein König dich gebeten hat? Das wäre ja eine einmalige und königliche Sache.“
„Dann werde ich noch weniger Zeit für euch haben.“
„Natürlich nicht.“ Bestätigte sie das auch noch, als wäre es das was Gutes keine Zeit für seine Familie zu haben. „Aber das ist der Anfang und sobald du weißt, wie es am besten geht, dann spielt sich das besser ab. Ich kenne dich, Segan, und ich weiß du wirst deine richtige Entscheidung treffen. Vorhin hast du den Nagel genau auf den Kopf getroffen, als du meintest, checke die Lage und entscheide dann, wenn du mit mir vorher gesprochen hättest. Sicher hätte ich mich gefreut, wenn du es getan hättest, aber ich kann auch deine Entscheidung nachvollziehen. Ich hätte es vermutlich auch so gemacht. Wir machen keine halben Sachen und das ist manchmal unser Problem und nicht, weil du nicht sonderlich umgänglich bist. Für mich bist du es und nur das reicht mir. Für niemanden sonst musst du es sein. Außer vielleicht für deinen König, aber das machst du selbst. Auf deine Art.“ Lächelte sie ihn an und schmiegte sich mit ihren rundlichen Bauch an ihn. Genau das war seine Kriegerin, wie er sie liebte und auch ewig lieben würde.
„Vermutlich hast du Recht.“ Lächelte er auf sie herab, obwohl sie eine hochgewachsene Frau war, reichte sie ihm bis zu seinen Schultern.
„Natürlich habe ich Recht. Deine Gefährtin hat immer Recht.“ Lachte sie leicht auf und er liebte ihren Klang. „Aber nun ehrlich, nimmst du es an?“
Kurz schloss er seine Augen. „Ja, ich nehme an.“
Emmanline konnte ihre Worte nicht verstehen, was die beiden da beredeten, aber sie wollte auch nicht
lauschen. Am Anfang war es ein sehr ernstes Gespräch gewesen und sie hatte mit bewusst sie alleine gelassen, damit sie reden konnten. Sie hatte das Gefühl gehabt, sie mussten es tun.
Segan und Mariah waren ein wunderbares Paar zusammen, auch wenn es von außen her nicht den Schein machte, aber sie passten perfekt zusammen. Ihre Harmonie paarten sich gut miteinander, wie kein zweites, obwohl sie unterschiedlicher Völker angehörten. Dies faszinierte sie.
In der Zeit wo die beiden sprachen, sprachen unzählige Stimmen mit ihr. Die verlorenen Seelen hatten sie umringt, als wäre sie selbst ein Phänomen, aber das war sie keineswegs. Aber sie wusste, normalerweise dürfte sie nicht hier sein. Dennoch hatte sie sich drängen lassen, um auf einer Grabstätte für Tote zu sein, die sie wie ein Kessel umzingelte. Sie fühlte sich nicht bedroht dabei, aber vorsichtig war sie trotzdem.
Emmanline blickte jeden einzelne verlorene Seele an, die um sie herum stand. Wie konnte sie allen nur helfen? Bisher traf sie nur zwei, aber das waren zu viele. Vielleicht an die fünfzig oder mehr. Sie konnte nicht alle auf einmal zählen, so viele Stimmen stürmten auf sie ein. Wie könnte sie alle erlösen und sie erleichtern? So viele auf einmal, da wirkte sie auf einmal überfordert und sie fing erst damit an. Und sie wollte Lucien erst davon erzählen.
Vor ihr tauchte eine junge Frau auf, die aber gleich wieder verschwand. Dann kam eine alte Dame aus dem Hintergrund hervor und lächelte sie an. Da verstand sie aus irgendeinen Grund was sie zu tun hatte. Sie konnte nicht ahnen warum, aber sie wusste aus ihrem tiefsten Inneren, was sie machen musste. Ihr Körper tat es von ganz alleine, dass sich ihre Arme ausbreiteten und sich ihr Gesicht gegen den Himmel entgegenstreckte. Ihre Augen schlossen sich automatisch und es wurde Windstill. Kein einziges Geräusch um sie ertönte. Kein Vogelgezwitscher, kein Flügelschlag von eine Wesen in der Luft. Einfach nichts.
Erst als sie die vollkommene Ruhe wahrnahm, verspürte sie eine wohlige Wärme in sich aufsteigen. Sie floss durch ihren ganzen Körper. In jede einzelne Zelle ihres Körpers. Breitete sich überall in ihr aus und übertrug sich in die Erde. Emmanline konnte eine großartige Lebendigkeit spüren die zu wachsen schien. Es breitete sich von ihrem Körper immer weiter aus und sie hatte das wunderbare Gefühl, sie erstrahlte dabei. So herrlich fühlte sich das an.
Nicht wissend wie lange, öffnete sie endlich ihre Augen und sie konnte ihnen auch jetzt nicht trauen, was sie sah. Sie stand in einem gelben Blütenmeer. Dies hatte sie geschaffen, sie wusste es. Dies kam aus ihr heraus, als die Wärme sie durchströmt hatte. Es bestand kein Zweifel.
„Oh mein Gott, Emmanline.“ Konnte sie Mariahs schockierte Stimme hören, aber ehrfürchtig wahrnehmen.
Mit einer halben Drehung sah sie Segan und Mariah, wie sie am Rand der heiligen Ruhestätte standen und sie beobachteten. Sie mussten sie beobachtetet haben, als sie das alles hervorgerufen hatte.
„Ich habe dies, für die verlorenen Seelen getan.“ Bekräftigte Emmanline zu Segan, weil er ein Teil von ihnen war. Auch wenn er noch lebte.
Doch, als sie sich jetzt umblickte und die Pracht der Blüten sah, waren all die Steine umwuchert die aus der Erde ragten. Sie wusste, es war noch nicht alles. Nur konnte man es noch nicht sehen. Eines wusste sie, die verlorenen Seelen waren verschwunden und sie würden nicht wieder kehren. Nie wieder.
Als sie sich das zweite mal zu den beiden umblickte, fehlte von den beiden jegliche Spur. Aber dafür stand jetzt ein blutroter Drache am Rand der heiligen Ruhestätte. Sie wusste ganz genau wer das war und wer sie mit glühenden goldenen Kohleaugen anblickte.
„Lucien.“ Flüsterte sie leise seinen Namen, während sie lautlos über das Blumenmeer zu ihm schritt.
Er währenddessen beobachtete sie nur, aber es machte ihr nichts aus. Warum konnte sie nicht sagen. Obwohl sie sich wie eine Beute in seinen Blicken vorkommen musste, die die Beute jeden Moment verschlingen wollte. Aber sie hatte keine Angst. Nicht bei diesem Drachen, der alles für sie tun würde. Aus irgendeinem Grund war es ihr Drache und es würde immer so sein.
Endlich hatte Lucien sie aufgesucht und gefunden, was sie beinahe zum Lächeln brachte. Sie hatte gewusst, er würde sie suchen kommen.
Kurz vor ihm blieb sie stehen und reckte die Arme nach oben, ein Zeichen, er solle seinen großen Drachenkopf nach unten bewegen. Durch einen Ruck durch seinen Körper stellte sie fest, das er überrascht schien, aber es machte ihr nichts aus. Sie wollte ihn berühren, so wie er jetzt war. In seiner Drachengestalt. Egal wie mächtig und brutal er ihr jetzt erschien. Das Einzige was jetzt zählte, er würde ihr in dieser Gestalt niemals etwas antun. Niemals.
„Es ist in Ordnung, Lucien.“ Lächelte sie besänftigend.
Erst nach kurzen Zögern beugte er seinen Kopf nach vorne und ohne ihr Zögern lehnte sie mit ihren ganzen Körper an seine Schnauze. Sie fühlte sich durch seine Schuppen glatt und rau zugleich an. Gegen ihn wirkte sie wie ein winziges etwas, aber fühlte sich in dem Augenblick nicht minder. Nichts als er genauso tief ihre Nähe genoss. Sie spürte es, so tief, wie er es spürte. So tief sie es auch spürte, so fester drückte sie sich auch an seine Drachenschnauze. Als habe sie wirklich jetzt einen Entschluss gefasst.
Lucien konnte nicht glauben was hier gerade passierte. Darauf hatte er eine halbe Ewigkeit gewartet.
Endlich. Knurrte sein Drache zufrieden, als er spürte, wie Emmanline sich weiterhin an seine Schnauze presste.
Er war lediglich in seine Drachengestalt hierher gekommen, weil er nach ihr gesucht hatte. Schon etwas länger. Er hatte sogar schon leichte Panik verspürt, sie sei ihm vielleicht davon gelaufen, aber dann sagte man ihm im Dorf, sie wurde mit seinem, vielleicht, neuen Oberst seiner Wächter und dessen Frau gesehen. Die unterwegs zur heiligen Ruhestätte waren.
Schockiert über diese Erfahrung, war er sofort davon gebraust, weil es verboten war Außenstehende an diesen heiligen Ort dorthin zubringen. Wie konnte Segan das ignorieren?
Doch als er dann ankam, Emmanline in diesem Meer von Blüten sah, verzauberte sie ihn aufs neue. Überall um sie herum war ein Funkeln gewesen, was ihn in einen Bann geschlagen hatte und ihn unfähig machte zu bewegen. Etwas dort war geschehen.
Jetzt schon fast verzweifelt klammerte Emmanline sich an seine Drachenschnauze und er hatte so ewig darauf gewartet das sie ihn berührte.
„Lass mich nicht gehen, Lucien.“ Hauchte sie die Worte mehr, als wären sie wie ein Flüstern.
Hatte er sich da verhört?
„Bitte.“
Ihm brach das Herz und er verwandelte sich in binnen von einer Sekunde in seine menschliche Gestalt zurück, wo er sie in seine Arme riss. „Ich hatte dir doch gesagt, ich lasse dich nicht gehen, Emmanline.“
„Egal was kommt, behalte mich.“
„Egal was kommt, ich behalte dich.“ Schwor er ihr.
Was war mit ihr geschehen, als er in der Zwischenzeit weg gewesen war? Solange war es doch nicht gewesen.
Lucien hielt sie noch eine Weile so fest, weil er wusste, sie brauchte es noch, aber er musste es wissen. „Hat dir jemand gedroht, Emmanline? Oder gar weh getan?“ Wie kam sie nur zu dieser Stimmungsschwankung.
„Wie bitte?“ Wirkte sie verwirrt und löste sich etwas aus seiner Umarmung.
„Ich freue mich darüber das du mich endlich darum gebeten hast, das ich dich nicht gehen lassen soll, aber was hat dich dazu bewogen?“
„Dann gehst du gleich wieder vom schlechten aus?“ Schaute sie ihn skeptisch an. „Niemand hat mir gedroht oder gar mir weh getan. Im Gegenteil. Alle waren sogar lieb und freundlich gewesen.“ Runzelte sie mit ihrer Stirn. „Damit hätte ich nicht gerechnet. Ich habe sogar von Anjanna und Travis einen Obstkorb geschenkt bekommen und zum ersten mal Schokoladenkekse gegessen.“ Erzählte sie alles, was sie heute erlebt hatte, aber schien etwas auszulassen, was für sie wichtig war. „Die Leute hier in diesen Dorf sind anders als ich erwartet hatte.“
„Du dachtest, weil sie über deine Herkunft Bescheid wissen, das sie dich meiden und verachten sollen. So einfach ist das manchmal nicht, Emmanline. Die Kinder sind unsere Zukunft und sie lieben dich. Auch ich habe es heute gesehen. Aus einem sicheren Grund vertrauen die Eltern dir ihre Kindern an, ohne sich Sorgen zu machen. Ich weiß warum, aber du musst diesen Grund nur noch selbst herausfinden. Wenn ich ihn dir jetzt verrate, wirst du mir ohnehin nicht glauben.“ Lächelte er sie an. „Du hast heute eine Menge erlebt und gesehen, was mich wirklich freut. Damit hätte ich auch nicht gerechnet. Wenn ich gewusst hätte, das es so positiv ist, dann hätte ich das schon viel eher gemacht.“ Lachte er.
„Da gibt es noch etwas. In der ganzen Zwischenzeit habe ich schon einmal nach dir gesucht, aber wurde aufgehalten.“ Wandte sie dann ein und durch ihren Blick bemerkte er, das es was wichtiges zu sein schien, wie er er vermutet hatte.
„Ach ja, was denn?“
„Wenn ich dir etwas erzähle oder sage, darfst du nicht lachen? Ich meine das vollkommen ernst.“ Blickte sie ihm tief in die Augen.
„Du weißt, ich höre dir immer zu.“ Musste er sie einfach berühren, indem er ihre Wange streichelte. Sie war wunderschön im Schein der untergehenden Sonne. Ihr schneeweißes Haar schimmerte jetzt golden, aber ihre Augen waren das flüssigste Silber, das er je gesehen hatte.
„Ich kann sie sehen. Längst verlorene Seelen aus deinem Volk.“
Lucien hielt mit seiner Bewegung inne und schaute Emmanline irritiert an. „Verlorene Seelen?“
„Ich nenne sie so, weil es für mich besser klingt.“
„Was für Bezeichnungen hast du noch?“
„Geister. Gespenster. Tote. Suche dir etwas aus.“ Schien sie ihn genau zu beobachten und ihm reichte es jetzt.
„Ist das ein Scherz?“
„Nein, ich meine es vollkommen ernst.“Schüttelte sie mit ihrem Kopf. „Es hat alles einen Zusammenhang. Es hat damit angefangen, als wir unterwegs zu dieser Ratssitzung waren. Auf dem Gang, als wir Linava gesehen haben. Neben ihr habe ich ein kleines Mädchen gesehen. Später, als ich aus der Ratssitzung raus bin, dachte ich, sie wäre Real, aber habe erfahren, das sie die tote Tochter von ihr und ihrem Gefährten Cynder war.“ Wurde ihr Blick kurz traurig.
Davon hatte er gar nichts gewusst. Geschweige nicht das sie ein Kind erwartet hatten.
„Heute bei Anjanna und Travis widerfuhr mir der gleiche Fehler. Erst dachte ich, es wäre Real, aber es war die tote Gefährtin von Travis, die dort erschien und Abschied nahm, wie die Tochter von Linava damals Abschied nahm. Im Dorf habe ich viele verlorene Seelen bei ihren Verbundenen gesehen und hier in der heiligen Ruhestätte. Viele. Ich sehe sie. Ich weiß nicht warum, aber eines weiß ich genau, es hat was mit diesem blutroten Rubin auf sich.“ Erzählte sie einfach weiter und er konnte entsetzt zuhören. „Ich glaube, alles was ihr über diesen Rubin wisst, stimmt nicht gänzlich. Es mag ein Fluch auf euch lasten, der euch irgendwie hindert in ein neues Leben überzugehen, aber der Stein scheint euer Schlüssel dafür zu sein. Er weist euch den Weg, nur habt ihr ihn noch nicht gefunden.“
„Das ist doch irrsinnig. Es gibt keine Geister oder Gespenster.“ Daran konnte er nicht glauben.
„Nein? Aber dann glaube an die Seelen, Lucien. Als ich dir von diesem dürren riesigen Baum erzählt habe, was mich der Rubin zeigen lässt, habe ich zuletzt eine neue Entdeckung gemacht.“ Musste sie weiter reden. „Das war nach dem Abschied von der Tochter Linava und Cynder. Zwischen der ganzen Trockenheit, dem Feuer und den ganzen leeren Ästen hing ein einzelnes grünes Blatt.“
Das hörte sich in seinen Ohren merkwürdig an. Wie unwirklich das klang. „Ein grünes Blatt?“
„Ja. Verstehst du es denn nicht, Lucien, was das bedeutet? Dieses kleine grüne Blatt ist die kleine Tochter von den beiden. Ich weiß, wenn ich jetzt zu dem Baum gehen würde, würde er mehr grüne Blätter tragen und noch höher ragen, als je zuvor. Jetzt weiß ich was er ist. Dieser Baum ist euer Lebensbaum. Von euch Drachen. Der Rubin ist lediglich nur ein Schlüssel um dorthin zu gelangen. Normalerweise bedürfte es das alles nicht. Dieser Fluch oder was auch immer hindert euch den reibungslosen Übergang dorthin. Es ist was mächtiges und sehr großes, was euch zwischen den Welten fest hält.“ Konnte sie nur ihre Vermutungen erzählen.
Ungläubig starrte Lucien sie weiterhin an, als hätte er jetzt wirklich einen Geist gesehen. Wollte sie ihm das jetzt wirklich alles erzählen? „Wenn das stimmen sollte, was du mir erzählst, was soll dieser Fluch bezwecken? Ich verstehe den Sinn darin nicht? Wir nehmen doch überhaupt kein Schaden darin, wenn sich einer an uns rächen will.“
„Es gibt keine Wiedergeburt von Seelen, wie viele es sich vielleicht wünschen.“ Wusste Emmanline sofort eine Antwort drauf. Warum auch? „Linava und Cynder wären welche von deinem Volk, die sich eine Wiedergeburt erwünschen würden, wenn sie vielleicht das nächste Mal ein Kind erwarten. Vielleicht ist es die Seele von ihrer verstorbenen Tochter.“ Machte sie eine kurze Pause. „Oder Travis, der vielleicht Glück haben könnte, seine verstorbene Gefährtin wiederzufinden. Ihre Seele, nur in einem anderen Körper.“
„Dann ist alles gelogen, was meine Mutter mir über diesen Rubin erzählt hatte. Dies ist kein Gefängnis, wo unsere Drachenseelen eingesperrt werden. Auf ewiger Verdammnis.“ Machte er eine kurze Pause. „Dieser Rubin ist nicht aus unseren Drachenblut entstanden, wenn er vielleicht lediglich nur ein Schüssel ist.“ Wusste er beinahe nicht mehr was er von all dem glauben sollte, so viele Geheimnisse gab es über diesen blutroten Rubin. Niemand konnte ihm klare Antworten geben und das machte ihn wütend.
„Es muss nicht heißen, das alles gelogen ist, Lucien.“ Erwiderte Emmanline und kam auf ihn zu, als sie vor ihm stehen blieb.
Ihr machte es nicht mehr so viel aus, das er nackt war, oder sie konnte es einfach gut verbergen.
„Wenn der blutrote Rubin und der Baum, den ich sehe, der euer Lebensbaum ist, etwas miteinander verbindet, könnte es durchaus möglich sein, das dieser Rubin aus eurem Drachenblut entstanden ist.“ Redete sie weiter. „Von dem Traum, den ich dir damals erzählt habe, wo Feuer und Hitze mich umgeben hatte, hatte der Baum Tränen aus Blut geweint. Vielleicht ist dieser Rubin nur ein Tropfen eures Blutes und darum ein Schlüssel der verbindet.“
„Und was glaubst du vom Rest?“ Wollte er ihre anderen Gedanken hören. Musste es hören.
„Ich glaube, der Baum schreit nach Hilfe. Er stirbt, Lucien. Nicht wegen der Flammen und der Hitze die dort toben, denn sie verbrennen nicht. Sonst hätten sie mich verbrannt oder schon längst den Baum. Es sind die Seelen worauf er wartet. Wenn er sie nicht bekommt, stirbt dieser Lebensbaum.“ Blickte Emmanline zum Himmel und er folgte ihren Blick. Dort bemerkte er die Dämmerung und wie die ersten Sterne sich am Nachthimmel zeigten. „Und ich habe noch eine andere Vermutung.“
„Erzähle es mir.“ Klang es schon fast drängend von ihm, weil er neugierig von ihren Gedankengang war.
„Es mag vielleicht stimmen und ihr werdet davon nichts merken. Von diesem Fluch meine ich. Keine Schmerzen oder ihr blutet nicht davon. Aber wer weiß es schon, ob es nicht was anderes ist?“ Blickte sie nicht vom Himmel, wo immer mehr Sterne auftauchten. „Etwas sagt mir, jedes Volk hat eine Begrenzung von Seelen. Wenn die Anzahl von Seelen aufgebraucht ist, die ein Volk zur Verfügung hat und es keine Wiedergeburten gibt, dann wird es vielleicht eines Tages keine Geburten mehr geben. Sterben dann alle, gleicht es ja einer Auslöschung, wenn es dann niemand mehr gibt, der wiedergeboren werden kann.“
Luciens Herz blieb auf einmal stehen und er wusste nicht ob er noch atmete. Seine Augen mussten sich vermutlich auch vor Schock geweitet haben, sowie Emmanline ihn jetzt anschaute und auf ihn einredete, aber er verstand sie nicht, denn andere Worte gingen ihm durch den Kopf. Die Worte von Tarana. Das Gespräch mit ihr und was in ihrem damaligen Brief stand.
Lucien hatte sich mit Tarana, Ratsmitglied und Heilerin von Tarascon, in seinen Arbeitszimmer zurück gezogen, wo sie sich in Ruhe unterhalten konnten.
Tarana gehörte zu den Mütterlichen und hatte von Anfang an schon ein gutmütiges Wesen an sich, was sich in ihren warmen braunen Augen widerspiegelte. Ihr schulterlanges blondes Haar hatte sie wie immer hochgesteckt. Sie mochte es nie, wenn es lose auf ihren Schultern lag, was wohl jedem das Seine war. Trotz das es so streng aussah, war sie die Güte und Liebenswürdigkeit in Person. Vielleicht lag es auch an ihrer Größe. Für einen Drachen war sie relativ kleinwüchsig, aber das machte ihre Stärke als Mütterliche nicht minder. Sie zeigte ihre Stärken ganz woanders, als in ihren Muskeln. Sie hatte Biss und würde jeden in Stücke reißen, soweit sie kam. Tarana war einfach anders und jeder verstand sie auf eine andere Art und Weise. Jeder vertraute ihr und das genügte voll und ganz.
„Wo soll ich nur anfangen?“ Seufzte Tarana auf und es klang nur reine Sorge aus ihrer Stimme heraus.
„Hast du noch mehr Informationen eingeholt, wie ich dich darum gebeten habe?“ Wollte er wissen, als er ihr einen Sitzplatz angeboten hatte und nun zu seinem hinter dem Schreibtisch ging.
„Noch mehr, als ich dir vorher im Brief schon geschrieben habe?“ Hörte sie sich bitter an. „Ja habe ich und es ist das gleiche Ergebnis. Überall das gleiche was die Heiler und Heilerinnen mir in den Dörfer und Städten berichten. Meine Vermutungen bestätigen sich, Lucien,“
„Aber wie kann das sein. Ich verstehe das nicht. Woran liegt das, dass plötzlich die Geburtenrate zurück geht? In allen Dörfern und Städten? Das klingt fast so, als will keiner mehr Kinder zur Welt bringen, wenn ich die Anzahlen auf dem Papier sehe, die du mir geschickt hast.“ Wusste er bald keine Antwort mehr darauf.
Tarana ist vor einer längeren Zeit aufgefallen, das im Drachenvolk die Geburtenrate immer mehr zurück ging. Erst viel es ihr nur in Tarascon auf, aber dann holte sie sich Rat in anderen Dörfern und Städten die darum lagen ein, aber was das selbe Problem aufwiesen. Es kamen auch dort immer seltener Kinder zur Welt, auch wenn gerne welche erwartet wurden. Es passierte seltener.
„An einer Krankheit leidet niemand. Ich habe schon viele Frauen untersucht, die gerne ein Kind empfangen wollen. Alle sind kerngesund und empfängnisbereit und hoch fruchtbar. Doch niemand wird schwanger.“
„Und was ist mit den Männern? Liegt es an denen?“
„Nein, auch die habe ich untersucht. Es muss was anderes sein. Ich kann es mir nicht erklären, aber wenn wir keine Lösung dafür finden, weiß ich keinen Rat mehr. Nicht als Heilerin. Ich habe schon alles versucht und mich auch mit anderen Heiler und Heilerinnen zusammen gesetzt. Wir sind alle ratlos. Es ist keine Krankheit oder ähnliches, was das verursacht hat. Irgendwas ist hier im Spiel und wir wissen nicht was, Lucien. Wenn wir nicht herausfinden was es ist, kann es eines Tages böse Enden, wenn wir keine neue Brut bekommen.“
Dabei konnte er sich gut ausmalen, was das für sein Volk bedeuten könnte. Wenn keine neuen Nachkommen kamen und nur die Alten bestanden, würde es verdammt böse aussehen. Es war zwar einfach den Samen in eine Frau einzupflanzen, aber auch nicht so leicht, das die Frau hinterher dann schwanger war. Zuerst einmal war ein Bund nötig. Ein Lebensbund, wenn seine Frau irgendwann von ihm schwanger werden sollte.
Paare konnten auch außerhalb zweier Völkern entstehen und die Frauen der jeweiligen Fraktionen auch schwanger werden. Beweise gab es genug, wie in seinem Volk auch. Aber dann gab es nie eine Garantie ob ein Drache geboren wurde. Aber wenn die Geburtenrate jetzt schon verdammt niedrig war, würde sie bei anderen Paaren noch geringer sein, als bei reinen Drachenpaaren.
Würde also ein Drache nach dem anderen sterben und kein neuer dazu kommen, würde eines Tages das Volk der Drachen aussterben. Ein mächtiges Volk, einfach so, weil es keine Kinder mehr zur Welt brachte.
„Wie viele wissen davon, wie schlimm es darum steht?“ Wollte er wissen.
„Bis jetzt nur die Heiler und Heilerinnen, mit denen ich zusammen gesessen habe. Und du natürlich. Ansonsten weiß es niemand weiter.“
„Gut, das wird weiterhin so bleiben. Ich werde mich weiterhin erkundigen, was es sein kann und was für Möglichkeiten uns bleiben. Ich will eine Sache überprüfen.“
„Hast du vielleicht etwas?“ Horchte Tarana auf und etwas glomm in ihren Augen auf.
„Ich weiß es noch nicht und muss darüber nachdenken, wie ich es in Angriff nehme. Warte auf meine Antwort. Bitte.“ Bat er sie darum, weil er ihr jetzt einfach keine weitere Antworten geben konnte, ohne selbst genauere zu haben.
„Ich werde warten.“ Beobachtete sie ihn genau und er hatte das Gefühl, ihren Augen entging nichts. Sie würde warten.
Mit einem Nicken dankte er ihr, was er wirklich zu schätzen wusste.
„Lucien?“ Hatten zwei warme Hände sein Gesicht umrahmt und ein Paar wunderschöne Augen blickten ihn sorgenvoll an. Er wurde aus seinen Gedanken gerissen. „Da bist du wieder.“ Atmete sie wieder leicht auf.
„Das kann nicht sein.“ Sprach er atemlos, weil ihm immer noch die Luft fehlte. Und ihm wurde sogar leicht übel.
„Was kann nicht sein?“
Plötzlich nahm Lucien Emmanlines Hände in die seine und von seinen Wangen, während er ihr tief in die Augen schaute. „Es ist der Fluch, der uns zugrunde richtet. Natürlich. Er lässt uns keine Schmerzen spüren und wir bluten dafür nicht, aber er schadet uns auf anderer Art und Weise. Wie du es sagt, es wird keine Wiedergeburten geben.“ Konnte er jetzt klarere Antworten sehen.
„Ich vermute es.“ Schaute sie ihn unsicher an.
„Du könntest mit den Seelen Recht haben. Wenn es wirklich stimmt und sie finden keine Erlösung und es gibt nur eine begrenzte Anzahl von Seelen, die ein Volk zur Verfügung hat, dann können keine Kinder mehr geboren werden.“
Emmanline schüttelte mit ihrem Kopf. „Das ist doch nur eine Vermutung von mir, Lucien. Das muss nicht stimmen. Es klingt doch eigentlich auch absurd, was ich da erzähle.“
„Nein, eben nicht. Die Beweise sind da.“
„Wie bitte?“ Wirkte sie etwas verwirrt.
Lucien ließ von ihr ab und wanderte auf und ab, auch wenn er nackt vor ihr lief. Es war ihm egal, was hatte er schon zu verbergen? „Vor längerer Zeit habe ich von einer Heilerin und Ratsmitglied einen Brief erhalten, wo darin stand, das in jedem Dorf und Stadt des Drachenvolkes die Geburtenrate runtergegangen ist. Vergleichbar fast auf null. Vor kurzen, nach der Ratssitzung, hatten ich mit ihr noch ein Gespräch und es ist nicht so gekommen, wie wir vielleicht gedacht haben.“
„Das ist ja schrecklich.“ Starrte Emmanline ihn entsetzt an. „Was habt ihr vorher gedacht?“
„Es wäre vielleicht eine Krankheit, aber als das auszuschließen war, dachte ich, es wäre wieder ein Trick von irgendjemanden oder ein Gift. Aber ich finde keine Hinweise darauf. Bis auf den Fluch jetzt. Wenn dieser Baum wirklich unser Lebensbaum ist und er anfängt zu sterben, dann sind wir dem Untergang geweiht. Dann ist es zu spät.“
„Vielleicht nicht.“ Blieb Emmanline an Ort und Stelle stehen. „Wenn der Fluch damit in Verbindung steht, dann kommen die Seelen jetzt. Ich kann sie sehen, Lucien. Verlorene Seelen die gefangen in einer Ebene sind und nicht wiedergeboren werden können. Noch ist es nicht zu spät. Ich habe es gesehen. Der Baum wächst noch und er bekam ein grünes Blatt. Ich müsste mich vergewissern wie er jetzt aussieht. Jetzt nachdem noch mehr verlorene Seelen frei sind. Ich kann ihm helfen.“
Wie angewurzelt stand er da und schaute sie an, während sie ihn anblickte, mit ihren silbernen Augen. Sie meinte es ernst und er konnte spüren, wie ehrlich sie zu ihm war. „Das würdest du tun?“
Für einen Augenblick verzog sie das Gesicht. „Eigentlich müsste ich dich fragen, ob du das überhaupt dann zulassen willst. Normalerweise müsstest du jetzt misstrauisch mir gegenüber sein, Lucien. Das hatte jetzt mehr als gut gepasst, was meine Vermutung anging. Wie hundertprozentig passt so was, das meine Theorie auf deine Antworten passt? Ich erzähle und es stimmt aus reinem Zufall heraus? Das klingt für mich sogar unglaubwürdig. Ich wäre mehr als misstrauisch.“
Er schwieg kurz und musterte sie und dachte eigentlich nur wie schön und klug sie eigentlich sei, was ihm ein kleines Lächeln abverlangte. „Dann frage ich mich, wer war länger da. Der Fluch oder du, der uns hätte so schaden können, Emmanline?“ War er stehen geblieben. „Dieser Fluch existiert seit tausenden von Jahren und hatte langsam Zeit seine Wirkung zu zeigen, was wir jetzt zu spüren bekommen. Wir haben es nie gemerkt und ernst genommen, bis wir es jetzt heraus gefunden haben. Jetzt wo es zu spät ist.“
Emmanline kam auf ihn zu. „Du hast so großes Vertrauen in mich, ich habe mit all dem nichts zu tun, dann lass mich helfen, Lucien. Immerhin habe ich schon damit angefangen. Es ist noch nicht zu spät.“ Berührte sie ihn mit ihren Händen auf seiner Brust und er genoss es.
„Ich kann das nicht von dir verlangen.“ Senkte er seinen Kopf und seine Stimme.
„Wie...Warum nicht?“
„Warum soll ich von dir verlangen mein ganzes Volk zu retten, wenn du unter meines so gelitten und alles verloren hast? Das kann ich nicht von dir verlangen.“
Plötzlich schien Emmanline sprachlos zu sein und schaute ihn entsetzt an. Es dauerte einen Moment bis sie sprach.
„Das ist nicht dein ernst?“
„Doch ist es.“
„Um das nicht von mir zu verlangen, lässt du dein ganzes Volk leiden?“
„Ja.“
„Warum? Du bist der König von ihnen und hast die Pflicht sie zu beschützen. Du musst das tun.“ Wurde ihre Stimme etwas lauter, während sie ihn verständnisloser anschaute.
„Ja, ich bin ihr König, aber auch dir bin ich gegenüber einer Pflicht schuldig und die geht höher als meinem Volk.“ Wurde seine Stimme höher, aber er schrie sie nicht an. „Du bist meine Seelengefährtin und ich habe dir genauso ein Versprechen gegeben. Mein Volk hat irgendjemanden, aber du wirst niemanden haben, wenn ich nicht da bin. Ich werde dich nicht alleine. Darum werde ich niemals von dir verlangen mein ganzes Volk zu retten. Dann muss ich mich eben an Hexen und Magier wenden und einen Weg finden diesen Fluch zu brechen. Es muss einen Ausweg geben.“
Nun reichte es Emmanline aber. Dadurch das sie Lucien damit überraschen konnte, versetzte sie ihm einen Schubser. Das konnte sie sonst nicht, nur wenn er unaufmerksam war und er sah es an seinen überraschten Ausdruck.
„Höre auf mit deinem blödsinnigen Gerede.“ Blickte sie ihn böse an. „Gut, wenn du mir nicht helfen willst, werde ich es eben alleine tun. Wende dich eben an deine Hexen und Magier. Mir egal.“ Brauste sie an ihm vorbei und lies ihn einfach stehen. Dann machte sie es eben alleine.
Lucien hatte doch keine Ahnung was er da gerade alles für einen Blödsinn redete. Sie konnte ihm verzeihen, weil es irgendwann zu viel werden würde. Gerade wenn man keine Antworten mehr auf Fragen weiß. Sie konnte ihn verstehen, weil sie sehr oft in solche Situationen gesteckt hatte. Sie machte ihn dafür nicht verantwortlich und würde es auch niemals tun. Oder gar böse sein, das konnte sie nicht.
„So warte doch mal, Emmanline.“ Hatte er ihren Oberarm gepackt und herumgerissen, damit sie ihn anschauen konnte. Nein, es machte ihr nichts aus, aber sie würde noch nicht nachgeben.
„Was?“ War sie etwas laut, aber sah ihn schlucken.
„Warum willst du uns unbedingt helfen?“
Schockiert fiel ihr der Mund auf und sie konnte ihn ein weiteres Mal anstarren. Was war heute nur in diesen Mann gefahren? „War diese Frage jetzt ernst gemeint?“ Musste sie es wissen. „Denn wenn sie ernst gemeint ist, dann...“ Konnte sie alles andere anschauen, nur ihn nicht. Das war ihr jetzt zu viel und es versetzte ihr einen kleinen Stich in die Brust.
„Gut, ich formuliere meine Frage mal anders. In der Zeit, seit du nun schon bei uns bist, Emmanline, wie viel liegt dir schon an meinem Volk und meiner Familie? Dabei hast du so viel Leid durch uns ertragen müssen.“
Diese Frage war ja nun wirklich komplett anders gestellt. Aber sie schaute Lucien wieder an und sie wusste nicht was es war, aber Lucien musste etwas in ihren Augen gesehen haben, was ihr ein warmherziges Lächeln einbrachte, was ihre Knie weich werden ließen. Jedenfalls zog er sie in seine Arme und murmelte nur irgendwelche Worte.
„Was hast du gesagt?“ Wollte sie wissen.
„Es tut mir leid. Ich bin ein Arschloch. Ich, in mir steckt selbst eine enorme Wut auf gewisse meiner eigener Leute aus meinem Volk, weil sie dir weh getan haben und ich will nichts lieber als Rache. Ich denke dann noch, wie es bei uns zu Anfang gewesen war, wie du jeden Drachen verabscheut hast. Aber jetzt hat sich so vieles verändert. Oder?“
Sie musste ehrlich zu ihm sein. „Ja, es hat sich vieles verändert, Lucien. Ob ich es manchmal sehen möchte, oder nicht. Am Anfang war es so gewesen, ich habe alles und jeden ignoriert, aber nicht wirklich verabscheut, auch wenn ich es habe so aussehen lassen. Ich habe lernen müssen, nichts an mich heran zu lassen. Erst als ich hier bei dir war, veränderte sich etwas. In mir verändert sich das verwirrende Labyrinth.“
„Verwirrende Labyrinth? Das verwirrt mich. Was meinst du damit?“ Klang er verwirrt, was sie ihm nicht verübeln konnte.
Immer mehr schmiegte sie sich in seine Umarmung und er hielt sie einfach, während sie sprach. „Es herrscht in meinem Verstand. Ich habe doch bereits erklärt, das ich vor langer Zeit meinen Verstand abschalten musste, um ihn nicht zu verlieren. Schon meine Mutter hatte es mich gelehrt, wie irrsinnig es klingen mag. Hätte ich es nicht gemacht, wäre ich schon längst verrückt geworden. Unter all der Grausamkeit wäre ich zerbrochen, hätte ich meine Gefühle und meinen klaren Verstand nicht in ein verwirrendes Labyrinth verstrickt, was noch heute anhält. Wenn sich etwas grausames zuträgt, wie wenn Culebra mir etwas angetan hatte, habe ich mich einfach nur zurück gezogen. Ich habe meine hohen Mauern hochgezogen und nur gewartet. Es ist wie ein Schutzmechanismus, was mein Verstand sich erbaut hat, um sich selbst zu schützen.“
„Was ist in diesem Labyrinth? Wo führt es hin?“
Sie seufzte auf. „Erinnerungen. Überall in diesen Gängen sind Erinnerungen gespeichert. Immerhin ist es mein Verstand. Die Gänge verschieben sich und es kommen immer öfters Erinnerungen zum Vorschein. Ich kann es nicht kontrollieren.“
„Hast du Schmerzen dabei?“
Jetzt schaute sie ihn an, aber schüttelte mit ihrem Kopf. „Nein. Es ist nur ein beklemmendes Gefühl, was mich kaum zum Luft holen kommen lässt. Es sind nur Erinnerungen.“
„Die schlimm genug sind, aber die du nicht ein zweites Mal durchleben solltest.“ Knurrte er verärgert, weil er sie davor nicht beschützen konnte.
Da lächelte sie und sein Herz wurde ihm unsagbar schwer. „Du hast mir doch versprochen, du lässt mich nicht gehen und das du mich behältst.“
Mit beiden Händen umfasste er ihr Gesicht und senkte seinen Kopf zu der ihren ab, der viel kleiner war, als der seinen. „Ja, das habe ich.“ Küsste er sie leidenschaftlich und schloss genüsslich seine Augen, während er sie kostete. Sie schmeckte wie die reine Wonne und er stöhnte in ihren Mund. Wie konnte nur so was reines so süß und köstlich schmecken? Sie gehörte ihm.
Seine Hände glitten von ganz alleine von ihren Wangen an ihren Hals zu ihren Schultern und Armen abwärts. Er konnte nichts dagegen tun sie einfach zu berühren, so groß war der Drang. Sein Körper reagierte von ganz alleine auf sie. Wurde von ganz alleine hart für sie. Sein Schwanz hatte sich schon längst in eine senkrechte Position bewegt, das er nichts dagegen tun konnte. Da er schon nackt war, musste er sich wegen seiner Kleidung keine Gedanken mehr machen, aber bei Emmanline schon. Und die störten ihn gewaltig.
Gerade wollte Lucien ihr die Träger vom Kleid über die Schultern streifen, als sie ihn aufhielt. „Warte...“ Keuchte sie atemlos auf.
Mit feurigem Blick hatte er den Kuss unterbrochen und blickte auf sie herab. „Warum?“ Wollte er unbedingt wissen, weil er einfach nicht aufhören wollte. Er wollte sie hier und jetzt. Egal ob sie bei der heiligen Ruhestätte waren oder nicht. Er konnte nicht warten.
„Es beginnt gleich. Und wir sind nicht allein.“ Leckte sie über ihre roten Lippen und er stöhnte auf. Diese Frau machte ihn noch verrückt, aber was sie da sagte, verwirrte ihn. „Was beginnt gleich? Und wir sind allein.“
Als wäre das ein Stichwort, sprangen zwei kleine Löwenkinder aus einem Gebüsch hervor und murrten. Warum hatte er die beiden Kleinen nicht mitbekommen? Er konnte jetzt deutlich spüren, sie waren Gestaltenwandlerjungen.
„Trey. Conner.“ Nannte Emmanline die Beiden beim Namen. „Ihr dürftet nicht hier sein. Eure Eltern suchen sicherlich schon nach euch.“ Lächelte sie und ging auf sie zu.
„Das sind Löwengestaltenwandler. “ Bemerkte er. „Zu wem gehören sie?“ Ähnelten sie irgendjemanden, aber er konnte sie nicht genau zuordnen.
„Sie gehören zu Segan. Er ist ihr Vater.“ Schaute sie ihn jetzt an, aber streichelte die jungen Löwenkinder.
Beinahe wäre ihm die Kinnlade runter geklappt. „Segan? Der auf meinem Schloss Wächter ist? Dieser Segan ist Vater von diesen Kleinen?“
„Ich kenne keinen anderen. Und was ist daran ungewöhnlich? Auch wenn man es ihm nicht ansieht, hat er auch seine tiefen Gefühle. Vor allem für seine Gefährtin. Sie ist eine Löwengestaltenwandlerin, die sogar noch einmal schwanger ist. Das hatte mich überrascht.“ Lächelte sie.
„Mich auch. Davon wusste ich nichts, obwohl ich ihn kenne.“ Wobei er sich jetzt wage erinnerte, das man ihm im Dorf erzählt hatte, als er Emmanline gesucht hatte, Segan hatte sie mit seiner Gefährtin hierher zur Ruhestätte gebracht. Da hätte es schon bei ihm schalten müssen.
„Anscheinend nicht so gut.“
„Das wird sich ändern.“ Murmelte er vor sich hin, weil er noch daran dachte, das Segan seinen Vorschlag annahm. Es wurde generell Zeit, das sich etwas änderte.
„Ich werde die beiden Kleinen wieder ins Dorf zu ihrer Mutter zurück bringen. Sie wird sich sicherlich Sorgen machen.“ Meinte Emmanline kurz.
„Ich werde dich begleiten. Danach können wir nach Hause aufbrechen. Es ist schon spät.“
„Nein, du musst noch hier bleiben und warten.“
„Wie bitte? Worauf?“
„Sie kommen.“ Blickte sie zum nächtlichen Sternenhimmel auf und er folgte ihren Blick.
Dadurch das er in der Nacht um ein vielfaches besser sehen konnte, als am Tage, bemerkte er die Drachen am dunklen Himmel. Es schien kein Mond, aber die Sterne strahlten umso deutlicher. Erst waren es vereinzelte Drachen, aber es wurden immer mehr.
„Warum sind Drachen hierher unterwegs?“ War er ratlos und misstrauisch. Er hatte sie nicht hierher gerufen.
„Sie hin.“ Lenkte Emmanline ihn um und er ließ es geschehen.
Lucien blickte zur heiligen Ruhestätte zurück, weil sie noch immer am Rand standen. Dort hatte Emmanline zuvor ein gelbes Blumenmeer zum blühen gebracht, zwischen den heiligen Steinen. Hier wurde niemand begraben, aber jeder wusste, hier ging jede verstorbene Seele hin, die ins nächste Leben überging. Aber jetzt wo er das alles hörte, es gäbe keine Wiedergeburt, was war dann noch alles Richtig und Real?
Jetzt wo er auf die Stätte schaute, fing es mit einem Leuchten an. Dann mit einem Zweiten, was sich vervielfachte. Es wurde immer mehr, als würden Glühwürmchen vom dunklen Boden aufsteigen. Eins nach dem anderen, das zu hunderten, zu tausenden anstiegen. Vor Staunen schaute er auf die Einzigartigkeit, weil es wunderschön aussah.
„Was ist das?“ Konnte er nicht anders, als seine Stimme ehrfürchtig klingen zu lassen.
„Dies ist für die verlorene Seelen, Lucien. Es wurde gewünscht.“ Lächelte sie und blickte selbst auf ihr Werk.
Verwundert schaute er auf Emmanline. „Gewünscht? Wie meinst du das? Von wem?“
„Eine älter Frau kam auf mich zu und hatte mich angesprochen. Im ersten Augenblick wusste ich nicht, wen ich vor mir hatte, aber ich wusste, sie hatte Ähnlichkeit mit irgendjemanden. Auch wenn es mir jetzt nicht einfiel, ging ich ihrer Einforderung nach. Sie meinte, ihr müsst eure Traditionen wahren und wieder aufnehmen. Solange habt ihr sie schon ruhen lassen. Selbst euer Vater ist sie nicht immer aufgekommen. Dabei seien sie wichtig und ehrenvoll.“
„Wer war diese alte Frau? Wie hat sie ausgesehen?“ Musste er es wissen. Er konnte sich keine Vorstellungen machen, wer es sein könnte.
„Sie war wunderschön und hatte Jades ähnliches Aussehen. Nur war sie etwas größer und stattlicher, im Vergleich zu deiner Schwester.“
Ja, er wusste von wem sie redete. Sehr gut sogar und er konnte es nicht glauben, denn von wen sie sprach, lebte schon seit einer halben Ewigkeit nicht mehr. Lucien bekam eine Gänsehaut, als Emmanline von seiner Großmutter sprach, die vor langer Zeit gestorben war. Von der sie eigentlich nichts wissen konnte. Aber sie sprach Einzelheiten aus, von dem er zu gut wusste, wie sie ausgesehen hatte. Schließlich war seine Großmutter wie seine zweite Mutter für ihn gewesen. Auch wenn es niemand so gesehen hatte, aber in seinem Herzen war sie ein großer Bestandteil darin gewesen. Ihr Tod war der große Verlust, den er zu Anfang hatte bekämpfen müssen. Als junger Drache war dies sein erster größte Verlust überhaupt gewesen.
„Ich habe es schon verstanden. Ich glaube es dir.“ Unterbrach er sie irgendwann, wo er ihr irgendwann nicht mehr zugehört hatte, weil er in seinen eigenen Gedanken verfangen war. Doch da bemerkte er, Emmanline hatte gar nicht mehr weiter gesprochen, sondern sie schaute ihn einfach nur an. Was ihn hinterher ein wenig ärgerte, aus welchen Grund auch immer.
„Ich will dich damit nicht quälen, Lucien, nur um etwas zu beweisen. Sondern, sie haben es sich gewünscht. Wer auch immer die verlorenen Seelen für euch alle gewesen waren, sie haben nie einen traditionellen Abschied bekommen, wie sie es unter eurem Volk gebührend bekommen haben. Natürlich habt ihr sie in Gedanken verabschiedet, aber in keiner Zeremonie. Ich kenne sie nicht, aber sicherlich du.“
Ja, die tat er. Sein Herz wurde ihm schwer, weil es nicht leicht werden würde. „Ich werde mich darum kümmern.“
„Das weiß ich.“ Blickte sie zum Himmel, der sich immer mehr mit Drachen füllte. Immer mehr kamen hinzu, aus allem Himmelsrichtungen, in verschiedenen Farben und seit Lucien König war, hatte er noch nicht so viele Drachen zusammen berufen. Aber jetzt?
„Wie hast du es geschafft, so viele Drachen hierher zu rufen?“ War er doch neugierig.
„Das war ich nicht gewesen.“
Aber wer war es dann, wenn sie es nicht gewesen war?
„Du solltest sie vielleicht selber fragen gehen, wenn du es unbedingt wissen willst, warum sie hier sind.“ Konnte sie genau seine Gedanken lesen. „Ich werde jetzt ins Dorf zurück kehren und dort auf dich warten, Lucien. Die zwei Kleinen werde ich mitnehmen.“ Bückte sie sich nach unten und nahm sie auf ihre Arme. Die Löwenjunge gaben katzenartige Geräusche von sich, aber kuschelten sich sofort in ihre Arme, während sie wohlig anfingen zu schnurren.
Gerade wollte Emmanline sich umdrehen und gehen, als er sie aufhielt. „Warte Emmanline.“ Zupfte er sie leicht an ihren Haaren zurück. Es war eher spielerisch, als eher was anderes und es gefiel ihm. „Ich weiß nicht was ich sagen soll, aber...“
„Schon in Ordnung. Ich weiß schon. Gehe schon. Du wirst schon erwartet.“ Lächelte sie ihn warm an und ihm wurde ganz anders, als würde er bald den Boden unter den Füßen verlieren, wenn er nicht gleich was machen würde. Er musste sie noch einmal spüren. Er musste ihr noch einmal einen Kuss rauben, bevor er ging und das tat er jetzt auch. Mit einer einzigen Bewegung stahl er ihr einen Kuss und sie wehrte sich nicht dagegen. Seine Lippen lechzten danach und er verfluchte sich, weil er sich auch wieder von ihr lösen musste.
Gerade als er in ihre Augen schaute, die vor Verlangen loderten, machte es ihm nicht leichter von ihr abzulassen, aber er würde es später nachholen und weiter machen, das schwor er sich. Die Vorfreude war meist bekannt die schönste Freude von allen.
Mit einem kleinen Nicken verabschiedete er sich vorerst von ihr und wandte sich von ihr ab und ging. Während des Gehen verwandelte er sich in einen Drachen und stieß ein mächtiges Brüllen gegen den Himmel aus, wo gegen gleich eine mächtige Flamme folgte. Zugleich stimmten anderen Drachen mit ihren Gebrüll ein, als würden sie ihm bei etwas zustimmen. Mit einem letzten Blick auf Emmanline, hob er sich mit seinen mächtigen breiten Flügen von Boden ab und stieg in die Lüfte. Dort steuerte auf die Schar von Drachen zu, die auf ihn warteten und jetzt konnte er nur das tun, was seine Instinkte ihm rieten. Jetzt ließ er seinem Drachen die Führung. Da bemerkte er auch die Energien einiger seiner Geschwister und blickte sich um. Er sah die Zwillinge Lodan und Taran, Jade, Lya, Malatya, Charia, Ysera und sogar Alastar war da. Der einzige seiner Geschwister, der nicht anwesend war, war Raiden. Aber jeder war anwesend und es war ein Wunder. Vor allem, das Malatya in den Lüften neben ihnen flog. Zum ersten Mal und es war schön sie so glücklich zu sehen. Das brachte ihn zum innerlichen lächeln, weil es genau so sein sollte und nicht anders und er wusste, wem er das verdankte. Das würde er ewig tun. Ihr ewig danken.
Ihr Herz klopfte ihr noch immer bis zum Hals, als sie Lucien hinterher blickte. Sein Gebrüll hatte ihren ganzen Körper erschüttert. Nicht weil sie Angst verspürte, sondern die Ehrfurcht. Sie wusste wie machtvoll er sein konnte, aber es war was anderes ihn jetzt so zu sehen und zu hören. Dabei waren für sie jeder Drache eigentlich gleich. Dennoch war es Lucien für sie nicht.
Nicht mehr, gestand sie es sich ein. Denn alles hatte sich in und um sie geändert, wie in einem fließenden Strom. Es gab keinen Halt mehr.
Vorhin, als Lucien zum ersten Mal wieder in seiner Drachengestalt vor ihr gestanden hatte, hatte sie die Luft angehalten. Bei ihrer ersten Begegnung war es ihr Überlebensinstinkt gewesen, das sie seinen Drachen nicht ganz bemerkt hatte und ihn auch nicht ganz als eine eigenständige vernünftige zurechnungsfähige Person wahrnehmen können. Doch jetzt war alles anders. Jetzt sah sie ihn mit ganz anderen Augen. Das machte ja alles noch komplizierter und schwieriger. Trotzdem, wie verzwickt es sich auch anfühlte, vorhin war es ihr nicht schwer gefallen, Lucien in seiner Drachengestalt zu berühren. Auch wenn sie zuvor es nicht gewagt hatte. Jetzt konnte sie es ohne Probleme.
Als würde sie ein gewisses Vertrauen ihm gegenüber entgegen bringen und sie gestand sich ein, es machte ihr furchtbare Angst. Nur ihrer Mutter hatte sie Vertrauen entgegen gebracht, sonst niemanden konnte sie das, aber langsam brachte sie das Lucien entgegen, ob sie es vielleicht so sehen wollte oder nicht. Sie tat es. Jetzt erst wieder hatte sie ihm darum gebeten, er solle sie behalten. Egal was passieren möge. Dahinter steckte viel und etwas viel größeres.
Es waren ihren eigenen Gefühle mit denen sie jetzt selbst zurecht kommen musste und die sie auseinander halten sollte. Lucien hatte Recht. Stets hatte sie ihre Gefühle unterdrückt und nie zugelassen. Plötzlich sind sie auf einmal da und jetzt konnte sie nicht damit umgehen. Sie konnte es wirklich nicht. Es war viel zu viel für sie. Zu viele Empfindungen schwirrten in ihr herum, wie ein Orkan, den sie nicht zähmen konnte. Sie konnte es von außen für andere vielleicht gut verbergen, aber für sich selbst konnte sie es nicht. Es erdrückte sie fast. Selbst ihr inneres Wesen machte sie beinahe verrückt.
Seit sie hier war, herrschte bei ihr nur noch Chaos. Ihre Gefühle waren zurück gekehrt, die eigentlich versiegt worden waren. Ihr Labyrinth ihrer Erinnerungen verschob sich stetig immer mehr, was sie alles nicht kontrollieren konnte. Alles, seit sie ungewollt die Höhle von Lucien betreten hatte. Ohne ihr Zugeständnis und auf wessen Macht konnte sie dessen schließen. Auf dessen Rubin? Vermutlich, aber sie spürte noch irgendetwas anderes dahinter. Wer hatte sie damals kontrolliert? Wer hatte ihren Körper und Geist beherrscht, das sie sich selbst nicht mehr unter Kontrolle hatte? Jemand musste sie einfach benutzt haben. Jemand ganz mächtiges. Aber wer war es gewesen?
Mit einem Maunzen wurde sie aus ihren tiefen Gedanken gerissen und blickte in braune und eisblaue Augen. Noch immer hatte sie Trey und Conner auf ihren Armen, die es sich gemütlich gemacht hatten.
Emmanline war etwas erleichtert, das sie von den beiden Kleinen aus den Gedanken gerissen wurde. Sie musste hier weg, denn sie konnte spüren, bald würde sich hier was passieren und dann dürfte sie nicht mehr hier sein. Dies war eine Sache unter Drachen und sollte auch unter ihnen bleiben. Ihre Aufgabe war getan, indem sie die verlorenen Seelen das gegeben hatte, was sie wollten. Lucien würde den Rest tun. Das wusste sie.
Ihr war mehr als bewusst gewesen, das Lucien mit der alten Frau, die sie gesehen und gesprochen hatte, miteinander mehr verband, als zu sein schien. Vielleicht sogar verwandt zu sein schien, wenn sie Jade sogar so ähnlich sah. Jedenfalls ging es Lucien sehr nahe, als sie von ihr gesprochen hatte und hatte auch sofort wieder aufgehört. Sie wollte keine tiefen Wunden aufreißen.
Mit tiefen Gefühlen ging sie ins Dorf zurück und wurde sogar schon überraschenderweise erwartet. Mariah stand auf dem Dorfplatz und nahm ihr ihre Jungen dankbar ab, meinte, sie habe sie auch schon überall gesucht. Segan konnte sie nirgendwo entdecken, wobei sie vermutete, er würde mit bei den anderen Drachen unterwegs sein und fragte auch nicht nach.
So beschloss sie hier mitten auf dem Dorfplatz zu warten. Alle Drachen waren ausgeflogen und der Platz wirkte jetzt wie leer gefegt. Vorher war noch ein reges Treiben gewesen und lautes Gerufe. Jetzt herrschte Stille in diesem Dorf, als hätte es sich schlafen gelegt. Dabei wusste sie, keiner befand sich im Dorf. Sie konnte sich sehr gut vorstellen, hier würde niemals Ruhe einkehren, aber hier herrschte Lautlosigkeit. In diesem Augenblick.
„Wie ruhig und leer es hier ist, war es schon lange nicht mehr.“ Flüsterte Mariah neben sie, als sie sich neben sie mit an den Brunnen setzte und wartete, der mitten auf dem Platz des Dorfes stand.
Es war ein schöner Brunnen. Er schien aus weißen Gestein errichtet zu sein und derjenige musste sich die größte Mühe gegeben haben. Ganz oben auf einen Podest standen drei nackte Frauen in weißen Statuen gehauen, die sich gegenseitig umarmten und anlächelten. Das Podest wurde von vier starken Drachen gestützt von dem das fließende Wasser floss und in ein Becken floss. In einen ständigen Kreislauf fließend.
Das langsam hinplätschernde Wasser beruhigte sie etwas und sie genoss es einfach nur dazusitzen, während sie auf Lucien wartete. „Du musst nicht mit mir hier warten, Mariah. Gehe mit deinen beiden Jungs nach Hause.“
„Warum nicht?“ Schnalzte sie mit ihrer Zunge. „Sowie es aussieht sind die Jungs noch nicht müde und ich werde auch auf Segan warten. Und das kann ich genauso auch hier tun.“ Lächelte sie warmherzig.
Sie wusste, sie konnte sie nicht umstimmen und beließ es auch dabei. Auch wenn sie diese Frau erst seit kurzem kannte, so wusste sie, sie konnte sehr stur sein. Wenn sie sich also was in den Kopf gesetzt hatte, dann würde sie sich nicht mehr davon abbringen lassen. Mariah war eine wirklich starke Frau und ließe sich von nichts und niemanden etwas sagen. So was bewunderte sie.
Immer wieder wanderte ihr Blick zu den drei nackten Frauen Statuen auf den Podest auf den Brunnen hin. Ihr wurde das Gefühl nicht los, dass sie eines ihrer Gesichter bekannt vorkam. Sie hatte es vor kurzem schon einmal gesehen. Trotz der Nacht konnte sie es in dem Schein der Fackeln um den Brunnen nicht ganz erkennen, die aufgestellt waren. Alle drei Frauen waren wunderschön und glichen sich auf gewisse Art und Weise, aber unterschieden sich etwas an ihren Haaren und Zügen. Ansonsten könnten man glauben, sie wären Schwestern.
„Stimmt etwas nicht?“ Wollte Mariah wissen, als sie ihren Blick bemerkt hatte.
Kurz schüttelte sie mit ihren Kopf. „Nein, alles in Ordnung. Die drei Frauen auf dem Podest.“ Dachte sie nach und langsam fiel es ihr auch wieder ein, woher sie dieses Gesicht dieser einen Frau erkannte.
Dadurch, dass das Gestein kalkweiß war, erkannte sie die Züge nicht sofort und deren Alter, aber jetzt schon. Bei der heiligen Ruhestätte der Drachen war ihr die Frau als verlorene Seele begegnet und als sie von ihr gesprochen hatte, hatte Lucien sie als eine der Seine erkannt.
„Segan hatte mir von ihnen erzählt. Das sind die drei heiligen Schwestern, die vor tausenden von Jahren hier alles gegründet haben. Sie sind wirkliche Schwestern gewesen. Die linke ist Seena, rechts Havanna und in der Mitte Araveena. Araveena ist die Mutter von der verstorbenen Königin Rhivanna und Großmutter von Lucien und seinen Geschwistern. Sie sieht der Prinzessin Jade auch ziemlich ähnlich.“ Fing sie an zu erzählen.
Araveena...Luciens Großmutter.
Jetzt verstand Emmanline, warum Lucien so stark reagiert hatte. Die Frau die zu ihr gesprochen hatte, war Luciens Großmutter gewesen und die ihren Wunsch geäußert hatte. Kein Wunder das Lucien ohne irgendwelche Bedenken oder andere Fragen ihre Aufforderung nachgegangen war. Ihm hatte diese Frau etwas bedeutet, sonst hätte er das nicht getan. Nicht ohne zögern und ohne ihre Andeutungen, das sie Geister sehen konnte, abzutun. Gerade weil er diese Frau so gut kannte, hatte er ihr geglaubt. Das musste diese außergewöhnliche Frau gewusst haben.
„Die drei Frauen sollten sehr mächtig gewesen sein. Nicht von ihren Drachen her, sondern, sie besaßen starke magische Mächte. Die Drachen hier verehren sie hier sehr und Segan erzählte mir, sie nannten die drei schon Drachenhexen.“
So was wurde eigentlich unter Drachen schon als Beleidigung angesehen, als eine Hexe angesehen zu werden. Aber wenn Drachen ein wenig Magie anwendeten, war das nicht weltbewegendes, aber anscheinend waren diese drei Frau dieser Magie verschrieben gewesen, das sie als Drachenhexen bezeichnet wurden, trotzdem bewundert wurden. Sie mussten großartige Frauen gewesen sein.
„Eigentlich wird die Bezeichnung Hexe als eine Art Beleidigung unter den Drachen angesehen, aber irgendwas müssen sie getan haben, wenn sie trotz heute diesen Namen tragen und die Bewunderung all der Drachen haben.“ Stellte sie mehr gedankenverloren fest, als sie auf die reglosen Frauen Statuen starrte. „Es muss etwas großes gewesen sein, aber du musst darauf nicht antworten.“ Wandte sie sich jetzt an Mariah, weil sie gerade antworten wollte. „Es scheint eine große und tiefgründige Geschichte zu sein, die auch mit Lucien verbunden zu sein scheint. Wenn ich etwas wissen will oder wenn Lucien es mir selbst erzählen will, soll er es von sich aus selbst tun.“
Irgendwie spürte Emmanline tief in sich drinnen, was sie bei der heiligen Ruhestätte bemerkt hatte, es sollte von Lucien selbst aus kommen. Wenn es seine Großmutter war, dann war es seine Geschichte, Entscheidung und Vergangenheit. Wie es ihre Vergangenheit auch war und überließ. So war es richtig. Also sollte er von sich aus selbst kommen, wenn er es für richtig hielt.
„Diese Geduld bringst du für ihn auf?“ Klang Bewunderung in ihrer Stimme.
„Es ist keine Geduld, Mariah. Sondern seine freie Entscheidung was er tut. Ich will ihm nichts nehmen, was er nicht geben will. Das möchte ich auch nicht und das weiß Lucien auch.“ Lächelte Emmanline darauf, weil es die ehrliche Wahrheit darauf war.
„Ich verstehe.“
Eine ganze Weile unterhielten sie sich noch und sie wusste nicht wie viele Stunden vergingen, aber sie stellte fest, sie fühlte die Stunden nicht die vergingen. Wenn sie sich mit der Frau unterhielt, war es für sie angenehm und ohne jegliche Zeit. Aber es war auch schnell wieder vergessen, als sie ihn endlich spüren konnte. Lucien näherte sich ihr. Sie konnte es deutlich spüren. Dabei bemerkte sie nicht, wie schleichend sich Mariah mit ihren Jungen davon machte, denn anscheinend musste auch Segan aufgetaucht sein.
Mit einem Mal sprang sie auf und da kam er aus dem Schatten der Dunkelheit und in das Flackern des Feuers, das um sie herum leuchtete. Er war angezogen, aber das tat seiner mächtigen Ausstrahlung keinen Deut ab. Er sah noch immer atemberaubend gut aus, dass ihr die Luft weg blieb. Seine Augen loderten vor
Begierde, als er sie sah und sie konnte es genauso fühlen, er reagierte auf sie. Würde das immer so sein, wenn sie sich sahen? Würden sie immer so aufeinander reagieren? Würde ihr Herz immer so schnell rasen, wenn sie ihn für einen kürzeren Augenblick nicht gesehen hatte?
Wenn ja, wäre ich für immer verloren. Für alle Zeit...
Würde das immer so sein, wenn sie sich sahen? Würde sie immer so aufeinander reagieren? Würde sein Herz immer so schnell rasen, wenn er sie für einen kürzeren Augenblick nicht mehr gesehen hatte?
Wenn ja, wäre ich für immer verloren. Für alle Zeit...
Genau das waren die Fragen, die ihm gerade durch den Kopf schossen, als er sie jetzt das erste Mal wieder sah. Wie sie im Schein des Feuers da am Brunnen saß. Sie sah bezaubernd und wunderschön aus. Es gab kaum Worte die er benutzen konnte. Sein Herz spielte bei ihrem Anblick verrückt und sein Körper war wie versteinert, aber er wollte unbedingt zu ihr und sie in seine Arme reißen, weil er sie nie wieder loslassen wollte, wie er es versprochen hatte. Er wollte sie nie wieder gehen lassen. In seinem ganzen unendlichen Leben. Wie konnte das nur möglich sein?
Immer hatte er geglaubt, Frauen seien ihm egal und er brauchte sie nur, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, aber jetzt war es viel mehr als das. Jetzt brauchte er Emmanline für mehr als nur seine Bedürfnisse zu befriedigen. Er brauchte sie in seinem Leben. Er stellte immer mehr fest, ohne sie würde er nicht mehr Leben können. Nicht weil sie seine vorherbestimmte Seelengefährtin war, sondern, weil sie ihm wirklich am Herzen lag. Langsam aber allmählich verliebte er sich in Emmanline und er konnte nichts dagegen tun. Jeden Tag wuchs seine Liebe zu ihr immer mehr und es wurde unmöglicher sie gehen zu lassen. Egal was er tun würde, er könnte es niemals. Wenn sie gehen würde, würde er mit ihr gehen.
Heute hatte sie ihm schon wieder einen Beweis geliefert, nicht weil sie musste, sondern, weil sie es wollte. Sie hatte ihnen schon wieder geholfen und er konnte noch nicht einmal sagen, wie freiwillig sie es getan hatte. Aber was sie heute für Informationen gesammelt hatte, waren furchtbar genug. Dennoch waren sie weiter gekommen. Wenn das wirklich alles stimmte und die Geburtenrate mit den blutroten Rubin zusammen hängt, dann steckte sein Volk in wirklichen Schwierigkeiten.
Diesmal musste er sich ernsthafte Gedanken machen und seine Eltern und vorherigen Könige, oder wer auch immer, hatten schwerwiegende Fehler begangen, die er anscheinend jetzt korrigieren musste und er wusste jetzt nicht wo er anfangen sollte. Absolut nicht. Mit diesem Wissen darüber stand er alleine da. Außer das Emmanline an seiner Seite stand. Obwohl sie zu Anfang nicht wollte und nun versucht ihm zu helfen. Sie war zurzeit in der Sache seine einzige Hilfe und musste feststellen, das sie großartig war.
Aber das durfte nicht alles gewesen sein und die ganze Verschwiegenheit dürfte es auch nicht geben. Er empfand es als einen großen Fehler, den seine Eltern und vorigen Könige oder sonst wer begangen hatten. Wie könnte man denn sonst den Fluch brechen, der auf sein Volk lastet? Ohne fremde Hilfe würde er das niemals schaffen können.
Zarte Hände berührten ihn und er bekam eine Gänsehaut. Aus Gedanken gerissen, blickte er in silberne warme Augen, die ihn besorgt anblickten und die sagten ihm, dass er nicht alleine sein würde. Genau das was er brauchte und er wusste überhaupt nicht, woher Emmanline all die Kraft nahm und warum sie ihm all das gab. Doch er schwor sich, dass es nicht alles umsonst war, was sie ihm alles gab.
Mit einem Lächeln berührte er hauchzart ihre weiche Wange. „Ich habe dich warten lassen.“
„Nein, hast du nicht. Ich habe mich gut unterhalten. Hauptsache du konntest das tun, was du tun musstest. Genau das zählt.“
Sie war einfach unbezahlbar. „Ja, es ist so geschehen, wie es sein sollte und es war atemberaubend gewesen, Emmanline. Dein Geschenk was du uns gegeben hast, war unglaublich. Während des Rituals begleiteten uns die kleinen Lichter wie funkelnde Sterne. Es war wie ein Pfad oder ein Weg, als hätten sie ein Eigenleben. Und dann dein gelbes Blumenmeer von der Luft aus. Es ist ein reines Kunstwerk, was du erschaffen hast. Das trotz in der Nacht, durch das Leuchten, einzigartig aussah. Vielen Dank.“
Erst stand Emmanline reglos vor ihm, während sie sich eine weiße Haarsträhne aus dem Gesicht strich, die ihr gerade durch einen Windhauch ins Gesicht geweht wurde. „Ich habe es für die verlorenen Seelen getan. Ich kann sie sehen und als ich auch kleine Kinder gesehen habe, musste ich es tun. Auch für dich, weil ich wusste, es wäre für dich wichtig.“
Für einen Augenblick hielt er den Atem an, da sie ihm jetzt und hier etwas gestand. Zum ersten Mal hatte sie auch etwas für ihn getan. Nur für ihn, auch wenn es für die Verstorbenen ging. Aber sie hatte auch an ihn gedacht, weil es für ihn wichtig war. Das war es in der Tat. Ihm hatte es etwas bedeutet und würde es immer sein.
„Das werde ich dir niemals vergessen.“ Sprach er atemlos, als er sie in die Arme nahm und sie einfach nur fest hielt. „Niemand wird es tun. Jeder weiß das.“
„Das sind Nachtblumen. Sie blühen jede Nacht und sie werden nie verblühen.“ Erzählte sie nach einer längeren Stille hinein, die über sie herein gebrochen war. „Ich habe sie in eines der Bücher in der großen Bibliothek im Schloss entdeckt. Als ich in ihnen gelesen habe.“ Murmelte sie an seiner Brust.
Verwundert drückte er sie etwas von sich, damit er sie anschauen konnte. „Du hast diese Blumen entstehen lassen, weil du sie in eines der vielen Büchern gelesen oder gesehen hast?“ Hob er eine Augenbraue dabei.
„Nun, jein. Ich habe die Blumen zwar gesehen, aber als ich bei der Ruhestätte war, habe ich mich von meinen Gefühlen leiten lassen und das kam dabei heraus. Ich wusste nicht, das ich genau die Nachtblumen habe wachsen lassen, bis ich meine Augen geöffnet habe. Aber es muss etwas bedeuten, das ich diese habe wachsen lassen.“
„Das hat es, Emmanline.“ Atmete Lucien tief aus, als er ihren Namen aussprach. „Ich habe von der Art von Blumen gehört, aber noch nie zu Gesicht bekommen, jetzt wo du mir davon erzählst. Bevor die Elfen für immer verschwanden, hörte ich Geschichten, dass sie solche besonderen Nachtblumen wachsen lassen können, die Lichter hervorrufen können. Sie tun das für ihre Verstorbenen in ihrem Volk, wenn sie ins nächste Leben übertreten. Soweit ich das weiß.“
„Bedeutet das, dass meine Elfe in mir genau das getan hat, was sie ohnehin getan hätte? Weil dort Verstorbene waren, die noch nicht ihren Frieden gefunden haben, um ins nächste Leben überzutreten?“
„Ich weiß es nicht. Normalerweise machen das die Elfen nur in ihrem Volk und nicht in irgendeinem anderem. Auch wenn ich das so sagen muss, sie sind in der Sache, wenn es um ihre Toten und Bestattungen ging, ziemlich eigen. Elfen und ihre Rituale, da wissen wir so gut wie nichts darüber. Ich weiß nur, dass sie sich immer zurück gezogen haben und unter sich gelebt haben. Es gibt wenige, die es schon mit eigenen Augen erlebt haben, aber ob es wahr ist, ist dann eine zweite Frage. Das Einzige was ich weiß, ist, das die Elfen die sogenannten Nachtblumen wachsen lassen, die am Ende leuchten. Das Leuchten ist wie ein aufsteigender Teppich und es bewegt sich. Dennoch weiß ich, es sind keine Lebewesen wie wir. Sobald man sie berührt verschwinden sie im Nichts.“ Weil er es nämlich ausprobiert hatte, wie viele andere auch. Jetzt wo er hautnah dabei sein konnte.
„Solange es euch eine Freude bereitet hat und es helfen konnte.“ Senkte sie ihren Kopf und schloss halb ihre Augen dabei.
Ihm stockte der Atem. „Emmanline, egal was du jetzt denkst, aber du tust mehr, als du denkst. Was auch immer da passiert ist, hat etwas in Bewegung gesetzt. Was heute dort stattgefunden hat, habe ich selbst bei meinem Vater lange Zeit nicht mehr gesehen. Du hast mir bei der Ruhestätte erzählt, wir müssen unsere Traditionen bewahren und auch wieder aufnehmen. Heute Nacht haben wir zum ersten Mal wieder eine Zeremonie abgehalten, wo Drachen aus aller Länder kamen. Aus irgendeinem Grund wurden sie von einer inneren Stimme gerufen. Darum waren so viele Drachen hier.“
Was er sich noch immer nicht erklären konnte. Jeden den er angefragt hatte, aus welchen Grund sie zur heiligen Ruhestätte gekommen waren, war so ziemlich der gleiche gewesen. Eine innere Stimme hatte zu ihnen gesagt, sie sollten hier her kommen, weil sie es mussten. Als wäre es ein Drang, den sie nachgehen müssten. Selbst seine Geschwister hatten ihn verspürt.
Irgendwas ging nicht mit rechten Dingen zu und eine Macht war hier am Werk, was sie nicht kontrollieren konnten. Das gefiel ihm ganz und gar nicht. Irgendwer spielte hier Spiele und das mit seinem Volk.
„Sie wurden von einer inneren Stimme gerufen?“ Schien Emmanline nachzudenken. „Dann kann es nur von der Frau mit dem roten Haar kommen.“ Drehte sie sich um und wandte sich zum Brunnen um, was sie zum zusammen zucken ließ.
„Ganz richtig analysiert. Das bin ich gewesen.“ Klang eine Frauenstimme amüsiert, als Emmanline sich zum Brunnen umgedreht hatte.
„Du bist noch hier?“ Fand Emmanline ihre Stimme, denn vor ihr stand die alte Frau, die sie zuvor auf der heiligen Ruhestätte begegnet war. Sie war wunderschön und wahnsinnig mächtig, trotz das sie tot war, war sie noch immer hier.
„Ja, mein Mädchen, noch bin ich es. Es ist nicht leicht, meine letzte Macht für etwas einzusetzen, was vielleicht entscheiden sein kann. Dabei hätte alles anders ablaufen können, wenn damals nicht alles verkehrt gelaufen wäre, aber nun ist es so, nicht wahr?“ Lächelte sie genauso wie Jade sie kannte, als wäre nichts, aber dem war nicht so.
„Emmanline, was ist los? Was siehst du?“ Berührte Lucien sie besorgt auf den Schultern.
Das Lächeln auf den Lippen der schönen Frau blieb. „Erzähle es ihm ruhig mit wem du sprichst. Das seine Großmutter hier ist und mir wird gleich das Herz brechen. Lucien war immer mein Liebster gewesen.“ Seufzte sie auf. „Er war stets mein bester Schüler.“
Emmanline wandte den Blick von ihr ab und schaute Lucien an. „Sie ist hier. Deine Großmutter.“
„Was? Meine Großmutter?“ Wirkte Lucien schockiert, während sie ihn weiterhin anblickte, „Warum?“
„Genau das meinte ich.“ Seufzte sie noch einmal auf. „Doch dafür bleibt jetzt keine Zeit. Mir bleibt sie nicht. Mädchen, du musst mir jetzt gut zu hören.“
„Ich weiß es nicht, Lucien. Egal was es ist, aber es scheint wichtig zu sein. Ihr bleibt nicht viel Zeit.“ Richtet sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Frau.
„Die Worte die ich sage, musst du Lucien genau wiedergeben. Für ihn sind das genauso wichtige Informationen, die er sehr gut gebrauchen kann und wissen muss. Ich kann sie nur heute, hier und jetzt weiter geben.“ Nickte Emmanline als Bestätigung, dass sie verstanden hatte.
„Jetzt warte mal. Wenn meine Großmutter wirklich hier ist...“
„Er glaubt nicht wirklich das ich hier bin. Sage ihm, wie oft ich ihm heimlich als junger Drache Stunden in Magie gegeben habe, obwohl sein Vater mich verabscheut hatte. Er mochte es nicht wirklich, wenn ich mit dem zukünftigen König Umgang hatte, da ich ja eine so böse Drachenhexe war.“ Kicherte sie leise und sie war ganz Jade. Dabei hatte sie das Gefühl, Jade und sie waren sich nie begegnet, aber sie hatten irgendwie einen Hauch von einem gleichen Charakter. „Nur scheint mir so, als sehen sie es jetzt lockerer. Vermutlich verdanke ich das jetzt meiner Tochter.“ Schnalzte sie mit ihrer Zunge, als wäre es ihr jetzt belanglos. „Lucien war einer meiner besten Schüler gewesen und er lernte sehr schnell. Er hatte wirkliches Talent, bis sein Vater mir in die Quere kam. Raziz und ich haben uns nicht sonderlich gut verstanden, aber wenn es um Lucien ging, haben wir gekämpft.“ Wurden ihre Gesichtszüge weicher. „Eines hatte er besonders gemocht, was nur ausschließlich ich konnte. Nämlich, wenn ich gesungen habe.“ Lächelte sie warmherzig.
„Großmutter Araveena?Wie kann das sein?“ Stockte Lucien der Atem, weil er Emmanlines wiedergegeben Worte genau zugehört hatte. Schließlich konnte sie das nicht einfach alles erfinden.
„Oh, es kann so vieles möglich sein, mein Junge. Man muss nur die Augen für Dinge offen halten, die unerklärlich sind. Wie oft habe ich dir das schon versucht begreiflich zu machen? Doch ich bin heute nicht hier um dir alte Lektionen beizubringen.“ Mahnte sie und Emmanline wiederholte ihre Worte, was Lucien zum lächeln brachte.
„Sie ist es wirklich. Es gibt keine Zweite, die das so sagen würde.“ Was sein Lächeln nicht verschwinden lies und das ließ Emmanlines Herz einen Hüpfer machen, weil sein Lächeln auf einmal so kindlich aussah. So ganz anders, als sie es kannte und es gefiel ihr.
„Warum ich hier bin, ist wegen dem Rubin, der schon seit Jahrtausenden im Besitz der Drachen ist und auch auf dem ein Fluch lastet. Schon seit einer Unendlichkeit lastet er auf uns und wir wissen nicht warum. Schon damals habe ich und meine beiden Schwestern versucht diesen Fluch zu brechen, da wir die mächtigsten Drachenhexen in unseren jenen Zeit waren, aber selbst wir waren nicht mächtig genug. Als wir den Fluch durch einen Magiespruch brechen wollten, ging es schief und ich opferte mein Leben dafür. Hätte ich es nicht getan, wären meine anderen beiden Schwestern vermutlich jetzt auch hier, aber das konnte ich nicht riskieren.“
Nun klang Lucien ungläubig dabei. „Großtante Seena und Havanna leben noch? Sie wurden seit deinem Tod nicht wieder gesehen. Wir alle gehen davon aus, das sie bei der Katastrophe damals mit ums Leben gekommen sind.“
Es musste witzig aussehen, wenn irgendjemand jetzt sehen könnte, wie er ins Leere sprach. Als würde er mit der Luft reden. Oder gar einen Geist, was er jetzt wirklich tat.
„Nein.Vermutlich wurden sie schwer verletzt und konnten sich gerade noch so retten. Sie werden sich irgendwo versteckt halten und sind ins Exil gegangen, wo sie sich nach tausenden Jahren noch immer befinden. Sie müssen gefunden werden, denn ihre Zeit ist gekommen, dass sie zurück kehren müssen. Die Zeit der Einsamkeit und Abgeschiedenheit ist beendet. Für sie ist es an der Zeit andere Aufgaben zu erfüllen, als alte und mächtige Drachenhexen.“
Es konnte Emmanline am Anfang nur die Sprache verschlagen, bevor sie es Lucien weiter gab, der dann ebenfalls dastand und sie ungläubig anschaute. Aber es waren ihre Worte gewesen.
„Wie sollen wir die beiden denn finden, wenn wir sie bisher auch nicht gefunden haben? Das wäre ja eine Suche wie eine Nadel im Heuhaufen.“ Meinte er dann.
Da kicherte Araveena. „Nicht unbedingt. Es gibt da jemanden, denen sie schon einmal begegnet war, aber anscheinend vergessen hat.“
Im ersten Augenblick merkte sie das gar nicht wie intensiv die Frau sie musterte und sie am Ende damit meinte. „Mich? Ich kenne die beiden überhaupt nicht.“
„Alles wurde in Gang gesetzt, als sie die Höhle betraten, wo du zuletzt gewesen warst, Mädchen. Die Eishöhle wo man dich gefunden hat und herausgeholt hatte. Meine Schwestern waren dort gewesen, bevor meine Enkelin und ihre dummen Garnison kam, um alles kaputt zu machen. Es war eigentlich die Höhle meiner Schwester gewesen, die sie bewohnten, bevor sich der Bastard Culebra dort breit gemacht hatte. Erst wollten sie ihn angreifen, um ihn zu vertreiben, bis sie dich sahen.“ Lächelte sie gewissenhaft.
„Wie, bis sie mich sahen?“ Kam nur Unglauben aus ihrem Mund.
„Oh, Kindchen.“ Tadelte sie sie, als wäre sie noch ein kleines Kind. „Glaubst du, wir wüssten nicht wer und was du bist? Natürlich weiß ich das. Meine Schwestern wissen das und wir wissen auch zu wem du gehörst. Was in dir steckt ist so alt wie die Unsterblichkeit selbst und wahre dich Kindchen, sollte das Wissen in die falschen Hände kommen, ist es nicht gut.“ Mahnte sie. „Seit meine Seele in diesem Rubin gefangen ist und nicht wiedergeboren werden kann, ist mir etwas aufgefallen je mehr ich in einer Zwischenwelt wanderte, wo mich niemand sehen konnte. Es ist wirklich erstaunlich was du alles herausgefunden hast, obwohl du nicht zu dem Volk der Drachen gehörst und wirklich allen Grund haben könntest uns zu hassen, was du durch Culebra hast durchleben müssen. Doch du ziehst es wirklich durch und ich hätte damals nicht damit gerechnet, als ich dich damals dazu gelenkt hatte, den Rubin zu holen. So vieles nicht, wenn ich es mir so überlege. Nicht mal eure Beziehung zueinander und...“
„Stopp.“ Schrie Emmanline fast. Hatte sie sich da gerade verhört? Denn die Frau redete ohne Punkt und Komma, so hatte sie das Gefühl. Doch was sie jetzt sagte, stockte ihr jetzt den Atem. „Du hast mich damals gelenkt, damit ich den Rubin stehle? Aus Luciens Hort?“ Musste sie noch einmal nachfragen um Klarheit zu bekommen.
„Ja, das war nicht gerade leicht bei dir gewesen, aber ich musste es tun. Nur so konnte ich dich zu mir holen, aber da kam mir wohl mein Enkel zuvor und hatte sich einen Narren an dir gefressen. Sogar seine Seelengefährtin in dir gefunden. Wer hätte das gedacht.“ Grinste sie verschmitzt, als wüsste sie mehr, aber das wollte sie nicht weiter nachgehen, denn sie war wütend.
„Wie konntest du es wagen.“ Würde sie am liebsten auf sie losgehen, aber Lucien hielt sie auf, indem er seine Arme um sie schlang.
„Emmanline, was ist verdammt noch einmal los?“
„Was verdammt noch einmal los ist?“ Sie fluchte nie. „Das kann ich dir sagen. Deine Großmutter ist daran Schuld. Sie hat mich damals manipuliert, damit ich deinen Rubin aus deiner Höhle stehle. Darum habe ich keine Erinnerungen mehr daran wie es dazu kam, weil sie mich einfach benutzt hatte. Ihr verdankst du deinen Verlust deines Schatzes und meiner eigentlichen Freiheit.“
„Na na, wer wird denn gleich so böse und aufbrausend.“ Tadelte sie wieder und sie mochte es langsam schon nicht mehr. „Sei froh das ich es getan habe, sonst wärst du vermutlich schon längst wieder unter Culebras Griffel. Lucien beschützt dich und setzt alles daran, dass du auch weiterhin in Sicherheit bleibst. Immerhin bist du seine wertgeschätzte Seelengefährtin. Sein ein und alles. Culebra ist ein krankhafter und besessener Schweinehund, den du besser als jeder andere kennst. Du weißt was du behüten musst, Mädchen, und er darf das Wissen nicht bekommen.“
„Du musst mir nicht sagen was ich zu tun habe. Es rechtfertigt nicht was du mir genommen hast.“ Wurde sie immer wütender, weil es nicht gerecht war. Sie wollte sich das nicht mehr gefallen lassen. Nie mehr. „Ich werde gehen.“ Machte sie sich von Lucien los und wollte gehen, aber er hielt sie wie immer auf.
„Warte.“ Sprach er kurz, schaute sie aber dabei nicht an. Sein Blick war in der Richtung seiner Großmutter gerichtet, auch wenn er sie nicht sehen konnte. „Großmutter Araveena, du warst für mich immer da gewesen, hast mir vieles beigebracht und hast mir alles gegeben, aber das war nicht richtig.“ Zog er Emmanline an sich ran, als müsste er etwas bekräftigen. „Emmanline gehört jetzt in mein Leben und es wird immer so bleiben. Ich werde nicht zulassen, dass jemand sie verletzt oder ausnutzt. Nicht einmal meine Familie, die ich liebe. Nie wieder.“ Sagte er die Worte, die sie gedacht hatte und sie war sprachlos. „Mag jeder denken was er will. Mir mag es egal sein, aber Emmanline gehört zu mir.“
Ihr blieb fast das Herz stehen, je mehr die Worte in ihr Hirn sickerten. Meinte er seine Worte wirklich ernst? Doch bevor sie fragen konnte, hatte er auch schon ihre Hand genommen und zog sie hinter sich her, raus aus dem Dorf. Sie konnte die Situation noch immer nicht ganz greifen. Nicht einmal, als sie das Dorf nicht mehr sehen konnte, solange schwiegen sie schon. Dabei waren sie zu Fuß unterwegs und nicht einmal außer Atem.
Dennoch brach sie jetzt die Stille. „Lucien, warte einmal. Warum?“ Wollte sie es doch irgendwann wissen. „Warum hast du das getan?“
Lucien blieb stehen, aber drehte sich noch nicht sofort um, aber tat es dennoch. Mit geschlossenen Augen kniff er sich mit Daumen und Zeigefinger auf dem Nasenrücken, während er seufzte. „Langsam machst du mich wirklich fix und fertig, Emmanline.„ Gab er schlicht und weg zu. „Da du es mir noch immer nicht wirklich glaubst, wie sehr du mir eigentlich bedeutest, will ich dir einmal deutlich vor Augen halten, wie wichtig du mir eigentlich bist. Du liegst mir mehr am Herzen, als wie ich vorher eingestehen wollte und das ist mir jetzt klar geworden. Auch wenn du jetzt vielleicht weglaufen wirst und Angst bekommst, aber ich muss es endlich loswerden, sonst werde ich noch verrückt, aber ich bin dabei mich in dich zu verlieben, Emmanline. Da ist es ja wohl klar, das ich alles daran setze, dich zu beschützen, weil du hier bist. Du lebst und bist greifbar für mich, was meine Großmutter nicht ist. Warum sollte ich an etwas festhalten, was nicht mehr da ist?“
„Du bist dabei dich in mich zu verlieben?“ Saß der Schock tief in ihr. Er hatte Recht, sie könnte den Drang besitzen wegzulaufen.
„Es könnte auch schon zu spät sein. Ich weiß das ich dich immer bei mir haben will und du weckst in mir ungeahnte Gefühle, die ich nicht geglaubt habe zu kennen. Ich kann sie nicht länger leugnen, egal wie sehr ich mich dagegen sträuben würde. Ich kann dir nicht entkommen. Mein Herz und meine Seele sind unwiderruflich an dich gebunden. Solltest du irgendwann gehen, werde ich auch gehen. Ohne wenn und aber.“
„Weißt du was du da sagst? Du beschreibst deinen Untergang. Und ich wäre daran Schuld.“ War sie entsetzt. Doch das schlimme daran war nur eines. „Du weißt doch ganz genau, ich könnte dir niemals das geben, was du willst. Das kann ich nicht. Dazu bin ich nicht fähig. Ich wäre dein Untergang.“
„Woher willst du das wissen, wenn du es noch nicht einmal probiert hast? Du hast selbst gesagt, Erinnerungen von dir hast du verschließen müssen. Vielleicht ist ein Teil davon irgendwo in dir und du musst sie nur finden. Warum gibst du einfach auf, ohne es vorher versucht zu haben? Wenn du mir schon sagst, ich soll dich nicht gehen lassen, dann gebe uns eine Chance.“
Sprachlos traf es sie einfach, während sie ihn anstarrte. Lucien sah energisch und entschlossen aus, als würde er um sie kämpfen, sollte es möglich sein und sie würde keine Sekunde daran zweifeln, dass er es tun würde. Er war ein geborener Krieger, der stets seine Kämpfe austrug und gewann. Schließlich war er ein Drache.
Ergeben senkte sie ihre Schultern und ihr Blick wurde weicher. So viel Kraft wie dieser Mann ausstrahle, Ehrgeiz und Energie, da konnte sie nicht anders, als sich mitreißen zu lassen. Vielleicht wollte sie einmal noch die Hoffnung haben, wie ihre Mutter es gezeigt hatte, geliebt zu werden. Wie es heißt, von ganzen Herzen geliebt zu werden. Wie es sich anfühlte nur die alleinige Person zu sein, für einen einzelnen Wesen.
„Versprichst du mir, mich niemals zu verlassen?“ War dies ihre größte Angst, weil dies ihre Mutter getan hatte und das wusste Lucien zu genau.
Sofort schloss Lucien sie in seine Arme. „Niemals. Ich werde immer bei dir bleiben, sowie du bei mir bleiben wirst, das verspreche ich dir.“
Drei Tage waren vergangen, als Lucien ihr das versprechen abgegeben hatte und er hatte sie nur mit seinen Gefühlen überschüttet, wie er es konnte. Sie hatte es angenommen und sich ihm hingegeben. Am Anfang hatte sie sich noch unbehaglich gefühlt, weil es zu viel war, aber Lucien hatte sie nach und nach daran gewöhnt, da es nur ihre Aufmerksamkeit war. Die alleine nur ihr galt. Ihr Herz hatte ihr immer mehr bis zum Hals geschlagen. Oder manchmal so stark, das es ihr beinahe aus der Brust hüpfte, so schnell schlug es. Er tat mit ihr Dinge, die sie vorher noch nicht gekannt hatte und er ließ sich immer mehr einfallen. Doch was sie am meisten schockierte, es gefiel ihr zunehmend und sie freute sich stets auf ihr Wiedersehen mit diesem einzigartigen Mann.
Sehr oft dachte sie an ihn und ihre Gedanken schweiften sehr oft zu ihm hin, weswegen sie sich oft zwingen musste an etwas anderes zu denken. Vor allem wenn sie mit jemanden anderen sprach. Seit dem Tag im Dorf hatte sich etwas entscheidendes in ihr geändert und es würde immer so bleiben. Es gab keinen Weg mehr zurück und sie wollte es nicht mehr. Sie hatte sich damals entschieden an der Seite von Lucien zu gehen und mit ihm. Sie wollte nicht mehr alleine sein und er hatte ihr einen Platz an seiner Seite angeboten, welchen sie angenommen hatte. Nun war sie nicht mehr alleine und das Gefühl alleine zu sein, verspürte sie auch nicht mehr, wie es sich auch anfühlte, es war nicht mehr da. Es war weg, einfach weg.
Heute war ein sonniger Tag und sie hatte etwas bestimmtes vor. Für einige mag es vielleicht etwas einfach sein, aber für sie war es ein etwas größerer Schritt, der ihr etwas Überwindung kostete. Darauf hatte sie eigentlich gewartet, aber hatte noch keine Gelegenheit dazu bekommen.
Mit einem letzten Atemzug trat sie auf dem Trainingsplatz der Drachen, denn hier war sie noch nie gewesen, auch wenn sie es von einem Fenster aus einige Male gesehen hatte. Um die Zeit schien nicht viel los zu sein, denn sie erblickte nur Segan und Cyrill, der wieder zurückgekehrt war. Lucien hatte ihr erst erzählt, dass Cyrill von einem Besuch seiner Eltern zurück sei. Weil er persönlich einen Bericht, um den Verrat von seinem Zwillingsbruders, erstatten wollte. Er wollte das nicht per Post oder Gendankesaustausch machen. Trotz Verrat wäre es seinen Eltern nicht gerecht gegenüber gewesen, hatte Cyrill damals zu Lucien gemeint. Lucien hatte damals die Erlaubnis gegeben, das sein Krieger seine Eltern besuchen gehen durfte. Es war nur gerecht und fair. Doch wie sie es vernommen hatte, waren selbst die Eltern mitgekommen, weil die Hinrichtung von Arokh noch nicht stattgefunden hatte. Auch sie wollten bei dem Tod ihres Sohnes dabei sein. Wie hart das wohl sein muss? Sie konnte sich den Verlust bei ihrer Mutter vorstellen, aber den Verlust des Sohnes und dann als Verräter eines ganzen Volkes, beileibe nicht.
Ausgiebig unterhielten sich die beiden Krieger am Rand des Kampffeldes über Strategien, worüber sie nicht wirklich eine Ahnung hatte, aber sie ging auf die beiden zu. Kaum das sie sie bemerkten, verstummten sie und starrten sie an. Die beiden schienen schon etwas ältere Freunde zu sein, sowie sie sich verhielten, bemerkte sie zuvor, aber behielt es für sich.
„Hallo Cyrill. Hallo Segan.“ Lächelte sie und versuchte nicht unsicher zwischen zwei mächtigen Kriegern zu wirken, die sie wie nichts zerquetschen konnten.
Segan nickte nur, was sie vermutlich von seiner bekanntlichen Reaktion so ausgehen konnte, als würde es ihn nichts sonderlich ausmachen. Doch Cyrill schien etwas überrascht zu sein, worauf sie nicht deuten konnte worauf.
„Entschuldige, ich wollte euch nicht stören.“ Meinte sie.
„Schon in Ordnung. Wir waren ohnehin schon fertig.“ War es Segan, der antwortete.
„Gut.“ Lächelte sie. „Wie geht es Mariah und den beiden Jungs?“ Wollte sie wissen. Sie hatte die letzten Tage nichts mehr von ihnen gehört. Dabei wollte sie Segan schon länger fragen, wenn sie ihn sah, aber sie hatte ihn nicht gesehen.
„Ihnen geht es gut. Es dauert auch bald nicht mehr lange.“ Wusste Emmanline ganz genau, worauf Segan hinaus wollte. Es ging um die Schwangerschaft von Mariah.
„Dann muss ich ihr unbedingt, wenn es passt, noch einmal einen Besuch abstatten. Wenn ich denn darf?“
„Natürlich, da würde sie sicherlich freuen. Sie fragt auch öfters nach und meinte, ob ich dich nicht mal fragen kann...“
„Natürlich, sehr gerne. Ich werde das nur einmal mit Lucien besprechen. Vielleicht passt das einmal. Ich würde mich sehr freuen.“ Lächelte sie weiterhin.
Cyrill wusste gerade nicht, was hier abging oder ob er in einem falschen Film war, die die Menschen gerne drehten, wie sie das so gerne nannten, aber anscheinend hatte er etwas entscheidendes verpasst, seit er weg gewesen war.
Diese Frau, die seinem König und besten Freund gehörte, hatte sich irgendwie verändert. Bemerkte er das jetzt wirklich, oder lächelte sie? Aus vollem Herzen? Er kippte hier gleich aus den Latschen, aber es sah atemberaubend aus. Seit wann konnte sie das?
Dennoch war da noch etwas. Verdammt noch mal, worüber unterhielten sie sich da überhaupt?
„Worüber unterhaltet ihr euch überhaupt?“ Fragte Cyrill doch jetzt nach.
„Das ich seine schwangere Gefährtin und beiden Söhne besuchen komme.“ Beantwortete sie freudig seine Frage, als müsste er das wissen.
Doch war ein Haken dran, denn er wusste von all dem nichts. Schockiert und perplex reagierte er auch entscheiden darauf. „Du hast eine schwangere Gefährtin und zwei Söhne? Warum weiß ich nichts davon?“
Nur ein Schulterzucken seines Freundes. „Du hast nie gefragt.“ Als würde das alles beantworten.
„Wir sind über fünfhundert Jahre gute Freunde und du hast nicht einmal daran gedacht das zu erwähnen, als ich gefragt habe, was gibt es Neues, wenn wir uns gesehen haben? Wie lange seid ihr Gefährten?“ Klang er schon fast empört.
„Über fünfzig Jahre. Ungefähr.“
Cyrill war fast sprachlos. Doch eher getroffen „Solange Schon? Irgendwie bin ich nun irgendwie verletzt und enttäuscht. Ich dachte, wir wären gute Freunde.“
„Also das wollte ich jetzt nicht.“ Mischte sich Emmanline ein, die neben ihnen stand und zu ihnen rauf schaute.
Um das Thema auch schnell zu wechseln und vielleicht das zu vermeiden, wie das Gespräch geendet hätte, wandte Cyrill seine Aufmerksamkeit auf sie. „Was hat dich zu uns geführt? Wie können wir dir helfen?“ Versuchte er das noch zu verdauen, was sein guter Kumpel ihm verschwiegen hatte. Dabei war er ihm gegenüber stets ehrlich gewesen.
„Nun...“ Rang sie kurz mit sich. „...ich wollte eigentlich mit dir reden, Cyrill. Unter vier Augen. Alleine.“ Blickte sie ihm tief in die Augen und es überraschte ihn.
„Mich?“ Da viel ihm noch was anderes schlagartiges auf, was ihn zuvor noch gar nicht so aufgefallen war. Jetzt umso intensiver. Aber warum? „Natürlich.“
„Gut, dann werde ich mich hier verabschieden.“ Regte sich Segan neben ihnen, schnappte sich seine Klamotten und Waffen.
„Es tut mir leid, das wollte ich nicht. Wenn das ein Geheimnis bleiben sollte, dann...“
„Nein, das ist kein Geheimnis, Emmanline.“ Lächelte Segan sie an. „Jeder weiß wo ich im Dorf wohne und könnte mich besuchen kommen. Es ist kein Geheimnis das Mariah, Conner und Trey existieren und sie in meinem Leben das wichtigste sind. Wenn mich einer nach ihnen fragt, die das Gute von ihnen wollen, beantworte ich die Fragen gerne. Ich bin nun einmal nicht der Gesprächige. So bin ich nun einmal.“ Schaute Segan Cyrill an, als sagte der Blick mehr als tausend Worte und jetzt verstand er ihn. Mit einem Nicken verabschiedete er sich bei seinem Freund und blieb mit Emmanline alleine zurück.
„Er ist einer von den Guten.“ Murmelte Emmanline leise.
„Ja das ist er, aber er wird oft missverstanden. Genau den Fehler habe ich jetzt gemacht und ich könnte mich jetzt dafür Ohrfeigen.“ Knurrte er.
„Segan weiß das du es nicht böse gemeint hast. Du hast es vielleicht lieber gehabt, wenn er es dir gesagt hätte, aber er kann nicht ganz so mit Worten umgehen, wie du es vielleicht tust. Er ist mehr der Mann, der Taten sprechen lässt.“ Bemerkte sie. Mit einem Lächeln bestätigte er ihre Aussage, denn so war sein Freund wirklich.
„Worüber wolltest du mit mir sprechen?“
Einmal blickte sie um sich, als schien sie wirklich zu schauen, ob sie alleine wären, denn das waren sie auf dem riesigen Platz. Erst als sie in anschaute, sprach sie. „Ich will mich bei dir entschuldigen. Damals im Lager, als ich einfach verschwunden war, obwohl du auf mich aufpassen solltest.“ Schienen die Worte nur aus ihr raus zu sprudeln.
Dennoch war er sprachlos. „Ich verstehe nicht ganz. Warum entschuldigst du dich?“
„Lucien war damals sehr wütend auf mich gewesen, als ich den Pfeil aufgefangen habe und verüble es ihm auch nicht. Er hatte mich damals egoistisch und selbstlos genannt, weil ich nicht an andere gedacht habe. Darüber habe ich nachgedacht und er hatte Recht gehabt und es war nicht fair dir gegenüber, Cyrill. Auch wenn es mir damals nicht gefallen hatte, dass du auf mich aufpassen musstest, trugst du die Verantwortung wegen mir und ich habe so mein Leben verloren. Auch wenn ich jetzt hier lebend vor dir stehe, was für alle ein Rätsel sein muss. Ich kann euch diese Antworten nicht geben, aber ich möchte mich bei dir für mein damaliges Verhalten entschuldigen und das ich einfach abgehauen war, obwohl ich dir hätte Bescheid sagen können.“
Wie angewurzelt stand er da und starrte sie eine ganze Weile an, weil er nicht wusste wie er antworten sollte. Es gab nicht viele Augenblicke wo er keine Worte fand, aber sie hatte ihn erneut sprachlos gemacht. Sie war wirklich eine faszinierende Frau. „Also ich weiß jetzt nicht was ich sagen soll, aber damit hätte ich jetzt nicht gerechnet.“ Kurz fuhr er sich durch das Haar, auch wenn sein langes pechschwarzes Haar zu einem Zopf geflochten war, das seinem Rücken hinab hing. „Klar damals war ich auch zutiefst getroffen und habe mich meiner Aufgabe als versagt gefühlt, die mir mein König aufgetragen hatte. Dann noch mehr, als ich den Seelenschmerz von Lucien verspürte und den mächtigen Verlust und deinen Tod, den er betrauerte. Das habe ich noch nie verspürt und da spürte ich meine Schmach umso mehr. Ich war von mir selbst enttäuscht und ich hätte dich niemals aus den Augen lassen dürfen, dennoch hatte ich den Fehler begangen, den ich nicht wieder rückgängig machen konnte.“
„Ich kann damals nicht sagen was es gewesen war, aber etwas hatte bei mir damals klick gemacht. Eine kleine Erinnerung kam zurück und ich hatte das Gefühl ich dürfte keine Sekunde verlieren. Erst auf dem Schlachtfeld bewahrheitete sich es, als dein Bruder die Bogensehne spannte, um den Pfeil fliegen zu lassen. Doch was mit deinem Bruder zu tun hat, deswegen kann ich mich nicht entschuldigen.“ Wie kühl ihre Worte jetzt klangen.
„Hat er dir jemals etwas angetan?“ Musste er es wissen.
Sie schwieg kurz. „Nein, ich habe ihn so nie gesehen.“
„Woran hast du ihn dann erkannt?“
„An seiner Stimme. Oft haben sie mich in einer Ecke liegend vergessen, als sie Unterhaltungen geführt haben und da habe ich ab und an Wortgefechte aufgefangen. Da war ein Gespräch deines Bruders mit dabei gewesen.“
Ihre Worte waren einerseits schockierend, aber wenn es das Leben seines Bruders jetzt war, dann kannte er ihn bis zum Schluss nicht mehr. Auch wenn er jetzt noch lebt. Seit dem Verrat hatte er ihn in den Kerkern nicht mehr besucht, weil er es nicht ertrug ihn zu sehen. Vielleicht weil er das Gefühl besaß versagt zu haben. Alleine schon, als er seinen Eltern berichten musste, das sein eigener Sohn ein Verräter des eigenes Volkes war. Das er den König ermorden wollte und auch beinahe geschafft hätte, wenn die Frau vor ihm nicht wäre. Er fühlte sich schlecht dabei und seit sein Bruder ein Verräter geworden war, war auch ein Teil in ihm gestorben, was ein wichtiger Teil in ihm war. Dabei versuchte er es die ganze Zeit zu überspielen, weil er ein Krieger war, aber es war nicht so einfach. Sollte sein Bruder erst einmal hingerichtet sein, was würde dann erst aus ihm werden?
„Was hast du gesagt?“ Hatte er Emmanlines Lippen bewegen sehen, aber ihre Worte nicht verstanden, weil er so tief in Gedanken gewesen war.
„Ich wollte dich noch etwas anderes fragen, und zwar, sofern du es willst und auch keine anderen Angelegenheiten hast. Sofern du auch meine Entschuldigung annimmst und mir wegen deines Bruders auch nicht sauer bist. Lucien meinte ja, das es so sein könnte und...“ Redete sie einfach drauf los, als wäre sie irgendwie nervös.
„Mal langsam.“
„Emmanline.“ Lächelte sie. „Du kannst mich ruhig so nennen.“
Da war es wieder. Zu Anfang wo er sie gefragt hatte, ob er sie beim Namen nennen durfte, hatte sie es säuerlich verneint, aber jetzt bot sie es mit einem lächeln selbst an. Er war überrascht.
„Du hast dich verändert.“ Bemerkte er direkt. „Und du lächelst.“
„Ja ich weiß. Das viel mir am Anfang ziemlich schwer. Das hatte alles mit einen Streit unter Luciens Geschwistern begonnen, als ich dadurch einen Gefühlsausbruch bekommen habe. War etwas ungewöhnlich für mich, aber Lucien meinte, es musste eines Tages so kommen, wenn man die Gefühle solange unterdrückt. Stört es dich? Soll ich es lassen?“
„Nein, auf keinen Fall. So gefällst du mir besser.“ Lächelte er sie jetzt an. „Was wolltest du mich nun anderes fragen, ohne den unnötigen anderen Unfug dazu und keine Sorge, ich war dir nie sauer.“
Mit einem kleinen Lächeln antwortete sie ihm. „Um es kurz zu machen, werde mein Leibwächter.“
Jetzt hatte diese Frau wirklich eine Bombe platzen lassen und selbst sein innerer Drache war erstarrt. Reglos blickte er auf die viel kleinere Person hinunter, die eine außergewöhnliche Augenfarbe hatte und wartete anscheinend auf eine Antwort, die er noch immer selbst suchte. „Leibwächter?“
„Ja. Ich weiß, ich kann Lucien nicht immer bitten mich zu begleiten, wenn ich irgendwo hin will. Er ist der König und hat genug Aufgaben die er erfüllen muss. Ich weiß auch, alleine lässt er mich nirgendwohin gehen. Alleine wegen Culebra riskiere ich das auch nicht. Diese Unruhe will ich Lucien auch nicht zumuten. Ich würde schon gerne hin und wieder irgendwohin, aber Lucien ist der König, worum ich ihn nicht ständig bitten kann, also muss ich mir was anderes einfallen lassen. Sicher kann ich die Geschwister von Lucien fragen, aber sie sind auch nicht immer da. Ich habe auf dich gewartet. Du bist ein Krieger und von Lucien ein sehr guter Freund. Er vertraut dir.“
„Anscheinend hast du ja schon lange darüber nachgedacht.“ Verschränkte er nachdenklich seine Arme vor der Brust und runzelte seine Augenbrauen. Er konnte sie nur skeptisch anschauen. Doch eines musste er ihr zu gute halten, sie dachte in der Sache an Lucien.
„Nein, eigentlich nicht. Erst, als Lucien vorgestern Nacht über dich gesprochen hatte, ist mir die Idee gekommen. Als du mit deinen Eltern hier zurück gekehrt bist. Ich wollte schon eher mit dir darüber sprechen, aber ich konnte dich nur noch nicht eher sprechen. Es hatte noch nicht ganz geklappt, weil du irgendwie immer verplant gewesen warst.“
Da hatte sie wohl Recht. Entweder hatte er seinen Eltern die Umgebung gezeigt, hatte mit Lucien gesprochen, mit einer größeren Truppe Drachen trainiert bis zur Nacht hinein und dann war er auch schon ins Bett gefallen. Am nächsten Morgen ging das Spiel von vorne los und das er auf die Jagd ging. Das war ein Spaß gewesen, was er dringend nötig gehabt hatte.
„Du hättest doch Lucien darauf ansprechen können, der hätte mich fragen können.“
„Der weiß ja nichts davon. Das wollte ich selbst persönlich machen. Das ist wenn eine Sache zwischen dir und mir, sollte ich meinen. Außerdem wollte ich vorher die Sache aus dem Weg räumen und ich wollte das nichts zwischen uns steht, solltest du wirklich darüber nachdenken, mein Leibwächter zu sein. Am Anfang hätte ich mich dagegen gewehrt und würde Lucien das tun. Aber dies hier tue ich aus freien Stücken, weil es meine freie Entscheidung ist und auch zum Teil für Lucien, damit er sich besser fühlt. Sonst weiß ich, er würde eines Tages wahnsinnig werden.“ Seufzte sie auf.
Cyrill machte irgendwie ein überraschten Laut. „Hat Lucien dir etwa gesagt, das er für dich etwas empfindet?“
Emmanline wurde etwas rot um die Nasenspitze. „Das er mich liebt? Ja hat er und er tut es mittlerweile jeden Tag. Aber zurück, wirst du es machen und mein Leibwächter werden?“ Schaute sie ihn mit ihren silbernen Augen an.
Das gab es nicht, Lucien hatte Emmanline gegenüber wirklich die Gefühle gestanden und sie war noch immer hier. Wie viel hatte sich noch verändert? Würde sich noch verändern?
Als er hierher zurück gekehrt war, geschah es mit seinen Eltern genau in diesem Augenblick, als sie zu dem Ritual an dem heiligen Ruhestätte ankamen. Zulange war das her gewesen. Eine innere Stimme hatte ihm gesagt, als er zum Schloss unterwegs gewesen war, weil er eigentlich mit seinen Eltern dorthin war, sie sollten dorthin fliegen. Sofort waren sie umgeflogen. Es war ein irrer Sog gewesen, dem sie folgen mussten, der sich nicht falsch angefühlt hatte. Sogar genau richtig. Wie so viele andere Drachen es auch gefühlt hatten.
Aber was noch atemberaubender war, während sie das Ritual abgehalten hatten, waren diese tausenden von schwebenden Lichter und das gelbe Blumenmeer bei der heiligen Ruhestätte, welches noch immer andauerte. Selbst die Lichter, die Nacht für Nacht kamen. Im ersten Augenblick hatte er gewusst, Emmanline war dafür verantwortlich gewesen, aber Lucien hatte es ihm später nur noch bestätigt. Es war absoluter Wahnsinn was sie da erschaffen hatte.
„Abgemacht, ich werde dein Leibwächter, aber du solltest trotzdem noch einmal mit Lucien darüber sprechen, sonst würde er dir das niemals erlauben.“
„Wirklich?“ Wirkte sie überrascht, womit sie einer Zusage vermutlich nicht gerechnet hätte. „Mit ihm werde ich sprechen, keine Frage. Ich wollte lediglich vorher nur mit dir alleine sprechen, bevor ich mit ihm darüber spreche. Aber das ist toll und danke.“ Lächelte sie ihn an und daran musste er sich wohl noch gewöhnen.
„Aber unter der Bedingung, das du diesmal nicht abhauen wirst?“
„Nein, diesmal gilt die Abmachung der Absprache und des Bescheid geben´s.“ Schien sie es zu versprechen. „Sollte etwas sein und mir fällt etwas ein, was wichtig ist, sage ich ich dir etwas. Oder Lucien.“
Cyrill kniff etwas seine Augen zusammen. „Irgendwas ist mir etwas unheimlich an der ganzen Sache. Warum bist du so kooperativ?“
„Lass uns das doch bei Lucien besprechen, da du ja schon zugestimmt hast. Er wartet schon auf uns. Ich habe uns eben angemeldet.“ Lächelte sie und ging auf ihn zu.
„Wie angemeldet?“ Aber Emmanline tippte sich nur auf die Stirn und er verstand sofort, das sie es nur durch eine mentale Verbindung meinte. Was bezweckte die Frau eigentlich, denn keine fünf Minuten später standen sie schon in Luciens Büro. Zwar befand sich Darius noch mit drinnen, aber das war ihm egal, es war Luciens Onkel und vertrauenswürdig.
„Was führt euch zu uns, Emmanline?“ Wollte Lucien wissen, der von seinem Glück wirklich nichts zu wissen scheint. „Selten, das du eine Audienz wünscht.“ Lächelte er sie an, als er von dem kleinen Tisch aufblickte, wo sie Karten ausgebreitet hatten. Anscheinend besprachen sie gerade etwas und sie störten.
„Ja, ich habe beschlossen mir einen Leibwächter zu nehmen und Cyrill hat sich dafür bereit erklärt.“ Fiel die Frau gleich ins Haus, selbst für ihn ging das zu schnell.
Lucien schien sprachlos und schockiert zu sein, aber Darius war amüsiert und lachte. Was nicht untypisch für ihn war.
„Du hast was beschlossen?“ Krächzte Luciens Stimme etwas und sie wurde sogar etwas höher gerutscht. „Für was das denn?“
„Na wenn ich mal das Schloss verlasse, um ins Dorf zu gehen oder woanders hin.“ Meinte sie.
Das machte ihn noch fassungsloser, sogar etwas wütend. „Niemals.“
„Ist es dir lieber, wenn ich alleine gehe? Ich weiß wie viel du zu tun hast und Cyrill ist ein guter Krieger. Das ich hier im Schloss herum sitze, die ganze Zeit, ist keine Option für mich. Ich will nicht wie eine Gefangene in einem Käfig eingesperrt sein, wie du wohl weißt. Ich habe mich sogar freiwillig darauf eingelassen mir einen Leibwächter zu suchen, damit du nicht wahnsinnig werden musst, während ich vielleicht mal nicht da bin und du mal nicht auf mich aufpassen musst, während es ein anderer Krieger für dich tut. Normalerweise müsste ich dagegen sein, aber ich tue es auch für mich, weil ich weiß, ich könnte mich niemals selbst so verteidigen wie ihr alle selbst oder könnte es jemals erlernen. Diese Fähigkeiten erlerne ich auch niemals, weil ich keine Klauen und Reißzähne besitze.“
Darius hatte aufgehört zu lachen und erhob jetzt das Wort. „Sie hat Recht, Lucien. Ich muss ihr zu gute halten, das sie wohlüberlegt gedacht hat. Du hast ein Haufen Arbeit als König vor dir und kannst nicht immer abwesend sein und genau das hat Emmanline jetzt bedacht, indem sie sich jemand gesucht hat. Sie hat auch an dich gedacht. Du kannst ihr die Entscheidung nicht nehmen und immer verlangen brav auf dem Zimmer auf dich zu warten.“
„Außerdem wenn ich im Dorf bin, bin ich da auch nicht ungeschützt. Wenn Cyrill an meiner Seite ist, sind da auch noch viele andere Krieger, oder nicht? Sie würden mich genauso beschützen.“
„Aber...“ Fühlte Lucien sich irgendwie überrumpelt, denn er sah so aus. „Du weißt Emmanline, wenn dir etwas passiert, ich würde mir das nie verzeihen.“
Langsam ging Emmanline auf Lucien zu und blieb vor ihm stehen. „Ja, das weiß ich und genau darum mache ich das. Du hast mir schon öfters erzählt, wie gut Cyrill als Krieger ist und er zählt einer zu deiner engsten Freunde, denen du vertraust, oder nicht?“
„Ja, das tut er. Mehr als das.“ Schaute sein König ihn an.
„Dann ist er dafür bestens geeignet.“
Jetzt hatte er das Gefühl, er müsste etwas sagen. „Ich kann das Lucien. Damals habe ich genau auf diesen Fleck den heiligen Schwur abgelegt stets meinen König und meinen Volk zu beschützen und mit meinem Leben zu verteidigen, selbst meine zukünftige Königin. Siehst du diese Frau neben euch, mein König, als deine zukünftige Königin an?“ Erinnerte er sich noch genau an dem Moment, wo er die Worte ausgesprochen hatte und den Schwur mit seinem Blut bekräftigte.
Lucien schien überrascht, aber sein Gesicht hellte sich zunehmend auf, was zu einem breiten Grinsen wurde. „Ja, ich sehe diese Frau neben mir als meine zukünftige Königin an. Du bist also wirklich bereit sie überallhin zu begleiten, wohin sie möchte, ohne wenn und aber?“
Auch wenn er es vielleicht eines Tages bereuen würde, er hatte sein Wort gegeben. „Ja, ich werde sie überallhin begleiten. Ich werde ihr Leibwächter und sie mit meinem Leben verteidigen, sollte es erforderlich sein.“
„Mir gefällt die ganze Sache noch nicht ganz, aber wenn irgendwas passiert, hörst du auf Cyrill.“
„Keine Sorge, das haben wir alles schon besprochen und das geht schon in Ordnung. Wir sind uns schon einig geworden.“ Antwortete Emmanline darauf.
„Oder wenn du was weißt, sagst du Bescheid.“
„Habe ich ihm auch schon gesagt, er weiß Bescheid.“
„Warum bist du so kooperativ?“ Runzelte Lucien mit seinen Augenbrauen, als wäre er skeptisch.
„Genau das habe ich sie auch schon gefragt.“ Wandte Cyrill sofort ein und Darius fing sofort an zu lachen.
Emmanline seufzte kurz auf. „Gebe ich einmal meine eigene Kooperation und schon wirke ich, als würde ich aus der Reihe tanzen. Dabei würde ich das Dorf wirklich gerne wieder einen Besuch abstatten, aber ohne jemanden kann ich das nicht machen. Lucien hat genug zu tun, das ich ihn nicht dauernd stören will und einer seiner Geschwister kann ich auch nicht fragen. Da bot mir die Gelegenheit an, als Lucien mir von Cyrill erzählte, der wieder zurückgekehrt war. Ich wollte mich ohnehin bei ihm entschuldigen und warum nicht fragen ob er nicht mein Leibwächter wird. Sei denn natürlich, er würde zu höheren Aufgaben abberufen, aber bei ihm bestand vielleicht eine Chance, weil Lucien ein großes Vertrauen zu ihm hatte und er mich vielleicht gehen lassen würde.“
„Gestatte es ihr doch einfach, Lucien. Sie wird es ja nicht jeden Tag machen und vielleicht würde dir die Gelegenheit auch einmal bleiben, abzuschalten, indem du sie begleitest. Außerdem sehe es einmal von der anderen Seite. Wenn Emmanline in den Dörfern unterwegs ist und außerhalb Dinge tut, macht sie das auch für dich, während du auch geschäftliche Dinge erledigen musst, wie Papierkram. Sie ist zurzeit bei vielen Drachen sehr gerne gesehen. Sie mögen sie. Niemand würde ihr noch etwas zuleide tun. Cyrill wäre auch der Beste dafür, wenn du je für Emmanline einen Leibwächter gedenken würdest.“
Mit einem finsteren Knurren ergab sich Lucien endlich. „Na schön, aber ohne ein Wort wirst du nicht vom Schloss verschwinden. Auch wenn du wieder angekommen bist, meldest du dich wieder sofort bei mir, damit ich sicher gehen kann, damit es dir gut geht.“
Da konnte selbst Cyrill kein Grinsen mehr verkneifen, wie sehr Lucien auf diese kleine Elfe fixiert war. Er war ja schon regelrecht besessen und es grenzte an ein Wunder, dass dieser Mann ihr schon gestanden hatte, dass er sie liebte. Damit hätte er nicht gerechnet, aber es stand ihm ins Gesicht geschrieben, sowie er sich benahm und sie anblickte. Alles an ihm strahlte Verliebtheit aus und er freute sich wahrhaftig für seinen alten Freund. Er würde niemals so denken, das er es ihm nicht gönnte, denn er hatte das Glück mehr als jeder andere verdient und anscheinend machte diese Frau ihn glücklich. Auch wenn sie nicht genau wussten, woher sie kam.
Lucien und Emmanline diskutierten noch eine Weile, bis sie sich auch wirklich einig waren und es war mehr belustigend zu zusehen, als sich einzumischen. Wenn das jetzt öfters so war, dann könnte er sich wirklich gut vorstellen dabei zu zuschauen. Darius ging es anscheinend nicht anders, denn er konnte sich selbst kaum vor Lachen zurück halten. Es konnte doch noch spannender werden, als er dachte.
Kaum war Emmanline und Cyrill aus Luciens Arbeitszimmer draußen, atmete sie tief durch. „Lief doch besser als ich dachte.“
„Du hättest nicht damit gerechnet, dass er nach gibt, oder?“ Fragte er, als er neben ihr den Korridor entlang ging.
„Eigentlich nicht. Du hast ihn doch eben gerade selbst erlebt und welche Überzeugungskünste ich aufbringen musste. Wenn Darius nicht dabei gewesen wäre, hätte ich vermutlich viel länger gebraucht.“ Und vielleicht wäre das ganze auch ganz anders ausgegangen. Konnte sie sich den Rest nur denken.
„Vermutlich. Lucien sorgt sich halt nur um dich.“
„Mit einem Leibwächter an meiner Seite?“ Schaute sie ihn etwas schief von der Seite an, dabei hätte sie es sich doch anders aussuchen sollen. Oder vielleicht doch den Mund halten?
Mit einem Lächeln blickte er auf sie herab. „Lucien ist eifersüchtig, dass ist einfach nur alles. Und weil er auch besorgt um dich ist. Aber du bist seine Seelengefährtin und kein anderes männliches Wesen darf dich normalerweise berühren und anfassen. Er hätte mich damals ja schon fast in der Luft zerrissen, als ich mich mit dir auf der Bank draußen unterhalten hatte. Ich konnte das deutlich in der Luft spüren.“ Verzog er leicht das Gesicht, als er sich anscheinend zu erinnern schien. „Wir Drachen können in der Hinsicht sehr besitzergreifend sein, wenn es um unsere Partnerinnen geht.“
Emmanline seufzte nur zustimmend darauf. „Ja, ich weiß.“ Was die Sache nicht wirklich leichter machte. Doch sollte sie wenigstens zu Gute halten, dass Lucien sie wirklich nicht einsperrte, sondern sie frei herum laufen ließ. Sie wusste, er tat es als ein Zeichen seines Vertrauens ihr gegenüber, obwohl es einige nicht tolerierten.
„Cyrill.“ Schrie von weit eine Frauenstimme den Gang runter, wobei Emmanline sich beinahe erschreckt hätte.
Mit einem genervten Seufzen, schaute Cyrill in dessen Richtung und sie folgte seinem Blick. Genau da kam eine wütende und wunderschöne Frau den Korridor entlang gestürmt. Sie musste zugestehen, die Frau hatte etwas Ähnlichkeit mit ihm und würde darauf schließen, dass es vielleicht die Mutter war. Jedenfalls hatten sie das gleiche lange pechschwarze Haar und die bronzefarbene Haut. Nur hatte sie keine braunen Augen, sondern graue.
„Mutter.“ Wie sie es gedacht hatte.
„Was musste ich hören? Du bist jetzt Leibwächter von ihr?“ Klang Missbilligung in ihrer Stimme mit.
„Woher weißt du das schon wieder?“ Verschränkte Cyrill seine Arme vor der Brust. „Und es ist meine Sache, was ich mache.“
Kaum hatte sie ihn gefragt ob sie ihr Leibwächter sein wollte und andere wussten schon davon? Das war noch nicht einmal eine Stunde her.
„Geheime Quellen.“ Lächelte die Frau und das machte sie besonders schön. Drachen, was anscheinend alles rechtfertigte. „Aber ich akzeptiere das nicht. Du bist zu etwas besseren bestimmt, Cyrill. Nicht um Babysitter für eine kleine Elfe zu spielen.“ Wurde die Miene der Frau wieder ernst.
Jetzt war Emmanline erstaunt. Cyrill spielte für sie Babysitter? Sie konnte das ganze nur verfolgen und beobachten. Einmischen war keine gute Idee.
„Mutter du übertreibst mal wieder maßlos. Ich spiele kein Babysitter und das weißt du.“
„So habe ich meine Brut nicht erzogen, die wegen so einem Kinderkram ihre Zeit verschwenden. Ihr seid für etwas besseres bestimmt und für etwas viel größeres, wie deine älteren Geschwister.“
„Muss das jetzt sein, Mutter? Können wir dieses Gespräch nicht auf später verschieben.“
Ihr schien es so, als würde Cyrill diese Art von Gesprächen mit seiner Mutter kennen. Sie erkannte es an den Klang seiner Stimme, wie genervt und doch etwas gereizt er darauf reagierte. Anscheinend war es ein Thema, was seine Mutter sehr oft anschnitt.
„Das ist mir egal. Mir ist nur wichtig, was ihr erreicht und meine Brut ist für was höherem bestimmt. Du bist ein Krieger, Cyrill, und du lebst für den Kampf, sowie deine Geschwister. Das als Babysitter lastet dich doch nicht aus und dann endest du noch wie dein Vater.“
„Hörst du dich überhaupt mal reden, Mutter? Wenn das Vater hört, wird er sicherlich nicht gerade begeistert über deine Worte sein. Wer weiß, ob er dir da so schnell verzeiht.“ Wandte Cyrill immer noch etwas genervt ein.
Da lachte die Mutter von ihm. „Oh, er weiß das doch schon längst. Außerdem vergöttere ich deinen Vater, was du wohl weißt und nur ihm ist es gestattet so zu sein, wie er ist. Ihr seid meine Kinder und ich erziehe euch so, wie ich es für richtig halte. Und ich schwebe für eure Zukunft nur das Beste bevor.“
„Jetzt reicht es aber. Es ist meine alleinige Sache was ich tue und ich werde Emmanlines Leibwächter, wie ich es meinem König versprochen habe. Ich werde meinem Wort ihm und ihr gegenüber nicht brechen.“ Zeigte Cyrill auf Emmanline, die noch immer perplex neben der Diskussion stand.
Anscheinend wusste Cyrills Mutter das sie nicht weiter kommen konnte, knurrte einmal und blickte ihren Sohn einmal finster an, bevor sie wortwörtlich davon stampfte. In ihrer, wie sie jetzt bemerkte, eine Kampfrüstung trug. Sie war eine Kriegerin.
„Tut mir leid, das du das alles mit anhören musstest. Das da eben war meine Mutter und sie ist ein wenig verstiegen. Vor allem wenn es um ihre sogenannte Brut geht.“ Seufzte er auf.
„Ja, sie ist wirklich etwas extravagant, dass muss ich zugeben. Sie scheint sehr besessen darauf zu sein, dich vom Vorhaben als mein Leibwächter abzubringen zu wollen. Aber sie scheint sich anscheinend sehr große Gedanken um die Zukunft ihrer eigenen Kinder zu machen.“ Bemerkte Emmanline.
„Um die Zukunft ihrer eigenen Kinder?“ Lachte er. „Eher um ihre eigene. Sie nutzt es mehr für sich selbst zu ihren Vorteil. Jeder meiner Geschwister ist ein Krieger und hat einen gewissen Rang, der nicht gerade niedrig ist. Wir Drachen sind nun mal ein kriegerisches Volk und einige lieben es zu kämpfen. Da gehört wohl ein Teil meiner Familie dazu. Meine Mutter stammt von einem kriegerischen Stamm ab, die es liebt zu töten und es liegt uns im Blut. Es ist nur die Ehre die uns eigentlich dazu antreibt. Meine Mutter ist lediglich nur auf meine Ehre aus, weil ich hätte auf meinen jüngeren Bruder aufpassen müssen. Es ist eine Schande für meine Familie, das nun ein Verräter unter uns ist und ich bin daran Schuld, weil ich auf ihn aufpassen sollte.“
Emmanline war über diese Erkenntnis schockiert. Erstens, weil er ihr überhaupt davon erzählte und zweitens, weil seine Familie ihm die Schuld daran gab. Cyrill trug überhaupt keine Schuld, denn die alleinige trug sein Bruder selbst. Nur er hatte sich entschlossen Culebra anzuschließen.
„Aber es ist nicht deine Schuld, Cyrill. Dein Bruder ist selbst daran Schuld, dass er zu Culebra über gewandert ist.“
„Das weiß ich. Lucien hat das Gleiche zu mir gesagt. Am Anfang hatte ich mich schuldig gefühlt und es wird vielleicht eine Weile noch so andauern. Aber ich weiß, es ist nicht meine Schuld. Ich habe darüber nach gedacht und bin zu dem Entschluss gekommen, egal wie sehr ich es drehe und wende, ich hätte meinen Bruder niemals davon abbringen können. Er ist ein Hitzkopf und wollte stets nur das Beste für das Volk, aber am Ende war es genau das Falsche. Culebra ist der Verbrecher und das pure Böse. Ich befürchte, wenn ich meinen Bruder jetzt gegenüber trete, genau das in seinen Augen zu lesen. Das pure Böse und das nichts mehr von meinem Bruder übrig ist, was ich je von ihm gekannt habe.“ Erzählte der Mann vor ihr einfach, auch wenn sie wusste, es viel ihm nicht leicht. Selbst wenn sie nicht wusste, warum er das tat.
„Du musst das nicht alleine tun, Cyrill.“ Lächelte sie sanftmütig und blickte ihm direkt in die Augen, was ihn entsetzt blicken ließ, aber es war ihr mittlerweile egal. „Es es ist egal zu wem du gehst. Ob du Lucien, deine Eltern, deine Geschwister, einer deiner Freunde oder auch mich fragst. Du musst es am Ende nicht alleine tun, wenn du es nicht kannst.“ Zuckte sie mit ihren Schultern.
„Du bietest auch dich selbst an? Obwohl sein Pfeil dich getroffen hatte?“
„Wenn du mich fragen solltest, tue ich es. Außerdem war der Pfeil eigentlich nicht für mich bestimmt. Ich habe mich ihm nur in den Weg geworfen, im wahrsten Sinne des Wortes, aber das spielt keine Rolle mehr.“ Ging sie den Gang etwas weiter runter. „Aber eines interessiert mich noch.“
„Was denn?“
„Wie viele Geschwister hast du eigentlich? Du musst mehr als deinen Zwillingsbruder haben.“
Kurz lächelte er, aber es verschwand so schnell wieder, wie es erschienen war. „Mit meinem Zwillingsbruder sind es einundzwanzig.“
Ruckartig blieb Emmanline stehen und konnte ihren Ohren nicht trauen, was sie da gerade gehört hatte. „Heilige Götter.“ Schnappte sie nach Luft und drehte sich zu Cyrill um. „Ist das dein ernst? Du hast einundzwanzig Geschwister?“
„Ja.“
Sie war sprachlos. Einfach nur sprachlos. „Ich habe immer gedacht Lucien hat schon viele Geschwister, aber du hast einundzwanzig Geschwister?“ Konnte sie die Zahl einfach nur wiederholen.
„Jetzt habe ich die Anzahl oft genug gehört.“ Verschränkte er die Arme vor seiner Brust.
„Tut mir leid, aber das ist Wahnsinn. Deine Eltern waren da ja sehr aktiv, das muss ich zugeben.“ Wo sie jetzt verstand, warum die Mutter von ihm so versessen darauf war, warum sie ihre eigenen Kinder Brut nannte. Es konnte nur daran liegen, dass sie zu viele Kinder hatte.
„Das waren sie in der Tat. Und sie haben vermutlich noch nicht genug.“
„Nicht genug?“ Klang sie entsetzt. „Deine Eltern wollen noch mehr Kinder?“ Wurde ihre Tonlage irgendwie immer höher.
„Da Drachen verdammt alt werden können, kann es vorkommen, dass sie viele Kinder bekommen. Manche mehr und andere eher weniger. Meine Eltern gehören wohl zu den manche mehr.“
„Puh, ich weiß nicht wie es ist Geschwister zu haben, aber bei so vielen, kannst du dir das alles überhaupt merken?“
„Soll das jetzt beleidigend klingen?“ Schaute er etwas finster und kniff seine Augen zusammen.
Überrascht schaute sie ihn an. „Nein, überhaupt nicht. So war das gar nicht gemeint.“
Da fing der Mann vor ihr plötzlich an zu lachen. „Schon ok, ich weiß wie du das meinst. Ich muss mir das nicht alles merken. Ich haben mit einigen mehr Kontakt und mit anderen weniger. Hauptsache ich weiß wie sie heißen.“ Zwinkerte er ihr zu, was sie zum Lachen brachte. „So, aber genug von meiner Familie, wo wolltest du als erstes hin?“
„Du musst mich nicht begleiten, solange ich hier auf dem Schloss und Hof bin, Cyrill. Hier komme ich alleine zurecht. Es ist nur außerhalb.“
„Wenn ich schon einmal hier bin, begleite ich dich noch ein Stück.“ Beharrte er und sie widersprach ihm nicht.
Endlich war Emmanline einmal für sich alleine und hatte ihre Ruhe. Vorher hatte sie schon das erledigt, was sie erledigen wollte. Nun konnte sie dem nachgehen, was sie eigentlich vor hatte, nämlich in der Bibliothek etwas nachlesen. Das hatte sie schon den ganzen Tag vor gehabt, aber noch keine Chance dazu geboten es zu tun. Also hatte Cyrill, weil er so darauf bestanden hatte, sie genau hier abgeliefert. Sollte ihr recht sein, sofern sie jetzt alleine war.
Langsam ging sie die einzelnen und vielen Regale ab. Es mussten tausende von Büchern sein, die sich in diesem Raum befanden und sie wusste überhaupt nicht wo sie anfangen sollte mit suchen. Sie konnte nur anhand der Titel erahnen, was für für Bücher es waren. Zumal suchte sie etwas aus der Geschichte der Drachen und es gab massenweise in dieser Bibliothek davon. Sicher könnte sie Lucien fragen, aber hier musste sie vorher etwas selbst suchen, bevor sie zu ihm ging. Zuerst wollte sie etwas selbst heraus finden und ihre Vermutung bestätigen, ob es wirklich wahr war. Eher wollte sie nicht zu Lucien gehen.
„Hast du gefunden wonach du suchst?“ Ertönte eine männliche und freundliche Männerstimme hinter ihr, die ihr fremd war.
Vor Schreck ließ sie das Buch, was sie gerade in der Hand geöffnet hatte, fallen und drehte sich zu dessen Person um. Dieser bückte sich vor, um das auf dem Boden gefallene Buch aufzuheben.
„Oh, tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken.“ Klang er aufrichtig.
„Ihr Drachen habt eine schlechte Angewohnheit, wenn es ums Anschleichen geht.“ Atmete Emmanline einmal tief durch. „Aber schon in Ordnung, ich hatte gedacht ich wäre alleine gewesen. Da habe ich mich wohl geirrt.“
„Ich bin auch eben erst gekommen. Also bin ich wohl der Schuldige.“ Lächelte er und blickte auf das Buch.
Sie fand ihn etwas eigenartig, aber er hatte ein wenig Ähnlichkeit mit jemanden, auch wenn es vom Aussehen nicht entsprach. Dieser Mann vor ihr hatte kurzes hellblondes Haar, braune Augen und eine hagere Gestalt. Er war zwar groß, aber nicht so wie die eines Kriegers. Nach einem Krieger sah er jedenfalls nicht aus. Was auch seine Kleidung verriet, der ein weißes Leinenhemd trug, dessen Ärmel hochgekrempelt waren. Am Ausschnitt seines Hemdes hatte es Schnüre, um die Hüfte einen dicken braunen Gürtel und trug eine schwarze Stoffhose mit schwarzen langen Lederstiefel, die bis zu den Knien gingen. Dabei trug er etwas auf der Nase, was Lucien ihr einmal erklärt hatte, was es war. Sie hatte es schon einmal irgendwo gesehen gehabt. Er hatte es Brille genannt, damit man schärfer sehen konnte. Das hatte sie überhaupt nicht verstanden. Seit wann mussten Drachen so was tragen, wenn ihre Augen so schon extrem gut waren?
„Ihr seid der Vater von Cyrill.“ Platze es einfach aus ihr heraus und sie wusste es einfach sofort, auch wenn die Ähnlichkeit nicht da war.
Verwundert schaute er sie an und lachte dann. „Dabei besteht überhaupt keine Ähnlichkeit zwischen uns. Aber ja, ich bin sein Vater. Mein Name ist Hal, sehr erfreut.“
„Es sind die Augen. Ihr habt die gleichen braunen Augen.“ Stellte sie nun fest, als sie in seine Augen schaute.
„Nicht schlecht. Viele glauben das meistens nicht, das diese kriegerischen und mörderischen Kinder auch eigentlich meine sind.“ Rückte er seine Brille auf der Nase zurecht.
Jetzt, wenn sie im Nachhinein darüber nachdachte, war er der Vater von den zweiundzwanzig Kindern. So viele und sie konnte es noch immer nicht fassen. Nicht das er ein schlechter Vater wäre, aber die Anzahl ist schon enorm und sie fragte sich, wie hielt man so was überhaupt aus? Dabei kannte sie nicht einmal die anderen Geschwister von Cyrill und von Arokh konnte sie jetzt nicht sprechen. Alle sahen in ihn jetzt den Verräter. Aber wie sah es jetzt in den Eltern aus?
„Du scheinst dich für unsere Geschichte zu interessieren.“ Schaute er auf das Buch und blätterte etwas darin herum. „Aber willst du wirklich was von früherer Zeit wissen?“
Kurz überlegte sie. „Ja, ich muss etwas wissen und ich hoffe, ich finde es irgendwo hier in eines der Bücher.“ Lächelte sie leicht.
„Vielleicht kann ich dir ja helfen.“ Stellte Hal das Buch wieder ins Regal zurück. „Ich bin Historiker. Ein Schreiber der Geschichte. Ich bewahre die Geschichte der Drachen. Es ist meine Aufgabe alles was unter uns Drachen passiert niederzuschreiben, damit es nie in Vergessenheit gerät. Das Meiste was hier in diesen Regalen steht, habe ich sowieso geschrieben.“ Lachte er, als wäre es belanglos und das Einfachste der Welt, aber für sie war es das Erstaunlichste.
„Im ernst, all das haben Sie geschrieben?“ Klang sie wirklich erstaunt und so schien sie ihn wahrscheinlich auch anzustarren. Wenn das stimmt, dann könnte er ihr wirklich helfen und sie könnte schneller an ihre Informationen kommen, als sie dachte.
„Ja, auch wenn man mir es vielleicht nicht ansieht.“ Schob er seine Brille auf seiner Nase noch einmal zurecht. Anscheinend war das eine Angewohnheit von ihm, die er immer wieder machen musste. „Aber einer muss es ja tun, während andere sich in die Kriege und Kämpfe stürzen.“
Für einen Augenblick schaute sie ihn an. „Ihr habt irgendwie nichts mit den anderen Drachen gemein, die ich bisher begegnet bin. Ihr seid irgendwie anders, als wärt ihr ausgeglichen und hättet schon viele Leben und Seelen durchlebt.“ Verwundert wurde sie nun angeschaut. Hatte sie etwas falsches gesagt?
„Man hat mir von deinem Leben unter uns Drachen erzählt, mein Kind.“ Ging er zu einer der gemütlichen Sessel, die in der Bibliothek stand, wo sie auch öfters drinnen gesessen hatte, wenn sie zum lesen lernen hierher kam. „Es muss ein hartes Leben gewesen sein und ich will auch gar nicht weiter darauf eingehen, weil ich es mir schon vorstellen kann, wie grausam es sein musste unter Culebras Herrschaft zu leben. Niemand kommt eigentlich lebend dort zurück, doch du hattest Glück noch am Leben zu sein. Jetzt bist du hier und stehst unter Luciens Schutz. Wie ich sogar hörte, bist du sogar seine vorherbestimmte Seelengefährtin, was dir einen noch besonderen Schutz einfordert. Er wird dich daher nie Gefahren ausliefern und jetzt besonders behüten.“ Hatte er sich in dem Sessel bequem gemacht. „Ich habe auch noch andere Geschichten von dir gehört, wie du uns geholfen hast und ich konnte erst nicht glauben, dass eine Elfe geholfen hat, da sie ja eigentlich verschwunden und ausgelöscht wurden. Dann auf dem Weg hierher, wurden wir von einem Ereignis überrascht, was selbst mich überraschte und wovon ich seit Jahrzehnten nicht mehr daran gedacht hätte, es zu sehen. Das unsere Traditionen wieder aufgenommen werden. Aus einem Grund tut es Lucien wieder und das ist sehr wichtig für unser Volk. Selbst Raziz war zu stur gewesen es so zu sehen, auch wenn er ein guter König gewesen war. Erst bei der heiligen Ruhestätte glaubte ich an der Wahrheit.“
Erstaunt hörte Emmanline Hal zu und stand einfach nur da, während er weiter redete. Sie fand keine Worte, denn was sollte sie auch schon dazu sagen, wenn es ohnehin seine eigene Worte waren.
„Als Cyrill bei uns aufgetaucht war, um den Verrat von unserem Sohn zu berichten, ist man nie darauf gefasst. Egal wie oft wir es herumreden würden, wir als Eltern sind schwer betroffen und es wird uns immer damit belasten. Auch wenn wir es so nicht zeigen mögen, aber der Verrat an dem König ist das höchste Verbot das man begehen kann. Auch wenn es unser eigenes Kind ist, können wir es nun nicht mehr beschützen. Eines können wir nicht mehr retten, aber wir hoffen auf das andere. Darum weiß ich es sehr zu schätzen was du tust. Darum bedanke ich mich, was du für meinen Sohn Cyrill tust.“ Neigte er kurz den Kopf, sein Blick ernst und dankend.
Blinzelnd und verwirrend schaute sie ihn an. „Ich verstehe nicht ganz. Warum bedankt ihr Euch?“
Dann lächelte er doch. „Nicht so unwissend. Du weißt ganz genau warum. Cyrill und Arokh sind Zwillingsgeschwister und zwischen ihnen besteht ein besonderes Band. Besteht irgendwann einer der beiden nicht mehr, zerreißt es den anderen. So war es schon immer bei den beiden gewesen, wenn sie mal getrennt waren. Wenn einer erst mal tot ist, keine Ahnung was aus dem Anderen wird. Cyrill und Lucien sind zwar sehr gute Freunde und als König könnte er dem Befehl geben weiter zu leben, aber es wäre nicht das Gleiche. Cyrill müsste, wenn aus eigenem Antrieb beschließen weiter zu machen. Sowie ich hörte, hast du ihm angeboten dein Leibwächter zu werden. Aus irgendeinem Grund hat er es angenommen. Er tut es freiwillig und nicht weil er dazu gezwungen wurde. Er hat sogar seiner Mutter die Stirn geboten und das muss was heißen. So was macht Cyrill nur, wenn er unbedingt was will.“ Schmunzelte Hal breit auf, als würde er stolz auf seinen Sohn sein. „Was auch immer meinen Sohn dazu entschlossen hatte deinen Leibwächter zu sein, es soll mir recht sein. Solange er am Leben bleibt.“
„Cyrill denkt, wir tun das alles wegen Lucien. Was wir zu einem Teil auch tun und wegen mir, wenn ich außerhalb des Schlosses bin. Ich habe mir da schon was dabei gedacht, aber ihr habt schon Recht, ich habe es eigentlich für Cyrill getan, damit er eine Aufgabe hat. Ich habe mir schon etwas dabei gedacht und es nicht nur wahllos ausgesucht.“
Hal überschlug seine Beine. „Dachte ich es mir doch. Erstaunlich finde ich es nur, dass das niemand mitbekommt. Sie glauben anscheinend alles.“
Emmanline zuckte mit ihren Schultern. „Solange es hilft, soll es mir recht sein. In der Hinsicht ist es mir egal. Gelogen war es ja nicht.“
„Wenn es hilft und es niemanden schadet, ist es mir egal. Aber nun zu dem was du suchst. Was für Informationen von unserer Geschichte brauchst du denn?“ Fragte er und lenkte das Thema um.
„Ihr würdet mir das einfach so verraten? Obwohl Sie mich nicht kennen?“
Mit einem Schmunzeln antwortete er. „Ja, auch wenn ich dich nicht kenne. Aus gewissen Gründen scheinst du Informationen wissen zu müssen und ich glaube nicht aus bösen Zwecken, oder?“
„Nein, ich versuche nur etwas heraus zu finden. Ich muss jemanden finden und dafür muss ich etwas wissen.“
„Gut, dann lass uns mit unserer Geschichtsstunde anfangen.“
Lucien konnte noch immer nicht fassen, dass er wirklich zugestimmt hatte, aber er konnte Emmanline nicht ständig alles verbieten. Sie hatten ja alle Recht, Cyrill war ein guter Kämpfer und konnte auf Emmanline aufpassen, auch wenn es ihm nicht passte. Doch er musste vertrauen und es wenigstens versuchen. Trotz das Culebra da draußen frei herum läuft und vermutlich, oder todsicher, hinter Emmanline her war.
Nur musste er ihr zugute halten, sie kam von ganz alleine. Vor allem auf die Idee einen Leibwächter zu nehmen. Hätte er das gemacht, wäre sie mit Sicherheit wütend geworden und sicherlich nicht begeistert darüber gewesen. Natürlich tat sie das für ihn, aber sie tat es teilweise doch aus Eigennutz, nur damit sie einmal weg konnte. Dabei wusste sie doch, sie könnte ihn jederzeit fragen und er würde sie jederzeit begleiten. Doch sie schob den Grund vor, er als König habe seine Pflichten die er zu erledigen hatte. Es stimmte schon, die hatte er, aber er würde die Zeit für sie nehmen.
Jetzt wurde von seinem Onkel auch noch weiß gemacht, sie habe es auch für Cyrill getan, weil er sonst wer weiß was getan hätte, wenn er seinen Bruder Arokh hinrichten musste. Da er nun darüber nachdachte, machte das alles auch einen Sinn. Für Cyrill war es eine Aufgabe und wenn er es wollte, sollte er ihn nicht davon abhalten. Nicht wenn es um sein Leben ging.
Sein Freund machte sich so schon zu viele Gedanken und gab sich die Schuld an dem Verrat seines eigenen Bruders, aber es sollte nicht so Enden. Nicht durch seinen verräterischen Zwillingsbruder. Emmanline scheint es irgendwie gewusst zu haben und er irgendwie auch, nur hatte er noch nichts dagegen unternommen. Emmanline schon, indem sie ihm eine sinnvolle Aufgabe gegeben hatte. Indem er zu ihrem Leibwächter wurde.
„Entschuldige das ich störte, Lucien, aber wir müssen unbedingt reden.“ Meldete sich Emmanlines Stimme in seinem Kopf. „Ich habe etwas heraus gefunden.“
„Du störst mich nie, das solltest du mittlerweile wissen, Emmanline. Was hast du denn herausgefunden?“ War er neugierig.
Sie schien plötzlich still zu sein, als würde sie nachdenken. „Nicht so. Und du solltest dir überlegen, wenn wir jetzt reden, ob es nicht an der Zeit ist, andere mit hinzu zu beziehen. Das werden wir nicht alleine schaffen. Ich glaube ich habe deine beiden Großtanten gefunden und denen du vertraust, sollst du von dem Rubin erzählen. Du musst es nicht tun, aber ich habe das Gefühl, es ist langsam an der Zeit. Du stehst sonst vollkommen alleine da.“
Erst wollte er sagen, sie wäre bei ihm, aber sie hatte Recht. Auf Dauer wäre das keine Lösung und alleine würde er es auch nicht schaffen. Selbst nicht mit Emmanline zusammen. „Ich habe es verstanden. Ich werde darüber nachdenken. Aber als erstes verrätst du mir, was du heraus gefunden hast. Ich muss es wissen.“
Und dann tat sie es doch. Sie erzählte alles was sie wusste per Gedanken und er hörte ihr aufmerksam zu. Mehr konnte er ja auch nicht tun, so ununterbrochen wie sie redete und als würde sie schon fast außer Atem klingen. Dennoch hörte sie nicht auf und ihre Informationen, die sie anscheinend gesammelt hatte, schienen detailreich zu sein. Woher hatte sie die? Aber dennoch, sie gab sich die größte Mühe und er freute sich sehr darüber und das Einzige was er da machen würde, war, sie in seine Arme zu schließen.
Wenn es wirklich stimmte, was Emmanline da sagte, könnten sie seine beiden Großtanten Seena und Havanna finden. Auch wenn er wütend auf seine Großmutter war, weil sie Emmanline so schamlos ausgenutzt hatte.
Noch immer befand Lucien sich in seinem Arbeitszimmer, aber alleine. Seinen Onkel hatte er fortgeschickt, mit einem Auftrag, den er jetzt so schnell wie möglich ausführen sollte. Ohne Fragen zu stellen, war er auch einfach gegangen.
Doch als aller erstes, bevor er was machte, musste er zu Emmanline. Sein Innerstes sagte es ihm und er stürmte geradewegs zur Tür und riss sie regelrecht auf, aber kaum das er sich versah, stand sie auch schon vor ihm. Anscheinend wollte Emmanline genauso zu ihm, wie er zur ihr. Sie schien den direkten Weg zu ihm genommen zu haben. Darum hatte sie sich angehört gehabt, als wäre sie außer Atem gewesen, weil sie zu ihm gelaufen war.
Sein Herz machte einen Satz in der Brust, denn er freute sich darüber. Noch mehr, als sie sich jetzt in seine Arme warf und an ihn schmiegte. Er zog sie ins Zimmer und schloss sie fest in seine Arme. Er konnte sie nie wieder loslassen, so sehr wollte er sie haben. So sehr liebte er sie nun schon, was und wie oft er ihr das schon sagte.
Mit einem leidenschaftlichen Kuss nahm er ihre Lippen in Eroberung und gab sich dem ganz hin, wie sie selbst. Mehr als Hingabe und Leidenschaft existierte nicht zwischen ihnen und würde es auch nicht geben. Er würde von ihr auch nichts nehmen, was sie niemals wollte, sondern alles nur freiwillig, denn sie sollte es genauso genießen und Spaß haben, wie er auch.
„Lucien.“ Unterbrach sie den Kuss. „Nicht, dafür haben wir jetzt keine Zeit.“
Eigentlich müsste er beleidigt über ihre Worte sein, doch wenn er in ihr Gesicht sah und wie sehr sie weiter machen wollte, lachte er jetzt nur noch. „Ganz schön verletzend, aber für meine Küsse sind immer Zeit.“
„Nicht jetzt. Später.“ Lächelte sie etwas, während er sie immer wieder mit kleinen Küssen im Gesicht versah. „Ich muss dir unbedingt was erzählen und vorschlagen.“
„Vorschlagen?“ Unterbrach er seine wilde Knutscherei und blickte sie verwundert an. Doch sie lächelte ihn einfach nur weiterhin an. Was ging wieder in ihrem kleinen Köpfchen vor?
„Bist du dir da wirklich sicher, Emmanline?“ Fragte Lucien sie noch einmal nach gefühlter Stunde nach, obwohl so viel Zeit überhaupt nicht vergangen war, nachdem sie ihm alles erzählt hatte.
„Ich meine das vollkommen ernst, Lucien. Es wäre für dich eine Chance und Erleichterung. Es ist nur ein Vorschlag und ich finde, dass solltest du dir vielleicht nicht durch die Finger gehen lassen. Es wäre vermutlich ein kleiner Vorteil, mit all dem Wissen.“ Zuckte sie mir ihren Schultern.
Noch einmal ließ sich Lucien ihre Worte durch den Kopf gehen und vielleicht war es doch keine so schlechte Idee. Vielleicht hatte sie doch Recht und er könnte es zu seinem Vorteil nutzen und sich sogar gleichzeitig Erleichterung verschaffen. Dazu müsste er nur ein Gespräch führen.
„Ist gut, ich werde es in Betracht ziehen.“
„Wunderbar, mehr habe ich nicht verlangt.“
Diese Frau machte ihn schwach. „Langsam machst du mir Angst. Nicht das ich mich jetzt darüber freue, aber du bist so kooperativ und einsichtig. Zuvor wolltest du doch noch gar nichts mit allem zu tun haben. Ich war auch ziemlich erstaunt gewesen, als du mit Cyrill hier aufgetaucht bist und ihn als deinen Leibwächter vorgeschlagen hast. Zuerst war ich ziemlich überrumpelt, bis ich den wahren Grund erfahren habe, warum du das alles tust. Du hast Cyrill doch nur zu deinem Leibwächter genommen, weil du befürchtest, wenn ich endlich Arokhs Leben beende, dass Cyrill nicht mehr der sein wird, der er einmal war. Durch meine Wut habe ich zuvor nicht mehr daran gedacht, wie sehr sein Zwillingsbruder unter den Tod seines Bruders leiden würde.“ Schaute er sie einfach nur an, da sie auch so still geworden war. „Genau das schätze ich auch so an dir, Emmanline. Du tust Dinge, obwohl du es nicht tun musst, aber machst es trotzdem, weil es dir doch am Ende am Herzen liegt. Auch wenn du es nicht zu gibst, ich weiß es. Darum schätze ich auch deine Meinung und was du so denkst, weil es interessant ist, es zu hören. Deine Ideen und Vorschläge können in manchen Situationen hilfreich für mich sein, was ich umsetzen kann. Und wie ich manchmal, nein, öfters sehen kann, hast du jetzt mehr Spaß und lachst viel öfters. Das freut mich wirklich zu sehen.“ Lächelte Lucien ehrlich.
Emmanline schien ihn einfach nur anzustarren und im ersten Augenblick nichts sagen zu wollen. Oder sie überlegte was. Er konnte es nicht genau wissen, so unwissend waren ihre silbernen Augen.
„Wusstest du, dass Cyrill einundzwanzig Geschwister hat?“ Wechselte sie einfach so das Thema. „Sicher weißt du das, aber wie kann man überhaupt so viele Kinder zur Welt bringen? Dabei habe ich erfahren, es sollen noch mehr werden. Ich war da schon etwas schockiert gewesen. Bei deiner Anzahl von Geschwistern ist es schon eine Menge, aber das übersteigt alles. Doch was mich am meisten überraschte, Cyrill erzählte mir etwas über sich selbst. Je mehr mir jemand etwas über sich erzählt, je mehr habe ich das Gefühl wirklich zu jemanden dazu zu gehören. Auch wo wir im Dorf waren. Ich will mich bemühen all das zu beschützen, damit ich solange bleiben kann, wie es nur geht. Ich will niemanden schaden oder weh tun und habe es auch niemals vor. Mir ist es egal was andere über mich denken, solange es denen gut geht, die mir nahe stehen sollten und niemand soll ihnen weh tun. Dafür will ich sorgen. Dazu gehören auch die, die dir wichtig sind und nahe stehen. Wenn sie dir etwas bedeuten und verletzt werden, wirst auch automatisch du verletzt. Also muss ich auch für sie etwas tun, wenn ich kann. Außerdem ist Cyrill ein guter und ehrlicher Krieger. Er wird das tun, was er am besten kann.“
Jetzt wusste er, wo er bei ihr stand und es rührte ihn zu tiefst. Auch wenn sie es nicht zeigte, oder es nicht konnte, konnte er mit ruhigen Gewissen sagen, er bedeutete ihr etwas. Immerhin hatte sie es gerade zugegeben. Auch wenn es auf andere Art und Weise war. „Oder auch das Richtige.“ Lehnte er sich an seinen Schreibtisch und zog sie an sich, ohne das sie sich wehrte.
„Du musst ihm das jetzt alleine überlassen, Lucien. Es ist erst der Anfang.“
„Ja, vielleicht. Dafür danke ich dir.“
Reglos lag sie in seinen Armen. „Ich habe das auch etwas für mich selbst getan. Es war nicht gelogen, als ich gesagt hatte, ich würde gerne mal wieder ins Dorf gehen. Dort sind mir Personen begegnet, die ich wirklich gerne wieder besuchen würde, aber ich weiß, du würdest mich nie alleine gehen lassen. Doch ich kann dich nicht immer fragen, denn als König hast du viel wichtigere Aufgaben, als mich andauernd zu begleiten und zu beschützen, da Culebra nicht aufgeben wird. Auch wenn es mir widerstrebt andere in Gefahr zu bringen, weiß ich, ihr werdet nicht aufgeben.“
„Bedeutet das, du fängst langsam an mir zu vertrauen, dass ich das kann?“ Wollte er von ihr hören.
„Ich fange an.“ Schmiegte sie sich an ihn. „ Auch wenn es mir schwer fällt, aber ich will es versuchen, Lucien. Kann ich es?“
„Ja, kannst du. Du kannst mir vertrauen, das schwöre ich dir.“ Umarmte er sie noch fester. „Ich werde alles daran setzen, dass dir niemals etwas passieren wird. Niemals wird Culebra dich wieder in die Fänge bekommen. Schließlich gehörst du zu mir.“
„Du bist ganz schön besitzergreifend.“
„Das ist mir egal, solange ich weiß, dir geht es gut.“ Konnte er nicht genug von ihr bekommen. Er musste einfach ihre Nähe spüren. „Wie gerne ich hier noch mit dir alleine bleiben und in den Armen halten würde, aber ich glaube, wir müssen langsam los. Sie alle erwarten uns schon.“
Ungläubig schaute sie zu ihm auf. „Sie alle erwarten uns schon?“
„Ja, du hattest doch gemeint, es wäre an der Zeit, ich müsste reden und jetzt ist sie da. Als du mit mir mentalen Kontakt aufgenommen hast, war mein Onkel noch hier gewesen und als du mir dann doch erzählt hast was du herausgefunden hast, habe ich mir das ganze doch durch den Kopf gehen lassen und was du mir empfohlen hast. So habe ich Darius den Auftrag gegeben, er soll all die zusammenrufen, die ich ihm genannt habe. Durch die Aktion mit der heiligen Ruhestätte, müssten noch alle hier versammelt sein.“ Lächelte Lucien breit, aber Emmanline war verblüfft.
Nach kurzen Zögern, fragte sie anscheinend dann doch. „Wen hast du alles versammelt?“
„Ich finde es richtig, wenn ich schon über den geheimen Fluch rede, das der Rat es wissen sollte. Er hätte es von Anfang an wissen sollen. Und da ich auch nicht besonders alleine dastehen will, werde ich meine Familie De la Cruise hin zu ziehen. Malatya vielleicht ausgeschlossen, weil sie noch zu jung ist. Da mein Bruder Raiden noch nicht zurück gekehrt ist, muss ich das bei ihm auf später verschieben.“ Wo er hoffte, das ihm nichts geschehen war. Noch immer hörte er von ihm kein sterben Wörtchen. Er konnte noch nicht einmal mentalen Kontakt zu ihm aufnehmen. Nun konnte er nur großes Vertrauen in seinen großen Bruder setzen und dessen Erfahrung.
„Dann soll ich dich begleiten?“ Riss Emmanline ihn aus seinen tiefen Gedanken.
„Natürlich begleitest du mich. Immerhin betrifft es dich auch und du hast dich schließlich bereit erklärt, den blutroten Rubin zu hüten. Du bist eine Hüterin, schon vergessen?“
„Nein, ich habe es nicht vergessen. Auch wenn sie nicht begeistert sein werden?“ Wollte sie wissen.
Mit einem Lächeln entgegnete er ihr. „Auch wenn sie nicht begeistert sein werden. Darum werde ich mich kümmern, mache dir da mal keine Sorgen. Lass uns gehen, sie warten alle im Ratssaal auf uns.“ Löste Lucien sich auch nur ungern von Emmanline, aber es musste sein.
Gerade wollte er zur Tür gehen, als er aufgehalten wurde, indem Emmanline ihn am Ärmel packte. „Warte einmal Lucien. Wäre es möglich, wenn ich zu dieser Sitzung drei weitere Personen vorschlagen würde?“ Wurde ihr Griff fester, als wirke sie unsicher die Frage gestellt zu haben.
Verwundert blickte er sie an. „Kommt drauf an, wen du mir vorschlagen würdest. Wen hast du im Sinn?“
„Cyrill und seine Eltern.“ Platze sie einfach damit heraus und langsam wunderte es ihn nicht mehr, wenn sie mit ihren Einfällen kam.
„Warum ausgerechnet die? Ich meine, bei Cyrill könnte ich es noch nachvollziehen, aber bei seinen Eltern?“ Verschränkte er seine Arme vor der Brust, da er schon eine Erklärung haben wollte.
„Ja, bei Cyrill mag es einfach sein, weil er ein sehr guter Freund von dir ist, aber wenn er ab heute mein Leibwächter ist und auch ein treuer Gefährte, dann sollte er schon Bescheid wissen. Ich kann vor ihm keine Geheimnisse haben, wenn es dann auch um dich geht. Vor allem, wenn ich was herausfinde und er dabei ist.“ Was für ihn ein gutes und klares Argument war. „Bei seinen Eltern ist es auch einfacher. Cyrills Mutter ist eine erfahrene Kriegerin und Charia sehr ähnlich. Sie hat etwas an sich, was interessant ist. Was Hal, Cyrills Vater angeht, er hat das alte Wissen und die alte Seelen in sich. Er könnte durchaus auch eine Hilfe sein.“
Nun wurde es interessant. „Alte Seelen in sich?“
„Ja. Wusstest du nicht, Hal gehört einer zu den seltenen Seelen, die zwar wie jede andere Seele wieder geboren werden kann, aber das Wissen und Erfahrung, was sie ansammeln, stets behalten. Ihre Erinnerung bleibt. In Hal steckt ein Jahrtausend alte Seele, die wer weiß wie viele Wiedergeburten hinter sich hat.“
Davon hatte er absolut nichts gewusst. Das bedeutete, Hal war mehr als eine normale Seele in einem Körper. Wenn er immer wiedergeboren wurde und mit dem gleichen Wissen, wo stets mehr hinzu kam, musste es jetzt enorm sein. Er wusste so schon, Hal war ein kluges Köpfchen und hatte viel Wissen, aber das es so war, damit hatte er nicht gerechnet.
Alles war doch für neue Überraschungen gut. Doch, warum wusste er so was wichtiges nicht? Hatte sein Vater das gewusst?
„Gut zu wissen.“ Wurde sein Blick finster, schnappte ihre Hand und zog sie hinter sich her, als er das Zimmer verließ.
Jetzt verstand er auch noch etwas anderes, was Emmanline gemeint hatte. Genau da sollte er sich was zu Herzen nehmen.
„Verflucht nochmal, Mutter, lass mich mit dem ganzen Mist in Ruhe. Ich will von dem ganzen Scheiß nichts mehr hören. Wie oft muss ich dir noch sagen, dass es meine alleinige Entscheidung ist? Ob es dir nun passt oder nicht, ich werde Emmanlines Leibwächter bleiben. Auch wenn du es nicht verstehen wirst. Außerdem weißt du nur zu gut, wenn ich ein ehrbares Versprechen abgegeben habe, das ich nicht mehr zurück kann. Meine sogenannte Ehre lässt es nicht zu, bis mein Auftrag erfüllt ist.“ Verschränkte Cyrill ehrgeizig und trotzig seine Arme vor der Brust, als er schon wieder eine Diskussion mit seiner Mutter hatte, die ihn einfach nicht in Ruhe lassen konnte.
Sie hatte ihn ja einfach noch einmal aufsuchen müssen und in die verdammte Bibliothek schleifen müssen, wo sein Vater sich befand. Ihn schien es aber kaum zu kümmern, das wieder einmal einer seiner Kinder mit seiner Mutter stritt. Kein Wunder, es war schon etwas normales und an der Tagesordnung. Schließlich ließ sie ihre Brut nie in Ruhe.
„Wie redest du überhaupt mit mir?“ Protestierte seine Mutter, die entsetzt mit dem Fuß aufstampfte. „Du wirst es schon merken, wenn es zu spät ist. Und warum sagst du nicht mal was dazu, mein Lieber?“ Stemmte sie ihre Fäuste wutentbrannt in die Hüften.
Sein Vater saß noch immer unbeirrbar und hochkonzentriert mit alter Feder, Tinte und Papier am Tisch und schrieb, wie immer, wichtige Dinge auf. Er fragte sich, woher sein Vater stets die unendliche Geduld aufbrachte. Allein bei der Lautstärke und Aggression in der Luft, könnte er sich niemals konzentrieren, aber sein werter Herr schon.
„Lass ihn doch einfach, Rennie. Wenn er es doch unbedingt möchte, soll er es machen. Dein Sohn ist alt genug seine Entscheidungen alleine zu treffen, wie er es sagt. Er wird schon wissen was er tut und wenn muss er die Konsequenzen alleine dafür tragen.“ Schaute er kein einziges Mal auf, sondern tunkte hin und wieder die Federspitze in die schwarze Tinte.
Gerade wollte seine Mutter etwas erwidern, als es an der Tür klopfte und auch sofort geöffnet wurde. Plötzlich standen dort Lucien und Emmanline.
„Was streitet ihr euch denn wieder? Fängt es wieder an, wenn ihr wieder in einem Raum seid? Wird sich das je ändern, Rennie?“ Lächelte Lucien und verschränkte seine Arme vor der Brust. Er nahm den ganzen Raum mit seiner Autorität als König ein.
„Mein König, das ist nur eine kleine Diskussion in der Familie. Nichts besonderes, was nicht gelöst werden kann.“ Antwortete seine Mutter, die am Fenster in der Bibliothek stand.
„Gut, ich will mich nirgendwo einmischen müssen.“
Da wusste er, dass Lucien mehr wissen musste, als er zu erkennen gab. Der König wusste, seine Mutter hatte was gegen Emmanline, aber er unternahm nichts. Er musste etwas gehört haben. Doch er unternahm nichts.
„Nein, müsst Ihr nicht, mein König. Sie werden es wie immer vernünftig regeln.“ Legte sein Vater zum ersten Mal seine Feder zur Seite und schaute auf. „Doch was beehrt uns Euer Besuch?“
„Ich habe euch drei gesucht und gut das ihr alle zusammen seid. Das erleichtert meine Suche.“ Fing Lucien an, denn auch Cyrill war neugierig, was sein Freund wollte. „Ich will das ihr mich und Emmanline zu einer wichtigen Sitzung begleitet. Fragen werden dort beantwortet.“
Für Cyrill war es eindeutig und er gehorchte seinem König. Sein Vater folgte ihm, aber seine Mutter schien noch zu zögern, als sie gehen wollten. Aber anscheinend tat sie doch das was ihr geraten wurde. Irgendwas war hier im Gange, denn Lucien war am Ende plötzlich so ernst geworden. Etwas muss was passiert sein und es war nichts erfreuliches.
„Wir wollen endlich wissen, warum wir hierher kommen sollten?“ Wollte Darco etwas angesäuert wissen, was Darius ihm nicht verübeln konnte.
Aus heiterem Himmel sollte er für Lucien alle Ratsmitglieder versammeln und seine Geschwister ebenfalls. Nun waren sie alle in einem Raum und er tauchte noch immer nicht auf, wobei sie ungeduldiger wurden, je länger er verschwunden blieb. Dabei schien sein Neffe so gedrängt zu haben und als er in seinem Arbeitszimmer mit ihm gewesen war und ihn auch darum gebeten hatte, all diese Personen in einen Raum zu versammeln, hatte er was in Luciens Gesicht gelesen, was ihn zu keinen Widerwort oder Gegenfrage gedrängt hatte. Er war einfach nur gegangen und hatte seinen Auftrag erfüllt. Irgendwas musste passiert sein und es war von höchster Wichtigkeit.
„Lucien wird sicher gleich hier auftauchen und da könnt ihr ihn selbst fragen. Ich sollte euch alle hier nur versammeln, mehr weiß ich auch nicht.“ Antwortete Darius und am liebsten hätte er auf geseufzt.
„Das hast du vor einer halben Stunde auch schon gesagt.“ Knurrte Terrador.
„Du übertreibst gewaltig, Terrador. Das waren gerade mal zehn Minuten. Mein Bruder wird schon gleich auftauchen, wenn Darius es sagt. Er wird es nicht umsonst getan haben. Oder hast du was viel dringenderes zu tun?“ Erklang Hohn in der Stimme von Charia, die Schwester von Lucien und Befehlshaberin einer Garnison von Elitedrachen. Die es auch mal wieder nicht lassen konnte.
Jeder hier im Raum wusste, worauf Charia ansprach, denn Terrador vertrieb sich gerne die Zeit mit Huren und das nicht zu knapp. Als Ratsmitglied vermied er es, dass es an die Öffentlichkeit kam, aber jeder hier wusste es, wie vergnüglich er doch war. Praktisch war er doch die männliche Hure hier.
„Du wagst es mich zu verspotten?“ Fauchte Terrador zurück.
„Oh, keinesfalls, Herr Ratsmitglied.“ Lächelte Charia. „Ich warte genauso auf meinen König, wie Ihr auch.“
„Hört auf euch zu streiten. Das ist kein richtiger Zeitpunkt. Was auch immer es ist, Darius sollte uns nicht umsonst hierher bestellen. Unser König will mit uns reden und wir werden hier warten.“ Versuchte Tarana den Streit zu schlichten, bevor einer entstehen konnte.
Genau in diesem Augenblick öffnete sich die Tür und Lucien betrat den Ratssaal. Sein Gesichtsausdruck zeigte keine Gefühlsregung, so starr war sie. Neben ihn Emmanline, die genauso ausdruckslos war. Seit sie den Raum betreten hatten, war es unglaublich still geworden, als könnte man eine Stecknadel fallen hören. Lucien wusste langsam wie er seine Autorität Ausdruck verleihen musste, wenn er einen Raum betrat, denn seine Macht schien das ganze Zimmer zu erfüllen. Es war mörderisch.
Auf einmal entdeckte er hinter den beiden noch drei weitere Personen. Es waren Hal, Cyrill und Rennie. Was suchten die denn hier? Wurden sie auch mit eingeladen? Es scheint, das die Runde immer größer wurde. Was war hier nur los?
„Sieht so aus, als wären wir jetzt alle versammelt.“ Sagte Lucien lautstark, als die Tür ins Schloss gefallen war und in die Runde geblickt hatte.
Auch wenn es für Emmanline jetzt ein großer Schritt werden würde, aber das hier würde sie durchstehen. Mit Lucien zusammen. Sie musste sich immer nur in Erinnerung rufen, dass sie auch nicht alleine war. Nicht mehr. Selbst wenn unzählige Augenpaare auf sie gerichtet waren. Das würde sie schon schaffen.
Eine große warme Hand legte sich auf ihren Rücken und sie blickte zu Luciens Gesicht auf. Mit einem Nicken gab er ihr zu verstehen, sie könne nach vorne gehen und sie ging neben ihn an vorderster Front. Es mochte missbilligte Blicke einbringen, aber davon konnte sie sich nicht abbringen lassen. Schließlich hatte sie nun eine Aufgabe, die sie erfüllen musste. Egal wie wütend andere auf sie sein mochten. Egal aus welchen Grund.
Hier im Raum waren wirklich viele. Sie erkannte alle Geschwister von Lucien wieder. Alle waren hier, außer Malatya und Raiden. Sogar Alastar war hier, der sie mit eiskalten Augen an funkelte, was ihr eine Gänsehaut versetzte.
Selbst alle Ratsmitglieder, die sie beim letzten Treffen alle zum ersten Mal kennen gelernt hatte, waren ebenso hier. Anscheinend waren das alles Personen, denen Lucien zu vertrauen schien, sonst wären sie nicht hier. Anders konnte es nicht sein.
„Bevor wir mit unserer Besprechung anfangen,...“ Setzte Lucien an. „...verlange ich von jeden einzelnen einen Treueschwur.“
Erst beherrschte Totenstille nach Luciens Worten den Raum, dann war entsetztes Rufen, was die Luft durchschnitt.
„Wie bitte, wir sollen was? Einen Treueschwur?“
„Warum sollen wir einen ablegen?“
„Vertraust du uns etwa nicht mehr, das du jetzt einen Treueschwur von uns willst?“
Immer mehr Stimmen erhoben sich und sie konnte beinahe nicht mehr zuhören und zuordnen, so durcheinander sprachen sie. Es war alles zu schnell, aber sie konnte deutlich spüren, wie sich der Druck im Raum aufbaute.
„Liegt es an dieser Elfe? Hat sie dir etwas eingeredet?“
„Ja, vielleicht liegt es an ihr.“
Oh je, jetzt geben sie mir die Schuld dafür, was Lucien eigentlich will.
Mit einem lauten Knall donnerte Lucien seine Faust auf den Tisch, das er beinahe auseinander brach. Das erschreckte selbst sie, was sie zusammenzucken ließ. Sie konnte seine Wut greifbar spüren.
„Schluss jetzt.“ Schrie Lucien. „Lasst Emmanline daraus. Sie hat damit nichts zu tun.“ Knurrte er in die Runde, da er am Kopfende des langen Tisches stand, wo sie alle dran saßen. Sein Gesicht war Finster, aber seine Augen glühten. „Es ist mein gutes Recht als König zu verlangen, wenn an mir Verrat begangen wurde, einen Treueschwur von meinen eigenen Leuten zu verlangen. Ihr alle habt meinen Vater einen Treueschwur abgegeben, aber nicht mir gegenüber, also seid ihr am Ende zu gar nichts verpflichtet. Da ich aber der neue König bin, bedeutet das ich das Recht habe, das von euch zu verlangen. Natürlich müsst ihr das nicht tun, was euer Recht ist, aber entzieht auch einige eurer Rechte.“
Was hat er vor?
Alle schienen entsetzt über Luciens Umschwung zu sein, denn niemand rührte sich. Außer wenn sie jetzt in Darius Gesicht schaute, der seine Augen geschlossen hatte, als hätte er irgendwann damit gerechnet.
„Egal was heute und hier passiert, das alles hat was zum Zwecke und zum Wohl unseres Volkes zu tun, aber wenn ihr andauernd Gründe finden wollt es auf andere zu schieben, dann tut es, aber nicht hier. Dafür habe ich keine Zeit.“ Sein Ton eisig und seine Worte ausdrucksstark, das er kein Widerspruch duldete.
Da stand Darius auf und erhob als erstes das Wort. „Ich habe dir vor kurzen schon einmal meinen Treueschwur gegeben und werde dir jetzt noch einmal vor allen einen abliefern. Ich stehe zu meinen Worten und zu meinem Volk, wie zu meinem Versprechen.“ Trat Luciens Onkel nach vorne und ging vor dem König auf die Knie und legte genau den gleichen Schwur ab, den er in Luciens Arbeitszimmer aufgesagt hatte. Vor allen Anwesenden in diesem Raum. Nur noch Schweigen herrschte hier, als sie das Geschehen verfolgten.
Danach bekräftigte Lucien Darius Worte nur noch und Darius stellte sich an Luciens Seite, als wollte er bezeugen, er stünde auf seiner Seite, sollte irgendwas passieren. Als würde es noch zu einer heiklen Situation kommen.
„Auch ich habe zuvor schon Lucien einen Treueschwur abgegeben und werde ihn erneut bekräftigen.“ Rückte erneut ein Stuhl nach hinten und Cyrill war aufgestanden, der nun nach vorne kam und vor Lucien auf die Knie ging und den Schwur abhielt. Danach stand er ebenso neben dem König.
„Was, Cyrill?“ Konnte Emmanline die Stimme von Cyrills Mutter hören, die etwas verwirrt aussah.
Kurz darauf folgten die Geschwister von Lucien. Selbst aus unerklärlichen Gründen Alastar, womit selbst sie nicht gerechnet hätte. Aber anscheinend waren Familienbande stärker als alles andere, denn kaum darauf folgte auch das Ratsmitglied Lyndiana, die Schwester von der verstorbenen Königin Rhivanna. Auch die Ratsmitglieder Tarana und Saphira schienen den Treueschwur abzulegen.
Dann blieben nur noch sieben übrig und sie blickte in die Runde, wobei ihr Blick bei Hal stehen blieb, der seine Augen aus unerklärlichen Gründen auf sie gerichtet hatte. In seinen Augen stand etwas, was sie zu lesen versuchte und dann nickte sie leicht. Ohne genau zu wissen warum, aber irgendwie verstand sie ihn ohne Worte, denn kaum dessen stand Hal auf.
„Auch ich werde meinem König die Treue schwören. Komme was da wolle, aber es ist zum Wohle unseres Volkes und ich vertraue euch, mein König.“ Kam Hal um den Tisch herum nach vorne.
„Aber Hal.“ Wirkte seine Gefährtin noch verwirrter.
„Wir müssen es tun, Rennie. Wir sind es unserem König schuldig, ihm unsere Treue zu schwören. Alleine schon Arokh gegenüber, welche Tat er begangen hatte. Er wird immer unser Sohn bleiben, egal was sein wird und unser König wird uns das nie nachhängen, wofür wir ihn dankbar sein sollen. Vor allem, das er uns immer noch so ein Vertrauen entgegen bringt, wie jetzt. Glaubst du, wir wären sonst noch hier, obwohl unser Sohn einen solchen Verrat begangen hat? Tue es einfach, Vahdin.“
Verbissen schaute Hals Gefährtin drein, als er zu ihr sprach, stand aber ebenfalls auf und trat nach vorne. Gemeinsam hielten sie den Treueschwur ab. Ohne zu zögern, obwohl diese Rennie am Anfang etwas dagegen zu haben schien, was sich vermutlich geändert hatte.
Obwohl es für die Anwesenden seltsam sein musste, das ihr König ein Treueschwur von ihnen abverlangte, so verstand sie ihn. Lucien ging auf ein Risiko ein, was seine Vorgänger nicht getan hatten und wenn es schief ging, wäre es vermutlich ihre Schuld. Das ganze musste klappen, weil es der richtige Weg und die richtige Entscheidung war. Lucien konnte nicht alles alleine bewältigen. Egal was kommen würde, er würde Hilfe brauchen.
„Na, was ist los? Vorhin hattet ihr doch noch so große Klappe gehabt, das ihr lange warten musstet. Jetzt seid ihr es, die das ganze raus zögert.“ Warf Charia ein, weil es plötzlich still geworden war.
„Ich tue es für das Volk.“ Wandte sich schließlich Messuria, das Ratsmitglied aus Polarius ein. „Ich schwöre dir meine ewige Treue.“
„Auch ich werde es tun.“ Vermerkte Darco, das zweite Ratsmitglied aus Polarius.
Beide schworen vor dem König den gleichen Schwur und alle wussten jetzt zu genau, das die beiden letzten Mitglieder des Rates genau folgen würden, was sie genausten taten. Ihr Stolz und Ego ließen es nicht zu und verneigten sich. Allein schon taten sie es dem Volk gegenüber. Sie taten es für die Sicherheit und Schutz. Wenn das der Grund war, sollte es für den Anfang genügen. Genau das würde Lucien auch denken, das wusste sie.
„Gut, da wir das jetzt geklärt haben, kommen wir zum eigentlichen Grund unserer eiligen Sitzung, die ich habe so schnell veranlassen lassen. Setzt euch alle wieder.“ Machte Lucien eine Geste zu den leeren Stühlen am Tisch.
Lucien und Emmanline waren die Einzigen die am Tisch standen. Als nun alle saßen und schweigend darauf warteten, das ihr König sprach. Da bemerkte sie, er hatte für einen Augenblick die Augen geschlossen, als würde er sich sammeln oder die Worte zurecht legen. Sie hatte ja gewusst, es würde nicht einfach für ihn werden.
Sanft legte Emmanline eine Hand auf Luciens Unterarm. „Soll ich vielleicht beginnen?“
Lange schaute Lucien sie an und gab sich einverstanden, auch wenn er der König war und das Wort erheben musste. Doch sie würde ihm die große Entscheidung und Verantwortung nicht abnehmen. Sie würde ihn lediglich nur unterstützen, wie sie es ihm versprochen hatte.
„Bevor ihr Fragen habt, lasst mich aussprechen.“ Richtet sie ihre Worte an alle Anwesenden in diesen Raum. „Ihr alle wisst mittlerweile, warum ich eigentlich hier bin. Warum Lucien mich hier behält. Zu Beginn habe ich ein Teil aus sein Hort entwendet und er hatte mich stattdessen gefangen genommen, was alles ja kein Geheimnis mehr ist. Nun sind die Gründe weit mehr als das, aber darauf will ich nicht hinaus. Worauf ich hinaus will, auch ich wusste damals nicht, welchen Schatz ich Lucien damals entwendete.“
„Dennoch hast du ihn gestohlen und du bist noch immer am Leben. Normalerweise stirbt jeder gleich, der etwas aus einem Hort von einem Drachen klaut.“ Meinte das Ratsmitglied Volteer.
„Ja, es stimmt. So ist es bei euch Drachen und ihr tötet sofort. Doch fragt ihr euch nicht, warum sollte ich so dumm sein, jemand wie ich, die ihr ganzes Leben unter der Tyrannei von Culebra verbracht hatte, einen Feuerdrachen bestehlen wollen? Wäre es nicht klüger für mich, ein Leben zu führen, Abseits von euch Drachen? Eine Welt, wo ihr nicht existiert? Genau das hatte ich nämlich vor gehabt. Ich war auf der Flucht gewesen und ich wusste, ich war in der Nähe von einem Drachen und musste auf der Hut sein. Durch mein Wissen konnte ich das Gebiet gut durchqueren, aber dann auf einmal bin ich mit einem Schatz auf der Flucht und ratet mal vor wem?“ Gab sie allen eine kleine Gedenkpause. „Ich war auf der Flucht vor einem Drachen und es war niemand anderer als Lucien, euer König. Ich nehme es ihm nicht mehr übel, weil jetzt zu vieles geschehen ist. Doch habe ich mir viele Gedanken gemacht, warum ich gerade etwas von Lucien entwendet habe. Warum gerade ihn? Warum habe ich keine Erinnerung mehr daran?“
„Hast du den Grund dafür gefunden?“ War es Lya die fragte.
Einen kurzen Augenblick schaute sie die Schwester von Lucien an. „Ja, habe ich. Vor kurzem und ich war nicht begeistert darüber gewesen. Es wird euch überraschen oder auch verwirren, aber mehr zu einem späteren Zeitpunkt. Ich will euch den Schatz zeigen, den ich eigentlich aus Luciens...“
„Er ist noch in deinem Besitz?“ Entsetzen verbreitet sich.
„...Hort entwendet hatte.“ Ignorierte sie einfach die bissigen Kommentare. Emmanline hob etwas ihre Hand und öffnete ihre Handfläche. Nur ein einziger Gedankengang und der blutrote Rubin erschien auf ihrer Handfläche. Blutrot erstrahlte der Rubin und Staunen erfüllte den Raum.
„So etwas wertvolles und schönes ist noch in deinen Besitz?“
„Mein König, warum lässt du das zu?“
„Weil sie darauf aufpasst.“ Antwortete Lucien darauf. „Ich habe sie darum gebeten.“
Jetzt herrschte Totenstille, aber dann riefen ein paar Mitglieder des Rates durcheinander.
„RUHE JETZT!“ Schrie Lucien durch den Raum, sprach aber dann in gemäßigten Ton weiter. „Zu Anfang war ich genauso wenig begeistert darüber gewesen, wie ihr, aber ich habe es mir nicht ausgesucht, sondern der Rubin selbst hat es getan. Er hat sich Emmanline ausgesucht. Der Rubin akzeptiert keinen anderen Träger.“
„Keinen anderen Träger?“
„Das bedeutet, kein anderer kann diesen Rubin nehmen. Emmanline ist die Einzige die ihn tragen kann und akzeptiert.“ Beantwortete Lucien die Frage.
„Ich habe diesen Rubin schon einmal gesehen.“ Mischte sich Darius ein. „Bei deinem Vater, als ich ihn einmal besucht habe.“ Starrte sein Onkel auf den Rubin, als hoffte er etwas darin sehen zu können. „Er hatte ihn die ganze Zeit nur angestarrt und ein einziges Mal gesagt, wie kann etwas so wunderschönes so gleichzeitig grausam schlecht sein, das es so verflucht ist. Danach habe ich diesen Rubin in seinen Besitz nie wieder gesehen.“
„Welche Zeit war das gewesen?“ Wollte Lucien wissen.
„Kurz bevor Verrat an deinem Vater begangen wurde.“
„Da hat Vater ihn mir gegeben. Da hättest du ihn auch nicht wieder sehen können. Er musste was geahnt haben, das seine Zeit vorbei sein würde. Darum hatte er ihn mir damals gegeben, aber ich verstehe immer noch nicht, warum er mir damals nichts gesagt hatte. Ich hätte es verstanden.“ Knurrte Lucien leicht.
„Lucien, das spielt keine Rolle mehr. Es ist nicht mehr zu ändern.“ Versuchte Emmanline ihn zu beruhigen. Sie konnte ihn verstehen, wie verletzt er sich von seinen Vater fühlte, das er ihm damals nichts anvertraut hatte. Doch man konnte es nicht mehr ändern. Vielleicht war alles noch nicht soweit gewesen.
„Was meinst du, mit nichts gesagt? Was hätte Vater dir sagen sollen?“ Wandte sich Charia ein.
Emmanline schüttelte mit ihrem Kopf und schloss kurz ihre Augen. „Es ist nicht nur euer Vater, der nichts gesagt hatte. Es sind auch Generationen davor, die euch was verschwiegen haben. Das geht Jahrtausende zurück und ich bitte euch hiermit, macht Lucien nicht dafür verantwortlich. Aus diesem Grund, habe ich ihn darum gebeten, diese Sitzung zu führen, damit ihr alle eine Lösung für alles findet. Gemeinsam sollt ihr Wege finden und auch ich werde versuchen meine Hilfe anzubieten, wie ich schon zu Lucien gesagt habe. Alleine wird er das niemals schaffen.“
„Emmanline.“ Packte Lucien sie an den Oberarmen. „Was soll das? So war das nicht vereinbart.“
„Nein, war es nicht, aber ich werde nicht zulassen, wie sie dich respektlos behandeln. Zu mir können sie sagen was sie wollen, aber das hast du nicht verdient. Du gibst dir die größte Mühe, weil du alles für dein Volk tust. Entweder du sagst es jetzt endlich, oder ich werde es tun. Wir haben darüber gesprochen. Das Stillschweigen muss ein Ende haben. Sie haben ein Recht darauf.“ Starrte sie ihn an.
Mit einem Knurren ließ er sie los. „Ja, ich weiß es ja.“ Fuhr er sich entnervt durch die Haare und wandte sich an die Versammelten. „Emmanline hat Recht. Worauf sie hinaus will, ist, das seit Jahrtausenden ein Fluch auf unser Volk lastet. Ich habe es auch erst kurz vor dem Tod von Mutter erfahren.“
„Wie ein Fluch?“
„Das muss ja ein mächtiger Fluch sein, wenn man ein ganzes Volk damit treffen will. Wie soll das denn gehen? So ein Unsinn.“ Machte sich Unglauben in der Runde breit.
Lucien seufzte schwer auf. „Emmanline, würdest du das vielleicht erklären? Vermutlich könntest du das besser als ich. Immerhin siehst du ja alles.“
Ein kleines Lächeln reichte ihm als Antwort und sie nickte ihm leicht zu. „Es ist ein Fluch, wie Lucien es angedeutet hatte und auch die damalige Königin hatte mit mir ein Gespräch geführt, bevor sie gestorben war. Sie hatte mir etwas über diesen Fluch erzählt und wie furchtbar er wäre. Es hat mit diesem blutroten Rubin zu tun und alle Seelen die sterben, werden darin gefangen gehalten und kommen nicht ins heilige Reich, wo eure Seelen normalerweise hinkommen. Dabei ist es euch und eurer Ehre so wichtig genau dorthin zu kommen. War es schon immer und ihr würdet niemals dort sein, wo ihr mit euren Liebsten zusammen sein könntet. Niemals.“
„Das ist ja schrecklich.“ Hörte sie Lyas besorgte Stimme.
„Wenn das stimmt, was kann man dann dagegen tun?“ Hörte sie nun Jade ernst.
„Das ist eine Theorie der früheren Generationen, die ich zum Teil zustimme.“ Meinte Emmanline.
„Was hast du herausgefunden?“
Emmanlines Blick wurde ausdruckslos. „Jemand hier in dieser Runde hatte es vor einer längeren Zeit schon heraus gefunden, aber noch nicht bemerkt, was und aus welchem Grund dies geschieht. Dieser Fluch bewegt sich unter euch lautlos weiter. Ihr spürt und hört ihn nicht. Ihr tragt keine Verletzungen davon und blutet nicht. Ihr verspürt rein gar nichts, Dennoch schadet er euch unaufhaltsam. Die einzige Person die davon weiß, ist Ratsmitglied Tarana. Ihr habt alles in der Form eines Briefes geschrieben. Ihr habt es mitbekommen und die Sorgen dem König berichtet, die ihr entdeckt habt. Nicht wahr?“
Entsetzt blickte die wunderschöne Heilerin, mit ihren hochgesteckten Haaren, Emmanline an, die starr geworden war. Und bleich dazu. „Unmöglich, das kann nicht sein. Das soll ein Fluch sein?“ Weiteten sich ihre Augen immer weiter.
„Wovon redet ihr?“
„Und welcher Brief?“
Wurden immer mehr Fragen gestellt.
„Erzähle ihnen von Euren Brief. Alle sollen es hören.“
„Mein König?“ Schaute Tarana Lucien an, denn sie durfte darüber nicht sprechen.
„Du hast meine Erlaubnis zu sprechen, Ratsmitglied Tarana.“ Nickte Lucien. „Keine Geheimnisse mehr.“
Danach erzählte Tarana alles was sie im Brief geschrieben hatte und ihrem König zugeschickt hatte. Es fiel ihr nicht leicht über die fehlenden Geburten zu sprechen. Es fehlten einfach die Kinder und es schockierte alle. Niemand konnte das Ausmaß ausmachen und was noch auf sie zukommen würde. Oder gar auf die Zukunft.
„Doch was können wir dagegen tun? Unser Volk wird aussterben, wenn unsere Frauen keine Kinder mehr zur Welt bringen.“ Wurde sich aufgeregt.
„Wir müssen jetzt Ruhe bewahren.“ Versuchte Emmanline sie zu beruhigen.
„Das musst du gerade sagen, dich betrifft das nicht. Du gehörst ja nicht zu uns.“
Da wurde erneut auf den Tisch gehauen, aber nicht nur eine Faust landete darauf. Sondern gleich mehrere. Lucien, Cyrill, Darius und einige seiner Geschwister schienen nicht sonderlich über diesen Satz begeistert zu sein. Irgendwie freute sie das etwas und es machte ihr Herz auch etwas leichter, weil es welche gab, die sie verteidigten.
„Wage es noch einmal so etwas zu sagen, sie gehöre nicht zu uns, und du fliegst in hohen Bogen raus.“ Brüllte Lucien wutentbrannt. „Sie versucht uns hier zu helfen und ihr seid hier undankbar. Lasst sie doch verdammt noch einmal ausreden, bevor ihr die Klappe zu weit aufreißt. Langsam kann ich mir das nicht mehr mit anhören. Hin oder her mit der Vereinbarung.“ Knurrte er die letzten Worte nur leise.
„Ok, jetzt beruhigen wir uns alle wieder.“ Atmete Emmanline einmal auf. „Kommen wir zum eigentlichen Thema zurück. Da wir jetzt wissen, was dieser Fluch eigentlich verursacht, kommen wir noch einmal zu diesem Rubin zurück.“ Der noch immer in ihrer Hand lag. „Dieser soll ja eigentlich als eine Art Gefängnis dienen, aber ich habe herausgefunden, das es nicht stimmt. Es ist der Fluch selbst, der die Seelen irgendwo gefangen hält. Für mich hat der Rubin lediglich so eine Art Schlüssel herausgestellt. Am Anfang habe ich es nicht ganz verstanden, aber allmählich verstehe ich es. Angefangen hat es mit eigenartigen Träumen, aber es stellte sich schnell heraus, das sie mehr Real, als Fantasie waren.“
„Wie meinst du das? Was hast du gesehen?“ War es nun Hals Stimme, die sie hörte. Es wunderte sie nicht, das sie nun gerade ihn hörte.
„Als erstes erwachte ich in einem Flammenmeer auf, aber es verbrannte mich nicht. Da stand inmitten ein ausgetrockneter riesiger Baum, der trotzdem in die Höhe wuchs, je näher ich kam. Ich dachte, dies könnte nicht sein. So was kann in einem Meer von Feuer niemals existieren, aber dennoch war es so. Eigentlich wollte ich von dieser Hölle wieder weg, fühlte aber, als würde mich etwas magisch zu dem Baum hinziehen. Kaum das ich den Baum berührte, weinte der er blutige Tränen. Ab da an verband mich etwas mit diesem Baum und ich war öfters dort. Ich beschloss heraus zu finden, warum ein ausgetrockneter Baum inmitten eines Feuermeeres stand. Ich fand es auch heraus und noch etwas mehr. Ich sah und sehe vieles mehr, was euch vielleicht erschrecken wird oder ihr auch nicht verstehen werdet. Aber es kann euch vielleicht helfen.“
„Und was ist es?“
„Dieser Baum, der dort in diesem Meer aus Feuer steht, ist nichts anderes, als der Lebensbaum der Drachen. Der blutrote Rubin ist aus dem reinen Blut der Drachen hergestellt und verbindet etwas mit dem Baum. Euer Lebensbaum ist am Sterben und er schreit nach Hilfe. Darum weint er auch blutige Tränen und es tobt ein brennendes Feuermeer um ihn herum. Der Baum kann nicht verbrennen, aber er kann sterben, wenn er nicht mit Leben gefüllt wird. Er braucht die Seelen der Drachen und die fehlen ihm. Solange dieser Fluch existiert, kann es keine Wiedergeburten geben und es gibt auch keine Geburten und Kinder. Wer auch immer diesen Fluch ausgesprochen hat, muss sich etwas dabei gedacht haben und sehr große Macht besessen haben.“
„Ist das dein Ernst?“ Wollte einer wissen.
„Ich meine das alles vollkommen ernst. Ich habe auch zu eurem König gesagt, ein Volk hat eine gewisse Anzahl an Seelen und wenn sie bis dahin verbraucht ist, ist Schluss. Warum glaubt ihr, stirbt jemand und jemand neues wird geboren? Ein altes Leben vergeht und ein Neues entsteht. So ist das, aber irgendwann sind die Grenzen erreicht. So wird das im jeden Volk sein. Nur bei euch Drachen werden die Seelen gefangen gehalten und nicht einfach wiedergeboren, wie es normalerweise sein sollte. Jemand will euer Volk auslöschen und das hat jemand schon vor tausenden von Jahren geplant. Es ist wie ein Schatten, der euch verfolgt und ihr habt ihn nicht bemerkt, wie grausam es klingen mag. Zumal konntet ihr ihn nicht bemerken, weil es all die Zeit vor euch verheimlicht wurde.“
„Wie kommst du auf all das?“
„Es mag eigenartiger klingen, aber die verlorenen Seelen haben mir dabei geholfen. So nenne ich sie.“ Verzog sie leicht das Gesicht, weil sie die anderen Ausdrücke immer noch nicht verwenden konnte.
„Verlorene Seelen? Was ist das nun wieder?“
„Für euch vielleicht Geister, Gespenster oder Wesen, die ihr nicht sehen könnt.“
„Du willst uns erzählen, das du Geister sehen kannst?“ Beugte sich Ysera nach vorne und klang ungläubig dabei.
„Nicht nur irgendwelche. Ich sehe nur die verstorbenen Seelen der Drachen und keine weiteren.“
„Jetzt gerade auch?“ War es Jade, die fragte und es schien große Neugierde in ihrer Stimme mitzuschwingen.
Mit einem Kopfschütteln verneinte sie. „Nein, gerade nicht.“
„Wie sollen wir dir dann glauben? So was wie Geister oder Gespenster existieren nicht.“
„Ich kann sie nicht eben mal so herbei wünschen. Wenn kommen sie von alleine. Außerdem warum sollte etwas nicht existieren, nur weil man es nicht sehen kann? Ich dachte, ihr Drachen glaubt an ein heiliges Reich und an eine Wiedergeburt, wo eure Seelen hingehen, wenn ihr einmal gestorben seid. Was seid ihr dann, wenn ihr tot seid? Nichts? Zu irgendwas müsst ihr ja werden.“ Schüttelte Emmanline mit ihren Kopf. „Da diese Seelen nichts als nur Gefangene in ihrer Ewigkeit sind, wandern sie nur in einer Zwischenwelt umher, wo niemand sie sehen kann. Für mich sind sie die verlorenen Seelen, weil sie seelenlos umher wandern.“
Lucien rührte sich neben ihr. „Sie spricht die Wahrheit. Alles was sie sagt.“ Meinte er und alle richteten ihren Blick auf den König. „Wie irrsinnig und unglaubwürdig es sich anhören mag, aber es stimmt alles.“ Dabei schaute er jetzt seine ganzen Geschwister an. „Emmanline war unserer Großmutter Araveena begegnet und hatte mit ihr geredet.“
„Großmutter Araveena? Aber sie ist schon seit langer Zeit tot, Lucien.“ Fand Lya die Worte.
„Darum geht es ja, Lya. Sie kann die Toten sehen. Ich wollte es auch erst nicht glauben, was Emmanline mir da erzählte. Erst als sie mir die ganzen Einzelheiten erzählen sollte, glaubte ich ihr. Erst ab da wusste ich, all das konnte Emmanline nicht wissen. So was konnte sie nicht einfach erfinden, weil es meine Erinnerung und meine Vergangenheit war, und sie zu jung dafür. Sie konnte es nicht wissen. Also musste da noch jemand sein. Als dann noch einiges mehr kam, wusste ich es sofort und es war nicht Emmanlines Art, wie sie sprach und sie hatte mich auch überzeugt, unsere Großmutter war dort gewesen. In diesen einem Augenblick. Ich hatte es gespürt. Auch wenn es am Ende nicht ganz so harmonisch ausgegangen war.“ Verfinsterte sich etwas sein Gesicht.
„Wie meinst du das? Du musst doch am glücklichsten darüber sein. Immerhin warst du ihr Liebling gewesen. Schon immer.“ War es Ysera die sprach.
„Sie hatte Emmanline dazu benutzt, das sie überhaupt den Rubin aus meinen Hort entwendete. Wir wissen alle welche Macht Araveena besessen hatte und niemand kann sagen, aber niemand kann behaupten, wie groß. Selbst nach ihrem Tod besaß so eine mächtige Drachenhexe noch solche Macht und konnte andere beeinflussen, ohne das andere es mitbekamen. Ich hätte Emmanline damals bestrafen müssen, aber habe es nicht getan. Was vielleicht nicht gerecht war, dennoch half sie uns, obwohl sie es nicht musste. Wie sie es heute auch tut. Es war verkehrt gewesen, was Großmutter getan hatte und sie für ihre Zwecke benutzte. Wir können Emmanline nicht für alles verantwortlich machen. Natürlich, jeder hat seine Geheimnisse, aber die haben wir auch und verraten sie unter keinen Umständen, was verständlich ist. Wir wissen alle, wie brutal Culebra der Verräter ist und wie sehr Opfer unter ihm leiden müssen. Das Emmanline ihm entkommen ist, kann ich nicht sagen, ob ich es dem Glück zusprechen kann oder etwas anderem, aber ich bin dankbar, das sie hier ist und mir hilft. Das sie an meiner Seite ist, weil sie mir schon so oft geholfen hat, wenn ich etwas gebraucht habe. Ich vertraue ihr als Mann und mein Drache tut es auch. Nicht weil sie meine vorherbestimmte Seelengefährtin ist und weil ich dazu gedrängt werde, sondern, weil es hier um mein Volk geht, habe ich sie gefragt und darum gebeten, ob sie mir dabei helfen kann. Sie hat sich auch dafür bereit erklärt in der Sache Culebra zu helfen und alles mögliche zu tun, was uns weiter bringen kann, damit wir ihn endlich fassen und zur Strecke bringen können. Ihr wisst alle, wie schnell das alles ein Ende haben muss. Er hinterlässt nur ein Feld der Verwüstung und des Todes. Ich werde alles daran setzen, damit ich ihn zu fassen bekomme.“ Wurde Luciens Stimme lauter und kräftiger, während die anderen ruhig blieben und zuhörten.
Selbst sie war über seine Worte erstaunt, denn normalerweise sollten keine Worte über sie beide fallen und vor allem nicht der Entschädigung. Das war eigentlich eine Abmachung gewesen, aber Lucien rechtfertigte sich jetzt vor allen und entschuldigte sich nun vor allen, das sie an allem keine Schuld trug. Es stimmte ja, aber sie würden doch niemals alle auf sie eingehen.
„Also mir war es ohnehin schon von Anfang an egal gewesen. Ich mag sie.“ Zuckte Jade mit ihren Schultern, als wäre für sie die Sache gegessen.
„Sie hat schon einige Male unserem Volk geholfen und wir vergessen nie. Außerdem hat sie meinem Gefährten das Leben gerettet. Ich werde ihr das nie vergessen und von mir wird sie jede Hilfe bekommen, die sie braucht.“ Lächelte Lya Emmanline warmherzig an, weil sie es nicht anders konnte. „Außerdem scheinen so viele andere ihr zu vertrauen, das es gar nicht mehr anders geht. Ich werde hinter dir stehen und ich glaube dir.“
„Und ich habe dir das Leben gerettet. Ich werde jetzt kaum zu lassen, das es dir wieder einer nimmt.“ Lachte Charia leicht.
Verblüfft über den offenkundigen Zuspruch von Luciens Geschwistern, wurde ihr etwas warm ums Herz und selbst Cyrill und Darius gaben seine Zustimmung. Es gab jetzt auch keine weiteren Argumente die jetzt dagegen sprachen, da Lucien gesprochen hatte. Anscheinend reichte das als Argumentation aus, denn es waren die schlechten Zeiten die auf sie zukamen und alle betrachteten sie auf gleicher Ebene. Jeder kämpfte für ihr Volk. Jeder hielt zusammen und das zählte am Ende.
„Bist du damit einverstanden, Emmanline?“
„Wie bitte?“ Hatte sie das nicht ganz mitbekommen, so sehr war sie in Gedanken versunken.
„Ob du damit einverstanden bist, uns jede Information über Culebra zu geben, an die du dich erinnern kannst oder erinnern wirst? Oder dich für alles einsetzt, was in deiner Macht steht, mein Volk, welches nun auch deines ist, zu beschützen?“ Schien Lucien die Worte noch einmal zu wiederholen.
Tief schaute Emmanline in Luciens braun goldene Augen, in denen sie immer versinken könnte. „Ja, ich habe es dir schon einmal gesagt, ich werde alles versuchen was ich kann. Ich kann nicht zulassen, wenn Unschuldige hineingezogen werden. Vor allem nicht die Kinder.“
„Also ich mag sie ehrlich.“ Lächelte Lyndiana mit ihren strahlend weißen Zähnen. „Sie ist stur und hat biss, das mag ich echt. Sie lässt sich nichts sagen. Nicht so wie die anderen Weiber.“
„Du meinst deine Hofdamen, die du wie aufgescheuchte Hühner herum scheust und die für dich alles tun, was sie von dir verlangen?“ Schnaubte Saphira missbilligend.
„Ich bin eben ziemlich anspruchsvoll, meine Liebe.“ Lachte sie und dieses Lachen gefiel ihr an dieser Frau absolut nicht. Auch wenn sie wunderschön, die Schwester von der damaligen Königen und Luciens Tante war. Es war verrucht und gemein. Ihr taten die Frauen jetzt schon leid, die für sie arbeiten mussten.
Doch sie durften nicht vom eigentlichen abkommen. „Lassen wir das Ganze und kommen zum eigentlichen Thema zurück und warum wir eigentlich hier sind. Es mag sein, das ich dafür benutzt wurde und es hat mich auch wütend gemacht, weil erneut ein Drache so über mein Leben bestimmt hatte, aber ich kann es nicht mehr ändern und ich bin hier. Alles muss einen Grund haben und ich versuche es herauszufinden, indem ich nicht versuche wegzulaufen, wie ich vielleicht manchmal hoffe zu tun. Dennoch stehe ich hier und will es probieren, weil ich es Lucien versprochen habe und nicht um euch zu schaden.“ Schüttelte sie leicht mit ihrem Kopf.
„Wir glauben dir und werden dir zu hören.“ Wandte Ratsmitglied Tarana ihre Worte in die Stille Runde und sprach anscheinend für alle. „Egal was es ist, wir werden dir keine Widerworte geben. Schließlich geht es hier um unser Volk.“ Schloss sie alle mit ein und da wusste sie, dass selbst sie mit eingeschlossen war.
Mit einem Nicken nahm sie es zur Kenntnis. „Ich habe nicht gewusst, wie heilig eure Ruhestätte war und das ich eigentlich dort gar nichts zu suchen hatte. Erst als Lucien mir davon erzählte, wusste ich davon, das nur Mitglieder eures Volkes dort Zutritt haben. Etwas hatte mich dort hingezogen und da begegnete ich all die verlorenen Seelen, die auch in dem Dorf bei dem Angriff umgekommen waren. Auch noch vielen anderen, die zuvor ihr Leben gelassen hatten, sowie die Großmutter von Lucien.“
Wurde entsetzt Luft geholt, als sie von dem Angriff im Dorf sprach, das zuletzt passiert war.
„Für mich war das Schlimmste zu sehen, als ich hab die Kinder unter ihnen sehen müssen. Gerade weil sie so früh hatten sterben müssen und weil sie es nicht verdient hatten. Doch am Ende war es Araveena gewesen, die mich zu sich gerufen hatte, weil sie mich um etwas bitten wollte. Sie hatte extra solange gewartet und so viel Energie aufgebracht, damit jemand gefunden wird, die schon solange vermisst werden.“
„Wer soll das sein?“ Meldete sich Darco zu Wort.
Erst zögerte sie und schaute Lucien an, der nickte, aber er sprach. „Es sind Seena und Havanna. Großmutter will, das wir unsere Großtanten finden.“ Schaute er jeden einzelnen seiner Geschwister an. Nun verschwand der restliche Sauerstoff aus dem Raum, als er diese beiden Namen nannte.
Seena und Havanna waren damals vor ewiger Zeit verschwunden und keiner hatte sie bisher wieder gesehen. Bei einer Katastrophe ging man davon aus, das sie mit seiner Großmutter Araveena ums Leben gekommen waren, da man von ihnen keinen Lebensfunke gefunden hatte, das sie tot wäen. Doch anscheinend waren sie noch am Leben, nur hielten sie sich die ganze Zeit im Exil und so gut verborgen, das keiner ihre Anwesenheit spürte. Nicht einmal ihre Lebenskräfte.
Die beiden waren mächtige Drachenhexen und sie konnte sich sehr gut vorstellen wie einfach es für sie sein könnte ihre Lebenskräfte durch einen Zauber zu verbergen, ohne das es auch nur einer bemerkte. Was auch immer sie dazu trieb im Verborgenen zu leben, es musste mit damals etwas zu tun haben. Doch nun aus einem anderen Grund sollen sie wieder zurück kehren, weil seine Großmutter das wollte und das war ganz schön selbstsüchtig.
„Seena und Havanna leben?“ War es Hals unglaubwürdige Stimme, die die Stille erhellte, weil es für ihn zu unwirklich klang.
„So sagt es Araveena. Wir sollen sie finden und sie aus ihrem Exil holen, weil es an der Zeit ist. So waren es ihre Worte gewesen.
„Wie soll das denn gehen, wenn wir nicht einmal wissen wo sie sind? Und warum überhaupt?“ Sprach zum ersten Mal einer von Luciens Zwillingsbrüder, Taran.
„Das werden wir herausfinden, wenn wir sie geholt haben. Vermutlich werden sie mehr wissen.“ Antwortete Lucien darauf.
„Um sie zu finden, brauchen wir auch deine Hilfe, Charia. Wir müssen dorthin, wo ihr mich gefunden habt. Dort werden wir die beiden mächtigen Drachenhexen finden.“ Sprach Emmanline weiter.
„Was?“ Schien die Schwester von Lucien perplex zu sein. „Ihr wollt in die eisige Abgründe von den Agrargebirge?“
„Ob wir wollen oder nicht, sie befinden sich anscheinend dort. So wie Araveena es angedeutet hatte, müssen sie sich dort aufhalten. Sie hatte mir gesagt, eure Großtanten leben normalerweise dort, bevor Culebra sich dort niedergelassen hatte. Er sei dort nur eingedrungen. Bevor sie was unternehmen konnten, bis du mit deiner Garnison gekommen bist und ihn aus der Höhle vertrieben habt.“ Erzählte Emmanline weiter.
Charia blieb die Sprache weg. „Wir haben dort die ganzen Höhlen durchsucht, aber keine weiteren Drachen entdeckt. Nicht einmal ein Lebenszeichen.“
„Vermutlich haben sie einen starken Zauber verwendet.“ Meldete sich Hal zu Wort. „Das ist einer ihrer leichtesten Fähigkeiten sich zu verbergen. Sie können sich unsichtbar machen, wenn sie das wollen. Niemand wird sie finden.“
„Ich wusste, das du kommen würdest.“ Erklang eine erheiternde Stimme hinter ihr und sie wusste wer hinter ihr stand, als Emmanline sich umdrehte.
Sie wusste, es war eine große Entscheidung hierher zu kommen, aber sie wusste, es war richtig. Auch wenn es sie zuvor wütend gemacht hatte und es jetzt auch noch immer ein wenig war. Trotzdem machte es jetzt keinen Unterschied, das sie es ignorieren konnte. Sie musste noch einmal mit Luciens Großmutter sprechen und sie hatte nur noch diese eine Chance dazu, indem sie sich zu dem Lebensbaum der Drachen begab.
Hier stand sie nun, vor dem monströsen Baum, wie sie auch jetzt die Bestätigung bekam, noch mehr Blätter hingen an dem kahlen verdorrten Baum. Es waren die Seelen. Doch ihre Aufmerksamkeit galt jetzt der Frau, die so ähnlich wie Jade aussah. Ihr rötliches Haar im Feuermeer sah atemberaubend aus und machte sie nur noch wunderschöner.
„Hatte ich je eine Wahl?“ Würde sie am liebsten aufseufzen.
„Die hattest du in der Tat, Kindchen, aber du hast eine Weise Entscheidung getroffen, die was Welt entscheidendes verändern könnte.“ Lächelte sie mit ihrem strahlenden Lächeln einfach weiter und sie verstand sie einfach nicht, wie sie das konnte. „Doch ich habe nicht mit der Reaktion von meines Enkels gerechnet. Er scheint dir sehr verfallen zu sein und das gefällt mir. Es war auch nichts womit ich gerechnet hätte, aber es soll mir recht sein.“
Langsam gefiel Emmanline es nicht, in welche Richtung dieses Gespräch ging. „Worauf soll das ganze Gespräch überhaupt hinaus? Wenn Ihr glaubt, ich verzeihe es einfach, das Ihr mich einfach so benutzt habt, irrt Ihr euch.“
„Ich kann deine Wut nachvollziehen, warum du so reagiert hast. Man hat dir seit deiner Geburt deine Freiheit beraubt und ich habe es wieder getan, indem ich dich in die Klauen meines Enkels gestoßen habe. Aber es ist nun einmal wie es ist und du weiß es so gut wie ich.“
Auch wenn sie es nicht gerne zu gab, aber ja sie wusste es. „Erzählen Sie mir einfach was sie wollen. Ich werde es Lucien weiter geben.“
Da schnalze Luciens Großmutter mit der Zunge. „So ein ungeduldiges Kind.“ Lachte sie leise und sie hätte am liebsten ihre Augen verdreht, weil dieses Verhalten dieser Frau unpassend war. Eigentlich steckten sie alle in einer Lage, die ziemlich angespannt war und keiner wusste wie viel Zeit ihnen blieb. Wer wusste überhaupt wie viel Zeit ihnen für irgendwas blieb.
„Gut, kommen wir zum eigentlichen zurück. Eigentlich bleibt mir nicht wirklich viel Zeit in dieser Zwischenwelt. Auch meine Kräfte gehen irgendwann zur neige. Was du über diesen Rubin heraus gefunden hast, hat mich schon erstaunt und es stimmt. Manches habe selbst ich nicht einmal gewusst, aber gut. Der Fluch der auf uns lastet ist ziemlich mächtig und eine Urkraft liegt darauf, die zu Anbeginn der Zeit anfängt. Irgendein Dummkopf aus meinem Volk muss einmal mit dem Gerücht angefangen haben. Geheimnisse sind verschwiegen worden, wer den Fluch auf uns erlegt hatte. Fakt ist eigentlich nur, niemand weiß es und es gibt einfach keine Hinweise darauf. Es könnte jedes Volk sein. Wer weiß, ob dieses Volk noch existiert, weil schon Äonen vergangen sind und in der Zeit auch Rassen und Völker ausgelöscht wurden. Ohne Gnade und Skrupel.“
Emmanline hörte aufmerksam zu. „Du glaubst, wer auch immer den Fluch auf euch gelegt hatte, könnte nicht mehr existieren?“
„Das gilt herauszufinden, nicht wahr? Darum müsst ihr meine Schwestern finden. Sie besitzen magische Zauber die euch weiterbringe können. Euch läuft die Zeit davon. Ich spüre es und du auch, je länger du diesen Rubin besitzt. Lucien wird es niemals alleine schaffen und du hast ihn schon zu dem Teil gebracht, damit er eine richtige Entscheidung trifft. Es ist an der Zeit sich zu offenbaren. Und wie ich sehe, steht es um unseren Lebensbaum ziemlich schlecht.“ Schaute Araveena zu dem riesigen Baum empor.
„Es ist noch nicht zu spät, wenn es eine Möglichkeit gibt.“ Ließ sie die Frau nicht aus den Augen.
„Vielleicht hast du Recht. Trotz allem besteht vielleicht eine Chance. Anscheinend hilft der Teil in dir, welcher tief in dir verborgen ist. Dein zweites Ich und welches du so gut verbirgst und niemand erfahren darf.“
Plötzlich schien auf einmal die ganze Luft aus ihren Lungen zu weichen, wenn das in dieser Ebene überhaupt brauchbar war. Aber was sie hier gerade ansprach, war etwas geheimes. „Du weißt etwas über mein anderes Wesen.“ War es keine Frage.
„Ja, und ich bin ziemlich überrascht noch jemand, auch wenn ich tot bin, zu begegnen. Nach deinem Aussehen zu beurteilen, war deine Mutter Adriana gewesen. Eine bemerkenswerte und außergewöhnliche Frau und von einem außergewöhnlichem Volk. Von welchem du auch abstammst. Du trägst ein Teil von ihr in dir und womöglich bist du die Letzte von Ihnen.“
„Du kanntest meine Mutter?“ Blieb ihr weiterhin die Luft weg.
Mit einem Lächeln antwortete sie ihr. „Ja, ich bin ihr einmal begegnet. Es war noch vor der Zeit, bevor die Elfen dem Untergang geweiht waren. Sie hat sich für ein Leben Jenseits von allem entschieden und ich hätte niemals gedacht, das es passiert. Das du vielleicht die Letzte aus deinem Volk bist, kann ich natürlich nicht sagen, aber es existiert nichts mehr von dem längst verschollenen Volk. Deine Mutter war anschließend die Letzte, aber deine Geburt macht dich zu ihrer Nachfolgerin, da Adriana tot ist. Du bewahrst jetzt ihre Geheimnisse und das Wissen der Unsterblichkeit in dir.“
„Ihr müsst mir nichts sagen, was ich nicht schon weiß. Warum erzählt ihr mir das, wenn keines meiner Völker mehr existiert? Weder das eine, noch das andere. Beide sind von der Bildfläche verschwunden. Schön das ich die letzte Überlebende von beiden Völker bin.“
„Mag vielleicht komisch klingen, Kindchen, aber kann ja möglich sein, dass Lucien dir vom Schicksal vorherbestimmt ist. Die Drachen sind seit jeher schon das mächtigste Volk und vielleicht sollen sie deine Beschützer sein. Es gibt viele dunkle Mächte auf dieser Welt und verschiedenen Ebenen die dein Wissen beherrschen wollen oder dein wohlbehütetes Geheimnis. Gerät es nur in falsche Hände, gerät auch das Gleichgewicht aus den Fugen. Deine Mutter hatte es auch stets gewusst und genau das gleiche getan. Du kannst es ebenfalls tun, indem du dich an meinen Enkel wendest. Ihm kannst du vertrauen.“ Ging die wunderschöne Frau, mit dem roten Haar, an ihr vorbei und blickte zu dem Baum auf. „Ich glaube, deine zweite Natur in dir gibt unseren Seelen die Möglichkeit einen Weg genau hierher zu finden. Normalerweise stirbt dieser Baum, aber er zeigt Anzeichen von Leben und es soll die Hoffnung zeigen, das es einen Weg für mein Volk gibt. Ein Weg auf Rettung.“
„Nehmen wir an, ich kann die Seelen hierher führen, heißt es noch lange nicht, das dieser Fluch von euch genommen ist.“ Meinte Emmanline.
Leise Seufzte Luciens Großmutter. „In der Tat. Deswegen sollt ihr ja meine Schwestern holen. Holt sie aus ihrem Exil und tut das gemeinsam.“
Das Flammenmeer um sie herum rückte immer mehr in den Hintergrund und es schien ihr, als habe das ganze überhaupt keine Bedeutung mehr. Was diese Frau ihr da alles erzählte war schon ziemlich verwirrend, aber doch gleichzeitig verständlich und doch reine Realität für sie. Vor allem wenn es um ihre Vergangenheit ging. Um ihrer beider Natur und Völker, die doch gleichzeitig existierte und dann doch wieder nicht. Im Grunde genommen, egal was sie tat, war sie von ihrer eigenen Arten alleine gelassen.
Doch musste sie ihr auch Recht geben, sie könnte Lucien darum bitten, bei ihm Schutz zu bekommen, wenn sie ihm vielleicht die Wahrheit sagen würde. Aber nur vielleicht. Aber dafür müsste sie ihr größtes Geheimnis preis geben, was sie niemals dürfte. Eigentlich hatte sie ihrer Mutter ein Versprechen gegeben, welches sie nie brechen darf. Schließlich darf niemand das Geheimnis erfahren.
„Du hattest gemeint, Eure Schwestern würden genau dort sein, wo Culebra sich zuletzt aufgehalten hatten. Ihr habt gesagt, sie wollten gerade eingreifen, was mit mir zu tun hat, wenn Charia und ihre Truppe nicht angriffen hätten. Warum? Obwohl sie im verborgenen bleiben wollten?“ Sind ihr diese Fragen schon öfters durch den Kopf gegangen, als sie wieder zu etwas klaren Verstand gekommen war.
Und da wurde Luciens Großmutter zum ersten Mal ernst. „Dein Geheimnis, mein Kind. Wir wollen es nicht haben, aber wir wissen, es muss bewahrt werden und das es nicht in falsche Hände geraten darf. Wir wissen, wie uralt dieses Geheimnis ist. Vor allem, wissen meine Schwestern, wenn sie etwas seltenes vor sich haben und du bist so etwas Einzigartiges. Schließlich betrifft dieses Geheimnis zum Teil auch uns, aber nicht voll und ganz.“
Nun verstand Emmanline gar nichts mehr. Hieß es, das noch mehr das Geheimnis von ihr und ihrer Mutter kannten? Sie könnte vielleicht verstehen, welches anderes Wesen sie in sich trug, schließlich hatten sie auch einmal in dieser Welt gelebt. Aber doch nicht das andere Geheimnis. Oder etwa doch? Wussten sie es durch ihre Mutter?
„Schau mich nicht so entgeistert an, mein Kind. Niemand wird dieses Geheimnis erfahren, wenn du es nicht preis gibst. Selbst meine Schwestern werden es nicht tun, weil keiner ein Anrecht darauf hat, außer die Wesen selbst, die es in sich selbst tragen. So wie du. Das hat deine Mutter dir vermutlich noch bei gebracht, bevor sie starb, nicht wahr? Wirklich tragisch, was mit ihr geschah und ich bedauere es wirklich. Ich habe sie gemocht. Auch wenn ich sie nur einmal gesehen habe.“ Klang wirklich Ehrlichkeit aus ihren Worten.
Auch wenn es über zwei Jahrhunderte her war, seit dem man ihre Mutter genommen hatte, kam es ihr trotzdem so vor, als wäre es erst vor kurzem gewesen. Es tat heute immer noch genauso weh wie damals. Jedes Mal wenn sie an ihrer Mutter dachte oder wie sehr sie sie auch vermisste, es brachte sie auch nicht wieder zu ihr zurück. Egal wie sehr sie es sich wünschte.
„Was mit meiner Mutter ist, tut hier nichts zur Sache. Sowie das Geheimnis. Hier geht es alleine darum, wie wir Eure Schwestern finden. Ich werde das Lucien weiter geben und ihm alles berichten, was ich erfahren habe. Aber mehr nicht.“
„Natürlich, keine Frage. Du weißt sicherlich, was euch dort erwarten wird, nicht wahr? In diesen eisigen Höhlen, wo Culebra sich aufgehalten hatte?“ Fragte die Großmutter von Lucien.
„Und was ist es, was uns dort in diesen eisigen Höhlen erwartet, außer eisige Kälte, was der Name uns sagt?“ War es Cyrills Mutter Rennie, die sprach.
Emmanline hatte ihnen alles erzählt, von dem Gespräch mit Luciens Großmutter, als sie sich noch einmal beim Lebensbaum der Drachen begegnet waren. Außer ihr Geheimnis und das von ihrer Mutter hatte sie verschwiegen. Selbst vor Lucien, denn sie konnte es nicht preis geben. Niemals konnte sie es, denn sie hatte es versprochen. Teils war es nur eine Erinnerung und ob sie es in Worte wieder gab, war es eine andere Sache.
Ausdruckslos schaute Emmanline in die Runde. „Fallen und womöglich andere verborgene Gefahren. Culebra ist in der Sache heimtückisch und spielt mit unfairen Mitteln.“
„Außer von Culebras Anhänger, haben wir keine Fallen oder weiteren Gefahren gesehen.“ Meinte Charia.
„Natürlich nicht.“ Schüttelte sie mit ihren Kopf. „Ihr habt zwar die Höhle nach ihm abgesucht, aber er war am Ende schon längst verschwunden. Er wusste schon längst, das ihr kommt.“ Und irgendwas hatte Culebra abgelenkt, denn er hätte sie niemals zurück gelassen. „Doch ich denke wo wir hin müssen, ist im tiefsten Inneren der eisigen Höhlen und das ist das Versteck von Culebra. Dort hielt sich niemand außer er selbst auf und ich glaube nicht, das ihr soweit vorgedrungen seid. Das ihr bis zu den öffentlichen Räumlichkeiten gelangt seit oder den Kerkern, ist nicht das Schwerste. In den Kern jeder einzelnen Höhle von Culebra ist eine Lebensaufgabe. Darum ist niemand je ins innere der Höhle gegangen. Geschweige hat es interessiert. Und wenn, kam derjenige auch nicht lebend wieder zurück.“
„Woher weißt du das alles?“
„Wie schon unzählige Male versuchte ich zu fliehen und hatte mich in den wirren Labyrinth von Gängen verlaufen. Anstatt dem Ausgang näher zu kommen, lief ich immer weiter in die Höhle hinein. Das war ein Fehler. Da ich noch ein Kind und unerfahren war, löste ich magische Fallen aus. Man sieht sie nicht und tappt man erst in ihnen hinein, wirst du es nicht mehr aufhalten können. Ich habe diesen Fehler nur einmal gemacht und dann nie wieder.“ Weckte es tiefe Erinnerungen aus ihr und Lucien ergriff ihre Hand. Verwundert schaute sie ihn an und sie wusste was er ihr vermitteln wollte, sie war nicht alleine. Nicht mehr.
„Was sind das für magische Fallen?“ Wollte jemand wissen.
„Und wie kann man sie umgehen? Oder am besten zerstören?“
Ihr Blick verdunkelte sich, als sie daran zurück dachte. An all das Grausame. „Er selbst kann solche verborgenen Fallen nicht aufstellen. Culebra selbst besitzt keine magischen Kräfte. Hexen und Zauberer haben ihn dabei geholfen, Flüche und andere mächtige Zaubersprüche in irgendwas zu bändigen. Was glaubt ihr warum er auch so mächtig ist? Er verbündet sich mit anderen Kräften und ihm ist jedes Mittel recht, sofern er seine Ziele erreicht. Ihr mögt jetzt noch kein Ausmaß von dessen wissen, wozu Culebra wirklich im Stande ist. Er ist keine Person, der halbe Sachen macht, sondern einen großen Angriff startet. Er lässt sich vielleicht manchmal Zeit, aber dann macht er es wenn gleich richtig. Um es zu verstehen und zu begreifen, dafür haben ich zu lange bei ihm gelebt. Es ist Taktik und Raffinesse. Darum weiß ich auch, das er seine Dinge mit allem beschützt, was in seiner Macht steht. Deswegen auch die ganzen Fallen, die eigentlich nur er kennt. Ich kenne niemanden der so viel Macht besitzt, der all diese Flüche und Zaubersprüche aufheben kann. Dafür spüre ich zu viel Schlechtigkeit dahinter. Jedes Mal wenn ich die Nähe solch eines Zaubers spüre.“ Bekam sie eine Gänsehaut, wenn sie nur an dieses kalte Gefühl dieser dunklen Macht von damals zurück dachte. Sie hatte es stets gemieden in die tiefen der Höhlen zu gehen, aber hatte es dennoch getan.
„Einen Augenblick mal. Hattest du nicht eben gesagt, du hast einmal versucht ins Innere der Höhle zu kommen, aber bist gescheitert? Das klingt so, als wärst du mehr als einmal dort gewesen.“
„Ich war mehr als einmal auf der Flucht gewesen und ich habe heraus gefunden, wie ich die Fallen umgehen kann. Ich hatte damals vielleicht gedacht, wenn ich auf der einen Seite nicht raus kann, finde ich vielleicht einen anderen Weg.“ Zuckte sie mit ihren Schultern, als wäre es nichts schlimmes, aber am Ende hatte sie sich immer in Gefahr begeben.
Lucien wusste nicht, was er davon halten sollte, oder ob er von Emmanlines Worten manchmal entsetzt sein sollte. Natürlich halfen ihre Informationen, aber ihm gefiel es einfach nicht, was sie hatte alles durch machen müssen. Sollten diese Fallen wirklich alle so schlimm sein, wie sie behauptet, was bewirkten sie dann alles? Was hatte sie erfahren müssen?
Am liebsten würde er was sagen und wie es ihm missfiel, konnte dennoch vor all den Anwesenden nichts sagen. Es wäre ihr gegenüber nicht fair und ihrem Überlebenswille. Sie hatte damals alles versucht um Culebra und seinem Wahnsinn zu entkommen. Er hätte genau das Gleiche getan. Immer und immer wieder, egal was es von ihm abverlangt hätte. Emmanline hatte genau das getan. Auch wenn es so oft ihr Leben gekostet hatte, was ihm schier das Herz brach. Keiner sollte solche Schmerzen und Leid durchmachen.
„Was hast du gesehen? Jede Information die du uns über Culebra sagen kannst, kann hilfreich sein.“ Meinte Charia und er konnte seine Schwester verstehen. Sie ist schon seit einer halben Ewigkeit hinter diesem Verräter her und noch immer konnte sie ihn nicht fassen. Egal was sie tat.
Mit einem Seufzen antwortete Emmanline ihr. „Ich habe Lucien schon einmal diese Antwort gegeben und kann sie nur wieder einmal geben.“ Konnte er die Kälte in ihrer Stimme hören und die gefiel ihm nicht. „In meiner ganzen Zeit unter Culebra und um zu überleben, musste ich viele Dinge verdrängen. Mein Verstand hat eine Schutzmauer aufgebaut und hält das verborgen, was mir schadet. Es ist das, was mich nicht zerstört hat.“
„Dein Verstand hat ein Selbstmechanismus aufgebaut, um sich selbst zu schützen und um nicht verrückt zu werden.“ Sprach Tarana überrascht.
„Ja, um nicht verrückt zu werden. Aus irgendeinen Grund kommen hin und wieder Erinnerungen zurück. Darum habe ich zu eurem König gesagt, wenn mir etwas einfällt, werde ich es sagen. Aber ich kann nichts sagen, wenn da nichts ist. Ich weiß, es ist schwer mir all das zu glauben, aber ich kann...“
„Nein, es ist schon in Ordnung, Emmanline.“ Stand Lyndiana auf und blickte sie ernst an. „Ich kann mir vorstellen was es dich kostet. Alleine schon darüber zu reden. Wir alle müssten eigentlich wissen wie dieser Mann ist, da er genau an diesem Tisch gesessen hatte, als Ratsmitglied und treuer Gefährte unseres früheren Königs, bevor er uns alle verraten hatte. Er kennt uns alle, jeden einzelnen von uns. Jede einzelne Schwäche und die wird er ausnutzen, wenn er sie braucht. Wenn ihr vielleicht glaubt, Emmanline könnte nicht vertrauenerweckend sein, geht sie ohnehin ein hohes Risiko ein. Egal was Culebra plant, was er doch am meisten hasst, sind Verräter unter seinesgleichen. Glaubt ihr, er würde Emmanline ungestraft davon kommen lassen, sollte er sie je in die Klauen bekommen?“
Wie sehr Lucien es hasste es zugeben zu müssen, aber er gab seiner Tante Recht. Dennoch würde er Emmanline niemals gehen lassen. Sie blieb bei ihm, egal was passieren möge. Und er würde sie beschützen, weil er es musste. Er spürte es einfach.
„Ich glaube, wenn wir etwas verändern wollen, sollten wir ihr eine Chance geben und wenn dieser Rubin wirklich an ihr gebunden ist, muss eine Verbindung zu ihr stehen. Wenn unser Lebensbaum stirbt, warum sollen wir so dumm sein und diese Hilfe und Chance nicht nutzen und annehmen. Sofern Emmanline es tut und möchte.“ Sprach seine Tante Lyndiana weiter.
Da stand Lucien auf und er hatte Emmanlines Hand kein einziges Mal los gelassen. „Aus diesem Grund sind wir hier, um Lösungen für unsere Probleme zu finden und Emmanline hat uns ihre Hilfe angeboten. Und ich will ehrlich zu euch allen sein, war sie es eigentlich, die diese Versammlung überhaupt berufen hat. Sie hat mich erst dazu gedrängt, endlich damit anzufangen.“
„Du wolltest darüber weiterhin schweigen?“
„Nein, wollte ich nicht. Ich wusste, ich konnte das alles nicht alleine schaffen. Ich wusste nur nicht wie ich das alles anpacken sollte. Emmanline hatte mir nur den Anstoß dazu gegeben. Mehr brauchte ich nicht und ich glaube, Veränderungen ist genau das was wir jetzt brauchen. Ob wir es vielleicht wollen oder nicht. Manchmal müssen wir in den sauren Apfel beißen, wenn wir Früchte tragen wollen. Das hat mir mein Vater gelehrt und ich versuche wenigstens einen Teil von dem umzusetzen, was richtig ist. Doch eines weiß ich, was falsch war, sie waren es, die dieses Geheimnis mit diesem Fluch hinter dem Berg gehalten haben und ich versuche es zu ändern, weil wir jetzt keine andere Wahl mehr haben, als nur noch eine Richtung einzuschlagen. Entweder gehen wir jetzt alle gemeinsam und finden einen Weg, wie wir diesen Fluch brechen können, sowie wer der Verursacher ist. Oder wir spielen alle gegeneinander und Culebra, oder wer weiß wer wird noch ein leichteres Spiel mit uns haben, was unseren Untergang bedeutet. Sucht es euch aus, was am Ende euch lieber ist. Mir wäre natürlich der gemeinsame Weg lieber, weil wir ein Volk sind und ich es retten will und es mir wichtig ist.“
„Schön und gut, was deine Rede anbelangt, Bruder.“ Meldete sich Alastar zu Wort. „Hier werden alle deiner Meinung sein und sich für das Volk entscheiden. Was also schlägst du dann vor? Sollen wir jetzt in diese Höhlen spazieren und unsere Großtanten holen gehen, die ja angeblich ja nichts mehr mit uns zu tun haben wollen. Sonst hätten die sich nach den tausenden von Jahren ja schon einmal blicken lassen. Und wenn deine Elfe Recht behält und dort wirklich Fallen aufgestellt sind, wie willst du sie entkommen?“ Verschränkte er missbilligend seine Arme.
„Auch das haben wir schon bedacht.“ Antwortete sie ihm. „Mir gefällt es zwar absolut nicht, aber...“ Blickte er Emmanline an. „...wird uns Emmanline begleiten.“
„Ich kann die magischen Fallen spüren und euch warnen, solltet ihr ihnen zu nahe kommen. So könntet ihr sie umgehen. Zumal kenne ich die Höhle besser als ihr. Ich könnte euch vielleicht ein paar Wege zeigen.“ Sprach sie für ihn weiter, was ihm immer noch nicht gefiel.
„Und das sollen wir dir einfach so glauben, ohne das dies eine Falle ist? Du könntest uns auch in eine locken.“
Kurz schloss Emmanline ihre Augen, als er sie anschaute. „Wenn ich es vor hätte, würde ich mich vermutlich selbst dafür bestrafen. Dann hätte ich einfach meinen Mund gehalten und euch einfach in die Höhle hinein laufen lassen, ohne euch zu warnen. Flüche können auf mehrere als einen über gehen. Warum also sollte ich euch dann warnen und verraten, was sich genau dort befindet?“
„Um unserer Vertrauen zu erschleichen?“ War es Alastar, der weiterhin misstrauisch blieb.
„Ich kann es auch lassen.“ Blickte sie seinen Bruder tief in die Augen, was sich kaum einer trauen würde. Nicht bei seinen eisigen unerschütterlichen Blicken, die einen töten könnten.
„Jetzt ist Schluss, Alastar. Lass sie in Ruhe.“ Mischte sich Darius ein.
„Nein, es ist schon in Ordnung. Er macht sich nur Sorgen um sein Volk und er vertraut mir einfach nur nicht. Und er ist ehrlich. Ich wusste, das so was kommt und darum liegt es jetzt in eurer Entscheidung, was ihr tut.“ Setzte sie sich zum ersten Mal auf den Stuhl neben Lucien, wobei sie seine Hand noch immer nicht los ließ. Es überraschte ihn.
„Emmanline will sich kein Vertrauen erschleichen, lediglich nur helfen. Wir werden zu diesen Höhlen hin reisen und die Möglichkeit ergreifen unsere Großtanten zu finden, weil Großmutter Araveena es so wollte. Sie wird uns auch begleiten, weil sie die Gefahren kennt.“ Begann Lucien. „Charia, wie lange dauert eine Reise von hier bis zu den Agrargebirgen?“
„In der Luft ungefähr zwei bis drei Tage.“ Antwortete sie kurz darauf.
„Ich meine am Boden. Nicht fliegen.“ Wies Lucien das sofort ab, denn das kam nicht infrage.
„Was? Dann brauchen wir ja fast doppelt solange, wenn wir den Landweg nehmen.“
„Wir können nicht sicher sein, ob dort noch immer Leute von Culebra stecken. Wenn wir dort mit einer Armee am Himmel auftauchen, sind wir eine offene Zielscheibe für ihn. Ohne das wir ihn vorher sehen. Lieber habe ich irgendeine Umgebung um mich, als gar nichts. Darum will ich, das du dich mit Rennie darum kümmerst, dass alle Vorkehrungen für eine Streitmacht bereit gestellt ist, die jederzeit Aufbruch bereit ist. Mit fähigen Kriegern und Kämpfern. Aber das muss ich euch beiden ja nicht sagen, oder?“ Blickte er die beiden Frauen an, die durch und durch Kriegerinnen waren.
„Nein.“ Antworteten sie synchron und für ihn war diese Sache auch getan, denn er wusste das sie ihre Arbeit gut machen würden.
„Darius, ich will das du Pläne ausarbeitest. Das überlasse ich dir wie du da ran gehst. Am Ende zeigst du sie mir.“ Gab er weitere Befehle.
„Jawohl.“
„Tarana, dich möchte ich bitten, kümmere dich weiterhin mit den Heilern um die Betroffenen. Aber keine Informationen über den Fluch oder den Rubin. Niemand darf davon wissen.“
„Ja, natürlich.“ Lächelte sie leicht und sanftmütig, als würde sie nichts anderes machen.
„Ich werde ihr dabei helfen.“ Antwortete Volteer, der mit Tarana in einer Stadt lebte.
Es war nicht einfach über alles zu reden und jetzt in all diese unterschiedlichen Gesichter zu sehen, die nicht unterschiedlicher Meinungen waren, aber es musste ein Anfang passieren. Er musste Konsequenzen ziehen und ihm war es von vornherein klar gewesen, das es Unstimmigkeiten geben würde. Vor allem wenn es um Emmanline ging, aber sie hatte sich heute so gut gehalten, dass er vor Stolz platzte.
„Alle anderen Ratsmitglieder bitte ich darum, das sie in ihre Städte zurück kehren und dort ihre Aufmerksamkeit auf alles richtig. Noch intensiver als sonst. Ich will über alles informiert werden, wenn etwas ungewöhnliches passiert. Sowie mit verschiedenen Völkern. Augen und Ohren müssen offen gehalten werden und die brauche ich jetzt überall.“ Sprach er jeden einzelnen an. „Dich Alastar brauche ich als Jäger, weil du der Einzige bist. Ab heute bist du damit beauftragt Culebra ausfindig zu machen und ihn mir zu bringen. Finde diesen Verräter.“ Wurde Luciens Stimme finster und seine Augen fingen für einen kurzen Augenblick an zu glühen.
Sein Bruder schaute ihn nur finster an und verschränkte seine Arme vor der Brust, als wäre es Antwort genug. Aber mehr musste Lucien nicht wissen, weil er er wusste, Alastar würde Culebra bis aufs Blut jagen. Nichts würde ihn jetzt mehr aufhalten, denn sein Jagdinstinkt wurde geweckt und Lucien sollte es recht sein, wenn dieser Bastard nur gefasst wurde.
„Jeder bekommt so Helden volle Aufgaben. Was bekomme ich für eine?“ Erklang Jades überschwängliche Stimme, wie sie immer klang. Heiter und fröhlich, als würde sie nichts erschüttern.
Am liebsten würde er mit dem Kopf schütteln. „Am besten du tust genau das, was du immer machst, Jade.“
„Was? Wie langweilig.“ Klang sie erst gelangweilt, aber ihre Laune war sofort wieder verflogen. „Soll mir recht sein.“ Zuckte sie mit ihren Schultern und bewunderte zunehmend ihre Klauen, als untersuche sie, ob Dreck unter ihnen wäre. Sie tat so, als würde sie es überhaupt nicht weiter interessieren. Niemand wusste von Jades Geheimnis und was sie in Wirklichkeit tat.
„Hat noch jemand Fragen, bevor ich jeden einzelnen zu seinen Aufgaben schicke? Und die noch keine haben, werden sich darum bemühen, damit nichts an die Öffentlichkeit gelangt. Sowie für das Wohl unseres Volkes mit sorgen. Wie zuvor auch. Sie werden sich auch noch an ihre alten Pflichten denken, bis ich auf jeden einzelnen zu kommen werde, oder eine neue Versammlung berufe. Spätestens wenn ich neue Informationen habe.“
Was auch wirklich nicht lange andauerte, beendete er die Sitzung. Eigentlich hatte er sich das Ganze auch anders vorgestellt und nun würde sich auch heraus stellen, wie groß sich das Vertrauen herausstellen würde, was er in ihnen geben konnte.
Mit einem kleinem Lächeln erhob auch Emmanline sich, während sich die Anderen erhoben, um den Saal zu verlassen. Sie wollte sich gerade zu seinen Schwestern begeben, als sie sich noch einmal zu ihm umdrehte und ihn anschaute. Heute war ein ereignisreicher Tag und an seiner Seite hatte sie eine Stärke bewiesen, die die Anderen nicht verstanden. Aber er schon. Vielleicht verstanden sie es eines Tages, doch jetzt waren sie noch blind für etwas Neues. Sein Vater hatte es damals versucht begreiflich zu machen und nicht geschafft. Nun lag es an ihn es möglich zu mache und er hoffte, Emmanline würde ihm dabei helfen und zur Seite stehen. Sowie er es für sie tun würde.
Nach diesem kurzen Blickkontakt ging Emmanline mit seinen Schwestern Lya und Jade. Er blieb zurück. Es störte ihn nicht, denn sie tat es mit Absicht, damit er noch was erledigen konnte.
„Hal, könnte ich noch einen Augenblick mit dir sprechen? Unter vier Augen?“ War er auf ihn zugegangen, bevor er aus den Raum ging. Seine Gefährtin unterhielt sich derzeit noch mit seiner Schwester Charia.
„Natürlich. Jederzeit, mein König.“ Neigte Hal seinen Kopf.
Lucien sprach erst wieder, als sie alleine waren. „Ich will gleich offen und ehrlich sein.“ Begann er und lief an den Reihen der leeren Stühle vorbei. „Emmanline hat mir von euren Gespräch in der Bibliothek erzählt und ich hatte nicht gewusst, was für eine Seele in dir steckt. Stimmt es, wenn deine Seele stirbt und sie wiedergeboren wird, all ihre Erinnerungen behält?“
Hal schaute ihn im ersten Augenblick nur an, bevor er was sagte. „Dabei habe ich damals auf ihre Aussage überhaupt nicht geantwortet, als sie mich darauf angesprochen hatte.“ Seufzte er leicht und setzte sich auf eines der freien Stühle. „Niemand weiß davon. Nicht einmal Euer Vater wusste davon. Er wusste zwar davon, das ich die Geschichte der Drachen nieder schrieb, was er gut hieß, aber mehr nicht. Das erst eine mir fremde Frau nach einem ersten Treffen mein tiefstes Geheimnis erkennt, hatte mich schon schockiert, das musste ich zugeben. Aber vielleicht sollte es mich nicht überraschen. Es stimmt was sie sagt und wenn dieser Fluch wirklich die Wahrheit ist, dann darf meine Seele nicht sterben. Nicht für die Geschichte unseres Volkes. Egal welchen Namen ich jemals tragen werde.“
Langsam konnte ihn nichts mehr schocken, denn es war mehr Faszination, als alles andere, was in seinem Volk passierte und existierte. Je mehr er König war, je mehr fand er heraus. War es für sein Vater auch so gewesen? Auch wenn es manchmal vielleicht kompliziert und anstrengend war, war es doch überraschend aufregend.
„Verstehe und ich danke dir auch, dass du mir gegenüber jetzt auch so ehrlich bist. Das weiß ich auch wirklich zu schätzen. Wobei ich Emmanline auch wirklich Recht geben und die Chance ergreifen muss.“ Lächelte Lucien Hal an, der nun verwirrt aussah. Mit seiner Brille auf der Nase, sah er noch jünger aus, als er angeblich wirkte. Dabei war er weitaus älter als er selbst. Wer weiß wie viele Leben das zusammen gezählt waren, wenn er noch alle Erinnerungen beisammen hatte.
„Ich verstehe nicht ganz?“ Fragte er verwirrt nach.
„Nun, ich würde dich gerne als meinen Buchhalter einstellen. Bleibe hier mit auf meinem Schloss und arbeite hier an meiner Seite. Ich kann gut Hilfe gebrauchen, zumal die Arbeit immer mehr wird.“ Ließ er sich auf den Stuhl nieder, der gegenüber von Hal stand, wo er saß. Der jetzt noch schockierter aussah.
„Das ist nicht Euer ernst, mein König? Ich kann unmöglich als euer Buchhalter arbeiten. Das ist zu viel der Ehre und ich will nicht meine Aufgabe als Historiker aufgeben.“
„Das musst du auch nicht. Ich stelle dir hier genauso alles zur Verfügung was du brauchst, sowie die Zeit und den Freiraum, wenn du sie benötigst. Aber du bist auch meinen Diensten unterstellt. Mir ist es sogar ganz Recht, wenn unsere Geschichte verfasst wird und sie vielleicht in einem Original in der königlichen Bibliothek unterkommt. Bestimmte Ausgaben natürlich, fragt sich. Außerdem hätte ich dann noch eine zusätzliche Aufgabe für dich. Meine beiden Zwillingsbrüder Taran und Lodan bräuchten jemanden der sie etwas unter die Fetische nimmt. Sie verschlingen Bücher und kennen schon alles. Es wäre nicht schlecht, wenn du sie deiner annehmen würdest. Sie könnten es gebrauchen, wenn sie gefördert werden und das werden sie zurzeit nicht. Sie langweilen sich und das tut ihnen nicht gut. Irgendwann befürchte ich, dass sie mir etwas dummes anstellen. Also was meinst du Hal? Ich würde auch deiner Gefährtin eine sehr gute Stelle an vorderster Front anbieten.“
Hals Augen verengten sich leicht. „Habt Ihr das schon alles vorher überdacht und geplant?“
Beschwichtigend hob Lucien seine Hände. „Nein, habe ich nicht. Ich habe heute erst davon erfahren und ich muss sagen, es ist eine gute Idee. Überlege es dir und sprich das mit deiner Rennie durch. Vielleicht werdet ihr euch ja einig. Aber ich habe noch eine andere Frage. Wenn es stimmt, und du kannst dich wirklich an all deine früheren Leben erinnern, dann...“
„Wenn Ihr jetzt fragen wollt, ob ich diejenigen kenne, die diesen Fluch auf uns erlegt haben, dann muss ich Euch enttäuschen. Ich kenne sie nicht. Ich bin genauso ahnungslos, wie ihr auch, sonst hätte ich schon längst etwas gesagt. Mir war dieser Fluch noch nicht einmal bekannt. Mir ist es selbst ein Rätsel, wie solange ein Fluch vor mir verborgen bleiben konnte, trotz das ich solange leben konnte. Trotz meiner vielen Leben.“ Machte Hal eine kurze Pause. „Vermutlich liegt es daran, wenn einmal derjenige stirbt, dauert es unterschiedlich lange, bis die Seele wiedergeboren wird. Niemand weiß wie viel Zeit vergangen war und wer weiß was in dieser Zwischenzeit passiert. Und dann ist da noch die Überbrückungszeit. Doch das ist jetzt egal und wir müssen eine Lösung finden, wie Ihr schon bereits sagtet.“
Lucien fand es wirklich erstaunlich das Hal so offen und ehrlich zu ihm war, denn er hätte nicht damit gerechnet. Beileibe nicht.
„Ich verstehe und darum bitte ich dich auch mit, wenn du dir so unschlüssig bist, bleibe hier und suche mit uns eine Lösung zu finden. Gemeinsam. Überlegt es euch und tut es mir berichten.“ Stand Lucien auf und nur mit einem Nicken verabschiedete er sich bei ihm. Jetzt lag es in seiner Entscheidung was er tat. Er hatte ihm das Angebot bereitet, was einmalig war und noch einmal würde er nicht tun.
„Ist es wirklich schon Abends, das wir uns erst jetzt wieder sehen?“ Schloss Lucien irgendwie erschöpft die Schlafzimmertür hinter sich, als er endlich Emmanline in ihrem Zimmer gefunden hatte. Zumal er sie nicht gesucht hatte, weil er wusste, sie war hier. Er hatte es gespürt.
Mit einem Lächeln drehte sie sich zu ihm um, da sie am Fenster stand und auf ihm zu kam. „Ich denke, es liegt vermutlich nur daran, das dich zu viele aufgehalten haben.“ Berührte sie ihn auf der Brust, als müsste sie ihn auch berühren. Denn auch er musste es jetzt tun. Sanft streichelte er über ihr weiches weißes Haar, welches wie immer offen auf ihren Schultern lag. Wie er es liebte und so gerne zurück strich.
„Schlimm genug.“ Seufzte er. „Dabei wollte ich schon die ganze Zeit bei dir sein und das hier tun.“ Kam er ihren Lippen näher und küsste sie voller Leidenschaft. „Was du heute alles getan hast, war unglaublich und wie sehr du dich für mein Volk eingesetzt hast. Dafür danke ich dir.“ Lehnte er seine Stirn gegen der ihre.
Lange und tief schaute sie in seine Augen. „Wir haben das gemeinsam gemacht, Lucien. Ich habe das nicht alles alleine gemacht. Aber einige glauben, ich beeinflusse dich und damit du genau das machst, was ich dir sage.“
„Ich weiß, aber das ist Unfug. Daran glaube ich nicht und ich weiß selbst, das du nicht die Macht besitzt, andere gefügig zu machen. Sie müssen das alles jetzt erst einmal nur verstehen und ich denke, begreifen sie das Ganze erst einmal, lernen sie das andere auch alles. Dann lernen sie dich auch besser kennen. Irgendwann werden sie es verstehen und wir brauchen die Zeit.“ Musste er einfach so was wie ein Versprechen geben.
„Ich war heute sichtlich überrascht, wie ihr mich vor allen so verteidigt habt, obwohl ich eine Fremde in eurem Volk bin.“ Schloss sie ihre Augen, als wolle sie etwas verbergen.
Sanft nahm er ihr Gesicht in seine Hände. „Du bist keine Fremde mehr, Emmanline. Du gehörst nun dazu. Du gehörst zu mir. Wenn du es zu lässt. Jeden Tag sage ich dir was ich für dich empfinde und werde es auch weiterhin tun. Es wird sich nichts ändern. Ich habe gesehen was dir und deiner Mutter angetan wurde, sowie habe ich es selbst verspürt. Glaubst du dann noch, ich würde dich dann noch gehen lassen oder anderen dann noch glauben schenken? Mögen die Anderen sagen was sie wollen, aber sie werden niemals verstehen, was ich in dir sehe. Keiner von ihnen, wenn sie nicht das gleiche sehen und fühlen wie ich.“ Umarmte er sie fest und sie schlang ebenfalls ihre Arme um ihn. „Nicht was ich letzte Nacht habe sehe müssen.“
Wieder einmal spürte Lucien diese eisige Kälte in sich und er konnte sie nicht besiegten. Da wusste er Bescheid und wo er sich befand. Erneut wurde er wieder in Emmanline Erinnerung gerissen und er wusste bei besten Willen nicht, wie das geschah.
Nachts begab er sich mit ihr zu Bett und schlief mit ihr Arm in Arm ein und plötzlich steckte er hier fest, ohne das er es wirklich wollte. Auch wenn er mehr von ihr erfahren wollte, aber nicht so. Schließlich sollte sie es ihm erzählen und aus freien Stücken zu ihm kommen. Aus unerklärlichen Gründen wurde er jedes Mal in Emmanlines Vergangenheit zurück katapultiert und er war machtlos dagegen. Irgendjemand wollte das er Teile von ihrer Erinnerungen sah und vermutlich verstand, was er ja schon ohnehin tat. Egal was andere ihm sagen würden, sie würde bei ihm bleiben.
Doch jetzt schien es noch schlimmer als zuvor zu sein, denn was er fühlte war nackte Angst und die saß tief in seinen Knochen. Egal was er versuchte, er konnte nichts dagegen tun es zu vertreiben und musste sich dem ergeben, dem öffnen und sehen was dort geschah. Er musste mit Emmanlines Augen sehen und genau das geschah in diesem Augenblick, als würde er wahrhaftig seine Augen aufschlagen.
Durch ihre Gedanken wusste er, das sie gerade versuchte vor Drachen davon zu rennen, die sie verfolgten. Es war eine Jagd und sie liebten es und hatten Spaß daran. Sie hatten Emmanline mit Absicht laufen lassen, damit sie ein Spiel daraus machen konnten und um wahrscheinlich ihre Langeweile vertreiben zu können. Er kannte solche Art von Spielchen, weil er sie selbst zur genüge hatte.
Durch ihre panische Augen konnte er freies bergiges und eisiges Gelände erkennen, aber mehr nicht. Es tobte ein kleiner eisiger Sturm, wodurch sie sich kämpfen musste und die Sicht war manchmal nicht die Beste, aber sie versuchte Wege zu finden, zwischen all den offenen Felsen. Er konnte durch den Sturm keinen Drachen erkennen, aber die Gelächter deuteten darauf hin, sie waren in der Nähe.
„Lauf nur, Kleine, lauf. Du wirst uns nicht entkommen.“ Lachten sie voller Hohn und Freude an der Jagd.
„Ja, denn wir können dich sehen.“ Noch mehr Gelächter.
Schon außer Atem versuchte sie sich irgendwo zu verstecken, aber es gab kein Ort wo sie sich verstecken könnte. Nicht vor den Drachen. Den würde es niemals geben und das wusste sie und er selbst auch. Das schlimme, er konnte ihr einfach nicht helfen und musste dies ertragen. Wie beim letzten Mal. Es tat ihm in der Seele weh, welche Angst und Qual sie durchmachen musste.
Eben hatte sie ein kleines Versteck erspäht und wollte sich dort verkriechen, aber wurde kurz darauf von scharfen Klauen gepackt und in die Lüfte gerissen. Panisch krallte sie sich an ihnen fest, weil sie befürchtete, von der Höhe zu fallen und kniff ihre Augen fest zusammen, um die Höhe nicht sehen zu müssen. Ihr Herz raste in der Brust und Lucien hatte das Gefühl, das er wusste was passieren würde.
Dann passierte es. Aus Spaß und ihrer Laune heraus, warfen die Drachen Emmanline in der Luft hin und her, als wäre sie ein Spielzeug. Schreiend wirbelten sie sie in der Luft zum einem zum andern, ohne das sie was machen konnte. Befürchtete jeden Augenblick in die Tiefe zu stürzen, denn selbst er konnte hin und wieder durch Emmanlines Augen erkennen, wie hoch die Drachen sich in den Himmel erhoben hatten. Ihnen machte der kleine Schneesturm nichts aus, aber für sie war es eine Qual von eisiger Kälte, das sich wie Nadeln auf der Haut anfühlte. Vor allem wenn sie kaum etwas an hatte und jetzt noch wie ein Ball hin und her geworfen wurde, als wäre sie nichts.
Wie es passieren musste, griff einer der Drachen vor Unaufmerksamkeit daneben, als er Emmanline auffangen sollte. Dabei stürzte sie in die Tiefe, aber sie schrie schon nicht mehr, denn schon längst hatte sie ihre Stimme verloren. Als hätte durch die Kälte ihre Stimmenbänder versagt.
In der ganzen Zeit wo sie fiel, fing sie keiner auf und er spürte es tief in sich, wie sie in die Tiefe stürzte. Er musste den Boden nicht näher kommen sehen,um auch zu wissen, was das alles bedeutete. Sowohl spürte er auch die schmerzlichen Wunden auf Emmanlines Haut, die sie davon getragen hatte.
Doch kurz bevor sie auf die harten Felsen aufschlug, wurde sie gepackt und nach oben gerissen.
„Wie oft habe ich euch gesagt, wenn ihr dieses Gör schon aus Langeweile benutzt, es auch nicht kaputt machen sollt?“ Knurrte Culebra wütend auf, der sich eingemischt hatte und damit hätte er nicht gerechnet. Nur glaubte er nicht, das es aus einer reinen guten Tat heraus war.
Plötzlich veränderte sich alles. Die ganze Sicht und Umgebung. Alles verschwamm und etwas Neues bildete sich. Es war eine neue Erinnerung.
„Ich will das du es mir endlich verrätst.“ Konnte er die tiefe Wut und Ungeduld spüren, die in Culebra tobte. „Langsam verliere ich meine Geduld mit dir.“
Wie immer fühlte Lucien die Kälte tief in sich, ohne das er sie vertreiben konnte. Er fragte sich nur, wie konnte Emmanline solche eisige Temperaturen solange stand halten, ohne das sie erfror? Trotz ihrer Unsterblichkeit. Er fand es selbst, wenn er es so spürte, unerträglich.
Zusammengekauert lag Emmanline auf dem kalten Boden, als versuche sie sich vor etwas zu schützen. Er konnte von der Umgebung und wo Culebra war, nichts erkennen, aber er wusste, er war da. Luciens Befürchtungen waren, Emmanline wollte all das nicht sehen.
„Deine Mutter war schon eine große Närrin es mir nicht zu verraten und hat unglücklicherweise das mit ihrem Leben bezahlt.“ Konnte er keinen Funken Mitleid aus seiner Stimme hören, aber den Schmerz in Emmanlines Herz fühlen. „Zu schade nur, das du nicht ihr gleiches Schicksal erleiden kannst, aber dafür werde ich dir dein Leben zur Hölle machen, wenn du es mir nicht verrätst. Jeden Tag aufs neue werde ich dir Qualen bereiten, solange bis du es mir endlich preis gibst. Ich will endlich das Geheimnis wissen.“ Hörte er Schritte um sich herum, als würde Culebra Kreise um Emmanlines kauernden Körper drehen. Wie ein Geier, der um seine Beute Kreise drehte.
„Niemals.“ Flüsterte Emmanline und zitterte am ganzen Körper. „Mache mit mir was du willst, aber ich werde dir nie etwas verraten.“ Erklang so viel Mut in ihrer Stimme, das man sie wahrnehmen musste. Es spielte keine Rolle, wie ernst man sie nehmen würde, Hauptsache sie hatte es einmal ausgesprochen. Lucien konnte ihre Gedanken hören und mehr musste er nicht wissen.
Wütend knurrte Culebra und packte Emmanlines kleinen Körper. „Du hältst dich wohl für sehr mutig, was?“ Lachte er sie voller Hohn aus. „Merke dir eines, Mädchen, hier wirst du nie wieder raus kommen. Du wirst hier nicht entkommen. Egal wie viele Fluchtversuche du unternehmen mögest, du wirst auf ewig mir gehören.“
„Lucien, du darfst nicht ständig daran zurück greifen. Lass dich nicht von meiner Vergangenheit einnehmen, auch wenn du sie sehen kannst.“ Nahm Emmanline sein Gesicht in ihre Hände und das holte ihn in die Wirklichkeit zurück. „Ich weiß es, je länger du dich darauf einlässt, wird dich das irgendwann zerstören.“
Kurz schaute Lucien sie an. „Nein, Emmanline. Ich glaube, wenn du dich nicht irgendwann damit konfrontierst, wird dich das eines Tages einholen und ich weiß nicht, ob dich das noch retten wird. Wenn ich jetzt schon sehe, was ich sehe und was du versuchst zu verdrängen, will ich es mir nicht ausdenken was kommen wird. Jeder muss eines Tages reden, egal was es ist. Selbst der Stärkste muss das, bevor der Abgrund zu tief wird. Und ich will dich nicht verlieren. Nicht dich.“ Versuchte er sie nicht zu bedrängen, aber zu erklären, was er damit meinte.
„Bin ich dir als deine Seelengefährtin denn so wichtig, Lucien?“
„Nicht nur als meine Seelengefährtin, Emmanline. Je mehr ich von dir kennen lerne, umso mehr will ich dich als Frau bekommen. Nicht weil das Schicksal oder sonst wer es mir vorher bestimmt hat. Es sagt eben mein Herz und es fühlt sich zu dir hingezogen. Mit jeder Faser meines Körpers möchte ich bei dir sein und ich will jede einzelne Sekunde mit dir verbringen. Mir ist egal was die Anderen denken und sagen. Ich weiß was ich sehe und fühle, und das ist richtig. Wahrhaftig und nur mit dir zusammen zu sein. In meinem ganzen unendlichen Leben hat sich noch nie so etwas richtig angefühlt, als das mit dir.“
Je mehr Worte Lucien sagte, je höher schlug ihr Herz. Emmanline konnte nicht leugnen, das sie nicht von seinen Worten berauscht war. Welche Frau würde das nicht sein? Vor allem, wenn er sie jetzt so an sah. Herzzerreißend und wahrhaftig ehrlich. Er log nicht und sie spürte es tief in sich drinnen, es war so. In den tiefsten Winkel ihrer Selbst, er log sie nicht an. Wie also konnte sie ihm da nicht glauben schenken, wenn er mit solchen tiefen Gefühlen Abgrund tief ehrlich war? Gerade ein Mann, und Männer waren nie so ehrlich. Oder?
Sanft berührte Emmanline weiterhin seine Wangen, die sich so rau anfühlten, weil sie nicht anders konnte. Es war ein Drang, dem sie nachgehen musste. „Ich glaube dir, Lucien. Egal was es ist, aber ich glaube dir. Diese Gefühle die zwischen uns stehen, gehen tiefer als alles andere, das weiß ich und ich habe Angst davor, ich werde von ihnen erdrückt, weil es zu viel wird. Ich kenne das alles nicht.“
„Ja, das weiß ich, weil ich es gesehen habe. Darum werde ich es dir zeigen. Du musst es nur zu lassen, wenn du es willst. Mehr musst du nicht tun.“ Sprach er sanft und berührt hauchzart ihre Wange.
Es klang alles so leicht, was er ihr da sagte und sie würde ja am liebsten seinen Worten sofort folgen. Dennoch war es nicht so leicht, aber anderseits hatte sie es ihm auch versprochen, dass sie es versuchen würde. Egal was es sie vielleicht kosten würde. Darum gab sie sich jetzt seinen Berührungen hin, weil sie es versuchen musste. Oder sogar wollte. Ja, sie wollte es.
„Ich will es versuchen. Zeige es mir, Lucien.“ Gab sie sich ihm vollkommen hin.
Zum ersten Mal öffnete Emmanline sich jemanden und ließ sich vollkommen gehen, ohne Grenzen. Lucien schien es zu wissen und er blickte sie jetzt genauso an, als könnte er in ihre tiefste Seele schauen. Sie müsste sich verletzbar fühlen, aber sie tat es nicht. Keineswegs, nicht wenn er sie so in seinen Armen hielt, beschützt und behütet, als könnte er sie vor allem bewahren, wie er es ihr versprochen hatte.
„Du wirst es nicht bereuen, das verspreche ich dir, Emmanline.“ Küsste er sie erst sanft und dann voller Leidenschaft, als wäre sie noch nie dagewesen. So hatte sie es noch nie verspürt, bis in die tiefsten Winkel ihrer Selbst.
Kurz darauf lag Emmanline auf dem weichen Bett. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie Lucien sie darauf gelegt hatte, aber er war liebevoll und zärtlich. Es war nicht so wie die letzten Male, als sie sich geliebt hatten. Er machte es langsamer und behutsamer, weil es sich intensiver anfühlte. Nie hätte sie gedacht, das sich das alles so anfühlen könnte. Unglaublicher und ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, weil sie nur noch aufgeregter war.
Zärtlich fuhr sie mit ihren Händen über seine Brust, zu seinem Hals rauf, während sie sich seinen Küssen entgegen streckte. Sie konnte nicht genug bekommen und von seinen Berührungen, wie er sie liebkoste. Stöhnend schmiegte sie sich an seinen Körper und ihr wurde nur noch heißer, je näher sie ihm kam. Trotz ihrer Kleidung, fühlte sie sich total eingeengt zwischen all den Stoff an.
„Lucien.“ Stöhnte Emmanline atemlos an seinen Lippen, weil sie einfach nicht mehr konnte und keine Luft bekam. Trübe blickte sie ihn an und seine Augen loderten in einem tobenden Feuer der Begierde zu ihr, was sie nur noch heißer werden ließ. Sie brannte schon lichterloh, was alles noch schlimmer machte, je länger er sie anblickte.
„Wie schön du bist, Emmanline.“ Streichelte er von ihrer Wange abwärts zu ihrem Hals und sie bekam eine Gänsehaut prickelnder Gefühle.
Sie wusste nicht wie er das machte, aber nur einmal kurz hatte sie ihre Augen geschlossen und sie lag nun ohne Bekleidung auf dem Bett, ohne das sie es bemerkte. Ihr Verstand war so benebelt, das sie schon gar nichts mehr realisierte, außer nur noch Luciens Anblick und seine Hände, wie er sie berührte. Keuchend und schwer atmend gab sie sich ihm hin, weil sie nicht anders konnte. Ihr Verstand hatte sich schon längst verabschiedet. Vor allem, wenn seine Küsse jetzt ihren Hals zu ihrer Brust runter wanderten. Bebend voller Lust verging sie in seinen Armen und Lucien wusste ganz genau was er da tat. Er machte sie vollkommen verrückt vor Begierde. Er wollte, das sie zerging. Doch sie hielt es nicht mehr lange aus. Nicht wenn er sie so tief und nahe berührte. Dabei war es noch nicht einmal alles, sie wusste es.
Seine Küsse wurden immer tiefgründiger, als er an ihren Brüsten verweilte und an ihren Brustwarzen gütlich tat, wanderte er danach mit seinen Lippen zu ihren sensiblen Bauch hinab, das sie einmal zusammen zucken musste. Sie war nicht mehr darauf vorbereitet, was Lucien tat, denn er hatte ihr Denken abgeschaltet, das sie ihm nicht mehr folgen konnte, sondern dem Empfinden nur noch nachgehen. Sie war wie Wachs in seinen Händen. Er konnte mit ihr anstellen, was er wollte und sie konnte sich noch nicht einmal dagegen wehren. Doch sie wusste auch, tief in sich, sie konnte ihm vertrauen, er würde ihr nie etwas antun, was sie nicht wollte. Er war stets darauf bedacht, das sie auch genau das bekam, was sie immer wollte. Genau das war es, warum sie sich ihm auch so hingab. Sonst könnte sie das auch niemals tun und so freizügig mit ihm all das tun. Vor allem nicht einmal vertrauen, wozu sie je gehofft hätte es wagen zu können.
Alleine dieses Vertrauen versetzte Emmanline in pure Ekstase und sie versuchte sich aus seinen Griff zu winden, als er sie jetzt fest hielt, wo er nun zwischen ihren Beinen lag. Sein Blick, der zu ihr rauf schaute war voller Gier und schiere Lust, als hätte er gerade seine Beute gefunden. Kurz blitzte es in seinen Augen golden Augen auf und sie fingen an wie heiße Kohlen zu glühen. In diesem Augenblick erkannte sie den Drachen in ihm. Es sollte ihr Angst machen, aber es tat es keinesfalls, sondern brachte ihr Herz nur noch mehr zum klopfen und zur Aufregung. Vor purer Neugierde und Lust was wohl als nächstes kommt. Sie akzeptierte den Mann und Drachen gleichermaßen, weil sie beide zusammen gehörten.
Mit einem Schrei krallte Emmanline sich mit ihren Fingern in das Bettlaken fest. Lucien hatte seinen Kopf zwischen ihre Beine versenkt, spürte sie seine Zunge spielerisch über ihre Klitoris wandern, während er ihre Beine in einen eisernen Griff fest hielt. Stöhnen und aufbäumend gab sie sich dem Gefühl hin, die er ihr bereitete. Sie zersprang fast in tausende von Scherben, wenn er so weiter machte. Er saugte und leckte sie in einem Rhythmus, das sie um den Verstand brachte und der erste Höhepunkt ließ nicht lange auf sich warten.
Sie kam mit einem lauten Schrei und vor ihrem inneren Augen explodierten ein Meer von Farben, was sie in einen benebelten Zustand versetzte. Kaum das sie wieder klar war und ihre Augen wieder öffnen konnte, schaute sie in ein lächelndes und zufriedenes Gesicht von Lucien. Da bemerkte sie, er hatte sich seiner restlichen Kleidung entledigt und sie hatte es nicht einmal mitbekommen. Eigentlich hätte sie kraftlos sein müssen, aber sie musste ihn berühren. Zärtlich fuhr sie mit ihren Händen über seine Brust, was ihr ein tiefes Knurren einbrachte. Es vibrierte durch seinen ganzen Körper und durchströmte von ihren Fingerspitzen in ihren Körper über ein. Das ging sofort in ihre Körpermitte und es erregte sie nur noch mehr, wenn er das tat und es ließ sie aufstöhnen. Seit wann reagierte sie so empfindlich auf ihn? Sie sollte entsetzt über sich sein, aber sie war eher fasziniert über all das.
„Wenn du mich weiter so ansiehst, kann ich mich kaum noch beherrschen.“ Stöhnte Lucien in die bisher genüssliche Stille.
„Wie sehe ich dich denn an?“ Wollte sie von ihm wissen, während sie ihn weiterhin streichelte, weil sie ihn berühren musste.
„So voller Verlangen und schierer Lust. Das gefällt mir.“ Lächelte er sie an und beugte sich zu ihr herab, um sie voller Leidenschaft zu küssen, damit sie dahin fließen konnte.
Dann griff eins in andere über, als hätte ein Schalter in ihnen umgelegt. Es war keine Wildheit die in ihnen entfacht wurde oder Rauheit. Aber etwas eigenartiges leitete sie, was unbeschreiblich war. Als hätten sie keine Kontrolle mehr über sich selbst und dessen was sie taten.
Lucien packte sie einfach nur noch und drehte sie auf den Bauch, während er ihren Hintern aufstellte. Mit einem tiefen animalischen Knurren streichelte er über ihren Gesäß und sie konnte nur bei der Berührung aufstöhnen. Sie selbst war vornübergebeugt und vergrub ihr Gesicht in eines der Kissen. Zu viele Emotionen stürmten auf sie ein und sie konnte nicht erahnen, welche Erwartung sie erfassen würde. Mit einem einzelnen gezielte Stoß drang er von hinten in sie ein und sie schrie vor purer Ekstase auf. Als wäre das nicht schon genug, beugte sich Lucien nach vorne und legte sich halb mit seinem Oberkörper auf ihrem Rücken, aber nicht ohne vorher mit der Hand zärtlich darüber gestrichen zu haben. Mit einer Hand stützte er sich neben ihrem Körper ab und mit einem Arm umschlang er sie fest, während er sich tief in sie vergrub. Er tat es nicht mit schnellen Stößen, wie er es die vorigen Male getan hatte. Nein, diesmal war es ganz anders. Es waren viel kürzere, aber dafür härtere und tiefere. Sie konnte es so tief in sich spüren und so intensiv. Obwohl es langsam war, spürte sie es stärker und klarer. Bis in die unergründlichsten Winkel ihrer Selbst. Sogar ihrer Seele. Es erschütterte sie regelrecht.
Schweißgebadet konnte sie nichts tun, als sich Lucien einfach nur hingebungsvoll hingeben. Sie gab ja zu, sie genoss es wie er sie liebte. Es war auf seine eigene Art und Weise. Auch wie der Drache es tat. Sie fühlte sich beschützt und geborgen, mit all den Gefühlen die sie brauchte und eigentlich immer wollte. Genau das was sie sich immer ersehnt hatte. Hatte sie das bei Lucien endlich gefunden?
Emmanline konnte etwas feuchtes auf ihrem Hals spüren, da bemerkte sie, das Lucien mit seine Zunge darüber fuhr und sie stöhnte auf. Sie flammte so schon auf und als das Kühle auf das warme Feuchte traf, konnte sie nicht anders. Es erregte sie nur noch mehr und sie reckte Lucien ihren Hintern nur noch mehr entgegen. Sie wollte mehr haben und diese verruchte Seite hatte sie noch nicht an sich gekannt. Mit einem kleinen Biss von ihm in ihren Hals, erkannte er es als eine Bestätigung und sie schrie vor Lust auf, wogegen er nur fester in sie stieß. Seine Stöße wurden dadurch nicht all zu schneller, aber intensiver und eindringlicher. Selbst konnte Emmanline fühlen, wie erregter er wurde und sie konnte sich nicht vorstellen wie das möglich war. Lucien musste doch selbst seine Grenzen erreicht haben, sowie sie es doch langsam auch. Sie konnte bald nicht mehr und war dem Ende nahe. In ihr baute sich ein solcher Druck auf, das es sie zu zerreißen drohte. Es fing in ihrer Bauchgegend an und es breitete sich immer weiter aus, bis es zu explodieren drohte. Sie wusste, es gab kein zurück mehr.
Kraftlos, nicht mehr fähig ihre Beine aufrecht zu halten, sackte sie zusammen, als Lucien noch immer in sie stieß. In einem gleichen tiefen und langsamen Rhythmus. Er lag zwar nicht mit seinem ganzen Gewicht auf ihr, aber es war spürbar, was ihr trotzdem nichts ausmachte. Sie war jetzt auf was ganz anderes abgelenkt und es bahnte sich einen brutalen Weg an die Oberfläche. Keuchend und stöhnend in das Kissen, bekam sie kaum noch Luft, aber das interessierte sie gerade wenig. Lucien fing gerade damit an, zwischen ihre Beine zu greifen und fand ihren empfindlichsten und wunden Punkt. Nur eine Berührung und sie schrie vor Empfindlichkeit auf.
„Komm für mich, Emmanline.“ Raunte er keuchend in ihr Ohr.
So erregt wie seine Stimme klang, musste sie seinem Befehl folgen. Nur nach einer einzigen Berührung kam sie in einer heftigen Explosion. Sie zitterte am ganzen Körper und ihr ganzes Inneres zog sich schmerzhaft zusammen. Genau in diesem Augenblick spürte sie, wie Lucien aufbrüllte und nahm in sich etwas heißes wahr, was sie noch einmal aufschreien ließ. Auch er hatte seinen Höhepunkt erreicht, was sie zufrieden machte. Solange auch er seine Erlösung fand, war sie vollkommen zufrieden. Doch für Lucien war das beileibe noch nicht alles, was sie geahnt hatte. Er liebte sie auf erdenkliche Arten und Weisen, solange bis sie eingeschlafen war. Sie hatte schon gar nicht mehr mitzählen können, so oft war es gewesen. Aber er war stets zärtlich und sanft zu ihr gewesen, hatte liebevolle Worte zu ihr gesagt. Das Letzte, bevor sie in den Schlaf gesunken war, war, wie er sanft über ihr Haar gestreichelt hatte und als würde er jetzt über ihren Schlaf wachen. Stets spürte sie seine Aufmerksamkeit und das er da war.
Genau da veränderte sich etwas entscheidendes in ihr.
Tief und fest war Emmanline in einen Schlaf versunken und ganz in sich selbst versunken. So tief war sie noch nie in sich gekehrt, als sie in eine tiefgehende Ruhe fiel. Als hätte ihre Seele erst eine solche Ruhe und Frieden gefunden. Solch einen Punkt, an dem sie gelangt war. Ohne das sie sich einem sorgenvollem Gewissen hingeben musste und darauf achten, ihr könnte etwas geschehen.
Nein, diesmal war es vollkommen anders. Sie verspürte nichts davon. Keine Ängste, ihr könnte etwas geschehen oder aus dem Schlaf reißen. Sie war die Ruhe selbst und ihre Seele dem Einklang gleich. Solch eine innere Einkehr und es fühlte sich wohlig und leicht an, welches kleines Licht sie von innen nun erleuchtete. Es war anders, aber kannte sie dennoch irgendwoher. Vielleicht sollte es sie nervös machen, aber tat es dennoch nicht, weil sie wusste, es war nichts Gefährliches. Sonst würde sie es spüren, wenn Gefahr drohen würde. Schließlich besaß sie etwas in sich, was sie vor jeglichen Gefahren schütze, behütete und warnte, sollte irgendwas drohen. Auch wenn es sich nie zeigen durfte und immer im Verborgenen bleiben musste. Aus reinem Selbstschutz.
Plötzlich stieg ein ungeahntes Gefühl in ihr auf, welches sie noch nie so stark in sich verspürt hatte. Ein Drang, den Emmanline nicht so leicht ignorieren konnte und sie wusste, sie konnte dem auch nicht entgehen. Ein Gefühl, das doch unbeschreiblich und großartig war, das sie dem freien Lauf lassen musste. Ohne das sie was dagegen tun konnte, passierte es und wie sehr sie DAS auch zu verhindern vermochte, aber es geschah einfach. Auch wenn es einfach nur in ihrem tiefsten Schlaf passierte, aber für sie war es die reinste Realität, weil sie wusste, es stimmte. Zum ersten Mal zeigte sich in ihrem tiefsten Inneren ihr zweites Wesen in voller Gestalt. Dieses, welches sie so gut verborgen hielt und welches niemand zu Gesicht bekommen durfte. Oder je erfahren durfte. Doch genau jetzt zeigte es sich vor ihrem inneren Auge. Für nur einen Augenblick, bis sie aus dem tiefen und festen Schlaf erwachte.
Schweißgebadet und schwer atmend saß Emmanline nun kerzengerade im Bett, ihre Augen geweitet und nicht fähig zu denken. Ihr Herz kam erst mit ein paar Schlägen wieder in einen regelmäßigen Takt zum Schlagen, was vermutlich kurz aufgehört hatte in ihrer Brust zu schlagen.
„Unmöglich.“ Keuchte sie immer noch schwer atmend und sie wollte sich gerade mit ihren Händen über das Gesicht wischen, als sie bemerkte, wie sie leuchteten. Schockiert und entsetzt zugleich raffte sie die ganzen Decken von sich, die auf ihr lagen. Noch immer war sie nackt, von der letzten gemeinsamen Nacht mit Lucien, die wirklich unbeschreiblich gewesen war. Aber es war so, sie leuchte, oder viel mehr, strahlte am ganzen Körper.
Entsetzt schaute sie neben sich, ob Lucien neben ihr lag, aber sein Platz war leer. Da sickerte auch die Erinnerung langsam durch, wie er sich liebevoll und zärtlich von ihr verabschiedet hatte und meinte, er würde sich so schnell wie möglich beeilen und zu ihr zurückkehren. Dabei könnte er es nicht mehr erwarten. Sie hatte ihm geglaubt und es war auch so. Sie hatte in der Zeit einfach seelenruhig weiter geschlafen. Jetzt geschah das und dieses Gefühl ließ sie nicht mehr los.
„Ganz ruhig, Emmanline. Du musst dich beruhigen.“ Atmete sie ein paar Mal tief durch. Sie schloss sogar einmal kurz die Augen. Aber das Leuchten hörte noch immer nicht auf. Warum konnte sie das nicht mehr unterdrücken, wie zuvor auch? Es war stets ein Schutzzauber gewesen, den ihre Mutter ihr beigebracht hatte, damit sie geschützt war. Jetzt war es, gar schwierig das Leuchten abzustellen. Obwohl es ihr immer so leicht viel, wie das Atmen.
Emmanline sprang regelrecht aus dem Bett und lief auf und ab, als könnte es sie beruhigen. Sie wusste im ersten Augenblick nicht, was sie tun sollte. Niemand durfte sie so sehen.
Beim Hin und Her laufen bemerkte sie, das die Badezimmertür offen stand und sie konnte durch das morgendliche Licht eine Sicht auf den Spiegel ersehen. Dort erkannte sie sich sehr gut selbst und zum ersten Mal sah sich wirklich selbst. Natürlich war sie noch nackt, aber das helle Leuchten, was ihren Körper umgab, machte ihre Haut noch heller als sonst. Ihre Augen strahlten noch silberner und glänzender. Darin erkannte sie das Wesen, was sie in Wirklichkeit war. Selbst ihr weißes Haar war ein weiteres Merkmal, was noch hinzukam. All das zusammen und es war noch vieles mehr. Was bedeutete das? Warum zeigte sich ihr Wesen jetzt?
Ab da kam ihr eine erneute Erinnerung und nun wusste sie auch, was sie zu tun hatte. Wohin sie auch gehen musste. Oder es vielleicht auch wollte. Es wurde ein Entschluss gefasst, wie hart diese auch sein mag, aber sie musste jetzt Vertrauen haben. Wie einst ihre Mutter es gesagt hatte.
Schnell sammelte Emmanline ihre herumliegende Kleider zusammen, die Lucien auf unerklärlichen Gründen ihr letzte Nacht ausgezogen hatte, ohne das sie es mitbekommen hatte. Diese Nacht würde zweifellos zu einen der unvergesslichen Nächte zählen, die sie je hatte. Es war eine wirklich tiefe Verbundenheit, die sie mit Lucien verspürt hatte und wer weiß, ob es nicht auch der Grund und Anlass dazu war, warum sie jetzt in dieser Lage steckte. Doch dem musste sie sich jetzt stellen.
Während sie sich ihre Kleidung anzog, versuchte sie immer wieder, den Tarnzauber über sich zu legen. So konnte sie keinesfalls vor die Tür gehen, wenn sie Lucien suchen ging. Das Merkwürdigste war, sie wollte mit ihm sprechen und hätte ihn auch gerne zu sich gerufen, aber sie erreichte ihn einfach nicht. Sie konnte einfach keinen mentalen Kontakt mit ihm aufnehmen. Dabei musste sie dringend mit ihm sprechen und sie hatte das dringende Gefühl, dies war eine Sache, die sie nicht aufschieben konnte. Egal wie sehr sie sich anstrengte, der Drang war zu übermächtig. Es war fast so, als würde ihr inneres Wesen sogar auch raus wollen und sich zeigen wollen. So was hatte sie noch nie gehabt. Sie sollte wahrscheinlich mit Lucien darüber sprechen, bevor noch etwas ganz Dummes geschah.
Alastar ging die ganzen Dinge ziemlich auf die Nerven. Vor allem was er jetzt zu hören bekommen hatte. Mit all dem Fluch, diesen Rubin und den Lebensbaum. Vor allem das keine Kinder mehr geboren wurden, weil irgendjemand sie verflucht hatte. Es war doch ein Witz, dass sich absolut keiner daran erinnern konnte, wer das gewesen war. Er konnte es sich beim besten Willen nicht vorstellen. Allein schon bei der ganzen Geheimnistuerei, die sie hier veranstalteten. Er glaubte seinem Bruder, dass er die Wahrheit sprach und das er zuvor davon nichts gewusst hatte, aber das seine Eltern all die Jahrhunderte so etwas verschwiegen hatten, war schon etwas schwerwiegendes. Wie konnten sie so was Wichtiges verschweigen? Gerade in der Königsfamilie? Dies war nicht unverzichtbar. Vor allem nicht vor Lucien, da er der rechtmäßige König war. Also, warum hatten sie solange gewartet? Vor allem, warum hatten sie geschwiegen?
Als Alastar gedankenverloren den Korridor entlang lief, um zu einer Verabredung mit seinem verehrten König und Bruder zu kommen, was ihn nicht sonderlich gefiel, machte er merkwürdige Entdeckung. Etwas weiter vor ihm stand die kleine Elfe an der Wand, als würde sie sich abstützen.. Sie war mit dem Rücken zu ihm gekehrt und wollte anscheinend in die gleiche Richtung wie er, wenn sie nicht an der gleichen Stelle stehen bleiben würde. Irgendwas stimmte da nicht. Selbst sein innerer Drache machte diese Bemerkung, als würde mit ihr nichts stimmen. Sie schien auch unnatürlich blass zu sein.
Auch wenn es ihm nicht behagte, tat er es trotzdem. „Ist mit dir alles in Ordnung?“ Fragte Alastar in einigen Schritten Entfernung hinter ihr nach. Sie zuckte unwillkürlich zusammen.
Langsam und vorsichtig drehte die Elfe sich zu ihm um und blickte ihn an. Etwas Seltsames blitze in ihren Augen auf, was seine Stirn runzeln lies. Ihr Gesicht schien hohe konzentrierte Züge anzunehmen, als versuche sie, etwas zu kontrollieren. Aber was?
„Ja, alles in Ordnung.“ Erwiderte sie etwas gepresst.
„Danach sieht es mir nicht ganz aus. Du siehst ziemlich Hundeelend aus.“ Sprach er es direkt aus, ohne das er sich, was dabei dachte.
Kurz blickte sie ihn an, wandte sich dann von ihm ab, um weiter zu gehen. „Danke für deine Ehrlichkeit, genau das wollte ich jetzt hören. Ich würde ja noch gerne weiter reden, aber ich habe keine Zeit und muss jetzt weiter.“ Schien sie mühe zu haben voranzukommen.
Was hatte sie denn vor? Vor allem, wohin wollte sie überhaupt? Normalerweise interessierte ihn solche Kleinigkeiten nicht, aber dies machte ihn jetzt schon etwas neugierig. Ab und an gab es schon Dinge, was ihn reizte, was vielleicht selten vor kam.
Mit einem Ruck und ohne Vorwarnung nahm Alastar sie auf seine Arme. „Das kann man ja nicht mit ansehen.“ Knurrte er mürrisch und schaute sie grimmig an, während sie ihn entsetzt ansah.
„Lass mich runter.“ Versuchte sie, sich zu wehren, aber das konnte man kaum ein wehren nennen, so wenig Kraft wendete sie dafür auf. „Ich kann selbst laufen.“
„Ja, zweifellos. Also, wo willst du hin? Nun sag schon. Ich habe auch nicht ewig Zeit und bevor ich es mir noch anders überlege und dich einfach wieder fallen lasse. Was ist dir lieber, um schneller an dein Ziel zu kommen?“ Hob er fraglich eine Augenbraue.
Weil sie wusste, dass er Recht hatte, presste sie ihre Lippen zu einem geraden Strich zusammen. „Ich muss dringend zu Lucien.“
Fragend hob Alastar nun die zweite Augenbraue. „Nun gut, dann haben wir wohl beide das gleiche Ziel.“ Stampfte er davon und ihr Weg führte sie genau zu Luciens Arbeitszimmer, wo nicht nur sein Bruder auf sie wartete.
Lucien konnte es noch immer nicht fassen was er in diesem Brief lass, den er jetzt in seinen Händen hielt. Ungläubig und wie oft er diese Zeilen liest, aber es mussten wahre Worte sein. Allein das Siegel und die Unterschrift, die diesen Brief unterzeichneten, deuteten auf alles hin, es musste alles wahr sein. Seine Informationen von damals waren richtig gewesen und da Raiden jetzt wieder hier war und ihm diesen Brief überreicht hatte, überzeugte ihm, die Elfen haben überlebt. Dieser Brief bezeugt es noch mehr und diese Worte sagten noch viel mehr aus, wobei er nicht weiß, was er dazu sagen sollte.
„Also, du liest nun schon seit geschlagenen zwanzig Minuten die Zeilen dieses Briefes. Entweder ist es zu kompliziert und in einer Geheimsprache geschrieben, oder es steht etwas Entsetzliches und Schockierendes darin.“ Scherzte Jade in die Stille hinein, als gerade keiner sprach.
Seit seine Geschwister erfahren hatten, das Raiden unversehrt wieder da war, konnte er schon eine Erleichterung spüren. Auch wenn viele es nicht zeigten, wusste er, sie hatten sich Sorgen um seinen ältesten Bruder gemacht. Es kam vor, dass Drachen für eine gewisse Zeit verschwanden. Manchmal auch für Jahrhunderte, aber man konnte immer einen mentalen Kontakt aufnehmen, wann immer man wollte. Oder man spürte einen Funken an Energie, ob er noch existierte. Doch diesmal war es anders gewesen und von Raiden war nichts da gewesen, obwohl er Schuld daran gewesen war und ihn losgeschickt hatte. Zwischen ihnen hatte eine sogenannte Blockade gewirkt, die nicht durchbrochen werden konnte. Egal was da passiert war, dennoch war Raiden jetzt wieder bei ihnen. Unversehrt.
„Ja, was steht da nun drinnen?“
Lucien legte die Seiten so langsam auf den Schreibtisch, als wäre sie zerbrechlich und aus Glas. Blickte währenddessen Raiden an. „Weißt du, was in dem Brief steht?“
„Nein.“ Schüttelte er mit seinem Kopf. „Wie du siehst, ist das Siegel noch ungeöffnet, was vom König der Elfen kommt. Oder glaubst du es mir nicht?“
„Doch, das tue ich, aber das ist nicht, was ich dich nicht gefragt habe. Ich habe dich gefragt, ob du weiß, was der König der Elfen in diesem Brief hier verfasst hat?“ Hielt er diese Seite des Briefes hoch, als würde das schon alles sagen.
Kurz blitzten die Augen von Raiden auf, schloss sie für einen kurzen Augenblick und knurrte kurz. „Ja, ich weiß, was da drin steht. Ungefähr, aber vermutlich nicht alles. Ich hatte eine kleine Unterredung mit dem Elfenkönig.“
Dann hatte der Elfenkönig Alarion Fenegan wirklich den Krieg mit den Nymphen und Fae überlebt. Und sein ganzes Volk auch, oder was auch immer davon übrig geblieben war. Das konnte Raiden nicht beurteilen, weil er nicht all zu viel davon gesehen hatte. Ihm hatte man keine Wahl und Chance dazu gegeben, da man ihn festgehalten hatte.
Wenn Lucien dem alles Glauben schenken konnte, was in dem Brief drinnen stand und es der Wahrheit entsprach, dann war der Elfenkönig Emmanlines Vater. Von dem sie nichts weiß, aber so wie es in dem Brief steht, Alarion aber von ihr weiß. Hatte Emmanline ihm nicht erzählt, der Vater wüsste nichts von ihr, weil ihre Mutter vorher entführt wurde, bevor sie von ihrer Schwangerschaft berichten konnte?
Gerade wollte Lucien etwas sagen, als die Tür aufgestoßen wurde und er keinen schlechten Eindruck bekam. Denn sein Bruder Alastar kam mit Emmanline auf den Armen herein und normalerweise war sein Bruder nicht für seine freundliche Hilfsbereitschaft bekannt. Aber jetzt, wenn er Emmanline so betrachtete, stimmte etwas nicht. Sofort riss er sich aus seinem Stuhl und kam um seinen Schreibtisch herum, wobei er seinen Bruder entgegenkam.
„Was ist passiert? Emmanline, was ist los?“ Fragte Lucien, kaum das er bei ihr angelangt war und streichelte sanft über ihre Wange.
„Ich habe sie draußen auf den Gang aufgesammelt.“ Antwortete Alastar anstatt für sie. „Anscheinend ist sie ziemlich am Ende und sie wollte zu dir.“
„So schlimm ist das auch nicht. Danke das du mich hierher gebracht hast, dann kannst du mich bitte runter lassen.“Schien sie in Worte zu drängen, aber ihre Wehr war fast gegen null, wie Lucien fest stellte, aber Alastar befolgte ihren Worten.
„Was geht hier vor, Emmanline?“ Fasste er sie an ihren Oberarmen, damit sie ihr Gleichgewicht fand.
Irgendwie wirkte Emmanline ohne Kraft und noch blasser als sonst. Selbst ihre Augen wirkten verändert. Als würde sie eine Veränderung durch machen. Oder war es was anderes?
Jetzt schaute Emmanline ihn in seine Augen. „Ich muss mit dir reden. Es ist wichtig.“
„Warum hast du mich nicht gerufen?“ Runzelte er fraglich die Stirn. Er wäre doch jederzeit gekommen, wenn er so betrachtete, in welchen Zustand sie war. Dann müsste sie sich doch niemals zu ihm schleppen und nicht von Alastar bringen lassen, nur weil er sie durch Zufall auf den Gang gefunden hatte.
„Hatte ich versucht, aber der mentale Kontakt funktioniert nicht. Also musste ich versuchen hierher zu kommen.“ Zuckte sie gerade so mit ihren Schultern.
Der mentale Kontakt funktionierte nicht? Das konnte doch nicht sein. Aber jetzt wo er es probierte, geschah wirklich nichts. Als wäre eine Blockade zwischen ihnen. Doch wie war das möglich? Sie konnten doch sonst problemlos Kontakt zueinander aufnehmen und jetzt plötzlich sollte das nicht mehr funktionieren. Von heute auf morgen.
„Du wirst dich erst einmal setzen, bevor du mir noch umkippst.“ Führte er sie zur Sofaecke, wo er einen Teil seiner Geschwister wegjagte, damit sie sich setzen konnte. Keiner beschwerte sich, sondern machten sofort für sie Platz. „Jetzt wirst du mir sagen, warum du so dringend hierher wolltest.“
Kurz schwieg sie und blickte in die Runde, als ihr Blick bei Raiden stehen blieb. „Oh Raiden, du bist wieder zurück?“ Rang sie sich trotz ihrer Kraftlosigkeit ein Lächeln ab. „Wie ich sehe unversehrt. Wie schön, alle haben sich große Sorgen um dich gemacht.“
„Ja, ich habe es wohl bemerkt. Danke für deine Aufmerksamkeit.“ Lächelte Raiden ihr zurück.
„Emmanline, du darfst nicht immer ablenken. Was ist los mit dir?“ Lenke Lucien ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich.
„Es geht um mein Geheimnis. Darum bin ich hier.“
Überrascht schaute Lucien sie an und wusste nicht, ob er da richtig gehört hatte. Wollte sie wirklich ihr Geheimnis verraten? Dabei war sie immer so stur gewesen und wollte es nie preisgeben. Was hatte auf einmal ihre Meinung geändert. Was war geschehen, warum sie sich öffnen wollte?
Lucien wusste, das Emmanline ein Geheimnis in sich verbarg, aber wenn er jetzt in die Runde seiner Geschwister schaute, konnte er verwirrte Blicke entdecken und vielleicht auch jetzt fragende. Niemand wusste es und wenn jetzt Zweifel auftraten, wenn Emmanline Geheimnisse in sich trug, konnte er nichts tun. Das hätten sie unter sich klären sollen und nicht so öffentlich.
„Willst du das vor allen Tun, Emmanline? Dein Geheimnis verraten, da du doch so stets darauf geachtet hast, es geheim zu halten?“ Wollte Lucien wissen.
„Wenn ich darüber nachdenke und ehrlich bin, habe ich zwar fürchterliche Angst davor, aber sie ist deine Familie, oder? Ich will versuchen zu vertrauen und würden sie mir etwas antun?“ Blickte sie ihn vertrauensvoll und ernst an. Konnte sogar wirklich gewisse Ängste in ihr sehen.
Der Raum war plötzlich in eine vollkommene Stille getaucht, als sie alle Emmanline anblickten und ihr zuhörten. Als würde kaum einer atmen oder gar Luft holen.
„Nein, Emmanline. Niemand hier würde dir hier etwas antun.“ War es Lya warme Stimme, die sprach. „Immerhin gehörst du zu Lucien und auch zur Familie. Jeder rechnet dich an. Auch wenn du kein Drache bist, bist du eine von uns und du hast uns auch schon oft geholfen. Jetzt liegt es auch mal an uns, dir zu helfen.“ Setzte Lya neben Emmanline und lächelte sie warmherzig an.
„Danke, Lya. Das weiß ich sehr zu schätzen.“ Lächelte Emmanline leicht zurück.
„Doch was mich noch interessiert, was hat dich auf einmal umgestimmt, dass du deine Meinung geändert hast? Du weißt, ich habe dir jederzeit angeboten, zu mir zu kommen, wenn du bereit bist, mir dein Geheimnis zu verraten. Aber warum so plötzlich dein Sinneswandel?“ Wollte es Lucien doch schon gerne wissen.
Für einen Augenblick schaute Emmanline ihm in die Augen und etwas blitze in ihren Augen auf, was er nicht erklären konnte. „Ich habe mich an etwas erinnert, was meine Mutter mir einmal erzählt hatte. Einmal sagte sie mir, sollte mir jemals mein wahres Wesen in irgendeiner Form erscheinen, folge und vertraue ihr. Sie wird dir den Weg weisen und dich jederzeit beschützen. Egal was passiert, sie ist die Einzige, die dich niemals alleine lassen wird. Das sollte ich nie vergessen. Und genau heute Nacht ist das passiert.“
„Wartet mal einen Augenblick. Worum geht das hier eigentlich gerade?“ Fragte einer seiner Geschwister.
„Eigentlich bin ich nur zur Hälfte eine Elfe, was eigentlich kein Geheimnis mehr ist.“ War es Emmanline, die auf diese Frage antwortete. „Doch ich konnte und durfte nie verraten was meine andere Hälfte ist.“
„Warum nicht?“ War es Malatyas Stimme, die erklang.
„Weil meine Mutter es mir verboten hatte. Schon seit ich sehr klein war durfte niemand erfahren, wer oder was ich war. Meine oberste Regel lautete stets, das mein Wesen stets verschlossen bleibt, auch wenn es schmerzt und raus in die Freiheit will. Jeder der bemerkt welches Geheimnis ich in mir trage, wird mich bis aufs Blut jagen und einsperren, weil sie nicht teilen wollen. Da ich was besonderes und seltenes bin, genauso wie meine Mutter es gewesen war. Darum dürfte ich niemals Aufmerksamkeit auf mich ziehen und müsste stets unsichtbar bleiben. Nur so wäre ich irgendwann frei von allem und könnte so leben. Das hatte sie mir immer versprochen.“ Erzählte sie und Lucien konnte es sogar bezeugen, da er selbst diese Worte einmal vernommen hatte, die Emmanline von ihrer Mutter gezwungen wurde zu wiederholen. Immerhin hatte er in ihrer Vergangenheit fest gesteckt.
„Ist es das, warum du all die Zeit bei Culebra in Gefangenschaft gewesen warst? Weil du zur Hälfte was anderes bist.“ Fragte Raiden, der noch immer bequem in eines der Sessel saß.
„Ja, aber er weiß nicht was ich bin oder meine Mutter gewesen war. Er kennt nicht einmal das Geheimnis oder was er überhaupt wissen will. Egal was er je getan hat.“
„Oh mein Gott, Emmanline. Soll das etwa bedeuten, du hast all die Gräueltaten über dich ergehen lassen, nur um dein Geheimnis zu bewahren?“ Konnte er Lyas entsetzte Stimme hören.
„Natürlich, das musste ich tun.“ Klang Emmanline verbittert. „Alleine schon der Wahnsinn in Culebras Augen, da musste ich es tun. Dafür lag zu viel auf den Spiel und meine Mutter hatte Recht.“
Leicht berührte Luciens Emmanlines Wange und drehte ihren Kopf zu sich um. „Was ist es, was Culebra haben will? Ich habe es so oft in deiner Vergangenheit gesehen. Ich habe so oft gesehen, wie er dich dafür bestraft hat. Was ist es, was er so energisch will?“
„Er will Unsterblichkeit.“ War ihre Antwort.
„Wie bitte? Aber er ist doch unsterblich.“
„Nein.“ Schüttelte sie mit ihrem Kopf. „Was er will, ist, wahre Unsterblichkeit. Nie wieder sterben, so wie ich es eigentlich tue. Er ist hinter meinem Geheimnis her und will es wissen, woher ich das kann. Oder wie er es erlangen kann.“
Jetzt verstand er auf einmal mehr, als er vielleicht verstehen wollte. Nun fiel ihm auch ihre zusätzliche Unsterblichkeit wieder ein, das sie nicht sterben konnte. Ihm war auch kein Fall bekannt, nach jedem Tod einfach wieder so lebendig zu werden, aber wenn er jetzt so darüber nachdachte, es könnte in Emmanlines Natur liegen, war noch erstaunlicher. Wenn sie schon allein davon erzählte, in ihr wäre ein anderes Wesen. Aber was wäre es dann für eines? Vor allem mit reiner Unsterblichkeit? Eine Göttin vielleicht? Nur die hätten annähernd so viel Macht.
„Das wäre fatal wenn er so ein Wissen und Unsterblichkeit besitzt. Dann können wir ihn ja gar nicht mehr vernichten.“ Knurrte Charia vor Zorn und Hass.
„Ja, aus diesem Grund wollten wir ihm nie diese Macht geben. Außerdem wüsste ich eh nicht, wie das funktionieren sollte. Doch ich bin nicht hier, um mich über Culebra zu unterhalten, sondern, weil ich wegen mir selbst hier bin. Normalerweise bin ich nicht so energielos, aber aus irgendeinen Grund zerrt mich mein Schutzzauber vollkommen aus. Obwohl mir das eigentlich keine Probleme bereitet. Aber diesmal bereitet es mir hohe Konzentration.“ Seufzte Emmanline leise erschöpft auf.
„Was für einen Schutzzauber? Man kann überhaupt nichts spüren, das du überhaupt einen Zauber anwendest.“ Bemerkte Jade erstaunt. Alle schienen aufmerksam zuzuhören.
Emmanline schien nervös zu wirken, als Jade ihr diese Frage gestellt hatte und da wusste Lucien was nicht stimmte. „Emmanline du brauchst keine Angst haben. Egal was ist oder kommen mag, niemand wird dir etwas tun oder gar einsperren. Das verspreche ich dir. Auch wenn wir dein Geheimnis wissen. Keiner von uns wird das tun. Du weißt wo du jetzt hin gehörst.“ Lächelte er sie an.
Schnell konnte er ihr Herz schlagen hören und wie sie einmal tief Luft holte. Plötzlich holten alle im Raum Luft, als ein gleißendes Licht den Raum erhellte. Selbst ihn eingeschlossen, als Emmanline auf einmal anfing zu strahlen. Im wahrsten Sinne an zu strahlen, wie eine Leuchte. Alle starrten sie mit offenen Augen an und es schien, als würde keiner mehr Luft holen wollen. Dafür fühlte sich Emmanline unwohler, aber sie bekam dafür ihre Energie zurück und sprang vom Sofa auf, als könnte sie keine weitere Sekunde sitzen bleiben.
„Schaut mich nicht so entsetzt an.“ Versuchte sie ihre Nervosität zu überspielen. „Ihr wolltet wissen was das für ein Schutzzauber ist. Wenn ich euch erzähle, er verhindert, das ich leuchte, glaubt ihr mir das sowieso nicht.“
„Es wäre nicht gelogen gewesen.“ Kam es etwas trocken von Jade, die noch etwas überrascht war, aber schon ein Lächeln auf ihr ihren Lippen hatte vor Begeisterung.
„Ist das dein wahres Wesen? So wie du jetzt leuchtest?“ Fand Taran weitere Worte.
Kurz schaute Emmanline an sich hinab und dann ihn an. „Nein, das tut mein Körper nur sehr gerne, aber ich kann so nicht rumlaufen. Das fällt zu sehr auf.“
„Warum das denn? Wenn ich so strahlen würde, wäre ich eine wahre Schönheit und Göttin. Ich beneide dich voll.“ Lachte Jade und das konnte nur von ihr kommen. „Das musst du mir unbedingt beibringen.“
„Jade, lass deine dummen Scherze.“ Knurrte Lucien und stand vom Sofa auf, damit er zu Emmanline gehen konnte. „Sag mir, was es wirklich ist.“ Hob er ihr Kinn, damit sie ihn anschauen musste.
Leise atmete sie aus. „Sie will raus. Mein Wesen will raus und sich zeigen. Darum hatte sie sich in meinem Traum gezeigt. Da sie sich gezeigt hat, bedeutet es, das ich dir jetzt vertrauen kann. Das hatte sie zuvor noch nie getan und ich soll ihr vertrauen, weil sie mir den Weg weist und auch beschützt. Wie es mir meine Mutter gesagt hatte.“
„Dann lasse dein Wesen doch einfach frei. Es hindert dich doch nichts daran.“
„Nein, hier geht das nicht. So einfach ist das nicht. Außerdem ist das hier viel zu eng. Sie würde sich auch eingesperrt fühlen und ich will das auch nicht. Gibt es nicht einen Ort draußen und wo vielleicht große magische Kräfte nicht nach außen gelangen? Kennt ihr vielleicht einen?“
Alle schauten Emmanline an, als versuchten sie, etwas heraus zu finden, was niemand sehen konnte und je mehr sie starrten, umso größer wurde nur noch ihr Geheimnis. Und umso neugieriger wurden alle, weil sie wissen wollten, was steckte in Emmanline.
Da fielen Lucien auch wieder die Worte von der Göttin Seferati wieder ein, als er in Gefangenschaft bei den Engeln gewesen war. Dort hatte die Göttin auch so was wie erwähnt, Emmanline wäre etwas Besonderes und Einmaliges. Niemand dürfte ihr ein Haar krümmen und nichts geschehen. Stets beschützte er sie und tat alles mögliche, damit es ihr gut ging. Das hatte er immer getan, auch wenn es ihr manchmal nicht gefallen hatten.
Hier worum Emmanline sie bat war ihre eigene Freiheit, nicht indem sie weg wollte, sondern, weil ihr Innerstes danach rief. Eigentlich sollte jeder einzelne hier im Raum sie verstehen. Sehr gut sogar. Würde man ihre Drachen in irgendeiner Form einsperren oder unterdrücken, wäre es die reinste Folter. Emmanline hatte es ihr ganzes Leben getan. Stets unterdrückt und eingesperrt. Ihr eigenes Wesen in sich, was eigentlich ein Teil von ihr war. Jeder wäre verrückt geworden oder hätte sich in irgendeinen Teil verloren, aber diese Frau war ein Teil ihrer Selbst geblieben. Er bewunderte ihre Stärke wirklich und sie erkannte sie nicht einmal.
„Ich kenne einen solchen Ort, aber ich habe es nicht gerne, wenn ich andere dort habe.“ Waren es Raidens Worte, die die Stille durchbrachen.
„Natürlich, das verstehe ich.“ Meinte Emmanline.
„Können wir diesen Ort nicht für diesen Augenblick benutzen, Raiden?“ Überspielte Lucien einfach Emmanlines Worte. „Nur solange wie sie es braucht.“ Zog er Emmanline an sich und es störte ihn keinesfalls, das sie leuchtete.
Mit einem Seufzen musterte Raiden beide. „Nur wenn ich euch begleite. Ich werde euch dorthin führen.“ Akzeptierte sein Bruder auch keine Widerworte und es schien für Emmanline in Ordnung zu sein, wenn er sie begleitete. Und wie es auch aussah, begleiteten selbst all seine anderen Geschwister sie auch. Vielleicht war es keine schlechte Idee, wenn sie zu mehreren wären. Wenn Emmanline etwas so besonderes war, dann wäre es zu ihrem besten Schutz, sie würden zu mehren los ziehen.
„Würdet ihr uns kurz noch einmal alleine lassen, bevor wir aufbrechen?“ Richtete Lucien Worte an seine Geschwister und sie verließen alle sein Arbeitszimmer, ohne noch eine Aufforderung zu bekommen. Erst als die Tür zu war, richtete er seine Aufmerksamkeit auf Emmanline, die noch immer hell erstrahlt war. „Das überrascht mich jetzt alles. Du hättest dein Geheimnis nicht vor meinen Geschwistern offenbaren müssen. Jedenfalls nicht für den ersten Augenblick.“
„Ja, ich weiß, aber ich glaube es war die richtige Entscheidung. Auch wenn ich fühle, es ist zu viel. Es ist das erste Mal das ich jemanden erzähle oder zeige Wer und Was ich wirklich bin. Bitte mache es mir nicht schwerer, als wie ich es vielleicht gebrauchen kann. Nicht für mich und auch nicht für mein Wesen. Bitte Lucien.“ Bat sie ihn wirklich darum und es erschütterte ihn.
„Nein, ich will es dir überhaupt nicht schwer machen. Aber da du dein Geheimnis jetzt offenbaren willst, was ist in dir? Was für ein Wesen ist in dir, Emmanline?“ Musste er es vorher wissen.
Lange schaute Emmanline ihn an. „Ich kann es dir so vorher nicht sagen. Lass es mir dir bitte zeigen. Ich weiß nicht ob du mir glauben würdest, wenn ich es dir sagen würde. Aber ich verspreche dir, niemand wird in irgendeiner Form in Gefahr gebracht. Mein Wesen ist nicht gefährlich.“ Senkte sie ihren Kopf, als befürchtete sie, Lucien hätte genau das gedacht.
Wenn er ehrlich war, hatte er am Anfang kurz daran gedacht, weil er nicht wusste, welches Wesen in ihr steckte, aber wenn er sie jetzt so sah, sie befürchtete, er würde so denken, brach es doch schon etwas sein Herz. Dabei war es nur reine Vorsichtnahme für alle gewesen. Selbst für sie.
„Ich vertraue dir in der Hinsicht, Emmanline.“ Nahm er sie in seine Arme und drückte sie noch einmal ganz fest, bevor sie beschlossen sich auf den Weg zu machen.
Dieser geheime Ort, den Raiden kannte, stellte sich am Ende heraus, den konnte man nur durch fliegen erreichen. Es war eine kleine Insel im südlichen Meer von Nir. Damit hatte er nicht gerechnet und durch ein anderes magisches Objekt gelangten sie auch nicht dorthin. Durch die magische Barriere, die diese Insel schützte, hinderte alles daran, dorthin zu kommen. Nur der direkte Weg klappte dorthin. Doch so einfach war das Ganze nicht. Emmanline flog nicht gerne durch die Lüfte und er konnte es verstehen, wenn sie jetzt nicht mehr dorthin wollte.
Dennoch überraschte Emmanline ihn zunehmend. Sie gab ihm über zu, wie ungern sie in den Lüften war, obwohl er nie etwas tun würde, damit sie Angst haben müsste. Sie müsste ihm nur einmal eine Chance lassen. Aber diese Angst saß zu tief in ihr und er konnte es mehr als verstehen, jetzt wo er es gesehen hatte. Da wo sie sie als ihr Spielzeug am Himmel für ihre Zwecke benutzt hatten. Es machte ihn immer noch wütend und er wollte diese Drachen genauso finden und töten sehen.
Damit sie alle wirklich zur Insel kamen und die Möglichkeit hatten, bat Emmanline ihn, er solle sie in eine Art Trance versetzen. Wie er es zu Anfang bei ihrer ersten Begegnung getan hatte, als er sie von seiner Höhle ins Schloss brachte, wo sie sich dann zur Wehr gesetzt hatte. Damals hatte er nur noch nicht gewusst gehabt, warum. Doch jetzt tat er es und es war nicht mehr so einfach, wie früher. Jetzt waren mehr Gefühle im Spiel, als wie damals. Diese Mühle war ganz schön verzwickt und diese Frau machte es ihm nicht einfach. Ganz und gar nicht.
Auch nicht, wenn sie ihn jetzt so anschaute. Ihr Leuchten hatte sie, seit sie sein Arbeitszimmer verlassen hatten, wieder unter Kontrolle gebracht und unterdrückt, was ihn etwas störte. Da er nun wusste, es war ein Teil von ihr.
Auf dem Vorhof des Schlosses warteten schon all seine Geschwister und er gab ihnen schon den Befehl, sie sollen sich schon verwandeln und in die Lüfte erheben. Er bemerkte jetzt schon, wie stark es Emmanline beeinflusste und es war am besten, wenn sie so schnell wie möglich zur Insel kamen. Und als alle in der Luft waren, war es nicht anders und sie wurden gestört. Vom Haupttor kam sein Onkel mit Cyrill runter gelaufen, als wäre es wichtig.
„Lucien, ich habe dich schon überall gesucht. Ich habe einen Plan ausgearb...“ Fing sein Onkel erst umfänglich an zu erzählen, als er dann unterbrach und zwischen ihn und Emmanline hin und her schaute, wobei er zum Himmel schaute, wo er all seine Neffen und Nichten erblickte, die ihre Kreise zogen. „Wollt ihr irgendwohin?“ Hob er fragend eine Augenbraue.
„Ich habe nichts gegen deinen Onkel und Cyrill.“ Murmelte Emmanline in Luciens Arme, weil sie wieder viel zu entkräftet aussah.
Lucien dachte in dem Augenblick eigentlich noch mehr bei der Aktion, auch wenn Darius zu seiner Familie gehörte und ihm auch vertraute. So konnte er Emmanline auch verstehen, warum sie diesen beiden auch vertraute. Beide haben sich bei der Versammlung für sie eingesetzt und ohne vorbehalten fand er es gut, weil er es von ihnen nicht verlangt hatte. Nicht als Familienmitglied von seinem Onkel und auch nicht als Emmanlines Leibwächter, von seinem alten Freund Cyrill.
Mit einem Seufzen, gab er ihnen ein Zeichen, das sie ihnen folgen sollten und nur mit einem Augenblick erkannten die Zwei, es bedurfte keine Fragerei. Eine Verwandlung in ihre Drachengestalt und sie erhoben sich auch zu den Andern in die Lüfte.
„Bist du dir auch wirklich sicher das du das willst, Emmanline? Noch können wir es abändern.“
„Ja, Lucien, es ist in Ordnung. Sowohl für deine Familie und auch der Ort. Ich bin auch bereit dafür, das du mich für diesen kurzen Zeitraum in Trance versetzt. Ich vertraue dir.“ Lächelte sie ihn leicht an.
Leicht verzog er das Gesicht dabei. „Das tust du doch mit voller Absicht, indem du mich jetzt so anlächelst und mir sagst, das du mir vertraust. Kein Wunder das ich andauernd schwach werde. Vergleiche das nicht wie zu Anfang, wo ich noch alles konnte und ich dich nicht so kannte, wie jetzt.“
„Vielleicht tue ich das, aber ich brauche das, Lucien. Tue es einfach.“ Schaute sie ihm tief in die Augen und er wusste nicht was er in ihnen sah. Doch er musste ihr nachgeben.
Mit einem weiteren Seufzen tat er es und er bekam das Gefühlt, er tat dies zu oft. Würde das jetzt eines seiner schlechten Angewohnheiten?
Lucien legte eine Hand auf ihre Stirn und befahl mental, das sie in einen tiefen Schlaf versinken sollte und sofort erschlaffte ihr Körper in seinen Armen. Behutsam drehte er sie etwas und dann verwandelte er sich in seine Drachengestalt, wobei sie dann in eines seiner vorderen Drachenklaue lag. Vorsichtig barg er sie daran und presste sie nun an seinen Oberkörper, wo er sie Wärme spendete und vor allem schützte, während er flog. Erst als alles seine Richtigkeit hatte, breitete er seine langen Flügel aus und erhob sich in die Lüfte zu den Anderen, um ihnen zu folgen.
Seit einigen Stunden waren sie schon in den Lüften und sie hatten jetzt schon die Ländereien und die Küsten hinter sich gelassen. Von oben sah alles klein und atemberaubend schön aus, aber irgendwie konnte er sich diesmal nicht an alles erfreuen wie sonst, wenn er in den Lüften war. Am liebsten wollte er alles mit Emmanline teilen und ihr alles zeigen. Doch sie schlief in seiner Klaue und konnte von all dem nichts sehen. Es brachte große Enttäuschung in ihm vor, wenn er daran dachte, wie sehr Emmanline unter all dem gelitten hatte und jetzt so eine Art Trauma besaß. Und das alles nur durch sein eigenes Volk. Dabei konnte er sich glücklich schätzen, das sie ihm jetzt so vertraute und in seinen Armen lag. Sie würde das nicht bei jeden tun. Geschweige ihr größtes Geheimnis verraten. Er hatte es noch nicht einmal von ihr verlangt.
„Wir sind bald da.“ Konnte er Raidens Stimme in seinem Kopf wahrnehmen.
Sein Blick richtete sich gerade aus, weil er nach Emmanline geschaut hatte und ob alles in Ordnung mit ihr war. Sie schlief zwar noch immer, aber es musste nie was heißen. Von weiten konnte nichts weiter als nur das weite Meer erkennen und kein Land in Sicht. Nicht einmal ein Stückchen Fleckchen Erde. Da machte Raiden einen kleinen Tiefflug und flog knapp über der Meeresoberfläche. Es war ruhig und strahlend blauer Himmel. Ein perfekter Tag zum fliegen und das mit einer ganzen Horde Drachen über das Meer. Alle schienen ihm zu folgen und er tat es ihm gleich und sie machten einen Sturzflug nach unten. Geschickt hielt er kurz vor der Oberfläche an, bevor er auf dem Wasser aufschlug. Seine Flügel waren seine perfekten Träger dazu, um sich abzufangen.
Erst als Lucien auf dieser Höhe war, konnte er verstehen. Jetzt sah er die Insel und wie sein Bruder meinte, sie wären bald da. Raiden hatte zuvor gemeint, sie wäre durch etwas magisches geschützt und könnten nur durch den direkten Weg dorthin gelangen. Anscheinend konnten sie auch nur durch eine bestimmte Lage zu dieser Insel hingelangen. Es war nicht möglich, das so schnell ein Außenstehender zu dieser Insel gelangen konnte. Raiden hatte tatsächlich eine magische Insel. Das war wirklich interessant.
Es war eine tropische Insel mit einem sandigen Strand. Von weiter Ferne konnte er auf den hinteren Teil der Insel einen Berg erkennen, der mit grünen Wäldern überwuchert war und ein runder See befand sich inmitten der Insel, der sich nach vorne zu einem kleinem Fluss bildete und zu einem Wasserfall ins Meer mündete. Große Palmen zierten den Strand und das Wasser war strahlend blau wie der Himmel. Es war regelrecht paradiesisch und jeder Drache würde sich hier wohl fühlen. Kein Wunder, er hatte hier alles was er brauchte. Kein Wunder das Raiden dies alles versteckte.
Am Strand gelandet, war er etwas abseits von den Anderen, verwandelte er sich sofort wieder zurück. Auch wenn er nichts an hatte, kümmerte es ihn jetzt nicht, sondern dachte daran, dass Emmanline aus der Trance erwachte. Dafür gab er jetzt den mentalen Befehl, sie sollte wieder erwachen. Kaum merklich machte sie wieder ihre Augen auf und er konnte in silberne Augen schauen.
„Wir sind da, Emmanline.“ Lächelte er sie leicht an und streichelte ihr über die Wange.
Etwas orientierungslos blickte sie um sich und schaute dann wieder ihn an. „Du hast dein Versprechen gehalten.“ Murmelte sie, was sich so anhörte, als wäre sie noch verschlafen.
„Ja, natürlich.“ Setzte er sie ab, da es aussah, als würde sie sich umschauen wollen. Er wusste wie neugierig sie war und wie sehr sie es liebte neue Dinge kennen zu lernen. Vor allem zu sehen. Genau dies war was neues für sie. Vielleicht war das auch ein Anreiz gewesen raus zu kommen. Er konnte den Grund nicht genau nennen, aber jetzt waren sie hier.
Emmanline lächelte Lucien leicht an, als er sie absetzte und bedankte sich bei ihm dafür. Erst dann nahm sie ihr Umfeld wirklich wahr, was sie zuvor nicht ganz getan hatte. Es war wirklich schön hier und auch angenehm warm, sowie der Wind, der über ihre Haut strich. Unter ihren Füßen spürte sie, wie der Boden etwas nachgab und bemerkte den Sand. Vor ihr das viele Wasser, wie Lucien es einmal genannt hatte, es sei das weite Meer. Es war so herrlich blau wie der Himmel und so klar, das man selbst den Meeresboden erkennen konnte. Kleine Fische und andere Tiere tummelten sich im Wasser, was wunderbar zu beobachten war. Hinter ihr erstreckte sich ein grüner Wald mit Bäumen, die sie noch nie gesehen hatte und Pflanzen, die außergewöhnlich waren. Von weiter Ferne konnte sie Wasser rauschen hören und das Rauschen das Meeres.
„Das ist ein wirklich wunderschöner Ort.“ Drehte sich Emmanline um, als sie Geräusche hinter sich vernahm.
„Danke. Aber gewöhnt euch nicht zu sehr daran. Das ist eine einmalige Sache.“ Knurrte Raiden, als er gerade Lucien ein paar Kleidungsstücke zum anziehen gab. Anscheinend hatten sie sich schon etwas angezogen, denn jeder trug nach ihrer Verwandlung etwas an sich. Für sie eine Erleichterung.
Ohne irgendetwas zu sagen, ging sie einfach vom Strand weg und etwas in die Wälder hinein und kam sogar zu einer kleinen sonnenbeschienen Lichtung. Diese war für sie genau perfekt und wie gehofft, waren ihre alle auch gefolgt. Auch wenn es sie etwas Kraft gekostet hatte, ließ sie erst hier wieder ihr Leuchten frei. Da Darius und Cyrill die Einzigen noch nicht gewesen waren, die es gesehen hatten, schienen verblüfft darüber zu sein, als sie auf einmal anfing zu erstrahlen.
„Emmanline, du leuchtest ja.“ War es Cyrill, der überrascht klag.
„Ja, ich weiß. So bin ich, Cyrill. Das ist auch ein Grund warum wir hier sind. Da ihr erst später dazu gekommen seid, werdet ihr es jetzt erfahren.“ Was sie auch jetzt tat und sie beide schienen aufmerksam zu zu hören. „Darum würde ich euch bitte, wenn ihr alle dort stehen bleiben würdet. Mir wäre es liebe, wenn ich diesen Freiraum hätte. Ich weiß, ich könnte niemals von dieser Insel runter kommen und hätte keine Fluchtmöglichkeit, aber für mein Wesen wäre es eine große Erleichterung, wenn ich dann nicht von so vielen Raubtieren umzingelt wäre.“
„In Ordnung, das machen wir.“ Meinte Lucien. „Was ist es noch, Emmanline? Irgendwas willst du uns noch sagen.“
Das wollte sie schon, aber sie wusste nicht, wie sie es sagen sollte. „Bitte versprecht mir, wenn ich es euch zeige, jagt oder sperrt mich nicht ein.“ Ging ihr Atem etwas schneller und ihr Herz schlug ihr fast bis zum Hals.
„Du scheinst ja eine große Angst zu haben, dass das passiert?“ Sprach Alastar.
„Du verstehst das nicht, es steckt in mir.“ Blickte sie in seine Augen und sie fühlte sich, als würde sie von etwas gehetzt. „Es ist mein reiner Überlebensinstinkt was mich beschützt und dazu treibt das alles zu tun und auch mich so zu verstecken. Manchmal denke ich, dass ich all das selbst nicht will. Ich beneide manchmal jedes Wesen dafür, für jede ihre Art und das es nicht alleine ist. Aber so bin ich nun einmal und ich will nichts anderes sein, weil ich es mir nicht anders vorstellen kann. Mehr als das verlange ich nicht.“
„Gut, wir alle versprechen dir, wir werden dich nicht jagen oder einsperren. Erneut.“ Sprach Raiden anscheinend für alle, dennoch stand Lucien vor ihr und blickte auf sie herab.
Sanft nahm Lucien mit seinen beiden Händen ihr Gesicht und beugte sich zu ihr herab, damit er sie küssen konnte. Sie wehrte sich nicht dagegen und lehnte sich genüsslich gegen seinen Körper, weil sie nicht anders konnte.
„Spürst du es, Emmanline? Zwischen uns steht eine Verbindung und egal was kommen mag, es bleibt sowie es ist. Niemand wird dir etwas antun, denn dafür werde ich sorgen, sowie alle die hier stehen. Egal was heute und jetzt hier passiert. Du weißt, was ich dir gesagt habe, niemand könnte etwas tun oder sagen, was uns trennen könnte, denn dafür habe ich von dir schon zu viel gesehen.“ Lächelte er sie bewusst an, weil jetzt erst verstand sie die wirkliche Bedeutung dieser Worte und wie ehrlich er sie meinte.
Emmanline war bereit und fasste sich auf, dass was jetzt kam. Sie musste es tun und es endlich hinter sich bringen. Sie spürte den großen Drange, wie sehr ihr wahres Wesen endlich raus wollte und wie seltsam es auch erscheinen mag, wollte sie es auch Lucien zeigen. Sie wollte ihm ihr Geheimnis zeigen. Egal was es ihr am Ende bedeuten würde. „Ich bin bereit.“ Machte sie einen Schritt zurück und er ein paar mehr zu den anderen, ohne sie aus den Augen zu lassen.
Sie kam nun nicht mehr drumherum zu sagen, dass dieser Mann und Drache ihr etwas bedeutete. Ihr sogar am Herzen lag. Vielleicht war es auch der Grund, warum er ihr so tief unter die Haut ging und sich ihr wahres Wesen jetzt zeigte. Es musste was mit Lucien zu tun haben, nur das konnte es sein.
Langsam schloss Emmanline ihre Augen und holte einmal tief Luft. Tief in sich spürte sie eine wohlige Wärme und wie alles aus ihr herausströmte. Dann spürte sie es ganz nah an der Oberfläche und wie sie es zuvor in ihrem Traum gesehen hatte. Ihr wahres Wesen und wie sie raus wollte. Ohne sie zu unterdrücken, konnte sie sie zum ersten Mal frei lassen.
Plötzlich verändert sich alles. Ihr ganzes Aussehen und Wahrnehmung. Ihre Gestalt wurde strahlend weiß, ihr ganzes Gesicht verformte sich zu einer spitzen Schnauze und ihr Körperbau wurde graziler, ihre Haare wurden zu einer strahlend weißen langen gelockten Mähne und ein langer weißer Schweif peitschte hin und her. Ihr Hals wurde lang und schlank, sowie ihre hohen schlanken Beine, wo sie jetzt auf vier Hufe stand. Ihre Augen noch immer so silbern wie vorher, leuchteten sie jetzt umso mehr. Auf ihrer Stirn erstrahlte ein spitzes goldenes Horn.
Wie erstarrt stand Lucien auf einen Fleck und starrte Emmanline an, während sie sich verwandelte. In ein Wesen, welches er noch nie zuvor gesehen hatte. Den Lauten und Geräuschen im Hintergrund zu vernehmen, ging es den Anderen nicht anders.
Er wusste gerade nicht, ob er atmen sollte oder nicht, aber er glaubte, ihm blieb gerade die Luft weg und sein Herz blieb ihm beim Anblick von Emmanlines Wesen stehen. Ihm waren schon unzählige Wesen begegnet und das auf verschiedener Arten und Weisen, so alt wie er war. Doch von solch ein Wesen und Tier, wie Emmanline es war, hatte er noch nie gehört oder gesehen. Vielleicht in Märchen oder Sagen, aber aus diesen Geschichten wurden sie normalerweise geschrieben. Dann steckte selbst in diesen ein Körnchen Wahrheit und es war kaum zu fassen, aber sie war atemberaubend schön.
Lucien war von ihr so gebändigt, dass er sich kaum rühren konnte. Sie war schneeweiß und ihre Mähne strahlte und lockte sich leicht in Wellen ihren schlanken Hals herunter. Für ein Pferd war sie zu elegant und zu anmutig. Sie war viel schlanker gebaut, als wäre sie vergleichbarer mit den normalen Tieren, wenn nicht das goldene Horn auf ihrer Stirn wäre, was genau sie zu dem Wesen machte, was sie eigentlich war.
Als ihre Verwandlung vollendet war, lief sie unruhig hin und her. Ihr Kopf schnellte immer wieder zu ihnen herüber und er spürte ihre Zurückhaltung, so scheu wie sie war.
„Geh Emmanline und laufe. Genieße die Freiheit. Ich werde hier auf dich warten, bis du wieder zurückkommst.“ Sprach er zu ihr mental und er konnte durch das Zucken ihrer Ohren vernehmen, das sie ihm gehört hatte. Anscheinend bestand die geistige Verbindung wieder zueinander. Was auch immer sie zueinander getrennt hatte, sie war wieder da.
Einen kurzen Augenblick schaute Emmanline ihn mit ihren wunderschönen silbernen Augen an, bis sie kehrtmachte und davon rannte. In ihrer Tiergestalt lief sie in die Wälder und er konnte nur noch die Geräusche und Vibrationen ihrer Hufe auf dem Boden wahrnehmen, bis sie ganz verschwunden waren. Sie war wirklich schnell auf ihren dünnen langen Beinen. Kein Wunder, das sie flink auf ihren Beinen war, wozu er sie immer bewundert hatte.
„Sie läuft davon, willst du ihr nicht nach?“ War es seine Schwester Ysera, die fragte.
„Nein, ich habe ihr selbst gesagt, sie soll gehen.“ Blickte Lucien immer noch an die Stelle, wo Emmanline verschwunden war. „Sie hatte vorhin selbst gemeint, sie könne die Insel ohnehin nicht verlassen und wenn, es ist ihre Freiheit, die wir ihr nicht nehmen können. Außerdem war sie viel zu unruhig, als das sie jetzt hätte hier sein können und sie war viel zu lange in sich eingesperrt. Emmanlines Wesen war ihr ganzes Leben in sich eingesperrt gewesen und ich glaube, da drängt es sie zu laufen. Uns würde es genau so gehen und wir würden als Drachen lieber oben in den Lüften sein.“
„Heilige Götter.“
„Habt ihr das Gleiche gesehen, wie ich? Sie ist ein...“
„Einhorn.“ Beendete jemand anderes den Satz.
„Sind das nicht eigentlich nur Märchen oder erfundene Geschichten? Die gibt es doch eigentlich nicht. Ich meine, ich habe jedenfalls noch nie von solchen Wesen gehört.“
„Und wir nichts in der Bibliothek gefunden. Selbst nicht in den urältesten Bücher.“ Sprach Lodan für sich und Taran.
„Und dennoch scheinen diese Geschichten wahr zu sein, sowie es aussieht.“ Sagte sein Onkel, der nachdenklich seine Arme vor der Brust verschränkte und genauso dorthin blickte, wo Emmanline verschwunden war, als Lucien ihn anblickte, weil er einen seltsamen klang in seiner Stimme vernommen hatte. „Ich hatte mir ja schon irgendwie geahnt, das an dieser Frau etwas anders ist, aber eher so im Bereich von ihren Kräften, da sie eine Elfe ist und nicht gleich eine ganze Gestaltumwandlung. Elfen neigen ja zu ihren besonderen Fähigkeiten, aber in ihr steckt doch mehr, als ich ahnte.“
„Aber hier scheint jemand ganz hin und her gerissen zu sein.“ Erklang Lyas Stimme und alle Blickten sie an, worauf sie Malatya anschaute und sie dann alle auf sie. Anscheinend war sie hell auf begeistert davon was sie zu sehen bekommen hatte und was Emmanline für ein Wesen war. So junge Drachen waren noch schnell zu erfreuen und zu begeistern. Es war nicht so, das sie nicht selbst über das Ergebnis überrascht gewesen wären, was sie heute zu Gesicht bekommen hatten. Sogar eine ziemlich große und neue Erkenntnis, um ehrlich zu sein.
„Und was machen wir jetzt? Wir haben jetzt heraus gefunden, deine Frau ist ein noch nie dagewesenes Wesen. Was wirst du jetzt anstellen, Lucien?“ Lehnte Raiden sich an eine Palme und verschränkte seine Arme vor der Brust.
„Ich werde hier auf sie warten, bis sie wieder zurück kommt. Ihr könnt von mir aus schon ins Schloss zurück, oder auch hier warten. Das ist euch überlassen, wie groß eure Geduld sein wird.“
„Wir werden jetzt wohl kaum gehen und euch alleine lassen.“
„Ja. Es ist ja nicht so, das wir nicht neugierig sind, aber wir werden so ein Wesen nicht ungeschützt lassen. Hatte Emmanline nicht was davon erzählt, niemand dürfte von ihr erfahren oder sie entdecken? Immerhin sind wir ja alle hier, zwecks ihres Schutzes.“ Sprach Jade voller Begeisterung und Ungeduld.
„Wo sie Recht hat, hat sie Recht. Wenigstens einmal in ihrem Leben spricht sie etwas vernünftiges aus.“ Schnaubte Ysera, als gäbe sie es nicht gerne zu.
„Ich weiß nicht, ob das jetzt beleidigend klingen soll oder ob du mich wieder fertig machen willst.“ Starrte Jade sie etwas funkelnd an, dabei hatte sie diesmal nichts böses im Sinn gehabt.
„Gut, dann werden wir hier alle wohl auf der Insel bleiben, bis Emmanline zurück kommt. Dann gehe ich halt etwas an den Strand und mich in der Sonne aalen und ein Nickerchen machen. Weckt mich, wenn es soweit ist.“ Gähnte Charia und streckte sich in die Länge, als sie davon ging. Die Zwillinge folgten ihr, sowie Ysera.
Raiden knurrte etwas säuerlich auf, als er der Truppe hinterherschaute. „Gewöhnt euch ja nicht zu sehr daran. Das ist eine einmalige Sache.“ Betonte sein Bruder seine Worte nur wieder.
Und die anderen verstreuten sich in andere Richtungen. Zurück blieben nur noch er, Raiden und Darius. Was keine große Verwunderung war. Doch da sein großer Bruder in letzter Zeit nicht anwesend gewesen war und auch bei der letzten Sitzung, musste er vieles erfahren. Sowie über diesen Fluch. Kein Wunder, das sich ihre ganzen Geschwister verdrückt hatten. Glaubten sie etwa, er wollte das mit Raiden in Ruhe besprechen?
Dabei wünschte er sich nur jemand bestimmtes an seiner Seite, aber das konnte er jetzt unmöglich verlangen. Er hatte gar nicht gewusst, wie sehr abhängig er von Emmanline geworden war, aber sie war stets an seiner Seite und stand immer bei ihm, wenn was war. Sagte sogar ihre Meinung, sollte sie nicht der Gleichen sein. Das mochte er er sogar. Dennoch hatte sie das jetzt alles verdient, weil dies ein Teil von ihr war. Er wusste ganz genau, sie würde das Gleiche für ihn auch tun. Egal was es wäre.
Stunden waren vergangen und langsam brach die Abenddämmerung ein. Mit Raiden hatte er über das Wichtigste gesprochen und er hatte es gefasst aufgenommen. Natürlich waren Diskussionen aufgekommen, aber es war unveränderbar. Er konnte froh sein, das wenigstens Darius geblieben war, der ihm etwas unterstützt hatte und mit bei der Unterredung war. Mehr als alle zusammenhalten konnten man jetzt nicht und um eine Lösung zu finden, wie es auch Emmanline zuvor gesagt hatte. Für das Volk. Raiden war danach einfach gegangen, mit der Begründung, das er jetzt einfach nachdenken musste. Das war akzeptabel gewesen und er konnte es verstehen. Er hätte es vermutlich genauso getan.
Kurze Zeit später war auch er alleine gewesen und saß nun an einem Baum gelehnt, wo er nun den Himmel betrachtete, wie er sich der Dunkelheit entgegen streckte. Vereinzelte Sterne zeigten sich schon am Firmament. Er hingegen wartete darauf, das Emmanline wieder kehrte. Er ließ ihr die Zeit und würde ihr auch die Möglichkeit geben. In der ganzen Zeit hatte er auch keiner der Anderen gesehen und ihn sollte es auch recht sein. So hatte er auch viel Zeit gehabt nach zu denken. Die hatte er gut gebraucht, um über vieles klar zu werden.
Erst ein Schnauben weckte ihn aus seinen Gedanken und er blickte auf, aber rührte sich keinen Zentimeter vom Fleck.
Da war sie.
Emmanline war so atemberaubend schön und anmutig, wie sie da stand. Lucien wusste, sie musste die ganze Zeit gerannt sein, aber es schien, als wäre sie kein bisschen außer Atem. Sie wirkte nicht so.
Er konnte noch immer nicht fassen, dass er solch einem seltenem Wesen sich gegenüber befand. Emmanline war tatsächlich ein Einhorn und er dachte stets, sie existierten nicht. Das war eines der Dinge gewesen, worüber er nach gedacht hatte und was er sich wach rufen musste. Sogar realisieren. Sie gab es wirklich und nicht nur in Ammenmärchen.
„Du bist so wunderschön.“ Flüsterte Lucien leise und erhob seine Hand, weil er sie so gerne berühren wollte, aber er wollte sie auch nicht verschrecken, da sie so scheu aussah. Dabei lief sie unruhig hin und her.
Ihre schönen silbernen Augen huschten dauernd hin und her, als befürchtete sie, das Gefahr aus dem Gebüsch gesprungen kommen würde. Natürlich würde er das niemals zu lassen.
„Du bist hier vollkommen sicher, Emmanline. Du kannst mir vertrauen.“ Hatte er seine Hand noch immer nach ihr ausgestreckt.
Leichte Schritte machte sie nach vorne und schnaubte hin und wieder, wie sie die Zuckungen mit ihrem Hals, wo ihre strahlend gelockte Mähne sich bewegte. Sie erinnerte ihn an ein anmutiges Pferd, das sich voller Stolz präsentierte. So kam sie gerade auf ihn zu, in ihre schneeweißen leuchtenden Schönheit und ihrem goldenen Horn auf ihrer Stirn.
Sanft und vorsichtig legte Emmanline ihr Schnauze in seine Hand, wo er seinen Arm noch immer ausgestreckt hatte. Ihre Schnauze fühlte sich warm und samtig an. Tief schaute sie ihm in die Augen und er in ihre. Er konnte die tiefe Intelligenz in ihr erkennen, die darin wohnte. Sie, Emmanline war da. Er konnte es genau erkennen.
Plötzlich schien sein Herz auf einmal höher zu schlagen und für einen Augenblick weiteten sich seine Augen, als er die Erkenntnis hatte. Danach konnte er nicht anders, als ihr ein Lächeln zu schenken und sie zu streicheln. Wohingegen sie ihren Kopf gegen seine Hand drückte und es anscheinend sichtlich genoss.
„Schön das du wieder da bist. Konntest du deine Freiheit genießen?“ Strich er durch ihre seidige Mähne, wie er es bei ihrem menschlichen Haar auch immer tat. Er liebte das. „Während ich hier auf dich die ganze Zeit gewartet habe, habe ich über vieles nachgedacht, Emmanline. Da ist mir einiges klar geworden und ich kann auch deine Begründung verstehen, warum du so eine ungeheure Angst hattest, dein Wesen zu offenbaren. Du hast dein Geheimnis so lange bewahrt oder gar Andere ein Geheimnis daraus gemacht, du seist etwas besonderes und das man dich beschützen müsste.“ Sprach er all seine Gedanken aus und die ganze Zeit berührte er sie, während sie ihm zu hörte. Er konnte es sehen. „Ich wusste es schon vorher, dass du etwas Besonderes bist. Auch wenn ich jetzt davon überzeugt bin, was du wirklich bist. Denn jetzt bin ich überzeugt, warum ich wirklich geboren wurde. Jetzt weiß ich, warum ich vom Schicksal ausgewählt wurde, dein Seelengefährte zu sein. Drachen brauchen einen Sinn im Leben und der bist du für mich. Mir ist auch gleich, was das Schicksal mir sagt, aber ich weiß, ich bin für dich geboren, um dich zu beschützen. Als deinen Seelengefährten und Beschützer. Egal was es ist, ich werde immer an deiner Seite sein und dich beschützen. Genau das ist der Sinn in meinem Leben.“
Ein Licht umhüllte Emmanline und sie verwandelte sich von ihrer tierischen Gestalt in die menschliche zurück. Zu überrascht von Luciens Worten konnte sie nicht mehr in dieser Form bleiben.
Entsetzt und gleichzeitig voller Hoffnung schaute sie ihn an, was ihr Herz schneller schlagen ließ und sackte vor ihm auf die Knie. Es erwärmte sogar ihre Brust, was sie nicht verhindern konnte, denn seine Worte waren ernst gemeint. Lucien wollte und meinte, er lebe für sie und es rührte sie wirklich, womit sie nicht gerechnet hätte. Nicht mit seinen tiefen Worten und seinen Blicken und zärtlichen Streicheleinheiten. Er war so sanft zu ihr, was sie zum Schmelzen brachte und nachgeben musste.
All ihre Gefühle brachen Bahn, die sie durch ihr Wesen unterdrücken musste. Erste Tränen rannen ihr die Wangen hinunter und sofort zog Lucien sie in eine Umarmung, was sie heftiger zum Weinen brachte. Ihr Herz wurde viel leichter, als sie zum ersten Mal nicht alleine und zum ersten Mal frei von alldem war. Vor allem ihr Wesen konnte es sein und sich offenbaren, wie es zuvor noch nie gekonnt hatte. Heute war ein Tag gewesen, da hatte ihr Inneres nur geschrien: Laufen. Laufen. Laufen.
Das hatte sie getan und das bis zum Äußersten. Womit sie vermutlich die halbe Insel erkundet hatte. Was ihr zu Anfang vollkommen egal gewesen war, solange sie nur laufen konnte und die Freiheit und den Wind spüren konnte. All das wollte sie fühlen und die Kraft in ihren Beinen und Körper. All das hatte sich toll und herrlich angefühlt. Genau richtig und wie es sein sollte.
Jetzt hängt sie hier und weinte in seinen Armen, weil sie nicht damit gerechnet hätte. Vielleicht waren es genau solche Worte, die sie hören wollte, weil sie stets alleine war und niemand bei ihr gewesen war. Stets musste sie sich alleine durch das Leben kämpfen und jetzt war jemand an ihrer Seite, der das für sie tat. Auch wenn sie es nie hatte ansehen lassen oder auch zeigte, hatte es sie doch Energie gekostet darum zu kämpfen ihr Leben zu bewahren. Selbst wenn sie wahre Unsterblichkeit besaß.
„Nicht weinen, Emmanline. Das wollte ich damit natürlich nicht erreichen.“ Drückte Lucien sie fester an sich.
„Ja, ich weiß.“ Schmiegte sie sich an ihn. „Es ist nur, ich war stets mein ganzes Leben damit alleine und konnte mit niemanden darüber sprechen, oder es je jemanden zeigen. Das ist ein unbeschreibliches Gefühl es einmal frei zu lassen, ohne mir Gedanken darüber zu machen, das etwas passieren könnte. Unter Culebras Gefangenschaft hätte ich das nie gekonnt. Vor allem nicht mein wahres Wesen preiszugeben. Ich will mir gar nicht ausdenken, was er mit mir alles angestellt hätte.“ Bekam sie eine Gänsehaut, bei all der Schrecklichkeit.
„Ich finde es nur erstaunlich, wie lange du dein inneres Wesen, solange verschlossen halten konntest. Ich wäre vermutlich daran zu Grunde gegangen. Damals bei den Engeln in Gefangenschaft war es schon schrecklich für mich gewesen, als sie meinen Drachen für geraume Zeit eingeschlossen hatten. Aber du hast es dein ganzes Leben ausgehalten.“ Erklang Respekt aus seiner Stimme.
Dies konnte sie ihm beantworten. „Ich habe mein Wesen zwar nie bei ihrem Namen genannt und was sie ist, aber sie ist ein Teil von mir, sowie es dein Drache, bei dir ist. Wir sind eins und doch sind wir eigenständig. Ich gebe ihr selbst einen Teil meiner selbst, und wir haben vor sehr langer Zeit eine Übereinkunft getroffen. Auch meine Mutter wusste davon und sie war selbst so ein Wesen. Nur sie war ein wahres Wesen ihrer Selbst. Da ich schon seit meiner Geburt in Gefahr war, beschlossen wir, das sie im Verborgenen bleibt und sie niemand zu Gesicht bekommt. Niemand sollte ihr schaden und wenn, sollte nur ich alles auf mich nehmen. Solange ich sie beschützen konnte.“
„Soll das bedeuten, all die Folter, Qualen und Schmerzen hast du für dein Wesen auf dich genommen?“
„Ja, ich habe es für sie getan und auch für das Geheimnis der Unsterblichkeit, weil sie es in sich trägt. Aber falls du jetzt denkst, ich tue alles nur alleine, dann stimmt das nicht. Sie gibt mir oft die Kraft, die ich für so vieles brauche oder oft nicht habe. Wäre meine zweite Hälfte nicht da, wüsste ich nicht, wo ich heute stehen würde. Oft hatte ich mir gewünscht, meiner Mutter folgen zu können und auch zu sterben. Ich hatte es nie so richtig verstanden, warum ich das nie konnte.“
„Ich verstehe dich schon, Emmanline. Auch welchen Drang dich bewegt. Würde nicht selbst in mir ein Tier existieren, könnte ich dich vermutlich nicht verstehen, aber ich tue es. Auch mir gibt mein Drache die Kraft, die ich brauche, um dort weiter zu machen, wo ich gerade stehe. Dass dir dein Wesen Kraft gibt, ist was Gutes und ich danke ihr auch dafür, denn sonst hätte ich dich jetzt nicht bei mir.“ Drückte Lucien sie von sich, damit er ihr ins Gesicht schauen könnte, denn sie war noch immer etwas aufgelöst von ihren Tränen. „Aber bitte rede nicht mehr davon das du sterben wolltest. Oder möchtest du es immer noch?“
Emmanline konnte eine Art Traurigkeit in seinen Augen sehen und sie fragte sich, rührte es alleine daher, nur weil sie einmal daran gedacht hatte? Weil sie das einmal gewollt hatte?
Mit einem Kopfschütteln verneinte sie es. „Nein, ich will es nicht mehr, Lucien. Es ist schon eine Weile her, als ich den letzten Gedanken daran gehegt hatte, das zu wollen.“ Gab sie ehrlich zu, was ihn erleichtert aufatmen ließ und ein Lächeln empor lockte. Darauf küsste er sie einfach und ohne Vorwarnung.
„Wo sind die Anderen? Sind sie wieder ins Schloss zurückgekehrt?“ Fragte Emmanline, als sie sich vom Kuss gelöst hatte und blickte sich um, aber keiner war zu sehen. Sie beide waren hier vollkommen alleine.
„Nein. Ich vermute mal, sie hängen entweder alle am Strand ab oder irgendwo anders. Jedenfalls wollten sie alle hierbleiben und auf dich warten.“ Erzählte Lucien und sie war überrascht. „Immerhin sind sie alle hier, um dich zu beschützen.“
Ungläubig das zu glauben, wollte sie es schon sehen wollen und auch die Anderen. Vor alle, hatte sie das Gefühl, dass sie den Anderen etwas Probleme aufgebürdet zu haben. Zu mal das schon ein großes Risiko und Geheimnis war. Gerade für die kleine Malatya. Wie könnte sie sich je selbst davor beschützen? Sie hätte nie so viele da hinein ziehen dürfen.
„Ich weiß, was du gerade denkst, Emmanline.“ Legte sich eine Hand auf ihre Wange. „Du hast nichts Falsches getan. Jeder meiner Geschwister ist alt genug, um alleinige Entscheidungen zu treffen. Was unsere Jüngste anbetrifft, sie würde vermutlich alles für dich tun. Malatya liebt dich abgöttisch und sieht dich wie ihre eigene ältere Schwester an. Immerhin hast du ihr ihren Drachen zurückgegeben. Wie könnte sie dir da nicht verfallen sein und für dich alles Tun?“ Stellte er ihr die Frage. „Außerdem steht das allen außer Frage. Sie sind alle freiwillig hier. Mach dir keinen Kopf darüber.“ Lächelte er sie an und streichelte mit den Daumen über ihre Wange.
Sie konnte es nicht fassen, wie leicht er ihre Gedanken erraten hatte. Es war bemerkenswert, aber Lucien hatte Recht. Sie hatte ein schlechtes Gewissen gehabt. Sollte sie ihm glauben? Immerhin kannte er seine Geschwister besser als jeder andere als sonst. Oder?
„Möchtest du dich selbst davon überzeugen?“ Fragte er sie unerwartet. „Wir können ja mal an den Strand schauen.“
„Ja.“ Nickte sie und senkte leicht den Kopf. „Möchte ich.“
„Gut, aber nicht ehe du dir was angezogen hast. Eher lasse ich dich nicht zu ihnen.“ Knurrte er.
Erst da bemerkte Emmanline, dass sie vollkommen nackt war. Eine leichte Röte bildete sich auf ihre Wangen, als sie an sich herabsah. Lucien hatte sie ja schon oft entblößt gesehen und auch tiefgründiger erforscht, aber dennoch war es ihr noch unangenehm, wenn sie hier so saß. Und sie hatte es noch nicht einmal mitbekommen.
„Ziehe solange mein Hemd über.“ Zog er seines aus und gab es ihr, wobei sie im ersten Augenblick ihre Augen nicht von seinem Oberkörper lösen konnte. „Anscheinend löst sich deine Kleidung bei deiner Verwandlung genauso auf, wie bei all den anderen Gestaltenwandler auch auf.“ Stand er zunächst auf.
Emmanline zog sich das schwarze Hemd über, was für sie viel zu groß war. Als Lucien ihr aufhalf, ging ihr das Hemd bis zu den Knien. Durch ihr schneeweißes Haar und ihr Leuchten gab das Schwarz einen starken Kontrast ab. Und es roch nach ihm. Ein erdiger Geruch, den sie so mochte und beruhigte.
„Auch wenn mein Shirt an dir verdammt sexy aussieht und ich am liebsten über dich herfallen würde, ist es besser als nichts. Solange bis eine meine Schwestern dir etwas Vernünftiges geben.“ Starrte Lucien sie an, als würde er sie am liebsten mit seinen Augen auffressen wollen.
„Du klingst so, als wärst du eifersüchtig.“ Lächelte sie leicht und musste leicht lachen, denn es amüsierte sie wirklich, wie besitzergreifend er sich verhielt. Dabei würde sie niemals etwas anderes tun, als ihn ansehen.
Ein kleiner Laut tief aus seiner Kehle kam heraus. „Natürlich bin ich eifersüchtig, wenn dich gierige Blicke von anderen Männern anschauen würden, wenn du nackt herumlaufen würdest. Schließlich darf nur ich dich so sehen.“
Sie fand es schon interessant, das er es wenigstens zu gegeben hatte, dass er eifersüchtig war und ihr auch die Wahrheit sagte. Es war auch eine Sache, dass er so besitzergreifend war. Aber anders kannte sie ihn nicht mehr und so war er nur bei ihr. Einerseits fand sie es auch schön, wenn er sich so sehr um sie bemühte oder sorgte.
„Lass uns einfach gehen, bevor ich das noch wirklich tue.“ Grummelte Lucien vor sich hin und schnappte sich einfach ihre Hand, während er sie hinter sich herzog. Von der Lichtung weg und wieder in die Wälder zurück.
„Und was ist dann passiert?“ Fragte Malatya neugierig und gebannt.
Seit es dunkel geworden war, saßen alle am Strand und haben sich ein Lagerfeuer angezündet, wo sie jetzt alle drumherum saßen. Auch wenn sie jetzt schon den halben Tag hier auf dieser Insel warteten, so waren sie geduldig.
„Oh, das erzähle ich dir, kleine Schwester.“ Erzählte Jade voller Freude.
„Oh bitte, erspare uns das.“ Stöhnte Ysera genervt.
„Als ich eine glänzende Diamanthalskette von der Walküre Amia geklaut hatte, war gleich der Ganze Walküren Coven hinter mir her. Mir blieb nichts anderes übrig als mich aus den Staub zu machen. Aber ich muss sagen, sie sind verdammt schlau mir andauernd den Weg abzuschneiden. Die hatten mich ein paar Mal ganz schön in die Enge getrieben und die waren verdammt mordlustig. Alles nur wegen so einer belanglosen Halskette, die ich mir nur mal anschauen wollte.“
„Die du gestohlen hast.“ Lachte Darius auf, der das ziemlich lustig fand, als er das hörte. „Walküren lieben glänzenden Schmuck und du stiehlst ihn auch noch? Kein Wunder, das dir gleich alle Walküren auf den Versen waren. Sie verteidigen ihr Hab und Gut genauso wie wir Drachen auch.“ Lachte Darius weiter.
„Was denkst du denn von mir, Onkelchen? Ich wollte ihn mir erstens nur anschauen, aber als eine mir dann den Kopf abschlagen wollte, bin ich einfach abgehauen und ich hatte wohl vergessen, das hübsche Schmuckstück wieder zurückzulegen.“ Lächelte Jade ihr schönstes Lächeln, sodass man alle ihre strahlend weißen Zähne sehen konnte. „Ich liege doch sehr an meinem hübschen Hals und ich muss sagen, die Diamanthalskette steht mir eindeutig viel besser, als diese kriegerischen und mord lüsternen Weiber.“
„Natürlich, wenn du nicht so denken würdest, wärst das nicht du, Jade.“ Schüttelte Raiden lachend seinen Kopf, dass selbst ihn belustigte.
„Und wie bist du den Walküren nun entkommen?“ War Malatya immer noch neugierig auf die Geschichte.
„Ach ja.“ Schaute Jade ihre jüngste Schwester an. „Als ich auf der Flucht war, stolperte ich doch glatt in ein Kriegslager der Menschen. Keine angenehme Sache gewesen und das hat gestunken, das sage ich euch.“ Verzog Jade angeekelt das Gesicht.
„Warum hast du dich nicht in einen Drachen verwandelt und hast gekämpft? Dann hättest du doch viel bessere Chancen gehabt.“ Fragte Malatya.
„Wenn Jade sich bei den Walküren in einen Drachen verwandelt hätte, hätten sie sie vermutlich überwältigt. Und wenn sie Pech gehabt hätte, hätten sie Titan beschichtete Waffen besessen.“ Erklärte Taran ihr.
„Im Kriegslager der Menschen würde unsere Identität auffliegen und das darf nicht passieren. Menschen dürfen niemals erfahren, dass wir Drachen existieren.“ Redete jetzt Lodan.
„Richtig. Also blieb mir nur eine Sache, die ich machen konnte. Ich habe die Jungfrau in Nöten gespielt und die Menschenmänner haben mir das abgenommen. So mordlustig wie die Walküren aussahen und bis an den Zähnen bewaffnet, war ich wehrlos, wie eine Maus. Ich konnte mich in ihren Augen nicht wehren, darum haben sie mir geholfen und nach den Waffen gegriffen. Als die Schlacht dann in vollen Gang war, habe ich mich heimlich davon geschlichen und mich nie wieder blicken lassen.“ Klang großer Stolz in Jades Stimme mit, dass sie ohne fremde Hilfe da raus gekommen war. Dabei hatte sie eine ganze Armee von Menschenmännern in den Tod geführt, nur um ihre eigene Haut zu retten und zu flüchten. Jeder wusste, diese Menschen waren dem Tode geweiht, wenn es um die gefürchtetsten Kriegerinnen ging. Den Walküren.
Furchtlose Kriegerinnen, die auf dem Schlachtfeld gestorben waren, wurden ausgewählt und nach Walhall geführt. Dort wurden sie vom Gott Odin wieder mit neuem Leben beschenkt und er macht sie zu seinen Walküren. Zu furchtlosen und tapferen Kriegerinnen, die vor nichts Angst hatten. Sie stellen sich allen und jeden in den Weg.
„Das ist einfach nur feige, sich helfen zu lassen und dann auch noch andere mit hinein zu ziehen.“ Beschwerte sich Ysera.
„Warum denn? All diese Männer hatten es freiwillig getan und nach den Waffen gegriffen. Und wenn sie es nicht überlebt hatten, kann ich nichts dafür.“ Zuckte Jade mit ihren Schultern, als würde es sie wirklich nicht interessieren.
„Müsst ihr euch wieder streiten?“ Erklang Lucien amüsiert, als er mit Emmanline Hand in Hand aus den Wäldern kam.
Schön längst war die Nacht über sie hereingebrochen und der Wald wirkte noch düster als sonst. Dennoch hätten seine Geschwister und die Anderen sie schon längst durch Emmanlines Leuchten sehen müssen. Aber anscheinend waren sie alle so auf das Gespräch konzentriert gewesen, das sie sie nicht einmal bemerkt hatten. Zumal er und Emmanline sie eh hören konnte, was sie zunehmend amüsierte. Es war von vornherein klar, dass es Jade kein bisschen interessierte, was aus diesen Menschen geworden war. Oder wäre. Hauptsache sie war mit heiler Haut davon gekommen.
Kaum hatten sie alle ihn und Emmanline entdeckt, standen sie blitzartig auf. Eingeschlossen Alastar und Raiden. Es war eigenartig anzusehen, wie sie das taten. Und alle starrten dabei Emmanline an, als würden sie jeden Augenblick etwas erwarten. Was ziemlich eigenartig war.
„Ihr seid wieder zurück.“ Brach Darius diesen Augenblick.
„Ja, ihr wart anscheinend sehr in einem Gespräch vertieft gewesen und man konnte euch schon von weitem hören.“ Lächelte Lucien alle an, während er Emmanlines Hand drückte, die etwas nervös neben ihm stand. „Lya, hast du vielleicht für Emmanline noch ein paar Anziehsachen dabei, die du ihr geben kannst? Leider haben sich bei ihrer Verwandlung auch ihre im Nichts aufgelöst.“
„Oh, natürlich. Irgendwas muss ich noch haben.“ Setzte sich Lya sofort in Bewegung und kramte in einer größeren Tasche herum, wo sie dann mit einem kleinen Bündel Kleidung auf Emmanline zu kam und ihr übergab.
„Vielen Dank, Lya.“ Lächelte Emmanline, der es anscheinend immer unangenehmer in seinem Hemd wurde, je länger sie dastand. Aber Lucien glaubte eher nicht daran, dass es daran lag, sondern viel mehr starrten sie sie alle deswegen nur an, welches mystische Wesen sie doch war. Dennoch zog sie sich als Erstes irgendwo um.
Als sie außer Reichweite war, wandte er sich an all die Anderen. „Wenn sie das Nächste mal zurückkommt, versucht sie nicht andauernd anzustarren. Nur weil ihr jetzt ihr Geheimnis wisst, bedeutet das jetzt nicht, das ihr sie jetzt anders behandeln müsst. Sie bleibt trotzdem noch Emmanline selbst.“
Keiner konnte mehr auf Luciens Aussage antworten, da Emmanline auch schon wieder zurückkam. Als sie wieder neben ihm stand, überreichte sie ihm sein Hemd. Wenn es nach ihm ging, hätte sie es viel länger anhaben können. Es galt allein schon für ihn als ein Besitzanspruch. Aber gleich darauf fiel Malatya Emmanline in die Arme.
„Emmanline, du warst so wunderschön.“ Funkelten die Augen seiner kleinen Schwester vor Begeisterung.
Überrascht über die stürmische Umarmung und Freudensbemerkung stand Emmanline da. Selbst die anderen kamen jetzt zu ihren Worten.
„Ja, wir alle haben noch nie ein Einhorn gesehen.“ Fiel sein Zwillingsbruder Taran als erster ins Wort und sprach es aus. Dabei hatte er deutlich gesagt, sie sollten sie nicht gleich anders behandel. Und gleich mit der Tür ins Haus fallen auch nicht. Sie waren noch so jung.
„Selbst in all den Büchern haben wir nie über Wesen wie dich etwas gelesen. Wenn sind es nur die sogenannten Märchen und erfundenen Geschichten.“ Sprach sein zweiter Zwillingsbruder Lodan.
Lange schien Emmanline ruhig zu sein und Lucien beobachtete sie. Er konnte ihren Gesichtsausdruck nicht wirklich deuten, so starr war er nach geradeaus gerichtet. Sie schien unbewegt zu sein, bis sie irgendwann anfing mit ihren Augen zu blinzeln.
„Als Lucien mir erzählt hatte, ihr seid noch alle hier, war ich ziemlich überrascht und das ihr alle zusammen den Tag auf dieser Insel verbracht habt. Obwohl ihr eine Familie seid, geht ihr doch lieber eure eigenen Wege. Das weiß ich mittlerweile. Dennoch seid ihr alle hier.“ Machte Emmanline eine andere Feststellung, wie ihr die Fragen eigentlich gestellt wurden und unbewusst hatte sie auch Malatya in ihre Arme genommen, während sie sanft über ihr Haar streichelte.
Dieser Gedanke war Lucien überhaupt nicht gekommen und Emmanline hatte Recht. Es gab wenige Augenblicke, wo sie alle zusammen waren. Er bekam das Gefühl, das sie immer der Grund dafür war, wenn es zu solchen Familienzusammenkünften kam. Früher, wo seine Eltern noch gelebt hatten, gab es die viel häufiger, als heute noch. Jetzt gehen alle nur noch seine eigenen Wege, wie Emmanline es gesagt hatte. Was er zuvor auch getan hatte, wenn er darüber nachdachte. Er war kaum auf dem Schloss gewesen und war dem immer fern geblieben. Stets nur, um dem Thron zu entkommen.
Doch was stets darunter gelitten hatte, war die Familie, was ihm jetzt stark bewusst wurde. Es schien auch allen anderen bewusst geworden zu sein, aber keiner versuchte wirklich darauf einzugehen.
„Wir sind nur wegen dir hiergeblieben, Emmanline. Um dich zu beschützen, und weil wir es dir versprochen haben.“ Erklärte Malatya.
Mit einem Lächeln schaute Emmanline Malatya an. „Dann danke ich euch allen dafür.“
Doch Lucien wusste es besser und was in dieser Frau vor sich geht. Er hatte es genauso gehört, wie sie auch, als sie hier zum Strand unterwegs waren. Es mag vielleicht von außen manchmal so aussehen, als würden sie sich nicht ausstehen können und immer zu streiten, aber sie haben miteinander geredet und gelacht. Während sie hier saßen und Geschichten erzählt hatten, was sie erlebt hatten. Sie beide hatten es gehört.
Sollte es dennoch mal hart auf hart kommen, jemand von sein eigen Blut sollte in Gefahr sein, niemand würde auch nur einen Augenblick lang zögern. Sondern sich sofort in den Kampf stürzen, ohne auch nur an sein eigenes Leben zu denken.
„Auf eure Bemerkungen zurückzukommen.“ Ging Emmanline zum Lagerfeuer und setzte sich auf einen der Baumstämme, die sie anscheinend provisorisch dorthin gelegt hatten. Damit man bequeme Sitzmöglichkeiten hatte. „Ihr würdet auch nichts in Büchern oder sonst wo über meine Art finden, weil es keine Aufzeichnungen gibt. Nirgendwo auf der Welt oder wo auch immer.“
Überrascht, dass sie einfach so redegewandt war, starrten sie sie alle nur an, aber Lucien knurrte nur bemerkend warnend. Wenn Emmanline redete, war es keine Selbstverständlichkeit, sondern sie tat es aus freien Stücken und es gehörte bei ihr schon eine Menge dazu. Das hatte er bei ihr mittlerweile gelernt und er würde es nicht als Selbstverständlichkeit hinnehmen, wie andere es tun, weil sie aufgeschlossen und offen waren. Dies war Emmanline nun einmal nicht und er konnte es nun verstehen. Da er ihr tiefstes Geheimnis kannte, was tief in ihr verborgen lag. Dies würde er ab heute bis zum Äußersten beschützen. Nicht weil er es versprochen hatte, sondern weil er dazu bestimmt wurde. Es war seine Lebensaufgabe.
„Warum gibt es keine Aufzeichnungen von euch?“
„Ich war noch ein Kind, als mir meine Mutter die wahre Geschichte darüber erzählt hatte. Sie meinte, ich sollte es wissen, bevor sie vielleicht eines Tages nicht mehr bei mir sein kann. Es gab mal viele wie mich. Hunderte. Ein ganzes Volk. Doch jetzt bin ich nur noch die Einzige, von vielen.“ Klang etwas trauriges in ihrer Stimme mit und Lucien setzte sich neben sie, damit er ihre Hand nehmen konnte. Sie ließ es zu.
„Du bist die Letzte? Es gibt keine weiteren Einhörner?“
„Nein. Vor Zehntausend vor Jahren begann es schon, dass keiner mehr von ihnen existierte. Es wurde einfach ausgelöscht und verschwand einfach aus der Geschichte und von der Welt. Als hätte sie nie existiert. Zurück blieben nur Bruchstücke der Erinnerung, wie man sie kennt oder vielleicht gehört hatte. Aber vielleicht auch verändert. Wer weiß das auch schon. Niemand weiß je, dass wir gelebt haben und das schon seit einer halben Ewigkeit. Meiner Mutter und ich waren die Einzigen gewesen, bis sie auch eines Tages gestorben war. Ich habe nur nie wirklich verstanden, warum.“
„Warte mal, nicht so schnell. Du sagst, dein Volk hatte vor Zehntausend vor Jahren gelebt. Woher kam dann deine Mutter? Sie musste doch auch irgendwoher kommen und wenn, vielleicht gibt es da noch welche.“ Meinte Charia.
Kurz blickte sie Lucien an und er konnte ihren unbehaglichen Ausdruck erkennen. Sie redete nicht gerne über ihre Mutter.
„Nun, meine Mutter war in der Zeit, wo die blutige Verfolgung war, stets auf der Flucht gewesen. Bis sie eines Tages dann meinen Vater kennengelernt hatte und zu ihren Gefährten erwählte.“
Stilles Schweigen herrschte und nur das Knistern des Lagerfeuers war zu vernehmen, als alle Emmanlines Worte verarbeiteten.
„Soll das bedeuten, deine Mutter ist über Zehntausende von Jahren alt gewesen?“ Fragte Raiden verblüfft.
„Ja. Aber ich habe sie nie nach ihrem wirklichen Alter gefragt, weil es mich nicht interessiert hatte. Ich war stets froh gewesen, sie bei mir zu haben.“
„Und heute ist es das erste Mal gewesen, das du dich in ein Einhorn verwandelt hast? Oder hast du dich zuvor auch schon einmal verwandelt?“ War es Lya, die vorsichtig fragte.
Emmanline schüttelte leicht mit ihrem Kopf. „Nein, in all der Zeit bei Culebra, durfte ich nie mein wahres Wesen zeigen, denn wüsste er davon, wollte ich gar nicht wissen, was er mit mir angestellt hätte. Culebra durfte das nie wissen, egal was er mir und meiner Mutter antun würde. Wir mussten unser Geheimnis bewahren.“
„Du warst doch damals noch ein Kind gewesen. Hat das deine Mutter zugelassen?“ Flüsterte Lya schockiert.
„Das war egal gewesen. Ich weiß, meine Mutter hatte schrecklich darunter gelitten, wenn sie mir etwas angetan haben, aber durch mein Wesen in mir konnte ich vergessen. Sie hatte mir geholfen, damit ich nicht ganz zerstört wurde. Ich habe vorhin schon zu Lucien gesagt, dass ich damals mit meinem Wesen eine Übereinkunft geschlossen habe, niemand dürfte sie zu Gesicht bekommen, weil sie in Sicherheit bleiben müsste. Lieber würde ich jedes Leid auf mich nehmen, damit ihr kein Leid geschieht. Ich musste sie beschützen und für das Geheimnis, was sie in sich trägt.“ Erzählte sie einfach weiter und als wäre es für sie normal. Vor allem dafür zu sich hinzustellen und all das Leid auf zu nehmen, aber Lucien wusste es besser. Dem war nicht so. Emmanline opferte zu viel dafür.
„Dieses Geheimnis, was ist es? Was musst du noch beschützen?“
Manchmal fragte sich Emmanline, ob sie nicht zu viel preisgab, wie sie eigentlich durfte. Aber sie hatte das Gefühl, das sie sich nicht schlecht dabei fühlte, wenn sie das tat.
„Es ist die wahre Unsterblichkeit. Hinter der auch Culebra her ist.“ Machte sie eine kurze Pause, weil sie nicht wusste, ob sie noch mehr erzählen sollte.
„Ist alles in Ordnung, Emmanline?“ Fragte Lucien.
Einen Augenblick schaute Emmanline ihn tief in die Augen. Würde sie das verraten, würde sie noch mehr vom Geheimnis preisgeben und ein Stück von der Geschichte. Durfte und sollte sie das wirklich tun? Immerhin hatte dies ihre Mutter ihr anvertraut. Durfte sie das so einfach? Warum verspürte sie dann den Drang, als würde sie das Richtige tun? Selbst ihr inneres Wesen hatte nichts dagegen und machte keine Anstalten, es wäre verkehrt. Was tat sie also hier?
„Habt iht euch nicht je gefragt, wo eure Unsterblichkeit herkommt? Oder habt ihr es als immer selbstverständlich angesehen, ewig zu leben?“ Wandte sie ihren Blick von Lucien wieder ab und starrte in das leuchtende Feuer. Sie spürte alle Augen auf sich und die Fragen, die dahinter steckten.
„Wie meinst du das? Wir sind so geboren worden, unsterblich zu sein, und wir kennen von daher nichts anderes.“ Meinte Cyrill.
„Natürlich, aber zu Anfang war jeder gleich. Egal welches Wesen auf dieser Welt existierte oder existiert hatte. Die Unsterblichkeit war erst ein Geschenk danach. Ansonsten hatte jeder eine sterbliche Seite an sich. Woher kam diese Unsterblichkeit und wer schenkte sie den Völkern in der Mythenwelt?“
„Meinst du, wir waren nie von Anfang an unsterblich?“
„Emmanline, du kannst uns ruhig die Wahrheit sagen. Wie meinst du das? Woher kommt unsere Unsterblichkeit in der Mythenwelt?“ Drückte Lucien ihre Hand und zeigte ihr damit, dass er bei ihr war.
„Von der wahren Unsterblichkeit. Es war ein Geschenk an diejenigen, die auch anders waren. Aber viele haben es für falsche Zwecke genutzt. Irgendwann entwickelten sich Wesen draus, die nicht hätten existierten Dürfen. Wie Götter, die glaubten ihre eigene Macht selbst auszuspielen.“
„Stopp, mal ganz langsam.“ Bremste Lucien sie plötzlich. „Heißt das, die Einhörner haben damals Wesen der Mythenwelt die Unsterblichkeit verliehen? Immerhin verbindet dich das mit der wahren Unsterblichkeit.“
„Ja, meine Art war es zu Anbeginn, die euch allen die Unsterblichkeit geschenkt hatte.“
„Wenn du jetzt sagst, auch den Göttern ...“ Begann Lucien. „... verstehe ich auch, warum die Göttin Seferati so reagiert hatte. Es muss für Seferati ja erscheinen, als hätte sie ihre eigene Mutter vor sich. Kein Wunder, das sie dir so angetan war.“
„Im Vergleich zu vielen anderen meiner Art bin ich vermutlich total jung. Sowie es unter euch Drachen ist, ein Jungdrache. Da ich die Letzte von meiner Art bin und es auch nur ganz wenige gibt, die noch von meinem Volk wissen, ist es eher wunderlich, die davon wissen. Zum Beispiel, eure Mutter wusste davon, was mich doch ziemlich überraschte. Aber ich glaube, sie hatte es alles von eurer Großmutter Araveena, was mich dann doch wieder nicht überrascht. Sie war eine mächtige Drachenhexe und war meiner Mutter einmal begegnet.“ Erzählte Emmanline frei heraus. „Ich konnte nie wirklich lernen, was mein wahres Wesen ausmachte, da ich nie die wirkliche Chance dazu hatte es zu lernen. Vielleicht nur einen Teil davon und auch, dass ein Teil der Geschichte nicht verloren geht. Doch wahre Unsterblichkeit ist nicht immer das, was einen gut erscheint. Es kann manchmal auch eine Art Fluch sein.“
Weiterhin hörten alle aufmerksam zu. Es war diesmal ganz anders, als wie bei dieser Versammlung auf dem Schloss. Hier waren sie offenherziger, das konnte Emmanline spüren.
„Wahre Unsterblichkeit, was bedeutet das genau? Stirbt man dann nie? Wie ist das?“ Fragte Lodan nach.
„Doch, du kannst wie jeder andere auch sterben, aber du erwachst immer wieder zum Leben. Nach einer bestimmten Zeit.“
„Das klingt doch super, wenn das die wahre Unsterblichkeit ist.“ Erklang Jades erheiterte Stimme.
„Der einzige Nachteil ist, wie schwer deine Verletzungen nach deinem Tod ist und zum heilen braucht, so schmerzhafter wird es für dich selbst, wieder ins Leben zurück zu kehren. Je nach dem ist es abhängig.“
„Ok, jetzt will ich sie doch nicht mehr.“ Verzog Jade ihr Gesicht leicht. Wage lächelte Emmanline darauf.
„War es bei dir damals so gewesen, Emmanline? Als du den giftigen Pfeil für Lucien abgefangen hattest?“ War es Cyrill, der fragte.
Schließlich war er der Einzige mit Lucien in der Runde, die gesehen hatten, wie sie in der Zeit auf dem Schlachtfeld gestorben war.
„Es war so gewesen.“ War es Lucien, der das bezeugte, auch wenn er dabei ein finsteres Gesicht machte. „Fast sechs Tage habe ich am Bett gesessen und gedacht, sie wäre tot und würde nie wieder aufwachen.“
„Da fällt mir doch glatt wieder was ein.“ Sagte Jade und tippte nachdenklich mit einem Finger an ihre Lippen. „Ich wage mich, zu erinnern, damals in deiner Höhle, wo du anfänglich hattest, kommt mir eine gleiche Szene in Erinnerung. Nur war Emmanline damals schon tot gewesen, als wir in die Höhle eingetroffen waren. Was auch immer der Grund gewesen war, selbst ein Adularezenz konnte ihr dabei damals nicht helfen, zum Leben zu erwachen. Obwohl diese besondere Mondscheine den Elfen Kraft und Macht schenken. Der ist damals in tausende von Splitter zersprungen.“.
„Davon hast du mir gar nichts erzählt.“ Meinte Emmanline zu Lucien verwundert. „Aber mir können dabei keine Gegenstände oder andere Dinge helfen, wieder zum Leben zu erwachen. Das müssen mein Körper und mein Herz von alleine schaffen. Dass ich solange gebraucht habe, hatte an dem Gift gelegen, der an diesem Pfeil gehaftet hatte. Es ist für einen Unsterblichen tödlich, was sehr selten ist. Mein Körper hatte diesmal viel länger gebraucht zum Regenerieren und es war viel aufwendiger im Prozess gewesen.“
„Soll das bedeuten, egal was dir passiert, du wirst immer wieder auferstehen? Egal was man dir antun würde?“ Flüsterte Lya halb entsetzt.
„Ja, egal was man mir antun würde. Das habe ich doch bereits schon gesagt. Ich mag sterben können, aber ich werde immer wieder kommen. Das ist der Nachteil der wahren Unsterblichkeit.“ Schloss Emmanline kurz ihre Augen, aber als sie sie wieder öffnete, war ihr Blick umso ernster und gefasster. „Darum darf Culebra niemals hinter dieses Geheimnis kommen. Er darf niemals wissen, wie er die wahre Unsterblichkeit bekommt. Niemals. Er würde nur tiefes Unheil über alles bringen und dann kann keiner mehr ihn aufhalten. Ich habe zu lange mit ansehen müssen, wie er Schmerz, Tod und Leid über so vieles brachte. All das muss ein Ende haben. Beendet das!“ War es schon fast ein Befehl.
Lucien bekam zum ersten Mal in seinem Leben eine richtige Gänsehaut bei Emmanlines gefassten und ernsten Blick. Ihm störte es nicht, dass es schon wie ein Befehl klang, aber der Klang ihrer Stimme ging ihm unter die Haut. Es bereitete ihm wahrhaftig eine Gänsehaut und wenn er so in die Runde blickte, waren alle anderen ebenso fasziniert, aber gleichzeitig schockiert über ihre Worte. Ihre Ehrlichkeit brachte wahrscheinlich mehr Eindruck, als sie vielleicht zu erreichen erhoffte. Da wurde ihm nur umso mehr bewusst, diese Frau war die Richtige an seiner Seite. Niemand erkannte es, aber immer und immer wieder zeigte sie ihre Stärken. Auch wenn sie keine Reißzähne und Krallen besaßen. Dafür vieles anderes, was die Drachen vielleicht nicht besaßen und das hatte sie heute, an einem Tag, ihnen gezeigt.
„Wir werden alles tun, damit wir ihn finden und töten, Emmanline.“ Sprach Lucien und drückte ihre Hand, da er sie noch immer hielt. „Sowie, werden wir nicht zulassen, dass er dich bekommt und von dem Geheimnis erfährt. Du weißt, was ich dir versprochen habe.“
„Ja, und ich werde ihn auch finden.“ Knurrte Charia finster auf. „Mag sein, dass er in all der Zeit mir immer einen Schritt voraus war, aber die Zeit wird auch vorbei sein. Ich werde ihn fassen, wenn es das Letzte ist, was ich tue.“
Genau das war es doch, was Emmanline hören wollte, oder? Dass sie diese Bestie aufhielten, die sie ihr ganzes Leben gequält und alles genommen hatte. Dies war es gewesen, was sie erreichen wollte und das Culebra seine gerechte Strafe bekam. Egal ob es von seiner eigenen Art kam oder von jemand anderen. Hauptsache, er bekam sie.
„Wir werden Culebra finden und töten, dieser Sache sind wir uns einig. Mich interessiert jetzt etwas was ganz anderes.“ Blickte Raiden sie ernst an. „Wenn unsere Unsterblichkeit wirklich von euch Einhörnern kommt und die Götter einst sterblich, wie viele andere auch. Wo kommt sie dann her? Es muss doch einen Ursprung geben, woher ihr sie habt. Vor allem, dass ihr die Macht besitzt, diese wahre Unsterblichkeit weiter zu reichen. Kannst du das dann auch? Nicht das ich das will, aber mich interessiert das schon einmal.“
Für einen kurzen Moment verdunkelten sich ihre Augen und sie starrte weiterhin ins knisternde Feuer, als könnte sie darin etwas sehen. „Alles weiß ich auch noch nicht und verstehe ich noch nicht so recht. Aber eines kann ich sagen, dass meine frühere Generation die Unsterblichkeit verschenkt hatte, damit sie nicht auf ewig alleine sein müsste. Auch sie haben manchmal ihre Seelenpartner in verschiedene Arten gefunden und ihre Leben mit ihnen geteilt. Weil sie nicht auf ewig in Einsamkeit sein wollten, haben sie ihre Unsterblichkeit geteilt. So auch manchmal ein ganzes Volk, weil sie es manchmal für eine Liebe getan haben. Doch es war nicht immer richtig gewesen, das zu tun. Viele haben es für ihre Zwecke genutzt und tun es auch heute noch. Viele haben sogar ihre eigenen Völker ins Leben gerufen und ihnen ihre eigene Unsterblichkeit gegeben, ohne das mein Volk was damit zu tun hatte, weil ihre Macht zu groß war. Und nein, ich weiß nicht, wie man die Unsterblichkeit weiter gibt. Dafür bin ich zu unwissend und zu jung. Alles was ich weiß, weiß ich nur durch meine Mutter und das Wissen, was sie mir weitervererbt hat.“
„Dann verstehe ich nicht, wenn dein Volk die Macht die Unsterblichkeit zu geben besaß, sie nicht auch wieder nehmen konnte. Wenn es doch so falsch war.“
„Ich weiß nicht, ob sie auch die Macht besaßen, ihnen auch wieder die Unsterblichkeit zu nehmen.“ Dachte sie darüber nach, denn auf diesen Gedanken war sie noch gar nicht gekommen.
„Oder, es war vielleicht genau der Grund, warum man die Einhörner bis aufs Blut gejagt hatte, weil sie es konnten. Weil sie ihnen auch wieder ihre Unsterblichkeit nehmen konnten, wie sie es geben konnten. Das würde einiges erklären, warum sie nicht mehr existieren.“
Emmanlines Blut gefror zu Eis, als sie Darius Worte vernahm und es würde alles einen Sinn geben, je mehr sie darüber nachdachte. Und je mehr sie die Blicke der Drachen auf sich spürte. Was ihr ein Schauer über den Rücken jagte.
„Ihr glaubt, mein Volk wurde ausgelöscht, weil es etwas gegeben hatte und aus einem Grund wieder was nehmen wollte, weil sie dachten, es war falsch gewesen? Nur weil alle anderen Völker ihre Unsterblichkeit nicht mehr hergeben wollten? Aber das ergibt keinen Sinn. Wie sollten sie das gemacht haben, wenn man sie nicht töten kann?“ Fragte Emmanline in die Runde. „So hatte ich immer gedacht, bis meine Mutter gestorben war. Dabei bin ich es doch, die nicht sterben kann. Warum finde ich dann von meinem Volk niemanden? Sind sie wirklich alle verschwunden? So viele Fragen wohnen in mir und es gibt niemand, der sie mir beantworten kann. Nicht einmal mein Wesen in mir. Manchmal weiß ich nicht mehr, was ich tun und machen soll.“
„Wir wissen es nicht Emmanline, aber was mein Onkel dir versucht zu vermitteln.“ Vernahm sie Luciens Stimme neben sich und sie blickte ihn an. „Egal was es ist oder gewesen war, man muss vielleicht einen Weg gefunden haben, euch verwundbar gemacht zu haben. Oder es existiert wirklich noch irgendwo ein vergessenes Volk, wovon niemand weiß. Doch das weiß niemand.“ Zuckte er mit seinem Schultern. „Um das heraus zu finden, müssten wir schon tiefer suchen.“
Überrascht über Luciens Worte, weiteten sich etwas ihre Augen und sie blickte weiterhin in seine braun goldenen Augen, in denen sie ich immer verlieren könnte. „Ihr wollt mir darin helfen etwas herauszufinden?“ Klang es fast wie ein Flüstern, so vorsichtig war es.
„Emmanline, glaubst du, wir würden dich alleine dastehen lassen?“ Schaute Lucien sie etwas finster und beleidigt an. „Außerdem hatte ich dir ein Versprechen gegeben, vor alles und jedem zu beschützen. Das gilt auch jetzt noch. Wenn du Hilfe brauchst, wirst du sie bekommen. Immerhin hilfst du uns auch zur Genüge und da werden wir sie dir nicht verwehren. Keiner von uns, weil wir wissen, wie sehr du dich bemühst. Auch wenn wir jetzt von deinem Geheimnis wissen, müssen wir jetzt noch mehr darauf achten, das es weiterhin ein Geheimnis bleibt. Niemand darf es wissen, außer uns. Oder du möchtest das Geheimnis weiter geben. Es liegt in deiner eigenen Entscheidung, ob du es möchte, oder nicht. Doch du wirst nicht alleine da stehen.“
Immer noch verwundert schaute Emmanline Lucien an und wusste nicht, was sie sagen sollte. Genau in diesem Augenblick erklang die Stimme ihrer Mutter in ihrem Kopf wieder und vernahm Worte, die sie zu Anfang nicht ganz verstanden hatte. Oder nicht verstehen wollte, weil sie daran nicht glauben wollte.
„Eines Tages wirst du jemand finden, der für dich viel bedeutet. Verschließe dich nicht davor, egal was kommen mag. Verschließe dich nicht vor etwas, was dir einmal alles bedeuten könnte. Zeige keine Angst und Scheu, eines Tages wird es jemand für dich geben, der dich beschützt und gut behandeln wird. Sei mutig, mein Schatz."
Genau das waren ihre Worte gewesen und sie vergaß nie Worte von ihrer Mutter. Auch wenn sie damals noch sehr jung gewesen war, wusste sie, dass ihre Mutter sie damals mit sehr großer Überzeugung gesagt hatte und wie ehrlich ihr diese Worte gewesen waren. Ihr war alles immer ehrlich gewesen, egal was sie ihr erzählt hatte. Stets hatte sie ihr auch alles geglaubt, weil sie ihre Mutter gewesen war.
Wenn sie also keine Angst und Scheu zeigen sollte, dann würde es bedeuten, sie sollte Vertrauen haben. Erst dann, wenn sie eines Tages jemanden gefunden hatte, der ihr alles bedeutet. Sie sollte sich nur nicht davor verschließen. Sie glaubte, ihre Mutter wollte ihr nur vermitteln, dass sie sich nicht ewig verstecken konnte und sollte.
Leicht lehnte Emmanline sich an Lucien und atmete tief ein, wobei wie jedes Mal sein erdiger Geruch in ihre Nase stieg. Sie mochte das und jedes Mal hielt sie genau das am Boden. Das genau ein Drache ihre Standhaftigkeit bieten konnte, war an sich von ihrem Verstand widersprüchlich, aber ihr Gefühl sagte etwas ganz anderes. Da er ihr ein warmes und sicheres Gefühl gab, war es ihr vollkommen egal, was ihr Verstand sagte. Darum wollte sie den Worten ihrer Mutter vertrauen und sich nicht davor verschließen.
Lucien beschützte sie und behandelte sie auch gut, egal was passierte. Er hatte nie etwas getan und sich stets bemüht, damit es ihr gut ging und auch stets bemüht, das sie das hatte, was sie sich wünschte. Dabei steckte er oft seine eigenen Verhaltensweisen zurück, die gar nicht zu ihm passten. Sogar steckte er seine eigenen Bedürfnisse für sie zurück, nur damit sie an erster Stelle bei ihm stand. Sie wusste das alles und hatte ihn stets auf Abstand gehalten. Stets von sich gestoßen, aber er hatte nie aufgegeben und immer wieder seine Gefühle ihr gegenüber gezeigt.
Das wollte sie alles nicht mehr. Lucien war für sie jemand besonderes und auch wenn sie es in ihrem Leben nicht mehr gewollt hatte, weil sie befürchtete, ihn eines Tages zu verlieren, wie ihre Mutter, konnte sie es nicht mehr ändern. Es war zu spät. Je mehr Lucien sich bemühte und sich ihr in den Weg stellte, sogar Dinge für sie tat, die sonst niemand für sie getan hatte, konnte sie einfach nichts dagegen tun, für diesen Mann etwas zu fühlen. Es war schon längst zu spät.
Jedes Mal wenn er sie berührte, sehnte sie sich danach und wenn er sie küsste, konnte sie es kaum abwarten, wenn er es tat. Wenn er sie nur ansah, schlug ihr Herz höher. Wenn sie seinen erdigen Geruch wahrnahm, beruhigte es sie ungemein und holte sie zurück. Schaute sie in seine Augen, könnte sie darin versinken.
All das zusammen, bewirkte doch nur, dass sie etwas fühlte und das sie dem nicht mehr entkommen konnte, je mehr sie bei ihm war. Sie wusste auch, wenn sie von ihm getrennt war, es wäre aussichtslos. Sie konnte es nicht, weil sie immer an ihn denken würde. Ohne das sie es gewollt und vor gehabt hätte, hatte sie ihr Herz an ihm verloren.
„Emmanline, ist alles in Ordnung bei dir?“ Fragte Lucien etwas besorgt.
Da bemerkte sie, dass er einen Arm um sie gelegt hatte und noch enger an sich gezogen hatte. Das hatte sie vor lauter in Gedanken nicht mitbekommen.
„Ja, alles in Ordnung.“ Lächelte Emmanline ihn an, was irgendwie instinktiv kam. Ihr fiel das Lächeln schon viel leichter als vorher und es war nicht mehr so gezwungen, wie am Anfang. Als hätte sie sich daran gewöhnt und gelernt, wie es funktionierte. Vor allem, wenn es von tief drinnen her kam. Es war alles nicht mehr wie früher und egal was sie tun würde, sie könnte nicht wieder zurück.
Zwei Tage waren vergangen, seit Emmanline und die Anderen von der Insel zurückgekehrt waren. Seitdem hatte sich auch nichts geändert und es wirkte alles normal, wie bisher auch. Keiner behandelte sie anders oder man sperrte sie ein, wie sie es vielleicht befürchtet hatte, als sie ihr größtes Geheimnis um ihre wahre Gestalt preisgegeben hatte.
Lucien hatte also Recht behalten. Er beschützte sie mit allem und sie sollte ihm nun wirklich glauben schenken. Bisher war sie noch etwas misstrauisch gewesen, als sie wieder ins Schloss zurückgekehrt waren und wieder aufgewacht war und Lucien sie beim Rückflug in Trance versetzt hatte. Zwar hatte sie wieder den Schutzzauber eingesetzt, die ihr Leuchten vor allen Anderen verbarg, aber sie war trotzdem noch vorsichtig vor allem anderen Drachen. Sie war sich einfach nicht sicher gewesen. Erst nach ein paar Tagen verflog dieses Gefühl und sie konnte Luft holen.
„Habe ich dir nicht gesagt, wenn wir alleine sind, dass du dich nicht mit deinem Schutzzauber zurückhalten musst?“, umarmte Lucien sie von hinten und küsste sie seitlich am Hals, was sie fast dahinschmelzen ließ. Sie mochte es, wenn er sie berührte.
„Ich bin es noch nicht gewohnt, Lucien“, schmiegte sie sich an ihn. „Ich mache das immer noch automatisch, das ich mein Leuchten unterdrücke“, löste sie ihren Schutzzauber auf, da sie unter sich waren. Ansonsten hätte sie es nicht getan und wenn tat sie es auch nur, wenn sie in Luciens Arbeitszimmer war, oder wenn sie in ihren privaten Räumen waren.
Mit einem Lachen drückte er sie noch einmal an sich, bevor er sie losließ. „Du hattest wirklich Recht gehabt, was es mit Hal auf sich hatte und kaum zu glauben, aber er hat wirklich zugesagt. Er wird mein Buchhalter und auch Rennie hat zugestimmt hierzubleiben. Sie wird ein Platz als Anführerin einer Garnison bekommen. Sie wirkte recht zufrieden“, zog er sein Hemd aus, da sie sich in ihrem Zimmer befanden und er sich ein anderes anziehen wollte.
Automatisch richtete sie ihren Blick auf seine muskulöse Brust und sie wurde bei dem Anblick schon schwach. Je mehr sie in seiner Nähe war, umso mehr reagierte sie auf ihn und umso schwächer wurde sie für ihn. Da konnte sie einfach nichts machen. Als hätte der Drache ein Zauber auf sie gelegt, gegen den sie nichts mehr tun konnte.
„Hörst du mir überhaupt noch zu?“, hörte sie Belustigung in seiner Stimme, als sie aus ihren Gedanken gerissen wurde.
„Natürlich. Hal und Rennie arbeiten jetzt für dich“, wiederholte sie zu hastig seine Worte, das er lachen musste.
„Ja, das auch, aber danach habe ich noch was anderes gesagt“, kam er ihr wieder bedrohlich nahe und sie konnte die Hitze seines Feuers spüren. „Ich habe gesagt, das ich dich an etwas erinnern möchte und das ich dir etwas geben will.“
Überrascht von seinen Worten, beobachtete sie ihn einfach nur, als er sich wieder von ihr entfernte. Lucien ging zu einer Kommode und holte eine kleine glänzende schwarze Holzschatulle. Sie erkannte sie, weil sie die schon einmal in den Händen gehalten hatte. Und sie wusste auch, was in ihr drinnen war. Nur hatte sie nicht mehr an sie gedacht, in all der Zeit, was geschehen war. Zumal war ihr diese Schatulle und was darin war, auch so nicht mehr in den Sinn gekommen.
Emmanline wusste noch ganz genau, wie der Kristalldolch, aus dem reinsten Diamant, ausgesehen hatte, der in dieser Schachtel auf dem weichen weinrotem Samt lag. Die Klinge formte sich in zwei Wellen und war aus dem klarsten Kristall. Der Griff, breiteten sich zwei Drachenflügel auseinander und am Schaft schlängelten sich wie eine Schlange nach oben, zu einem Drachenkopf zusammen, der sein Maul weit aufgerissen hatte, als würde er jeden Augenblick Feuer speien.
„Diesen Dolch habe ich damals selbst geschmiedet. Für meine vorherbestimmte Seelengefährtin. Ich wusste damals noch nicht, wer oder was sie sein wird. Ich habe diesen Kristalldolch aus reinsten Diamant und aus meinen eigenen Feueratem erschaffen“ holte er das wertvolle Stück aus der Schatulle heraus und betrachtete es mit Bewunderung. „In unserem Volk ist es Tradition, das wir unseren Seelengefährten ein seltenes Geschenk zu Ehrung machen. Wir wissen nicht aus welchen Grund, aber wir tun es. Ich verstand damals nicht, warum eine so schöne gefährliche und tödliche Waffe, wie diese hier, wenn meine Gefährtin sich doch verteidigen könnte. Heute weiß ich es besser und irgendwas in mir musste schon gewusst haben, warum ich genau diesen Gegenstand ausgewählt habe“, blickt Lucien jetzt tief in Emmanlines Augen. „Dieser Dolch soll dich beschützen und auch verteidigen, wenn ich es nicht kann. Trage ihn ab heute immer bei dir. Immerhin hast du ihn angenommen, Emmanline.“
Sprachlos, was sie da hörte, starrte sie erst Lucien eine Weile an und dann auf den Kristalldolch.
„Ich werde dich mit allen Mitteln beschützen und immer in deiner Nähe sein, wenn wir außerhalb sind vom Schloss. Alleine schon, wenn Culebra und seine Anhänger noch da draußen sind und nach dir suchen, aber ich will kein Risiko eingehen, dass du vielleicht unbewaffnet bist. Ich weiß, du trägst vielleicht keine Waffen, aber dann nimm wenigstens diese hier, was ein Geschenk von mir ist und was eigentlich nicht zum Töten gedacht ist. Es geht lediglich nur zur Verteidigung und das ich beruhigt bin. Den Rest übernehmen wir“,
war es denn wirklich so einfach, wie Lucien es behauptete? Sie müsste diesen Dolch einfach nur tragen und nichts weiter damit tun? Dabei hatte sie noch niemanden getötet oder je eine Waffe benutzt. Es lag ihr vielleicht sogar gegen jeder Natur eine Waffe zu benutzen. Was wusste sie schon von ihrem wahren Wesen, welches sie solange verdrängt hatte.
„Ich kann ihn annehmen und tragen, Lucien, aber ich weiß nicht, ob ich den Dolch je benutzen werde“, meinte sie darauf.
„Das ist mir egal. Hauptsache du hast ihn“, lächelte Lucien nur und legte den Dolch in ihre Hände. „Mehr verlange ich auch nicht.“
Emmanline verstand nicht ganz was er damit bezweckte, aber sie nahm es fürs Erste einfach hin, dass er ihr das Geschenk gemacht hatte und das es ihm so wichtig erschien. Vor allem, wenn es ihn so beruhigte. Weil sie auch wusste, sie hatten noch eine große Reise auf sich und er würde sie auch nicht ohne weiteres ziehen lassen. Also ging sie da gerne ein kleines Arrangement ein und vor allem, da Lucien jetzt auch ihr größtes Geheimnis kannte. Sie musste ihm etwas entgegen kommen.
Immerhin beschützte er sie jetzt.
Den Tag darauf, ging alles ziemlich schnell und alle Vorbereitungen für eine Abreise waren abgeschlossen. Sie hätte nicht gedacht, wie viele Vorkehrungen getroffen wurden und an was da alles gedacht werden musste, aber da alles geregelt war, waren sie alle Abreise fertig. In der Luft ging es vermutlich alles schneller und sie wusste, sie war der Grund dafür, das sie auf dem Boden und mit Pferden reisten mussten. Was auch viel mehr Zeit in Anspruch nahm. Dennoch würden, sowie Lucien ihr erzählt hatte, Kundschafter vorausfliegen und die Lage kontrollieren und checken. In geregelten Abständen und im Verborgenen.
Jeder hier hatte seine Aufgaben und jeder verrichtete sie gewissenhaft.
Emmanline stand etwas außerhalb vom Schlossplatz und beobachtete das ganze Geschehen. Auch wie Lucien noch die letzten Anweisungen gab. Da fiel ihr noch jemand anderes auf, den sie schon seit längerer Zeit nicht mehr gesehen hatte. Ohne es zu bemerken, ging sie auf ihn zu. Vermutlich hätte sie es nicht getan, wenn er nicht alleine dagestanden hätte.
„Hallo, Aiden“, begrüßte Emmanline ihn freundlich und vorsichtig, als er gerade sein Pferd sattelte.
Ihr war es nicht entgangen, dass er sich versteift hatte, als sie zu ihm sprach.
„Hey, Emmanline“, antwortete Aiden ihr.
„Wie geht es dir?“, wollte sie schon gerne wissen, da sie ihn schon eine lange Zeit nicht gesehen hatte.
„Bestens.“
„Wir haben uns eine lange Zeit nicht mehr gesehen und ich dachte, dir wäre schon etwas passiert.“
„Nein, mir geht es bestens, Emmanline. Ich hatte nur viel zu tun gehabt, das ist alles“, wirkte er irgendwie abweisend zu ihr und drehte sich kein einziges Mal zu ihr um, damit er sie nicht beim sprechen anschauen konnte, sondern machte mit seiner Arbeit einfach weiter.
Es klang alles irgendwie auch verletzend. „Oder kann es sein, dass du mir einfach aus dem Weg gehst, Aiden?“, wollte sie schon gerne wissen, denn diese Art, wie er war, gefiel ihr nicht. Denn so abweisend und kühl war Aiden normalerweise nicht.
„Ich gehe dir nicht aus dem Weg. Was willst du von mir hören, Emmanline? Dass mich das alles total nervt, wenn ich euch beide zusammen sehe? Oder wie eifersüchtig mein Drache und ich sind? Willst du all das hören?“, drehte er sich endlich um und seine Augen loderten vor Leidenschaft und sie zuckte vor Erschrockenheit zurück, denn damit hatte sie nicht gerechnet.
„Ich weiß nicht“, war sie wie erstarrt und blickte in seine glühenden Augen, weil sie sich davon nicht abwenden konnte.
„„Doch, das weißt du. Ich hatte dir damals versprochen, dass ich dich da herausholen werde, aber ich kann mein Versprechen so nicht halten. Du bist seine vorherbestimmte Seelengefährtin und das beinhaltet mehr als ein paar Rechte. Wenn ich sehen würde, dass du nicht glücklich wärst oder er dir wehtun würde, würde ich jederzeit mein Versprechen einhalten und dich zu mir holen, aber so kann ich es nicht. Wenn ich dann noch so sehe, dass du jetzt lächelst und lachst, kann ich gar nichts tun. Ich bin machtlos dagegen“, knurrte er und sein Gesicht verfinsterte sich zunehmend, während sich seine Kiefermuskeln immer mehr anspannten.
So erkannte sie ihn keinesfalls wieder. Oder gar, dass er innerlich vor Wut kochte. Sie konnte seine Wut greifbar spüren. Vielleicht nicht auf sie ausgerichtet, aber dennoch war sie auf jemanden ausgerichtet. Dabei hatte sie doch die ganze Zeit gewusste, welche Gefühle Aiden für sie empfunden hatte, aber konnte sie nie wirklich nach empfinden oder erwidern, weil sie selbst nie solche Gefühle, wie die Liebe verspürte.
Vielleicht konnte sie diese Gefühle jetzt besser nachempfinden und den Schmerz, den sie in Aidens Augen wahrnahm. Jetzt sah sie, wie sehr er doch für sie fühlte und sie war vorher nie in der Lage gewesen, es nachzuempfinden oder zu deuten. Aiden war derjenige gewesen, der all in der Zeit gelitten hatte und sie hatte es nicht mitbekommen. Dabei war er von Anfang an ehrlich und offen zu ihr gewesen. Mit sich selbst und seinen Gefühlen.
„Es tut mir leid, Aiden“, wusste sie kaum, was sie darauf sagen sollte, so schwer wog all das auf ihr.
Darauf schnaubte Aiden nur. „Du musst dich nicht entschuldigen und ich will es auch nicht hören. Wenn du glücklich bist und es dir gut geht, beruhigt es mich auch und das du in Sicherheit bist. Ich habe es verstanden und solange du mich nicht selbst drum bittest, werde ich mich zurückziehen.“
Emmanline wusste, was das alles bedeutete und auch, warum er all diese Worte mit bedacht wählte. Aiden würde es nie als glücklich empfinden, sie so zu sehen, wie sie jetzt mit Lucien war, denn eigentlich wollte er an seiner Stelle sein. Ihr war es in diesem Augenblick zum ersten Mal wirklich bewusst von seinen wahren Gefühlen zu ihr. Es mag daher stimmen, dass es ihn vielleicht erleichterte, sie war glücklich und auch in Sicherheit, aber es verletzte sie, ihn so zu sehen. Dabei wollte sie ihn nicht so verletzt und leiden sehen. Sie hatte es auch nicht gewollt und es war mehr ungewollt passiert.
„Es tut mir leid, Emmanline, aber ich muss jetzt weiter machen“, neigte er seinen Kopf und ging einfach, ohne eine Antwort von ihr abzuwarten. Er ließ sie einfach stehen.
Nicht das sie ihm böse war, aber in ihr herrschte jetzt ein eigenartiges Gefühlschaos und ein durcheinander, was sie zuvor noch nicht verspürt hatte. Sie leugnete nicht, sie mochte Aiden, aber es war nicht auf diese Art und Weise, was sie für Lucien empfand. Aiden war ihr irgendwo auch schon wichtig, weil er ihr auch geholfen hatte und sie wollte auch niemanden etwas nachstehen. Außerdem besaß Aiden eine zu gute Seele, was sie herausgefunden hatte, da konnte sie ihm nicht böse sein. Oder gar wütend oder hassen.
„Ist mit dir alles in Ordnung, Emmanline?“, legten sich zwei große Hände sanft und warm auf ihre Schultern.
Sie wusste, zu wem sie gehörten und musste sich nicht einmal dafür umdrehen. „Ja, aber ich habe das Gefühl, ich habe etwas falsch gemacht, Lucien“, seufzte Emmanline etwas enttäuscht auf. „Aiden sah so traurig und verletzt aus. Ich konnte nichts dagegen tun, obwohl ich wusste, was er für mich fühlt und ich hatte es stets ignoriert. Es war nicht richtig, dem immer aus dem Weg zu gehen.“
„Es war aber von ihm richtig, sich aus der ganzen Sache herauszuhalten, Emmanline. Damals hatte Aiden mir eine Drohung gemacht, ich solle dir nicht wehtun und gut zu dir sein. Ich wusste um die Gefühle von ihm zu dir, aber hatte sie ignoriert, bis ich herausfand, dass du meine Seelengefährtin bist. Das hat natürlich einiges geändert. Geschieht das, muss sich jeder zurückziehen, weil geprägte Paare die Chance erhalten müssen, eine Bindung einzugehen. Seelengefährten, so eine Chance bekommt man nur einmal im Leben. Wenn überhaupt und jeder wäre dumm genug, sie nicht zu ergreifen, seinen Seelenpartner zu nehmen“, erklärte Lucien ihr.
„Dann verstehe ich deinen Onkel aber nicht“, runzelte sie leicht ihre Stirn. „Darius hat doch seine Seelengefährtin gefunden, aber wie ich gesehen habe, sind sie keine Bindung eingegangen. Ich habe es jedenfalls bei der Ratssitzung beobachten können, das etwas zwischen ihnen ist, aber etwas hält sie auf, bis ich Lya einmal gefragt hatte, das sie Seelengefährten sind. Warum?“
„Komplizierte Sache, aber es gibt sogar Ausnahmen“, meinte er und zuckte nur mit den Schultern. „Es kommen sogar Prägungen zustande, wo keine Liebe oder Einigkeit stattfindet. Manches passt nicht. Vermutlich wird das bei meinem Onkel der Fall sein, aber das kann ich nicht genau sagen. Er redet nie darüber und wenn er es nicht tut, geht es uns auch nichts an.“
Das konnte Emmanline verstehen und wenn Darius nicht darüber sprechen wollte. Nicht jeder konnte über Gefühle sprechen und wie es in einem aussah. Sie war vermutlich eines der perfekten Beispiele.
„Ja, da hast du Recht“, stimmte sie ihm zu und ging auf ihn zu, damit sie sich von ihm umarmen lassen konnte. Sie wusste nicht, seit wann sie ständig das Bedürfnis hatte, sich immer und überall von ihm in den Arm nehmen zu lassen, aber es war so. Seit jener Nacht bekam sie ständig den Drang bei Lucien zu sein und bei niemand anderen, ob sie es eingestehen wollte oder nicht.
„Los komm, wir werden gleich aufbrechen und da will ich dich bei mir haben“, küsste er sie noch einmal, bevor er sie losließ. Zusammen gingen sie zu der Truppe versammelter Mannschaft, wo sie heute zu den Bergen aufbrechen werden, wo sie ein Bruchteil ihres Lebens verbracht hatte. Sie wollte nicht an die Zeit dran denken und was sie dort erlebt hatte, aber sie kehrte dorthin zurück, allein zuliebe, weil Lucien Hilfe brauchte.
Sie alle waren zügig vorangekommen, hatten trotzdem fast sechs Tage bis zu den Agrargebirgen gebraucht. Natürlich hatte Charia erwähnt, sie bräuchten auf dem Boden das Doppelte an der Zeit, aber Lucien hatte die richtige Entscheidung getroffen. Als er die zwei Beobachter vorausgeschickt hatte, die die Lage kundschaften sollten, hatte ihm sein schlechtes Gefühl nicht verlassen.
Auch wenn Culebra die Höhle schon längst verlassen hatte, lässt er sie noch immer bewachen. Oder da musste noch etwas sein, welchen Grund sie herausfinden mussten. So oder so, war es eine interessante Sache, was Culebra da suchte und für ihn noch wichtig erschien. Anscheinend hatte er es noch nicht gefunden und was auch immer er in diesen Höhlen suchte, Culebra fand es anscheinend nicht.
„Lucien, wir haben all die ausgeschaltet, die sich außerhalb der Höhle aufgehalten hatten. Es waren ungefähr sechs gewesen“, meldete sich seine Schwester Charia, die auf ihn zugekommen war.
Sie hatten etwas außerhalb, im tieferen Wald, ihr Lager aufgeschlagen. Es war verborgen und nicht leicht zu erkennen, was selbst vor gute Augen nicht leicht sichtbar war.
„Gut. Sind die Anderen bereit?“, wollte er wissen.
„Ja, aber mich würde interessieren, warum hier noch so viele Anhänge von diesem Bastard sind. Als wir letztens hier gewesen waren, war es wie ausgestorben“, klang seine Schwester nachdenklich.
„Das werden wir noch herausfinden. Das heißt, nur, das mein und Emmanlines Gefühl uns nicht geirrt hatten und wir auch die richtige Entscheidung getroffen haben. Wären wir den direkten Weg durch die Luft gekommen, wären wir ihnen direkt in die Arme geflogen und wir wissen nicht, was in den Höhlen ist. Auch da müssen wir vorsichtig sein. Ich will, dass ihr alle aufpasst und die Augen offen haltet und auch auf die Ratschläge von Emmanline hört. Sie hat in den Höhlen gelebt. Auch wenn ich es ungern zugeben möchte“, graute es ihn immer noch davor, wenn er daran dachte, es nun mit eigenen Augen zu sehen, wo Emmanline gelebt hatte. Wo sie leiden musste.
„Wir haben verstanden“, nickte sie und entfernte sich.
Danach suchte Lucien Emmanline, weil er sie nicht im Lager fand, wo sie sich eigentlich aufhalten sollte. Er fand sie ein Stückchen außerhalb, zwischen ein paar Bäumen, als sie gerade empor blickte und er fragte sich des Öfteren, welche Gedanken sie hatte. Allein ihr Blick, den sie im Gesicht hatte, sprach manchmal gar nichts, aber dann wieder so vieles, was er nicht deuten konnte. Diese Frau war ein Buch von über tausend Siegel.
„Du darfst das Lager nicht so weit und alleine verlassen, Emmanline. Wenn hier noch Anhänger von Culebra lauern, können wir dich nicht beschützen“, kam er auf sie zu.
„Ich hatte nicht gewusst, das so ein ruhiger und schöner Ort, direkt vor der Höhle war“, senkte Emmanline ihren Kopf und wandte ihren Blick zu ihm hin, was seinen Atem stocken ließ. „Außerdem war ich nicht alleine gewesen, Lucien. Bis eben, als du kamst, war Cyrill noch in meiner Nähe gewesen und hatte Acht auf mich gegeben. Ich weiß, dass du das nicht zulassen würdest, das ich alleine bin und er ist kurz darauf gegangen, als du kamst“, lächelte sie ihn leicht an.
Kaum zu glauben, aber Emmanline hatte genau das getan, was ihn beruhigte und zufrieden machte. Sie hatte sich genau an die Regeln gehalten, auch wenn er sie zuvor nicht gestellt hatte. Denn, wenn er jetzt die verschiedenen Gerüche in der Luft filterte, nahm er auch den von Cyrill wahr. Er war hier gewesen und hatte auf sie Acht gegeben, wie Emmanline es gesagt hatte. Schließlich war er ihr Leibwächter und wie sie es besprochen hatten, hatte sein alter Freund seine Aufgabe erfüllt.
„Ja, du hast Recht. Entschuldige“, erwiderte er ihr Lächeln. „Ich war nur etwas erschrocken, das du nicht da warst und ich kann nun einmal nichts dafür und reagiere nun einmal so. Das ist nun einmal mein Drang in mir, dich so zu beschützen und wenn wir in so in einer gefährlichen Situation sind, dann ist es auch noch was anderes.“
„Ja, ich weiß es, Lucien. Seit dem ich euch mein Geheimnis verraten habe, akzeptiere ich es und ich habe mich doch daran gehalten. Cyrill wird mich stets begleiten, sollte ich mich außerhalb der Grenzen begeben. Wie ich es dir versprochen habe“, kam sie auf ihn zu und blieb vor ihm stehen. Sanft berührte sie seine Wange und er genoss es sichtlich, wie sie ihn berührte. So sanftmütig, wie ihr inneres Wesen und jetzt verstand er auch, warum sein Drache sich berührt von ihr fühlte.
Eines war es ihr warmes Ausstrahlen ihrer silbernen Augen, dann ihr sanftes Lächeln und ihre zarten Berührungen. Er könnte es ewig genießen. Wenn er es könnte und auch die Zeit dazu hätte, aber die blieb ihm nicht immer. Sowie jetzt und es ärgerte ihn manchmal maßlos. Dennoch würde er nicht zulassen, egal was kommen mag, das sich etwas zwischen sie drängte.
„Kehren wir wieder zurück. Wir wollen alle gleich in die Höhle. Sofern du auch bereit bist, Emmanline?“, fragte er.
„Bereit oder nicht, Lucien, wir müssen in diese Höhle und eure Großtanten finden. Angenommen, dass sie noch in dieser Höhle leben, wie deine Großmutter es meinte“, sprach sie und wollte sich langsam auf dem Rückweg begeben.
Doch Lucien schnappte sich ihr Handgelenk und hielt sie auf. Verwundert schaute sie zu ihm auf und wartete darauf, dass er etwas sagte.
„Bevor wir zurückkehren, Emmanline, muss ich dir noch was sagen und geben. Eigentlich wollte ich es schon auf dem Schloss, aber irgendwie hatte sich nie die passende Gelegenheit geboten“, meinte er schließlich.
Fragend blickte sie ihn an. „Und du glaubst, jetzt ist der richtige Augenblick, mir etwas wichtiges zu sagen und zu geben?“
„Nein, das vielleicht nicht, aber ich will es nicht aufschieben“, schmunzelte er leicht. „Zumal du selbst entscheiden sollst, was du tust.“
„Nun rede schon, Lucien. Was ist los? Worum geht es, was du nicht aufschieben willst?“
Ein kurzes Schweigen herrschte zwischen ihnen, als er beiden Hände von ihr nahm. „Das mein Bruder Raiden solange abwesend war, hatte einen Grund. Ich hatte ihn mit einem Auftrag fort geschickt, der beinhaltete, einen wichtigen Brief an den König der Elfen zu überbringen.“
Das ließ Lucien in der Luft schweben und auf Emmanline einwirken, denn sie starrte ihn unentwegt an. Natürlich musste das ungewöhnlich für sie vorkommen, aber er musste ehrlich und offen zu ihr sein. Wenn es bedeutete, sie wäre wütend oder schockiert. Das Einzige was er nur sein musste, war, ihr gegenüber aufrichtig zu sein.
„Aber waren nicht alle Elfen von dieser Welt verschwunden? Oder gar ausgelöscht?“, klang ihre Stimme verwirrt.
„Ja, angenommen und das haben die Elfen auch sehr gut hinbekommen. Sie sind nach dem vernichtenden Schlag der Fae und Nymphen von der Bildfläche einfach verschwunden. Das würde vermutlich jede kluge Anführer tun. Doch ich hatte eine geheime Quelle, die mir verriet, wo ich einen Anhaltspunkt finden konnte, wo sich die Elfen aufhalten könnten. Es war zwar nur eine vage Vermutung, die sich als Wahrheit herausstellte. Es war nicht leicht, aber mein Gedanke war einfach nur, das du es vielleicht wissen willst“, zuckte er kurz mit seinen Schultern und blickte ihr tief in die Augen, weil sie ihn selbst noch anschaute und genau zuhörte. „Du hast immer davon geredet, das du nie weißt, zu wem du gehörst. Da du deine Mutter schon verloren hast, wollte ich vielleicht versuchen, etwas über dein Volk herauszufinden. Über deinem Vater wäre am Anfang doch etwas zu viel gewesen, aber das jetzt wäre ein Anfang gewesen, damit du vielleicht eine kleine Zugehörigkeit hast. So würdest du auch vielleicht ein Familienmitglied finden, wenn du in deinem Volk wärst und ob noch jemand existiert. Oder vielleicht auch Antworten findest.“
Emmanline war sprachlos und schockiert zugleich, was sie von Lucien da vernahm. Sie konnte auch nicht recht glauben, was ihre Ohren da wahrnahmen. Die ganze Zeit hatte sie gedachte, niemand würde mehr existieren und sie wäre alleine. Dabei stimmte es die ganze Zeit nicht? In Wahrheit weilten die Elfen noch immer unter ihnen? Nur irgendwo im Verborgenen?
Etwas neben sich und mit ihren Gedanken so durcheinander, befreite sie sich von Lucien und wandte sich von ihm ab. Mit ein paar Schritte ging sie von ihm weg und blickte in den tiefen Wald hinein.Sie musste kurz nachdenken und zu Verstand kommen. Das war nicht richtig, was hier geschah, aber es wahr nicht änderbar.
Am Anfang hätte sie Lucien dafür verurteilt, das es ihm nichts anging, aber sie spürte, er habe es nur für sie getan, damit sie einen Platz fand, wo sie hingehörte. Sie fühlte es klar und deutlich. Sie hatte es in seinen Augen lesen können. Er hatte nichts böses damit deuten wollen. Sie konnte ihn nicht dafür verurteilen, nur weil er ihr helfen wollte, einen Ort in dieser Welt zu finden, den sie nicht einmal in dieser Welt hatte. Dabei hatte er ihr den schon längst angeboten. Diesen einen Ort, wo sie bleiben könnte, wenn sie keinen hatte, wo sie hin konnte.
Bei dem Drachen selbst. Bei ihm.
„Was hat Raiden heraus gefunden?“, hörte sie sich stattdessen fragen. Anstatt weiter darüber nachzudenken.
„Vermutlich mehr, als ich gedacht hätte“, begann Lucien.
Verwirrt über diese Worte, drehte sich Emmanline zu ihm um. „Wie meinst du das?“
„Ich könnte es dir erzählen und es wäre einfacher, aber vielleicht willst du die Wahrheit auch einfach nur lesen“, blickte er ihr tief in die Augen und sie konnte ihm nicht entkommen.
„Was meinst du, mit lesen?“
„Als Raiden zurückkehrte, kam er mit einem Brief zurück. Vom Elfenkönig. Er ist auch mit an dich gerichtet, Emmanline.“
„An mich?“, klang sie etwas verwirrt. „Wie kann er von mir wissen, wenn zuvor keine Möglichkeit bestanden hatte?“
„Schon vergessen, ich hatte Raiden mit einem Auftrag fortgeschickt. Er sollte mit einen Brief und einer Audienz zu dem Elfenkönig gehen. In diesem Brief stand alles drinnen, was er wissen musste. Doch das solltest du selbst sehen“, holte er einen weißen Brief aus eines seiner Taschen heraus und überreichte ihn ihr.
Für einen Augenblick zögerte sie noch, bevor sie ihn entgegen nahm. Es war ein komisches Gefühl, etwas in den Händen zu halten, was ein Teil von ihr war. Von den Elfen, wovon sie gedacht hatte, sie wären ausgelöscht. Sie hatte immer gedacht, sie wäre alleine auf dieser Welt. Die Einzige die übrig geblieben war. Es war nicht so, das sie stets angelogen wurde, aber sie hatte es stets geglaubt und es hatte sich immer so angefühlt. Sie hatte nie jemanden gehabt. Außer ihre Mutter.
Der Brief war schon einmal geöffnet gewesen und er hatte eine gewissen Inhalt, was sie wunderte. Es musste etwas unebenes sein, was sie ertasten konnte.
„In dem Brief ist noch ein kleiner Briefumschlag und er ist nur für dich. Ich habe ihn aber noch nicht geöffnet. So stand es jedenfalls in dem Brief“, meinte Lucien zu ihr, als sie so abwesend war.
„Und du warst nicht so misstrauisch ihn zu öffnen?“, wollte sie wissen.
„Nein, weil ich wusste, das du es lieber selbst machen wolltest. Außerdem wärst du mir böse geworden“, lag keine Belustigung in seiner Stimme und sie schaute auf und konnte auch nichts amüsantes in seinem Gesicht erkennen. Lucien war vollkommen ernst.
„Ja, danke dir“, nahm sie das Papier aus dem Umschlag heraus. Es waren einige Seiten. Sie konnte die fremde Schrift erkennen und die vielen Zeilen darauf. Es war in einer schönen und ordentlichen Handschrift geschrieben.
„Wenn du willst, kann ich es dir auch vorlesen. Es ist in der Elfensprache geschrieben und ziemlich kompliziert“, schlug Lucien vor.
„Nein, schon in Ordnung. Ich kann es lesen“, konzentrierte sie sich auf ein Wort auf das andere. Sie hatte zwar noch große Mühe zu lesen, aber sie schaffte das schon.
„Du kannst das Lesen? Seit wann?“, konnte sie Luciens Verwunderung nicht überhören.
Kurz schaute sie vom Geschriebenen auf. „Seit Hal dein Angestellter ist“, huschte ein kleines Lächeln über ihr Gesicht. „Ich habe ihm darum gebeten, mir das beizubringen und er hatte es mir mit Freuden beigebracht. Er meinte, ich lerne schnell. Ich wollte dich überraschen.“
„Das ist dir in der Tat gelungen“, konnte sie Stolz in seinen Augen erkennen.
„Noch nicht ganz gut, aber ich strenge mich an“, wandte sie sich wieder dem Text zu. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie ihn durchgelesen hatte und es entsetzte sie zutiefst, was sie gelesen hatte. Hin und wieder setzte ihr Herz aus. Wenn es wirklich stimmte, was in diesem Brief stand, dann war der Elfenkönig ihr Vater.
Jetzt konnte sie es nicht abwarten und musste den beigelegten kleinen Brief öffnen. Sie musste wissen was darin war. Dies war DAS was so uneben war. Ihr Herz schlug immer schneller in der Brust und sie konnte es nicht abwarten. Ihre Hände fingen immer mehr an zu zittern, je mehr sie das Papier vom Brief aufriss. Wie konnte sie nur so nervös sein?
Zum ersten Mal in ihrem Leben erfuhr sie mehr von ihrem Leben und ihrer Familie? Wer sie war und wohin sie gehörte. Stimmte das alles wirklich?
„Emma...“
War das alles Realität?
„Emmanline.“
Wurde sie aus den Gedanken gerissen? Sie schaute in warme braune Augen, die sie schon oft geerdet hatte.
„Beruhige dich“, sprach Lucien sanft und umfasste ihr Gesicht sanft mit seinen großen warmen Händen. „Egal was ist und dich erwartet, ich werde nicht zulassen, dass dich jemand mir wegnimmt. Hast du verstanden?“, war er herrisch, wie es ein Drache nur sein konnte.
Nur mit einem Nicken antwortete sie ihm und atmete einmal tief durch. Erst danach ließ er sie wieder los und sie konnte sich wieder auf den kleinen Umschlag mit Inhalt konzentrieren. Diesmal schaffte sie es zu öffnen, ohne das sie zögerte. Aber was sie dann herausholte, schockierte sie zutiefst. In Emmanlines Hand lag eine schneeweiße Haarsträhne und sie wusste ganz genau, es war nicht die ihre.
Zu tiefst getroffen, starrte sie auf die eine Locke auf ihrer Handfläche und das Gesicht ihrer Mutter tauchte vor ihrem geistigen Geiste auf. All was in diesem Brief drinnen gestanden hatte, war wahr gewesen. Dieser Elfenkönig war ihr unbekannter Vater, den sie zuvor nie gesehen und gekannt hatte. Auf einmal hatte sie einen Namen.
Alarion Fenegan.
All die Jahre hatte ihre Mutter ihr alles verschwiegen und hatte stets gefragt warum. Irgendwann hatte sie aufgegeben danach zu fragen, weil sie es irgendwann auch nicht mehr wollte. Schließlich war er auch nie gekommen, um sie zu holen. Darum war es ihr egal gewesen.
Doch jetzt wollte er ein Anrecht und seine Tochter zurück. Er forderte sie sogar vom Drachenkönig zurück, wie er es im Brief geschrieben hatte. Als wäre es teilweise eine Drohung an Lucien.
Sorgsam legte sie die schneeweiße Haarsträhne ihrer Mutter wieder in den Umschlag zurück und faltete ordentlich den Brief wieder zusammen. Einen Moment schaute sie auf das Anschreiben und erst dann schaute sie zu Lucien auf. Natürlich hatte er sie die ganze Zeit beobachtet. Wie könnte es auch anders sein?
Wenn all das der Wahrheit entspricht, was in dem Brief steht, dann ist der Elfenkönig wirklich mein Vater?“, fragte Emmanline ihn.
„Nach dem Siegel und der Unterschrift zu urteilen, dann ja. Ich war selbst überrascht und hätte es nicht für möglich gehalten. Anscheinend hast du noch einen weiteren Beweis erhalten“, meinte er zu ihr.
„Ja, es ist eine Haarsträhne von meiner Mutter. Entweder waren sie wirklich Gefährten gewesen, oder ansonsten weiß ich nicht, wie er zu dieser Strähne gekommen sein soll“, zuckte sie leicht mit ihren Schultern und wusste nicht, was sie davon halten sollte. Dies war ihr gerade etwas zu viel.
Sanft nahm Lucien sie in die Arme. „Ich weiß, wie schwer das jetzt alles für dich ist und wie viele Gedanken jetzt in deinem Kopf sein müssen. Aber du darfst das Alarion, deinem Vater, nicht schwer machen. Er hatte von dir nichts gewusst und vermutlich wusste er auch nicht, wo du und deine Mutter euch aufgehalten habt. Ansonsten hätte er euch sofort befreit. Immerhin hatte er mir im Brief missverständlich klar gemacht, er will dich zurück haben.“
Leicht schmiegte sich Emmanline an ihn, weil sie es genoss in seinen Armen zu sein und weil sie sich bei ihm beschützt fühlte. „Aber es ändert nichts daran, dass er dir gedroht hat. Er weiß gar nichts und wenn wir wieder auf dem Schloss sind, werde ich darauf antworten. In der Zwischenzeit werde ich darüber nachdenken“, hatte sie es beschlossen.
„Emmanline“, betonte er belustigend ihren Namen. „Wenn du so ablehnend deinem Vater gegenüber bist, wird er mir gegenüber noch sehr böse werden. Er versucht dich nur zu beschützen.“
„Nein, das tut er nicht. Das Einzige, was er hier nur versucht, ist eine Wiedergutmachung meiner Mutter gegenüber einzulösen, weil er sich schuldig fühlt und sie nicht beschützen konnte. Wie will er mich beschützen, wenn er mich nicht einmal kennt? Er hat mich kein einziges Mal gesehen und weiß nicht einmal, wie ich aussehe. Ich würde es genauso tun und ich nehme es ihm nicht einmal übel. Solange er all das aus Liebe zu meiner Mutter getan hatte. Das würde mir schon genügen“, schloss sie kurz die Augen und sah das Gesicht ihrer Mutter vor sich.
„Du hast eindeutig ein zu großes Verständnis. Ich wüsste nicht, ob ich sie besitzen würde. Vermutlich macht genau das dich so einzigartig und großherzig. Genau das fehlt manchmal in meinem Volk, wenn es um das Seltene und Wesentliche geht, was du bist. Alleine schon von deinem Wesen her“, sprach Lucien.
„Vielleicht, oder vielleicht auch nicht. Das Entscheidende ist doch, du würdest immer genau das tun, was du für richtig hältst und dich auch nicht verstecken. Ihr Drachen seid ein zu stolzen und edles Volk, als würdet ihr euch irgendwo ins Verborgene zurückziehen“, sprach Emmanline gedankenverloren weiter. „Ihr würdet niemals zulassen oder jemanden gestatten, euch so in die Enge treiben zu lassen, das sie euch aus dieser Welt verbannen. Ihr habt scharfe Klauen und Reißzähne, die ihr jeden entgegen fletscht, die euch nur zu nahe komme würden, wenn sie euren Liebsten nur schaden würden. Ihr besitzt diese Macht, wie kein Anderer“, schaute sie plötzlich in die Ferne.
Was Emmanline da sagte, stimmte schon alles und die Drachen würden niemals zulassen, dass jemand sie in die Enge trieb. Sie wusste es, weil sie unter seines Gleichen aufgewachsen war. Nicht gar unter der ihren, wie es sich gehörte. Manchmal fragte er sich, wie sie wäre, wenn sie unter ihresgleichen aufgewachsen wäre. Oder ob er sie dann überhaupt auch kennengelernt hätte? Wenn die Elfen und die Einhörner so in dieser Welt nicht mehr existierten, was wäre dann?
Emmanline war seine vorherbestimmte Seelengefährtin. Wäre er ihr ansonsten niemals begegnet? Er konnte sich das alles niemals vorstellen, weil sie hier bei ihm war und er wollte sie auch niemals verlieren und missen wollen. Dafür war sie ihm so unendlich wichtig geworden. Sie hatte sich in sein Herz und Leben gebrannt.
„Ist mit dir alles in Ordnung, Lucien?“, blickte Emmanline mit ihren warmen silbernen Augen zu ihm auf.
Einen Augenblick erwiderte er ihren Blick. „Ja, es ist alles genau so in Ordnung, wie es sein sollte“, lächelte er sie an, nahm ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie leidenschaftlich, wie er es oft bei ihr tat. „Lass uns langsam zurück gehen und beginnen.“
„Ja“, erwiderte Emmanline mit einem leichten Nicken, wohin sie gemeinsam zum Lager zurückkehrten.
Als sie im Lager ankamen, erfuhr er eine schlechte Nachricht, worüber er nicht sonderlich begeistert war und es verstimmte ihn ein wenig. Finster schaute er seinen alten Freund Cyrill an, der ihm diese Nachricht überbracht hatte.
„Wie lange ist es her, das meine Schwester und ihre Truppe in diese Höhle gegangen sind?“, wollte Lucien wissen.
Charia war ohne seine Erlaubnis und das sie grünes Licht bekommen hatten, in die Höhle gegangen. Es war noch nicht einmal alles abgesichert. Natürlich war seine Schwester eine ausgezeichnete Befehlshaberin und Kriegerin, aber sie musste auch auf die Befehle gehorchen, wenn man ihr welche gab. Und er hatte noch keinen gegeben, die Höhle zu stürmen.
„Vor ungefähr sieben Minuten. Sie wollte nicht auf mich hören, als ich sie aufhalten wollte. Immerhin war sie schon einmal in diesen Höhlen drinnen gewesen und kenne sich aus, meinte sie“, antwortete Cyrill ihm.
„Wir müssen ihr nach, Lucien. Ich weiß nicht, wenn sie weiter in die Höhle vordringt, ob sie der Fallen bewusst ist. Das ist meine größte Sorge“, schien Emmanline irgendwie nervös zu sein und ihr Blick ging in die Tiefe der Höhle hinein.
Das wiederum machte ihn etwas nervös sie so zu sehen. So war sie sonst nicht. „Cyrill, trommle alles Männer zusammen und versammle sie alle vor dem Höhleneingang. Wir werden in fünf Minuten aufbrechen. Sofort!“, befahl er und sofort war sein Freund verschwunden, um seinen Befehl auszuführen. „Was ist los, Emmanline? Irgendwas beunruhigt dich“, wandte er sich zu ihr um.
„Ich habe so ein merkwürdiges Gefühl, es wird etwas passieren. Ich verstehe nicht warum deine Schwester nicht auf uns gewartet hat und einfach vorgegangen ist. Dabei habe ich doch vor den verborgenen Gefahren gewarnt. Ich meine es ernst, Lucien“, schaute sie ihn besorgt an. „All diese Fallen und Zauber waren grausam und kalt. Ich sehe es noch heute vor mir. Vor allem höre ich noch immer diese Schreie“, hatte sie ihre Augen fest geschlossen und ihre Arme um ihren Körper geschlungen.
Lucien konnte es nicht mehr ertragen sie so zu sehen und musste sie in seine Arme schließen und fest an sich drücken. Vor allem brauchte sie es jetzt. Er wusste es und spürte es tief in sich. Allein die Verbundenheit, die sie miteinander verband, konnte er dadurch spüren. Emmanline war ein andersartiges Wesen und fühlte ganz anders als er oder jemand anderes. Jetzt verstand er es auf einer Ebene, wie er es noch nie zuvor getan hatte. Diese Frau war etwas einzigartiges und galt zu beschützen.
Doch was ihn besonders stolz machte und glücklich, sie gehörte ihm. Ihm ganz allein.
Das sprach sein Besitzanspruch deutlich heraus und es prahlte nur so regelrecht. All das machte ihm nichts aus, so zu denken oder es gar auch deutlich auszusprechen.
Als Cyrill all seine Leute vor dem Höhleneingang versammelt hatte, hatte Emmanline sich soweit auch wieder beruhigt. Auch wenn sie nicht sagte, wussten beiden, was zwischen ihnen gesagt war. Normalerweise würde sie sich zu viele Gedanken darüber machen und was das aus ihnen werden würde, aber diesmal wollte sie es so sein lassen, wie es war.
Lucien war ein besonderer Mann und sie schätzte ihn sehr. Er tat alles für sein Volk und was er konnte. Sie konnte spüren, wie besorgt er um seine Schwester und um die Anderen war. Aber auch wütend, das sie seine Befehle missachtet hatten. Sie konnte es verstehen, trotz all der Gefahren, die in diesen Höhlen lauerten und niemand sah sie. Sie lagen tief verborgen.
In der Höhle erkannte sie vieles wieder und fühlte die eisige Kälte tief in sich. Trotz das sie mehr Kleidung an sich trug, wie damals, als die paar Fetzen, bevor Aiden und Charia sie da raus geholt hatte. Es war die Erinnerung, die sie noch immer in sich verspürte und die sie nicht so schnell vergessen konnte. Egal wie sehr sie sich anstrengte es zu vergessen. Doch sie bemühte sich es zu unterdrücken. Sie hatte jetzt andere Sorgen und Gedanken.
Lucien lief mit Cyrill und ein paar anderen Drachen weiter vorne, während sie etwas besprachen. Hinter ihr gingen andere Drachenkrieger. Auch wenn sie gerade alleine ging, wäre sofort jemand zur Stelle, um sie zu beschützen.
Aus den Gedanken gerissen, stieß Hal zu ihr und riss sie mit seiner freundlichen und männlichen Stimme heraus.
„Jetzt verstehe ich, aus welchen Grund du die Bibliothek aufgesucht hast“, war es kein Vorwurf, sondern eine einleuchtende Erkenntnis seinerseits.
Emmanline wandte ihren Kopf zu ihm, damit sie ihn anschauen konnte, aber er schaute nur geradeaus. „Ich habe nur versucht, etwas über die Geschehnisse von damals zu erfahren, als Luciens Großtanten verschwanden.“
„Ja, ich weiß und die Informationen habe ich dir gegeben. Doch eines verstehe ich nicht und was ich mich seitdem frage“, schaute er sie nun auch an und sie liefen trotzdem weiter.
„Das wäre.“
„Nimm es mir bitte nicht übel, wenn ich so neugierig bin, aber ich muss dies fragen. Doch, all das was du mich gefragt hast, was nützt dir das, mit dem verbunden, was wir hier tun? Dabei ist es doch was vollkommen anderes. Es hat vermutlich nichts mit der Vergangenheit zu tun und dennoch glaubst du da gibt es was. Was ist es?“, schien er das wissen zu müssen.
Ein kleines Lächeln erschien auf ihren Lippen. „Es ist nicht unbedingt der Zusammenhang den ich suche, sondern einfach nur, was in der Vergangenheit passiert ist. Mag sein, das es keine Verbundenheit gibt, aber es gibt einen Grund, warum Luciens Großtanten sich ins Exil zurückgezogen haben und das er wichtig gewesen war. Diesen werden wir vermutlich auch erst einmal nicht auf den Grund gehen oder erfahren. Hauptsache wir werden sie lebend und gesund finden. Allein du müsstest es doch am besten wissen, das es für alles ein gewissen Grund gibt, für was man gewisse Dinge tut. Nicht wahr?“, lächelte sie einfach wissend weiter, weil sie wusste, sie hatte Recht und sie sprach auch auf seine fortlebende Seele an.
„Ich glaube, bei dir sollte ich mich besonders in acht nehmen, wenn ich mich mit dir unterhalte. Du tust und siehst Dinge, die mir sehr nahe liegen und ich muss nur danach greifen. Es ist ziemlich interessant deine Gedankengänge zu verfolgen und ich verstehe auch warum Lucien dich gerne in seiner Nähe hat und aus welchen ersichtlichen Grund er dich auch beschützen will. Nicht nur weil du seine geliebte Seelengefährtin bist oder eine verschollene Elfe“, konnte sie das unmissverständliche Lächeln in seinem Gesicht erkennen. Ab da an wusste sie, was er dachte und wusste.
„Du weißt es?“, flüsterte sie.
„Was du in Wirklichkeit bist?“, machte er eine kleine leise Bemerkung, das nur sie es hören konnte. „Ja, ich weiß es. Ich wusste es schon seit dem Zeitpunkt, als ich deine silbernen Augen und dein schneeweißes Haar gesehen habe. Nur musste ich tatsächlich erst einmal überlegen, wann ich zuletzt solch ein Wesen gesehen hatte. Ich kann mein Erstaunen und Begeisterung besser im Zaum halten.“
„Du hast die ganze Zeit so getan, als wüsstest du es nicht“, schaute sie wieder nach vorne und suchte nach Lucien, den sie auch sofort unter allen fand. Noch immer redete er mit Cyrill und den Anderen. Er war in ernste Gespräche verwickelt. Einerseits sollte sie es nicht wundern, denn wie viele Seelen und Leben durchwanderte er jetzt schon? Er müsste ein enormes Wissen inne haben und es müsste sie nicht im geringsten wundern, wenn er über ihre Art nichts wissen würde.
„Ich hatte das Gefühl, es wäre vielleicht besser so und du wolltest es nicht, das niemand weiß, was und wer du bist. Immerhin verschwand dein Volk spurlos von dieser Welt“, meinte er und hatte Recht damit.
Doch so vieles hatte sich geändert und nun weiß Lucien davon. Selbst seine Geschwister, Darius und sogar Cyrill. Sie wusste, alle würden ihr Geheimnis bewahren und ihr niemals schaden. Würde das Hal auch tun?
„Ja, es stimmt. Ich hätte es so gewollt. Aber wenn jemand weiß, wer ich wirklich bin und einer verheimlicht es mir, ist vermutlich noch schlimmer“, stellte sie fest. „Trotzdem darf das niemand erfahren, ohne das ich davon weiß.“
„Niemand weiß davon. Ich habe niemanden davon erzählt. Du hast mein Ehrenwort“, versprach er. „Solange du mein Geheimnis auch gut bewahrst, wird deines bei mir genauso gut aufgehoben sein.“
Kurz dachte sie darüber nach und schaute ihm tief in die Augen. Sie glaubte ihm und nickte nur als Einverständnis und das es ihr genüge. „Niemand wird dein Geheimnis erfahren“, fanden sie eine Übereinkunft. Auch wenn es merkwürdig klingen mag, aber sie glaubte ihm wirklich. Auch wenn sie ihn überhaupt nicht kannte.
„Weiß er mittlerweile, was du bist?“, fragte Hal nach kurzer Stille zwischen ihnen.
„Ja, Lucien weiß es und auch seine Geschwister. Selbst dein Sohn Cyrill“, schaute sie ihn von der Seite an, weil sie auf seine Reaktion gespannt war.
Hal schien überrascht darüber zu sein und blickte sie auch so an. „Ich hätte nicht damit gerechnet, das Cyrill davon wüsste.“
„Nein, sicherlich nicht, aber ich habe ihn zu meinem Leibwächter gemacht und sollte ihm vertrauen. Er wird mich vermutlich öfters begleiten und Dinge erfahren, die ich nicht so schnell geheim halten kann. Bei Cyrill habe ich auch das Gefühl, ihm kann ich es zutrauen und auch vertrauen. Zumal er auch ein sehr guter Freund von Lucien ist. Sie stehen sich sehr nahe. Also hatte ich auch euren Sohn angefragt. Das es jetzt mir Arokh passiert, tut mir wirklich leid und es ist wirklich eine Schicksalsfügung, das es so zusammen passt“, machte sie eine kurze Pause. „Wenn es Cyrill dabei hilft über alles hinweg zu kommen, helfe ich ihm gerne dabei, aber ich kann nicht wirklich etwas für ihn tun, als nur das zu geben, wie ich kann. Den Rest und den Wunsch zu leben, all das muss er alleine in die Hand nehmen. Lucien und ich können ihm nur den Grund geben. Das solltet ihr auch tun. Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird, wann Lucien vor hat, eurem Sohn die gerechte Strafe zuzuführen. Zurzeit scheint nicht alles nach dem Plan zu laufen, wie es Lucien sich vorstellt und es ist auch nicht so einfach, aber er gibt sich die größte Mühe in allem. Ich sehe es jeden Tag.“
„Ich finde es erstaunlich...“, sagte Hal nach längerem Überlegen, als er die ganze Zeit seinen Sohn betrachtet hatte. „...wie sehr du dir den Kopf darüber machst, was aus Andere wird. Aber ich gebe dir vollkommen Recht. Wir machen uns Sorgen, um unseren Sprössling und was aus ihm wird. Natürlich, wird es uns tief treffen, wenn wir Arokh verlieren, auch wenn er Verrat begangen hatte. Trotz allem bleibt er noch immer unserer Sohn und die Erinnerungen an ihm werden ewig bleiben. Egal was kommen mag. Egal wie wir es drehen und wenden werden, für Rennie und für mich wird es nicht leicht werden, aber wir müssen weiter machen. Allein schon für unsere anderen Kinder und Aufgaben.“
„Ja, das verstehe ich“, konnte sie nur darauf sagen.
Sie beide sprachen eine Weile nicht miteinander und gingen einfach nur nebeneinander her. Sie kam ohnehin auch nicht mehr dazu Hal etwas zu fragen, weil jemand nach ihm rief, er sich bei ihr entschuldigte und sich von ihr entfernte. So war sie auch wieder alleine. Sie empfand es nicht als schlimm, denn so konnte sie darüber nachdenken, wie sie es gerne tat und um es zu verarbeiten. Was sie am Ende gerne tat.
Doch bei ihrer kurzen Grübelei verlor Emmanline die kurze Übersicht auf Lucien, denn er war plötzlich verschwunden. Nur noch Cyrill und die anderen Drachen, mit denen Lucien zusammen gewesen war, waren vor ihr. Aber er war spurlos weg. Auch wenn sie zurück blickte, er war nicht da.
Stirnrunzelnd machte sie sich leichte Gedanken und sandte eine Nachricht an ihn: „Lucien, wo steckst du?“, klang leichte Besorgnis in ihrer Stimme mit, denn sie wusste, welche Gefahren in dieser Höhle lauern konnte. Zumal traute sie keinen Winkel in diesen eisigen Felsen, wo Culebra gehaust hatte. Zu viel Tücke steckt in diesem Mann und Drachen, als das man ihm über dem Weg trauen könnte.
„Mir geht es gut“, versicherte er ihr und da entdeckte sie ihn auch schon.
Als Emmanline gerade den Höhlengang weiter entlang ging, entdeckte sie einen kleinen Eingang, wo Lucien stand. Mit seiner massigen und hochgewachsen Gestalt, füllte er ihn fast komplett aus, dass sie fast nicht hinein blicken konnte. Aber sie musste nicht an ihm vorbei schauen, um zu wissen, welcher Höhlenraum es war. Sie kannte ihn nur zu gut und besser als jeder andere. Es war der Raum, in dem sie all die Jahre und Leben verbracht hatte. Ausgerechnet diese Kammer fand Lucien.
„Ich war noch nie in dieser Höhle gewesen, aber diesen Raum erkenne ich wieder“, schwang ein leichtes wütendes Knurren in seiner Stimme mit.
Sanft berührte Emmanline ihn am Unterarm und blickte zu ihm auf. „Lass dich nicht von meinen schlechten Erinnerungen leiten, Lucien. Lass es nicht zu, das es dich beherrscht.“
„Es ist nicht so einfach, wenn ich daran denke, wie sie dich behandelt haben und was ich gesehen habe. Es ist nicht so einfach, alles abzustellen und jetzt an dem Ort zu stehen“, spannte sich leicht sein Körper vor unterdrückten Zorn an.
„Lucien, du musst damit aufhören“, würde ihre Stimme etwas ernster und mahnender. „Ich bin jetzt hier bei dir und du hast selbst gesagt, ich soll nicht in meiner Vergangenheit leben. Dann solltest du es auch nicht tun. Vor allem nicht in meiner“, befahl sie ihm.
Leise knurrte er, aber sein Körper entspannte sich wieder. „Ja, du hast ja Recht. Ich sollte das nicht tun“, blickte er sie an. „Aber wenn es um dich geht, vergesse ich jede Vernunft. Jeder der dir weh tun will oder weh getan hatte, zieht nur noch meinen Zorn auf sich.“
Es rührte sie wirklich, wie sehr er sie verteidigte und beschützte. Sogar an sie dachte. Ja wirklich, aber Lucien steigerte sich manchmal zu sehr hinein, dass sie das Gefühl hatte, er würde sich darin verrennen.
„Lass es gut sein“, sprach sie sanft und berührte ihn mit ihrer Hand an der rauen Wange, während sie ihn tief in die Augen schaute. Darin konnte sie den Drachen erkennen, wie er wütete. „Ich bin dir dankbar dafür, wie sehr du dir Gedanken um mich machst, aber wir haben jetzt wichtigeres zu tun. Wir müssen deine Schwester und die Anderen finden. Denn mich beschleicht das Gefühl, dass etwas passieren wird. Also beruhige dich. Bitte, tue es für mich“, lächelte sie ihn leicht an.
Lucien schenkte ihr ein Lächeln zurück. „Ich habe vorhin bemerkt, dass du dich mit Hal unterhalten hast. War es wichtig gewesen?“, fragte er.
„Nur, das er von Anfang an wusste, was und wer ich bin. Er wusste über mein Geheimnis Bescheid“, erzählte sie und ihre Hand legte sich auf seine Brust, wonach er griff.
„Er wusste darüber Bescheid? Sollte ich mit Hal reden?“, wurde Lucien etwas ernst.
Leicht schüttelte Emmanline mit ihrem Kopf. „Nein, solange wir sein Geheimnis bewahren, so wird er auch meines hüten. So versicherte er es mir. Ich glaube ihm auch, denn so schätze ich ihn auch ein“, meinte sie nach kurzen Bedenken. „Nur eines will ich gerne vermeiden.“
„Das wäre?“, schien Lucien wissen zu wollen.
„Hal ist ein Historiker und ein Schreiber. Er verpflichtet sich dafür, dass nichts in Vergessenheit gerät. Ich würde, das es gerne so bleibt, wenn nichts nennenswertes über mich und meine Art in irgendeiner Form und Art irgendwo in Büchern oder auf Papier steht. Ich weiß nicht, was noch alles passieren wird und weshalb nichts existiert, aber es soll so bleiben, wie es momentan ist.“
„Ich verstehe, was du meinst. Ich würde vermutlich auch so handeln, wie du, wenn ich an deiner Stelle wäre. Ich werde mit Hal darüber sprechen.“
„Danke dir“, lächelte Emmanline und schmiegte sich kurz an seine Brust.
Gerade als sie da standen, ging ein kleiner Ruck durch die Höhle. Der Boden und die Wände fingen leicht an zu beben. Sie wussten, irgendwas stimmte nicht und etwas musste ausgelöst worden sein. Mit leichten Entsetzten und Unbehagen wandten Lucien und Emmanline sich um und stürmten aus dem Höhlenraum, in dem sie ihren größten Teil ihres Leben verbracht hatte.
„Was war das gewesen?“, wandte Lucien sich an Cyrill, der es genauso gespürt hatte. Wie alle Anderen auch.
„Keine Ahnung! Aber es muss aus dem hinteren Teil der Höhle kommen“, antwortete Cyrill und zeigte ins innere Teil.
Kaum das Emmanline in diese Richtung schaute, bekam sie noch ein unbehaglicheres Gefühl und sie stürmte davon. Sie hörte zwar noch, wie Lucien nach ihr rief, sie sollte warten, aber sie musste laufen und nachsehen. Was ihr klar war, Lucien würde sie einholen und auf aufhalten, wenn er es wollte, aber er tat es nicht. Sondern rannte nur neben ihr her.
Als sie um eine Ecke bogen, sahen sie, was geschehen war und Emmanlines Befürchtung war eingetroffen.
„Fasst ihn nicht an!“, schrie Emmanline im Eifer des Gefecht und rannte auch schon weiter.
Aiden lag ohnmächtig auf dem Boden und sie konnte sehen, wie leichte magische Blitze durch seinen Körper strömten. Er musste eines der magischen Fallen an den Wänden berührt und ausgelöst haben, vor denen sie so gewarnt hatte.
Gerade wollte Luciens Schwester Charia ihn auf der Brust berühren, aber es war keine gute Idee, denn es könnte passieren, dass diese Fallen, egal was sie beinhalteten, sich dem anderen übertrugen. Jede Falle, die hier in der Höhle verborgen lag, war anders. Keine glichen der Anderen und konnte auch nicht so behoben werden. Oft genug hatte sie es gesehen und auch Stimmen gehört, wenn sie davon sprachen.
„Warum nicht? Was ist mit ihm?“, schaute Charia auf, die nicht so recht wusste, was sie machen sollte. „Er hat einmal aufgeschrien und ist dann einfach so umgekippt. Jetzt scheint er nicht mehr zur Besinnung zu kommen.“
Emmanline kniete sich neben Aidens bewusstlosen Körper, der anscheinend noch immer unter den magischen Strom stand. „Aiden hat eine von den verborgenen magischen Fallen berührt, vor denen ich euch die ganze Zeit gewarnt hatte“, beantwortete sie die Frage nebenbei, aber untersuchte Aiden weiterhin.
Leicht ließ sie ihre Hände über seinen Körper schweben und versuchte durch ihre inneren magischen Sinne herauszufinden, was ihm fehlte. Dabei schloss sie für einen Augenblick die Augen. Es war nicht sonderlich leicht, denn irgendwas mächtiges und dunkles schien in Aiden inne zu wohnen. Sie konnte spüren, wie sein Drache versuchte dagegen anzukämpfen und er tobte voller Zorn und Gebrüll. Es war so laut, das sie es in sich hören konnte.
Sofort öffnete Emmanline ihre Augen auf, riss ihre Hände zurück und ihr fiel das Atmen schwer. „Oh, ihr heiligen Götter!“, flüsterte sie voller Entsetzen. Nun erkannte sie, was sie vor sich sah, denn sie hatte es schon einmal voller Grauen mit ansehen müssen, was hier passierte.
„Was ist los, Emmanline? Was geschieht hier?“, wandte sich Lucien an sie.
Gedankenverloren drehte sie ihren Kopf zu ihm um, aber schaute ihn kaum an, weil sie an das Grauen von damals zurück dachte. „Es ist ein Fluch, der auf ihm lastet und er ist wirklich grausam.“
„Er ist doch nur ohnmächtig, oder nicht? Er sieht nicht so aus, als ob er Schmerzen hat“, meinte Charia.
„Das wird noch kommen und er wird furchtbar leiden. Als erstes ist sein Drache dran und er leidet jetzt schon unter diesem Fluch“, klang sie leicht abwesend. „Der Fluch hat die Wirkung, das sich Kreatur und Mensch voneinander trennen. Die Kreatur wird erbarmungslos ausgelöscht und der Mensch wird unendliche Qualen erleiden. Solange, bis er elendig stirbt. Ich habe es schon einmal gesehen und es war furchtbar. Das wünsche ich keinem und vor allem Aiden nicht“, zitterte ihre Stimme leicht, als sie in Aidens Gesicht schaute. Er sah friedlich schlafend aus und nicht so in einer bedrohenden Lage.
„Wie schrecklich“, flüsterte auf einmal eine andere Stimme im Hintergrund und andere Stimmengemurmel stimmten mit ein.
„Was kann man dagegen tun? Kannst du etwas dagegen tun, Emmanline?“, fragte Lucien, der neben ihr hockte.
Mit einem Kopf schütteln antwortete sie ihm: „Nein, ich kann dagegen nichts tun. Das kann nur der Zauberer oder die Hexe, die diesen Fluch gelegt oder ausgesprochen hat. Ich bin gegen solche Flüche und Zauber machtlos, weil sie zu dunkel und mächtig sind. Alles kann ich auch nicht bewältigen, trotz meiner Herkunft. Es tut mir leid“, senkte sie machtlos und enttäuscht den Kopf.
„Es muss dir nicht leid tun, Emmanline. Du hast alles getan und auch versucht. Danke dir“, legte Lucien dankend eine Hand auf ihren Rücken.
„Wo sollen wir denn diesen Zauberer oder Hexe finden, die diesen Fluch gelegt haben?“, fragte Cyrill nebenbei.
„Ich weiß nicht, wo sich alle befinden und wo Culebra jetzt steckt. Und ich weiß auch nicht, wer genau diesen Fluch ausgesprochen hat. Aber ich habe vielleicht eine Idee, wie wir den Fluch für eine gewisse Zeit aufhalten können“, schaute Emmanline sich erst um und blieb dann bei Luciens warmen braunen Augen hängen.
„Was für eine Idee?“
„Deine Fähigkeit als König der Drachen“, sprach sie die Worte in seinen Gedanken aus, weil sie nicht wusste, ob sie das vor allen sagen durfte. Vor allem, ob jeder über Luciens wichtigste Fähigkeit Bescheid wusste und was er im Notfall anrichten konnte.
„Du meinst?“, schien Lucien etwas schockiert und gleichzeitig überrascht zu sein. Doch nicht darüber, dass sie über seine Fähigkeit wusste.
„Ja, du musst deine Gabe einsetzen und den Drachen in Aiden verbannen. Wenn der Fluch...“
„...die Kreatur nicht finden kann, kann er sie nicht zerstören und den Menschen dann auch nicht angreifen“, führte Lucien ihren Gedankengang weiter.
„Das wäre ein Versuch wert und zu verlieren haben wir nichts. Noch schlimmer, als das wird es nicht.“
„Wenn es klappen sollte und er wieder erwacht, wird er nicht begeistert darüber sein, dass ich seinen Drachen verbannt habe. Besteht die Möglichkeit, das wir es wieder rückgängig machen können?“, wollte er wissen.
Kurz dachte sie nach. „Nein, ich glaube, dass würde den Fluch fortsetzen. Nur derjenige, der den Fluch ausgesprochen hat, kann ihn wieder auflösen. Den müssten wir finden. Nur dann ist Aiden davon wirklich befreit.“
„Ich muss es versuchen“, sprach Lucien diese Worte diesmal laut aus, als würden ihre letzten Worte ihm vollkommen ausreichen seine Entscheidung zu treffen.
Bisher musste Lucien, seit er König der Drachen war, noch nie seine Fähigkeit anwenden oder andere in seine Schranken weisen müssen. Er war dankbar dafür, aber dennoch wusste er, die Zeit würde kommen, er musste es tun. Auch wenn es heute das erste Mal für ihn war, war es nicht so, wie es vorherbestimmt war. Dennoch war es eine richtige Entscheidung. Er wusste es und tat es für das Wohl eines Mitgliedes seines Volkes. Sogar eines Freundes. Auch wenn er ihn zurzeit nicht so behandelt hatte, weil Aiden Gefühle für Emmanline besaß und ein Teil in ihm es nicht zuließ. Es war seine reine Eifersucht gewesen.
Trotz allem konnte er ihn nicht leiden und sterben lassen. Aiden war ein treugesinnter Krieger und brauchte ihn auch weiterhin.
Das Emmanline von seiner Fähigkeit wusste, wunderte ihn nicht mehr sonderlich und bereitete ihn auch keine Sorgen. Er wusste, sie würde nichts verraten oder an andere weitergeben, was er nicht wollte. Alleine schon, das sie in der Sekunde so vorsichtig gewesen war, als sie von sein Geheimnis sprach und mit ihm in einem mentalen Kontakt getreten war. Jeder andere hätte es vermutlich nicht getan und würde einfach handeln. Er bewunderte sie wirklich für ihre Feinfühligkeit.
Doch er konnte jetzt nicht weiter in Gedanken schwelgen, sondern musste handeln. Je weiter er wartete, je mehr litt der Drache von Aiden. Auch er konnte es spüren, wie wild er um sich schlug. Noch nie hatte er so etwas derartiges gespürt, dass eine Bestie ausholte und sich verzweifelt wehrte, als ging es um sein Leben. Es musste furchtbar sein und er konnte sich nicht vorstellen mit welcher Qual sein Drache darunter litt. Darum fand er an dieser Entscheidung nichts verkehrtes, worum Emmanline ihn bat, wenn es darum ging, Aiden Linderung zu verschaffen und um eine Lösung zu finden.
Luciens innere Drache sendete einen schallenden lautlosen Schrei aus, den nur Aidens Drache wahrnehmen konnte. Schließlich war dies ein Befehl an ihn gerichtet und an keinen anderen.
Ohne weiteres und ohne das die Bestie sich widersetzte, zog sie sich ins tiefste Innere von Aidens Bewusstsein zurück. Lucien konnte es spüren, wie die Anwesenheit von Aidens Wesen immer schwächer wurde. Er wusste, sollte sein Freund und Krieger aufwachen, würde er ihm das nie verzeihen, aber es war zu seinem besten, wenn es für sein Leben galt. Dann sollte er ihn dafür hassen.
„Ist es möglich, das sie ihn jetzt wieder berühren können?“, stellte Lucien Emmanline diese Frage. Emmanline schien das kurz zu überprüfen und nickte dann zögernd. „Gut. Charia, ich will das einer von deinen Leuten Aiden nach draußen ins Lager bringt. Er hat hier nichts mehr verloren.“
Ohne ein Wort und weil seine Schwester sich kein Wiederpart ihm gegenüber mehr leisten konnte, handelte sie einfach nach seinem Befehl hin. Sofort kam nach einer Handbewegung ein Krieger aus einer Gruppe und hob den bewusstlosen Krieger auf. Lucien hatte den fremden Krieger schon einige Male aus der Garnison seiner Schwester gesehen, aber noch nie mit ihm zu tun gehabt. Aber anscheinend kannte er Aiden sehr gut, denn er redete gute Worte auf ihn ein, die auch ziemlich vertraulich wirkten.
„Lasst uns weiter gehen“, befahl Lucien an alle, als Aiden verschwunden war. „Und wir werden uns später noch einmal unterhalten, wenn das alles vorbei ist, Schwester“, sendete er die letzten Worte seiner Schwester mental, bevor er an ihr vorbei ging, ohne sie noch einmal anzuschauen. All das hätte verhindert werden können, wenn sie keine Befehle missachtet hätte. Einfach nur einmal hören und abwarten. Einmal.
Geraume Zeit später standen sie vor einer eisigen Wand und kamen nicht weiter. Als wären sie in einer Sackgasse gelandet. Lucien konnte spüren, wie rätselhaft es für Emmanline war.
„Merkwürdig. Normalerweise geht es hier weiter. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass hier eine Wand war“, runzelte sie auf ihre gewohnte Art und Weise ihre Stirn, wenn sie grübelte und nachdachte. Er mochte es und wenn nicht so viele um ihn herum gestanden hätten, dann hätte er sie in den Arm genommen und ihre Stirnfalten weg geküsst. Vielleicht sogar noch andere Dinge mit ihr angestellt, weil er es verdammt sexy an ihr empfand. Aber er zügelte sich.
„Vielleicht gibt es einen anderen Weg dorthin“, schlug er selbst vor.
„Nein, ich irre mich nicht“, schüttelte sie beharrlich den Kopf. „Ich weiß, es gibt nur einen Weg in Culebras Bereiche. Er hat stets darauf geachtet, das es nie andere Eingänge gab. Irgendwas ist hier verkehrt“, sprach sie es direkt aus.
Lucien dachte über ihre Worte nach und betrachtete die eisige Mauer. Je mehr er die Begrenzung anschaute, da kam er auf eine Idee. „Ich kann die eisige Mauer mit meinem Feuer wegschmelzen lassen, wenn sie im Weg ist. Nur ein Feueratem und sie ist weg“, meinte er.
„Das wäre vielleicht keine so kluge Idee, mein König“, widersprach Hal. „Die Mauer wäre eventuell weg, aber es könnte durchaus passieren, das die Höhle auch einstürzt und wir alle begraben. Das Risiko wäre zu groß.“
„Nicht, wenn zeitgleich Eisdrachen die Wände mit ihren Eisatem stabil halten würden“, schlug Lucien weiterhin vor.
Hal überdachte das Ganze noch einmal und betrachtete die Wände und Mauern der eisigen Höhlen. Selbst Emmanline tat es.
„Vielleicht könnte es funktionieren.“
„Wenn es nur einen Weg gibt, wie Emmanline behauptet, bleibt uns nur diese eine Möglichkeit. Vor allem eine schnellere Lösung gibt es keine. Was sagst du dazu, Emmanline? Glaubst du, es könnte klappen?“, wandte er sich an sie. Er mochte es, wenn er Zustimmung von ihr hörte. Vor allem sein Drache, weil es eine Art Zufriedenheit in ihm hervorruft.
Verstehen glomm in ihren Augen auf. „Das könnte durchaus funktionieren. Und es scheint keine negative Ausstrahlung davon auszugehen, als könnte ein Fluch oder Zauber darauf lasten. Die Höhle ist groß genug für euch Drachen, das ihr euch frei bewegen könntet.“
„Prima. Dann sollen sich die Asgorath Brüder hier blicken lassen und du wirst einen gewissen Abstand halten. Ich will nicht, das dir etwas passiert, sollte ich mich um das Problem kümmern“, gab er den Befehl nebenbei, aber Lucien blickte Emmanline besorgt an. Er machte sich nur Sorgen um sie, weil er befürchtete, ihr könnte dabei etwas passieren.
Während Emmanline in Luciens Augen schaute, verstand sie ihn nicht recht. Sie konnte Besorgnis erkennen, was sie noch verstand, aber eines verstand sie keinesfalls. Erkannte sie so was wie eine Art Vorfreude?
„Lucien, tue mir bitte einen Gefallen. Ich werde deiner Aufforderung nachgehen, aber übertreibe es nicht“, seufzte sie.
Einerseits konnte sie verstehen, wie sehr es ihn drängte sich in seinen Drachen zu verwanden und sein inneres Feuer zu entfesseln. Nicht umsonst hatte sie ihr ganzes Leben unter seinesgleichen verbracht. Sie verstand ihn besser, als wie jeder andere hier in der Höhle auch. Lucien gehörte den Feuerdrachen an. Er war das Inferno selbst.
„Ich übertreibe es nie“, lächelte er sie an.
Sie schaute ihn etwas an, schüttelte kurz den Kopf und wandte sich dann einfach um, damit sie zu Cyrill und den Anderen gehen konnte. Sie wusste, bei ihnen war sie sicher und das wollte Lucien ja schließlich.
In dem Augenblick, als sie sich neben Cyrill und Hal gestellt hatte, kamen zwei weitere Krieger aus der Gruppe heraus, die sie noch nicht kannte. Geschweige noch nie gesehen hatte. Beide waren groß, aber nicht so hochgewachsen wie Lucien oder Cyrill. Sie hatten kurzgeschnittenes Haar. Der eine schien es etwas länger zu tragen, als der andere. Aber was sie am meisten faszinierte, war ihre Haarfarbe. Sie war hellblau, als wären sie in der Sonne gebleicht. Der eine Drache war etwas älter als der andere. Sie konnte es sehen und ihre Ähnlichkeit war nicht zu verfehlen. Anscheinend waren das die Brüder, die Lucien beauftragt hatte erscheinen zu lassen. Dann mussten das Eisdrachen sein und sie würde sich nicht wundern, wenn sie solch stark ausgeprägte Merkmale an sich hätten. Kurz unterhielten Lucien sich mit ihnen, um ihnen zu erklären, was sie zu tu hatten.
„Das sind die Asgorath Brüder, Tull und Tovar“, sprach Cyrill neben ihr, als er anscheinend ihren neugierigen Blick bemerkt hatte. Sie konnte es an sein Lächeln erkennen, das er es bemerkt hatte.
„Haben alle Eisdrachen so gebleichte Haare?“, musste sie einfach die Frage stellen.
„Nicht alle, aber es ist ein typisches Merkmal“, lachte Cyrill leicht amüsiert auf ihre Frage, was sie wiederum nicht sonderlich lustig fand.
Gerade wollte sie was sagen, da spürte sie eine große Energieaufwallung, wie Lucien und die anderen beiden Krieger sich in ihre Drachengestalten verwandelten. Es war immer wieder was erstaunliches, auch wenn sie es unzählige Male gesehen hatte. Doch bei Lucien konnte sie nie den Blick abwenden, so anziehend fand sie seine Kreatur.
Obwohl sie unter Drachen aufgewachsen war und nicht sonderlich auf ihre Gestalten reagierte, war es doch bei Lucien etwas anderes. Lag es allein nur daran, weil sie Seelengefährten waren, wie es Lucien bezeugte? Egal was es war, sie konnte ihren Blick einfach nicht von seinem Wesen abwenden. Sie konnte nicht bestreiten, wie majestätisch und machtvoll er doch war.
Ohne zu warten, fingen sie auch schon an. Lucien spie sein Feueratem, was jetzt nicht so mächtig war, sonst würde er gleich alles zum schmelzen bringen. Sie wusste, er zügelte sich. Emmanline konnte selbst bei weiterer Entfernung die Hitze seines Feuerartems spüren. Doch gleichzeitig, während Lucien sein Feuer das Eis zum schmelzen brachte, welches sie alle behinderte, verhärteten die beiden Eisdrachenbrüder die Wände, damit nichts einstürzte. Es war von Lucien eine kluge und wohl geschätzte Entscheidung, darüber nachgedacht zu haben. Vor allem, weil er ihre Vermutung nicht einfach abgetan hatte, es wäre der einzige Weg. Was es auch war, denn Culebra hatte es nie gerne gehabt, mehr als einen Eingang zu seinen Privatbesitzen zu haben. So war er nie mehr angreifbar, als nötig. Auch wenn er nie einen Fluchtweg besaß, hatte er immer Asse im Ärmel. Sie hatte es immer gewusst.
Innerhalb von Sekunden war die Eiswand, die ihnen den Weg versperrt hatte, geschmolzen und dahinter lag ihnen nun ein Gang frei. Wie sie es ihnen alle voraus gesagt hatte.
„Komm her zu mir“, bat Lucien mental zu ihr und sie folgte ihm auf unerklärliche Weise, als der Weg sicher für sie war.
Jetzt konnte sie auch seine tiefen und intensiven glühenden Augen auf sich spüren. „Bleibst du in deiner Drachengestalt?“, fragte sie, als sie näher trat.
„Stört es dich denn?“, wollte er wissen und er beugte sich mit seinem Drachenkopf zu ihr herunter.
Emmanline schüttelte mit ihrem Kopf. „Nein, natürlich nicht. Nicht mehr und das weißt du“, berührte sie seine Drachenschnauze. Am liebsten hätte sie sich noch an ihn geschmiegt, aber sie wollte es nicht vor allen Anwesenden tun. Das war ihr zu privat. Selbst ihr inneres Wesen wollte diese Zärtlichkeiten. Auch wenn Lucien ein Raubtier war und sie nicht.
„Ich weiß nicht was uns dahinter noch erwartet und ich werde uns so besser beschützen können.“
„Ich verstehe.“
„Du wirst dich in der Nähe von Cyrill aufhalten, damit er besser auf dich aufpassen kann, falls etwas ist“, meinte er jedes Wort ernst zu ihr und er erwartete auch keinen Widerspruch von ihr. Typisch Drache.
Wieder musste sie leicht mit ihrem Kopf schütteln. „Cyrill ist zwar mein Leibwächter, den ich mir selbst erwählt habe, aber glaube ja nicht, dass du mich herumkommandieren kannst, wie du es willst.“
„Ich kommandiere dich nicht herum, sonder sorge mich nur um dich“, knurrte er in ihren Gedanken und das machte das nicht besser.
Aber sie konnte nicht anders, als diese fürsorgliche Seite an ihm zu mögen. Ob sie es wollte oder nicht. Ihr Einhorn, was sich so selten in ihr regte, war derselben Ansicht. Es mochte und wollte beschützt werden. Zu lange und zu oft hatte sie gelitten. Wie gerne würde sie jetzt sorglos und friedlich leben, wie es ihrer Natur entsprach. Und Lucien wusste das ganz genau, was sie manchmal ärgerte.
„Sei einfach nur vorsichtig, Lucien. Ich weiß nicht, was dahinter alles noch lauert. Ich möchte nicht, das dir das gleiche wie Aiden widerfährt oder irgendwas anderes. Culebras Fallen und Heimtücken sind zu gefährlich, als sie sehen zu können. Pass also auf dich auf“, musste sie es einfach sagen, weil sie sich genauso solche Sorgen um ihn machte, wie er sich Sorgen um sie machte. Sie konnte nicht anders.
Da schmiegte sich sein Drachenkopf einfach an ihren Körper, wobei sie es vorher, vor allen anderen vermieden hatte. Zu Anfang war sie etwas überrascht, aber genoss es sichtlich, das sie seine Zuneigung bekam.
„Keine Sorge, Vahdin. Ich werde auf mich aufpassen“, gab er ein innerliches Brummen von sich, was sie zur Bestätigung hinnahm. Aber sie hatte schon seit langen nicht mehr das Kosewort für sie vernommen, wie er sie eins genannt hatte. Sie mochte es, wenn er sie in seiner eigenen Sprache, Liebste, nannte.
Es gab ihr eine tiefe Verbundenheit, die sie auf einer Ebene berührte, wie es keiner vermochte.
Damit sie weiter konnte, musste sie sich von ihm widerwillig lösen. Emmanline ging wieder zu Cyrill und Hal zurück, damit sie, wie immer, notfalls beschützen konnten. Auch wenn es eher Cyrill war, der mehr Krieger war, als Hal. Das spielte keine Rolle, aber sie wusste, Hal würde ihr genauso helfen, das wusste sie. Sowie jeder andere Krieger, der hinter ihr war. Aus unempfindlichen Grund fühlte sie sicher.
„Du tust ihm wirklich gut“, machte Hal die kleine Bemerkung mit einem kleinen Lächeln auf dem Lippen, als sie weitergingen.
Etwas verwundert schaute Emmanline zu ihm auf und merkte wie er seine typische Bewegung mit seiner Brille machte und sie zurechtrückte. Dies machte er recht oft. „Was meint du?“, wollte sie wissen.
„Ich meine unserem König“, lächelte Hal unbedacht weiter. „Und auch seinen Drachen. Er fühlt sich in deiner Nähe wohl. Man sieht es ihm an, wie gerne er in deiner Nähe ist und auch danach sucht.“
„Das liegt doch sicherlich auch daran, weil ich seine vorherbestimmte Seelengefährtin bin. Da fühlen sich die Wesen doch automatisch zueinander hingezogen und auch wohl, oder etwa nicht?“, blinzelte sie ein paar Mal, bei seiner Feststellung.
„Ja sicher, aber nicht immer unbedingt“, antwortete Cyrill auf ihre Frage, der zu ihrer anderen Seite lief. „Es gibt auch geprägte Gefährten, die nicht zueinander finden. Sie folgen nicht immer ihrer Natur.“
„Wie meinst du das?“, wollte sie das genauer wissen.
„Sie weigern sich entweder ihren wahren Seelengefährten anzunehmen, weil sie ihn nicht akzeptieren, oder sie tun es aus rein emotionalen Gründen heraus nicht.“
„Aber ich dachte immer, wenn man den wahren Seelengefährten gefunden hat, kann man sich nicht mehr dagegen wehren. Gegen diese Macht wäre jeder machtlos“, stellte sie fest.
„Eigentlich ist es auch so. So bestimmte es die Natur und der Drang in der Mythenwelt auch. Es ist ein heiliges Ritual und was es eigentlich so einzigartig macht. Jeder sollte Glück dabei verspüren, aber tut es dennoch nicht. Manche sehen es als Last oder Fluch an und wollen dem aus dem Weg gehen“, sprach Hal mit seiner Weisheit. „Doch egal wie lange Paare sich manchmal gegen eine Prägung wehren, sie finden nicht zueinander, weil die Natur es nicht zulässt, ohne das Gegenstück auszukommen. Dies ist ein Gesetz, was in der Mythenwelt fest verankert ist und wogegen niemand ankommt.“
„Kann man so eine Bindung nicht lösen?“, fragte sie, auch wenn sie die Antwort vielleicht auch schon wusste.
„Nur der Tod selbst kann es“, beantwortete Cyrill ihr wieder die Frage.
„Das würde ja bedeuten, das man ja immer den eigenen Tod voraus sehen würde“, war sie leicht entsetzt darüber, wenn eine Prägung daraus hinaus läuft. „Immerhin folgen Seelengefährten dem anderen in den Tod, sollte der andere sterben.“
Hal schüttelte bedacht seinen Kopf. „Nein, solange geprägte Gefährten nicht miteinander verbunden sind, dann nicht. Nur die Anziehung ist stärker und oft hat man nicht die Wahl, was die natürlichen Instinkte uns sagen. In dieser Sache würde es keinen anderen oder andere mehr geben. Wir wären ewig an diesen einzigen Partner gebunden. Egal ob mit oder ohne Bindung“, erklärte er weiter und sie hörte ihm aufmerksam zu, während sie weiter gingen.
Was schrecklich wäre. Dabei hatte sie gehört, das es nur einen vorherbestimmten Seelengefährten für jeden existierte.
Doch da kam ihr noch ein anderer Gedanke und ein weiteres Mal deutete Luciens bester Freund ihren Gesichtsausdruck. „Würde das bedeuten? Ihr meint doch nicht etwa?“, wurde ihr Gesicht noch bleicher, als sie ohnehin schon war und sie sah schockiert aus.
Mit einem Nicken bekräftigte Cyrill es. „Es kommt durchaus vor, das sie ihren wahren Seelengefährten töten, weil sie keinen Gefährten wollen. Sie gehen dem ganzen aus dem Weg.“
Bei seinen Worten wurde es ihr übel und sie konnte es nicht verstehen, wie manche es vermochten ihren eigenen Seelengefährten umbringen zu können, der für sie existierte. Wenn sie daran dachte, Lucien würde sie aus solch einen banalen Grund töten oder sie ihn, lief es ihr eiskalt den Rücken runter. Auch wenn sie nicht sterben konnte. Alleine der Gedanke reichte ihr dabei aus.
Seit sie so stark fühlte, war es ihr zuwider daran zu denken Lucien auch nur etwas anzutun. Oder denjenigen, denen ihm etwas bedeuteten. Sie wusste, es würde ihm genauso solche Schmerzen bereiten und das wollte sie nicht. Auch wenn sie zuvor nie gedacht hätte, zu solchen Gefühlen imstande zu sein, könnte sie trotz allem Lucien kein Schaden zu fügen.
„Wir wissen, das du Lucien nie etwas antun würdest und aus diesem Grund vertrauen wir dir auch“, war es Cyrill der sprach, aber ohne das er sie anschaute.
Sie vertrauen ihr?
„Ihr vertraut mir in der Hinsicht?“, fragte sie etwas irritiert. „Warum? Dabei bin ich doch eine Fremde in eurem Volk. Oder liegt es daran, was ich offenbart habe?“, versuchte sie die Fragen so zu legen, damit keiner ihr Geheimnis heraushörte. Sie wusste, wie gut ein Drachengehör sein konnte, wenn jemand etwas mitbekam. Niemand durfte ihr Geheimnis ihrer wahren Existenz erfahren.
„Es stimmt schon, wahre Seelengefährten können einander etwas antun“, meinte Hal mit einem ernsten und wissenden Blick, den sie noch nie gesehen hatte. „Aber keiner zweifelt an eurer Bindung zueinander. Beobachtet man euch beide und wie beide ihr auch agiert, weiß jeder das ihr füreinander bestimmt seid. Keiner würde es euch streitig machen und sich Lucien in den Weg stellen. Vor allem wie er dich anschaut. Sein Drache würde am liebsten sofort einen Anspruch auf dich erheben und es jedem mitteilen, damit es jeder weiß, das du ihm gehörst. Du musst es ja am besten wissen, das Drachen Wesen sind, die nicht gerne teilen. Vor allem, wenn es um ihre Gefährten oder Gefährtinnen geht. Da sind wir gnadenlos“, funkelten selbst die Augen des Gelehrten bedrohlich und sie wusste, das er am liebsten den Blick auf seine Gefährtin gerichtet hätte. Damit er selbst weiß, ihr ging es gut.
Ja, sie wusste zu genau wie die Drachen waren und wie ihre schlechte Angewohnheit mit dem teilen war. Aber das es eine so ernste Sache mit der wahren Seelengefährten unter ihnen war, das hatte sie nicht gewusst. Das es eine tiefe Verbundenheit hatte schon, aber das sie so stark auf den Partner reagierten, das vielleicht nicht ganz.
„Wir sind nicht immer leicht. Vor allem nicht die Männer, aber wenn es um unsere Frauen und Nachwuchs geht, beschützen wir es mit allem Mitteln und kämpfen dafür. Das liegt in unserer Natur und unser Drache in uns will schützen. Wir sind nicht geboren um alleine zu sein und darum leben wir zusammen. Wir haben schon lange fest gestellt, das es nicht wegen der Stärke willen, wir zusammen bleiben müssen, um zu überleben, sondern, weil wir die Nähe des anderen brauchen.“
Das was Hal ihr jetzt erzähle und ihr durch den Kopf ging, machte ihr mit einem Mal mehr Sinn, als alles andere. Und je mehr sie darüber nachdachte und was sie in der ganzen Zeit auf dem Schloss erlebt und gesehen hatte, konnte sie auch nicht abstreiten. Alle gingen liebevoll miteinander um, als wären sie Familienmitglieder. Selbst im Dorf, wo sie gewesen war. Alle achteten aufeinander und dies hatte sie unter Culebra nicht erfahren. Es war alles anders, als was sie von Drachen eigentlich kannte. War das ihre eigentliche und natürliche Seite, wie Hal es jetzt bezeugte?
Schließlich musste es ja so sein. Alle hatten so glücklich ausgesehen. Auch die Kinder und die sollten es sein, mit denen sie gespielt hatte. Was sie zuvor nie gekannt hatte.
„Befürchtet ihr denn nie, dass ich euren König je etwas antun könnte? Oder geschweige etwas plane?“, musste sie das stellen.
„Könntest DU denn je jemanden etwas antun? Geschweige deine Natur könnte es?“, wollte Cyrill es wissen.
Emmanline musste nicht lange darüber nachdenken, um seine Frage zu beantworten und ihr wurde das Herz dabei schwer, wenn sie auch nur daran dachte, jemanden weh zu tun. „Nein, ich könnte es nicht“, war ihre Antwort klar und deutlich. Ab da verstand sie Lucien, und weswegen er ihr in so vielen Dingen vertraute. Und warum er ihr auch unbedingt alles erzählen wollte. Wie er ihr auch schon oft erzählte, keine Geheimnisse mehr vor seiner Seelengefährtin zu haben. Selbst wenn er weiß, wo sie ihr ganzes Leben verbracht hatte.
„Ich störe euch nur ungern bei eurer Unterhaltung, aber das solltest du dir unbedingt einmal anschauen, Emmanline“, drang Luciens Stimme in ihren Kopf ein und irgendwas stimmte da nicht, denn er hörte sich fordernd und ernst an. Erst ab da bemerkte sie, das seine massige Drachengestalt schon weit voraus gegangen war.
War ich so sehr in das Gespräch vertieft gewesen, das ich nicht mehr mitbekommen habe, wie weit Luciens Drache sich von mir entfernt hatte?
Mit schnellen Schritten, sie kannte die Höhle nur zu genau, folgte sie den Gang und kam zu einer Höhlenkammer, in der sie schon einige Male gewesen war. Hier fingen Culebras Quartiere an, die sonst niemand ohne seine Erlaubnis betreten durfte. Wer es dennoch tat, wurde schwerstes bestraft. Oder gar, wenn seine Laune so übel war, mit dem Leben bezahlt. Er war ein grausamer und brutaler Drache und Mann, der vor nichts halt machte. Es erschauderte sie immer noch vor seinen Taten, auch wenn sie nicht mehr unter seiner Herrschaft lebte.
Emmanline betrat den Raum und musste feststellen, das nichts mehr so war, wie sie es in Erinnerung hatte. Alles sah verwüstet aus, als hätte jemand wie ein wildes Tier gewütet. An den Eiswänden waren tiefen Kratzspuren und die wenigen Habseligkeiten, die sich hier befanden, waren alle zerstört. Davon war nichts mehr zu retten oder zu gebrauchen. Sie konnte sich sehr gut vorstellen, welche Handschrift das gewesen war und wer hier so wild gewütet hatte.
Culebra war genau diese wilde Bestie, die in ihm steckte und es änderte nichts daran, wie offen es für aller Augen gelegt wurde. Auch nicht daran, welche entsetzten Laute sie hinter sich hörte, als sie den Höhlenraum betraten und das Chaos entdeckten.
„Das ist das Werk von einem unberechenbaren Drachen und Mann, der keine Ehre und Stolz in sich trägt. Wenn er nicht aufgehalten wird, wird er überall solch ein Chaos und Zerstörung verbreiten“, kam die Worte kalt über ihre Lippen und ging einfach weiter.
Sie wusste, es war die reinste Wahrheit und jeder der ihre Worte gehört hatte, würde sie nicht bestreiten können. Schon lange hatte der Wahnsinn Culebra gepackt und kaum einer hatte etwas dagegen unternommen. Sie hatte nie das Gefühl gehabt, es war so gewesen.
In den anderen Räumen, wo er sich aufgehalten hatte, sah es genauso aus, totale Verwüstung und blankes Chaos. Selbst Eisbrocken, waren manchmal aus den Wänden herausgebrochen, solch eine Zerstörung war hier am Werk gewesen. Wie es ein mächtiger Drache konnte, mit all seiner Kraft und Gewalt, die sie verliehen bekommen hatte.
„Emmanline...“, grollte Lucien mit seiner Drachenstimme zu ihr und sie musste sich umschauen. Als sie ihn nicht sah, ging sie in einen weiteren Höhlenraum Sie vertraute ihm, das keine Gefahr drohte, zumal er schon überall gewesen war. Er würde sie nicht einfach so in Gefahr bringen. Das wusste sie mittlerweile.
„Lucien, was ist denn lo...“, unterbrach sie sich selbst, als sie es mit eigenen Augen sah.
Für einen Augenblick setzte ihr Herz einen Schlag aus und ihre Augen weiteten sich für einen Moment. Fassungslos starrte sie auf das Bild vor sich. Vor ihr lag ein brauner Drache in Eis eingefroren. Sie wusste nicht, ob er schlief oder tot war. Dennoch sah beides friedlich aus.
„Ist der Drache …?“, zögerte sie erst zu fragen.
„Nein, sie schläft nur. Ich kann einen leisen Herzschlag hören“, meinte er zu ihr und sie konnte nur erleichtert aufatmen.
„Sie? Ist das etwa eine deiner Großtanten?“, schaute sie verwundert zu Luciens große Drachengestalt auf, als sie neben ihm stand. Wie natürlich das für mich geworden ist, so neben seinem Drachen zu stehen.
„Ja, ich kann es spüren. Diese Verbundenheit mit ihr, ist, als würde ich in der Nähe von meiner Großmutter sein. Es besteht kein Zweifel, sie muss eine meiner Großtanten sein.“
„Warum ist sie im Eis eingeschlossen?“, runzelte sie mit ihrer Stirn, während sie weiter auf die eingeschlossene Drachin schaute.
„Wenn ich das wüsste“, klang er genauso ahnungslos wie sie. „Glaubst du, wir können sie einfach so daraus befreien, ohne das etwas passiert? Wenn ich daran denke, das dies Culebras Werk ist, macht mich das rasend vor Wut“, konnte sie all seinen Zorn spüren.
Es machte ihr keine Angst, denn sie konnte es nachvollziehen, das er so zornig war, weil jemand einer seiner Familienangehörigen angegriffen hatte.
„Oh, ihr heiligen Götter, steht mir bei“, klang hinter ihr entsetze Laute und sie wandte sich kurz um und sah in Charias schockiertes Gesicht. „Ist das etwa?“, nur Luciens Knurren reichten als Bestätigung, als ihr Gesichtsausdruck wieder ernst und gefasst wurde, nickte sie.
Mit einem kurzem Blick wandte sie sich wieder an Lucien. „Ich werde schauen, ob irgendwo verborgene Fallen stecken, bevor wir eure Großtante befreien“, meinte sie zu ihm und wollte zu der eingefrorenen Drachin gehen, aber plötzlich schlang sich ein Drachenschwanz um ihre Hüfte und zog sie zurück. Emmanline gab ein erschreckten und überraschten Laut von sich. „Was soll das, Lucien?“, klang sie etwas empört, aber sie spürte, wie schnell ihr Herz in der Brust schlug.
Sie konnte ein leises Lachen in ihrem Kopf hören und es sollte sie ärgern, das er sich darüber amüsierte, wie sehr er sie mit seiner Reaktion überrascht hatte.
„Ich wollte dir nur sagen, das du aufpassen sollst. Ich traue dem Ganzen nicht“, verengten sich seine Drachenaugen, als sie zu ihm aufgeschaut hatte.
„Keine Sorge, ich passe schon auf. Ich weiß das du unmittelbar in meiner Nähe bist, sollte etwas sein. Ich schaue nur nach, mehr nicht“, vergewisserte sie ihm.
Seit Emmanline das Gespräch mit Hal und Cyrill hatte, sah sie Lucien mit ganz anderen Augen und sie begriff langsam, warum er sich andauernd solche Gedanken um sie machte. Sie sah es jetzt selbst in seinen Augen. Diese Sorge und Angst, ihr könnte etwas passieren, oder gar verlieren. Sicher hatte er das schon öfters in Worte gefasst, aber ihr kam die Bedeutung all dessen jetzt erst richtig rüber.
Sollte es irgendwann soweit sein, würde auch Lucien ihr Untergang sein. Auch wenn sie nicht sterben kann. Sie würde lediglich zugrunde gehen. Es würde die grausamste Folter ihres Lebens sein, sollte er eines Tages sterben. Ob sie es nun akzeptierte oder nicht. Dieser Mann und Drache war ihr vom Schicksal vorher bestimmt. Es war unveränderbar, wie es Hal und Cyrill angedeutet hatten. Und sie war nun einmal kein Wesen, die jemanden töten konnte, um immer frei zu sein. Zumal konnte sie es nicht, weil sie langsam für diesen unausstehlichen Mann und Drachen Gefühle entwickelte.
Er sorgte sich um sie. Beschützte sie. Tat alles für sie, damit es ihr gut ging. Sie fühlte sich sicher und geborgen, sowie ihr Wesen. Wie sollte sie sich also da nicht ergeben? Geschweige wieder etwas fühlen, woran sie nicht gedacht hätte, es zu besitzen?
Diese beiden zusammen waren eisern und hartnäckig zugleich, weil sie nicht aufgegeben hatten und es rührte sie zutiefst. Sie war dadurch schwach geworden und es hatte ihre Mauern eingerissen, die nie wieder aufgebaut werden konnten.
Erst als Lucien davon überzeugt war, sie meine es ernst und würde acht geben, setzte er sie wieder ab. Einerseits fand sie diese Seite seines Wesens anziehend und aufregend, was überhaupt nicht zu ihm passte und total widersprüchlich war. Genau das mochte sie an ihm, dieses unpassende.
Am Ende stellte sich heraus, dass auf die schlafende Drachin im Eis keine verborgene Fallen lagen und Lucien sie mit seinem Feuer ungehindert aus dem Eis befreien konnte. Als sie frei war, klang es fast wie eine Erleichterung und sie konnte es nachempfinden, durch den Druck und der Kälte, die sie umgeben hatte. Doch Luciens Großtante wachte nicht auf. Emmanline konnte es nicht sagen, ob es daran lag, das sie solange im Eis eingeschlossen war oder weil sie so entkräftet war. Oder ob sie überhaupt je aufwachen würde. Sie konnte überhaupt nichts sagen.
Unerwartet, kurz bevor Luciens Großtante aus dem Eis befreit wurde, verwandelte sie sich in ihre menschliche Gestalt zurück. Reglos lag die nackte Frau auf dem eisigen Boden und Emmanline war die Erste, die zu ihr hinging, bevor Lucien ihr folgte.
„Wie geht es ihr?“, meinte er zu ihr.
„Sie ist unterkühlt und muss unbedingt gewärmt werden“, antwortete sie ihm und strich ihr eine feuerrote Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ansonsten scheint sie unversehrt zu sein.“
Lucien machte eine Handbewegung und jemand brachte eine warme Decke, worin Lucien sie einwickelte. Er tat es so behutsam und sanft, was sie rührte. Und wieder einmal bewies es, wie fürsorglich sie untereinander umgingen und sich umeinander sorgten. Danach nahm Lucien sie auf seine starken Arme und trug die bewusstlose Frau aus der eisigen Höhle. Sie musste hier raus, da sie wusste, das sich niemand mehr in der Höhle aufhielt. Nicht einmal seine zweite Großtante, was recht eigenartig war.
Im Lager erkundigte Emmanline sich auch wegen Aiden, aber auch er selbst war noch nicht aufgewacht und sie wurde noch nach ihm schauen, sobald sie Luciens Großtante ordnungsgemäß versorgt hatte.
In eines der Zelte, auf eine Lagerstätte gebettet, wurde Luciens Großtante in warme Decken gehüllt. Sie deckte sie selbst gerade noch oben am Halsansatz zu, als Lucien sich jetzt mit seiner Schwester Charia, Darius, Hal und Rennie unterhielt.
„Wir müssen Havanna unbedingt ins Schloss zurückbringen. Sowie Aiden auch. Beide sind immer noch bewusstlos und angeschlagen“, sprach Darius in die Runde.
„Er hat Recht. Wer weiß, wie lange Havanna schon in diesem Eis eingesperrt war und wann sie aufwachen wird. Es kann ein Tag dauern. Tage, Wochen, sogar Monate. Wenn überhaupt“, schüttelte Hal betrübt seinen Kopf.
Darauf gab sie Hal Recht, denn niemand konnte sagen, wann die Frau wieder erwachte und was ihr widerfahren war. Nur sie selbst alleine konnte all diese Antworten geben.
„Auch um Aiden müssen wir uns jetzt Gedanken machen. Diesen Fluch, wenn er aufwacht und seinen Drachen nicht mehr spürt, wird er toben und wahnsinnig werden“, wandte Charia ein, die ihn anscheinend besser kannte, als jeden hier. „Er wird alles wissen wollen und ich weiß nicht, ob er begeistert davon sein wird, das wir das getan haben, ohne ihn auch nur gefragt zu haben.“
Lucien knurrte. „Was sollten wir tun? Ihn vorher leiden lassen, bevor es zu spät ist? Du hattest doch Emmanline gehört gehabt, was dieser Fluch beinhaltet. Außerdem hättet ihr ohne meine Zustimmung nie vorher da reingehen dürfen. Warum hast du meine Befehle missachtet?“, funkelte er seine Schwester finster und grimmig an, weil er eine Erklärung von ihr hören wollte.
Emmanline konnte bis hier sehen, wie sie leicht geknickt aussah, was mit Aiden passiert war, aber die harte Unterweisung von ihren eigenen Bruder ließ sie bitter auf schlucken.
„Du lässt dich manchmal solange aufhalten und ich hatte nicht daran geglaubt, dass wirklich solche derartigen Fallen existieren“, gestand Charia widerwillig, bis sie es anscheinend mit eigenen Augen gesehen hatte.
„Nicht geglaubt?“, brüllt Lucien sie beinahe an. „Muss jetzt von deiner Ungläubigkeit Aiden leiden? Oder lag es einfach nur daran, dass es für dich noch etwas zu schwer ist, von mir Befehle anzunehmen?“
Es waren harte Worte von Lucien, die selbst sie die Luft einziehen ließ. Auch wenn sie zugeben musste, es war ein Fehler und Missachtung von Charia als Befehlshaberin gewesen, dass sie einfach in die Eishöhle gegangen war, ohne auf Luciens Einverständnis zu warten. Und hätte Charia wirklich darauf vertraut, was sie die ganze Zeit gesagt hatte, wäre das mit Aiden vielleicht nicht passiert.
„Ich weiß deine Fertigkeiten zu schätzen und du bist gut, in dem was du tust. Doch egal was es ist Charia, aber es ist deine Schuld, das Aiden jetzt in dieser Lage steckt, weil du diejenige warst, die heute Ungeduld gezeigt hatte. Die Mythenwelt ist ein einziges Rätsel und sie steckt voller Geheimnisse und gefährlicher Gefahren. Das weißt du. Es war verantwortungslos von dir gewesen. Du hättest darauf vertrauen müssen“, wies Lucien sie weiterhin zurecht, was alle anderen verstummen ließ. Keiner sagte ein Wort.
„Ich weiß, das ich heute einen Fehler gemacht habe und ich stehe dazu“, knirschte Charia wütend mit den Zähnen. „Es wird auch meine Aufgabe sein, ihm alles zu erklären, wenn ...“
„Nein, das brauchst du nicht zu tun“, unterbrach Lucien seine Schwester hart. „Das ist meine Aufgabe als König, weil ich derjenige es war, der seinen Drachen verbannt hatte. Ich muss ihm erklären, aus welchem Grund ich das getan habe und warum das normalerweise geschieht, wobei Aiden sich nichts zu schulden hat kommen lassen. Ich muss ihm erklären, warum das die richtige Entscheidung gewesen war. Er wird es nicht verstehen und wird toben vor Wut. Das würde ich auch tun, wenn ich auch aufwachen würde und mein inneres Wesen wäre nicht mehr da. Hast du schon jemals an die Konsequenzen gedacht, die dadurch entstehen könnten?“
„Ich habe es schon verstanden, Lucien. Es wird nicht wieder vorkommen und ich kann auch nicht das gut machen, was Aiden jetzt verloren hat, aber ich kann ihm dabei helfen, es wieder zu finden. Damit wir ihn retten können“ wirkte Charia ziemlich entschlossen.
Emmanline wusste, es war keine leichte Aufgabe seiner Schwester gegenüber so hart zu sein, aber sie konnte auch verstehen, dass er gewisse Verantwortung allen gegenüber trug. Je mehr sie es beobachtete, je mehr verstand sie es. Und seine Bürde, die er als Drachenkönig tragen musste. Nur verstanden ihn am Anfang nicht immer alle, wie sehr er sich bemühte und was er eigentlich alles tat.
„Gut. Lasse mich später nicht Dinge tun, die ich irgendwann bereuen müsste. Du weißt so gut wie ich, mir liegt es genauso am Herzen, was mit dir geschieht, oder mit jedem anderen aus unserem Volk. Ich versuche ein genauso guter König zu sein, wie unser Vater, damit alles gerecht bleibt und alle friedlich leben können. Ich folge auch einige Ratschläge und habe gesehen, wie Vater regierte. Er war kein schlechter König gewesen. Nur, das Einzige was ich nicht versuche, ist, nicht in Vaters Fußstapfen zu treten, weil ich meinen eigenen Weg finden will“, schüttelte Lucien seinen Kopf bedenkenlos. „Das musst du nun einmal akzeptieren, ob du es willst oder nicht.“
„Das akzeptiere ich ja“, meinte Charia es auch ehrlich. „Ich habe schon längst bemerkt, das du es anders als Vater versuchst. Ich akzeptiere auch, du musst deinen eigenen Weg gehen. Vermutlich hätte ich es genauso getan, wenn ich an deiner Stelle gestanden hätte.“
Ab da wusste Emmanline auch, Luciens Schwester stand nicht gerne in irgendjemandes Schatten. Aber Lucien hatte dies nie von Charia verlangt und auch nie ihre Autorität als Befehlshaberin untergraben. Sie schien es zu wissen und doch hatte sie heute eine Grenze überschritten. Vermutlich würde sie die nicht wieder überschreiten, aber diese Lehre hatte sie erst machen müssen. In Luciens Regiment und in seinen Augen. Nicht weil sie wissen wollte, wie er darauf reagierte. Immerhin wollte Charia genauso wenig, das jemand zu Schaden kam.
„Woher wusstest du eigentlich, wie du reagieren musstest? Vor allem, was du tun musstest?“, wollte Rennie es wissen
Lucien schien sie einen Augenblick anzuschauen, bevor er antwortete: „Ich wusste es nicht, sondern Emmanline hatte mich darauf gebracht. Es spielt außerdem keine Rolle, denn das ist keine Lösung für Aiden, weil dieser Fluch noch immer existiert. Er wird weiterhin darunter leiden und es wird ihn verändern. Was bedeuten wird, das wir ihn im Auge behalten müssen, wenn wir ihn nicht verlieren wollen“, schaute Lucien seine Schwester an.
Für einen Augenblick schloss Emmanline die Augen und wieder einmal erkannte sie, wie großherzig Lucien doch war. Er machte sich wirkliche Gedanken, wenn es um sein Volk ging und auch um jeden einzelnen, den er kannte und wertschätzte. Nie hätte sie es für möglich gehalten, das Drachen zu so etwas fähig wären und so ein großes Herz in ihrer Brust schlug. Vor allem so tiefe familiärische Bande besaßen. Kein Wunder, dass sie diesem Drachen und Mann so verfallen war.
„Ich will, das ihr alle Vorbereitungen für morgen trefft, damit wir wieder früh aufbrechen können. Es wird wieder eine längere Reise werden. Selbst mit unserer Großtante wird es kompliziert werden“, meinte Lucien.
„Ich werde mich darum kümmern“, sprach Darius zu ihm und nickte auch kurz.
„ Und ich werde ihm dabei helfen“, beschloss Cyrill entschlossen, was Darius entgegen nahm.
„Gut, dann sind wir fertig und ich entlasse euch hiermit“, war es schon ein knapper Befehl eines Königs.
Als soweit alle verschwunden waren, waren nur noch Lucien, sie und seine Großtante in diesem Zelt, die bewusstlos dalag. Er sah erschöpft aus, sowie er sich mit seiner Hand über sein Gesicht fuhr.
„War ich zu streng und hart mit meiner Schwester ins Gericht gegangen?“, wollte er anscheinend von ihr wissen und er klang müde.
Emmanline stand von ihrem Platz auf und ging zu ihm rüber, damit sie ihn anschauen konnte. „Charia ist sich selbst ihrer Fehler bewusst und was sie getan hatte, bereut sie selbst. Ich glaube, sie versuchst selbst jetzt Wiedergutmachung zu leisten, indem sie jetzt Hilfe leistet. Sie hat ein gutes Herz und hatte es nicht böse gemeint, indem sie sich deinem Befehl widersetzt hatte, aber du hast nicht das Verkehrte getan, Lucien. Sie musste nur darauf hingewiesen werden, das es manchmal nicht der gerade Weg ist ans Ziel zu kommen. Und das es mehr zu sehen gibt, als die Dinge, die es augenscheinlich gibt“, lächelte sie leicht bedrückt, auch wenn sie es sich anders gewünscht hätte, es wäre anders gekommen. Ohne Verletzte.
Sanft berührte er ihre Wange mit seinen Fingerknöcheln. Es war eine Liebkosung und tröstend „Ja, wahrscheinlich. Auch wenn es andere dadurch verletzt, muss es dennoch geschehen. Sie wird es verstehen, weil sie eine harte Kriegerin ist“, lächelte er sie leicht an.
„Ja, das ist sie in der Tat“, schmiegte sie sich an ihn und genoss die Wärme seines Körpers. Vor allem den erdigen Geruch seines Körpers, den sie so lieben gelernt hatte.
Am nächsten Morgen brachen sie alle sehr früh auf und nichts wurde zurück gelassen, was auf sie hätte zurückführen können. Darauf achtete Lucien speziell und es war ihm wichtig, weil er nicht wollte, dass irgendwas von ihnen in die Hände von Culebra oder seinen Handlangern gelangte.
Emmanline war stets in seiner Nähe und er wirkte zufrieden. Zumal beruhigte es ihn auch. Was gestern geschehen war, hatte ihn verstimmt und durcheinander gebracht. Zu Anfang wusste er nicht, wie er damit umgehen sollte, mit der ganzen Situation, aber er war wütend auf seine Schwester gewesen. Trotz allem hatte er sich zur Vernunft gerufen, um ruhig zu bleiben. Schließlich konnte er es sich nicht leisten die Kontrolle zu verlieren. Es reichte schon, wenn andere es taten, was ihn manchmal zur Verzweiflung brachte.
„Du grübelst schon wieder zu viel nach“, sprach Emmanline in Gedanken zu ihm. „Du musst damit aufhören.“
Verblüfft schaute er sich nach ihr um. „Woher weißt du, das ich zu viel nachdenke?“, wollte er wissen und er konnte ihr leises Lachen in seinem Kopf hören. Es war schon so normal und vertraut geworden. Er liebte es.
„Erstes, sehe ich deine tiefen Falten in deiner Stirn, was auf nichts anderes hindeutet. Zweitens, ziehst du eine finstere düstere Miene, was die Anderen selbst anspannt. Und drittens, deine ganze Körperhaltung verrät dich. Mittlerweile kenne ich dich gut genug, um die Anzeichen zu erkennen, wenn du grübelst oder nicht. Du denkst schon wieder zu viel nach“, meinte sie entschlossen.
Luciens Gesichtszüge würden weicher und er konnte nicht anders, als sie kurz anzuschauen, wie sie auf der braunen sanften Stute neben ihm her ritt. Sie war eine erstaunliche Frau, mit dem schneeweißem Haar und ihrem außergewöhnlichem Wesen in sich. Kurz blickte sie mit ihrem strahlend silbernen Augen zu ihm rüber und konnte sich ein weiteres Lächeln nicht verkneifen und seine ganze Anspannung, die in seinem Körper gesteckt hatte, war aus ihm verschwunden, wie sie es angedeutet hatte. Er konnte es kaum abwarten, wieder mit ihr alleine zu sein. Vor allem wenn er daran dachte, sie beobachtete ihn genau.
Es dauerte noch drei weitere Tage, bis sie alle auf dem Schloss zurückkehrten und Malatya war die Erste, die sie begrüßte. Vor allem ihn und Emmanline, was ihn wirklich freute. Es schien etwas Gutes für Emmanlines Seele zu sein, wenn er die Beiden zusammen sah.
Seine Großtante Havanna ließ er auf eines der freien Gästezimmer bringen, damit sie ungestört war. Egal wie lange es dauern würde, sie würden warten müssen, bis sie aus ihrem Schlaf erwachte. Oder sie müssten sich irgendwann was anderes einfallen lassen, woran es vielleicht liegen könnte. Sollte Havanna irgendwann erwachen, würden sie es wissen. Mit Gewissheit, denn dann würde sie sich bemerkbar machen. Doch bis dahin … mussten sie ungeduldig warten.
„Du elender Bastard, wenn ich deine verkümmerte Gestalt in meine Klauen bekomme, werde ich dich zerquetschen, wie eine kleine Maus. Ich werde es genießen, wenn deine Knochen brechen“, fauchte Seena bedrohlich und ihre goldenen Augen glühten regelrecht vor Mordlust, als sie Culebra anschaute.
Sie konnte seine hässliche Lache hören und wie sehr er sich über ihre Worte amüsierte. „Zuerst musst du dich erst einmal von all diesen Ketten befreien, wenn du diese Drohung wahr machen willst, meine Liebe“, lachte er weiter und seine Augen glühten regelrecht vor Belustigung und der Wahnsinn stand in ihnen geschrieben. „Ich habe aber schon schlimmeres als das, was du mir heute drohst, gehört. Aber ich bin nicht hier, um mich mit dir darüber zu streiten oder Drohungen anzuhören, sondern es geht um deine liebe Schwester.“
Schon wieder. Jedes Mal, wenn er sie besuchte, wollte er immer und immer wieder mit ihr über ihre Schwester Havanna reden. Auch wenn Seena in ihrer Drachengestalt war und sie von magischen Ketten gefangen gehalten wurde, war es immer das gleiche, niemals würde sie auch nur ein Sterbenswörtchen von ihrer geliebten Schwester über ihre Lippen bringen.
„Wie oft soll ich es dir Dreckssack noch sagen, nie im Leben werde ich es auch nur sagen, wo sich meine Schwester befindet“, knurrte Seena und die Ketten rasselten bei jeder einzelnen ihrer Bewegungen, die sie machen konnte.
Culebras Augen verengten sich bedrohlich, weil sich Seena ein weiteres Mal weigerte seine Fragen zu beantworten. Sie wusste, was das bedeutete. Selbst wenn sie unzählige Folter hatte über sich ergehen lassen müssen, aber das würde ihn nicht weiter bringen. Sie war eine eiserne Drachin und so leicht würde sie nicht zu brechen sein. Sie würde niemals ihre eigene Schwester verraten. Komme was da wolle. Sei es, dass sie sterben müsste und das hatte dieser kranke Bastard von Drache schon längst heraus gefunden, das es so war.
„Ich muss zugeben, du hast mich damals in der Eishöhle ganz schön überlistet. Über euch Schwestern ranken viele Geschichten und als Drachenhexen seid ihr mächtiger denn je, aber nicht alleine. Also nützt du mir alleine nichts, sondern dazu brauche ich deine verfluchte Schwester noch dazu. Vor allem für meine Pläne.“
„Als wenn wir dir helfen würden“, schnaubte sie abfällig.
Sein Grinsen auf seinem Gesicht wurde breiter und es grenzte schon an Boshaftigkeit. Am liebsten wäre sie ihm jetzt schon an die Kehle gegangen und hätte sie zerfetzt. Ja, es stimmte, sie war keine sanftmütige Drachin und konnte durchaus ruppig und schlagfertig werden. Aber dennoch war sie auch nicht mordlustig, was sich bei diesem kranken Mistkerl eindeutig geändert hatte. Bei ihm verspürte sie eine derartige Mordlust und Raserei, das sie am liebsten seine Kehle raus reißen wollte, damit sein Lachen an seinem ekelhaften Blut regelrecht erstickte. Und mit ihren Krallen wollte sie sein Gesicht zerfetzten, damit sie sein dämliches Grinsen aus dem Gesicht wichen konnte. Sie konnte es langsam nicht mehr ertragen, so sehr hasste sie es schon.
„Oh, in der Tat. Ich habe da schon meine Mittel und Zwecke euch in Bewegung zu setzen. Sobald ich deine Schwester habe, werdet ihr genau das tun, was ich von euch verlange. Und ihr werdet genau das tun, was ich sage“, blitzte etwas berechenbares in seinen Augen auf und Seena konnte nicht sagen, was es war, aber es beschrieb großes Unheil. „Genauso wie ich das Miststück noch aufgreifen werde, die sich von deinen Großneffen durchficken lässt. Soll sie sich noch etwas vergnügen, bevor ich sie mir holen werde. Sie gehört genauso mir, wie ihr mir jetzt gehört“, lachte er voller Schadensfreude und Selbstsicherheit darüber auf, welchen großen Anspruch er doch über sie alle verfügte.
Es machte sie noch wütender und noch zorniger, weil sie absolut machtlos war. Ihre Drachin tobte vor Zorn.
„Ich sehe es in deinem Gesicht geschrieben, wie gerne du mich jetzt in allen Varianten töten würdest. Nimm es mir nicht übel, meine Liebe, aber ich würde dich ja gerne besser behandeln und dir mehr Luxus bieten, wenn du kooperieren würdest. Aber du willst ja nicht. Zumal du absolut stur bist. So war ja selbst deine unausstehliche Schwester Araveena gewesen. Sie war zwar durch und durch mächtig, aber absolut nervtötend. Unbegreiflich wie ihr damaliger Gefährte es nur solange mit ihr ausgehalten hatte, bevor er ihr in den Tod gefolgt ist“, schnalzte er angewidert mit der Zunge und sie wäre am liebsten aus der Haut gefahren.
Sie wusste was er vor hatte und Culebra hatte nichts weiter vor, als sie zu provozieren. Er wusste ganz genau, wie stark die Schwesterbande zwischen ihnen drei gewesen war. Was sie und Havanna noch heute um den Verlust von Araveena mitnahm, weil sie sich für beide geopfert hatte. Nie würden sie das vergessen, was ihre älteste Schwester für sie getan hatte. Es war verdammt tragisch und hart für sie beide gewesen. Lange hatten sie gebraucht, bis sie über den Verlust von Araveena hinweggekommen waren. Zumal es immer noch schmerzte. Doch sie würde sich nicht anmerken lassen, wie sehr seine Worte sie trafen. Sie würde sich nicht vollkommen erniedrigen lassen. Nicht von diesem Schweinehund.
Ihre Augen funkelten bedrohlich, als sie ihn anschaute und das Schlimmste, sie konnte sich durch die magische Kette nicht rühren. Und auch keine magischen Kräfte anwenden. Je mehr sie sich anstrengte, sie wurden weiterhin unterdrückt. Dieser Bastard von einem Drachen hatte wirksame Ketten, die sie einerseits gut im Zaum halten konnten und gleichzeitig ihre spirituellen Kräfte im Zaum hielten. Woher er auch immer diese magischen Relikte her hatte, sie waren verdammt mächtig, damit er sie kontrollieren konnte.
„Du hast Recht, ich male mir unterschiedliche Szenarien aus, wie ich dich töte. Die grausamsten von allen sind mir da am liebsten“, zeigte sie ihre weißen spitzen Drachenzähne, als würde sie Grinsen.
Culebras Blick wurde eisern und unberechenbar. „Eines Tages wird es soweit sein, dann wirst du dich mir unterwerfen und vor mir niederknien. Wenn dieser Tag gekommen ist, werde ich lachen. Und das Beste daran ist, du wirst nichts dagegen tun können. Egal was dann kommt, ich werde alles niederreißen und einen Schritt weiter kommen. Egal wohin ich will“, glommen seine Augen voller Wahnsinn auf und darin stand etwas, was noch viel weiter ging. Er hatte was vor und niemand wusste was. Oder wie weit seine Pläne überhaupt gingen. Und das beschissene daran, in all der Zeit konnte er ungehindert das tun was er wollte, ohne aufgehalten zu werden.
Steckte schon damals in ihm dieser große Wahnsinn, wie heute? Wenn ja, dann dürfte er niemals über die Welt losgelassen werden. Er musste aufgehalten werden. Darunter würde nicht nur ihr eigenes Volk leiden, sondern viele andere auch.
„Meister, es ist so weit“, tauchte auf einmal eine männliche Gestalt neben Culebra links auf. Wie aus dem Nichts.
„Sie sind zurückgekehrt“, kam eine weibliche Gestalt auf der rechten Seite von ihm zum Vorschein.
Seena blinzelte kein einziges Mal, weil sie genau wusste, was für zwei Gestalten plötzlich da aufgetaucht waren. Sie hatten ein menschliches Aussehen, aber würden nirgendwo als dessen durchgehen. Allein schon ihre leicht bläuliche schimmernde Haut und ihre kleinen spitzen Ohren verrieten, das sie anders waren. Sowohl ihre dunklen Augen. Sie waren absolut hübsche Wesen, aber sie gehörten dennoch der Art der Dschinn an.
Seit wann machten die Dschinns mit Culebra gemeinsame Sache?
Sie war über diese Erkenntnis doch etwas überrascht, als sie die beiden Wesen beobachtete, denn normalerweise blieben die Dschinns unter sich und ihr Ruf war nicht gerade der Beste. Durch ihren jetzigen Herrscher wurden sie ziemlich unterdrückt und sie versklavten gerne schwächere Wesen in der Mythenwelt. Die stärksten ließen sie in einer Arena kämpfen, für Spaß, weil sie nie die kriegerischen Fertigkeiten besaßen. Oder je erlangen würden.
Dschinns waren ein Volk mit magischen Kräften und daher verstand sie nicht, warum sich zwei Dschinns sich solch einem verabscheuungswürdigen Drachen unterordneten. Normalerweise wäre das anders herum.
Culebras Grinsen wurde breiter, als er bemerkte, wie sie die beiden anschaute, die neben ihm standen. „Du scheinst ja regelrecht erstaunt zu sein“, gluckste er darauf auf. „Das sind meine neuen Findlinge. Auch sie haben gelernt sich mir unterzuordnen. Sie tun genau das, was ich von ihnen verlange“, ging er zu dieser Dschinnfrau und umfasste ihr Kinn grob. „Ihre Fertigkeiten sich überallhin zu teleportieren und ihre magischen Kräfte sind für mich ein nützlicher Vorteil. Kommt halt immer drauf an, wie stark sie sind. Die beiden sind von ihren Kräften ganz passabel und für meine Zwecke reichen sie aus“, ließ er die Frau wieder los und trat einen Schritt nach vorne.
„Es klingt mehr so, als hättest du sie dazu gezwungen, das zu tun, was du willst“, verengten sich ihre Augen zu Schlitzen, während sie ihn beobachtete.
Er schnalzte angewidert mit der Zunge. „Fasse es auf wie du willst. Mir ist es egal, wie ich an meine Ziele komme und wie ich jemanden gefügig mache, bleibt noch immer meine Sache und auch mein Geheimnis“, lächelte er wissend.
Ab da wusste Seena, diese beiden Dschinns waren nicht freiwillig unter Culebras Diensten. Sie wurden aus irgendeinen Grund dazu gezwungen, genau das zu tun, was er wollte. Die Frage war nur, wie schaffte er das? Wie konnte er zwei Dschinns einfach so beherrschen, ohne das sie sich wehren? Was hatte er nur vor?
So viele Fragen kreisten in ihrem Kopf, seitdem sie hier in Gefangenschaft war. Das es keine Gerüchte waren, wie brutal dieser Drache war, wusste sie auch von vornherein schon. Früher schon waren seine Gedanken verdreht und verrückt, aber heute waren sie noch schlimmer und wahnsinniger.
Wie sollte es nur weiter gehen? Sie musste irgendwie versuchen hier herauszukommen. Dabei war ihr auch jedes Mittel recht. Komme was da wolle.
Einige Tage waren seit der Rettung seiner Großtante vergangen und es gab noch keine Veränderung. Noch immer schlief Havanna in einem Ruhestand, den niemand benennen konnte. Lucien wusste nicht, wie er es bezeichnen sollte. Geschweige irgendwer anderes. Selbst Hal, indem so viel Wissen wohnte, wusste keinen Rat mehr. Auch die Bücher und Schriftrollen wussten keine Hinweise mehr. Müsste er sich wirklich Gedanken machen und irgendeine Hexe engagieren?
Bei diesem Gedanke verzog Lucien angeekelt sein Gesicht, denn niemand konnte die Hexen sonderlich ausstehen, weil sie alle einen falschen Charakter hatten. Zumal sie hinterlistig und gierig zugleich waren. Reichte man ihnen einen Finger, nahmen sie gleich den ganzen Arm. Niemand konnte ihnen vertrauen. Von einem Magier oder Zauberer wollte er erst gar nicht sprechen. Die waren noch schlimmer, was ihre Falschheit anging.
Doch woher sollte er sich weitere Ratschläge nehmen? Denn er hatte das Gefühl, die Zeit drängte zu irgendwas, wozu sie Havanna brauchten. Sowie es Emmanline auch beteuert hatte und er vertraute ihr in der Sache.
Dabei blieben so viele Fragen aus. Wohin war seine andere Großtante Seena verschwunden? Lebte sie noch? Warum war sie nicht in der Eishöhle in den Agrargebirgen gewesen?
Fragen über Fragen, die ihn immer und immer wieder quälten, seit sie zurückgekehrt waren. Es war oft zum verzweifeln, nur durfte er jetzt nicht aufgeben.
Seufzend lehnte Lucien sich in seinem Stuhl im Arbeitszimmer zurück, welcher unter Protest und quietschend seines Gewichtes nachgab, als er bis eben noch versucht hatte, mit Papierkram zu kämpfen. Es stand noch so vieles aus, was er bearbeiten musste. Er bekam zurzeit keinen freien Kopf. Heute besonders nicht, da Emmanline sich auch nicht auf dem Schloss befand. Sie hatte sich heute in den Kopf gesetzt, nur weil schönes Wetter war und weil ihr danach war, dem Dort nahe dem Schloss ein Besuch abzustatten.
Irgendwie hatte er ihr nicht recht geglaubt, weil er ganz genau wusste, wie gerne sie dahin wollte. Vor allem, weil die Gefährtin seines Wächters und Kriegers Segan bald ein Kind erwartete. Lucien hatte die Freude über die baldige Geburt, und das Glänzen in Emmanlines silbernen Augen sehen können.
Wie könnte ich ihr also da noch eine Bitte abschlagen? Ich bin so schwach geworden, seufzte er innerlich.
Er musste sich nur immer wieder in Gedanken rufen, sie war nicht allein unterwegs. Immerhin war ihr Leibwächter und bester Freund Cyrill mit ihr gegangen. Er war ein guter Krieger und fähig sie zu beschützen. Doch er wusste jetzt schon, egal wie gut und wie stark seine Krieger sein mögen, er war erst wieder beruhigt, wenn sie sicher und wohlbehalten in seinen Armen lag. Er konnte nun einmal nichts dagegen tun. Dies waren seine Instinkte, die ihn fast in den Wahnsinn trieben.
Lucien seufzte noch einmal frustrierend auf. Gut das er alleine in seinem Arbeitszimmer war, denn wären noch andere hier, hätten sie sich sicherlich über seine wechselhafte Stimmungslage amüsiert. Was sie recht oft taten. Sie hatten absolut keinen Respekt vor ihrem König, was er wohl bemerkte. Doch wiederum störte es ihn auch recht wenig, wenn er Gefühle zeigte. Nicht wenn es um Emmanline ging.
Seit er wieder auf dem Schloss war, hatte er doch einige Dinge regeln können. Da war die eine Sache mit dem kleinen Audray, dem kleinen Schneeleoparden Gestaltenwandler. Dies hatte mit dem kleinen Jungen noch immer ausgestanden gehabt und hatte sich auch überlegt, was er mit ihm anstellte. Er hatte sich sogar mit Emmanline darüber unterhalten und wie es nicht anders zu erwarten war, konnte sie ihn nicht fortschicken. Er war ja der gleichen Meinung, weil er es nicht lange überleben würde. Auch wenn es fraglich war, wie lange Audray es bis jetzt geschafft hatte zu überleben, bevor er zu ihnen gelangte.
So hatte er mit dem Jungen geredet und ihn vor einer Wahl gestellt. Entweder er könne bleiben und müsste sich ihm auch unterordnen. Oder er wollte selbst entscheiden zu gehen, wenn es seine freie Entscheidung gewesen wäre. Entweder ein Leben, wo er von einem Volk beschützt wurde, oder ein Leben nur noch unter der Angst, das er alleine war und nicht wohlbehütet lebte. Ihm blieben da keine wirklichen Wahlmöglichkeiten.
Natürlich hatte Audray sich ihm sofort untergeordnet und auch ihn als seinen neuen Führer akzeptiert, wie es so in seinem Rudel gewesen wäre. Er konnte verstehen, er wollte jetzt sicher leben und machte ihm daraus auch keinen Vorwurf. Immerhin war er noch immer ein Kind, welches unter Schutz der Familie und Rudelangehörige leben sollte. Doch niemand war mehr von ihnen übrig, sowie es der Junge erzählt hatte. Alle wurden in einer Nacht ausgelöscht und er konnte sich das Grauen vorstellen. Nur, wer begann solch eine grausame Tat? Und warum?
Zumal hatten auch schon einige einen Narren an diesen kleinen Jungen, der sich in einen Schneeleoparden verwandeln konnte, gefressen. Er war ja schon praktisch ein intrigiert. Wie könnte er ihn dann noch fortschicken? Auch er besaß noch so was wie ein Herz, das kräftig in seiner Brust schlug.
Dann war da noch die Geschichte mit Arokh. Noch immer war er nicht dazu gekommen, ihn hinzurichten. Dabei schmorte er jetzt schon seit einigen Monaten in seinem Kerker und er wusste auch, was er damit Cyrill und seinen Eltern antat. Sie litten nur noch mehr darunter, je länger er die Hinrichtung für diesen Verräter aufsparte. Zumal er auch keine Ruhe fand. Bald müsste er dieses Urteil bekannt geben.
Bei Aiden war es nicht anders gewesen. Mittlerweile war er aus seiner Trance oder worin er immer gesteckt hatte, wieder aufgewacht. Wie zu erwarten, war Aiden wütend gewesen. Nein, er hatte sogar getobt vor Zorn, und ihm noch nicht einmal richtig zugehört. Er konnte ihn verstehen und machte ihm auch keinen Vorwurf daraus, wie sehr er es verabscheute. Immerhin war sein Drache verschwunden. Wer weiß, für wie lange.
Aiden war nach seinem Erwachen und Tobsuchtsanfall einfach verschwunden. Vielleicht war es erst einmal das Beste, wenn er für eine kurze Zeit alleine sein musste. Aber sollte irgendwas sein, würde er ihn aufsuchen müssen. Alleine auch schon Emmanline gegenüber, weil sie es nicht zulassen würde, ihm passierte etwas. Sie war jetzt diejenige, die sich große Vorwürfe machte, weil sie es am Ende gewesen war, die diesen Vorschlag bereitet hatte. Doch niemand machte ihr diesen Vorwurf, denn sonst hätten sie Aiden verloren. Auch wenn Aiden es nicht durch seinen Zorn und Wut verstand. Darum sollte er sich erst einmal abreagieren.
Gut, diese ganze Grübelei und das er hier frustriert herumsaß, kam er auch zu nichts. Er musste sich anderweitig ablenken. Also stand er von seinem knatschigen Stuhl auf und begab sich aus seinem Arbeitsbereich. Er beschloss noch einmal nach seiner Großtante zu schauen und ob es eine Veränderung gab. Auch wenn er keine Hoffnung darin hegte. Es war lediglich jeden Tag das Gleiche. Sie schlief … schlief … und schlief.
Doch was schadete es schon einen Abstecher zu machen. Danach würde er sich was zu Essen suchen.
Gerade betrat er das leicht verdunkelte Zimmer seiner Großtante, als er ruckartig stehen blieb. Verwundert schaute er auf die Person, die am Bett stand und zu der schlafenden Frau hinunter schaute. Es war das Ratsmitglied Darco aus Polarius.
Zu Anfang bemerkte Darco ihn gar nicht und es wunderte Lucien, so aufmerksam wie er doch immer war. Konnte er in seinem Blick so was wie Reue erkennen? Oder Wehmut? Er konnte es nicht genau definieren, aber irgendwas stimmte da nicht.
„Kann ich euch vielleicht helfen, Ratsmitglied Darco? Oder aus welchen Grund befindest Ihr euch hier?“, wollte Lucien wissen und er konnte erkennen, wie sein Gegenüber leicht aus seiner Trance zusammenzuckte.
Darco hatte nichts feindseliges an sich und er befand auch keinen Grund, ihn deswegen irgendwie zu schaden. Zumal er eine Chance gehabt hätte, wenn er sie verletzen oder töten wollte. Darum wollte er doch schon einen Grund benannt haben, warum er sich hier aufhielt. Zumal er sich seit einiger Zeit nicht mehr hier auf dem Schloss befinden sollte.
„Ich habe erfahren, ihr habt Eure Großtante Havanna wieder gefunden. Nach so langer Zeit“, flüsterte Darco die letzten Worte, aber er hatte sie wohl verstanden.
Kurz seufzte Lucien auf und er fragte sich, ob der Tag nicht noch skurriler werden würde. Zumal der Mann und Drache vor ihm nicht einmal den Anstand besaß ihn anzuschauen. Sondern, er konnte einfach nicht den Blick von seiner Großtante abwenden. Es war auch kein Geheimnis mehr, dass eine mächtige Drachenhexe gefunden wurde, die sie im Dorf ja auf gewisse Art und Weise verehrten.
Schweigend schloss Lucien die Tür und trat an das Bett. „Gut, jetzt verlange ich eine Antwort. Was für ein Verhältnis bestand zwischen Euch und meiner Großtante? Ich habe das Gefühl, es war mehr als irgendwas“, wollte er über die Kenntnisse verfügen.
Jetzt erst wandte Darco seinen Blick zu ihm um und seine Augen waren leicht benebelt. „Spielt das eine Rolle?“
„In der Tat“, hob er fraglich eine Augenbraue. „Ich komme nichtsahnend in das Zimmer meiner Großtante, wo auf einmal Ihr steht. Zumal ich damit gerechnet habe, das Ihr euch wieder in Polarius aufhaltet und eure Pflichten als Ratsmitglied nachgeht, wie ich es euch befohlen hatte. Doch nun steht ihr hier und ich verlange eine simple Erklärungen“, verschränkte er darauf seine Arme vor der Brust, was darauf hindeutete, Lucien erwartete keine Widerworte, sondern eine klare Antwort.
Mit einem Seufzen der Ermüdung und des Frustes, gab Darco anscheinend nach. Vermutlich weil er keine andere Wahl hatte. „Wir waren einst Geliebte gewesen. Vor langer Zeit, bis sie eines Tages einfach im Nichts verschwand. Sogar alle dachten, sie wäre Tod. Ich hatte es aber nie richtig geglaubt und jetzt ist sie hier.“
Woher hatte er nur gewusst, dass so etwas kommen würde. „Schön und gut, aber Ihr könnt nicht einfach hier eindringen. Vor allem nicht ohne meine Erlaubnis. Auch wenn Ihr ein Ratsmitglied seid“, wurden seine Augen zu schmalen Schlitzen, wobei seine Arme noch immer vor der Brust verschränkt waren.
Er musste eindeutig den Wachen befehlen und wirkliche konkrete Anweisungen geben, wer alles dieses Zimmer betreten durfte und wer nicht. Das war kein öffentlicher Ort für Spaziergänge. Und warum zur Hölle hatte ihn keiner in Kenntnis gesetzt, das Darco überhaupt hier auf dem Schloss war?
„Ich musste sie sehen“, schien er zu beteuern, als würde das alles rechtfertigen. „Und ob ihr nichts fehlt.“
„Mir egal, was Ihr wolltet. Langsam beschleicht mich das Gefühl, ihr wart mehr als Geliebte und wir werden auch noch ein ausgiebiges Gespräch führen“, verlangte er und sein gegenüber nickte ergebend. „Doch vorher muss ich euch noch etwas fragen. Ihr werdet meiner Großtante doch nicht schaden?“
Ein entsetzter Ausdruck erschien auf Darcos Gesicht und anscheinend konnte er seine Frage nicht fassen. Aber er musste diese Frage stellen. Allein aus Sicherheitsgründen und weil er vielleicht schon wusste, er würde ihr nichts antun. Eine Bestätigung reichte ihm.
„Ich würde ihr niemals etwas antun. Jetzt nachdem sie wieder gefunden wurde“, klang selbst das Entsetzen in seiner Stimme mit. „Ich würde alles mit dran setzen, sie zu beschützen und das es ihr gut geht“, schwor er und Lucien konnte es in seinen glühenden Augen erkennen, er sprach die Wahrheit.
„Gut, mehr wollte ich auch nicht hören.“
„Jetzt habe ich eine Frage an euch“, schaute er wieder zu seiner Großtante hinab. Sein Blick war liebevoll und zärtlich. Und wie gerne er sie berühren wollte. Doch er schien sich nicht zu trauen. Er erkannte so etwas und wusste auch sofort, Ratsmitglied Darco hegte Gefühle für seine Großtante.
„Die wäre?“
„Warum wacht sie nicht auf?“, wollte er wissen.
Kurz blickte er auf Havanna, die noch immer ihre Augen verschlossen hatte. Das Einzige was sich an ihr bewegte, war ihre Brust, die sich stetig auf und ab bewegte.
„Wir wissen es selbst nicht und rätseln noch, woran es liegen könnte. Wir haben noch keine Lösung gefunden. Oder ob sie überhaupt jemals aufwachen wird“, musste er das unvermeidliche vor ihm aussprechen. Auch wenn es hart klang.
„Ich verstehe. Danke für die Information. Havanna wird wieder aufwachen, weil sie es muss“ klang es fast schon wie ein Befehl, was er vermutlich an Havanna gerichtet hatte. „Macht es euch etwas aus, wenn ich längere Zeit hier auf dem Schloss verbringe? Ich würde gerne bei ihr sein.“
Diese Frage kam für ihn doch etwas unerwartet.
„Keine Sorge, für alles, was in der Stadt Polarius anfällt, ist bereits gesorgt. Ich hatte mich zuvor darum gekümmert und es auch mit Messuria abgesprochen. Zwar weiß sie nicht, aus welchen wichtigen Angelegenheiten ich gehen musste, aber sie übernimmt zurzeit die volle Verantwortung, bis ich wieder zurückkehre“, sprach Darco und trotzdem war Lucien mit dieser Entscheidung nicht wirklich zufrieden.
Aus verengten Augen schaute Lucien ihn an, um sich ein Urteil zu schaffen. „Ich gebe euch drei Tage, Ratsmitglied Darco. Dann seid ihr wieder in Polarius. Ich will mir keine Schwächen erlauben. Nicht in solchen Zeiten, wo wir zu viel zu beklagen haben. Vor allem die ganzen Probleme und Sorgen, die jetzt auf unserem Volk lasten.“
Mit einem Nicken war er einverstanden und Lucien konnte es noch immer nicht fassen, dass er sich überhaupt darauf einließ, anstatt ihn gleich wieder in den Westen zu schicken, wo er hingehörte.
„Ich vermute mal, Ihr werdet nicht von der Seite meiner Großtante weichen und auf sie aufpassen“, wieder ein Nicken von seinerseits. „Sollte irgendwas passieren, will ich sofort informiert werden. Doch später will ich euch in meinem Arbeitszimmer sehen, damit wir noch einmal ein Gespräch führen“, denn sollte das nicht passieren, würde er das Ratsmitglied gleich wieder nach Polarius schicken. Und er wusste es, er würde seine Versprechungen wahr machen. Darum leistete er auch keinen Widerspruch und bei seiner Bestätigung, verließ er dann das Zimmer von Havanna.
„Lucien, ist bei dir alles in Ordnung?“, konnte Lucien, sobald er draußen im Flur war, Emmanlines Stimme in seinem Kopf hören. „Ich habe deinen Missmut gegen irgendwas gespürt.“
Alleine schon das Emmanline so ein Empfinden besaß und das sie ihn in sich fühlte, machte ihn unglaublich glücklich und stolz. Geschweige, die Sorge die sie ihm gegenüber verspürte. Es wärmte sein Herz und es machte einen kleinen Satz in der Brust. All diese Anzeichen waren nur weitere Bestätigungen, sie war seine vorherbestimmte Seelengefährtin.
Seit der Mission in den Agrargebirgen hatte sich etwas in Emmanline verändert. Auch ihm gegenüber und er war positiv überrascht. Sie war ihm offensichtlich aufgeschlossener und verständnisvoller geworden, was für seine Seele eine wohltat war. Sie sprach auch mehr mit ihm und es war kein Wunder, das er ihr gegenüber nur noch weicher und ergebener wurde. Er war dieser Frau komplett verfallen, die er zu lieben gelernt hatte.
Nie hätte Lucien es je für möglich gehalten, sich überhaupt zu verlieben und den Gedanken daran zu verschwenden, eine Frau an sich zu binden. Aber dennoch war es so. Er wollte Emmanline für sich ganz und alleine haben. Er wollte sich vergewissern, das sie nur ihm gehörte und keinem anderen. Was also könnte stärker sein, als eine feste Bindung?
Doch wie sollte er Emmanline davon überzeugen, ein Bund mit ihm einzugehen? Auch wenn sie jetzt offener und gefühlsvoller war? Immerhin hatte er noch immer das Gefühl, etwas stand zwischen ihnen. Er wusste, sobald er sie darauf ansprechen würde, würde sie ihn abweisen und das würde sein Herz nicht mitmachen. Es würde ihn sogar zerreißen, auch wenn sie in seiner Nähe war.
Lucien konnte sich vorstellen, es läge daran, das Culebra – der Verräter noch immer auf freien Fuß und hinter ihr her war. Vielleicht war es auch der Grund, was Emmanlines Zurückhaltung bedeutete. Aber bis jetzt hatte Culebra noch keine Andeutungen gemacht, Emmanline oder geschweige ihn anzugreifen. Bis jetzt, und diese Ungewissheit, während er so viele ausgesandt hatte, diesen Bastard zu finden, machte es ihn trotzdem fertig. Er verspürte, die Zeit drängte und wenn er in dieser Sache keine Ruhe fand, würde sie auch Emmanline niemals finden.
Dies machte ihn zusätzlich fertig und wütend, das dieser Drache und Mann zwischen ihnen stand, den er mehr alles andere verabscheute, weil er seiner Frau so viel Leid zugefügt hatte. Er konnte es einfach nicht ertragen, zumal die Träume sich auch häuften und immer mehr von ihrer Vergangenheit erfuhr. Sie waren miteinander verbunden und er würde niemals zulassen, dass sich irgendwas zwischen ihnen stellte. Nicht einmal so ein bedeutungsloser Abschaum, wie Culebra.
Das brachte wieder sein Blut in Wallung, was ihn verkrampfen ließ.
„Lucien?“, klang langsam Sorge in Emmanlines Stimme mit, die ihn aus seinen Gedanken riss und er war zum Teil froh darüber.
„Mir geht es gut, Vahdin“, besänftigte er sie und schickte ihr eine wohlige Liebkosung über ihre Verbindung. „Ich habe nur eben eine überraschende Entdeckung gemacht, als ich zu meiner Großtante ins Zimmer gekommen war“, berichtete er ihr. Auch wenn noch immer ein gewisser Teil seiner Wut in ihm brodelte.
Lucien konnte spüren, das sie für einen ersten Moment schwieg, weil er genau wusste, sie wog alles ab. Und er wusste, sie glaubte ihm nicht ganz. Sie kannte ihn schon einfach zu gut.
Dennoch antwortete sie und ging fürs Erste nicht darauf ein. „Hat sich etwas an ihrem Zustand verändert?“
„Nein, das nicht. Aber Ratsmitglied Darco ist hier aufgetaucht und stand unerwartet vor dem Bett meiner Großtante. Wie es aussieht, waren sie einst Geliebte gewesen. Doch ich habe das Gefühl, es ist mehr als das“, erzählte er ihr ohne Umschweife.
„Oh, das ist eine Überraschung“, klang Emmanline wirklich überrascht und er freute sich über ihre offenkundige Gefühlsregung. „Wenn es wirklich stimmt und sie mehr als das verbindet, vielleicht hilft es deiner Großtante aus ihrem Tiefschlaf zu erwachen.“
Dieser Gedanke war ihm noch gar nicht gekommen, bevor Emmanline ihn ausgesprochen hatte. Es könnte wirklich bedeuten, sollte eine Verbindung zwischen Havanna und Darco bestehen, dass sie ihn spürte und somit erwachen könnte. „Habe ich dir schon einmal gesagt, wie sehr ich dich und deine Gedanken liebe?“
Für seine Bemerkung wurde er mit einem herzlichen Lachen belohnt. „Oh ja, du hast es schon oft beteuert, weil du keinen Hehl aus der Offenlegung deiner Gefühle machst“, worauf sie wetten konnte.
„Dann muss ich dir nicht sagen, was dich Zuhause erwarten wird, wenn du wieder Heim kehrst“, war er es jetzt, der amüsiert und voller Versprechungen in Gedanken lachte.
„Lucien“, ermahnte sie ihn, was für ihn nicht ernst klang. „Ich habe das Gefühl, du denkst schon wieder in ganz ungeahnte Richtungen.“
Ihm gefiel es sichtlich, wenn er so mit ihr sprechen konnte und er konnte spüren, welche Gefühle und Erwartung sich in ihr regten. Er mochte es, wenn sie genauso empfand und auch, wenn ihre Gedanken in diese Richtung gingen. Es bedeutete, sie reagierte auf ihn mit all ihren Sinnen. Was besseres konnte er sich nicht wünschen und solange es so war, musste er sich erst einmal zufrieden geben. Er würde sie schon noch dazu bringen, sich mit ihm zu verbinden. Wenn es seine letzte Kraft kosten würde. Eines Tages würde sie ihm gehören, dass schwor er sich hoch und heilig.
„Ich kann nichts dagegen tun, meine Vahdin. Du bist diejenige, die mich so schwach macht. Also stehe zu deinen Taten“, scherzte er mit ihr. „Mache dich bereit, wenn du von deinem Ausflug wieder zurückkommst“, klangen seine Worte voller Versprechungen, welche er mit Gewissheit einhalten würde. Sollte sie sich jetzt ungeahnte Gedanken darüber machen und er würde sie in dem Unwissen lassen, indem er den Kontakt zu ihr abbrach. Auch wenn er gerne weiter mit ihr geredet hätte. Jetzt schon war es schmerzhaft und qualvoll.
Emmanline war schockiert und erregt zugleich, als sie Luciens Offenkundigkeit, auf seine Worte und Versprechungen, bewusst war. Es sollte ihr Angst machen und eventuell das Weite suchen, aber sie konnte es nicht. Diese Versprechungen, die er ihr angedeutet hatte, wenn sie nach Hause käme, rührten sie zu tiefst. Sie waren voller Garantie auf mehr und sie mochte es, wenn er dies tat. Er belohnte sie immer mit so vielen neuen Gefühlsregungen, was ihr Herz zum überschäumen brachte.
Dieser Mann wusste einfach, wie man mit einem Herz einer Frau umging. Vor allem mit ihrem.
Doch was sie am meisten erfreute und erwärmte, war, als er angedeutet hatte, sein Zuhause mit ihrem zu vergleichen. Ihr Zuhause.
Sie wusste, es war schon länger ein Gefühl da, wo sie sich geborgen und sicher fühlte. Ihr ganzes Sein war der Meinung, es war so und es bestand kein Zweifel mehr daran, egal wo Lucien sich befand, als ihr Zuhause anzusehen. Ohne Umschweife und ohne Erbarmen hatten sich diese verräterischen Gefühle in ihr Herz geschlichen. Sie liebte diesen Mann und Drachen, auch wenn sie diese Worte noch nie laut ausgesprochen hatte.
Wie könnte sie sonst all das beschreiben, wenn sie sich so zerrissen in seiner Nähe fühlte? Oder wenn ihr Herz jedes Mal schneller schlug, kaum das sie ihn sah? Oder wie sehr sie sich nach im verzerrte, sobald sie ihn sah, das sie in seine offenen Arme rannte? Es bestand einfach kein Zweifel mehr daran, wie Hals über Kopf sie sich in diesen Mann verliebt hatte.
Ihre geliebte Mutter hatte, wie so oft, Recht behalten. Eines Tages würde es jemanden geben, der ihr mehr als alles andere bedeutete. Für sie war es Lucien, der in ihr all das verkörperte. Er behandelte sie gut und beschützte sie. Sogar, seit er von ihrem tiefsten Geheimnis wusste, wovor sie unglaubliche Angst gehabt hatte. Lucien machte sich nichts daraus, wer und was sie war. In seinen Augen war sie noch immer die Person und Frau, die er für sich beansprucht hatte. Sie wusste es.
Darum hatte sie schon längst ihre Angst und Scheu ihm gegenüber verloren und sich dem auch ergeben, was am Ende unvermeidlich war. Sie waren vorherbestimmte Seelengefährten die vom Schicksal füreinander bestimmt waren. Deshalb war sie jetzt mutig genug und stellte sich dem, was immer unvermeidlich war.
War das bei ihrer Mutter auch so gewesen? Mit ihrem Vater, von wem sie jetzt wusste, wer es war?
Alarion Fenegan
Immer wieder erschienen der eine Name in ihrem Kopf, wenn sie darüber nachdachte und wer er wirklich war, seit Lucien ihr diesen Brief gegeben hatte. Es bestand nun kein Zweifel mehr, noch immer besaß sie Familie und sie konnte dieses Gefühl nicht wirklich deuten, was es für sie bedeutete. Konnte sie dem trauen?
Jedenfalls, egal was in ihr vorging, konnte sie es nicht akzeptieren, wie dieser Elfenkönig, oder ihr Vater einen Anspruch auf sie hegte. Sie hatte das Gefühl, er hatte kein Recht dazu und das hatte sie auch in einem Brief als eine Offenbarung festgelegt. Wenn er wirklich ihr Vater war und etwas an ihr lag, ging er auf ihre Bedingungen ein, die sie in Form eines Briefes niedergeschrieben hatte. Mehr als das konnte sie diesem fremden Mann nicht geben. Nicht nach allem und der Zeit was geschehen war. Entweder er tat es, oder er würde nie was von ihrem Leben besitzen.
Lucien wusste über diesen Brief und dem Inhalt Bescheid. Am Anfang war er nicht sichtlich begeistert gewesen, aber auch nicht überrascht. Doch es waren ihre Gefühle und die vertrat Lucien ihr gegenüber, welche er verstand, nachdem er immer wieder diese Alpträume aus ihrer Vergangenheit teilte. Worüber sie noch immer Gedanken darüber machte, warum Lucien das konnte und es nicht aufhörte. Es konnte nicht allein an der Verbindung, dass sie Seelengefährten waren, liegen. Dahinter steckte viel mehr.
Was auch immer es war, es bereitete ihr nicht mehr so viel Schrecken und Sorgen, sich dem alleine zu stellen. Lucien war ihr ständiger Begleiter und sie wusste, es würde ewig so sein. Egal wohin sie gehen würde, würde auch er sein. Dies sollte sie in Angst und Schrecken versetzen, aber das tat es nicht im geringsten. Sie liebte es.
Aber dennoch beschlich ihr das Gefühl, nicht mehr lange und es würde anders aussehen. Ihr war es vollkommen egal, was mit ihr geschah, aber sie könnte sich niemals verzeihen, wenn ihm oder jemanden anderen ein Leid zugefügt wurde, die ihr am Herzen lagen. Vor allem nicht, wenn sie der Grund dafür war.
Alles war nicht so einfach, solange noch so ein großes Unheil wie Culebra da draußen lauerte.
„Ist mit dir alles in Ordnung, Emmanline? Du siehst so gedankenverloren aus“, konnte sie die sanfte und freundliche Stimme ihrer neugewonnen Freundin vernehmen, die aus den schrecklichen Gedanken riss.
Mit einem leichten Lächeln auf dem Lippen, drehte sie sich zu der hochschwangeren Frau um. Sie mochte Mariah sehr. „Ja, alles bestens“, bestätigte sie. „Ich habe nur über etwas nachgedacht, was nicht so wichtig war.“
Vorhin hatte sie sich bei ihr für einen Augenblick entschuldigt und sie müsste etwas frische Luft schnappen, als sie Luciens starken Groll verspürt hatte. Sie wollte wissen, ob alles in Ordnung war, weil sie sich Sorgen machte. Aber sie wusste nicht, dass sie schon solange fort geblieben war. Hinter ihr stand Cyrill, der nun fraglich eine Augenbraue hob.
„Tut mir leid, ich wollte euch keine Sorge bereiten“, kam sie auf die Frau zu und nahm ihre Hände, um sie zu drücken. „Aber ich würde gerne noch eine Tasse von deinen leckeren Tee nehmen“, deutete sie darauf hin, woran Emmanline wirklich Gefallen gefunden hatte. Sie lernte immer wieder neue Dinge kennen.
Erst war Mariah skeptisch, aber dann erhellte sich das Gesicht von ihr auf. „Natürlich, wenn es weiter nichts ist“, wandte sie sich wieder um und ging in Richtung Küche.
„Ist wirklich alles in Ordnung?“, wollte Cyrill jetzt von ihr leise wissen.
Ein ehrliches und kleines Lächeln erschien auf ihren Lippen. „Ja, ich wollte mich nur kurz mit Lucien unterhalten“, gestand sie ihm gegenüber. Sie hatte das Gefühl, ihm konnte sie alles erzählen. „Wir haben einen unerwarteten Gast auf dem Schloss.“
Überrascht schaute Cyrill sie an und sie konnte seinen Unmut spüren. „Doch niemand der Ärger macht?“
„Nein, keinesfalls. Ratsmitglied Darco ist zurückgekehrt, um die Großtante von Lucien zu besuchen“, ging sie an Cyrill vorbei und konnte die weitere Überraschung auf seinem Gesicht nicht übersehen.
„Wie jetzt? Was bedeutet das?“, schien Neugierde in ihm zu erwachen.
„Was glaubst du wohl, was es bedeutet?“, schaute sie über ihre Schultern und hob diesmal fraglich eine Augenbraue.
Da glomm Verstehen in seinen Augen auf und er schnappte über die neue Information nach Luft, weil er es anscheinend nicht so recht glauben konnte. Aber Emmanline ließ ihn für diesen Augenblick stehen und um darüber nachdenken, wobei sie ins Haus zu Mariah zurückkehrte. Sie wussten beiden, sie konnten nicht weiter darüber sprechen, solange sie hier waren.
Darco wusste, er hatte sich über eine Grenze gewagt, die ihn hätte ein Haufen Ärger bedeutet. Und er konnte seinen König verstehen, wie verärgert er über seine Anwesenheit hier war. Vor allem, das er plötzlich im Zimmer seiner Großtante Havanna stand. Aber er konnte nicht anders, als hier zu sein, seit er gehört hatte, Havanna war gefunden worden. Zumal lebend.
Er konnte sich noch ganz genau an das Gefühl erinnern, wie er darauf reagiert hatte. Erleichterung und Freude hatte seinen Körper durchströmt, wobei seine Knie beinahe nachgegeben hätten. Kein Wunder, seine Geliebte und die einzige Frau, die er je gewollt hatte, war zurückgekehrt. Wie sehr Darco sich danach gesehnt hatte.
Doch was am schmerzlichsten war, je länger er auf die schlafende und wunderschöne Havanna schaute, umso bewusster wurde ihm, sie habe nie zu ihm Kontakt aufgenommen. In all der Zeit nicht. Obwohl sie am Leben war und er fragte sich, ob alles, was zwischen ihnen gewesen war, so unbedeutend für sie gewesen war? Hatte er sich in vielen Dingen mit ihr geirrt?
Trotz allem konnte er sich seiner Empfindungen ihr gegenüber nicht verwehren und musste ihr wieder nahe sein. Nie hatte er ihr Antlitz vergessen und ihr feuerrotes Haar, was sie und ihre Familie ausmachte. Trotzdem saugte er jetzt jede Fassette von ihr, die er von ihr sehen konnte, auf. Jede einzelne Kontur von ihrem hübschen Gesicht.
Ihr Haar war noch etwas länger geworden und es wellte sich stärker um ihr Gesicht, als er es von früher kannte. Ihr herzförmiges Gesicht schien noch lieblicher zu sein und wenn er ihre leicht dunkle Haut betrachtete, die wie leichtes Gold schimmerte, konnte er nicht widerstehen ihr zärtlich mit seinen Fingern über ihre zarten weichen Wangen zu streicheln.
„Du hast mir damals ganz schon wehgetan, Liebste“, flüsterte er, aber es war kein Vorwurf ihr gegenüber. „Doch ich bin von Erleichterung erfüllt, das du lebst, Havanna. Das Einzige was mir missfällt, du öffnest mir gegenüber nicht deine wunderschönen braunen Augen. Wo steckst du nur, meine Schöne?“, stellte er ihr die Frage.
Darco wusste, wie mächtig seine Geliebte war und wusste auch, wie stark sie als Drachenhexe sein konnte. Er hatte nie einen Hehl daraus gemacht, wie egal es im damals war. Havanna war die Einzige von beiden, die sich darum geschert hatte. Für sie war die Hürde nicht so leicht zu überwinden gewesen. Allein schon ihren beiden Schwestern gegenüber, die sie anscheinend mehr geliebt hatte, als ihn. Was ihm einen weiteren Stich in seine Brust versetzte.
Er war kein Krieger, wie viele andere in seinem Volk und auch keiner, der sich in jede Schlacht stürzte. Er wusste wie er war und mehr der Diplomat, der sich hinter Wissen versteckte. Auch wenn sein Aussehen was anderes versprach, als bevorzuge er nur Bücher und andere wissenswerte Dinge. Seine Körperstatur entsprach die eines Kriegers, mit seinen breiten Schultern und sein Oberkörper so hart wie jeder andere eines Kämpfers. Seine Gesichtszüge waren oft furchteinflößend und er wirkte streng, aber er war alles andere als das. All seine Äußerlichkeiten hatte er mehr von dem Erbgut seiner Familie zu verdanken, die weit zurück reichten.
Zu seiner Schande wusste er, wie seine Familie über ihn gedacht hatte, als sie noch am Leben gewesen waren. Aber ihn interessierte es nicht mehr, weil er wusste, wie weit er es gebracht hatte. Vor allem als Ratsmitglied seines eigenen Volkes. Das musste was heißen und Darco würde sich das nicht nehmen lassen, was er sich je erkämpft hatte.
Die einzige Person, die ihn je verstanden hatte, war Havanna gewesen. Und die ihn auch einfach so verlassen hatte, was er damals nicht nachvollziehen konnte. Noch weniger, warum sie sich nie bei ihm gemeldet hatte. Was auch immer der Grund dazu war, er wollte ihn wissen. Von ihr persönlich, wenn er in ihre wunderschönen braunen Augen schaute.
Dazu müsste sie erst einmal ihre Augenlider öffnen, damit er all das Wissen erlangen konnte. Worauf er hoffte, in den nächsten drei Tagen das Glück zu bekommen, ihre Stimme zu hören, während er in ihre leuchtenden Augen blicken durfte. Die Zeit von drei Tagen war knapp bemessen, aber er konnte sich dem nicht widersetzen, was sein König ihm befahl. Er konnte selbst von Glück reden, dass Lucien so gnädig gewesen war und ihn hatte bleiben lassen. Damit hätte er nicht gerechnet, sondern, das er ihn einfach wieder in die westliche Stadt Polarius zurückschickte, wo er hingehörte.
Vermutlich wäre Darco nicht so gnädig und hätte dies gewährt. Er konnte sich gut denken, woher diese plötzliche Wendung in Luciens Leben kam und warum er so bedacht handelte. Es hatte alles mit dieser einen Frau zu tun, welches Haar weißer als der Schnee waren. Sie war für alle ein Rätsel. Aber wenn sie jetzt dafür verantwortlich war, er konnte jetzt bei Havanna sein, sollte ihm alles Recht sein. Mehr über irgendwas sollte er sich nicht beschweren, außer das er noch eine Redegefälligkeit seinem König gegenüber leisten musste. Da würde er nicht drumherum kommen und er musste die Wahrheit aussprechen, ob es ihm gefiel oder nicht. Auch wenn es sein innigstes und tiefstes Geheimnis gewesen war. Dieses Geheimnis sollte nur ihm allein gehören.
Seufzend setzte Darco auf einen Stuhl, der neben dem Bett stand und wartete darauf, seine Geliebte würde ihre Augen öffnen.
Es war später am Nachmittag, als Emmanline und Cyrill beschlossen, wieder ins Schloss zurückzukehren. Mehr die freudige Erwartung, was sie erwartete, wenn sie zurückkehrte. Da steckten noch immer Luciens Versprechungen in ihrem Kopf, die sie nicht abschütteln konnte. Dieser Mann hatte gewusst, sie würde sich darüber Gedanken machen. Er hatte mit voller Absicht den Kontakt zu ihr abgebrochen, weil er es genoss, sie dadurch zu ärgern und wahnsinnig zu machen. Er wusste, sie reagierte da sehr stark drauf und er hatte auch vollkommen ins Schwarze getroffen. Das ärgerte sie am meisten.
Gerade verabschiedete sich Emmanline von allen Dorfbewohner mit einem freundlich Lächeln und sie konnte noch immer nicht fassen, alle waren ihr so warmherzig gesinnt. Alle haben sie aufgenommen. Auch wenn sie den größten Teil ihres Lebens bei den Drachen gelebt und schlechte Erfahrungen mit ihnen gemacht hatte, konnte sie nicht anders, als selbst freundlich zu sein. Zumal fühlte sie sich nicht bedroht, wie sonst. Viel mehr wohl dabei, sie um sich zu haben. Kaum zu glauben, dass sie jemals solch eine Erkenntnis besaß.
Egal wie lange Emmanline bei der Verabschiedung brauchte, Cyrill drängte sie nicht zum Aufbruch und sie danke ihm für sein Verständnis und Vorsicht. Was sie auch später tat, als sie auf dem Heimweg waren.
„Ich danke dir, Cyrill, was du für eine Geduld aufbringst, wenn du mich begleitest. Doch wird das auf Dauer nicht langweilig, wenn du mich als Krieger begleitest? Dabei würdest du sicherlich gerne woanders sein“, schaute sie zu dem großen Mann auf, der neben ihr her lief und keine Sekunde sein Umfeld außer Acht ließ. Das bewunderte sie an ihm.
Verwundert schaute er sie kurz an, schüttelte nur mit seinem Kopf und richtete seine Aufmerksamkeit wieder seiner Umgebung. Er war stets kampfbereit, sollte ihr Gefahr drohen. „Nein, keinesfalls. Vielleicht hatte ich am Anfang auch so meine Bedenken, aber ich habe das Gefühl, es könnte interessanter werden, als gedacht“, gestand er ihr ehrlich. „Nicht wegen deines Geheimnisses, sondern, weil es mich wirklich fasziniert, wie du dich in deinem Umfeld gibst. Ich kann Lucien verstehen, warum er dir verfallen ist und ich fühle mich in deiner Nähe recht wohl“, gestand er noch etwas wesentliches, was ihr den Atem stockte.
„Cyrill...“
„Ich meine es ernst, Emmanline“, blickte er sie ernst an. „Ich nehme meine Aufgabe als deinen Leibwächter vollkommen ernst. Nicht weil ich auch ein Versprechen abgegeben habe dich zu beschützen, sondern, weil auch mein Drache mir es sagt, dies wäre die richtige Entscheidung. Ich vertraue lediglich meinen Instinkten und dem Gefühl, das ich dich als eine gute Freundin mag, mit der ich mich gut unterhalten kann“, zwinkerte er ihr lächelnd zu und in ihrer Kehle bildete sich ein dicker Kloß vor Emotionen, die sich in ihr anstauten.
Ihr ging es in der Hinsicht nicht anders. „Danke für deine lieben Worte“, schluckte sie ihren dicken Kloß herunter. „Auch ich bin der festen Überzeugung, uns verbindet mehr als das. Ich habe auch das Gefühl, ich könnte dir vieles erzählen und hatte damals auch beschlossen, du solltest ein Teil davon sein über mein Geheimnis Bescheid zu wissen. Nicht nur alleine, weil du mein Leibwächter bist. Bei dir verspüre ich das Gefühl offener zu sein, als anderen gegenüber. Außer Lucien ausgenommen“, lächelte sie ihn an, als sie seinen Namen nannte.
„Ich habe schon verstanden und es ist mir eine Freude, dass in dir auszulösen. Du wirst auch immer meine Treue erhalten“, legte er eine Hand auf seine Brust, die direkt über seinem Herzen war. Es war fast wie ein Schwur.
Viel schnell und doch viel zu langsam, kehrten sie beide zurück ins Schloss, und wie erwartet, stand auch schon Lucien am Tor, wo er sie sehnsuchtsvoll erwartete. Sie hatte ihn in Kenntnis gesetzt, sie machen sich auf dem Rückweg. Jetzt loderten seine Augen voller Leidenschaft und Besitzgier. Ihr kam es selbst wie eine Ewigkeit vor, ihn so lange nicht mehr gesehen zu haben.
„Anscheinend wirst du schon sehnsuchtsvoll erwartet“, lachte Cyrill leicht neben ihr.
Kaum das Lucien seine Arme ausgebreitet hatte, rannte sie los und warf sich in seine Arme. Als sich seine starken Arme, wie Fesseln umschlangen, erst da fühlte sie sich wieder vollkommen und sicher. Vor allem Zuhause, wie Lucien es gedeutet hatte.
„Endlich kann ich dich wieder in meinen Armen halten“, hörte sie seinen Drachen voller Knurren sprechen. „Du hast mich ganz schön warten lassen.“
Emmanline lachte an seiner Brust. „Du bist ein verschlagener Mann und Drache. Du konntest es nur nicht ertragen, dass ich weg gewesen war“, sprach sie die Wahrheit aus, aber sie war ja selbst froh, wieder bei ihm zu sein. Dabei kuschelte sie sich weiter an ihn.
„Ist irgendwas auffälliges passiert, als ihr unterwegs wart?“, wollte Lucien von Cyrill wissen, als er bei ihnen angekommen war.
„Nein, es war alles wie immer. Keine Auffälligkeiten“, berichtete er.
Mit einem Nicken bestätigte Lucien seinen Bericht und bedankte sich bei seinem Freund, bevor er sich dann verabschiedete.
Nachdem er jetzt mit ihr alleine war, zog er sie hinter sich her und brachte sie direkt in ihre Räumlichkeiten. Sie hatte schon eine gewisse Vorahnung und ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, als die Tür hinter ihr zu fiel. Jetzt waren sie alleine und sein Blick, der voller Gier und Sehnsucht sprach, machte es nicht minder gefährlich.
Nicht das er ihr wehtun würde, aber es stand in seinen Augen, er wollte sie. Seine glühenden Augen schauten sie von oben bis unten an, wobei sie sich jetzt schon nackt fühlte.
„Wie war dein Tag gewesen, meine Vahdin?“, wollte er von ihr wissen und er kam wie ein Raubtier auf sie zu.
„Gut“, brachte sie kaum Worte über ihre Lippen, weil sie ihn nur anstarren konnte. Er war atemberaubend und wie er sie anschaute, machte sie einfach nur schwach.
„Ist das alles, was du mir zu erzählen hast, wo ich dich fast den ganzen Tag nicht bei mir haben konnte?“, knurrte er vor Verlangen und sie schluckte schwer.
Plötzlich war ihr völlig heiß und ihre Brust zu eng, während sie ihn beobachtete. Würde sie jetzt noch einen Augenblick hier stehen, schwor sie sich, er würde sie mit Haut und Haaren auffressen. Darum wandte sie sich ab und wollte ins Bad rennen. Wie zu ihrem leidtragenden, kam sie nicht weit, als er sie um ihre Hüfte packte.
Aufschreiend protestierte sie gegen ihn, als er sie wie Nichts hochhob und zum Bett trug. Ihre Gegenwehr war praktisch nicht mehr vorhanden und sie lachte leicht darauf, weil er so begierig auf sie war. Sie konnte seinen Hunger spüren und seinen angespannten Körper, der vor Lust bebte. Ihr ging es ja nicht anders, wie sehr sie es auch abstreiten wollte.
Lucien spielte mit ihr in jeden erdenklichen Ebenen, was sie außerordentlich entzückte. Noch nie hatte sie sich so lebendig gefühlt, als in seiner Gegenwart.
„Lucien...“, stöhnte sie seinen Namen, als er begann sie innig zu küssen.
„Genau so will ich meinen Namen aus deinem Mund hören“, raunte er an ihren Lippen, während er sie überall berührte.
Dabei spürte sie nicht einmal, wie schnell er sie von ihrer Kleidung befreit hatte. Irgendwie tat sie das nie, wenn er so stürmisch und wild war. Eine kalte Brise strich über ihre Haut und sie bekam eine leichte Gänsehaut, je mehr er sie reizte.
Seine Küsse wanderten von ihren Lippen, zu ihren Hals und weiter nach unten, bis er ihre Brüste erreichte. Ohne auch nur Erbarmen zu zeigen, leckt und saugt er an eine ihrer Brustwarzen, und diese Empfindung durchfuhr sie wie ein Blitz. Sie bäumte sich stöhnend und voller Lust auf, als er noch gieriger an ihrer Brust saugte und anfing leicht zu knabbern. Das tat er oft, wenn er sie verführte.
Luciens Hände wanderten derweil überall an ihrem Körper entlang und es gab keine Stelle mehr, wo er sie noch nicht berührt hatte. Sie müsste vor Scham im Erdboden versinken, aber nichts konnte dagegen halten, welche Lust er in ihr auslöste. Die sich stetig und immer weiter steigerte, je mehr Lucien ihrem Zentrum der Lust kam, das voller Sehnsucht und Erwartung pochte. Wie oft hatte er ihr schon so viele Momente gegeben, wo sie bald wahnsinnig vor Begehr nach ihm wurde und jedes Mal erlöste er sie, was sie bis in ihre tiefsten Mauern erschütterte.
Heiß und sinnlich berührte er sie, wobei sie sein Feuer spürte, das in ihm wohnte. Jedes Mal, wenn er sie so berührte, wusste sie, er übertrug ihr immer ein Teil seines Feuers, weil sie regelrecht dahinschmolz. Sie war regelrecht Wachs in seinen Armen.
„Lucien, ich kann bald nicht mehr“, entfuhr es ihr und sie wandte sich unter ihm, weil er halb auf ihrem Körper lag und seine Hand zwischen ihren Beinen wanderte.
Emmanline zuckte zusammen, kaum das er sie an der empfindlichsten Stelle berührte und mit seinen Daumen ihre Klitoris umspielte.
„Du wirst noch viel mehr aushalten müssen, jetzt wo ich dich wieder zwischen meinen Fingern habe“, lachte er leicht amüsiert auf und drang mit einem Finger in ihr ein, was sie aufschreien ließ. „Du hast mich warten und leiden lassen, was ich jetzt sichtlich bestrafen muss.“
Ihre Schreie wurden immer lauter, je weiter er mit seinen Finger in sie eindrang und sich in ihr bewegte.
„So feucht und so eng. Nur für mich“, klang große Besitzgier und Zufriedenheit aus seiner Stimme. „Sag das du mir gehörst“, verlange er mit einem Knurren von ihr.
Ihre Sinne waren wie benebelt und sie war außer sich vor Verlangen. Sie verstand ihn kaum noch, weil seine Worte gering zu ihr vordrangen. „Ja“, keuchte sie atemlos. „Ich...gehöre dir.“
Voller Zufriedenheit brummte er und fing wieder an ihren Körper mit Küssen zu bedenken, die weiter nach unten gingen, bis er zwischen ihren Beinen lag. Sie wusste was kommen würde und war noch immer nicht darauf vorbereitet, welche Empfindungen er damit auslöste.
„Ich muss dich jetzt schmecken und auf meiner Zunge spüren“, stöhnte er voller Ehrfurcht und seine Augen glühten wie das reinste Gold.
Oh, du meine Güte, stöhnte sie innerlich auf, weil nichts auf das vorbereiten konnte, was jetzt kam, als sein heißer Mund sich auf ihre Scham legte. Ein kurzer erstickter Schrei fuhr ihr über die Lippen, so lustvoll war es. Luciens Zunge leckte begierig immer wieder über ihre empfindliche Lustperle, was ihr den Verstand raubte.
„Ich habe dich so sehr vermisst“, knurrte er stöhnend in ihren Gedanken und das war noch intensiver wahrzunehmen, als wenn er es mit seinem Lippen ausgesprochen hätte. Dies tat er zurzeit öfters, wenn sie miteinander intime Momente hatten und es verfehlte nie ihre Wirkung. Denn kurz darauf erlebte sie einen Höhepunkt, der ihren ganzen Körper durchschüttelte.
Lucien liebte es, wenn Emmanline jedes Mal ihren Gipfel der Lust erreichte und er Augenzeuge davon war, wie sehr sie es genoss. Er konnte es genau spüren und seine geliebte Gefährtin war wie Wachs in seinen Händen. Er liebte es einfach, sie jedes Mal zum schmelzen zu bringen.
Ihr zitternde nackte Leib lag wie ein Festmahl vor ihm, wovon er eine so köstliche Probe genommen hatte, dass er seine Lippen von ihren Liebessaft lecken musste. Er bekam nie genug von ihr und er könnte das stundenlang fortführten, nur um seiner Gier nach ihr Befriedigung zu verschaffen. Und er wusste, er würde sie nie wirklich bekommen, weil er diese Frau immer besitzen musste.
Seine Küsse wanderten von ihren Oberschenkeln zu ihrem zarten Bauch hinauf und er schmeckte ihre Süße der Haut. Ein Knurren der unglaublichen Sehnsucht entfachte sein Feuer mehr in ihm, wie sehr er jetzt in ihr eindringen musste. Er brauchte sie hier und jetzt.
Mit einem einzigen Stoß, drang Lucien in sie ein und es war wie jedes Mal, überwältigend. Ihre innere Hitze umschloss seinen Schwanz wie ein samtiger enger Handschuh. Nun wo er in ihr war, konnte er sich nicht mehr zurückhalten und musste immer wieder in ihr eindringen. Mit harten und festen Stößen. Das brachte ihn ein, das Emmanline sich fest in seinen Rücken krallte und als er zu ihr hinab schaute, hatte sie ihre Augen vor Lust geschlossen. Ihr Kopf lag tief im Nacken, ihr Haar lag wie schneeweißer Samt um ihr, wobei ihre Haut leicht gerötet war. Es war ein Kontrast, was ihn schier antrieb. Sie war atemberaubend schön und verdammt sexy, je öfter er sie betrachtete.
Emmanline schrie auf, weil ein nächster Höhepunkt sie überrollte. Er konnte es dadurch spüren, wie ihr Innerstes sich eng um seinen Schaft zusammenzog. Das brachte ihn beinahe um und er konnte seinen Kopf nur in den Nacken legen, während er seine Augen vor Genuss schloss. Doch er musste sich zusammenreißen, damit er nicht gleich in ihr kam, denn er wollte es noch länger genießen. Noch länger in ihr sein und in ihrer Ekstase baden.
„Lass dein Licht frei. Ich will es sehen“, befahl er ihr mental und es brachte ihn einen unglaublichen Anblick. Emmanlines Blick, den sie ihm jetzt zu warf, stockte ihm schier den Atem.
Ihre silbernen Augen waren wie flüssiges Quecksilber, was ihn zu verbrennen drohte. Obwohl er selbst ein Feuerdrache war, aber sie besaß ein Feuer, welches ihn zum entflammen brachte und in ein Häufchen Asche verwandeln konnte. Keine Frau brachte ihn je so Brand, dass er vor ihr niederknien und dermaßen schwachen machen würde. Sogar ihr die Welt zu Füßen legen. Sie war diese Frau, die alles verkörperte und er alles für sie tun würde. Selbst die Welt in Brand setzen, nur um sie zu besitzen und zu beschützen.
Stumm folgte Emmanline seinem Befehl und lies alle Hüllen von ihr fallen. Ihr inneres Leuchten strahlte bis nach außen und er konnte erkennen, jetzt wo er ihr tiefstes Geheimnis wusste, welches Wesen sich in ihren Augen zeigte. Ihr Einhorn war genauso ergriffen, wie sein innere Drache. Er brüllte voller Triumph auf und konnte es noch immer nicht fassen, sie gehörte ihm.
Es stand in jeder Faser ihres Seins und er wusste, so würde es immer sein. Egal was kommen mag. Nicht weil sie Seelengefährten und füreinander bestimmt waren, wie es das Schicksal voraus gesagt hatte, sondern, weil sie tiefer füreinander empfanden. Sie empfanden auf einer Ebene, die tiefer im Herzen zu sehen war, als es zu begreifen möglich war. Keiner könnte je begreifen, wenn sie nicht schon einmal so empfunden hatten, was von Anfang unmöglich war zu trennen. Keiner würde es je schaffen, weil dieses Band unzerstörbar war.
Noch stärker wusste er, diese einmalige Frau in seinen Armen und die sich unter ihm vor Lust räkelte, gehörte ihm mehr, als sein Leben ihm lieb und teuer war. Sowie sein wertvollster Schatz. Niemals könnte er sie gehen lassen, egal was kommen würde und tun müsste, um es zu bewahrheiten.
All seine Lust und Gier nach ihr steigerte sich ins unermessliche, was sein Schwanz regelrecht zum pulsieren brachte und er konnte sich noch weniger zurückhalten, wie je zuvor. Lucien vergrub sein Gesicht in ihrer Halsbeuge und er konnte ihren herrlichen Duft nach dem sonnigen einatmen. Er liebte es so sehr und es spornte ihn nur noch mehr an. Auch, als ihre kleinen Arme und schlanken Beine seinen Körper umschlangen, als wäre es eine stumme Bitte nicht aufzuhören. Er drang so noch tiefer in ihre warme und feuchte Hitze ein, was ihn zum erstickten stöhnen brachte.
Ihre Körper waren mit einer Schweißschicht bedeckt und er wusste, lange würde er sich nicht mehr zurückhalten können, bis er einen mächtigen Höhepunkt erreichte. Er konnte den Druck spüren, der sich in seinen Lenden breit machte und ihn zu übermannen drohte, dass er Sterne vor seinem inneren Auge sehen konnte.
„Lucien ...“, schrie sie seinen Namen aus und kam ihren nächsten Orgasmus nahe, was noch heftiger über sie hereinbrach, wie er es zuvor gespürt hatte.
Jetzt konnte Lucien dem Druck und Drang nicht widerstehen, als mit seinen Zähnen an ihrem Hals zu beißen. Er war vorsichtig und tat ihr damit nicht weh, er wusste es, denn sie kam erneut um ihn herum und sie versteifte sich am ganzen Körper. Kurz darauf folgte er ihr und schrie voller Lust auf, als die Welle der Erlösung über ihn schwappte. Ihre Zuckungen, was ihr Innerstes auslöste und seinen hartes Glied beinahe zerquetschte, da konnte er nicht gegen ankommen. Es war so mächtig und intensiv, er brauchte diese Befreiung seiner Qual.
Sein heißer Samen ergoss sich in einem Strom in ihr, was pulsierend aus ihm schoss. Selbst sein Körper war davon betroffen, welche Heftigkeit ihn da übermannte. Erst als er sich langsam beruhigte und auch sein Atem etwas fließender kam, bemerkte er, wie fest sich ihre Nägel in seinen Rücken gekrallt hatten. Eigentlich sollte er Schmerz dabei empfinden, aber für ihn war es eine Befriedigung, wie fest sich Emmanline an ihn klammerte und halt bei ihm suchte, um nicht von ihrer Lust überflutet zu werden.
Langsam sammelte Lucien seine restliche Energie zusammen und rappelte sich etwas auf, um ihr ins Gesicht zu blicken. Ihre wunderschönen Augen waren geschlossen und sie lag ruhig da. Da einzig was hektisch bei ihr ging, war ihr Atem, als sie versuchte Luft zu holen.
„Ist bei dir alles ok?“, hörte sich seine Stimme rau und heiser an. Vollkommen fremd in seinen Ohren.
Flatternd kamen ihre Augenlider zum öffnen und er konnte in ihrem Blick erkennen, wie befriedigt und gesättigt sie aussah. Er genoss diesen Ausdruck an ihr.
„Ja“, flüsterte sie heiser und hob eine Hand zu seiner Wange hin, die sie zärtlich berührte. „Du machst dir immer zu viele Gedanken, Lucien“, meinte sie zu ihm und ein kleines Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. „Doch, du hast mich gebissen“, klang es schon fast anklagend, aber auf spaßiger Seite.
Diese Seite mochte er an ihr, die sie entwickelt hatte und seinen Drachen auf verspielten Niveau reizte. Er fand Gefallen daran und er konnte sich selbst nicht zurückhalten, um das Gleiche mit ihr zu tun.
„Ich kann nichts dafür, du schmeckst mir einfach zu gut“, gab Lucien einen Beweis, indem er mit seiner Zunge über die Innenfläche ihrer Hand leckte. Als Zeichen, das es ihr gefiel, keuchte sie auf und er spürte, wie sie sich innerlich zusammenzog, weil er noch immer mit seinen Schaft in ihr steckte.
„Du kannst es einfach nicht lassen“, schaute sie mit einem herrlichen und verführerischen Blick zu ihm auf, was ihn erneut erregte. Diese Frau würde eines Tages seinen Tod bedeuten.
„Wenn es um dich geht, nicht. Und du kannst jetzt nicht abstreiten, dass es dir nicht gefallen hat. Immerhin hast du mich auch schon oft genug gebissen. Erinnerst du dich?“, wobei er nur in ihr Gesicht schauen musste, sie erinnerte sich daran.
Eine hauchzarte rote Schicht legte sich bei diesen Gedanken auf ihre Wangen und er genoss dieses Bild, was er sich für immer einprägen würde.
„Das auch nur, weil du mich nicht in Ruhe lassen gelassen hast.“
„Zu Recht, sonst würden wir nie so vereint und befriedigt miteinander verschlungen hier liegen. Ich genieße es sichtlich“, sprach sein Drache aus ihm und ein Knurren kam ihm über die Lippen.
Entsetzt schnappte Emmanline nach Luft. „Lucien De la Cruise, wie oft habe ich dir gesagt, du sollst das sein lassen und diese Anspielungen von dir geben?“, konnte er Empörung aus ihrer Stimme wahrnehmen. Doch er wusste, sie meinte es nie so ernst, wie sie es sagte, wenn er dieses Leuchten in ihren Augen sah. „Macht es dir Spaß, wie oft du mich in derartiger Verlegenheit bringst?“
„Wenn du mich schon so fragst, dann lautet meine Antwort, ja“, lachte Lucien und musste einen Kuss von ihr rauben. „Du weißt doch, wie sehr ich es liebe, solche Reaktionen aus dir zu locken, die nur ich sehen darf. Niemand darf sie hören und sehen.“
Das brachte ein zaghaftes Lächeln auf ihre rosigen Lippen, die er zuvor geküsst hatte. Und am liebsten würde er wieder von vorne anfangen.
„Du bist ein absoluter Charmeur und jetzt weiß ich auch warum dir die Frauen immer zu Füßen gelegen haben“, kicherte sie leicht und sie neckte ihn.
Sein Lächeln wurde breiter. „Aber ich will nur einer Frau zu Füßen liegen, was nicht gerade einfach ist, zu bewerkstelligen. Ich habe lange darauf gewartet und werde mir diese Chance nicht entgehen lassen“, was sein vollkommener Ernst war.
Ihre Augen schlossen sich für einen Augenblick. „Du bist ein sturer und hartnäckiger Drache, was ich schnell begriffen habe. Soweit ich kann, werde ich dir alles geben was ich kann“, versprach sie ihm.
Aber etwas daran, war eigenartig. Als würde sie sich noch immer mit etwas zurückhalten. Aber er konnte nicht sagen, was es genau war, wenn sie nicht mit ihm darüber sprach. Und er wollte sie auch zu nichts drängen, wenn sie nicht freiwillig zu ihm kam. Sie sollte es aus freien Stücken tun und sich ihm ganz anvertrauen, sobald sie dieses Gefühl besaß. Genau das machte doch eine Partnerschaft aus, oder etwa nicht?
Lucien zog sich aus ihr zurück und kam hoch, damit er ihr die Hand reichen konnte. „Komm, lass uns eine Dusche nehmen.“
Tage später wanderte Emmanline an ihrem Platz, wo sie sich immer zurück gezogen hatte, auf und ab. Sie fühlte sich nervös und durcheinander. Sogar etwas verzweifelt, wenn sie noch weiter in sich ging. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und sie hatte das Gefühl, sie würde sich gleich irgendwo verkriechen wollen. Sie wusste einfach nicht mehr was sie machen sollte.
Vor Nervosität kam sie einfach nicht zur Ruhe und sie wusste, was sie erwartete. Ab und an fuhr sie mit ihren Fingern durch ihre weißen Haare, wie Lucien es immer gerne tat, wenn er so fahrig war. Noch nie hatte sie solch derartige Gefühle verspürt und sie steckte damit in wirklichen Schwierigkeiten. In ganz großen sogar.
„Also wenn ich dich weiter so beobachte, fange ich langsam zu lachen, was ich nicht gerade beabsichtige“, erklang Jades Stimme belustigend hinter ihr.
Mit einem Aufschrei fuhr Emmanline herum, weil sie nicht damit gerechnet hatte, dass jemand hinter ihr stand. Zumal auftauchte. Das vielleicht eventuell, aber die falsche Person.
„Oh, hallo Jade. Du bist wieder zurück“, war es nicht als eine Frage formuliert.
„Ja, sieht ganz so aus“, lächelte sie breit und strich mit ihren Händen über ihr rotes Kleid, dass sich wie eine zweite Haut an ihren Körper schmiegte. Sie war wunderschön, sowie sie ihr Haar offen trug, als es wellenförmig auf ihren Schultern lag und ihren Rücken hinabfloss. Selbst ihre Augen waren atemberaubend schön. Leuchtend grasgrüne Augen, die jeden Mann verzaubern würden.
„Wenn du so weiter da lang stolzierst, wage ich noch zu glauben, es entsteht wirklich noch ein Graben. Was ist los, dass dich so aus der Ruhe bringt?“, wollte Jade anscheinend wissen.
Sie schaute Jade an und zögerte ein wenig. Das konnte sie nicht tun. Nicht bevor sie mit Lucien darüber gesprochen hatte. All das wäre vermutlich unfair. Allein ihm gegenüber.
„Ich denke, ich warte noch auf Lucien. Er weiß schon Bescheid und wir wollen uns hier treffen. Und wenn ich ehrlich bin, würde ich gerne als erstes mit ihm darüber sprechen“, lächelte sie leicht und schaute Jade direkt an.
Jade blickte sie durchdringend an, als versuche sie etwas herauszufinden. Plötzlich wurden ihre Augen groß und schnappte entsetzt nach Luft. „Du heiliger Strohsack“, war es das Einzige, was die Frau schockiert sagte und ab da an wusste sie, Jade kannte ihr Problem indem sie steckte.
Noch immer wartete Lucien darauf, das die Sitzung mit seinem Onkel Darius, Cyrill und Hal zu Ende ging. Emmanline hatte vor einer Weile zu ihm mentalen Kontakt aufgenommen und sie hatte sich etwas eigenartig angehört. Er machte sich die ganze Zeit einen Kopf, ob mit ihr alles in Ordnung war. Sie wirkte etwas nervös und aufgelöst. Sie wollte mit ihm reden.
Jetzt wo er mehr darüber nachdachte, machte er sich langsam Sorgen, denn Emmanline war keine Frau, die aufgelöst wirkte. Irgendwas machte ihr zu schaffen und er wollte es so schnell wie möglich herausfinden.
„Lucien, wenn du nicht ganz mit deinen Gedanken bei der Sache bist, können wir das Gespräch auch gerne auf später verschieben“, meinte sein Onkel etwas belustigend.
Luciens Gesicht verdunkelte sich etwas bei dieser Bemerkung. „Nein, alles bestens. Lass uns das schnell beenden.“
„Puh, ganz schön verzwickte Sache, in der du steckst. Du solltest unbedingt mit Lucien darüber sprechen. Er wird begeistert sein“, lachte Jade herzlich auf.
Emmanline schaute Luciens Schwester etwas grimmig an. „Das ist mir keine Hilfe. Ich habe so meine Bedenken und ich weiß nicht, wie das passieren konnte.“
Jetzt lachte Jade nur noch mehr. „Oh, ich weiß in der Tat, wie das passieren konnte.“
Erschöpft und seufzend vergrub Emmanline ihr Gesicht in ihren Händen, was noch verzweifelter wirkte. Sie wollte im Erdboden versinken und solange Lucien nicht hier war, würde sie nicht darüber hinweg kommen. Zumal Ruhe finden. Sofern er nicht einen riesigen Aufstand machte. Das hatte sie alles nicht gewollt.
„Jedenfalls glaube ich nicht, dass es so schlimm ist“, stand Jade von ihrem Platz auf, da sie sich neben ihr auf einen Baumstumpf gesetzt hatte. „Lucien wird es als weniger schlimm empfinden. Nicht weil du seine vorherbestimmte Seelengefährtin bist, sondern weil er dich anscheinend wirklich gern hat. Er ist anscheinend glücklich. Wie sollte er da anders denken?“, zuckte sie belanglos und ohne jegliche Bedenken mit ihren Schultern. „Ich muss jedenfalls jetzt los, weil ich noch was wichtiges erledigen muss. Es kann einige Zeit dauern, bis ich wieder zu Besuch hierher kommen kann. Wenn du willst, kann ich dir ein schönes Mitbringsel mitbringen“, zwinkerte sie ihr zu und lachte noch weiter, bevor Jade endgültig verschwand.
Emmanline wusste, Jade war gerissen und klug. Vermutlich hatte sie wieder einen Auftrag, um Informationen zu besorgen. Durch Lucien wusste sie, wie gut sie in der Sache war und selbst wusste sie auch, es war eine gefährliche Sache. Jade war aber keine Frau, die vor irgendwas zurück schreckte und darauf achtete, in welche gefährlichen Situationen sie steckte. Manchmal hatte sie das Gefühl, diese Frau liebte die Gefahr und den Nervenkitzel.
Doch war die ganze Sache so einfach, wie Jade es behauptete? Konnte sie dem wirklich vertrauen und es als so belanglos abtun?
Ihre Antwort war so leicht und sie konnte weiterhin verzweifelt mit dem Kopf schütteln. Nein, sie konnte es nicht, weil ihr Herz noch immer so stark in der Brust schlug.
„Wenn das nicht mein verlorenes Schäfchen ist“, drang eine eiskalte und monotone Stimme an ihr Ohr, dass sie vor Schreck und Kälte erstarren ließ. Selbst die Luft blieb ihr im Halse stecken.
Vor innerer eisiger Kälte, wandte sie sich zu der Gestalt um, der solange ihr ganzes Leben zur Hölle gemacht hatte.
Culebra
Er war wirklich hier, in seiner ganzen Gestalt und sie sollte noch nicht einmal schockiert darüber sein. Sie hatte es selbst gewusst und auch gesagt, eines Tages würde er sie holen kommen. Doch vielleicht hatte sie einen inneren Wunsch gehabt, er würde vorher gefunden werden. Vielleicht auch zur Strecke gebracht. Sie sollte etwas ehrlich zu sich selbst sein, es wäre nie passiert, ohne das dieser abscheuliche Drache etwas schreckliches tat.
Ergebend sackten ihre Schultern nach unten, weil sie genau wusste, sie hätte keine Chance zu entkommen. Jetzt konnte sie nur hoffen, das Lucien nicht vorher hier auftauchte. Nicht alleine und wenn sie mentalen Kontakt zu ihm aufnahm, wusste sie genauso, er würde es mitbekommen. Denn neben ihm standen zwei weitere Wesen, die sie zwar noch nie zuvor gesehen hatte, aber keine Sekunde zögern würden, ihr etwas anzutun. Egal was sie jetzt tat, es gab nur eine Möglichkeit.
Endlich war die Sitzung zu Ende und Lucien konnte sich endlich davon losreißen, um zu Emmanline zu gelangen. Er musste sich am Ende noch ziemlich konzentrieren, aber er hatte es geschafft. Dabei verspürte er ein eigenartiges Gefühl in sich, dass irgendwas nicht stimmte. Er konnte es einfach nicht abschütteln, je mehr er es versuchte zu verdrängen. Anstatt wurde es nur noch schlimmer und intensiver.
„Was ist los, Lucien?“, sprach ihn sein Onkel an, die sich noch immer in seinem Arbeitszimmer befanden.
„Ich weiß es nicht. Irgendwas stimmt hier nicht“, stand er auf und begab sich schnellst möglich zur Tür. Er musste zu Emmanline und zwar sofort. „Ich habe ein eigenartiges Gefühl, dass mit Emmanline etwas nicht stimmt.“
Lucien konnte spüren, Cyrill und sein Onkel folgten ihm. Doch darum kümmerte er sich nicht mehr und rannte los. Sein Drache drängte ihn genauso dazu.
„Lucien ...“, konnte er nur noch Darius von weitem schreien hören.
Er stürmte über den großen Platz und durch den Garten in den Wald. Noch nie kam ihm ein Weg soweit vor, wie zu ihr zu erreichen. Er rannte wie ein Blitz durch den Wald und es scherte ihm nicht im geringsten, was andere dachten oder wie sie ihn sahen. Er wollte lediglich zu seiner Gefährtin und sehen, ob es ihr gut ging. Sie sogar in seine Arme reißen, damit er ruhigen Gewissen sein konnte.
Doch kaum hatte er die Lichtung erreicht, traute er seinen Augen nicht und für den ersten Augenblick blieb er wie angewurzelt stehen. Welches Bild ihm da bot, gefror ihm das Blut in den Adern und dann breitete sich eine nackte Angst in ihm aus. Wobei eine unsagbare Wut in ihm hochkochte.
„Culebra“, knurrte Lucien so tief, dass sein Zorn und seine Abscheu nicht zu überhören waren.
Emmanline, die zu diesem Bastard gehen wollte, blieb wie versteinert stehen. Hatte sie gerade etwa vorgehabt, zu ihm hinzugehen? Nein, das konnte er nicht glauben.
Mit schnellen Schritten ging er auf sie zu und zog sie zurück.Dieser kranke Mistkerl durfte sie nicht bekommen. Immerhin hatte Lucien versprochen sie zu beschützen und das würde er mit allen Mitteln tun.
„Aaaah“, zog Culebra das Wort überflüssig in die Länge. „Wenn das nicht unser König ist“, lachte er voller Hohn auf. „Ich habe mich schon gefragt, wann du hier auftauchen würdest.“
„Du wirst sie nicht bekommen, du mieser Bastard“, funkelte er ihn mörderisch und bedrohlich an. „Nie wieder“, dabei ließ er auch nicht die anderen beiden Gestalten außer acht, die neben diesen verräterischen Drachen standen. Es waren zwei Dschinns. Aber was hatten sie bei ihm zu suchen? Machten sie mit ihm gemeinsame Sache?
Culebra lachte weiter auf, was ihn rasend vor Wut machte. „Ich werde sie bekommen, weil sie mir gehört“, versteinerten sich seine Gesichtszüge urplötzlich, was jeden in Angst versetzen würde, der keine Macht besaß. Doch er war anders. Er konnte sich behaupten.
Plötzlich regte sich Emmanline in seinen Armen und so schnell erkannte er nicht, wie ihm geschah, bis Lucien einen unsagbaren Schmerz in sich verspürte. Nicht weil gerade ein spitzer Dolch in ihm steckte, sondern, weil Emmanline diejenige gewesen war, die es getan hatte.
Sein Drache brüllte vor Schmerz auf und das seine geliebte Gefährtin es gewagt hatte, einen Dolch in sein Herz zu rammen.
Er sackte mit einem Knie vor ihr zusammen und als er in Emmanlines Gesicht schaute, konnte er nur eisige Regungslosigkeit erkennen.
„Hast du jemals gedacht, wir könnten ewig zusammenbleiben?“, war es ein Vorwurf, das ihn schier das Herz brach, wenn nicht schon ein scharfer Gegenstand in ihm stecken würde. „Dann bist du naiver als alles, was ich je kennengelernt habe. Vor allem, das du all meinen Worten geglaubt hast, die ich dir je erzählt habe.“
Im Hintergrund konnte er Culebras amüsiertes Lachen hören, aber er achtete schon lange nicht mehr darauf, weil er seinen Blick nicht von Emmanline lösen konnte. Denn ihm beschlich das Gefühl, sie habe ihn hintergangen, oder sogar verraten. Auch wenn er nie daran geglaubt hätte. Er hatte ihr vertraut.
„Wer hätte das gedacht?“, verhöhnte der Mistkerl ihn. „Wie fühlt es sich an, von der einzigen Frau verraten zu werden, die du anscheinend so sehr liebst? Ich habe dir gesagt, sie gehört mir und so wird es immer sein.“
Kaum noch drang ein Wort zu ihm durch, als er nun auf allen Vieren saß. Lucien spürte, wie seine Kraft verschwand und sein Herz zu versagen drohte. War es wirklich wahr und er wurde von der einzigen Frau verraten, die er je geliebt hatte? Oder lieben würde?
„Du hättest wirklich auf mich hören sollen, Drachenkönig“, war es Emmanlines Stimme, welche noch schwach in sein Ohr drang. Die eisige Kälte entging ihm trotzdem nicht. „Du hättest mich entweder fortschicken oder irgendwo dort einsperren sollen, wo mich niemand findet. Ich verachte euch Drachen noch immer und es wird immer so bleiben. Ich werde nie vergessen, was ihr mir alles genommen habt. Nicht ihm. Oder gar dir.“
Je weiter er dem Boden näher kam, umso schwächer wurde seine Sichtweise. Er konnte so nicht sterben, aber dabei wusste er es besser. Sein Herz wurde direkt mit einem Dolch durchbohrt und auch auf bestimmte Weise konnte das auch einen Unsterblichen töten. Irgendwas stimmte nicht mit diesem Dolch. Er konnte es regelrecht spüren, seine Lebenskraft wurde aus ihm herausgesaugt.
Emmanline entfernte sich langsam mit leisen Sohlen von ihm und jetzt konnte er laute Schreie hören. Für ihn kamen sie von weiter Ferne und er bekam nichts mehr aus seinem Umfeld mit. Nur noch Emmanline, die sich immer weiter von ihm entfernte und zu Culebra ging. Er bekam nicht einmal mit, wie er zurück gerissen wurde. Seine Augen waren so sehr auf die eine Frau fokussiert, die ihn schändlich verraten hatte.
Wenn sie ein einziges Mal zurückblicken würde und nur einen winzigen Blick ihm zuwarf, würde er sie verstehen und es vielleicht akzeptieren. Aber sie tat es nicht, sondern verschwand mit diesem Verräter im Nichts. Sie war verschwunden und der einzige Gedanke, der nur noch durch seinen Kopf kreiste, war, er konnte sie nicht beschützen und er wurde auf schändliche Weise hintergangen.
Selbst als sein Herz aufhörte zu schlagen, war ihm nichts mehr so unwichtig, wie dieser Augenblick, als er starb. In dem Gewissen, er hatte seine Seelengefährtin für immer verloren.
Vielen lieben Dank an all meine Leser und das ihr solange mit mir durchhalten habt. Sogar unterstützt, dass ich dieses Buch fertig bekommen habe. Auch wenn es eine längere Zeit war, wie ich es mir eigentlich vorgestellt hatte. Eigentlich sollte es schon eher fertig werden, aber es kam hin und wieder doch was dazwischen.
Trotzdem wollte ich es fertig bekommen und mein erstes Buch zu der Reihe „Fellow Soul“ zu Ende bringen, weil es ja eigentlich noch viel weiter gehen soll. Ich habe noch weitere Bücher geplant und so kann ich diese Geschichte ja auch nicht Enden lassen. Ich beende daher dieses Buch und wollte mit einem Neuen anfangen, weil ich es Standard gemäß machen wollte, was die Seitenanzahl eines Buches gerecht werden würde. Da diese Story doch mehr beinhaltet, als wie ich es zu Anfang geplant hatte, teile ich es auf zwei Bücher auf. Also die Geschichte ist noch lange nicht zu Ende und ich würde mir auch wünschen, wenn ihr im Zweiten Buch „Gebieter des Feuers und der Unsterblichkeit“ vorbei schauen würdet. Wer Interesse hat und wissen will, wie es weiter geht, kann es gerne jetzt schon anfangen. Ich habe schon mit einem neuen Prolog und dem ersten Kapitel angefangen.
Vielen lieben Dank an alle die mich so unterstützt haben und auch, die es weiterhin lesen werden. Nun wünsche ich euch viel Spaß und einige Minuten oder Stunden, die das in Anspruch nehmen würden.
Liebe Grüße Eure Pai
Publication Date: 02-13-2014
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