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Ein ganz normaler Tag...

Mein Wecker riss mich grausam aus dem Schlaf und ich drehte mich stöhnend in seine Richtung. Ich hatte absolut keine Lust aufzustehen und trotzdem bimmelte das verdammte Ding einfach weiter. Was für ein Egoismus! Langsam streckte ich mich und zuckte direkt zusammen. Meine Beine fühlten sich an als würden sie brennen. Verdammter Muskelkater! Ich sollte weniger laufen. Der Wecker machte unermüdlich weiter also drehte ich mich ganz um und stellte ihn ab. Jetzt bloß nicht wieder einschlafen. Ich schob die Decke weg und setzte mich auf. Vorsichtig versuchte ich aufzustehen und musste mir verkneifen einfach wieder ins Bett zu fallen. Irgendwie musste ich es ins Bad schaffen. Unter meine geliebte Dusche! Stehen klappte schon mal einigermaßen, wie es mit laufen aussah wollte ich eigentlich gar nicht wissen. Trotzdem schob ich mein rechtes Bein ein Stück nach vorne und legte langsam Gewicht darauf. Verfluchte Scheiße tat das weh! NIE WIEDER! Ok, das sagte ich jedes mal. Ich konnte es einfach nicht lassen... VERDAMMT! Es waren nur noch ein paar Schritte zum Bad und damit auch nicht wesentlich weiter zu meiner Dusche. Ich zog mein linkes Bein vor mich und ging nach und nach 20 verfluchte Schritte. Geschafft! Unter dem harten, heißen Wasserstrahl entspannte ich mich sofort und ausgiebig wusch ich meine Müdigkeit einfach weg. Man war das himmlisch. Am liebsten wäre ich einfach zu Hause geblieben und hätte mich mit den wichtigen Dingen des Lebens beschäftigt, doch leider rief die Schule. Gezwungenermaßen drehte ich also das Wasser ab und stieg aus der Kabine. Schnell wickelte ich mir ein flauschiges Handtuch um und kämmte meine nassen Locken. Mich abtrocknend ging ich zurück in mein Zimmer. Die Haare würden schon von alleine trocknen. Vor meinem Kleiderschrank stehend, fragte ich mich dann wie wahrscheinlich jedes Mädchen: WAS ZUM TEUFEL ZIEH ICH AN? Eine einfache Jeans und ein schwarzes RiseAgainst-Top sollten passen. Ich zog also bequeme schwarze Unterwäsche, schwarze Socken, schwarze Jeans und ein schwarzes Top an. Ein ganz gewöhnlicher Tag eben. Zwar wollte ich noch mit einer gewissen Leja Harold ein "Gespräch" führen aber selbst das war für mich mehr oder weniger normal geworden. Man gewöhnt sich mit der Zeit an die komischsten Dinge und bei mir war es eben das Töten von Vampiren. Tja, so kann es laufen... Ich schnappte meine Tasche und lief runter in die Küche. Mein Magen meldete sich bereits lautstark und bisher hatte ich noch immer auf ihn gehört. Etwas Joghurt und Müsli waren schnell gemischt und verdrückt. Das sollte erst mal reichen. Ich öffnete meine Tasche und suchte nach meinen Wurfmessern, doch anscheinend hatte ich sie vergessen. Typisch für mich. Vielleicht hatte ich im Wohnzimmer noch welche rumliegen. Und tatsächlich steckten noch drei in der Wand neben dem Fernseher und zwei im Boden vor der Couch. Nachdem ich die fünf Messer eingesammelt und verstaut hatte, zog ich meine Springerstiefel an, schnappte mir meine Lederjacke und trat vors Haus. Ich liebte den Herbst. Überall lagen Blätter in den verschiedensten Schattierungen von braun über rot bis gelb. Die Sonne war nicht so furchtbar stark und es wehte eine angenehme Brise vom Wald herüber. Es roch nach Tannen und feuchtem Gras. Mir war zwar nicht kalt, doch aus Gewohnheit zog ich meine Jacke über und lief zum Auto. Ich öffnete die Tür warf die Tasche auf den Beifahrersitz und setzte mich. Dann zog ich zwei meiner Messer aus der Tasche und schob sie in die zwei Schnallen auf der Innenseite meiner Stiefel. Zwei weitere Messer fanden in den Geheimfächern meiner Jacke Platz und das letzte schob ich in meinen Ärmel. Jetzt durfte ich mir nur nicht die Schlagader aufschneiden. Der Motor startete ohne Probleme und rückwärts fuhr ich die Auffahrt hinunter, um mich dann in den gemächlichen Morgenverkehr einzufädeln. Auto fahren fand ich schon immer irgendwie entspannend, doch mit Tee war alles besser. Also hielt ich bereits nach zehn Minuten Fahrt an und sprintete zur Teekanne. Ein süßer kleiner Teeladen in einer der Nebenstraßen nahe dem Stadtrand, wo Elisabeth schon auf mich wartete und mir direkt einen Kirsch-Johannisbeer-Tee in die Hand drückte.

"Guten Morgen und Danke", begrüßte ich sie.

"Morgen. Und, wie immer, kein Problem.", kam die Antwort mit einem mitleidigen Lächeln.

Wirklich niemand mochte die Schule! Ich zahlte schnell und lief zurück zum Wagen. Hoffentlich kam ich nicht schon wieder zu spät. Irgendwie verschwor sich ständig der Verkehr gegen mich, wenn ich es mal wieder eilig hatte zur Schule zu kommen. In der Stadt herrschte furchtbarer Stau und alle hatten natürlich keine Zeit und waren so früh morgens gereizt. Ich konnte sie alle nur zu gut verstehen. Ganz langsam kam ich vorwärts und schließlich kam ich sogar zehn Minuten vor Unterrichtsbeginn an. Mein Parkplatz war zwar nicht der Beste, aber was soll´s. Jetzt blieb sogar genug Zeit mit Asira noch eine zu rauchen. Herrlich, ein Tee, eine Zigarette und meine beste Freundin am Morgen. Kaum, dass ich sie gesehen hatte, besserte sich meine Laune schlagartig. Sie war die einzige, die über mich und Vampire aufgeklärt war. Ich wusste nicht was ich ohne sie machen sollte und es war ein Wunder, dass wir uns angefreundet hatten. Eigentlich waren wir sehr verschieden, doch irgendwie störte es keinen. Also freute ich mich über die wichtigste Person in meinem Leben und umarmte sie. Aus meiner Jackentasche zog ich eine Schachtel mit Kippen und gab Asira Eine. Nachdem ich mir Eine angesteckt hatte, nahm ich einen tiefen Zug und war glücklich mir nicht um meine Gesundheit Sorgen machen zu müssen. Dafür konnte ich mir um ganz andere Dinge sorgen. Zum Beispiel wie ich ohne aufzufallen Leja klar machen konnte, dass sie gefälligst aufhören sollte die Schüler anzuzapfen.

"Ist irgendwas? Geht´s dir gut?", fragte Asira besorgt.

"Nein, alles ok. Ich hab nur nachgedacht."

"Worüber denn?"

"Über Leja."

"Oh. Weisst du immer noch nicht wie du es anstellen sollst?"

"Nein und so langsam läuft mir die Zeit weg. Jeden Tag ist jemand anderes dran. Wenn sie auch nur auf die Idee kommt einen von euch anzufassen, werde ich ihr den Kopf abreißen!"

"Hey! Ganz ruhig, ok?"

Asira umklammerte meine Handgelenke. Ich hatte ohne es zu merken meine Hände zu Fäusten geballt und atmete angestrengt gegen meine Wut. Jetzt nicht die Selbstbeherrschung verlieren.

"Ok.", antwortete ich.

Daraufhin lies sie mich los und ich sah wie Aaron auf uns zu kam. Vo und die anderen folgten ihr und winkten mir bereits zu. An meinem Tee nippend warf ich Asira einen Blick zu. Wir verstanden uns bereits ohne Worte und sie lies das Thema fallen, bis wir irgendwo ungestört waren. Lächelnd drehte sie sich um und umarmte den leicht verdutzten Aaron, der sie eigentlich hatte erschrecken wollen. Bisher hatte ich immer noch nicht verstanden wie sie das eigentlich machte. Egal wer versuchte sich an sie heranzuschleichen wurde dabei ertappt. Es war faszinierend das ein Mensch solch scharfe Sinne besaß und natürlich habe ich mir genau so Eine zur besten Freundin ausgesucht. Ironie des Schicksals. Wir knuddelten uns alle einmal gegenseitig und stellten uns dann gewohnt im Kreis auf, während Asira und ich uns wie immer auf den Zaun setzten. Nachdem ich Aaron auch eine Zigarette abgegeben hatte, wurde die morgendliche Stimmung langsam besser. Mann, waren wir ein komischer Haufen an Leuten. Trotzdem hatten wir uns alle gern und verbrachten die Schulpausen, sowie unsere Freizeit gerne miteinander. Eigentlich war ich kein besonders geselliger Mensch, doch Vo, Aaron, Asira und meine Band waren mir wichtig geworden. Ziemlich untypisch für mich... Meine Bandjungs hatten wohl mein Auto gesehen und kamen kurz vorbei. Alle drückten mich und ich wurde auf einen Schlag wieder traurig. Ich konnte es immer noch nicht fassen, das sie bald alle die Schule hinter sich hatten und wir anderen hier weiter gezwungen wurden Dinge zu lernen, die mehr als unnötig waren. Aber über das Bildungswesen zu streiten war mehr oder weniger sinnlos. Ich hatte es schon mehrmals versucht, nur komischerweise weigerten sich die Lehrer mir zuzustimmen. Ok, vielleicht hatte ich mir nicht die besten Diskussionspartner gesucht aber meine Argumente waren gar nicht mal sooo schlecht. Hacki wollte mich gerade etwas fragen als ihn die Schulglocke unterbrach. Wir mussten zum Unterricht. Ich schnappte mir meinen allerliebsten Bassisten und winkte dem Rest noch schnell zu. Mathe stand als erstes an und Hacki hatte gleich im Raum nebenan dasselbe Fach. Da nun alle Schüler in das Gebäude drängten, mussten wir uns durch die Menge an Jugendlichen zwängen und ich achtete darauf die Luft anzuhalten. Ich hatte nichts gegen meine Mitschüler aber im allgemeinen Stank es furchtbar, wenn so viele Menschen zusammen waren. Selbst im Klassenzimmer atmete ich absichtlich weniger als sonst. Diesen Gestank konnte man einfach nicht aushalten. Schweiß, Angst, Eifersucht und billiges Parfüm waren keine besonders gute Mischung. Endlich war ich mit Hacki vor dem Klassenräumen angekommen.

"Was ich dich fragen wollte... Wie war dein Date?", begann mein bester Freund vorsichtig.

Ich stöhnte genervt auf.

"Es war nett."

"Und weiter?"

"Nix weiter."

"Das heißt du bist nicht interessiert?"

"Genau das heißt es."

"Ok. Aber auf der Arbeit hab ich einen Kollegen der wirklich perfekt für dich wäre.", versuchte er es schon wieder. War ja klar, dass er schon einen Notfallplan hatte.

"Wie heißt er?"

"Niklas."

"Wie alt? Und welche Musik?" Wenn er mir schon wieder eine schlagersingende Pfeife aufhalsen wollte, würde ich ihn ungespitzt in den Boden rammen. Musikgeschmack war nun mal wichtig für mich.

"22 und so ziemlich dasselbe wie ich."

"Ok. Du kannst ihm meine Nummer geben."

"Hab ich doch schon." War ja klar. Hacki brauchte von mir keine Erlaubnis, er machte einfach und ich musste dann zusehen das es mir passt. Manchmal war das echt anstrengend. Es klingelte ein zweites mal, bevor ich ihm die Meinung geigen konnte. Glück gehabt, denn meine Lehrerin kam wie immer pünktlich und öffnete uns die Tür. Wütend funkelte ich ihn nochmal an und verschwand dann im Klassenzimmer. Ich setzte mich auf den gewohnten Platz und holte mein Heft und das Buch aus meiner Tasche. Gerade wollte ich meine Jacke ausziehen, als mir das Messer darin einfiel. Vielleicht behielt ich sie doch lieber an. Da ich ganz hinten saß, konnte ich in Ruhe auch mein Buch herausholen, das nicht wirklich was mit dem Unterricht zu tun hatte. Der Lehrerin war es sowieso egal solange ich mich ab und an beteiligte und gute Klausuren schrieb interessierte sie sich eher für die hoffnungslosen Fälle. Leider traf das auf den Großteil des Kurses zu. Wir hatte gerade mit den e-Funktionen angefangen und ich hatte das meiste bereits zu Hause gelernt also schlug ich Die Tribute von Panem auf und verlor mich völlig in eine andere Welt. Lesen war neben der Musik und der Jagd eine weitere Leidenschaft. So konnte ich mich ablenken und eine Zeit lang vergessen. Die Zeit verflog wirklich schnell und ich schreckte hoch als Jannik mir auf den Arm tippte.

"Wir sollen Stillarbeit machen."

"Und weiter?"

"Ich dachte wir machen das vielleicht wieder zusammen?!"

"Ok."

Jannik war einer der wenigen im Kurs die ganz akzeptabel waren, nur leider gehörte er zur Sorte hoffnungslos. Ich arbeitete eigentlich immer mit ihm zusammen, wenn wir irgendwelche Aufgaben alleine lösen sollte und half ihm etwas. Eigentlich konnte ich mir den Stoff so sogar besser einprägen also machte ich es gerne. Er lies sich also auf den Platz neben mir fallen und wir schlugen unsere Bücher auf. Ein paar relativ einfache e-Funktionen ableiten und eine Kurvendiskussion erarbeiten schaffte Jannik ganz ohne meine Hilfe, doch sobald es etwas komplizierter wurde eilte ich zu seiner Rettung. Ich rechnete vor und er machte es bei der nächsten Aufgabe selbst. Stolz grinste er als er die Lösung hatte und sie sogar korrekt war.

"Fertig. Ist das richtig?"

"Jip. Dein Weg war etwas kompliziert aber das ist nicht so tragisch."

"Cool." Er überlegte kurz und sah mich dann lächelnd an. "Vielleicht Lust heute Abend ins Kino zu gehen?"

"Kommt ganz auf den Film und die Begleitung an."

"Ein paar Freunde von mir und ich wollten uns den neuen Horrorfilm ansehen."

Ich dachte kurz nach. Meine Blutvorräte waren langsam aufgebraucht und ich musste dringend noch trainieren gehen. Meine Beine schmerzten protestierend bei der Vorstellung. Vielleicht machte ich mal eine Ausnahme. Jagen gehen konnte ich davor noch.

"Klar. Den hätte ich mir sonst schwarz im Internet runter geladen."

"Schön. Kannst ja noch ne Freundin oder so mitbringen, wenn du magst. Um dreiundzwanzig Uhr fängt der Film an also treffen wir uns um halb vorm Kino?"

"Geht klar."

Die Schulglocke erlöste uns von Mathe und ich packte langsam meine Sachen zusammen. Das Messer sollte schließlich nicht einfach aus dem Ärmel rutschen. Wenn so etwas jemals passieren sollte wäre ich gänzlich aufgeschmissen. Wie sollte man Wurfmesser in meiner Jacke und meinen Stiefeln erklären. Die sind zu meiner Sicherheit? Würde wohl nicht funktionieren. Ich warf meine Tasche über die Schulter und spazierte ruhig und langsam nach draußen. Hacki wartete schon auf mich. Ich knuffte vorsichtig gegen seine Schulter und streckte ihm gespielt böse die Zunge raus. Er grinste einfach und wir gingen der Schülermenge hinterher auf den Schulhof. Asira saß wie immer auf unserem Platz am Zaun und Aaron hatte sich auch bereits dazu gesellt. Die anderen waren wohl woanders gelandet. Natürlich aus reinem Gruppenzwang steckte ich mir auch eine Kippe an und rauchte mit den beiden zusammen, während sie sich über ihren Deutsch-LK beschwerten.

"Die hat einfach viel zu hohe Ansprüche.", fing Aaron an.

"Wie sollen wir eigentlich so viele Hausaufgaben machen? Ich hab auch noch was anderes zu tun!"

"Ja! Genau! Als hätten wir nur Deutsch und nicht noch neun weitere Fächer."

"Und das Thema ist so unglaublich LANGWEILIG...", setzte Asira verzweifelt hinzu.

"Leute ganz ruhig. Ihr wolltet es eigentlich nicht anders."

"Hör auf dich über uns lustig zu machen. Wir sind verzweifelt, ok?", Aaron sah mich traurig an.

Bis dahin hatte ich mir mein Grinsen verkneifen können, doch ich gab auf. Wenigstens hielt ich meine Klappe. Hacki stand immer noch neben mir und grinste ähnlich wie ich. Wir konnten einfach nicht glauben das jemand FREIWILLIG Deutsch als Leistungskurs wählte. Da fiel mir der Film heute Abend wieder ein.

"Hey Hacki? Lust heute Abend ins Kino zu gehen? In den neuen Horrorstreifen?"

"Klar. Vorher noch auf ein Bierchen?"

"Klar."

Das konnte ja doch noch ein guter Tag werden. Jagen musste ich zwar noch und mit Leja reden war auch noch fällig aber das lies sich schnell erledigen. Vo hatte sich von hinten an mich heran geschlichen. Ihr Herz schlug vor Aufregung etwas schneller und sie versuchte leiser zu atmen, damit ich sie nicht bemerkte. Als sie dann ihre Arme von hinten um meine Mitte schlang, tat ich erschreckt und meine kleine Freundin freute sich. Ein Lächeln schlich sich in mein Gesicht. Sie war so eine süße Maus und trug heute die Schleifenspange, die ich ihr zum Geburtstag geschenkt hatte. Ich behandelte sie schon seit ich hierher gezogen war wie meine kleine Schwester, beschützte sie vor Idioten und trug Diskussionen mit den Lehrern aus. Ihre großen Augen strahlten mich von unten an und ich knuddelte sie. Die Klingel riss uns in die Realität der Schule zurück und ich war wenig begeistert. Deutsch wartete auf mich. Mein absolutes Hassfach. Wer bitte hat sich gedacht lesen, schreiben und sprechen können reicht nicht?! Nein! Wir müssen uns Literatur reinziehen, die wirklich niemanden von uns auch nur ansatzweise interessiert. Einfach nur ätzend! Trotzdem trat ich den Weg zur Schlachtbank an. Wenigstens hatte ich dann vielleicht die Gelegenheit über das Gespräch mit Leja nachzudenken. Wie sollte ich das bitte veranstalten? Normalerweise improvisierte ich aber in der Schule ging das schlecht. Ich musste sie von den Schülern wegbekommen. Genervt seufzte ich und verabschiedet mich von allem mit einem kurzen Winken. Asira sah mich traurig an. Sie wusste worüber ich mir den Kopf zerbrach und wie sehr ich Deutsch hasste. Das war nicht mal übertrieben! Ich hasste diesen Unterricht abgrundtief und damit war ich nicht mal alleine. Meine gesamten Mitschüler waren von den Büchern und der Lehrerin nicht gerade begeistert. Aus meiner Tasche zog ich meine Kopfhörer hervor und setzte sie auf. Bis die alte Schachtel es zum Klassenraum geschafft hatte, konnte ich ruhig noch etwas entspannen. Ich drehte die Lautstärke meines Handys voll auf und sang stumm mit. Nach ein paar Treppen war ich bereits da und natürlich war von meiner Lehrerin noch nichts zu sehen. Ein paar der Schüler sahen mich erwartungsvoll an und ich setzte mich schon in Bewegung. Ich klopfte an der nächst besten Tür und wartete auf eine Antwort. Ein Chor von Kinderstimmen rief: "Herein."

Süß, die Kleinen. Die Lehrerin sah mich und kramte bereits nach ihrem Schlüssel.

"Hier.Bitte."

"Danke. Bis Gleich."

Die Kinder starrten mich alle ängstlich an und ich grinste, während ich durch die Tür wieder auf dem Flur verschwand. Ich schloss auf, drehte mich um und brachte den Schlüssel wieder zurück. Im Klassenraum setzte ich mich auf meinen Platz und zog mein Buch heraus. Lesend und von meiner Lieblingsmusik zu gedröhnt saß ich da und wartete auf den Geruch von Mottenkugeln und zu starkem Parfum, der meine Lehrerin jede Stunde aufs neue ankündigte. Wie immer tauchte sie genau fünf Minuten nach dem zweiten Schellen auf und war zu spät . Ich nahm die Kopfhörer ab und legte mein Buch fürs erste zur Seite. Meine Note in Deutsch war miserabel und versaute mir meinen relativ guten Schnitt, doch ich konnte es einfach nicht lassen mich mit ihr anzulegen. Es war zu witzig. Mal abgesehen vom absolut öden Unterricht und meiner total Verweigerung Hausaufgaben zu machen, hasste mich die Frau vorne am Pult. Normalerweise war ich, komischerweise, Liebling aller Lehrer, doch die Ausnahme bestätigt die Regel.

"Guten Morgen.", grüßte sie uns schlecht gelaunt.

Na, das konnte noch was werden. Fing ja supi an.

"Morgen", antworteten alle im Chor.

Ich war jetzt schon gelangweilt und sie hatte nicht mal richtig angefangen. Ich würde elendig zu Grunde gehen. VOR LANGEWEILE.

"Heute werden wir eine stille Arbeitsstunde abhalten, das bedeutet ich werde Zettel verteilen und ihr werdet leise sein und die Aufgaben darauf bearbeiten."

Ein Stöhnen ging durch die Reihen und man sah die Motivation förmlich aus dem Fenster springen.

"Ach ja und ihr werdet im Laufe der Stunde noch einen neuen Mitschüler bekommen. Er ist vor kurzem hierher gezogen und wird von heute an diesem Kurs beitreten."

Der Arme. Grade hergezogen und noch keine Ahnung welchen Qualen er sich bald aussetzen musste. Die Aufgabenzettel wurden bereits durchgegeben und als ich mir durchlas womit wir uns beschäftigen sollten musste ich lächeln. Sie glaubte doch nicht wirklich, dass auch nur ein Schüler in diesem Raum ernsthaft vorhat irgendwas davon zu machen? Anscheinend schon, denn sie setzte sich seelenruhig hinter ihren Tisch und holte Klausuren hervor. Wir sollten also überflüssige Aufgaben bearbeiten damit sie zu Hause nichts mehr machen musste. Nicht mit mir! Ich holte meinen Block aus meiner Tasche und fing an zu zeichnen. Man konnte so einiges von mir behaupten aber eine Künstlerin würde ich wohl nie werden. Nach knapp zehn Minuten gab ich auf und nahm lieber mein Buch zur Hand. Lesen konnte ich wenigstens. Natürlich kam in diesem Augenblick der neue Leidensgenosse durch die Tür. Genervt hob ich den Blick und starrte den besten Freund meines Exverlobten an. Ich zog scharf die Luft ein. Ein weiterer verdammter Vampir wandelte nun durch meine Schule und es musste ausgerechnet Goldi sein. Warum musste ich immer so ein Glück haben?! Ok, ich durfte mir nichts anmerken lassen. Vielleicht erkannte er mich ja gar nicht. Also wechselte ich von geschockt zu gleichgültig. Versunken in meinen Gedanken hatte ich nicht mitbekommen was die alte Schachtel vorne gesagt hatte und wie er sich hier nannte. Verflucht! Ich sollte besser aufpassen! Keine Panik! Einfach weiter lesen und entspannen. Erst wenn er mich erkannt hatte war er ein ernstes Problem. Was dachte ich bloß? Er war bereits eines und zwar ein ziemlich großes! Und das Problem kam geradewegs auf mich zu.

 

Ein Problem namens Goldi

Schon wieder starrte ich ihn geschockt an, als er sich seelenruhig neben mich setzte. Meine Hände ballten sich zu Fäusten und ich spürte wie meine Eckzähne leicht gegen meine Zunge drückten. Verfluchte Scheiße! Ganz miserabler Zeitpunkt! Zwei Vampire hockten mit mir in einem Raum und einer war vermutlich geschickt worden, um mich umzulegen. So was konnte auch nur mir passieren. Ich zwang mich zur Ruhe und entspannte mich etwas. Meine Fäuste öffneten sich und ich konzentrierte mich lieber wieder auf mein Buch.

"Hi."

Mir lief ein kalter Schauer den Rücken herunter, als ich seine Stimme hörte. Der Typ neben mir hatte bereits zwei mal versucht mich umzulegen und erdreistete sich HI zu sagen?! Das würde nicht einfach werden. Ein einfaches blödes Wort und ich drehte fast durch. Wie sollte ich das bloß überstehen?

"Hi.", antwortete ich vorsichtig. Ok, alles gut. Er durfte nur nicht meine Augen sehen. Sie würden mich verraten.

"Ich bin Rick, aber meine Freunde nennen mich Goldi.", stellte er sich vor.

"Alles klar. Rick."

Ich starrte konzentriert in mein Buch und hoffte inständig er würde mich in Ruhe lassen und meine Stimme nicht erkennen. Mir kam eine Idee. Ein kurzer Blick über den Rand meines Buches genügte um zu sehen, das die Lehrerin sich nicht für uns interessierte. Also zog ich mein Handy hervor und tippte schnell eine SMS an Asira. Ich musste irgendwie hier raus und wieder einen klaren Kopf bekommen. Hoffentlich lies sie sich etwas einfallen. Sonst würde ich hier noch durchdrehen oder jemand bestimmtem an die Gurgel gehen!

"Und wie heißt du?", fragte Goldi mich neugierig.

Verdammt! Das war nicht gut! Überhaupt nicht gut!

"Ok, jetzt hör mir gut zu! Ich habe weder vor mich mit dir zu unterhalten, noch mich in irgendeiner anderen Weise mit dir zu befassen. Lass mich einfach in Ruhe und kümmere dich um deinen eigenen Kram, verstanden? Glaub mir es ist besser für dich.", antwortete ich gereizt.

Vielleicht etwas hart, aber so blieb er eventuell noch eine Zeit lang am Leben.

"Hab ich irgendwas falsch gemacht? Weisst du irgendwie erinnerst du mich an jemanden den ich früher mal gekannt habe."

Ganz schlechte Richtung. Warum fing ich auch mit Drohungen an?! Damals hab ich ihm doch ständig irgendwas abreißen wollen. Wie gerufen kam genau in diesem Moment das erlösende Klopfen meiner besten Freundin. Die vorher beinahe gänzlich abwesende Lehrerin hob den Kopf.

"Herein.", bat sie etwas verwirrt.

Asira öffnete die Tür und trat einen Schritt in den Raum. Sie lies kurz ihren Blick schweifen und blieb bei mir und meinem neuen Sitznachbarn hängen.

"Hallo. Ich muss leider Cat für den Rest der Stunde entführen. Wir haben Probleme mit dem Bühnenbild in der Theater AG und sie muss uns dringend mit der Beleuchtung und ein paar anderen Feinheiten helfen."

Vollkommen selbstbewusst sah sie herausfordernd zur Lehrerin und wartete auf Widerworte. Schnell stopfte ich meine Sachen zurück in die Tasche und erhob mich von meinem Platz.

"Ok. Kein Problem, das werden wir schon irgendwie auf die Reihe bekommen. Bis dann."

"Aber..."

Die alte Pute hatte nicht mehr die Möglichkeit irgendetwas zu erwidern. Die Tür schloss sich hinter uns und wir rannten den Flur entlang und die Treppen hinunter bis wir schließlich in der Aula landeten. Wenigstens war dort um diese Zeit keiner. Wir liesen uns auf die kleine Couch fallen, die vorne an der Bühne stand. Sie war ein bisschen abgewetzt aber gemütlich.

"Willst du mir jetzt endlich verraten wieso ich dich dringend da raus holen sollte?! Hast du wieder zu wenig Blut getrunken? Du könntest doch schnell nach Hause laufen und einen Beutel trinken."

Asira sah mich fragend und mitleidig an.

"Nein. Also, ja, eigentlich schon aber darum geht´s nicht. Meine beschissene Vergangenheit holt mich ein."

"Was soll das denn jetzt wieder heißen? Kannst du auch in verständlichen Sätzen mit mir reden?"

"Ich dachte wirklich nicht das sie mich finden würden. Ich habe meinen Namen und mein Aussehen bestimmt zwanzig mal in den letzten fünfzig Jahren geändert. Wie haben die das bloß angestellt? Ich hätte mich nicht hier einrichten dürfen. Ich hab euch alle in Gefahr gebracht. Ich muss dringend hier verschwinden. Am besten auf einen anderen Kontinent. Vielleicht lassen die mich dann in Ruhe."

Ich sprang auf und wollte meinen Plan in die Tat umsetzen, doch Asira hatte mich bereits an der Schulter gepackt und wieder auf die Couch gedrückt.

"Ganz ruhig. Jetzt denk erst mal kurz nach und erklär mir das Ganze dann nochmal bitte in Ruhe. Ich habe nämlich kein Wort verstanden."

Sie sah mir entschlossen in die Augen. Verzweifelt stöhnte ich auf, weil ich nicht wusste wo ich anfangen sollte.

"Ich hab bis zu meinem achtzehnten Geburtstag in einem Waisenhaus gewohnt und dann durfte ich endlich raus. Das Problem war dann wohin sollte ich gehen?! Keine Familie und keine Freunde machen es schwer einen Ort zum Leben zu finden. Also bin ich auf eigene Faust in die nächst beste Stadt und wollte mir einen Job suchen oder zumindest einen Schlafplatz. Damals wusste ich schon das ich irgendwie anders war. Mit sechs habe ich draußen beim spielen einen kleinen Vogel gefangen und ihn vollkommen ausgesaugt. Die Kinder und die Erwachsenen haben mich von da an behandelt als wäre ich verrückt. Unter den Gleichaltrigen wurde ich einfach ignoriert und die Kleineren hatten Angst vor mir. Die Größeren nannten mich Freak und versuchten mich eines abends zusammen zu schlagen. Als sie dann alle verletzt auf dem Boden lagen, wusste ich wie stark ich war und das ich aufpassen musste. Möglichst wenig Menschen durften davon wissen. Auf der Jobsuche habe ich dann zum ersten mal einen Blutrausch erlebt. Ich habe abends in einer Bar als Kellnerin arbeiten wollen und als ich eine Probeschicht hatte roch ich Blut und brachte einen Betrunkenen auf der Toilette um. Blutüberströmt bin ich zur Besinnung gekommen und bin schnell abgehauen bevor mich jemand beschuldigen konnte. In einem See habe ich das Blut abgewaschen aber die Bilder bin ich nie wieder losgeworden. Ich kann immer noch seinen langsamer werdenden Puls spüren."

Asira hatte meine Hände in ihre genommen und wartete bis ich sie ansah. Ermutigend drückte sie kurz zu und sah mich mitfühlend an. Ich sollte weiter reden.

"Von da an lebte ich lieber auf der Straße und versuchte mich möglichst von Menschen fernzuhalten. Da hat er mich auch gefunden. In einer kleinen Gasse an eine Wand gelehnt, wieder kurz vorm Blutrausch stehend und kaum fähig den Arm zu heben. Er hat mich mitgenommen. Ich war müde und fast verhungert, außerdem roch er nicht wie andere Menschen. Es gab nicht das kleinste bisschen Blut in ihm. Irgendwie beruhigte mich das. Was sollte schon groß passieren? Na ja jedenfalls hob er mich einfach auf seine Schulter und trug mich weg. Er pflegte mich und erzählte mir was ich war und was er war. Zum ersten mal im Leben wusste ich was ich bin. Außerdem trainierte er mich. Er machte mich zur Killerin. Ich müsste mich verteidigen können sagte er ständig. Nach einiger Zeit hatte ich mich in ihn verliebt und er wollte das ich anfange Menschenblut zu trinken. Meine Fähigkeiten würden so viel stärker werden, hat er immer gesagt. Ich könnte unglaublich mächtig werden und mit ihm zusammen alles erreichen. Ich hatte Angst, doch ich war blind vor Liebe. Immer weiter zog er mich in seine verlogene Welt. Menschen wären nur Nahrung und wären es nicht mal wert sich mit ihnen zu befassen. Einfach das Genick brechen und aussaugen. Fertig."

Angeekelt verzog ich das Gesicht bei der Vorstellung. Viele Menschen mussten wegen meines Egoismus und meiner Naivität sterben. Den Rest der Geschichte hielt ich kurz und alles sprudelte schnell aus mir heraus.

"Er machte mir einen Antrag und ich nahm ihn an. Ich war jung und naiv. Am Tag meiner Hochzeit fand ich heraus, dass er meine Eltern damals hat umbringen lassen. Ich bin abgehauen, doch er hat mich verfolgt und schließlich gefangen genommen. Er hat mich gefoltert, um mich zu überreden bei ihm zu bleiben. Ich habe es über mich ergehen lassen. Einer seiner Männer half mir nachts wieder abzuhauen und seitdem bin ich auf der Flucht. Das ganze ist jetzt um die fünfzig Jahre her. Vor eineinhalb Jahren bin ich hierher gekommen und hab das alte Haus am Waldrand gekauft. Den Rest kennst du."

Ich konnte nicht mehr. Tränen liefen meine Wangen entlang und ich zwang mich zur Ruhe. Um dieses Arschloch würde ich nie wieder weinen. NIE WIEDER!

"Und wer genau ist er? Also wie heißt er?", fragte meine beste Freundin vorsichtig.

Fast hätte ich sie vergessen. "Fabian. Fabian Bell. Zumindest nannte er sich damals so."

"Ok. Und wozu genau sollte ich dich jetzt aus dem Unterricht holen? Kennst du den Neuen etwa?"

"Er ist dir also aufgefallen?" Ich lachte bitter und erklärte weiter.

"Das ist Goldi. Der beste Freund von Fabian. Er ist vermutlich hier um mich zu suchen und dann umzubringen oder zu entführen. Ehrlich gesagt weiß ich nicht was mir lieber wäre."

"Aber du bist dir nicht sicher?"

"Nein, nicht ganz. Die einzige andere Erklärung wäre, das er auch abgehauen ist. Das ist eher unwahrscheinlich. Der Typ liebt es zu jagen und zu morden."

"Hör mir jetzt genau zu! Wenn du jetzt überreagierst, wissen sie das Du es bist, die sie suchen. Du musst ganz ruhig bleiben, sonst verfolgen sie dich weiter. Wir überlegen uns morgen beim Training etwas aber bis dahin musst du ganz normal weitermachen. In Ordnung?"

"Aber..."

"Kein Aber! Du weißt genau das ich recht habe also versuch es gar nicht erst."

"Ok."

"Sehr schön. Was hattest du heute vor?"

"Eigentlich wollte ich jagen gehen, dann mit Hacki was trinken und dann ins Kino."

"Gut. Genau in dieser Reihenfolge bitte."

"Du willst mich wohl verarschen?! Ich kann heute nichts unternehmen. Man versucht mich umzubringen und du willst das ich INS KINO GEHE?"

Ich musste mich sichtlich kontrollieren, um nicht die gesamte Aula in ihre Einzelteile zu zerlegen. Ganz Ruhig! Einatmen! Ausatmen! Warum funktionierte das NICHT!

"BERUHIGE DICH VERDAMMT!", schrie Asira mir ins Gesicht. Ein ungewohntes Funkeln tauchte in ihren Augen auf. Kurz sah es aus als würde sich ein Schatten in ihrer Iris bewegen, doch es verschwand so schnell wie es gekommen war. Ich schüttelte meinen Kopf und versuchte meine Gedanken zu ordnen.

"Ok.", hauchte ich in die Stille hinein.

"Ich weiß das ist nicht leicht aber du musst einfach normal weitermachen. Geh ins Kino, trink etwas mit deinem besten Freund. Vielleicht hast bald nicht mehr die Chance dazu. Und bevor ich´s vergesse, such dir jemanden zum vögeln. Dann kannst du dich ein bisschen entspannen."

Ich musste tatsächlich kurz auflachen. Selbst in so einer Situation konnte sie einen klaren Kopf behalten.

"Ok. Ich geh heute ins Kino, trink ein bisschen was und versuche nicht zu sterben."

"Das wollte ich hören. Und was diesen Goldi angeht..."

Weiter kam sie nicht, denn die Schulglocke unterbrach sie und forderte uns auf die Aula zu verlassen. Mein Tasche warf ich mir schnell über die Schulter und ging mit Asira an meiner Seite durch die leere Aula. Vor der Tür blieb ich kurz stehen und zögerte, doch meine beste Freundin stieß sie einfach auf und zog mich auf den Schulhof, zu unserem gewohnten Platz und den gewohnten Leuten. So schnell wie noch nie in meinem Leben steckte ich mir eine Zigarette an und gab dann auch Asira und Aaron eine ab. Meine Hände zitterten und ich versuchte sie unter Kontrolle zu halten. Unauffällig lies ich meinen Blick über die Menge der Schüler schweifen und blieb an Goldi hängen, der von ein paar Jungs umringt wurde. Klar, alle liebten den neuen, gutaussehend Idioten. Mein Kiefer spannte sich an und ich führte die Zigarette an meine Lippen. Mit einem tiefen Zug entspannte ich mich vorsichtig. Kurz schloss ich meine Augen, doch als ich sie wieder öffnete fiel mir die Kinnlade nach unten. Asira stand nicht mehr neben mir, sondern neben Goldi. Das wäre absolut kein Problem gewesen, wenn sie nicht mit ihm geflirtet hätte! Sie stand einfach mitten auf dem Schulhof und machte dem Typen der mich umbringen wollte schöne Augen. In einem einzigen Zug hatte ich meine Zigarette aufgeraucht und steckte mir gleich die Nächste an. Das durfte nicht wahr sein. Wusste sie überhaupt wie gefährlich dieses Arschloch war?! Er könnte sie mit einem konzentrierten Blick umlegen! Verdammt nochmal!

"Alles in Ordnung?"

Ich drehte mich um und sah in die besorgten Augen von Vo.

"Nein, nein. Alles ok.", antwortete ich abwesend.

Ich starrte bereits wieder über den Schulhof und musste beobachten wie Asira sich schon fast kugelte vor Lachen und sich dann ganz aus versehen in Goldis Arme warf. Schnell schloss ich meine Augen und atmete tief ein. Die Spannung zwischen den Beiden konnte ich bereits riechen und meine Hände ballten sich zu Fäusten. Meine Knöchel traten bereits weiß hervor und ich würde das nicht mehr lange durchhalten. Langsam öffnete ich meine Augen und Leja trat in mein Blickfeld. Sie war das perfekte Ziel für einen kurzen Aggressionsabbau. Mit langen Schritten ging ich zu ihr herüber.

"Hey Leja, ich müsste kurz mit dir Reden.", presste ich aus zusammen gepressten Zähnen hervor.

"Worüber willst du denn mit mir Reden?", gab sie hochnäsig zurück. Schon durfte ich wieder improvisieren. War ja klar. Mein Verstand suchte nach einer Lösung und ich nahm die erst beste Ausrede.

"Die Leute vom Theaterkurs wollen deine Meinung zu den Kostümen, weil du dich mit Klamotten ja so gut auskennst."

Das war sogar relativ glaubwürdig. Braves Hirn.

"Da fragen sie natürlich die Richtige, aber muss das jetzt sein? Ich wollte eigentlich meine Pause noch genießen und mein Make-up nochmal auffrischen.", gab sie gelangweilt zurück.

"Tut mir leid aber wir müssen das so schnell wie möglich wissen um noch etwas ändern zu können."

"Ok. Bis gleich.", verabschiedete sie sich von ihrem Harem.

Ich stellte das Atmen fürs erste ein, um nicht an ihrer Parfumwolcke zu ersticken, während sie mir hinter die Schule folgte.

"Wo habt ihr denn die Kostüme?"

Genervt drehte ich mich um.

"Hinter der Schule steht ein kleines Haus und darin lagern wir alles."

"Ok."

Wie konnten Menschen so leichtgläubig sein? Das Haus lag gut zwanzig Meter abseits der Schule und der Straßen. Wenn uns jemand hören sollte, war ich am Arsch. Dann könnte ich mir gleich ein Messer ins Herz rammen. Am Ziel angelangt, legte ich meine Hand und das Schloss und mit einem kräftigen Ruck brach es auf. Ich zog die Tür auf und lies Leja eintreten, bevor ich ihr folgte. Die Dunkelheit umfing uns und ich schloss die Tür hinter mir.

"Was soll der Scheiß? Hier sind überhaupt keine Kostüme!", stellte sie fest.

"Ach, wirklich??", gab ich höhnisch zurück.

Wir beide hatten kaum Probleme im Dunkeln zu sehen und trotzdem versuchte sie ihre Maske aufrecht zu erhalten.

"Lass mich sofort wieder raus. Ich sehe nichts. Was soll das überhaupt werden?"

"Du bist echt keine Blitzmerkerin oder? Ich werde dich umbringen.", stellte ich nüchtern klar.

Um meine Worte weiter zu unterstützen, zog ich das Messer aus meinem Ärmel und lies es über meine Handfläche gleiten. Töten konnte wirklich Spaß machen. Leja hatte anscheinend begriffen, denn sie fletschte ihre Fangzähne und rechnete offenbar mit einem Schock meinerseits. Keine Reaktion außer ein böses Grinsen. Verwirrt starrte sie mich an. Gezielt warf ich mein Messer und traf ihren Kopf. Mitten in der Stirn blieb es stecken und Blut rann über ihr Gesicht hinunter, bis es vom Kinn aus auf den Boden tropfte. Tief atmete ich ein und meine Nase füllte sich mit dem fantastischen Geruch Vampirblutes. Während ich bereits das nächste Messer aus einem Stiefel zog, löste meine Gegnerin sich aus ihrer Starre und sprang mit einem wilden Fauchen auf mich zu. Mit einer Drehung wich ich ihr aus und warf die Klinge. Ich traf nur ihr Bein. Leja krachte in die Hauswand und sprang sofort wieder auf. Sie zog sich beide Messer aus ihrem Fleisch und versuchte sie ihrerseits zu werfen. Kurz lachte ich auf als beide Klingen von der Wand abprallten und auf dem Boden landeten. Der Holzboden sog das viele Blut gierig auf, doch die Wunden schlossen sich bereits. Eigentlich hatte ich gehofft mal wieder einen bisschen vermöbelt zu werden aber komischerweise wurde daraus nichts. Mit einem präzise ausgeführten Sprung warf ich mich auf Leja. Wir landeten auf dem Boden und ich drückte ihre Arme unter meine Knie. Sie warf vor Wut den Kopf in alle Richtungen. Ihre Augen suchten verzweifelt einen Ausweg, doch sie realisierte das es keinen geben würde als ich ihr mein Messer vor die Nase hielt. Wie gebannt starrte sie mich an.

"Noch was zu sagen?", fragte ich mit vor Vorfreude bebender Stimme.

"Was zum Teufel bist du?"

"Bist du wirklich so dumm, wie du aussiehst?"

Ein Grinsen schlich sich auf mein Gesicht als sie erkannte wer ich war und vor entsetzen die Augen aufriss.

"Von dir habe ich schon mal gehört. Du kannst uns nicht alle töten.", kommentierte sie meine Arbeit.

"Ich kann´s versuchen.", gab ich entschlossen zurück

Mit diesem Satz rammte ich meine Klinge bis zum Griff in ihr Herz und drehte es zwei mal. Blut spritzte mir ins Gesicht und mit einem schmatzenden Geräusch zog ich mein Messer wieder heraus. Jetzt musste ich das Blut wieder loswerden. NA SUPER! Anscheinend war Leja nicht besonders alt gewesen, denn ihr Körper blieb wo er war. Jetzt musste ich auch noch die VERDAMMTE HÜTTE ABFACKELN! Meine Wut war geblieben wo sie war und ich würde sie wohl nicht so schnell loswerden also musste ich mich zusammenreißen. Bald war ich zu Hause und konnte im Wald auf ein paar Bäume einschlagen. Zwei Stunden im VOK lagen vor mir und ich freute mich auf ein gewisses Maß an Ablenkung. Leider hatte ich diesen Kurs mit Asira und ich war nicht besonders scharf drauf mich mit ihr zu unterhalten. VERDAMMT ich würde ihr nicht mal in die Augen sehen können!!! Die Schulglocke schien mich zu verhöhnen als sie die nächste Stunde ankündigte und ich musste mich auf den Weg zum Musikraum machen. Der Vokalpraktischekurs war eigentlich mein Lieblingsfach, doch im Moment hatte ich wirklich keine Lust darauf freudige Lieder zu singen und mir das nerven zerreißende quietschen von Sonja anzutun. Das Mädchen machte einen echt fertig. Ab und an wollten Asira und ich uns schon mit einer Kugel gemeinsam umnieten, doch leider hatte ich meine Waffe zu Hause gelassen. Selbst Fingernägel die über eine Tafel kratzen waren nichts gegen dieses melodramatische Geheul. Erschöpft und genervt brachte ich meine Augen wieder dazu vom grünen Leuchten zum normalen blaugrau zu wechseln. Ich atmete tief durch und führte mein Handgelenk an meinen Mund. Fest biss ich zu und schluckte etwas von meinem eigenen Blut. Der Schmerz lies den leichten Nebel der Sorge in meinem Kopf verschwinden und ich hörte auf. Die Wunde schloss sich von selbst und ich leckte die letzten Tropfen von meiner Haut. Aus meiner Tasche zog ich ein paar Taschentücher und wischte mir übers Gesicht. Ein paar kleine Blutspritzer hatte ich abbekommen, doch das sollte bei meiner schwarzen Kleidung niemandem auffallen. Auf dem Weg zum Unterricht schloss ich meine Lederjacke. Es musste ja nicht jeder sehen, das ich gerade jemanden aufgeschlitzt hatte. Je näher ich dem Musikraum kam, desto tiefer sank meine Laune. Schließlich kam ich total angepisst an und Asira begann bereits vorsichtig eine Unterhaltung zu beginnen. Sie ignorierend ging ich an ihr vorbei in den Raum und stellte mich direkt neben den Flügel. Während ich aus meiner Tasche das Notenheft hervor kramte, versuchte meine beste Freundin mir zu erzählen das sie den Abend mit Goldi verbringen würde. Konzentriert atmete ich tief durch die Nase ein und schloss kurz meine Augen. Meine Wut blieb knapp unter der Oberfläche und ich würde aufpassen müssen, damit sie nicht durchbrach und ich noch jemanden verletzte. Der Lehrer ergriff das Wort und sofort verstummte das übliche Gemurmel. Er war zwar sehr streng was Konzentration und Technik anging, doch trotzdem hatten die meisten Spaß am Unterricht. Das typische Einsingen begann und als wir nach zehn scheinbar endlosen Minuten fertig waren, übten wir endlich an unseren Stücken. Wir hatten mit einem Song angefangen den jemand auf Youtube gefunden hatte. Drei Kerle hatten bemerkt das die meisten Lieder aus nur vier Akkorden bestehen und aus den bekanntesten Teilen einen eigenen Song zusammen gesetzt. 4Chords nannte sich das Ganze und es machte normalerweise wirklich Laune aber meine Nerven waren zum zerreißen gespannt und ich wollte nur schnell weg. Mein Blutmangel machte mir auch langsam zu schaffen und als die Schulglocke mich erlöste musste ich mich beherrschen, um nicht einfach raus zu stürmen. Mit schnellen Schritten ging ich direkt zu meinem Auto und fuhr los. Das Training würde ich trotzdem noch durchziehen. Vielleicht konnte ich so etwas Wut loswerden. Normalerweise war ich keine aggressive Fahrerin, doch diesmal konnte ich mich nicht dazu durch ringen mich an die Verkehrsregeln zu halten. Wenn keiner draufging war alles gut also wen sollte es schon interessieren?! Nach einer gefühlten Ewigkeit kam ich zu Hause an und stürmte zur Tür. Schnell schloss ich auf und warf meine Tasche in die Ecke. Endlich am Kühlschrank angekommen öffnete ich ihn und suchte nach einem letzten Blutbeutel. Irgendwo musste ich doch noch etwas haben! Meine Fangzähne drückten bereits gegen meine Unterlippe und meine Sicht verschwamm aber Blut war immer noch nicht in Sicht. Somit blieb nur noch der Wald. Während ich mich umdrehte, warf ich die Kühlschranktür zu und beeilte mich zur Veranda zu kommen. Mit einer Hand schob ich die Glaswand zur Seite und lief einen kleinen Hügel hinunter direkt zwischen die Bäume. Als ich im Schatten stand blieb ich stehen und atmete tief die frische Luft ein. Sofort beruhigte ich mich etwas. Konzentrierte horchte ich auf einen Puls. Tatsächlich schwamm im Teich eine Ente und hatte damit keine Chance. Wasser war mein Element, dort war mir noch nie jemand entwischt. Vorsichtig und leise schlich ich mich an das Ufer heran und suchte nach meiner Beute. Der ahnungslose Vogel war wohl auch auf Nahrungssuche und glitt elegant über das Wasser hinweg zwischen hohen Schilf. Langsam hockte ich mich hin und prüfte mit meiner Hand die Wassertemperatur. Etwas mehr als fünf Grad waren es bestimmt. Zwar immer noch kalt aber es würde gehen. Ich setzte zum Sprung an und fixierte mein Ziel. Mit einem kräftigen Satz verschwand der Boden unter meinen Füßen und mit gestreckten Körper glitt ich in die Tiefen des Teichs. Zwei Armzüge später war ich bereits unter der Ente und griff nach einem Bein. Als ich es endlich zu fassen bekam, zog ich mein Mittagessen zu mir und brach ihr schnell das Genick. Mit der Beute in der Hand tauchte ich auf und schob meine nasse Mähne aus den Augen. Eine grünes Leuchten legte sich auf meine Umgebung als ich meine Zähne in die Schlagader rammte und saugte. Viel war es nicht, doch so würde ich den Tag überstehen. Nachdem ich die Leiche ans Ufer geworfen hatte, schwamm ich wieder zurück und stieg aus dem kalten Wasser. Das grüne Leuchten war verschwunden und ich bemerkte das sich bereits die Abendröte auf den Himmel legte. Schnell lief ich zum Haus. Das Training lag noch an und dann brauchte ich unbedingt einen Drink. Auf der Veranda angekommen schloss ich die Tür hinter mir als ich die Klingel hörte. Was war denn jetzt wieder? Genervt schlürfte ich zur Tür.

"Was willst du?", fragte ich erschöpft, während ich öffnete.

Hacki stand in der Tür und musterte mich schmunzelnd. Sofort war ich wieder hellwach und realisierte wie furchtbar ich aussehen musste.

"Was ist denn bitte mit dir passiert?"

Mir mussten schon Rauchwolken aus den Ohren kommen so angestrengt versuchte ich eine logische Erklärung zu finden. Also warum genau stand ich tropfnass und stinkend im Hausflur? Hoffentlich hatte ich nicht irgendwo Blut von der Ente!

"Ehm... Ja... Ich war schwimmen?"

Nein? Wirklich? In Gedanken schlug ich mir gegen die Stirn. Was besseres war dir nicht eingefallen Hirn?

"Ach wirklich?"

"Klar! Im Wald gibt es einen kleinen Teich und ich dachte ich spring mal rein."

"Ok. Du hast nicht auf meine SMS geantwortet also bin ich einfach schon mal vorbei gekommen."

Gott sei Dank war ich durchgeknallt genug damit man mir so eine Ausrede glauben konnte.

"Sorry. Ich geh schnell duschen und dann können wir los."

"Ok. Ich hau mich auf die Couch."

Nach kurzem überlegen nickte ich. Die meisten meiner Waffen müssten im Keller liegen. Ich machte mich auf den Weg in mein Badezimmer und tropfte weiter den Boden voll aber wen interessierte das schon?! Unterwegs zog ich mein Top über den Kopf und warf es in meinem Zimmer in die übliche Ecke. Ordnung war nie eine meiner Stärken gewesen. Wer hatte dafür auch bitte Zeit? Die Jeans streifte ich ab während ich in Richtung Dusche hüpfte. Natürlich blieb ich mit meinem rechten Fuß in der Hose stecken, während ich meinen linken herausziehen wollte und legte mich der Länge nach hin. Fluchend drehte ich mich auf den Rücken und massierte mir die Schläfe. Warum zum Teufel lief alles aus dem Ruder?

"Alles ok?", kam es aus dem Wohnzimmer.

"Klar. Hab mich nur hingelegt.", rief ich zurück.

Ich setzte mich auf und warf gefrustet meine Jeans zu meinem Top. Ein Drink war schon lange überfällig und desto schneller ich wieder vorzeigbar war, desto schneller hatte ich ein Glas Whiskey in der Hand. Mit diesem Bild im Kopf zwang ich mich zum aufstehen und schaffte es unter die Dusche. Diesmal war das Wasser kalt, doch wesentlich wacher wurde ich dadurch nicht. Denk an den Whiskey. Denk an den Whiskey. Mit diesem Mantra kämpfte ich mich aus der Dusche. Ich schnappte mir ein Handtuch und trocknete mich schnell ab, um danach in frische Unterwäsche zu schlüpfen. Prüfend schnüffelte ich an meinen nassen Haaren und musste zufrieden feststellen, dass sie intensiv nach Pfirsich dufteten. Wenigstens stank ich nicht mehr nach muffigem Seewasser. Beim Gedanken daran rümpfte ich die Nase. Ich fuhr mir mit der Bürste durch die feuchten Locken und ging in mein Zimmer. Dort erwartete mich der Geruch von Blut. Geschockt blieb ich stehen. Wie kam der Geruch von Blut in mein verdammtes Haus?! Hacki! Ich rannte ins Wohnzimmer und fand meinen vollkommen gelangweilten besten Freund beim fernsehen vor. Erleichtert atmete ich auf und wollte gerade aus dem Wohnzimmer zurück in mein Zimmer schleichen, als ich ein räuspern hörte. Langsam drehte ich mich wieder um und sah einen jungen Vampir direkt hinter Hacki stehen. Dieser hatte seinen Blick vom Fernsehen gelöst und starrte den Typen mit den leuchtenden grünen Augen hinter sich an.

"Ehm... Cat?"

Ich biss die Zähne zusammen und dachte angestrengt über alle Gegenstände in der Nähe nach die ich diesem Typen in die Brust rammen konnte.

"Ja?", presste ich hervor.

"Wer zum TEUFEL IST DAS?!", schrie er schon fast panisch als der Kerl grinste und seine Fangzähne präsentierte.

Vielleicht würde die Tischlampe reichen... Oder lieber doch einfach den Kopf abreißen? So alt wirkte er nicht...

"Ich hab keine Ahnung...", gab ich etwas kleinlaut zu.

Das schlechteste Märchen aller Zeiten!

Eigentlich kannte ich alle von Fabians Leuten aber anscheinend hatte er sich ein paar neue Männer gesucht. Das war allerdings keine Hilfe.

"Fabian hat mich geschickt. Ich sollte dir ein Geschenk da lassen."

Mit einem hämischen Grinsen musterte er mich von oben bis unten. Erst da realisierte ich, dass ich nur Unterwäsche trug. Hacki hatte sich aus seiner Starre gelöst und versuchte möglichst unbemerkt zu flüchten. Die Augen des Mannes funkelten und ich spürte wie Wut in mir aufstieg.

"HACKI! BLEIB SITZEN, VERDAMMT!", schrie ich ihn an.

Verschreckt setzte mein bester Freund sich wieder hin. Noch nie hatte er mich so wütend erlebt. Das war mal wieder typisch. Ein scheiß Vampir hatte sich in mein verdammtes Haus geschlichen ohne das ich ihn bemerkt hatte, bedroht meinen besten Freund und ich war halbnackt. Wozu brauchte ich auch Waffen oder Kleidung? Vollkommen überbewertet im Kampf. Ohne machte es sowieso viel mehr Spaß.

"Ich kenne keinen Fabian.", gab ich gelassen zurück. Hoffentlich kaufte er mir das ab.

Ein hämisches Grinsen legte sich auf das Gesicht des Fremden und er schritt langsam um die Couch herum. Hacki und ich starrten ihn weiter an, während er sich neben meinen Freund fallen lies. Wut kochte in mir hoch und kratzte an meiner Gelassenheit. Wäre ich allein gewesen hätte dieses Arschloch längst keinen Kopf mehr.

"Lüge!", ertappte er mich grinsend. Wenigstens hatte einer seinen Spaß.

"Wieso klären wir das nicht draußen?", schlug ich vor, doch meine Idee fand wenig anklang.

"Aber es ist doch gerade so gemütlich hier. Außerdem hast du dein Geschenk noch nicht aufgemacht."

Mit einem Kopfnicken wies er auf ein schwarzes Päckchen, das auf dem Wohnzimmertisch lag. Der Geruch von Blut machte sich in meiner Nase breit und ich erkannte die erdige Note. Es war tatsächlich von Fabian.

"Mach es auf.", forderte der Vampir und ich legte die letzten Schritte zum Couchtisch zurück.

Mit zittriger Hand öffnete ich die Schachtel und sah eine mit Blut getränkte Rose. Das war eindeutig Fabians kranker Humor. Mein Gesicht verwandelte sich in eine ausdruckslose Maske.

"Ok. So wie ich das sehe haben wir jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder verziehst du dich freiwillig von meinem Freund oder ich zwinge dich dazu. Entscheid dich bitte schnell, ich hab nämlich nicht vor mich noch wesentlich länger mit dir zu beschäftigen."

"Dann wirst du mich wohl zwingen müssen."

Meine Drohung ignorierend rückte er sogar etwas näher an Hacki heran, der immer noch verstört zurückwich. Anscheinend hatte ihn niemand vor mir gewarnt. Ein böses Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Der würde sein blaues Wunder erleben. Mit einem Satz sprang ich über den Tisch hinweg auf ihn zu und er konnte nicht mehr ausweichen. Wir kippten samt der Couch um. Schon hatte ich ihn auf dem Boden fixiert und drückte ihm meine Knie auf die Brust. Fabian hatte entweder vergessen wie ich kämpfte oder er hatte seinen Laufburschen falsch eingeschätzt. Ich brach ihm die Nase und schlug zu, bis ich seinen Schädel brechen hörte.

"Weiß Fabian wo ich bin?", fragte ich ihn seelenruhig. "Fick dich.", keuchte er.

Ein Schwall Blut kam aus seinem Mund und ruinierte meinen Teppich. Dieses Arschloch wollte also die harte Tour?! Die konnte er haben. Ich lies meine Augen grün aufleuchten und zeigte mit einem Grinsen meine Fänge. Kurz genoss ich den geschockten Blick, doch dann schlug ich gezielt auf sein Schlüsselbein und brach es. Luft wich aus seiner Lunge und ein erstickter Schmerzensschrei war zu vernehmen.

"Willst du immer noch nicht reden? Komm schon... Ich weiß, das du weißt wer ich bin und ich dir noch wesentlich schlimmere Dinge antun kann. Wenn du mir sagst was ich hören will, bin ich vielleicht ein bisschen besser gelaunt und du weißt doch: Eine gut gelaunte Frau ist weniger gefährlich."

"Ok, ok. Fabian sucht nach dir. Er weiß aber noch nicht wo du bist.", stammelte der plötzlich gefügige Vampir unter mir schwer atmend.

"War das so schwer? Wer hat dich geschickt?"

Bitterkeit schlich sich in meine Stimme. Hinter mir hörte ich ein dumpfes Aufschlagen. Schnell warf ich einen Blick über die Schulter und sah wie Hacki mich geschockt anstarrte. Er stand schon beinahe an der Terrassentür und hatte aus versehen eine Lampe umgeworfen. Jetzt hatte ich wirklich ein Problem.

"Fabian", stieß er zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor.

"Warum glaube ich dir das nur nicht?"

Meine Stimme trief beinahe vor Sarkasmus. Dachte er wirklich ich wäre so dämlich? Er roch kein bisschen nach menschlichem Blut, so wie die ganzen anderen Mörder. Jemand wollte mir wohl Angst machen, fragte sich nur wer?! Ein böses Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus.

"Du hättest auf mich hören sollen, denn jetzt bin ich wirklich schlecht drauf!"

Ich brach ihm ein paar Rippen mit meinem Knie und stand auf.

"Hacki! Setz dich wieder hin!", befahl ich mit strenger Stimme.

Die Augen weiterhin geschockt aufgerissen ging er in einem großen Bogen um mich herum und lies sich in einen Sessel fallen.

"Sehr gut. Und jetzt warte bitte hier.", betonte ich etwas sanfter.

"Und nun zu dir mein Freund."

Langsam drehte ich mich wieder zu dem bereits knienden Vampir um. Er atmete schwer und hielt sich die Seite mit den gebrochenen Rippen. Aus der Schublade unter dem Fernseher holte ich mein Messer und trat damit hinter ihn. Ich packt seinen rechten Arm, zog ihn hoch und setzte das Messer auf Herzhöhe an den Rücken an.

"Eine falsche Bewegung und ich werde deine schrumpligen Überreste von meinem Teppich kratzen. Verstanden?"

"Ja."

"Gut. Vorwärts!"

"Wo gehen wir hin?"

"Wenn ich noch ein weiteres Wort höre, dass nichts mit Fabian zu tun hat, darfst du ebenfalls mit meinem Messer Bekanntschaft machen."

Um meinen Worten Nachdruck zu verleihen ritzte ich sein Hemd auf und lies die Klinge einen Zentimeter weit in sein Fleisch gleiten. Ein kurzes Aufstöhnen, danach herrschte Stille.

"Gut. Also, vorwärts!", wies ich die Richtung.

Wir verließen das Wohnzimmer und steuerten auf die Garage zu. Rechts führte eine Treppe in den Keller.

"Mach die Tür auf."

Die schwere Metalltür quietschte leicht als sie aufgezogen wurde. Ich zog ihm das Messer aus dem Rücken und stieß ihn die Treppe hinunter. Schnell lief ich ihm hinterher.

"Steh auf."

Oben hörte ich wie die Teerassentür zuschlug und ich musste genervt aufstöhnen. Warum hörte niemand auf mich, verdammt? In der hintersten Ecke hingen Hand- und Fußfesseln von der Wand, die ich um die Gelenke meines kleinen Freundes schnallte.

"Versuch gar nicht erst zu schreien. Dich hört hier sowieso niemand. Außerdem würde ich mir meine Kräfte sparen, ohne Blut könnte es in ein paar Tagen hier sehr unangenehm werden.", riet ich ihm über meine Schulter hinweg, während ich zur Tür zurückging. Hinter mir hörte ich noch wie er anfing zu brüllen und gegen seine Schellen zu wehren. Dieser Keller war Vampirgetestet, also juckte mich das herzlich wenig. Mein geflüchteter Freund machte mir im Moment wesentlich mehr Sorgen. Oben angekommen musste ich feststellen das die Sonne alles bereits in ein angenehm warmes Rot tauchte. Sonnenuntergang. Super! Einen vollkommen verstörten Mann im dunkeln zu jagen wirkte dann wesentlich weniger angsteinflößend! Die Tür hinter mir schloss ich schnell ab und lief dann in vollem Tempo zur Terrasse. Ein tiefer Atemzug zeigte mir dass er sich in Richtung Wald verzogen hatte. Ich folgte dem Geruch und entdeckte nach fünf Minuten Suchen Hacki der auf einen Baum geklettert war.

"Kommst du bitte da runter?", fragte ich möglichst ruhig.

"Nein!"

"Und warum nicht?"

"Weil du gerade beschissene grün leuchtende Augen hattest!"

"Ja. Aber das kann ich dir..."

"Und scheiß FANGZÄHNE!", schrie er mir panisch entgegen.

Sein Blick suchte ängstlich nach einem Ausweg, vor mir zu flüchten.

"Ich werde dich nicht angreifen.", versprach ich.

"Und das soll ich dir glauben? Du hast gerade einem Wildfremden den Schädel und das scheiß Schlüsselbein gebrochen!!!"

"Versuch dich doch erst mal zu beruhigen, ok?"

"Nein! Nicht ok!"

Langsam verlor ich die Geduld und mit einem Satz war ich in die Baumkrone gesprungen und stand leicht versetzt auf einem Ast über ihm. Geschockt starrte er erst nach unten und dann zu mir nach oben.

"Wie hast du das gemacht?"

"Ich werde dir alles erklären aber dafür musst du erst mal wieder mitkommen. Es könnten noch mehr von denen hier herumlaufen."

"WAS?", brüllte er entsetzt auf.

Super Cat! So machte man einem Traumatisierten richtig Mut! Eine kurzer Atemzug bestätigte meinen Verdachte, denn ich konnte Goldi aus Windrichtung bereits wahrnehmen. Zwar musste er noch relativ weit weg sein, doch half es nicht mich wesentlich geduldiger zu machen.

"Verdammt! Entweder du kommst jetzt freiwillig wieder mit oder ich schlepp dich ins Haus! Du hast die Wahl..."

Immer wieder redete ich mir ein, dass ich ihn nur vor diese Wahl stellte, um ihn zu schützen. Meine Gewissen glaubte es mir nur leider nicht... Hackis Augen weiteten sich und ich sah wie sein Verstand an einer Lösung arbeitete. Sein Blick zuckte kurz Richtung Boden, doch bevor er auf dem Waldboden aufkam hatte ich ihn bereits aufgefangen.

"LASS MICH LOS!", schrie er wild um sich schlagend.

Aus Reflex kam ich seinem Wunsch nach und lies ihn fallen. Auf dem Boden liegend wich er hektisch vor mir zurück.

"Versuch gar nicht erst abzuhauen.", betonte ich vorsichtig.

Ich verspürte nicht zwingend den Drang meinen besten Freund bei Nacht im Wald zu jagen und ihn dann auf der Schulter zurück in mein Haus zu schleppen! Ihm gefiel der Gedanke wohl auch nicht, denn er stand langsam auf und sah mir entschlossen in die Augen.

"Ok. Ich komme mit."

Erleichtert atmete ich auf.

"Aber! Du gehst vor und keine faulen Tricks."

"Ok."

Wir setzten uns in Bewegung und ich lief wie versprochen langsam vorne her. Hinter mir konnte ich seine schweren Schritte auf dem Waldboden hören. Wir schwiegen. Ein kalter Luftzug lies mich frösteln und ich erkannte das ich noch immer halbnackt war. Unbewusst fing ich an meine Narben zu suchen. Hacki starrte in die Ferne und warf mir ab und an einen Blick zu, während ich meinen eigenen Gedanken nachhing. Erinnerungen holten mich ein und ich spürte wieder die Handschellen um meine Gelenke und die kühle Steinwand im Rücken. Mit einem Kopfschütteln fand ich zurück in die Gegenwart und musste feststellen, das die Nacht uns überfallen hatte. In der Dunkelheit fühlte ich mich sofort wesentlich wohler. Am Haus angekommen, gingen wir nach drinnen und ich stellte Whiskey und zwei Gläser auf den Tisch.

"Ich geh mir kurz was anziehen."

"Ok."

"Trink was. Das wird dich beruhigen." "Hast du irgendwas darein gemischt?"

"Nein!", entgegnete ich empört.

Als Beweis öffnete ich die Flasche und nahm einen großen Schluck. Das Brennen in meiner Kehle tröstete mich etwas und ich stellte die Flasche wieder ab.

"Ok. Bring gleich noch eine mit. Die werde ich wohl brauchen."

Nickend drehte ich mich um und lief dann den Flur entlang zur Treppe. Der Vampir hatte anscheinend seinen Widerstand aufgegeben, denn ich konnte nicht einmal das Rascheln und Schaben der Kette hören. Kluge Entscheidung. Ich stieg die Treppe hoch und mit jedem Schritt spürte ich den harten Tag in den Knochen. Jede Faser meines Körpers schrie nach meinem Bett, doch der Whiskey würde wohl vorerst reichen. In meinem Zimmer schnappte ich mir das erste, was ich finden konnte und schlüpfte in eine kurze schwarze Hose. Das zu große schwarze Shirt zog ich mir über den Kopf und fühlte mich gleich etwas geborgen. Plötzlich kam mir eine Idee und ich kramte in einem riesigen Wäscheberg nach einem Messer. Mit dem Messer in der Hand rannte ich die Treppe wieder nach unten, ins Wohnzimmer. Hacki hatte ein fast geleertes Glas in der Hand als er geschockt die Klinge in meiner Hand anstarrte. Langsam und vorsichtig legte ich sie auf den Tisch.

"Das ist für dich. Eine Art Friedensangebot."

"Hmm."

Hektisch griff er danach und schnitt sich dabei in die Handfläche. Panisch starrte er erst das Blut an und dann mich.

"Keine Sorge. Ich werde dich jetzt nicht anspringen.", beruhigte ich ihn.

Aus der Schublade im Wohnzimmer holte ich eine Mullbinde und warf sie ihm zu. Er fing sie auf und fing an seine Hand zu verbinden. Erschöpft lies ich mich in den Sessel schräg gegenüber der Couch fallen. Der Geruch von Hackis Blut lag in der Luft und verursachte mir Kopfschmerzen. Mit den Fingerspitzen fing ich an meine Schläfen zu massieren. Er starrte mich an und stellte die erste Frage.

"Also könnt ihr auch schmerzen haben und verletzt werden? Wie tötet man einen von euch?"

"Interessant das du nicht erst wissen willst was ich bin, bevor du versuchst mich umzubringen.", gab ich mit einem müden Lächeln zurück.

"Der Typ von vorhin war ein Vampir. Man kann sie verletzen und sie haben auch Schmerzen wie alle anderen, was ich mir ab und an gerne zu nutze mache. Ich persönlich bin eine Art Mischling. Halb Vampir, halb Mensch. Und das mit dem Töten ist so eine Sache. Entweder schlägst du ihnen den Kopf ab oder du zerfetzt ihr Herz. Dann kannst du in aller Seelenruhe zusehen, wie sie zu schrumpligen Leichen werden."

"Und was könnt ihr? Das ihr schnell seid hab ich ja gesehen."

"Ich gehöre nicht zu denen! Nur um das klar zu stellen! Ich bringe diese Biester seit fast fünfzig Jahren um und du kannst mir eins glauben: ICH BIN ANDERS ALS DIE!", brüllte ich wütend.

Ich wurde wirklich ungern mit Vampiren verwechselt.

"OK.", schrie Hacki zurück, während er panisch den Griff des Messers umklammerte.

"Tut mir Leid. Das sollte mir eigentlich nicht mehr passieren. Also soll ich dir was zeigen?"

Er nickte nur. Vorsichtig rückte ich näher an den Tisch heran, schenkte mir Whiskey ein und leerte das Glas in einem Zug. Dann legte ich meine Hand flach auf den Tisch. Erwartungsvoll beobachtete mich mein bester Freund und starrte ein paar Sekunden auf meine Hand.

"Was genau soll jetzt passieren?", fragte er besorgt.

"Du sollst eigentlich dein Messer durch meine Hand rammen."

"Und warum genau?"

"Ich will dir zeigen, dass du mir trauen kannst und außerdem sieht das ziemlich cool aus."

"Ich kann dir doch nicht einfach in die Hand stechen."

"Doch kannst du! Ich helf dir einfach."

Er setzte das Messer an meinen Handrücken. Seine Hände zitterten und ich legte meine rechte um seine. Er umklammerte den Griff als würde sein Leben davon abhängen. Der Geruch von Panik füllte das Zimmer und ich sah ihm entschlossen in die Augen mit einem Ruck stieß ich das Heft in meine Hand und lies es im Tisch stecken. Blut tropfte aus der Wunde und bildete eine Pfütze. Verkniffen versuchte ich keine Miene zu verziehen, doch eine kleine Träne bahnte sich ihren Weg aus meinem Augenwinkel. Scheiße, TAT DAS WEH!

"Ok. Jetzt zieh es raus."

Geschockt starrte er mich an.

"Ok, ok, ok, ok... Müsste das nicht unglaublich weh tun?"

"Glaub mir. Es tut verdammt weh!"

"Aber du hast nicht mal einen Mucks von dir gegeben."

"Je länger du wartest desto schlimmer wird es das Messer wieder raus zuziehen."

Der Blutfluss hatte bereits gestoppt und das vertraute kribbeln schlich sich in den abebbenden Schmerz.

"Zieh es doch selbst raus."

"Wie du willst."

Ich schloss meine Hand um das Heft und zog es in einer fließenden Bewegung aus meiner Hand. Blut schimmerte an der Klinge und ich legte sie wieder hin. Meine Wunde pochte zwar noch leicht, doch ich spürte, wie der Heilungsprozess fortschritt.

"Und? Hast du immer noch Angst vor mir?", fragte ich meinen besten Freund interessiert.

"Etwas weniger... Wobei es nicht wirklich hilft das man deine Hand erstechen kann, ohne das es dir viel ausmacht."

"Mit den Jahren lernt man Schmerzen gekonnt zu verstecken."

"Ok. Erzählst du mir jetzt noch den Rest der Geschichte? Wie ist dir das passiert?"

"Vielleicht möchtest du dir erst meine Hand ansehen? Das könnte dich vielleicht interessieren."

Sein Blick wanderte zur besagten Hand und seine Augen weiteten sich vor staunen. Nur noch ein Kratzer war übrig geblieben und dieser schloss sich in diesem Moment. Eine rötliche Linie erinnerte an die Wunde, die noch vor wenigen Minuten dort geklafft hatte. Eine Narbe würde zurück bleiben aber davon hatte ich bereits unzählige.

"Faszinierend oder?"

"Ja.", war das einzige das er zu stande brachte.

Er schnappte sich das Messer und Schnitt mir damit in die Handkante. Staunend sah er zu wie Blut floss, die Blutung stoppte und die Wunde sich langsam zusammen zog.

"Willst du das jetzt den ganzen Abend machen oder soll ich dir lieber meine Story erzählen?", fragte ich sarkastisch.

"Sorry. Ich höre!"

Mit ernstem Gesicht lehnte er sich nach hinten und wartete darauf das ich anfing.

"Gut. Fangen wir also mit dem wahrscheinlich schlechtesten Märchen aller Zeiten an. Es war einmal vor langer, langer Zeit..."

Blutige Lektion (Sichtwechsel)

Den ganzen Abend hatte ich bereits die Sprüche dieses Machos ertragen müssen und ich konnte nicht mal sarkastisch darauf Antworten!. Die wahre Folter! Goldi ging nichtsahnend neben mir her und erzählte irgendeine aus den Fingern gezogene Lüge, die mein Herz vermutlich zum schmelzen bringen sollte. Wenn er so weiter machen würde, musste ich mich noch übergeben! Ich setzte ein gekonntes Lächeln auf die Lippen und schaute ihm tief in die Augen. Hoffentlich wirkte ich wie das verknallte Huhn, das ich vorgab zu sein.

"Wollen wir nicht etwas im Wald spazieren gehen? Bei Nacht ist das so romantisch, findest du nicht?", säuselte er.

Darauf hatte ich den ganzen Abend hingearbeitet! Er machte es mir beinahe schon zu leicht.

"Gerne", gurrte ich zurück.

Mein Heimweg lief am Waldrand entlang und so zog Goldi mich an meinem Arm zwischen die Bäume. Vermutlich wollte er mich aussaugen oder vorher noch ein Nümmerchen schieben. Das konnte er vergessen. Ich hatte andere Pläne. Immer tiefer gingen wir in den Wald hinein und plötzlich blieb Goldi stehen und drehte sich zu mir um. Damit hatte ich bereits gerechnet. Zielsicher rammte ich ihm meinen Dolch knapp unterhalb des Herzens zwischen die Rippen. Die Luft wich aus seiner Lunge und er brachte nur ein Schmerz verzerrtes Stöhnen zu stande, bevor ich ihm mein Knie in den Magen rammte und ihn zu Fall brachte. Aus meiner Handtasche kramte ich das Seil und machte mich daran seine Beine und Hände zu fesseln. Seine Kraft kehrte zurück und er sprang auf, doch ich reagierte schnell genug um ihm einen Tritt zwischen seine Beine zu verpassen. Sofort nutzte ich die Gelegenheit und Band ihn aufrecht stehend an den Baum hinter ihm. Ich spürte bereits die erweckte Macht in meinem Inneren und die Schatten drängten an die Oberfläche. Mein Opfer stand wehrlos vor mir und ich konnte zur Tat schreiten. Aus meiner, nicht gerade kleinen, Handtasche holte ich noch eine Zange, Salz, einen Schraubenzieher und einen kleinen Hammer. Alles legte ich sorgfältig nebeneinander auf den Waldboden. Ein kühler Wind fegte über uns hinweg und trug die wütenden Schreie des wehrlosen Vampirs fort. Ein Lächeln der Genugtuung legte sich bei diesem Geräusch auf meine Lippen und ich machte meiner dunkeln Hälfte, die bereits nach mehr Schrie, platz.

"Was soll das? Bind mich sofort los!", schrie Goldi mich an.

"Schweig!", befahl ich.

"Du hast mir nichts zu befehlen und jetzt mach mich los, damit ich dir deinen verdammten Kopf ABREIßEN KANN!"

"Ich sagte: SCHWEIG!"

In einer einzigen Bewegung riss ich das Messer aus seiner Brust und rammte es ihm ins Knie. Als ich das Blut fließen sah musste ich mich zurückhalten, um nicht die Kontrolle zu verlieren und dem Dämon seine Blutgier zu gewähren. Der Schmerzensschrei ging mir in die Knochen über und ich verspürte eine tiefe Zufriedenheit. Mein Innerstes wollte mehr.

"Ich verlange Informationen. Du wirst sie mir geben.", stellte ich gelassen, beinahe schon gelangweilt fest.

"Aus mir wirst du nichts herausbekommen!"

"Schmerzen werden deine Meinung ändern."

Seelenruhig nahm ich die Zange zur Hand und schritt auf Goldi zu. Er hatte schon längst aufgegeben seine wahre Natur zu verbergen und das grüne Licht seiner Augen erhellte die sonst dunkle Nacht. Mit meiner Linken hielt ich nun eine seiner Hände fest und legte die Zange an den Daumennagel an. Ruckartig riss ich ihn heraus, woraufhin ein tiefes Stöhnen ertönte. Ich ging ein paar Schritte zurück und holte das Salz. Er atmete bereits schwer. Langsam, mit Druck rieb ich das Salz in seine Wunde und riss dann mit der Zange den nächsten Nagel aus. Systematisch bearbeitete ich die restlichen Finger und sah ihm dann wieder ins Gesicht. Tränen liefen aus seinen Augen, während er verklemmt die Zähne zusammen biss und angestrengt atmete.

"Wirst du mir nun geben wonach ich verlange?", fragte ich ruhig.

"Niemals!", presste er hervor.

"Nun gut. Fahren wir fort."

Blut tropft auf den Boden und tränkte die Erde. Es würde noch einiges dazukommen. Nach kurzen überlegen entschied ich mich für das Messer und wog es in der Hand. Dieses Gefühl der Klinge in meiner Hand fühlte sich so vertraut und heimisch an, dass sich ein Lächeln in meinen Mundwinkel schlich. Wieder nahm ich eine seiner Hände in meine und schnitt das erste Glied des kleinen Fingers ab. Ein Schmerzensschrei hallte über die Bäume hinweg und mein Dämon schnurrte zufrieden, gleich einer Katze. Weitere Schreie füllten die ruhige Nacht als ich nach und nach jeden Finger, Glied für Glied kürzte. Jedes mal wenn ich ein Glied abtrennte, rieb ich wieder Salz in die Wunde, um sie vom heilen abzuhalten. Sein Blut hatte bereits meinen Ärmel getränkt und beim Mittelfinger der zweiten Hand wurde er kurz Ohnmächtig. Geduldig wartete ich bis er wieder aufwachte bevor ich fortfuhr. Als seine Hände Fingerlos waren fragte ich ein weiteres mal, ob er nun reden würde. Er beschimpfte mich, verneinte und so fuhr ich härtere Geschütze auf. Der Dämon versuchte permanent an die Macht zu kommen, doch ich wollte Informationen. Ich musste bei Verstand bleiben. Die Wunde an seinem Knie war nun verheilt und mir kam eine Idee. Fest umklammerte ich den Griff der Klinge und setzte seitlich an der Kniescheibe an, um sie dann mit der Spitze voran darunter zu schieben. Auch dieses mal wurde Goldi bewusstlos und so lies ich erstmal den Griff los. Genervt durch diese Unterbrechung sah ich auf mein Handy und stellte fest, dass ich mich etwas beeilen sollte, wenn ich vor Sonnenaufgang noch ins Bett wollte. Und wie bekommt man einen Bewusstlosen Vampir am besten wieder aufgeweckt? Man gibt ihm Blut oder verpasst ihm ein Paar. Ich entschied mich für letzteres und hob den Hammer auf. Sein Kopf hing schlapp herunter also packte ich ihn an den Haaren und hielt ihn zurück, während ich mit dem Hammer auf sein Schlüsselbein zielte. Nachdem ich mit etwas Schwung beinahe Mittig getroffen hatte, hörte ich das vertraute Geräusch von berstenden Knochen. Das war wohl ein Splitterbruch... Wenigstens war er wieder da und keuchte unter den Schmerzen. Als ich mich wieder mit seinem Knie beschäftigen wollte spuckte er mir Blut ins Gesicht und ich riss mit einem gehässigen Grinsen das Messer in seinem Knie herum. Er brüllte los und ich starrte ihn wutverzerrt an. Wie konnte er es wagen! Dafür würde er zahlen! Seine Kreuzbänder waren damit wahrscheinlich hinüber. Seine Sehnen waren an der Reihe. Genüsslich langsam schnitt ich die Kniescheibe heraus und er schluchzte still vor sich hin. Offenbar hatte er nicht mehr die Kraft zu schreien oder ihm fehlte einfach die Luft dafür, weil seine Lunge mit Blut vollgelaufen war.

"Hör auf.", bat er mit zittriger Stimme.

"Wirst du meine Fragen beantworten? Und wirst du auch die Wahrheit sprechen?"

"Ja!", antwortete er kleinlaut.

"Nun denn. Wo hält sich Fabian auf?"

"Ich kenne keinen Fabian."

"LÜGE!"

Ich schnappte mir den Hammer und zertrümmerte sein Schienbein mit drei präzisen Schlägen.

"Du sagtest du würdest die Wahrheit sprechen, doch nun wirst du weiter leiden müssen.", kündigte ich ihm weitere Schmerzen an.

In seinen Augen stand die Angst geschrieben und er versuchte sich irgendwie herauszureden, doch ich hatte bereits an seinem zweiten Knie Posten bezogen und setzte das Messer noch einmal an der Kniescheibe an. Wieder trennte ich sie langsam aus dem Gelenk und warf sie zur anderen auf den feuchten Waldboden.

"Warum tust du mir das an?"

"Du hast es selbst verschuldet! Du hast mich belogen.", antwortete ich ihm wahrheitsgemäß.

"Ich werde ehrlich sein, ok? Nur hör bitte auf!", flehte er mich an.

"Nun gut. Wo hält sich Fabian Bell auf?"

"Ich weiß es nicht."

"Lüge!"

"Nein! Es ist wahr! Kaum Jemand weiß genau wo er sich aufhält. Den letzten Aufenthaltsort der mir bekannt ist, war in Paris."

"Was suchte er in Frankreich?"

"Catherine. Er sucht überall nach ihr."

"War es auch dein Auftrag sie zu finden?"

"Er hat von jemandem einen Tipp bekommen und ich sollte herausfinden, ob sie wirklich hier ist. Und sie ist hier oder? Deine Freundin ist Catherine oder?"

"Wann hast du Fabian das letzte mal Bericht erstattet?"

"Gestern bei meiner Ankunft."

"Gut. Wer hat euch den Tipp gegeben? War es ein Vampir?"

"Ich weiß es nicht genau."

"Dann denk nach.", forderte ich drohend auf.

"Ich weiß es nicht! Vielleicht irgendein Vampir, der hier durchgekommen ist oder sogar ein hier ansässiger."

"Denk nach! Ich verlange einen Namen!"

Um meinen Worten Nachdruck zu verleihen, griff ich mir den Hammer und zertrümmerte auch den anderen Unterschenkel. Nachdem er ein ersticktes Keuchen von sich gegeben hatte, war er wesentlich kooperativer.

"Ich glaube es war eine Frau! Kurz konnte ich eine weibliche Stimme hören, bevor er mich hierher schickte."

"Nun gut. Wer weiß von deiner Anwesenheit in dieser Stadt? Und wer weiß noch das Catherine hier lebt?"

"Nur Fabian. Er meinte ich solle mich bedeckt halten, damit sie nicht abhauen kann bevor ich sie gefunden habe und sie zu ihm bringe."

"Wo ist dein Handy?"

"Ich habe kein Handy."

"Lüge.", stellte ich zufrieden fest.

Wie viel von dem was er gesagt hatte war die Wahrheit und was sollte mich nur abhalten ihn weiter zu verstümmeln? Männer! Plötzlich hustete er stark und Blut quill aus seinem Mund, während er verzweifelt nach Luft schnappte. Aus Reflex hob ich den Schraubenzieher auf und punktierte seine Lunge. So würde ich es zumindest nennen... Eigentlich rammte ich ihm den Schraubenzieher zwischen die Rippen, riss ihn wieder heraus und gab dem Blut in seiner Lunge so die Möglichkeit abzufließen. Nach kurzer Zeit schloss sich das Loch wieder und Goldi begann wieder zu atmen, nachdem er eine kurze Pause eingelegt hatte. Die Lunge würde sich in wenigen Minuten wieder füllen, doch bis dahin würde dies sein kleinstes Problem sein.

"Wo ist dein Handy?", fragte ich erneut mit einer bedrohlichen Ruhe.

"Tasche.", seufzte er nur noch.

Er war erledigt. Offenbar hatte er sich damit abgefunden heute Nacht zu sterben und wollte Schmerz dabei weitestgehend vermeiden. Ich trat an ihn heran und suchte in der ruinierten Jeans nach seinem Handy. Das Smartphone befand sich in der rechten hinteren Hosentasche. Zufrieden lächelnd warf ich es zu meiner Handtasche und widmete mich wieder Goldi. Fünf Schritte trat ich zurück, bevor ich mich im Lotussitz auf dem Boden niederließ. Tief atmete ich durch und konzentrierte mich. Als ich dann die Augen schloss spürte ich sie. Meine Wölfe. Ich sah sie hinter geschlossenen Liedern vor mir und spürte jede einzelne Bewegung. Stumm erteilte ich meine Befehle und hielt ihre Macht dabei aufrecht, während ich bereits die ersten Schreie hörte. Die Laute des Schmerzes gingen langsam in ein leiseres Wimmern über, bis einzig das Knurren und vertraute Heulen zu hören war. Im Geiste rief ich meine Brüder zurück zu mir und nahm sie in mich auf, bevor ich die Augen öffnete und erneut tief Luft holte. Vorsichtig erhob ich mich und begutachtete Goldi´s Überreste. Zufrieden mit meiner Arbeit sammelte ich mein Werkzeug zusammen und machte mich erschöpft auf den Weg nach Hause. Es war bereits heller geworden und der Geruch von Blut lag drückend auf mir. Nach einem kurzen Blick über meine Kleidung gab ich ein entnervtes stöhnen von mir. Meine Sachen waren vollkommen ruiniert. Warum hatte ich auch eine gute Bluse angezogen?! Die Blutflecken würde ich nie im Leben wieder rausbekommen... Die Straße kam in Sicht und ich hielt im Schatten der Bäume Ausschau nach Passanten, die bei meinem Anblick vermutlich die Polizei rufen würden. Im Licht der aufgehenden Sonne trat ich aus der Dunkelheit und eilte zu meiner Wohnungstür. Davor stehend wühlte ich in meiner Tasche nach dem Schlüssel als die Tür geöffnet wurde und Zarioth vor mir stand. Dreckig grinsend machte er mir Platz, damit ich eintreten konnte.

"Wo kommst du denn her? Flittchen?"

"Ich bin kein Flittchen und zufällig war ich im Wald."

Ok... Das klang irgendwie komisch, wenn man es aussprach.

"Du gehst mit einem Typen aus und legst ihn danach im Wald um?! Du hast recht. Ein Flittchen wäre anständiger gewesen."

"Da kennt sich wohl einer aus.", antwortete ich genauso dreckig grinsend.

"Ich bin duschen.", rief ich über meine Schulter.

"Gute Idee. Wasch es einfach von dir ab. Irgendwann wird es einfacher."

Schmunzelnd ging ich ins Bad und musste wieder daran denken wie langweilig mein Leben ohne meinen allerliebsten "Bruder" wäre.

Eine schöne Tracht Prügel

Zwei Flaschen Whiskey und eine Lebensgeschichte später, hatte Hacki sich beruhigt und stand mit mir auf der Terrasse. Ich zog an meiner Zigarette und betrachtete wie die Sonne langsam aufging. In den letzten Stunden hatte ich so ziemlich jede Frage, die mein bester Freund hatte beantwortet. Einiges sollte ich Vorführen und er hat bestimmt eine Stunde damit verbracht mich an den Armen zu schneiden und zu stechen. Als ich damals entdeckte, dass ich schnell heilte, habe ich auch den ganzen Tag damit verbracht mir alles mögliche zu brechen. Bei diesem Gedanken musste ich schmunzeln. Ein Luftzug vom Wald wehte mir die Haare ins Gesicht und trieb mir den Geruch von Blut in die Nase. Alarmiert atmete ich tief ein und versuchte die genaue Richtung auszumachen. Ich rannte los und meine Beine protestierten bei dieser erneuten Anstrengung, doch ich ignorierte sie. Das war eindeutig Goldis Blut und der Gedanke, dass die menschliche Note darin von Asira stammen könnte, machte mich rasend. Alles in meinem Blickfeld wurde rot und ich lief schneller. Als ich an der Quelle ankam, blieb ich wie angewurzelt stehen und meine Eckzähne drückten gegen meine Unterlippe. Der Gestank von Blut lag drückend in der Luft. Meine Zunge konnte den süßen, kupferartigen Geschmack spüren und meine Augen wechselten ins Grüne. Mit viel Konzentration drängte ich den Durst zurück und begutachtete meine Umgebung. Um mich herum war der Waldboden in Blut getränkt und es lagen größere Fetzen herum, anders konnte man die Fleischbrocken nicht bezeichnen. Er war von Etwas oder Jemandem zerfetzt worden. Meine Sorge um Asira wuchs und ich überlegte gehetzt was ich machen sollte. Durch den Wald war es nicht mehr weit zu ihrer Wohnung und Zarioth könnte mir vielleicht helfen sie zu finden, wenn sie nicht dort war. Losgelöst von meinem Verstand rannte ich erneut los, während ich in meinem Kopf zusah, wie meine beste Freundin erstochen, geköpft, ausgesaugt, erwürgt oder entführt wurde. Bei diesen Gedanken krampfte sich mein Magen zusammen und eine Träne lief mir aus dem Augenwinkel. Ich war am Waldrand angekommen, überquerte die Straße und schlug beinahe die Tür ein. Mit dem Handrücken rieb ich die Träne von meiner Wange und wartete ungeduldig darauf, dass mir jemand öffnete. Nach schier endlosen Sekunden hörte ich Schritte und ein zerzauster Zarioth kam im Türspalt zum Vorschein. Er trug Boxershorts und sah verschlafen aus, doch das interessierte mich herzlich wenig. Beinahe wahnsinnig vor Sorge schob ich mich an ihm vorbei.

"ASIRA!"

Meine ebenfalls verschlafen wirkende beste Freundin kam aus ihrem Zimmer gestolpert. Suchend wanderte ihr Blick durch den Flur, während sie in Grundstellung da stand, eine Hand bereits am Griff ihres Katanas, die andere an dessen Scheide. Als sie mich schließlich erkannte, schlich sich etwas schuldiges in ihren Blick und sie gab ihre Stellung auf.

"Cat? Was machst du hier? Und warum brüllst du um diese Uhrzeit hier so rum?", nuschelte sie müde.

"Was ich hier mache? Ich habe im Wald Blut gerochen und die zerstückelten Überreste von Goldi gefunden. Ich hatte Angst dir wäre was passiert. Und du liegst in deinem Bett und schläfst!"

"Goldi ist tot? Zerstückelt im Wald?"

"Ja. Also warst du nicht bei ihm als er angegriffen wurde?"

"Nein. Er hat mich nach Hause gebracht und muss dann durch den Wald zurück sein."

"Egal. Hauptsache dir fehlt nichts. Dann kommen wir jetzt zu dem Punkt, dass du mit diesem Arschloch ausgegangen bist. Wie kannst du nur so leichtsinnig sein? Er hätte dich UMBRINGEN KÖNNEN, VERDAMMT!"

"Catherine. Beruhige dich, ok?! Es ist ja nichts passiert."

"Weißt du was er alles mit dir hätte machen können?!"

Hinter mir hörte ich ein unterdrücktes Lachen. Ich drehte mich um und sah Zarioth, der versuchte sich das Lachen zu verkneifen. Ein böser Blick von mir, veranlasste ihn dazu wieder in sein Zimmer zu gehen und die Tür zu schließen.

"Weißt du was? Wir reden morgen darüber. Nach der Schule. Beim Training!"

"Ok."

"Bis Morgen."

"Bis Morgen."

Damit verließ ich die Wohnung und trat in das träge Licht des Morgens. Mein Körper schrie nach dem Schlaf, den er wohl nicht mehr bekommen würde und eine leicht schmerzende Trägheit schlich sich in meine Gelenke. Alles fühlte sich taub und unwirklich an, während ich nach Hause lief. Mein Kopf pochte und meine Eckzähne drückten gegen meine Unterlippe. Mir fehlte die Kraft um etwas dagegen zu unternehmen, also schleppte ich mich weiter durch den Wald in Richtung meines Heims. Mir fiel Hacki wieder ein. Ich hatte ihn einfach auf meiner Terrasse stehen lassen. Hoffentlich hatte er sich etwas hingelegt. Nach einem Blick auf mein Handy stellte ich fest, dass er mich des Öfteren angerufen hatte und wir in vierzig Minuten zur Schule mussten. Der Gedanke zu schwänzen, war unglaublich verführerisch, doch ich musste mir die Fehlstunden für etwas wichtigeres als Schlaf und Erholung aufheben. Die Terrasse kam in Sicht und ich hoffte irgendwo noch etwas Blut zu finden, denn für die Jagd hatte ich keine Nerven mehr. Es war sowieso ein Wunder, dass ich noch nicht in irgendeiner Nervenklinik lag oder einen Zusammenbruch hatte. Ich schob die Terrassentür auf und fand meinen besten Freud schlafend auf der Couch.

"Hey!"

Für ein freundliches Aufwecken war es längst zu spät... Hacki fiel geschockt auf den Boden und sah sich hektisch um.

"Wir müssen gleich los. Willst du was anderes anziehen?"

"Was ist denn mit dir los? Und wo warst du? Ich hab mir Sorgen gemacht!"

"Du hast dir Sorgen um mich gemacht?", fragte ich belustigt.

"Jetzt wo ich so drüber nachdenke, sollte ich mir vielleicht mehr Sorgen um den machen, dem du hinterher gerannt bist."

"Ich bin niemandem hinterher gerannt. Wir müssen gleich in die Schule, also willst du was zum umziehen oder nicht?"

"Ein T-Shirt wäre nicht schlecht und irgendwas zu essen, wenn was da ist."

"Klar. In der Küche müsste noch Brot sein und Eier sind im Kühlschrank. Mach dir ein paar Rühreier oder so. Ich hol dir ein Shirt."

"Willst du auch was essen?", rief er mir zu, während ich schon Richtung Treppe schlurfte.

"Hunger hab ich schon, doch ich fürchte Eier werden da wenig helfen..."

Als ich noch kurz zurück sah, erblickte ich Hacki´s leicht geschockten Blick und ich eilte nach Oben in mein Zimmer. Dort kramte ich aus meiner Kommode zwei schwarze T-Shirts und zog mich um. Schnell huschte ich noch ins Bad und bleib am Spiegel stehen. Grün leuchtende Augen starrten mich an und meine Reißzähne hatten in meiner Unterlippe kleine Löcher hinterlassen, aus denen kleine Blutstropfen perlten. Während ich meine Haare durchkämmte, überlegte ich wo ich schnell etwas Blut herbekam um nicht in der Schule irgendwen anzugreifen. Schließlich entschied ich mich dazu im Wald möglichst schnell zu jagen. Meine Beine zitterten bei dieser Vorstellung, doch etwas anderes blieb mir nicht übrig. Der Geruch von Hackis Blut und der Schnitt in seiner Handfläche machten es nicht einfacher. So schnell wie ich es, mit zusammen gebissenen Zähnen, wagte zu rennen, lief ich die Treppe hinunter und direkt in Richtung Wohnzimmer.

"Das T-Shirt liegt auf der Couch. Bin gleich wieder da.", rief ich noch, bevor ich die Terrassentür hinter mir schloss.

Ich zielte sofort auf den ersten Puls, den ich wahrnahm und stürzte mich im Wald auf ein Kaninchen. Bevor ich ihm das Genick brechen konnte, war es bereits blutleer und ich suchte nach dem nächsten Opfer. Leider war ich nicht diskret und leise genug gewesen, sodass alles was flüchten konnte, dies auch getan hatte. Frustriert seufzte ich, nachdem ich es geschafft hatte Augen und Zähne in ihren Normalzustand zu versetzen. Damit hatte sich der Nachschlag erledigt. Der Tag hatte gerade erst begonnen und könnte sich dennoch bereits zu einem meiner schlimmsten in dieser Kleinstadt herausstellen. Hoffentlich kam heute niemand auf die Idee mich zu nerven. Auf dem Weg zurück zum Haus begutachtete ich meine Kleidung und klopfte etwas Dreck von meiner Jeans. Schnell schlüpfte ich durch die Terrassentür und suchte nach meinen Springerstiefeln. Ich zog mich an, verstaute meine Messer und schnappte mir meinen Rucksack.

"Hacki! Wir müssen los!"

"Ich komme."

Er stürmte die Treppe runter und lief durch die Haustür, die ich ihm aufhielt.

"Darfst du eigentlich schon fahren? Wir haben einiges getrunken gestern."

Das Lachen verkniff ich mir, doch ein grinsen legte sich von allein auf meine Lippen.

"Ich bin vollkommen nüchtern, mein Freund."
"Du hast eine ganze Flasche Whiskey getrunken, nicht geschlafen und sollst jetzt schon wieder nüchtern sein?"

Erschöpft zog ich ihn zu seinem Auto und verfrachtete ihn auf dem Beifahrersitz, während ich mich hinterm Steuer niederließ.

"Ich baue Alkohol schneller ab als du. Schnellerer Stoffwechsel. Hab ich dir doch erklärt.", erklärte ich ihm mit einem überlegenen Lächeln im Gesicht.
"Deswegen hast du bei Trinkspielen immer gewonnen! Du hast geschummelt!", beschuldigte er mich geschockt als ihm endlich ein Licht aufging, "Ich wusste das eine normale Frau nicht so viel verträgt."
"Ja. Es gibt auch Vorteile an dem Ganzen. Andererseits ist es auch teurer, wenn ich denn mal angetrunken sein möchte und es geht schneller vorüber."
"Wie ist das eigentlich mit dem Kater? Schon mal einen gehabt?"
"Ohhhhja. Mehr als nur einen."
Aber nicht vom Alkohol, fügte ich in Gedanken hinzu. Einen wirklichen Kater hatte ich meist nach schlimmen Verletzungen gehabt oder tagelanger Durststrecke. Dann bekam ich Kopfschmerzen, wurde Lichtempfindlich und ich bekam nichts an fester Nahrung runter.
"Wie ist das eigentlich mit dem Blut trinken?"
"Wie meinst du das?"
Er hatte diese Frage beiläufig gestellt als wäre es ganz normal, doch es war klar, dass er wissen wollte ob ich menschliches Blut trank. Ein Hauch von Entäuschung machte sich breit, andererseits konnte ich ihn verstehen...
"Trinkst du auch Blut?"
"Ja. Ich trinke Tierblut, wenn ich muss."
"Schon mal die andere Sorte probiert?"
"Haha, sehr witzig.", antwortete ich sarkastisch und erstickte damit weitere Nachfragen im Keim.

Das gehörte zu dem Teil meiner Vergangenheit, den er nicht unbedingt erfahren musste, auch wenn er eigentlich schon wesentlich zu viel wusste. Am liebsten hätte ich ihn komplett aus dem Ganzen rausgehalten, aber das konnte ich ab jetzt vermutlich vergessen. Die restliche Fahrt verbrachten wir mit Schweigen und als ich endlich an der Schule parkte, schrillte bereits die Schulglocke los. Wir eilten auf den Eingang zu und ich begann automatisch immer wieder für längere Zeit die Luft anzuhalten und dabei meinen Brustkorb weiter der normalen Atmung entsprechend zu bewegen. So hatte ich es mir vor Jahren in größeren Menschenmengen antrainiert und Hacki stieß mir seinen Ellbogen in die Rippen, als er bemerkte was ich da tat. Aus Reflex rieb ich über die getroffene Stelle.
"Machst du das immer so?", fragte er total entgeistert, "Hat das noch keiner mitbekommen?"
"Die Meisten achten nicht auf so was und wenden den Blick ab oder ignorieren es unterbewusst. Außerdem stinkt es hier drin!"
Ich rümpfte die Nase und Hacki lachte leise.
"Dafür braucht man deine Superkräfte nicht. Ich weiß das es hier stinkt!"
Wissend nickte ich und lächelte ihn leicht an. Mein Klassenraum kam in Sicht und ich drückte ihn kurz bevor ich mich noch durch den Spalt der sich in diesem Moment schließenden Tür zwängte.
"You´re late.", stellte meine Englischlehrerin fest.
"Actually I´m just in time.", konterte ich.
"Ok. Sit down.", gab sie sich müde geschlagen.
Sie wusste, dass sie diese Diskussion nicht gewinnen würde und lies es gleich. Ihre gute Entscheidung anerkennenden nickte ich und setzte mich auf den gewohnten Platz ganz hinten in die Ecke. Ja, ich war ein Eckenkind. Aber ganz ehrlich... Ecken waren und werden immer toll sein. Niemand konnte einen von hinten überraschen, es saß immer nur einer neben mir und man konnte sich um wichtigere Dinge kümmern als den englischen Adel. Zum Beispiel Mordgedanken. Oder sich Sorgen machen. An diesem Morgen malte ich mir aus, wie ich Asira erwürgte und gleichzeitig wollte ich sofort losrennen um mich zu vergewissern ob es ihr gut geht. Sollte ich vielleicht besser aus der Stadt verschwinden und nochmal abtauchen? Bei diesem Gedanken krampfte sich mein Magen zusammen und mich überkam ein unnatürlich stumpfes Gefühl von Trauer. Als würde jemand meinen Kopf mit Watte ausstopfen und gleichzeitig setzten die Kopfschmerzen wieder ein und pochten gleichmäßig mit meinem Puls. Ich wusste nicht wie ich auf Asira reagieren würde, allerdings hatten wir uns zum Training heute Nachtmittag verabredet. Dann konnte ich sie ein bisschen vermöbeln und wieder zusammen flicken. Wie beste Freundinnen das eben so tun. Asira war meine Familie. Wenn ich wirklich aus der Stadt verschwinden müsste, würde ich sie vermutlich fragen ob sie mitkommt... Kein schöner Gedanke. In den letzten Tagen häuften sich die unschönen Gedanken und die Szenarien wie die Zukunft ablaufen könnte...

Szenario 1: Fabian bringt mich um, nachdem ich zusehen durfte wie er alle die ich liebte umbrachte und er mich noch etwas gefoltert hatte.

Nr. 2: Ich haue aus der Stadt ab, ob mit Asira oder ohne und weiß nicht ob meine Freunde das überleben würden oder ob Fabian aus ihnen versucht heraus zu quetschen wohin ich mich verkrochen habe.

3.: Ich töte Fabian und alle leben glücklich bis ans ende ihrer Tage. (Außer er hat zu viele Gefolgsleute die evtl. rachsüchtig sind. Dann fängt das ganze wieder von vorne an und seien wir mal ehrlich das will keiner!)

So viel zu meinen Möglichkeiten. Klang nicht gerade berauschend. Ich könnte mich auch ausliefern aber das lies mein Stolz nicht zu. Gott weiß was er mit mir anstellen würde, wenn er mich wieder in die Finger kriegt. Bei der Vorstellung wurde mir kurz schwindlig. Selbst ich hatte Schmerzgrenzen und er war gelernt darin sie auszutesten und zu überschreiten. Für ein paar Sekunden hielt ich die Luft an und horchte auf die Geräusche die mich umgaben. Stifte die über Papier kratzten, das stetig ruhige Atmen von 20 Schülern und einer Lehrerin. Und ihre Herzen. In den letzten paar Monaten hatte es wieder zugenommen und seit wenigen Tagen hörte ich den Puls von jedem im Umkreis von 200 Metern. Es war als würde mich dieses Geräusch verfolgen und mich verrückt machen.Nur gut das die Steinmauern die anderen Klassenräume von uns abschnitten, sonst wäre ich bestimmt schon Amok gelaufen. Zu unser aller Erlösung ertönte die Schulglocke und ich wartete brav bis jeder aus dem Raum verschwunden war, bis ich mich ebenfalls aus dem Staub machte und zum Zaun lief. Asira war nicht da. Das beruhigte mich natürlich ungemein... Ich würde sie wohl umbringen müssen.. Das würde das schnelle absterben meiner Nerven verhindern und ich wäre um einiges ausgeglichener. Vielleicht... Das verlangen nach einer Zigarette war mir vergangen also gab ich Aaron meine Schachtel und machte mich daran Asira in der Schülerschaft zu erschnüffeln. Langsam wanderte ich durch die Schülermenge und versuchte sie aus allen anderen heraus zu filtern. Natürlich würde ich mich nur vergewissern das es ihr gut ging und sie dann wieder den ganzen Tag ignorieren. So läuft es immer wenn einer von uns beiden Mist baut. Der jeweils andere straft einen mit totalem Desinteresse und Ignoranz bis diese dann gnädiger weise nachgibt. Oder wir uns gegenseitig vermöbeln. Ein Windhauch trug Asiras Geruch von links zu mir herüber und so folgte ich dieser Spur. Als ich dann auf den zweiten Schulhof trat sah ich sie sofort unter einem der Bäume im Schatten sitzen und lesen. Das tat sie immer wenn sie grübelte und allein sein wollte. Selbst auf diese Entfernung konnte ich ihren konzentrierten Ausdruck sehen während sie in Ruhe die Seiten taxierte und nach den Informationen suchte die sie brauchte. Sie hatte sich wieder so einen alten Wälzer besorgt und schlug vermutlich wieder nach welche Fähigkeiten Menschen und Vampire im Laufe der Zeit entwickeln konnten. Seit ich ihr vor ein paar Monaten erzählt hatte das ich des öfteren Blutdurst verspürte und Vampire Fähigkeiten entwickeln konnten, hatte sie es sich zur Aufgabe gemacht herauszufinden ob ich dies auch konnte. Meiner Meinung nach fand sie die Vorstellung ich könnte Feuer mit meinem Blick erzeugen oder Blitze aus meinen Händen schießen einfach ein bisschen zu cool. Ich lies sie allein und trottete bereits Richtung Hauptgebäude zur nächsten Stunde als jemand hinter mir meinen Namen rief. Als ich mich umdrehte sah ich zu meiner Überraschung Jannik auf mich zu laufen. Er sah nicht wirklich begeistert aus.

„Die Aktion gestern fand ich echt nicht cool Cat. Ich hab fünfundvierzig Minuten vor dem Kino auf dich gewartet und du bist nicht gekommen. Du hättest wenigstens eine SMS schreiben können.“

Verdammt... Ich hatte ihn völlig vergessen... Ok jetzt brauchte ich eine Ausrede... Komm schon... Irgendwas... Ja!

„Ja tut mir leid aber mein bester Freund stand gestern plötzlich vor meiner Tür und musste dringend mit mir reden... Da hab ich einfach vergessen zu schreiben, sorry.“, log ich und machte dabei ein möglichst Schuldbewusstes Gesicht.

Sein Blick wurde weicher und er lächelte mich wieder an.

„Das versteh ich. Schon ok.“, verzieh er mir.

„Danke. Ich muss jetzt weiter. Bis dann.“, verabschiedete ich mich und drehte mich um bevor er überhaupt antworten konnte und lief weiter Richtung Schule.

In diesem Moment schellte es und ich atmete noch einmal tief durch, bevor ich in das Getümmel von Schülern schritt. Der Geschichtsunterricht rief nach mir und ich war natürlich vollkommen begeistert. Wenn man so manchen Blutsaugern glauben schenken durfte, dann war das meiste sowieso Stuss. Aber der Stundenplan sah vor, dass ich mir diesen Stuss anhörte also wartete ich brav wie alle anderen vor der Tür auf Einlass. Der Lehrer kam und sah ähnlich gelangweilt aus, wie seine Schüler. Keiner von uns war lebensmüde genug um in Geschichte eine Klausur zu schreiben und ihm ging das wohl gegen den Strich, denn sobald alle saßen, wurden wir beauftragt einen Aufsatz zu schreiben. Er hatte sich bisher noch nie einen angesehen also kritzelte ich auf meinem Block herum, während ich meinen Gedanken nachhing. Ich würde wohl oder übel Fabian finden müssen, bevor er mich fand. Mein einziger Hinweis war sein altes irisches Herrenhaus, doch dorthin wollte ich auf keinen Fall zurück... Außerdem könnte er noch immer dort sein... Würde er dort auf mich warten? Mir eine Falle stellen? Es wäre die pure Ironie, wenn er mich dort wieder in die Finger bekommen würde. Ich konnte noch immer den Wind um die Nase und das Brechen meiner Knochen beim Aufschlag ins Meer spüren. Blut sammelte sich in meinem Mund. Ich hatte mir die Lippe aufgebissen. In Irland würde meine Suche also beginnen und wenn ich schon mal da war konnte ich das ganze verdammte Anwesen auch direkt niederbrennen. Zu unser aller Freude schellte es und der Lehrer floh beinahe aus dem Raum. Der Rest von uns trottete langsam nach draußen in Richtung süßer Freiheit. Ich folgte der Masse an Schülern Richtung Parkplätze und schrieb Asira, dass sie in einer Stunde bei mir sein sollte. Ich lief zu Hacki´s Wagen und wartete auf meinen besten Freund damit er mich nach Hause fuhr. Er kam auf mich zu geschlendert und zog den Wagenschlüssel aus seiner Jackentasche.

„Na? Wie war der Tag?“, fragte er mich müde.

„Langweilig. Uninteressant. Zeitverschwendung. Bei dir?“

„Ja, so ähnlich.“

Wir stiegen ein und er fuhr los. Der Stau gab mir nervlich den Rest, auch wenn Hacki die Musik lauter stellte, damit ich mich darauf konzentrieren konnte. Er setzte mich zu Hause ab und gab mir einen Kuss auf die Wange. Ich verabschiedete mich und stampfte auf die Haustür zu. Drinnen begab ich mich ohne Zwischenstopp in den Keller, zog ein Messer aus meiner Tasche und lächelte, während ich damit vor der Nase meines derzeitigen Mitbewohners herumwedelte.

Seine grün leuchtenden Augen starrten auf die Klinge und folgten der Bewegung. Mein Lächeln wandelte sich in ein gemeines Grinsen als ich mir einen Schnitt auf der Handfläche zufügte und mein Gegenüber die Fassung verlor. Er sprang wild gegen die Ketten an und schnappte nach mir. Seine Eckzähne schimmerten scharf im Licht seiner Augen. Die Wunde schloss sich und mein Freund beruhigte sich langsam.

„Du hast Hunger!?“, stellte ich selbstgefällig fest. Die Antwort kam als Knurren zurück.

In einer schnellen Bewegung hatte er die Klinge an der Kehle und ich ermahnte ihn in einem gefährlich ruhigen Ton.

„Vorsicht! In diesem Haus verhalten wir uns zivilisiert!“

Er drückte sich mit dem Rücken gegen die Wand und atmete flach, um sich nicht selbst ausversehen die Kehle aufzuschlitzen. Ich lies den Arm wieder sinken. Auch meine Augen strahlten jetzt wie zwei grüne Flutlichter und erhellten den Kellerraum.Warum hatte eigentlich noch niemand herausgefunden, dass es Vampire gab, wenn sie so verdammt auffällig waren? Andererseits gab es auch immer noch Krieg und Armut... Wer sollte die Menschheit schon verstehen? Er starrte mich weiterhin mit diesem Unglauben an und ich sah beinahe kleine Rauchwölkchen aufsteigen, während er nachdachte. Offenbar hatte sein Boss ein paar wichtige Details über meine Wenigkeit ausgelassen.

„Also das wird jetzt folgendermaßen ablaufen. Ich stelle dir fragen und du beantwortest sie. Wenn du brav bist bekommst du vielleicht sogar was zu essen, wenn nicht schneide ich die Wahrheit aus dir raus.“, stellte ich meine Absichten klar.

„Wo waren wir gestern stehen geblieben? Achja, wer schickt dich?“

„Das hatte ich dir bereits gesagt. Fabian hat mich...“, weiter kam er nicht ehe er schrie als ich ihm mein Messer in die Schulter stieß und es wieder herausriss.

„Lügen hilft dir hier nicht weiter und im Moment solltest du mehr Angst vor mir haben als vor wer auch immer dich beauftragt hat mich zu verscheuchen.“

Woher weißt du das ich dir Angst machen sollte?“, fragte er mich verwirrt,

„Also bitte. Du kommst hierher, weißt nicht was ich bin, hast keinerlei Kampferfahrung, riechst nicht wie einer von seinen Leuten und trägst auch nicht sein Zeichen.“

Perplex starrte er mich an, während ich langsam wütend wurde.

„Willst du mir vielleicht jetzt die Wahrheit sagen?“, fragte ich zuckersüß, während ich sein Hemd der Länge nach aufschnitt.

„Er sagte mir er wäre Fabian Bell und ich sollte seine Ex-Frau finden und von hier vergraulen.“, gab er nach.

„Was ist mit der Rose? War das auch eine Anweisung oder deine eigene Idee?“

„Anweisung.“

Ex-Frau also... Und wer wusste außer Fabian und mir noch von der Rose? Mein Kopf fing an zu pochen und mein Oberkiefer schmerzte als ich mir mein Hirn zermarterte. Wer war dieser Typ der nach mir suchte? Und woher verdammt wusste er wo ich wohnte? Zähneknirschend wandte ich mich von dem Vampir ab und stapfte Richtung Treppe. Hinter mir nahm ich seine Schreie kaum wahr. Irgendwas mit Blut und nie endender Rache. Ich schloss die Tür und schlurfte angespannt Richtung Wohnzimmer. Mein Teppich war wohl schon wieder ruiniert und den Wohnzimmertisch konnte ich dieses mal wohl auch vergessen. Laut theatralisch seufzend machte ich kehrt und landete in der Küche. Im Kühlschrank herrschte gähnende Leere, was Lebensmittel und Blut gleichermaßen betraf. Aus einem der Schränke holte ich eine Tasse und stellte sie auf die Arbeitsfläche. Das Messer wusch ich in der Spüle und desinfizierte es, bevor ich es noch trocken wischte. Ich konnte zwar in der Theorie nicht krank werden, aber allein schon der Gedanke lies mich würgen. Die Hand über der Tasse zog ich die Schneide quer über meine Handfläche und füllte die Tasse zu dreiviertel. Meine Wunde schloss sich nur noch widerwillig. Ich hätte Hacki nicht so viel spielen lassen dürfen. Das vorsichtige Klopfen an der Terrassentür kündigte meine beste Freundin an, bevor sie hereinkam und sich zu mir in die Küche gesellte. Kurz musterte sie mich, bevor sie die Tasse entgegennahm und kaum merklich den Kopf schüttelte. Schließlich setzte sie an und trank in großen Schlücken.Wie jedes mal konnte das Grimasse ziehen nicht verhindern.

„Weißt du was? Du schmeckst jedes mal ekliger!“, stieß sie angewidert hervor.

Weiterhin sturköpfig ging ich auf die Stichelei nicht ein und verdrehte stattdessen genervt die Augen. Sie lies sich nicht beirren und machte freudig weiter.

„Also darf ich dich jetzt wieder fertig machen oder willst du warten bis du so etwas wie Talent entwickelst?“

Ich schüttelte den Kopf und ging mich umziehen. Als ich in Sportkleidung wieder kam, stand sie bereits in ihrem Kampfanzug im Garten und dehnte sich. Meine Waden zogen und meine Oberschenkel brannten als ich zu ihr herunter lief und ein Messer aus meinem Stiefel zog. Das war der Deal. Ich bekam ein Messer und sie hatte 2 Katana´s und einen Bogen mit 3 Schuss. Sie hatte sich damals geweigert mich mit einer „richtigen“ Waffe zu beschießen. Das hätte keinen Stil. Und um ehrlich zu sein war sie eine furchtbare Schützin. Dafür mit Schwertern umso besser. Ganz zu schweigen von ihren Fäusten. Es ist als würde sich sehr viel Boshaftigkeit in meiner kleinen Freundin stauen und ihre Schläge wesentlich verschlimmern. Es war unglaublich.

Jetzt standen wir uns gegenüber. Das Messer in der linken Hand überlegte ich ob und wo ich angreifen sollte. Sie stand ruhig da. Eine Hand am Griff ihres Schwerts und die Andere an der Scheide. Wie heute Nacht. Meine Wut kam wieder hoch. Nicht gut. Ohne Vorwarnung sprang Asira plötzlich vor und zog ihr Schwert, doch anstatt mich damit anzugreifen schwang sie die Scheide und zielte auf meine rechte Schulter. Ausweichend drehte ich mich in letzter Sekunde nach links und hörte wie sie an mir vorbei zischte. Schnell blockte ich ihr Schwert, dass sie von unten in Richtung Hüfte geschwungen hatte. Nach Luft schnappend machte ich einen Schritt zurück, um drehend Schwung zu nehmen und ihr einen schönen Bauchtritt zu verpassen. Ich hörte die Luft aus ihren Lungen weichen als sie hinfiel und sich schnell wieder aufrappelte.

„Tut mir leid.“, gab ich kleinlaut zu.

„Hatte ich verdient.“, gab sie nach Luft schnappend zurück.

„Also was hast du mit Goldi gestern Abend gemacht?“

„Hab versucht was rauszufinden.“

„Hat es funktioniert?“

„Vielleicht.“

Gott sie machte mich fertig. Zähneknirschend griff ich an und vergaß meine Deckung. Stechender Schmerz breitete sich im rechten Schlüsselbein aus. Unwillkürlich griff ich an die Wunde. Das Katana steckte bis zum Griff knapp über dem Knochen und ragte an der anderen Seite wieder heraus. Hätte es nicht so höllisch weh getan, würde ich sie jetzt loben. Meine Augen verbreiteten einen grünen Schimmer um mich herum. Warmes Blut lief aus der Wunde und tropfte ins Gras. Mit jedem Tropen wurde mir kälter und der Schmerz breitete sich in meinem Körper aus. Mein Messer hatte ich fallen lassen und Asira stand ein paar Schritte entfernt. Sie zielt mit dem Bogen auf meinen Kopf.

Ich fiel ehr zur Seite als das ich sprang. Der Pfeil streifte meine Wange und hinterließ einen Kratzer. Hart prallte ich auf dem Boden auf und mit einem schmerzerfülltem Stöhnen wurde die Luft aus meiner Lunge gepresst. Immer noch das Katana umklammernd, biss ich die Zähne zusammen, um nicht zu schreien. Tränen rannen mir über das Gesicht und über das Klingeln in meinen Ohren hörte ich meinen rasenden Puls.

Zwar war mir durchaus bewusst, dass ich das Schert aus der Wunde ziehen sollte, doch die Angst vor noch schlimmeren Schmerzen hielt mich bisher davon ab. Ich kannte diese Art von Schmerz und sie war nicht besonders angenehm. Eigentlich war es so ziemlich die schlimmste Sorte. Mal abgesehen von Verbrennungen.

Das Geräusch einer sich spannenden Bogensehne drang zu mir durch. Eine kleine Stimme in meinem Kopf schrie mich an, zwischen die Bäume zu fliehen. Aber das würde sie erwarten.

Ich nahm all meine noch vorhandene Konzentration und riss das Katana aus meiner Schulter. Der Geschmack von Blut breitete sich in meinem Mund aus und ich schrie auf. Asira starrte mich geschockt an als ich mich aufrappelte und ihr wieder gegenüberstand. Mein rechter Arm hing schlaff neben meinem Körper und ich wagte nicht ihn zu bewegen. Das einzige Geräusch auf dem Kampfplatz war das stätige Tropfen meines Blutes. Die Wunde schloss sich nicht und ich spürte die Kälte bereits in meinem ganzen Körper. Mein Sichtfeld verschwamm und ich versuchte das rot zu verdrängen.

Ich schaffte es nicht.

 

Geheimnisse (Sichtwechsel)

Ihr Blick änderte sich.

Das ist immer das erste was ich warnahm. Vor einer Sekunde hatte sie noch qualen in ihrem Blick. Ein blinzeln und sie war nicht mehr sie selbst. Dann kam der Geruch. Sie roch nach Vampir. Cat nahm eine gebückte Haltung ein. Gleich würde sie versuchen mich anzugreifen.

In letzter Zeit passierte es öfter. Tränen traten in meine Augen. Sie zwang mich schon wieder dazu. Wenn ich ihr im fairen Kampf gegenüberstand war es etwas anderes sie zu verletzen. Wie ich es hasste. Jetzt musste ich sie ein weiteres mal ruhigstellen.

Eine Stimme in meinem Kopf flüsterte mir zu sie einfach zu töten.

 

"Erlöse sie von ihren Qualen. Sieh sie dir an. Ihr Wille ist gebrochen und sie ist die Dienerin ihres Blutes."

 

Vorsichtig schlich ich rückwärts ein paar Schritte um mehr abstand zwischen uns zu bringen. Vermutlich hatte er recht aber ich konnte es nicht und würde es auch nie können. Konzentriert fixierte ich meine beste Freundin, die Bogensehne weiterhin gespannt. Mittlerweile zielte ich auf ihren Oberschenkel. In diesem Zustand würde sie nicht ausweichen. Ein Kopschuss war daher eher Kontraindiziert.

 

Cat gab ein animalisches Knurren von sich und er schnurrte. Die Herausforderung gefiel ihm und mir gelang es nur mit Mühe ihn zu unterdrücken. Die Schatten drängten bereits aus mir heraus und waberten wie Nebelschwaden über dem Gras.

Sie griff an. Frontal rannte sie auf mich zu, die Hände zu Klauen gekrümmt und die Zähne gebleckt. Der Pfeil traf sie auf halber Strecke. Ihr Tempo verlangsamte sich, doch sie kam weiterhin auf mich zu. Ich legte die Hand an mein zweites Katana. In der Sekunde, in der sie mich erreichte, drehte ich mich nach links und zog mein Katana. Noch in der Drehung schnitt ich ihre Achillessehne durch.

Es klang fast wie ein Peitschenhieb als die Klinge das Gewebe durchtrennte und Cat direkt auf ihre Nase fiel. Regungslos blieb sie liegen und blutete. Mein Herz blieb kurz stehen und ich eilte zu ihr. Doch ihre Brust hob sich noch. Sie lebte.

 

"Das liese sich leicht ändern...", flüsterte es leise in meinem Schädel. Eins musste man ihm lassen, er klang immer sehr verführerisch. Hätte er einen eigenen Körper, hätte er mich vermutlich schon längst flach gelegt. Das Messer noch in der Hand, ging ich auf meine Freundin zu und sties sie mit dem Fuß an. Keine Regung. Langsam hockte ich mich hin und drehte sie auf den Rücken.

 

Sieh sah wirklich scheiße aus, wenn sie so bewusstlos da lag. Und natürlich durfte ich sie jetzt wieder in ihr Bett schleppen. Ich seuftzte theatralisch und steckte mein Messer weg. Gott sie Dank hat Cat mir mal ihre Rettungstechnicken beigebracht. Ich konzentrierte mich und hiefte sie mir auf die Schultern. Besonders elegant sah es zwar nicht aus aber es funktionierte. Schweren Schrittes schlurfte ich Richtung Terasse. Dafür das sie so dünn war wog sie ganz schön viel und so lief mir der Schweiß bereits nach knappen 10 metern den Rücken herunter. Ich schwöre bei Gott irgendwann würde ich sie umbringen oder beim Verusch sie zu retten abkratzen. Ein Lächeln stahl sich in meinem Mundwinkel. So muss wahre Freundschaft sich wohl anfühlen. Glaubte ich zumindest... Die Terasse kam in Sicht und ich verzog das Gesicht.

 

In diesem Moment hörte ich es. Sie war zu sich gekommen. Zumindest so weit das ich ihr summen hören konnte. Das Summen ihrer Schmerzen war immer gleich. Es klang wie das Lied eines Kindes. Eines Kindes das ihre Eltern verloren hatte. Jedes mal brach es mir das Herz.

 

Die Sonne verabschiedete sich und Dunkelheit legte sich über uns. Endlich hatte ich die Tür zum Haus erreicht und trat ins Wohnzimmer. Der Geruch von Blut verteilte sich schnell im Zimmer und ich hatte das Gefühl von Kupfer auf der Zunge. Ich trug Cat die Treppe hoch und lies sie auf ihr Bett fallen. Ihr entfuhr ein leises stöhnen und sie krümmte sich zusammen wie ein Fötus im Mutterleib. Schnell biss ich die Zähne zusammen und holte aus ihrem Nachtschrank ein paar Handschellen. Natürlich hatte sie Handschellen im Nachttisch, zwar nicht fürs Vergnügen aber trotzdem praktisch.

 

Ich legte die eine hälfte um ihren unverletzten Fuß und kettete sie an den Bettpfosten. Nun kam der unangenehme Teil. Im Bad fand ich in der Erste-Hilfe-Kiste Nadel und Faden, sowie eine Schiene, Verband und einen Beißkeil. So oft wie wir uns schon gegenseitig geflickt hatten, könnten wir praktisch das Medizinstudium überspringen und direkt Chirurgen werden. Vermutlich würde daraus nie etwas aber man durfte ja noch träumen. Mein summendes häufchen Elend das auf den Namen Catherine hörte nahm den Beiskeil ohne Proteste in den Mund und streckte ihr verletztes Bein von sich. Sie wusste was passieren würde. Ich setzte mich rittlings auf ihr Bein und verkeilte es unter mir. Die Zähne zusammen beißend tastete ich den Schnitt ab und suchte ihre Sehne, die ich kurz darauf mit meinem Daumen streifte. Unter mir spürte ich wie sich Muskeln anspannten und ich packte schnell den Fuß bevor ich sie wieder verlor. Mit der anderen Hand nahm ich Nadel und Fadem und nähte brav die von mir zerstörte Sehne wieder zusammen. Zwar sehr locker doch so wussten wir wenigstens welche Teile zusammen gehörten. Vorsichtig legte ich die Schiene an und fixierte so Bein und Fuß. Wimmernd lies ich sie zurück und machte mich auf den Weg.

 

Ich hatte schließlich noch eine Verabredung und was zu erledigen. Mein elendes Häufchen brauchte Blut. Das ganze Haus stank danach also lies ich ein paar Fenster geöffnet und verlies das Haus.

Mein Handy gezückt eilte ich die Straße entlang und atmete die kühle Luft gierig ein. Meinen Bruder hatte ich auf Kurzwahl und warnte ihn vor wie ich gleich auftauchen würde. Ein Glück war es bereits dunkel und niemand war mehr unterwegs. Hätte mich jemand so gesehen, wäre ich vermutlich in Erklärungsnot gekommen. Zwar hätte ich eine Dusche gebrauchen können, doch selbst die beste Reinigung würde meine Klamotten nicht mehr retten.

Grübelnd folgte ich weiter der Straße. Es passierte immer häufiger das Cat die Kontrolle verlor. Bisher nur in meiner Nähe oder wenn sie alleine auf Jagd war, doch wie lange sollte es noch so weitergehen. Wo war der Punkt erreicht an dem sie nicht mehr zurück kam.

Wenn sie die Kontrolle verlor, verhielt sie sich nicht wie ein gewöhnlicher Vampir. Nicht einmal wie ein Neuling. Sie wurde zum Raubtier. Nicht zu Vernunft oder logischem denken fähig. Vor der Tür zum Pub blieb ich stehen, schüttelte den Kopf und seufzte theatralisch.

Kleine Schritte Asira. Kleine Schritte.

Ich betrat „The golden leaf“ und atmete den vertrauten Duft nach abgestandenem Alkohol, Rauch und Wald ein. Ein kurzer Blick in die Runde und ein nicken zum Gruß, dann ging ich auf die Bar zu. Zarioth stand dahinter und schenkte einer Elfe Nektar in ihren Fingerhut nach.

„Wessen Blut ist das?“, fragte er ohne den Blick zu heben.

„Zumindest nicht meines.“, antwortete ich kleinlaut.

„Dessen bin ich mir bewusst. Du stinkst bis hierher nach Vampir. Also wer hat sich mit dir angelegt?“

„Sagen wir mal ihr geht es wesentlich schlechter als mir.“

Seine Mundwinkel zuckten und er musste sich das grinsen verkneifen. Ich wusste wären wir allein gewesen hätte er auf einen ausführlichen Bericht bestanden. Und sich anschließend vor lachen auf dem Boden gekugelt. Doch hier in seiner Bar war er unparteiisch und durfte mir keine gewalttätigkeiten durchgehen lassen.

„Hast du meine Tasche?“, wollte ich zuckersüß wissen.

„Ja, sie liegt hinten. Warte kurz.“, er drehte sich um und verschwand im kleinen Durchgang links von ihm.

Müde lehnte ich mich gegen die Theke und lies meinen Blick über die Gäste schweifen. Die meisten waren Stammgäste und ich kannte beinahe alle beim Namen. Naja in dieses kleine Kaff verirrten sich eben nicht viele übernatürliche Wesen.

„Hier und wasch dich wenigstens. Sonst wirst du nachher noch für eine Vampirin gehalten“, Zarioth warf mir die Tasche zu, während ich schon in Richtung Toilette schlenderte.

Meine Kleidung war bereits steif von trockenem Blut. Ich zerrte mir alles vom Körper und stopfte es in einen Müllsack. Ob das noch zu retten war… Ein langer Seufzer entwich mir, während ich mein Spiegelbild musterte. Meine Haare hatte kaum etwas erwischt aber im Gesicht, bis ins Dekolleté klebte getrocknetes Blut auf meiner Haut. Ich holte die Bürste aus meiner Notfalltasche und fing an mich sauber zu schrubben.

Nach ein paar Minuten war meine Haut rot gescheuert aber das Blut und der Geruch nach Vampir waren beinahe gänzlich verschwunden. Zufrieden mit meiner Arbeit packte ich meine Sachen wieder ein und schlang mir die Tasche über die Schulter.

Entschlossen trat ich nach draußen auf den Flur und wandte mich nach rechts tiefer in die Dunkelheit. Am Ende des Flurs stand ich vor der Wand und betrachtete für einen Monat dieses Wunderwerk der Magie meines Bruders. Er hatte sein eigenes Portal nach unten geschaffen. Ich war so stolz auf ihn.

Mit einem schiefen Lächeln zog ich meinen Dolch, schnitt mir in den Finger und verstrich mein Blut über die Wand. Als wäre sie ein Schwamm sog sie es auf und man spürte ein Kribbeln wie von elektrischer Spannung in der Luft. Das Portal öffnete sich und ich trat durch eine Wand aus schwarzem Rauch. Dahinter tat sich die gleiche steile Wendeltreppe auf, wie jedes Mal und wieder fluchte ich innerlich. Warum konnte Magie nicht modern genug für Aufzüge sein? Ich warf einen Blick nach hinten aber das Portal schloss sich bereits. Einen tiefen Atemzug nehmend schritt ich die steinerne Treppe nach unten. Ab und an wurde der Weg von einer Fackel erleuchtet, doch ich konnte auch in der schwärzesten Nacht sehen. Jedes Mal wenn die Dunkelheit sich kurz um mich verdichtete meinte ich in meinem Kopf ein zufriedenes Schnurren zu hören. Er liebte die Nacht. Die Dunkelheit. Sie waren sein zu Hause. Leider hatte diese Eigenschaft auf mich abgefärbt.

Nach einer gefühlten Ewigkeit trat ich durch einen schmalen Torbogen aus Stein in das Dämmerlicht, das hier magisch erzeugt wurde, den neutralen Markt der Unterwelt.

Der Platz war oval geformt und mit uralten Häusern gesäumt die mich sehr an das London des 19. Jahrhunderts erinnerten. Überall war Kopfsteinpflaster, wäre eine Kutsche vorbei gefahren es hätte mich nicht gewundert.

Ich musste mich kurz orientieren. Es war wesentlich voller auf dem Markt, als ich es gewohnt war.  Suchend blickte ich mich nach meinem Händler um und schließlich fand ich ihn auf 2 Uhr. Zielstrebig bahnte ich mir einen Weg durch die Menge, darauf bedacht niemanden zu verärgern.

Auch wenn dies neutraler Boden sein sollte, waren mit genug Wut einige dieser Geschöpfe durchaus fähig mich an einem anderen Ort zu finden und das könnte sehr unschön enden. Zwar hauptsächlich für die andere Partei aber Leichen entsorgen wird auf Dauer mehr als lästig.

Am Stand angekommen grüßt mich Bradni, ein etwas in die Jahre gekommener Zwerg bei dem ich seit ich diesen Markt entdeckt hatte mein Blut und magische Gegenstände kaufte. Wir hatten damals eine Abmachung getroffen, ich besorge ihm hin und wieder ein paar Leichenteile verschiedener Geschöpfe (dabei war er nicht wählerisch) und er belügt mich nicht was seine Ware betrifft.

„Guten Abend Bradni. Wie läuft das Geschäft?“, frage ich höflich.

„Ich bin fast ausverkauft. Ich weiß nicht genau was heute los ist aber so einen andrang hatte ich schon länger nicht. Falls du Blut brauchst, ich hab dir ein bisschen was zurückgelegt.“, brummelt dieser zurück.

Zwerge antworten niemals normal. Sie wirken grundsätzlich genervt und brummeln entweder in sich hinein oder brüllen einem ins Gesicht.

„Hm. Danke. Ich nehme 4 Beutel. Blutgruppe egal.“

„Ich hab auch ein neues Schmuckstück bekommen. Möchtest du es sehen?“

Gespielt gelangweilt antworte ich, doch ich freute mich wie ein kleines Mädchen. Schmuckstücke bedeuteten neue Waffen. Ich liebte neue Waffen.

Er drehte sich von mir Weg und suchte kurz in seinem Holzkarren fluchend nach etwas. Als er sich umdrehte zog er zwei Langdolche aus dem Durcheinander hervor. Beide hatten schwarze Klingen, die aussahen wie in Glas eingefangener Nebel. Das Dämmerlicht spiegelte sich wunderschön darin und ich nahm sie entgegen um ihr Gewicht zu prüfen.

Kaum hatte ich die Finger um die griffe geschlossen, spürte ich es. Mein Innerstes fing an zu vibrieren und ich hörte ein freudiges Lachen in meinem Kopf. Diese Dolche wurden von einem Dämon geschmiedet. Ich sog diese Energie auf, bis in mein tiefstes Selbst und seufzte leise über dieses grandiose Gefühl.

Mittlerweile hatte Bradni meine Konserven in eine Kühltasche gelegt und warf nun einen neugierigen Blick in meine Richtung. Schnell bemühte ich mich um einen neutralen Gesichtsausdruck.

„Ganz nett. Etwas aus dem Gleichgewicht, aber das kann man richten. Was willst du für beide?“

„200“, antwortet dieser mit wissendem Blick.

Verdammt. Er weiß, dass ich lüge. 200 sind eigentlich ein fairer Preis, doch so leicht mache ich ihm das Leben nicht.

„200 mit den Konserven und wir haben einen Deal.“

„Hmm… 200 und 2 Beine nächste Woche.“

„Abgemacht“, grinsend schüttele ich seine Hand.

Die Dolche verstaute ich vorsichtig in meiner Tasche und nahm die Kühltasche entgegen. Mit einem kurzen Nicken wechselt das Geld den Besitzer und ich verabschiede mich.

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Publication Date: 06-18-2015

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