Miami, 1985
Graue Regenwolken verschluckten den zuvor klaren Himmel und brachten die Dunkelheit mit sich. Ein rauer Wind kam auf, sorgte für ein kaltes Wohlbefinden. Die bisher noch wüstentrockenen Straßen wurden augenblicklich von einem starken Schauer mit Wasser überflutet. Bäume schienen sich in den Schlaf zu wiegen, Straßen waren von jetzt auf gleich völlig leergefegt. Der aufkommende Sturm nahm alles mit sich, doch die Stadt blieb standhaft. Miami war immer wach.
Blickend bunte Reklamen beleuchteten die dicht aneinander gereihten Häuser, spendeten in den belebten Ecken der Stadt genug Licht. Allerdings gab es noch ausreichend dunkle Seiten, die sich in der Nacht verloren. Niemand wollte davon etwas mitbekommen. Jeder hatte mit seinen eigenen Sorgen zu kämpfen. Jeder siegte für sich allein.
Dieses Motto nahm sich auch er zu Herzen. Er stieg aus der schwarzen Limousine hinaus in den strömenden Regen. Mit seiner schwarzen Bekleidung fiel er kaum auf. Der tief ins Gesicht gezogene Hut ließ sein wahres Ich nicht erkennen. Seine Augen waren durch eine dunkle Brille verdeckt. Ein Mann, der ihn zuvor die Tür geöffnet hatte, hielt ihm nun einen Schirm hin, sodass er vor dem Regen geschützt war. Sein Blick fiel auf das Gebäude vor ihm. Eine wirklich heruntergekommene Gegend, in der er sich befand und die auch er lieber mied. Allerdings hatte er etwas zu erledigen, was sich wohl oder übel nicht vermeiden ließ.
Der Mann zögerte nicht und machte einige große Schritte auf den Eingang des Hauses zu. Kurz bevor er hineinging, hob er seine rechte Hand. Die Männer, die das Haus bereits erreicht hatten, gingen nun voraus. Alle waren ebenfalls wie ihr Boss komplett in Schwarz gekleidet. Mit schweren Schritten durchquerten sie den Flur des Hauses und folgten der Treppe bis hinauf in den zweiten Stock. Das Holz gab dem Gewicht der muskulösen Männer nach, wodurch jeder im Haus den kommenden Besuch hören konnte. Ihr Boss folgte ihnen, aber mit eher gemächlichen Schritten.
Als die Männer ihr Ziel erreicht hatten, fackelten sie nicht lange und traten mit einem gezielten Tritt die Tür ein. Holzsplitter flogen durch die Luft und erstickende Schreie waren zu hören. Plötzlich fielen Schüsse, sämtliche Gegenstände fielen zu Boden und ließen diesen erbeben. Im zweiten Stock angekommen, betrat ein dunkler Schatten die Wohnung. Innen war alles dunkel, nur die Korridorlampe sorgte für etwas Licht. Die Tür lag vollkommen zerkleinert im Eingangsbereich der Wohnung. Wenn man weiter hinein ging, war die Küche zur Rechten und kurz darauf erreichte man das Wohnzimmer. Jedenfalls würde man das vermuten. Sämtliche Schränke sowie Bücher lagen auf dem Boden. Möbel waren zerstört. Es wirkte wie ein Schlachtfeld.
Der Mann mit dem Hut zündete sich eine Zigarre an, als seine Männer einen jungen Mann und dessen Frau ins Wohnzimmer schleiften. Die Frau weinte und jammerte vor sich hin. Ihr Ehemann versuchte sich mit aller Kraft zu wehren, doch der Widerstand war zu stark. Beide wurden auf die Knie gezwungen. Ein Messer an der Kehle sorgte dafür, dass die Zwei schwiegen.
„Hallo Frank“, sagte der Mann mit tiefer Stimme und warf das noch brennende Streichholz einfach weg. Es landete auf einem Haufen von Büchern, woraufhin diese Feuer fingen.
„Bitte, Mr. Esperanza. Lassen sie uns gehen“, wimmerte der Mann.
Ein lauter Knall ertönte aus dem hinteren Teil der Wohnung und kurz danach war ein Geschrei zu vernehmen.
„Nein!“, schrie die Frau unter Tränen.
„Lassen sie meine Frau und meine Tochter gehen. Sie können alles haben, aber tun sie meinem Kind nichts“, flehte der Mann.
„Sie wissen ganz genau was ich haben will“, stellte Esperanza klar.
Einer seiner Männer kam aus dem hinteren Bereich zurück.
„Boss, dahinten ist ein kleines Kind. Sonst ist niemand hier.“
„Gut. Nehmt alles mit, was wir gebrauchen können.“
Daraufhin nickte der Mann und verschwand wieder. Die anderen Beiden, die das Ehepaar zu Boden drückten, schauten ihren Boss erwartungsvoll an. Mr. Esperanza zog genüsslich an seiner Zigarre. Er pustete den Rauch aus, legte ein gefährliches Grinsen auf und kam der Ehefrau etwas näher. Er hob mit einem Finger ihr Kinn, um sie sich näher anzuschauen. Sie zitterte wie Espenlaub.
„Eine Schande, sie haben eine wirklich hübsche Frau.“
„Fassen sie sie nicht an, sie Dreckskerl!“
Esperanza starrte die Frau immer noch an. Doch seine Miene veränderte sich schlagartig. Zorn blitzte in seinen Augen auf. Die Frau fing an mit wimmern. Er ließ ganz plötzlich von ihr ab und griff sich den Ehemann. Mit einem Würgegriff schnürte er ihm die Luft ab, sein Gesicht wurde rot fast schon blau. Sein Wimmern wurde immer leiser, bis nur noch ein Ächzen zu hören war. Sein Widerstand wurde weniger, seine Arme ließen von Esperanza ab.
„Nein, bitte nicht“, winselte seine Frau und versuchte einzugreifen, doch sie wurde zurückgehalten.
Der Mann verdrehte die Augen und in diesem Moment ließ Esperanza von ihm ab.
„Verdammt!“, schrie der Boss.
Mit einem leisen Laut fiel der Ehemann rücklings zu Boden. So blieb er bewusstlos liegen und machte keinen Mucks mehr.
Ein Zug von seiner Zigarre war jetzt genau das Richtige. Er liebte dieses Zeug, es beruhigte einfach. Der Ehemann lag immer noch regungslos da und seine Frau hielt ihm die Hand.
„Was…was wollen sie von uns?“, fragte die Ehefrau.
Esperanza grinste breit.
„Ihr Mann weiß warum wir hier sind. Er hat Sachen getan, die er besser nicht getan hätte.“
Die Augen der Frau glitzerten feucht, die Angst war ihr ins Gesicht geschrieben.
„Weckt ihn auf!“, befahl Esperanza.
Einer seiner Männer holte einen Eimer Wasser und kippte diesen über den Bewusstlosen. Der Mann erschrak, richtete sich auf und versuchte sich zu orientierten.
„Wir waren noch nicht fertig“, sagte sein Gegenüber. „Nehmt ihn mit nach draußen. Bringt es zu Ende!“
„Nein“, schrie die Frau.
„Was machen wir mit ihr?“, fragten seine Leute, währenddessen sie den Mann an den Armen hochzogen und ihn mit einem starken Griff zur Tür führten.
„Macht mit ihr was ihr wollt. Hauptsache sie kann sich nicht mehr an uns erinnern“, sprach Esperanza mit einem entschlossenen Blick.
Seine Männer lächelten bei diesen Worten. Ihnen gefiel die Art ihres Bosses, egal was war, er dachte auch an seine Leute.
„Was ist mit dem Kind?“, wollte ein Anderer wissen.
Esperanza zog an seiner Zigarre. In ihm schien es zu arbeiten, das konnte man ihm ansehen. Nach einem kurzen Augenblick setzte er sich in Bewegung. Er schritt langsam in den hinteren Bereich der Wohnung. Dabei hatte er Mühe richtig zu atmen, denn das Feuer breitete sich immer mehr aus und die Luft wurde zunehmend schlechter. Esperanza durchquerte das Kinderzimmer, welches bunte Wände hatte und überall Spielzeug in sämtlichen
Regalen zu finden waren. Das Kinderbett stand an der hintersten Wand, genau gegenüber dem Fenster. Als er das Bett erreicht hatte, entdeckte er ein schlafendes Kind mit leuchtend blondem Haar. Es hielt einen Plüschhund in seinen Armen, fest umklammert und schlief friedlich. Die Decke, welche es vor Kälte schützen sollte, war vermutlich weggestrampelt wurden. Das friedliche kleine Gesicht, machte Esperanza sogar das Herz schwer. Das kleine Mädchen schlief ganz ruhig, obwohl ihre gesamte Welt in diesem Moment zerbrach. Nur ihr Vater war daran schuld. Er hatte Esperanza das weggenommen, was er über alles geliebt hatte. Das er nun Rache wollte, war wohl mehr als verständlich. Doch für all das konnte dieses arme kleine Mädchen nichts.
Esperanza machte kehrt und ging zurück ins Wohnzimmer, wo noch die Frau von einem seiner Männer festgehalten wurde.
„Das Mädchen nehmen wir mit. Sie kann nichts dafür, was ihr Vater getan hat. Pack sämtliche Sachen ein, alles was man gebrauchen kann.“
Die Mutter schrie und weinte, sie flehte ihn an das Mädchen hier zu lassen. Doch das alles interessierte Esperanza nicht. Er verließ die Wohnung und schritt unter dem dumpfen Geschrei die Treppe hinab. Die schwarze Limousine stand immer noch vor der Tür und als er das Gebäude verließ, wurde ihm bereits die Tür geöffnet. In diesem Moment ertönten mehrere Schüsse. Danach herrschte Stille, nur das knackende Holz war noch zu hören, welches dem Feuer nachgab. Esperanza setzte sich in den Wagen und verschwand daraufhin im Dunkel der Nacht.
Publication Date: 02-05-2013
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