"Melody! Steh auf! Der Unterricht beginnt in 30 Minuten! Und du musst dich noch anziehen!"
Sofort war Melody hellwach. 30 Minuten! Das konnte ja heiter werden... wie sollte sie es bitte schön in 30 Minuten schaffen, ihre Haare zu bändigen, ihr Gesicht einigermassen ansehbar zu machen, und überhaupt, etwas essen wollte sie schliesslich auch noch!
Mit einem genervten Stöhnen stand sie auf und warf Liz, ihrer persöhnlichen Dienerin, einen vorwurfsvollen Blick zu, den sie mit einem entschuldigendem Lächeln erwiderte.
"Tut mir leid, ich hab dich schon vor 15 Minuten versucht wach zu bekommen, aber da hattest du nur üble Schimpfwörter für mich übrig", sie zuckte mit den Schultern und öffnete hastig die Tür zu meinem Kleiderschrank. Begehbar natürlich.
Melodys Blick blieb an einer dunklen, engen Hose hängen, die sie sich gleich darauf schnappte. Ein schwarzes T-Shirt folgte, sowie schwarze Spitzenunterwäsche und ein paar hohe Stilettos. Auch in schwarz. Die Hälfte ihrer Kleider waren schwarz...
Kaum angezogen, setzte sie sich auch schon auf den Stuhl, vor einem grossen Spiegel, neben dem sich ein kleiner Tisch befand mit etlichen Schmink- und Styleutensillien.
Liz trat hinter Melody und griff nach der Bürste auf dem Tisch. Entschlossen zog sie sie durch die dichte, lange Lockenmähne, ihrer Herrin.
Diese murmelte mehrmals ein paar gedämpfte Flüche, denn ihre Haare waren total voll mit Knoten, was sie jetzt schmerzhaft zu spüren bekam.
Als die Lockenpracht wieder einigermassen bekämpft war und Melody nicht mehr das Gefühl hatte, ein Vogelnest auf dem Kopf rum zu tragen, legte Liz die Bürste weg. Schnell drehte sie Melody zu sich und begann ihre Haare in eine hübsche Hochsteckfrisur zu verwandeln, wobei Melody immer wieder ungeduldig zappelte und nervös einen Blick auf die grosse Pendeluhr neben ihrem Bett warf. Sie hatte nur noch 15 Minuten Zeit!
Wie zur Bestätigung grummelte ihr Magen und verlangte lautstark nach Essen. Liz hatte es gehört und beeilte sich noch mehr, denn sie wusste genau, das Melody verdammt aggressiv wurde, wenn sie Hunger bekam. Kaum war sie fertig mit ihren Haaren, fing sie auch schon an mit Puder in Melodys Gesicht rum zu tupfen und streichen.
Mit einem zufriedenen Grinsen trat sie schliesslich einen Schritt zurück und betrachtete ihr Werk.
Melody stand hastig auf, schenkte Liz noch einen kurzen dankbaren Blick und war ein Wimpernschlag später aus dem Zimmer gehastet.
Unten in der Speisehalle roch es verführerisch nach Frühstück, der Tisch war jedoch schon leer.
Melodys Vater hatte sowieso schon gegessen und ihre Mutter pflegte erst zu früher Mittagsstunde aus dem Bett zu kriechen. Melody machte dies nichts aus, sie mochte es alleine zu sein, denn ihre Mutter hatte sowieso nur immer etwas zu schimpfen und ihr Vater war ihr zu nervös.
Hastig zwang sie sich ein Brötchen in den Magen, schüttete etwas Wasser hinterher und verliess mit einem wehmütigem Blick auf die Köstlichkeiten wieder das Zimmer. Die Zeit lief ihr zunehmend davon.
Mit weit ausgreifenden Schritten lief sie durch die Gänge ihrer grossen Villa, blieb jedoch plötzlich vor einem der grossen Teppiche stehen, auf denen die Stammbäume ihrer Familie aufgezeichnet waren, schaute kurz nach Links und Rechts und schlug dann den hängenden Teppich zur Seite. Hastig öffnete sie die schlichte Holztür dahinter und verschwand im dunklen Gang. Ihre Schritte hallten von den kalten Steinwänden wider, in der Ferne hörte Melody etwas zerbrechen.
Kurz blieb sie noch mal stehen, orientierte sich und konzentrierte sich auf ihr animalisches-Ich, denn mit ihren Wolfsaugen konnte sie sich viel besser in der Dunkelheit zurecht finden. Kaum besass sie ihre zweite Sicht, als sie auch schon los sprintete, denn mittlerweile hatte sie nur noch knappe fünf Minuten Zeit, und ihr Lehrer hasste Unpünktlichkeit.
Endlich sah sie am Ende die zweite Tür, die wieder aus dem Geheimgang führte, die nur Melody kannte.
Leise öffnete sie die Tür, auf jedes Geräusch achtend, denn niemand sollte von den Gängen erfahren.
Als sie nichts hörte, lief sie leise aus dem Gang hinaus und betrat kaum eine Minute später, noch leicht keuchend, den Raum, in dem sie Unterricht hatte.
Ihr Lehrer stand schon wartend vor seinem Tisch und musterte sie kurz missbilligend. Kein Wunder, Werwölfe blieben oft in ihrer Zeit stecken und viele konnten es nicht akzeptieren, wenn Frauen Hosen trugen. Aber leider mochte Melody Kleider schon als Kind nicht besonders. Hosen waren doch viel bequemer!
Mit einem frechen Grinsen in seine Richtung, setzte sie sich auf ihren Platz und wartete darauf, dass er begann.
Mit rauchendem Kopf trat Melody nach fünf Stunden hinaus in den Garten. Sofort trugen sie ihre Beine zu der grossen Eiche, die ganz am Rand des Gartens stand und unter dem sie sich immer wohl fühlte.
Erschöpft liess sie sich nieder und genoss die wohltuende Ruhe, die sie hier umgab. Ohne sich gross darum zu kümmern verwandelte sie sich leicht, die Ohren spitzten sich etwas, die Fingernägel wurden etwas länger, und kurz spross etwas Fell aus ihren Armen, doch darauf hatte sie jetzt wenig Lust. sie wollte bloß besser hören.
Mit geschlossenen Lidern ließ sie sich ins weiche Gras fallen und lauschte nur noch dem Lied einer Amsel, die hoch oben in den Wipfeln der Eiche sass und von der weiten Welt erzählte.
Wie gerne hätte sich Melody jetzt ganz verwandelt und wäre über die grossen Felder in der Nähe gerannt, aber dazu reichte die Zeit nicht. In einer Viertelstunde würde es zum Mittagessen rufen.
Doch bis dahin wollte Melody noch ihre Ruhe.
Doch die wurde ihr jäh genommen, als sie raschelnde Schritte auf sich zu kommen hörte. Mit einem leisen Knurren und einem Fluch auf den Lippe,n öffnete sie die Augen und starrte den bulligen Jungen Mann an, der sich mit einem hämischen Grinsen näherte.
"Cole! Was zum Teufel willst du hier?"
Sein kaltes Lachen jagte ebenso kalte Schauer über Meoldys Rücken und liess sie frösteln.
"Ach, die Prinzessin ruht sich aus? Sollte sie nicht noch arbeiten? Lernen? Ihrem Vater helfen? Oder mich unterhalten?", letzteres hauchte er nur noch leise, mit einem spöttischen Lächeln auf den dünnen Lippen.
Cole, das wohl grösste Arschloch auf dieser Welt, beugte sich etwas näher und betrachtete sie gierig. Sein Blick blieb etwas unter ihrem Dekolltée hängen und es fehlte nicht mehr viel und er hätte wohl angefangen zu sabbern.
Melody hasste diesen Mann dafür.
Cole's Vater gehörte das Land neben ihrem Vater, er war einer der obersten Berater des Königs und sein Sohn machte sich diesen Titel zu Nutzen. Er liess andere für sich schuften und erntete dafür das Lob. Vor den Höheren war er ein netter, höflicher und zurückhaltender Mann, der jegliche Art von Manieren zu kennen schien. Doch für jeden der zum unteren Stand gehörte, bedeutete er nichts als Ärger. Er erpresste jeden, liess alle für sich arbeiten und war, wie gesagt, das grösste Arschloch.
Und trotzdem schien das niemand zu bemerken. Ausser Melody. Und natürlich denen die unter ihm litten.
Früher hatte Melody noch ihre Wut über den Wolf offen rausgelassen und jedem gezeigt, was sie von ihm hielt. Doch da ihr Vater grosse Stücke auf ihn hielt, verbot er ihr jeglichen Fluch, der in Verbindung mit seinem Namen stand. Und von denen hatte Melody jede Menge auf Lager.
Mit angewidertem Blick betrachtete sie den Mann, der sich mittlerweile neben sie fallen gelassen hatte und näher rückte, worauf hin sie sich sofort weiter weg entfernte.
Als er jedoch nachrückte, sprang sie fluchend auf und ging, rasend vor Wut, über die grüne Fläche zurück ins Haus. Trotzdem entging ihr das "bald gehörst du mir" nicht.
Hinter sich hörte sie noch das spöttische Lachen, welches jedoch glücklicherweise abrupt verstummte, als Melody die Tür mit einem Lauten Knall zuschlug.
Hastig versuchte sie die Worte zu verdrängen, die er noch gemurmelt hatte. Bald gehörst du mir... was bedeutete denn das schon wieder?
Ein kurzer Blick auf die Uhr im Eingang zeigte ihr, dass sie sowieso nur noch fünf Minuten von ihrer Pause hatte, genügend Zeit, um sich kurz umzuziehen.
Obwohl, momentan war sie zu gereizt, um auf solche Dinge zu achten, wie das Tragen von Röcken in Anwesenheit ihrer Eltern.
Die waren sowieso eher selten beim Mittagessen dabei. Wenn sie Glück hatte würde sie ihnen nicht begegnen.
Natürlich hatte Melody kein Glück.
Kaum betrat sie den Raum, als auch schon ein missbilligendes Schnalzen aus dem Munde ihres Vaters ertönte.
Mit gerunzelter Stirn musterte er seine fast volljährige Tochter. Seine Frau, die bis anhin gelangweilt vor sich hin gestarrt hatte, hob nur kurz den Kopf, schenkte Melody einen kurzen genervten Blick und wandte sich wieder dem goldenen Teller zu, der vor ihr stand.
Melody seufzte und wartete auf die Standpauke.
Ihr Vater holte noch Mal kurz tief Luft und fing dann auf sie einzureden. Ein Unterfangen, welches zwecklos war, was er jedoch niemals einzusehen schien.
Melody ignorierte es einfach und wartete ungeduldig auf das Essen.
Ihr Magen brummte schon, schliesslich war sie heute Morgen zu fast gar nichts gekommen!
Erleichtert sah sie auf, als sie die Tür quietschen hörte und die Diener eintraten.
Kaum lag alles vor Melody, als sie sich auch schon daran machte, alles zu verschlingen, was ihr in die Nähe kam.
Mit einem zufriedenem Laut, der einem Schnurren ähnlich war, lehnte sie sich schliesslich mit vollem Magen zurück und beobachtete kurz ihre Mutter, die sich damit abmühte, ihre Kartoffeln in winzige Stücke zu schneiden.
Mit einem unterdrücktem Kichern stand sie auf und ging aus dem Raum hinaus, ohne auf das Widerwort ihre Vaters zu hören, der anscheinend noch nicht fertig war mit seiner Rede.
Das "wir reden später weiter!", überhörte sie einfach.
Mit einem entnervten Seufzer liess sich Melody in die Tiefen ihres Bettes fallen. Ihr Körper fühlte sich eigenartig erschöpft und müde an. Sie wusste warum. Wenn sie sich länger nicht verwandelte wurde sie immer schwächer, es war, als würde ich Körper ohne die Verwandlung nicht überleben.
Sie musste raus. Aber wann? So wie es sich angehört hatte, durfte sie heute nicht mehr raus...
Heimlich? Wohl eher nicht. Sonst würde ihr Vater noch mehr ausrasten.
Oder konnte sie es dich wagen?
Normalerweise ging er nach dem Mittagessen immer in sein Büro und arbeitete mindestens zwei Stunden lang.
Das würde ihr reichen.
Melody sprang hastig auf, zog kurz das enge T-Shirt runter und rannte dann verdeckt, mit Hilfe der Geheimgänge, aus dem Haus.
Kaum war sie draussen, setzte sie auch schon zum Sprung an und verwandelte sich noch in der Luft.
Ihr Körper zerriss sich, verflüchtigte sich in tausend kleinste Teilchen und setzte sich dann wieder neu zusammen.
Mit weichen Pfoten trat sie wieder auf und rannt auch schon los.
Gott, wie hatte sie dieses Gefühl vermisst!
Ihre schnellen Beine trugen sie zum nahen Wald, hinter dem sich das grosse Land ihres Vaters befand.
Mit immer grösseren Sprüngen hechtete sie durch den dichten Wald, wich Bäumen und Ästen aus, und brach nach ein paar Sekunden endlich aus der Dunkelheit, hinaus ins Grüne.
Nach einer Stunde wurde Melody jäh aus ihrer Freude gerissen, denn ein lautes Heulen ertönte. Ihr Vater.
Wenn er so nach ihr rief, war er entweder ziemlich wütend oder es war etwas passiert.
Aus Sorge, spannte sie ihren Körper an und lief schnellen Schrittes zurück.
Einen Augenblick später stand sie mit gesenktem Blick vor ihrem Vater, wieder verwandelt.
"Komm mit! Wir müssen reden. So geht das nicht mehr weiter mit dir... ausserdem haben wir Neuigkeiten für dich".
Mit immer noch gesenktem Blick folgte Melody ihrem Vater, hinein ins Haus.
Er ging direkt in Richtung seines Büros, in welchen schon seine Frau wartete.
"Setz dich!"
Etwas verwirrt, durch den ruhigen Ton ihres Vaters, setzte sich Melody in den grossen Ledersessel, wobei sie entgegen ihrer Manieren, nicht die Beine übereinander schlug und sie breitbeinig auf den Boden stellte.
Ein missbilligendes Schnalzen ertönte, als ihre Mutter ihre Pose sah.
Melody ignorierte es geflissentlich und starrte ihren Vater an. "Sag schon! Was ist los?", presste sie mühsam zwischen ihren zusammen gepressten Lippen hervor. Sie hasste es, wenn man sie so lange auf die Folter spannte.
"Wir, deine Mutter und ich, haben beschlossen, dass wir hier einiges ändern müssen. Du bist viel zu sehr mit deiner Freiheit beschäftigt! Eigentlich solltest du deinen Pflichten als angehende Königin meines Landes nachgehen und einen potenziellen Mann suchen! Und was tust du statt dessen? Du rennst nach draussen und läufst in Wolfsgestalt über die Wiesen. In Wolfsgestalt!" Er hatte sich in Rage geredet. Melody seufzte. Wenn er mal anfing hörte er nie wieder auf.
Für Melodys Vater war es ein Frevel verwandelt in der Öffentlichkeit zu sein. Er wollte nicht, dass Untertanen das wahre Ich der Familie sah.
"Da du aber scheinbar noch nicht einmal Interesse daran zeigst dies zu ändern, haben wir das für dich übernommen und dir einen Mann gesucht. Und gefunden!" Mit einem wütenden Japsen sprang Melody auf. Das konnte doch nicht wahr sein! Sie wollten ihr doch tatsächlich einen Mann andrehen!
"Und welches Arschloch wollt ihr mir andrehen?" Zornig starrte sie ihren Vater an.
Dieser überging das "Arschloch" geflissentlich und sah sie ruhig an.
"Cole, der Sohn von Denester! Du kennst ihn ja schon, was wir bestimmt zu unseren Gunsten nützen können. Nächste Woche wird die Verlobung sein. Bis dahin werden wir dich ausschliesslich darauf vorbereiten Königin zu werden und deinem Mann eine gerechte Frau zu werden!" Melody's Augen weiteten sich, als sie den verhassten Namen hörte.
"Ihr wollt mich an dieses verfickte Arschloch, diesen verdammten Hurens-" "Melody Queenster! Ich unterbiete mir einen solchen Ton in diesem Haus! Du wirst ihn heiraten, ob du willst oder nicht!" Jetzt reichte es. Melody sprang auf, drehte sich zur Tür, blickte ihren Vater noch einmal kurz traurig an und murmelte leise: "Dann tut es mir leid, Vater. Aber wenn du mich mit diesem Mann zusammenbringst, werde ich gehen. Ich hasse diesen Mann. Es tut mir leid, ich wollte immer deine geliebte Tochter sein, die dir alles erfüllt, aber diesen Wunsch kann ich nicht erfüllen." Damit wandte sie sich vollends ab und schlug die Tür mit Schwung hinter sich zu. Mit grossen Schritten lief sie zu ihrem Zimmer und rief mit brüchiger Stimme nach Liz. Diese kam sofort auf sie zugehastet und sah sie aus grossen Augen an. Kein Wunder! Über Melodys hübsche Wangen rannen die ersten Tränen, etwas, das bei Melody nie vorkam.
"Schätzchen! Was ist passiert?"
Melody warf sich auf ihr Bett und begann zu schluchzen. Wie konnte ihr Vater ihr das antun? Wie konnte er nur! Er wusste doch, dass sie sich mit Cole nicht verstand! Unzählige Male hatte sie ihm davon erzählt! Hatte er ihr etwa nie zugehört?
Melodys Atem stockte kurz. Nein, hatte er wohl wirklich nicht. Sonst würde er sie nicht dazu zwingen.
Etwas in Melodys Brust zersplitterte in tausend Teile, bohrte sich tief in ihr Fleisch. Sie musste hier weg! In dem Moment wurden ihr die Worte, die sie ausgesprochen hatte bewusst. Sie würde weggehen. Weg, von ihrem Vater, ihrer Mutter, Cole und leider auch von Liz.
Liz gehörte nämlich zu den wenigen menschlichen Dienern in dem Haus, und würde ihr somit nur zur Last fallen. Ausserdem hatte Melody noch keine Ahnung wohin sie gehen sollte, ein Wolf würde draussen in der Wildnis länger überleben, als ein Mensch.
"Liz, ich muss gehen. Ich habe meinen Entschluss gefasst, in zwei Stunden werde ich weg sein, fort. Hilf mir bitte packen! Nur das Wichtigste!"
Liz Augen weiteten sich noch mehr, aber im nächsten Moment sprang sie auch schon wieder auf und fing an Dinge zusammen zu suchen. SIe füllte eine kleine Tasche mit ein paar Kleider ihrer Herrin und übergab ihn ihr. "Liz, ich kann nicht soviel mitnehmen! Das wird mich nur behindern!" "Wart's ab!", murmelte Liz leise und verschwand in dem kleinen Kämmerchen direkt neben Melodys Zimmer, wo sich ihr eigenes befand. Sie kam mit einer kleinen Flasche zurück und öffnete sie noch im Gehen. Schnell zog sie Melody die Tasche aus der Hand und hielt die Flasche darüber. Ein einziger, träger Tropfen, einer schwarzen Flüssigkeit bahnte sich den Weg aus der Öffnung und wurde einen Moment später von der Schwerkraft zu Boden, auf die Tasche gezogen.
Kaum berührte sie den Stoff der Tasche, als diese in kleine Staubkörnchen zerfiel, samt Inhalt. Erschrocken über das verschwinden ihrer Kleider, entkam Melody ein Krächzen.
"Was zum-" Ihre Stimme brach ab und ihre Augen beobachteten fasziniert, wie sich die kleine Hand von Liz wieder öffnete und eine kleine Kette darin lag.
"Hier, nimm die mit, wenn du an deine Tasche denkst wird sie Augenblicklich erscheinen. Nimm die Flasche auch mit, sie wird auch dich selber unsichtbar machen, wenn du es wünschst!" Sie drückte ihr das Fläschchen in die Hand, verbeugte sich, zog sie dann zu sich hinunter und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
"Ich werde dich vermissen, Herrin! Pass auf dich auf."
Liz nickte, ihre Stimme versagte ihr, ihre Kehle zog sich unangenehm zusammen.
Liz löste sich wieder und ging stumm, ohne zurück zu blicken in ihre Kammer.
Melody sah ihr hinterher, bis sie nur noch die Tür anstarrte. Dann drehte sie sich entschlossen um und trat aus dem Zimmer, in den leeren Gang.
Melody streifte sich hastig die Kette über und verstaute das Fläschchen gut. Dann sah sie sich verstohlen um und lief schnell weiter, als sie niemand in der Nähe sah.
Schon bald hatte sie mit Hilfe der Gänge im Schloss, den Eingang erreicht und drückte die Tür leise einen Spalt breit auf.
Schnell schlüpfte sie hindurch und zog die grosse Tür hinter sich leise zu.
Dann rannte sie nur noch.
Aus dem Haus, hinaus in den Garten, durch das grosse Tor hinaus auf die Weiden, wo sie sich in einem Sprung verwandelte.
Zum Glück war sie eine der schnellsten Werwölfe der Welt. Mit weit ausgreifenden Schritten lief sie durch denWald und durchquerte dann die grossen Flächen von Gras, die noch ihrem Vater gehörten.
Schon bald erreichte sie die Grenze des grossen Anwesens ihrer Familie. Ohne das Tempo zu verlangsamen durchquerte sie auch dieses Gebiet, das wesentlich kleiner war, als das Eigene.
So ging es immer weiter.
Dämmriger Nebel umhüllte die Welt, verschlang alles, was er ergreifen konnte. Melodys Schritte halten dumpf auf dem Boden wieder. Ihre Pfoten schmerzten leicht, ihre Muskeln waren verspannt von den grossen Sprüngen.
Sie hatte mittlerweile mehrere Grenzen hinter sich gelassen, achtete gar nicht mehr darauf, wohin sie ihre Pfoten trugen, versuchte nur noch wach zu bleiben und nicht zu stolpern.
Melody wusste, dass sie bald eine Pause machen musste, denn sollte sie zusammenklappen würde sie sich wieder in ihre menschliche Gestalt verwandeln und wäre so ungeschützt.
Mit letzter Kraft erreichte sie den nächsten Wald, der sich sofort schützend über sie beugte und sie mit offenen Armen aufnahm.
Melody lief so tief in den Wald hinein, wie nur möglich und blieb schliesslich ratlos stehen. Sie sah sich müde um und entdeckte eine grosse Eiche, deren Zweige sich hoch in den Himmel streckten und die grosse Wurzeln besass.
In einer Mulde, zwischen den Wurzeln, verkroch sich Melody, immer noch in Wolfsgestalt und legte den Kopf auf die wunden Pfoten.
Sie brauchte den Schlaf dringend. Sonst würde sie morgen nicht weit kommen.
Ihre Augen schlossen sich, die Ohren blieben jedoch gespitzt und hörten selbst im Schlaf (fast) alles.
Schnell dämmerte Melody weg und der Schlaf empfing sie warm und schwer, wie ein Liebhaber.
Melody erwachte jäh, als sie dumpfe Schritte spürte, die sich näherten. Sie hielt die Augen noch immer geschlossen, die Ohren lauschten jedoch aufmerksam in die Richtung des Unbekannten. Ihre Muskeln spannten sich an, schrien jedoch nach Entspannung.
Melodys Atem ging plötzlich flach und hektisch. Verzweifelt versuchte sie ihr Herz wieder zu beruhigen, sowie ihren Atem. Das würde sie noch verraten!
Mit Gewalt zwang sie sich dazu, nicht die Augen zu öffnen, um den Unbekannten zu sehen, dessen Schritte sich jetzt verlangsamten und schliesslich dicht vor ihr verklangen.
"Ich weiss das du nicht schläfst! Komm, öffne deine Augen für mich", wisperte eine unglaublich heisse Männerstimme leise. Ein Schauer rann über Melodys Rücken. Nur schon diese Stimme liess die wildesten Fantasien in ihr hochkommen.
Mit einem leisen Seufzen gab sie es auf und öffnete langsam die Augen. Das Erste was sie sah, waren ein paar Bikerboots, schwarz und ziemlich ausgelatscht.
Achlanke, aber trotzdem unverkennlich muskulöse Beine steckten in ihnen und endeten in einer ziemlich muskulösen Brust, welche nur von einem dünnen Muscleshirt verdeckt wurde.
Seine Schultern waren breit und die Arme ebenso von Muskeln geprägt wie alles an ihm.
Melody hob den Kopf an, um sein Gesicht zu sehen, denn der Kerl war ziemlich gross.
Kurz stockte ihr Atem, ebenfalls ihr Herz. Bevor es mit einem Satz in doppeltem Tempo losraste.
Funkelnde Augen, so dunkel wie die Nacht, musterten Melody amüsiert, ein leichtes Zucken umspielte die vollen, weichen Lippen.
Ein drei-tage Bart liess das Kinn kantig wirken und die hohen Wangenknochen rundeten das Bild noch ab. Der Typ war das Perfekteste, was Melody jemals zu Gesicht bekommen hatte.
Und wie eine Krone umrahmten schwarze, in alle Richtungen abstehende Haare das Gesicht.
Ein leises Lachen liess Melody aus ihren Tagträumen mit diesem Mann hochschrecken.
"Fertig mit der Musterung, Hündchen?"
Unwillkürlich entschlüpfte Melody ein grollendes Knurren. Sie hasste es, so genannt zu werden. Cole hatte sie immer so genannt.
Bei dem Gedanken zuckte sie leicht zusammen.
Abermals erklang sein schönes Lachen. Langsam beugte er sich etwas näher. "Willst du dich nicht mal verwandeln, damit ich sehe mit wem ich die Ehre hab?" Ein Grinsen begleitete seine Worte.
Melody sprang auf und schüttelte sich kurz, um das schwere Gefühl des Schlafes loszuwerden.
Dann konzentrierte sie sich auf ihre menschliche Gestalt und stand einen Augenblick später wieder als Mädchen vor ihm.
Melody erkannte genervt, dass sie ihm gerade mal bis zum Halsansatz reichte.
Und sie war nicht die Kleinste.
Sie legte den Kopf in den Nacken und sah ihn herausfordernd an.
"Was willst du von mir?"
Er unterdrückte mühsam ein Lachen und musterte sie stattdessen aufs Genauste. Kurz nahmen seine Augen einen Ausdruck an, den Melody nicht einordnen konnte.
"Nun, du weisst hoffentlich, dass du dich in einem fremden Gebiet befindest? Um es genauer zu sagen, in einem Gebiet, welches Tieren wie dir, verboten ist. Du solltest nicht hier sein. Sonst bekommst du schnell Ärger, das kann ich dir garantieren."
Wieder glitt sein Blick über ihren Körper.
"Ah ja... danke für die Information, ich hatte nicht vor zu bleiben", sagte Melody mit ruhig beherrschter Stimme, ihre Überraschung versteckend. Sie war schon in einem anderen Teil des Landes!
In ihrem Drang, so weit wie möglich weg zu kommen, hatte sie gar nicht an den Kodex und die grossen Grenzen gedacht! Das würde ihr noch zum Verhängnis werden. Vor ein paar Jahren war ein Vampir über ihre Grenzen gekommen, den hatten sie festgenommen und in ihre Zellen geworfen. Erst nach Monaten liess ihn Melodys Vater wieder raus, und das auch nur auf Bitten seiner Tochter hin, die Mitleid mit dem Geschöpf hatte. Dieses Ereignis blieb ihr wohl für immer in den Kopf gebrannt.
Melody knurrte leise, als der Kerl sich etwas näher zu ihr beugen wollte und drängte sich dann entschlossen an ihm vorbei. Wenn sie die Grenzen schon übertreten hatte, musste sie hier schleunigst raus! Ihre Beine trugen sie schon schneller, rannten fast. Melody wollte sich gerade auf die Verwandlung konzentrieren, als der Vamp ihr etwas hinterherrief. "Zu Spät, Kleine!", verstand sie, ignorierte es jedoch. Ihr Körper löste sich wieder auf und fing sich in einem Wolf wieder.
Melody wollte zu einem grossen Sprung ansetzten, als etwas sie erstarren liess.
Sie war umzingelt. Von Vamps - nicht gerade glücklich aussehenden Vamps. Nein, eher Wütenden.
Melody atmete tief durch und knurrte leise. Ihr ganzer Körper schrie nach Freiheit. Sie wollte hier raus, sofort! Aber diese Vamps schienen nicht die Absicht zu haben, sie gehen zu lassen. Sie schlossen den Kreis immer enger und hin und wieder zischte einer von ihnen wütend. Melody sah sich suchend um, erkannte jedoch den Vamp von vorhin nicht. Er war weg! Feigling! Schrie sie in Gedanken.
Der Kreis hatte sich eng um Melody geschlossen, sodass sie keine Chance hatte, zu fliehen und einer der Vamps trat etwas näher.
"Was hat eine deiner Art hier zu suchen, Hund?", fuhr er sie an. Die Augen des grossen Mannes blitzten zornig auf. Sie waren blutrot. Ein schlechtes Zeichen, wie Melody wusste. Ein ganz schlechtes.
"Ich bin nur auf der Durchreise, in ein paar Stunden bin ich schon wieder draussen! Macht nicht so ein Drama draus!", zischte sie wütend.
"So so.. ein Köter auf der Durchreise. Und dazu noch einer der Höheren wies aussieht? Warum sollten wir dich weiter reisen lassen? Warum sollten wir dich nicht mitnehmen, vielleicht etwas foltern...? Unseren Spass hätten wir mit dir bestimmt..." Ein lautes Knurren entwich Melodys Kehle. "Nein!", knurrte sie leise. Der Anführer, so benahm er sich jedenfalls, hob spöttisch eine augenbraue. "Gib mir einen Grund, warum wir es nicht tun sollten!", herrschte er sie an und grinste böse, wobei er sich kaum Mühe gab, seine Beisserchen zu verstecken.
"Ich bin die tochter des Königs der Wölfe! Wenn ihr mich gefangennehmt... wird sich mein vater fürchterlich bei euch rächen. Das bedeutet Krieg. Und ihr wisst, dass ihr den nicht gewinnt!" Melody lachte. Ja, das war wirklich ein gutes Argument! Am liebsten hätte sie sich vor lauter Stolz auf die Schulter geklopft, aber das wäre dann noch ein bisschen peinlich geworden. Allerdings schien der Anführer nicht halb so beeindruckt zu sein, wie sie selbst. Er lachte bösartig und musterte sie. "Ja, das scheint schon der Fall zu sein, Prinzesschen..." Melody verzog das Gesicht und knurrte leise. "Nenn mich nie wieder Prinzesschen!" Sie spuckte das letzte Wort aus, als wäre es ein Schimpfwort. Wieder erklang das grausam gelächter des Vamps. "Oh mein kleines Prinzesschen... fühlt Ihr Euch etwa angegriffen? Dann holt doch Eure Wache hervor... ruf nach ihnen, Hund!", fügte er leise grollend hinzu. dann lachte er schallend auf. "Oh, wie ich sehe... habt Ihr gar keine bei Euch, werte Prinzessin!" Er verzog die Lippen und grinste hämisch. "Niemand wird erfahren, dass du bei uns bist, Strassenköter. Niemand wird nach dir suchen. Welcher Volltrottel kommt schon auf die Idee, dass die ehrenwerte Prinzessin den Kodex nicht beachtet? Ja, niemand!" Erneuert lachte er, seine Kmpels raunten zustimmend und sahen sie gierig an. "Nehmt sie mit!", brüllte der Vamp, drehte sich um und verschwand. Sofort schloss sich der Kreis enger um Melody, lauernd kreisten sie um sie und näherten sich immer mehr. Melody knurrte und schnappte nach jedem, der nach ihr griff, doch irgendwann wurde sie unvorsichtig und jemand schlug ihr derb auf den Hinterkopf. Sofort umfing sie Schwärze.
Fortsetzung folgt...
Text: Alle Rechte liegen bei der Autorin!
Publication Date: 12-02-2011
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