Es war schon spät als ich die Bar betrat. Die Lampen lagen hinter einer dichten Wolke aus Zigarettenrauch und tauchten alles in ein zwielichtiges Licht. Passend zu den Männern, die an den Tischen saßen und nun alle verwundert aufblickten und verstummten. Es kam anscheinend selten vor, dass eine Frau diesen Ort betrat und dann auch noch allein.
Ich ging an die Theke und setzte mich neben einen Mann, der noch am besten von allen aussah. Er beobachtete mich eingehend, während ich mir einen Whisky bestellte und ich merkte wie seine Augen an meinem gewagten Ausschnitt hängen blieben. Zufrieden grinste ich und trank das Glas in einem Zug aus. Dabei spreizte ich meine Beine ein wenig, was bei meinem kurzen Rock schon sehr viel blicken ließ. Er stöhnte leise und leckte sich die Lippen. Der Köder war geschluckt.
„Hey Süße. Ganz alleine hier?“
„Ja, leider. Mein Freund, der Arsch hat mich wegen so 'ner dummen Schlampe sitzen lassen.“
Ich merkte wie sein Grinsen breiter wurde.
„Wie kann man denn so 'ne heiße Braut wie dich einfach sitzen lassen. Der Kerl muss keine Augen im Kopf haben. Kann ich dich irgendwie aufmuntern? Zum Beispiel mit einem Drink?“
„Naja. Eigentlich vertrag' ich nicht so viel. Aber das ist mir jetzt auch egal. Ich muss endlich aufhören dem Wichser nachzutrauern!“
Seine Augen fingen an zu leuchten und er bestellte uns beiden hastig einen Whisky, den wir direkt runter kippten. Seine Hand wanderte langsam mein Bein hoch und er kam immer näher.
„Ich kenne da einen Weg, wie du deinen Ex vergessen kannst...“
Sein Gesicht war nur noch wenige Zentimeter von meinem Entfernt und ich wurde von eine Wolke Alkohol umhüllt. Aber das war mir egal. Ich brauchte einen Ort zum Schlafen, denn noch eine Nacht auf der Straße würde ich nicht mehr durchhalten. Also hielt ich ein wenig die Luft an, grinste anzüglich und hauchte in sein Ohr: „Zeig ihn mir!“
Er sprang beinahe von seinem Stuhl auf, reichte mir die Hand und zog mich Richtung Ausgang. Doch plötzlich blieb er stehen und starrte den Mann erschrocken an, der gerade die Bar betreten hatte. Bevor ich reagieren konnte, hatte er mich auch schon vor sich gezogen und ich spürte etwas kaltes, spitzes an meinem Hals.
„Verdammter Kopfgeldjäger! Lass mich gefälligst in Ruhe! Oder ich schlitze der Kleinen hier den Hals auf!“
Überall sprangen die Besucher auf, als der andere eine Pistole zog und ruhig meinte: „Ich habe Männer an allen Ausgängen. Du hast keine Chance zu entkommen, also lass sie los!“
Aus dem Augenwinkel sah ich einen weiteren Mann mit Pistole langsam auf uns zukommen. Er sah fast genauso aus wie der vor mir, alles an ihnen war Schwarz. Sogar die Augen des Ersten waren so dunkel, dass man die Pupille nicht erkennen konnte.
Doch meine Musterung wurde jäh dadurch unterbrochen, dass die Klinge sich fester an meinen Hals drückte und ich spürte, wie mir Blut den Hals herunter lief.
„Ich habe dich gewarnt!“, rief der Bastard hinter mir noch, als ich ihm so fest ich konnte auf den Fuß trat, mich umdrehte und ihm noch einmal kräftig in die Eier trat. Er keuchte erschrocken auf und krümmte sich zusammen doch plötzlich schnellte seine Hand vor und er rammte mir das Messer in den Bauch.
„Scheiße!“
Ich wurde nach hinten gezogen und auf den Boden gelegt. Laute Rufe und Stimmengewirr erfüllte meine Ohren, doch ich konnte keine Worte verstehen. Der Schmerz war so stark, ich konnte nicht mehr klar denken und alles verschwamm. Das letzte was ich sah, waren diese wunderschönen, schwarzen Augen, die besorgt auf mich herab blickten, bis mich die Dunkelheit umfing...
Dieses Piepsen...Was ist das? Was ist passiert? Und wo bin ich?
Ich öffnete meine Augen, wurde jedoch von einem grellen Licht geblendet, sodass ich diese Entscheidung sofort bereute. Ich versuchte es noch einmal etwas langsamer und so langsam konnte ich etwas erkennen. Alles war weiß. Die Decke, die Wände, die Bettdecke. Ich war wahrscheinlich in einem Krankenhaus. Der Kerl mit den dunklen Augen musste wohl einen Krankenwagen gerufen haben. Scheiße! Jetzt wollen die sicherlich meinen Namen wissen. Wenn sie den nicht schon längst kennen. Aber das ist eigentlich nicht möglich. Schließlich hatten ich keinen Ausweis oder so dabei. Am Besten wäre es, wenn ich mich aus dem Staub mache, solange ich noch alleine bin und die denken ich schlafe noch.
Das Ganze stellte sich jedoch als sehr schwierig heraus, da mein Bauch so sehr schmerzte, wenn ich versuchte mich aufzusetzen, dass mir wieder schwarz vor Augen wurde. Stöhnend ließ ich mich nach hinten fallen, als ich plötzlich ein leises Lachen hörte. Erschrocken drehte ich mich zur Tür, wo der Mann mit den dunklen Augen stand und mich spöttisch ansah.
„Das ist aber nicht nett, sich einfach so aus dem Staub machen zu wollen, ohne sich vorher bei seinem Retter zu bedanken.“
Ich funkelte ihn böse an und zischte: „Ohne dich wäre ich gar nicht in diese Situation gekommen!Also muss ich mich gar nicht bei dir bedanken! Und außerdem, wer sagt denn, dass ich abhauen wollte.“
Er lachte noch mehr und kam langsam näher. Als er schließlich vor meinem Bett stand, beugte er sich zu mir herunter und flüsterte: „Ohne mich, würdest du jetzt vergewaltigt und aufgeschlitzt in irgendeiner Gasse liegen.“
„Das hättest du mal meine Sorge sein lassen sollen. Ich kann mich auch sehr gut selbst beschützen!“
Wieder dieses Grinsen. Ich verspürte so langsam den Drang ihm das aus seinem Gesicht zu Prügeln. Auch wenn es schade wäre um diesen Mund...
„Das habe ich gesehen. Das Messer in deinem Bauch war sicherlich Teil deines Planes ein Bett für die Nacht zu bekommen. Wenn es schon nicht mit dem Kerl geklappt hat. So konntest du wenigstens eine Nacht beruhigt im Krankenhaus verbringen und dann am nächsten Morgen einfach abhauen, nicht wahr?“
„Wie kommst du denn darauf, dass ich kein eigenes Bett hätte?“
„Ganz einfach. Das einzige was du dabei hattest waren ein paar Euro und mehrere Schlüssel für Schließfächer. Wahrscheinlich in Bahnhöfen, wo du deine Sachen deponiert hast. Kein Ausweis, damit dein Name nirgendwo auftaucht und die Polizei dich deswegen finden könnte. Lass mich raten. Du hattest zu Hause Stress mit deinen Eltern und bist dann abgehauen?“
„Das geht dich einen Scheißdreck an! Und gib mir gefälligst meine Sachen wieder!“
Ich versuchte mich erneut aufzusetzen um ihm die Schlüssel aus der Hand zu reißen, doch diese gewaltigen Schmerzen ermöglichten es mir noch nicht einmal kurz aufrecht zu sitzen. Und wieder sah ich Sternchen.
„Du solltest dich nicht so sehr anstrengen, sonst heilt die Wunde noch langsamer.“
„Bist du jetzt mein Arzt oder was?“
„Nein. Aber ich hab denen gesagt, dass du meine kleine Schwester bist. Also habe ich das Recht dir Anweisungen zu geben.“
Überrascht sah ich ihn an.
„Deine Schwester?? Warum das denn?“
Er grinste wieder leicht, als er sagte: „ Ich dachte mir schon, dass du deinen Namen nicht sagen wolltest. Also hab ich mir etwas ausgedacht, sodass ich dich besuchen kann und du nicht abhaust, bevor wir geredet haben.“
„Wer sagt dir denn, dass ich überhaupt mit dir reden werde?“
Ich versuchte erneut mich aufzusetzen, dieses Mal jedoch langsamer und schaffte es dann tatsächlich. Als ich mich jedoch in dem Zimmer umsah, konnte ich nirgendwo meine Klamotten sehen und in diesen Krankenhaus Sachen konnte ich unmöglich unerkannt abhauen.
„Wo zum Teufel sind meine Klamotten??“
„Die sind im Müll. Sie waren voller Blut und zerrissen, also hättest du sie sowieso nicht mehr anziehen können. Aber ich habe dir neue besorgt.“
Das war jetzt wirklich merkwürdig. Erst deckt der mich, indem er mich als seine Schwester ausgibt und dann holt er mir auch noch neue Sachen.
„Warum tust du das alles für mich?“
„Ich sagte doch schon, dass ich mit dir reden will. Es müsste auch jeden Moment eine Schwester kommen, dann darfst du wahrscheinlich auch schon gehen. Du heißt übrigens Selena Costa Rodríguez.“
Als könnte er hellsehen, betrat in diesem Augenblick auch eine Krankenschwester das Zimmer. Sie sah sich meine Wunden an und gab mir dann einen Zettel, den ich unterschreiben musste. Fast hätte ich dies jedoch mit dem falschen Namen gemacht, hätte der Kerl mich nicht in dem Moment mit Selena angesprochen.
Als die Schwester gegangen war, ging ich in das angrenzende Badezimmer, wo er mir meine neuen Klamotten schon hingelegt hatte. Sie passten sogar fast perfekt und waren - was für eine Überraschung – alle schwarz. Sogar Schuhe hatte er mir gekauft und ich seufzte glücklich als ich die schwarzen Chucks sah. Ich liebe Chucks.
Jetzt musste ich nur noch irgendwie Anhängsel loswerden. Doch der wartete direkt neben der Tür und führte mich dann, indem er mir einen Arm um die Schultern legte, durch das Krankenhaus zum Ausgang, wo auch schon ein großer schwarzer Geländewagen wartete. Ich versuchte mich zu wehren, als er mich zu dem Auto dirigierte, doch nachdem er mir mit der Polizei gedroht hatte stieg ich wortlos ein.
Der Fahrer, der der zweite Kerl in der Bar gewesen war, fuhr ohne eine Begrüßung los und lotste uns durch den Abendverkehr von Hamburg. Dabei fiel mir auf, dass ich anscheinend mindestens einen Tag bewusstlos gewesen war, wenn nicht noch mehr. Dann hatte ich wohl doch viel mehr Blut verloren, als ich gedacht hatte. Das war nicht gut. Schließlich musste ich so schnell wie möglich von diesen Kerlen abhauen, bevor sie noch herausfanden, wer ich bin.
Ich war so in Gedanken versunken, dass ich gar nicht merkte wie wir vor einem Hotel anhielten. Erst als die Tür geöffnet wurde und ich nach draußen gezogen wurde achtete ich wieder auf meine Umwelt. Ich wurde, wie im Krankenhaus, durch die schlichte Lobby sofort zu den Aufzügen geführt, worüber ich sehr erleichtert war. Eine Treppe hätte ich zu diesem Zeitpunkt nicht geschafft, wo mich schon das Gehen so anstrengte.
Als wir endlich an einer Zimmertür im fünften Stock anhielten dämmerte mir schon, dass es fast unmöglich sein würde aus diesem Hotel zu fliehen. Ich hatte in der Lobby einen weiteren Kerl gesehen, der ganz in Schwarz gekleidet war, und konnte mir gut vorstellen, dass er zu den anderen zwei neben mir gehörte.
Jedoch betrat nur der dunkeläugige mit mir das Zimmer und ich hörte wie er abschloss. Der Raum war in hellen Tönen gehalten und in seiner Mitte stand ein großes Doppelbett. Ihm gegen über war ein Fernsehen und daneben ein Sofa mit Tisch. Sonst konnte ich nur noch einen großen Schrank sehen und eine Tür, die wahrscheinlich in ein Badezimmer führte. Die Fenster zeigten alle zur Straße hin und ich sah auch keine Feuerleiter davor. Mist.
„So. Jetzt können wir reden.“
Ich zuckte leicht zusammen, da ich den Mann hinter mir schon fast vergessen hatte.
„Kann ich nicht vorher noch duschen gehen? Meine Haare sind voller Blut...“
Er grinste schon wieder und meinte dann: „Okay. Aber glaub nicht, dass du dich dadurch vor unserem Gespräch drücken kannst.“
Das hoffe ich aber so sehr!
Ich verkniff jedoch mir eine Antwort und verschwand sofort im Bad. Dass sich mir dort eine Möglichkeit zum Abhauen bietet, hatte ich schon gar nicht erst gehofft, aber ein bisschen enttäuscht war ich dennoch. Also duschte ich erst einmal ausführlich, wobei ich jedoch die Verbände abnehmen musste. Meine Wunde am Hals hatte schon angefangen zu heilen, doch am Bauch wurde ich anscheinend genäht. Das erklärte auch, warum mir dort jegliche Art von Bewegung so weh tat.
Frisch geduscht legte ich mir die Verbände wieder an und fönte mich ausgiebig. Ich musste irgendwie eine Möglichkeit finden, einem Gespräch aus dem Weg zu gehen. Er kann mich jederzeit an die Polizei verpfeifen, wenn ich ihm nicht das sage, was er hören will. Aber wenn er Justin kennt, bin ich geliefert. Dann wäre ich morgen schon wieder zu Hause und ein weiteres Mal würde ich es nicht schaffen, zu fliehen. Das durfte einfach nicht passieren. Ich musste es noch irgendwie hinauszögern.
Als ich aus dem Bad trat sah ich den Kerl auf dem Sofa sitzend Fernseh gucken. Doch er schaltete es sofort aus, nachdem er mich gesehen hatte.
„Na. Keine Beschäftigung mehr gefunden, mit der du unser Gespräch aufschieben kannst?“
„Hmpf. Ich hab Hunger! Bevor ich nichts gegessen habe, rede ich gar nicht mehr mit dir.“
Er lachte und zeigte auf den Tisch vor sich, wo eine riesige Pizza Verpackung lag. Die hatte ich gar nicht gesehen, doch jetzt roch ich sie auch.
Ich setzte mich murrend neben ihn, jedoch darauf bedacht so viel Platz wie möglich zwischen uns zu lassen und fing an zu essen. Eigentlich wollte ich mir auch Zeit lassen, doch ich hatte in den letzten paar Tagen so wenig gegessen, dass es gar nicht anders ging. Ich schlang die Pizza herunter, worüber dieser Mistkerl wieder nur lachte und mich dann erwartungsvoll ansah.
Motzig fauchte ich ihn an, dass er damit aufhören solle, doch das störte ihn nicht. Schließlich wurde er jedoch wieder ernst und fragte mich nach meinem Namen. Fuck. Genau das wollte ich doch vermeiden. Also stellte ich ihm die gleiche Frage, worauf er jedoch meinte: „Ich sage dir nur meinen Namen, wenn du mir auch deinen richtigen sagst. Und wenn ich herausfinde, dass du mich angelogen hast, wird sich die Polizei sicherlich freuen.“
„Können wir das nicht bis morgen früh aufschieben? Ich bin so müde...“
Wieder lachte er, stand dann jedoch auf und räumte die leere Verpackung weg. Ich nahm mir die Decke, die auf dem Sofa lag und deckte mich zu. Kurze Zeit später war ich auch schon eingeschlafen.
Ich schlug die Augen auf und wusste erst einmal nicht, wo ich war. Als sich jedoch meine Augen an das Dunkel gewöhnt hatten erkannte ich das Hotelzimmer und setzte mich leise auf. Mein Blick fiel auf das Bett, wo ich den Kerl schlafend und ohne ein T-Shirt liegen sah.
Wow. Das nenne ich mal einen Sixpack!
Ich stand langsam auf und schlich, immer das Bett im Auge behaltend, Richtung Zimmertür. Endlich hatte ich sie erreicht, doch als ich versuchte sie zu öffnen musste ich feststellen, dass sie verschlossen war.
Mist!!!
Da hörte ich wieder dieses Lachen hinter mir. Ich drehte mich um und sprang ruckartig nach hinten, als ich den Mann direkt vor mir stehen sah. Leider war hinten direkt die Tür und ich war gefangen, was ihm anscheinend zu gefallen schien. Er schritt langsam auf mich zu und ich drückte mich gegen das Holz, doch es nutzte nichts.
„Hast du wirklich geglaubt, dass ich es dir so einfach mache, Kleines?“
Er stützte seine Hände links und rechts von mir ab und kam mir mit seinem Gesicht gefährlich nahe. Ich versuchte ihm zu entkommen indem ich meinen Kopf drehte, doch das animierte ihn nur dazu, mit seiner Nase meinen Hals entlang zu fahren und mir damit eine gewaltige Gänsehaut zu verpassen.
Ich muss zugeben, ich hatte in diesem Moment Angst vor ihm, wie er mich im Dunkeln so an die Wand drängte ohne mich richtig zu berühren. Aber gleichzeitig gefiel es mir, was er an meinem Hals veranstaltete und auch seine muskulösen Arme ließen mich nicht unbeeindruckt. Inzwischen hatte er nämlich begonnen langsam mit seinen Lippen über die empfindliche Haut zu streichen und ergänzte dies manchmal mit seiner Zunge. Früher hätte ich mir diesen Kerl niemals entgehen lassen, doch das konnte ich mir jetzt nicht erlauben. Es war zu gefährlich.
„Nenn' mich nicht Kleines, du Idiot!“
Sein Lachen kitzelte an meinem Hals und wieder bekam ich eine Gänsehaut.
„Es scheint dir aber zu gefallen, wenn ich dich so nenne.“
Ich wollte ihn wegschubsen, doch er packte meine Hände und drückte sie neben mich an die Tür.
„Aber wenn du willst, kann ich dich auch anders nennen, Babe. Du entkommst mir trotzdem nicht.“
Damit zog er mich von der Tür weg und ehe ich mich versah lag ich auch schon auf dem Bett, er über mir. Sein Gesicht kam immer näher und ich hielt den Atem an. Doch plötzlich spürte ich etwas kaltes an meinen Handgelenken und hörte es klicken.
Scheiße! Jetzt hat der mich auch noch an das Bett gekettet! Wie konnte ich nur so dumm sein und mich ablenken lassen!
Wieder lachte er, stand dann jedoch auf und meinte: „Heute Nacht noch nicht, Babe. Morgen wird ein anstrengender Tag. Du willst mir doch noch so viel erzählen. Also ruh' dich jetzt besser aus.“
Damit legte er sich auf die andere Seite des Bettes und schloss die Augen. Ungläubig starrte ich ihn noch eine Zeit lang an, bis ich jedoch selbst müde wurde und wieder einschlief. Ich hatte einfach zu wenig geschlafen in den letzten Tagen.
Ich hörte das Schloss einer Tür und öffnete die Augen. Ich war alleine in dem Zimmer und, was das erstaunlichste war, ich war nicht mehr an das Bett gekettet. Diese Gelegenheit muss ich nutzen!
Ich sprang auf und rannte zur Tür, die tatsächlich aufging doch plötzlich prallte ich gegen eine steinharte Wand und fiel zurück. Hätten mich nicht plötzlich zwei starke Arme umfangen, wäre ich sicherlich gefallen. Ich hatte die Augen zugepresst und wollte sie einfach nicht öffnen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Fremder mich dort in den Armen hielt war viel zu gering. Als ich dann auch noch an die Wand gepresst wurde, war alle Hoffnung verloren.
„Wenn du jetzt noch einmal versuchst wegzulaufen, dann ruf ich die Polizei, Babe!“
„Nenn' mich nicht immer Babe!“
Doch er lachte nur und schubste mich zurück in das Zimmer. Dort wurde ich auf das Bett geschmissen und ein ziemlich angefressen aussehender Schwarzhaariger starrte mich böse grinsend an.
„Wäre es dir lieber, wenn ich dich Lena nenne?!“
Shit! Woher weiß der das? Ich bin so gut wie tot!
Ich sprang so schnell es ging auf und entdeckte aus den Augenwinkeln ein Messer auf dem zum Frühstück gedeckten Tisch. Ich hechtete dorthin und erreichte den Tisch kurz vor ihm, wo ich dann drohend das Messer hob.
„Lass mich sofort gehen! Ich werde nicht warten bis DK kommt und mich wieder zurück schleppt! Er hat gar nichts mehr über mich zu sagen! Und ich kann gehen wohin ich will!“
Seine Augen spiegelten einen kurzen Augenblick Verwirrung wieder, was jedoch direkt wieder in seine undurchdringliche Maske überging.
„Ich hab keine Ahnung von wem du redest. Aber du solltest jetzt besser das Messer weglegen, bevor ich noch richtig sauer werde.“
„Jetzt tu doch nicht so scheinheilig! Du bist ein gottverdammter Kopfgeldjäger! Natürlich weißt du von wem ich rede! Der Wichser hat dich wahrscheinlich selbst losgeschickt um mich zu suchen und zurückzubringen! Aber das werde ich nicht zulassen!“
„Ich bin nicht hier um dich zu finden. Ich kannte dich doch noch nicht mal, bis ich dich in dieser Bar gesehen habe! Dieser Kerl, der dich verletzt hat, das war mein Auftrag! Er ist ein gesuchter Vergewaltiger!“
Ich lachte. Fantasie hatte er ja schon mal, das musste man ihm lassen.
„Ach ja? Und warum hast du mich dann als deine Schwester ausgegeben und hältst mich jetzt hier fest?“
„Ich dachte mir schon, dass du von irgendwo abgehauen bist. Aber ich habe das den Leuten aus dem Krankenhaus nicht gesagt, weil du anscheinend einen guten Grund hattest, so professionell hast du das ganze aufgezogen! Als Revanche dafür, dass du durch mich verletzt wurdest wollte ich dir dann wenigstens ein bisschen helfen.“
Ich stutzte. Das hörte sich alles so ehrlich an.
In diesem unachtsamen Moment sprang er vor und drückte meine Hände an die Wand.
„Lass das verdammte Messer fallen, dann können wir reden!“
„Woher weiß ich, dass du nicht lügst?“
„Du hast keine andere Wahl als mir zu vertrauen.“
Zögernd ließ ich das Messer los und fühlte mich plötzlich so verletzlich. Aber er hatte Recht. Gegen ihn hatte ich kaum eine Chance, bei diesen Muskeln.
Er hob das Messer auf, setzte sich auf das Sofa und bedeutete mir, das Gleiche zu tun, doch ich weigerte mich.
„Erzähl mir erst einmal von wo du eigentlich kommst und warum du abgehauen bist. Ich nehme mal an dass dieser DK der Grund war, aber wer ist das überhaupt?“
Ich seufzte und fing zögerlich an zu erzählen:
„Ich komme aus dem Westerwald. DK war mein Freund, eigentlich heißt er Justin, und wir waren auch sehr lange zusammen, aber seine Vorstellungen über unsere Beziehung waren sehr speziell und ich sehe nicht mehr ein, das zu akzeptieren. Er meint ich gehöre ihm und dass ich alles tun muss, was er sagt. Als er dann anfing mich zu schlagen bin ich weggelaufen.“
„Und du meinst, dass er sogar so weit gehen würde, einen Kopfgeldjäger auf dich anzusetzen, nur um dich zurück zu bekommen?“
Ironisch lachte ich: „Oh ja! Er würde auch noch viel weiter gehen! Er hat überall seine Freunde, die mich alle suchen. Sobald mein Name in irgendeinem Computer auftaucht, sind 10 Minuten später mindestens fünf seiner Leute da um mich zurückzubringen. Aber wie schon gesagt, ich werde das nicht zulassen! Eher bringe ich mich um als wieder dorthin zu gehen.“
„Glaubst du nicht, das ist ein bisschen übertrieben?“
„Nein! Ich bin schon einmal von ihm abgehauen und seine Rache war grausam. Noch einmal werde ich nicht so 'glimpflich' davon kommen.“
„Dann verklag ihn doch.“
„Bringt nichts. Vorher wäre ich schon längst tot...“
Eine Weile schwiegen wir uns nur an und irgendwie bekam ich so langsam das Gefühl ihm vertrauen zu können.
„Was hast du denn geplant, wie es weiter gehen soll?“
„Ich werde erst noch eine Weile herum reisen, mir dann irgendwo eine Arbeit suchen und so lange Geld sparen bis ich genug habe um mir irgendwo eine neue Identität zu verschaffen. Ich weiß zwar noch nicht wo und wie, aber das muss einfach klappen.“
Wieder diese Stille. War es falsch, dass ich ihm das gesagt hatte? Aber wenn er Justin wirklich kennen würde, wäre ich so oder so verloren. Vor allem standen meine Chancen, dass ich es überhaupt schaffte so lange versteckt zu leben, sehr gering.
„Was wäre, wenn ich einen Weg kennen würde wie du an eine neue Identität kommen könntest..?“
Erstaunt sah ich auf. Das konnte doch nicht sein Ernst sein.
„Wie meinst du das?“
„Na ja. Ich kenne jemanden, der so etwas hin und wieder mal macht. Natürlich nur für eine angemessene Bezahlung. Aber was wäre, wenn ich dir das Geld dafür geben würde?“
Dieses Angebot musste einen Haken haben!
„Und warum solltest du das tun? Ich bezweifle, dass du das nur wegen deinem schlechten Gewissen machst! Ich hätte dich sogar so eingeschätzt, dass du keine Probleme damit hast, Leute zu verletzen.“
Wieder dieses böse Lachen.
„Das ist jetzt aber hart. Was denkst du denn von mir? Ich habe keinem Kerl so fest in die Eier getreten, dass der wahrscheinlich nie wieder normal gehen wird.“
Jetzt musste ich auch lachen.
„Sagen wir es einfach mal so. Ich habe, dort wo ich herkomme, eine Firma, die auf Personensuche, Personenschutz und Räumungsarbeiten spezialisiert ist. Und als ich gesehen habe, wie du kämpfst, habe ich mir gedacht, dass ich dir als Ausgleich für die Verletzungen einen Job dort anbiete. Natürlich müsstest du erst noch etwas trainieren, aber in der Nähe ist eine Schule, die auf die Ausbildung von Kopfgeldjägern und Ähnlichen spezialisiert ist.“
„Aber ich habe doch gar kein Geld für diese Schule oder für eine Wohnung oder die Reise dorthin.“
„Das würde ich dir natürlich auch geben. Du musst dich einfach nur verpflichten für einen bestimmten Zeitraum für mich zu arbeiten.“
Ich betrachtete ihn prüfend. Irgendwas war sicherlich an der Sache faul. Ich wusste nur nicht was.
„Ich weiß ja nicht...“
„Seien wir mal ehrlich. Schlimmer kann deine Situation doch nicht werden. So wie ich das gehört habe, glaubst du doch selbst nicht daran, dass du dich vor deinem Ex so lange verstecken kannst. Was hast du also zu verlieren?“
Er hatte Recht. Was hatte ich zu verlieren? Ich habe doch nichts mehr, dessen Verlust noch schlimm für mich wäre. Meine Eltern waren tot, der Rest meiner Familie hatte mich wegen diesem Macho verstoßen, ich konnte nirgendswo mehr hin, war alleine, auf mich gestellt und pleite.
„Okay. Du hast Recht. Was habe ich zu verlieren?“
„Also haben wir einen Deal?!“
Er streckte mir die Hand hin und ich schlug ein.
Ob ich diese Entscheidung nicht doch noch bereuen werde?
„Das ist doch alles viel zu verrückt um überhaupt funktionieren zu können!“
Skeptisch lehnte ich an dem schwarzen Geländewagen, mit dem wir auch schon von dem Krankenhaus weggefahren waren. Vor mir stand Don – er hatte mir inzwischen seinen Namen genannt. Diego Costa Rodríguez. Aber ich nannte ihn einfach nur Don oder Don Diego um ihn zu ärgern – und verschränkte dir Arme. An die musste ich mich auch erst mal gewöhnen. Ich muss zugeben, ich werde bei Muskeln schwach. Da war es also nicht hilfreich, dass ich von drei Kerlen umgeben war, die alle aussahen, als würden sie den ganzen Tag nur im Fitnessstudio verbringen.
„Es gibt aber keinen anderen Weg. Wenn du einfach so verschwindest wird dein Freund niemals aufhören dich zu suchen und irgendwann auch im Ausland. Wenn er allerdings denkt, dass du tot bist, kannst du ohne Sorge dein neues Leben führen.“
„Ja aber warum muss denn dafür eine echte Leiche gefunden werden? Es ginge doch auch ohne!“
„Vielleicht. Wir wissen aber nicht, ob er es dann trotzdem glaubt. Außerdem kann ich dich beruhigen, dass das Mädchen nicht extra wegen dir sterben musste.“
„Oh ja. Das beruhigt mich jetzt aber wirklich! Du kannst doch nicht einfach so eine Leiche verbrennen – egal warum sie jetzt tot ist – und dann so tun, als ob ich das wäre! Das fällt doch auf! Mit DNA! Oder was weiß ich wie! Die werden doch ganz viele Proben nehmen und dann fällt es auf, dass ich das nicht bin und auf einmal werde ich wegen Mord gesucht!“
Er ergriff meine Hände, mit denen ich vorher wild herumgefuchtelt hatte, und drückte sie gegen das Auto. Irgendwie schien er gefallen daran zu haben mich in die Enge zu treiben und ich hatte noch nicht einmal eine Chance mich zu wehren.
„Jetzt bleib mal locker! Deswegen sollst du ja vorher deinen Ex anrufen und so tun als ob du dich gleich selbst umbringen willst. So wie du ihn einschätzt wird er sofort dein Handy orten und das Gespräch aufzeichnen lassen. Wenn er dann die Polizei anruft, damit sie dich retten muss er ihnen das später zeigen und es werden keine Tests mehr gemacht, weil es ja klar ist, dass du das bist.“
So ganz überzeugt war ich immer noch nicht. Vor allem soll der mich jetzt mal los lassen, wenn er so nah bei mir steht werde ich irgendwie nervös und ich werde das Gefühl nicht los, dass er das weiß.
„Und wenn sie doch Tests machen?“
Er kam mit seinem Gesicht näher und flüsterte: „Babe. Du solltest lernen mir mehr zu vertrauen. Wir haben schon dafür gesorgt, dass niemand den Schwindel bemerkt. Es würde unser Vorhaben allerdings erheblich erleichtern wenn du endlich aufhören würdest dich zu weigern dir die Haare zu färben und zu schneiden.“
Dabei ließ er eine Hand los und spielte mit einer Sträne, doch endlich schaffte ich es ihn wegzuschubsen.
„Ich liebe meine Haare! An die lass' ich nichts drankommen! Vergiss es! Das muss auch so gehen!“
Er fing an zu lachen, doch dann kam endlich dieser Kerl aus dem Lagerhaus, vor dem wir schon die ganze Zeit standen. Don hatte ihn nach unserem Gespräch angerufen und ihn gebeten sich um meine neuen Papiere zu kümmern und auch um meinen Scheintod.
Das mit dem neuen Pass hatte sich jedoch als schwierig erwiesen, da von mir erwartet wurde, dass ich meine Haare verändere. Ich hatte schon meinen ganzen Klamottenstil geändert – in schwarz, was auch sonst bei diesen Kerlen, die alle nur diese eine Farbe zu kennen schienen – mehr konnte ich im Moment noch nicht mit mir vereinbaren.
Also musste Don sich einen neuen Plan ausdenken und ich werde jetzt als Gefangene mit einem Sack über meinem Kopf in einem Privatjet nach Spanien geflogen. Der Kerl hatte eindeutig zu viel Geld!
Aber dass jetzt dieser Dennis, der mir schon seit unserem ersten Treffen unsympatisch war, mit der Leiche eines Mädchen zu unserem Treffpunkt kommt geht mir eindeutig zu weit.
Ich habe mich zwar zurückgehalten – nachdem Diego mich ins Auto gesperrt hat – aber ich hatte mir das Ganze etwas anders vorgestellt. Ohne Leichen!
Wenn man vom Teufel spricht...
Ich bekomme drei warnende Blicke zugeworfen, die so tödlich sind, dass ich mich gar nicht traue mein Gemecker von vorhin fortzusetzen sondern bockig an dem Auto lehne und Dennis mit meinen Blicken erdolche.
Einer von Diegos Mitarbeitern – Felino, von mir sehr zu seinem Ärgernis nur Feli genannt – lehnte sich locker neben mich. Anscheinend traute er mir nicht, dass ich wirklich ruhig bleiben würde.
Er hatte dunkelbraune, raspelkurze Haare, grüne Augen und bewegte sich so leise, dass es kein Wunder war, wie er zu seinem Spitznamen gekommen war. Außerdem hatte er, wie wahrscheinlich alle Mitarbeiter von Don's Firma, immer nur schwarze Klamotten an und schien nur aus Muskeln zu bestehen.
Der andere Kerl hieß Carlos, hatte ebenfalls kurze Haare, die jedoch eher hellbraun waren, passend zu seinen schokoladenfarbenen Augen. Seine schwarze Kleidung war enganliegend und betonte jeden seiner Muskeln noch einmal extra. Er stand schon die ganze Zeit, seit wir an diesem beschissenen Ort angekommen sind, unbewegt an einer Stelle und beobachtete die Straße.
Ich war so mit meiner Musterung beschäftigt, dass ich gar nicht mitbekam wie Diego und Dennis ihr Gespräch beendet hatten. Erst als mir mein Handy hingehalten wurde, fiel mir wieder ein, dass ich jetzt meinen Ex anrufen sollte um ihm meinen Selbstmord vorzumachen.
Ich sah Diego noch einmal böse an und ging dann mit ihm Richtung Zaun, der die Lagerhalle von der Straße trennte. Er warf eine Decke auf den oberen Teil und blickte mich erwartungsvoll an. Zögernd steckte ich das Handy weg, nahm Anlauf und schaffte es dann tatsächlich auf den Zaun zu klettern. Als ich mich aber darüber schwang blieb ich mit meinem Bein an dem Stacheldraht hängen und ritzte mir ins Bein. Gerade so konnte ich noch einen Schrei unterdrücken und mich dann auf der anderen Seite herunter gleiten lassen. Geschmeidig wie eine Katze kletterte Don mir hinterher und sah sich dann mein Bein an.
Verdammt tut das weh!
„Jetzt hast du ihnen auch noch dein Blut hinterlassen. Das wird sie noch mehr davon abhalten, die Leiche ordentlich zu überprüfen.“
Als ob mich das jetzt aufmuntern könnte. Aber er ging schon voraus und bedeute mir, ihm endlich zu folgen. Bevor wir jedoch das Lagerhaus betraten, verbot er mir noch in den rechten Teil der Halle zu sehen, wo sich wahrscheinlich die Leiche dieses armen Mädchens befand.
Ich verdrängte alle meine Gewissensbisse und öffnete die Tür. Es war dunkel in der Halle, aber noch relativ sauber. Also hockte ich mich an die Wand und schaltete, nach einem letzten Blick zu Diego, mein Handy wieder an.
Ich gab die Nummer ein, von der ich mir geschworen hatte, sie nie wieder zu wählen, und wartete auf meinen Untergang.
Schon nach dem ersten Tuten ging er ran.
„Verdammt Honey! Wo zum Teufel bist du! Wie kannst du es wagen schon wieder abzuhauen! Du sagst mir jetzt sofort wo du bist und dann kommen Leute um die zurückzubringen!“
Mir kamen die Tränen. Seine Stimme war so nah. Und ich bemerkte zum ersten Mal, dass ich wirklich Angst vor ihm hatte. Wenn Don's Vorhaben nicht klappen sollte, würde Justin mich den Rest meines Lebens quälen, bis ich mir wünschte tot zu sein.
„Du ortest doch sowieso gerade mein Handy. Warum fragst du denn dann noch?“
„Weil ich es von dir hören will, verdammt! Komm sofort wieder zurück und ich werde dir vielleicht noch eine Chance geben.“
„Klar. Ich kenne doch deine Verhandlungsmethoden. Du wirst mich nie wieder gehen lassen.“
„Du gehörst mir, Honey! Und das weißt du auch!“
„Nein verdammt! Ich gehöre dir nicht und ich werde auch nie wieder zurückkommen!“
„Wie willst du mich davon abhalten, dich zurück zu holen?“
„Du weißt genau wie...Dieses Mal wirst du mich nicht davon abhalten können...“
Das hatte gesessen. Er wusste genau von was ich sprach.
„Honey. Tu das nicht. Komm zu mir und dann reden wir. Ich kann dir helfen es zu vergessen.“
„Nein. Das kann niemand. Auch nicht die Polizei. Ich halte das einfach nicht mehr aus! Und auch du kannst mir nicht helfen. Du hast mir einmal geholfen. Doch dadurch hast du meinem Leben den Sinn genommen! Ich hatte es nicht verdient zu überleben!“
„Doch das hast du! Deine Mutter wollte es so. Sie hat mir - “
„Hör auf von Mum zu reden!!! Du hast sie gehasst! Genau wie Dad! Deswegen hast du sie auch nicht aus dem Auto gezogen! Du wolltest dass sie sterben! Dann hattest du endlich freie Bahn zu mir und konntest dich die ganzen Jahre darüber lustig machen, dass sie es doch nicht geschafft hatten dich von mir fernzuhalten! Das war wahrscheinlich sogar der einzige Grund, warum du so nett zu mir warst die ganze Zeit. Nur damit du die Gewissheit hast, deinen Willen immer zu bekommen. Und selbst deine größten Widersacher nichts dagegen tun können!“
Inzwischen war ich richtig am heulen. Dieses Gespräch hatten wir schon oft geführt. Auf Brücken, während ich auf dem Geländer saß und kurz davor war zu springen. Oder während ich eine Pistole auf mich richtete.
„Das stimmt doch gar nicht! Ich wollte sie erst raus ziehen aber sie hat sich so gewehrt und mich ständig angeschrien ich sollte dich retten.“
„Sie hätte weiter leben sollen! Was habe ich denn schon geleistet, außer das Leben meiner Cousine zu zerstören? Nichts!“
Jedes Jahr an ihrem Todestag stellte ich mir diese Frage.
„Aber wenn du dich jetzt umbringst ändert das auch nichts an dem Tod deiner Eltern!“
„Ich weiß... Ich hätte in dem Auto verbrennen sollen. Nicht sie. Da ich ihren Tod jedoch nicht mehr ändern kann, werde ich mich jetzt meinem Schicksal stellen.“
„Honey! Nein!“
„Doch! Ich halte das einfach nicht mehr aus! Ich höre ihre Schreie immer noch in meinem Kopf, wenn ich die Augen zu mache. Alles erinnert mich an sie. Jedes Gebäude, alle möglichen Sprüche, selbst das Einmaleins! Ich kann einfach nicht mehr.“
Meine Tränen flossen still über mein Gesicht und ich bekam gar nicht mit, was Justin sagte. Ich sollte ihm etwas vorspielen, das war meine Aufgabe, doch das hier war bitterer Ernst. Jedes verdammte Wort. Und so langsam war ich wirklich am überlegen, ob ich nicht doch mit dem toten Mädchen tauschen sollte.
„Bitte Justin. Tu mir einen einzigen Gefallen. Sag meiner Cousine, dass es mir Leid tut. Ich wollte sie nicht das durchmachen lassen, was ich durchmachen musste. Und bitte pass auf sie auf, wenn ich tot bin....“
Damit legte ich auf. Die Stille in dem Hörer quälte mich, dennoch schaltete ich es endgültig aus – zusammen mit meinem alten Ich – und weinte stummt weiter.
Ich schreckte hoch als mich etwas an meiner Schulter berührte. Es war Don, der mich verwundert und doch ein wenig mitfühlend ansah – jedenfalls glaubte ich das, da er ja immer darauf bedacht schien, seine Gefühle nicht nach außen dringen zu lassen.
„Wir müssen gehen...komm..ich trag' dich.“
„Nein! Ich kann selbst gehen!“
Ich wischte mir die Tränen weg und stand auf. Auch wenn ich innerlich zerrissen war, ich weinte nicht gerne vor anderen Personen. Der einzige, der mich seit dem Tod meiner Eltern hat weinen sehen, war Justin, aber das war ab jetzt Geschichte.
Ich ging ihm zielstrebig voraus und ignorierte Dennis einfach, der an der Tür des Lagerhauses gewartet hatte und dieses nun betrat. Diego wollte mir noch helfen über den Zaun zu klettern doch dieses Mal schaffte ich es ohne Verletzungen und stieg auch sofort in den Wagen. Dass Felino und Carlos mir verwundert hinterher sahen war mir egal. Sie stiegen jedoch schnell ein, als in der Ferne schon Sirenen zu hören waren. Ich hoffte einfach nur, dass der Plan funktionierte und schlief dann erschöpft ein.
Als ich aufwachte lag ich in dem Hotelzimmer und Diego packte gerade irgendwelche Klamotten in einen Koffer. Er unterbrach jedoch seine Tätigkeit indem er mich grinsend ansah und dann meinte: „Ist mein Dornröschen endlich aufgewacht? Oder soll ich dich zu Sicherheit noch küssen, damit wir ganz sicher sein können?“
„Nein danke. Müssen wir schon gehen?“
Er wurde wieder ernst und nickte.
„Ich geh aber vorher noch schnell duschen.“
Ich hatte schon fast die Badezimmertür erreicht, als er mich plötzlich am Arm packte und mich mit ernstem Blick fragte: „Wie geht es dir?“ Ich winkte diese Frage einfach ab und wollte mich losmachen, doch er ließ es nicht zu.
„Dein Telefonat hat sich so angehört als wäre es nicht das erste Mal, dass ihr so ein Gespräch geführt habt und auch dass alles die Wahrheit war...“
„Ich bin halt eine gute Schauspielerin.“
Damit riss ich mich endültig los und verschwand im Bad, doch ich meinte noch ein leises: „Genau das bereitet mir ja Sorgen.“, gehört zu haben.
Unter der Dusche lehnte ich mich entspannt an die Wand, doch immer wenn ich die Augen schloss, sah ich Bilder von Justin oder meinen Eltern. Vor allem von dem Unfall und wieder kamen mir die Tränen. Ich weinte eindeutig zu viel in letzter Zeit. Das war alles Justins Schuld! Aber das wird sich mit meinem neuen Leben ändern. Ab jetzt wird es nur noch die starke Melina Fernández geben.
Als ich aus dem Bad kam stand schon Diego im Zimmer und wartete auf mich. Ich zog mir meine geliebte Kappe auf und wir gingen gemeinsam zu einem anderen schwarzen Geländewagen als der vorige. Ich setzte mich auf den Rücksitz und wir fuhren los.
Unterwegs gab Don mir einen Schwarzen Sack und Handschellen, die ich am Boden des Wagens befestigte. Wenn wir in die Nähe des Flughafens kommen würden, musste ich mir nur noch den Sack über den Kopf ziehen und so tun als wäre ich bewusstlos. So würden die Wachen nämlich weniger Fragen stellen – wenigstens laut Don.
Die Fahrt verging relativ schnell und als man mich aus dem Auto hob, hatte ich Angst, dass man meinen Herzschlag hören konnte, so nervös wie ich war. Doch alles lief perfekt und schon bald wurde ich auf einen Sessel gesetzt und bekam den Sack abgenommen.
„Wow! Das nenn' ich mal ein Flugzeug!“
Anstatt den normalen Sitzreihen, gab es eine gemütliche Sitzecke aus zwei Sesseln und zwei Sofas, die um einen Tisch herum standen. Auch im Rest des kleinen Fliegers waren mehrere Sitzmöglichkeiten, alle aus schwarzem Leder.
Ich frage mich, ob diese Kerle auch eine andere Farbe kennen als schwarz.
Carlos stand vor mir und grinste spöttisch, doch er wurde sofort wieder ernst als Don dazukam.
„Alles okay. Sag dem Pilot, wir können starten.“ Dann wendete er sich an mich. „Und wir zwei werden jetzt reden.“
Nicht schon wieder.
Er setzte sich mir gegenüber auf ein Sofa und sah mich durchdringend an.
„Du hast das alles ernst gemeint, was zu am Telefon gesagt hast, nicht wahr?“
Warum musste er denn jetzt damit anfangen? Ich will ein neues Leben beginnen und nicht über mein altes Reden. Ich will es doch vergessen. Alles.
„Ist doch egal. Er hat es geglaubt und jetzt fange ich ganz neu an!“
„Nein. Das geht nicht so einfach. Auch wenn du jetzt eine neue Identität hast. Dein Inneres ist trotzdem gleich. Wie willst du das denn erklären, wenn du plötzlich Depressionen hast und es in deinem Leben keinen Grund dafür zu geben scheint? Wenn du jedes Jahr an dem Todestag deiner Eltern so Gedanken hast wie vorhin? Das fällt auf! Und außerdem macht es dich nur kaputt, wenn du alles in dich hineinfrisst.“
„Das sagt der Richtige. Du machst mir nicht den Eindruck als würdest du mit irgendwem auch nur ansatzweise über deine Gefühle reden, geschweige denn über deine Ängste!“
„Du bist aber nicht wie ich. Ich habe noch nie daran gedacht mich umzubringen. Du aber anscheinend schon. Und du scheinst auch noch nicht mit dem Tod deiner Eltern zurechtzukommen. Denn alles zu verdrängen ist keine Lösung!“
„Es ist aber nicht dein Problem, wie ich damit umgehe. Und außerdem weißt du gar nichts über mich! Also halt dich gefälligst aus meinem Leben raus! Aus beiden! Du bist ab jetzt mein Chef, mehr nicht!“
Seine Augen schienen auf einmal dunkler zu sein und er rückte in meine Richtung.
„Und was ist wenn ich mehr will?“
Plötzlich stand er vor meinem Sessel und hielt meine Arme auf der Lehne fest. Dabei kam er mit seinem Gesicht immer näher. Ich wich zurück doch dann ging es nicht mehr weiter. Siegessicher grinste er und seine Lippen näherten sich immer mehr meinen, doch im letzten Augenblick drehte ich meinen Kopf zu Seite.
„Es hat keinen Sinn sich zu wehren, Babe. Ich weiß dass du es willst. Warum sonst sollte dein Herz gerade so schnell schlagen.“
Dieser Mistkerl hat doch tatsächlich meinen Puls an den Handgelenken gefühlt, ohne dass ich es mitbekommen habe.
„Hör gefälligst auf damit!“
„Bring mich doch dazu.“
Damit machte er damit weiter, meinen Hals mit seiner Zunge und seinen Lippen zu verwöhnen. Für kurze Zeit wollte ich ihn auch schon gewähren lassen. Doch dann erinnerte mich die Situation zu sehr an Justin. Er hatte auch immer gesagt, ich solle ihn daran hindern, doch getan habe ich es nie. Aber ich wollte mich nicht schon wieder auf so etwas einlassen, auch wenn es mir irgendwie gefiel.
„Vielleicht will ich lieber ganz andere Dinge mit meinen Händen tun...“
Sein grinsen wurde etwas breiter und wieder hatte ich das Gefühl, dass seine Augen noch dunkler waren als sonst. Er verringerte für einen winzigen Moment den Druck auf eines meiner Handgelenke, doch das reichte mir. Ich packte ihn am T-Shirt und zog ihn noch näher zu mir bis ich merkte, dass er kurz aus dem Gleichgewicht kam. Dann schubste ich ihn mit ganzer Kraft zurück.
Doch er schien damit gerechnet zu haben, denn noch während er fiel zog er mich mit sich und wir landeten – er auf mir drauf – neben dem Tisch auf dem Boden.
Fuck! So war das jetzt nicht geplant gewesen.
Don lachte dunkel und schnurrte mir regelrecht ins Ohr: „Das du aber auch immer so stürmisch sein musst, Babe.“
Dann biss er mich leicht in den Hals, was mich leicht stöhnen ließ. Ich spürte etwas hartes gegen mein Bein drücken, was mich noch nervöser machte und Don wäre sicherlich noch weiter gegangen, wenn wir nicht plötzlich ein Räuspern gehört hätten.
„Tut mir Leid Boss, wenn ich störe...“
„Warum tust du es dann?“ Wow. Da ist aber jemand angepisst.
„Da ist ein Anruf für dich. Von Dennis...“
Don sprang auf und half mir noch hoch bevor er an Felino vorbei ins Cockpit ging. Mir war das ganze jedoch ziemlich unangenehm, weswegen ich nach der Toilette suchte um meine Ruhe zu haben.
Das war knapp gewesen. Wie konnte ich mich nur so verführen lassen. Das ist mein Boss und außerdem ist eine Beziehung im Moment nicht wirklich das, was ich brauche.
Ich wusch mir kalt das Gesicht und ging nach einigen Minuten zurück. Dort saß auch schon wieder Don, jedoch nicht alleine. Er redete mit Carlos und Felino über irgendeinen Auftrag. Also legte ich mich stumm neben sie und schloss meine Augen. Ich hatte noch das Gefühl beobachtet zu werden, doch dann schlief ich ein.
Ich wurde durch das Zuschlagen einer Tür geweckt. Kurz darauf startete auch ein Motor und wir fuhren los. Ich hatte wieder einen Sack über dem Kopf, also wartete ich noch eine Weile bis ich mich aufsetzte.
„Morgen du Schlafmütze. Du kannst den Sack abnehmen, wir sind weit genug weg.“
Ich tat es und konnte nun endlich sehen. wo ich war. Und was ich draußen sah, war einfach überwältigend.
Wir fuhren über eine Autobahn die direkt auf riesige Ausläufer von Bergen zu lief, um uns herum war die Landschaft jedoch noch relativ flach. Überall sah ich Palmen, die für Spanien typischen Häuser und die ganze Landschaft war übersäht mit Feldern, auf denen die verschiedensten Dinge wuchsen.
„Schön, nicht wahr?“
Don hatte mich wohl die ganze Zeit beobachtet, da ja Felino fuhr, und auch Carlos schien sich ein Lächeln nicht verkneifen zu können, wobei mir auffiel, dass ich das noch nie bei ihm gesehen hatte.
Jedoch war ich von der Schönheit der Landschaft so überwältigt, dass ich einfach nur nicken konnte. Ich sah ein kleines Dorf an uns vorbeiziehen un wollte am liebsten sofort anhalten und die Gegend selbst erkunden.
„Wo sind wir eigentlich?“
Diese Frage wollte Don mir nämlich vor unserer Abreise nie beantworten und während des Fluges hatte ich es ganz vergessen. Ich wusste nur, dass wir in Spanien waren.
„Wie fahren gerade nach Granada herein. Das liegt in Andalusien und ist die Hauptstadt der Provinz Granada. Hier ist die Schule, wo du ab Montag hin gehen wirst, und auch „El Guarda Don“ befindet sich hier.
Die Stadt – Granada – bestand nur aus sandsteinfarbenen Häusern und überall sah man Palmen und Blumen. Ich entdeckte auch viele Brunnen, einen Park und eine große Kirche auf unserem Weg. Die Leute, die draußen gingen, hatten alle nur kurze Kleidung an, was mich eigentlich nicht wunderte, da wir immerhin Ende Juli hatten.
Wir kamen schließlich an einen kleinen Fluss, den ich, dank einem Schild, als Darro identifizieren konnte, und folgten ihm in ein Tal hinein. Nach wenigen Minuten schienen wir dann endlich unser Ziel erreicht zu haben.
Felino hielt vor einem großen Gebäudekomplex, sodass Don und ich aussteigen konnten und sie dann wieder weg fuhren. Don wollte auch sofort weiter gehen, doch ich musste mir erst einmal diese wunderschöne Landschaft ansehen, denn ich war in meinem ganzen Leben – und das waren immerhin schon 20 Jahre – noch nie in den Bergen gewesen und dementsprechend war ich auch beeindruckt von ihnen.
Ich stellte mich an den Rand des Parkplatzes und ließ den Wind durch meine langen, blonden Haare wehen. Er war angenehm und kühlte die Haut, auf die die Sonne erbarmungslos prallte. Es mussten sicherlich an die 30°C sein, wenn nicht noch mehr, doch das war mir die Aussicht auf jeden Fall wert.
An den Berghängen weideten Pferde und auch einige Kühe und Schafe. Der Darro war von Bäumen umgeben und etwas tiefer im Tal schien auch ein Wald zu sein.
„Du siehst aus, als ob du noch nie Berge gesehen hättest. Aber du wirst noch genug Zeit haben, sie zu bestaunen. Also komm jetzt. Auf dich wartet noch ein Friseurtermin und wir sind schon jetzt etwas zu spät.“
Seufzend riss ich mich von dem Panorama los und ging dem Schwarzhaarigen hinterher. Wir betraten ein Gebäude, was anscheinen nur zum Wohnen genutzt wurde und stiegen die Treppe bis in den obersten Stock hinauf. Dort stand eine Frau mit einer großen Tasche, die uns sofort begrüßte. Sie hatte kurze, rote Haare und war ein wenig mollig, doch ich fand sie direkt sympathisch. Don schien sie zu kennen und stellte uns einander vor, um dann die Tür zu öffnen.
Lorena war Friseuse und fing auch direkt an zu reden, genau wie wahrscheinlich jede in ihrem Beruf. Doch das machte mir nichts aus und ich war auch überrascht, wie gut ich sie doch verstand. Dabei hatte ich nur früher mit meiner Mutter spanisch geredet und das war inzwischen auch schon ganze fünf Jahre her. Doch daran wollte ich jetzt nicht denken und betrachtete deswegen die Wohnung, in der wir nun standen, etwas genauer.
Sie war schön eingerichtet mit modernen, dunklen Möbeln und bestand aus einem kleinen Vorraum, der, nachdem man eine Stufe erklommen hatte, in ein großes Wohnzimmer überging. Rechts grenzte dort eine, in schwarzen und braunen Tönen gehaltene, moderne Küche an, die durch eine große Schiebetür von dem anderen Zimmer abgegrenzt war und links befand sich noch eine verschlossene Tür, die wahrscheinlich in ein Schlafzimmer führte.
Während ich so abgelenkt war, hatte Lorena schon alles vorbereitet und ich sollte mich auf einen Stuhl setzen.
„So. Wie hättest du denn deine Haare gerne?“
Ich schluckte, besann mich dann aber auf die Diskussion mit Don, der sich auf dem großen Sofa breit gemacht hatte und mich nun wachsam und auch ein wenig drohend ansah.
„Ich weiß nicht. Irgendetwas ganz anderes. Also andere Farbe, anderer Schnitt...“
Wir diskutierten eine Weile und einigten uns dann auf stufig geschnittene Haare mit einem Pony in schwarz. Auch an der Länge sollte etwas geändert werden, sodass sie mit schließlich nur noch bis einige Zentimeter unter der Schulter reichten.
Als Lorena fertig war und ich ihr Werk im Spiegel betraten konnte war ich erstaunt. Ich hatte nie etwas an meinen Haaren verändern wollen, doch das hier gefiel mir. Es passte zu meinem neuen Ich, wo ich nicht mehr die ganze Zeit so tussig herumlaufen wollte wie vorher. Auf kurze Röcke und Hosen wollte ich – besonders bei diesem Wetter – nicht verzichten, immerhin hatte ich keinen Grund dies bei meiner schlanken Figur zu tun, aber ich wollte keine Barbie mehr sein.
Nachdem die Friseuse gegangen war, konnte ich endlich Don fragen, in was für einer Wohnung wir gerade waren, worauf er erst einmal lachte.
„Das hier ist deine zukünftige Wohnung. Was dachtest du denn? Alle Schüler haben ihre Wohnungen hier, so ähnlich wie bei einem Internat.“
„Was?! Aber so eine große Wohnung kann ich mir doch gar nicht leisten! Schon vergessen? Ich hab gar kein Geld mehr! Gar nichts!“
Wieder lachte er und meinte dann: „Du hast dich doch für 10 Jahre bei meiner Firma verpflichtet. Dafür bekommst du deine Ausbildung bezahlt, also diese Wohnung hier, die Schulkosten und auch einen Teil der Ausrüstung. Und außerdem bekommst du doch auch noch Lohn. Also mach dir nicht so viele Gedanken!“
„Echt jetzt? Das ist...wow! Danke!“
„Bedank' dich nicht zu früh. Du musst schließlich auch die Schule erst einmal schaffen. Und das wird anstrengend genug sein. Da kannst du nicht nebenbei noch arbeiten gehen.“
„Ja, aber ich denke ich bekomme Lohn. Dann muss ich doch auch noch arbeiten...“
„Klar. Aber so, dass du dir deine zeit selbst einteilen kannst. Und du kannst zu Hause arbeiten. Das erleichtert das Ganze um einiges. Aber darum kümmern wir uns ein anderes Mal. Guck dir lieber mal die Schule und die Gegend hier an. Im Laufe des Tages wird auch jemand vorbeikommen und dir deine Sachen vorbei bringen. Aber erst ab 3 Uhr.“
Damit stand er auf und verließ die Wohnung, wobei er mir einen Schlüsselbund auf den Tisch legte. Wahrscheinlich für meine neue Wohnung.
Ich war so glücklich. Das hier war alles zu schön um wahr zu sein. Also sprang ich sofort auf, nahm die Schlüssel und lief nach draußen um mir die Gegend anzusehen. Immerhin hatte ich noch zwei Stunden, bis ich wieder da sein musste.
Zuerst sah ich mir die Schule an. Dabei bemerkte ich, dass fast der ganze linke Teil des Gebäudekomplexes aus Wohnungen bestand, mit einer großen Tiefgarage darunter. Etwas mehr in der Mitte des Komplexes gab es dann ein extra Gebäude mit einer Art Mensa und daneben ein noch größeres, was als Bibliothek diente.
Im Zentrum war, umgeben von zwei großen Wiesen, das Schulgebäude selbst. Es glich einem kleinen Schloss und besaß im Inneren auch mehrere große, breite Treppen, die von der Eingangshalle in die oberen Stockwerke führten. Alles war in gelb- und rottönen gehalten, genau wie alle Häuser auf dem Gelände, und sah recht einladend und fröhlich aus. Auf jeden Fall besser, als in meiner alten Schule, wo alles nur grau und weiß war.
Hier lässt es sich sicher gut aushalten! Es fehlen nur noch ein paar nette Leute und es wäre perfekt!
Ich ging weiter und kam dann zu einer riesigen Sporthalle, die jedoch verschlossen war. Sie grenzte an eine der großen Wiesen und an den Sportplatz mit Laufbahn und Tribüne. Um ihn herum standen mehrere, kleinere Gebäude, die unter anderem ein Schwimmbad, eine Kampfschule und einen Schießstand beinhalteten.
Ich folgte dem Weg weiter, der mich schließlich zu einem riesigen Stall mit Reithalle und einigen Außenanlagen führte.
Wow! Lernen wir hier etwa auch reiten? Das wollte ich schon immer mal lernen! Ich glaube ich will gar nicht mit der Schule fertig werden, wenn ich dann das alles hier verlassen muss!
Ich betrat den Stall und schritt langsam zwischen den Boxen hindurch bis ich plötzlich eine leise Stimme hörte. Als ich in den nächsten Gang einbog sah ich ein Mädchen, das vor einer der Boxen stand und mit dem Pferd redete und es streichelte. Sie trug, genau wie ich, kurze Hosen und ein Top und hatte eine schlanke aber dennoch sportliche Figur.
„Hey. Gehst du auch auf die Schule hier?“
Überrascht drehte sie sich um und musterte mich erst einmal.
„Ja. Du etwa auch? Ich dachte schon ich wäre das einzige Mädchen hier. Ich bin übrigens Jacky.“
„Ich bin Melina. Ist das dein Pferd?“
Sie lachte: „Nein, leider nicht. Aber ich habe gehört, dass wir hier auch Reitunterricht bekommen und wollte mir das Ganze schonmal ansehen. Hab im Moment ja sonst nichts zu tun.“
„Ich auch nicht. Ich bin eben erst hier angekommen und bis meine Sachen kommen dauert es noch etwas, also hab ich mich schonmal umgesehen. Hast du schon unsere Mitschüler kennengelernt?“
„Ja. Ein paar. Aber ich bezweifle, dass ich mich so richtig mit ihnen anfreunden kann. Bis jetzt habe ich nämlich nur drei elende Angeber kennengelernt, die mir sofort gesagt haben, ich sollte das hier lieber lassen. Das wäre nichts für Mädchen.“
„Boah. Wie ich solche Typen hasse! Aber denen zeigen wir es schon!“
Wir legten uns auf eine der großen Wiesen und redeten noch weiter, doch als ich zufällig auf meine Uhr sah, musste ich feststellen, dass es schon fast drei Uhr waren.
„Oh shit! Ich muss leider sofort los. In ein paar Minuten sollen meine Sachen kommen! Wir sehen uns sicherlich nochmal, bevor die Schule anfängt!“
„Moment! Ich komm mit! Ich muss eh meine Wohnung noch etwas einräumen.“
Also liefen wir gemeinsam zurück und stellten fest, dass wir sogar im selben Haus wohnten, Jacky nur zwei Stockwerke unter mir. Als ich endlich im obersten Stock angekommen war, stand auch schon Carlos mit mehreren Kisten dort und wartete.
„Hey. Sorry! Ich hab voll die Zeit vergessen! Wartest du schon lange?“
Er schüttelte nur den Kopf und folgte mir dann stumm mit einer Kiste bepackt in meine Wohnung. Als wir dann schließlich alles herein getragen hatten, packte er einen Laptop, Drucker und ein Handy aus - alles in schwarz - und fuhr den Rechner hoch.
„Das läuft alles auf die Firma. Du sollst alle möglichen Informationen über Personen herausfinden, die wir suchen. Den Namen schicken wir dir auf dein iPhone. Du musst das nicht immer sofort machen, aber schon so schnell wie möglich. Wie es dir so neben der Schule passt.“
Er erklärte mir noch die Programme und gab mir schließlich noch einen Zettel, wo noch einmal alles erklärt war. Dann verließ er die Wohnung und ich verstaute erst einmal den Drucker auf der Ablage unter dem Wohnzimmertisch. Den Laptop stellte ich daneben und auch die externe Festplatte, die ich in einem der Kartons entdeckt hatte, wurde daneben plaziert.
Er hatte sogar an eine Steckerleiste gedacht!
Nun widmete ich mich den anderen Kartons. Ich hatte zwar einige Sachen aus Deutschland mitgenommen, doch so viele waren es nicht gewesen. Es gab zwei große Kartons, voll mit Klamotten, die mir nicht gehörten und allesamt schwarz waren. Darauf lag ein Zettel: „Hey Babe. Hab mir mal erlaubt dir ein paar Sachen zu kaufen. Du wirst sie nächste Woche brauchen.“
Soll das ein Scherz sein? Don hat eindeutig zu viel Geld, denn das hier kann nicht auch noch als Entschuldigung für meine Verletzung dienen! Aber die Sachen sehen echt toll aus!
Neugierig wie ich war, räumte ich beide Kartons sofort aus. Es waren vorwiegend Sportklamotten darunter aber auch Alltagskleidung, Schuhe und vieles mehr – woher auch immer Don meine Größe kannte, aber alles schien zu passen!
Ich packte alles wieder sorgfältig zusammen und trug es in mein neues Schlafzimmer. Es war ganz in braun und schwarz eingerichtet und beinhaltete ein riesiges Bett mit roten Seiden Bezügen, das unter einer Fensterfront stand. Außerdem noch einen Schminktisch und zwei kleine Kommoden. Mir gegenüber befand sich nun eine Schiebetür, wohinter ich einen riesigen begehbaren Kleiderschrank entdeckte!!!
Ich musste einen Schrei unterdrücken und hüpfte stattdessen wild herum. Das war echt der Hammer!!! Sofort räumte ich alles ein und musste feststellen, dass erst ein drittel dieses Monstrums gefüllt war. Aber das würde sich bald ändern! Nicht, dass ich irgendwie shoppingsüchtig wäre, aber ich bin schließlich auch nur eine Frau!
Zufrieden verließ ich meinen Schrank und erkundete nun den anderen Raum, der an mein Schlafzimmer angrenzte. Es war ein riesiges, ebenfalls mit dunklem Holz ausgestattetes, Badezimmer mit einer luxuriösen Dusche und einer großen Badewanne mit Düsen am Boden.
Ich hab meinen eigenen Whirlpool! Das ist so geil!!!
Schnell hüpfte ich weiter um mir die modern eingerichtete Küche anzusehen. Sie besaß sogar eine Kücheninsel mit zwei Stühlen, wie ich es mir schon immer gewünscht hatte! DK hatte zwar auch ein großes und schön eingerichtetes Haus, doch das hier war um Welten besser!
Ich war gerade dabei, die Küchenschränke zu untersuchen, die zum Glück schon sehr gut ausgestattet waren, als plötzlich mein Handy klingelte, was ich zum Laden ins Wohnzimmer gelegt hatte.
„Hast du schon alles eingeräumt?“
„Ja. Und danke für die vielen coolen Sachen! Das wäre echt nicht nötig gewesen!“
„Babe, du arbeitest ab jetzt für meine Firma! - Ich bin in fünf Minuten da um dich abzuholen.“
Damit legte er auf.
Es würde dem Kerl auch nicht schaden, wenn er manchmal ein bisschen mehr reden würde!
Ich zog mir schnell kurze Jeans Hotpants, ein schwarzes Tanktop und meine lieblings Pumas an (http://www.shop.puma.de/Men/Schuhe/High-Cuts/917-Lifestyle-Schuh/4048147663340,de,pd.html – mit hellblauen Schnürsenkeln!! ), da klingelte auch schon Don. Ich ließ ihn herein und fragte: „Und? Passe ich zu deiner Firma?“
Er musterte kurz und drückte mich dann unvermittelt an die Wand. Seine Augen nahmen mich gefangen, während seine Hände über meine Seiten wanderten. Seine Lippen kamen immer näher und ich konnte seinen heißen Atem spüren. Er streifte meinen Mund leicht und wanderte dann zu meinem Hals, wo er mit seiner Zunge kleine Muster malte.
„Babe.“
Er biss mir leicht in den Hals und zog sich dann zurück.
Fassunglos starrte ich ihn an, während er anfing zu lachen und dann meinte: „Lass uns fahren.“
Verwirrt steckte ich noch mein Handy und die Schlüssel ein und folgte ihm dann in die Tiefgarage, wo er auf einen schwarzen Audi r8 zusteuerte.
„Ist das dein Auto?!“
Lachend hielt er mir die Tür auf und ich setzte mich andächtig hinein. Ich muss zugeben, der Kerl hat einen guten Geschmack was Autos betrifft. Das hier ist wirklich geil!
Wir fuhren durch Granada durch bis wir schließlich in die Tiefgarage eines modern aussehenden Hochhauses abbogen. An der Vorderseite konnte man nicht erkennen, welche Funktion das Gebäude hatte und auch Don wollte mir nicht erzählen, was wir hier machten.
Er betätigte eine Fernbedienung und das Tor öffnete sich. Es gab die Sicht frei auf eine große Tiefgarage, voll mit teuren, schwarzen Autos. Wow! Wir stiegen aus und Don führte mich zu einem Fahrstuhl, der uns nach oben in einen Raum brachte, der wie eine Kommandozentrale aussah. Die Wände waren voll mit Bildschirmen, vor denen Männer mit Headsets saßen und irgendwem Befehle erteilten. Auch der Rest des Raumes war mit Schreibtischen gefüllt, die ebenfalls mit Bildschirmen bestückt waren.
„Willkommen im Hauptsitz von Don's Security. Das hier ist die Kommendozentrale. Von hier leiten wir alle unsere Einsätze. Wenn du die Unterlagen für eine unserer Zielpersonen fertig hast bringst du sie einfach hierher und legst sie Felino auf den Schreibtisch.“
Ich nickte und nachdem er einem seiner Mitarbeiter eine dicke Mappe und einige Anweisungen gegeben hatte, gingen wir wieder zum Fahrstuhl. „Wir sind hier im vierten Stock. Im zweiten und dritten sind die Wohnungen für meine Mitarbeiter, im fünften ist der Trainingsraum, den du auch benutzen kannst, obwohl du ja auch in der Schule trainieren kannst. Außerdem ist dort auch noch die Wohnung von meinen Hausverwaltern. Im Erdgeschoss ist nur der Eingang und im sechsten Stock wohne ich.“
Inzwischen waren wir wieder in der Tiefgarage angekommen. Er zeigte auf eine Tür, wohinter sich der Schießstand befinden sollte und drückte mir dann einen Autoschlüssel und eine Karte in die Hand.
„Hier. Das ist deiner. Der Knopf auf der Rückseite ist für die Tiefgarage und den Sprit bezahlst du einfach mit der Karte hier.“
Ich sah mir den Schlüssel genauer an und kam aus dem Staunen nicht mehr raus, als ich das Logo darauf betrachtete. Audi. Ich liebe Audi! Ich drückte den Knopf und musste einen Schrei unterdrücken als ein dunkelroter Audi A1 neben mir anfing zu blinken. Ich umrundete es und war einfach hin und weg. Dieses Auto war geil. Und ich liebte es jetzt schon. Es hatte sogar Sportsitze mit rotem und schwarzem Stoff und schien wirklich alles zu haben, was man in einem Auto haben konnte.
„Du...Das ist wirklich meiner?!“
Er lachte leicht und stützte seine Hände rechts und links neben am Auto ab, sodass ich nicht weg konnte. Dabei kam er immer näher und drückte mich schließlich mit seinem ganzen Körper an das Auto.
„Gefällt es dir?“
Dabei bearbeitete er wieder meinen Hals mit seiner Zunge, sodass ich keinen Ton heraus brachte und nur noch nicken konnte. Ich bekam eine Gänsehaut, als er die empfindliche Stelle hinter meinem Ohr entdeckte, worauf er nur dunkel lachte und sich langsam zu meinem Mund hin arbeitete. Doch kurz bevor sich unsere Lippen treffen konnten, wachte ich aus meiner Starre auf und drehte meinen Kopf weg.
„Das geht nicht! Du bist mein Chef! Das können wir doch nicht machen. Hier sind wahrscheinlich überall Kameras und wenn deine Leute das sehen..“
„Babe. Es ist mir scheiß egal, ob die das sehen oder nicht. Und ihnen ist es auch egal, was wir zwei machen. Bei diesem Job bringt es nichts, wenn man mit dem Chef schläft, weil man nur mehr Geld bekommt, wenn man die schwierigeren Aufträge erhält. Und wenn du da nichts kannst, bist du schneller tot als du denkst.“
Mein Gott. Konnte der nicht mal aufhören mit seiner Zunge an meinem Hals rumzuspielen. Das erleichtert mir das denken auch nicht!
„Trotzdem. Das ist nicht richtig!“
Ich schaffte es endlich ihn von mir zu stoßen und wollte gerade ins Auto steigen als ich nach hinten gezogen wurde. Ich knallte gegen Don, der mir mit seinen Armen festhielt und mir dann ins Ohr flüsterte, was mir noch mehr Gänsehaut bereitete:
„Irgendwann, Babe. Irgendwann bekomm ich schon, was ich will. Und dann gehörst du mir!“
Er ließ mich los und verschwand im Aufzug, nicht ohne mir noch vorher einen Kuss in den Nacken zu geben.
Dieser Mann macht mich noch verrückt!
Verwirrt stand ich noch eine Weile dort und starrte die geschlossenen Türen an, bis ich mir bewusst wurde, dass Don's Mitarbeiter mir wahrscheinlich gerade dabei zusahen, und setzte mich in mein neues, geiles Auto.
Der Motor schnurrte regelrecht, als ich die Tiefgarage verließ und mich in den Verkehr einordnete. Ein Glück, dass ich mir den Weg gemerkt hatte!
Unterwegs hielt ich noch an einem Supermarkt an, wo ich mir das Nötigste zusammenkaufte, und kam dann schließlich zufrieden in meiner Wohnung an. Den Audi hatte ich in der Tiefgarage geparkt, extra am Rand, damit auch kein Kratzer an mein Schätzchen dran kommt. Ich weiß, dass ich mich wie ein Kerl anhöre, aber ich hatte nunmal schon immer eine Schwäche für schöne Autos.
Ich bemerkte, dass es erst fünf Uhr waren und beschloss mir etwas zu Essen zu machen und mir dann irgendeinen Film auf meinem riesen Fernseher anzusehen. Das Ding war echt toll!
Here's the situation,
been to every nation,
nobody's ever made me feel the way that you do,
you know my motivation,
given my reputation,
please excuse me, I don't mean to be rude...
Verschlafen drückte ich den Wecker meines Handys auf Schlummer. Warum hatte ich den überhaupt auf so früh gestellt, es war ja noch nicht mal hell draußen!
Fuck!!
Heute ist mein erster Schultag!!
Geschockt sprang ich aus dem Bett um erst mal auf die Uhr zu sehen. Etwas ruhiger stellte ich nun fest, dass ich noch genügend Zeit hatte. Also ging ich erst einmal in meine Küche und setzte Kaffee auf. Dann ging ich ins Bad um richtig schön kalt zu duschen. Normalerweise lief ich jeden Morgen mindestens eine halbe Stunde um wach zu werden, doch heute würde ich das lieber lassen. Schließlich hatte Don mir erzählt, dass wir heute den ganzen Tag in der Sporthalle verbringen würden und da wollte ich nicht schon ausgepowert vom joggen sein.
Nachdem ich im Bad fertig war und mir meine Wunde am Bauch frisch verbunden hatte, machte ich mir Musik an, nahm meinen Kaffee und zog mir eine kurze Sporthose und ein Sporttop an. Beides in schwarz, da sie von Don waren. Mich wunderte es ja immer noch, dass mein Auto nicht auch schwarz war, wie alles andere von ihm – aber wenn ich ehrlich war, gefiel mir dieses dunkle Rot viel besser.
Ich zog mir meine alte Adidas Jacke (http://shop.adidas.de/product/QK118/V35639/Sports/Frauen-CLIMA365-CLIMALITE-Hooded-Cover-Up/detail.jsf in weinrot) und musste feststellen, dass ich viel zu früh war. Also trank ich noch in Ruhe meinen Kaffee aus, aß noch etwas Toast und zog mir dabei meine Schuhe an (http://www.shop.puma.de/Men/Schuhe/All-Styles/917-Lo-Fun-Pack-II/4050374817212,de,pd.html?cgid=13000).
Ich hoffe nur, dass mich meine Verletzung am Bauch nicht allzusehr behindern wird. Sie tut zwar kaum noch weh, aber ich muss aufpassen, dass ich nichts dagegen bekomme. Das tut nämlich immernoch höllisch weh.
Ich schnappte mir meine Tasche, die ich zum Glück schon abends gepackt hatte, und mein Handy und schlenderte runter um dort Jacky abzuholen.
Sie machte mir die Tür auf - mit nur einem Schuh an den Füßen und einem Brötchen im Mund.
„Sch...mpfh...“ Ich lachte und zog ihr das Essen aus dem Mund.
„Puh danke. Ich bin so aufgeregt! Ich bin schon seit zwei Stunden wach, weil ich nicht mehr einschlafen konnte! Und irgendwie hab ich es doch geschafft, dass ich jetzt zu spät bin!“
„Hey. Mach dir mal keinen Stress! Wir haben noch genügend Zeit! Ich bin nur selbst aufgeregt und deswegen ein bisschen zu früh.“
Sie hatte es endlich geschafft ihren anderen Schuh anzuziehen , schulterte sich nun ebenfalls ihre Tasche und ihren Schlüssel und wir gingen los. Sie hatte, genau wie ich, schon eine kurze Sporthose und darüber eine grüne Trainingsjacke an und wir schlenderten gemeinsam in Richtung Sporthalle.
„Weißt du was wir heute machen sollen? Ich hab nur gesagt bekommen, dass wir den ganzen Tag in der Sporthalle sind.“
Jacky zuckte mit den Schultern und meinte: „Ich habe nur gehört, dass wir heute unseren Coach kennen lernen. Keine Ahnung was das genau sein soll. Vielleicht so was wie ein Mentor, der uns am Anfang hilft, uns in der Schule und mit dem Training zurecht zu finden.“
Wir witzelten noch etwas herum und kamen dann endlich an dem Gebäude an. Diesmal war es auch nicht verschlossen und wir gingen direkt hinein. In der Halle selbst saßen vereinzelt Jungen auf den Bänken, manche alleine, manche in Gruppen.
„Hey guck mal! Wir sind doch nicht die einzigen Mädchen. Da ist noch eine.“
Ich sah in die Richtung in die Jacky unauffällig zeigte und erkannt dort ein Mädchen, das wie eine Barbie in Sportklamotten aussah. Sie hatte ein Top mit tiefem Ausschnitt an und eine ziemlich kurze Hose. Ihre langen blonden Haare hatte sie zu einem hohen Zopf gebunden, genau wie Jacky und ich. Nur spielte sie die ganze Zeit damit herum, während sie mit einem der Jungen zu flirten schien.
„Ohje. Barbie und Ken haben sich gefunden. Wollen wir wetten, in spätestens einer Woche sieht man die zwei nur noch knutschend aneinander kleben?“
Hinter uns lachte auf einmal jemand laut und als wir uns umdrehten, stand ein groß gewachsener Junge hinter uns. Er hatte hellbraune Haare und trug ebenfalls Sportkleidung.
„Auf Barbie und Ken war ich noch nicht gekommen, aber ich glaube deine Wette wirst du auf jeden Fall gewinnen. So wie die aussieht würde sie am liebsten sofort mit dem in den Umkleiden verschwinden.“
Wir mussten lachen und stellten uns schließlich einander vor. David ging auch in unsere Klasse, war jedoch mit seinen 22 ein Jahr älter als Jacky und ich. Er konnte uns auch etwas mehr über den heutigen Tag erzählen. Es war so etwas wie ein Leistungstest heute angesagt, damit die Trainer ein Bild von unserem Können und unserer Fitness bekamen.
Wir redeten gerade über unsere Wohnungen, als plötzlich mehrere Männer in die Halle kamen. Anscheinend unsere Trainer oder so. Sie setzten sich auf die Bänke an der Wand und alle Schüler nahmen auf dem Boden vor ihnen Platz.
„Es freut mich sehr euch alle kennen zu lernen. Ich bin Sergio und, genau wie die Herren hier neben mir, bin ich einer eurer Coache. Unsere Aufgabe ist es, euch durch euer Studium zu bringen – in allen Fächern. Jeder von euch bekommt seinen eigenen Coach, der euch dann einen Trainingsplan zusammenstellt, mit euch trainiert und auch in den theoretischen Fächern hilft, wenn es sein muss. Falls ihr irgendwelche Probleme habt, wendet euch einfach an euren Coach, der wird euch dann helfen.“
„Ich glaube ich weiß ganz genau, mit was für Problemen sich Barbie an ihren Coach wendet.“
Ich konnte mir gerade noch so mein Lachen unterdrücken und auch David musste sich zusammenreißen um nicht laut loszulachen, nach diesem Kommentar von Jacky.
„Jetzt kommen wir auch schon zu dem Sinn von diesem Einstiegstag. Ihr werdet heute an verschiedenen Tests teilnehmen, damit wir eine bessere Vorstellung von euren Leistungen haben. Heute Abend werden wir Trainer uns dann zusammensetzen und über die Verteilung reden. Wer dann letztendlich euer Coach ist, werdet ihr Morgen früh erfahren. Noch irgendwelche Fragen? Gut, dann können wir ja endlich anfangen.“
David verzog plötzlich das Gesicht und meinte dann: „Stellt euch mal vor, Barbie bekommt den ganz rechts. Der ist ja mal ziemlich hässlich und auch mindestens zehn Jahre älter als die! Das wird dann eklig, wenn sie sich an den ranschmeißt, um sich vor dem Training zu drücken!“
Ich musste laut loslachen, was Sergio leider mitbekam.
„Was ist denn so lustig, Senora? Nichts? Na dann können sie ja auch direkt als Freiwillige die erste Übung vormachen.“
David und Jacky mussten noch mehr lachen, während ich langsam aufstand und dem Trainer auf die mit Matten ausgelegte Fläche folgte.
„Wir werden heute als erstes eure Verteidigung testen. Also, Melina. Ich werde dich jetzt mit diesem äußert echt wirkendem (Ich musste schon wieder lachen) Messer angreifen und du verteidigst dich einfach irgendwie, okay? Es wird auch kaum weh tun, wenn ich dich treffe... Bereit?“
Ich hatte noch nicht einmal fertig genickt, als Sergio plötzlich auf mich zugesprungen kam um mir das Theater Messer in den Bauch zu rammen, doch ich reagierte gerade noch rechzeitig und sprang zur Seite. Und wieder griff er an, doch jetzt war ich vorbereitet. Ich wich ihm aus, packte dann sein Handgelenk und drehte seinen Arm blitzschnell auf den Rücken. Er hatte mich ziemlich unterschätzt, aber das hatte er nun davon. Zufrieden hielt ich ihm das Messer an die Kehle und fragte unschuldig: „War das gut so?“
Er lachte und ich ließ seinen Arm los. „Das war sehr gut! Ich muss zugeben ich habe dich unterschätzt und du hast es gut ausgenutzt. Ihr andern wisst ja jetzt wie es abläuft. Wir Trainer verteilen uns jetzt in der Halle und ihr versucht unsere Angriffe abzuwehren und uns das Messer abzunehmen. Wenn ihr das geschafft habt, könnt ihr zum nächsten gehen, bis ihr irgendwann mal bei allen gewesen seid. Und los geht’s!“
Ich mochte diese Übung. Das war etwas, was ich konnte. Mein Vater hatte mir schon früh beigebracht mich zu verteidigen. Ohne ihn hätte ich wahrscheinlich auch schon früh Probleme mit den Straßengangs in meiner Heimat bekommen, doch so respektierten sie mich und ließen mich meistens in Ruhe.
Wir trainierten nun schon eine Weile und ich war gerade bei meinem letzten Trainer, die anderen hatte ich alle schon besiegt, als ich hörte wie die Tür aufging und Sergio sagte: „Gut, jetzt sind wir ja endlich vollständig. Leute, das hier sind die fehlenden zwei Trainer! Die müsst ihr auch noch besiegen.“ Zu gerne hätte ich sie mir auch angesehn, doch ich war zu sehr in meinen Kampf verwickelt und konzentrierte mich deswegen lieber. Schließlich schaffte ich es dann doch, meinen Gegner zu entwaffnen, der mich ausführlich lobte und ich hatte endlich Zeit mir die letzten zwei anzusehen. Ich fand zuerst nur einen von ihnen, der gerade auch nicht kämpfte, weswegen ich schnell zu ihm ging. Er war relativ jung, sicherlich kaum älter als ich, war sehr muskulös und hatte schwarze, verwuschelte Haare. Auf dem Weg zu ihm, kam ich an Jacky vorbei, die mir nur zuraunte: „Der Kerl ist ja mal heiß, oder?!“
Ich grinste nur und stellte mich ihm dann vor. Er stellte sich als Rome vor und wir begannen mit unserem Kampf. Er wartete lange mit seinem Angriff und ich versuchte so zu tun, als ob er mich einschüchtern würde. Ich wich mehr schlecht als recht, seinen Attacken aus, bis er irgendwann etwas unvorsichtiger wurde. Das nutzte ich dann auch sofort aus und schaffte es, ihm das Messer aus der Hand zu treten.
„Du hast mich verarscht. In Wirklichkeit bist du gar nicht so schwach, wie du eben getan hast!“
„Tja. Aber wenn es dich beruhigt, du bist nicht der Einzige, der Vorurteile gegen Frauen und Kämpfen hat. Den Fehler haben auch schon ein paar von den andern Trainern gemacht.“
Er lachte und ich ging weiter, nicht ohne Jacky zu zuzwinkern, die als nächstes gegen ihn kämpfen würde und sich ein Lachen verkneifen musste.
Jetzt fehlte nur noch einer. Der hat sicherlich auch noch nicht gesehen wie ich kämpfe. Vielleicht klappt der Trick ja auch bei ihm. Ich entdeckte schließlich Max – auch bekannt als Ken – bei einem Kampf gegen einen mir fremden Trainer. Ich konnte ihn nicht so genau erkennen und stellte mich einfach wartend neben sie. Beide waren sehr schnell, doch nach einiger Zeit wurde Max auf den Boden geschleudert und bekam das Messer an die Kehle gedrückt.
„Du bist zu langsam! Und außerdem lässt du deine Deckung sofort fallen, wenn du auch nur ansatzweise einen Treffer gelandet hast! So wird das nie was! Mach lieber bei einem anderen weiter!“
Moment! Diese Stimme!
Der Trainer stand auf und drehte sich dann zu mir um -
„Hey Babe.“
„W-Was machst du denn hier?“
„Wie wärs mit trainieren?“
„Sag bloß, du bist auch ein Coach.“
Er lachte dunkel und trat näher an mich heran.
„Angst, dass ich dein Coach werde? Weil du dann noch mehr Zeit mit mir verbringen musst und ich deswegen schneller bekomme, was ich will?“
In diesem Moment ertönte ein Pfiff und Sergio schrie: „Wer hat denn jetzt noch nicht gegen alle Trainer gekämpft?“
Ich meldete mich und musste feststellen, dass nur drei anderen auch noch ein Kampf fehlte. Sergio überlegte kurz und meinte dann: „Ja, egal, wir machen jetzt 10 Minuten Pause. Melina? Da du dich ja netterweise als Freiwillige gemeldet hast, darfst du die nächste Übung auch wieder vormachen, dieses Mal jedoch gegen Diego, als Ersatz für jetzt.“
Don lachte nur und raunte mir noch ein „Ich freu mich schon!“ zu, bevor er an mir vorbeiging und sich zu Rome stellte.
David kam lachend angelaufen und meinte: „Man ey! Du scheinst dich ja richtig zu freuen, wieder als Freiwillige zu dienen. Ich glaube wir sollten uns heute besser anstrengen, sonst haben wir es uns schon am ersten Tag bei Sergio versaut.“
Ich stimmte ihm zu währen sich Jacky mit unseren Flaschen zu uns auf die Matten setzte.
„Mein Gott! Dieser Rome ist echt geil! Ich wüsste ganz genau, was ich mit dem alleine in meiner Wohnung machen würde!“
„Man ey, du hörst dich ja an wie Barbie! Habt ihr übrigens schon gesehen? Sie hat ihren Ken abgestoßen und versucht sich jetzt an Diego ranzumachen.“
Überrascht schaute ich zu Bank wo tatsächlich Luisa – alias Barbie – stand, mit den Händen mal wieder in ihren Haaren, und standhaft versuchte, Don's Interesse zu wecken.
Jacky lachte herzhaft und meinte: „Der Arme! Ich bezweifle, dass die eher Ruhe gibt, bevor sie mit ihm in der Kiste gelandet ist. Aber so wie ich ihn einschätze, wird er ihr diesen Wunsch sicherlich mit Vergnügen erfüllen. wie Ein Glück, dass sie nicht so interessiert an Rome ist. So kann ich mir den in Ruhe angeln, falls du nichts dagegen hast, Melina?“
Wir alberten noch eine Weile weiter herum, bis schließlich die Pause zu Ende war und Sergio die Übung erklärt hatte. Dieses Mal sollten wir die Trainer angreifen. Als ich mich zu Don auf die Matten stellte, bemerkte ich, wie Luisa mir giftige Blicke zuwarf. Das konnte ja noch lustig werden, wenn die so besitzergreifend ist.
„Ich glaube deine Süße geht mir an die Gurgel, wenn ich dir noch näher komme.“
Grinsend sah Don zu seiner Anbeterin um mir dann leise zurück zu flüstern: „Babe, hast du etwa Schiss, gegen mich zu kämpfen?“
Ich lachte und drehte gelassen das Messer in meiner Hand.
„Oh nein. Eigentlich freue ich mich schon lange darauf, dir mal kräftig in den Arsch zu treten.“
Damit griff ich an. Don war wirklich schnell und schien all meine Angriffe mühelos abwehren zu können, doch ich wollte ihn erst einmal in Sicherheit wiegen. Er schien einen Moment lang unkonzentriert, den ich sofort ausnutzte um ihn von der Seite anzugreifen, doch er schien damit gerechnet haben und nutzte nun meine ungeschützte Rechte um mir genau auf meine Wunde zu schlagen. Ich zuckte zusammen und schaffte es gerade noch aus seiner Reichweite zu kommen.
Fuck, tut das weh! Und dieser Idiot lacht nur so doof!
„Lasse niemals eine Verletzung ungeschützt. Auch nicht beim Angriff. Denn nicht nur du kannst gut schauspielern.“
Ich griff erneut an, trotz der starken Schmerzen, doch Don schaffte es immer wieder meine Wunde zu treffen. Schließlich wechselte er zum Angriff über und ließ mir keine Zeit mehr zum ausruhen. Ich schaffte es zwar noch, seine Attacken abzuwehren, doch lange würde das nicht mehr klappen. Also setzte ich alles auf eine Karte und startete einen riskanten Angriff. Ich wich zwischen zwei Schlägen hindurch, sodass ich schließlich direkt vor ihm stand und zog ihm die Beine weg. Doch auch das schien er geahnt zu haben, denn er zog mich beim Fallen mit sich und schaffte es – schon wieder – auf mir zu landen.
Sein gesamter Körper lag auf mir und er drückte meine Hände seitlich vom Kopf auf den Boden – ich hatte keine Chance mich zu wehren.
„Wir sollten öfter kämpfen, wenn wir zum Schluss immer in dieser Position landen.“
Er hauchte es mir in mein Ohr und ich bekam – schon wieder – Gänsehaut.
Doch endlich rettete Sergio mich: „Sehr gut Melina! Ihr andern habt gesehen, was ihr machen müsst und jetzt los. Wer fertig ist, kann gehen. Wir sehen uns um ein Uhr wieder hier. Dann geht es ans Krafttraining.“
Die Kämpfe gegen die anderen Trainer verliefen relativ gut – nur fünf schafften es, mich zu entwaffnen. Nach dem leckeren Mitagessen in der Mensa legten wir uns in die Sonne um noch etwas zu entspannen und redeten über alles mögliche. Vorallem auf den theoretischen Unterricht am nächsten Tag waren wir gespannt. Jacky konnte sich jedoch ein paar Kommentare über Diego nicht verkneifen: „Ich sag dir Melina, der Kerl steht auf dich! So wie der dich ansieht muss man ja schon fast Angst haben, dass der dich gleich auffrisst! Ich persönlich find den ja ein bisschen angsteinflößend, aber dir scheint es ja nicht so zu gehen.“
Darauf konnten David und ich fast nicht mehr aufhören zu lachen.
Das Krafttraining am Nachmittag war ziemlich anstrengend, doch es dauerte zum Glück nur zwei Stunden und ich war relativ zufrieden mit mir. Schließlich eröffnete uns Sergio, dass wir uns um fünf Uhr auf dem Sportplatz zu einem Ausdauertest einfinden sollten.
Dieser bestand schließlich daraus, dass wir eine Stunde lang laufen und dabei so viel Strecke wie möglich zurücklegen sollten. Dabei stellten David und ich fest, dass wir ungefähr die gleiche Ausdauer besaßen und deswegen zum Schluss einfach nebeneinander herliefen. Wir wurden schließlich dritter und vierter – von 22 – und waren ziemlich geschafft aber zufrieden.
Danach hatten wir es dann auch endlich geschafft. Wir wurden entlassen. Und ich freute mich nur noch auf eine entspannende Dusche und danach einen gemütlichen Abend auf dem Sofa.
Es waren erst halb Sieben, als ich durch den Schein der Sonne in meinem Zimmer geweckt wurde. Murrend zog ich Decke höher, doch jetzt wo ich schon wach war, konnte ich nicht mehr einschlafen. Ich musste abends unbedingt daran denken, die Jalousien zu schließen!
Also stand ich auf und zog mir Trainingskleidung an. Nach einer Tasse Kaffee und Zähneputzen, stöpselte ich mir noch die Kopfhörer meines alten MP3 Players in die Ohren und verließ meine Wohnung. Draußen angekommen umfing mich die kühle Luft und ich war froh, dass ich wenigstens eine lange Jogginhose gewählt hatte. Noch schnell einen Zopf gemacht und los geht’s.
Ich liebte es, morgens zu laufen, wenn sonst noch niemand unterwegs war und ich in Ruhe über alles nachdenken konnte. Heute kreisten meine Gedanken vor Allem um Don. Ich hatte nach unserem Kampf gestern kaum mit ihm geredet und ich hoffte einfach, dass ich ihn nicht als meinen Coach bekam. Eigentlich mochte ich ihn ja, aber er hatte etwas an sich, was mich anzog und das konnte ich nicht zulassen. Er war mein Chef und dann wäre er auch noch so etwas wie ein Lehrer!
So machte ich mir meine Gedanken während ich dem Fluss folgte und immer weiter in das Tal hinein lief. Es war angenehm bei diesen Temperaturen zu laufen und als ich nach einer knappen Stunde wieder in meiner Wohnung ankam, hatte ich sogar noch genug Zeit um ausführlich zu frühstücken. Da wir heute Vormittag nur theoretischen Unterricht haben sollten, zog ich mir meine bequemen Jeans Hotpants an und ein weinrotes Tanktop mit gelben Fußballschuhen darauf an. Darüber noch eine gelbe Weste, die weinroten Chucks, ein paar Armbänder und fertig war ich. In meine schwarze Umhängetasche stopfte ich noch schnell einen Block, den ich mir extra gekauft hatte, einen Stift und etwas zu trinken und es konnte los gehen. Pünktlich um viertel vor Neun stand ich schließlich vor Jacky's Tür und nachdem wir unten auf David trafen, der in dem Haus neben uns wohnte, zogen wir in Richtung Schulgebäude los.
Die andern zwei waren eindeutig müder als ich und konnten nicht verstehen, warum ich joggen war, aber wir hatten trotzdem unseren Spaß. Als wir dann endlich unseren Raum gefunden hatten setzten wir uns relativ weit nach hinten in den kleinen Stufensaal und warteten gespannt, was das nun geben würde. Denn wie man theoretisch Leute einfängt, wussten wir beim besten Willen nicht.
„Guten Morgen meine Damen und Herren. Ich bin Professor Doktor Kohler und werde sie im Fach „Rechtswissen“ unterrichten. Da es sicherlich für sie zu lange ist, mich mit Professor Doktor anzureden, mache ich Ihnen einen Vorschlag. Ich duze Sie und dafür können sie den Doktor weglassen.“
Alle lachten, was der Professor anscheinend als Bestätigung ansah, denn er fuhr mit der Anwesenheitskontrolle fort. Es war ein kleiner Mann mit einem sehr dicken Bauch, einer runden Hornbrille und einer Halbglatze. Den Rest der Stunde verbrachte er damit, uns zu erklären, wie wichtig Rechtswissen für uns ist und dass wir auf keinen Fall eine Stunde versäumen dürften. Und falls wir keine richtige Entschuldigung haben sollten, müssten wir mit Nachsitzen rechnen.
„Man! Der Kerl langweiligt mich ja jetzt schon zu Tode. Bei dem müsste man wahrscheinlich sogar kommen, wenn man 40°C Fieber hätte.“, regte David sich auf.
Wir lachten nur und überlegten den Rest der Zeit, was für Entschuldigungen er denn anerkennen würde.
Als es dann endlich zum Ende der Stunde klingelte, stürmten wir sofort hinaus, da nur das den älteren Mann daran zu hindern schien, von seinem geliebten Rechtswissen zu reden. Besonders David schien ihn sehr unsympatisch zu finden.
„Wie der da schon steht mit seinem dicken Bauch und diesem komischen deutschen Akzent! Und wie der immer mit seinen Händen rumfuchtelt!“
Auch der nächste Raum war ein Stufensaal, jedoch ein wenig größer und man konnte aus der großen Fensterfront direkt auf eine der großen Wiesen sehen, wo sich schon ein paar, der älteren Schüler aufhielten.
Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als sich vor uns eine sehr kleine, mollige Blondine räusperte die ihre Haare in einem strengen Dutt gezähmt hatte und uns nun prüfend ansah.
„Ich bin Professor Sola und Sie werden mir nur mit Professor oder Senora ansprechen, verstanden? Ich werde sie in Psychologie unterrichten, da sie nicht nur Muskeln sondern auf einen guten Menschenverstand und Menschenkenntnis bei ihrem zukünftigen Beruf haben müssen. Ich kann ihnen außerdem schon jetzt sagen, dass jeder, der meinen Unterricht mit irgendwelchem Unsinn stört, raus fliegt.“
Stille. Man ist das ne Zicke!!
„Gut. Um meinem Unterricht folgen zu können, müssen Sie sich außerdem ein Buch beschaffen und ich würde ihnen raten, sich Notizen zu machen, denn sonst schaffen Sie die Klausur am Ende des Halbjahres nie!“
Und so ging es die ganze Stunde weiter.
Ich war so froh, als wir endlich da raus konnten!
„Das hört sich ja an, als ob wir bei der Wahrsagen sollen. Der menschliche Verstand ist ein Buch mit sieben Siegeln und nur ein drittel von Ihnen wird es jemals schaffen, auch nur eine Seite davon zu lesen. Bla bla bla!“
Auch Jacky seufzte schwer, doch die Aussicht auf eine dreistündige Pause vor einer letzten Unterrichtseinheit ließ uns die Stunde schnell vergessen. Da wir alle noch keinen Hunger hatten, besuchten wir noch kurz die Bibliothek, wo man uns jedoch sagte, dass das Psychologie Buch dort nicht erhältlich sei und wir uns an einen Laden in der Stadt wenden sollten.
„Und was machen wir jetzt? Wir müssen das Ding bis Freitag haben und sogar schon das erste Kapitel lesen! Aber bis wir mal Zeit haben, runter in die Stadt zu laufen ist doch Wochenende!“
Jacky stimmte unserem Freund zu, doch ich lachte nur und zog sie hinter mir her in Richtung Tiefgarage. Ich hatte vollkommen vergessen, dass dort mein neues Baby auf mich wartete und das Gesicht was die beiden machten, als sie es sahen, war einfach unbezahlbar.
„Deinen Chef würde ich auch gerne haben!“
Ich lachte. „Ich denk du hast Angst vor Diego?!“
„Das ist dein Chef? Mh... Das ist mir dieses Auto dann doch nicht wert. Du nimmst mich ja sicherlich mit, wenn ich mal einen Fahrer brauche, nicht wahr?“
Lachend stiegen wir ein und da David sich in Granada auskannte, hatten wir auch schnell unsere Bücher besorgt – der Schinken hatte mindestens 600 Seiten!!! - und kamen auch noch früh genug zurück um in Ruhe in der Mensa zu essen.
In der letzten Theorie Stunde hatten wir Biologie bei Professor Ferre, einem ziemlich dünnen, jungen Mann mit einer großen dicken Brille, sehr kurzen dunklen Haaren und einem weißen Kittel.
„Ob der den immer an hat?“, meinte Jacky sofort und konnte sich die ganze Stunde das Lachen kaum verkneifen. Ich jedoch fand den Professor ziemlich nett, er war begeistert von seinem Fach, das merkte man sofort. Aber wenigstens war er nicht so streng.
„Wir werden uns hauptsächlich mit dem Menschlichen Körper beschäftigen. Bei ihren Aufträgen kann es häufig dazu kommen, dass sie verletzt werden, oder auch beim Training. Ich versuche ihnen einfach ihren Körper näher zu bringen, damit sie ihre Verletzungen richtig einschätzen und auch behandeln können.“
Wir hatten uns die letzte Reihe ergattern können, jedoch saßen wir direkt hinter Barbie und Ken samt Gefolgschaft.
Während Barbie sich in aller Ruhe schminkte, drehte sich Max auf einmal zu uns um und meinte mit einem dreckigen Grinsen zu mir: „Hey Süße. Hast du nicht Lust nach dem Unterricht ein bisschen mit mir Biologie zu üben. Ich will mir deinen Körper mal genauer ansehen. Der ist echt heiß.“
„Sorry, aber ich steh nicht so auf Kerle die morgens im Bad länger brauchen als ich. Bleib also ruhig bei der Barbie neben dir, die brauch da sicherlich noch länger. Kannst dir ja auch mal angucken, wie die ohne ihre 3 Tonnen Schminke aussieht. Sicherlich wie ne 60 Jährige.“
Wütend drehte er sich wieder um, während wir uns einfach kaputt lachten. Was für ein Idiot.
Nachdem wir auch diese Stunde hinter uns gebracht hatten, gingen wir wieder zurück zu unseren Wohnungen, um uns umzuziehen, da um halb Vier die nächste Trainingsstunde anfangen sollte. Dieses Mal war Schwimmen dran und ich freute mich schon. Ich liebte Wasser!
Wir waren schon fast an der Schwimmhalle angekommen, als plötzlich mein Handy vibrierte. Irritiert zog ich es heraus, da ich nicht wusste, wer mir da schreiben sollte. Es war eine E-Mail, bestehend aus einem Foto mit ein paar Informationen über die Person und genauen Anweisungen, welche Informationen benötigt wurden. Mein erster Auftrag. Und ich freute mich schon richtig darauf. Schließlich gehörte Informationsbeschaffung ja auch zum Kopfgeldjäger Dasein dazu und deswegen konnte ich schon fast behaupten, dass ich einer wäre.
Wir trainierten eine Stunde lang im Wasser, vor Allem Ausdauer und Sprünge, wobei uns alle Trainer wieder zusahen, nur Don war nicht da. Mir war das ganz recht, da ich ihm nicht unbedingt zu oft im Bikini begegnen wollte. Sicher ist sicher.
Auch bei der abendlichen Kampfeinheit war er nicht anwesend und bis auf ein paar dumme Kommentare von Max verlief alles relativ gut. Allerdings musste ich Sergio immer noch als Freiwillige dienen, er hatte mich schon wieder beim reden erwischt...
Als ich um Sieben dann endlich in meiner Wohnung angekommen war und geduscht hatte, setzte ich mich in Hotpants und Top auf mein Sofa und schaltete den Computer an. Ich tippte den Namen der gesuchten Person ein und hatte schon nach knapp einer Stunden alle gewünschten Informationen gesammelt und ordentlich ausgedruckt. Gerade als ich das letzte Blatt in den Hefter geordnet hatte, klopfte es an der Tür.
„Don? Was machst du denn hier?“
Ich ließ ihn hinein und er musterte mich ausführlich.
„Ich glaube dein Outfit hat mir gerade einen neuen Grund gegeben, warum ich hier bin.“
Damit drückte er mich gegen die Kommode und schob sein Knie zwischen meine Beine. Seine Finger wanderten den Saum meines etwas zu kurzen Top entlang und schoben es vorsichtig hoch, während er langsam meinen Hals küsste.
„Nicht. Du bist mein Boss und eventuell auch bald mein Coach. Das geht einfach nicht!“
Er knurrte dunkel und presste meine Hände an die Wand, sodass ich mich nicht mehr wehren konnte.
„Ich habe dir schon einmal gesagt, was mich die Gedanken der Anderen kümmern, Babe.“
„Aber mich nicht! Ich habe keine Lust, dass mir nachgesagt wird, ich hätte mir meinen Abschluss erschlafen!“
Ich schaffte es endlich ihn wegzudrücken und flüchtete rückwärts ins Wohnzimmer. Wie ein Raubtier seine Beute verfolgte er mich, langsam und bedächtig. Jederzeit zum Sprung bereit.
„Wer hat denn gesagt, dass ich überhaupt dein Coach werde? Die Chancen stehen 1:21, dass ich es nicht werde.“
„Das ist immernoch zu viel. Du....“
Bei meiner Flucht hatte ich nur auf Don geachtet und somit nicht bemerkt, dass er mich unauffällig in Richtung Sofa gedrängt hatte. Auf dieses fiel ich auch gerade, was sofort ausgenutzt wurde und ehe ich etwas dagegen machen konnte, lag ich auch schon wieder unter einem lachenden Don.
„Noch bin ich es aber nicht..“ Und dann küsste er mich.
Ich muss zugeben, ich hatte schon überlegt, wie er wohl küssen würde. Und ich lag so falsch! Wegen seinen vielen Muskeln und der gefährlichen, sexy Ausstrahlung, musste er einfach gut küssen können – so hatte ich mir das jedenfalls gedacht.
Aber das hier....das war ja schon fast göttlich! Wie war es nur möglich, dass mich ein Mann allein mit seinen Lippen so verrückt machen konnte. Und jetzt verlangte auch seine Zunge nach Einlass, den ich ihr gar nicht verwehren konnte.
Selbst beim Küssen schien er immer alles unter Kontrolle zu haben. Doch das störte mich im Moment recht wenig. Ich war zu sehr mir seiner Zunge und vor Allem seinen Händen beschäftigt, die sich frech unter mein Top geschoben hatten und nun jeden Zentimeter meiner Haut erkundeten. Doch auch meine Hände wanderten über seinen muskulösen Rücken zu seinem Bauch, wo ich versuchte ihn von mir zu drücken – ohne Erfolg. Schnell hatte er sie gepackt und hielt sie nun über meinem Kopf fest.
„Don...nicht...“
Langsam löste er sich, um mir in die Augen zu sehen.
„Bist du sicher, dass ich damit aufhören soll?“ Er schob seine Finger langsam in meine Hose und entlockte mir ein kleines Stöhnen, doch dann riss ich mich zusammen und zog seine Hand weg.
„Babe...“ Er stand von mir auf und ging Richtung Tür.
Zuerst dachte ich er wollte gehen, doch dann kam er mit mehreren Umschlägen in der Hand zurück.
„Das hier sind noch ein Paar Zielpersonen, über die du etwas herausfinden sollst. Hast du schon den von heute Nachmittag gecheckt?“
Ich übergab ihm die Mappe und schon verabschiedete er sich, da er Carlos bei einer Überwachung ablösen sollte. Ich brachte ihn noch zur Tür, wo er mich zum Abschied zu sich zog und kurz küsste. Ohne Zunge. Leider. Dann war er auch schon verschwunden.
Seufzend ließ ich mich an der Tür herab gleiten. Dieser Mann machte mich noch verrückt! Es war wahrscheinlich besser für mich, dass er so schnell gegangen ist. Aber dennoch verwirrten mich seine Stimmungsschwankungen sehr. Wie konnte man nur so schnell von geil auf vollkommen ernst und gelassen schalten?!
Den Rest der Woche, versuchte ich es zu vermeiden, mit ihm allein zu sein. Die Tatsache, dass er nur selten da war, erleichterte mein Vorhaben dabei ungemein.
Im Training kam ich eigentlich ganz gut mit und auch der Unterricht wurde immer interessanter. In Englisch hatten wir Mister Taylor, einen älteren Engländer, der ständig Tee trank aber sonst sehr nett war. Auch unser Sportwissenschaftslehrer, Professor Lorca, gestaltete den Unterricht immer interessant. Aber Senor Lopez war mein absoluter Lieblingslehrer. Er unterrichtete Informatik und wirkte immer ziemlich verwirrt – kaum ging es aber um Computer, war er ein echtes Genie. Früher hatte er sein Geld mit hacken verdient, bis er dafür ins Gefängnis musste. Danach kam er auf diese Schule, um seine Fähigkeiten besser zu nutzen. Deswegen war es auch nicht verwunderlich, dass er uns schon in der ersten Stunde erklärte, wie man sich in einen Computer hackte und auch, wie man vor solchen Angriffen schützte.
Mittwochs hatte ich mich abends mit David bei Jacky getroffen und wir machten einen DVD Abend. Dabei verabredeten wir uns, um Freitag mal richtig feiern zu gehen. So etwas wie eine Begrüßungsparty für uns selbst. Und wir überlegten schon Abends, was wir anziehen sollten.
Es war Donnerstag Morgen und Jacky und ich überlegten schon die gesamte langweilige Rechtswissenschafts Stunde, was wir den nächsten Abend anziehen sollten. David hatte so von diesem Club geschwärmt, in dem er schon oft gewesen war, weswegen wir etwas außergewöhnliches anziehen wollten. Man musste schließlich den gut aussehenden Kerlen dort direkt auffallen.
Also fuhren wir in unserer Mittagspause zu großen Einkaufsmeile der Stadt. Zum Glück hatte mir Don eine Art Startkapital gegeben, denn die Geschäfte dort waren einfach nur top! Schon im ersten Geschäft fanden wir etwas passendes. Nach zwei Stunden hatten wir alles gekauft und wieder zurück in der Schule.
Der Rest des Tages zog sich quälend langsam dahin und auch Freitags konnte ich es kaum erwarten, endlich die Sporthalle verlassen zu dürfen, was mir auch wieder einen Vortrag von Sergio einhandelte.
Wir hatten uns für Acht Uhr ein Taxi bestellt, sodass ich mir noch Zeit lassen konnte und erst einmal die letzte Personenakte für Don fertig machte. Um halb Sieben fing ich frisch geduscht an, meine Haare zu locken um sie mir dann hochzustecken. Nach einer viertel Stunde war ich schließlich auch mit der Schminke zufrieden und zog mir mein neues Kleid an. Es war in einem knalligen Hellblau und reichte etwa bis zur Mitte meines Oberschenkels. Ich hatte es im Nacken zusammengebunden und an der Taille mit einem breiten, schwarzen Gürtel verziert, damit meine schlanke Figur mehr zu Geltung kam. Passend dazu zog ich mir schwarze High Heels mit hohen Absätzen an und betrachtete mein Ergebnis zufrieden im Spiegel.
David öffnete Jacky's Tür und pfiff anerkennend, als er mich sah.
„Wow. Wenn wir nicht so gute Freunde wären, würde ich heut Abend dafür sorgen, dass du auch ja nicht alleine zurück in deine Wohnung musst. Du siehst heiß aus.“
„Keine Panik. Du kannst ruhig eine Andere mit dieser Ehre beglücken. Ich denke ich muss auch so nicht alleine die Nacht verbringen.“
„Das ist die richtige Einstellung Schätzchen! Wir zwei werden uns schon zwei heiße Spanier angeln. Es geht ja mal gar nicht, dass wir hier auf eine Schule gehen, wo fast nur Kerle sind und trotzdem wie die Nonnen leben!“
Ich stimmte Jacky lachend zu, die schon ein Glas Sekt in der Hand hielt und mir nun auch eines gab. Sie trug das gleiche Kleid wie ich, nur in knallrot. Sie hatte auch einen schwarzen Gürtel um die Taille und schwarze High Heels, jedoch trug sie ihre Haare glatt und offen.
„Wenn ich mit euch zwei da ankomme wird sich wahrscheinlich keine an mich ran trauen. Ihr seht viel zu sexy aus. Vielleicht sollte ich doch besser alleine gehen, bevor ich nachher als Einziger alleine nach Hause gehe, während ihr euren Spaß habt.“
„Ohh! Armer kleiner David. Wir werden schon niemanden vertreiben. Und sonst kannst du ja mit uns zurückfahren. Nur in unsere Wohnungen darfst du dann nicht.“
Schmollend setzte er sich aufs Sofa und trank in einem Zug seinen Sekt aus.
Worauf Jacky nur meinte: „Wenn du so weiter machst, kommst du eh nicht am Club an, sondern bist schon vorher sturz besoffen.“
Wir alberten noch ein wenig herum und gerade als wir die Flasche leer hatten, kam das Taxi.
Vor dem „Andalusien Nights“ tümmelten sich die Leute, doch David lotste uns einfach an der endlos scheinenden Schlange vorbei. Er kannte den kahlköpfigen Türsteher und stellte ihn uns als Pete vor. Dafür, dass er uns direkt hinein ließ bekam er auch von Jacky und mir ein Küsschen auf die Wange, was er lachend annahm.
Der Club selbst bestand aus zwei Ebenen. Der Eingang führte auf eine Art Balkon, von dem aus man hinunter auf die Tanzfläche blickte, worauf sich die Leute gedrängt hatten um wild zu tanzen. Über zwei Treppen an den Seiten gelangten wir in die untere Etage, wo wir zuerst die Bar ansteuerten und uns Cocktails bestellten. Während wir noch warteten, drehte ich mich um und sah zu dem VIP Balkon hinauf, doch ich erkannte niemanden. Also wendete ich mich wieder meinen Freunden zu und sah gerade noch wie David mit einer hübschen Blondine in Richtung Tanzfläche verschwand.
„Von wegen, dass der durch uns keine Tussen abbekommt! Aber wenigstens hat er uns die Drinks bezahlt und seinen auch noch da gelassen. Also Cheers, Süße!“
Wie stießen an und nachdem wir Davids Drink geleert hatten, nahmen wir eine der kleinen Sitzecken am Rand in Beschlag. Schon nach wenigen Minuten gesellten sich zwei süße Spanier zu uns, Paolo und Vincente. Sie fingen auch direkt an heftigst zu flirten und ließen keinen Zweifel daran, dass sie uns gern flachlegen wollten. Doch so billig war ich nicht zu haben. Und auch Jacky schien nicht sehr zufrieden zu sein. Also ließen wir uns erst noch ein paar Drinks ausgeben und verschwanden dann auf dem Klo.
„Boah. Wie ich so Kerle hasse! Die wollten uns doch nur betrunken machen mit dem vielen Tequila! Und dann die ganze Zeit so billige Anmachen!“
Jacky sprach mir aus der Seele.
Also kehrten wir nicht wieder zu unserem Tisch zurück sondern stürmten zu zweit die Tanzfläche, wo wir auch direkt von zwei anderen Kerlen angetanzt wurden. Der eine sah sogar gar nicht so schlecht aus. Er war groß und hatte viele Muskeln. Wir tanzten ziemlich lange und tranken dann noch einen Cocktail an der Bar. Unsere Machos von vorher ließen sich zum Glück nicht mehr blicken. Jedoch musste ich feststellen, dass man mit Juaquin – mein neuer Tanzpartner – nicht wirklich reden konnte, weswegen ich ihn in Richtung Tanzfläche zog. Doch weit kam ich nicht. Schon nach ein paar Metern stieß ich unsanft mit einem Kerl zusammen und wäre fast hingefallen, hätten mich nicht plötzlich zwei ziemlich muskulöse Arme aufgefangen.
Beeindruckt von dieser Muskelmasse vergaß ich meinen Wut und wollte mich gerade bedanken, doch als ich in das Gesicht meines Retters sah – blieben mir die Worte im Hals stecken. Vor Allem als er mich dann näher zog und mir ins Ohr flüsterte: „Du solltest besser aufpassen wo du hinläufst, Babe. Oder hast du etwa schon so viel getrunken, dass du das nicht mehr kannst und bist deswegen mit diesem Idioten unterwegs?“
Was fiel ihm eigentlich ein?
„Nein! Ich...“
„Gut. Dann kannst du ja jetzt mit mir tanzen!“
Er warf Juaquin einen warnenden Blick zu und zog mich in Richtung Tanzfläche.
„Aber Jacky..“
„Um die kümmert sich Rome gerade. Du bist ab jetzt beschäftigt.“
Er packte mich an der Hüfte, zog mich zu sich und legte meine Arme um seinen Nacken. Und er tanzte wirklich gut. In seinem schwarzen Hemd, bei dem oben ein paar Knöpfe offen gelassen waren und eng anlag, betonte seine Muskeln sehr gut und auch die dunkle Jeans stand ihm hervorragend. Sie saß etwas tiefer und sein Hintern forderte es geradezu heraus, dass man ihn anfasste um zu sehen ob er wirklich so trainiert war. Dieser Test handelte mir jedoch ein raues Lachen von meinem Tanzpartner ein.
„Macht man so etwas bei seinem Chef?“
„Halt die Klappe und genieß es einfach!“
Ich hatte keine Lust auf dumme Kommentare, dafür machte mir das tanzen viel zu viel Spaß. Und wir tanzten lange. Erst als mich meine Füße fast umbrachten setzte ich mich zu Jacky und Rome an einen Tisch, während Don mir etwas zu Trinken holen wollte. Als er wieder kam, setzte er sich in der selben Pose wie Rome hin – einen Arm besitzergreifend auf den Schultern der Begleiterin, worüber Jacky und ich nur lachen konnten.
Typisch Männer!
Normalerweise ließ ich mir so ein Getue nicht gefallen, doch ich war angetrunken und hatte Durst, weswegen ich es einfach ignorierte.
Wieder auf der Tanzfläche, sah ich dann auch David wieder. Eng umschlungen mit der Blondine. Kurz löste er sich jedoch von ihr und meinte grinsend: „Du weißt schon, dass das gerade dein Chef ist, der die da an den Arsch packt, oder?“ Doch als er den bösen Blick von Don sah, wendete er sich schnell wieder seiner Begleitung zu, worüber ich nur lachen konnte.
„Bei allen wirkt dieser Blick, nur du lachst darüber.“
„Ich hab keine Angst vor dir. Das müsstest du doch inzwischen wissen.“
Seine Augen funkelten und er grinste dreckig. „Das solltest du aber vielleicht haben. Schließlich könnte ich deinen Alkoholpegel schamlos ausnutzen.“
„So viel hab ich noch nicht betrunken, dass ich mit jedem in die Kiste steige, der gut tanzen kann. Und erst recht nicht um mit meinem Chef zu schlafen.“
Daraufhin lachte er nur und zog mich wieder enger zu sich. Provozierend legte er seine Hände wieder auf meinen Po, doch ich ließ es einfach zu.
Gerade kam mein Lieblingslied – Tonight von Enrique Iglesias – und ich tanzte singend, mit dem Rücken zu Don. Dieser nutze das jedoch direkt aus und küsste sich eine Spur über meinen Nacken und Schultern. Ich versuchte die Gänsehaut zu ignorieren, doch als ich mich gerade umdrehte zog er mich so plötzlich zu sich, dass ich gegen ihn knallte und mich dabei an seinem Bauch abstützte – Oh mein Gott! Ein zufriedenes Grinsen schlich sich in sein Gesicht und dann küsste er mich.
Ein wohliges Kribbeln erfasste meinen Körper und er zog mich näher, wobei er sein Becken fester gegen meines drückte. Ein leiser Seufzer entwich mir und ich wollte mich über sein dreckiges lachen aufregen, doch er erstickte jeden Protest mit einem göttlichen Zungenkuss. Seine Hände wanderten langsam über meine Seiten und verschwanden dann unter meinem Kleid, wo sie mich von meiner Umwelt ablenkten und ich mich nur noch auf diesen Kuss konzentrierte. Mich überkam plötzlich ein solches Verlangen, dass ich mich zusammenreißen musste.
Ich stieß ihn von mir und lief lachend vor ihm weg. Doch schon vor der Treppe hatte er mich eingeholte und drängte mich dort an die Wand.
„Du entkommst mir nicht, Babe. Heute Nacht gehörst du mir.“
Dann küsste er mich erneut und dieser anfangs sehr dominante Kuss wurde immer leidenschaftlicher und verlangender. Ich ließ meine Hände über seinen Rücken zu seinem Hintern wandern und dann zu seinem Bauch. Diese Muskeln waren ein Traum! Doch dann ließ ich sie langsam sinken und streichelte über seine Hose, was ihn so weit aus dem Konzept brachte, dass ich wieder fliehen konnte. Als ich den Ausgang erreicht hatte drehte ich mich zu ihm um und wich rückwärts vor ihm zurück. Ich liebte es, dieses Spiel mit Männern zu spielen. Denn nun war sein Jagdinstinkt geweckt und er wollte mich noch mehr. Aber er würde mich nicht bekommen.
Dieser Raubtierblick – geil!
Doch dann stieß ich gegen eine Häuserwand und bevor ich realisierte, dass er mich wieder in die Enge getrieben hatte, war ich auch schon zwischen seinen Armen gefangen, die er locker an der Wand abstützte. Noch einmal würde er mich nicht mehr entwischen lassen. Doch ich sah, dass ihm dieses Spiel gefiel.
Genießerisch musterte er meinen Körper und blieb dabei besonders lange mit den Augen bei meinem Ausschnitt hängen. Ich wusste, er ließ viel blicken, doch jetzt erzielte er genau die gewünschte Wirkung.
„Na? Gefällt dir, was du siehst?“
Herausfordernd sah ich ihn an, doch er grinste nur dreckig und küsste mich. Seine Zunge verlangte fordernd um Einlass und seine Hände zogen mich gierig an ihn, wobei ich seine Beule in der Hose deutlich spüren konnte. Um ihn zu ärgern ließ ich meine Hände wieder langsam seine Brust herunter wandern, doch bevor ich seine empfindliche Stelle erreichte, hob er mich knurrend hoch.
„Treib es nicht zu weit, Babe! Denn du musst auch mit den Folgen leben können.“
Ich hatte die Beine um seine Hüfte geschlungen, um nicht herunterzufallen, und ich diese Position machte mich leicht nervös. Doch er unterdrückte meine Proteste mit einem Kuss und ich konzentrierte mich wieder vollends auf den Kampf unserer Zungen.
„Wenn das nicht Don Diego ist! Meinst du nicht, ihr solltet euch ein Zimmer nehmen? Oder wenigstens ins Auto verschwinden? Die ganze Schlange vor dem Club kann euch hier zusehen.“
„Im Gegensatz zu dir, treib ich es nicht vor andern Leuten, Rome!“
Ich musste lachen und auch Jacky fragte ihn, ob der das wirklich gemacht hätte. Doch wir bekamen nur einen bösen Blick als Antwort. Don hatte mich inzwischen auch runtergelassen, hielt mich jedoch immernoch an die Wand gedrückt.
„Und ihr zwei wollt jetzt fahren oder warum seid ihr hier draußen?“
„Ja. Rome ist so nett und fährt mich zurück in meine Wohnung. Dann können wir uns das Taxi sparen, so teuer wie die Hinfahrt war.“
Ich konnte darauf nur lachen, doch dann meinte Don grinsend: „Dann nehme ich mir mal an dem guten Rome ein Beispiel und fahr dich auch nach Hause.“
„Was? Das wär aber doch unnötig, mit zwei Autos da hoch zu fahren! Ich kann ja sicherlich bei Rome mitfahren!“
Doch der lachte bloß und meinte, dass er nur zwei Sitze in seinem Auto habe. Fuck! Don darf mich nicht da hoch fahren. Ich wollte doch nur mit ihm spielen, es aber nie so weit kommen lassen. Und wenn er mich bis zu meiner Wohnung begleitet...Ich kann ihm ja schon nüchtern schwer widerstehen...
„Was ist los, Babe? Angst, dass ich dich fressen könnte?“
Er wusste genau, dass ich mit ihm nur gespielt hatte. Deswegen auch die Warnung eben, dass ich es nicht zu weit treiben sollte. Anscheinend hatte ich das aber schon längst getan.
Hilfesuchend sah ich zu Jacky, doch die war gerade zu sehr mit Rome beschäftigt. Sie schien es nicht zu stören, dass er einer der Trainer war. Aber sie stand ja sowieso auf ihn.
Don zog mich bestimmend von der Wand weg und legte einen Arm um mich. Dabei flüsterte er in mein Ohr: „Hab ich dir die Sprache verschlagen?“
Ja. Verdammt!
„Träum weiter. Und ich hab auch keine Angst vor dir. Ich bin nicht so wehrlos wie ich aussehe und kann sehr gut auf mich selbst aufpassen.“
Er lachte nur und führte mich weiter zu seinem Auto. Ganz der Gentleman, öffnete er mir sogar die Tür, doch bevor ich einsteigen konnte wurde ich gegen das Auto gedrängt und in ein wundervolles Zungenspiel verwickelt. Doch wieder kam Rome dazwischen.
„Alter, wenn du jetzt noch einmal nervst, dann kastrier ich dich!“
Damit wurde ich ins Auto gehoben und bevor ich wieder aussteigen konnte, fuhren wir auch schon vom Parkplatz. Während der ganzen Fahrt überlegte ich fieberhaft, wie ich Don davon abhalten konnte, mich zu meiner Wohnung zu begleiten. Denn wenn er mich dann küssen würde...
„Warum so still, Babe? Hast du etwa doch Angst vor mir?“
Ich hatte gar nicht bemerkt, dass wie schon in der Tiefgarage angekommen waren. Schnell stieg ich aus und eilte in Richtung Treppenhaus, doch dank den vielen Tequilas war es für Don ein leichtes mich einzuholen. Er hob mich hoch und ich wickelte meine Beine um seine Hüfte.
Scheiß Alkohol!
Seine Hände unter meinem Kleid machten mich verrückt und auch seine Zunge tat ihr übriges, dass ich nicht merkte, wie er mich die gesamten 5 Stockwerke hochtrug. Erst als er mich an meine Tür drückte und sie aufschloss, wollte ich unseren Kuss unterbrechen.
„Don....nicht!...Du bist mein Boss....ohhh...“
Er hatte meine Hände auf seinen Bauch gelegt...diese Muskeln!
„Als ob du mich jetzt noch wegschicken wolltest...“
Damit stieß er die Tür auf und trug mich hinein. Die Tür war noch nicht ganz zu, als ich ihm schon den störenden Stoff von seinem göttlichen Bauch gestriffen hatte. Auch mein Kleid verschwand auf dem Weg zum Schlafzimmer und als er mich auf mein Bett schmiss, war ich auch schon das letzte Stück Stoff losgeworden.
Nur noch mit Boxershorts bekleidet, legte sich kurz darauf Don auf mich und ich konnte mir ein Stöhnen nicht verkneifen, als ich spürte dass sie aus Seide waren.
„Woher hast du die denn? Die sind geil!“
Doch er lachte mich nur aus und erkundete nun meinen Körper mit seinen Händen. Und zwar ganz genau. Ich konnte es fast nicht mehr aushalten und bettelte ihn regelrecht an, mich endlich zu erlösen. Das tat er dann auch - und wie! Ich hatte schon Ewigkeiten nicht mehr so guten Sex gehabt, wenn überhaupt. Und selbst eine Weile später, als wir erschöpft nebeneinander lagen, hatte sich meine Atmung immer noch nicht ganz beruhigt. Doch Don schien noch nicht fertig mit mir zu sein und küsste wieder. Dann wanderte er langsam weiter nach unten und bescherte mir wieder eine Gänsehaut.
„Kommt jetzt der Teil, wo du mich an mein Bett fesselst? Oder bist du nicht so einer, der darauf steht?“
Er lachte und biss mir leicht in die Brust, was mich wieder stöhnen ließ.
„Ich brauche keine Handschellen, um eine Frau gefügig zu machen.“
Damit wanderte sein Mund weiter und schon bald hegte ich keinen Zweifel mehr an seinen Worten.
Oh Gott, mein Kopf! Und was ist das für ein nerviges Piepsen hier?!
Neben mir regte sich etwas und endlich war wieder angenehme Stille, sodass auch meine Kopfschmerzen nachließen. Ich wollte gerade wieder einschlafen, als mir die Bilder der vergangen Nacht in den Kopf kamen und ich nun realisierte, an wessen warmen Körper ich mich da gerade drückte. Quietschend rollte ich weg und versteckte meinen Kopf unter dem Kissen.
Das kann einfach nicht wahr sein! Fuck! Das ist alles nur ein Traum! Er ist zwar heiß, aber ich hab sicherlich nicht mit ihm geschlafen! Das hab ich mir alles nur im Traum vorgestellt! So betrunken kann ich doch gar nicht gewesen sein.
Ein raues Lachen erklang dumpf durch das Kissen und plötzlich wurde ich von zwei starken Armen zurückgezogen.
„Warum musst du unbedingt betrunken gewesen sein, bevor du mit mir geschlafen hast, wenn du mich doch heiß findest.“
Hatte ich das gerade etwa laut gesagt?!
Ich traute mich immer noch nicht, meine Augen zu öffnen. Das war nur ein Traum!
„Die Nacht war also ein Traum für dich? Wir können es auch gerne wiederholen.“
Ich antwortete immer noch nicht. Versuchte weiterhin mir einzureden, dass das nicht passiert ist, doch als ich auf den Rücken gedreht und von heißen Lippen geküsst wurde, fühlte sich alles viel zu real an.
Dann erklang wieder dieses Piepsen und Don rollte sich von mir. Er brummte kurz und stand dann auf. Meine Augen waren auch weiterhin verschlossen und ich presste mir die Decke verzweifelt gegen meinen Körper. Erst als er gegangen war wagte ich es, meine Augen zu öffnen. Doch meine im ganzen Zimmer verstreuten Klamotten wiesen mich erneut darauf hin, dass ich diese Nacht richtige Scheiße gebaut hatte. Auch wenn es mein beste Sex seit langem gewesen war – und vor allem der einzige seit einer gefühlten Ewigkeit.
Den Rest des Tages verbrachte ich mit Aspirin zugepumpt auf meiner Couch und lenkte mich mit sinnlosen Soaps und Hausaufgaben ab. Sonntags ging ich erst einmal ausgiebig laufen, doch als ich völlig erschöpft zurück kam, hatte ich immer noch keine Ahnung wie ich Don gegenübertreten sollte. Er war ja verdammt noch mal mein Boss!
Deswegen fiel es mir Montag Morgen auch ziemlich schwer mich aufzuraffen und in die Sporthalle zu gehen. Dort würden wir heute unsere Coache zugeteilt bekommen und deswegen würde ich auch Don wieder sehen.
Erst um kurz vor halb Acht stand ich vor Jacky's Tür, die auch ziemlich nervös war, wegen Rome. Aber sie hatte sich immerhin getraut ihn am Morgen danach anzusehen und mit ihm zu reden. Wir sprinteten den Weg zur Halle, doch zu spät kamen wir trotzdem. Alle waren schon da und saßen auf dem Boden um die Bank mit den Trainern herum. Ich blickte stur Sergio an, der uns mal wieder eine Predigt hielt, bevor wir uns zu David setzen durften.
„Habt ihr echt verschlafen oder wart ihr zu feige euren One-Night-Stands entgegen zu treten. Wenn ja, dann war es ziemlich dumm zu spät zu kommen, da sie euch die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen haben.“
Ich wollte gerade antworten, wurde jedoch von Sergio's tödlichen Blick unterbrochen. Er erklärte gerade, dass wir mit unserem Coach einen Trainingsplan aufstellen und unsere Nummern austauschen sollten und dann wie gewohnt zum Unterricht zu gehen.
Ich freue mich jetzt schon auf die langweilige Stunde Rechtswissenschaften! Dann kann ich ihm endlich weiter aus dem Weg gehen.
Endlich war Sergio mit seinem Gerede fertig und rief nun alle Schüler alphabetisch auf und teilte ihnen ihren Coach zu. Doch dabei brauchte er viel zu lange.
„Man ey! Kann der nicht mal schneller machen? Dass der auch immer so dramatische Pausen machen muss!“
„Stimmt. Was mach ich denn, wenn ich Rome als Coach bekomm?“
„Er ist wenigstens nicht dein Boss! Wenn ich Don bekomm, dann hab ich ein riesiges Problem! Ich hab es ja noch nicht mal geschafft ihm...“
„MELINA FERNANDEZ GARCIA!“
Ich zuckte zusammen. Sergio sah aber ziemlich sauer aus!
„Ja bitte? Oh ist das da etwa mein Coach? Das ist ja gut.“
Es war nämlich NICHT Don. Der Rest war mir egal.
„Warum kannst du nicht mal wenigstens für 10 Minuten aufhören zu reden? Bist du nicht ausgelastet oder was?!“
„Naja...Es geht im Moment, aber das wird sich ja sicherlich ändern, wenn das Einzeltraining dazu kommt.“
Von wegen. Ich kannte ihn vom Training und wusste, dass er mich ständig unterschätzte und deswegen nur wenig von mir verlangte. Das werden sicher entspannte Semester!
Ich stand auf, zwinkerte Jacky und David noch kurz zu und war schon fast vorne bei der Bank, als Sergio plötzlich fies grinste und meinte:
„Ich habe schon ein Paar Beschwerden von deinen Lehrern bekommen, dass du ständig redest. Und wir haben erst eine Woche hinter uns! Aber wenn du nicht ausgelastet bist, ist das ja kein Wunder.“
„Ich rede ja nicht ständig. Das ist nur die Aufregung am Anfang, wegen den vielen neuen Eindrücken hier. Das legt sich nach ein paar Wochen. Und es ist ja nicht so, dass ich gar nicht ausgelastet bin. Ich bin nur nicht überlastet. Aber ich hatte ja auch bis letzte Woche noch Ferien, wo ich mich ausruhen konnte.“
Ich hatte das gefühl, dass Sergio irgendetwas böses plante, so wie er grinste. Aber wenigstens hatte ich schonmal einen Coach, der nicht gleichzeitig mein Boss war und bei dem ich nicht Gefahr lief, schwach zu werden und mit ihm zu schlafen - Ich stand nicht so auf ältere Kerle.
„Das Wochenende hatte aber anscheinend auch eine entlastende Wirkung auf dich, sodass du heute besonders unaufmerksam bist. Und wenn das jede Woche so anfängt, wirst du schnell große Probleme bekommen.“
„Gib mir doch wenigstens die Chance zu zeigen, dass ich auch mal aufpassen kann. Ich muss mich nur ein bisschen hier eingewöhnen. Das dauert auch nicht lange!“
Er schien eine Weile zu überlegen und grinste dann wieder.
„Du bekommst deine Chance. Moment.“
Er nahm einen der Ordner, die er in der Hand hielt, strich auf zwei etwas durch und schrieb etwas anderes hin. Dabei ließ er sich - mal wieder - viel Zeit, doch ich versuchte ruhig zu bleiben und gleichzeitig auch die Blicke auf mir zu ignorieren.
Endlich war er fertig und stand wieder auf.
„Max? Komm mal her!“
Ken stand auf und stellte sich neben mich, nicht ohne mir einen spöttischen Blick zu schenken. Barbie war ja auch nicht da um ihn zu kontrollieren. Sie hatte einen der jüngeren Trainer bekommen und war zufrieden grinsend mit ihm verschwunden.
„Ihr zwei seid ungefähr auf dem gleichen Leistungsstand. Deswegen bekommst du jetzt Melinas Trainer und sie bekommt deinen.“
Was? Ich hatte fest damit gerechnet, dass Max das Beste Training bekommen sollte. Und jetzt bekommt der einfach meinen Coach. Ich wollte doch keinen anderen! Und jetzt grinst der auch noch so dreckig!
„Melina? Du kennst ja Diego. Ich denke bei seinem Training kannst du deine gesamte überschüssige Energie richtig nutzen und dich dann auch auf den Unterricht konzentrieren. Bis jetzt hat sich mal noch keiner seiner Schüler beschwert, er sei nicht ausgelastet. Eher das Gegenteil. Aber das scheinst du ja zu brauchen.“
Nein! Nein! Nein!
Grinsend trat Don neben mich und nahm die Mappe entgegen.
Das kann doch nicht wahr sein!
Ich wollte etwas erwidern, doch Sergio's Blick ließ mich erneut verstummen. Hilfe suchend sah ich noch kurz zu meinen Freunden, doch auch sie konnten nur mit den Schultern zucken.
„Kommst du jetzt endlich, oder willst du hier Wurzeln schlagen?“
Wütend sah ich ihn an – zum ersten Mal seit dieser fatalen Nacht – und er grinste mir nur dreckig lachend entgegen.
Schließlich beugte ich mich meinem Schicksal und folgte ihm aus der Halle heraus. Er führte mich auf die angrenzende Wiese und ließ sich dort fallen.
„Ich warne dich Don! Wenn irgendjemand erfährt, was zwischen uns passiert ist, dann bring ich dich um! Das war ein einziges Mal und wird nie wieder passieren, verstanden?!“
Er lachte nur und klopfte auf den Boden neben sich damit ich mich setzte. Dann fragte er jedoch lauernd: „Willst du mir etwa drohen, Babe? So wie ich das sehe, kannst du nur dir selbst die Schuld daran geben, dass ich jetzt dein Coach bin. Aber ich kann mich nicht beschweren – du siehst eindeutig besser aus als dieser Max!“
Seufzend legte ich mich ihm gegenüber auf den Rasen und genoss die Sonne, die so langsam über die Hügelkuppen trat und angenehm wärmte.
„Kommen wir zum Geschäftlichen. Ich hab hier einen ersten Plan schon fertig, den wir verändern können, je nachdem, bei welchen Disziplinen du mehr Training benötigst.“
Er gab ihn mir und ich konnte gar nicht glauben, dass er das ernst meinte!
„Soll das ein Witz sein?! Das mit dem unterfordert war doch nicht ernst gemeint!“
Er lachte: „Ich weiß. Sonst sähe der der Plan nämlich ganz anders aus. Aber wie gesagt, wir werden ihn sicherlich noch ändern.“
„Ja! So ungefähr die Hälfte streichen!“
„Das kannst du direkt vergessen. Das hier ist das Minimum. Ich hab nicht umsonst den Ruf, der schlimmste Trainer zu sein.“
Das war allerdings berechtigt. Ich sollte jeden Morgen eine Stunde lang Joggen – das machte ich zwar jetzt schon – doch danach auch noch eine Stunde lang Bahnen schwimmen! Wollte der mich umbringen? Dann hatte ich eine halbe Stunde Zeit mich für den Unterricht fertig zu machen. Während meiner ehemaligen Mitagspause hatte ich dann Eineinviertel Stunden Kampftraining bei ihm. Montags Karate, Dienstags Boxen, Mittwochs stand „Verschiedenes“ auf dem Zettel, Donnerstags Jiu Jitsu und Freitags Kickboxen. Eine Halbe Stunde nach dem Nachmittagsunterricht hatte ich dann wieder eine Stunde lang Training in „Verschiedenes“ und dann jeden Abend von Sieben bis Acht Yoga.
„Machst du beim Yoga auch mit? Und was soll bitte „Verschiedenes“ heißen?“
„Yoga müssen alle machen. Damit ihr euch nicht überanstrengt oder so. Ich mach das auf jeden Fall nicht! Und wenn da „Verschiedenes“ steht, dann such ich mir vorher immer was aus, was wir machen.“
„Aber wann soll ich denn dann bitte was für den Unterricht machen und lernen? Und deine Profile muss ich auch noch schreiben.“
„Dafür hast du ja zwischendurch die Pausen. Wenn du dich anstrengst, schaffst du das locker. Ach, und ich kann dir direkt schon sagen: Wenn ich morgens beim Joggen oder Schwimmen nach 5 Minuten noch nicht da bin machst du das trotzdem. Sollte ich auch nur einmal mitbekommen, dass du das nicht tust, bekommst du ernsthafte Probleme.“
Ich seufzte. Das würde ich doch nie überleben!
„Und wenn du Mittags oder Nachmittags arbeiten musst?“
Er lachte.
„Wenn du dann nichts anderes von mir gehört hast, kannst du das Training dann ausfallen lassen.“
Wenigstens etwas.
„Du solltest jetzt auch langsam zu deinem Unterricht gehen. Und wehe ich höre irgendwelche Beschwerden. Das deute ich dann als Zeichen dafür, dass du nicht ausgelastet bist.“
Ich stöhnte gequält und versprach ihm, dass ich das keinesfalls bin. So schwer hatte ich mir meine Ausbildung zum Kopfgeldjäger nicht vorgestellt! Dabei hatte ich doch erst eine Woche hinter mir.
Im Unterricht passte ich dann tatsächlich auf, während Jacky und David neben mir leise redeten. Jacky hatte das gleiche Los gezogen wie ich – Rome – doch ihr Trainingsplan war noch human. Auch David war zufrieden mit seinem Coach, er hieß Manuel und war noch relativ jung. Ich hatte anscheinend aber die große Arschkarte gezogen! Wenn ich ihre Pläne mit meinem verglich...
Und auch Dons Drohung, dass ich mich anstrengen sollte, nahm ich ernst, was meine Freunde nur zu gut verstehen konnten.
„Aber wie kann Diego nur von die erwarten, dass du jeden Tag so viel trainierst und nebenbei für ihn arbeitest und dann trotzdem einen 1er Notenschnitt hast?! Wie soll man das denn schaffen?“
Das fragte ich mich auch!
Die nächste Woche war einfach nur eine Tortur!
Den ersten Tag schaffte ich es noch, dass Don wenigstens ein bisschen zufrieden war, doch am zweiten kam ein übler Muskelkater dazu. Und der schien über die Woche nur noch schlimmer zu werden. Ich freute mich schon so auf das Wochenende. Und nur noch eine Trainingsstunde bei Don und die dumme Yoga Stunde trennten mich davon! Doch ich bezweifelte, dass ich das noch schaffen würde.
„Du bist zu spät!“
Das wusste ich auch. Aber ich hatte es einfach nicht geschafft mich von meinem bequemen Sofa aufzurappeln, nachdem ich erst einmal erschöpft darauf gefallen war.
„Tut mir Leid. Ich musste erst noch was mit einem der Lehrer klären, was ich nicht verstanden hatte und das hat etwas länger gedauert als ich dachte...“
„Achja? Seit wann kommen die Lehrer denn zu den Wohnungen der Schüler um ihnen den Stoff nochmal zu erklären?“
Shit!
„Wie kommst du denn dadrauf, dass ich das in meiner Wohnung geklärt habe?“, fragte ich unschuldig guckend, doch Diegos Gesichtsausdruck ließ mich schon erahnen, dass ich ein riesiges Problem hatte.
„Mir ist nur Rome begegnet, der mir erzählte du wärst jammernd die Treppen zu deiner Wohnung hochgelaufen, als er zu Jacky wollte. Und das war direkt nach dem Unterricht!“
„Jaa...ich bin erst zu meiner Wohnung und dann wieder zurück und..“
„Es wäre besser, wenn du jetzt endlich zugeben würdest, dass du einfach zu faul warst zum Training zu erscheinen und Zeit schinden wolltest!“
Ich ahne schlimmes...
„Ja okay. Aber ich bin wirklich fertig Don! Das ganze Training diese Woche...Das ist zu viel! Wenigstens für den Anfang! Gönn mir doch wenigstens eine kleine Eingewöhnungszeit! Ich hatte diese Woche ja kaum genug Zeit zum Essen!“
„Wenn du dich ein bisschen mehr anstrengen würdest, hättest du genug Zeit für Anderes! Du hast doch noch nicht mal alle Profile gemacht, die ich von dir wollte!“
„Wann sollte ich das denn noch machen?! Ich bin doch die ganze Zeit nur am trainieren, sitz im Unterricht, wo ich aufpassen soll und danach muss ich auch noch Hausaufgaben machen, die zufälligerweise auch nicht wenig sind! Und schlafen muss ich ja auch noch irgendwann! Verdammt ey! Ich geb mir doch schon richtig Mühe, das alles hinzubekommen, aber es geht einfach nicht! Ich bin doch kein Roboter!“
„Achja?! Aber irgendwie haben alle anderen vor dir das trotzdem alles auf die Reihe bekommen! Und die waren dabei auch noch eindeutig besser im Training als du und haben sich mehr angestrengt!“
Er schenkte mir noch einen drohenden Blick bevor er sich wütend umdrehte und die Turnhalle betrat.
Seufzend folgte ich ihm und erwartete schon das Schlimmste.
„Da du dich ja eben schon ausruhen konntest, können wir ja heute etwas länger trainieren. Lauf dich schonmal 15 Runden ein, während ich aufbaue. Und jetzt los!“
Na toll! Jetzt übertreibt er ja mal wirklich. Aber es ist jetzt wohl besser, wenn ich die Klappe halte...
Also lief ich mich warm. Wobei ich schon danach fast nicht mehr konnte. Doch Diego schien anders zu denken.
Er quälte mich erst mit einer viertel Stunde Dehnübungen, dann eine halbe Stunde Zirkeltraining. Ohne Pause. Doch selbst dann war er noch nicht fertig mit mir.
Wir gingen schweigend zur Kampfsporthalle, wobei die Blicke die Diego mir zuwarf, als ich über meine schmerzenden Muskeln beklagte, fast tödlich waren.
Dann folgten noch 10 Minuten Seilspringen, wobei er mich ständig anmeckerte ich solle schneller machen.
„Du bist viel zu langsam! Streng dich mal endlich an! Wir üben jetzt noch Kickboxen. Und wenn du dich nicht langsam mal steigerst, werden wir das Training in den nächsten Wochen noch mehr anziehen!“
„Kann ich nicht erst noch eine kurze Pause machen? Ich bin fertig, Don! Es tut mir ja Leid, dass ich zu spät war! Ich werds nicht nochmal tun! Aber jetzt hab doch mal Erbarmen mit mir! Ich kann einfach nicht mehr!“
„Wer jammert ist jämmerlich! Also halt jetzt die Klappe und streng dich an!“
Wie kann man nur so nachtragend sein?! Ich kann doch kaum noch gerade stehen, wie soll ich denn dann gegen Diego kämpfen?! Schon beim ersten mal hat er mich richtig fertig gemacht und da war ich ausgeruht.
„Wirds bald?!“
Stöhnend verband ich mir meine Hände mit Tape und stieg zu ihm in den Ring. Noch bevor ich damit rechnete griff er mich an. Ich konnte gerade noch ausweichen, doch er lies mir keine Zeit mich auf den nächsten Schlag vorzubereiten. So ging es immer weiter, bis er mich in die Ecke gedrängt hatte.
„Konzentrier dich! Mehr Körperspannung! Halt deine Deckung oben!“
Er ging zurück um mich wieder zu attackieren, als ich die Mitte erreicht hatte und das Spiel wiederholte sich.
Nachdem er mich dreimal in die Ecke gedrängt hatte schrie er mich richtig an, sodass mir der Kragen platzte und ich mich nicht mehr zurückhalten konnte.
„Boah weißte! Ich geb mir doch schon ne scheiß Mühe! Und du meckerst mich einfach nur ständig an! Wenn du so weiter machst kannst du dir unsere beschissene Abmachung in den Arsch stecken! Ich raste hier sonst noch aus!“
Damit griff ich ihn selbst an. Ich war so wütend! Überrascht wehrte er meine Angriffe ab und es schien eine Zeit lang, als hätte ich eine Chance gegen ihn. Kein Wunder, so wütend wie ich war! Ich sah ja schon Sternchen vor meinen Augen. Aber das war mir egal! Ich wollte ihm beweisen, dass ich nicht so ein Weichei bin, wie er immer sagt.
Ich hatte gerade einen guten Treffer gelandet als sich plötzlich alles drehte und ich den Boden unter den Füßen verlor. Dann wurde alles schwarz...
...
...
...
...
...
...
Als ich wieder aufwachte, fühlte ich mich wie von einem LKW überfahren. Ich öffnete langsam die Augen und erschreckte mich erst einmal tierisch.
„Verdammt Jacky, was suchst du so nah vor meinem Gesicht?!“, brummte ich kraftlos und schloss meine Augen wieder.
„Melina! Endlich! Ich hab mir solche Sorgen gemacht! Ich kam grade aus der Schwimmhalle als ich sah, wie du von Sanitätern zu einem Krankenwagen getragen wurdest! Ich hab sofort Diego ausgequetscht, was passiert ist und..“
„Hey...mach mal langsam! Sie ist gerade erst aufgewacht! Lass ihr erst einmal Zeit das alles zu verarbeiten. Geh lieber mal raus und sag David bescheid.“
Sie brummelte noch etwas wütendes und eine Tür wurde zugeknallt.
„Wie geht’s dir, Babe?“
Ich öffnete meine Augen wieder und traf auf einen besorgt blickenden Don.
„Ich fühl mich wie gerädert...Was ist passiert?“
„Du bist plötzlich zusammengebrochen. Verdammt Babe. Du hättest sagen sollen, dass es dir nicht gut geht!“
Ich lachte leise.
„Was meinst du denn, was ich die ganze Zeit versucht habe, dir mitzuteilen als ich sagte, dass ich ne Pause brauch?“
„Ich dachte du würdest einfach nur ein bisschen jammern, weil du Muskelkater hast. Tut mir ja Leid, aber du siehst einfach aus wie eine, die anfängt zu heulen, wenn ihr ein Nagel abbricht. Nicht dass du in Wirkichkeit so tussig bist. Aber ich hatte schlechte Laune und dachte du würdest dich nur anstellen.“
„Ja. Das denken alle Männer von mir. Und ich hasse es! Nur weil ich gerne kurze Röcke und auch mal weit ausgeschnittene Sachen anzieh anstatt wie ein Kerl rumzulaufen..“
Er lachte nur dunkel, als die Tür wieder geöffnet wurde und ein Arzt hereinkam.
„Guten Tag Senora Fernandez! Wie geht es Ihnen?“
„Mir tut alles weh und ich fühle mich ziemlich schlapp..“
„Das ist ja auch kein Wunder. Sie haben sich in letzter Zeit ziemlich überanstrengt und das war ihrem Körper schließlich zu viel. Aber sie hatten Glück und werden keine weiteren Schäden davontragen. Allerdings rate ich ihnen in nächster Zeit erst langsam wieder anzufangen. Sie sind immernoch sehr schwach. Ich habe das alles auch schon ihrem Trainer erzählt und er wird ein Auge darauf haben, dass sie sich nicht mehr so überanstrengen. Sie sollten auch mehr auf ihre Ernährung achten. Laut Ihren Akten haben sie in der letzten Woche 5 Kilo abgenommen! Das ist eindeutig zu viel!“
Danach verabschiedete er sich freundlich und ich durfte endlich aufstehen. Doch zum Glück stand Diego in meiner Nähe, denn mir klappten sofort meine Knie unterm Körper weg.
„Ich glaube es ist besser, wenn du erst mal hier sitzen bleibst und ich dir einen Rollstuhl bis zum Auto organisier.“
Er rief David und Jacky, dass sie auf mich aufpassen sollten und verschwand – meine starken Proteste ignorierend.
„Ich brauch keinen Rollstuhl! Und jetzt lass mich gefälligst wieder aufstehen, David!“
Doch es half alles nichts.
Ich wurde erbarmungslos in den Stuhl gedrückt und sogar von Don ins Auto gehoben. Als ich dort auf die Uhr sah bekam ich einen Schrecken.
„Ich war ganze 2 Stunden bewusstlos?!“
„Ja. Es ist also kein Wunder, dass du nicht stehen kannst. Ich nehm dich auch mit zu mir. Alleine in der Wohnung lassen kann ich dich ja schlecht.“
Nein!!!
„Das geht gleich sicher wieder. Ich schaff das schon! Du brauchst mich nicht mit zu dir nehmen!“
Wieder dieses Lachen.
„Keine Angst, Babe. Ich kümmer mich gerne um dich.“
Bei dem Gesichtsausdruck, den er grad hat, glaub ich ihm das sofort. Ich bezweifel nur, dass ich dort die Ruhe und Schonung bekomme, die der Arzt mir verschrieben hatte. Obwohl ich das Bett wahrscheinlich nicht verlassen werde, wenn es nach Don ginge...
Als wir in die Tiefgarage fuhren versuchte ich erneut aufzustehen, doch mir wurde sofort schwindelig und ich sah tausende kleiner Sternchen vor meinen Augen herummschwirren. Erneut umfingen zwei starke Arme mich und hoben mich hoch.
„Ich hasse es, getragen zu werden! Lass mich runter!“
Ignoranter Macho!
Erst als wir seine Wohnung erreicht hatten, legte er mich auf seine Couch.
„Du bewegst dich jetzt nicht vom Fleck! Ich muss noch schnell runter, was mit Rome klären. Und wehe du versuchst aufzustehen!“
Damit ging er wieder. Doch ich ließ mich nicht einfach so von jedem dahergelaufenen Kerl herumkommandieren. Ich setzte mich langsam auf und beim dritten Versuch, schaffte ich es endlich mich auf den Beinen zu halten.
Wackelig ging ich Richtung Küche und lehnte mich dort erschöpft an die Spüle. Dass so ein kurzer Weg so anstrengend sein kann...
Ich hatte gerade mein Glas leer getrunken, als ich plötzlich von hinten hochgehoben wurde.
„Babe..Hatte ich nicht gesagt, du sollst liegen bleiben?!“
„Ich hatte durst und du hast nur gesagt ich soll nicht VERSUCHEN aufzustehen. Es hat aber geklappt, also zählt das nicht als Versuch!“
Ohne einen weiteren Kommentar wurde ich ins Schlafzimmer getragen und dort vorsichtig auf das Bett geschmissen.
Ich drehte mich gerade noch um als Don schon auf mir lag und meine Arme über unseren Köpfen festhielt.
„Du kannst so stur sein. Aber irgendwie steh ich drauf...“
Damit senkte er ganz langsam seinen Kopf und küsste mich. Vorsichtig. Ohne Zunge. Als ob er Angst hätte, ich könnte erneut ohnmächtig werden. Dafür gefiel es mir aber viel zu gut. Und schon bald änderte sich unser Kuss. Wurde fordernder. Leidenschaftlicher.
„Wenn du noch einmal vor meinen Augen umkippst, dann kette ich dich an mein Bett und lass dich nie wieder raus!“
Verlockende Vorstellung.
Er rollte sich von mir runter und zog mir langsam meine Trainingsklamotten aus, die ich immernoch anhatte. Nur noch mit Boxershorts bekleidet legte er sich dann neben mich und zog mich halb auf sich um mich erneut zu küssen. Doch lange konnte ich mich nicht oben halten, sodass er schließlich überall das Licht ausschaltete und ich es mir gemütlich machte.
Noch bevor er wieder zurück kam, war ich eingeschlafen.
Ich schlief bis Mittag und als ich aufwachte lag ich alleine im Bett. Doch im Wohnzimmer telefonierte jemand.
Langsam stand ich auf und zog mir ein schwarzes Hemd von Don über. Mir ging es schon viel besser als gestern und auch meine Muskeln taten kaum noch weh.
Es war Rome, der telefonierte, doch als er mich bemerkte legte er sofort auf.
„Hey. Wie geht es dir? Du hast uns allen gestern einen ziemlichen Schrecken eingejagt. Vorallem Jacky war kurz vorm Durchdrehen!“
„Ich weiß. War ja auch nicht geplant gewesen. Mir geht es aber auch wieder gut...Wo ist Don?“
„Der musste weg, sich um einen Auftrag kümmern. Aber er kommt sicherlich bald wieder. Wenn du Hunger hast, in der Küche steht dein Frühstück. Aber du kannst auch auf Diego warten, wenn du direkt was warmes essen willst.“
Ich entschied mich zu warten und nur ein paar Erdbeeren zu essen. Gerade als ich sie fertig hatte hörte ich, wie die Tür aufging. Nach einem kurzen Gespräch betrat jemand die Küche wo er irgendetwas vor sich hin knurrte.
„So früh am Tag schon motzig?“
Plötzlich wurde mein Hocker umgedreht und ein finster blickender Don drängte sich zwischen meine Beine und umfasste meine Hüfte.
„Wenn du vor anderen Kerlen so rumläufst ist das doch kein Wunder!“
Damit zog er mich noch näher an sich und küsste mich fordernd.
Da war wohl jemand ziemlich eifersüchtig. Dass er eigentlich keinen Anspruch auf mich hatte verzieh ich ihm. Sein Küsse waren Entschuldigung genug. Es schien, als ob er noch besser geworden war, seit dem letzten Wochenende.
Ich bekam kaum mit, als er meine Beine um sich schlang und hoch hob. Erst als er mich auf das Regal im Badezimmer setzte schaute ich ihn fragend an.
„Du willst sicherlich mal Duschen...“
„Jaa...aber das mach ich alleine!“, entgegnete ich als er anfing mir das Hemd aufzuknöpfen.
„Ich pass lieber auf, dass du nicht noch mal umkippst..“
Meinen Protest erstickte er schon im Keim, indem er mich küsste und ich alles andere ausblendete.
Wegen ihm war ich immerhin umgekippt. Da reichte eine einfache Entschuldigung nicht aus. Und außerdem war es ja nur noch dieses eine Mal...
Es war inzwischen Samstag Abend und ich hockte seit geraumer Zeit auf Dons Couch vor dem Fernseher. Alleine. Don musste schon wieder weg und hatte mir befohlen, mich nicht aus der Wohnung zu bewegen. Ich wollte auch längst schon gegangen und zu meiner eigenen Wohnung gefahren sein, doch er schien das geahnt zu haben. Denn zwei Schränke von Männern standen vor der Wohnungstür und ließen mich nicht vorbei. Sie hatten sogar die Erlaubnis mich mit Handschellen irgendwo fest zu machen, sollte ich zu anstrengend werden.
Dieser verfickte Idiot! Wenn der endlich mal seinen Arsch wieder hierhin schwingt dann tret ich ihm in die Eier, dass der mich in den nächsten Wochen nicht mehr flachlegen kann, wenn ich es nicht will!
Und im Fernsehen kam noch nicht mal etwas Gutes, sodass meine Agressionen immer größer wurden.
Es war kurz nach Acht - dieses Arschloch hat mich ganze FÜNF Stunden hier eingesperrt! - , als ich endlich die Wohnungstür hörte und Don im Wohnzimmer erschien. Er trug schwarze, eng anliegende Klamotten, sodass ich kurz vergaß, wie sauer ich war – zu seinem Pech fiel es mir sehr schnell wieder ein.
„Du dummes Arschgesicht! Was sollte denn die Nummer mit den zwei Idioten vor der Tür?! Die wollten mich mit Handschellen ans Bett fesseln, damit ich endlich Ruhe geb! Du hast mir gar nichts zu sagen! Ich bin nicht deine Freundin! Und wie haben Wochenende! Das heißt du hast mir auch nichts als mein Chef oder mein Trainer zu sagen! Und jetzt lass mich gefälligst hier raus!“
Ich war während meiner Schrei-Attacke aufgesprungen, doch das alles schien in nicht zu stören. Er stellte in aller Seelenruhe die Tüte, die er im Arm hatte, auf eine Kommode und zog sich die Jacke aus.
„Hör gefälligst auf mich zu ignorieren!“
Das schien zu wirken. Denn er zog mich so plötzlich zu sich, dass ich erst wusste, was er da machte, als seine Lippen schon auf meinen lagen und er meine Zunge zu einem Spiel herausforderte. Wenn auch nur kurz.
„Ich hab uns Abendessen mitgebracht. Ich hoffe du magst Hähnchen.“
Er drehte sich um und ging Richtung Küche, wo ich ihm fassungslos dabei zusah, wie er das Essen auspackte. Ich wollte ihn gerade weiter anschreien, als er selbst anfing zu reden.
„Ich bin zwar nicht dein Freund, aber ich soll aufpassen, dass du dich nicht überanstrengst. Und wie ich dich einschätze, würdest du morgen früh direkt wieder laufen gehen, wenn du bei dir schlafen würdest. Deswegen bleibst du hier. Ob du willst oder nicht.“
Er hatte das Essen auf zwei Teller verteilt und holte noch eine Weinflasche aus der Tüte.
„Ich hoffe du magst Wein. Den gab's gratis dazu.“
Damit trug er die Teller ins Wohnzimmer und schaltete auf ein Fußballspiel um. Barcelona – meine Lieblingsmannschaft - gegen Real Madrid. Das lenkte mich von der Tatsache ab, dass ich eigentlich stink sauer auf ihn war. Also setzte ich mich einfach neben ihn und ließ mir Wein einschenken.
Neunzig Minuten und eine Flasche Wein später waren wir beide satt und ich ziemlich angetrunken, jedoch zufrieden. Barcelona hatte 3:0 gewonnen!!!
Ich lehnte mich seufzend zurück und betrachtete Don von der Seite. Er hatte sein Hemd oben leicht geöffnet, sodass man seine Muskeln sehen konnte, und es in die etwas tiefer sitzende Jeans gesteckt. Ich mochte diese Hose. Sie betonte seinen geilen Hintern! Aber auch sonst sah er ziemlich heiß aus, wie er da völlig entspannt saß und seinen Wein trank.
„Wenn ich so heiß bin, warum willst du denn dann nie mit mir schlafen?“
Ich bin so dumm! Ich hätte keinen Wein trinken sollen...
„Du weißt genau warum. Du bist mein Chef und mein Trainer!“
Er drehte sich etwas mehr zu mir.
„Du hast mir eben noch gesagt, dass heute Wochenende ist und ich dir deswegen als Chef und als Trainer nichts zu sagen habe.“
Dabei packte er mich an der Hüfte und hob mich auf seinen Schoß. Die Tatsache, dass ich immer noch nur sein Hemd und ein paar seiner geilen Seiden Boxershorts an hatte schien ihm sehr zu gefallen. Denn er ließ direkt seine Hände darunter verschwinden.
„Du hast mir nichts zu sagen. Aber du bist es trotzdem!“
Während ich das sagte erkundete ich seinen Hals mit meiner Zunge und freute mich innerlich wie ein kleines Kind, als ich ihm eine Gänsehaut verpasste.
„Na warte...“
Danach sprachen wir für eine lange Zeit nichts mehr.
Am nächsten Morgen hatte ich einen Kater. Ich hätte wirklich keinen Wein trinken sollen! Bei mir reichten schon zwei Gläser völlig aus.
Ich war sogar noch vor Don wach und ging leise in die Küche, um mir etwas zu essen zu machen. Um neun kam dann auch Don und begrüßte mich mit einem ziemlich heißen und verlangendem Kuss, gegen den ich mich nicht wehren konnte. Er sah einfach zu geil aus, nur in Boxershorts – aus Seide!
Nachdem wir geduscht hatten – ich werde mir so schnell wie möglich einen Keuschheitsgürtel kaufen!!! - fuhren Don mich zu meiner Wohnung, nicht ohne die Drohung, dass er mich erneut einsperren würde, wenn ich mich heute auch nur irgendwie anstrengen würde. Dass er mich ständig flachlegte, schien nicht als Anstrengung zu zählen.
Also machte ich mir erst einmal einen Tee und setzte mich dann an die Hausaufgaben, die ich noch erledigen musste. Schließlich besuchte ich noch Jacky und David und wir machten uns einen entspannten Abend mit DVDs und Pizza.
Am nächsten Tag fing dann wieder die Schule an und ich war erstaunt, dass Don mir erlaubte wieder zu trainieren. Er hatte das morgendliche Schwimmen gekürzt und die Trainingsstunde in meiner Mittagspause auf das Nachmittagstraining verlegt. So war es doch eindeutig humaner. Obwohl ich merkte, dass ich immernoch nicht richtig fit war. Im Unterricht bekam ich noch ein paar dumme Bemerkungen von Max zu hören, worauf seine Barbie nur doof lachte, doch glücklicherweise hatte der Lehrer das mitbekommen und sie waren den Rest des Tages ruhig.
Mit diesem neuen Tagesablauf schaffte ich auch alle meine Aufgaben wieder gut zu erledigen und Don lobte mich sogar einmal im Training. Von ihm hielt ich mich jedoch noch etwas fern. Ich hatte keine Lust die Sache mit dem Keuschheitsgürtel wirklich durchziehen zu müssen.
Ein Monat war inzwischen schon vergangen und der Herbst hatte brachte einen kühlen Wind mit sich. Doch trotz des September Wetters, war es noch angenehm warm.
Ich kam gut zurecht und die erste Klausurphase hatte ich auch schon hinter mir und alles bestanden. Jetzt war die Probephase zu Ende und ich musste mich noch ein bisschen mehr anstrengen.
Doch so schlimm wie in der zweiten Schulwoche, ist es mit Abstand nicht. Ich hatte zwar inzwischen wieder den alten Trainingsplan, doch ich war trainierter und es strengte mich nicht mehr so sehr an.
Ich hatte gerade meinen Audi in Don's Tiefgarage geparkt, als auch schon die Aufzugstüren aufgingen und ein paar Mitarbeiter heraustraten. Sie waren alle ganz in schwarz gekleidet und ihre Waffengürtel waren gefüllt, bereit ihren Auftrag auszuführen. Freundlich nickten sie mir zu – ich hatte bereits vorher festgestellt, dass niemand von ihnen sehr gesprächig war – und ich fuhr in die Kommandozentrale hoch.
Dort stieß ich direkt mit jemandem zusammen und wäre fast umgefallen, hätte der Muskelberg mich nicht festgehalten. Ich erwartete schon fast, dass es Don war, doch ich irrte mich.
„Pass auf Kleine. Wäre doch schade, wenn dir etwas passiert..“
Damit ließ mich der komische Kerl stehen und verließ den Raum über das Treppenhaus. Ich hatte keine Ahnung wer das gewesen ist. Einer von Diego's Männern war es auf keinen Fall. Doch irgendwie kam er mir trotzdem bekannt vor.
Verwirrt starrte ich ihm hinterher, doch ich kam einfach nicht darauf.
Also brachte ich die Ordner weg um mich dann nach Don umzusehen. Ich fand ihn schließlich vor den Bildschirmen, wo er telefonierte. Doch er hatte mich schnell bemerkt und winkte mich zu sich.
„Hey Babe. Gut, dass du kommst. Ich hab Arbeit für dich. Ich brauche noch etwas Hilfe bei einer unserer Zielpersonen.“
Überrascht schaute ich ihn an.
„Du brauchst meine Hilfe? Warum nimmst du dir nicht einen von deinen Muskelpaketen hier mit?“
Nicht dass ich ihm nicht helfen wollte, es wunderte mich nur, da er bis jetzt noch nie meine Hilfe angefordert hatte.
„Würde ich ja machen, aber keinem von den Jungs hier steht ein kurzes, tief ausgeschnittenes Kleid und ich fürchte sie können auch alle nicht mit Absätzen laufen.“
„Das heißt du brauchst einen Lockvogel.“
„Ja...aber stell dir das nicht zu einfach vor. Der Kerl ist gefährlich. Vorallem für junge Frauen in kurzen Kleidern.“
„Machst du dir etwa Sorgen um mich?“
Als Antwort bekam ich nur ein angedeutetes Grinsen und einen Wink ihm zu folgen.
Er fuhr mich in seinem Porsche zu meiner Wohnung, wo er mir ein schwarzes Kleid mit Pailetten gab. Es war eng anliegend, kurz und hatte einen runden Ausschnitt.
( http://www.knw-versand.com/images/4281%20-%201q.jpg )
Zusammen mit einem Push-Up und schwarzen Highheels sah es einfach perfekt aus.
Geschminkt und mit leichten Locken trat ich zufrieden aus meinem Schlafzimmer und schaute Diego fragend an, der auf meiner Couch saß. Doch anstatt etwas zu sagen stand er wortlos auf und ging Richtung Tür.
„Seh ich etwa so scheiße aus, dass du noch nicht mal zu 'nem Kommentar fähig bist?!“
Anscheinend nicht. Denn ehe ich es realisiert hatte, wurde ich schon an die Wand gedrückt und mit einem wilden Zungnkuss abgelenkt, während seine Hände sich in mein Hinterteil krallten. Seufzend vergrub ich meine Hände in seinen Haaren. Das Kleid schien ich wohl sogar sehr gut zu gefallen.
Doch so schnell der Kuss gekommen war, so schnell hörte er auch auf.
„Wir müssen los.“
Damit ließ er mich stehen und verschwand leicht grinsend Richtung Treppenhaus.
Eine viertel Stunde später hielten wir vor einer kleinen Bar an. Es war inzwischen schon fast dunkel und Don kramte eine Kette mit einem großen blauen Stein heraus, der von einer silbernen Fassung umgeben war und ziemlich edel aussah.
„Da ist ein Mikro drin. Falls es Probleme gibt, bekommen wir das also direkt mit und helfen dir. Hier ist ein Foto von ihm. Er heißt Cristiano Almeida. Du musst ihn einfach aus der Bar in eine der Hintergassen locken, aber unterschätz ihn nicht! Der Kerl ist gefährlich!“
„Ich kann mich aber auch ganz gut wehren.“
Lachend stieg ich aus, wobei ich Don's Hand geschickt auswich, womit er mich wieder zurück ziehen wollte. Ich rückte mein Kleid zurecht und betrat die Bar.
Sofort überkam mich der Gestank von Alkohol, Zigaretten und Männerschweiß und meine Augen brauchten etwas, bis sie sich an das schummrige Licht gewöhnt hatten. Die Bar bestand aus einer Theke, zwei Billardtischen und einigen kleinen Tischen und schien nur männliche Besucher zu haben. Kein Wunder also, dass ich angestarrt wurde wie ein 10 Gänge Menu.
Ich winkte ihnen leicht grinsend zu und ging Richtung Theke, wo ich einen Mann fand der auf Don's Beschreibung passte. Er war relativ groß, muskelbepackt und hatte die hellbraunen Haare schmierig nach hinten gegeelt. Ich zwinkerte ihm zu, worauf er mich mit eine Zahnlücke beglückte und ich mir sicher war, dass er der Richtige war.
„Hey Püppchen. Was treibt dich hier her?“
„Ich bin auf der Suche nach etwas Spaß und war die spießigen Clubs in der Stadt einfach satt. Ich hatte gehofft, dass es hier lustiger ist.“
Dabei klimperte ich mit den Wimpern und spielte an meinen Haaren herum, während mein Gegenüber sich dreckig grinsend zum Barmann umdrehte und eine Flasche Tequila bestellte.
Ich setzte mich auf den Hocker neben ihn und stieß mit ihm an, wobei seine Hand auch schon direkt auf meinem Bein landete und während den nächsten 4 Gläsern immer höher wanderte.
Mein Gott, wenn der so weiter macht, dann häng ich gleich besoffen in der Ecke und nicht der, so wie ich es geplant hatte.
Deswegen musste Glas 6 dran glauben und landete „versehentlich“ auf seinem Schoß, wo ich es natürlich direkt mit einer Serviette wegwischen musste.
„Das tut mir ja so Leid, Cris. Ich bin so ungeschickt. Sonst trinke ich auch nicht so viel. Ich sollte jetzt besser aufhören und nach Hause gehen.“
„Nein Nein. Das macht doch nichts. Ist doch halb so wild.“
Ich rieb noch ein paar Mal über seine Hose, wobei ich meinen Würgreiz zurückhalten musste und Almeida nur selig grinste.
„Geht es so? Gott, das ist mir jetzt peinlich. Ich gehe jetzt lieber, bevor ich noch was schlimmeres anstelle. Obwohl ich nicht weiß, wie ich den ganzen Weg nach Hause schaffen soll. Vorallem so alleine im Dunkeln..“
„Ich kann dich ja auch noch begleiten. Die Kerle in dieser Gegend können schlimme Dinge mit Frauen wie dir anstellen..“
„Ja, aber du scheinst ja nicht zu ihnen gehören.“, schmachtete ich und stellte mir innerlich vor, wie ich diesem Drecksack draußen richtig in die Eier treten würde. Denn dass er zu diesen Kerlen gehörte war ihm deutlich anzusehen.
Wahrscheinlich stellt er sich gerade vor, was er gleich mit mir machen will – so wie der gerade grinst.
Ich stieg von meinem Hocker und schwankte erst ein wenig, doch sofort landete eine Hand auf meinem Hintern.
„Damit du nicht umfällst..“
Arschloch!
Er führte mich durch eine Hintertür nach draußen und dann die dunkle Gasse entlang.
„Warum gehen wir denn durch die Hintertür?“
Ich musste Don ja irgendwie mitteilen, dass er nicht vorne auf mich warten soll. Denn im Dunkeln sah Cristiano ziemlich gefährlich aus.
„Ich hab weiter hinten in einer Gasse mein Auto geparkt, dann fahr ich dich heim.“
Damit zog er mich immer weiter durch dunkle Gassen und ich fragte mich, wann Don endlich kommen wollte. Da wurde ich plötzlich an eine Wand geschleudert und von einem Körper dagegen gedrückt.
„Du willst doch mal so richtig Spaß haben, Püppchen. Den bekommst du jetzt auch.“
Er küsste meinen Nacken und ich versuchte ihn wegzudrücken, doch er donnerte meine Arme gegen die Mauer und hielt sie dort gefangen.
„Was wehrst du dich denn? Ich dachte genau das willst du.“
Wütend schaffte ich es ihm mein Knie in die Weichteile zu hauen und wollte weg rennen, doch der Tequila machte sich bemerkbar, sodass ich erneut gegen eine Wand torkelte und dort von einem rasenden Almeida festgehalten wurde.
„Du dreckige Schlampe. Das wird dir noch Leid tun!“
Er schlug mir seine Faust in den Magen und riss mich an den Haaren zurück, sodass mein Kopf gegen die Mauer knallte und sich alles drehte. Gerade schob sich eine Hand grob unter mein Kleid, als er weggezogen wurde und ich von zwei anderen Armen umgeben was.
Ich versuchte mich zu befreien, da hörte ich Don von irgendwo rufen, ich wäre in Sicherheit. Ich glaubte ihm und ließ mich wegtragen.
Als meine Umgebung endlich aufgehört hatte sich zu drehen, erkannte ich Felino, der mich gerade in ein Auto setzte.
„Danke. Mir geht’s wieder besser. Habt ihr den Mistkerl?“
„Ja haben wir. Und mit dir muss ich jetzt mal ein ernstes Wörtchen reden!“, kam es von Don, der aus dem Dunkeln wieder auftauchte und mich böse ansah.
„Ich hab dir gesagt, dass du Almeida nicht unterschätzen darfst! Aber was machst du?! Lässt dich erst mal von ihm abfüllen, bevor du ihm in eine dunkle Hintergasse folgst, wo wir nicht direkt auf euch gewartet haben!“
Er kam immer näher und stand schließlich bedrohlich vor mir. Doch dank dem Alkohol, war mir das egal und ich küsste ihn einfach. Schwarz stand ihm einfach zu gut! Nur dumm, dass er das fast immer trug.
Nach kurzem Zögern erwiderte er endlich meinen Kuss und ich schlang meine Beine um ihn.
„Wie wärs, wenn du mich jetzt zu dir bringst? Nach Hause fahren kann ich ja nicht mehr und so langsam wird mir kalt.“
Er grinste anzüglich.
„Ich weiß etwas, wobei dir wieder warm wird.“
Als ich Sonntags endlich zu Hause war – Don hatte mich mal wieder überreden können noch einen Tag länger zu bleiben – wurde es schon fast dunkel. Also klingelte ich schnell bei Jacky, damit wir die Hausaufgaben zusammen machen konnten. So ging es nämlich deutlich schneller. Nebenbei kam ich auch nicht daran vorbei, ihr von meinem Wochenende zu berichten und sie schien sehr begeistert davon zu sein, dass ich bei – oder mit? - Diego geschlafen hatte.
„Weißt du...ich muss dir was erzählen...“, fing sie dann stockend an und hatte damit sofort meine gesamte Aufmerksamkeit. Es kam nicht oft vor, dass Jacky etwas peinlich war, doch genau das schien gerade der Fall zu sein. Sie druckste eine Weile herum und spuckte es dann förmlich aus.
„Ich bin mit Rome zusammen.“
Wow.
„Echt?! Das...Das ist echt cool! Ich freu mich für euch. Seit wann das denn? Ich dachte das wäre eine einmalige Sache zwischen euch gewesen. Ihr seid so normal miteinander umgegangen.“
Sie lachte.
„Im Gegensatz zu dir und Don, nicht wahr? Das war auch eigentlich so geplant, aber wir haben uns so gut beim Training verstanden und dann hat er mich irgendwann zum Essen eingeladen und naja...irgendwie haben wir dann immer mehr miteinander gemacht und seit Freitag sind wir jetzt zusammen.“
Sie schien sehr glücklich darüber zu sein, sodass ich sie erst einmal drücken musste.
„Deswegen hast du auch so oft angerufen! Tut mir Leid, dass ich nicht sofort geantwortet habe.“
„Ich weiß...du hattest ja auch viel zu tun.“, sagte sie und wackelte dabei vielsagend mit den Augenbrauen.
Wir redeten noch lange, sodass es kein Wunder war, dass ich beim morgendlichen Joggen nicht sehr fit war und sogar fast von einem schwarzen Kleinbus überfahren wurde.
„Babe, wenn du jedesmal so schlecht im Training bist, nachdem du das Wochenende bei mir verbracht hast, müssen wir das in Zukunft wohl sein lassen. Sonst lässt du dich wahrscheinlich beim nächsten Mal wirklich überfahren.“
„Man ey. Ich hatte doch nur kurz die Augen zu und bin nach links auf die Straße geschwankt. Aber anscheinend hatte das auch seine Vorteile, wenn du jetzt endlich einsiehst, dass das mit uns nicht gut ist.“
Abrupt blieb er stehen und ich lief genau in ihn herein, doch er hielt mich fest und schaute mir tief in die Augen.
„Gestern hatte ich aber nicht den Eindruck, dass du es nicht gut fandest, was ich mit dir gemacht habe. Und außerdem habe ich nie gesagt, dass ich die Finger von dir lasse. Ich würde dich nur ein bisschen früher gehen lassen, damit du dich ausruhen kannst.“
„Lass mich einfach direkt wieder gehen, ohne mich tagelang in deine Wohnung einzusperren.“
Er lachte rau und seine Hände wanderten etwas tiefer.
„Ich kann mich nicht daran erinnern dir dieses Wochenende verboten zu haben zu gehen. Ich hab dich doch noch nicht 'mal aufgefordert mit zu mir zu kommen. Das hast du dir selbst zuzuschreiben.“
„Ich war betrunken! Und danach hast du mich einfach so weit kommen lassen, dass ich mich fertig anziehen konnte! Du hast immer wieder...“
„Das hier gemacht..“
Er küsste mich und erstickte meine aufgekommene Wut somit restlos.
„Siehst du, du machst es schon wieder..“, bekam ich zwischen zwei Küssen noch heraus, doch seine Antwort bestand nur aus einem kurzen Grinsen bevor er mich gegen einen Baum drückte und mit seiner Zunge Einlass forderte.
Keuchend rannte ich die Stufen zum Vorlesungsraum hinauf. Ich war verdammt noch Mal zu spät und allein Don war Schuld daran! Endlich erreichte ich die Tür und musste erleichtert feststellen, dass der Unterricht noch nicht angefangen hatte. Einzig einen bösen Blick meines Lehrers und den Kommentar, was denn mein Trainer von Unpünktlichkeit halten würde, musste ich über mich ergehen lassen, bevor ich mich endlich setzen konnte.
Ich hatte noch nicht einmal Zeit Jacky und David von meinem „Training“ zu berichten, da ich mir dabei sofort eine Mahnung einhandelte und deswegen lieber schwieg.
„Endlich Mittagspause! Das war so langweilig heute Morgen! Ich glaub ich muss mich erst mal hinlegen, bevor ich trainieren gehe.“, gähnte David drei Stunden später erschöpft und er sah so aus, als ob er fast im Gehen einschlafen würde.
„Du bist ja auch selbst dran Schuld, wenn du die halbe Nacht irgendeine Tussi vögelst anstatt zu schlafen.“, war der einzige Kommentar, den er von Jacky erhielt.
„Ach, wenn ich das mach, ist es schlimm, aber ihr dürft das oder wie?!“
Darauf zogen wir nur lachend weiter und trennten uns schließlich beim Ausgang. David und ich gingen Richtung Wohnhäuser, während Jacky noch etwas essen gehen wollte.
Schließlich bog auch David ab und ich hörte den Rest des Weges noch etwas Musik. Ich musste noch dringend einkaufen gehen, da in meinem Kühlschrank gähnende Leere herrschte, weswegen ich einfach direkt in die Tiefgarage abbog.
Leise sang ich das Lied mit, als mir ein schwarzer Kleinbus auffiel, der nicht weit von meinem Auto parkte. Es schien der gleiche zu sein, der mich am Morgen fast überfahren hatte.
Komisch. Den hab ich vorher noch nie hier gesehen. Warum parkt der dann hier?!
Ich ging weiter und hatte gerade beschlossen, dass es sicherlich Besucher von einem Schüler waren, als die Tür aufging und der Kerl ausstieg, den ich bei Don's Firma umgerannt hatte.
Er kam langsam auf mich zu und versperrte mir schließlich den Weg, worauf ich ihn nur herausfordernd ansah. Mir war immernoch nicht eingefallen, warum er mir so bekannt vorkam. Und Don hatte ich auch nicht gefragt.
Doch bevor ich ihn selbst fragen konnte spürte ich einen stechenden Schmerz am Kopf und mir wurde schwarz vor Augen.
Als ich wieder zu mir kam, war alles dunkel um mich herum und mein Kopf dröhnte. Ich wollte testen, ob ich verletzt war, doch ich konnte nicht. Anscheinend hatte der Kerl mich mit Kabelbinder gefesselt, während ich bewusstlos war, und wie es sich anhörte, in einen Kofferraum gesteckt.
Blind suchte ich nach etwas Scharfem, womit ich mich befreien konnte, doch außer mir schien nichts in diesem Kofferraum zu sein. Auch an mein Messer im Gürtel kam ich nicht heran und mein Handy war aus meiner Hosentasche verschwunden.
Fuck! Ich stecke ziemlich in der Scheiße! Was auch immer der Kerl von mir will, es kann nichts Gutes sein, wenn er mich deswegen schon entführt.
So grübelte ich weiter und erst nach einer gefühlten Ewigkeit hielt das Auto endlich an. Ich hörte eine Tür und schloss die Augen. Es hatte sicher Vorteile, wenn er dachte ich wäre immernoch bewusstlos.
Gedämpft drangen zwei Männerstimmen an mein Ohr und kurz darauf wurde der Deckel auch schon geöffnet. Da ich mich nicht regte, hob mich jemand hoch und nach einigen Metern wagte ich, meine Augen ein bisschen zu öffnen um zu sehen, wo ich war. Doch das einzige, was ich erkannte, war eine dunkle Halle. Aber ich sah keine anderen Personen sodass ich einen Fluchtversuch wagen musste.
Ich rollte mich aus den lockeren Händen meines Entführers und rannte los. Wohin wusste ich nicht. Hauptsache weg. Schwach konnte ich eine Tür erkennen. Meine einzige Hoffnung. Ich lief auf sie zu und hörte dicht hinter mir meinen Verfolger. Endlich hatte ich sie erreicht!
Ich riss sie auf und knallte ungebremst gegen eine Mauer. Ich wurde mit solcher Wucht zurück geworfen, dass ich auf dem Boden landete und eine Weile brauchte um wieder klar denken zu können.
Langsam blickte ich nach vorne und entdeckte, dass es doch keine Mauer gewesen war, gegen die ich gerannt bin. Vor mir ragten nämlich zwei lange Beine empor. Doch als mein Blick höher wanderte und ich erkannte gegen wen ich da gelaufen war, gefror mir das Blut in den Adern.
Jetzt wusste ich auch, woher ich meinen Entführer kannte. Es war Lorenz Michaels. Einer der besten „Personenfinder“, die für jeden arbeiteten. Er hatte Beziehungen in alle Länder und war deswegen besonders erfolgreich bei einer verschwundenen Person. Kein Wunder also, dass er Freitag bei Don in der Firma war und er mir bekannt vor kam. Doch dass er mich erkennen würde, hätte ich nie gedacht. Und vorallem nicht, wer sein Auftraggeber war, der mich gerade wie ein Tiger seine Beute ansah und böse grinste.
„Schön, dich endlich wieder zu sehen, Honey.“
Ich konnte es immer noch nicht fassen und saß wie versteinert auf dem Boden herum, bis ich plötzlich von hinten gepackt und hoch gerissen wurde. Dort Laurent wurde sofort von meinem Gegenüber angefahren, mich gefälligst loszulassen. Zu meiner Überraschung tat er es sogar, obwohl ich ihn als arroganten, selbstsicheren Macho kennen gelernt hatte. Aber anscheinend hatte er Respekt vor seinem Auftraggeber, der wahrscheinlich auch einer der wenigen war, die nicht von ihm übers Ohr gehauen wurden. Ich konnte es ihm allerdings nicht verdenken, sich an dessen Worte zu halten. Das konnte sonst böse Folgen haben, die ich bald sicherlich alle kennen lernen würde.
„Wir haben das mit der Bezahlung geklärt, jetzt lass uns allein!“
„Aber wenn sie jetzt abhaut ist das nicht mein Problem.“
„Sie wird nicht weglaufen. Nicht noch einmal. Nicht wahr, Honey?!“
Zögerlich wurde ich losgelassen, doch ich nutzte die Chance nicht. Denn in Wirklichkeit war es gar keine. Das Gebäude war sicherlich voll von Leuten, die mich alle fassen würden, sollte ich versuchen wegzulaufen.
„Du scheinst doch nicht ganz vergessen zu haben, wo du eigentlich hin gehörst.“
So langsam hatte ich den Schock überwunden und konterte direkt: „Ich weiß genau wo ich hin gehöre. Nämlich nicht zu dir! Was meinst du, warum ich dich verlassen habe!“
Wütend kam er näher doch ich wich zurück, bis ich an ein Auto knallte.
„Du gehörst mir! Und das weißt du auch! Du hast mein Tattoo auf deinem Rücken!“
Er war so nah gekommen, dass kaum ein Blatt zwischen uns passen würde, doch ich ließ mich nicht so leicht einschüchtern. Meine Strafe würde so oder so kommen.
„Das ist doch alles Kinderscheiße! Wach endlich mal auf aus deiner komischen Welt! Denn in der Normalen, hat das Tattoo auf meinem Rücken gar nichts zu sagen! Und gehören tue ich nur mir selbst!“
Ich schubste ihn weg, doch er war sofort wieder da und verpasste mir eine saftige Ohrfeige.
„Du Schwein! Du hast dich nicht verändert! Ich lass mich nicht wieder von dir schlagen und herum kommandieren!“
Er packte mich bei den Haaren und zog sie nach unten, bis mein Hals frei lag.
„Entweder du gehörst mir oder Niemandem! Erst recht nicht so einem verdammten Kopfgeldjäger aus Spanien! Er war es, der dir geholfen hat deinen Tod zu inszenieren und aus dem Land vor mir zu fliehen! Und ich verspreche dir, irgendwann wird er dafür büßen, dass er dich angefasst hat! Das darf nur ich!“
Ich lachte, soweit das mit schmerzendem Kopf ging.
„Leg dich ruhig mit ihm an. Denn gegen ihn hast du absolut keine Chance! Und dann bin ich dich endlich los!“
Er verpasste mir noch eine, sodass ich von der Wucht auf den Boden fiel. Als ich aufsah, erkannte ich hinter ihm einen weiteren Mann stehen.
„Yo, DK, es gibt Probleme mit den Bullen. Die schnüffeln schon wieder in unserem Bezirk herum.“
„Ich kümmer' mich gleich darum. Erst muss ich dafür sorgen, dass die Prinzessin hier keine Dummheiten macht, während ich weg bin.“
Damit wurde ich hochgehoben und DK warf mich über seine Schulter. Ich wehrte mich, doch der Kabelbinder schnitt so fest in meine Handgelenke, dass ich nichts ausrichten konnte. Er trug mich in einen Raum, wahrscheinlich sein Büro und drückte mich auf einen Stuhl. Sofort kam der andere Kerl und hielt mich so fest, dass ich mich nicht dagegen wehren konnte.
Erst wusste ich nicht, was das alles sollte, doch als DK eine Tüte mit Pillen aus einer Schublade holte konnte ich es kaum fassen.
„Du willst mich unter Drogen setzen?! Du dreckiger Bastard! Wag' es ja nicht!“
„Sonst was? Schickst du deinen Spanier? Der weiß doch gar nicht, dass du hier bist! Niemand weiß das! Und es wird auch niemand erfahren! Also hör auf zu hoffen und sieh ein, dass du mir gehörst. Für immer.“
Damit wurde mein Kopf zurück gerissen und meine Nase zugehalten. DK drückte meinen Mund auf.
„Je schneller du sie schluckst um so weniger weh tut es.“
Er warf die Pille herein und schüttete Wasser hinterher. Ich wehrte mich, wie ich konnte. Trat um mich. Versuchte es auszuspucken, doch er hielt mir den Mund zu.
Wie oft hatte ich gesehen, wenn er so etwas mit Anderen gemacht hatte. Leute, die nicht reden wollten. Mädchen, die er damit ruhig stellen wollte. Ich hatte es so oft gesehen, doch niemand hatte es geschafft sich zu wehren. Früher oder später hatten alle geschluckt. Und so war es jetzt auch bei mir.
Doch sie hörten nicht auf. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit – ich hatte schon Angst gehabt zu ersticken – ließen sie mich wieder atmen. Hustend fiel ich auf den Boden. Nach Luft ringend. Hoffend, dass die Verdammte Pille aus mir raus fiel. Doch sie war schon zu tief drin.
Verzweifelt ließ ich wehrlos zu, dass DK mich hoch hob und in einem anderen Zimmer auf ein Bett warf. Er nagelte mich mit seinem Körper auf der Matratze fest. Höhnisch grinsend.
„Du hast das schon oft gesehen. Und trotzdem musstest du dich wehren. Du bist so dumm. Aber glaub mir, du wirst dich noch ändern. Spätestens in einer Woche tust du wieder genau das, was ich dir sage.“
Er wollte mich küssen, doch ich drehte meinen Kopf weg. Da biss er mir in den Hals. Feste. Doch ich tat ihm nicht den gefallen zu schreien. Er verpasste mir einen Knutschfleck und kettete mich ans Bett.
„Nutz die Zeit sinnvoll und denk mal darüber nach, wo du in Wirklichkeit hingehörst.“
Damit ließ er mich allein.
Ich hatte zwar nicht viel Ahnung von Drogen, aber ich wusste, dass Justin meistens eine bestimmte Art von LSD bei seinen „Befragungen“ verwendet hatte. Und, dass es erst etwas dauert, bis es wirkt.
Schnell versuchte ich, mich von dem Bett los zu machen. Doch das einzige, was ich erreichte, war, dass meine Handgelenke anfingen zu bluten.
Außerdem merkte ich, wie die Farben im Zimmer langsam heller und leuchtender wurden. Alles verschwamm vor meinen Augen, sodass ich stark blinzeln musste. Mir wurde warm und ich bekam Angst, was noch alles mit mir passieren würde.
Doch dann wich die Angst einem eher beruhigendem Gefühl. Ich versuchte das Zimmer zu erkennen, als ich plötzlich eine Frau dort stehen sah. Sie war noch relativ jung. Ungefähr 30. Ich wollte sie gerade um Hilfe bitten, als ich sie erkannte.
„Mum?...Bist du das?..“
Mir schossen die Tränen in die Augen und alles verschwamm erneut. Ich versuchte sie wegzuwischen, doch als ich erneut zu meiner Mutter sah, guckte sie plötzlich traurig. Sie fing an zu bluten. Am Kopf, den Armen, am Bauch. Vorallem ihr Bein schien verletzt und sie schrie vor Schmerzen laut auf.
„Mum, nein! Nicht schon wieder! Es tut mir so Leid!“
Ihr Blick wurde wütend und sie schrie mich an: „Du bist Schuld daran, dass ich sterben musste! Nur du! Wärst du nicht gewesen, hätte Justin mich aus dem Auto gezogen und ich nicht diesen qualvollen Tod sterben müssen!“
Plötzlich fing ihr gesamter Körper Feuer und sie schrie noch lauter. Ich wollte ihr helfen, doch ich konnte nicht. Ich hielt mir die Ohren zu, doch ich hörte sie in meinem Kopf weiter schreien.
...
Sie war schon längst verschwunden, da lag ich immer noch zusammengekauert auf dem Bett in der Ecke und weinte still vor mich hin.
Hoffentlich findet Diego mich bald. Hoffentlich..
Ein lauter Knall ließ mich aufschrecken und sogleich kam ein gut gelaunter Justin ins Zimmer.
„Und, Honey, wie geht es dir? Die Wirkung wird inzwischen nachgelassen haben. Wie wäre es also, wenn wir zwei jetzt ein bisschen reden.“
„Lass mich in Ruhe..“, war das einzige was ich herausbekam. Ich wischte mir die Tränen weg, doch zu mehr war ich nicht im Stande. Die Bilder – egal ob Halluzinationen oder nicht – hatten mich fertig gemacht.
„Du hast deine Mutter gesehen, nicht wahr? Wie war es denn? Das ersehnte Wiedersehen nach so vielen Jahren! Ich hab dir damit sicher einen Gefallen getan.“
„Halt die Klappe!“
Ich wollte aufspringen und ihm in sein dreckiges Gesicht treten, doch die Kette riss mich unbarmherzig zurück und ich knallte gegen die Wand.
„Das solltest du lieber lassen. Wenn das Bett kaputt gehst schuldest du mir noch mehr und das willst du sicherlich nicht. Und außerdem schaffst du es noch nicht mal bis aus dem Gebäude. Also lass die Dummheiten lieber und sieh der Wahrheit ins Gesicht. Du wirst hier bleiben. So lange, wie ich es will. Nämlich für immer. Und du brauchst dir auch keine Hoffnung zu machen, dass die Polizei oder deine sogenannten Freunde dich hier finden. Hier findet dich niemand! Also überlege dir gut, wie du den Rest deines Lebens verbringen willst. Unter Drogen gesetzt? Täglich von deinen Eltern wegen ihrem Tod beschuldigt werden? Ihn täglich aufs Neue miterleben? Immer und immer wieder? Ist es das, was du willst?“
Ich antwortete ihm nicht. Sah ihn noch nicht einmal an. Ich wollte das nicht noch einmal erleben. Aber das schien er zu wissen. Sanft setzte er sich neben mich aufs Bett und strich mir über den Arm, doch ich zuckte zurück.
„Warum wehrst du dich noch gegen mich? Du gehörst mir. Wir gehören zusammen. Willst du unsere gemeinsame Zeit wegen so einem spanischen Playboy aufgeben? Dein Leben dadurch wegschmeißen? Und du kannst mir nicht sagen, dass du dein Leben bei mir gehasst hast. Du hattest Spaß daran, die Rennen zu fahren. Die Autos zu tunen. Den Chef zu spielen und die Jungs herumzukommandieren. Mit Gina zu shoppen oder sonstigen Weiberkram zu machen. Sie vermisst dich übrigens und würde sich sehr freuen, wenn du zurück kommen würdest. Sie hat eine Woche ununterbrochen geweint, als wir dachten du wärst tot.“
Ich wusste, dass er mich nur köderte. Doch es tat mir Leid, dass meine ehemalige beste Freundin so trauern musste, wegen mir.
„Und denk doch auch mal an Maria. Deine Cousine hat die Nachricht noch schwerer getroffen und ich glaube sie leidet immer noch unter deinem Tod. Ihr wart ja auch fast wie Schwestern, nachdem ihre Mutter weggelaufen und ihr Vater nur noch am Trinken war.“
Maria. Ich vermisste sie so sehr. Die Trennung von ihr war mir am Schwersten gefallen.
„Wie geht es ihr?“
Ich musste das einfach fragen.
„Sie ist inzwischen mit John. Aber so richtig glücklich scheint sie nicht zu sein.“
Ich wusste, dass sie schon lange in John verliebt war und es freute mich, dass sie endlich ein Paar waren.
„Du musst nur ein Wort sagen, dann kannst du zu ihr. Zu Gina. Zu allen. Deinen alten Freunden - zu mir.“
Mir kamen die Tränen. Ich vermisste sie alle. Schnell räusperte ich mich und wischte mir die Augen wieder trocken.
„Ich kann nicht. Ich gehöre nicht hier hin. Lass mich endlich gehen.“
Wütend stand er auf und zur Tür.
„Ich werde dich niemals gehen lassen. Du gehörst an meine Seite. Das ist dein Platz!“
Er knallte die Tür und ließ mich mit meinen Gedanken allein.
„Dad! Nein! Es tut mir so Leid! Bitte! Ich wollte das doch gar nicht!“
Mein Vater sah mich anklagend an, da fiel er plötzlich auf den Boden und krümmte sich unter Schmerzen.
„Du hättest sterben sollen! Nicht deine Mutter und ich! Wir hätten uns besser um Maria gekümmert! Dann wäre sie aus dieser verdammten Szene heraus geblieben und ihre Mutter wäre nicht weggelaufen! Das ist alles deine Schuld!“
Mir kamen die Tränen. Mein Vater hatte Recht. Ich allein war Schuld an ihrem Tod. Wäre ich an diesem Abend nur nicht in den Wald gelaufen. Ich hatte mich mit meiner Mutter wegen einer Kleinigkeit gestritten und voller Wut ignorierte ich den aufkommenden Sturm und das Gewitter. Sie hatten mit dem Auto nach mir gesucht und mich schließlich völlig durchnässt auf meiner Lieblingsbrücke gefunden. Wir hatten den Wald noch nicht verlassen als das Gewitter genau über uns war. Es regnete aus Strömen und schon nach wenigen Minuten hatte sich der Weg in ein riesiges Schlammloch verwandelt.
Wir blieben stecken und mein Vater war so wütend. Er schrie mich an, dass ich immer überreagieren würde. Da schlug plötzlich ein Blitz mit einem lauten Krachen in den Baum neben uns ein. Wir konnten nur zusehen, wie er in Zeitlupe auf uns zu fiel. Meine Mutter schrie ängstlich und klammerte sich an meinen Vater. Und dann...
Mir kamen die Tränen. Sie hatten den Unfall nicht überlebt. Der Stamm war genau auf ihnen gelandet. Justin fand mich kurze Zeit später und zog mich bewusstlos aus dem Wrack. Zu der Zeit lebte meine Mutter noch. Sie hatte eine Stunde unter großen Schmerzen in dem Auto auf ihren Tod warten müssen. Und ich hatte ihr nicht geholfen.
Und jetzt ließ ich auch noch meine Cousine in Stich, dabei war sie danach wie eine kleine Schwester für mich. Ich ließ sie alleine in der Gang anstatt sie zu beschützen.
Dieser Gedanke war mir in den letzten Tagen häufig gekommen. Immer, wenn die Wirkung der Drogen gerade nachgelassen hatte. Es war inzwischen eine Woche vergangen, seitdem ich diesen Raum betreten hatte. 7 Tage. Eingesperrt in einen Raum ohne Fenster. Wie ein Tier ans Bett gekettet.
Die einzige Abwechslung kam mit dem Essen oder mit Justin. Jeden Morgen. Und jedes Mal half meine Gegenwehr nichts. Egal, was ich machte. Schlussendlich musste ich die Pillen trotzdem schlucken und die nächsten Stunden weinend und zitternd darauf warten, dass die Halluzinationen endlich aufhörten.
Erschöpft vom vielen Weinen war ich schließlich in einen traumlosen Schlaf gesunken. Doch ein Geräusch ließ mich wieder aufschrecken. Es war das Vorhängeschloss vor der Zimmertür.
„Morgen, Honey. Gut geschlafen? Was hättest du denn heute gerne für ein Frühstück? Ein schönes, ausgedehntes Buffet auf dem Balkon mit Blick auf den Stausee? Oder doch lieber ein trockenes Brötchen mit einer animierenden Tablette?“
Er grinste hinterhältig und zog mich aus meiner Ecke heraus, in der ich geschlafen hatte. Ich versuchte mich zu befreien, doch er setzte sich einfach auf mich drauf.
„Also? Welche Version hättest du heute gerne?“
Ich wich seinem Blick aus. Ich konnte ihn nicht ansehen, doch das schien ihm Antwort genug zu sein. Er packte in seine Hosentasche und holte die Tüte mit den LSD Pillen heraus. Durch die Ketten konnte ich meine Hände kaum bewegen und ihm nur dabei zusehen, wie er in aller Ruhe eine der Tabletten heraus fischte. Sorgfältig verstaute er die restlichen wieder und wendete sich wieder mir zu.
„Du scheinst es ja nicht anders zu wollen. Aber erspar' uns doch wenigstens das hier und schluck das Ding freiwillig. Deine Gegenwehr bringt doch sowieso nichts.“
Er hatte Recht. Aber ich konnte nicht. Ich wollte nicht mehr. Keine Drogen. Nie wieder. Ich würde es nicht noch einmal aushalten können, meinen Eltern beim Sterben zu zu sehen. Kraftlos wandte ich den Kopf ab.
„Anscheinend willst du es einfach nicht einsehen.“
Er packte grob meinen Kopf und drehte ihn so, dass ich ihn ansehen musste. Mit geübten Handgriffen drückte er mir den Kiefer runter. Ich konnte mich noch nicht einmal richtig wehren, sodass mir die Tränen kamen.
„Nicht..“
Er stoppte. Mit der Tablette über meinem offenen Mund.
„Wie bitte?“
Ich konnte die Tränen nicht mehr stoppen.
„Bitte nicht!“
Langsam nahm er die Hand weg, sodass ich mich endlich wieder ein wenig von ihm abwenden konnte.
„Warum sollte ich es nicht tun? Ich werde dich nicht frei lassen. Entweder du kommst zu mir zurück oder du darfst weiter hier vor dich hin vegetieren.“
„Keine Drogen mehr....Bitte!“
Er lachte.
„Du brauchst nur ein Wort zu sagen, dann musst du die Dinger nie wieder nehmen. Allerdings würde ich mit einplanen, dass die auch abhängig machen. Also lass dir lieber nicht zu lange Zeit.“
„Warum sollte ich zu dir zurück kommen? Du schlägst mich -“
„- aber nur wenn du es auch verdient hast! Halt dich einfach an unsere Regeln, dann passiert so etwas nicht.“
Er saß immer noch auf mir, doch er legte mir sanft eine Hand auf die Wange und zwang mich so ihn anzusehen.
„Ich habe mich immer gut um dich gekümmert. Dich vor allen anderen beschützt. Egal was du getan hattest. Ich habe dir alles gegeben, was du wolltest.“
„Was hast du getan, als du dachtest ich wäre tot?“
Sein Blick wurde kalt. Er war ziemlich sauer, weil ich das getan hatte.
„Ich hab mich volllaufen lassen. Irgendwelche Schlampen gevögelt. Sie verprügelt. Mich mit Johannes angelegt. Es war 'ne dunkle Zeit.“
„Hast du geweint?“
Er fing an zu lachen.
„Nein. Das nicht. Auch ich habe noch ein bisschen Stolz.“
„Du hast viel zu viel Stolz. Das ist dein Problem.“
Ich wandte mich erneut ab um meine Tränen weg zu wischen.
„Hast du wirklich gehofft, ich hätte um dich geweint? Das kann ich mir nicht vorstellen. Als du weg gegangen bist, hast du selbst zu denjenigen gehört, die Weinen für eine unnötige Schwäche hielten. Seit dem Tod deiner Eltern, hast du nicht mehr geweint. Und wenn ich es getan hätte, hättest du nur gelacht und dir einen andern gesucht. Aber anscheinend hast du dich verändert und stehst jetzt auf Weicheier.“
„Ich habe nicht gehofft, dass du geweint hast. Ich wollte nur sehen, ob du mich anlügst.“
„Und? Zufrieden?“
Ich grinste leicht.
„Kommt auf das Frühstück an, was du mir vorsetzt.“
Auch er fing an zu grinsen.
„Das hängt ganz davon ab, ob ich es für Lena oder für Tokkan mache.“
Ich seufzte. Er wollte es unbedingt direkt von mir hören.
„Für Tokkan...auch wenn ich es bereuen werde..“
Er beugte sich über mich und löste grinsend meine Ketten. Dann zog er mich hoch, sodass ich gegen ihn knallte.
„Du wirst es nicht bereuen, wenn du nicht wieder solche Dummheiten baust. “
Damit küsste er mich und seine Hände strichen besitzergreifend über meinen Körper. Ab jetzt gehörte ich wieder ihm. Vollständig. Bis auf einen kleinen Teil meines Herzens, der immer noch auf meine Rettung hoffte.
„Willkommen zurück in der Familie, Tokkan One.“
Ich saß auf Justins Balkon und blickte stumm auf den im Sonnenlicht schimmernden See. Er war kristallklar und ich konnte sogar ein paar Fische herum schwimmen sehen. Um ihn herum war ein großer Wald – der Wald in dem meine Eltern den tödlichen Unfall hatten– und das Ufer bestand größtenteils aus hellen Felsen. Allgemein sah es aus, wie in einem Reiseführer oder Kalender.
„...der Kerl stört mich! Kümmer' dich darum, Noah!“
Justin betrat die Veranda doch ich starrte stumm weiter auf die wunderschöne Idylle, die sich meinen Augen bot. Ich hatte bei ihm geduscht und mir extra viel Zeit gelassen, damit ich ihn nicht zu schnell wieder sehen musste - außerdem tat das heiße Wasser viel zu gut um es auszuschalten.
Er war hinter mich getreten und zog mich nun an den Hüften näher.
„Du riechst gut, Honey.“
Trocken lachte ich.
„Und du hast dich wirklich nicht verändert. Ganz der Geschäftsmann. Erzähl doch mal, wen du jetzt wieder umlegen lassen willst.“
Er strich meine Haare von meinem Hals und küsste mich sanft im Nacken.
„Kennst du nicht. Ein Cop, der zu viel in unserem Revier herum schnüffelt.“
Erschrocken drehte ich mich zu ihm um.
„Seid ihr jetzt schon so tief gesunken, dass ihr Cops umbringt? Das ist doch bescheuert!“
Er nahm mein Gesicht in die Hände und wollte mich küssen, doch ich wandte mich ab. Sanft fuhr er mit seinem Mund meine Wange entlang und knabberte leicht an meinem Ohr.
„Wir bringen keine Cops um. Ich habe gesagt, er soll sich um ihn kümmern. Das heißt, er wird ihm heute einen Besuch abstatten und ihn davon überzeugen, sich aus unseren Angelegenheiten heraus zu halten.“
„Oh, okay. Also prügelt er ihn nur halb tot. Das ist ja was ganz anderes!“
Sarkastisch lachte ich und wollte gehen, doch er hielt mich fest.
„Honey. Wir haben uns verändert, seit du gegangen bist. Es gibt noch viele andere Wege, Menschen von etwas zu überzeugen. Einen davon, kennst du doch. Und jetzt hör auf dich so anzustellen. Wo ist meine Tokkan, die sich mit jedem direkt angelegt hat, wenn derjenige sie falsch behandelt hat und die andere sogar verprügelt hat, bis sie das taten, was sie wollte.“
„Die hast du mit deinen Drogen umgebracht!“
Ohne auf meine Antwort zu reagieren, setzte er sich an den reichlich gedeckten Tisch auf dem mich besonders die Donuts und der Kaffee lockten und deutete mir wortlos, es ihm nach zu tun.
„Wenn du mich wirklich als Tokkan One zurück haben willst, musst du dich ändern. Ich will nicht mehr wie der letzte Dreck oder wie eine billige Schlampe behandelt werden. Wenn ich dich wirklich unterstützen soll, dann musst du auch etwas dafür tun.“
„Und du denkst, du wärst in der Position verhandeln zu können?“
Ich trank zuerst genüsslich von meinem Kaffee, bevor ich ihm antwortete.
„Du bist es doch, der mich dazu überreden will, wieder zu dir zurück zu kommen. Und wenn du mich so wie früher behandelst, wirst du mich niemals bekommen.“
„Oh doch! Das kann ich sogar ohne irgendwelche Kompromisse. Du bist ein psychisches Wrack und leicht zu verletzen. Dabei tust du so als ob du unantastbar wärst. Aber das bist du nur, wenn ich es so will. Wenn ich niemandem davon erzähle. Und dafür verlange ich Gegenleistungen, die du alle erbringen wirst.“
Er trat um den Tisch herum und zog mich grob an meinem Pullover hoch. Kurze Zeit später knallte ich mit voller Wucht gegen die Hauswand. Alles drehte sich plötzlich.
„Und jetzt gerade will ich dich.“
Er hielt mich mit seinem Körper gefangen und küsste mich grob. Ich versuchte mich zu wehren, doch das Schwindelgefühl wurde nur noch schlimmer dadurch.
„Was hast du mir gegeben du Arschloch?!“
Er warf mich über seine Schulter und lachte höhnisch.
„Etwas, das dir helfen wird, das Richtige zu tun.“
Ich hatte kaum Kraft in meinem Körper und musste hilflos warten bis er mich auf sein Bett warf. Sofort war er wieder auf mir und küsste mich. Ich schrie. Versuchte ihn zu treten. Doch er riss mir meine Klamotten ohne große Probleme vom Leib und fesselte meine Hände mit Handschellen am Bett fest. Zufrieden grinsend stand er auf und beobachtete mich bei meinen kläglichen Versuchen, die Fesseln zu lösen.
„Wenn du dich wehrst tut es nur unnötig weh, Honey.“
Er zog sich selbst aus und ich versuchte nur noch stärker mich zu befreien – ihn zu treten. Egal. Hauptsache er tat nicht das, was er vor hatte. Doch er packte meine Beine und drückte sie auseinander.
„Und jetzt gehörst du mir. Ich hoffe du nimmst die Pille. Aber auch egal, wenn nicht. Das würde dich vielleicht sogar zur Vernunft bringen.“
Mir kamen erneut die Tränen. Er wollte sie mir wegwischen, doch ich schnappte nach seinen Fingern, worauf ich mir eine saftige Ohrfeige einhandelte.
„Dreckige Schlampe. Das wirst du büßen.“
Er knurrte und drang mit einem groben Stoß in mich hinein..
Noch Stunden später lag ich zitternd und weinend in dem Bett. Justin war gegangen, allerdings ohne mir die Handschellen ab zu machen oder meinen Körper wenigstens ein bisschen zu bedecken.
Dieser Mistkerl hatte mir tatsächlich irgendwelche Drogen in meinen Kaffee getan und mich dann vergewaltigt. Und ich hatte die schlimme Vorahnung, dass dies nicht das einzige Mal sein würde.
Mein ganzer Körper schien zu schmerzen. Immer noch spürte ich seine Hände überall auf mir. Ein Zittern ging wie eine Welle durch meinen Körper und ich schloss verzweifelt die Augen, vor den Bildern, die mich plötzlich in meinen Gedanken überrollten. Doch sie hörten nicht auf. Ich wälzte mich von einer Seite auf die andere, soweit meine Ketten es zuließen. Es schien, als ob mein Kopf alles noch einmal Revue passieren lassen wollte. Verzweifelt rollte ich mich zusammen und zwischen den Schluchzern rutschte mir ein Name heraus.
Da hörte ich plötzlich eine Tür zu knallen und entdeckte Justin am Ende des Bettes.
„Don? Ist das dieser dreckige Hurensohn, den du in Spanien hattest? Und dem Kerl weinst du nach? Aber wo ist er denn? Mal nicht bei dir! Er hat dich doch erst in diese Lage gebracht! Und dich noch nicht einmal beschützt! Ich hingegen passe besser auf mein Mädchen auf!“
Er löste meine Fesseln und ich stürzte mich auf ihn, doch ein Schlag in den Magen und ich lag zusammengekrümmt auf dem Boden.
„Eigentlich hättest du das jetzt nicht mehr verdient. Aber da unten wartet jemand auf dich!“
Er warf mir einen Haufen Kleidung zu und ließ mich wieder alleine. Froh, endlich meinen Körper wieder vor ihm bedecken zu können, zog ich alles direkt an. Er hatte mir einen wirklich kurzen Mini Rock mit einem eng anliegenden Top, Push-Up BH und einem Tanga gegeben. War ja klar. Aber besser als nichts.
Barfuss ging ich die Treppe runter. Er hatte nicht gesagt, wer da unten auf mich wartete, aber besser als weiter in diesem Bett zu liegen und zu warten, dass er wieder kommt.
Ich betrat das Wohnzimmer, aus dem ich Stimmen vernommen hatte und blieb überrascht stehen. Mein Besuch starrte mich ebenfalls an, wie einen Geist und eine Zeit lang sagte keiner etwas.
Es war Gina. Meine ehemals beste Freundin. Die bis eben geglaubt hatte, ich wäre tot.
„Gina. Hey. Es tut mir Leid, dass ich euch alle angelogen habe. Dass ich dir solchen Kummer bereitet habe. Aber es ist schön dich endlich wieder zu sehen!“
Sie starrte immer noch. Sagte nichts und so langsam bekam ich das Gefühl, dass sie in Wirklichkeit noch schlimmer von meinem Tod getroffen war, als Justin erzählt hatte.
Plötzlich kam Leben in sie und sie stürmte auf mich zu.
„Du dumme Schlampe! Wie konntest du mir das antun! Du hast deinen eigenen Tod vorgetäuscht! Und warum? Sag mir wenigstens, dass du einen vernünftigen Grund hattest! Und es muss ein ziemlich guter sein! Schließlich hast du uns alle hintergangen! Deine Familie! Warum?“
Ich schluckte. Sie würde meinen Grund nicht verstehen. Sie war mit Noah zusammen. Justin's rechter Hand. Sie unterstützte die Gang bedingungslos.
„Gina...ich...du verstehst das vielleicht nicht, aber..“
„Ganz Recht! Ich verstehe das nicht! Meine beste Freundin täuscht ihren Tod vor, verlässt ihren Freund, ihre Familie – nur um irgendwelchen zweifelhaften Zielen hinterher zu jagen und ihre 'Freiheit' zu bekommen! Wie kann man nur so egoistisch sein?!“
Sie verpasste mir eine Ohrfeige und stürmte ungezügelt aus dem Haus.
Geschockt stand ich da. Unfähig mich zu rühren. Sie würde mir nie wieder verzeihen.
Mein Blick fiel auf Justin, der entspannt auf dem Sofa saß und diese Szene beobachtet hatte.
„Hör auf zu grinsen du perverses Arschloch!“
Ich war geladen. Sie war meine beste Freundin gewesen und gab sich noch nicht einmal ein bisschen Mühe mich zu verstehen.
Nun stand auch Justin auf. Langsam. Wütend.
„Wie hast du mich genannt, Schlampe?“
„Du weißt genau, wie ich dich genannt habe! Wie kann man nur so tief sinken und seine Ex vergewaltigen, nur weil sie nicht wieder zurück will?!“
Ich drehte mich um und rannte los. Richtung Haustür. Doch bevor ich sie erreichte, wurde ich von hinten geschubst und knallte mit voller Wucht dagegen.
Benommen ging ich zu Boden, doch sofort zog Justin mich wieder hoch.
„Du bist nicht meine Ex. Du gehörst mir. Und ich kann mit dir machen, was ich will!“
Ich rammte ihm mein Knie in die Eier und er krümmte sich stöhnend zusammen. Meine Chance wegzulaufen. Bis zur Küche kam ich, da wurde ich zurück gezogen und er verpasste mir mit voller Wucht einen Schlag, sodass ich erneut fiel. Sofort war er über mir und trat mir feste in den Bauch.
„Und wenn du nicht tust, was ich dir sage, muss ich es dir wohl auf andere Weise eintrichtern.“
Plötzlich blitzte ein Messer über mir auf und wimmernd schlug ich wild um mich, doch ein erneuter Schlag in den Magen machte mich für kurze Zeit bewegungsunfähig. Doch diese Sekunden reichten ihm aus. Genüsslich setzte es das Messer an meinem Arm an und ritzte mir ein Stück des Unterarms auf.
Ich schaffte es, einen Schrei zu unterdrücken. Doch genau das schien sein Ziel. Er wollte mich um Gnade betteln hören.
„Also? Wirst du tun, was ich dir sage oder brauchst du noch ein paar mehr Argumente?“
„Du jämmerlicher Wichs..aaah“
Dieses Mal war es der Oberarm.
„Tu, was ich dir sage und ich höre sofort auf.“
Die Schmerzen schienen unendlich und ich brachte nur ein leises 'Ja' heraus.
Zufrieden spülte er das Messer ab und warf mir dann einen Verbandskasten auf den Bauch.
„Dann verbind dir die Wunde und wisch das Blut vom Boden auf. Ich muss jetzt weg.“
Er kniete sich neben mich und packte mir grob unter den Rock, was mein wimmern nur verstärkte. Doch als ich mich nicht wehrte grinste er selbstgefällig und küsste mich forsch. Schließlich stand er ohne ein Wort auf und verließ das Haus.
Schwerfällig schaffte ich es, mich aufzurichten und nach einiger Zeit hatte ich sogar meine Wunden verbunden. Nachdem ich sein Bad nach einer Schmerztablette durchsucht hatte, machte ich mich verzweifelt daran, die Küche zu putzen.
Justin hatte ein Talent dafür, die Leute besonders zu demütigen.
„Honey. Beeil dich endlich!“
Ich rannte die Treppe runter, um ihn nicht noch wütender zu machen. Seit unserem Streit gestern war er immer noch schlecht gelaunt und rastete bei jeder Kleinigkeit aus. So wie auch dieses Mal. Weil ich mir noch die Schuhe anziehen musste.
„Man. Wie kann man nur so lahm sein! Haste dein Gehirn vergessen oder was?!“
Er stand wütend gegen die Haustür gelehnt und wartete, bis ich vor ihm stand um mir eine Ohrfeige zu verpassen.
„Komm das nächste Mal gefälligst pünktlich!“
Ich nickte ergeben und stöckelte ihm auf meinen 10cm Absätzen hinterher. Auch heute hatte ich nur einen Mini Rock und ein kurzes, fast bauchfreies Top an. Dazu geschminkt sah ich aus wie eine Schlampe. Doch im Grunde war ich das ja auch nur für ihn. Nur bezahlte er mich nicht dafür.
Vor dem Haus stand ein auffällig aufgemotztes Auto in Grasgrün und Blau ( http://fastandfuriousfanpage.com/images/540.jpg ). Wir stiegen ein und der Motor brummte laut unter der Haube.
„Schick. Haste den neu?“
Vielleicht munterte es ihn ja ein wenig auf über Autos zu reden.
„Yo. Auch wenn du es nicht glaubst, aber das Geschäft läuft gut. Und dieses Baby hier ist der Hammer.“
„Darf ich ihn auch mal fahren?“
Darauf lachte er nur und drehte die Musik lauter. Macho.
Nach wenigen Minuten waren wir jedoch schon angekommen. Ein ehemaliger Flugplatz, wobei die Fahrbahnen in der Dunkelheit beleuchtet waren. Wir passierten ein Tor, wo zwei Kerle mit Waffen an ihren Gürteln aufpassten, dass nur die Richtigen durch kamen.
Hinter dem ehemaligen Hangar ertönte laute Musik und viele Menschen drängten dorthin. Die Frauen waren alle dünn, dick geschminkt und bedeckten nur wenig von ihrem Körper. Meistens hingen sie an irgendwelchen Kerlen oder tanzten mit ihren Freundinnen um die Männer an zu turnen. Ihr einziges Ziel schien es, mit dem nächstbesten Gangmitglied in der Kiste zu landen.
Respektvoll machten alle vor Justin Platz, sodass er problemlos parken konnte. Als ich ausstieg verstummten plötzlich die Leute in unserer Umgebung. Ich wartete, bis DK das Auto umrundet hatte und mich dann fordernd gegen das Auto drückte und mir einen langen Zungenkuss verpasste.
Das war so etwas wie sein Besitzanspruch auf mich. Alle hatten es gesehen. Die meisten wussten wer ich war. Und dieser Kuss erzielte genau die Wirkung, die Justin erwartet hatte. Sie respektierten ihn noch mehr, dafür, dass er mich zurück bekommen hatte.
Kurz hatte ich überlegt ihn weg zu stoßen, doch dann hätte er mich bei lebendigem Leibe ausgeweidet.
„Schlaues Mädchen. Ich hatte fast schon damit gerechnet, dass du rumzickst aber anscheinend bist du doch nicht so blöd, wie ich dachte.“
Er legte einen Arm um meine Schultern und begrüßte seine Kumpels. Auch ich bekam einige Umarmungen, doch sie wussten alle, dass ich das hier nicht freiwillig tat. Gina war auch da. Doch sie ignorierte mich vollkommen. Für sie war ich nun wirklich gestorben.
„Hey, Tokkan. Lang nicht mehr gesehen. Wie haste es denn geschafft, dass DK dich nicht umbringt? Die Schlampe gespielt, wie immer, und ihm seine Wut heraus gevögelt?“
Ich drehte mich um und stand Johannes gegenüber. Schon früher hatten wir uns nie verstanden. Und das hatte sich nicht geändert. Schon allein sein Gesicht brachte in mir Aggressionen hervor. Aber dieser Spruch gerade.
Ich wollte ihm gerade eine knallen, dafür, dass er mich als Schlampe bezeichnet hatte, doch jemand hielt mich zurück.
„Das würde ich nicht tun, Honey. Wenn du früher meine Leute geschlagen hast, war das noch okay. Aber im Moment solltest du besser aufpassen, was du tust.“
Entsetzt starrte ich Justin an. Er hatte gerade vor allen Leuten bestätigt, dass ich nur eine Schlampe war.
„Und vorallem jetzt solltest du gut überlegen, was du tust.“
Lauernd sah er mich an. Er wusste genau, wie wütend ich war und wie kurz ich davor war, auszurasten. Doch ich riss mich zusammen, klaute ihm einfach sein Bier und trank es auf ex. Wütend packte er mich am Genick.
„Das war meins. Das wirst du noch bereuen.“
Damit verschwand er wieder um sich ein neues zu holen. Ich funkelte Johannes noch einmal böse an und lehnte mich dann neben Moritz an sein Auto.
„Und wie sieht es mit dir aus? Hasst du mich auch endlos oder ist wenigstens noch ein Funken Mitleid übrig geblieben?“
Er lachte und umarmte mich zu Begrüßung.
„Du hast einen großen Fehler begangen, Tokkan. Dabei kann ich dir nicht helfen. Aber hassen tu ich dich deswegen noch nicht...wenigstens nicht endlos.“
Ich seufzte kurz. Hätte mich auch gewundert, wenn einer meiner alten 'Freunde' noch zu mir gehalten hätte. Sie alle ließen mich mit meinem Schicksal alleine. Und das kam gerade mit zwei Bierflaschen und einer Mordstimmung auf mich zu. Überraschenderweise, war eine davon sogar für mich. Doch kurze Zeit später wusste ich auch warum. Er wollte mich endgültig demütigen und mir mein letztes Stück Stolz und Würde nehmen.
„Du Bastard! Du hast es schon wieder getan!“
Er zog mich zwischen seine Beine, während er an einer Motorhaube lehnte. Die Musik pulsierte laut um uns herum. Überall tanzten die Leute. Keinem schien aufgefallen zu sein, was er getan hatte.
„Sei doch lieber froh. Jetzt fällt es dir wesentlich leichter, keine Dummheiten zu tun. Und jetzt tanz für mich!“
„Was?! Du dreckiges Arschloch! Erst verpasst du mir wieder Drogen und dann willst du auch noch, dass ich wie eine Schlampe für dich tanze?!“
Er packte mir an den Hintern und küsste mich. Ich hatte keine Chance mich zu wehren. Die Drogen beeinflussten mein Denken. Plötzlich wurde ich auf eine Motorhaube gedrückt. Justin schlang meine Beine um seine Hüfte. Seine Hand wanderte unter mein Top.
„Du bist keine Schlampe. Denn selbst die haben noch die Würde, sich wenigstens dafür bezahlen zu lassen. Und jetzt tanz!“
Damit zog er mich wieder hoch und nahm wieder auf dem Kühler Platz.
„Vergiss es! Ich...“
„Weißt du noch, was ich gestern mit dir gemacht habe, als du nicht auf mich gehört hast? So etwas ähnliches erwartet dich gleich auch, wenn du so weiter machst. Nur wird es noch...sinnlicher für dich werden!“
Passend dazu kam jetzt auch noch 'Dirrty' von Christina Aguilera und alle Kerle johlten, damit die Mädchen noch anzüglicher tanzten. DK guckte mich jedoch nur drohend und erwartungsvoll an.
Mir blieb nichts anderes mehr übrig. Ich fing an mich zu bewegen. Den Blick stets auf Justin fixiert. Die anderen johlenden Kerle ignorierend. Doch es mussten viele zusehen, so zufrieden wie dieser Bastard grinste. Aber mit einem hatte er Recht. Die Drogen ließen mich nicht klar denken und so versank ich in einer flackernden Welt – blendete alles andere aus.
Schließlich schienen meine Zuschauer jedoch zu viele zu werden, denn DK stand auf und zog mich näher zu ihm. Ein stilles Zeichen an die Anderen, dass ich nur für ihn tanzte. Ich tanzte eng an ihm. Seine Hände wanderten überall hin. Es schien ihm vollkommen egal zu sein, dass wir nicht alleine waren. Spätestens als er mich auf die Motorhaube drückte, war ich froh über die Drogen. So konnte ich wenigstens die Tränen unterdrücken.
Dafür, dass ich mich zuerst so gegen das Tanzen gewehrt hatte, musste ich spät am Abend auch noch büßen. Nicht nur dass er mich in sein Haus hinein prügelte. Dieses Mal war der andere Arm dran. Jedoch war Justin so besoffen, dass er ausrutschte und mir die Pulsadern aufschlitzte. Aber das hielt ihn nicht davon ab, danach einfach abzuhauen.
Kurz dachte ich auch darüber nach, die Wunde nicht zu verbinden und zu verbluten, doch diesen Gefallen wollte ich ihm nicht tun. Leider hatte er trotz allem daran gedacht, alle Ausgänge zu versperren und ich verbrachte die Nacht schließlich auf dem Sofa.
Ich wachte auf und mein Kopf dröhnte. Ebenso wie mein gesamter Körper schmerzte. Die letzten Tage, Wochen, Monate – ich wusste nicht mehr wie lange ich schon bei Justin war – schienen wie ein einziger Alptraum zu sein. Vor Allem am Anfang. Doch inzwischen war mein 'Freund' so weit gegangen, dass ich jeden Morgen mit einem dröhnenden Kopf aufwachte und kaum Erinnerungen an den vergangenen Tag hatte. Und diejenigen, die ich noch hatte, fühlten sich so unecht an, dass ich es einfach als Alptraum abstempeln konnte, obwohl ich wusste, dass sie Realität waren.
Täglich musste ich einen Kater oder Verletzungen auskurieren – von was auch immer. Aber wenigstens musste ich Justin erst Mittags wieder in die Augen sehen. Dann kam er nämlich von seiner 'Arbeit' zurück und verlangte ein perfektes Essen von mir. Und wehe ich war zu spät. Allerdings kann ich mich nie an die Folgen erinnern, da er mir vorher – wahrscheinlich im Essen – irgendwelche Drogen verabreichte, die mich alles vergessen ließen. Inzwischen war ich sogar ein wenig froh darüber. Das machte es einfacher, damit zu leben.
Und die Hoffnung, dass ich irgendwie noch einmal hier weg kommen würde, hatte ich schon lange aufgegeben.
Mit schmerzenden Gliedern schaffte ich es bis ins Bad und stellte mich erst einmal unter die Dusche. Alle Überbleibsel des letzten Tages abwaschen und sie dennoch so weit ignorieren, dass ich gar nicht erst versuchte mich zu erinnern, woher die blauen Flecken stammten.
Ich hatte mich gerade fertig angezogen, da hörte ich unten die Tür zuknallen und Justin die Treppe hoch laufen. Verschreckt schaute ich auf die Uhr, aus Angst ich hätte verschlafen, doch es war noch viel zu früh. Da kam er auch schon durch die Schlafzimmertür gerannt.
„Da bist du ja. Komm sofort mit, Schlampe!“
Ich wurde am Arm gepackt und die Treppe bis zum Keller herunter gezogen.
„Verdammt, Justin. Lass mich los. Du tust mir weh! Und was zur Hölle soll ich hier unten?“
Im Keller befand sich nämlich nur ein kleiner Vorratsraum und altes Gerümpel.
„Fresse! Wir hauen ab. Und wehe du gibst auch nur einen Ton von dir.“
Verwundert stolperte ich ihm weiter hinterher. Warum sollte er abhauen? Und warum sollte er mich dann mitnehmen? Wenn eine feindliche Gang hier ist, warum lässt er mich nicht zurück. Die würden mich nämlich noch schlechter behandeln als er – obwohl ich das ja nicht so gut beurteilen konnte.
Ein lautes Krachen ertönte von oben und ich hörte Stimmen, als wir schließlich vor einem Weinregal stehen blieben. Justin zog eine Flasche heraus und fummelte an der Wand dahinter herum, bis sich schließlich eine Tür dahinter öffnete und einen Gang offenbarte, der sich dahinter befand.
Bevor ich fragen konnte wurde ich weiter gezogen und die Tür schloss sich gerade, als der Schein einer Taschenlampe sie erfasste und ein vermummter Mann erschien.
„Verdammte Scheiße!“, fluchte DK und zog mich knurrend weiter.
Wir folgten dem Gang bis er schließlich in einer langen Wendeltreppe nach unten mündete. Wahrscheinlich führte er zum See. Ungeduldig zog er mich weiter, als wir plötzlich Schritte und das Licht von vielen Taschenlampen hinter uns vernahmen. Sie kamen immer näher, doch mein geschundener Körper ließ es nicht zu, dass ich noch schneller lief. Bald war es wahrscheinlich so weit, dass Justin mich zurücklassen würde, um wenigstens sich selbst vor der Gang zu retten.
Endlos rannten wir weiter die Treppe hinunter und ich wurde immer wieder angeschrien, mich gefälligst zu beeilen. Doch unsere Verfolger kamen immer näher. Wie schwarze Todesengel.
Verdammt. Sie würden mich foltern, damit ich ihnen alles von DK erzähle. Mich vergewaltigen. Und schließlich töten. Ich hatte einmal gesehen, wie Justin mit einer 16-Jährigen umgegangen war, die eine unwichtige Position in der verfeindeten Gang hatte. Doch bei mir wäre das etwas ganz anderes.
Endlich konnte ich das Ende der Treppe erahnen und auch Justin schien es gemerkt zu haben, denn er zog mich noch ungeduldiger hinter sich her. Doch durch den unerwarteten Ruck kam ich ins Straucheln und wie in Zeitlupe verlor ich den Halt unter den Füßen. Ich stieß gegen seinen Rücken, was auch ihn ins Wanken geraten ließ, doch er konnte mich nicht festhalten und ich knallte auf die Stufen. Durch den Schwung rutschte ich weiter und bei jedem Aufprall schien es, als ob mein Körper zerbrechen wollte. Mein Kopf knallte gegen einen Pfeiler und ich hörte nur noch laute Rufe und vernahm flackerndes Licht bevor ich schließlich zum Liegen kam und wohltuende Schwärze mich umfing.
Ein Stechender Schmerz riss mich aus meiner Ohnmacht und ich stöhnte gequält. Doch dann fiel mir alles wieder ein und ich wollte mich erschrocken aufsetzen, doch es klappte nicht. Mein gesamter Körper schmerzte zu sehr und ich hatte irgendetwas um den Hals, sodass ich mich kaum umsehen konnte. Doch was ich sah, reichte mir.
Ich befand mich in einem kahlen, weißen Raum. Mit Handschellen an ein Bett gefesselt. Justin hatte mich wirklich zurück gelassen. Jedoch hatte ich keine Ahnung, wo genau ich mich jetzt befand. Dass es eine feindliche Gang war, dachte ich mir schon. Aber das winzige Fenster war vergittert und zeigte nur den grauen Himmel. Außer dem Bett befand sich nichts in diesem Raum und nur eine weiße Stahltür führte hinaus. Die Wände waren ebenfalls aus weißem Stein und schienen sehr massiv.
Ich versuchte, die Handschellen los zu werden, doch sie waren zu fest. Erst dabei bemerkte ich, dass ich nicht mehr meine Klamotten sondern, einen weißen Kittel an hatte.
Wo zur Hölle war ich???
Als hätte jemand meine Frage im Kopf gehört, öffnete sich die Tür und ein Arzt, begleitet von zwei bewaffneten, in schwarz gekleideten Männern betrat den Raum.
„Wie ich sehe, sind Sie aufgewacht. Haben sie Schmerzen?“
Misstrauisch beobachtete ich ihn, wie er meinen Kopf abtastete und dann meinen Hals begutachtete. Seine Begleiter standen nur regungslos an der Tür.
„Wer sind Sie und wo bin ich?“
Doch ebenso, wie ich seine Frage ignoriert hatte, wurde meine nicht beantwortet.
„Okay. Mir tut alles weh. Also? Wo bin ich?“
Er lächelte leicht und während er sich meine Arme ansah, murmelte er abwesend: „Ich kann Ihnen leider nicht verraten, wo Sie sind. Aber ich bin Arzt und muss mir jetzt Ihre Verletzungen ansehen. Sie hatten Glück, dass Sie sich nicht das Genick gebrochen haben.“
Hätte ich mir ja denken können, dass ich keine Antwort bekomme.
Er schlug die Decke zurück und begutachtete meine Beine, aber als er den Kittel hochschieben wollte, wehrte ich mich.
„Lassen Sie mich gefälligst in Ruhe! Sie perverses Arschloch!“
Doch sofort kamen seine Begleiter und hielten mich fest, sodass ich nur wehrlos zusehen konnte, wie er schließlich den Kittel öffnete und stirnrunzelnd meine Blauen Flecken anstarrte.
„Komisch...“, war das einzige, was er von sich gab, bevor er mich wieder bedeckte und wortlos mit den anderen zwei Kerlen den Raum wieder verließ.
Was war das denn? Warum sollte eine andere Gang einen Arzt schicken, der sich um meine Wunden kümmert? Und vor Allem, was meinte er mit seinem Kommentar zu meinen Verletzungen?
Doch eine Antwort auf all die Fragen bekam ich nicht. Erst eine gefühlte Ewigkeit später kam eine Frau, die mir Blut abnahm – ich konnte mich wegen den Handschellen ja kaum bewegen und die bewaffneten Affen hielten mich schon wieder fest – und mich dann mit einem Tablett zu Essen wieder allein ließ.
Immer mehr Fragen stauten sich in meinem Kopf an.
Was wollen die mit meinem Blut???
Doch der Hunger trieb mich dazu, das nicht sehr appetitlich aussehende Essen herunter zu schlingen. Als ob eine Kamera in dem Zimmer wäre, kam die Frau auch sofort wieder, als ich fertig war, und nahm wortlos das Tablett mit.
Erschöpft lehnte ich mich zurück und registrierte nebenbei, wie langsam die Schmerzen zurück gingen. Es war also doch etwas in dem Essen gewesen. Aber außer der schmerzhemmenden Wirkung, bemerkte ich nichts.
Komisch!
Nach einer gefühlten Ewigkeit öffnete sich die Tür erneut. Doch dieses Mal trat ein älterer Mann herein. Ohne Begleitung. Er trug einen schwarzen Anzug und hatte schon leicht graue Haare.
„Guten Tag. Ich hoffe es geht Ihnen inzwischen etwas besser?“
„Warum sollte Sie das interessieren? Wer sind Sie überhaupt und wo zum Teufel bin ich?“
Er zog sich lächelnd einen Stuhl neben mein Bett und setzte sich.
„Mein Name ist Brehm. Ich bin Kommissar im Drogendezernat und Sie befinden sich gerade im Krankentrakt der JVA Köln.“
„Was? Ich bin in einem Gefängnis? Dann waren das Polizisten, die mich verfolgt haben?“
„Was dachten Sie denn, wer Sie da verfolgt?“
Ich zögerte, doch was hatte ich zu verlieren? Noch schlimmer konnte Justin mich nicht mehr behandeln.
„Ich dachte es wäre eine von den Gangs, die hier sind. Hätte ich gewusst, wer Sie sind, wäre ich auch nicht weggelaufen.“
Er runzelte die Stirn.
„Tut mir Leid, aber Sie sind anscheinend die Freundin des Bosses einer dieser Gangs. Da fällt es mir schwer zu glauben, dass sie sich der Polizei stellen wollten.“
War ja klar.
„Ich bin nicht seine Freundin!“
„Was haben sie denn dann, leicht bekleidet, in dessen Haus getan? Und warum sind sie mit ihm gemeinsam geflüchtet?“
„Wie gesagt, ich dachte, es wäre eine andere Gang und die hätten genau das gleiche gedacht, wie sie. Und hätten sie mich bekommen, wäre ich jetzt wahrscheinlich schon nicht mehr am Leben. Und warum ich bei ihm zu Hause war...er hat mich dort festgehalten.“
Die Falten auf seiner Stirn wurden immer tiefer.
„Und sie flüchten immer mit ihrem Entführer, wenn jemand das Haus stürmt?“
„Ich hatte Angst, verdammt noch mal! Und habe mich dann für das kleinere Übel entschieden!“
„Wir haben ihr Blut untersucht und eine hohe Dosis an Rauschgiften festgestellt, die zudem in diesem Land verboten sind. Sind sie sicher, dass sie nicht freiwillig zu ihm ins Haus gekommen sind um irgendwelche Drogen zu nehmen? Und jetzt versuchen sie, das ganze als Enführung zu tarnen?!“
„Nein! Dieser Arsch hat mich entführt und mit täglich Drogen verabreicht, damit ich tue, was er will!“
Er glaubte mir nicht! Und wenn er mich in den Knast steckte, wäre ich geliefert!
„Dann verraten Sie mir doch mal Ihren Namen, dann kann ich prüfen ob Sie wirklich entführt worden sind.“
Überrascht schaute ich ihn an. Das wusste er nicht? Doch dann beging ich einen Fehler.
„Ich bin Lena Meier. Ich dachte das wüssten Sie?“
Er lächelte leicht.
„Tut mir Leid. Lena Meier ist die ehemalige Freundin von Herrn Kieler. Das können Sie nicht sein, denn sie hat sich letztes Jahr selbst umgebracht.“
„Doch ich bin das! Ich habe meinen Tod vorgetäuscht, weil ich vor Justin fliehen wollte! Doch er hat mich wieder gefunden.“
Sein lächeln wurde mitleidig und er stand auf.
„Sie scheinen noch unter den Nachwirkungen der Drogen zu leiden. Bis Ihre Verletzungen verheilt sind, werden Sie noch hier bleiben und ein Arzt wird sich um Ihren Entzug kümmern. Dann kommen Sie in Untersuchungshaft und müssen sich vor Gericht verantworten.“
Damit ließ er mich zurück und ich konnte nicht anders als weinen. Er hatte mir nicht geglaubt. Und jetzt hält er mich für verrückt und schiebt alles auf die Drogen. Aber vom Gegenteil überzeugen, kann ich ihn auch nicht. Mein Leben ist also vollends zerstört und ich kann nichts tun als zu warten, bis ich in Untersuchungshaft komme und dann eines zufälligen Todes durch einen von Justin's Kumpels zu sterben.
Inzwischen war ein Tag vergangen und ich lag zitternd in meinem Bett. Der Polizist hatte Recht. Ich war anscheinend süchtig nach diesen beschissenen Drogen und die Entzugserscheinungen machten sich immer mehr bemerkbar. Ich hatte kaum noch Appetit aber wenigstens die Schmerzen ließen so langsam nach. Der Arzt war erneut gekommen und hatte gemeint, dass ich in spätestens zwei Tagen die Krankenstation verlassen könnte. Dieser Brehm war nicht mehr aufgetaucht. Er würde wahrscheinlich erst wieder mit mir reden wollen, wenn ich ein paar Tage lang clean war. Dass es dann zu spät sein würde, konnte er ja nicht wissen.
Eine andere Frage quälte mich aber den ganzen Tag.
Hatten sie Justin auch erwischt oder war er entkommen? Nicht, dass ich es für ihn hoffte. Eher das Gegenteil. Denn wenn schon eine Razzia gemacht wurde, dann hatten sie sicherlich einen Verdacht wegen irgendwas und würden ihn nicht sofort wieder gehen lassen müssen. Doch ich rechnete schon gar nicht damit, dass sie etwas belastendes gefunden hatten.
Die Nacht über konnte ich kaum schlafen und wenn ich es dann doch geschafft hatte, wurde ich sofort wieder durch Krämpfe oder Alpträume geweckt. So kam es, dass ich noch mehr Zeit hatte über meine Situation nach zu denken. Und egal was ich überlegte, zum Schluss landete ich doch im Gefängnis, wo ich nicht lange überleben würde. Ich brauchte Schutz von der Polizei und sie steckten mich direkt in meine Todeszelle.
Die Angst davor lähmte mich und ich schaffte es noch nicht einmal ein bisschen von meinem Frühstück herunter zu bekommen. Als der Arzt später kam, meinte er nur, dass dies die Entzugserscheinungen wären und dass ich trotzdem am nächsten Tag die Station verlassen könnte.
Wieder allein, versuchte ich, die Handschellen zu lösen, doch sofort kamen die zwei Bewaffneten herein und die Schwester legte mir Fesseln aus Stoff an – wie bei Leuten in der Psychiatrie!
Nach einer weiteren schlaflosen Nacht wurde ich schließlich von zwei Polizistinnen abgeholt. Ich bekam einen Gefängnisanzug und sie führten mich in eine Zelle. Unterwegs begegneten wir niemandem, doch ich war mir sicher, dass meine Anwesenheit sich schnell herumsprechen würde.
Es war ein in grau gehaltener Raum mit einem kleinen Bett, einer Toilette und einem Waschbecken – alles vollkommen fixiert und aus Stahl. Die Matratze war so dünn und durchgelegen, dass die Federn sich in meinen Rücken bohrten, als ich mich erschöpft darauf legte.
Ich versuchte mich zu entspannen. Doch ich nahm alles besonders deutlich war. Bei jedem Geräusch zuckte ich zusammen. Ich spürte jede Faser der ungemütlichen Matratze und wurde von Minute zu Minute nervöser.
Wie sie es wohl machen würden? So offensichtlich würden sie es nicht machen können. Ich durfte niemanden sehen, außer einem Anwalt, den ich mir nicht leisten konnte. Und der wurde mir vom Gericht gestellt. Vielleicht war er ja einer von Justins Leuten. Doch das würde zu viele Probleme mit sich bringen. Sie würden es sicherlich anders machen. Mit Gift. Oder einfach warten, bis ich vor Angst und wegen den Entzugserscheinungen von selbst verrecken würde.
So grübelte ich weiter und meine Angst wurde immer größer, bis ich schließlich zitternd auf dem Bett lag und überlegte, ob ich es ihnen nicht leichter machen sollte und mich direkt selbst umbringen. Dann hätte ich nicht so lange zu leiden..
Es klopfte an die Tür und mit einem leisen Schrei fiel ich geschockt vom Bett. Es war so weit. Die Tür öffnete sich. Dahinter stand eine andere Polizistin. Sie legte mir erneut Handschellen an und führte mich hinaus.
Ich traute mich gar nicht, zu fragen, wo sie mich hinbringen würde. Wahrscheinlich einen Raum ohne Kameras.
Die endlosen Gänge warfen alle Geräusche zurück und ich zitterte immer mehr. Wir passierten mehrere Kontrollen, doch niemand tat etwas. Aber vielleicht war es auch schon passiert! Ich brach fast zusammen und es wurde eine zweite Polizistin gerufen, die mich stützen sollte.
Wir kamen an eine weitere Tür, hinter der sich ein kahler Raum mit lediglich einem Tisch und zwei Stühlen befand, die am Boden befestigt waren.
Was haben die mit mir vor???
Ich wurde hingesetzt und mit den Handschellen am Tisch fest gekettet. Dann gingen sie.
Die Tür befand sich hinter meinem Rücken und ich wusste nicht, ob nicht noch jemand hinter mir stand, der jetzt genüsslich meine Angst ausnutzte um mich dann schließlich umzubringen. Wahrscheinlich waren die Kameras ausgeschaltet und niemand würde mich vermissen. Ich hatte ja noch nicht einmal einen Namen, weil sie mir ja nicht glaubten.
Krachend würde die Tür erneut geöffnet und ich hörte leise Schritte hinter mir. Sie blieben kurz stehen, bis die Tür erneut ins Schloss fiel. Dann kamen sie langsam näher. Ich traute mich nicht nachzusehen, wer es war. Ich würde sowieso bald sterben.
Zitternd zog ich den Kopf zwischen die Schultern und starrte stur auf den Tisch.
Warum ließ er sich so viel Zeit?!
Die Schritte waren verstummt und vollkommene Stille umfing mich. Ich hörte nur seinen Atem direkt neben mir.
Mit einem Anflug von Mut drehte ich mich um und wollte denjenigen schon anschreien, warum er sich so viel Zeit mit meinem Tod ließ, doch mir blieben die Worte im Hals stecken.
Ich konnte nichts tun außer mein Gegenüber anzustarren und begann, still vor mich hin zu weinen.
Unbewegt starrten wir uns an. Die Sekunden schienen wie eine Ewigkeit.
Wie sehr hatte ich auf diesen Moment gehofft. Dass, endlich alles vorbei ist. Doch es war anders.
Ich war anders.
Er ging vor mir in die Knie und sah mich besorgt an, doch ich konnte mich immer noch nicht regen. Es war wie eine Trance. Ein Traum. Aus dem ich sicherlich bald aufwachen würde. Er hob seine Hand und wollte sie an meine Wange legen, doch die Berührung riss mich aus meiner Starre und ich zuckte zurück.
„Babe...Wie geht es dir?“
Er nahm seine Hand wieder weg, blieb jedoch weiter vor mir hocken. Sein Blick wanderte über meinen Körper. Doch nicht so wie früher. Eher besorgt. Und auch das Gefühl, was mich dabei überkam war anders. Unangenehm.
Ich hätte mich am liebsten in irgendeiner Ecke versteckt. Gewartet, bis diese Halluzinationen endlich vorbei waren. Bis das Zittern aufhörte. Bis ich alles vergessen hatte. Doch das würde nie passieren..Also wann endlich schickte Justin seine Killer um mein dreckiges Leben endlich zu beenden. Musste er unbedingt so lange warten, damit ich auch wirklich alle Entzugserscheinungen auskosten konnte? Ich konnte doch jetzt schon nicht mehr. Dabei fingen die Halluzinationen erst gerade an.
Ein Zittern erfasste meinen Körper und ich presste die Beine an meinen Körper. Die Schluchzer warfen mich fast von dem Stuhl. Doch die Halluzination war immer noch nicht verschwunden. Verzweifelt schloss ich die Augen.
„Hey...Babe...Hör auf zu weinen. Ich bin doch da. Es ist alles vorbei. Wir haben Justin! Er wird dir nie wieder etwas antun können.“
Meine Halluzination war wohl besonders hartnäckig.
„Verschwinde! Ich weiß doch, dass du gar nicht echt bist! Das bilde ich mir alles nur ein! Hör auf, mich noch mehr zu quälen!“
Das Zittern wurde immer schlimmer. Doch plötzlich umgab mich Stille.
Hat es etwa geklappt?
Hoffnungsvoll öffnete ich die Augen.
Er hockte immer noch unverändert neben mir. Allein sein Blick wirkte verzweifelter. Aber das war ja klar, wenn ich selbst immer verzweifelter wurde.
„Du denkst ich bin eine Halluzination? Dann fass' mich doch an. Wenn ich wirklich nur in deiner Einbildung da bin, dann wird das nicht funktionieren.“
„Ich brauche keinen Beweis. Du willst mir nur Hoffnungen machen, damit ich später nur noch enttäuschter bin, wenn ich dich nicht anfassen kann.“
Ich versteckte meinen Kopf zwischen den Knien und versuchte meine Umgebung völlig zu ignorieren.
Da legte plötzlich jemand seine Hand in meinen Nacken.
Reflexartig schlug ich sie weg, doch ich wurde am Handgelenk gepackt. Geschockt sah ich die Hand an. Die war eindeutig keine Einbildung. Ich spürte doch den leichten Schmerz. Ich folgte dem Arm und sah in die Augen seines Besitzers.
„Glaubst du mir jetzt, dass ich echt bin?“
„Don...?“
Ich traute meinen Sinnen immer noch nicht wirklich. Was ist, wenn man Halluzinationen auch fühlen kann?
„Babe. Vertrau mir. Ich bin wirklich hier.“
„Wie hast du mich gefunden?“
„Das erzähl ich dir später. Komm jetzt erst einmal mit. Ich glaube du bist hier nicht sehr sicher.“
Er winkte der Tür zu und kurz später kam eine Polizistin herein, die mir die Handschellen öffnete.
Langsam stand ich auf und geriet leicht ins Schwanken. Don wollte mir helfen, doch ich wich vor seinen Berührungen zurück. Es schien wie ein Reflex zu sein, dass ich jedes mal erwartete, er würde mich schlagen. Aber er schien es zu verstehen und ging uns deswegen einfach hinter her. Die Polizistin stützte mich und schließlich gelangten wir an den Ausgang, wo ein Stapel frischer Klamotten auf mich wartete. Wahrscheinlich hatte Don sie ausgesucht, da es sich um eine schwarze Jeans und einen schwarzen Pullover handelte. Sogar an Schuhe hatte er gedacht. Wobei die schwarzen Chucks mich an meine erste Begegnung mit ihm erinnerten.
Das Piepsen der Gefängnistür riss mich aus meinen Gedanken und ich blickte in die Freiheit. Ich wusste nicht, wie Don es geschafft hatte, mich aus dieser Hölle zu befreien. Doch es war mir herzlich egal. Hauptsache endlich weg von Justin, diesem Gefängnis und vielleicht sogar noch eine Chance haben, weiter zu leben. Er ging wie ein Bodyguard neben mir, achtete jedoch darauf, mich nicht zu berühren.
Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich ein schwarzer Geländewagen auf, doch nach einer kurzen Schrecksekunde erkannte ich Felino hinter dem Steuer. Wir stiegen hinten ein und sofort fuhr er los.
Anscheinend hatte Don ihn gebeten, zu schweigen und ich war richtig froh darüber. Ich lehnte mich gegen die Wand und schloss erschöpft die Augen.
Als ich sie wieder öffnete lag ich in einem Bett. Jedoch kam mir alles so fremd vor. Verwirrt richtete ich mich auf, da hörte ich, wie eine Tür geöffnet wurde. Sofort stellte ich mich schlafend.
Ich hörte, wie jemand den Raum betrat und eine Tüte abgestellt wurde. Dann blieb er direkt neben dem Bett stehen.
„Babe. Du brauchst keine Angst zu haben. Ich bin's nur. Ich hab dir was zu Essen geholt.“
Misstrauisch öffnete ich die Augen und sah wirklich nur Don vor mir stehen.
„Wo bin ich?“
„In einer geheimen Wohnung von mir. Hier wird dich niemand finden.“
Er setzte sich auf die Matratze und unwillkürlich schossen mir die Bilder in den Kopf, wie Justin mich vergewaltigte. Sofort kam das Zittern wieder und ich rollte mich schützend zusammen.
„Hey. Ich tu dir doch nichts. Und auch sonst wird dir niemand mehr so etwas antun.“
„Du....Du weißt doch gar nicht, was passiert ist...“
Und ich wollte es auch nicht erzählen.
Ich spürte wie seine Hand langsam über die Matratze glitt und kurz vor meiner eigenen anhielt. Es war eine stumme Frage und ich kam ihr, wenn auch zögernd, nach. Es tat gut, nicht so allein zu sein. Und es lenkte mich ab.
„Iss erst einmal was, dann geht es dir ein bisschen besser. Danach können wir reden. Natürlich nur, wenn du willst..“
Ich ließ die Frage noch unbeantwortet und setzte mich langsam auf. Ich hatte noch meine gesamte Kleidung an, was mich beruhigte, und konnte mich direkt auf das Sofa neben dem kleinen Tisch setzen.
Er hatte mir ein großes belegtes Sandwich mitgebracht, so wie ich es früher immer gemocht hatte und auch jetzt knurrte mir sofort der Magen, als ob er sich schon darauf freuen würde.
Don setzte sich mir gegenüber und beobachtete mich entspannt beim Essen. Erst als ich fertig war, räumte er alles weg und reichte mir etwas zu trinken.
„Du wolltest wissen wie ich dich gefunden habe...An diesem Montag, als du verschwunden bist, ist Jacky dir hinterher gelaufen, weil du dein Portemonnaie liegen gelassen hattest. Sie hat dich von weitem in die Tiefgarage gehen sehen, doch als sie dort ankam warst du nicht mehr aufzufinden und sie entdeckte schließlich einen Flecken Blut auf dem Boden. Sofort rief sie mich an und wir sperrten alles ab, doch deine Entführer waren spurlos mit dir verschwunden. Der Kleinbus, der uns an dem Morgen begegnet war, hatte als einziger die Garage verlassen, doch die Täter waren auf den Videos nicht zu erkennen. Nach einer Woche mussten wir einsehen, dass du wahrscheinlich schon längst aus Spanien raus warst, obwohl wir die Sicherheitsmaßnahmen an den Flughäfen und Grenzen verdoppelt hatten. Auch der Bus führte nirgendwo hin, da er gestohlen war. Wir hatten also gar keine Spur...“
Er machte eine kleine Pause um selbst etwas zu trinken.
„Dann fiel David schließlich ein, dass du ihm vorher von einem Kerl in meiner Firma erzählt hattest, der dir irgendwie bekannt vorgekommen war. Er erwähnte es nur nebenbei, da kam mir Idee, ob du ihn nicht von deiner vorherigen Identität kanntest und er dich wiedererkannt hatte. Und da kam nur einer in Frage.“
„Laurent Michael.“, flüsterte ich.
„Ja...Zwei Tage später hatte ich den Wichser endlich gefunden. Er hatte sich zur Sicherheit versteckt, falls ich dein Verschwinden mit ihm in Verbindung bringen würde. Einen Tag später hatte ich ihn dann soweit, dass er endlich redete. Justin hatte ihm eine halbe Million für dich gegeben und versprochen, dein Auftauchen erst einmal geheim zu halten, damit ich nicht direkt auf ihre Fährte komme.“
Er seufzte.
„Und dann kam der beschissene Teil. Ich wusste, dass er dich hatte. Wusste, dass er dir Dinge antat, vor denen ich dich eigentlich beschützen wollte. Doch ich konnte nichts tun. Ich durfte nicht riskieren, dass er mitbekam, was ich wusste, sonst wärst du ganz schnell tot gewesen oder für immer verschwunden. Der Polizei konnte ich direkt auch nichts sagen, weil sie dich ja für tot hielten...“
„Seit wann wusstest du, wo ich bin?“
„Ich hab es vor ungefähr einer Woche herausgefunden...“
„Und wie lange war ich bei ihm?“
Überrascht sah er mich an.
„Das weißt du nicht? Der Bastard hat dich vor 4 Monaten entführt..“
Wow. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, doch dass es in Wirklichkeit 4 Monate waren, hätte ich nicht gedacht. Aber ich war ja auch die meiste Zeit high gewesen. Kein Wunder also, dass es mir rückblickend kürzer vorkam.
„Und wie habt ihr es dann bis zu Justins Haus geschafft, ohne dass er zu früh gewarnt werden konnte?“
„Wir haben uns über ihr Tunnelsystem unter der Stadt direkt in die Mitte ihres Bezirks schleichen können. Während die Polizei sich die Autos und alle anderen wichtigen Gebäude vorgenommen hat, ist eine Spezialeinheit zu Justins Haus und allen möglichen Verstecken gefahren und hat nach dir gesucht. Dass du mit ihm geflohen bist, hat das ganze natürlich nur erschwert und deswegen haben die mich auch jetzt erst zu dir gelassen. Allerdings musste ich ihnen einen Beweis liefern, dass du wirklich Lena Meier bist.“
Irgendwie war ich ja froh darüber. So war ich wenigstens aus diesem Gefängnis heraus gekommen, bevor mich jemand umbringen konnte.
„Aber woher wusstet ihr, wo die wichtigen Gebäude und Justins Haus waren? Und wie habt ihr von den Tunneln erfahren?“
Er grinste.
„Wir hatten Hilfe. Ich habe ein wenig in deiner Vergangenheit herumgeschnüffelt – ohne Computer hat es allerdings ein wenig länger gedauert – und schließlich bin ich auf deine Cousine gestoßen. Sie ist auch Mitglied der Gang, allerdings hatte Justin dafür gesorgt, dass sie von deiner 'Wiederauferstehung' nichts mitbekam. Die Tatsache, dass ihr eigener Freund es auch vor ihr verheimlicht hat, war wohl auch ein Grund, warum sie uns schließlich geholfen hat.“
„Maria? Wie geht es ihr? Wo ist sie?“
„Ihr geht es relativ gut. Sie ist in einem anderen Versteck und sie hat sich bereit erklärt vor Gericht gegen die Gang auszusagen, obwohl sie nicht sehr viel weiß.“
„Sie kommen alle vor Gericht?“
Er lachte.
„Was dachtest du denn? Ich werde dafür sorgen, dass dieser Wichser dir nie wieder etwas tun kann und auch, dass seine Gang endgültig auseinander fällt.“
„Aber...wie willst du das tun? Selbst, wenn ich dem Richter alles sagen würde, was ich weiß. Justin hat so gute Anwälte, dass sie ihn da sofort wieder heraus bekommen.“
„Dieses Mal nicht. Der Dreckskerl hat nämlich alles aufgenommen. Seine gesamten Verhandlungen mit irgendwelchen Drogenbossen, seine 'Verhöre', einfach alles. Sogar in seinem Haus hatte er Kameras, die alles aufgenommen haben...“
Verschämt ließ ich den Kopf hängen.
„Alles?...“
„...Ja...Wir haben auch seinen Drogenvorrat gefunden und gemeinsam mit deinen Blutergebnissen und den Videos können wir ihm auch nachweisen, dass er es war, der dich unter Drogen gesetzt hat. Allerdings wirst du nicht vor Gericht aussagen können...“
„Ich weiß...Das war wahrscheinlich einer seiner Gründe, mich ständig high zu machen...So konnte er es sich sparen mich umzubringen und dabei zusehen, wie ich innerlich immer mehr kaputt daran gehe...“
Ich lag auf meinem Bett und starrte an die Decke, da hörte ich, wie jemand das Zimmer betrat. Doch ich machte mir nicht die Mühe nachzusehen, wer das war. Es konnte ja nur Don sein.
Doch plötzlich stürzte sich jemand auf mich und drückte mich auf die Matratze, sodass ich mich nicht wehren konnte.
„Hey, Schlampe! Dachtest du wirklich du könntest dich vor mir verstecken? Ich finde dich immer! Egal wo du bist! Und jetzt wirst du dafür büßen, dass die Bullen mein Haus durchsucht haben und so viele aus der Gang hoch genommen haben!“
Er holte Handschellen heraus und fesselte damit meine Hände an das Bettende. Dann schnappte sein Messer auf.
„Du wirst es noch bereuen, dass du mich verlassen hast! Du gehörst mir! Und das wird sich niemals ändern! Selbst, wenn du vor mir fliehst, so kannst du doch nicht aufhören an mich zu denken! Ich werde dich ewig verfolgen! Selbst wenn ich tot bin, wirst du mich nicht vergessen können!“
Er schlitzte mein T-Shirt auf und riss mir die Hose herunter.
Ich war gelähmt vor Angst. Angst, dass er es wieder machen würde. Dass ich ihn nicht daran hindern konnte - Dass er Recht hatte.
Mir kamen die Tränen und als er sich ebenfalls auszog erwachte ich aus meiner Starre und trat wild um mich.
„Wie hast du mich gefunden? Lass mich endlich in Ruhe! Nein! Du Schwein! Nicht!“
Doch er packte meine Beine und drückte sie erbarmungslos auseinander.
„Nein! Aufhören!“, ich schluchzte laut auf. Doch es half alles nichts. Er legte sich zwischen meine Beine und ..
„Babe! Hey! Aufwachen!“
Jemand packte mich an den Schultern und schüttelte mich. Erschrocken schrie ich auf und wich ängstlich über das Bett zurück. Alles war verschwommen. Die Tränen rannen mir über mein Gesicht und ich kauerte mich in der Zimmerecke zusammen.
„Hey, das war nur ein Traum! Beruhig dich, Kleines!“
Ich hob den Kopf und erkannte Don, wie er – etwas von mir entfernt – auf dem Boden hockte und mich besorgt ansah.
„Es...hat sich so echt angefühlt. Ich dachte, er hätte mich gefunden und dann...“ Ich konnte nicht weiter reden. Die Tränen überkamen mich erneut und mit ihnen auch die Erinnerungen. Das Zittern verstärkte sich und ich schloss ängstlich die Augen. Aber es half nichts.
Erst als ich Dons Stimme wahrnahm wurde ich wieder etwas ruhiger.
„Er wird dir nie wieder weh tun können und ich werde auch nicht zulassen, dass du ihm noch einmal gegenübertreten musst!“
Traurig lächelte ich. Justins Worte aus dem Traum hallten immer noch in meinem Kopf. Und ich realisierte, dass er wirklich Recht gehabt hatte. Selbst, wenn ich ihn nie wieder sehen würde – ich würde ihn nie vergessen können. Das was er mir angetan hatte, würde niemals aus meinem Kopf verschwinden. Und wahrscheinlich würde ich auch nie wieder ertragen können, wenn ein anderer Mann mich anfasst.
„Das wird jedoch nichts bringen. Ich werde die Bilder niemals verdrängen können..“
„Doch das wirst du! Wenn du so einfach aufgibst, tust du ihm doch nur einen Gefallen. Warum willst du ihm diesen Sieg gönnen. Kämpf doch dagegen an! Du bist stark genug dafür! - Aber jetzt geh erst einmal duschen, dann kommst du auf andere Gedanken!“
Ich tat, wie mir geheißen und er hatte Recht. Das warme Wasser wusch nicht nur den Dreck ab, sondern auch das Gefühl von Justins Händen auf meinem Körper. Genießerisch blieb ich erst einmal eine viertel Stunde darunter stehen. Dachte an gar nichts außer an die Tropfen, die meine Haut berührten und das Plätschern, was meine Ohren erfüllte.
Eine halbe Stunde später kam ich entspannt aus dem Bad und entdeckte neue Kleidung für mich, die ich sofort anzog. Justin schien zu verstehen, dass ich jetzt nichts anziehen wollte, wobei ich viel Haut zeigte. In den weichen Pullover gekuschelt setzte ich mich schließlich auf das Sofa und schaltete das Fernsehen an. Irgendeine sinnlose Serie. Scrubs. Aber irgendwie auch lustig. Also verbrachte ich den gesamten restlichen Tag auf dem Sofa und lenkte mich mit Fernsehen ab.
So ging es eine ganze Woche lang. Ich tat nichts anderes als essen, schlafen, duschen und fernsehen. Zwischendurch kam immer wieder Don herein. Vor allem, wenn ich wieder schlecht träumte, was leider sehr oft passierte. Aber wenigstens spürte ich kaum noch Nachwirkungen, von den Drogen. Lediglich ein unbefriedigtes Verlangen erfüllte mich. Mal mehr, mal weniger. Doch Nachts, wenn ich schlaflos auf meinem Bett lag und mich nicht traute, die Augen zu schließen – dann war der Drang danach so groß, dass ich sogar einmal bis zur Tür gegangen war, in der Hoffnung irgendwo auf der Straße einen Dealer zu finden. Aber zum Glück war mir Don im Flur begegnet und konnte mich davon ablenken. Er setzte sich die gesamte Nacht neben mein Bett und redete, wenn die Erinnerungen mich wieder überrannten.
Aber an diesem Dienstag war es endlich so weit. Justins Gerichtsverhandlung! Sie begann um 10 Uhr, sodass Don nicht mit mir Frühstücken konnte, weil er aussagen wollte.
Um 5 Minuten nach 10 war ich schon fast am Ende meiner Nerven. Ich traute mich nicht, die Nachrichten einzuschalten. Aber ich hatte den Eindruck als wolle die Uhr an der Wand mich ärgern. Die konnte gar nicht richtig gehen! Der Sekundenzeiger war sicherlich zu langsam! Es schien, als ob die Batterie jede Sekunde kurz leer gehen würde und dass die Zeit deswegen noch langsamer laufen würde.
Schließlich wurde mir das Starren auf den Zeiger zu dumm und ich überredete mich, eine lange Dusche zu nehmen. Das würde mich sicherlich ablenken.
Doch es half nichts. Ich konnte nicht aufhören, darüber nachzudenken, falls Justin freigesprochen würde. Das wäre mein Ende. Ich müsste jeden Tag Angst haben, dass er mich finden würde. Egal wo ich bin. Und dann würde er mich wieder zurück schleppen und dort weiter machen, wo er vor einer Woche aufgehört hatte. Wahrscheinlich würde es sogar noch schlimmer werden.
Erneut fing ich an zu zittern und sank kraftlos an der Wand herunter.
Das darf einfach nicht geschehen!
So saß ich eine gefühlte Ewigkeit unter dem heißen Wasser und weinte mich aus. Doch dann hörte ich die Zimmertür und sprang erschrocken unter der Dusche hervor. So schnell hatte ich mich wahrscheinlich noch nie angezogen und meine Haare durchnässten den Pullover, doch das war mir egal.
Ich riss die Tür auf und starrte Don an, wie er entspannt auf dem Sofa saß. Er hatte einen schwarzen Anzug an, doch das Sakko hatte er über den Sessel gehangen.
Ich traute mich gar nicht, zu fragen, doch er wusste auch so, was ich wollte.
„Du hattest Recht, Justin hat wirklich gute Anwälte...“
Verzweifelt sackte ich gegen den Tür rahmen. Ich hätte mir gar nicht erst solche Hoffnungen machen dürfen!
„Aber dank deiner Cousine und den Videobändern konnten wir den Richter überzeugen, dass Justin ins Gefängnis muss. Für 20 Jahre. Aber ob er danach frei kommt, ist auch nicht sicher. Also brauchst du dir keine Sorgen zu machen.“
Erleichterung machte sich in mir breit. 20 Jahre war zwar nicht lebenslänglich, aber immerhin besser als gar nichts. Und wer weiß, was in 20 Jahren war..
„Danke...“
Ich setzte mich gedankenverloren auf mein Bett und zog die Beine an meinen Körper.
„Ich muss dir aber noch etwas sagen..“ er zögerte, was mich dazu brachte ihn anzusehen, wie er frustriert die Fäuste ballte.
„Seine Anwälte haben dich ziemlich in den Dreck gezogen, vor Allem, weil du früher seine Freundin warst und ihm das Alles nur aus Rache anhängen wolltest. Deswegen wurde er bezüglich der Vergewaltigung und des Drogenmissbrauchs nicht verurteilt.“
Eine plötzliche innerliche Leere überkam mich. Sie hatten mir nicht geglaubt. Ich wurde als eine drogensüchtige Schlampe abgestempelt und wahrscheinlich..
„Und was ist mit den Dingen, die ich früher getan habe..? Du weißt schon..Als ich noch mit ihm zusammen war..“
„Das hast du auch deiner Cousine zu verdanken. Sie hat den Kommissar so lange angebettelt, bis er dafür gesorgt hat, dass du nicht dafür bestraft wirst, weil du den Ermittlungen geholfen hast.“
Ungläubig starrte ich ihn an. Damit hätte ich nie im Leben gerechnet.
„Was ist denn jetzt mit Maria?“
Sie hatte so viel für mich getan, obwohl ich sie so hintergangen hatte.
„Sie ist ein paar Zimmer weiter, falls du sie sehen willst..“
Sofort sprang ich auf und rannte auf den Flur des Hotels, in dem ich mich befand. Don rief mir noch die Zimmernummer zu und wenige Sekunden später hatte ich die Tür erreicht. Aufgeregt klopfte ich und als geöffnet wurde konnte ich vor Freude kaum noch reden.
„Maria...“
Wir starrten uns einfach nur an.
„Darf ich rein kommen?“
Sie antwortete nicht, ging einfach zurück und ließ die Tür offen stehen. Ich kam ihr hinterher und betrat ein Zimmer, das identisch mit meinem schien. Meine kleine Cousine setze sich auf die Couch und sah mich erwartungsvoll an.
„Ich....es tut mir Leid, was ich dir angetan habe. Ich hab dich im Stich gelassen. Obwohl ich genau wusste, wie gefährlich es für dich dort war. Ich war so egoistisch...Und du....ich schulde dir so viel. Ohne dich, wäre ich verloren gewesen...Dabei hätte ich es eigentlich nicht verdient... Ich habe mich nicht um dich gekümmert....und du rettest mir das Leben...ich....danke...“
Schon wieder traten mir die Tränen in die Augen. Genervt wischte ich sie weg, doch es kamen immer mehr. Da senkte sich plötzlich das Bett neben mir und jemand legte sanft seine Hand auf meine Schulter. Ich konnte nicht verhindern, dass ich zusammen zuckte, doch als ich auf sah entdeckte ich, dass es nur Maria war.
„Lena..Ich habe dich noch nie weinen sehen..Hör auf! Du warst doch immer die Starke von uns zwei! Was dieser Mistkerl dir angetan hat...Das konnte ich doch nicht weiter zulassen. John hat mich belogen. Er war nur mit mir zusammen, damit Justin mehr Kontrolle über mich hat...“
Auch ihr kamen die Tränen, da musste ich plötzlich lachen.
„Sieh uns nur an. Wir haben uns über 1 Jahr lang nicht mehr gesehen und du dachtest sogar ich wäre tot und jetzt? Sitzen wir heulend auf dem Bett weil unsere Exfreunde dreckige Arschlöscher sind..“
Auch sie musste lachen und ich sah sie hoffnungsvoll an.
„Verzeihst du mir bitte? Ich verspreche die, dass ich alles wieder gut machen werde!“
„Ist schon okay, Leni. Du schuldest mir gar nichts. Du hast immer auf mich aufgepasst und jetzt verdanke ich dir sogar indirekt, dass ich von diesem Wichser weg komm. Wir sind also quitt!“
Sie grinste mich schief an und ich nahm sie zögerlich in den Arm. Aber entgegen meinen Erwartungen war es angenehm. Ich fühlte mich bei ihr sicher. Obwohl ein kleiner Teil meines Unterbewusstseins immer noch damit rechnete, plötzlich verletzt zu werden.
Und so verbrachten wir den Tag bis spät in die Nacht und redeten über alles, was wir aus dem Leben der Anderen verpasst hatten – wobei wir jedoch das Thema Justin und John galant umgingen.
Das war auch die erste Nacht, wo ich nicht von einem Alptraum aufwachte.
Lustlos stocherte ich in meinem Mittagessen herum. Don hatte mir Nudeln mit Hackfleischsoße gebracht, doch so wirklich wollte mein Appetit nicht kommen.
„Was ist los Babe? Ist irgendwas mit Maria gestern gewesen?“
„Nein..sie hat mir verziehen...wir haben den ganzen Tag geredet...“
„Aber?“
Ich seufzte und beschloss, mein Essen nicht länger zu quälen sondern legte die Gabel weg.
„Was soll jetzt passieren? Ich kann mich nicht ewig in diesem Hotel verstecken..Du musst irgendwann wieder zurück nach Spanien..Aber ich will Maria nicht wieder alleine lassen..“
„Dann kommt sie einfach mit. Das ist doch kein Problem!“
Ich seufzte erneut.
„Das ist doch gar nicht so einfach, wie du gerade tust. Sie kann doch noch nicht mal Spanisch. Und bei mir...wie ist das mit der Schule?“
Nun seufzte auch er.
„Einfach so zurück kommen, als wäre nichts passiert, geht natürlich nicht. Außerdem ist jetzt ja aufgeflogen, dass das nur deine zweite Identität war..Aber ich werde mit dem Direktor der Schule reden, wenn wir wieder zurück sind.“
„Und...wenn..“
„Hey! Sei nicht immer so pessimistisch! Ich werde mit ihm reden und auch den Rest werde ich regeln! In deine alte Wohnung kannst du erst einmal vielleicht nicht, aber bei mir im Haus ist noch Platz für dich und Maria, bis wir näheres wissen. Okay? Ich werde dich nämlich auf keinen Fall alleine hier in Deutschland lassen!“
„Danke! Was würde ich nur ohne dich machen..“
Er lachte.
„Darüber brauchst du dir keine Gedanken machen, weil ich immer für die da sein werde.“
Dann stand er grinsend auf und verließ den Raum.
Als ich endlich fertig mit meinem Essen war, besuchte ich Maria.
„Hey Kleine. Ich muss dich war fragen?“
Sie erwiderte leicht meine Umarmung, darauf bedacht mich nicht zu sehr einzuengen.
„Kay? Komm rein.“
Wir machten es uns vor dem Fernseher gemütlich und schauten erst ein wenig Scrubs, bis ich schließlich das Schweigen brach.
„Weißt du..Wegen dem, wie es jetzt weiter geht..Don muss bald wieder nach Spanien. Immerhin hat er da ja eine Firma um die er sich kümmern muss..“
„Ich nehme mal an, Don ist ein Spitzname für Diego, obwohl er nicht aussieht, als ob er sich einfach so Spitznamen geben lässt...aber egal. Und du weißt jetzt nicht, ob du wieder mit ihm gehen sollst.“
„Ja..Nein...Ich weiß es nicht. Das hängt alles von dir ab. Ich werde dich nicht noch einmal allein lassen!Deswegen..Entweder wir bleiben gemeinsam hier oder wir gehen gemeinsam nach Spanien oder sonst irgendwo hin. Das überlasse ich ganz dir..“
„Lena...wie soll das gehen? Seien wir doch mal ehrlich. Wir haben kein Geld. Weder hier, noch in Spanien noch sonst irgendwo. Und einen Flug irgendwohin können wir uns erst recht nicht leisten. Das wäre doch verrückt. Dann stehen wir ohne irgendwelche Mittel irgendwo und landen schließlich in einer noch schlimmeren Szene als vorher. Ich werde wieder zu meinem Vater zurück gehen und du...was du machst, dass musst du selbst entscheiden!“
„Nein!“ ich kniete mich auf das Sofa und sah sie flehend an.
„Das kannst du nicht machen! Du kannst doch nicht einfach so zurück gehen. Die werden wissen, dass du sie verpfiffen hast! Das wäre Selbstmord! Das weißt du!“
„Was soll ich denn sonst machen?! Jetzt sei doch mal realistisch! Wir werden es niemals zu einem besseren Leben schaffen! Das haben wir anscheinend nicht verdient..“
„Doch! Das haben wir verdient! Wir fangen einfach ein komplett neues Leben an! Wir beide! In Spanien!“
Sie lachte trocken.
„Du müsstest doch gemerkt haben, dass das nichts als Wunschdenken ist! Es hat bei dir doch schon einmal nicht geklappt. Dein altes Leben hat dich wieder eingeholt!“
Das war hart.
„Das stimmt...aber die Zeit, die ich dort hatte, ist es wert gewesen!“
Damit stand ich auf und ging zurück um mich verzweifelt auf mein Bett zu werfen und still vor mich hin zu weinen.
Irgendwann hörte ich die Tür und jemand setzte sich neben mich.
„Babe? Ich hab einen Flug morgen nach Hause. Kommt ihr mit?“
Stumm schüttelte ich den Kopf, als ich ein seufzen neben mir hörte. Er strich mir sanft über einen Finger und ließ mich dann wieder alleine.
Die Tatsache, dass ich trotz dieser kleinen Berührung zusammen gezuckt war, machte mich noch verzweifelter und verkroch mich den Rest des Tages im Bett.
Maria vertraute mir nicht mehr. Und sie hatte keine Hoffnung mehr. Genau wie ich. Jedoch fand ich bei Don halt, der das Fünkchen an Hoffnung in mir am Leben hielt. Aber was wäre, wenn meine Cousine sich nicht überreden ließe? Ich hatte ihr versprochen, sie nicht mehr alleine zu lassen. Jedoch würde das dann bedeuten, wieder in die Hölle zurück zu kehren. Nur ein paar Straßen weiter. Das würde ich nicht lange aushalten. Wenn ich nicht vorher schon umgebracht werde oder sonst irgendetwas passiert.
Spanien wäre eine Gegend ohne jegliche Erinnerungen daran – oder nur wenigen. Und selbst die hätten die Macht mich innerlich zu zerreißen. Wenn Don mich nicht unterstützt..oder Jacky und David. Ihnen vertraute ich. Aber ohne Maria würde ich nicht zu ihnen zurück kehren können.
Was soll ich nur tun? Entweder ich halte mich an mein Versprechen und ignoriere meine Ängste oder ich bin so egoistisch wie vorher und lass' sie allein, habe dadurch aber die Chance über das Vergangene hinweg zu kommen und wieder ein normales Leben zu führen.
Verdammt!
Frustriert schlug ich mit der Faust auf die Matratze.
Ich hatte keine Ahnung!
Ich zerbrach mir bis spät in die Nacht den Kopf bis er so heftig schmerzte, dass ich eine Tablette nehmen musste. Und selbst danach war ich so durcheinander, dass ich nicht einschlafen konnte.
Doch dann kamen die Alpträume wieder..
Schließlich entschied ich mich gegen den Schlaf, da es auch schon wieder hell wurde und nahm stattdessen eine lange Dusche. Jedoch erzielte sie nicht die gewünschte Wirkung, da ich mich immer noch entscheiden musste. Und die Stunde der Entscheidung rückte immer näher. Es waren 6 Uhr und um 10 wollte Don das Land verlassen.
Frustriert kochte ich mir einen Kaffee und kuschelte mich unter eine Decke auf dem Sofa um zu überlegen.
Ich wurde aus meinen Überlegungen gerissen als die Zimmertür sich öffnete und Don mit neuen Klamotten herein kam.
„Hey. Es sind schon kurz nach 9...Wir müssen gleich los...“
Er sah mich weiter auffordernd an.
„Don...ich hab es ihr versprochen...“ Es war kaum ein Flüstern, was ich heraus brachte.
Eine Augenbraue wanderte nach oben, dann grinste er selbstgefällig.
„Babe. Ich hab dir nie eine Wahl gelassen. Du kommst mit. Und jetzt zieh dich um.“
Ungläubig starrte ich ihn nur an.
„Nein. Ich...bleib bei Maria! Das schulde ich ihr!“
Er lachte.
„Du schuldest ihr nicht, dass du dein Leben weg wirfst, was sie dir erst kurz vorher gerettet hat! Du kommst mit nach Spanien!“
„Aber..“
„Nichts aber! Du kommst mit! Und weil du ohne Maria nicht willst, kommt sie auch mit!“
„Ja aber..“
Er lachte erneut.
„Ich hab doch gesagt 'nichts aber', Babe. Maria hat ihre Meinung geändert, nachdem ich kurz mit ihr geredet hatte. Obwohl ich sagen muss, dass sie noch misstrauischer ist als du vor eineinhalb Jahren.“
„Du...? Sie will mitkommen? .. Danke!“
Erleichtert grinste ich ihn an und nahm dann die Kleidung entgegen, die er mir mitgebracht hatte. Schnell verschwand ich im Bad, war jedoch schon kurz darauf fertig zum Aufbruch. Gepäck hatte ich schließlich keines.
„Darf ich bitten?“
Galant hielt er mir die Tür auf, vor der schon meine Cousine stand, die mich entschuldigend angrinste. Ich nahm ihre Hand und es konnte los gehen.
Nach Spanien.
Endlich.
Maria kam gar nicht mehr aus dem Staunen heraus, als wir den kleinen Privatjet betraten, und setzte sich ehrfürchtig auf einen der Sessel. Sie hatte ebenfalls andere Kleidung von Diego bekommen und bis auf die Haare sahen wir aus wie Zwillinge.
Ich nahm den anderen Sessel, während Don und drei seiner Mitarbeiter sich auf die Sofas verteilten und schon startete das Flugzeug.
Ich hatte mich auf dem Sessel zusammengekauert und beobachtete die vier Männer, während meine Cousine mit offenem Mund aus dem Fenster starrte. Sie war immerhin noch nie geflogen und es musste alles ziemlich aufregend für sie sein. Doch mich engte der kleine Raum mit den vielen Männern nur ein und ich freute mich schon darauf ihn endlich wieder verlassen zu können.
Es war noch nicht einmal eine Stunde vergangen und ich war mit meinen Nerven am Ende. Jedes Mal, wenn einer meiner Aufpasser sich auch nur ein kleines bisschen Bewegte zuckte ich zusammen. Ich traute mich nicht meine Augen zu schließen und konnte sie auch nicht von ihnen abwenden, aus Angst, dass sie mir irgendetwas tun könnten.
Seufzend stand ich auf und verschwand auf der Toilette. Dort ließ ich mich an der Wand herunter gleiten und schloss erschöpft die Augen.
Wie sollte das nur weiter gehen, wenn ich noch nicht einmal mit Männern in einem geschlossenen Raum sein konnte, ohne vor Anspannung fast in die Luft zu gehen?! So würde das doch nie etwas mit meiner Ausbildung zum Kopfgeldjäger. Ich musste mich zusammenreißen!
Doch ich traute mich trotzdem nicht den kleinen Raum zu verlassen und verbrachte schließlich fast den gesamten Flug dort.
Erst nach einer gefühlten Ewigkeit klopfte es leicht an der Tür und ich konnte gerade so einen Schrei unterdrücken.
„Leni? Alles klar? Wir landen gleich und du musst dich setzen.“
Ich hörte wie sich Schritte entfernten und atmete noch einmal tief durch.
Schließlich raffte ich mich auf, wusch mir noch einmal das Gesicht mit eiskaltem Wasser und verließ meinen Rückzugsort.
Die Anderen saßen unverändert und nur Don und Maria sahen kurz auf, als ich herein kam und mich – ihre Blicke ignorierend – wieder setzte. Kurz darauf ertönte auch schon das Zeichen zum Anschnallen und wir landeten auf dem Flugplatz von Granada.
Dort warteten auch schon zwei schwarze Geländewagen, die uns direkt zum Firmengebäude fuhren. Ich saß mit Maria auf dem Rücksitz und hatte ihre Hand genommen, während sie begeistert aus dem Fenster starrte. Schließlich kamen wir an unserem Ziel an und konnten aussteigen.
Ich ließ mir Zeit und entdeckte sogar meinen Audi A1 in einer Ecke, was mich leicht zum grinsen brachte. Doch dann realisierte ich dass ich jetzt zu 6 Männern in einen Aufzug steigen sollte und stockte leicht. Allein die Vorstellung machte mich nervös.
Aber ich musste mich einfach zusammenreißen und wollte ihn deswegen gerade betreten als Don mich zurück hielt. Seine Berührung ließ mich zurück schrecken, doch er sah mich nur entschuldigend an und zog ebenfalls Maria wieder aus der Kabine.
„Wir nehmen den nächsten...“
Mit wild klopfendem Herz lehnte ich mich an die Wand neben der Tür und dankte ihm still. Ich hätte wahrscheinlich eine Panik Attacke bekommen, wenn so eine leichte Berührung mich schon so sehr erschreckte.
Als ich endlich aus der Aufzugkabine heraus konnte schwor ich mir, ihn nie wieder zu benutzen. Ich hatte mich mit geschlossenen Augen in die Ecke gedrängt und krampfhaft versucht, Diegos Anwesenheit zu ignorieren – doch darin war ich noch nie gut gewesen..
Er schloss uns schließlich im dritten Stock eine kleine Wohnung auf. In der Ecke war eine kleine Küche mit einem kleinen Tisch unter dem großen Fenster, an der gegenüberliegenden einem Doppelbett und daneben einem Sofa mit einem Fernseher an der Wand. Das Bad war direkt neben der Tür und ebenfalls nicht sehr groß, doch es reichte aus.
„Ich lass' euch dann jetzt mal alleine. Im Schrank sind deine alten Klamotten, Babe, wenn sie Maria nicht passen, sag einfach Bescheid, dann besorg' ich ihr noch ein paar. Auf dem Tisch liegen übrigens zwei Handys und Wohnungsschlüssel für euch. Ihr könnt euch ja erst einmal was ausruhen oder du zeigst Maria die Stadt...Wenn etwas ist, ich bin oben.“
Damit schloss er die Tür hinter sich und ich ließ mich erschöpft auf das Bett sinken. Meinen Kopf vergrub ich unter einem der Kissen und zum ersten Mal seit der Abfahrt am Morgen hatte ich wieder die Möglichkeit mich wenigstens etwas zu entspannen.
„Hier ist es wirklich wunderschön. Jetzt kann ich verstehen, warum du unbedingt wieder zurück wolltest. Nur an die Hitze muss ich mich noch etwas gewöhnen.“
Ich hörte Stoff rascheln und dann wurde das Fenster geöffnet.
Vorsichtig lugte ich unter dem Kissen hervor und sah, wie meine Cousine sich neugierig aus dem Fenster beugte um die Umgebung zu betrachten. Doch plötzlich trübte sich ihr Blick und wirkte nachdenklich und traurig.
Ihre hellblonden Haare flatterten im Wind und ihre schmale, kleine Gestalt ließen sie so zerbrechlich wirken. Sie war zwei Jahre jünger als ich und hatte meine Stärke immer bewundert. Dass ich jetzt noch mehr Angst hatte als sie, schien sie sehr mitzunehmen und zu verunsichern. Das konnte ich nicht zulassen, bei dem, was sie für mich getan hatte.
Ich musste mich zusammenreißen! Doch ich schaffte es nicht...
Das Gefühl im Aufzug, dass ich von dort nicht fliehen konnte. Oder im Flugzeug, umringt von den vielen Männern. Ich hatte immer damit gerechnet, dass einer von ihnen mir weh tun würde. Selbst bei Don.
Das war wahrscheinlich noch das Schlimmste. Dass ich selbst ihm nicht mehr vertrauen konnte, obwohl ich es doch so sehr wollte..Ich wollte dieses Gefühl der Sicherheit wieder haben, was ich vor 4 Monaten noch hatte.
Ich hatte gedacht, dass es besser werden würde, wenn ich erst einmal wieder zurück in Spanien war. Doch es hatte sich nichts verändert. Und es würde sich wahrscheinlich auch nichts ändern.
Justin hatte meinen Geist gebrochen und ich würde nie wieder so sein wie vor meiner Entführung.
Und schließlich würde meine Angst auch Maria kaputt machen, weil sie sich sonst immer auf mich verlassen konnte.
Ich bestand nur noch aus einer menschlichen Hülle – gefüllt mit Angst.
Ein Zittern packte meinen Körper und mir kamen die Tränen.
Ich war ein Wrack.
Verzweifelt rollte ich mich zusammen und schluchzte leise in das Kissen.
„Leni....“
Das Bett senkte sich neben mir und ich wich zurück. Ich konnte jetzt keine Berührung ertragen. Ich wollte nur noch alleine sein und sterben. Denn das, was ich jetzt hatte, war kein richtiges Leben mehr.
Es war jetzt schon eine weitere Woche vergangen, in der ich mich nicht vor die Tür getraut hatte. Tagsüber lag ich nur weinend auf dem Bett und aß kaum etwas. Nachts wurde ich von Alpträumen gequält aus denen ich schreiend und weinend erwachte.
Maria versuchte mich ständig zu trösten doch ich schreckte vor ihren Berührungen zurück.
Ich hatte die Hoffnung aufgegeben, dass ich die Träume und die Angst noch einmal los werden würde und wartete nur noch auf meine Erlösung.
Don ließ sich auch nicht mehr Blicken.
Wahrscheinlich war er der gleichen Ansicht, wie ich und wollte mich nicht noch mehr quälen, da es sich ja nie wieder bessern würde. Und außerdem, was wollte er auch mit mir anfangen, wenn ich seine Berührungen nicht ertragen konnte und ständig am heulen war. Er hatte sich um mich gekümmert, weil er die alte Melina wieder haben wollte, doch jetzt, wo er wusste, dass sie nie wieder kommen würde, musste er sich auch nicht mehr um mich kümmern. Es war wahrscheinlich nur noch eine Frage der Zeit, wann er uns endlich raus schmeißen würde. Schließlich hatte ich diesen Vertrag auch nicht erfüllt, dass ich die Schule beende und dann für seine Firma arbeite.
Jacky und David hatte ich auch nicht wieder gesehen. Sie waren wahrscheinlich auch zu sehr von mir enttäuscht oder schämten sich wegen mir. Und ich hatte sie ja auch die ganze Zeit angelogen.
Letztendlich war ich ganz alleine. Maria versuchte immer weniger mit mir zu reden oder mich zum Essen zu überreden. Ich könnte es ja verstehen, wenn sie sich auch bald von mir abwenden würde. Schließlich war ich nur eine dumme, drogensüchtige, ängstliche Schlampe.
Das Klicken einer Tür riss mich aus meinen Gedanken, doch ich drehte mich nicht um. Es war mir egal, wer dort herein kam.
Leise Schritte näherten sich und blieben schließlich vor meinem Bett stehen.
Vielleicht hatte mich ja einer von Justins Leuten gefunden und beendete jetzt endlich mein Leiden.
Das Bett senkte sich neben mir, doch ich rührte mich nicht.
Erst als eine Hand sich auf meine Schulter legte, zuckte ich leicht zusammen. Aber dann riss ich mich wieder zusammen und schloss einfach die Augen. Ich war bereit zu sterben.
Die Hand strich mir langsam über den Oberarm, was mich erschaudern ließ, doch ich regte mich auch weiterhin nicht.
„Warum tust du das?“
Es war nur ein Flüstern, doch ich erkannte überrascht den Besitzer der Stimme und drehte mich um.
„Don?Was machst du denn hier?!“
Er hatte seine Hand wieder von meinem Arm genommen und musterte mich prüfend.
„Was dachtest du denn, wer sonst in dein Zimmer kommt? Maria ist doch gerade erst gegangen.“
Ich wich seinem Blick aus, doch er schien meine Antwort trotzdem zu erkennen.
„Warum, Babe? Warum willst du sterben? Maria hatte schon die Befürchtung und anscheinend lag sie richtig. Aber ich kann nicht verstehen warum du so schnell aufgibst und diesen Wichser gewinnen lässt! Ich dachte wirklich, dass du nicht so dumm bist!“
Wütend setzte ich mich auf und funkelte ihn an.
„Was heißt denn, so schnell?! Du weißt nicht, was er mir alles angetan hat! Du hast keine Ahnung wie ich mich fühle! Ich habe doch versucht mich dagegen zu wehren aber ich kann einfach nicht!“
Mir kamen erneut die Tränen und ich schlang schluchzend die Arme um meinen ausgemergelten Körper.
Don betrachtete mich stumm und stand dann auf.
Ich dachte schon, dass er gehen wollte und rollte mich auf meinem Bett zusammen, als mich plötzlich ein T-Shirt und eine kurze Hose am Kopf trafen.
Verwirrt betrachtete ich die Kleidung, als ein Paar Schuhe vor dem Bett landeten und Don wieder in meinem Blickfeld erschien.
„Ich weiß vielleicht nicht, wie du dich fühlst, aber ich kann es mir vorstellen! Und wenn du es wirklich willst, dann kannst du dich auch dagegen wehren! Ich werde auf jeden Fall nicht weiter zusehen, wie dieser Idiot dich noch mehr kaputt macht!“
„Du hast dich doch überhaupt nicht um mich gekümmert in letzter Zeit! Ich war dir egal!“
Wütend schmiss ich die Klamotten auf ihn, doch er fing sie einfach auf.
„Ich dachte, etwas Abstand würde dir gut tun! Maria hat mir täglich erzählt, wie es dir geht! Aber du hast dich ja anscheinend schon aufgegeben! Das hätte ich niemals von dir erwartet...“
„Ich habe aufgegeben, weil ich nicht mehr kann und es auch hier in Spanien nicht besser wird! Es hat einfach keinen Zweck mehr!“
„Du musst es doch erst einmal probieren! Es war klar, dass nicht alles sofort von dir Abfallen würde, wenn du hier bist. Aber wenn du dich anstrengst, dann kannst du es schaffen! Und wenn du noch ein wenig Stolz besitzt, dann steh gefälligst aus deinem Bett auf, zieh' die Klamotten hier an und komm mit!“
Er schmiss sie mir erneut an den Kopf und stürmte wütend aus dem Zimmer.
Traurig betrachtete ich sie. Jetzt hatte ich es auch noch geschafft, dass Don mich für Abschaum hielt. Ich war einfach zu nichts fähig..
Ich rollte mich auf dem Bett zusammen, die Klamotten umklammert, und weinte bitterlich.
Er hatte immer an mich geglaubt und jetzt hatte ich auch ihn enttäuscht. Nur wegen Justin!
Sein Gesicht tauchte plötzlich vor mir auf und lacht höhnisch.
„Ich habe dir doch gesagt, dass du zu schwach bist! Wenn ich dich nicht beschütze, bist du wehrlos!“
Ich wimmerte und verdrängte die Erinnerung an den Morgen in seinem Haus, wo er mich das erste Mal aus meinem Gefängnis gelassen hatte. Damals hatte ich mich noch gewehrt und geglaubt, dass ich stärker war. Doch er hatte es geschafft mich zu schwächen und jetzt war ich so wehrlos, wie er damals sagte. So wehrlos, wie ich niemals sein wollte!
Erneut übermannten mich die Erinnerungen an die Nacht, wo er mich blutend in der Küche liegen gelassen hatte – wie ein Stück Dreck.
Ich wollte die Erinnerungen vergessen! Sie nie wieder sehen! Einfach aufhören zu leben!
Doch ein einziges Ziel hatte ich noch!
Ich wollte Justin für das büßen lassen, was er mir angetan hatte! Ich wollte ihn genauso quälen wie er mich! Und dann würde ich dem Ganzen endlich ein Ende setzen!
Mit einer plötzlichen Welle an Motivation, rappelte ich mich auf und zog mich schnell um. Entschlossen band ich meine Turnschuhe, steckte mein altes iPhone und den Wohnungsschlüssel ein und trat vor die Tür, wo Don noch auf mich wartete.
Überrascht musterte er mich, doch ich würde allen zeigen, dass ich stärker war, als sie dachten!
Ich wollte nie wieder in diese Depressionen verfallen! Wollte nie wieder diese grenzenlose Angst spüren! Nie wieder der Sucht nach den Drogen erliegen!
Damit war jetzt Schluss!
Meine Motivation hielt bis zum Fahrstuhl an, der zwar glücklicherweise leer war, doch allein Don's Anwesenheit reichte schon aus um mich zu verunsichern. Aber ich ließ mir nichts anmerken und trat tapfer in die Kabine. Ich spürte seinen Blick auf mir, als ich mich wieder in die Ecke stellte, die Arme um mich schlang und versuchte meine Umgebung auszublenden. Doch er sagte nichts.
Endlich öffneten sich die Türen wieder und ich war ziemlich stolz auf mich, dass ich nur minimal zitterte und schon nach wenigen Metern die Bilder aus meinem Kopf verdrängt hatte. Erst dann fiel mir auf, wo ich mich gerade befand.
„Der Trainingsraum?“
Überrascht sah ich ihn an, wie er sich grinsend den Pullover auszog und mich dann weiter zwischen den Geräten hindurch winkte. Wir waren alleine in dem großen Raum, wo sonst täglich seine Mitarbeiter trainierten. Früher hatte ich auch einige Male hier trainiert, aber ich hatte ihn noch nie leer erlebt.
„Sport ist nicht nur gut für den Körper, sondern auch für den Geist. Das solltest du doch in der Zeit hier gelernt haben.“
Ich sah kritisch den Boxsack an, neben dem er stehen geblieben war.
„Und du meinst, das hier hilft mir?“
„Ich weiß es nicht. Aber schaden tut es auf keinen Fall. Vor Allem, wenn du deine Abschlussprüfung auf der Schule noch machen willst.“
„Ich denke, ich bin von der Schule geflogen, weil ich mich mit einer gefälschten Identität angemeldet habe....“
„Lass mich mal mit dem Direktor reden. Vielleicht kann ich ihn ja überreden, dir eine Chance zu geben. Aber dafür musst du auch trainieren! Und zwar hart! Du hast nämlich viel verpasst und musst das jetzt alles aufholen!“
Verzweifelt sah ich ihn an und ließ mich auf eine Bank hinter mir fallen.
„Und wie soll ich das bitte schaffen, wenn ich bei jeder Berührung zusammenzucke und mich kaum noch konzentrieren kann, wenn du oder ein anderer Kerl im selben Raum ist wie ich?!“
Er lachte dunkel und holte zwei Boxhandschuhe und ein Seil für mich heraus.
„Du konntest dich schon damals nicht konzentrieren, wenn ich dir zu nahe gekommen bin. Also streng dich einfach an und dann schaffst du es irgendwann deine Angst zu überwinden und die Erinnerungen zu verdrängen.“
Wütend funkelte ich ihn an. Er hatte sich nicht verändert. Immer noch so selbst verliebt wie vorher.
„Ich konnte mich sehr gut in deiner Gegenwart konzentrieren...“, knurrte ich ihm zu und nahm das Seil entgegen.
„Ja..aber nicht auf dein Training. Und jetzt los. 5 Minuten lang warm springen!“
Ich warf ihm noch einen wütenden Blick zu, folgte dann aber seiner Aufforderung. Es tat gut, endlich noch einmal Sport zu machen. Auch wenn es nur Seilspringen war. Aber ich merkte schon bald, dass ich mich auf die Sprünge konzentrieren musste und mir Don's Gegenwart deswegen nicht mehr so deutlich war. Und je mehr ich mich darauf konzentrierte umso entspannter wurde ich.
Nach dem Dehnen sollte ich mich dann dem Boxsack widmen, wobei sich mein Trainer demonstrativ dahinter stellte, sodass ich ihn nicht so leicht ausblenden konnte. Doch jedes Mal, wenn sein Gesicht sich in das von Justin verwandelte wurden meine Schläge härter und schneller, bis ich irgendwann so erschöpft war, dass die Vorstellung verblasste und ich mich wieder auf meinen Körper und die Bewegungen konzentrieren konnte.
Eine halbe Stunde später lag ich erschöpft auf dem Boden und nuckelte an einer Wasserflasche. Don hielt sich extra etwas weiter von mir entfernt auf, sodass ich mich fast vollkommen entspannen konnte.
„Meinst du wirklich, dass es mir hierdurch irgendwann besser geht?“
Er ließ sich Zeit mit seiner Antwort.
„Der Sport alleine wird dir nicht helfen können. Aber ich denke Maria und vielleicht auch Jacky können dich dabei unterstützen..“
„Weiß Jacky denn, dass ich wieder zurück bin?“
„Klar. Ich habe ihr und David auch sofort Bescheid gesagt, als du in Sicherheit warst. Sie haben dich nur noch nicht besucht, weil ich dir noch etwas Ruhe gönnen wollte.“
„Oh...Sind sie sehr sauer?“
Seine Schritte näherten sich mir, sodass ich mich aufsetzte und in sein verwundertes Gesicht sah.
„Warum sollten sie denn sauer sein?“
„Naja...weil ich ihnen etwas vorgelogen habe, was meine Herkunft und alles betrifft..“
Er lachte leise und setzte sich etwas von mir entfernt auf den Boden.
„Aber nur zu deiner eigenen Sicherheit. Sie sind dir auf keinen Fall sauer! Mach dir deswegen keine Sorgen! Wenn du willst, können sie dich auch besuchen. Sie würden wahrscheinlich sogar sofort her kommen, wenn du das wollen würdest.“
Glücklich trank ich aus meiner Flasche. Ich hatte so Angst vor ihrer Reaktion gehabt und dass sie mir nicht sauer waren, erleichterte mich ungemein.
„Und jetzt los. In einer Stunde kommt Maria aus ihrem Spanisch-Unterricht zurück und wenn du dann nicht in eurer Wohnung bist, dreht sie vollkommen durch.“
Lachend stand ich auf und wir fuhren fort mit dem Training.
Als ich endlich unter der Dusche stand und die Augen schloss fühlte ich mich zum ersten Mal seit langem wieder geborgen. Die Anstrengung hatte meinem Körper gut getan und ihm etwas an Anspannung genommen. Und es überraschte mich auch, dass die ständige Angst etwas in den Hintergrund gerückt war. Sport tat anscheinend wirklich dem Geist gut. Und was mich noch mehr überraschte war, dass ich seit einer Woche endlich wieder Appetit hatte.
Umso verwunderter war auch Maria als sie mich frisch geduscht und mein Sandwich herunter schlingend vorfand. Sie setzte sich mir grinsend gegenüber und erzählte mir von ihrem Sprachkurs, von dem sie anscheinend begeistert war. Auch sonst schien es ihr sehr gut in der neuen Umgebung zu gefallen und mir wurde schlagartig bewusst, dass ich die gesamte Woche kaum etwas mit ihre geredet hatte. Doch das wollte ich jetzt ändern. Wenigstens ein wenig, damit sie sich nicht ganz so alleine vorkam.
Am Abend ging sie noch etwas spazieren, doch ich wollte nicht mit. Ich traute mich noch nicht wirklich aus der Wohnung und das Haus würde ich in nächster Zeit nicht so schnell verlassen. So sicher fühlte ich mich jetzt noch nicht und außerdem waren draußen viel zu viele Menschen...
Deprimiert kuschelte ich mich wieder in mein Bett und wollte mich mit etwas fernsehen ablenken, doch schon bald wurde ich erneut von meinen Erinnerungen eingeholt.
Es war schon dunkel im Zimmer und in jedem Schatten entdeckte ich Justins große Figur. Mal mit einer Pistole in der Hand. Mal mit dem langen Küchenmesser, mit dem er mich immer gequält hatte.
„Du entkommst mir nicht, Honey!“
Seine grollende Stimme jagte mir eiskalte Schauer über den Rücken und ich kauerte mich in der hintersten Ecke des Zimmers zusammen.
„Ich werde dich finden!“
Die Tränen schossen mir in die Augen und strömten ungehalten über mein Gesicht.
„Du gehörst mir!“
Unkontrollierte Schluchzer erschütterten meinen Körper und ich wimmerte vor mich hin.
„Niemand wird dich mir wegnehmen!“
Ich schrie auf, als ich einen Lufthauch auf meinem Arm spürte und kurze Zeit später flog die Tür laut krachend auf. Erneut schrie ich, als ein schwarz gekleideter Mensch herein stürzte und sich dann hektisch im Zimmer umsah bis er mich erblickte.
„Nicht...Bitte....Nein...“
Ich konnte mich vor Angst nicht mehr bewegen als er mit langsamen Schritten auf mich zu kam. Sein Mund bewegte sich, doch mein laut schlagendes Herz hinderte mich daran zu erkennen, was er sagte. Aber es war auch egal. Er war einer von Justins Handlangern und würde mich wieder zu ihm bringen.
Zurück in die Hölle.
Mit einem lauten Knall schlug ich hart auf dem Boden auf. Verängstigt und mit pochendem Herzen blickte ich mich in der Wohnung um. Alles war unverändert. Die Tür war geschlossen und ich war allein. Stöhnend erhob ich mich und setzte mich auf den Bettrand.
Es war alles nur ein Traum! Nur ein Traum!
Wie ein Mantra sagte ich diesen Satz ununterbrochen auf, damit sich mein heftig schlagendes Herz endlich beruhigte und ich aufhörte zu zittern. Doch es half nichts.
Die Stille um mich herum machte mich noch nervöser. Bei jedem kleinsten Geräusch von außen zuckte ich zusammen. Bei jedem Knacken des Holzes musste ich einen Aufschrei unterdrücken.
Zitternd drückte ich mich gegen die Wand und hoffte, dass Maria wieder zurück kommen würde, damit ich nicht mehr so alleine war. Doch mit einem Blick auf die Uhr merkte ich, dass sie erst vor 10 Minuten gegangen war. Und lange würde ich es nicht mehr aushalten ohne verrückt zu werden.
Immer noch zitternd stand ich auf und wankte Richtung Tür. Meine Umgebung behielt ich genau im Auge, doch ich entdeckte niemanden. Auch der Flur war verlassen, doch der Gang machte einen Knick und ich wusste nicht was in den Schatten auf mich lauerte. Also schob ich mich mit dem Rücken an der Wand entlang Richtung Aufzug und als der Ton erklang und die Türen sich öffneten wäre mir fast das Herz stehen geblieben.
Doch die Kabine war leer. Mit letzter Kraft schob ich mich hinein und schaffte es gerade noch den Knopf zu drücken als ich auf dem Boden zusammenbrach. Ich rollte mich zusammen und schloss erschöpft die Augen. Wohltuende Schwärze umfing mich und ich fiel in einen traumlosen und erschöpften Schlaf.
Mit einem zufriedenen Seufzen kuschelte ich mich tiefer in die weiche Decke hinein. Ich hatte so gut geschlafen und wollte auch gar nicht herausfinden, was mich geweckt hatte, in der Hoffnung ich würde wieder einschlafen. Doch dann fiel mir plötzlich ein, dass ich ja in einem Fahrstuhl eingeschlafen war und dort wahrscheinlich keine seidigen Decken und kuschelige Matratzen lagen.
Verwirrt öffnete ich die Augen, wurde jedoch von grellen Sonnenstrahlen geblendet, sodass ich grummelnd meinen Kopf unter dem Kissen versteckte. Egal, wo ich war. Es war eindeutig zu hell!
Meinen zweiten Versuch ging ich langsamer an und konnte schließlich auch das Zimmer erkennen, in dem ich lag. Das riesige Bett mit der glänzenden schwarzen Bettwäsche und den zwei schwarzen Sesseln an der Fensterfront daneben kam mir irgendwie bekannt vor.
Langsam stand ich auf – zufrieden bemerkte ich, dass ich noch alle meine Klamotten an hatte – und öffnete die erste von den drei Türen. Dahinter befand sich ein ganz in weiß und schwarz gehaltenes Bad, was mir noch mehr bekannt vorkam. Hinter der nächsten Tür befand sich ein Ankleidezimmer mit schwarzen Schränken und einer weißen Couch – auch das kannte ich. Als ich dann die dritte Tür öffnete war ich mir endgültig sicher, wo ich mich befand.
Denn dort befand sich ein großes mit ebenfalls schwarzen und weißen Möbeln eingerichtetes Wohnzimmer, auf dessen Sofa sich ein schwarz gekleideter, muskulöser Mann räkelte und Nachrichten guckte. Als er mich jedoch bemerkte schaltete er sofort den Fernseher aus und musterte mich besorgt.
„Hey. Wie geht es dir? Du hast uns gestern einen ziemlichen Schrecken eingejagt.“
Ich grinste ihn entschuldigend an und machte es mir auf dem Sessel, ihm schräg gegenüber bequem.
„Tut mir Leid. Ich bin einfach verrückt geworden als ich so allein in der Wohnung war und dann im Aufzug wurde mir wahrscheinlich alles zu viel....ich weiß es nicht mehr so genau..Hast du mich gefunden?“
„Ja. Meine Leute haben mir sofort Bescheid gesagt, als du die Wohnung verlassen hast. Aber als ich den Aufzug runter nehmen wollte lagst du schon darin und warst bewusstlos oder am schlafen. Ich hab dich dann sofort in mein Bett gebracht und Maria Bescheid gesagt, wo du bist. Sie macht sich Vorwürfe, dass sie dich alleine gelassen hat.“
Das schlechte Gewissen überkam mich.
„Hat sie sich große Sorgen gemacht?! Vielleicht sollte ich doch besser sofort runter zu ihr gehen..“
„Nein. Sie ist im Moment doch bei ihrem Sprachkurs. Und einer meiner Leute hat sich um sie gekümmert. Ihr geht es wieder einigermaßen besser.....Aber was ist mit dir? Alles in Ordnung?“
Traurig schüttelte ich den Kopf.
„Ich....ich hatte schlecht geträumt und dann....ich wollte nicht alleine sein...“
Die Erinnerung an die Angst, die ich gehabt hatte, ließen mich erneut zittern.
„Hey...keine Angst! Du bist nicht allein! Ich bin da und passe auf dich auf!“
Beruhigend hockte er sich vor meinen Sessel und wollte meine Hand nehmen, doch ich zog sie zurück.
„Können wir trainieren gehen?“
Es war nur ein Flüstern, doch er hatte mich zum Glück verstanden und stand auf.
„Iss erst einmal etwas und geh duschen. Danach können wir wieder trainieren.“
Stumm stand ich auf und würgte in der Küche ein Sandwich und etwas Saft herunter um mich dann unter die entspannende Dusche zu stellen. Es tat gut zu wissen, dass im Nebenzimmer jemand wartete, dem ich vertraute und der mich beschützen konnte. Nur seine Nähe konnte ich noch nicht ertragen..
Eine Stunde später sank ich erschöpft auf meinem Bett zusammen. Ich hatte wieder meine Ängste und Aggressionen an dem Boxsack ausgelassen und fühlte mich jetzt ein wenig besser. Aber es lag wahrscheinlich eher an der großen Erschöpfung, die sich in meinem Körper breit gemacht hatte. So hatte ich nicht genügend Energie um mir irgendwelche Sinnestäuschungen einzubilden.
Als mein Blick auf das Handy neben meinem Kopf fiel musste ich erneut an Jacky und David denken. Sie hatten jetzt sicherlich Unterricht und langweilten sich zu Tode. Oder vielleicht trainierten sie ja auch gerade. Ob Jacky immer noch mit Rome zusammen war?
Ich schnappte mir das iPhone und schickte ihr eine Nachricht. Ich brauchte gerade einfach etwas Gesellschaft.
Schon wenige Sekunden später bekam ich auch schon eine aufgeregte Antwort von Jacky und David – sie hatten anscheinend doch Unterricht – wie es mir ginge und dass sie so froh wären, dass ich wieder zurück sei.
Grinsend schrieb ich noch eine Weile mit ihnen und ließ mir einiges von ihnen erzählen. Doch dann mussten sie ins Training und Jacky versprach mir, mich heute noch zu besuchen. Zu meiner Erleichterung hatte David nicht angeboten mitzukommen. Ich mochte ihn zwar, doch wollte ich ihn nicht kränken indem ich zitternd vor ihm saß.
Also duschte ich schnell und schaute dann etwas Fernsehen, bis es schließlich an der Tür klopfte und meine beste Freundin aufgeregt hüpfend davor stand.
„Oh mein Gott! Melina! Ich bin so froh dich endlich wieder zu sehen!! Ich hatte solche Angst um dich! Aber jetzt bist du ja wieder hier und alles wird gut!“
Ihre langen, braunen Haare lockten sich verspielt um ihr Gesicht und sie schien sich kaum verändert zu haben.
„Hey. Ich bin auch froh, wieder zurück zu sein.“
Ich trat langsam auf sie zu und umarmte sie vorsichtig, war sie ebenfalls nur leicht erwiederte. Dann gingen wir zurück in die Wohnung und ich ließ mir alles erzählen, was ich in der Schule und sonst verpasst hatte.
„Wie sieht es eigentlich mit Rome und dir aus? Seid ihr immer noch zusammen?“
Sie zog eine leichte Grimasse und schüttelte den Kopf.
„Nein...Es hat irgendwie nicht so wirklich geklappt mit uns...aber das ist jetzt egal. Ich komm gut mit ihm klar und das Training macht Spaß. Der Rest ist egal..“
Damit war das Thema für sie beendet und ich konnte keine Informationen mehr aus ihr heraus quetschen.
Als am Abend dann Maria aus der Schule kam, verabschiedete Jacky sich auch schon, nachdem sie sich kurz – soweit Marias Sprachkenntnisse es zuließen – miteinander unterhalten hatten.
„Das ist also deine beste Freundin? Sie scheint ja sehr aufgedreht zu sein.“
Ich lachte leicht.
„Ja. So ist sie immer. Aber sie hat richtig was drauf und ist eine super Freundin!“
„Das glaube ich. Aber warum hat sie dich Melina genannt?“
„So hab ich mich genannt, als ich hierhin abgehauen bin. Melina Fernandez. Ich konnte ja schlecht weiter unter meinem alten Namen leben.“
„Stimmt...und wie ist das jetzt? Heißt du jetzt Lena oder Melina?“
Ich seufzte und kuschelte mich erschöpft unter meine Decke.
„Ich weiß es nicht..“
Damit drehte ich mich zur Wand um und schloss die Augen.
Ich hatte noch einiges zu regeln, wozu ich mich im Moment allerdings überhaupt nicht im Stande fühlte.
Von einem weiteren brutalen Traum geweckt, lag ich wenige Stunden später zitternd in der dunklen Wohnung. Alles war dunkel und das einzige was ich hören konnte, war das gleichmäßige Atmen meiner Cousine neben mir. Doch jedes Mal, wenn ich erneut meine Augen schloss, tauchten die Bilder wieder auf. Bilder von Justin. Wie er mich quälte.
Verzweifelt nahm ich all meinen verbliebenen Mut zusammen und stand aus dem Bett auf. Ich wusste, dass es nur noch schlimmer werden würde, wenn ich jetzt im Dunkeln liegen bleiben würde. Dass ich nur einen zu großen Pulli und Hotpants an hatte war mir egal, als ich den Flur betrat und mich von außen an die Wohnungstür kauerte. Das Licht beruhigte mich ungemein und half mir, die Bilder zu verdrängen.
Doch plötzlich wurden die Aufzugtüren geöffnet und Don trat mir in kompletter Arbeitskleidung entgegen. Sogar eine Schusssichere Weste hatte er noch an.
Ohne ein Wort zu verlieren ließ er sich an der Wand gegenüber nieder und musterte mich mit funkelnden Augen. Ich schloss jedoch einfach meine Augen und legte meinen Kopf auf meinen Knien nieder.
Ich bin hier sicher. Mir kann nichts passieren.
„Willst du nicht mit hoch kommen? Mein Bett ist bequemer als die Tür und meine Wohnung sicherer als der Flur.“
Stumm nickte ich und folgte ihm hinauf, wo er mir sein Bett überließ und selbst auf dem Sofa im Wohnzimmer Platz nahm. Und sofort, nachdem ich mich in die Kissen gekuschelt hatte, die so nach ihm rochen, wurde ich etwas ruhiger und das Licht aus dem angrenzenden Zimmer beruhigte mich noch mehr, sodass ich schließlich erschöpft einschlief.
In den nächsten Tagen verausgabte ich mich täglich mit intensivem Training und langen Gesprächen mit Jacky und Maria, sodass ich Abends nur noch erschöpft ins Bett fallen konnte und sofort einschlief. Meistens hielt diese Erschöpfung nicht die ganze Nacht an und ich dann von heftigen Alpträumen geweckt wurde. Aber wenn sie zu schlimm waren konnte ich immer noch zu Diego kommen, der sich dann einfach neben mich setzte bis ich mich beruhigt hatte.
Wir hatten gerade das Training beendet und ich trank gierig aus meiner Flasche als mir die Schule wieder einfiel.
„Wie ist das denn jetzt mit meiner Ausbildung? Kann ich weiter machen oder haben sie mich endgültig rausgeschmissen?“
Seufzend setzte er sich neben mich und beobachtete mich kurz, bevor er antwortete.
„Ich habe mit der Schulleitung geredet und sie wollen dich zur Abschlussprüfung zulassen, wenn du alles aufholst und deine Ängste bekämpfst. Sie können es sich nicht leisten ihren Ruf zu gefährden, indem sie jeden zu der Prüfung zulassen, weil dort immer mehrere Schulen gleichzeitig geprüft werden.“
„Und wer entscheidet, ob ich bereit dafür bin oder nicht?“
„Zuerst ich...und dann wollen sie eine Art Generalprobe machen, wo du ihnen zeigen musst, dass du es kannst. Du musst also 3 Prüfungen bestehen, wenn du Kopfgeldjäger werden willst.“
Eine Weile schwiegen wir uns an und ich dachte darüber nach.
„Und was meinst du? Schaff ich es oder nicht?“
„Ich weiß es nicht. Du bist stark, das weiß ich. Und du hast Talent. Aber du musst auch ziemlich viel Theorie aufholen und zudem noch deine Ängste bewältigen. Ich weiß nicht, ob du noch so viel Kraft hast, das alles in so kurzer Zeit zu machen. Die Prüfungen sind immerhin in einem halben Jahr.“
„Aber wenn ich sie dieses Jahr nicht mache, kann ich sie nie wieder machen...Dann kann ich den Vertrag nicht erfüllen und habe gar nichts mehr. Dann habe ich vollkommen versagt, genau wie alle es mir schon immer prophezeit haben...“
„Babe...du versagst nirgendwo, wenn du...“
„Nein! Ich will nicht aufgeben! Ich weiß nicht, was ich sonst mit meinem Leben anfangen soll! Das ist das erste Mal, dass ich etwas Richtiges schaffen wollte und das werde ich mir jetzt nicht auch noch von......von diesem Wichser zerstören lassen...“
Entschlossen stand ich auf und packte meine Sachen zusammen.
„Du kannst ihnen sagen, dass ich alles dafür tun werde, damit ich die Prüfungen schaffe!“
Ich ging schon Richtung Tür, doch Don kam mir hinterher.
„Babe. Du stellst dir das so einfach vor. Diese Prüfungen sind nicht so leicht, wie du sie dir gerade noch vorstellst. Sie verlangen vollkommene Konzentration und Ausdauer. Und du wirst dir deinen Gegner nicht aussuchen können, dass du nur gegen Frauen kämpfen kannst.“
„Dann trainieren wir einfach härter.“
„Das letzte Mal, als wir das getan haben, bist du plötzlich umgekippt...“
„Dann fangen wir halt wieder langsamer an...oder willst du nicht, dass ich es schaffe?!“
Herausfordernd drehte ich mich zu ihm um und schreckte zurück als er plötzlich direkt vor mir stand.
„Nein...Nur hast du immer noch Angst vor mir, vor meinen Mitarbeitern noch mehr und wie du auf Fremde reagierst kannst du im Moment überhaupt nicht einschätzen, weil du dich nicht aus dem Haus traust. Und berühren kannst du ja kaum deine Cousine. Wie willst du dann kämpfen?“
Seine Argumente waren logisch, doch ich war zu stur um es einzusehen. Ich wollte nicht schon wieder in etwas versagen, was mir wichtig war. Wenigstens dieses eine Mal wollte ich etwas zu Ende bringen und auch gut darin sein.
„Bleib bitte so stehen und beweg' dich nicht..“
Ich hatte nur geflüstert und gleichzeitig meine Flasche auf den Boden gestellt.
„Was hast du vor?“
Wenn ich diese Prüfungen schaffen wollte, musste ich meine Berührungsängste überwinden. Und als Erstes Diego überzeugen.
Langsam ging ich auf ihn zu, den Blick unverwandt auf seine Augen gerichtet, die mich aufmerksam beobachteten. Sie waren so dunkel, dass man fast darin versinken konnte. Doch genau das gelang mir im Moment nicht. Aber ich riss mich zusammen und trat den ersten Schritt auf ihn zu.
Überrascht weiteten sich seine Augen, als er erkannte, was ich vor hatte. Doch dann entspannte er sich wieder und grinste mich schief an. Dieses Grinsen hatte meinen Herzschlag früher immer zum Rasen gebracht, doch der Grund warum es jetzt wild pochte, war ein anderer.
Ich schaffte den zweiten Schritt und stand jetzt nur noch wenige Zentimeter von ihm entfernt. Seine muskulöse Brust war genau vor mir. Er war noch trainierter als Justin, was mich nur kurz zurück schrecken ließ als ich meinen Ex plötzlich vor mir erkannte. Doch dann riss ich mich zusammen, schloss die Augen und atmete Dons einmaligen Geruch ein. So männlich und verführerisch.
Ich hob langsam meine Arme und legte sie auf seinen Bauch. Sofort zuckten Bilder von den Vergewaltigungen durch meinen Kopf, an die ich mich noch erinnern konnte, doch ich atmete erneut tief ein und der beruhigende Geruch half mir sie wieder zu verdrängen.
Langsam öffnete ich meine Augen und sah ihn an. Keiner sagte etwas. Wir warteten beide, dass sich mein Herz etwas beruhigte und sahen uns nur an. Er hatte wieder dieses Funkeln in den Augen, was ich niemals deuten konnte.
Also senkte ich meinen Kopf und lehnte meine Stirn gegen seine Brust.
Er war so warm.
Und die Tatsache, dass ich seinen ruhigen Herzschlag unter meinen Händen spürte, ließ auch mich etwas entspannter werden.
„Babe...“
Er wollte etwas sagen, wurde jedoch davon unterbrochen, dass jemand die Tür zum Trainingsraum öffnete und mit einem sinnlosen: „Oh...störe ich , Boss?“, darin stehen blieb.
Durch das Geräusch aufgeschreckt, sprang ich von ihm weg und entdeckte Carlos am anderen Ende des Raums. Ich atmete tief durch, schnappte mir meine Flasche und verabschiedete mich leise von ihnen. Der Muskelprotz hielt mir sogar die Tür auf und ich schaffte es einigermaßen ruhig, den Fahrstuhl zu betreten, wo ich mich gegen die Wand sinken ließ und am liebsten laut geschrien hätte.
Es war gerade erst hell geworden und ich lag wach im Bett herum. Maria machte sich für die Sprachschule fertig und tanzte stumm mit Kopfhörern auf dem Kopf durch das Zimmer. Sie wurde genauso hibbelig, wie ich, wenn sie zu wenig Sport trieb und glich dies momentan durch Tanzen aus. Dass sie mich dabei weckte war mir egal. Ich konnte ja den ganzen Tag noch schlafen.
Gerade hatte ich mich noch einmal in die warme Decke gekuschelt, als es klopfte und Don in Sportkleidung herein kam.
„Hola, Chicas. Alles klar?“
Es war immer komisch, wenn er in Marias Anwesenheit sprach, weil er dann immer ins Deutsche wechselte und ich dies kaum von ihm gewohnt war.
„Diego. Was machst du denn schon so früh hier? Ich denke ihr trainiert erst später?“
Maria hatte ihre Tanzeinlage unterbrochen und sah mich überrascht an, weil ich ja noch im Bett lag.
„Das dachte ich eigentlich auch, Don. Was ist los?“
Er grinste mich hinterlistig an und meinte dann: „Du musst in Form kommen, Babe. Also werden wir jetzt wieder täglich laufen gehen.“
„Aber ich kann doch gar nicht auf Laufbändern laufen. Oder hast du das wieder vergessen?“
Auch wenn es sich komisch anhörte, aber jedes Mal wenn ich es versuchte, schaffte ich es nicht, meine Hände von den Griffen zu lösen. Kein Wunder also, dass Don, wohl wegen der Erinnerung an meine letzten Versuche, anfing zu lachen.
„Das habe ich nicht vergessen. Deswegen werden wir auch draußen laufen gehen. Oder traust du dich das nicht?“
Mit verschränkten Armen lehnte er sich lässig an den kleinen Tisch, direkt mir gegenüber und sah mich herausfordernd an. Wenn ich jetzt kneifen würde, konnte ich meine Ausbildung vergessen. Aber wegen dieser arroganten Haltung hätte ich es mir auch niemals verziehen.
Also schluckte ich meine Angst herunter und stand entschlossen auf.
„Ich habe keine Angst! Ich zieh mich nur noch um.“
Sein Blick wurde dunkel und sein Grinsen etwas dreckiger, während er meinen Körper musterte.
Erst dann fiel mir auf, dass ich nur in Boxershorts und BH vor ihm stand.
„Oh mierda. Umdrehen! Sofort!“
Ich bedeckte meinen Körper notdürftig mit meinen Händen und starrte Don wütend an, weil er seinen Blick erneut genüsslich grinsend über mich wandern ließ.
„Babe. Ich hab dich schon nackt gesehen...warum sollte ich mir dann den Anblick entgehen lassen und mich umdrehen?“
Er schnurrte es fast, sodass sich alle Häärchen auf meinem Körper gespannt aufstellten. Doch ich unterdrückte das Kribbeln und wickelte mich wild fluchend in meine Decke ein.
„Du bist so ein notgeiles Arschloch!“
Damit stapfte ich ins Bad und ließ die Tür laut zu knallen, was mir ein raues Lachen seinerseits einhandelte.
Ich kochte immer noch, als wir aus dem Gebäude traten und würdigte ihn keines Blickes. Doch auch so wusste ich, dass er immer noch dieses dreckige Grinsen im Gesicht hatte und es machte mich noch wütender. Doch der Anblick der vielen Autos lenkte mich ab.
In jedem dieser Autos könnte einer von Justins Leuten sitzen um mich zu verschleppen oder umzubringen.
Das beklemmende Gefühl der Angst überkam mich mit einem Mal und ich trat zitternd einen Schritt nach hinten. Doch dort stand schon jemand.
Don.
„Ich bin bei dir, Babe.“
Er hatte recht. Ich war nicht allein und konnte mich zur Not auch selbst wehren. Also wagte ich mich weiter hinaus. Direkt an die Straße.
Ich sah dem Verkehr eine Weile zu, bis ich mich daran gewöhnt hatte und lief dann los. Einfach die Straße entlang auf den Park zu.
Und es tat gut.
Meine Beine drängten mich, schneller zu laufen, doch ich hielt mich zurück.
Don's Schritte hinter mir beunruhigten mich, sodass ich mein Tempo drosselte bis er neben mir lief.
Viel besser!
Mit jedem Schritt fühlte ich mich etwas freier. Merkte, wie ich mich immer mehr beruhigte und schließlich fast entspannt neben Don her lief.
Es war als ob ich vor Allem davon laufen würde. Meinen Ängsten. Den Menschen um mich herum.
Überall lagen sie auf den Wiesen in der Sonne, doch sie machten mich nur halb so nervös, wie ich erwartet hatte.
Zufrieden grinste ich meine Begleitung an. Ich hatte es geschafft.
Wir waren eine halbe Stunde durch den großen Park gelaufen. Jetzt machten wir eine kurze Pause an dem Teich in dessen Mitte und ich setzte mich auf eine Bank.
Es war wunderschön hier und es wunderte mich, dass ich noch nie zuvor hier gewesen war. Aber das würde ich hoffentlich bald nachholen können. Schließlich hatte ich jetzt den Anfang getan und das schützende Gebäude verlassen. Den Rest würde ich auch noch schaffen.
Neben mir streckte Don sich auf der Bank aus und beobachtete aufmerksam die Gegend. Er hatte sich, während meiner Abwesenheit, die Haare schneiden lassen. Außen kurz und in der Mitte etwas länger, sodass er sie sich mit Gel stylen konnte. Es stand ihm wirklich gut. Seine dunklen Augen glitzerten fast in der Sonne und den sinnlichen Mund hatte er zu einem leichten Grinsen verzogen.
Mein Blick wanderte weiter, über seine muskulösen Arme, die aus dem herrlich eng anliegenden T-Shirt heraus kamen. Sein Sixpack war deutlich erkennbar darunter und am liebsten hätte ich meine Hände darauf gelegt.
„Wenn du mich weiter so anguckst, fürchte ich dass ich mich bald nicht mehr zurück halten kann, Babe.“
Mein Blick schoss ertappt nach oben und ich biss mir frustriert auf die Lippen.
„Lass uns weiter laufen.“
Ich sprang auf und lief los, ohne auf seinen Kommentar zu reagieren. Schnell hatte er mich auch wieder eingeholt und wir liefen noch einmal eine halbe Stunde, bis wir schließlich wieder in der Firma ankamen.
Dort sprang ich ohne große Verabschiedung unter die Dusche und machte mir danach zufrieden mein Frühstück.
Das Laufen hatte so gut getan, ich überlegte ob ich am Abend nicht noch einmal laufen sollte. Aber das hing ganz von Don's Terminplan ab. Denn alleine wollte ich noch nicht.
Ich beschloss, Don noch vor dem Training zu fragen und stieg in den Aufzug. Doch in seiner Wohnung war er anscheinend nicht. Also riss ich mich zusammen und fuhr hinunter in sein Büro. Als ich den großen Raum betrat wollte ich direkt wieder umdrehen, da er gefüllt mit großen, muskulösen und in schwarz gekleideten Männern war. Doch dann entdeckte ich Don in seinem Zimmer am anderen Ende der Etage.
Er lehnte an seinem Schreibtisch und zog eine schwarzhaarige Frau an den Hüften gegen seinen Körper.
Sie war in enge,schwarze Lederhose gekleidet, die ihren Hintern richtig betonte – so vorteilhaft, dass Don seine Hände gerade in diesem vergrub – und dazu ein ebenfalls enges und schwarzes Top mit riesigem Ausschnitt.
Sie sah aus wie ein Model.
Perfekter Körper. Perfektes Gesicht.
Nur der Gürtel, in dem eine Waffe baumelte, störte dieses Bild.
Aber das schien Don im Geringsten zu stören, da er ihr gerade leidenschaftlich die Zunge in den Hals steckte.
„Hey, Melina. Suchst du Diego?“
Eine tiefe Stimme riss mich aus meinen Beobachtungen und ich blickte leicht verschreckt zu Felino hinauf.
Er hatte sich neben mir aufgebaut und musterte mich nun aufmerksam. Wahrscheinlich suchte er nach einer Reaktion auf die Frau bei Don, doch den Gefallen wollte ich ihm nicht tun.
„Ja. Aber ich hab ihn schon entdeckt, danke.“
Freundlich lächelnd ging ich los, wich lediglich den Männern ein wenig aus, die mir auf dem Weg begegneten und mich ebenfalls alle neugierig ansahen.
Ich kam immer näher und musste mich zusammenreißen, nicht auf der Stelle umzukehren und mich in meinem Zimmer zu verstecken. Aber darauf schien die gesamte Etage nur zu warten.
Immer näher kam ich dem Büro, in dem Diego gerade Catwoman am Hintern auf seine Hüften hob.
Ich musste fast grinsen, bei dem Namen, denn ich bemerkte wie gut er zu ihr passte.
Genau wie die Figur im Film, sah sie einfach nur aus wie eine Schlampe und ich beschloss ihn mir nie wieder anzusehen und sämtliche DVDs in meiner Umgebung zu zerstören.
Inzwischen lehnte ich mich locker an den Türrahmen, doch da keiner der beiden mich zu bemerken schien, klopfte ich grinsend an die Tür.
„Was ist denn jetzt schon wieder? Ich hatte doch gesagt, dass ich nicht gestört werden wollte!“
Genervt knurrte Don mich regelrecht an, wandte sein Gesicht jedoch nicht von der Schönheit auf seinen Armen, die ihm gerade grinsend etwas ins Ohr flüsterte.
Anscheinend etwas versautes, da er ebenfalls anfing zu grinsen und erneut anfing mit ihr herum zu lecken.
Doch so leicht, ließ ich mich nicht abwimmeln. Ich würde ihm noch heimzahlen, dass er mich so angefahren hatte. Obwohl er wahrscheinlich noch nicht einmal wusste, dass ich hier in seiner Tür stand, doch das machte das ganze nur um so schöner.
Mein Grinsen wurde noch ein wenig breiter und ich klopfte erneut an die Tür, was Diego zum ausrasten brachte. Er warf seine Schlampe regelrecht von sich und drehte sich wütend zu mir um, wobei er mich anschrie: „Verdammt noch mal, was soll die Scheiße?!“
Kurz zuckte ich zusammen, doch auch Diego bekam riesige Augen als er endlich bemerkte, wen er da gerade anschrie.
„Fuck. Tut mir Leid! Was...Was machst du denn überhaupt hier?“
Zuckersüß grinste ich ihn an und wollte gerade antworten, als Catwoman meinte sich einmischen zu müssen.
„Was auch immer du hier zu suchen hast, Kleine. Ich muss gerade was mit deinem Boss besprechen und würde dabei gerne ungestört sein. Also verlass bitte dieses Büro und beschäftige dich irgendwie anders, bis wir hier fertig sind.“
Sie packte Diego beim Hemd und verwickelte ihn erneut in einen Kuss, den er aber bald unterbrach.
Er flüsterte ihr etwas ins Ohr, worauf sie sich frustriert gegen seinen Schreibtisch lehnte und mich mit ihren Blicken erdolchte, wofür ich nur ein verachtendes Grinsen übrig hatte.
„Also was ist los?“
Diego schob sich zwischen uns und grinste mich mit seinem Raubtier Lächeln an, was jedoch momentan nicht die übliche Wirkung auf mich hatte.
„Ich wollte nur mal fragen, wann wir das nächste mal trainieren können... Das hätte aber auch warten können, wenn ihr so Wichtiges vor habt. Da will ich lieber nicht bei stören. Vor Allem, weil ich weiß wie solche Besprechungen bei dir ablaufen, wenn man nichts gegen eine Beziehung mit seinem Boss hat. Also viel Spaß dabei, Schätzchen. Und ich kann dir sagen, er ist wirklich gut im Bett also lass ihn lieber nicht zu schnell wieder raus, wenn du ihn erst einmal drin hast.“
„Das kann ich dir versichern, Kleine. Und jetzt verzieh dich!“
Ich winkte Diego grinsend mit meinem kleinen Finger und ging zufrieden lächelnd zwischen seinen Mitarbeitern hindurch, die mir genauso überrascht hinterher sahen, wie ihr Boss.
Den ganzen Weg bis zu meiner Wohnung riss ich mich zusammen, da ich mir sicher war, dass mindestens ein Mitarbeiter mich mit den Kameras verfolgte. Doch als ich endlich die Tür hinter mir geschlossen hatte konnte ich mich nicht mehr zurück halten und ließ mich schluchzend daran herab gleiten.
Dieser dumme Weiberheld!
War doch klar, dass er es mit mir nicht ernst gemeint hat!
Wir hatten ja noch nicht einmal eine Beziehung geführt, wie konnte ich da auch von ihm erwarten, dass er es nicht mit anderen Frauen trieb.
Vor Allem hatte ich ihm ja auch ständig beteuert, dass ich nichts mit ihm anfangen wollte!
Und spätestens seit ich verschwunden war, hätte ich damit rechnen müssen, dass er eine Andere in sein Bett ließ.
Bei seinem Körper und seiner Ausstrahlung war es doch klar, dass er es nicht lange ohne Sex aushielt. So waren doch alle Männer! Triebgesteuerte Affen!
Kein Wunder also, dass er mich trotz seinem neuen Betthäschen am Morgen noch so verlangend angesehen hatte.
Er hätte sich am liebsten über mich her gemacht aber da ich nicht wollte, machte er sich jetzt an seine Catwoman heran, die wesentlich besser aussah als ich, größere Brüste hatte und vor Allem keine Berührungsängste.
Wütend stand ich auf und wischte mir die Tränen weg.
Kerle waren es nicht wert auch nur eine Träne für sie zu vergießen!
Das hatte ich bei Justin gemerkt und Diego bestätigte es mir jetzt noch einmal.
Ich stapfte zum Kühlschrank und wurde noch frustrierter, als ich merkte, dass dieser leer war.
Maria hatte gestern einkaufen gehen wollen, doch da sie kaum spanisch verstand, musste immer jemand mit ihr gehen.
Hungrig tigerte ich durch die Wohnung und meine Gedanken drifteten erneut zu Diego und seiner Schlampe. Wahrscheinlich trieben die zwei es gerade oben im Bett und ich fühlte mich irgendwie schmutzig, als mir einfiel, dass ich in diesem Bett erst vorige Nacht geschlafen hatte.
Natürlich übertrieb ich ein wenig, als ich mich entschloss sofort duschen zu gehen, aber das war mir egal.
Vorher zückte ich jedoch mein Handy und rief Jacky an, die glücklicherweise gerade keinen Unterricht hatte und mir versprach so schnell wie möglich mit David vorbeizukommen und etwas zu Essen und ihre gesamten Unterlagen mitzubringen.
Es waren 4 Uhr, als die zwei endlich an meiner Tür klopften. Jeder mit einem dicken Ordner bepackt, grinsten sie mich neugierig an. Vor Allem David schien sich zu freuen, dass ich ihn eingeladen hatte,
doch er hielt sich nervös im Hintergrund bis ich mich zusammenriss und auch ihn umarmte. Zu meiner Verwunderung fiel es mir auch nicht sehr schwer, seine Nähe zu ertragen, umso lustiger wurde dafür die Zeit, die wir zu dritt verbrachten.
Sie erzählten mir von der Schule, während ich die Pizza herunter schlang, die sie mir mitgebracht hatten und ich verschluckte mich mehrmals dabei, weil ich von ihren Erzählungen lachen musste.
Als Maria zurück kam, übergab ich ihr ein Viertel meines Essens und redete dann weiter. Meine Cousine schien jedoch leicht überfordert zu sein, von dem vielen Spanisch und zog sich deswegen schnell zurück. Sie wollte noch etwas raus gehen. Und selbst als sie um Zehn Uhr wieder zurück kam, waren wir immer noch ununterbrochen am reden und lachen.
Es tat so gut, die zwei wieder um mich zu haben und es war schon Mitternacht, als sie sich verabschiedeten. Kurze Zeit später fiel ich erschöpft neben Maria in die Kissen und mein letzter Gedanke galt der Schule, dass ich vielleicht schon bald wieder dorthin gehen konnte, bevor ich mit einem Lächeln auf den Lippen einschlief.
Die nächste Woche wurde sehr anstrengend für mich. Zweimal täglich ging ich mit Don raus, laufen – einmal wenn es noch fast dunkel war und dann, wenn es wieder dämmerte. Und dazwischen trainierte ich einmal mit dem Boxsack und dann, nachmittags, war Muskelaufbau an der Reihe. Dazu kam noch, dass ich nachts immer wider von Alpträumen geweckt wurde und deswegen nie sehr erholt am Morgen aufwachte.
Die Pausen zwischen dem Training verbrachte ich deswegen meistens damit zu schlafen, zu essen oder die Unterrichtsunterlagen abzuschreiben.
Mein Ziel war es, täglich mindestens 20 Blätter abzuschreiben. Und dann musste ich mir irgendwann auch mal die übrigen Bücher anschaffen, doch das schob ich noch vor mir her.
Auch, wenn ich bei unseren täglichen Läufen nur noch selten zusammenzuckte - sonst hatte ich mich noch nicht heraus getraut.
Heute würde das erste Mal sein. Ich hatte mich mit Jacky und David verabredete, damit sie mich begleiten. Ich wollte versuchen durch die Fußgängerzone zu gehen, ohne dass ich mich ständig erschreckte oder überall Justins Gesicht sah. Natürlich hätte ich auch Don fragen können, doch er schien in letzter Zeit ziemlich viel zu tun zu haben – entweder mit seinem Job oder mit seiner neuen Freundin. Und außerdem wollte ich nicht vor seinen Augen versagen.
Seit dem Vorfall in seinem Büro waren wir zwar ganz normal mit einander umgegangen und waren auch nicht mehr darauf zu sprechen gekommen, doch er machte weniger anzügliche Bemerkungen. Ich hatte ihn auch schon mehrmals erwischt, wie er mich nachdenklich musterte, wenn ich nicht hinsah. Doch diese Blicke hatte ich ignoriert.
Für mich war dieses Thema zwar noch nicht vorbei, doch ich wollte noch nicht mit ihm darüber reden. Ich hatte einen Plan, aber dafür brauchte ich noch etwas Zeit und vor Allem die Unterstützung von Jacky und David.
Ich hatte mich gerade fertig angezogen, als meine Freunde schon vor der Tür standen. Es war ein wunderschöner Samstag Nachmittag und die Sonne strahlte hell in die Wohnung, sodass ich mich entschlossen hatte, lediglich schwarze Shorts und ein weinrotes Top anzuziehen. Ich schnappte mir Schlüssel, Portemonnaie, mein Handy und Sonnenbrille – es konnte los gehen!
Gemeinsam gingen wir durch den Park in Richtung Stadtmitte – die gleiche Strecke, die ich täglich mit Don lief – und zu meiner Überraschung blieb ich relativ entspannt. Lediglich wenn jemand mich anrempelte zuckte ich zusammen, als ob ich geschlagen worden wäre. Aber Jacky und David nahmen mich schließlich in ihre Mitte und so konnte ich endlich wieder mit ihnen durch die wunderschön geschmückte Einkaufsstraße der Stadt laufen.
Früher hatten wir das fast wöchentlich gemacht und uns zum Schluss in unser Stammcafé direkt vor einem der schönen Brunnen gesetzt. Und genau das wollten wir heute wieder machen.
Ich war glücklich, endlich wieder dort sitzen zu können und die Leute zu beobachten. Schließlich war es schon eine gefühlte Ewigkeit her, dass ich das letzte Mal unter so vielen Leuten war. Und obwohl es mich anstrengte, war es wunderschön.
Wir luden Maria auch in das Café ein und obwohl sie kaum etwas verstand, saß sie bis die Sonne unterging mit uns an dem kleinen Tisch und versuchte so gut wie möglich mit zu reden. Ich merkte ihr allerdings an, dass sie immer wieder aufs neue verwirrt war, wenn jemand mich mit Melina ansprach. Aber ich würde diesen Namen auch weiterhin behalten! Der andere erinnerte mich zu sehr an mein altes Leben.
Als wir nach vielen Stunden endlich wieder zu Hause waren, wartete Diego schon in unserer Wohnung und womit er Maria so sehr erschreckte, dass sie fast schreiend heraus gelaufen wäre.
Er saß auf der kleinen Couch in einer dunklen Ecke und musterte mich eine Zeit lang ohne etwas zu sagen. Doch ich ignorierte ihn halbwegs und ging ungerührt zum Kühlschrank um mir etwas zu Trinken zu holen.
„Maria. Kannst du uns mal alleine lassen?“
Überrascht blickte meine Cousine zu mir, als er dies sagte, doch ich zuckte nur teilnahmslos mit den Schultern.
Diego war sauer. Doch ich war nicht bereit ihm dabei zu helfen, Maria zu verscheuchen. Das war sein Problem.
Aber das schien auch gar nicht nötig zu sein, da er sie so sehr eingeschüchtert hatte, dass sie fast fluchtartig die Wohnung verließ.
Ich widmete mich erneut dem Kühlschrank um mir noch eine Kleinigkeit zu Essen zu holen, als ich hörte wie er von dem Sofa aufstand und auf mich zu kam.
„Wir müssen reden, Babe!“
In aller Seelenruhe nahm ich mir einen Schokoriegel und packte ihn genüsslich aus, ohne mich umzudrehen. Erst als ich einen Bissen genommen hatte, verschluckte ich mich fast daran, weil ein Körper sich von hinten gegen mich schob.
Hustend drehte ich mich um und wich erst einmal einen Schritt zurück um Diego wütend anzufunkeln.
„Willst du, dass ich ersticke oder was soll das hier werden?!“
Ich stieß mit dem Rücken gegen den Kühlschrank, als er erneut einen Schritt auf mich zu kam und schließlich seine Hände neben meinem Kopf abstützte, ohne mich jedoch zu berühren. Langsam wanderte sein Blick über meinen Körper, was mir einen Schauer über den Rücken laufen und mich leicht zittern ließ.
Wieder bei meinem Gesicht angekommen, grinste er leicht, doch man sah ihm immer noch an, dass er wütend war.
„Wo warst du?“
Seine Stimme war leise und herrlich tief. Doch davon wollte ich mich nicht beeinflussen lassen.
„Mit Jacky, David und Maria in der Stadt.“
Er kniff die Augen etwas zusammen und das Grinsen verschwand von seinem Gesicht.
„Warum hast du nichts gesagt?“
„Ich wollte nicht stören, weil du in letzter Zeit ja ziemlich viel anderweitig beschäftigt bist.“
Unschuldig grinste ich zurück, doch bei seinem Blick, war mir dies nicht lange möglich.
„Ich muss arbeiten! Aber ich hätte immer noch einen meiner Leute mitschicken können, zur Sicherheit.“
„Dafür hatte ich ja Jacky und David dabei! Und nichts gegen deine Leute, aber sie sind nicht wirklich die geselligsten, so wenig wie sie reden. Ich wollte einfach mal einen schönen Nachmittag haben, aber das darf ich ja anscheinend nicht. Dir wäre es wohl lieber, wenn ich mich auch weiterhin die ganze Zeit in hier die Wohnung einsperre und warte, bis du Zeit für mich hast.“
„Ich will nicht, dass du dich weiterhin versteckst, aber du sollst auch nicht einfach so alleine durch die Weltgeschichte laufen!“
„Verdammt, ich war aber doch nicht alleine!“
Er lachte und stieß sich vom Kühlschrank ab.
„Ja klar. Du denkst, nur weil David und Jacky dabei waren, bist du vollkommen sicher. Aber ich kann dir sagen, dass es kein großes Hindernis ist an den Zweien vorbei zu kommen.“
„Dann kann ich mich aber immer noch selbst wehren! Behandle mich gefälligst nicht wie ein Kleinkind!“
Wütend sprang er auf mich zu und schlug seine Hände neben meinen Kopf gegen den Schrank.
Verschreckt schloss ich die Augen und fing unkontrolliert an zu zittern.
„Da siehst du, wie gut du dich wehren kannst...“
Er hatte sich von mir entfernt als ich die Augen wieder öffnete und fuhr sich durch die kurzen Haare, während er sich im Zimmer umsah.
Dieser arrogante Mistkerl!
Wütend stieß ich mich ebenfalls ab und holte aus zu einem Sidekick, doch er merkte es früh genug und schaffte es, meinen Fuß zu parieren.
„Du mieses Arschloch! Was sollte das gerade?! Gefällt es dir, wenn ich Angst habe?! In Wirklichkeit brauchst du wahrscheinlich diese Macht, dass du mich kontrollieren kannst und hast die Zeit genossen, wo ich Nachts zu dir kam, damit du mich beschützt!“
Ich schlug wütend auf ihn ein, doch er verteidigte sich verbissen.
„Spinnst du? Ich hasse es, wenn du Angst hast. Was meinst du, warum ich mir sonst so viel Mühe gebe, dass du diesen Idioten vergisst?! Deswegen sehe ich aber auch nicht teilnahmslos zu, wie du dich überschätzt und dich fast schutzlos in der Weltgeschichte herum treibst! Im Moment wäre es nur eine Frage der Zeit, bis irgendetwas passiert! Und das kann ich nicht zulassen, verdammt!“
Er schaffte es meine Handgelenke zu ergreifen und drückte sie neben meinem Körper gegen die Wand.
Eingekeilt von purer Muskelmasse hatte ich keine Chance mich zu wehren und seine Nähe verunsicherte mich, sodass ich ihn nur schwer atmend anstarrte.
„Seit ich dich kenne, versuche ich dich zu beschützen – einmal habe ich versagt. Ich kann nicht zulassen, dass das noch einmal passiert!“
Seine dunklen Augen fesselten mich und seine geflüsterten Worte überraschten mich.
„Du hast ein viel zu großes Ego, Don...“
Ich hatte ebenfalls nur geflüstert und sein Atem kitzelte mich am Hals als er leise lachte.
„Immer musst du an mir herum meckern, wenn ich dir etwas näher komme. Was hältst du denn davon, mal etwas anderes zu machen?“
Er grinste verführerisch und sein Kopf näherte sich langsam meinem, als ich die Augen schloss.
Sein stahlharter Körper drängte sich gegen mich und nahm mich gefangen. Ich spürte seinen Atem auf meinen Lippen als mir plötzlich ein ganz anderes Bild durch den Kopf schoss.
Das Bild, wie Don dieser Catwoman-Schlampe seine Zunge in den Hals steckte und ihr an den perfekten Hinter packte.
Wütend drehte ich meinen Kopf zur Seite und starrte auf den Boden, neben mir.
„Hör auf.“
Meine Stimme war kalt und ließ ihn überrascht zurück gehen.
„Babe, was ist los?“
„Nichts ist los. Du solltest nur gehen.“
Er wollte einen Schritt auf mich zu machen, doch ich wich zur Seite aus und holte mir meinen Schokoriegel vom Küchenschrank.
„Musstest du an Justin denken?“
Der Klang seines Namens ließ mich leicht zusammenzucken, doch ich unterdrückte den Wunsch mich in einer Ecke zu verkriechen sondern drehte mich zu Diego um.
„Nein, ich musste eher daran denken, wie du der Kopfgeldjägerin letzte Woche die Zunge in den Hals gesteckt hast. Sie wäre sicherlich nur eifersüchtig, wenn du hinter ihrem Rücken eine Andere küssen würdest und den Zickenterror will ich mir ersparen.“
Verwirrt runzelte er die Stirn, hörte jedoch auf, mir näher zu kommen.
„Lisa? Du denkst, ich wäre mit Lisa zusammen?!“
„Es ist mir egal, in was für einer Beziehung ihr zueinander steht, aber ich werde mich da nicht einmischen. Deswegen hör auf, mich zu verführen und komm mir in Zukunft bitte nicht mehr zu nahe.“
Eine Zeit lang, sah er mich nur an, doch plötzlich schüttelte er den Kopf.
„Wenn das dein Wunsch ist, bitte. Aber du wirst in Zukunft trotzdem nicht alleine oder nur mit deinen Freunden durch die Gegend laufen. Frag einen meiner Mitarbeiter oder mich. Und auch dein Training wirst du nicht vernachlässigen, nur weil du meinst dass du plötzlich so viel Abstand brauchst. Ich seh' dich morgen Früh zum Joggen. Gute Nacht.“
Er drehte sich um und verließ die Wohnung, während ich weiter auf den Fleck starrte, wo er verschwunden war.
Es hatte weh getan, ihm zu sagen, dass er mir fern bleiben sollte.
Verdammt.
Es tat immer noch weh.
Ich ließ mich am Kühlschrank hinab gleiten und legte meine Stirn gegen meine Knie.
Ich würde ihn in Zukunft nur noch als meinen Trainer und Boss sehen.
Nie wieder den sexy Mann, der mich allein mit seinen Augen verführen konnte.
Dazu war ich zu stolz.
Ich hatte die ganzen anderen Frauen bei Justin ertragen, doch das würde ich nie wieder tun. Der Mann, der mich haben wollte - auch wenn es nur für Küsse oder für zwanglosen Sex war – musste sich um mich bemühen und keine Anderen nebenbei haben.
Die erste Träne lief meine Wange herunter.
Ich war nur eine Affäre für ihn gewesen.
Schon immer.
Nur eine weitere Frau in seinem Bett.
Die zweite Träne folgte der Bahn der anderen und tropfte leise auf den Boden.
Er hatte ja noch nicht einmal versucht um mich zu kämpfen, sondern es einfach so hingenommen.
Das Training war ihm anscheinend wichtiger – oder eher gesagt sein Ruf als Trainer.
Inzwischen strömten die Tränen aus meinen Augenwinkeln und durchnässten meinen Ärmel.
Jemand setzte sich neben mich und strich mir unbeholfen über den Rücken.
Wahrscheinlich war Maria zurück gekommen und fand mich jetzt – wie schon so oft seit wir in Spanien waren – weinend auf dem Boden sitzend, vor.
Er war einfach so gegangen...
Eine Woche später konnte ich endlich wieder in die Schule gehen.
Diego hatte mit den Lehrern geredet und sie fanden es auch besser, wenn ich persönlich im Unterricht aufpasse und mir nicht alles von meinen Freunden mitbringen lasse.
Pünktlich um viertel vor 8 parkte ich also mein wunderschönes Auto auf dem Parkplatz – in die Tiefgarage wollte ich nicht mehr – wo ich mich mit Jacky und David treffen wollte.
Ich stieg aus und legte meine Tasche auf der Kühlerhaube ab, während ich zufrieden die Gebäude musterte.
Ich hatte diesen Ort wirklich vermisst.
Der Wind fuhr mir durch mein T-Shirt und ließ mich leicht frösteln.
Der Himmel war so klar gewesen, dass ich lediglich eine schwarze Jeans und ein weinrotes T-Shirt zu meinen roten Chucks angezogen hatte. Doch inzwischen war es bald Herbst und selbst in Spanien sanken dann die Temperaturen.
Zum Glück kamen da auch schon die anderen zwei und wir beeilten uns, endlich in die warmen Räume zu kommen.
Nachdem ich mir einige Unterlagen von dem jeweiligen Lehrer abgeholt hatte, konnte ich mich ohne große Erklärungen auf meinen Platz setzen und dem Unterricht folgen. Lediglich Max und seine Barbie machten ein paar dumme Kommentare, doch wir brachten sie schnell dazu, den Mund zu halten und es wurde ein lustiger Tag.
Doch dann sollte ich zum Direktor kommen.
Diego hatte mich schon darauf vorbereitet, dass er mit mir persönlich reden wollte, doch ein wenig nervös war ich trotzdem.
Er saß hinter einem riesigen, dunklen Schreibtisch und tippte verbissen auf die Tastatur ein. Seine grauen Haare bedeckten notdürftig einige kahle Stellen und das Hemd spannte ein wenig über seinem Bauch.
„Ah willkommen, Melina. Wie geht es dir?“
Wir führten ein wenig Smalltalk, bis er schließlich zu Sache kam.
„Diego hat mir bereits erzählt, dass er dich für fähig hält, trotz deiner verpassten Stunden, die Prüfungen zu bestehen. Ich würde mich allerdings gerne selbst davon überzeugen. Die Prüfungen sind zwar erst im nächsten Sommer, doch ich denke, eine kleine Vorprüfung nach den Herbstferien kann nicht schaden. Bist du damit einverstanden?“
„Was passiert denn, wenn ich sie nicht bestehe?“
Er faltete die Hände und musterte mich über den Rand seiner dicken Hornbrille.
„Dann fürchte ich, kann ich dich nicht zur Abschlussprüfung zulassen. Es gibt nun einmal bestimmte Regeln auf dieser Schule. Die erlauben es dir auch nicht, das verpasste in einer niedrigeren Klasse zu wiederholen. Deswegen hätte ich dich eigentlich auch erst gar nicht wieder aufgenommen, doch dein Trainer hat anscheinend ein großes Vertrauen in deine Fähigkeiten und da er sich noch nie dabei geirrt hat, gebe ich dir diese letzte Chance. Nutze sie gut! Ich werde mich aber auch bei deinen anderen Lehrern erkundigen, inwieweit du den verpassten Stoff schon nachgeholt hast. Also streng dich gut an. Vielleicht schaffst du ja wirklich dieses kleine Wunder. Es wäre dir zu gönnen, nach Allem was du erlebt hast.“
Nach dieser kleinen Motivationsrede, die aber eher deprimierend war, teilte er mir aber noch eine gute Neuigkeit mit. Einer der unteren Klassen würde diese Woche die Schule verlassen, sodass ich danach dessen Zimmer übernehmen konnte. Lediglich Maria durfte nicht mit mir darin wohnen. Doch sie fühlte sich sowieso bei Diego viel wohler.
Dieser versicherte mir auch, dass meine ganzen alten Sachen in die Wohnung gebracht werden würden.
Es würde also alles wieder wie vorher sein.
Nur mein Umgang mit Diego war anders.
Er ließ sich niemals unser Gespräch anmerken, behandelte mich genauso wie vorher – mit einem einzigen kleinen Unterschied: Er versuchte nicht mehr mich zu verführen.
Seit dem Abend hatte er mich kein einziges Mal mehr so verlangend angesehen, hatte keine anzüglichen Bemerkungen mehr gemacht und hatte sich mir auch nicht mehr genähert, wenn wir nicht gerade am Kämpfen waren.
Nach meinem Umzug änderte sich allerdings noch etwas.
Er fing wieder an, mich gnadenlos bis an meine Grenzen zu fordern, sodass ich jeden Abend fast ohnmächtig auf meinem Bett zusammensank und in Sekunden einschlief.
Anfangs plagte mich täglich ein ungeheurer Muskelkater, doch ich biss einfach die Zähne zusammen und ließ mir nichts anmerken. Dementsprechend sah jedoch auch meine Wohnung aus.
Diegos Leute hatten zwar alle Möbel genau wie in meiner alten Wohnung aufgebaut, jedoch Einzelteile wie meine Kleidung, mein Porzellan, Deko Artikel und Bücher standen immer noch in Kartons in meiner Wohnung und warteten geduldig, dass ich die Kraft fand, sie auszupacken.
Es war Freitag Abend und ich hatte mir gerade ein entspannendes Bad gegönnt, als es plötzlich an der Tür klingelte. Lediglich in einem Handtuch bekleidet ging ich zur Tür. Es konnte ja nur David, Jacky oder Maria sein, weil ich sonst niemanden aus meinem Haus kannte und Diego mich seit meinem Umzug noch nie besucht hatte.
Ich hatte ihm ja auch gesagt, er solle Abstand halten.
Doch ich schien an heute kein Glück zu haben.
Schon beim Joggen am Morgen wusste ich, dass der Tag schlimm werden würde, da Diego so schlecht gelaunt war und mich durch das ganze Tal hetzte. Im Unterricht anschließend konnte ich mich kaum konzentrieren vor Kopfschmerzen und nachdem die Aspirin am Mittag endlich half, meckerte Diego mich im Training ununterbrochen an, wie ich denn so meine Prüfung schaffen wollte.
Das Bad sollte der Aufmunterung dienen und danach hatte ich mich endlich meiner Wohnung widmen, doch dies war mir anscheinend auch nicht gegönnt, denn Diego stand vor meiner Tür und musterte mich finster. Er hatte immer noch schlechte Laune, denn er trat ohne ein Wort zu sagen ein und schmiss sich auf meinen Sessel.
„Zieh dich an.“
Verwirrt sah ich ihn an, doch er mied meinen Blick und musterte stattdessen meine Wohnung skeptisch.
„Willst du nicht mal deine Sachen auspacken?“
Zynisch lachte ich.
„Wann denn? Immer wenn ich Abends nach dem Training nach Hause komme, falle ich wie tot in mein Bett. Und tagsüber muss ich Hausaufgaben machen.“
Ruckartig wandte er seinen Kopf zu mir und funkelte mich wütend an.
„Wenn es dir zu anstrengend ist, Prinzesschen, dann hör doch einfach auf. Es erwartet momentan sowieso niemand von dir, dass du überhaupt die kommenden Wochen bis zu deiner Vorprüfung schaffst, geschweige denn die Prüfung selbst.“
Gekränkt baute ich mich vor ihm auf.
„Und du? Denkst du das auch?“
Ein teuflisches Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er sagte: „Du verhältst dich nie so, wie man es von dir erwartet. Irgendetwas in deinem Kopf scheint anders zu laufen als bei allen Anderen. Deswegen kann ich dir nicht sagen, was ich von dir denke. Theoretisch könntest du es schaffen. Du hast Talent und setzt deine Ziele stur um. Aber dein Stolz ist dir im Weg.“
„Wie meinst du das?“
„Das weißt du ganz genau!“
„Denkst du, nur weil ich nicht mehr mit dir schlafen will, schaffe ich die Prüfung nicht?! Hast du dich nur so für mich eingesetzt, damit du weiterhin mit mir vögeln kannst?! Hätte ich nur deswegen meine Prüfungen bestehen können?? Wenn du wirklich das sagen wolltest, dann kannst du jetzt sofort verschwinden und dem Direktor sagen ich würde es nicht schaffen! Weil ich bin mir wenigstens noch so viel wert, dass ich mich nicht für meinen Abschluss hoch schlafen will!“
Wütend lief ich an ihm vorbei und hatte gerade die Tür zum Schlafzimmer erreicht, als ich plötzlich zurück gezogen und gegen die Wand gedrückt wurde.
Er zwang mich, ihn anzusehen, während ich verzweifelt versuchte von ihm zu entkommen. Das ich dabei mein Handtuch vom Rutschen abhalten musste, erleichterte das Ganze nicht wirklich.
„Hey, hör mir doch mal zu, verdammt. Ich wollte damit nicht sagen, dass du die Prüfung nur bestehst, wenn du mit mir schläfst! Was denkst du überhaupt von mir?! Du sollst nur endlich aufhören dich so gegen mich zu wehren. Alles was ich sage, siehst du als Beleidigung gegen dich. Wenn ich dir beim Kämpfen zu nahe komme, verkrampfst du dich sofort, weil du denkst, ich wollte dich anmachen. Du bist zu stolz um weiterhin auf meine Befehle zu hören, weil du denkst du müsstest mir beweisen, dass du alleine klar kommst. Aber so klappt das nicht! Ich kann dich nur auf die Prüfung vorbereiten, wenn du endlich deinen Stolz wenigstens im Training runter schluckst.“
„Aber...“
„Nein! Du hast Angst vor meinen Berührungen. Als dein Boss kann ich das tolerieren. Aber nicht als dein Trainer. Bekämpfe diese Angst, dann kann ich dich auch so trainieren, dass du die Prüfungen schaffst!“
„Und wie soll ich das machen? Mal abgesehen von der Lösung, die dir wahrscheinlich gerade durch den Kopf geht?“
„Indem du mir vertraust.“
Damit ließ er mich stehen und verschwand aus meiner Wohnung.
Verwirrt blickte ich ihm nach. Ich hatte vielleicht etwas übertrieben mit meiner Theorie, dass er mich erpressen wollte. Aber ich wusste nicht, wie ich die Angst vor seinen Berührungen durch Vertrauen los werden konnte. Er hatte es natürlich merken müssen, dass ich jedes Mal, wenn er mich im Training anfasste, dachte er wolle mich verführen. Und er hatte auch Recht, dass es meinen Fortschritt beeinflusste, weil mein Gehirn sich nach seiner Berührung immer sekundenlang ausschaltete. Doch wie sollte sich das durch Vertrauen ändern?
Ich glaubte eher, dass ich einfach zu wenig Sex hatte und deswegen langsam aber sicher notgeil wurde.
Aber wie ich an den Sex kommen sollte, wusste ich auch nicht.
Natürlich hätten sich einige Spanier gerne dafür angeboten, doch so weit war ich noch nicht.
Noch lange nicht!
Frustriert widmete ich mich meinen Klamotten und räumte wenigstens diese in den Schrank ein. Es war ziemlich zeitaufwendig immer wieder in den Kisten zu kramen. Der Rest würde noch Zeit bis zum nächsten Wochenende haben. Immerhin aß ich meistens woanders und von der Dekoration bekam ich in meinem momentanen Zustand eher wenig mit.
Also tat ich das, was ich schon die ganzen 3 Wochen nach meinem Einzug ununterbrochen tat und machte Hausaufgaben.
Wenn Diego wirklich die Wahrheit gesagt hatte und niemand daran glaubte, dass ich die Prüfungen schaffte, würde ich mich umso mehr anstrengen um es allen zu zeigen.
Dass er mir das wahrscheinlich nur erzählt hatte, um mich dazu zu bringen, mehr zu arbeiten, verdrängte ich sofort wieder.
Diesen Erfolg wollte ich ihm nicht gönnen.
Das ganze Wochenende lang arbeitete ich – motiviert durch den Gedanken, den Erwartungen aller zu trotzen. Doch eine Lösung, wie ich mich Diego gegenüber verhalten sollte, hatte ich noch nicht gefunden.
Ich raffte mich auf und ging in das kleine Café was sich auf dem Schulgelände befand. Dort war ich schon lange nicht mehr gewesen, weil wir normalerweise in die Stadt zu unserem Stammcafé gingen, doch Jacky und David mussten noch Hausaufgaben machen und konnten mich deswegen nicht begleiten. Und sonst jemanden fragen wollte ich auch nicht.
Wie zu erwarten, war nichts los in dem kleinen Raum und lediglich ein junger Kellner stand hinter der kleinen Theke und putzte Tassen.
Es war alles sehr gemütlich eingerichtet mit großen Sesseln oder Sofas aus dunkelbraunem Leder. Dazwischen standen kleine Runde Tische und entlang der Theke fanden sich noch einige Hocker. Ansonsten bestand der Raum nur aus palmenähnlichen Blumen und Strandbildern. Dies machte es alles sehr gemütlich, vor Allem, weil es nur wenige kleine Fenster gab, da ich mich im Keller der Mensa befand.
Ich setzte mich an die Theke und bestellte einen Cappucino.
Freundlich grinste der blonde Kellner mich an und machte sich sofort daran, meinen Wunsch zu erfüllen. Währenddessen musterte ich ihn und musste feststellen, dass er sehr gut aussah.
Sein Haar war etwas länger und stand ihm wirr vom Kopf ab. Dazu trug er eine enge Jeans und ein grünes T-Shirt, was einen größeren Ausschnitt hatte und einen leichten Muskelansatz erkennen ließ. Darüber baumelte ein hölzernes Kreuz, das zu seinen Armbändern passte, die ebenfalls mit kleinen Holzkugeln verziert waren.
Im Großen und Ganzen sah er einfach aus wie ein typischer Surfer.
„Bitteschön, Senorita.“
Mit einem verschmitzten Lächeln reichte er mir mein Getränk, das ich erst einmal mit genügend Zucker versah und dann einen großen Schluck nahm.
„Bist du neu auf der Schule? Ich habe dich noch nie hier gesehen?“
Er lehnte sich mir gegenüber an die Theke und musterte mich unverhohlen, was mich grinsen ließ.
„Nein, ich bin schon im letzten Jahr. Aber ich bin zum ersten Mal hier unten im Café. Normalerweise gehe ich immer mit meinen Freunden in die Stadt.“
„Was für ein Pech, dass wir uns nicht früher kennen gelernt haben! Ich bin Eric. Und wie heißt du?“
Charmant reichte er mir seine Hand und ich stellte mich ebenfalls vor.
„Was für ein wunderschöner Name! Von wo kommst du denn, wenn ich fragen darf?“
Ich zögerte kurz, doch ich kannte ihn kaum, also erzählte ich, dass ich in Granada geboren sei.
„Oh wie cool! Dann kennst du dich ja hier bestens aus! Ich bin erst vor einem Monat nach Spanien gekommen. Ursprünglich wohne ich nämlich in der Nähe von Los Angeles. Aber ich wollte mal etwas anderes kennen lernen und hab mir einfach so ein Ticket hier hin gekauft.“
„Wow. Ohne dich vorher um eine Unterkunft oder Arbeit gekümmert zu haben? Wie lange willst du denn hier bleiben?“
„Ja aber es hört sich aufregender an, als es tatsächlich war. Ich weiß aber noch nicht, wie lange ich hier bleibe. Bis jetzt kenne ich noch nicht so viele Leute hier, aber vielleicht finde ich ja noch einen Grund für den es sich lohnt länger hier zu bleiben. Es zieht mich im Moment nichts nach Hause.“
Er grinste mir breit zu und ich beschäftigte mich mit meiner Tasse um ihn nicht ständig ansehen zu müssen.
Er gefiel mir. Vor Allem sein Lächeln.
Aber ich kannte ihn trotzdem nicht und meine schlechten Erfahrungen ließen mich vorsichtig werden, bei seiner offenen Art.
„Kannst du mir einen guten Club sagen, wohin ich am Wochenende gehen könnte? Ich kenne, wie gesagt, noch nicht so viele Leute hier und würde das gerne ändern.“
„Hier gibt es einen sehr coolen Club. Er heißt „ Andalusien Nights“. Man kann dort super feiern und neue Leute kennen lernen.“
Bei den Erinnerungen an den Abend, wo ich mit Jacky und David dort feiern wollte und schließlich Diego getroffen hatte, musste ich grinsen. Doch das schien mein Gegenüber auch mitbekommen zu haben.
„Anscheinend hast du selbst dort jemanden kennen gelernt. Zufällig deinen Freund?“
Er grinste verschmitzt und ich musste lachen, als ich die versteckte Frage erkannte.
„Nein. Er ist nicht mein Freund.“
Sein Grinsen wurde breiter.
„Also bist du noch Single?“
„Ja bin ich.“
Herausfordernd sah ich ihn an, was er mit meiner kurzen Antwort anstellen würde.
„Das freut mich. Was hältst du denn davon, mit mir am Freitag ins „Andalusien Nights“ zu gehen? Natürlich kannst du gerne auch deine Freunde mitnehmen. Schließlich kennst du mich erst ein paar Minuten und als Mädchen würde ich auch nicht mit einem Wildfremden alleine Abends weggehen.“
Ich lachte ihn an.
„Du bist ja ziemlich direkt, nicht wahr? Aber du hast vergessen auf was für eine Schule ich gehe. Ich kann mich durchaus selbst wehren.“
Er fing ebenfalls an zu lachen.
„Ja das haben mir schon viele Leute gesagt. Aber du hast gerade nicht abgesagt. Demnach darf ich hoffen, dass wir uns am Freitag Abend sehen?“
Ich legte ihm etwas Geld für meinen Cappucino hin und stand grinsend auf
„Vielleicht. Lass dich einfach überraschen, ob ich komme oder nicht.“
Ich winkte ihm noch einmal zu und verließ gerade das Café als er mir hinterher gelaufen kam und mir eine Serviette reichte.
„Meine Handynummer, falls du dich melden willst. Bis Freitag, wunderschöne Melina.“
Lachend verließ ich das Gebäude und verkroch mich anschließend sofort in meiner Wohnung um mir ein entspannendes Bad zu gönnen.
Eric war nett, charmant und er sah gut aus.
Aber sollte ich wirklich mit ihm in den Club gehen?
Ich ging in Gedanken noch einmal unser Gespräch durch.
Konnte ich ihm wirklich vertrauen?
Meine Erfahrungen mit Männern waren bis jetzt wirklich nicht die besten gewesen, David ausgenommen. Sollte ich es noch einmal darauf ankommen lassen?
Er erinnerte mich keineswegs an Justin und ich hatte normal mit ihm reden können.
Verwirrt rief ich Jacky mit dem Handy an und erzählte ihr alles.
Sie war überrascht, dass ich mich in seiner Gegenwart nicht unwohl gefühlt hatte und sah dies als Grund am Freitag in den Club zu gehen. Dies wäre auch ein gutes Training, mich wieder an Menschenmengen zu gewöhnen und zu Not konnte ich ja immer noch gehen.
Wir diskutierten so lange bis mein Wasser kalt war und einigten uns schließlich, am nächsten Tag noch einmal mit David darüber zu reden. Er würde immerhin mitkommen müssen.
Am nächsten Tag erfuhr ich, dass Diego für ein paar Tage beschäftigt sei und ich nun mit Felino trainieren würde.
Anfangs hatte ich mich ja noch gefreut, weil ich bei ihm wenigstens keine Berührungsängste hatte oder ich ihn geil fand. Doch er war noch erbarmungsloser im Training als Don!
Stöhnend rieb ich mir die Beine, als ich mich in der Mittagspause in der Mensa auf den Stuhl fallen ließ und fast im Sitzen eingeschlafen wäre.
„Ich hätte niemals gedacht, dass es einen noch härteren Trainer als Diego gibt! Wie kann man nur so unbarmherzig sein?! Felino hat mich heute morgen regelrecht durch das Tal getrieben. Ich kam mir vor wie ein Schaf, das vor einem Wolf wegläuft.“
Stirnrunzeln setzte Jacky sich mir gegenüber und musterte mich.
„Aber nicht, dass du wieder ohnmächtig wirst beim Training! So einen Schock will ich nicht noch einmal erleben!“
„Und selbst wenn. Im Moment erwarten alle so viel von mir, dass ich einfach weiter machen müsste. Sonst kann ich meine Karriere als Kopfgeldjägerin vergessen. Und ich würde mir niemals verzeihen, dass diese Lisa es geschafft hat, ich aber nicht!“
„Vergiss doch einfach diese Schlampe. Und seine Vorteile hat es ja eigentlich auch. So hast du wenigstens andere Sachen im Kopf als das Problem, wie du dich von deinem Trainer fern hältst.“
„Jaa, ich weiß.“, lustlos stocherte ich in meinem Essen herum. Ich hatte keinen Appetit doch ich wusste, was passieren würde, wenn ich zu wenig essen würde.
Lachend beobachtete David mich.
„Im Moment siehst du aber so aus, als würdest du dir gerne Gedanken darum machen, wie du ihn flachlegen kannst. Aber das liegt nur daran, dass du so lange keinen Anderen getroffen hast. Deswegen wirst du dich auch am Freitag mit Eric treffen, damit du endlich nochmal auf andere Gedanken kommst.“
„Ich will Diego gar nicht flachlegen! Und Eric kenne ich auch erst ganz kurz!“
Jacky grinste mich dreckig an.
„Also ich glaube ja, dass man Diego gar nicht flachlegen kann. Er ist es eher, der einen flachlegt. Selbst bei Rome habe ich es nie geschafft oben zu liegen – und der ist nur halb so dominant wie Diego.“
Wir lachten und ich schaffte es das Thema von mir auf Jacky und Rome zu lenken.
Die zwei hatten sich im Guten getrennt, doch aus den Erzählungen von ihr bahnte sich bei mir schon der Verdacht an, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis sie wieder zusammen kamen.
„Warum habt ihr euch eigentlich getrennt?“
Ich hatte sie noch nie danach gefragt, umso neugieriger war ich als sie endlich damit heraus rückte.
„Naja..Du warst verschwunden und ich war leicht empfindlich. Und ja..... du kennst ja Rome. Er ist ein wenig wie Diego. Er hat mir nie gesagt, was er den Tag über so macht und wann er kommt oder geht. Und irgendwie...bin ich dann ausgerastet. Ich hab ihn angeschrien, als er einmal morgens verschwunden war und mir noch nicht einmal eine Nachricht hinterlassen hat. Im Nachhinein habe ich mich auch dafür entschuldigt aber wir haben uns geeinigt, dass es besser wäre uns so zu trennen, als wenn wir uns irgendwann richtig streiten und dann das Training nicht mehr klappt...“
Lachend entschuldigte ich mich dafür, dass ich indirekt Schuld an ihrem Streit hatte. Doch sie versicherte mir, dass es ihr das Wert gewesen sei, wenn ich es ihr dafür auch gleich tun würde und mich nicht nur auf Diego fixieren sollte. Das würde nur meiner Karriere nur schaden.
Dass sie genau das gleiche im Moment wieder bei Rome tat verschwieg ich ihr.
Sie hätte es sowieso nur wieder abgestritten.
Die Woche zog sich endlos dahin und mir gingen immer mehr die Gründe aus, warum ich mich am Freitag Abend nicht mit Eric treffen sollte. Das einzige Argument, auf das meine Freunde keine Erwiderung hatten war, dass ich vom Training so erschöpft war wie schon lange nicht mehr. Doch Felino quälte mich ungerührt weiter, egal wie sehr ich jammerte.
Als ich schließlich meine letzte Trainingsstunde für die Woche hinter mir hatte, schwor ich mir das ganze Wochenende lang nicht mehr aus meinem Bett aufzustehen. Eric konnte mir gestohlen bleiben. Er würde mich irgendwann ja sowieso enttäuschen.
Nachdem ich geduscht hatte, legte ich mich ins Bett und schlief schon wenige Minuten später ein.
Doch früher als erwartet wurde ich aus einem Traum erweckt, in dem ich mit Diego alleine im Schwimmbad gewesen war. Außer uns war die gesamte Halle leer und er hatte nur eine Badehose angehabt...
„Verdammt, Melina! Ich weiß, dass du da bist! Mach gefälligst deine Tür auf!“
Jacky schrie durch meine Wohnungstür und hämmerte gleichzeitig so kräftig dagegen, dass ich Angst hatte, sie würde die Tür aus den Angeln reißen.
Schnell hinderte ich sie daran indem ich ihr aufmachte und ihre Schimpftirade wortlos über mich ergehen ließ, warum ich so lange gebraucht hatte.
„So und jetzt zieh dich um! In einer halben Stunde kommt David vorbei.“
„Aber ich habe doch gar keine Lust heute Abend weg zu gehen..“
Lustlos ließ ich mich von ihr zu meinem Schrank ziehen, wo sie schon wenige Minuten später ein blaues Kleid herausholte, was dem roten glich, welches sie trug.
Es war trägerlos und wurde von einer schwarzen, dezenten Schleife über der Brust festgehalten. Darunter lag es eng an und reichte mir lediglich bis zu Mitte der Oberschenkel.
„Nein. Das kann ich doch nicht anziehen! Dann denken alle Kerle doch nur, ich wollte unbedingt gevögelt werden und nerven mich ständig!“
Sie lachte und suchte ungerührt ein passendes Paar Schuhe heraus.
„So kannst du direkt testen, ob Eric dich nur flachlegen will und ob er dich verteidigen kann.“
Jacky war vollkommen im Kuppler – Modus und duldete keinen Widerspruch, weswegen ich eine Viertelstunde später dezent geschminkt und mit gelockten Haaren und einem Glas Sekt auf meinem Sofa saß.
„Du siehst echt geil aus und wenn dein Kerl nicht schwul oder spießig ist, werdet ihr zwei heute Abend sehr viel Spaß haben.“
Zufrieden ließ sie sich neben mich sinken und nippte ebenfalls an ihrem Glas.
„Aber ich will doch gar nicht mit ihm schlafen. Das letzte Mal war mit diesem Arschloch und ich weiß nicht ob ich schon so weit bin, dass ich mich wieder auf einen Mann einlassen kann...“
„Süße. Du sollst doch gar nicht direkt mit ihm ins Bett hüpfen. Lass dich zu nichts drängen. Lern ihn erst einmal kennen. Dann kannst du das immer noch nachholen. Hauptsache du kommst auf andere Gedanken und vergisst endlich Diego und den andern Arsch.“
Sie hatte Recht. Ich musste mich einfach ablenken, dann würde mein Training sicherlich auch wieder besser. Wenn ich erst einmal nicht mehr auf Diego stand, konnte meinem Abschluss nicht mehr viel im Weg stehen.
Ich würde mich auch nie wieder auf solche Bad Boys einlassen. Die hatten einfach ein viel zu großes Ego und taten mir überhaupt nicht gut. Eric dagegen machte einen netten Eindruck und Muskeln hatte er trotzdem.
Eine Stunde später hatten wir den Club erreicht und dank Jacky konnten wir auch einfach an der langen Schlange vorbei gehen. Es hatte seine Vorteile, wenn man den Türsteher seines Lieblingsclubs kannte.
Drinnen war es brechend voll und ich bekam auf einmal ein beklemmendes Gefühl. Doch David schien dies direkt zu merken und legte beschützend einen Arm um mich. Auch wenn er nicht so groß wie Diego war und auch wesentlich weniger Muskeln hatte – ich fühlte mich direkt etwas sicherer.
An der Bar angekommen bestellten wir uns alle einen Cocktail und ich lehnte mich entspannt an den Tresen, während ich die Meute um mich herum beim Tanzen beobachtete.
„Hola, Senorina. Darf ich dir einen Drink ausgeben?“
Desinteressiert winkte ich ab, bis ich plötzlich eine blonde Mähne neben mir entdeckte und bemerkte, dass es Eric war, der dort neben mir stand.
„Oh, hey Eric! Ich hätte dich fast nicht wiedererkannt! Du siehst so schick aus!“
Er grinste mich charmant an und gab mir einen Handkuss.
„Wenn ich mich mit einer so schönen Frau, wie dir treffe, muss ich mich doch schick machen! Alles andere wäre nur eine Beleidigung für dich!“
Lachend stellte ich ihn meinen Begleitern vor und wir ergatterten uns einen Tisch in der Ecke, wo man sich besser unterhalten konnte.
Dies nutzte Jacky auch sofort aus und fing an, Eric mit tausenden Fragen zu bombardieren, die er jedoch alle geduldig antwortete.
Das meiste wusste ich jedoch schon, weswegen ich mich noch einmal prüfend im Club umsah ob nicht jemand dort war, den ich kannte oder der mich vielleicht entführen wollte.
„Was ist los, Senorina? Du guckst so komisch. Soll ich euch lieber wieder alleine lassen?“
Überrascht blickte ich den Blonden neben mir an.
„Nein. Natürlich nicht! Ich bin nur zum ersten Mal seit Langem wieder unter so vielen Leuten und ich muss mich erst wieder daran gewöhnen.“
„Oh..Das hört sich an, als hättest du schlechte Erfahrungen gemacht. Das tut mir Leid. Wir können auch woanders hin gehen, wenn du dich dort wohler fühlst.“
Dankend winkte ich ab und drehte mich wieder ihm entgegen.
Ich hatte niemanden aus meiner Vergangenheit entdecken können.
„Willst du mit mir tanzen?“
Strahlend nickte er und führte mich galant auf die Tanzfläche. Die überraschenden Blicke von David ignorierte ich einfach. Entweder ich würde mich jetzt daran gewöhnen, wieder andere Menschen zu berühren oder gar nicht!
Sanft zog Eric mich ein wenig näher und riss mich somit aus meinen Gedanken. Jedoch hielt er immer noch ein wenig Abstand, sodass er mich nur mit seinen Händen auf meiner Hüfte berührte.
Angespannt fing ich an, mich zu bewegen und schnell passte mein Partner sich an meinen Rhythmus an.
Ich mochte das Lied und versuchte, mich lediglich darauf zu konzentrieren. Mir konnte hier nichts passieren. Dafür waren viel zu viele Leute hier.
„Sag Bescheid, wenn ich dir zu Nahe komme!“, rief Eric mir da ins Ohr um die Musik zu übertönen und erntete erneut überraschte Blicke von mir.
Er schien ein Gespür für die Gefühle anderer zu haben und immer zu merken, wenn ich mich anspannte.
„Nein, ist schon okay so. Ich muss mich nur noch etwas daran gewöhnen.“
Charmant grinste er mich an und wir tanzten weiter.
Ich entdeckte ab und zu Jacky oder David, die immer in meiner Nähe zu bleiben schienen, während sie ebenfalls tanzten. Dies beruhigte mich noch mehr, bis ich Eric schließlich näher zog und meinen Kopf, bei einem langsameren Lied an seine Schulter legte.
So tanzten wir schweigend weiter bis das Lied vorbei war und ich ihn an die Theke zog. Ich hatte Durst und wollte mich zudem mit ihm unterhalten. Bevor ich jedoch reagieren konnte, hatte er mir den gleichen Cocktail bestellt, den ich bei meiner Ankunft getrunken hatte. Und er bestand darauf, mir diesen zu spendieren.
Ich machte es mir auf einem der Hocker bequem und sah ihn an, wie er neben mir stand und den Barkeeper bezahlte. Dabei war er mir so nahe gekommen, dass er mit seinem Körper an meine Knie stieß, doch ich ignorierte dies.
„Hier für dich. Und Cheers!“
Wir stießen an und tranken beide erst einen Schluck, bis ich ihn fragte, ob wir uns an einen Tisch setzen sollten. Doch es waren alle belegt, sodass wir wieder zurück zur Theke gingen und er mir den einzelnen Barhocker anbot.
„Mir macht es nichts aus zu stehen und dir müssen in den Schuhen sicherlich die Füße weh tun.“
Grinsend stimmte ich ihm zu und nahm wieder Platz, jedoch mit dem Rücken zur Bar, sodass er direkt vor mir stand.
„Willst du mir nicht etwas von dir erzählen?“, fragte er da auch schon grinsend und wir einigten uns darauf immer abwechselnd Fragen zu stellen.
Dieses Spiel führten wir so lange fort bis endlich ein Tisch frei wurde und wir uns dorthin verziehen konnten.
Es war lustig, mit ihm zu reden, denn er machte immer wieder Witze oder brachte mich anders zum Lachen, sodass ich mir sicher war, am nächsten Tag Muskelkater zu haben. Aber ich war ihm so dankbar, dass er mir genug Freiraum ließ und es akzeptierte, wenn ich eine seiner Fragen nicht beantworten wollte, dass ich die Schmerzen im Bauch ignorierte.
Er hatte seinen Arm auf die Lehne hinter mir gelehnt, ohne mich jedoch zu berühren. Und auch sonst war er mir ziemlich nah. Aber es gefiel mir.
Das, was er mir über sich erzählte, bestätigte noch mehr meinen ersten Eindruck von ihm. Er war überhaupt kein Bad Boy - ich war wahrscheinlich sogar stärker – sondern eher einer von der Sorte „Lieblingsschwiegersohn“. Doch genau das war es, was ich ihm Moment brauchte. Jemand, der mir jeden Wunsch von den Lippen ablas und mich zu nichts zwang.
Als es schließlich 3 Uhr Nachts war, kamen auch David und Jacky wieder an den Tisch zurück, jeweils mit Begleitung. Doch nach anfänglichen Gesprächen widmeten sie sich eher der Tätigkeit, ihrer Begleitung die Zunge in den Hals zu stecken, sodass ich mit Eric dazwischen saß und mich nicht sehr wohl fühlte.
„Fühlst du dich auch so überflüssig hier?“, wurde mir da auch schon ins Ohr geflüstert, worauf ich lachend zustimmte.
„Lass uns einfach wieder tanzen.“
Ich tippte Jacky an und sie ließ uns auch sofort heraus, widmete sich dann jedoch wieder dem Braunhaarigen, auf dessen Schoß sie saß.
Wieder auf der Tanzfläche schmiegte ich mich an den leicht muskulösen Körper.
Wir tanzten eng miteinander, doch seine Hände ruhten nur auf meinem Rücken. Er war wahrscheinlich der Erste Mann, der mir nicht direkt an den Hintern packte, wenn er mit mir so tanzte.
Ein richtiger Gentleman.
Und ganz gentlemanlike brachte er mich, gemeinsam mit meinen zwei Freunden zum Taxi und öffnete mir sogar die Tür.
„Vielen Dank, für den wunderschönen Abend, Senorina! Ich würde mich freuen, wenn wir das noch einmal wiederholen könnten. Vielleicht bei einem Café?“
Grinsend lehnte ich mich an das Taxi und musterte ihn kritisch.
„Hm.. Ich fürchte, so nett wie du heute zu mir warst, bin ich dir das schuldig.“
Lachend stimmte er mir zu und beugte sich dann langsam zu mir herunter.
Der Kuss den er mir auf die Wange drückte, war lang und erregte meinen Magen in Aufruhr, als ob ich dort einen Ameisenhaufen sitzen hätte.
Ich schloss die Augen und seine Lippen lösten sich von meiner Wange.
Er hatte seine Hände so sanft auf meine Hüften gelegt, als hätte er Angst ich würde zerbrechen.
Da spürte ich seinen Atem auf meinen Lippen und öffnete überrascht meine Augen.
Ich versank sofort in einem klaren Blau, was mich fragend ansah.
Nichts an ihm erinnerte mich an Justin.
Er war so anders.
So viel netter.
Und doch kannte ich ihn kaum.
Ich schloss meine Augen wieder und kurz später küsste er mich zaghaft auf die Lippen.
Sofort spannte mich leicht an, was ihn zurück schrecken ließ.
„Tut mir Leid. Ich wollte dich zu nichts zwingen! Ich...“
Grinsend legte ich ihm meinen Finger auf die Lippen, bis er schwieg.
Dass ich mich erschreckt hatte, lag schließlich nicht an ihm.
„Gute Nacht.“
Ich hauchte ihm ebenfalls einen leichten Kuss auf die Lippen und verschwand dann schnell im Taxi.
Ich brauchte unbedingt etwas Zeit für mich zum Nachdenken!
Das ganze Wochenende versteckte ich mich in meiner Wohnung und dachte über den Abend mit Eric nach.
Ich hatte keine Ahnung, was ich davon halten sollte.
Er war so charmant, nett, fürsorglich, zurückhaltend..
Alles Eigenschaften, die meine Ex-Freunde bis jetzt nicht gehabt hatten.
Sie alle waren bestimmend, fast schon arrogant, selbstbewusst – die typischen Bad Boys. Sie hatten sie alle genommen, was sie wollten und ich hatte es gemocht.
Aber Eric..
Er war vollkommen anders.
Vielleicht sollte ich es einfach versuchen.
Also schrieb ich ihm eine SMS und fragte, ob er Lust auf einen Kaffee hätte.
Bis er jedoch antwortete lag gespannt wie eine Feder auf meinem Sofa und wäre fast darunter gefallen, als mein Handy endlich vibrierte.
„Hey. Natürlich. Aber ich muss noch bis 5 Arbeiten. Wie wäre es wenn du einfach zu mir ins Café kommst. Es ist kaum etwas los und wir können reden. HDL“
Grinsend las ich die Nachricht mehrmals.
Er hatte es wirklich ernst gemeint, dass er mich wieder sehen will.
Und er wollte anscheinend auch wirklich nur reden.
Noch eine Eigenschaft, die keiner meiner bisherigen Liebhaber besaß.
Also zog ich mir schnell eine schwarze Röhrenjeans, einen türkisen Pullover und meine Chucks an und verließ eilig meine Wohnung.
Als ich wenige Minuten später das Café betrat, saßen nur 3 Jungen auf einem der Sofas und unterhielten sich.
Hinter der Theke war niemand, doch ich setzte mich trotzdem auf einen der Hocker. Erst durch meine erhöhte Sicht entdeckte ich dann auch Eric, wie er hinter der Theke auf dem Boden lag und versuchte etwas darunter hervor zu holen.
„Ich fühle mich zwar geschmeichelt, aber du musst ja nicht direkt den Boden küssen, wenn ich den Raum betrete.“, rief ich ihm lachend zu, was ihn erschreckt hochfahren ließ.
„Oh. Hey, Melina! Ich habe dich gar nicht kommen hören. Aber ich muss dich enttäuschen. Ich liege nur auf dem Boden, weil mir irgendwie etwas Wechselgeld unter die Theke gefallen ist und jetzt bekomme ich es nicht mehr heraus.“
„Soll ich dir helfen? Ich hab schließlich dünnere Arme als du.“
„Nein. Ich lass doch nicht zu, dass du dich für mich auf dem Boden herum wälzt!“
Lachend umrundete ich die Theke und kniete mich neben ihn auf den Boden.
„Ist zwar charmant von dir, aber mir macht das nichts aus. Schließlich will ich mal Kopfgeldjägerin werden. Da muss ich mich auch mal auf dem Boden wälzen.“
Ich schob meine Hand unter die Theke und fischte ihm das Geld heraus.
„Danke. Bei dir ging das wesentlich leichter als bei mir. Was hältst du denn davon, wenn ich dir zum Dank einen Cappucino spendiere?“
Er schob mich wieder auf meinen Hocker und fing sofort an, mein Getränk zu machen.
„Hier. Einen perfekten Cappucino, mit extra viel Schaum für die wunderschöne Frau.“
Lachend nahm ich einen Schluck und musterte ihn dabei.
Wie immer, trug er eng anliegende Jeans und ein ebenso enges T-Shirt, das seine Muskeln betonte.
„Gehst du eigentlich ins Fitness Studio oder woher hast du die Muskeln?“
„Nein. Das ist nichts für mich. Meine Eltern haben in Amerika aber eine Farm und ich habe ihnen immer geholfen.“
„Cool. Mit was für Tieren?“
„Sie züchten Pferde.“
„Und von dort bist du weg gegangen? Freiwillig?“
„Pferde gibt es überall. Hier doch auch. Was sollte ich also vermissen?“
„Hm..Dann kannst du ja sicherlich voll gut reiten!“
Grinsend nickte er.
„Wenn du willst, kann ich dir es nachher zeigen. Ich habe ein Pferd drüben im Stall stehen, was sich sicherlich über die Bewegung freut.“
Begeistert stimmte ich zu.
Ich hatte schon immer eine Schwäche für Pferde gehabt, auch wenn ich nie zu den Mädchen gehört hatte, die lieber ihr Pferd küssten als einen Jungen.
So kam es dann, dass ich den Nachmittag lachend in dem Café verbrachte und um halb 6 dann den Stall betrat, in den Armen meines blonden Surfers.
Er hatte mir nämlich erzählt, dass er wirklich gerne surft und seitdem nannte ich ihn nur noch so.
Bei einer gescheckten Stute blieb er schließlich stehen.
„So die Damen. Darf ich euch einander vorstellen. Melina, das hier ist Heidi. Heidi, das hier ist die wunderschöne Melina.“
Lachend streichelte ich das Pferd.
„Heidi? Wie kommst du denn auf den Namen? Hast wohl als Kind zu viel die Serie geguckt?!“
„Ich habe sie bestimmt nicht so getauft. Ich hasse die Serie nämlich! Aber umtaufen wollte ich sie dann auch nicht.“
Angefressen fuhr er ihr ebenfalls über das Fell, sodass ich ihn einfach umarmen musste.
„Hey, das war doch nur ein Scherz. Der Name passt zu ihr. Jetzt sei doch nicht direkt sauer.“
„Hmm...“
Sein Gesicht brachte mich zum Lachen, was seine Laune jedoch nicht besserte, sodass ich ihm einfach einen Kuss auf den Mund drückte.
„Machst du das jetzt immer, wenn ich sauer bin?“
Verschmitzt grinste er mich an und ich küsste ihn erneut, weil er einfach süß aussah.
Dieses Mal war der Kuss jedoch länger und ich drückte mich wohlig gegen seine Körper.
Fordernd strich ich mit der Zunge über seine Unterlippe und biss leicht hinein.
„Bist du sicher, dass du schon einen Zungenkuss willst?“
Zurückhaltend sah er mich prüfend an, doch ich küsste ihn einfach wieder.
„Ich weiß schon, was ich will. Und im Moment will ich einen Zungenkuss.“
Erneut fuhr ich ihm über die Lippe, doch dieses Mal gewährte er meiner Zunge endlich Einlass. Wenn auch erst nur zögerlich, erwiderte er meinen Kuss und seine Arme wanderten um meine Taille, bis er mich fest umarmte.
Ich löste mich und lief lachend von der Box weg.
„Wo willst du denn hin? Warte doch.“
Grinsend ging ich rückwärts und wartete bis er mir hinterher kam, wofür er allerdings erst eine Aufforderung brauchte.
Man sah ihm seine Verwirrung deutlich an, als ich weiter lief, nachdem er etwas näher gekommen war.
„Was hast du denn vor? Und warum zur Hölle läufst du vor mir weg? Hab ich was falsch gemacht?“
Ich musste lachen, weil er anscheinend wirklich keine Ahnung hatte, was ich machen wollte. Vor allem als ich die Leiter auf den Heuboden hoch kletterte, wurde sein Gesicht noch verwirrter.
„Du musst dich doch nicht vor mir verstecken, Süße. Ich will dir doch gar nichts tun.“
Lachend blickte ich von oben auf ihn herab.
Wie begriffsstutzig kann man denn sein?!
„Komm hoch, dann sag ich dir, was ich vorhabe.“
Langsam kam er mir hinterher und ich schmiss mich währenddessen quietschend ins Heu. Ich liebte den Geruch einfach, auch wenn es kratzte.
„Also? Was soll das ganze hier? Was willst du hier oben?“
Stumm klopfte ich neben mir ins Heu, bis er sich widerwillig dort hinsetzte und ich ihn neben mich zog, bis er ebenfalls lag.
„Ich liebe einfach den Geruch von Heu. Und im Liegen ist es doch wesentlich bequemer als im Stehen, oder?“
Ich beugte mich zu ihm herüber und küsste ihn.
„Aber das Heu kratzt doch nur..“, nuschelte er zwischen zwei Küssen.
„Ist doch egal. Küss mich einfach.“
So lagen wir noch lange im Heu. Machten nichts außer reden, uns küssen und in die Augen zu sehen.
Eric erzählte mir so einiges von Amerika und ich nahm alles gierig in mich auf. Ich hatte schon immer mehr Fernweh als Heimweh gehabt. Aber ich konnte mich immerhin nicht beschweren, wo ich doch schon nach Spanien ausgewandert war, wovon ich Eric aber keine Einzelheiten erzählte. Die ganze Geschichte mit Justin ließ ich aus. Und vor Allem, dass ich etwas mit meinem Trainer angefangen hatte. Ich hatte ja schon spüren müssen, dass so etwas nicht gut gehen konnte und man später alles nur bereute.
Trotz des entspannten Abends war ich am nächsten Morgen sehr verschlafen und merkte erst zu spät, dass mein Trainer wieder gewechselt hatte.
"Siehst du immer so verschlafen aus, wenn Felino mit dir morgens laufen geht? Ich glaube du brauchst ein paar Extrarunden und Krafttraining zum Wach werden!"
"Dir auch einen guten Morgen, Don. Ich hoffe, deine Arbeit letzte Woche war erfolgreich?"
"Anscheinend nicht mehr, wenn ich dich so sehe. Felino hat das Training doch zu viel schleifen lassen. Ich wusste, dass du ihn irgendwie dazu bekommen würdest, dass er Mitleid bekommt. Und jetzt los! Wir haben noch etwas nachzuholen, heute."
Don machte seine Drohung wahr und quälte mich so lange, bis mir schließlich beim abendlichen Training die Beine immer wieder einknickten, während ich gegen ihn kämpfte. Nach dem 5. Mal rastete er dann endgültig aus.
„Verdammt noch mal, Melina!! Hast du überhaupt etwas gemacht, während ich weg war?! So kann das doch nicht weiter gehen! Steh gefälligst wieder auf und streng dich mehr an!“
Unter großer Anstrengung rappelte ich mich erneut auf, stützte mich zur Sicherheit jedoch an der Wand ab.
„Ich habe ziemlich viel gemacht, während du weg warst! Tu nicht immer so, als wäre ich stinkfaul und du allein wärst der Grund, wenn ich mal etwas mache. Ich strenge mich doch schon so viel an, wie ich kann! Aber-“
„Aber es ist nicht genug!“
Wütend drehte er sich wieder mir zu und ich wollte ihm stur entgegentreten, doch sofort gaben meine Beine nach und ich fiel wie ein nasser Sack zu Boden.
Fluchend rieb ich mir die Handgelenke, die meinen Sturz abgefangen hatten und jetzt ebenfalls schmerzten.
„Ich kann einfach nicht mehr, Don. Felino hat mit mir trainiert. Genauso viel wie du. Und er hatte auch kein Mitleid! Ich habe noch nicht einmal gejammert um ihn irgendwie zu überreden! Aber selbst wenn, hätte es auch nichts gebracht, weil er sich anscheinend in den Kopf gesetzt hatte, dich nicht enttäuschen zu wollen. Dementsprechend hat er mich auch bis zum um kippen gequält. Aber ich habe nichts gesagt! Ich hab es einfach irgendwie hinter mich gebracht um dann Abends wie tot ins Bett zu fallen! Und bevor du weiter meckerst, ich habe nebenbei auch das restliche Zeug, was ich verpasst habe wiederholt. Ich bin fleißig, verdammt! Aber irgendwann habe ich nun einmal meine Grenzen erreicht und kann nicht mehr! Warum kannst du mir das nicht einfach mal glauben?“
Ich wollte aufstehen, doch meine Beine trugen mich nicht mehr. Sie fühlten sich an wie Wackelpudding und zitterten so stark, dass ich sie kaum bewegen konnte. Sofort klappte ich zusammen und machte mich auf einen erneuten Aufprall gefasst, doch anstatt des harten Bodens umfingen mich zwei starke Arme.
Don drückte mich an sich und hob mich sanft hoch.
„Und warum kannst du immer erst deinen Mund aufmachen, wenn du vor Erschöpfung umkippst?“
Er sah dunkel von oben auf mich herab und musterte mich kritisch.
„Ich hasse es herum zu jammern und versage nur ungern in Dingen, die ich mir vorgenommen habe. Das solltest du inzwischen doch gemerkt haben.“
Mir wurde schwindelig und ich versteckte meinen Kopf an seiner muskulösen Brust, die durch sein Lachen vibrierte.
„Ja das stimmt, du Dickkopf. Oder aber in Wirklichkeit bist du nur scharf darauf von mir getragen zu werden.“
Kraftlos schlug ich ihm gegen die Brust, was jedoch eher einem kleinen Schubs glich und meine Hand anschließend dort liegen blieb.
„Hör auf damit. Ich habe dir gesagt, was ich davon halte.“
Eine Reaktion bekam ich darauf nicht. Er trug mich einfach wortlos zur Umkleide und sammelte, immer noch mit mir auf den Armen, meine Sachen ein. Ich wollte sie ihm abnehmen, doch er ließ es nicht zu.
„Ich bring dich zurück in deine Wohnung. Das Training ist sowieso schon seit einer halben Stunde vorbei. Den Rest des Tages solltest du dich besser ausruhen und vor Allem genügend essen! Morgen erwarte ich dich nämlich trotzdem beim Training.“
Grinsend nickte ich. Es gab wahrscheinlich nur einen Menschen auf der Welt, der so unbarmherzig sein konnte. Doch ich konnte mir eine längere Pause nun einmal nicht leisten.
„Was muss ich eigentlich tun, damit du mir einen Tag Pause gönnst?“
Er lachte dunkel und grinste mich dreckig an.
„Ganz einfach, Süße. Darauf warten, dass Samstag ist.“
Den Rest des Weges vergrub ich meinen Kopf wieder an seinem harten Körper und atmete den herrlichen Duft seines neuen Duschgels ein. Seine Haushälterin hatte mich nach einer neuen Sorte gefragt, als ich noch unter ihm wohnte. Die Arme hatte nämlich keine Ahnung gehabt und mich schließlich mit ihrer Verzweiflung zu einem Vorschlag überreden können. Es war mein Lieblingsduft von Puma. Und der Name ‚Animagical‘ passte auch wirklich zu ihm. Das einzige, was mich jetzt störte, war, dass es jetzt diese Catwoman Schlampe war, die ihn mit diesem Duft im Bett neben sich hatte und nicht ich. Doch ich war nicht der Typ Frau, die sich damit begnügte die Nummer 2 eines Mannes zu spielen.
Und außerdem hatte ich im Moment ja sowieso einen Freund…und wo wir gerade von dem am reden waren…
„Ach fuck! Ähm Don? Willst du mich echt bis zu meiner Wohnung tragen? Ich fühle mich schon viel besser und kann die Treppe schon wieder alleine gehen. Du brauchst dir wegen mir keine Umstände machen!“
„Mach dir mal keine Sorgen um mich. Mir schadet die Treppe auch nicht und du schaffst es auf keinen Fall 3 ganze Stockwerke nach oben zu gehen. Bevor am Ende noch irgendetwas passiert, bringe ich dich bis zu deinem Bett. Und das wirst du heute auch nicht mehr verlassen!“
Das Grinsen in seinem Gesicht war so dreckig, dass sich einen kurzen Moment lang an das letzte Mal denken musste, wo er dafür sorgen wollte, dass ich das Bett nicht verlasse. Doch dann fiel mir mein eigentliches Problem wieder ein. Ich hatte Eric gesagt, dass er nach dem Training zu mir kommen könne. Und so wie ich die Zeit einschätzte, müsste er jetzt schon vor meiner Tür stehen und warten. Auf ein Kennenlernen von ihm und Don konnte ich allerdings gut verzichten. Vor Allem, wenn ich in Dons Armen lag und noch nicht einmal davon laufen konnte.
Mit jedem Stockwerk, das wir erreichten, wurde ich nervöser und redete mir ein, dass Eric vielleicht noch gar nicht dort war. Doch als wir endlich an meiner Tür ankamen wurde ich bitter enttäuscht.
„Melina? Schatz, was ist passiert?! Warum lässt du dich von diesem Mann tragen?“
Besorgt kam er auf uns zu, hielt jedoch noch etwas Abstand, wahrscheinlich aus Respekt zu Don.
„Kennst du den Kerl?“
Unbeeindruckt schloss Don die Tür auf und musterte Eric abschätzend, der meiner Antwort zuvor kam.
„Ob sie mich kennt? Hallo?! Ich bin ihr Freund, natürlich kennt sie mich!“
Eine Augenbraue zog sich nach oben und während er eintrat, sah er mich fragend an.
„Ja. Das ist Eric.“
Ich fühlte mich sehr unwohl in meiner Situation und erwartete, dass er mich sofort abstellte, doch er trug mich tatsächlich bis zu meinem Bett. Allein die Tatsache, dass er Eric die Tür nicht vor der Nase zugeschlagen hatte, bezeugte seine Kenntnisnahme. Dieser stand nun schüchtern in der Tür und sah dabei zu, wie Don mich noch extra zudeckte.
„Und wer sind Sie, wenn ich das mal fragen darf?“
„Ich bin ihr Boss und ihr Trainer. Und du wirst jetzt wieder gehen. Melina braucht Ruhe!“
Er richtete sich zu voller Größe auf und sah ihn drohen an, sodass er einen Schritt zurück wich.
„Was ist denn passiert, Schatz?“
Dons Mundwinkel zuckten bei dem Spitznamen, doch ich hatte weit größere Probleme als Eric zu sagen, dass ich so Namen hasste.
„Ich bin nur zusammen geklappt. Nichts schlimmes. Hab mich einfach überanstrengt, aber morgen ist das wieder besser.“
„Was? Das soll nichts schlimmes sein? Du musst sofort zu einem Arz! Und was sind Sie denn für ein Trainer, dass sie nicht merken, wenn sie sich überanstrengt?!“
„Sag du mir nicht ob ich in meinem Beruf gut bin oder nicht. Du hast keine Ahnung! Und sie zu einem Arzt zu schleppen würde sie nur noch mehr anstrengen. Das einzige was sie jetzt braucht ist Ruhe und Schlaf, dann ist sie morgen früh zum Training wieder fit! Also verzieh dich jetzt sofort und wage es ja nicht heute noch einmal wieder zu kommen! Und für dich, Melina, wäre es besser, wenn du ihn heute nicht mehr herein lässt. Du musst dich entscheiden zwischen ein paar schönen Stunden mit deinem Kerl oder deiner Karriere.“
Ich nickte ergeben. Er hatte schließlich Recht. Doch Eric schien das anders zu sehen.
„Was soll das denn heißen? Drohen Sie ihr gerade etwa damit, dass sie ihren Abschluss nicht schafft, wenn sie mit mir zusammen ist?!“
Don lachte rau und trat einige Schritte auf den immer kleiner werdenden Eric zu.
„Ich drohe ihr nicht, ich sage die Wahrheit. Sie muss noch viel nachholen, was das Training angeht. Da kann sie es sich nicht leisten, durch jemanden, wie dich abgelenkt zu werden, und sich deswegen nicht genügend ausruht. Aber das ist ganz allein ihre Entscheidung. Und wir zwei lassen sie jetzt alleine.“
„Ich werde nicht gehen! Das ist meine Freundin und ich muss mich um sie kümmern, weil es ihr schlecht geht wegen Ihnen! Sie können sie doch nicht so quälen! Das werde ich nicht zulassen!“
„Eric, hey! Ist okay. Er hat ja Recht. Und ich will ja, dass er mich so ‚quält‘, wie du es sagst. Ansonsten schaff ich meinen Abschluss einfach nicht! Ich habe mir das selbst ausgesucht und du wirst dich da nicht einmischen! Ich komm damit auch ganz gut alleine zurecht!“
Ich hasste es, wenn Kerle mich wie ein Kind behandelten.
„Aber das ist doch nicht gut für deine Gesundheit! Und blaue Flecken hast du ja auch! Das kann doch nicht so weiter gehen!“
„Das stimmt. Es kann nicht so weiter gehen, weil die blauen Flecken allein meine Schuld sind! Ich habe nicht aufgepasst und dann kommt so etwas nun einmal. Strafe muss sein. Und was meine Gesundheit betrifft, so ist der ganze Beruf nicht gut für mich. Aber ich will nun einmal Kopfgeldjägerin werden. Wenn ich dafür mal im Krankenhaus lande oder sonst irgendwie die Zähne aufeinander beißen muss, dann ist das okay für mich! Ich bin nicht so schwach, wie du gerade tust. Ich kann das aushalten!“
„Aber-“
Eric machte einen Schritt auf mich zu, wurde jedoch von Don zurück gehalten.
„Nichts aber. Du hast sie gehört und jetzt verschwinde. Morgen kannst du ja meinetwegen wieder zu ihr kommen. Aber heute muss sie sich erholen.“
Er schob ihn Richtung Wohnungstür, drehte sich aber noch einmal kurz um.
„Wenn ich merke, dass er wiederkommen will, werde ich Felino vor deiner Tür postieren.“
Damit verschwand er mit Eric ins Treppenhaus und ich wollte mir nicht vorstellen, was die zwei dort noch miteinander anstellten.
Ich würde morgen mit Eric reden müssen. Er hatte es nicht verstanden, warum ich das alles in Kauf nahm. Seiner Meinung nach sollte ich wahrscheinlich einen anderen Beruf wählen. Einen, der nicht so gefährlich und anstrengend ist. Doch das war nun einmal mein Traum, seit Don mich aus Deutschland geholt hatte. Und ich würde ihn für niemanden aufgeben!
Am nächsten Tag ging es mir auch wirklich besser, ich hatte mich auch immerhin nur noch aus dem Bett erhoben um mir etwas zu Essen zu machen und dann bis zum morgendlichen Joggen durchgeschlafen. Nur ein wirklich übler Muskelkater quälte mich noch, den ich beim Joggen jedoch erfolgreich ignorieren konnte, sodass ich mir nur ein paar kritische Kommentare von Don einhandelte. Über Eric redeten wir zum Glück nicht. Und auch den ganzen Tag lang war ich so beschäftigt, dass ich leider keine Zeit hatte ihn in seinem Café zu besuchen. Obwohl ich zugeben musste, dass ich auch nicht wirklich scharf auf ein Gespräch mit ihm war.
Doch nach meiner letzten Trainingseinheit für diesen Tag, in der Don mich wieder bis zum Umfallen quälte – er war wahrscheinlich einer der wenigen Trainer, bei denen man dieses Sprichwort wirklich wörtlich nehmen konnte – hatte ich keine weitere Ausrede mehr und schlenderte schließlich mutlos zu Erics Café.
Er hatte mir den ganzen Tag über nicht geschrieben und als ich das Geschäft betrat, kümmerte er sich auch erst einmal in aller Ruhe um seinen Kaffeeautomaten, bevor er sich mir widmete. Doch er blieb auch weiterhin auf Abstand.
„Hallo. Wie ich sehe hast du dich wieder erholt.“
„Ja. Ich bin gestern auch fast direkt, nachdem ihr gegangen seid, eingeschlafen und habe mich somit genügend ausgeruht.“
„Hm…Dann ist ja gut.“
„Ja.“
Eine kleine Pause entstand zwischen uns in der er verbissen die Theke polierte und ich etwas nervös an meinem Armband herum spielte.
„Es tut mir ja Leid, dass ich dich gestern wegschicken musste..“
„Du meinst wohl eher, dass ich von deinem Boss heraus geschmissen wurde.“
„Ja…aber so ist er nun einmal. Er nimmt meine Ausbildung sehr ernst und ich nun einmal auch.“
„Aber deswegen darfst du doch nicht so nachlässig mit deiner Gesundheit umgehen und dich so überanstrengen.“
„Das will ich aber, denn ich muss noch so viel nachholen, damit ich den Abschluss schaffe. Und das ist mir der Job auf jeden Fall wert!“
„Aber wieso? Du bist schlau, du könntest so viele andere Dinge machen, wo du nicht so lange von deinem Boss verprügelt wirst, bis du dich nicht mehr auf den Beinen halten kannst. Einen richtigen Job, der nicht so gefährlich und brutal ist. Einen, bei dem du nicht deine Gesundheit aufs Spiel setzen musst! Mit einer richtigen, regelmäßigen Bezahlung und einer Rente!“
„Das will ich aber nicht! Versteh das doch! Ich will unbedingt Kopfgeldjägerin werden! Ich will mich wehren können! Und ich will Verbrecher jagen und sie hinter Gitter bringen!“
„Aber warum wirst du denn dann nicht Polizistin? Oder Anwältin?“
„Um Anwältin zu werden, bin ich zu schlecht und Polizistin kann ich auch nicht werden.“
„Warum das denn nicht?“
Ja…Von meiner wahren Vergangenheit hatte ich ihm noch nicht erzählt. Nur dass mein Ex ein Arsch war und ich für ein paar Monate zu ihm zurück gekehrt war, es bitter bereut hatte und er mich nicht gehen lassen wollte.
„Ich…ich kann nicht darüber reden.“
Er strich sich verzweifelt durch die Haare, kam um den Tresen herum und strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr.
„Ich verstehe dich einfach nicht, Melina. Du hast so viele Geheimnisse vor mir. Ich merke, dass du Angst hast, vor irgendetwas oder vor irgendwem, und ich würde dir so gerne helfen dabei, doch du willst mir ja nichts erzählen. Und du hast anscheinend schlimme Dinge erlebt – in deiner Jugend und auch vor kurzer Zeit. Aber meinst du nicht, dass es dir helfen würde, wenn du dich jemandem anvertraust?“
Abweisend blickte ich zur Seite auf den Boden und antwortete nur kühl.
„Ich habe mich bereits jemandem anvertraut, dass muss reichen.“
„Deinem Boss?“
Resigniert deutete er mein Schweigen als Zustimmung und packte mich an den Schultern.
„Meinst du wirklich, dass ER der richtige ist, sich ihm anzuvertrauen? So wie ich ihn kennen gelernt habe, schien er eher wenig Verständnis aufbringen zu können.“
„Ohne ihn könnte wäre ich gar nicht in der Lage mit dir zusammen zu sein. Du magst ihn nicht, okay. Aber ich verdanke ihm mein Leben, meine Ausbildung und noch so viel anderes. Das kannst du nicht verstehen.“
„Aber ich würde es gerne, Süße.“
Stumm zuckte ich mit den Schultern und starrte weiterhin auf den Boden.
Eric seufzte leise und zog mich dann sanft in seine Arme.
„Du weißt, dass ich immer für dich da sein werde? Egal, ob du weiterhin so schweigsam bist oder nicht. Vergessen wir die Sache von gestern und ich bitte dich einfach, es nicht noch einmal so weit kommen zu lassen. Hab ein wenig mehr Achtung vor deinem Körper, denn er ist wirklich wundervoll, genauso wie du es bist! Und wenn es doch noch einmal passiert, dann sorge vielleicht wenigstens dafür, dass mir dein Boss nicht wieder so grob rausschmeißt.“
„Danke, auch wenn es wahrscheinlich noch einmal vorkommen wird und ich Don dann auch nicht daran hindern kann – was das angeht ist er etwas eigen…“
Er küsste mich aufs Haar und seufzte erneut.
„Dann werde ich wohl oder übel damit leben müssen..“
Glücklich schien er damit jedoch nicht zu sein.
Doch als ich ihm endlich in die Augen blickte, kam mir sein gewohntes Grinsen schon wieder entgegen und er küsste mich sanft auf die Lippen.
„Ich habe in 45 Minuten Feierabend. Was hältst du davon, wenn du schon mal vor gehst in deine Wohnung, wir etwas kochen und dann gemeinsam einen Film gucken
Grinsend stimmte ich zu und legte meine Arme um seinen Hals.
„Okay. Ich kann ja schon mal anfangen zu kochen. Allerdings musst du dich dann mit Spaghetti zufrieden geben.“
Ich küsste ihn lange und ließ meine Zunge über seine Unterlippe wandern.
„Wenn du mich schon so überredest, kann ich doch gar nicht nein sagen..“
Wir küssten uns noch eine Weile, bis plötzlich ein Gast das Café betrat und er wieder arbeiten musste. Also schlenderte ich grinsend zu meiner Wohnung und wollte das Abendessen vorbereiten, wo ich jedoch auf ein neues Problem stieß.
Es standen immer noch viele Kartons herum und ich hatte keine Ahnung, wo das Geschirr, das Besteck und die Töpfe waren. Also musste ich sie alle, der Reihe nach, auspacken und dann natürlich auch einräumen. Doch wirklich weit war ich noch nicht gekommen, als es auch schon klopfte.
„Hey, ich muss dir was gestehen. Ich habe keine Ahnung, wo mein Geschirr und Besteck hin ist. Irgendwo hier in den vielen Kisten, aber ich muss erst mal ausräumen, bevor wir kochen können.“
Lachend begutachtete Eric die restlichen 5 Kartons und gab mir erst mal einen Begrüßungskuss.
„Okay, aber bevor du mir noch verhungerst, was hältst du davon, wenn wir uns eine fertig geschnittene Pizza bestellen und gemeinsam die Kartons auspacken?“
„Aber du wolltest doch einen gemütlichen Fernsehabend machen…“
„Ist doch egal. Irgendwann musst du ja mal das alles hier ausräumen und bei dem vielen Training, der Schule und den Hausaufgaben hast du sowieso viel zu wenig Zeit. Außerdem, wenn ich dir helfe, geht es wesentlich schneller als alleine und ist lustiger.“
Missmutig stimmte ich zu, mit dem Gedanken, ihm den Abend versaut zu haben, doch ihm schien es wirklich nichts auszumachen und ich wurde in meiner Meinung ein weiteres Mal bestärkt, dass ich einen Muster-Schwiegersohn als Freund hatte.
2 Stunden später lagen wir dann endlich erschöpft auf dem Sofa und sahen uns Navy CIS an.
Dass ich jemals zu den Frauen gehören würde, die mit ihrem neuen Freund Abends nur kuschelten und sich nicht im Bett wälzten, hätte ich auch niemals gedacht. Mehr als ein bisschen Küssen war zwischen mir und Eric auch noch nicht gelaufen, doch ich war mir nicht sicher ob er schon für mehr bereit war – ob ich bereit war, wusste ich erst recht nicht! Doch er schien so gefesselt von der Serie zu sein, dass ich ihn dabei nicht stören wollte und ebenfalls Agent Gibbs dabei zu sah, wie er sein Team herum kommandierte.
Am Ende der Folge konnte ich meine Müdigkeit jedoch kaum noch unterdrücken, was Eric als Aufforderung nahm, sich zu verabschieden.
„Wir können es morgen Abend ja noch einmal mit dem Kochen probieren, jetzt wo du weißt, wo alle Sachen dafür sind. Allerdings befürchte ich, dass du davor noch einkaufen musst.“
Lachend stimmte ich zu und brachte ihn noch bis zur Tür, wo ich ihn in einen langen Zungenkuss verwickelte, den er jedoch schließlich abbrach und mich noch einmal schief anlächelte.
„Erhol dich gut, damit du morgen das Training auch unbeschadet überstehst.“
Dann sprang er auch schon grinsend die Treppen hinunter und ließ mich nachdenklich in meiner Wohnung zurück.
Er war so vollkommen anders als meine bisherigen Freunde – warum war ich nur so glücklich in seiner Nähe?
Ich verkroch mich in mein Bett und konnte nicht anders, als ihn mit Don zu vergleichen.
Es schien als hätte er keine der Werte, die mir früher wichtig waren: stark, groß, muskulös, selbstbewusst, ein wenig gefährlich, beschützend, draufgängerisch, mutig und dominant.
Das traf alles eher auf Don zu.
Eric hingegen war rücksichtsvoll, charmant, ein Gentleman, besorgt, lustig, er ließ mich bestimmen, respektierte meine Geheimniskrämerei, war fürsorglich – allgemein einfach perfekt.
Und was das wichtigste war: Ich war die einzige für ihn.
Auch wenn wir noch nicht miteinander geschlafen hatten, er war einfach der Mr. Right und schien zu meinem neuen Ich zu passen.
Ich hatte mein Leben verändert, warum also nicht auch meine Freunde.
Und jetzt, wo ich mit ihm zusammen war, würde es hoffentlich auch kein Problem sein, mit Don zu trainieren.
Ab jetzt würde ich ihm wieder vollkommen vertrauen und mit ihm als Mann einfach abschließen, da ich meinen Traummann schließlich gefunden hatte.
Am nächsten Tag überraschte Don mich mit einem neuen Trainingsplan. Er erklärte, dass der Direktor einige Trainingseinheiten besuchen wollte, um meinen Fortschritt zu beobachten und dass ich davor noch etwas an mir arbeiten müsste.
Also pumpte er meinen Tagesplan noch ein wenig mehr mit Kampftraining, Muskelaufbau, Ausdauer, Reaktionstraining, Schießen, Schwimmen, Laufen und Yoga zu – die Yoga Stunde hatte ich zum Glück ohne ihn.
Allerdings merkte ich schon bei unserem morgendlichen Kampftraining, dass es mir leichter fiel, seine Nähe zu ertragen und er mich abends sogar lobte, ich sei vielleicht doch nicht so stur, wie er dachte.
Obwohl es ein sehr zweifelhaftes Kompliment war, machte es mich wirklich glücklich und ich lief pfeifend, zu meiner Wohnung zurück, wo Eric schon wieder auf mich wartete.
„Sorry, dass ich zu spät bin, aber das Training hat heute wieder etwas länger gedauert und ich muss jetzt auch erst mal duschen!“
Entschuldigend drückte ich ihm einen Kuss auf die Lippen, bevor ich uns in meine Wohnung einließ und bemerkte, dass ich schon wieder vergessen hatte einzukaufen. Doch selbst das schien ihn nicht wirklich zu stören und wenige Minuten später hatten wir etwas beim Asiaten bestellt und ich nahm meine verdiente Dusche.
Draußen war es wieder etwas kühler geworden, sodass ich mir anschließend einen kuscheligen Kapuzenpullover und Hotpants anzog und dann barfuß zu Eric in die Küche tapste, wo er gerade eine Flasche Wein öffnete. Dass Wein keine gute Idee bei mir war, verschwieg ich ihm jedoch lieber.
Wir kuschelten uns unter eine Decke auf dem Sofa und ich wartete ungeduldig auf da Essen, was mir sogar etwas Mitleid von Eric und dafür eine Rückenmassage einbrachte.
Er war eindeutig Mr. Perfect!
Eine Nudelbox und 1 Glas Wein später, lehnte ich mich selig zurück, während er alles wegräumte.
„Und jetzt? Willst du noch etwas fernsehen, oder bist du zu müde dafür?“
„Hm…“
So wirklich begeistert war ich davon nicht, was er auch schnell bemerkte.
„Okay, ich sehe schon, du bist zu müde. Soll ich dich denn noch etwas massieren oder willst du lieber sofort schlafen gehen?“
Grinsend blickte ich ihn an und er musste sofort lachen.
„Also noch eine Massage für die wunderschöne Lady. Dafür musst du dich allerdings anders hinsetzen.“
Brummend dachte ich an die unbequeme Position, wo ich doch gerade am liebsten nur noch liegen würde, so sehr schmerzte mein Körper.
„Was hältst du davon, wenn wir ins Schlafzimmer gehen und du mich da im Liegen massierst?“
Unschuldig blinzelte ich ihn an, was ihn lachend zustimmen ließ und ich mich wenige Sekunden später auf mein Bett schmiss.
Eric ging das ganze etwas langsamer an, setzte sich aber schließlich neben mich und begann, mich mit seinen geschickten Fingern zu massieren. Jedoch störte ihn in dieser Position mein T-Shirt ungemein und er musste es ständig zurück ziehen. Aber er beschwerte sich kein einziges Mal, sodass es schließlich ich war, die ihn fragte, ob es für ihn nicht leichter wäre, wenn ich es einfach ausziehen würde.
„Aber nur, wenn das wirklich für dich okay ist. Ich will dich keineswegs bedrängen oder so!“
Ganz zweifelnd hatte er sogar aufgehört mich zu massieren, worauf ich mich lachend aufsetzte und mir mein T-Shirt über den Kopf zog.
„Darauf kann ich auch gut alleine aufpassen. Du wirst schon merken, wenn du etwas tust, was ich nicht mag.“
Und erst ganz zögerlich setzte er seine Hände erneut auf meinen Rücken.
Ich hatte auch erwartet, dass ich zusammenzucken würde oder mich verkrampfen, doch nichts davon geschah und schon nach wenigen Minuten lag ich erneut völlig entspannt neben ihm und war kurz davor, wohlig wie eine Katze zu schnurren.
„Gefällt es dir?“
„Und wie! Du kannst das echt gut, aber wenn es dir zu anstrengend wird oder du keine Lust mehr hast, kannst du auch ruhig aufhören!“
„Nein, nein. Ich mag es, dich zu massieren. Dann entspannst du dich auch mal und das hast du nötig, so verspannt wie du bist.“
Neugierig sah ich ihn von unten an.
„Scheint so, als hättest du Ahnung davon?“
„Ja, ich habe eine Lehre als Masseur angefangen, aber dann habe ich mich entschlossen hier hin zu kommen.“
„Oh. Aber ich muss sagen, die Lehre war wirklich erfolgreich bei dir!“
Lachend stimmte er mir zu und er massierte mich weiter, bis mich mein schlechtes Gewissen zu sehr plagte und er sich trotz seinen Beteuerungen, dass er mich gerne verwöhnte, neben mich legte.
Mein T-Shirt zog ich mir allerdings noch nicht über, sondern betrachtete ihn, wie er so da lag, mit diesen wunderschönen blauen Augen. Und auch sein Blick wanderte langsam über mich, heftete sich dann jedoch wieder an meinem Gesicht fest, was mich erneut grinsen ließ.
„Wie kommt es eigentlich, dass ein so perfekter Gentleman, wie du, noch keine Freundin hat?“
„Ich weiß nicht. Ich hatte auch eine Freundin, bevor ich hier hin kam, aber es hat nicht geklappt.“
Lachend musterte ich ihn.
„Also ist das hier so etwas, wie eine Beziehungsüberwindungs-Reise?“
„Nein. Ich war schon ein paar Wochen Single, als ich den Entschluss hierzu gefasst hatte.“
„Was für ein Glück für mich.“
Grinsend robbte ich ein wenig näher und küsste sanft auf die Lippen.
„Ich würde eher sagen, dass ich derjenige bin, der Glück hat. Immerhin bin ich jetzt mit der wundervollsten Frau zusammen, die ich jemals getroffen habe.“
„Und die liegt auch noch nur in BH und Hotpants neben dir im Bett und du bist einfach so ein Gentleman, dass du nur einmal den Blick hast schweifen lassen und mir seitdem nur noch in die Augen guckst.“
Verlegen strich er sich durch die Haare.
„Ich habe doch schon gesagt, dass ich dich nicht bedrängen will. Vor allem jetzt, wo du schon Wein getrunken hast.“
Lachend gab ich ihm erneut einen Kuss, entfernte mich dieses Mal jedoch nicht mehr so weit weg von seinem Mund.
„Du bist der erst Mann, den die Tatsache, dass ich Wein getrunken habe, zurück gehalten hat.“
„Aber so sollte es ja eigentlich auch sein.“
„Ja. Nur stehen Frauen meistens darauf, wenn die Männer das ein wenig ausnutzen.“
Kritisch musterte er mich, küsste mich dann jedoch zögerlich, worauf ich ihn nur in einen langen Zungenkuss verwickelte. Dabei drängte ich mich noch ein wenig mehr gegen ihn, sodass ich schließlich auf ihm lag – nebenbei gesagt eine sehr seltene Position von mir – und seine Hände langsam und vorsichtig meinen Rücken herunter wanderten.
Dieser Mann war einfach zu lieb für diese Welt!
Nicht nur, dass der Sex mit ihm der zärtlichste, verspielteste und sanfteste war, den ich jemals hatte.
Ich hatte ihn danach sogar fast überreden müssen, bei mir liegen zu bleiben und wurde am nächsten Morgen auf einmal mit einem Frühstück am Bett überrascht.
Warum hatte ich vorher nur immer die Bad Boys bevorzugt?
Mit Eric war es so viel schöner, leichter, romantischer und entspannender!
Er war nun mal Mr. Perfect!
Aus meiner Glückseligkeit wurde ich jedoch schlagartig heraus gerissen, als es an der Tür klopfte und ich – nur mit Erics T-Shirt bekleidet – Don gegenüber stand.
„Störe ich etwa?“
Zufrieden grinste er und ließ seinen Blick prüfend an mir herab gleiten.
„Was machst du denn so früh schon hier? Training ist doch erst in einer halben Stunde…“
Ich war viel zu überrumpelt, um mich überseine offensichtliche Befriedigung, Eric und mich gestört zu haben, aufzuregen.
„Ich habe Arbeit für dich, wenn du gerade nichts Besseres zu tun hast.“
Auffordern glitt seine Augenbraue nach oben, worauf ich gar nicht anders konnte als ihn herein zu lassen. Eric war gerade am Duschen und ich hoffte einfach, dass er erst fertig war, wenn Don wieder gegangen war.
Dieser machte es sich inzwischen auf meiner Couch bequem und knallte mir einen riesigen Stapel Akten auf den Tisch, den ich vorher glatt übersehen hatte.
„Was ist das?“
Ich setzte mich neben ihn, zog mir jedoch das übergroße T-Shirt lieber noch etwas weiter runter, was mit einem leichten Schnauben kommentiert wurde.
„Akten von Leuten, die wir schon seit längerer Zeit suchen, aber keine frischen Spuren mehr auftauchen. Viele von ihnen haben sich wahrscheinlich in andere Länder abgesetzt oder wurden von ihren Feinden zuerst gefunden und verrotten jetzt auf irgendeiner Müllhalde oder auf dem Grund eines Sees oder Flusses. Die anderen allerdings werden oft nach ein paar Jahren unvorsichtiger, melden sich wieder bei ihrer Familie, ihren Freunden und wir können sie endlich schnappen.“
„Sofern ihre Anklage noch nicht verfallen ist, nicht wahr?“
„Genau. Die Kautionsagentur bekommt dann zwar ihr Geld nicht mehr zurück, doch uns müssen sie trotzdem von dem Geld der Versicherung bezahlen.“
Verstehend nickte ich und sah mir gerade die Akte an, die Don mir gereicht hatte, als plötzlich ein verwunderter Eric –zum Glück mit einer Hose bekleidet – in der Schlafzimmertür erschien.
„Darf ich mal fragen, was das werden soll?“
Verwirrt sah er mich und Don an, als mir auffiel, dass ich ja immer noch nur sein T-Shirt – die Akten hatten mich einfach zu neugierig gemacht.
„Wir arbeiten.“, kam es da auch schon knapp von Diego und er wollte sich wieder den Ordnern zuwenden, als Eric leicht angefressen nachhakte.
„Meinen Sie nicht, dass es dafür ein wenig früh ist? Sie trainieren den ganzen Tag mit ihr, wenn sie gerade keinen Unterricht hat oder Hausaufgaben machen muss – und das von 7 Uhr morgens bis 8 Uhr abends!“
„Eifersüchtig, dass ich mehr Zeit mit deiner Freundin verbringe als du?“
Don grinste ihn überlegen an und ich konnte einfach nicht fassen, was er da gerade gesagt hatte. Zum Glück schien auch Eric überrascht zu sein, sodass ich es schaffte, seiner Antwort darauf vorzukommen und mich schlichtend zwischen die beiden stellte – was sich nur mit einem T-Shirt bekleidet nicht sehr angenehm anfühlte. Als hätte Eric uns in flagranti erwischt und ich müsste ihm, nur spärlich bekleidet, eine Entschuldigung liefern.
„Stopp! Ihr zwei beruhigt euch jetzt bitte erst einmal. Eric, wir hatten doch schon mal über meinen Job geredet und der beinhaltet nun einmal auch, dass ich sehr lange und zu ungewöhnlichen Zeiten arbeiten muss.“
„Aber es war nie davon die Rede, dass du das halbnackt machen musst! Und es scheint dir ja auch nicht wirklich etwas auszumachen.“
Don wollte schon zu einer Antwort ansetzen doch ich unterbrach ihn grob.
„Don, halt dich da raus! Ich werde mir jetzt was anziehen, Eric, und dann weiter arbeiten, okay?“
Ich ging auf ihn zu und küsste ihn beschwichtigend, worauf er nur grummelnd nickte und ich Dons Grinsen förmlich im Rücken spüren konnte. Doch ich ignorierte ihn und beeilte mich, mir eine Jeans und ein eigenes T-Shirt überzuziehen, bevor die zwei sich im Nebenzimmer noch weiter stritten und Eric auf einmal noch erfuhr, dass ich mal was mit Don hatte.
Doch sie hatten sich beide nicht mehr bewegt, seit ich gegangen war und ich reichte Eric wortlos sein T-Shirt, was er sofort überzog.
„Und jetzt, wo du dein T-Shirt wieder an hast, kannst du mich und Melina ja alleine lassen. Die Sachen hier gehen dich nämlich überhaupt nichts an.“
Selbstgefällig streckte sich Don noch etwas weiter auf dem Sofa aus und grinste meinen Freund herausfordernd an, der mich nur fragend ansah. Doch ich konnte nichts dagegen tun, sodass er schließlich seine Sachen packte und sich mit einem kurzen Kuss von mir verabschiedete.
„Ach und falls ihr zwei heute Abend noch etwas vor hattet, das wird auch nicht klappen. Melina arbeitet heute Nacht für mich.“
Eric nahm diese Information mit zerknirschter Mine zur Kenntnis, während ich meine Freude unterdrücken musste, da dies die Situation wahrscheinlich zum eskalieren gebracht hätte. Doch so schloss ich die Tür hinter ihm zu und konnte nicht anders als meinen Kopf erst einmal verzweifelt gegen den Rahmen sinken zu lassen.
Was hatte ich mir nur da eingebrockt? Wenn das mit den zwei so weiter ging, würde ich irgendwann noch verrückt werden!
„Warum musst du eigentlich immer so gemein zu ihm sein und ihn ständig provozieren?“
Erschöpft schlenderte ich wieder zurück zum Sofa und ließ mich neben Don fallen, der mich nur kritisch musterte.
„Weil jeder Mann, von dem ich etwas halte, sich gegen so Kleinigkeiten wehren kann.“
Aha. Ein wirklich dezenter Hinweis, dass er etwas gegen meinen Freund hatte. Na super.
„Und außerdem denke ich, dass du im Moment besseres zu tun hast, als dich mit anderen Männern zu treffen. Es gibt immerhin viel zu tun, wie der Kerl schon bemerkt hat.“
Spöttisch sah ich ihn an.
„Andere Männer?“
Doch er bedachte diesen Kommentar nur mit einem Grinsen und reichte mir erneut die Akte.
„Kommen wir zu wichtigeren Dingen. Diese Leute hier sind in unseren Computern gespeichert. Das heißt, wenn irgendetwas auf ihren Namen gekauft oder gemeldet wird, merken wir es und können sie direkt schnappen. Ihre Freunde und Verwandten können wir jedoch nicht so leicht überwachen. Deswegen muss immer wieder jemand bei ihnen vorbeifahren, etwas beobachten und dezent nachfragen, ob unsere Zielperson sich vielleicht noch einmal gemeldet hat.“
Er zeigte mir alles am Beispiel des Kinderschänders, dessen Mappe ich in den Händen hielt.
„Wenn ich meine Männer dorthin schicke, erweckt das meistens Aufsehen. Denn viele Flüchtige kundschaften ihre Heimat erst ein wenig aus, bevor sie zurück kehren um nachzusehen, ob immer noch nach ihnen gesucht wird.“
„Und deswegen schickst du mich?“
Grinsend stimmte er zu.
„Zieh einfach normale Kleidung an und fahr ein wenig in der Gegend herum. Kooperative Leute sind besonders in den Akten markiert, mit denen kannst du reden. Ansonsten belass es lieber beim Beobachten oder denk dir gute Ausreden aus, warum du den Gesuchten sprechen willst. Das sind alles schwere Jungs, die werden bei einem kleinen Mädchen wie dir nur wenig Verdacht schöpfen.“
„Ich bin kein kleines Mädchen mehr!“
„Der Kerl hier ist sogar größer als ich. Dem machst du sogar mit einer Pistole in der Hand nur ein bisschen Angst.“
Frustriert schnaubte ich und sah mir dann den restlichen Stapel an, der aus 11 Mappen bestand, während Don es sich neben mir gemütlich machte und nur ab und zu ein paar Kommentare abgab. Doch beim Lesen fiel mir auf, dass die meisten von ihnen wahrscheinlich nie wieder zu ihren alten Freunden und Familien zurück kehrten und Don war anscheinend auch ziemlich überzeugt davon. Denn sonst hätte er mich niemals alleine auf Mörder, Vegewaltiger, Kinderschänder und Gewalttätige losgelassen. Sogar ein potentieller Auftragskiller war dabei!
Das ganze schien eher, wie eine Beschäftigungstherapie, um mich von Eric fern zu halten, doch ich hielt meine Bemerkung zurück. Er würde es ja doch nicht zugeben und so konnte ich wenigstens endlich nochmal arbeiten, anstatt ständig zu trainieren und etwas für die Schule zu machen.
Nachdem ich alles durchgelesen hatte, zog ich mich um und wir starteten gemeinsam zum Joggen, auch wenn wir etwas schweigsamer als sonst waren. Doch als ich dann zum Unterricht musste, machte der Wein sich noch einmal bemerkbar und bescherte mir leichte Kopfschmerzen, sodass die Stunden sich unendlich in die Länge zogen und ich überglücklich war, vor dem Mittagessen endlich eine Aspirin schlucken zu können.
Bald würden die letzten Klausuren anstehen und ich musste so langsam aber sicher anfangen zu lernen, weswegen ich mich für Nachmittags mit Jacky und David verabredet hatte. Wir legten uns gemeinsam auf eine Decke in die kühle Herbstsonne und waren so vertieft in die ganzen Vorgehensweise, die wir in 4 Wochen ausführlich beschreiben können mussten, dass ich fast zu spät zu meinem Training kam und von meinem Sprint zur Halle schon erschöpft war, bevor Don überhaupt angefangen hatte, mich herum zu scheuchen.
Dieser nahm meinen Kommentar, dass ich mich auf dem Weg zu ihm schon aufgewärmt hatte, jedoch nur mit einem spöttischen Schnauben zur Kenntnis und ließ mich unbarmherzig Dehnübungen machen.
„Du scheinst mit dem neuen Traininsplan ja gut zurecht zu kommen.“
Ich lag gerade kraftlos auf den Matten und fragte mich, ob er das jetzt ernst gemeint hatte oder mich nur ärgern wollte, weil schon jetzt nach zwei Stunden Training mein gesamter Körper schmerzte und ich anschließend noch eine Yogastunde hinter mich bringen musste. Doch zu mehr als einen fragenden Blick schaffte ich es einfach nicht mehr.
Er lachte dunkel und reichte mir meine Wasserflasche, die ich in gierigen Zügen leer trank.
„Willst du mich ärgern oder war das dein Ernst?“
„Ich fürchte das war mein Ernst. Ich habe vorhin mit deinen Lehrern gesprochen und sie sind alle zufrieden mit deiner Mitarbeit. Du hast dich anscheinend wirklich angestrengt, alles nachzuholen.“
„Auch wenn ich dir nicht glauben kann, dass diese Lehrer imstande sind, überhaupt einen ihrer Schüler zu loben - angestrengt habe ich mich aber wirklich.“
Er ließ sich neben mir nieder und trank ebenfalls etwas.
„Ich denke, wenn der Direktor nächsten Montagnachmittag vorbei kommt, wird er zufrieden mit dir sein. Mit ihm habe ich auch geredet und er ist schon wesentlich optimistischer, was deinen Abschluss betrifft, als zuvor.“
„Dabei bin ich doch erst zwei Wochen hier in der Schule..“
„Aber du schlägst dich besser, als alle gedacht haben. In der Schule merkt man dir kaum noch an, was dir passiert ist und deine Berührungsängste scheinst du auch immer mehr in den Griff zu bekommen.“
Genervt verdrehte ich die Augen.
„Wenn du jetzt wieder irgendetwas über meinen Freund sagst, dann fürchte ich, muss ich dir eine runter hauen.“
Wie ich das machen sollte, war mir zwar schleierhaft, da sogar die Wasserflasche mir fast zu schwer war, doch das musste Don ja nicht wissen, der gerade rau lachte.
„Das würde ich ja nur zu gerne sehen, aber dann klappst du mir auf einmal wieder zusammen. Und außerdem deute ich die Tatsache, dass du dich heute Morgen nur so spärlich bekleidet neben mich gesetzt hast, als Fortschritt, genauso, wie du beim Kämpfen wieder konzentrierter geworden bist.“
War ja klar, dass zu meinem Outfit noch ein Kommentar kommen musste.
„Heißt das, du traust mir inzwischen wieder zu, dass ich es schaffe?“
„Wenn du dein Ziel nicht aus den Augen verlierst, ja.“
Also bemühte ich mich in dieser Woche, mein Ziel möglichst nicht aus den Augen zu verlieren, wobei es leider nicht nur eines gab.
Ich musste immerhin anfangen für meine Klausuren in Rechtswissen, Psychologie, Medizin und Verhandlungswesen zu lernen, dann wollte ich mich auch ein paar Mal mit Maria treffen, beim Training musste ich mich vollkommen konzentrieren, dann hatte ich noch ein paar Zielpersonen, über die ich Informationen sammeln sollte, die abgetauchten Verbrecher sollte ich einmal pro Monat checken, das Essen durfte ich nicht vergessen und auch Eric wollte ich nicht zu sehr vernachlässigen.
Kurz gesagt – ich hatte Stress pur und freute mich schon auf mein lang ersehntes Wochenende. Doch auch dieser Traum schien mir verwehrt zu bleiben, denn Don hatte Extrastunden für mich angeordnet, da ich immer noch zu schlecht war. Aber immerhin fing das Training erst um 9 Uhr an, anstatt 7 Uhr. Und ich war auch „schon“ um 4 Uhr fertig, wie mein Foltermeister mir zufrieden mitteilte.
Zu meiner Überraschung nahm Eric das alles erstaunlich gelassen hin. Nach seiner Auseinandersetzung mit Don war er zwar etwas sauer gewesen, doch seitdem waren sie sich nicht mehr begegnet und er hatte es sich zur Aufgabe gemacht mich jeden Abend zu bekochen und zu meiner Erholung beizutragen. Er schien sich wirklich große Sorgen um meine Gesundheit zu machen, doch wenn wir nicht gerade dieses Thema ansprachen, lief es super zwischen uns. Und zwischen all dem Drill, Stress und der Anspannung tat es immer wieder gut einen so fürsorglichen, verständnisvollen Menschen zu haben, der mir jeden Wunsch von den Lippen ablas und nicht sauer war, wenn ich direkt nach dem Essen wie eine Tote einschlief.
Dann endlich war es Montag und ich befand mich auf dem Höhepunkt meiner Anspannung, als ich nach meinem heruntergewürgten Mittagessen und einer wahrscheinlich vergeblichen Lernstunde zur Halle ging. Dort wartete auch schon Don, der mir verkündete, der Direktor würde etwas später kommen und ich sollte mich erst einmal aufwärmen.
Er schien mir auch meine Anspannung anzumerken, doch außer ein paar prüfenden Blicken sagte er nichts und dem Direktor fiel es zum Glück nicht auf.
Ich hatte jedoch Glück und es sollte nur eine einfache Kampfstunde werden, die auch noch kürzer war als sonst. Nur trug dies gar nichts zu meiner Entspannung bei. Erst ein paar Treffer seitens Don später, schaffte ich es, mich zu konzentrieren und ergatterte sogar ein begeistertes Lob vom Chef, der mich anscheinend gründlich unterschätzt hatte und seine angekündigten Besuche als überflüssig betitelte und somit absagte.
„Du hast dich wirklich erheblich gebessert in der kurzen Zeit und die Berührungsängste merkt man dir überhaupt nicht an. Auch deine Lehrer scheinen zufrieden zu sein, mit dir. Doch trotz allem, wirst du diese „Vorprüfung“ machen müssen. Einfach nur um sicher zu gehen, dass du der Belastung standhältst. Aber zuerst einmal musst du dich deinen Klausuren widmen. Danach sehen wir weiter.“
Damit verabschiedete er sich und ich wandte mich selbstzufrieden grinsend an Don.
„Von wegen, ich wird sofort von der Schule geschmissen, wenn ich so kämpfe.“
Er lachte ebenfalls leicht und trat wieder zurück in den Ring.
„Sieh es als Motivation an. Hätte ich dir das gestern nicht erzählt, wärst du das ganze heute viel zu locker angegangen. Und jetzt Klappe halten und weiter kämpfen!“
Aye aye Captain…
Don schaffte es auch die folgende Woche, mich so zu fordern, dass ich immer noch täglich von Muskelkater oder Gliederschmerzen gequält wurde. Aber ich war nicht noch einmal zusammengeklappt, was vielleicht auch mit dem wunderbaren Abendessen und den göttlichen Massagen zusammenhing, die Eric mir jeden Abend machte. Am Wochenende ritten wir dann gemeinsam aus, machten Spaziergänge oder entspannten nur in der Badewanne.
Doch je näher die Klausuren rückten, umso gestresster wurde ich, bis wir schließlich dazu übergingen, dass er mich auch Abends nach den langweiligsten Gesetzen, die es wahrscheinlich gab, abfragte, anstatt über unseren Tag zu reden. Aber egal, wie oft ich mich entschuldigte, er beteuerte stets, dass es ihm überhaupt nichts ausmachte und er einfach die Zeit mit mir genoss, egal was wir machten.
Als ich Jacky zum ersten Mal davon erzählt hatte, rollte sie nur genervt mit den Augen und meinte trocken: „Mal sehen, wie lange er noch so denkt.“ Doch er hatte immer noch seine Meinung nicht geändert und sie war regelrecht begeistert, was für einen Traumprinzen ich mir da geangelt hatte. Ich musste von ihren Schwärmereien immer nur lachen, worauf sie mir stets beteuerte, dass sie auch brav die Finger von ihm lassen würde. Ihr wäre das zu langweilig. Doch man merkte ihr an, dass sie sich, wegen dem ganzen Klausurstress, ebenfalls einen solchen ‚Traumprinzen‘ wünschte.
Es waren inzwischen nur noch 2 Wochen bis zur ersten Klausur, in Rechtswissen, und ich kehrte gerade von einer eher anstrengenden als entspannenden Yoga Stunde zurück, als ein schwarzer Porsche Panamera direkt vor der Eingangstür zu meinem Haus wartete. Daran lehnte ein ebenfalls in schwarz gekleideter Don und verschmolz fast mit der Dunkelheit der Nacht, die inzwischen ausgebrochen war.
„Lust auf eine kleine Überwachung?“
Ich blieb vor ihm stehen und musterte ihn. Er trug keine Schusssichere Weste und hatte lediglich eine Waffe und Handschellen an seinem Gürtel befestigt.
„Ich weiß nicht…ich habe immerhin noch nicht geduscht, gegessen und eigentlich muss ich auch noch lernen.“
„Für duschen und umziehen hast du noch kurz Zeit, wenn du dich schnell entscheidest. Und was das andere betrifft, im Auto liegt eine große Salamipizza und das Zeug zum Lernen kannst du meinetwegen ja mitnehmen.“
Prüfend sah ich zum Himmel. Es war zwar schon dunkel, aber zum Lesen wahrscheinlich noch hell genug.
„Okay. Gib mir 10 Minuten.“
Grinsend rannte ich die Treppen hoch und hörte noch, wie Don mir etwas von 5 Minuten hinterher rief. Die Müdigkeit war von mir abgefallen und ich freute mich nur, eine Überwachung hatte ich schließlich noch nie gemacht, auch wenn es wahrscheinlich nicht sehr unterhaltsam sein würde.
An meiner Wohnungstür angekommen, traf ich auch schon auf Eric, dem ich einen kurzen Begrüßungskuss gab und ihm dann auf dem Weg in die Wohnung von meinem neuen Job erzählte. Die Tatsache, dass er auch nur halb so begeistert war, wie ich, ignorierte ich einfach und sprang sofort unter die Dusche.
5 Minuten später war ich in eine Jeans, meine Adidas Superstars, ein Top und Kapuzenpullover geschlüpft – alles in schwarz – und band mir meine noch etwas feuchten Haare zu einem hohen Pferdeschwanz nach hinten.
„Und du bist dir sicher, dass es eine so gute Idee ist, die Nacht mit Don in einem Auto zu verbringen, anstatt zu lernen und zu schlafen?“
Eric saß zweifelnd auf meinem Sessel und musterte mich nun kritisch.
„Ja. Ich brauche einfach etwas Abwechslung.“
„Hm…wenigstens erlässt er dir morgen Vormittag dann das Training. Immerhin ziehst du dich sogar schon so an, wie er.“
Ich lachte und behielt meine Ahnung für mich, dass Don dies auf keinen Fall tun würde. Schlafen konnte ich immerhin noch, wenn ich tot bin.
„Mach dir keine Sorgen um mich. Und jeder Kopfgeldjäger zieht schwarze Klamotten an.“
Ich setzte mich rittlings auf seinen Schoß und verwickelte ihn in eine Zungenkuss, der ihn zu versöhnen schien.
„So, wünsch mir Glück, dass bei der Überwachung etwas passiert!“
Ich schnappte mir meine Mappe mit den Gesetzen, die ich auswendig lernen musste, und meinen schwarzen Nietengürtel, der mit Leder überzogen war, drückte Eric noch einmal einen Kuss auf die Lippen und verschwand aus der Wohnung, mir immer noch den Gürtel durch die Schlaufen ziehend. Eric wusste ja schließlich, wo es raus ging. Allerdings hatte er auch nicht sonderlich begeistert gewirkt bei der Vorstellung, dass ausgerechnet bei meiner Überwachung etwas passieren würde.
Ich hechtete atemlos die Treppen herunter und knallte in meiner Eile fast gegen Don, der immer noch direkt vor meiner Haustür wartete und kritisch auf die Uhr blickte.
„8 Minuten, Babe. Aber hübsches Outfit.“
Damit stieß er sich ab und ging zu Fahrertür, während ich ihm nur konterte, dass er mich gefälligst nicht so nennen sollte. Dann stieg ich ebenfalls ein und wurde von einem herrlichen Pizza und Kaffee Duft empfangen, der mich sogleich wieder besser stimmte, da mein Magen mich gerade schmerzlich an seinen kläglichen Inhalt erinnerte.
Es war 11 Uhr und wir parkten immer noch in einer dunklen Seitengasse, vor einem schäbigen Mehrfamilienhaus in einem Viertel etwas abseits von Granada.
Schon seit 3 Stunden hatte sich dort nichts gerührt, die Pizza war leer, genauso wie der Kaffee, und inzwischen konnte man überhaupt nichts mehr im Wagen erkennen, weswegen ich auch nicht mehr weiter Gesetzesartikel auswendig lernen konnte. Dass ich sie jemals wieder brauchen würde, bezweifelte ich sowieso. Aber dann hätte ich wenigstens ein bisschen Beschäftigung gehabt, denn Don war, seit unserer Ankunft in eine Art Starre verfallen und rührte sich nur jede Stunde um zu einem kurzen Rundgang aufzubrechen, von dem er 10 Minuten später zurückkehrte und auf dem ich ihn nicht begleiten durfte.
Wenn er das Auto verließ, verschmolz sein Körper binnen Sekunden mit der Dunkelheit und ich entdeckte ihn erst wieder, wenn er die Autotür wieder öffnete, womit er mich jedes Mal erschreckte.
Gerade war er wieder auf einer solchen Tour und wenn meine Uhr stimmte, müsste er in spätestens einer Minute wieder aufkreuzen. Und dieses Mal wollte ich mich nicht mehr so erschrecken. Doch während ich noch darüber nachdachte, wurde die Tur plötzlich geöffnet und ich zuckte schon wieder am ganzen Körper zusammen, was Don nur mit einem leisen Lachen quittierte und es sich dann wieder in seiner Starre bequem machte.
Und das Wort Starre traf wirklich zu, denn ich hörte dann keinen Mucks mehr von ihm, nur noch seine Augen blieben wachsam und das Heben und Senken seiner Brust verriet, dass er überhaupt noch lebte.
„Wie lange willst du eigentlich noch in deiner Starre verharren.“
Ich hatte es mir inzwischen seitlich auf dem Beifahrersitz gemütlich gemacht, die Füße auf der Mittelkonsole, den Rücken gegen die Beifahrertür gelehnt.
„Um 2 Uhr werden wir von zwei meiner Mitarbeiter abgelöst.“
„Und bis dahin willst du schweigend auf dieses Haus starren?“
Sein Blick streifte mich einmal kurz spöttisch, bevor er sich wieder auf das Haus heftete.
„Ich weiß ja noch nicht einmal, was wir hier tun.“
Ein leichtes Seufzen entglitt ihm – nervte ich den armen Kerl etwa? Oh, wie Leid mir das tat!
„Wir waren hier auf Bobby. Ein Drogendealer, der eine Menge Kundschaft hier hat.“
„Und warum warten wir dann unbedingt vor diesem Haus? Hättet ihr euch nicht ein schöneres aussuchen können, was man ständig anstarren muss?“
Wieder lachte er leicht und bedachte mich mit einem dieser Blicke.
„Weil dort seine Freundin wohnt. Oder eher seine Schlampe. Und da Bobby auch nur ein Mann mit Bedürfnissen ist, wird er diese irgendwann stillen wollen. Und dann haben wir ihn.“
„Tze. Ihr Männer und eure Bedürfnisse.“
„Was soll das denn jetzt heißen?“
„Vögeln ist euch doch wichtiger als alles andere.“
Er lachte leise.
„Was hat dein Macker gemacht, dass du plötzlich so schlecht über uns Männer denkst?“
Wütend schnaubte ich und sah ihn anklagend an.
„Eric gehört auf keinen Fall zu den Männern, die so denken.“
Er lachte weiter und beobachtete einen alten Mann, der mit seinem Pudel die Straße entlang ging, bis er sich endlich wieder mir zuwendete.
„Deinem Gesicht zu urteilen, scheine ich jedoch zu ihnen zu gehören.“
„Du siehst das natürlich anders, ist klar.“
„Wie wäre es denn, wenn du mir erst einmal erklären würdest, wie ich zu diesem zweifelhaften Vorurteil komme?“
„Das weißt du ganz genau.“
Ich setzte mich wieder normal hin und starrte wütend auf das Haus, in dem sich leider immer noch nichts regte.
„Nicht wirklich.“
Ich schnaubte erneut und ignorierte ihn, bis er plötzlich mein Kinn umfasste und mich zwang, ihn anzusehen.
„Also?“
Wütend machte ich mich los und drehte mich ihm wieder zu, sodass er nicht mehr an mein Gesicht kam.
„Du gehörst doch auch zu den Männern die immer mehrere Frauen gleichzeitig haben, also tu nicht so unschuldig.“
„Erstens, kannst du das gar nicht beurteilen, da du überhaupt nichts über mich und andere Frauen weißt, oder hast du mich schon einmal mit einer zusammen gesehen, abgesehen von Lisa?“
„Nein, aber du flirtest doch mit jeder, die nicht bei drei auf den Bäumen ist.“
Er lachte erneut und sah mich spöttisch an.
„Stimmt, wenn du in meiner Nähe bist, schmeiß ich mich wirklich an jede ran.“
„Aber du schmeißt dich an mich ran und hast nebenbei noch andere!“
Verwirrt verzog er die Augenbrauen.
„Welche anderen habe ich denn noch nebenbei, wenn ich mir dir flirte? Mal abgesehen davon, dass ich dich in Ruhe gelassen habe, seit du mir diese charmante Abfuhr erteil hast.“
„Na diese Kopfgeldjägerin. Und da kannst du wirklich nicht behaupten, dass da nichts zwischen euch gelaufen ist! Und am selben Tag hast du auch mit mir geflirtet!“
Seufzend strich er sich durch die Haare.
„Du denkst wirklich, dass ich was mit Lisa habe?“
„Es sah mal so aus, als du ihr deine Zunge in den Hals gesteckt hast. Oder ist das deine übliche Begrüßung für weibliche Kopfgeldjägerinnen, die aussehen, als würden sie es mit jedem treiben?“
Er lachte dunkel und sah mich abschätzend an.
„Schon mal darüber nachgedacht, dass sie sich so anzieht, damit die Kerle, die sie verfolgt, ihr erst mal begeistert in den Ausschnitt starren, bevor ihnen einfällt wegzulaufen und sie sich somit einen erheblichen Vorteil schafft?“
„Dann scheint diese Taktik bei dir ja genauso zu wirken, wie bei einem dieser Gestörten.“
„Scheiße, ey, ich hab ihr nicht in den Ausschnitt gestarrt.“
Trocken lachte ich.
„Stimmt. Da warst du viel zu beschäftigt für.“
Verzweifelt seufzte er und stützte seinen Kopf für einen kurzen Moment auf dem Lenkrad ab.
„Das mit mir und Lisa ist kompliziert. Wir haben nichts miteinander! Es ist nur nicht so leicht zu erklären und in deiner jetzigen Stimmung würdest du eh sowieso nicht verstehen.“
„Schon mal darüber nachgedacht, dass es mir am Arsch vorbei geht, was ihr miteinander habt? Ich habe Eric und bin glücklich mit ihm! Was du mit dieser Catwoman-Schlampe machst ist mir egal!“
Überrascht zog er eine Augenbraue hoch.
„Catwoman-Schlampe? Wie kommst du denn auf den Namen?“
„Guck sie dir doch mal an. Und jetzt halt gefälligst wieder deine Klappe. Mir ist die Lust nach Reden vergangen.“
Eingeschnappt kuschelte ich mich etwas tiefer in meine Lederjacke, da es inzwischen verdammt kalt in dem Auto geworden war. Zudem zog auch noch Nebel auf.
„Wenn der Nebel noch dichter wird, bekommen wir ein Problem.“
Ich hatte es einfach so gesagt, damit wir endgültig von dem Thema Catwoman-Schlampe abweichen konnten.
„Ich denk du hast keine Lust mehr zu reden?“
Genervt sah ich ihn von der Seite an, wo ich ihn wieder in seiner Starre vorfand.
„Ach fick dich doch!“
Darauf lachte er nur dunkel und wir beließen es beim Schweigen.
Während der nächsten vierzig Minuten, wurde der Nebel immer dichter und inzwischen konnte man Stellen des Bürgersteiges vor dem Haus schon gar nicht mehr erkennen.
Don sah prüfend auf seine Uhr und checkte dann seine Waffe, Taschenlampe und die Handschellen. Sein Ritual bevor zu einem Rundgang aufbrach. Und schon war er aus dem Auto und aus meinem Blickfeld verschwunden.
Verspannt streckte ich meine müden Glieder und wunderte mich, dass ich überhaupt noch wach bleiben konnte, so müde war ich. Und die Hoffnung, dass etwas heute Nacht passieren würde, hatte ich auch schon längst aufgegeben. Ich wollte nur noch in mein warmes Bett oder mir wenigstens die Beine ein wenig vertreten, doch das wäre nur zu auffällig – die Katzen, die ständig irgendwo mauzten, könnten mich ja auf einmal bemerken!
Ich wollte gerade das Radio anstellen, als ich plötzlich einen Schatten auf der Straße beobachtete. Zuerst dachte ich, dass es Don wäre, bis mir der leicht schlurfende Gang auffiel, der überhaupt nicht zu meinem Chef passte. Ich sah mich in dem Auto um und entdeckte eine Mappe auf den Rücksitzen, in der ich schließlich ein Foto von dem Gesuchten fand, inklusive Beschreibung.
Freudig griff ich mir mein Handy, bei dem ich die Beleuchtung zum Glück vorher gedimmt hatte und rief Don an. Er hatte sein Handy in der Hosentasche auf Vibrationsalarm, doch selbst nach 10 Mal klingeln ging er nicht ran. Und der Mann mit der schwarzen Kapuzenjacke schien seine Beobachtung der Straße sicherlich nicht ewig fortführen.
Ich blickte auf meine Uhr, Don würde erst in 6 Minuten zurückkommen. Frühestens. Und er hatte mir erklärt, dass sie ihn unbedingt vor dem Haus abfangen mussten, da auf seine Freundin mehrere Waffen zugelassen waren und sie keine Scheu hatte, diese zu benutzen.
Mein Gehirn arbeitete auf Hochtouren, während ich ihn ein zweites Mal anrief, doch er ging immer noch nicht ran, sodass ich mir etwas einfallen lassen musste.
Ich öffnete meinen Zopf und zog mir den Kapuzenpullover aus, bevor ich mir die Lederjacke wieder überstreifte. Leise stieg ich aus dem Auto und zerzauste mir die Haare, bevor ich mich im Schutz des Nebels durch die Hintergassen auf die Straßenseite schlich, wo sich die Wohnung seiner Freundin befand.
Bobby stand an der Straßenecke an der anderen Seitenecke des Hauses und beobachtete immer noch die Gegend, während er rauchte. Ich versuchte erneut, Don anzurufen, doch immer noch ohne Erfolg. Warum musste der Idiot ausgerechnet jetzt sein Handy nicht bemerken?!
Da schmiss Bobby plötzlich seine Zigarette weg und machte sich auf den Weg Richtung Haus. Das gleiche tat ich auch.
Als er mich bemerkte, blieb er vorsichtig stehen, doch ich gab mir Mühe, so entspannt, wie möglich zu laufen. Meine offene Lederjacke und das eng anliegende Top unter dem ich keine Waffen oder sonst etwas verstecken konnte, schienen ihn ebenfalls in Sicherheit zu wiegen, doch er ging nicht weiter. Als ich näher kam, fing ich an zu kichern und winkte ihm mit seligem Grinsen zu.
„Hallooo!“
Sein Ausdruck wurde etwas verwirrt, bis er wissend grinste.
„Hey, Süße. Warum treibst du dich so spät denn ganz alleine in verlassenen Gegenden herum?“
Ich kicherte erneut und sah mich übertrieben um, worauf ich noch mehr kicherte.
„Soll ich dir ein Geheimnis verraten? Hihihi! Aber pschhht!!“
Ich kam ihm noch etwas näher, legte aufgeregt kichernd eine Hand auf seine rechte Schulter, die linke legte ich hinter sein Ohr um ihm besser etwas zuflüstern zu können, nachdem ich noch einmal ausgiebig gekichert hatte.
„Ich hab auf dich gewartet!“
Damit packte ich ihn fester und rammte ihm mit voller Wucht mein Knie in die Weichteile, worauf er leicht aufschrie und schmerzerfüllt zusammenkrümmte, seine Hände allerdings meine Schultern umfassten und schmerzhaft zusammendrückten.
So konnte ich mich nicht gegen ihn wehren, da er wesentlich stärker war, als ich. Da schubste er mich plötzlich und kam mir wutentbrannt hinterher, doch ich hatte mich schnell gefasst und parierte seine Faustschläge, die wütend und unkontrolliert auf mich herab prasselten. Der Kerl hatte verdammt viel Kraft und Wut!
Er knurrte verbissen und beschimpfte mich, doch das starke Schnauben zwischen seinen Schlägen, ließ mich Hoffnung schöpfen. Und ich hatte Recht. Er holte zu einem übertriebenen Schwinger aus, der mich wahrscheinlich ein paar Meter nach hinten befördert hätte, doch ich duckte mich blitzschnell unter seinen Fäusten hinweg und er stolperte von seiner eigenen Wucht an mir vorbei.
Sofort holte ich zu einem Schlag in seinen Nacken aus, wodurch er mit der Nase zuerst auf die Straße knallte und es gefährlich knackte. Doch ich konnte es mir nicht leisten, abzuwarten. Sofort trat ich ihm von der Seite in die Leber , wodurch er sich noch mehr zusammen krümmte. Grob schubste ich ihn mit dem Fuß, sodass er auf dem Bauch lag und zerrte seine Arme nach hinten auf den Rücken, wo ich sie in einer Pose fixiert hielt, in der ihm jedes Muskelanspannen schmerzen würde. So konnte ich ihn mühelos auf dem Boden halten, obwohl er wahrscheinlich doppelt so schwer und ein Kopf größer war.
Ich zog ihm die Kapuze vom Kopf und versicherte mich, dass es sich auch wirklich um Bobby handelte. Abgesehen von der schiefen Nase, aus der Blut quoll, dem wutverzerrten Gesicht und kürzeren Haaren sah er genauso aus, wie auf dem Fahndungsfoto.
Jedes Mal, wenn er anfing mich zu beschimpfen, zog ich ein wenig an seinen armen, was ihn schließlich verstummen ließ und ich endlich Zeit hatte, mich nach Don umzusehen. Die 6 Minuten mussten inzwischen doch sicherlich vorbei sein!
Und da stand er auch – die Hände in die Hosentaschen vergraben, lehnte er lässig an der Hausfassade ein paar Meter entfernt und grinste mich zufrieden an.
„Nicht schlecht, Babe. Gehst du so mit jedem triebgesteuerten Mann um?“
„Halt die Klappe und gib mir lieber Handschellen.“
Wir verfrachteten ihn auf dem Rücksitz, nachdem ich dem jammernden Bobby meinen Pulloverärmel unter die Nase gebunden hatte, da Don ihn sonst nicht mitnehmen wollte und ich war, laut ihm, selbst Schuld, dass er blutete.
Männer und ihre Autos!
Auf der Polizeiwache angekommen, hatte Bobby immer noch nicht aufgehört zu bluten und zu jammern und ich war noch genervter, als von Dons Schweigen. Doch zu meiner Überraschung durfte ich mitgehen, ihn abliefern.
„Hey, Diego. Was hat der arme Kerl dir denn getan, dass du ihm die Nase brechen musstest? Hat er dich etwa bei deinem Date gestört?“
Hinter dem „Ablieferungstresen“ saßen zwei ältere Polizisten und sahen neugierig zu mir herüber.
„Die Kleine scheint ja wirklich beeindruckt zu sein, wenn sie so dicht neben so einem gewalttätigen Riesen stehen kann und dennoch so charmant lächelt.“
„Mir hat er gar nichts getan, außer, dass mir ein hübsches Sümmchen zu liefern. Allerdings Melina hier scheint etwas gegen ihn zu haben, weil er sich nicht ausreichend um seine Freundin gekümmert hat.“
Die zwei hinterm Tresen lachten, Bobby hingegen sah mich hasserfüllt an.
„Willst du etwa sagen, du hast dem armen Kerl so entstellt, weil dein Schätzchen ihn nicht mochte?“
Sie lachten sich halb schlapp, doch als Don erzählte, dass Bobby mir die Nase verdankte, wurden ihre Augen richtig groß.
„Sag bloß du hast eine Nachfolgerin für Lisa gefunden?“
Meine gute Laune war schlagartig verschwunden, doch genauso war meine Neugierde erweckt. Und das schienen die zwei Polizisten bemerkt zu haben. Doch der eine ließ sich Zeit, bis sein Kollege Bobby in eine Zelle verfrachtet hatte und wieder zurück gekommen war. Und Don grinste mich nur kurz dreckig an, dann wandte er sich wieder dem Formular zu, was er ausfüllen sollte.
„Diego bildet jedes Jahr an der Schule im Tal oben einen Kopfgeldjäger aus. Immer Jungs, da seiner Meinung nach, Frauen nicht für diesen Job geschaffen sind. Nur ein einziges Mal hat er bisher eine Ausnahme gemacht und nicht alle weiblichen Studentinnen fertig gemacht. Wann war das noch mal? Vor 4 Jahren?“
Der ältere sah Diego fragend an, doch der hielt sich ganz bedeckt und grinste nur leicht.
„Auf jeden Fall hat er das arme Mädchen bis zum Umfallen gequält, dass sie wohl mehrmals kurz davor war alles hinzuschmeißen. Und inzwischen ist sie eine der erfolgreichsten Kopfgeldjägerinnen in Amerika geworden.“
Verwundert zog ich eine Augenbraue hoch. Das hatte ich wirklich nicht gewusst.
Don überreichte den zweien jedoch gerade das Formular und erhielt eine Bestätigung, dann winkte er mich hinter sich her. Doch der ältere Polizist rief mich noch einmal zurück, als wir schon fast die Tür erreicht hatten.
„Melina, also denk immer dran, wenn du mal alles hinschmeißen willst! Wenn du dich durchbeißt hast du den besten Lehrer gehabt und kannst genauso erfolgreich werden, wie sie.“
Dass ich niemals so werden wollte, wie sie, ersparte ich ihnen. Doch Don kam mir mit seiner Antwort schon zuvor, wobei er mich grinsend ansah.
„Sie ist nicht so wie Lisa.“
Er machte eine kleine Pause und sah zu den zwei Beamten herüber.
„Sie wollte den Job noch nie hinschmeißen. Und genau das macht sie besser.“
Damit verließ er das Büro und ich sah ihm erst einmal verwirrt nach. Dass er mich für so gut hielt, hätte ich nie gedacht. Vor Allem, dass er dies auch noch vor anderen sagen würde. Ansonsten meckerte er doch auch immer nur an mir herum, besonders, wenn wir nicht alleine waren. Doch die Polizisten schienen genauso beeindruckt zu sein.
Ich lief ihm hinterher bis zum Auto, worin er schon mit laufendem Motor wartete.
Auf der gesamten Fahrt bis zu meiner Wohnung sprachen wir nicht, erst als wir vor meiner Tür hielten sah ich ihn nachdenklich an.
„Also was ist zwischen dir und Lisa? Sie war deine Schülerin hier auf der Schule, genau, wie ich. Und du hast auch etwas mit ihr angefangen, während du sie trainiert hast, nicht wahr?“
Seufzend stoppte er den Motor und sah hinauf in den bedeckten Himmel.
„Ich habe nichts mit ihr gefangen, während ich sie trainiert habe.“
„Aber danach?“
Er schwieg eine Weile, bevor er mir endlich antwortete.
„Ja. Nach ihrem Abschluss hat sie für mich gearbeitet und während einem Auftrag im Ausland sind wir dann des Öfteren im Bett gelandet. Aber als wir zurück waren, habe ich ihr gesagt, dass nichts Ernstes aus uns werden würde und sie ist wutentbrannt nach Amerika gegangen. Das war’s.“
„Doch dann kommt sie aus Amerika zurück, ist plötzlich erfolgreich und du empfängst die mit offenen Armen?“
„Nein…Ich habe sie gebeten zurück zu kommen. Um mir bei einem vermissten Kind zu helfen. Und sie verlangte nun einmal neben Geld noch eine andere Bezahlung.“
Abschätzend sah ich ihn an.
„Du hast mit ihr geschlafen, damit sie dir bei einem Fall hilft? Echt jetzt?! Man, wie tief kann man nur sinken…“
Ich stieg aus und wollte gerade die Haustür aufschließen, als ich zurück gerissen wurde.
Don stand direkt vor mir und sah mich wütend an.
„Was macht dich eigentlich so sicher, dass ich mit ihr geschlafen habe?“
Ich sah ihn auffordernd an.
„Du bist auch nur ein Mann mit Bedürfnissen. Jetzt tu nicht so unschuldig.“
„Aber was würdest du tun? Ich hatte ihr das Herz gebrochen, als ich sagte, es wäre nur ein Ausrutscher gewesen. Sie war immer noch sauer auf mich und wäre sonst niemals zurück gekommen, um mir zu helfen.“
„Und jetzt schwindelst du ihr wieder vor, dass du wirklich was von ihr willst um ihr ein zweites Mal das Herz zu brechen?“
Ich hatte mich anscheinend schwer in ihm getäuscht – jedoch nicht im positiven Sinne.
„Ich hab ihr gesagt, dass ich immer noch nichts von ihr will, als sie mit der Bedingung ankam, ich solle sie zurück nehmen. Und darauf wünschte sie sich nur eine Nacht mit ihr.“
„Und du hast sofort zugestimmt. So leicht an eine so gutaussehende Frau zu kommen, diese Gelegenheit lässt man doch nicht vorüber gehen.“
Ich drehte erneut zur Tür um und er ließ dieses Mal wenigstens zu, dass ich sie aufschloss, auch wenn er mich dann wieder zurückzog.
„Ich hätte sie ganz haben können. Für mehr als nur eine Nacht, wie sie dir ja so wunderschön unter die Nase gerieben hat. Und glaub mir, sie ist eine der wenigen Frauen, die nicht so einen Aufstand machen, wenn man sie betrügt. Es wäre also wie im Himmel gewesen, wenn ich so ein Arschloch wäre, wie du von mir denkst.“
Ich schnaubte zweifelnd und zuckte dann gleichgültig mit den Schultern.
„Aber das bist du nicht, oder wie?“
„Nein! Lisa ist attraktiv, da war es einfach nur ein weiterer One-Night-Stand ohne Bedeutung für mich. Du müsstest das doch eigentlich verstehen können?“
Misstrauisch sah ich ihn an.
„Warum?“
„Du warst doch diejenige, die unsere erste gemeinsame Nacht als One-Night-Stand abgestempelt hat. Und ich bin mir sicher, dass das nicht dein erster war. Dafür warst du einfach zu gelassen, als du neben mir aufgewacht bist.“
Ich lachte trocken.
„Ich habe meinen Kopf unterm Kissen versteckt. Ich glaube das passt gut zu der Reaktion auf sein erstes One-Night-Stand.“
Er grinste leicht.
„Ja, aber als mein Handy das erste Mal ging, hast du dich nur grummelnd an mich gedrückt und erst als du wusstest, dass ich es bin, hast du so reagiert.“
Grummelnd zuckte ich mit den Schultern.
„Ist ja auch egal, ob es mein erster war oder nicht. Lisa schien aber nicht so zu denken, also hast du ihr Herz erneut gebrochen.“
„Sie wusste es. Nur war sie sicher, ich würde meine Meinung noch ändern, nach der Nacht mit ihr. Was mich allerdings wundert ist, dass du dich so darüber aufregst, dass ich Lisas Herz gebrochen habe. Ich hätte jetzt eher gedacht, dass du sie seit dem ersten Moment, in dem du sie kennen lerntest, gehasst hast.“
„Ich wollte dir nur verdeutlichen, dass du doch ein Arschloch bist. Lisa ist mir egal.“
Ich wollte mich anwenden, doch er zog mich wieder an der Hand zurück.
„Das heißt, ich bin ein Arschloch weil ich mich wieder nicht für sie entschieden habe, weil ich sie einfach nicht liebe und auch nicht gewillt bin, sie nur für den Sex zu nehmen, wie dein Freund Bobby von eben?“
„Das heißt, du bist generell ein Arschloch, weil du mit so vielen Frauen schläfst.“
„Aber ich habe niemals zwei gleichzeitig! An dem Tag habe ich zwar mit Lisa geschlafen, aber nur mit dir geflirtet.“
Über diese Aussage konnte ich einfach nur lachen und machte mich ein weiteres Mal von ihm los.
„Das ist doch das gleiche! Du Arsch!“
„Aber dadurch haben wir den Jungen gefunden, bevor sein Entführer ihn vergewaltigen konnte.“
Angewidert verzog ich das Gesicht.
„Und? Bin ich immer noch ein Arschloch?“
Selbstzufrieden Grinsend kam er etwas näher.
„Warum auf einmal so an deinem Image interessiert?“
Er musterte mich langsam und ausführlich und sein Grinsen wurde noch ein wenig breiter.
„Weil du anscheinend nicht mehr auf Bad Boys, sondern auf Weicheier stehst.“
Ich wollte ihn schon wütend anfahren, da legte er grinsend einen Finger auf meinen Mund und trat noch etwas näher.
„Ich verstehe ja, wenn du nach allem, was dir passiert ist, nicht mehr so auf Arschlöcher stehst. Aber Eric? Du bist viel zu schlau für so einen Idioten. Und außerdem bist du stärker als er. Also warum ausgerechnet diesen Sunny Boy?“
„Weil er nicht der Typ von Mann ist, der an einem Tag mit einer Frau nur schläft und mit der anderen nur flirtet.“
Ungläubig schnaubte er und schüttelte den Kopf. Er wollte etwas erwidern, doch ich war schneller.
„Und außerdem ist er der erste Kerl, dem es nicht darum geht, mich so schnell wie möglich ins Bett zu bekommen.“
„Jeder Mann, der sich bei deinem Körper nicht vorstellt, mit dir zu schlafen muss schwul sein!“
„Nein. Er ist einfach ein Gentleman und nicht so auf Sex fokussiert, wie du. Ihm geht es darum, mich glücklich zu machen. Und er ist anders, als meine bisherigen Freunde. Er überlässt mir die dominante Rolle, ist zärtlich und einfühlsam. Und genau das ist es, was ich im Moment brauche.“
Damit drehte ich mich um und lief schnell die Treppen hoch, bevor er mich erneut zurück halten konnte. Er hatte seine Chance bekommen und lieber diese Lisa gevögelt. Auch wenn er es nur für den Jungen getan hatte.
Ich hatte genug von arroganten Bad Boys.
Es war schon halb 2 gewesen, als ich meine Wohnung betrat und todmüde mit allen Klamotten und sogar Schuhen auf mein Bett fiel. Lediglich meinen voll gebluteten Pullover hatte ich vorher in die Badewanne geschmissen.
Ich hatte das Gefühl nur einmal kurz die Augen geschlossen zu haben, als mein Handy plötzlich anging zu klingeln. Verwirrt schaute ich auf den Display und musste feststellen, dass es schon viertel vor 7 war und ich immer noch in kompletter Montur im Bett lag.
„Verdammt.“
Verschlafen rappelte ich mich auf und ging ins Bad um mir das Gesicht mit eiskaltem Wasser zu waschen. Für mehr würde ich keine Zeit mehr haben. Also eilte ich in die Küche und machte mir eine Tasse Kaffee als Frühstück. Ich starrte, kurz vorm Einschlafen, der Tasse beim Volllaufen zu, als mich ein Klopfen plötzlich aus meinen Träumen riss.
Ohne groß nachzudenken ging ich zur Tür und stand einem grinsenden Don gegenüber, der mich musterte.
„Ich fürchte das sind die falschen Klamotten um Joggen zu gehen.“
Ich blinzelte ihn an, schüttelte einfach verwirrt den Kopf und kehrte zu meiner Kaffeetasse zurück, die sich inzwischen gefüllt hatte. Mit geschlossenen Augen trank ich den ersten Schluck und genoss es, wie die wärmende Flüssigkeit meinen müden und verspannten Körper erwärmte.
„So schlimm?“
Ich brummelte etwas Unverständliches und begnügte mich dann damit, weiter still meinen Kaffee zu genießen.
„Du hast gestern gute Arbeit geleistet. Wenn du willst kannst du wieder schlafen gehen, bis zum Unterricht.“
Verwirrt drehte ich mich zu ihm um. Woher kam denn auf einmal dieses Mitleid? Er stand neben mir, an den Küchentresen gelehnt und musterte mich, verständnisvoll grinsend.
„Nein. Ich habe etwa 5 Stunden geschlafen, das reicht…“
Ich trank einen weiteren Schluck und blickte kritisch auf die Uhr. Ich hatte noch 5 Minuten. So langsam musste ich mich umziehen.
Meine Tasse fest umklammernd schlurfte ich an Don vorbei, der mich leicht an der Schulter zum Stehen veranlasste.
„Du bist viel zu erschöpft um einen harten Trainingstag durchzustehen.“
„Ja dann weißt du ja auch, dass du heute Nachmittag beim Training auf mich aufpassen musst.“
Ich schob seine Hand beiseite und ging ins Schlafzimmer, um schnell meine Kleidung zu wechseln und schaffte es pünktlich um 7 mit einigermaßen offenen Augen vor Don zu stehen. Lediglich meinen Kaffee hatte ich noch nicht leer, aber so konnte er nicht sagen, dass ich zu spät bei ihm gewesen wäre.
„Und du bist dir wirklich sicher?“
Er sah immer noch sehr zweifelnd aus.
„Ja. Denn wie du schon sagtest. Ich schmeiße niemals den Job hin, egal wie beschissen es mir geht und selbst wenn ich mich dafür am Ende des Tages nicht mehr auf den Beinen halten kann.“
Grinsend nickte er und nahm mir dann meine Tasse aus den Händen.
„Okay. Aber du weißt, dass du ab jetzt wieder kein Mitleid von mir erwarten darfst?“
Verschmitzt fing ich ebenfalls an, zu grinsen und zuckte mit den Schultern.
„Mitleid ist auch das letzte, was ich von dir will.“
Damit steckte ich meinen Schlüssel und Handy ein und verließ vor ihm die Wohnung.
„Was willst du denn dann von mir?“
Lachend hüpfte ich die Stufen vor ihm herunter und nutzte dies zugleich als Aufwärmübung. Unten angekommen, wartete ich auch ihn, während ich meine ermüdeten Muskeln dehnte.
„Ich will ein ehrlich gemeintes Lob von dir, wenn ich meinen Abschluss habe und die Bestätigung, dass ich besser bin als deine Catwoman-Schlampe.“
Er dehnte sich ebenfalls und grinste wissend, als ich mich schließlich umdrehte und losjoggte.
Und er tat mir auch wirklich den Gefallen und trainierte ganz normal mit mir. Auch, wenn dieses Glück eher zweifelhaft war, da mir schon vor dem Unterricht die Beine zitterten, so kraftlos war ich. Doch ich schaffte es, mich wach zu halten und einigermaßen aufzupassen. Auch anschließend lernte ich verbissen mit Jacky und David für die anstehenden Klausuren. Wir waren lediglich in die Bibliothek umgezogen, da es angefangen hatte zu regnen. Doch wenn ich es schaffte, meinen Lernplan einzuhalten, müsste ich eigentlich ohne großen Stress den gesamten Stoff rechtzeitig für die Klausuren wiederholen können.
Beim anschließenden Training, machte Don noch einmal mehr deutlich, wie unbarmherzig er sein konnte. Er stachelte mich immer wieder an und jetzt, wo ich ihm von meinem Hass auf Lisa erzählt hatte, konnte er dies besonders gut.
Immer wieder, wenn ich am Boden lag, machte er abfällige Bemerkungen, dass sie besser sei, als ich. Und immer wieder, wurde ich stinkwütend und rappelte mich erneut auf. Nach einer Stunde jedoch, wurde mir immer wieder schwarz vor Augen, sodass die Pausen, in denen ich am Boden lag, mit jedem Male länger wurden. Und auch Dons Blicke wurden immer besorgter.
„Babe?“
Diese Mal riss er keinen dummen Spruch, sondern kniete sich neben mich.
Ich rollte mich stöhnend auf den Rücken und schloss deprimiert meine Augen.
„Wenn du nicht mehr kannst, sag es lieber. Denn wenn du ohnmächtig wirst, muss ich den Arzt rufen. Der wird dich ins Krankenhaus bringen, wo du ein paar Stunden liegen musst und dann in meine Obhut entlassen wirst. Und ich denke , du hast das letzte Mal noch nicht vergessen.“
Das hatte ich in der Tat nicht.
„Also? Willst du noch eine Runde oder gibst du auf?“
Genervt sah ich ihn an und rollte mich wieder auf den Bauch. Er kannte die Antwort doch schon, denn er wusste, dass ich mir nicht die Blöße geben wollte, ihm ins Gesicht zu sagen, dass ich aufgab. Doch als ich mich erneut aufrappelten wollte, wurde mir plötzlich wieder schwarz vor den Augen und ich brach wie ein Kartenhaus in Dons Arme zusammen.
Ein derber Fluch entwich mir und ich wollte es erneut probieren, als er mich dunkel lachend in seine Arme hob.
„Du wirst es wohl niemals sagen, nicht wahr?“
Stumm schüttelte ich meinen Kopf, da ich zu mehr einfach nicht imstande war. Doch er trug mich einfach wortlos aus dem Trainingsraum heraus, sammelte meine Sachen ein und brachte mich in meine Wohnung.
„Du solltest aufpassen, dass hier das nicht zur Gewohnheit wird. Dein Surfer war das letzte Mal immerhin nicht sehr begeistert, als ich dich ins Bett gelegt und ihn rausgeschmissen habe.“
Behutsam legte er mich auf meine Matratze und deckte mich zu.
„Du warst ja auch nicht gerade nett zu ihm.“
„Möglich.“
Grinsend beugte er sich über mich und kam mir dabei gefährlich nahe.
„Vielleicht war ich leicht gekränkt, weil er meine Trainingsmethoden kritisiert hat.“
Trocken lachte ich.
„Ganz ehrlich? Deine Trainingsmethoden sind die reinste Folter!“
„Und doch tust du es gerne…“
Ich zuckte nur mit den Schultern und schloss erschöpft die Augen.
Don bewegte sich nicht, stand einfach nur so über mein Bett gebeugt, sein Gesicht direkt über meinem. Wir schwiegen eine Weile, bis er mich plötzlich aus meinen Gedanken riss.
„Denkst du noch oft an Deutschland?“
Verwundert öffnete ich meine Augen und sah ihn an. Es war das erste Mal, seit ich wieder zur Schule ging, dass wir wieder darüber redeten. Wie auf Knopfdruck kamen die ganzen Erinnerungen hoch und ich setzte mich langsam auf und zog die Beine an meinen Körper.
„Das Training lenkt ab.“
„Aber man merkt es dir kaum noch an, wenn man es nicht weiß.“
Langsam nickte ich und schloss erneut die Augen, als er sich neben mich ins Bett setzte.
„Ich habe im Moment einfach so viel Stress, den ich mir zum Teil auch selber mache. Da habe ich tagsüber keine Zeit, darüber nachzudenken.“
„Und Nachts?“
Ja. Das war so ein Thema.
„Die Phase vorm Einschlafen ist am schlimmsten…oder wenn ich nachts wach werde…“
Wir schwiegen erneut und ich starrte auf die Decke. Ich konnte immer noch nicht durchschlafen, aber die Anstrengung vom Tag half mir wenigstens, dass ich nicht stundenlang wach lag. Und wenn der Tag besonders an meinen Kräften gezehrt hatte, schlief ich wenigstens die meiste Zeit traumlos, wie eine Tote.
„Wenn du reden willst, oder sonst irgendetwas ist, ich bin für dich da. Das weißt du doch, oder?“
Ich nickte stumm und umklammerte meine Knie ein wenig fester. Ich war noch lange nicht in der Lage darüber zu reden. Denn selbst, wenn das Thema nur erwähnt wurde, überströmten mich die Bilder und ich musste mich zusammenreißen, nicht zu zittern oder anzufangen zu weinen.
„In zwei Wochen beginnt deine letzte Klausurphase, wie kommst du voran mit dem Lernen?“
„Ich hab mir einen Plan gemacht und liege gut in der Zeit. Ich habe dann jede Woche eine Klausur, nicht wahr?“
Er stimmte mir zu und ich überlegte. Es war jetzt Ende Oktober, ich würde bis in die erste Novemberwoche büffeln müssen und anschießend 4 Wochen lang Klausuren schreiben. Dann hatte ich zwar eigentlich Ferien, aber ich wollte lieber trainieren, was Don sicherlich genauso plante. Denn im Januar, direkt nach den Ferien, hatte ich meine „Generalprobe“ und 3 Monate später würde ich dann hoffentlich meine Abschlussprüfung im Praxisteil machen.
„Hab ich eigentlich noch Unterricht, nach den Klausuren?“
„Nein. Die Zeit soll ausschließlich fürs Training und dem Sammeln von Erfahrungen dienen. Du wirst mich dann etwas öfter bei Aufträgen begleiten und den ganzen Tag bis zum Umfallen trainieren. Deine Vorprüfung beim Direktor hast du hoffentlich noch nicht vergessen?“
„Leider nein. Aber ich muss erst mal die Klausuren hinter mich bringen, bevor ich mir darum Gedanken machen kann.“
Die folgenden zwei Wochen flogen nur so dahin und im Unterricht bemühten sich die Lehrer uns ein möglichst schlechtes Gewissen zu machen. Sie rasteten täglich aus, wir würden alle durchfallen, wenn wir nicht mehr lernen würden, wir hätten früher anfangen sollen und sie überhäuften uns mit Hausaufgaben, wodurch wir noch weniger Zeit zum eigentlichen Lernen hatten.
Don quälte mich ungerührt in den vielen Trainingsstunden weiter und hielt mich noch mehr zum Lernen an, indem er mit Strafrunden drohte, wenn ich zu wenig lernte und lieber etwas mit Eric unternahm.
Dieser nahm mir zwar übel, dass ich ihm so oft absagte, doch ich konnte in dieser Zeit keine Rücksicht darauf nehmen. Mein Abschluss war mir wichtiger als alles andere und ich erwartete von meinem Freund nun einmal, dass er mich dabei unterstütze. Ansonsten hätte unsere Beziehung sowieso keine Zukunft.
Der Nachteil, dass ich mich Abends immer in meinen Büchern vergrub, anstatt mit Eric zu entspannen, war allerdings, dass ich in diesen zwei Wochen ganze 5 Kilo abnahm. Jacky ging es so ähnlich, wobei sie ihren Stress auf andere Art zu bewältigen versuchte. Nach einem besonders anstrengenden und deprimierenden Tag hatte sie nämlich Rome angerufen, er müsse ihr bei etwas helfen, was sie nicht verstehen würde. Doch nach einer halben Stunde lernen, waren die zwei gemeinsam im Bett gelandet und wiederholten dies seitdem jede Nacht.
Trotzdem beteuerten sie sich, dass sie NICHT zusammen waren! Dabei war es so offensichtlich, dass sie immer noch was voneinander wollten.
Als es dann schließlich so weit war, gingen Jacky, David und ich gemeinsam zu den Klausurräumen für Rechtswissen. Ich war nur noch ein Nervenbündel und David sah auch nicht gerade gesund aus. Nur Jacky schwebte von ihrem Quicky mit Rome immer noch auf Wolke 7 und schwärmte gerade, was für eine gute Ablenkung dies sei.
Vielleicht hätte ich Eric gestern doch nicht absagen sollen. Ich hatte ihn schließlich schon eine ganze Woche lang nur kurz in meiner Mittagspause gesehen. Aber jetzt zählten erst einmal nur noch die vielen Paragraphen, die irgendwo in meinem Kopf herum schwirrten und sich hoffentlich nicht gleich in Luft auflösten.
Es waren erst halb 9 und wir waren somit 30 Minuten zu früh, doch David hatte es nicht mehr in seiner Wohnung aushalten können und uns deswegen abgeholt. Ich war heute Morgen extra noch einmal joggen gewesen, jedoch ohne Don, da er mir eigentlich frei gegeben hatte. Aber ich war schon seit 6 Uhr wach und ebenso verrückt geworden, wie mein bester Freund.
Endlich hatten wir die Räume erreicht und nahmen auf den Sofas davor Platz, da wir bis jetzt die Einzigen waren. Ich sah auf mein neues Armband herab, was Eric mir als Glücksbringer geschenkt hatte. Es war eine dünne Silberkette, mit einem kleinen Herzanhänger, ebenfalls in Silber. Es hatte heute Morgen in meinem Briefkasten gelegen, als ich vom Joggen zurückkam, zusammen mit einem süßen Brief von Eric, in dem er mir viel Glück wünschte.
Ich war ganz in Gedanken versunken, dass ich zusammen zuckte, als mir jemand die Hand auf die Schulter legte. Verwirrt sah ich nach hinten und entdeckte einen grinsenden Don.
„Wusste ich doch, dass du so nervös bist und ihr schon viel zu früh hier sitzt.“
„Das haben wir David zu verdanken! Ich habe mich mit Joggen abgelenkt und Jacky..“
Ich musste kurz lachen, als ich einen Blick auf meine zufriedene Freundin warf.
„Ja, Rome habe ich eben schon getroffen.“
Überrascht sah Jacky auf.
„Und? Was hat er zu dir gesagt?“
„Dass du ziemlich nervös warst und Ablenkung brauchtest.“
Sie grinste und stöpselte sich dann wieder ihre Kopfhörer in die Ohren.
„Und was machst du hier?“
„Dir Glück wünschen, was sonst?“
„Weiß nicht. Machst du das immer so?“
„Nein. Aber du warst die letzten Wochen schon so nervös, da wollte ich mich vergewissern, dass du überhaupt noch stehen kannst.“
„Den Effekt hast nur du auf Melina.“, warf David lachend dazwischen, was Don noch mehr zum Grinsen brachte.
„Ich weiß, ich bin einfach umwerfend, nicht wahr, Babe?“
Genervt sah ich zu ihm auf und quietschte erschrocken, als er mich plötzlich ohne Vorwarnung vom Sofa hoch zog und umarmte. Er senkte seinen Kopf, sodass er mir etwas ins Ohr flüstern konnte, ohne dass die anderen zwei etwas verstanden.
„Entspann dich, Babe. Du schaffst das! Und heute Abend wartet ein Belohnungsauftrag auf dich. Er wird dir gefallen.“
Er grinste mich dreckig an, wünschte den anderen zwei ebenfalls Glück und verschwand dann genauso geräuschlos, wie er gekommen war.
„Du kannst ja behaupten, was du willst. Aber Diego sah gerade so aus, als wolle er die gleiche Ablenkungstherapie mit dir machen, wie Rome heute Morgen bei mir.“
Frustriert setzte ich mich wieder hin. Das hatte meine Nervosität nicht wirklich gemildert.
4 Stunden später schien mein Gehirn nur noch aus Watte zu bestehen, meine Hand schmerzte vom vielen schreiben und mein Magen knurrte schon seit 1 Stunde fast ununterbrochen – aber ich war glücklich! Ich hatte die erste von vier Abschlussklausuren hinter mich gebracht und hatte sogar ein gutes Gefühl, was das Ergebnis betraf!
Jacky und David ging es ähnlich und wir zogen zufrieden los um in der Mensa erst einmal etwas zu essen, da wir alle am Morgen viel zu nervös dafür gewesen waren. Auf dem Weg rief ich noch kurz Eric an, der darauf versprach uns zu besuchen.
Wir saßen zwei Stunden dort und diskutierten die Arbeit, während mein Freund schweigend daneben saß und wahrscheinlich nur Bahnhof verstand. Doch er lächelte trotzdem und hielt meine Hand. Er war anscheinend auch sehr erleichtert, dass meine Anspannung wenigstens für diesen Moment verflogen war.
Dann verabschiedeten wir uns von den anderen und gingen gemeinsam in meine Wohnung. Er hatte sich extra den ganzen Nachmittag freigenommen, damit wir endlich etwas Zeit für uns hatten. Wir verbrachten viel Zeit gemeinsam im Bett und er verwöhnte mich wieder von vorne bis hinten, dass ich ein schlechtes Gewissen bekam, einen so perfekten Mann so vernachlässigt zu haben. Vor allem, weil ich ihn diesen Abend schon wieder wegschicken musste, wegen meiner Arbeit. Doch er nahm es erstaunlich gelassen und die Diskussion über meinen Job fiel vergleichsweise kurz aus.
Um 6 Uhr bekam ich schließlich eine SMS von Don, der mich in sein Büro beorderte. Also zog ich mich an – ganz in schwarz, was Eric grummelnd zur Kenntnis nahm – und fuhr sofort los. Ich war neugierig, als was sich Dons Belohnung entpuppte.
Ich war ganz hibbelig, als ich endlich aus dem viel zu langsamen Aufzug steigen konnte und den großen Raum betrat, der heute besonders gefüllt mit schwarz gekleideten Muskelpaketen war.
„Hey, Melina. Hab schon gehört, dass du heute dabei bist.“
Felino baute sich vor mir auf und grinste neugierig.
„Wobei denn, wenn ich fragen darf?“
So richtig wohl fühlte ich mich nicht, dass jeder außer mir Bescheid zu wissen schien. Doch dann riss ein anderer Anblick mich aus meinen Gedanken.
„Maria? Was machst du denn hier?“
Meine Cousine drehte sich überrascht um und begrüßte mich dann freudig.
„Du hattest so viel Lernstress, da hatte ich noch keine Zeit es dir zu sagen, aber Diego hat mir einen Job gegeben. Ich bin so was wie eine Sekretärin hier, kümmere mich um die Ablagen und so. Und er hat gemeint, wenn mein Spanisch besser ist, könnte ich auch anspruchsvollere Sachen machen.“
Grinsend sah sie mich an.
„Dir scheint es ja wirklich hier zu gefallen.“
„Ja, ich bin froh, dass ich mitgekommen bin! Aber wie geht es dir?“
„Besser, wirklich! Ich habe viel trainiert und wenn die Klausuren vorbei sind, müssen wir uns unbedingt wieder öfter sehen!“
„Klar ich bin hier, außer wenn ich nicht zum Sprachkurs muss. Dabei habe ich den hier eigentlich auch, ich übe nämlich ganz viel mit Felino und auch mit den anderen. Alle sind auch viel netter hier, als sie aussehen. Anfangs hatte ich echt Angst vor manchen!“
Ich lachte, da sie momentan überhaupt nicht eingeschüchtert aussah, wie sie neben dem muskelbepackten Riesen stand und ihn schelmisch angrinste. Doch Don unterbrach unser Gespräch mit seinem Auftreten.
„Da bist du ja. Wie war’s?“
Ich erzählte ein wenig auf dem Weg in sein Büro, wo er etwas aus seinem Schreibtisch heraus kramte. Schlagartig wurde ich an die Situation erinnert, in der ich das letzte Mal hier gewesen war und er gerade Lisas Bedingungen erfüllen wollte, doch ich drängte es erfolgreich zurück. Vor allem, da mein Boss gerade einen Waffengürtel zusätzlich zu einer schwarzen Glock hervor holte und mir entgegen hielt.
„Hier. Wirst du heute brauchen. Das ist die Waffe, mit der wir in der Schule immer trainieren. Willst du noch mal ein kurzes Probeschießen?“
Grinsend nahm ich den Gürtel entgegen und schnallte ihn mir um. Ich kam mir dabei vor wie ein Cowboy!
„Nein. Das letzte Mal ist zwar eine Woche her, aber das geht schon. Was machen wir denn heute, dass Felino sich so freut? Und was hab ich denn jetzt bitte falsch gemacht, bei dem Gürtel, dass du so guckst?““
Er hatte mir die ganze Zeit schon viel zu skeptisch zugesehen.
„Wenn du ihn so trägst, kann dir viel zu leicht die Waffe geklaut werden. Du musst das Holster weiter vorne tragen, sonst kann man dir viel zu leicht von hinten daran greifen.“
Verwirrt sah ich an mir herunter, während Don meinen Gürtel richtete. Er gab mir die Waffe, die ich grinsend ins Holster steckte, doch auch damit schien er nicht zufrieden zu sein.
„Du darfst niemals vergessen, es zu schließen. Und vorher immer prüfen, ob die Waffe geladen und gesichert ist.“
Frustriert erledigte ich alles und sah ihn dann fragend an. Doch er schien noch mehr zu meckern haben.
„Du musst auch aufpassen, dass deine Jacke dich nicht daran hindert, an deine Glock zu kommen. Trag sie also rechts lieber immer über dem Gürtel, auch wenn sie dann etwas gestaucht ist.“
Er schob sie über meinem Holster noch etwas hoch und steckte sie dahinter.
„In der Öffentlichkeit erregt das allerdings nur Misstrauen und Aufsehen.“
Mit diesen Worten öffnete er den Reisverschluss und drapierte sie so, dass nur noch eine Beule in der Jacke darauf hin deutete.
Er führte mich, begleitet von 6 seiner Schränke – unter anderem Felino und Carlos – in die Tiefgarage und wir verteilten uns auf zwei große, schwarze Geländewagen.
„Wir fahren jetzt zu Gerard Hover. Er hat seine Ex und ihren neuen Freund mit einem Messer brutal aufgeschlitzt und verstümmelt. Wir wissen, dass er sich heute Abend in einem Mietshaus, voll mit Drogenabhängigen, Dealern und Gewaltätigen befindet. Wir gehen schnell rein, schnappen ihn uns und verschwinden sofort wieder, ohne dass alle davon mitbekommen. Wenn du Hover siehst, sei vorsichtig. Lass ihn niemals an eine mögliche Waffe kommen. Und bei den anderen Hausbewohnern musst du genauso vorsichtig sein.“
Er reichte mir ein Foto von einem Latino mit schulterlangen braunen Haaren. Ich prägte mir das Bild ein und versuchte meine Aufregung zu unterdrücken. Immerhin war das mein erster Job, bei dem ich eine Waffe tragen durfte – bei dem es also richtig gefährlich wurde. Das konnte man auch daran erkennen, dass Don außer mir nur seine engsten und besten Mitarbeiter mitgenommen hat, die allesamt aussahen wie Panzer. Zwei von ihnen saßen momentan auch hinter mir im Van und schwiegen, genauso wie ihr Boss. Sie sahen überhaupt nicht nervös aus, im Gegensatz zu mir. Doch ich versuchte es mir nicht anmerken zu lassen.
Viel zu schnell waren wir in einer dunklen Gasse angekommen, ich stieg aus und bekam eine schusssichere Weste in die Hand gedrückt. Ich wollte sie gerade anziehen, da stoppte Don mich grinsend und nahm sie mir wieder ab.
„Du musst sie unter die Jacke anziehen, sonst klappt das nicht.“
Er streifte mir meine Jacke über die Schultern und befestigte die Weste an mir, wobei seine Hände meinen Körper immer wieder berührten. Als er fertig war, schnappte ich mir schnell meine Jacke und zog sie mir wieder über. Ich musste einfach seinem Blick und seinen Berührungen entgehen, ohne mich lächerlich zu machen. Doch plötzlich wurde ich am Kragen zurück gezogen und Don sah mir tief in die Augen, während mein Herz raste. Seine Hände strichen langsam am Reisverschluss herab, den er dann vorsichtig schloss und den Saum hinters Holster klemmte.
„Entspann dich, Babe. Du schaffst das. Sei einfach ganz du selbst und konzentrier dich. Geh kein Risiko ein.“
Ich nickte und nachdem er mich noch etwas länger intensiv gemustert hatte, wandte er sich den anderen zu, die schon warteten.
„Martin und Silvan, ihr geht vor und sichert das Erdgeschoss. Dann Carlos und Felino. Ihr geht als erster in die Wohnung. Melina und ich kommen danach. Juan und Gin sichern den 1. Stock und die Treppe aufwärts. Los geht’s.“
Mein Adrenalin rauschte mir in den Ohren, als ich mit gezückter Waffe neben Don das Haus betrat. Es war verfallen und roch nach Urin und Schimmel. Der Putz bröckelte von den mit Graffiti beschmierten Wänden ab. Doch es war niemand zu sehen und wir schlichen zügig die Treppe in den 1. Stock hoch, der glücklicherweise ebenfalls verlassen war.
Carlos und Felino postierten sich neben einer Wohnungstür, während Don und ich direkt davor standen und unsere Waffen darauf richteten. Don zählte stumm von drei runter und Felino, der die Hand am Knauf hatte, öffnete schnell die Tür und stürmte hinter Carlos hinein. Sie blieben ruhig und als ich mit Don hinterher kam, war niemand zu sehen in dem versifften Wohnzimmer. Doch es blieben noch 3 weitere Türen übrig, hinter denen sich irgendwo ein brutaler Mörder versteckte.
Don bedeutete mir wortlos, mit ihm die einzelne Tür links zu nehmen, während die anderen zwei den Rest übernahmen. Mit klopfendem Herzen postierte ich mich auf der Seite des Türknaufs und wartete auf das Zeichen, bis ich die Tür aufstieß und Don herein lief. Ich war gerade hinterher gestürmt um ihm Deckung zu geben, als auch schon ein Schuss ertönte und Don zurück fiel. Es war stockdunkel und ich schlug reflexartig gegen die Wand, in der Hoffnung den Lichtschalter zu finden und hatte Glück. Mein nacktes Gegenüber war jedoch so geblendet und wütend, dass er einfach wild drauf los ballerte und ich mich gerade noch rechtzeitig auf den Boden ducken konnte. Meine Gedanken rasten – Don war getroffen und der Schütze würde sich bald an das Licht gewöhnen und mich ebenfalls erschießen.
Ich hörte Carlos und Felino rufen, doch als die Schüsse endlich aufhörten, stürzte ich mich einfach gegen den Muskelprotz, sodass er hinfiel und wir beide unsere Waffen verloren. Rasend vor Wut verpasste er mir einen Schlag, von dem ich wie ein Federgewicht zur Seite flog und er sich brüllend auf mich stürzte. Ich rechnete schon mit dem schlimmsten, da ich auf dem Rücken lag und immer noch so benommen war, dass ich nicht die geringste Chance gegen ihn hatte. Doch plötzlich hörte ich das Geräusch vom Entsichern einer Waffe und Don ragte über mir auf, quicklebendig und stinksauer.
„Hinlegen, Arschloch. Aber langsam!“
Hover brüllte ihn wütend an, doch Carlos holte zu einem Schlag aus, von dem er mindestens genauso benommen wurde, wie ich und die Klappe hielt. Stöhnend richtete ich mich auf und Sterne tanzten wie wild vor meinen Augen, sodass ich voll gegen Don taumelte.
„Alles klar, Babe?“
Er wandte den Blick nicht von Hover ab, der gerade von Carlos Handschellen angelegt bekam, schlang jedoch seinen freien Arm um meine Hüfte und zog mich gegen sich. Aufgrund der vielen Sterne, die mir immer noch die Orientierung erschwerten, ließ ich ihn ausnahmsweise gewähren und lehnte meinen Kopf gegen seine Brust, nachdem ich leicht genickt hatte.
Mir brummte höllisch der Schädel, nach seinem Schlag gegen die Schläfe und die Sterne gingen inzwischen teilweise in schwarze Flecken über, die mir die Sicht noch mehr erschwerten. Aber Don wurde immerhin von einer Kugel getroffen, wenn auch nur in seiner Weste. Da durfte ich mich nicht beschweren. Ein großes Loch mit einer eingequetschten Patrone prangte nämlich auf seiner Brust und wahrscheinlich würde sich darunter in nächster Zeit ein riesiger blauer Fleck entwickeln.
Hover hatte seine Sprache wieder gefunden, als Carlos ihn hoch zog und aus dem Zimmer führte, sodass Felino fluchend ein Spültuch suchte, was er ihm – den Geräuschen zufolge – in den Mund stopfte. Doch Don hielt mich immer noch fest. Verwundert sah ich auf und begegnete seinem dunklen Blick.
„Und wie geht es dir wirklich, Babe?“
Eine halbe Stunde später saß ich mit lustigen Tabletten vollgepumpt auf einer Krankenhausliege und bekam von einem Arzt - der mit der Zeit irgendwie immer attraktiver wurde - gerade erklärt ich hätte eine leichte Gehirnerschütterung von dem Schlag. Don stand unbewegt hinter mir, musste sich dann aber ebenfalls eine Untersuchung über sich ergehen lassen.
Er zog sich sein T-Shirt über den Kopf und entblößte neben einem riesigen blauen Fleck auch noch einen perfekten Sixpack , der von wunderbar brauner Haut überzogen war. Ich hörte nicht zu, was der Arzt dazu meinte. Ich lehnte mich einfach gegen die Wand und begutachtete ihn in aller Ruhe, bis er sich plötzlich wieder anzog und mir ein Murren entwich.
Der Doktor verabschiedete sich und Don zog mich plötzlich aus meiner Position hoch.
„Komm, ich bring dich heim.“
„Aber zuerst gehen wir etwas essen! Ich hab einen Bärenhunger!“
Grinsend nahm ich seine Hand und zog ihn hinter mir her. Meine Kopfschmerzen war ich immerhin los und ich hatte in letzter Zeit viel zu oft das Essen vergessen. Und außerdem hatte ich gute Laune.
Draußen stiegen wir zu Felino und Carlos zurück in den Wagen, die mich neugierig musterten. Also winkte ich ihnen grinsend mit dem kleinen Finger und machte es mir dann auf dem Rücksitz, neben Don gemütlich. Dieser organisierte sogar einen Stopp beim Italiener, der mir eine wunderbar duftende Pizza erbrachte, die ich kurz später gemeinsam mit ihm in seinem Wohnzimmer herunter schlang.
Ich brachte die Verpackung gerade in die Küche, als ich eine Flasche Rotwein entdeckte und mit dieser zurück kam.
„Lust auf Wein? Ich weiß, ich war heute nicht gut. Aber naja… Man kann es sich ja schön trinken!“
Grinsend präsentierte ich ihm die Flasche, die er mir allerdings sofort wieder abnahm und auf den Tisch abstellte.
„Du bist auf Schmerzmitteln, da darfst du kein Alkohol trinken. Und außerdem warst du heute gut. Das mit dem Licht war schlau, du wurdest nicht angeschossen und wir haben den Kerl. Was die Gehirnerschütterung angeht - so Sachen passieren bei unserem Job.“
„Aber du wurdest angeschossen…“
Frustriert verzog ich mein Gesicht und deutete auf seine Brust, doch er fing meinen Finger ab.
„Das passiert. Dafür habe ich die Weste! Und du hast dafür gesorgt, dass der Kerl nicht noch einmal auf mich zielen konnte. Das war gut. Und ich hab kaum etwas abbekommen.“
Ich war immer noch nicht überzeugt und musterte ihn.
„Das sah eben aber nicht nach wenig aus.“
Besorgt trat ich näher und schob langsam sein Shirt hoch, bis ich seine Verletzung begutachten konnte. Behutsam strich ich mit einem Finger über die Verfärbung.
„Tut es sehr weh?“
„Nein. Ich bin hart im Nehmen, das müsstest du doch wissen.“
Seine Stimme vibrierte herrlich in meinem Körper und ich fuhr eine Narbe nach, die sich direkt daneben befand.
„Was war das hier?“
Ich sah sie mir etwas genauer an. Sie war länglich und dünn, jedoch nicht gerade.
„Ein Kerl wollte mich zum Reden bringen. Ich hab seine kleine Tochter und ihre Mutter vor ihm versteckt, weil er sie bedroht hatte.“
„Oh…“
„Hey, damals war ich noch jung und unerfahren. Ich habe einen Fehler gemacht und bin dadurch in diese Situation gekommen. Da musst du kein Mitleid haben.“
„Aber….“
„Hey!“
Er nahm meinen Kopf in seine Hände und zwang mich ihm in die Augen zu sehen.
„Du musst dir keine Sorgen um mich machen und vor Allem kein schlechtes Gewissen haben. Du weißt doch, ich bin kein Weichei.“
Langsam nickte ich, während diese wunderbar dunklen Augen mich hypnotisierten.
„Stimmt. Aber manchmal auch ein richtiges Arschloch.“
„Ja. Ich habe mal gehört, dass manche Frauen darauf stehen.“
Ich lachte leise und drehte mich leicht dabei weg, doch er zog mich wieder zurück und ich schmolz erneut unter seinem Blick, der dieses Mal etwas länger auf mir lag. Meine gesamten Gedanken waren weg gefegt, bis er nach einer gefühlten Ewigkeit leicht den Blick abwendete.
„Ich sollte dich jetzt besser nach Hause in dein Bett bringen…“
„Solltest du…Morgen früh muss ich immerhin wieder fit sein zum Training.“
Er strich mir lachend eine Strähne hinters Ohr.
„Falls du es vergessen hast, du darfst die nächsten 3 Tage keinen Sport machen, Babe.“
Frustriert machte ich mich los und wir fuhren schweigsam zu meiner Wohnung, wo er mich sogar hoch brachte.
„Na toll. Dann muss ich morgen den ganzen Tag ununterbrochen lernen?“
Lässig lehnte er sich gegen den Türrahmen.
„Ja. Aber ein wenig Entspannung kann dir auch nicht schaden. Gönn dir doch mal einen Tag im Bett. Meinetwegen mit deinen Lernsachen, aber zwischendurch..“
Ich lachte laut und sah ihn an.
„Ich habe noch nie einen Tag ALLEINE im Bett verbracht. Das stelle ich mir auch sehr langweilig vor.“
Spöttisch zog er eine Augenbraue nach oben.
„Und dein Lover?“
„Der muss arbeiten. Und mit ihm kann man so was auch nicht machen. Er legt zu viel Wert auf Essen an einem Tisch, Spaziergänge, Fernsehen und so…“
Ergeben zuckte ich mit den Schultern und ließ meinen Blick über ihn schweifen. Er wäre wahrscheinlich der perfekte Mann dafür, einen Tag ohne Klamotten zu verbringen. Wenn er nicht arbeiten musste und nicht mein Boss wäre und zudem ein Arschloch und ich mich irgendwann mal gegen ihn entschieden hatte.
„Dann wirst du wohl wirklich den ganzen Tag lernen müssen.“
Sein Grinsen wurde breiter und man konnte ihm ansehen, dass er sich einen Kommentar über Eric gerade verkniff.
„Ich weiß, ich weiß. Du findest, Eric ist ein Weichei. Aber so ein sanfter Kerl tut mir gut im Moment. Ich weiß nicht, ob ich für jemanden wie dich schon bereit wäre..“
Er fixierte mich mit seinem Blick, wie ich an der Kommode im Flur lehnte und schloss dann leise die Tür. Langsam kam er auf mich zu, drängte sich dicht an mich und nahm mein Gesicht in seine Hände. Ich konnte nur schweigen, doch in meinem Inneren tobte es. Immerhin hatte ich einen Freund. Und die kleinen Stromschläge, die jede von Dons Berührungen mit sich brachte, sollten eigentlich nur bei Eric auftauchen. Doch Dons gieriger Blick brachte mich so aus der Fassung, dass ich nichts dagegen tun konnte.
Er strich mir langsam über mein Gesicht, dann den Hals hinab bis zum Schlüsselbein, wo er kurz verharrte. Seine zweite Hand löste sich von meinem Gesicht und beide wanderten meine Seiten entlang bis zu meine Hüfte. Dabei sah er mich ununterbrochen an, wie ich mir auf die Lippen biss und von seinem hungrigen Blick fast aufgefressen wurde.
Ruckartig packte er mich am Hintern und hob mich auf die Kommode, wo er sich sofort zwischen meine Beine drängte und sie um sich wickelte.
Mein Herz raste und ebenso beschleunigte sich meine Atmung, doch ich war immer noch gefangen von seinen Augen.
„Babe…?“
Sein Blick war an meine Lippen geheftet und er fragte mich um Erlaubnis, doch mein Gehirn hatte sich ausgeschaltet. Ob es jetzt an seinen Berührungen, seinen Muskeln, seinen Augen oder an den Schmerztabletten lag. Ich ließ zu, dass er langsam seinen Mund auf meinen senkte und mich zärtlich küsste.
Wie automatisch schlang ich meine Arme um seinen Nacken, was er als Aufmunterung ansah und der Kuss immer leidenschaftlicher und drängender wurde. Seine Hände wanderten unter mein T-Shirt, streichelten und reizten mich so gekonnt. Er drückte seine Erregung hart gegen meinen Schoß und bald war nichts mehr von der anfänglichen Vorsicht zu erkennen. Er schien genau zu wissen, wie er mich reizen konnte und seine Zunge ließ mich fast willenslos werden, so wunderbar drängend küsste er mich.
Er hob mich hoch und trug mich fort. Ich hatte keine Ahnung, wohin. Erst als er mich zwischen sich und einer Matratze begrub, schaltete mein Gehirn sich plötzlich wieder ein und ich unterbrach keuchend den Kuss.
Sofort veränderte sich der Ausdruck in seinen Augen und er sah mich besorgt an.
„Tut mir Leid. Ich…“
Ich machte mich von ihm frei und stand von dem Bett auf. Meine Gedanken rasten und ich konnte ihn vor Verwirrung kaum ansehen. Ich wollte ihn. Ich wollte so sehr wieder zurück zu ihm ins Bett gehen und mich verführen lassen. Doch immer wieder sah ich Erics Gesicht vor mir, den ich betrog. Er war so nett zu mir. Das hatte er nicht verdient. Und ich hatte mich gegen Don entschieden. Ich hatte viele Gründe gehabt, nichts mit ihm anzufangen. Und doch schienen sie mir im Moment alle unwichtig und übertrieben.
Ich wurde aus meinen Überlegungen heraus gerissen, als zwei Hände mich bei den Schultern packten und Don mich zu sich umdrehte. Entschuldigend sah ich ihn an, doch das Grinsen hatte sich wieder auf sein Gesicht verirrt.
„Ich verstehe schon. Ich werde jetzt auch gehen, aber nur weil du es so willst. Denn auf diesen Idioten nehme ich keine Rücksicht. Doch irgendwann werde ich dich wieder so weit haben und dann wirst du dich für mich entscheiden.“
Er senkte seinen Kopf und küsste mich erneut so leidenschaftlich, dass ich meine Entscheidung fast wieder umgeworfen hätte. Doch dann verabschiedete er sich und ließ mich in meiner Verwirrung alleine zurück.
Ab sofort schreibe ich keine Rundmails mehr, da ich damit nur die Leute belästige, die mein Buch nicht lesen und mein Postfach selbst mit diesen Mails überquillt.
Dafür schreibe ich eine Rundmail an alle Mitglieder der Gruppe für meine Bücher.
http://www.bookrix.de/_group-de-buecher-von-myfelix
Ich hoffe das ist okay, für euch :)
LG
MyFelix
Die nächsten drei Tage waren so frustrierend, dass ich es kaum abwarten konnte wieder zu trainieren. Denn obwohl Eric jeden Abend bei mir vorbeischaute und über Nacht blieb - tagsüber hatte ich nichts was mich vom Lernen abhielt. Doch dank der Tabletten konnte ich mir kaum etwas behalten und war somit, trotz der vielen Zeit, weit hinter meinem Lernplan. Aber mir blieben immerhin noch 4 Tage und ich war mir sicher, wenn ich endlich wieder trainieren konnte, würde ich auch wieder besser lernen können.
Don sah jeden Tag bei mir vorbei. Wahrscheinlich um zu kontrollieren, dass ich auch wirklich nicht trainierte. Doch Arbeit brachte er mir nie mit, egal, wie viel ich bettelte.
Umso froher war ich, als ich endlich meine Laufsachen anziehen konnte und mir all die aufgestaute Energie heraus laufen konnte. Und da ich nun auch keine Tabletten mehr nahm, kam ich wesentlich schneller mit dem lernen voran.
Nur beim Training plagten mich Kopfschmerzen, wodurch ich mich nur schwer konzentrieren konnte und Dons Laune so schlecht wie schon lange war.
„Wenn du noch Schmerzen hast, dann sag es gefälligst! Dann blasen wir das Training heute Nachmittag ab. Aber wenn du es nur tust, damit du Beschäftigung hast, dann lass es! Das schmeißt dich nur weiter zurück als du eh schon bist!“
Widerwillig setzte ich mich auf den Boden und lehnte mich an die Wand.
„Aber allein heute Morgen habe ich mehr geschafft als die letzten drei Tage zusammen. Ich kann einfach diese beschissenen Tabletten nicht weiter nehmen, auch wenn ich Schmerzen habe. Am Montag schreibe ich meine nächste Klausur! Und das in Psychologie! Ich muss noch so viel lernen. So viel auswendig lernen! Und das kann ich nicht, wenn mein Hirn mit irgendwelchen Medikamenten vollgepumpt ist.“
„Dann sag doch wenigstens das Training ab. Du musst die drei Tage noch nachholen und hiervon bekommst du doch nur noch mehr Kopfschmerzen.“
„Wenn ich die ganze Zeit ununterbrochen lerne und nichts anderes mache, werde ich hibbelig und kann mir auch nichts mehr merken.“
Er lachte und setzte sich neben mich.
„Du bist wirklich einmalig!“
„Warum?“
„Ich mache das hier schon ein paar Jahre. Und noch NIE wollte jemand so unbedingt mit mir trainieren, wie du.“
Ironisch sah ich ihn von der Seite an.
„Und ich kann mir auch gar nicht vorstellen, warum.“
Don schickte mich zurück in meine Wohnung. Ich sollte weiter lernen und dann am Nachmittag nur eine Stunde trainieren, anstatt zwei. Die nächsten zwei Tage waren Wochenende und somit wieder kein Training. Doch immer, wenn ich kurz vorm Ausrasten war, weil Eric mich mit dem Lernen nervte oder ich zu hibbelig wurde, rief ich Don an und er trainierte eine halbe Stunde mit mir. Lediglich ein paar belustigte Blicke warf er mir zu. Er schien genau zu wissen, dass mein Freund in meiner Wohnung auf mich wartete und es nicht so toll fand, dass ich ihn wegen Don versetzte.
Als es dann endlich Montag war und ich vor den Klausurräumen mit Jacky und David wartete, hatte ich glücklicherweise keine Kopfschmerzen mehr und mir in letzter Minute auch noch die letzten paar Seiten aus dem Skript ins Hirn geprügelt. Trotz allem war ich kaum nervös. Schließlich hatte ich so viel getan, wie es nur ging und konnte daran auch nichts mehr ändern. Nur essen konnte ich nicht. Das musste bis nach der Arbeit warten.
Die nächsten 4 Stunden schrieb ich ununterbrochen auswendig gelernte Sätze, möglichst Wort für Wort, auf meine Blätter und hatte zum Schluss so gewaltige Krämpfe in meiner Hand, dass ich nicht mehr weiter schreiben konnte. Es wäre mir sowieso nicht mehr viel eingefallen, sodass ich mir alles noch einmal durchlas und eine halbe Stunde zu früh abgab.
Vollkommen ausgepowert torkelte ich aus dem Gebäude und überlegte, mir zur Belohnung einen Kaffee zu gönnen. Auf Erics bohrende Fragen hatte ich momentan allerdings noch keine Lust, sodass ich in die Stadt fuhr und mich dort in unser Stammcafé setzte.
Die Sonne schien, doch der Wind war eiskalt. Im Park gegenüber lagen überall die bunten Blätter zerstreut und die kargen Bäume ließen mich irgendwie melancholisch werden.
Ich dachte nach. Über alles und jeden. Über Maria, die ich schon lange nicht mehr gesehen hatte. Über Don, der heute mit irgendetwas Gefährlichem beschäftigt war, wo er mich nicht dran teilnehmen lassen wollte. Über Jacky und Rome, wann sie sich endlich eingestehen würden, dass sie sich immer noch liebten. Und dann schließlich über Eric und mich.
Er hatte mich am Wochenende zwar genervt, doch er hatte es ja nur gut gemeint, wenn er mich ständig zum Lernen gezwungen hat. Und auch sonst tat er mir gut – das merkte ich schon daran, dass ich immer selbstbewusster wurde und meine Ängste fast vollständig verdrängen konnte. Nur seine stetige Eifersucht auf Don machte mich rasend, ebenso wie die Tatsache, dass er mich ständig beschützen wollte und dabei bevormundete.
Ganz in Gedanken versunken, merkte ich gar nicht, wie sich jemand an meinen Tisch gesellte. Erst als der Mann sich räusperte, blickte ich erschrocken von meiner Tasse auf.
„Entschuldigung, Senora. Sie sehen so traurig aus, geht es ihnen nicht gut?“
Er war Spanier, groß, ziemlich muskulös und hatte blonde, lange Haare. Er trug einen Anzug und hatte einen Aktenkoffer dabei. Wahrscheinlich ein Anwalt, so wie er sich die Haare nach hinten gegelt hatte.
„Doch. Ich hänge nur meinen Gedanken nach.“
„Achso. Ich habe sie nur so auf ihre Tasse starren sehen, da wollte ich lieber einmal nachfragen. Ich bin übrigens Tom.“
Er gab mir die Hand und ich stellte mich ebenfalls vor.
„Würde es Ihnen vielleicht etwas ausmachen, wenn ich mich zu Ihnen setze? Es ist sonst alles voll.“
Ich verneinte und beobachtete ihn misstrauisch, wie er sich die Anzugsjacke abstreifte und sich mir gegenüber an den kleinen Tisch setzte. Sofort kam die Bedienung und er orderte einen Kaffee, bis er sich dann wieder mir widmete.
„Und was macht so eine hübsche Frau, wie Sie, ganz alleine in einem Café? Es ist doch so schönes Wetter.“
Ich erzählte ihm von meiner Klausur und er verwickelte mich in ein Gespräch, was ich zwar zuerst nur widerwillig führte, doch mit der Zeit festigte sich mein Eindruck, dass er nur ein gelangweilter Anwalt in seiner Mittagspause war. Er fragte, ob ich nicht Lust hätte, eine Runde mit ihm durch den angrenzenden Park zu drehen, doch ich lehnte freundlich lächelnd ab. So weit, dass ich alleine mit fremden Männern in einen Park ging, war ich noch lange nicht.
Wir redeten noch etwas und er brachte mich ständig mit irgendwelchen Witzen und Kommentaren zum Lachen. Bis dann schließlich mein Handy klingelte. Es war Eric.
„Hey, Schatz. Wo bist du denn? Ich dachte du kommst mich nach deiner Klausur im Café besuchen?“
„Tut mir Leid. Es war so anstrengend, da brauchte ich erst mal meine Ruhe. Ich sitz in der Stadt im Café und entspanne mich.“
„Na toll. Und heute Abend bist du sicherlich wieder mit deinem Boss unterwegs. Ich bekomm dich ja kaum noch zu Gesicht in letzter Zeit! Und wenn doch, dann musst du lernen oder bist hundemüde. Und jetzt, wo du eigentlich Zeit hättest, sitzt du lieber alleine in irgendeinem Café herum. Oder sind Jacky und David dabei?“
„Nein. Ich sitze hier nur mit Tom, einem Anwalt, den ich gerade kennen gelernt habe.“
„Wie bitte? Du redest einfach so mit wildfremden Männern? Und wahrscheinlich lässt du dich anschließend noch von ihm nach Hause bringen oder machst sonst irgendwelche Dummheiten!“
Genervt rollte ich mit den Augen und musste meine aufkommende Wut unterdrücken.
„Mache ich nicht und jetzt entschuldige mich, mein Akku ist fast leer!“
Ich legte auf, ohne mich zu verabschieden, was sofort mit fragenden Blicken seitens Tom kommentiert wurde.
„Dein Freund?“
„Ja. Er macht sich mal wieder viel zu viel Sorgen um mich, weil ich alleine in der Stadt bin.“
Dabei konnte ich mich doch gut selbst verteidigen, aber das wollte er ja nie einsehen!
„Sind Sie sicher, dass sie nicht einen Spaziergang machen wollen?“
So wütend, wie ich gerade war, konnte das sicherlich nicht schaden. Ich ließ zu, dass Tom mir den Kaffee bezahlte und wir schlenderten zusammen in den Park. Dort gab es einen Teich, der etwas abseits lag und somit weitestgehend ungestört war. Ich setzte mich auf die Bank und schaute den Enten zu, während ich Tom etwas über sich ausfragte.
Er war Anwalt in einer großen Kanzlei, die ich sogar kannte. Woher, wusste ich auch nicht. Seine Frau, hatte ihn verlassen und die gemeinsame Tochter mitgenommen. Er hatte alles verloren durch sie – sogar den Job - und musste wegziehen. Erst vor kurzem war er wieder zurückgekommen und wollte einen Neustart wagen. Trotz der vielen Feinde, die er dank seiner Frau nun hatte.
Er zeigte mir ein Foto von sich, seiner Frau und seiner Tochter von vor 5 Jahren, das mir irgendwie bekannt vorkam.
„Sie haben sich seitdem aber sehr verändert! Zumindest äußerlich!“
„Ja. Meine Frau hat überall Lügen über mich erzählt, sodass ich mir ein neues Aussehen zugelegt habe, damit nicht jeder mich erkennt und ich endlich neu anfangen kann.“
„Diesen Wunsch kenne ich. Aber meistens klappt es dann irgendwie doch nicht ganz.“
Er nickte langsam und musterte mich dann.
„Wissen Sie was? Sie sind meiner Frau ähnlicher, als Sie denken!“
„Achja?“
In Anbetracht der Tatsache, dass sie ihm alles genommen hatte, wusste ich noch nicht, ob das wirklich so gut war.
„Ja! Sie war auch immer so kritisch eingestellt, wie Sie. Hat ständig an mir herum gemeckert. Und sie hatte auch schwarze Haare und blaue Augen.“
Er stand auf und tigerte aufgebracht vor der Bank auf und ab, als mir plötzlich etwas einfiel.
Ich stand auf und hielt in sanft auf, indem ich ihm die Hand von hinten auf die Schulter legte. Aufbrausend drehte er sich um, doch ich war schneller und schlug ihm meine Faust direkt auf die Nase, sodass er nach hinten taumelte. Sofort sprang ich hinter ihn, rammte mein Knie in seine Kniekehle und zog seine Arme hinter den Rücken, sodass er schließlich laut fluchend vor mir kniete.
„Verdammt, was soll der Scheiß, du dumme Schlampe!“
Ich verpasste ihm einen Schlag ins Genick, wodurch er benommen in sich zusammen sackte. Dann zückte ich mein Handy und rief Don an.
„Babe?“
Er flüsterte nur, sodass seine Ausrede mit dem gefährlichen Job anscheinend stimmte und ich ihn gerade mittendrin störte.
„Sorry, wenn ich störe, aber ich habe ein kleines Problemchen.“
Grinsend wartete ich bis er wieder antwortete, dieses Mal allerdings nicht mehr im Flüsterton.
„Was ist passiert? Hast du die Klausur verkackt oder was?“
„Nein, die war ganz okay. Aber ich stehe hier im Park in Granada und vor mir liegt ein Mann, den ich Niedergeschlagen habe.“
„WAS??“
Mein Grinsen wurde noch etwas breiter und ich ließ mir Zeit mit der Antwort.
„Naja, du wolltest mich ja nicht, zum abreagieren nach der Klausur, zu deinem super Auftrag mitnehmen.
„Und deswegen schlägst du einfach irgendwelche Leute zusammen?!“
„Nein. Ich hab ihn im Café kennen gelernt und bin dann, weil Eric mich aufgeregt hat, mit ihm in den Park gegangen. Und da hat er mich dann an jemanden erinnert.“
„Babe….Wenn Männer so aussehen, wie dieses Arschloch aus Deutschland, dann lauf weg und schlag sie nicht einfach zusammen! Das handelt dir nur Ärger ein!“
Innerlich schauderte ich, als er von Justin sprach, doch ich riss mich zusammen.
„Nein…An ihn hat er mich nicht erinnert.“
„Sondern? Verdammt, ich hab nicht viel Zeit, also rede endlich!“
„Erinnerst du dich noch an Tom Bartolo?“
Stille herrschte am anderen Ende der Leitung und ich konnte mir genau vorstellen, wie Don sich ungläubig durch die kurzen Haare fuhr.
„Sag mir bitte, dass das ein Scherz ist.“
Er klang tonlos und ich konnte nur lachen, was ihm allerdings als Antwort zu reichen schien, denn er fluchte ungehalten.
„Verdammt noch Mal! Du hättest mich vorher anrufen sollen oder sonst irgendwen, aber du kannst doch nicht einfach so mit diesem Wichser alleine in einen Park gehen. Wahrscheinlich noch an irgendeine Stelle, wo euch niemand hören kann! Bist du lebensmüde?! Oder hast du vergessen, was er sonst immer mit Frauen im Park anstellt, wenn er ungestört ist?! Vorallem, weil du seinem Typ entsprichst!!!“
„Mir ist es erst hier aufgefallen. Und da habe ich mich lieber gewehrt anstatt wegzulaufen. Der Kerl ist 4 Jahre untergetaucht. Du hättest ihn wahrscheinlich nie wieder gefunden!“
Er fluchte noch einmal, genau wie mein Opfer, was wieder begann, sich zu regen.
„Don, schick mir einfach irgendeinen, von deinen Männern an den Teich im Park vor meinem Lieblingscafé! Ich muss jetzt auflegen, aber die sollen sich gefälligst beeilen!“
Ich legte auf und musste nun meine gesamte Energie dafür aufwenden, diesen Frauenvergewaltiger und Mörder auf dem Boden zu halten. Denn sonst wäre ich mit Sicherheit die nächste in seiner Sammlung gewesen.
Doch schon 5 Minuten später kamen Gin und Felino auf mich zu gelaufen. Don schien ihnen mit allem Möglichen gedroht zu haben, dass sie sich so beeilten, mich von diesem Monster weg zu bringen. Erst nachdem wir ihn in ihr Auto verfrachtet hatten, sah Felino mich grinsend an.
„Da suchen wir 5 verdammte Jahre nach dem Arschloch. Er hätte eigentlich irgendwo in Mexiko sein sollen und nie wieder auftauchen dürfen, weswegen wir ihn zu den inaktiven Fällen getan haben. Und kaum hast du seine Akte mal 1 Monat, schon läuft er dir über den Weg und du erkennst ihn auch noch, obwohl er sein Aussehen so verändert hat! Wie hast du das denn bitte gemacht?!“
Ich musste lachen, so frustriert schien er mir.
„Kennst du Navy CIS?“
„Die Fernsehserie?“
„Ja. Der Teamchef hat doch für alles irgendwelche Regeln.“
Ich musste noch mehr lachen, bis ich endlich fortfuhr.
„Und Regel Nr. 13 ist: Traue niemals einem Anwalt.“
Wir luden Tom bei der Polizei ab, wo sie mir den gesamten Ruhm bei den gesprächigen Polizisten in die Schuhe schoben. Ich erhielt eine Bestätigung, dass ich ihn abgeliefert hatte, die ich nun bei Don abgeben musste und dann 10% der Kaution einsackte. Wie viel es war, wusste ich nicht. Doch selbst wenn es nur 10 Euro waren – ich hatte gerade meinen ersten Flüchtigen im Alleingang gefangen!
Ich wurde zu meinem Auto gefahren, womit ich sofort zur Schule fuhr um es Jacky und David direkt zu erzählen, die sich fast genauso viel freuten, wie ich selbst. Danach besuchte ich Eric, der die Gelegenheit nutzte, mir noch einmal einen Vortrag zu halten. Doch dann beglückwünschte er mich – auch wenn es wahrscheinlich nicht ernst gemeint war.
Er musste an diesem Abend arbeiten, sodass ich mich um 6 Uhr in meine Wohnung zurück zog und überlegte, was ich denn essen könnte. Da klopfte es auch schon an der Tür und ein skeptischer Don stand vor mir.
„Du scheinst die bösen Jungs ja wirklich anzuziehen!“
„Und dir scheint das überhaupt nicht zu gefallen.“
Spöttisch verschränkte ich die Arme und sah ihn anklagend an.
„Ich denke du hast dir seine Akte durchgelesen und weißt, wie brutal er ist.“
„Deswegen konnte ich ihn auch schlecht laufen lassen, nur weil ich es wusste, die nächste Frau aber nicht.“
Er raufte sich noch einmal die Haare, bis er die Pizzakarte in meiner Hand bemerkte.
„Was hältst du davon, wenn ich dir eine Pizza spendiere und du mir dafür haargenau erzählst, wie das passiert ist?“
Freudig stimmte ich zu und wir fuhren gemeinsam in die Stadt. Doch da er immer noch seine Arbeitsklamotten trug, machten wir erst noch einen Abstecher in seiner Wohnung. Ich knallte mich auf sein Sofa und streckte meine müden Glieder ausgiebig, während ich mich umblickte.
Don war im Schlafzimmer verschwunden und auf dem Esstisch türmte sich ein Stapel Papiere, mit einem Haufen Geräte daneben. Neugierig, wie ich war, musste ich mir die Geräte sofort ansehen, die man immer für Observierungen benutzte. Und das oberste Blatt, der Papiere, war ein Foto. Es zeigte einen Latino, mit langen braunen Haaren, die er hinten im Zopf zusammen trug. Eine große Narbe zierte seine Wange und unter einem Auge hatte er eine kleine schwarze Träne tätowiert.
„Schon mal was von Privatsphäre gehört?“
Erschrocken drehte ich mich um. Don hatte sich von hinten an mich heran geschlichen und stand nun, mit dunklem Gesichtsausdruck, direkt vor mir.
„Es lag offen hier herum und ich habe nichts angefasst. Aber ist das der Kerl, den du heute beschattet hast?“
Abweisend zuckte er mit den Schultern.
„Komm schon, Don! Dass dieser Bartolo mir heute über den Weg gelaufen ist und ich ihn erkannt habe – dafür kann ich nichts. Also erzähl mir doch wenigstens, wer der Mann auf dem Foto ist und warum du ihn suchst!“
Finster legte er seine Hand in meinen Nacken und ich musste mich bemühen, nicht vor ihm zurück zu weichen.
„Du solltest deine Neugierde besser zügeln. Denn das ist gefährlich, bei unserem Job. Und du solltest über jeden Fall froh sein, den du nicht kennst.“
„Aber…“
Er legte mir seine andere Hand auf den Mund und sah mich drohend an.
„Misch dich nicht in alles ein, Babe.
Wütend zog ich seine Hand von meinem Mund.
„Denk ja nicht, dass du mir damit Angst einjagen könntest!“
Ich wollte mich losreißen, doch seine Hand in meinem Nacken verhinderte dies, egal, wie sehr ich mich bemühte. Don zwang mich, ihn anzusehen und still zu halten.
„Es würde dir aber gut tun. Denn dieser Mann hat schlimmere Dinge getan, als du dir vorstellen kannst.“
„Ich habe schon viel gesehen und vieles auch am eigenen Leib erfahren! Behandle mich nicht wie ein kleines Kind! DU warst es, der mich auf diesen Job gebracht hat! DU hast mich bei dir eingestellt!“
„Das war, bevor du das alles erlebt hast.“
Ich lachte trocken.
„Glaubst du, das war das erste Mal, dass er so etwas mit mir gemacht hat? Ich bin nicht ohne Grund von ihm weggelaufen und ich habe es mich auch nicht ohne Grund vorher nicht getraut!“
Wir sahen uns eine Weile an, bis er mich endlich los ließ und sich seine Schlüssel schnappte.
„Erst erzählst du. Und dann vielleicht ich.“
Zufrieden folgte ich ihm und saß kurze Zeit später in einer kleinen Pizzeria, die nur spärlich besucht war. Ich erzählte ihm alles, sogar meine Wut auf Eric, was er zum Glück unkommentiert ließ. Er hatte sein Pokerface auf und unterbrach mich kein einziges Mal. Erst als ich geendet hatte, lehnte er sich seufzend zurück und nahm ein Schluck von seinem Wasser.
„Du hattest Glück, dass es dir noch rechtzeitig eingefallen ist. Noch etwas länger und du wärst sein nächstes Opfer gewesen.“
Das war mir bewusst.
„Aber es war gut, dass du mich dann angerufen hast und es nicht komplett ohne Hilfe erledigen wolltest, um irgendwem etwas zu beweisen.“
Dann erzählte er mir von seinem Fall. Es war ein Auftragskiller, der schon viele bedeutende Leute ermordet hatte. Sie mussten vorsichtig sein, dass er sie nicht bemerkte, weil er sonst untertauchen würde und in ein anderes Land verschwindet.
Den Rest des Abends vermieden wir es, über die Arbeit oder Schule zu reden und ich genoss es richtig. Denn seit ich mit Eric zusammen war, unternahm ich abends nur etwas mit ihm oder lernte. Das letzte Mal, dass ich feiern war, lag schon so lange zurück. Doch Jacky und David hatten schon zugesagt, dass wir nach der letzten Klausur endlich noch mal so richtig ausgehen würden.
Nur noch zwei Wochen, dann hatte ich dieses verdammte lernen hinter mir.
Ich trank zwei Gläser Wein und war richtig tiefenentspannt, als Don mich schließlich zu meiner Wohnung fuhr.
„Wie machst du das eigentlich, dass du in dem einen Moment ein diskriminierendes Arschloch bist und in dem anderen Augenblick der perfekte Gentleman und im nächsten ein richtiger Bad Boy.“
„Ich dachte immer, dass diskriminierendes Arschloch und Bad Boy, das gleiche ist.“
„Nein. Die Bad Boys, die ich mag, diskriminieren ihre Frauen nicht. Sie sind den anderen Kerlen gegenüber ein Arschloch und gerne der Boss. Ein diskriminierendes Arschloch ist einer, der meint, dass Frauen nichts können, schwach sind, nichts zu sagen haben und all so etwas.“
„Und so ein Arschloch war ich heute?“
„Ja. Als du versucht hast, mich von deinem Fall fern zu halten!“
„Und wann war ich ein perfekter Gentleman?“
„Gerade in der Pizzeria. Du hast mir den Stuhl zurück gezogen, die Türen aufgehalten, mich trotzdem selbst bestellen lassen und du warst charmant und höflich.“
„Und der Bad Boy, den du magst?“
„Sonst immer. Du nimmst dir, was du willst. Du bist so dominant, dass sogar der Direktor vor dir den Schwanz einzieht. Und trotzdem lässt du zu, dass ich aus der Reihe tanze.“
Er lachte rau und sah mich von der Seite an.
„Ach, tue ich das?“
„Ja.“
Ich grinste breit zurück.
„Dann werde ich das wohl ab sofort ändern müssen.“
Er parkte vor meinem Wohnhaus und schaltete den Motor aus.
„Warum? Ich finde es gut so.“
„Das ist klar. Aber ich habe schließlich einen Ruf zu verlieren. Und immerhin hast du mir erst vor knapp einer Woche gesagt, dass du keine Bad Boys mehr magst. Dann brauche ich mir ja auch gar keine Mühe geben, so zu sein, wie du es früher am liebsten hattest, bevor du dich den Weicheiern gewidmet hast.“
Genervt stieg ich aus seinem Auto aus, doch er fing mich an der Tür ab.
„Lass mich los, Don. Ich bin müde und du weißt genau, dass ich es hasse, wenn du so über meinen Freund redest!“
„Ja. Aber du hast eben noch gesagt, dass ich mir nehme, was ich will. Und doch lasse ich es zu, dass du mit einem anderen schläfst. Da ist es doch gerecht, wenn ich meine Meinung zu ihm äußere.“
„Nein. Denn du hast mir gar nichts zu bestimmen, was mein Privatleben betrifft!“
Er drängte mich gegen die Tür und hielt meine Handgelenke umklammert, sodass ich mich nicht mehr rühren konnte.
„Du musst dich entscheiden. Entweder ich halte mich zurück und sage nichts schlechtes mehr über deinen Macker. Oder ich halte mich zurück, flirte nicht mit dir und nehme auch keine Rücksicht darauf, dass du schon vergeben bist.“
„Hör auf an ihm herum zu meckern und sei freundlich zu ihm! Mit dem Rest komm ich schon klar.“
Er grinste mich an und wich einen Schritt zurück.
„Okay, wie du willst. Wir sehen uns morgen!“
Dann verschwand er in seinem Mercedes und brauste davon, während ich mich wütend die Treppen hoch schleppte.
Ich verstand nicht, was ihn jetzt so glücklich an meiner Entscheidung gemacht hatte. Ich hatte schließlich nur gesagt, dass er meinetwegen mit mir flirten solle. Das hieß auf keinen Fall, dass das etwas nützte!
Hey :)
Ich kann irgendwie hier keine weiteren Fortsetzungen mehr hochladen, da mein PC es irgendwie nicht mehr schafft oder es liegt an Bookrix...Keine Ahnung!
Auf jeden Fall habe ich jetzt ein neues Buch hereingestellt, wo ich die folgenden Kapitel hochlade.
http://www.bookrix.de/showbooks.html?showbookonly=myfelix_1347996857.6397209167
LG und ich hoffe die Fortsetzung im neuen Buch gefällt euch :)
Publication Date: 12-12-2010
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