Durch den Tränenschleier beobachte ich, wie sich ein Schmetterling behutsam auf die weiße Lilie setzt, die vor mir liegen. Er öffnet seine Flügel und nimmt jeden dieser völlig falschen Sonnenstrahlen auf, die sich heute den Weg auf die Erde bahnen.
Eigentlich müsste es regnen oder gewittern.
Noch besser wäre ein verherrender Hagel, der Glas zerspringen lässt. Autoscheiben und Fenster müssten in tausend Einzelteilen auf dem Boden liegen – so wie mein Herz.
Ein feiner Windhauch umschmeichelt meine Beine.
Viel zu sanft für diesen Tag.
Zu ruhig, für mein Inneres.
Ich will schreien, während ich vor diesem Blumenmeer stehe und doch kommt kein Ton über meine Lippen.
Die Rede, die ich halten sollte, habe ich abgebrochen. Kaum, dass sein Name über meine Lippen kam, war es vorbei. Messer, Pfeile und Scherben haben sich in mein Herz gebohrt und mich innerlich verbluten lassen, während Hunderte mitleidige Augen dabei zusahen.
»June?« Eine leise Stimme bahnt sich den Weg zu mir und Finger legen sich auf meine Schulter.
Ich bewege mich keinen Zentimeter, starre weiterhin auf den Schmetterling.
Nimmt er diesen unerträglichen Schmerz mit, wenn ich darum bitte?
»Schätzchen«, wiederholt mein Vater sanft und kommt etwas näher. »Wir sollten langsam los.«
»Er hasst Lilien«, kommt es mir mit einem fast unverständlichen Krächzen über die Lippen. Meine Worte lassen mich die Luft anhalten.
Falsche Zeitform.
»Er hasste Lilien«, korrigiere ich mich leise, spüre dabei schmerzhaft die getrockneten Tränen auf meinen Wangen. Eine neue Welle der Traurigkeit überfällt mich, presst mir die Luft aus den Lungen und doch bin ich nicht imstande zu weinen.
»Wir bringen morgen noch andere Blumen vorbei.« Dad zieht mich ein Stück zu sich und ich spüre die Wärme, die sein schwarzes Hemd durch die Sonne aufgenommen hat. Mein Kopf bewegt sich und ich bringe ein Nicken zustande. Meine Augen wollen zu dem Foto wandern, doch ich kann es gerade noch verhindern.
Ich werde sein Bild gleich die ganze Zeit sehen müssen. Das wird schmerzhaft genug.
Es zerreißt mich, als ich mich langsam abwende und ihn zurücklasse. Ich hebe den Kopf, versuche, mich auf die schöne Umgebung zu konzentrieren, doch eine Silhouette lässt mich erstarren.
Es ist nur ein flüchtiger Moment, doch er genügt, dass mir das Blut in den Adern gefriert.
Es ist unmöglich. Fast drei Jahre her und wir sind in einem anderen Staat.
Mein Kopf spielt mir streiche.
Das tut er schon die ganzen letzten Tage.
»June?« Fragend folgt Dad meinem Blick, der an einem Baum am Ende des Friedhofs klebt. »Ist alles in Ordnung?«
Ich habe gerade meinen Freund beerdigt.
Wie soll da alles in Ordnung sein?
»Ich frage mich nur, wie ich jemals wieder glücklich sein soll«, gestehe ich leise und wende mich von meiner Halluzination ab.
Ich weiß, ich weiß. Ich war lange weg, was an dem chaotischen Leben lag und widerspenstigen Charakteren. Jetzt bin ich wieder da und hab eine neue Geschichte für euch (Nein, es ist nicht Somehoq Lost)! Da ich derzeit wenig Zeit habe, werde ich die Kapitel nur auf Wattpad veröffentlichen - bis Bookrix seine Website etwas überarbeitet hat. Wer will, kann der Geschichte da gerne folgen! Ihr findet mich unter JMoldenhauer und ich würde mich freuen, wenn ihr dabei seid!
Text: © J.Moldenhauer
Publication Date: 10-18-2021
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