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Es ist kalt…

Komisch, das ist das Erste was mir durch den Kopf schießt, als ich die Maschine der Alaska Airways in Anchorage verlasse.

Was habe ich erwartet?

Ich setze meine Mütze auf, wickele meine Jacke enger um mich und nehme meine große Reisetasche über die Schulter.

Ich betrete das Flughafengebäude und sehe mich suchend um. Ich entdecke ein Schild mit meinem Namen drauf und gehe langsam auf den Mann zu. Er ist vielleicht Anfang 30, trägt einen Drei Tage Bart und eine dicke rote Daunenjacke.

„Dr. Theresa Scott.“ Ich reiche ihm meine Hand und er sieht mich erstaunt an.

„Dr. Scott?“ fragt er und mustert mich.

„Ja, Dr. T. Scott. Da es auf ihrem Schild steht, nehme ich an, sie warten auf mich. Wenn sie allerdings noch warten möchten, ob ein weiterer Dr. Scott hier auftaucht, dann gehe ich und suche mir ein Hotel.“ Ich sehe ihn an. Meine Stimme klingt vielleicht einen Spur zu sarkastisch, aber ganz ehrlich, ich habe einen 8 Stunden Flug aus New York hierher hinter mir und keine Lust auf Spielchen.

„Jacob Carter.“ Er atmet tief durch und ich nicke.

„Wie kommen wir jetzt von hier aus nach Hope?“ ich ziehe eine Augenbraue hoch und er schüttelt seinen Kopf.

„Mit dem Flugzeug.“ Sagt er mit einer Stimme, die keinen Zweifel daran lässt, dass er denkt, dass ich blöd bin.

„Ist mir schon klar, aber brauchen wir nicht einen Piloten oder so etwas?“ gebe ich meinem Ich – bin – nicht - doof Ton zurück.

„Ich bin ihr Pilot.“ Er schnappt sich meine Tasche und stapft hinaus aufs Rollfeld. „Denken sie, ich stehe hier aus Spaß herum und warte auf sie?“

„Deine Maschine ist aufgetankt.“ Ein älterer Mann sieht zu Jacob und dieser hebt den Daumen.

„Danke Alec!“ erwinkt ihm kurz zu und wirft dann meine Tasche in ein kleines Flugzeug.

Meine Knie drohen nach zu geben, das ist kein Flugzeug, sondern vielmehr eine Schuhschachtel…

Ich kenne Helikopter aus dem Notdienst in New York, aber das Ding sieht aus, als würde es schon länger in der Luft sein, als ich auf der Welt.

„Brauchen sie eine Einladung?“ er hält mir die Tür auf und ich klettere gezwungener Maßen auf den Sitz. Normalerweise würde ich ihm jetzt gerne erklären, dass er nicht so mit mir zu reden hat, aber angesichts dessen, was mich erwartet, halte ich lieber meinen Mund.

Er schließt die Tür und geht dann herum um sich auf seinen Sitz zu setzen.

„Ist die sicher?“ ich deute auf die Maschine und er reicht mir meine Kopfhörer.

„Mein Baby ist das sicherste Flugzeug in Nord-West-Alaska.“ Er nickt mir zu und ich setze die Kopfhörer auf.

„Wie viele Flugzeuge gibt es denn da?“ ich traue mich kaum die Frage zu stellen.

„Auf dem Hope Flugbahn stehen 4 Maschinen und der Eurocopter X3, die sind alle sicher. Flugangst?“ er sieht mich skeptisch an.

„Nein.“ Gebe ich zurück und weiß in dem Moment, wo er den Motor anlässt, dass ich lüge.

„Sie kommen als fliegende Ärztin nach Alaska und haben Flugangst?“ er sieht mich belustigt an.

„Meine Stellenbeschreibung sagt, dass ich eine kleine Praxis übernehmen soll und gelegentlich einige Flugeinsätze fliegen muss.“ Gebe ich gereizt zurück und halte mich an meinem Sitz fest.

„Gelegentlich wird im Winter recht häufig sein.“ Er konzentriert sich auf den Start und wir heben ab. Das Gefühl mich gleich übergeben zu müssen ergreift Besitz von mir und ich atme tief durch.

Ich brauche ein paar Minuten um meinen Magen davon zu überzeugen, den Inhalt des Flugzeugmittagessens bei sich zu behalten, aber schließlich gibt er Ruhe und beruhigt sich.

„Was heißt denn Winter?“ ich sehe ihn an und er scheint überrascht darüber, das ich ihn anspreche.

„Winter?“ er lächelt leicht und ich nicke.

„Wir haben jetzt Anfang September und – 12 Grad, das ist noch Herbst. Es hat schon vor einer Woche Neuschnee gegeben, aber eigentlich gibt es kaum eine Periode ohne Schnee. In spätestens 3 Wochen gehen die Temperaturen runter auf -25 bis -30 Grad am Tag, das bleibt bis März. Das heißt, von Ende September bis Ende April ist Hope nur auf dem Luftweg zu erreichen. Keine Straßen… nichts.“ Erklärt er mir  „Sie werden sich an das Fliegen wohl gewöhnen müssen.“ Fügt er hinzu.

„Ich habe keine Flugangst, ich bin in New York 400 Stunden im Rettungshelikopter geflogen. Ich hoffe, den gibt es in Hope auch.“ Ich hoffe es wirklich…

„Wir haben einen umgerüsteten Eurocopter X3, da wir Langstrecken fliegen müssen. Nicht zu vergleichen mit den kleinen Helikopter in New York…“ er sieht mich spöttisch an „Ansonsten gibt es in Hope drei weitere Cessnas. Neben meinem Baby, einer Cessna 172 noch eine weitere vom Typ Skyhawk und eine vom Typ 140, eins gehört dem Chief Evan Patterson und eines Harvey Ohlsen, ihm gehört der einzige Lebensmittelladen. Dann haben noch ein paar Familien in und um Hope, zum Beispiel der Bürgermeister, kleine Flugzeuge, aber die sind wo etwas wie Familienautos. Ohne geht nichts.“ Erklärt er mir und ich sehe aus dem Fenster. Es ist, als würde man durch Watteberge fliegen und ich genieße einen Moment die Aussicht.

„Wie viele Einwohner hat Hope?“ ich schließe meine Augen und bete dafür, das es wenigstens vierstellig ist.

„Ganz genau 688, mit ihnen 689.“ er klingt belustigt. „Sollte man sich über solche Dinge nicht informieren, bevor man einen solchen Job annimmt?“

„Es ist weit genug von New York weg und ich bin Dr. Dunn auf einer Fortbildung in Seattle begegnet. Er hat mich darum gebeten.“ ich zucke mit den Schultern.

„Aber hat eine junge Ärztin nicht in einem Krankenhaus größere Chancen etwas aus sich zu machen?“ hakt er nach.

„Mag sein.“ Gebe ich ausweichend zurück.

Natürlich habe ich in New York ganz andere Möglichkeiten wie hier, aber hier kann ich mit meinen 28 eine eigene Praxis übernehmen. Das ist in New York, erst Recht in Manhattan, unmöglich.

Peter, Dr. Dunn, weiß, warum ich aus New York weg muss, nicht ich tue ihm einen Gefallen, sondern er mir. Er hat sich entschlossen mit 64 in den wohl verdienten Ruhestand zu gehen und überlässt seine Praxis einer jungen Ärztin aus New York… ich weiß nicht, wer von uns Beiden mehr zu verlieren hat.

„Meinen sie, sie kommen mit den langen Wintern hier oben klar?“ reißt mich mein Sitznachbar aus meinen Gedanken.

„Ja. Warum denn nicht?“ ich sehe kurz zu ihm rüber.

„Sie sind abgeschnitten von jeglicher anderen Zivilisation. Sie müssen mit den Menschen die in Hope wohnen vorlieb nehmen.“ Antwortet er und ich sehe wieder zu ihm.

„Ich bin nicht sehr gesellig. Ich mag es allein zu sein.“ Gebe ich zurück.

„Da vorne können sie Hope sehen.“ Er deutet auf den Horizont und so sehr ich mich anstrenge, ich sehe nichts.

Als wir näher kommen erkenne ich Hope, ein kleines verschlafenes Städtchen mitten im Nirgendwo. Eingebettet auf zwei Seiten von dem Marryat und dem Chukchi Meer, es ist ja nicht so als hätte ich mich gar nicht informiert. Auf den anderen beiden Seiten rahmen Berge Hope malerisch ein. Geografisch habe ich mich ein wenig schlau gemacht. Es ist ruhig und friedlich.

Genau das was ich brauche.

Abstand…

Die Landung ist ziemlich ruppig und ich danke Gott als ich endlich wieder festen Boden unten den Füßen habe.

„Ihr Schuhwerk sollten sie überdenken.“ Jacob Carter betrachtet meine Winterstiefel „Und ihre Jacke vielleicht auch. Wenn ich ihnen noch etwas raten darf…“ er sieht mich an und ich stöhne leicht.

Lässt er sich denn davon abbringen?

„… Eine Jeans ist wirklich viel zu dünn. Sie sollten zu Anabelle Grevy gehen, sie hat einen Klamottenladen gleich die Straße bei der Praxis runter.“ Er reicht mir meine Tasche „Die Praxis ist gleich um die nächste Ecke.“ Er deutet eine kleine Straße entlang und ich nehme meine Tasche an mich. Nicht ohne vorher meine Handschuhe anzuziehen und meinen Schal enger um meinen Hals zu wickeln, erst jetzt fällt mir auf, das ich seit Anchorage meine Mütze nicht einmal abgenommen habe. Kein Wunder, ich will nicht die Gefahr eingehen, das mir die Ohren abfrieren.

Aber ich fürchte er hat Recht, ich werde in diesen Sachen erfrieren… Ganz ehrlich, es soll bald doppelt so kalt sein und ich spüre schon jetzt einige Körperteile nicht mehr.

„Danke Mr. Carter.“ Ich nicke ihm zu und stapfe davon.

„Willkommen in Hope.“ Ruft er mir hinterher.

Ich drehe mich nicht um, sondern setze meinen Weg fort. Ich mache drei Kreuze als ich die Praxis betrete, endlich ein wenig Wärme.

„Ah Tessa.“ Peter kommt zu mir und nimmt mich zur Begrüßung in den Arm. „Wie schön, dass du hier bist.“

„Ich danke dir Peter.“ Gebe ich zurück „Die Anreise war abenteuerlich.“ Ich ziehe eine Augenbraue hoch.

„Ja, nicht zu vergleichen mit New York.“ Er nimmt mir meine Tasche ab und hilft mir aus der Jacke.

„Ein guter Rat von mir, kauf dir ein paar Sachen in denen du den Winter hier überlebst. Es wäre schade, wenn du in diesen dünnen Sachen erfrieren würdest.“ Er zwinkert mir mit einem Blick auf meine Schuhe und meine Jacke zu.

„Danke, das habe ich schon Mal gehört.“ Ich folge ihm in die eigentliche Praxis und eine Frau, schätzungsweise 50, steht auf, als wir den Raum betreten.

„Sally, das ist Theresa, sie wird ab Montag die Praxis übernehmen.“ Stellt mich Peter vor.

„Ich habe viel von ihnen gehört. Das Mädchen mit den goldenen Händen aus New York. Ich bin Sally.“ Sie reicht mir ihre Hand.

„Dann ist mir ja mein Ruf voraus geeilt.“ Ich lächele sie freundlich an und sie erwidert es. „Ich bin Tess.“

„Es freut mich wirklich.“ Sie strahlt.

„Ich habe heute Abend den Chief, den Rettungsflieger und den Bürgermeister zu mir eingeladen. Sally kommt natürlich auch. Ich will, das du dich so schnell wie möglich mit allen vertraut machst.“ Erklärt mir Peter und ich nicke.

„Ich wollte eigentlich schon vor zwei Wochen kommen, aber…“ setze ich an.

„Kein Problem.“ Winkt Peter ab „Jetzt gibt es eben den Schnelldurchlauf.“ Er zwinkert mir zu „An eine Tatsache musst du dich aber schnell gewöhnen.“ Er sieht mich an und ich erwidere fragend seinen Blick.

„Das wäre?“ kommt es vorsichtig von mir.

„Du bist das Greenhorn und wirst es für eine sehr lange Zeit bleiben. Ich kenne meine Patienten seit ihrer Geburt. Na ja, fast alle und ich denke, du wirst dich durch setzen müssen.“ Er sieht zu Sally und sie nickt leicht.

„Da hat er wahrscheinlich Recht.“ Pflichtet sie ihm bei.

„Ich gebe mein Bestes.“ Verspreche ich.

„Willst du dir jetzt dein Haus anschauen?“ Peter sieht mich fragend an und ich nicke. „Deine Möbel sind vor drei Wochen gekommen. Ich denke du wirst dich zu Recht finden, ein paar Kleinigkeiten kannst du sonst bei Anabelle Grevy kaufen. Falls du noch was brauchst.“ Er reicht mir meine Jacke.

„Gott, das Kind hat ja nichts Vernünftiges zum anziehen.“ Sally sieht meine Jacke schockiert an „Sie ist nur Haut und Knochen und dann so ein Jäckchen? Selbst im Sommer habe ich eine dickere Jacke.“ Sie sieht kopfschüttelnd von mir zu Peter.

„Tja, ich habe die Temperaturen wohl unterschätzt.“ Gebe ich zu „Es war schwer in New York für Alaska einkaufen zu gehen.“

„Warum gehst du nicht morgen mit dem Kind einkaufen.“ Peter zwinkert ihr zu und sie lacht herzlich auf.

„Aber sicher.“ Sie nimmt meine Hand „Bis dahin bleibst du am Besten im Haus und ich hole dich morgen um 10 Uhr ab. Ich bin mir sicher Ana macht den Laden für uns kurz auf.“

„Das ist nicht nötig…“ wehre ich verlegen ab.

„Ach was.“ Sie tätschelt meine Hand „Mach dir keine Gedanken. Bisher ist in Hope noch niemand erfroren. Zu mindestens niemand, den wir kannten.“ Sie lacht leise und George stimmt mit ein.

„Gut zu wissen.“ Ich versuche zu lächeln, scheitere jedoch kläglich.

Ich muss mir eingestehen, dass ich nicht die geringste Ahnung habe, auf was ich mir hier eingelassen habe.

Ich wollte weg, aber ausgerechnet Alaska?

Nicht nur der Rand, nein Mitten drin… abgeschnitten von der Außenwelt an 8 Monate im Jahr.

Ich atme tief durch und folge dann Peter der mich abwartend ansieht.

Wir müssen zum Glück nicht weit laufen, denn es ist wirklich bitterkalt.

„Da sind wir.“ Peter deutet auf ein kleines Häuschen. „Deine Nachbarn sind Jen und Rob, er ist auch der Bürgermeister.“ Er deutet auf ein Haus etwa 50 Meter von meinem entfernt. Tja, das war es auch schon mit Nachbarn, ansonsten ist hier kein weiteres Haus. Obwohl Hope an die 700 Einwohner hat, scheinen die sich wirklich großzügig ausgebreitet zu haben. Okay, Platz gibt es hier ja auch genug.

Peter schließt auf und ich betrete mein neues Heim. Es ist wirklich schön, alles aus Holz und sofort fühle ich mich wohl. Etwas was ich in New York lange nicht erleben durfte. Ich fühlte mich in meiner Wohnung am Rande von Queens schon eine ganze Weile nicht mehr wohl, geschweige denn zu Hause.

„Es ist wunderschön.“ Ich drehe mich zu Peter um.

„Es freut mich, dass es dir gefällt. Ich musste deinem Dad versprechen, mich um dich zu kümmern. Es ist so schön dich zu sehen Tessa.“ Er nimmt mich in den Arm.

„Oh Pete. Weiß jemand, wer ich bin und warum ich hier bin?“ ich sehe ihn fragend an.

„Nein, offiziell habe ich dich in Seattle bei der Tagung getroffen und dich angeworben.“ Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn „Liv freut sich schon sehr, dich wieder zu sehen. Ihr habt euch viel zu lange nicht gesehen.“

„Danke Pete.“ Ich drücke ihn kurz an mich.

„Dafür nicht Kleines.“ Er schenkt mir einen liebevollen Blick.

Früher als ich klein war, da haben Peter und mein Dad zusammen im Seattle Memorial Hospital zusammen gearbeitet. Er wurde mein Patenonkel und wir haben uns regelmäßig in Seattle gesehen, wenn er uns mit Liv besuchen kam. Dann ging Pete vor fast 20 Jahren zurück nach Hope, er ist hier geboren und aufgewachsen und es war klar, das er irgendwann zurück geht. Mein Dad blieb in Seattle und hat dort bis vor ein paar Monaten gearbeitet. Jetzt ist er endlich im Ruhestand und er und meine Mum machen gerade eine Kreuzfahrt in der Südsee.

Ich lächle beim Gedanken an sie und Pete schubst mich leicht.

„Wo bist du denn mit deinen Gedanken Tessa?“ er sieht mich milde lächelnd an.

„Bei Mum und Dad, sie lassen sich jetzt bestimmt die Sonne ins Gesicht scheinen und nippen an einem Cocktail.“ Ich grinse.

„Ja, das würde zu Jeff und Debby passen.“ Pflichtet er mir bei. „Ich habe dir heute Morgen die Heizung angestellt und vor einer Stunde den Kamin angezündet. Leg was nach, dann bleibt es schön warm.“

„Ich danke dir Pete….“ Ich halte ihn am Arm fest „Ist es Richtig, was ich mache?“

Er zieht mich fest in seine Arme „Das kannst du nur selbst wissen.“ Flüstert er mir ins Ohr „Willkommen in Hope.“

„Danke.“ Ich löse mich von ihm und er lässt mich alleine.

Ich sehe mich ein wenig im Haus um, ein großes Wohnzimmer mit einer beigen, riesengroßen Couch direkt vor dem Kamin. Ein Fernseher an der hinteren Wand, ich kann also bequem von der Couch auch fernsehen. Nicht, das ich denke, ich habe viel Zeit dafür, aber gut zu wissen. Die Küche ist offen zum Wohnzimmer und hat eine kleine Kochinsel, abgetrennt wird sie durch eine Bar mit drei Hockern davor, alles aus diesem warmen Holz, dessen Farbe mich ein wenig an Honig erinnert. Ansonsten lege ich meine Hand dafür ins Feuer, das Liv sich hier ausgetobt hat. Der hellgrüne Stoff der Couchkissen findet sich überall in der Küche und im Wohnzimmer wieder.

Aprospros Holz… Ich gehe zum Kamin und lege ein paar Scheite nach. Erst jetzt ziehe ich meine Jacke aus, nehme meine Mütze ab und lasse meine langen hellbraunen Haare über die Schultern fallen und hänge meine Jacke an die Garderobe, die ein Geweih darstellt.

Ich hoffe das Tier wurde nicht wegen meiner Garderobe getötet…

Dann gehe ich weiter in die Küche und wage einen Blick in den Kühlschrank, der zu meiner Überraschung prall gefüllt ist. Mit einem Magneten in Form einer Bärentatze ist ein Zettel von außen am Kühlschrank befestigt.

 

Hallo Tessa!

Das ist erst einmal die Grundausstattung! Lebensmittel kannst du jeden Dienstag und Donnerstag bei Harvey Ohlsen im Drug Store bestellen. Sie werden dann Mittwoch und Freitag geliefert.

Willkommen in Hope!

Wir sehen uns heute Abend.

In Liebe Liv

 

Ich lächle und nehme mir einen Apfel aus dem Obstkorb auf dem Tresen. Dann setze ich meine Erkundungstour fort und befinde mich, nachdem ich den großen Flur durchquert habe in einem kleinen Büro mit wunderbarem Blick auf die Marryat Bucht. Es ist wunderschön, die Buch liegt spiegelglatt und zugefroren vor mir und ich lächle, natur - mäßig ist Alaska wirklich einzigartig. Der Schreibtisch wirkt imposant in diesem Zimmer, es ist der alte Schreibtisch meines Dads und sticht mit seinem dunklen Holz sofort ins Auge. Ich stelle mit Erstaunen fest, das der Kamin von beiden Seiten zu beheizen ist und das die beiden Ohrensessel hier vor dem Kamin mich zum lesen einladen werden, das dunkle Bärenfell zu meinem Füßen tut sein übriges und passt erstaunlich gut zum Schreibtisch. Ich stelle mit einem lächeln fest, das Liv alle meine Bücher in die Regale geräumt hat, fast ausschließlich Fachliteratur und dann entdecke ich auch einige Bücher die Pete gehört haben müssen. Ich streiche über die Titel…

Kinderheilkunde, Orthopädie, Gynäkologie.

Tja, hier oben kann man sich nicht nur auf ein Fachgebiet fest legen, man muss alles können und ich weiß, ich muss noch viel lernen, um mit Pete mithalten zu können. Bisher stützt sich meine gesamte Erfahrung fast ausschließlich auf die Allgemeinchirurgie, aber da bekommt man ja auch einiges zu sehen. Vor allen Dingen in einer Stadt wie New York.

Zum Glück sind wir vorhin an Petes und Livs Haus vorbei gekommen und während meins ganze 10 Minuten von der Praxis entfernt ist, so ist seins quasi das Nachbarhaus.

Er wird mich öfter sehen wie ihm lieb ist.

Ich weiß gar nicht, wann ich zum letzten Mal ein nicht medizinisches Buch gelesen  habe? Seit ich mit 20 angefangen habe zu studieren, habe ich nie wieder andere Bücher in der Hand gehabt.

Vielleicht ändert sich das ja…

Ich stiege die Holztreppe hoch in den ersten Stock, hier setzt sich das Bild der warmen Holztöne fort, aber hier ist es mit einem hellen blau gemixt.

Liv hat eindeutig einen guten Geschmack…

Ich betrete mein Bad und bin erstaunt, es ist ebenfalls alles in Holz gehalten und mitten im Raum steht ein Waschzuber, so einen wie meine Grandma ihn wahrscheinlich in ihrer Kindheit benutzt hat. Ich werfe einen Blick hinein und entdecke eingelassene Düsen.

Okay, ich nehme es zurück… So einen Waschzuber hatte meine Grandma mit Sicherheit nicht. Die Regale und Schränke sind in die Wände eingebaut und die Dusche ist durch eine Wand aus Glasbausteinen vom Rest getrennt. Kleine Geweihe sind mal wieder meine Haken zum aufhängen der Handtücher.

Der, der dieses Haus entworfen hat, der hat wirklich was auf dem Kasten. Gegenüber befinden sich zwei Türen und ich öffne zu erst die rechte, dahinter befindet sich mein Schlafzimmer.

Wow, ein Himmelbett…

Es ist wunderschön.

Aber wo ist mein Kleiderschrank?

Außer dem Bett befindet sich nur eine kleine Kommode und zwei Nachtschränke hier im Raum, aber es wirkt nicht verloren, vielmehr wirkt es mit dem Eisbärenfellen vor beiden Bettseiten sehr geschmackvoll und gemütlich.

Wie viele Tiere mussten eigentlich für meine Einrichtung sterben?

Ich nehme mir vor später Liv zu fragen.

Obwohl, will ich es wirklich wissen?

Ich gehe wieder runter und nehme meine Tasche.

Wo zum Teufel ist mein Kleiderschrank?

Ich gehe nach oben und entdecke neben meinem Schlafzimmer tatsächlich einen begehbaren Kleiderschrank.

Wahnsinn!

So etwas wollte ich schon immer haben, aber in meinem 50 Quadratmeter großen Appartement in New York war einfach kein Platz…

Aber hier?

Hier habe ich locker 150 Quadratmeter für mich ganz alleine!

Ich entdecke auch noch ein kleines gemütliches Gästezimmer und frage mich, wer da wohl schlafen soll… Egal, es ist wirklich schön und ich besitze für den unwahrscheinlichen Fall eines Besuches eines…

Ich packe meine Sachen aus und genehmige mir dann eine heiße Dusche. Dann kuschele ich mich auf die Couch vor den Kamin und zappe mich durch die Fernsehprogramme, zum Glück habe ich hier Satellitenfernsehen…

Ein Blick auf meine Uhr verrät mir, das ich mich anziehen muss, in einer halben Stunde erwarten mich Pete und Liv und ich lerne den Chief, den Bürgermeister und meinen Rettungsflieger kennen.

Wenn das, was mir dieser Jacob erzählt hat wirklich stimmt, dann werde ich mit dem Rettungsflieger viel Zeit verbringen.

Ach was, schlimmer wie er kann er ja nicht sein.

Der hält mich tatsächlich für doof… Nicht zu fassen!

Ich ziehe mir eine Jeans, meine Stiefel und zwei Pullover an. Es ist zwar nicht weit, aber ich will nicht schon an meinem ersten Tag in Hope erfrieren…

Ich setze meine Mütze wieder auf und stapfe dann durch den Schnee.

Da von soll also noch mehr kommen?

Hier liegt schon so viel Schnee, wie ich es in New York nie gesehen habe, in Seattle schon mal gar nicht.

Ich atme tief ein und mache mich dann auf den Weg, es ist kurz vor 19 Uhr und immer noch hell, aber jetzt im September wird es wenigstens in der Nacht dunkel, mal schauen, wie ich das nächsten Sommer überstehe, wenn es von April bis August durchgängig hell ist.

Ich klingele und ein paar Sekunden später strahlt mich Liv an.

„Hallo Kleines!“ sie nimmt mich in ihre Arme. „Es ist so schön dich zu sehen!“

„Liv.“ Ich schließe kurz meine Augen und genieße ihre Umarmung.

„Wie geht es dir?“ sie nimmt mein Gesicht in ihre Hände.

„Kalt.“ Ich lächle leicht und sie zieht mich ins Haus.

„Pete, Tessa ist hier.“ Ruft sie ins Innere des Hauses und Peter kommt zu uns und nimmt mir meine Jacke ab.

„Gott Kleine, wo hast du denn die Jacke her…“ Liv sieht mich strafend an.

„Ich weiß schon, ich werde erfrieren. Aber bevor ihr Mum und Dad das erklären müsst… Sally will mit mir morgen zu Anabelle Grevy und mich winterfest einkleiden.“ Unterbreche ich sie und sie lacht auf.

„Wie geht es Jeff und Debby?“ sie sieht mich fragend an.

„Können wir das später besprechen?“ bitte ich sie. „Bisher weiß niemand, dass Pete mein Patenonkel ist und das soll auch erst einmal eine ganze Weile so bleiben. Ich will mich erst beweisen…“

„Aber sicher Kleines.“ Sie streicht mir über die Wange und mir eine Strähne meines langen Haares hinters Ohr.

„Dann mal in die Höhle des Löwen.“ Pete harkt mich unter und wir betreten das Wohnzimmer. „Darf ich dir vorstellen? Das ist Evan Patterson, unser Chief…“ er deutet auf einen Mann etwa in seinem Alter und mit schütteren grauen Haaren. Das er die Sportprüfung auf der Polizeiakademie abgelegt hat, dürfte auch schon 100 Donuts zurück liegen.

„Und sie sind unsere neue Ärztin?“ er sieht mich ein wenig erstaunt an.

„Ja, Theresa Scott.“ Stelle ich mich ihm vor.

„Entschuldigen sie, wenn ich sie so anstarre, aber ich hätte erwartet, dass sie ein bisschen Älter sind.“ Gibt er zu.

„Evan, sei nicht so unhöflich…“ rügt ihn eine rothaarige Frau, die neben ihm sitzt und ihm einen Klaps auf den Hinterkopf verpasst. „Ich bin Lori, Evans Frau.“ Stellt sie sich vor und reicht mir ihre Hand.

„Tess.“ Lächle ich „Und keine Angst, es ist nicht das erste Mal.“ Ich zwinkere ihr zu. „Ärzte müssen anscheinend immer Mitte 50 sein.“

„Und hier haben wir Robert und Jennifer Montoya, unseren Bürgermeister und seine Frau.“ George deutet auf einen schwarzhaarigen Mann und seine ebenfalls schwarzhaarige Frau. Die beiden scheinen zu den Ureinwohnern Alaskas zu gehören und strahlen mich an.

„Rob, es freut uns sehr Tess. Ich bin ja immer der Meinung ein wenig mehr junges Blut tut unserem kleinen Städtchen ganz gut.“ Er reicht mir seine Hand und ich lächle, bisher scheinen alle, bis auf Jacob Carter, Anfang 50 bis Mitte 60 zu sein. Ich hoffe, es gibt noch ein paar Menschen in meinem Alter.

Ich sagte zwar, ich bin nicht gesellig, aber ab und zu kann nicht schaden. Nicht, das ich nach irgendetwas suche und schon gar nicht nach einem Mann, aber wenn ich wirklich länger bleibe, dann muss ich mich in ein paar Jahren mal mit der Frage aus einander setzen…

„Jen.“ Seine Frau schenkt mir ein herzliches lächeln und ich erwidere es schüchtern.

Ich komme mir vor, wie vor einem Prüfungskomitee. So, als ob sie schauen müssen, das ich aus Fleisch und Blut bin…

„Und Sally kennst du ja schon, ihrem Mann gehört die Holzfabrik. An ihn musst du dich wenden, wenn du neues Holz brauchst.“ George zwinkert mir zu und ich reiche den Beiden die Hand.

„Jonathan.“ Sallys Mann hält meine Hand einen Moment fest und sieht kurz zu seiner Frau „John.“ Sagt er schließlich und gibt meine Hand wieder frei.

„Und da haben wir den letzten unserer trauten Runde. Deinen Rettungsflieger, ein Ass in der Luft und nebenbei noch der beste Anwalt in Hope.“ Pete deutet zur Tür und ich drehe mich so schwungvoll um, dass meine Haare um meinen Kopf wirbeln.

„Jacob Carter.“ Sage ich ohne viel Begeisterung in der Stimme und starre ihn an.

Kann bei 700 Einwohnern nicht ein anderer seinen Job machen?

Ich schließe gequält meine Augen.

„Ach ja, er hat dich ja in Anchorage abgeholt.“ Lacht Pete und ich atme tief durch.

„Gewöhnen sie sich schon mal an mich Dr. Scott.“ Sagt er leise im vorbei gehen, ehe er die anderen begrüßt.

„Im Übrigen bin ich nicht nur der beste Anwalt in Hope, sondern auch der Einzige.“ Lacht er und Pete bittet mich neben ihm am Tisch Platz zu nehmen.

Ich setze mich und Liv beginnt das Essen aufzutragen. Es ist phantastisch und ich lehne mich eine Stunde später satt und zufrieden in meinem Stuhl zurück.

„Das ist mit Sicherheit das beste Essen in ganz Hope.“ Ich strahle Liv an, die dabei ist den Tisch abzuräumen.

„Als Greenhorn lasse ich es dir noch durchgehen…“ Rob sieht mich tadelnd an „Aber wenn dich jemand fragt, wo du jetzt wohnst, dann solltest du Point Hope sagen, denn es gibt in Alaska tatsächlich noch ein zweites Hope.“ Er zwinkert mir zu „Wenn wir unter uns sind, dann kannst du natürlich weiterhin nur Hope sagen.“ Lacht er und ich entspanne mich ein wenig.

Am Tisch plätschern die Gespräche dahin und ich lausche gespannt. Alle sind aufgeschlossen und nett, ich hoffe die Patienten von Pete auch…

„Wie bist du denn darauf gekommen hier im tiefsten Alaska eine Praxis zu übernehmen?“ Evan legt seinen Kopf schief und mustert mich. Das du war ja schnell geklärt, bis auf Mr. Carter…

Egal, damit kann ich leben.

„Pete hat mich darum gebeten und ich brauchte einen Tapetenwechsel.“ Ich lächle leicht und hoffe das Thema so vom Tisch zu bekommen. Nervös fahre ich mir durch die Haare und spüre Jacob Carters Blick auf mir.

„Wo haben sie in New York gewohnt?“ er sieht mich durchdringend an.

„In Queens.“ Gebe ich einsilbig zurück. „Sagt mal, gibt es hier auch ein Fitnesscenter?“ ich sehe in die Runde und alle brechen in schallendes Gelächter aus.

„Wohl eher nicht.“ Seufze ich.

„Glaub mir Kleines, ein Fitnesscenter brauchst du hier nicht. Du kannst Ski oder Snowboard fahren auf dem Mount Foot oder du läufst Schlittschuh auf dem Marryat oder auf den unzähligen kleinen Seen. Hope kann nicht mit viel dienen, aber wir haben 4 Eishockeymannschaften“ Liv zwinkert mir zu. „Ach Pete, hast du Tessa schon ihr Schneemobil gezeigt?“ sie sieht zu Pete und ich folge ihrem Blick.

Snowboard oder Ski fahren? Eislaufen? Schneemobil?

Etwas viele Informationen in einem Satz.

Ich werde mir so etwas von den Hals brechen…

„Nein, vielleicht hat Jake ja Zeit ihr irgendwann nächste Woche zu zeigen wie man mit dem Ding fährt.“ Ein lächeln umspielt seine Lippen und ich werfe ihm einen Vielen – Lieben – Dank – Auch Blick zu.

„Damit bist du einfach schneller am Flughafen.“ Er zuckt halbherzig mit den Schultern „Und Jake? Hast du nächste Woche Zeit? Du musst Tessa ja auch noch den Rettungshelikopter erklären, der ist um einiges größer, als die, die sie kennt.“ Pete sieht zu ihm und er nickt.

„Sicher, ich werde schon Zeit dafür finden.“ Antwortet er eher lustlos.

Dann gehen wir ins Wohnzimmer und ich sitze mit Sally und John auf der Couch.

„Und sind wir Hinterwäldler so schlimm, wie der Ruf der uns voraus eilt?“ lacht John und ich drehe das Weinglas in meinen Händen.

„Nein…“ ich sehe auf und lächele „Nur einigen fehlt es echt an ein paar Manieren.“ Ich sehe zu Jacob Carter, der sich mit Pete unterhält.

„Warum denn das?“ Sally folgt meinem Blick.

„Er ist unhöflich und hält mich für dumm.“ Ich nehme einen großen Schluck von meinem Wein.

„Dann haben wir unseren Sohn anscheinend nicht richtig erzogen.“ Sally zuckt mit den Schultern. „Ich entschuldige mich hiermit für ihn.“

Ich verschlucke mich an meinem Wein und starre sie ein.

„Er ist euer Sohn?“ frage ich, nachdem ich mich von meinem Hustenanfall erholt habe.

„Ja.“ Sie lacht und ich schließe gequält meine Augen.

„Es tut mir leid.“ Sage ich leise.

„Ach was, ich weiß, das unser Sohn manchmal ein echter Flegel sein kann.“ Sie winkt ab „Wir hoffen, dass er mit seinen 32 Jahren dieses Verhalten langsam aber sicher mal ablegt.“

„Es tut mir wirklich leid, ich wollte euch nicht beleidigen.“ Ich merke wie mir die Schamesröte ins Gesicht steigt.

„Ach was Tess, da gehört schon mehr zu.“ Sally winkt lachend ab.

„Mum? Ich werde nach Hause. Ich habe morgen früh einen Flug nach Sitka. Ein paar Jäger wollen ein paar Tage durch die Wälder streifen.“ Jacob Carter drückt seiner Mum einen Kuss auf die Stirn „Ich melde mich bei ihnen, wenn ich nächste Woche Zeit habe.“ Er sieht zu mir.

„Kannst du etwas höflicher sein?“ rügt ihn seine Mum augenblicklich. „Am Montagnachmittag wäre schon schön. Was, wenn ihr Dienstag einen Einsatz bekommt und sie kennt sich nicht aus?“ Sally legt den Kopf schief.

„Montag 16:30 Uhr auf der Flugbahn.“ Er sieht mich mit einem undurchdringlichen Blick an.

„Vielen Dank Mr. Carter, ich werde da sein.“ Ich schenke ihm mein falschestes lächeln.

„Da freu ich mich.“ Gibt er zurück und bemüht sich nicht einmal, die Ironie in seiner Stimme zu unterdrücken.

„Bye.“ Er winkt in die Runde, zieht seine dicke rote Daunenjacke an und verschwindet mit einem kalten Windzug.

„Na, ihr mögt euch ja besonders.“ Liv legt ihren Arm um meine Schulter.

„Geht so.“ gebe ich, mit einem Blick auf Sally, zurück.

„Das wird schon.“ Sie sieht mich aufmunternd an.

„Gibt es noch mehr Menschen in meinem Alter hier?“ ich drehe mich zu Evan um. Ich meine, als Bürgermeister muss er doch so etwas wissen.

„Ein paar schon, die meisten wirst du beim Eishockey finden. Sowohl Frauen als auch Männer, denn Hope hat jeweils zwei Frauen- und zwei Männerteams.“ Er lacht leise. „Eine Ärztin wäre da schon manchmal sehr nützlich.“ Fügt er mit einem Blick auf Pete hinzu.

„Oh ja, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viele Nasen ich da schon wieder eingerenkt habe.“ Er legt seinen Arm um meine Schulter. „Du schaffst das schon Tessa.“ Er drückt mir einen Kuss auf den Schopf.

„Ich möchte nicht indiskret sein…“ Evan sieht von Pete zu mir „Aber ihr macht mir nicht den Eindruck, als würdet ihr euch nur von einem Ärztekongress her kennen.“

Ich mache mich von Pete los und er sieht in die Runde.

„Macht bitte keinen Wirbel darum und lasst Tessa ihren Weg gehen…“ er nimmt meine Hand „Tessa ist meine Patentochter, ich habe mit ihrem Dad studiert und lange zusammen gearbeitet.“ Erklärt er und ich sehe zu Boden.

„Okay.“ John steht auf „Ich meine Pete ist zwar herzlich, aber Liv würde es ihm sicher übel nehmen, wenn er sich jeder jungen Frau auf eine solche vertraute Art und Weise nähern würde.“ Er schlägt Pete freundschaftlich auf die Schulter.

„Ich kenne Tessa seit ihrer Geburt. Ich habe sie das erste Mal gesehen als sie keine 10 Minuten alt war.“ Er zwingt mich ihn anzusehen „Sie ist wie meine Tochter.“

„Danke Pete.“ Ich nehme ihn in den Arm.

„Das bleibt unter uns.“ Evan hebt die Hand zum Schwur und ich lächle.

„Danke.“ Erwidere ich gerührt.

„Du wirst genug damit zu tun haben Petes Patienten von dir zu überzeugen.“ John sieht mich an und ich nicke leicht.

Pete geht zu Liv und ich beobachte wie er ihr eine Strähne ihres grauen Haares, die sich aus ihrem kunstvollen Knoten gelöst hat, hinters Ohr streicht. Seine hellblauen Augen mustern das Gesicht seiner Frau und ich sehe die Liebe in seinem Blick. Etwas, was ich auch bei meinen Eltern bewundere, seit Jahrzehnten verheiratet und immer noch verliebt. Etwas, was man in der heutigen Zeit erst einmal schaffen muss.

Ich treffe Livs Blick und ihre gütigen grau – blauen Augen sehen mich liebvoll an, während sie ihrem Mann über seine unrasierte Wange streicht.

„Alles wird gut Kleines.“ Flüstert sie und ich nicke.

Ein wenig ihrer Zuversicht könnte mir nicht schaden…

„Ich werde jetzt nach Hause. Ich bin erledigt von dem Flug und den ersten Eindrücken.“ Ich stelle mein Weinglas auf den Tisch und winke in die Runde.

„Ich hole dich dann morgen früh ab. Willst du nicht mitkommen Liv?“ Sally dreht sich auf der Couch zu Liv und Pete um.

„Wenn es euch nichts ausmacht?“ Liv sieht zu mir.

„Ach was.“ Winke ich ab, gehe zu ihr und drücke ihr einen Kuss auf die Wange „Wie kannst du so etwas fragen?“

Ich nehme Pete ebenfalls in den Arm und ziehe mir dann meine Jacke über.

„Danke für den schönen Abend.“ Ich nicke in die Runde und trete in die Eiseskälte Hopes.

Ich laufe fast zu meinem Haus und bin froh, als ich die Tür hinter mir ins Schloss ziehe.

Verdammt, das ist wirklich kalt…

Ich hänge meine Jacke auf und lege meinen Schal und meine Mütze auf die Kommode.

Ich bin wirklich erledigt und gehe gleich zu Bett. Es ist stockdunkel draußen und durch mein Schlafzimmerfenster kann ich unzählige Sterne sehen. So viele Sterne habe ich noch nie in meinem Leben gesehen…

Ich schlafe schnell ein, einen traumlosen und endlich mal wieder erholsamen Schlaf. Ich bin früh am nächsten Morgen wach und genehmige mir ein Bad, da ich noch 3 Stunden Zeit habe, ehe Sally und Liv kommen.

Diese Wirlpoolfunktion ist der Wahnsinn, ich fühle mich entspannt als ich vor den großen Spiegel trete.

Ich wickele das Handtuch enger um mich und betrachte mich einen Moment, meine grasgrünen Augen wirken nicht mehr so abgehetzt wie in den letzen Monaten und meine Wangen leuchten rosig. Mein Blick schweift an meinem Hals entlang und bleibt an der 15 cm langen Narbe die über meinem Schlüsselbein verläuft hängen. Ich streiche vorsichtig mit meinen Fingerspitzen darüber und öffne das Handtuch, weitere Narben kommen zum Vorschein. Eine 10 cm lange über meiner linken Brust, eine weitere 15 cm lange auf meiner rechten Bauchseite und eine an meinem Arm, sie geht von kurz über den Ellenbogen hinunter zu meinem Handgelenk. Zum Glück sieht man sie meistens nicht, aber wenn doch, dann starren mich alle an. Die Narben sind nicht sonderlich breit, aber sie setzen sich in einem hellen Hautton von meiner sonst eher etwas dunkleren Haut ab.

Ich bin von ihm gezeichnet… für mein ganzes Leben.

Feine, ganz dünne Narben sind auf meinen beiden Oberschenkeln zu sehen. Diese stammen von mir…

Ich bin auch eine Patientin, beziehungsweise war ich es. Meine Krankheit heißt geheilte Borderline Persönlichkeitsstörung.

Ich schließe meine Augen und will die Bilder verdrängen, erstaunlicher Weise gelingt es mir und ich gehe ins Schlafzimmer, wo ich mir meine Sachen von gestern Abend anziehe, ehe ich meine langen Haare föhne.

Dann klopft es und ich gehe zur Tür, Sally und Liv empfangen mich strahlend und ich schnappe mir meine Jacke, meinen Schal und meine Mütze.

„Und wie hast du die erste Nacht in Hope geschlafen Kleines?“ Liv sieht mich besorgt an.

„Erstaunlich gut.“ Gebe ich zurück.

„Wirklich?“ hakt sie nach und ich nicke nachsichtig lächelnd.

„Wirklich Liv, das erste Mal seit langen richtig gut.“ Ich laufe zwischen den Beiden in Richtung des Zentrums und ausnahmslos alle die vorbei kommen starren uns an.

„Bin ich ein Weltwunder?“ ich sehe grinsend zu Sally.

„So etwas ähnliches.“ Gibt sie zu „Du kommst aus New York.“

„Ach, wenn es weiter nichts ist…“ ich winke lachend ab und wir erreichen einen kleinen Laden. Eine junge Frau schließt die Tür auf und bittet uns herein.

„Und du musst unsere neue Ärztin sein.“ Sie hält mir ihre Hand hin „Ich bin Ana.“

„Tess…“ ich nehme die angebotene Hand „Und ja, ich bin die neue Ärztin.“

Ana ist ungefähr in meinem Alter. Sie ist schlank, etwas kleiner wie ich, honigblond und hat graue Augen. Sie ist wirklich hübsch und macht einen netten Eindruck.

 „Kommt rein.“ Sie deutet ins Innere des Ladens.

„Einmal Winterfest für die junge Dame.“ Liv deutet auf mich.

„Ich seh schon…“ sie lächelt „So ganz warst du auf die Temperaturen hier nicht eingestellt.“ Sie geht hinter einen kleinen Tresen „Aber das ist gut, dass du hier bist. Deine Arbeitskleidung ist auch da.“ Sie reicht mir ein großes Paket.

„Was ist denn da alles drin?“ ich sehe sie fragend an.

„Soweit ich das durch geschaut habe, eine dicke rote Jacke von den Flying Doc’s, zwei oder drei weiße Thermohosen, Boots und noch Pullover und Shirts. Ach ja…“ sie holt noch eine Tüte unter dem Tresen hervor „Und die Pullover und Shirts die Pete für dich bestellt hat.“ Sie packt einen weißen Pullover aus „Sieh mal, sogar bestickt.“ Sie hält ihn mir hin und ich betrachte die Stickerei.

Dr. Theresa Scott

Die Buchstaben sind fein geschwungen und ich lächle.

„Die sind wirklich schön, bisher hatte ich immer nur ein Plastikschild.“ Ich sehe zu Liv und sie erwidert mein lächeln.

„Da sind auch noch hellblaue drin, falls die weiß mal zum Hals raus hängt.“ Ana zwinkert mir zu „Und jetzt wollen wir dich Großstadtmädchen mal passend einkleiden…“ sie kommt hinter dem Tresen hervor, nimmt mir den Pullover ab und betrachtet mich eingehend. „Größe 36?“ fragt sie und ich nicke.

„Also gut, als erstes brauchst du lange Unterwäsche, nicht sexy, aber äußerst angebracht.“ Sie hält mir drei Pakete hin. „In der Praxis ist es ja nicht so kalt, aber du wirst viel mit Jake unterwegs sein.“ Sie schreitet die Regale entlang „Du brauchst definitiv gefütterte Jeans und mindestens drei Thermohosen. Die haben ich in dunkelblau, schwarz und olivgrün zur Auswahl…“ sie deutet auf eine Reihe Hosen. „Nächsten Monat bekomme ich aber noch andere Farben rein.“ Sie schenkt mir ein Strahlen und ich muss es einfach erwidern.

„Ganz wichtig…“ sie geht zu einem Aufsteller mit dicken Schneeboots „Schuhe. Welche Größe?“

„38.“ Gebe ich zurück.

„Plus dicke Socken.“ Sie sucht einen Augenblick und hält mir ein paar schwarze und ein paar weiße hoch. „39 musst du schon nehmen. Weiße sind aber auch im Paket von den Flying Doc’s.“

„Dann die schwarzen.“ Ich deute auf diese und sie nickt zufrieden.

„Hast du warme Pullover?“ sie stellt die Stiefel auf den Tresen und sieht mich an.

„Na ja, was man in New York eben unter warmen Pullovern versteht.“ Ich zucke mit den Schultern und sie lacht auf.

„Also nicht…“ sie legt ihren Arm um meine Schultern und führt mich zu einem Ständer. „Das ist alles, was ich zurzeit habe.“ Sie sieht mich entschuldigend an. „Fährst du Ski oder Snowboard?“

„Ich habe vor Jahren mal Snowboard fahren gelernt.“ Erkläre ich ihr und sehe die Pullover durch.

Okay, dick heißt irgendwie unmodisch… fast alle haben dieses Norwegermuster.

Egal, ich will einfach nicht mehr frieren…

„Okay, dann hier noch ein Set Skikleidung und Skistiefel.“ Sie legt mir das Set über die Schulter. Die Jacke ist in verschiedenen Blautönen kariert und die Hose ist einfach schwarz.

Nicht so schlimm…

„Hast du deine Sportausrüstung mit gebracht?“ Ana legt ihren Kopf schief und drückt mir die Schuhe in die Hand.

„Nein.“ Gebe ich zu „Ich habe nie ein eigenes Board besessen. Ich habe es mir immer ausgeliehen.“ Gestehe ich.

„Wenn du magst, dann kannst du sie dir von mir leihen. Schlittschuhe übrigens auch. Kannst du fahren?“ sie dreht sich zu mir um.

„Schon lange her.“ Gebe ich zu „Aber ich war richtig gut.“

„Wir brauchen immer Verstärkung für unsere Frauenmannschaft.“ Lacht sie und ich sehe mich suchend nach Sally und Liv um.

„Ach, die sind bestimmt hoch zu meiner besseren Hälfte.“ Ana folgt meinem Blick. „Andrew, du wirst ihn auch gleich kennen lernen.“ Sie nimmt mir die Sachen ab. „Soll ich Carter bitten, dir die Sachen vorbei zu bringen? Er ist heute Abend bei Drew.“ Sie sieht mich fragend an.

„Nein danke…“ ich schüttele mit dem Kopf „Das bekomme ich alleine hin.“

„Ihr scheint euch wirklich auf dem falschen Fuß erwischt zu haben.“ Grinst sie.

„Er ist ein Flegel.“ Gebe ich zurück und sie lacht glockenklar auf.

„Und er sagt, du bist eine Großstadtzicke.“ Gibt sie zurück.

„Wenn er meint.“ Ich zucke mit den Schultern.

„Los komm, ich stell dir jetzt Drew vor. Nicht, das du noch denkst, alle Männer hier in Hope sind wie Carter.“ Sie bugsiert mich zu einer kleinen Treppe „Glaub mir, er ist ein netter Kerl. Irgendwie.“ Sie dreht sich grinsend zu mir um „Ihr werdet viel Zeit mit einander verbringen…“

„Vielen Dank, das du mich daran erinnerst.“ Gebe ich zurück und sie lacht erneut.

„So, das ist mein Freund Andrew Callahan, unser Mann für alles hier in Hope. Elektrik, Wasser und was das Herz so begehrt.“ Stellt sie mir einen jungen groß gewachsenen Mann vor, ich schätze ihn so groß wie Jacob Carter, vielleicht einen kleinen Tick kleiner. Denn ehrlich, neben Jacob Carter sehe ich aus wie ein kleines Schulmädchen…

„Hi, ich bin Drew und du musst Tess sein.“ Er reicht mir seine Hand und schüttelt sie kräftig. Seine blonden Haare sind raspelkurz und seine braunen Augen strahlen eine ungeheuere Wärme aus.

„Ja, die Großstadtzicke in Fleisch und Blut.“ Ich lächle und er sieht mich schockiert an. „Keine Panik, ich wurde schon schlimmer betitelt.“

Anas lachen erfüllt den Raum und ich sehe zu Sally und Liv, die mit einer Tasse Kaffee am Tisch sitzen.

„Kaffee Kleines?“ Sally klopft neben sich auf die Bank.

„Danke.“ Erwidere ich dankbar und nehme die angebotene Tasse.

„Da hätten wir ja gar nicht mitkommen müssen. Du und Ana, ihr scheint euch gut zu verstehen.“ Sally sieht von mir zur Ana.

„Tja, es passt eben.“ Ana legt ihren Arm um meine Schulter.

„Ja, denke ich auch.“ Stimme ich ihr zu.

„Oh man.“ Drew sieht uns beide an.

„Scheiße, wenn dein bester Freund, die Freundin deiner Freundin nicht leiden kann, oder?“ feixe ich.

„Auf den Mund gefallen bist du ja schon mal nicht.“ Grinst Drew.

„Nein.“ Gebe ich zu.

„Es freut mich, dass du so schnell, so netten Anschluss findest.“ Liv drückt kurz meine Hand.

„Könnte schlimmer sein.“ Gebe ich zu.

„Und wann übernimmst du die Praxis?“ Ana sieht mich fragend an.

„Morgen.“ Ich nicke leicht und sie sieht mich erstaunt an.

„Ich denke, alle unter 40 und den Großteil der männlichen Bevölkerung wirst du schnell von dir überzeugen können.“ Lacht sie.

„Ich hoffe doch.“ Gebe ich zu.

„Wenn du Lust hast, dann komm doch einfach mal nach der Arbeit vorbei.“ Lädt sie mich ein und ich nicke dankbar.

„Das mache ich bestimmt.“ Freue ich mich.

„Habt ihr jetzt eigentlich alles zusammen, damit das Kind den Winter überlebt?“ Sally sieht zwischen mir und Ana hin und her.

„Grundausstattung Alaska erfolgreich an die Frau gebracht.“ Erklärt ihr Ana ohne die Miene zu verziehen.

„Oh man, jetzt dreht sie völlig durch.“ Liv steht auf und ich folge ihrem Beispiel.

„So, jetzt lassen wir euch den Sonntag und machen uns auf den Weg.“ Erklärt sie Ana und Drew.

„Ja, ich werde auch nach Hause und mich ein bisschen einleben.“ Ich sehe Ana dankbar an. „Kann ich bei dir eigentlich mit Karte bezahlen?“

„Karte? Was ist das?“ sie sieht mich mit großen Augen an und meine Gesichtzüge entgleisen mir. „War ein Scherz, natürlich kannst du mit Karte bezahlen. Warte, ich komme mit runter.“ Sie drückt Drew einen Kuss auf die Wange und folgt Liv, Sally und mir die Treppe runter in den Laden.

„Wir helfen dir noch schnell tragen.“ Bietet sich Sally an.

„Das ist lieb von euch.“ Ich betrachte meinen beachtlichen Berg an Klamotten, nicht zu vergessen den Karton von den Flying Doc’s…

„So alles zusammen macht dann 5258 Dollar….“ Ana sieht auf ihre Kasse „Autsch, Alaska ist echt teuer, oder?“

Ich reiche ihr meine Karte „Ich habe in New York gelebt, ich kann das ab.“ Lache ich und sie zieht meine Karte durch das Lesegerät.

Voll bepackt komme ich wieder nach Hause und bedanke mich nochmals bei Liv und Sally.

„Wenn ich den Dreh raus habe, dann backe ich euch mal einen Kuchen.“ Verspreche und Liv lacht auf.

„Lass gut sein Kindchen, deine Eltern haben uns vor gewarnt. Kochen kannst du, aber backen ist definitiv nicht deine Stärke.“ Erklärt sie mir und ich ziehe eine Flunsch.

„Gut, dann bekoche ich euch und eure Männer.“ Schlage ich vor.

„Das klingt gut. Wir sehen uns morgen früh um 8 Uhr.“ Sally und Liv winken mir zu und ich mache mich daran die Sachen einzuräumen. Für morgen lege ich mir eine gefütterte Jeans und einen dicken Pullover raus. Dann mache ich es mir gemütlich und kuschele mich, nach einem kleinen Mittag, auf meine Couch.

Die Entscheidung war richtig und es war längst überfällig.

Aber wie lange kann ich hier glücklich sein?

Hilft es mir wirklich?

Ich gehe früh zu Bett und als ich am nächsten Tag die Praxis betrete, da schlägt mir mein Herz bis zum Hals.

„Guten Morgen Tess, ich habe dir eine Tasse Kaffee auf den Tisch gestellt und die ersten Patienten sind schon da.“ Begrüßt mich Sally.

„Guten Morgen Sally, ich danke dir.“ Ich hänge meine Jacke auf und fahre mir durch die Haare um einen schnellen Zopf zu binden. Dann streiche ich meinen Pullover glatt und betrete mein Sprechzimmer.

„Die Akten liegen auf dem Tisch.“ Ruft mir Sally hinterher.

Ich trinke einen großen Schluck Kaffee und rufe dann den ersten Patienten auf.

„Mr. Jamerson?“ ich stehe in meiner Tür und ein älterer Mann erhebt sich.

„Nennen sie mich doch Teddy. Sind sie die Sprechstundenhilfe des neuen Arztes?“ er sieht mich fragend an.

„Nein, ich bin die neue Ärztin.“ Ich deute ihm an ins Sprechzimmer zu gehen.

„Von einem so jungen Ding lass ich mich nicht behandeln.“ Er sieht mich kopfschüttelnd an und schnappt sich seine Jacke.

„Mr. Jamerson…“ rufe ich ihm hinterher, aber da ist er auch schon wieder aus der Tür.

„Kopf hoch! Wie schlimm kann es denn noch werden?“ Sally nickt mir aufmunternd zu.

Tatsächlich bleibt mein nächster Patient und lässt sich anstandslos untersuchen, auch die nächsten klappen ohne Probleme. Zwar muss ich jedem erklären, warum ich hier bin und wie eine so junge Frau Ärztin sein kann. Aber ich lächle, gebe Auskunft und hoffe, sie so für mich zu gewinnen.

Der erste Tag ist hart und außer Mr. Jamerson verlassen noch drei weitere Patienten die Praxis ohne dass ich sie untersucht habe.

Ich kann sie ja nicht zwingen…

„Das war doch wirklich gut.“ Sally sieht mich an und ich schnaufe leicht.

„Ach komm schon Kindchen, die, die bei dir in Behandlung waren, waren alle zufrieden und glaub mir, die anderen kommen wieder.“ Sie lächelt mich aufmunternd an.

„Wenn du meinst…“ ich reibe mir die Schläfen und trage die letzten Daten in den Computer ein. Dieses Programm ist so alt, das es mich die ganze Mittagspause gekostet hat damit klar zu kommen. „Wie spät ist es?“ ich sehe fragend auf.

„Gleich 16:30.“ Sally ist in ihre Unterlagen vertieft.

„Verdammt.“ Fluche ich und eile an ihr vorbei, ich packe mich in meine dicke neue Winterjacke ein und setze eine Mütze mit Ohrenklappen auf, ehe ich mir noch einen Schal umbinde und in meine Handschuhe schlüpfe.

„Dein Herr Sohn wartet.“ Ich winke Sally zu „Bis morgen und danke für heute.“

„Dafür nicht…“ lacht sie „Und mein Sohn kann es ruhig ab, auf eine Frau zu warten.“ Ruft sie mir vieldeutig hinterher.

Ich eile zum Flugfeld und sehe schon von Weitem das er genervt ist.

„Sie sind zu spät…“ faucht er mich an, als ich noch gar nicht ganz bei ihm bin.

„Meckern sie nicht rum, zeigen sie mir den Helikopter und dann sind sie mich los.“ Blaffe ich zurück.

Er starrt mich böse an, besinnt sich dann und geht mir voran auf die andere Seite der Start und Landebahn.

Der Helikopter ist leuchtend rot und mit dem Logo der Flying Doc’s versehen.

„Der Helikopter ist gerade mal zwei Jahre alt. Wir decken einen Luftraum ungefähr von der Größe von Texas ab. Früher hatten wir ein Flugzeug, aber das Landen war immer ein Problem. Mit dem Eurocopter können wir bis zu 6 Stunden in der Luft bleiben, dann müssen wir auftanken. Wir haben ihn von der Navy bekommen.“ Erklärt er mir und schließt die Maschine auf.

Ich klettere in den hinteren Teil und sehe mich um. Die meisten Geräte kenne ich zum Glück und ich bin wirklich dankbar dafür.

Dann erklärt mir Carter alles im Schnelldurchlauf und ich fertige mir in meinem Kopf einen Lageplan an, den ich später zu Hause aufs Papier bringen werde. Die hintere Tür ist zu einer Tür mit einer Schiene für die Trage umgebaut und natürlich sind hier für alle Notfälle Medikamente und Gerätschaften vorhanden.

„Wohin fliegen wir die Patienten aus?“ ich klettere wieder raus und ziehe meine Handschuhe wieder an.

„Bei leichteren Verletzungen Fairbanks, das sind knapp 3 Stunden. Bei schweren Verletzungen Anchorage.“ Erklärt er mir und ich schließe die Tür des Fliegers wieder.

Hinter uns aus dem Wald ertönt ein Schuss und reflexartig werfe ich mich auf den Boden und halte meine Arme schützend über meinen Kopf.

„Das sind nur Jäger.“ Lacht Carter.

Ich schließe meine Augen, mein Herz rast in meiner Brust und Tränen schießen mir in die Augen. Die Bilder flackern vor meinem inneren Auge und ich merke, wie ich am ganzen Körper zu zittern beginne.

Über mir lacht Carter immer noch und ich versuche mich aufzurappeln, was mir angesichts meiner zitternden Hände nur schwer gelingt.

„Ich helfe dir hoch.“ Kommt es spöttisch.

„Fass mich nicht an.“ fauche ich und sehe ihn mit Tränen in den Augen an.

Sofort wird er ernst.

„Es tut mir leid…“ setzt er an.

„Ich muss mit ihnen zusammen arbeiten, das kann ich wohl nicht verhindern, ansonsten sprechen sie mich nicht an.“ ich stütze meine Hände kurz auf meinen Knien ab, als ich endlich wieder stehe. Eine einzelne Träne läuft mir über die Wange und ich gehe an ihm vorbei.

Ich will nur noch nach Hause und es beginnt zu dämmern, das heißt, ich habe noch 10 Minuten ehe es stockdunkel ist.

„Warten sie, ich muss ihnen noch das Schneemobil erklären.“ Ruft er mir hinterher.

„Kann ja so schwer nicht sein. Ich kann Motorrad fahren, da sollte ich das hinbekommen.“ Gebe ich zurück und setze meinen Weg fort.

Zur Not frage ich Pete, Drew oder einen anderen…

Als ich endlich zu Hause bin, zittern meine Hände immer noch. Ich gehe an meinen Medizinschrank und nehme eine kleine Flasche mit Tabletten raus. Ich nehme eine und warte darauf, dass es aufhört. Ich hatte schon lange keine Panikattacke mehr, aber ich werde mich an die Jäger, die ich eindeutig in meinem Plan vergessen hatte, gewöhnen müssen.

Als ich wieder runter komme, sammle ich erst einmal meine Jacke und meine Mütze ein, die ich achtlos auf den Boden geworfen hatte.

Ich komme langsam zu Ruhe und die nächsten Tage habe ich hauptsächlich damit zu tun, Petes Patienten für mich zu gewinnen.

„Das ist noch ein halbes Kind!“ Mrs. Winston deutet mit dem Finger auf mich und sieht Pete, der nach einem Anruf Sallys vorbei gekommen war, schockiert an „Du kannst doch nicht unser Leben in die Hände eines so junges Dinges legen.“ Schimpft sie weiter.

„Susann, Theresa Scott ist eine ausgezeichnete Ärztin. Sie hat an der Princeton mit Bestnoten abgeschlossen und das Krankenhaus in dem sie gearbeitet hat, hat sie in den höchsten Tönen gelobt.“ Ergreift Pete Partei für mich.

„Aber sie ist viel zu jung.“ Ereifert sich die ältere Dame weiter und ich merke wie mir die Schamesröte ins Gesicht steigt. Ich habe erst seit einer Woche diese Praxis und schon würde ich am Liebsten alles hinschmeißen, zum Glück ist Freitag und die Sprechstunde ist bald vorbei…

Das Wochenende verbringe ich auf meiner Couch und lecke mir meine Wunden.

Ich hatte es mir einfacher vorgestellt.

Aber ganz ehrlich, was habe ich denn erwartet?

Pete setzt seinen Patienten eine 28jährige vor…

In den nächsten drei Wochen lerne ich Schneemobil fahren und mich durch zu setzen.

Wenn die Patienten meinen, ich kann sie nicht behandeln, dann müssen sie sich jemand anderes suchen.

Viel Glück dabei…

„Das war der Letzte.“ Sally sieht mich geschafft an.

Heute haben wir eine Impfsprechstunde gehabt und ich habe wirklich alle Hände voll zu tun, damit hier jeder so etwas wie einen Impfausweis bekommt.

„Ich danke dir, ich werde mich jetzt noch an die Akten setzen. Mach Schluss für heute.“ Ich nicke ihr zu und gehe in mein Sprechzimmer.

Langsam wird es zu meinem Sprechzimmer. Pete hat alle seine persönlichen Sachen abgeholt und ich habe sie durch meine ersetzt. Langsam komme ich in Hope an.

„Notfall!“ Sally sieht mich an „Du wurdest von einer Ölplattform angefordert. Jake ist auf dem Weg zum Helikopter.“ Sie reicht mir meine rote Jacke und ich ziehe sie über.

Ich setze mich draußen auf mein Schneemobil und fahre zur Startbahn. Etwas, was ich wirklich lieben gelernt habe, ist es mit dem Schneemobil durch den hohen Schnee zu fahren…

Carter macht den Helikopter startklar und Kevin, der Mechaniker des Flughafens reckt den Daumen in die Höhe, als ich am ihm vorbei zum Helikopter laufe. Ich habe nicht viel mit Carter zu tun, wir sehen uns einmal die Woche zur Besprechung mit der Zentrale der Flying Doc’s in Anchorage, wir fliegen aber nicht hin, sondern haben eine Videokonferenz.

Er und ich werden niemals beste Freunde werden, aber wir nehmen unsere Aufgaben ernst. Ich bekomme den Helikopter noch ein paar Mal gezeigt, wir fliegen eine kleine Runde über Hope und ich kann mich vertraut machen.

Carter wirft mir meinen Helm hin und ich schließe ihn an. „Bereit?“ fragt er knapp. Ich nicke und steige ein.

„Papa Hotel Alpha Lima Foxtrott Delta ist auf dem Weg.“ Carter spricht mit der Zentrale.

„Dr. Scott an Bord.“ Sage ich und schnalle mich an.

„Ein Mann ist aus 12 Metern gestürzt. Schwere Kopfverletzungen.“ Ertönt die Ansage und ich schließe meine Augen um den Worst Case durch zu gehen.

Das hilft mir, denn so kann mich praktisch nichts mehr unvorbereitet treffen.

„Standort?“ höre ich Carter fragen.

„Die Horizon Bohrinsel 300 km vor der Küste. Geschätzte Flugzeit?“ ertönt die Antwort und gleichzeitig eine neue Frage.

„1 Stunde, wir haben 4 Knoten Wind von vorne, sie sollen den Landeplatz großzügig frei machen. Wir sind 2 Meter länger wie die kleinen Helikopter.“ Erklärt er ihm und ich sehe auf die ganzen Anzeigen vor mir.

„Kevin wird dir ab nächster Woche Flugstunden geben, manchmal brauche ich einen Co Piloten. Die Maschine ist zwar so umgebaut, das sie ein Einzelner fliegen kann, aber die FD will das aus versicherungstechnischen Gründen.“ Er sieht zu mir.

„Solange ich keinen Unterricht bei ihnen nehmen muss.“ Gebe ich zurück.

„Entschuldigung Dr. Scott.“ Er verdreht die Augen.

Ich gehe meine Unterlagen durch und rufe mir alles Wichtige ins Gedächtnis. Er weiß, das er mich nicht stören soll und verhält sich den Flug über ruhig.

Dann erreichen wir die Bohrinsel und Jacob setzt weich auf.

„Kopf runter!“ ruft er mir zu.

Ich nicke ihm zu und springe aus dem Helikopter. Ich nehme meine Arzttasche und sehe mich suchend um.

„Wo ist er?“ brülle ich einen Mann zu um den Rotorenlärm zu übertönen.

Er deutet mir an mit zu kommen und ich ziehe meinen Kopf ein und laufe ihm hinterher.

Ich ziehe im laufen meine Gummihandschuhe über und dann erreichen wir ihn.

Das sieht schlimm aus, wirklich schlimm…

Sein Kopf ist quasi nicht mehr vorhanden und sein Gehirn ist über der Plattform verteilt. Ich sehe hoch und obwohl ich nicht wie, von wo genau er gefallen ist, ich bekomme eine Gänsehaut.

„Können sie mich hören?“ ich beuge mich über ihn. „Mein Name ist Dr. Scott.“

„Er ist bewusstlos.“ Sagt einer der umstehenden Männer. „Ich bin Dr. Thomas, der Arzt der Bohrinsel.“

„Wie lange schon?“ frage ich und leuchte in die Pupillen.

„Er war nach dem Sturz nur ein paar Minuten noch bei Bewusstsein.“ Erklärt er mir und ich drehe mich zu Jacob um.

„Das EEG.“ Rufe ich ihm zu und er läuft zurück zum Helikopter und kommt mit dem Gerät zurück.

Mit einem EEG werden Gehirnströme gemessen, aber ganz ehrlich, ich habe nicht mehr viel Hoffnung.

„Es sieht nicht gut aus, oder?“ Dr. Thomas sieht mich an und ich schüttele sachte mit dem Kopf.

„Wo ist sein Helm?“ frage ich und sehe mich suchend um.

„Der ist bei dem Sturz weg geflogen.“ Dr. Thomas und ich starren auf den kleinen Monitor.

Keine Ausschläge.

Keine Gehrinaktivität mehr.

Der Mann ist Hirntot.

Alles was ihn am Leben erhält sind seine Reflexe, die unbewusst gesteuert werden.

„Macht es jetzt Sinn, die Helme zu schließen?“ ich sehe zu ihm und er nickt. Warum tragen die alle einen Schutzhelm, wenn sie ihn nicht zu machen?

Der Mann hier vor mir ist höchstens 25…

Nicht, das ihn ein Helm bei einem solchen Sturz gerettet hätte, aber wir werden es nie erfahren.

Ich drücke auf mein Funkgerät, das an meiner Schulter befestigt ist.

„FD Zentrale? Dr. Theresa Scott hier.“ Ich atme tief durch.

„Ja, hier Zentrale. Status?“ ertönt die Stimme des Dispatchers. Hank hat Dienst, mittlerweile kenne ich von den Besprechungen fast alle Dispatcher und auch die anderen beiden Teams in Alaska.

„Hirntot nach schwerem Schädel Hirn Trauma. Wo sollen wir ihn hinbringen Hank?“ ich atme tief durch.

„Einen Moment…“ es klackt in meinem Funkgerät „Fliegt ihn nach Fairbanks, dort übernehmen ihn die Kollegen. Denke bitte an die Personalien Theresa.“ Erinnert er mich.

Wir betten den Mann auf eine Trage um, es ist erstaunlich zu was der menschliche Körper fähig ist. Sein Herz schlägt noch und er atmet ohne Fremdhilfe. Irgendwann kommt es zu einem Kurzschluss und alle Vitalfunktionen werden eingestellt. Ich schließe ihn an ein EKG an, welches die Herzströme überwacht. Vielleicht ist er ja Organspender und unser Ziel ist es ihn noch mit Vitalfunktionen in Fairbanks abzuliefern…

Ich korrigiere mich, das ist mein Ziel.

Wenn mein erster Einsatz schon eine solche Katastrophe ist, dann will ich wenigstens das schaffen.

Wir schnallen ihn auf der Trage fest und bringen ihn zum Heli. Ich klettere hinten rein und ziehe, nachdem ich ihn einen provisorischen Kopfverband angelegt habe, die Handschuhe aus. Carter gibt mir das Blatt mit den Patientendaten, tatsächlich ist der Mann erst 24.

„Kommen sie nach vorne?“ fragt mich Carter über die Kopfhörer.

„Nein, ich überwache den Patienten.“ Gebe ich zurück und schnalle mich an.

Wir fliegen durch die Nacht, es ist schon weit nach 23 Uhr. Es ist stockdunkel, so dunkel wie ich es in Seattle und New York nie erlebt habe. Hin und wieder erkundigt sich Hank nach dem Status und ich übergebe den Mann 3 ½ Stunden später an die Kollegen in Fairbanks.

Erst gegen 7 Uhr morgens sind wir wieder in Hope und ich strecke mich, als ich aus dem Helikopter klettere.

„Schlafen sie gut Dr. Scott.“ Carter sieht mich an.

„Danke Carter, sie auch.“ Ich hebe meine Hand zu einem kleinen Gruß und setze mich dann auf mein Schneemobil.

Ich falle wie erschlagen ins Bett und schaffe es nicht einmal zu duschen. Ich wache gegen Mittag auf und bin heilfroh, dass wir Samstag haben.

Das klopfen an meiner Haustür ist penetrant, ich meine wirklich penetrant und ich rappele mich auf. Nur in Shorts und Top öffne ich die Tür und Ana strahlt mich an.

In den letzten Wochen sind wir wirklich gute Freundinnen geworden und ich bin manchmal zum Abendessen bei ihr und Drew. Ich bin froh sie gefunden zu haben, denn tatsächlich gibt es nicht so viele Einwohner in meinem Alter.

„Guten Morgen Sonnenschein!“ sie schiebt sich an mir vorbei ins Haus.

„Wie komme ich denn zu der Ehre?“ ich schließe die Tür schnell wieder und schlinge meine Arme um mich.

Schnell folge ich ihr ins warme Wohnzimmer, man, nur zwei Sekunden die Tür auf und schon ist die Wärme aus dem Flur weg.

Ana legt ihre Jacke ab und sieht zu mir. „Ich habe von deinem Einsatz gestern gehört.“ Sie legt ihren Kopf schief. „Wie geht es dir?“

„Es wäre schön gewesen, wenn mein erster Einsatz besser gelaufen wäre.“ Gebe ich zu.

„Komm setz dich.“ Sie klopft neben sich auf die Couch.

Ich lächle leicht und lasse mich neben sie fallen.

„Was hast du denn da gemacht?“ sie betrachtet meine Narbe am Hals und ihr Blick wandert zu der an meiner Brust, die man dadurch, dass ich nur ein Top trage, gut sehen kann. Ihr Blivk fliegt auch über meine Oberschenkel und mein innerstes spannt sich an.

„Nichts.“ Wehre ich ab und stehe wieder auf.

„Tut mir leid Tess.“ Sie folgt mir und ich ziehe mir einen Pullover über. „Ich wollte nicht indiskret sein.“

„Ach deswegen überfällst du mich?“ ich muss angesichts ihres Gesichtsausdruckes leise lachen „Komm schon, war Spaß.“

„Zieh dich an…“ sie schiebt mich die Treppe hoch „Und zwar richtig warm. Du brauchst ein bisschen Spaß und ich weiß, wo wir den jetzt her bekommen.“

„Aber…“ setze ich an.

„Nichts aber. Komm schon.“ Drängelt sie und ich gehe hoch.

Ich packe mich wirklich dick ein, ich meine in den letzten 4 Wochen sind die Temperaturen wirklich noch gefallen und es hat geschneit… und wie es geschneit hat. Wir haben jetzt einen guten Meter Schnee und wenn ich Pete glauben darf, dann ist das noch gar nichts.

Dick eingepackt komme ich wieder runter.

„Komm!“ sie reicht mir meine Jacke. Ich setze meine Mütze auf und ziehe meine Handschuhe über während ich ihr folge.

„Wir gehen jetzt zum Great Lake.“ Sie dreht sich zu mir um.

„Und da?“ ich sehe sie fragend an.

„Das wirst du schon noch sehen.“ Sie nimmt mich an die Hand und wir gehen die 15 Minuten zum größten der Seen in Hope.

Ein Eishockeyfeld ist aufgebaut und abgesteckt und einige liefern sich schon ein Match.

„Der Saisonauftakt.“ Sie deutet auf die Spieler „Und? Bist du dabei?“ wir erreichen den Spielfeldrand. „Komm schon, du kennst dich aus, du hast mehr Ahnung vom Eishockey wie Drew.“

„Ich stand seit Jahren nicht auf Schlittschuhen.“ Ich sehe sie nicht sehr begeistert an.

„Macht nichts, wir sind eh nicht besonders gut.“ Sie reicht mir einen Schutzpanzer und ich ziehe ihn über meine Jacke, dann reicht sie mir ein Trikot.

„Nummer 44?“ ich sehe sie fragend an.

„Ja, wir sind 9 Frauen plus Torwart in der Mannschaft. Wir sind die Wild Chicks. Wir haben uns alle Doppelnummern gegeben.“ Sie deutet auf ihre 33, dann lacht sie und führt mich zu den anderen Frauen.

„Hey Tess!“ werde ich von allen begrüßt, viele kenne ich schon. Aus meiner Praxis, aus dem Lebensmittelladen, der einzigen Bar und dem einzigen kleinen Restaurant hier.

„Gegen wen spielen wir denn?“ ich sehe in die Runde.

„Gegen unsere Männer.“ Maggie glaube ich, grinst mich an und reicht mir ein paar Schlittschuhe. „Du musst gleich mit ran, drei von uns sind verhindert.“ Sie deutet auf ihren Bauch und ich nicke.

Spaßig!

Das kann ja was werden.

Ich setze mich auf eine Bank und ziehe sie an.

Was kann schon passieren?

Okay, ich kann mir sämtliche Knochen brechen… aber sonst?

„Ob das eine so gute Idee ist?“ Carter sieht mich an und ich schaue auf. Er steht in kompletter Ausrüstung von mir und ich muss mir eingestehen, dass er wirklich imposant aussieht.

„Erwarte das Unerwartete.“ Ich sehe ihn an und Ana reicht mir einen Helm und Handschuhe.

Dann stehe ich das erste Mal seit gefühlten Jahrzehnten auf dem Eis, aber zum Glück habe ich auf den Eishockeyschlittschuhen einen guten, festen Stand. Dennoch lande ich nach ein paar Metern auf dem Hosenboden.

„Lassen sie es doch einfach.“ Carter fährt mit fließenden Bewegungen an mir vorbei und wirbelt mit einer geschickten Bremsung das Eis auf.

Ich rappele mich auf und Ana reicht mir einen Schläger.

„Hot Chicks gegen Bastards.“ Der Schiedsrichter sieht uns alle an.

Bastards, oh wie passend…

Dann ist der Puck im Spiel und ich stürze mich einfach mal drauf. Ich werde von einem aus dem generischen Team zu Boden geschleudert und stöhne leicht.

„Alles gut?“ Ana hilft mir hoch.

„Ja.“ Gebe ich zurück und atme tief durch.

Konzentriere dich Tess! Höre ich die Stimme meines Dads, als er mir das Schlittschuh laufen mit 5 Jahren beigebracht hat.

Ich stürze mich wieder mitten rein und ergattere den Puck sogar, ich gebe mir Mühe und verteile Rempler.

Ana hat Recht, das macht echt Spaß.

Ich ziele aufs Tor und treffe auch noch. Freuen kann ich mich allerdings nicht, denn schon wieder liege ich auf dem Eis. Das gibt blaue Flecken… Mein Gegner entschuldigt sich kurz bei mir und dann fährt er weiter.

„Komm.“ Carter hält mir seine Hand hin.

Ich lasse mich von ihm auf die Beine ziehen.

„Großstadtzicken haben auf dem Eis nichts zu suchen.“ Er sieht mich überheblich an.

„Arschlöcher auch nicht.“ Rufe ich ihm hinterher.

Dann sind die ersten 20 Minuten vorbei und wir liegen 4 zu 1 hinten. Wahnsinn, ich habe das einzige Tor geschossen.

„Hey Tess, du gehst im nächsten Drittel nach links außen. Halte Carter davon ab dem Tor zu Nahe zu kommen.“ Ana grinst mich an.

„Es wird mir eine Freude sein.“ Erwidere ich und alle lachen auf.

Wir trinken alle einen heißen Tee und dann geht es weiter.

„Oh, wollen sie nachsehen, ob ich wirklich so toll bin?“ Jacob Carter grinst mich überheblich an, als ich ihm gegenüber zum Stehen komme. Tatsächlich verlernt man Schlittschuhlaufen nicht und ich fühle mich schon wieder recht sicher auf dem Eis.

Dann kommt der Puck ins Spiel und es geht los, als erstes verpasse ich ihm einen ordentlichen Bodycheck und er geht zu Boden.

„Übertriebene Härte. 2 Minuten Strafe“ der Schiedsrichter sieht mich an und ich fahre zur Bank.

„Tess, das hätte ich dir nicht zu getraut.“ Maggie sieht mich anerkennend an.

Als ich wieder raus darf bekomme ich den Puck, ich gebe an Ana ab und sie schießt unser zweites Tor, das die Bastrads mit 6 Toren vor uns liegen, kommentiere ich jetzt mal nicht.

Dann endlich kommen wir ins letzte Drittel.

Ana spielt auf mich und ich nehme ihn gut an, ich nehme Fahrt auf, als ich brutal zu Boden gerissen werden und alle Luft mit einem Schlag aus meinen Lungen weicht. Ich sehe Sterne und kann mich nicht dazu durch ringen aufzustehen.

„Tess?“ höre ich eine Stimme und öffne meine Augen. „Carter! Du Vollidiot. War das nötig?“

„Sie darf mich Teckeln, aber ich sie nicht?“ kommt es von ihm.

„Man du Idiot, sie wiegt halb so viel wie du. Wenn du dich von ihr aufs Eis befördern lässt, dann ist das deine eigene Schuld.“ Faucht sie ihn an.

„Alles gut.“ Sage ich leise und komme hoch. Ana hilft mir auf die Beine.

„Nichts für ungut Dr. Scott.“ Carter sieht mich an und ich funkele zurück.

„Sperre für den Rest des Spiel wegen täglichem Angriff.“ Der Schiedsrichter sieht zu Carter und er fährt fluchend vom Feld.

Natürlich verlieren wir, aber es hat Spaß gemacht.

„Vielleicht sollten sie es mit Eiskunstlauf versuchen.“ Carter sieht mich an, als ich die Schutzausrüstung ablege.

„Sie sind auch kein Glenn Goodall.“ Erwidere ich schnippisch und er sieht mich verwundert an.

Glenn Goodall ist ein sehr bekannter Eishockeyspieler aus Kanada, er hat Jahrelang für die Seattle Thunderbirds gespielt und mein Dad hat mich oft zu den Spielen mit genommen. Obwohl oft untertrieben ist, während der gesamten Saison haben wir kein Spiel verpasst, das war unser Vater-Tochter-Ding.

„Will ich einer sein?“ er zuckt mit den Schultern.

„Sie werden nie einer sein Carter. Denn dazu müssten sie in der WHL 573 Tore in 262 Spielen erzielen.“ Ich drehe mich um und lasse ihn stehen.

„Hey Tess. Geht es dir gut?“ Pete sieht mich besorgt an.

„Ja, du kennst mich doch.“ Grinse ich.

„Nichts verlernt das Mädchen.“ Lacht er.

„Nein.“ Gebe ich zu und wir gehen zu Liv und den anderen.

„Willkommen bei den Hot Chicks!“ Ana reicht mir einen Becher Punsch.

„Vielen Dank. Wenn das jedes Mal einen solchen Spaß macht, dann bin ich dabei.“ Ich erhebe meinen Becher.

„Hört, hört.“ Liv strahlt mich an.

„Wir wollen gleich noch ins Cooper. Kommst du mit?“ Ana sieht mich fragend an.

„Sei mir nicht böse, aber ich habe Bereitschaft und brauche eine heiße Dusche.“ Ich drücke ihr einen Kuss auf die Wange.

„Morgen Ski fahren?“ lächelt sie.

„Da bin ich dabei. Hol mich doch um 10 Uhr ab.“ Ich winke in die Runde. „Bis dann.“

Zu Hause angekommen stehe ich erst einmal 20 Minuten einfach nur unter der heißen Dusche und dann betrachte ich Carters Werk. Mein linker Rippenbogen schimmert in allen Farben des Farbspektrums und es tut echt höllisch weh. Er hat mir mindestens 3 Rippen geprellt.

Ich habe mir gerade meine Haare geföhnt als mein Pieper geht und ich fluchend eine Skihose und einen dicken Pullover überziehe. Keine Zeit für gar nichts, ich ziehe mir schnell Socken an und schlüpfe in meine Boots und angele mir meine Jacke vom Haken.

Ich setze meinen Helm auf und starte das Schneemobil. Der kalte Wind zieht unter meine Jacke und meinen Pullover und ausgerechnet heute habe ich nicht die Zeit gefunden meine Thermounterwäsche anzuziehen.

Das ist verdammt noch mal echt kalt und ich dachte wirklich, ich habe mich langsam an die Kälte gewöhnt.

Ich werfe Kevin den Schlüssel meines Schneemobils zu und laufe zum Heli. Carter sitzt schon drin und ich steige zu ihm ein. Ich nehme meinen Helm und recke meinen Daumen in die Höhe.

„Papa Hotel Alpha Lima Foxtrott Delta Startbereit.“ Teilt er der Zentrale mit.

„Unfall im Jagdgebiet östlich von Point Hope. Schwere Landebedingungen. Oberschenkelfraktur.“ Teilt uns eine bekannte Stimme mit.

„Hallo Tom.“ Sage ich und schnalle mich an.

„Steig aus und zieh dein Abseilgurtzeug an.“ weist mich Carter an, dann holt er Kevin zu uns, unseren Reservemann. Ein Abseilmanöver kann man zu Zweit nicht durch führen.

 Ich quetsche mich in das Gurtzeug und setze mich dann hinten rein, da Kev neben Carter Platz nimmt.

Sollte ich ihm jetzt sagen, dass ich das erst ein einziges Mal gemacht habe?

Ich meine, mich abseilen lassen?

Nein…

Ich mach das schon.

„Startklar.“ Sage ich und atme tief durch.

Wir heben ab, Carter bespricht mit Tom die Route und mit Kev das Abseilmanöver.

„Wir sind gleich da, mach dich startklar.“ Carter sieht mich an, ich schnalle mich ab und harke mich in das System ein.

„Okay, wir sind über ihnen. Kevin lässt Dr. Scott jetzt runter.“ Teilt er Tom mit und ich öffne die Tür.

Nein, es war nicht meine beste Idee meine dicke Unterwäsche zu vergessen. Ich ziehe meine Skimaske hoch und klettere ein Stück hinaus.

„Los.“ Sage ich zu Kevin und er lässt mich langsam runter.

Unten stehen mehrere Männer und nehmen mich und meine Arzttasche in Empfang. Ich ziehe meine Maske ein Stück runter.

„Ich bin unten.“ Sage ich zu Kevin und er zieht das Seil hoch. Ich weiß, wie schwer es für Carter ist, den Heli ruhig an einer Stelle zu halten und sie drehen eine Runde.

„Ich bin Dr. Scott.“ Stelle ich mich kurz vor.

„Wir sind Eric, Martin und Ray.“ Stellt mir einer der Männer sich und seine Freunde vor.

„Hier lang.“ Eric läuft voraus und ich folge ihm.

Wir kämpfen uns durch ein Stück Wald und erreichen den verletzten Mann. Er hat sich wirklich den Oberschenkel gebrochen.

„Ich bin Dr. Scott. Wie heißen sie?“ ich sehe ihn an und taste vorsichtig sein Bein ab.

„Roy.“ Sagt er und ich nicke ihm zu.

„Also gut Roy, ich lege dir jetzt eine Schiene an, du bekommst natürlich ein Schmerzmittel. Meine Kollegen lasen uns dann einen Rettungskorb runter und wir werden dich in den Helikopter hoch ziehen.“ Erkläre ich ihm und er nickt erneut.

„Wo bringen sie ihn hin?“ Eric sieht mich an.

„Nach Fairbanks. Kommt ihr hier draußen alleine klar?“ ich sehe mich um.

Was veranlasst erwachsene Männer dazu sich durch die Wildnis zu schlagen?

„Ja, wir kommen klar.“ Er winkt ab.

„Ich brauche den Bergungskorb.“ Sage ich in mein Funkgerät.

„Wir lassen ihn über der Lichtung runter.“ Verständigt mich Carter.

„Können zwei von euch den Korb holen?“ frage ich an die Gruppe gewandt, Eric und Martin gehen los und beginne vorsichtig die Schiene anzulegen.

Die Beiden kommen zurück und wir legen Roy in den Korb und decken ihn mit einer Rettungsdecke zu.

Sie helfen mir den Korb zurück zur Lichtung zur Tragen und Carter lässt das Seil runter. Ich befestige den Rettungskorb und Roy wird hoch gezogen.

„Und ihr kommt hier draußen wirklich klar?“ ich sehe die anderen drei Männer skeptisch an.

„Ja, wir haben im Gegensatz zu Roy einen linken und einen rechten Fuß und nicht zwei Linke.“ Eric zwinkert mir zu.

„Alles klar.“ Ich lächle und das Seil wird wieder runter gelassen.

Ich verankere mich, aber leider bin ich nicht ganz fertig, als Carter den Heli hoch zieht. Ich versuche mich irgendwie fest zu halten, aber falle dann aus 7 Metern Höhe in den Schnee.

„Scheiße Tess, bist du Okay?“ brüllt Kev in den Kopfhörer.

„Das sah schmerzhaft aus.“ Eric kommt zu mir und hilft mir auf.

„Du Arschloch.“ Brülle ich in mein Head-Set.

„Das war eine Windböe.“ Flucht Carter.

Ich habe wieder festen Boden unter den Füßen.

Super, jetzt habe ich überall Schnee… unter meiner Jacke, in meinen Hosenbeinen… Super, ich liebe es nasse Klamotten zu tragen.

Das Seil wird wieder runter gelassen und dieses Mal komme ich auch im Heli an. Ich werfe Carter einen giftigen Blick zu und setze mich dann zu Roy.

„Alles gut?“ frage ich ihn und er lächelt schwach.

„Die Schmerzmittel sind super.“ Lallt er.

„Ich weiß.“ Lächle ich.

„Papa Hotel Alpha Lima Foxtrott Delta hat den Verletzten an Bord und fliegt jetzt nach Fairbanks. Geschätzte Flugzeit 2 Stunden.“ Gibt Carter an die Zentrale durch.

Ich überwache Roy und unterhalte mich ein wenig mit ihm. Die Nässe kriecht in meinen Körper und selbst im Heli friere ich, obwohl der wirklich gut beheizt ist.

„Zentrale?“ frage ich.

„Ja Theresa, hier ist Tom.“ Folgt prompt die Antwort.

„Kann ich in Fairbanks duschen?“ frage ich und streiche mir eine nasse Strähne aus dem Gesicht.

„Sicher, während der Heli an der Zweigstelle aufgetankt wird, kannst du duschen und dir neue Sachen anziehen.“ Lacht Tom.

„Ich danke dir.“ Ich atme erleichtert aus.

Dann vergeht der Flug recht schnell und wir setzen in Fairbanks auf dem Dach des Krankenhauses auf und übergeben den Patienten an die Krankenhausärzte. Wahnsinn, wenn ich darüber nachdenke, dass ich bis vor einem Monat auch noch zu denen gehört habe. Es ist so wahnsinnig viel passiert, in so kurzer Zeit…

Ich klettere wieder in den Heli und Kev lädt unseren Rettungskorb wieder ein.

„Papa Hotel Alpha Lima Foxtrott Delta, kommt jetzt zu uns. Der Landeplatz ist frei.“ Teilt uns die Außenstelle Fairbanks mit und Carter lässt den Motor an.

Die Außenstelle ist ein wenig außerhalb von Fairbanks und kaum das wir gelandet sind, springe ich aus dem Heli und laufe ins Gebäude.

Ich bekomme trockne Sachen und gehe in eine der Duschkabinen. Meine Rippen tun wirklich höllisch weh und der Versuch mich an dem Seil im letzten Moment fest zu halten hat einen Striemen quer über meinen Bauch zur Folge.

Ich ziehe mir nach einer ausgedehnten heißen Dusche meinen BH und Shorts an und stütze meine Hände auf dem Waschbeckenrank ab. Jetzt wo das Adrenalin weg ist beginne ich zu zittern.

Das ist so, so lange man sich um den Patienten kümmert kann man alles drum herum ausblenden, aber jetzt geht es einfach nicht mehr. Der Sturz hat mir echt Angst gemacht.

„Geht es ihnen gut Dr. Scott?“ Carter kommt herein und ich schließe gequält meine Augen.

Ich höre die Schritte auf dem Fliesenboden und spüre, wie er mir ein Handtuch um die Schultern legt. Ich schluchze leise und schlinge meine Arme um mich.

„Zeig mal.“ Sagt er ganz behutsam und streicht mit seinen Fingerspitzen über die Abschürfungen. Sie hinterlassen eine kalte Spur auf meinem überhitzten Körper und ich zittere noch mehr.

Ich will nicht, dass mich jemand so sieht…

Schon gar nicht er…

„Ich hole schnell was.“ Seine Stimme klingt beruhigend und ich nicke schwach.

Ich öffne langsam meine Augen und rubbele meine Haare weiter trocken. Meine Augen sehen mich müde und leer an, ich kann nicht mehr. Ich fahre mir mit den Fingern durch die Haare und binde sie im Nacken zusammen. Dann nehme ich ein Shirt und ziehe es mir über, die Hose, die mir einer meiner Kollegen hin gelegt hat, ist viel zu groß, aber ich ziehe meinen Gürtel ein und sie bleibt wenigstens oben.

Carter kommt wieder, unsere Blicke treffen sich im Spiegel und ich sehe beschämt zu Boden.

Er kommt zu mir und dreht mich um, so dass ich das ich mit dem Rücken zum Waschbecken stehe, dann schiebt er vorsichtig mein Shirt hoch und trägt eine Salbe auf die Schürfwunde auf. Sein Blick wandert über meinen Oberkörper, über meine Narben, die Prellungen und die Schürfwunde.

„Das tut mir wirklich leid.“ Sagt er leise und befühlt die blauen Flecken an meinen Rippen.

„Okay.“ Flüstere ich und er kommt wieder hoch.

„Wir fliegen in 20 Minuten zurück nach Hope.“ Er steht nur ein paar Zentimeter von mir entfernt und irgendwas in meinem Inneren will ihn zu mir ziehen und ihn küssen. Seine tiefblauen Augen mustern mich eingehend, mein Blick schweift über seine, für einen Mann, zierliche Nase hinunter zu seinen wunderbar geschwungenen Lippen. Sein Bartansatz lässt ihn verwegen aussehen, aber ich bin mir sicher, dessen ist er sich sehr wohl bewusst.

Wenn ich etwas von Ana und Sally weiß, dann das Jacob Carter nichts anbrennen lässt.

„Danke Carter.“ Sage ich mit aller Sicherheit in der Stimme, na ja das an Sicherheit, was mir gerade zur Verfügung steht.

„Bis gleich Dr. Scott.“ Er dreht sich abrupt weg und ich atme tief durch, als er endlich draußen ist.

Will der Typ mich eigentlich umbringen?

Zwei Mal schwere Körperverletzung an einem Tag sind genug, oder?

Ich muss ihm nicht auch noch die Gelegenheit geben, mir seelische Qualen zuzufügen.

Ich ziehe mich zu Ende an und gehe zum Heli, der aufgetankt in der Halle wartet. Dann wird die Plattform raus geschoben und ich bedanke mich bei unseren Kollegen.

Ich schlafe den Flug zurück nach Hope und werde erst von Kev geweckt, als wir im Landeanflug sind.

„Bis dann.“ Ich winke Kev und Carter zu und nehme meinen Schlüssel vom Schneemobil von Kev im Empfang.

Endlich zu Hause!

Ich lasse mich auf die Couch fallen und verziehe schmerzverzehrt das Gesicht.

Das Snowboarden morgen sollte ich lieber absagen, denn das überlebe ich wahrscheinlich nicht.

Ich rufe am nächsten Morgen bei Ana an und sie versteht, dass ich mich erst einmal schonen muss, denn natürlich haben ihr Kev und Carter alles erzählt. Ich glaube Geheimnisse zu wahren ist in Hope quasi unmöglich.

Die nächsten drei Wochen habe ich in der Praxis gut zu tun, man glaubt gar nicht, wie viel man in so einer kleinen Praxis zu tun hat. Carter und ich habe kleine Einsätze, aber wir sind wieder auf der “Gefühlskalt“ und “Sieh mich und Fass mich nicht an“ – Schiene.

Dann stehe ich das erste Mal wieder auf einem Snowboard.

„Bereit?“ Drew sieht mich fragend an und ich nicke.

Er hilft mir mit dem Snowboard aufzustehen und ich gleite langsam den Berg hinunter.

„Gewicht leicht nach vorne verlagern, sonst bleibst du gleich stehen.“ Ruft er mir zu.

Ich atme tief durch und lehne mein ganzes Körpergewicht nach vorne.

Meine ersten Versuche enden meist mit einer Bauchlandung im Schnee, aber ich bekomme das Gefühl langsam wieder.

Es entspannt mich und ich genieße es durch die unberührte Natur zu fahren. Drew, Ana und ich fahren jetzt sooft es geht hoch in die Berge und sei es nur für eine Abfahrt am Abend.

Mein Leben bekommt neue Züge, meine Patienten akzeptieren oder tolerieren mich. Ich habe in Ana und Drew zwei richtig gute Freunde gefunden und auch die anderen Bewohner Hopes in meinem ungefähren Alter nehmen mich mit offenen Armen auf. Wir treffen uns meistens am Freitagabend im Coopers und trinken ein Bier.

An den Wochenenden spiele ich Eishockey oder laufe Snowboard. Er ist ein neues Leben und ich fange an die Vergangenheit hinter mir zu lassen. Bei Pete und Liv bin ich fast jeden zweiten Tag zum Essen und sie kümmern sich toll um mich.

Meine Mum und mein Dad sind von ihrer Kreuzfahrt zurück und ich telefoniere oft mit ihnen. Zugegebener Maßen öfter mit meinem Dad, da ich in einigen Fachgebieten noch etwas Hilfe brauche. Er erzählt mir jedes Mal wie stolz er auf mich ist und es ist wirklich Balsam für meine Seele.

„Danke für die Woche Sally!“ ich laufe an Sally vorbei, endlich Feierabend.

Draußen erwarten mich Ana und Drew und wir fahren auf den Mount Foot, es gab Neuschnee und das wollen wir uns nicht entgehen lassen. Wir haben nur 3 Stunden ehe es dunkel wird und die wollen wir nutzen.

Kaum angekommen stürzen wir uns den Berg runter, ich bin mittlerweile richtig gut.

„Genug für heute.“ Drew sieht mich und Ana zwei Stunden später geschafft an und wir fahren mit den Schneemobilen zurück nach Hope. Mittlerweile ist es dunkel und ich bin froh, dass sich Drew hier besser auskennt wie in seinem eigenem Haus.

„Kommst du morgen Abend zu meiner Geburtstagsparty?“ Drew grinst mich an, als wir vor seinem und Anas Haus halten.

„Aber sicher, wie könnte ich das verpassen? Du wirst 33 alter Mann.“ Ich knuffe ihn und er nimmt mich in den Arm.

Ich freue mich seit Wochen auf die Party, endlich mal wieder ein bisschen feiern und ich sein.

„Wir müssen mir ein eigenes Board bestellen.“ Ich grinse Ana an und reiche ihr das mir von ihr geliehene.

„Dachte ich mir fast.“ Lacht sie und nimmt mich ebenfalls in den Arm.

„Carter ist auch endlich wieder da, man der ist in letzter Zeit so viel in Sitka, da kann er da gleich hinziehen.“ Drew schüttelt seinen Kopf.

Es stimmt, Carter ist oft weg und Kev übernimmt seine Bereitschaften. Ich war zwei Mal mit Kev draußen, er ist gut und Carter fehlt mir nicht wirklich.

Okay, ein wenig doch, aber das würde ich nie zugeben.

„Vielleicht solltest du es ihm vorschlagen.“ Ich grinse ihn an.

„Du bist unmöglich.“ Rügt er mich und ich fahre winkend los.

„Ich weiß.“ Rufe ich ihm noch zu und er lacht auf.

Ich fahre die paar Minuten zu mir und verteile die Snowboardausrüstung im Eingangsbereich, weil ich mich nach einem heißen Bad sehne.

Anschließend räume ich aber dann doch noch auf und rufe bei Pete und Liv an, das wir alle wieder heile zurück sind.

Ich habe die ersten Wochen versucht hier oben ein anständiges Handynetz zu bekommen, aber hier läuft fast alles mit Funkgeräten und Festnetztelefon, aber daran habe ich mich schon gut gewöhnt. Zu mindestens Internet haben wir hier und ich habe Drew schon vor 6 Wochen einen sündhaft teuren Werkzeugkasten bestellt, dafür haben Pete, Liv und ich zusammen gelegt.

Dann nehme ich mir ein Buch und kuschele mich in eine Decke vor den Kamin.

Das sind die Momente, in denen ich weiß, dass meine Entscheidung richtig war.

Ich fühle mich sicher…

Ich gehe spät zu Bett und schlafe den Samstag mal so richtig aus. Ich soll um 17 Uhr bei Drew und Ana sein und genieße es mich für eine Party fertig zu machen. Zwar gehe ich auf Nummer sicher und ziehe eine gefütterte Jeans an, aber dazu einfach mal ein mit funkelnden kleinen Steinchen besetztes türkises Top, lange Ohrringe, Make up und offene Haare.

Ich nehme mir Drews Geschenk und mache mich dann, in dicker Jacke, dem Schal, meinen Handschuhen und einer Mütze eingepackt auf den Weg.

Als ich bei Drew und Ana ankomme sind schon einige Leute da. Maggie hat ihr Baby zwischenzeitlich bekommen, einen kleinen Jungen und er ist wirklich bildschön.

Es ist so geregelt, das die Frauen um den Geburtstermin herum zwei Wochen entweder in Fairbanks oder in Anchorage im Krankenhaus bleiben. Das hat zu mindestens bei Maggie wunderbar geklappt. Ob das immer so klappt, weiß ich aber nicht. Ich ziehe meine Jacke aus und lege sie zu den anderen aufs Bett in Anas und Drews Schlafzimmer.

Dann gehe ich zurück, dieses Haus ist riesig und ich sehe mich suchend um. Dann entdecke ich endlich Drew.

„Happy Birthday!“ springe ihm in die Arme und reiche ihm sein, zugegebener Maßen, recht schweres Geschenk.

„Wow Tess, du siehst wunderschön aus.“ Er strahlt mich an und packt dann sein Geschenk aus.

„Das kann ich nicht annehmen.“ Er sieht mich mit großen Augen an.

„Doch Drew, wir haben zusammen gelegt.“ Pete erscheint hinter mir. „Alles Gute!“ fügt er hinzu und Drew fällt uns um den Hals.

„Wahnsinn!“ jubelt er und stürmt davon, zweifelsohne um Ana sein Geschenk zu zeigen.

„Hey Kleines.“ Pete drückt mich an sich.

„Hey Pete.“ Ich schenke ihm ein strahlendes lächeln.

„Du siehst wunderhübsch aus.“ Er nimmt meine Hand und lässt mich eine Pirouette drehen.

„Danke.“ Ich mache einen kleinen Knicks.

„Wow Tess!“ Ana kommt zu uns gestürmt und drückt mich ungestüm an sich.

„Wir werden jetzt mit Sally und John in Ruhe bei uns einen Wein trinken, das junge Volk ist mir zu aufgedreht.“ Pete zwinkert mir zu.

„Ich komme morgen Nachmittag vorbei.“ Verspreche ich ihm und er nickt.

„Du verstehst dich gut mit Peter, oder?“ Ana sieht mich an und legt ihren Kopf schief.

„Ja…“ ich ringe einen Moment mit mir, dann nehme ich ihre Hand und ziehe sie in eine ruhige Ecke. „Hör zu, ich weiß nicht, ob ich es dir nicht schon früher hätte sagen sollen…“ ich atme tief durch.

„Hast du eine Affäre mit ihm?“ sie sieht mich mit großen Augen an und ich breche in schallendes Gelächter aus.

„Ana nein.“ Ich schüttele meinen Kopf „Pete ist mein Patenonkel, er kennt mich seit meiner Geburt.“ Erkläre ich ihr. „Klar, ich habe die Praxis auch aufgrund meiner Fähigkeiten übernommen, aber ohne Pete seinen Zuspruch bei den Flying Doc’s weiß ich nicht, ob alles so geklappt hätte. Er wusste, ich brauche Abstand und muss weg aus New York.“ Ich sehe sie an und sie betrachtet mich eingehend.

„Egal.“ Sie legt ihren Arm um mich „Laufen wir nicht alle meistens vor irgend etwas davon?“

„Danke Ana, bitte…“ setze ich an.

„Ich behalte es für mich…“ sie lächelt „Es ist schwer genug für dich das Greenhorn zu sein, wir müssen nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen. Aber danke Tess.“

„Ich danke dir.“ Gebe ich zurück und plötzlich taucht ein Glas vor meinen Augen auf.

„Das ist Grandma Bettys Selbstgebrannter. Alter Brauch.“ Grinst Drew und ich nehme das Schnapsglas um mir den Inhalt runter zu kippen.

Scheiße, das brennt im Hals und ich sehe ihn mit großen Augen an… das Zeug kann ich bestimmt auch zum desinfizieren von Wunden benutzen.

„Geht’s?“ lacht er und ich nicke.

„Das ist widerlich.“ Ich schüttele mich.

„Ach was, heute Abend liebst du es.“ Verspricht er mir und ich schüttele abwehrend meinen Kopf.

„Nein.“ Sage ich sicher.

„Komm schon Tess, wie lange bist du jetzt hier?“ er legt seinen Arm um mich.

„Seit fast 3 Monaten.“ Gebe ich zurück.

„Du musst noch viel lernen Greenhorn.“ Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn und lässt mich mit Ana alleine.

„Damit hat sich meine These bewiesen.“ Lacht Ana und wir gehen zu den anderen.

„Hallo Dr. Scott.“ Ertönt eine bekannte Stimme hinter mir und da es in Hope nur eine handvoll Menschen gibt, die mich Dr. Scott nennen, weiß ich, wer hinter mir steht.

Ich drehe mich langsam um.

„Hallo Carter.“ Begrüße ich ihn. Tatsächlich habe ich ihn seit fast 3 Wochen nicht gesehen, er hatte Verhandlungen in Sitka und ist dann gleich geblieben, da einige seiner Klienten von dort kommen.

Woher ich das weiß?

Ich arbeite mit seiner Mum zusammen, das erklärt wohl alles.

Er sieht gut aus, das muss ich mir eingestehen. Er trägt ein dunkelblaues Hemd und ein eng anliegendes weißes Shirt, die Jeans sieht abgewetzt aus, aber ich bin mir sicher, die hat er schon so gekauft. Seine Haare sind länger und er hat sie sich mit Gel zurück gestylt und wow, zur Abwechslung ist er mal rasiert.

„Sind sie fertig damit mich anzustarren?“ holt er mich aus meinen Gedanken.

„Ich starre sie nicht an Carter.“ Gebe ich zurück und dränge mich an ihm vorbei.

Ich unterhalte mich mit ein paar Leuten und die Stimmung ist wirklich gut, irgendwann meldet sich mein Magen und ich genehmige mir eine Kleinigkeit vom Büfett.

Die älteren verabschieden sich nach und nach und gehen fast alle noch zu Liv und Pete. Die scheinen ihre eigene Party zu machen…

„So, jetzt bekomme ich meinen Geburtstagstanz.“ Drew zieht mich mit sich, auf die provisorische Tanzfläche und ich grinse.

„Ist das eine Tradition?“ frage ich und er legt seinen Arm um mich.

„Ab jetzt schon.“ Erwidert er und wir tanzen zusammen. Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass Ana mit Carter tanzt und Maggie ihren Mann Reese ebenfalls dazu zwingt. Von den ehemals 40 Leuten sind nur noch 15 übrig, wie gesagt, der Rest ist bei Liv und Pete.

Nachdem ich mich von fast allen über die Tanzfläche habe schleudern lassen, nehme ich mir eine Strickjacke von Ana und trete auf den Balkon, der das ganze Haus umrandet.

Übrigens hatte Drew recht, der Selbstgebrannte schmeckt nach den vierten oder fünften Glas gar nicht mehr so schlecht.

Mir ist warm und ich atme die eiskalte Luft ein.

„Sie haben mit allen Männern getanzt, aber mich wohl dabei vergessen?“ Carter kommt zu mir.

„Absicht?“ ich zucke mit den Schultern.

„Warum machen sie es mir so schwer?“ er stützt seine Arme auf dem Geländer ab und ich sehe ihn an.

„Sehen sie mal.“ Er deutet an den Himmel.

Es ist nicht das erste Mal seit ich hier bin, das ich Polarlichter sehe, aber heute Abend sind wie wirklich atemberaubend schön. Sie erstrahlen in leuchtend grün und erfüllen den Himmel mit einem wunderbarem Licht. Ich sehe zu Carter, der das Naturschauspiel fasziniert beobachtet.

„Man sagt, das sind die Geister, die der Erde noch einmal nah sein wollen.“ Erklärt er mir.

„Ein schöner Gedanke.“ Gebe ich zu und drehe mich um, um wieder ins Haus zu gehen.

Er hält mich am Arm fest und dreht mich zu sich um.

Ich sehe in seine Augen und merke wie sich mein Atem beschleunigt.

Dann beugt er sich zu mir runter und seine Lippen legen sich auf meine, ganz zart, ganz vorsichtig und dennoch ist es als würde ein elektrischer Impuls durch meinen Körper laufen.

Nach ein paar Sekunden lässt er von mir ab, ich starre ihn an, hole aus und gebe ihm eine schallende Ohrfeige.

„Ich lasse nicht zu, das du mit mir spielst Carter.“ Fauche ich.

Er sieht mich mit einer Mischung aus Schmerz und Wut an.

„Woher willst du wissen, dass ich mit dir spiele?“ fragt er mich herausfordernd.

„Weil ich genug Geschichten von Ana und deiner Mum gehört habe. Das kann ich nicht gebrauchen, damit kann ich nicht umgehen.“ Ich schlinge meine Arme um mich. Eigentlich will ich zurück ins Haus, aber meine Füße bewegen sich nicht.

„Ich spiele nur, wenn sich der Gewinn lohnt.“ Er legt seine Hand unter mein Kinn.

„Carter, ich kann das wirklich nicht gebrauchen.“ Meine Stimme ist nicht mehr wie ein flüstern.

„Machen wir es uns nicht kompliziert…“ er lächelt und ich versinke in seinen Augen „… Es wäre nett, wenn wir uns endlich duzen würden.“

Ich nicke leicht.

„Also Tess, bekomme ich jetzt meinen Tanz? Die anderen denken sonst noch du kannst mich nicht leiden.“ Er hält mir seine Hand hin.

Ich sehe auf seine Hand, mein Kopf arbeitet auf Hochtouren und ich versuche irgendwie einen klaren Gedanken heraus zu filtern. Ich fühle mich von diesem Alaska Macho mehr angezogen als mir gut tut…

„Okay.“ Höre ich mich sagen und ergreife seine Hand.

Wir gehen wieder rein und ich tanze einen Tanz mit ihm, ich versuche ihn dabei so wenig wie möglich anzusehen und bin froh, als Drew mich erlöst und mir ein Schnapsglas vor die Nase hält.

„Habt ihr das Kriegsbeil begraben?“ er sieht zwischen mir und Carter hin und her.

„Na ja, wir haben beschlossen uns fürs Erste zu duzen. Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut. Nicht wahr Tess?“ er hält sein Schnapsglas hoch.

„Ja Jake.“ Gebe ich zurück und stoße mit ihm an.

Dann spielen wir ein Trinkspiel und ich bin von der ersten Sekunde an dazu verdonnert zu verlieren, zu mindestens in der ersten Kategorie: Fakten um Point Hope. In der zweiten trumpfe ich aber auf: Eishockey. Trotzdem habe ich mehr getrunken wie mir gut tut und beschließe um 2 Uhr, das es wirklich Zeit wird nach Hause zu gehen.

Oder zu taumeln…

„Ich bringe dich.“ Jake zieht sich seine Jacke ebenfalls an. „Ich will auch ins Bett.“ Fügt er hinzu, als er meinen verwirrten Blick sieht.

„Bye Ana!“ ich nehme Ana in den Arm und sie drückt mir einen Kuss auf die Wange.

„Ich melde mich bei dir, wenn ich das hier überlebe.“ Sie läuft zurück zu Drew und den anderen.

„Bye Drew!“ rufe ich ihm zu und er winkt zum Abschied.

Dann treten Jake und ich hinaus in die Kälte und es ist als würde ich einen Schlag ins Gesicht bekommen.

„Wow.“ Ich atme tief durch und Jake legt seinen Arm um mich.

„Geht’s?“ fragt er grinsend.

„Ich weiß nicht.“ Gebe ich zurück und versuche einen Fuß vor den anderen zu setzen „Ja.“ Sage ich schließlich und er lacht leise.

Wir gehen schweigend zu mir.

„Wo wohnst du eigentlich?“ ich sehe ihn fragend an.

„Die Straße entlang, ein Stück im Wald.“ Er deutet die Straße entlang.

Ich sehe ihn an und lächle leicht.

„Was?“ fragt er verständnislos.

„Nichts.“ Gebe ich zurück, ziehe ihn zu mir und küsse ihn.

Es ist atemberaubend seine Lippen auf meinen zu spüren und ich ziehe ihn dichter zu mir.

Nach einer gefühlten Ewigkeit lösen wir uns von einander.

„Tess…“ er streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht „Schlaf schön.“

Dann lässt er mir los und ich sehe ihn enttäuscht an. Ich schließe meine Tür auf und lasse sie hinter mir ins Schloss fallen.

Super gemacht! Lobe ich mich ironisch selbst.

Ich muss mich mehr unter Kontrolle haben, ich darf ihn nicht an mich heran lassen…

Noch einmal kann ich es nicht überstehen, beim letzten Mal wäre ich fast daran zerbrochen…

Ich schaffe es nicht mich vollständig auszuziehen und schlafe in Jeans und BH auf der Couch.

Der nächste Morgen kommt hart und mit Kopfschmerzen, ich verfluche jedes einzelne Glas des Selbstgebrannten…

„Bist du wach?“ höre ich Anas Stimme und schleppe mich zur Haustür.

„Gott, du siehst aus wie ich mich fühle.“ Sie sieht mich mitleidig an und kommt rein.

„Danke.“ Nuschele ich und ziehe mir einen Pullover über. „Ich gehe mir mal die Zähne putzen, es fühlt sich an, als sei etwas in meinem Mund gestorben.“ Entschuldige ich mich und gehe ins Bad.

Ich putze mir die Zähne und kämme meine Haare, jede Krähe wäre stolz auf so ein Nest.

Als ich runter komme hat Ana Kaffee gemacht.

Ich sehe sie an.

„Warum bist du hier?“ frage ich schließlich.

„Kannst du ehrlich zu mir sein?“ sie sieht mich an und ich setze mich ihr gegenüber.

„Klar.“ Ich nehme einen großen Schluck vom Kaffee und schüttele mich. Zahnpasta und Kaffee vertragen sich nicht wirklich.

„Was war gestern bei dir und Carter los?“ sie zieht eine Augenbraue hoch.

„Warum?“ frage ich viel zu schnell.

„Sag du es mir. Drew hat heute Morgen fast eine Stunde mit Carter telefoniert und will mir nicht sagen, worum es ging…“ sie seufzt leise.

Ich weiß. wie sehr sie es hasst nicht alles wissen zu können…

„… Dein Name ist an die 100 Mal gefallen, also denke ich, das es was mit dir zu tun hat.“

„Wir duzen uns jetzt. Er ist Jake und ich Tess.“ Antworte ich ausweichend.

„Und?“ wieder zieht sie Augenbraue hoch.

„Komm schon Ana, was willst du noch hören?“ ich lehne mich zurück und verschränke meine Arme vor der Brust.

„Das ist noch was. Du magst ihn, oder?“ sie beugt sich vor und sieht mir direkt in die Augen.

„Ana…“ stöhne ich.

„Was denn, ich finde, ihr wärt ein wirklich hübsches Paar.“ Lächelt sie.

„Ich werde mich nicht auf ihn einlassen. Meine letzte Beziehung ist sprichwörtlich in einer Katastrophe geendet und ich kann viel ertragen…“ ich wische mir über die Augen „…aber ich kann nicht noch einmal einen Mann verlieren den ich liebe. Beim letzten Mal hat es mich fast meinen Verstand gekostet.“

„Wow Tess…“ sie nimmt meine Hände in ihre „Tut mir leid, manchmal bin ich einfach zu neugierig.“

„Schon Okay.“ Sage ich leise. „Ich mag ihn.“ Gebe ich schließlich zu.

„Dann lass es laufen, keiner sagt, das ihr dass Beide ernst nehmen müsst. Wir sind hier am Arsch des Arsches der Welt und wenn ihr meint, ihr habt nur einen Winter lang Spaß…“ sie zuckt mit den Schultern „Dann geht das nur euch was an.“

„Danke, aber ich weiß nicht, ob ich so etwas kann. Für mich gehören Gefühle und Sex zusammen.“ Ich lasse ihre Hände los. „Und er ist ein Spieler, er spielt mit den Gefühlen von Frauen.“

„Tess, nimm es einfach nicht so ernst. Lass es laufen, ich kenne Carter, sobald es Ernst wird, löst sich alles in Wohlgefallen auf.“ Sie grinst schelmisch.

„Ich muss mit ihm zusammen arbeiten.“ Gebe ich zu bedenken.

„Und? Ihr arbeitet auch jetzt zusammen und redet kaum mit einander, das macht dann auch keinen Unterschied mehr.“ Sie hebt ihre Tasse zu einem Toast. „Auf dich und Carter und auf was da immer kommen möge.“

Ich stoße mit ihr an und lehne mich zurück.

Dann lasse ich es mal auf mich zu kommen…

„Übrigens machen wir immer am Wochenende vor Weihnachten eine kleine Tour in den Bergen. Hast du Lust?“ wechselt sie das Thema und ich bin wirklich dankbar.

„Was heißt eine Tour?“ ich sehe sie fragend an.

„Na ja, Ski und Snowboard fahren, eine kleine Wanderung und natürlich Aprés Ski.“ Sie zwinkert mir zu.

„Und wer heißt wir?“ jetzt bin ich dran eine Augenbraue hoch zu ziehen.

„Drew, Maggie, Reese, Kev, Michelle und Carter.“ Den letzten Namen hat sie extra hinaus gezögert, aber trotz alledem denke ich, dass es ganz spaßig werden kann.

„Wer passt den auf den kleinen Daniel auf?“ ich stehe auf und hole mir eine weitere Tasse Kaffee.

„Ich denke Rose und Allan, die Eltern von Maggie.“ Erklärt sie mir.

Ich gehe zu meinem Kalender, der an der Wand neben dem Kühlschrank hängt.

„Also dann am 21. Dezember?“ ich blättere eine Seite um, wir haben heute den 30. November.

„Ja, schreib es dir rein.“ Lächelt sie und reicht mir einen Stift.

Ich nehme ihr den Stift ab und trage es in meinen Kalender ein.

„Und wie gestaltest du deine Vorweihnachtszeit?“ sie setzt sich bequem hin und umklammert ihre Kaffeetasse.

„Ich habe mir jetzt noch nicht wirklich Gedanken gemacht. Ich denke ich werde schauen, dass ich endlich wie versprochen für Pete, Liv, Sally und John koche und dann will ich Plätzchen backen. Das habe ich das letzte Mal gemacht als ich 14 war.“ Ich grinse sie an.

„Ich bin dabei.“ Freut sie sich.

„Bei was? Mir beim Essen machen helfen oder beim Kekse backen?“ feixe ich.

„Bei Beidem, wenn du willst.“ Lacht sie.

„Gerne, lass uns doch nächsten Samstag ein kleines Weihnachtsessen machen.“ Freue ich mich.

„Nach dem Spiel noch kochen?“ sie sieht mich skeptisch an.

„Ach ja, wir haben ja nächsten Samstag ein Spiel.“ Ich sehe angestrengt auf den Kalender. „Also gut, dann Freitag.“ Ich sehe sie fragend an.

„Klingt super, dann hast du ja nur noch ein freies Wochenende im Dezember.“ Sie deutet auf meinen Kalender.

„Nicht ganz, an dem Wochenende, genauer am 14., bin ich Fairbanks und mache meinen Pilotenschein. Kev will diese Woche das erste Mal mit mir fliegen, wir haben nur noch drei Wochen Zeit.“ Ich schnaufe, das wird knapp.

„Oh wow.“ Sie sieht mich mit großen Augen an.

„Ja, die FC will es so, ich bin meist mit Jake allein unterwegs und wenn mal was ist, das muss ich vorbereitet sein.“ Erkläre ich ihr.

„Und die Theorie?“ sie legt ihren Kopf schief, übrigens eine typische Ana Geste.

„Die habe ich gestern bestanden, die konnte ich per Computer machen.“ Grinse ich.

„Du steckst voller Überraschungen.“ Lacht sie.

Dann unterhalten wir uns noch über belanglose Sachen und am frühen Nachmittag lässt sie mich alleine.

Ich sehe fern und überlege, ob Jake es Wert ist ein Risiko einzugehen. Am späten Abend komme ich zu einem Entschluss: Nein.

Er ist wirklich gut aussehend, aber er bricht Frauenherzen quasi im Minutentakt, das kann ich mir nicht antun.

Dann hat mich die Praxis wieder und es schneit zur Abwechslung mal richtig heftig, wenn das so weiter geht, dann komme ich mit dem Schneemobil auch bald nicht mehr durch und Snowboarden fällt natürlich auch flach…

Die Patienten kommen nicht alle, aber so habe ich Zeit mich auf meine Pilotenprüfung vorzubereiten und am Mittwoch hat sich das Wetter soweit beruhigt, das Kev und ich meinen ersten Flug in Angriff nehmen.

Es ist schwerer wie gedacht und ich habe wirklich meine Mühe und dabei ist der Heli in dem ich übe mindestens 4 Nummern kleiner wie der Eurocopter.

„Konzentration Tess.“ Mahnt mich Kev zum wiederholten Male und ich seufze.

„Mach ich doch.“ Gebe ich zurück.

„Gleichmäßig mit den Ausgleichsrudern arbeiten.“ Er deutet auf die Instrumente und ich gebe mir wirklich Mühe. Nach fast 2 Stunden setzen wir ziemlich unsanft an der Flugstation wieder auf.

„Wir müssen mindestens noch 30 Stunden voll bekommen.“ Kev nimmt mir meinen Helm ab.

„Ich lege meine Sprechstunde um, jeden Tag von 8 bis 10 Uhr?“ ich sehe ihn fragend an und er nickt.

„Na, wie ist es gelaufen?“ Jake kommt zu uns, er ist mit seiner Maschine gerade gelandet und Kev winkt ab.

„Sie ist eine tausend Mal bessere Ärztin wie Pilotin.“ Erklärt er ihm.

„Ist ja noch kein Meister vom Himmel gefallen.“ Lacht Jake.

„Nein, aber mit ihren Fliegerkünsten fallen wir vom Himmel.“ Feixt Kev.

„Du bist zu gut zu mir.“ Ich strecke ihm die Zunge raus und setze meinen Helm auf. „Wir sehen uns morgen früh.“ Ich winke ihnen zu und fahre zurück zur Praxis.

„Na, wie war es?“ empfängt mich Sally.

„Eine Katastrophe.“ Seufze ich „In den nächsten Wochen beginnt meine Sprechstunde erst um 10 Uhr, ich brauche die Flugstunden, sonst brauche ich gar nicht erst nach Fairbanks fliegen.“ Ich hänge meine Jacke auf und begrüße meine nächste Patienten.

Maggie mit dem kleinen Daniel.

„Komm rein Maggie.“ Ich winke ihr zu und sie folgt mir ins Sprechzimmer.

Ich untersuche den kleinen Mann von Kopf bis Fuß und reiche ihn dann an Maggie zurück.

„Alles Bestens, er ist ein absolut prächtig entwickeltes 6 Wochen altes Baby.“ Ich lächele und sie schenkt mir ein Strahlen. So kann wirklich nur eine frisch gebackene Mummy strahlen und ich muss es erwidern.

„Sehen wir uns Samstag?“ sie packt Baby Daniel dick ein und sieht mich an.

„Klar, wir müssen den Männern doch zeigen, wo der Hammer hängt.“ Grinse ich.

„Bis dann und danke Tess.“ Sie nimmt mich in den Arm.

„Gern geschehen, liebe Grüße an Reese.“ Ich bringe sie zur Tür.

„Wilma? Kommst du?“ ich sehe die ältere Dame an und sie erhebt sich, um mir ins Sprechzimmer zu folgen.

Der Rest der Woche vergeht schnell, vormittags Flugstunden und dann die Sprechstunde, ehe ich mich versehe holt mich Ana am Freitag ab und wir gehen zu Harvey um unsere bestellten Sachen für das Abendessen abzuholen.

„Kev meint, du wirst langsam besser im Heli.“ Ana grinst mich an, als wir zu Fuß auf dem Weg sind und ich schubse sie leicht.

„So ein Heli ist schon was anderes, wie ein Auto oder ein Schneemobil.“ Wehre ich mich.

„Du machst das schon und steht der Plan fürs Essen noch?“ wir kommen in Sichtweite des Ladens und ich nicke.

„Ja, Vorspeise Erbsenschaumsuppe mit Lachs, Hauptgang Lamm mit Minzsauce und Kroketten und zum Nachtisch heiße Himbeeren mit Schokoeisschaum.“ Lächle ich.

„Ich bin echt gespannt, ob wir das hin bekommen.“ Sie sieht mich zweifelnd an.

„Ich habe das alles schon mal gekocht. Das wird wunderbar.“ Verspreche ich ihr und wir betreten den Laden.

„Ah Ladies, eure Einkäufe stehen gleich neben der Tür, ich war mal so frei und habe den passenden Wein mit gebracht.“ Harvey zwinkert mir zu.

„Ich wusste, ich kann mich auf dich verlassen. Ist mein normaler Einkauf auch dabei?“ ich nehme mir eine der Tüten.

„Ja, ist alles hier, ich bringe es dir morgen Vormittag vorbei.“ Verspricht er mir.

Ich gehe zum Tresen, stütze mich darauf ab und gebe ihm einen Kuss auf seine Wange.

„Du bist ein Schatz.“ Lächle ich und reiche ihm meine Kreditkarte.

„Für dich tue ich fast alles.“ Er zieht die Karte durch und gibt sie mir wieder.

„Ich weiß.“ Ich zwinkere ihm zu und gehe wieder zurück zu Ana.

„Hey Harv, warum tust du für mich nicht auch alles?“ Ana sieht zu ihm und ich lache leise.

„Du bist so gut wie verheiratet.“ Erwidert er trocken.

„Und? Du bist 60, glaub mir Tess steht auf knackiges Gemüse und nicht auf Dörrobst.“ Feixt sie.

„Raus jetzt.“ Lacht Harvey und wir nehmen die vier Tüten und machen uns auf den Weg zu mir.

Die Kälte ist nicht mehr so schlimm, zu mindestens fühlt sie sich nicht mehr so an.

Zu Hause stellen wir erst einmal alles in die Küche und ziehen uns aus, Drew will uns helfen und will gleich vorbei kommen. Wir packen alles aus uns sortieren es erst einmal, schon dabei haben wir eine Menge Spaß und ich bin glücklich, wieder einmal richtig lachen zu können.

Wir machen das im Allgemeinen viel zu selten: Mal richtig lachen und albern sein, egal wie alt wir sind. Es ist Balsam für sie Seele und egal wie grau die Welt auch ist, mit einem Lachen zaubert man etwas Farbe zurück ins Leben. Wenn man fast ein Jahr lang versucht hat keine Gefühle zuzulassen und lernen musste, das Gefühle zum Leben dazu gehören, dann nimmt man alles viel, viel intensiver wahr.

Sowohl die guten als auch die schlechten Gefühle… man muss lernen damit umzugehen. Ich habe viel Zeit investiert und ich denke, ich bekomme es mittlerweile ganz gut hin.

Ich ziehe mich schnell um und schlüpfe in eine Jogginghose und ein bauchfreies Top, ich binde mir meine Haare locker hoch und genieße es mal wieder barfuss zu laufen. Ana schaut meine Narben schon gar nicht mehr an und ich fange an, sie als das zu akzeptieren was sie sind, ein Teil von mir. Nur wenn ich meine mir selbst zugefügten Narben sehe, dann überkommt mich ein Schamgefühl. Niemand der das nicht hatte, kann es verstehen… Ich bin nicht geisteskrank weil ich das gemacht habe. Ich habe mein Äußeres verletzt, weil ich mein Innerstes, mit dem ich nicht klar kam, zum schweigen bringen wollte. Ich wollte spüren, dass es noch mehr als den Schmerz in meinem Inneren gibt und habe mir äußerlich Schmerzen zu gefügt. Ich weiß inzwischen, dass das der falsche Weg ist, aber damals erschien er mir richtig…

Auch Ana läuft nur noch in T-Shirt und Jeans und auch barfuss durchs Haus und wir singen lautstark und furchtbar falsch einen Song im Radio mit.

Es klingelt und ich gehe lachend zur Tür.

Ich öffne sie und stehe nicht nur, wie erwartet, Drew gegenüber, sondern auch Jake grinst mich an.

„Ich dachte du bist in Anchorage.“ Ich sehe ihn fragend an.

„Dachte ich auch, es gab eine Planänderung.“ Er drückt mir einen Kuss auf die Wange und schiebt mich ins Haus. „Du holst dir ohne Socken den Tod an der offenen Tür.“ Rügt er mich lächelnd.

Ich fange mich einen Moment und begrüße dann erst einmal Drew.

„Hey du!“ ich nehme ihn in den Arm und nehme den beiden dann ihre Jacken ab.

„Also, wo werden unsere magischen Hände gebraucht?“ Jake zieht sich seinen Pullover aus und ich ziehe unvermittelt scharf Luft ein. Das T-Shirt sitzt wie eine zweite Haut und ich atme tief durch, als ich den skeptischen Blick von Drew bemerke.

„Gut…“ ich klatsche in die Hände „Drew Kartoffeln schälen und du…“ ich deute auf Jake „… kannst den Tisch ausziehen und die Stühle aus der Küche ins Wohnzimmer bringen, wir sind dann jetzt heute Abend zu 8.“

„Alles klar.“ Er schenkt mir ein breites lächeln und ich hake mich bei Drew unter und wir gehen in die Küche.

„Habe ich gerade Carter gehört?“ Ana sieht mich verwirrt an.

Wie gut, das nicht nur ich so reagiere, das wäre dann ja schon fast peinlich…

„Ja.“ Sagen Drew und ich wie aus einem Mund und sie drückt ihrem Freund einen Kuss auf den Mund ehe sie ins Wohnzimmer läuft.

„Carter!“ jubelt sie und fällt ihm um den Hals.

Ich bemerke wie Drew mich ansieht und folge seinem Blick, der natürlich an meinen Narben hängen bleibt, denn leider kann man die nicht übersehen.

„Ich habe es überlebt.“ Sage ich sanft und er sieht mich ertappt an.

„Was denn?“ fragt er behutsam nach.

„Ich kann nicht darüber sprechen.“ Ich drehe mich um und atme tief durch.

Drew tritt hinter mich und legt mir seine Hände auf die Schultern.

„Es tut mir wirklich leid.“ Flüstert er.

„Schon okay.“ Ich drehe mich wieder zu ihm um. „Wir sollten mit dem Essen anfangen, in zwei Stunden sind die anderen hier.“  Ich reiche ihm die Kartoffeln.

„Jawohl.“ Er salutiert und nimmt mir die Kartoffeln ab.

In den nächsten 1 ½ Stunden erfüllt Weihnachtsmusik das Haus und wir haben richtig Spaß beim kochen.

„Hmm, das duftet herrlich.“ Jake steht hinter mir und ich grinse. Wenn er so dicht bei mir ist und leise mit mir redet, dann bekomme ich eine Gänsehaut.

Ich drehe mich zu ihm um und reiche ihm einen Löffel mit der Sauce.

„Dann solltest du probieren.“ Ich puste und schiebe den Löffel in seinen Mund.

„Das schmeckt richtig gut.“ Lobt er mich grinsend.

„Höre ich da etwa Zweifel heraus.“ Ich rühre die Sauce um und er legt seine Hände auf meine Hüften, dann kommt er mit seinem Mund ganz nah an mein Ohr.

„Ich würde niemals auch nur eine Sekunde an die zweifeln.“ Flüstert er und ich schließe meine Augen.

Verdammt, er macht mir meinen Entschluss nicht gerade einfach… ganz und gar nicht einfach. Bin ich wirklich schon bereit damit umzugehen?

„Ich muss mich umziehen, die anderen kommen gleich und ich will sie nicht so begrüßen.“ Ich entwinde mich seiner Umarmung.

„Ana, kannst du bitte hier alles im Blick behalten?“ rufe ich nach Ana, die gerade mit Drew den Tisch deckt.

„Klaro.“ Sie kommt bei mir an und reiche ihr den Kochlöffel. „Yeah, ich bin die Königin der Kochtöpfe!“ lacht sie und ich gehe hoch in mein Schlafzimmer.

Ich ziehe mein Top aus und werfe es in die Wäsche, dann ziehe ich ebenfalls meine Jogginghose aus und befördere auch die in den Wäschekorb.

„Tess? Wo sind denn…“ Carter kommt rein und bleibt wie angewurzelt in der Tür stehen.

„Schon mal was von anklopfen gehört?“ ich lege meinen Kopf schief und gehe auf ihn zu.

„Eigentlich schon… aber.“ Stottert er, dann macht er leise die Tür hinter sich zu und kommt auf mich zu, sein Blick mustert mich und ich sehe zu Boden.

Kurz vor mir bleibt er stehen und legt seine Hände auf meine Hüften.

„Du bist wunderschön.“ Flüstert er und im nächsten Augenblick liegen seine Lippen auf meinen. Dieser Kuss ist voller Verlangen, voller Versprechungen aber auch voller Angst.

Ich schlinge meine Arme um seinen Hals und ziehe ihn zu mir, ich merke, wie mir eine einzelne Träne über die Wange läuft.

„Ich kann das nicht.“ Flüstere ich und mache mich von ihm los.

„Tess.“ Bittet er mich.

„Nein Jake…“ ich sehe auf und in seine Augen „Ich kann das nicht.“ Wiederhole ich.

„Lass es uns doch wenigstens versuchen.“ In seinen Augen spiegelt sich Sehnsucht, aber ich weiß nicht, ob sie mir gilt oder nur der nächsten Frau, der er irgendwann das Herz brechen wird.

Ich drehe mich um und atme tief durch.

„Einen Versuch, mehr will ich nicht.“ Er umarmt mich von hinten und ich lege meinen Kopf an seine Schulter.

„Wir lassen es laufen… keine Verpflichtungen, keine Ansprüche… nichts.“ Wispere ich.

„Okay.“ Kommt es leise nach ein paar Sekunden von ihm, er dreht mich wieder zu sich, nimmt mein Gesicht in seine Hände. „Aber das darf ich machen, wann ich will, oder?“ er küsst mich sanft.

„Nein, niemand soll etwas davon mitbekommen, ich habe schon so einen schweren Stand.“ Bitte ich ihn.

„Okay.“ Er küsst meine Stirn „Und wo sind jetzt deine Tischdecken?“ er grinst zaghaft.

„Unten im Schrank im Esszimmer, ich glaube, ich habe nur zwei.“ Ich zucke lächelnd mit den Schultern.

„Bis gleich.“ Er streicht mit seinem Daumen über meine Handinnenfläche.

„Bis gleich.“ ich sehe ihn an und er lässt mich lächelnd los.

Ich sehe wie er das Zimmer verlässt und lasse mich aufs Bett sinken.

Mein Leben sollte hier einfacher werden, aber ich habe gerade ganz selbstpersönlich dafür gesorgt, dass es nicht einfach bleibt…

Ich stehe auf und ziehe mich endlich an, die anderen sind in ein paar Minuten hier und ich muss mich wenigstens so weit unter Kontrolle haben, das mir Pete nicht an der Nasenspitze ansieht, das etwas passiert ist.

Ganz ehrlich, wem mache hier etwas vor?

Ich werfe einen letzten Blick in den Spiegel, meine Haare fallen wellig über meine Schultern, meine grünen Augen funkeln und mein Mund ist zu einem dümmlichen Grinsen verzogen.

Er wird es merken, er wird durch die Tür kommen und merken, dass etwas anders ist.

Es ist Pete und nicht irgendein x-beliebiger….

Ich atme tief durch und gehe dann endlich runter. „Was hast du denn so lange oben gemacht?“ Ana sieht mich grinsend an und deckt weiter mit Drew und Jake den Tisch.

„Nichts.“ Gebe ich ausweichend zurück und bin froh, dass es klingelt, ehe sie weiter fragen kann.

Ich begrüße Pete, Liv, Sally und John und dann setzen sich alle. Pete sieht mich den ganzen Abend immer wieder komisch an, aber ich lächle, decke das Essen auf und versuche mich normal zu benehmen.

Wann war ich denn bitte das letzte Mal normal?

Das Essen ist ein voller Erfolg und alle loben unsere Kochkünste.

„Wir machen uns auf den Weg.“ Sally nimmt mich in den Arm „Wir sehen uns morgen Nachmittag.“

„Danke fürs kommen.“ Lächle ich und nehme auch John in den Arm.

„Das Essen war phänomenal. Wir kommen gerne wieder.“ Er zwinkert mir zu und ich lache leise.

„Jederzeit.“ Ich winke beiden zu und schließe schnell die Tür wieder. Wie immer, wenn erst einer geht, dann machen sich alle auf den Weg…

Drew, Jake und Ana verabschieden sich ebenfalls. Nachdem ich Drew und Ana umarmt habe, nehme ich Jake in den Arm.

„Bis morgen mein Stern.“ Flüstert er mir ins Ohr und ich sehe ihn an.

„Bis morgen.“ Erwidere ich ebenso leise.

Dann sind nur noch Liv und Pete da, aber Liv steht auf und geht ebenfalls, während Pete noch kurz mit mir sprechen will.

Etwas wegen der Praxis…

Ja klar.

„Setz dich zu mir…“ er klopft neben sich auf die Couch und ich nehme mein Weinglas und setze mich zu ihm.

„Was gibt es wegen der Praxis?“ ich sehe ihn gespannt an.

„Du weißt so gut wie Liv, das es nicht um die Praxis geht.“ Lächelt er.

„Was gibt es denn?“ ich setze mich in den Schneidersitz und sehe ihn an.

„Ich will nicht, dass er dir weh tut.“ Sagt er behutsam und ich starre in mein Weinglas. „Hast du wirklich gedacht, ich merke das nicht. Tess, ich kenne dich dein ganzes Leben und ihn auch.“

„Es ist…“ setze ich an.

„Tess, ich kann es nicht noch einmal ertragen dich so leiden zu sehen. Nach Levis Tod warst du nur ein Schatten deiner Selbst, dein Dad dachte du zerbrichst daran…“ er zwingt mich ihn anzusehen „… Die letzten zwei Jahre waren hart für dich, für Jeff, für Debby… Tess, du bist so eine wunderbare, starke junge Frau, aber ich weiß nicht ob du all das schon verarbeitet hast. Du bist fast gestorben, nicht nur an dem Tag, sondern jeden weiteren Tag danach ein bisschen.“

„Pete, ich war nicht umsonst im Jennings Center.“ Ich atme tief durch.

„Ich weiß, sie haben es da vielleicht geschafft, dass du dir nicht mehr selbst die Schuld gibst, aber haben sie es auch geschafft, das du wieder offen und ohne Angst auf Menschen zugehen kannst?“ er sieht mich fragend an.

„Ich versuche mein Bestes.“ Ich lege meinen Kopf leicht schief. So ein Heilungsprozess ist nie ganz abgeschlossen… Ich gelte als geheilt, aber ein Rückfall kann niemals ausgeschlossen werden.

„Ich weiß meine Kleine, ich weiß.“ Er zieht mich ins eine Arme „Ich mache mir nur Sorgen.“

„Ich weiß.“ Ich lächle leicht „Aber ich bin 28, ich muss doch meine eigenen Fehler machen.“

„Ja, aber ich könnte es nicht noch einmal ertragen dich fast zu verlieren…“ ich sehe die Tränen in seinen Augen.

„Auch für dich und Liv waren die letzten beiden Jahre schwer, oder?“ ich schlucke schwer.

Ich sah immer nur meinen Schmerz, ich habe viel zu wenig daran gedacht, wie es den Menschen in meiner Umgebung geht. Die Menschen die mich lieben und die noch da sind…

Wenn man Borderline hat, dann sieht man an erster Stelle sich und seinen Schmerz, man ist einfach nicht in der Lage an andere zu denken, denn das würde Gefühle bedeuten und denen versucht man so gut wie es eben geht aus dem Weg zu gehen.

„Du bist wie eine Tochter für uns, natürlich war es schwer.“ Er legt seine Hand auf meine Wange „Wir hätten dich fast verloren.“

„Ich bin hier Pete, ich merke jeden Tag, dass ich wieder ich werde und das verdanke ich dir.“ Ich lege meine Hand auf seine und kuschele mich in seine Handfläche.

„Nein, das verdankst du so vielen Menschen hier in Hope und auch wenn ich es nicht zugeben will…“ er grinst leicht „… auch ihm. Ja, auch Jacob Carter.“

„Ich danke dir so sehr Pete. Ich liebe Dich.“ Ich nehme ihn in den Arm und wir sitzen eine ganze Weile einfach so da. Im Schein des Kaminfeuers mit einem Glas Wein und ich höre Geschichten aus meiner Kindheit. An viele Dinge erinnere ich mich noch sehr gut, aber andere habe ich schon fast vergessen.

Pete geht es weit nach Mitternacht und ich schlafe wirklich gut in dieser Nacht.

Ich räume meine Küche am nächsten Morgen erst einmal auf und bringe mein Haus wieder in seinen Ursprungszustand, dann hole ich meine Kiste mit der Weihnachtsdeko und verschönere alles etwas. Ich liebe das Licht von Teelichtern, erst Recht zur Weihnachtszeit. Dann ziehe ich mich um und mache mich auf den Weg zum Great Lake. Ich werde schon erwartet und ziehe meine Schutzausrüstung an.

„Bereit?“ fragt Ana und ich grinse.

„Immer.“ Gebe ich zurück.

Wir fahren zur Mitte des Spielfeldes und ich stehe wie immer Jake gegenüber.

„Hey.“ Er grinst mich an und ich erwidere es. Ich kann nicht aufhören dümmlich zu grinsen. Er löst Gefühle in mir aus, die ich lange nicht gefühlt habe und auch wenn es mir eine Heidenangst macht, so genieße ich es auch irgendwie.

Ich bin so in Gedanken, dass ich mich gar nicht richtig konzentrieren kann und ehe ich wirklich weiß, was los ist werde ich gecheckt und lande unsanft auf dem Eis.

„Nicht träumen.“ Kev hilft mir auf die Beine.

„Danke auch.“ Ich verziehe leicht das Gesicht und versuche mich dann wirklich aufs Spiel zu konzentrieren. Das ich im ersten Drittel mehr wie schlecht bin, lassen mir meine Teamkolleginnen wohl gerade noch so durch gehen, aber nach dem zweiten Drittel ist dann auch ihre Geduld am Ende.

„Sophie, du gehst für Tess rein.“ Ana sieht mich an „Keine Ahnung was mit dir los ist, aber du spielst wirklich unterirdisch.“

„Sorry, ich bin nicht bei der Sache.“ Gebe ich zu und reiche Sophie meinen Schläger und meinen Helm.

„Schau uns einfach zu.“ Ana zwinkert mir zu und Liv reicht mir einen Becher Punsch.

„Alles gut Kleines?“ sie setzt sich zu mir.

„Ja, ich kann mich heute nur nicht wirklich konzentrieren.“ Erkläre ich ihr und sehe aufs Spielfeld.

Drew wird gerade sehr, sehr unsanft von Kev aufs Eis befördert.

Spielen die nicht in einer Mannschaft?

„Tess!“ kreischt Ana, ich stehe auf und laufe aufs Eis.

„Was ist los?“ ich komme bei ihr und Drew an.

„Er blutet.“ Sie deutet Auf Drew, der richtig schlimmes Nasenbluten hat.

„Kannst du aufstehen?“ ich sehe ihn an und er nickt leicht.

Ich nehme ihm den Helm ab, Pete erscheint neben mir und reicht mir blutstillende Tupfer.

Ich versorge ihn und untersuche ihn kurz.

„Du kommst jetzt mit mir in die Praxis, ich muss sicher gehen, dass du keine Gehirnerschütterung hast.“ Erkläre ich ihm und ziehe ihn auf die Beine.

„Ihr seid im selben Team!“ ich schlage Kev gegen den Helm und er sieht mich zerknirscht an.

„Ich komme mit.“ Bietet sich Pete an „Ich bin mit dem Schneemobil.“

Wir stützen Drew und setzen ihn auf das Schneemobil. Pete hat ein großes, das heißt, es ist für bis zu vier Personen zu gelassen.

20 Minuten später sind wir in der Praxis und ich checke Drew gründlich durch, auch um eine Röntgenaufnahme seines Kopfes kommt er nicht herum.

„Und?“ Ana ist mittlerweile auch hier und ich sieht mich an, während ich die Aufnahme von Drews Kopf betrachte.

„Keine Fraktur, das heißt, er hat sich nichts gebrochen. Seine Reflexe sind normal und er kann sich an alles erinnern.“ Sage ich mehr zu mir, wie zu ihr. „Ich denke, er hat mehr Glück wie Verstand gehabt und wird nicht schlimmer beeinträchtigt sein, als er es schon immer war.“ Ich sehe auf und Ana grinst mich an.

„Also doof bleibt doof.“ Sie sieht zu Drew und er lacht leise.

„Ja.“ Ich gehe zu Drew. „Wenn dir schlecht wird, du doppelt siehst, oder irgendetwas anders ist, dann kommst du sofort zu mir, ja?“

„Aber sicher Doc.“ Er lächelt und zieht sich wieder an.

Dann gehen die beiden nach Hause und ich beschließe mich noch ein wenig mit Fachliteratur zu beschäftigen.

Ich lese ein paar Neuerungen im Internet und überlege, welche ich hier in Hope gebrauchen kann.

Die nächsten Tage und Wochen bin ich mehr in der Luft wie irgendwo anders und so langsam vertraut auch Kev meinen fliegerischen Leistungen. Jake muss wieder nach Sitka und ja, ich vermisse ihn… Wir haben seit dem Abend bei mir nicht noch einmal die Gelegenheit gehabt zu sprechen und so viel ist unausgesprochen zwischen uns…

Kev fliegt mich früh am 14. Dezember nach Fairbanks und mein Prüfer empfängt mich schon.

Ich lege zwar keine Glanzleistung hin, aber es reicht um zu bestehen, nachdem er sich an die 100 Mal versichert hat, dass ich nur als Co-Pilot mitfliege.

„Du musst natürlich noch Flugstunden mit dem Eurocopter absolvieren.“ Erinnert er mich und ich nicke.

„Ja sicher.“ Verspreche ich ihm und gehe zu Kev, ich wedele mit meiner Fluglizenz vor seiner Nase herum und er wirbelt mich herum.

„Du hast es echt geschafft.“ Er strahlt mich an.

„Oh man, ich bin tausend Tode gestorben.“ Ich atme tief durch.

„Und jetzt? Wollen wir das feiern?“ er grinst mich an und bietet mir seinen Arm an.

„Da sag ich nicht nein.“ Lache ich und wir verlassen den Flughafen von Fairbanks in einem Jeep von den Flying Doc’s, da dort die Maschine steht, mit der mich Kev her geflogen hat. Harvey hat uns netterweise seine Maschine geliehen, denn Jake ist mit seiner mal wieder unterwegs.

Wir fahren zurück zum Außenstützpunkt und meine Kollegen dort beglückwünschen mich natürlich auch. Wir hatten sowieso vor auf dem Stützpunkt zu schlafen und jetzt stoßen die, die keinen Dienst haben, mit mir an. Ich lerne auch den neusten Zugang der Fairbanks Crew kennen. Matthew McAllan, er kommt aus Detroit und suchte einfach neue Herausforderungen.

Na, die wird er hier bestimmt finden.

Er ist 29 und wirklich sehr nett, wir sitzen zusammen und er darf sich etliche Geschichten über Einsätze anhören.

Ich weiß ja nicht, ob sie ihn verjagen wollen, aber hätte man mir diese Geschichten an meinem ersten Tag erzählt, ich wäre niemals in einen Helikopter eingestiegen…

„Kommst du aus Point Hope?“ Matt sieht mich an, wir sitzen ein wenig abseits der anderen, die gerade den neusten Flugsimulator ausprobieren und er reicht mir ein Glas Wein.

„Nein, nein…“ ich lache und nehme ihm das Glas ab „Ich bin erst seit knapp 3 Monaten da. Ich habe die einzige Praxis übernommen und der Deal mit den FD war sozusagen ein Einstellungskriterium.“

„Wo kommst du denn eigentlich her?“ er setzt sich zu mir und wir sehen hinaus auf das schwach beleuchtete Flugfeld.

„Aus New York. Da habe ich die letzten 4 Jahre gelebt. Vorher das Studium in Princeton und eigentlich komme ich aus Seattle.“ Ich nehme einen Schluck von meinem Wein „Noch mehr Fragen? Sternzeichen? Lieblingsessen?“

„Dann los.“ Er lacht auf.

„Also gut, Sternzeichen Löwe, Geburtstag 25. Juli. Mein Lieblingsessen sind Spaghetti Bolognese, selbst gemacht natürlich und ich sterbe für einen richtig guten Cheesecake. Und nun du.“ Ich schubse ihn leicht.

„Also gut, ich bin Sternzeichen Zwilling, ich habe am 10. Juni Geburtstag und ich liebe Lamm,…“ er denkt einen Moment nach „ sterben würde ich für einen richtig guten Corndog.“

„Gefällt es dir in Hope?“ fragt er nach einer kleinen Pause.

„Ja, ich habe so viele liebe Menschen kennen gelernt und die Arbeit macht mir echt Spaß.“ Ich lächle bei dem Gedanken an Ana. Vor 3 Monaten waren wir Fremde, jetzt ist sie meine beste Freundin.

„Das ist schön, man sollte immer dort sein, wo man sich wirklich wohl fühlt.“ Er nimmt einen großen Schluck von seinem Bier.

„Fühlst du dich denn hier in Fairbanks wohl?“ ich sehe ihn an, etwas in seiner Stimme sagt mir, dass es vielleicht nicht so ist.

„Es ist abgeschieden.“ Er zuckt mit den Schultern.

„Du hältst Fairbanks für abgeschieden?“ ich lache auf „Hope hat keine wirklichen Straßen, statt Autos haben die Bewohner Schneemobile oder Flugzeuge, es gibt vielleicht 4 Wochen im Jahr ohne Schnee…“ ich sehe ihn an „Entweder man liebt es, oder man geht ein.“

„Und du hast dich entschlossen es zu lieben?“ fragt er leise und ich nicke lächelnd.

„Ja, irgendwie schon.“ Gebe ich zu.

„Komm, wir sollten zu Bett. Es ist schon spät und ihr wollt morgen früh starten.“ Er steht auf und hält mir seine Hand hin.

„Ja, das ist eine gute Idee. Wenn was ist, dann ruf mich an Matt.“ Ich lächle und er legt seinen Arm um meine Schultern, als wir zurück zu den anderen gehen.

„Danke Tess.“ Er drückt mir einen Kuss auf die Wange und ich sage Kev Bescheid, dass ich ins Bett gehe und es für besser halte, wenn mein Pilot selbiges tut.

Wir landen gegen Mittag wieder in Hope und Kev streckt sich erst einmal, als wir die Maschine vertäut haben.

„Na, zu wenig Schlaf?“ grinse ich und er schenkt mir ein müdes lächeln.

„Ein wenig.“ Gibt er zu und ich gehe in das kleine Häuschen, welches neben dem Flugfeld steht und setze mich auf mein Schneemobil.

„Wie sehen uns Kev und danke für alles!“ ich setze meinen Helm auf, winke ihm zu und fahre nach Hause.

Es dauert keine 10 Minuten dann steht Ana vor meiner Tür und beglückwünscht mich.

Ich sag ja, in Hope etwas geheim zu halten grenzt an eine Unmöglichkeit.

Ein Wunder, das bisher noch keiner in meiner Vergangenheit herum gestochert und meine dunklen Geheimnisse ans Licht befördert hat. Ich hoffe, das bleibt so…

Ich erzähle Ana von Matt und sie schenkt mir einen sehr eigenartigen Blick, einen selbst für Ana sehr eigenartigen Blick.

„Du magst ihn, oder?“ sie legt mal wieder ihren Kopf schief. Startschuss für die Verhörrunde!

„Ja, er ist wirklich nett. Er sieht gut aus…“ ich grinse „Er ist groß, okay nicht so groß wie Jake, aber groß. Er hat warme braune Augen und seine blonden Locken stehen ihm in alle Himmelsrichtungen vom Kopf ab. Er hat was an sich, aber ehrlich Ana…“ ich sehe sie an „Ich mag ihn, mehr nicht. Es war nett sich mit ihm zu unterhalten.“

„Ist ja gut, ich sag ja nichts.“ Sie hebt abwehrend die Hände.

„Nein Ana, du sagst nichts, aber du siehst mich so an.“ gebe ich zurück.

„Er ist nur nett, ich habe es verstanden.“ Lacht sie und ich lehne mich entspannt auf meiner Couch zurück.

„Wann kommt Jake eigentlich wieder?“ ich sehe sie, nachdem ich mich tatsächlich mal 10 Minuten auf den Film, den sie mit gebracht hat, konzentriert habe, fragend an.

„Carter? Keine Ahnung…“ sie zuckt mit den Schultern „Drew hat gestern mit ihm telefoniert, aber er hat nicht gesagt, wann er zurück kommt.“ Sie sieht weiterhin zum Fernseher.

Damit lasse ich das Thema fallen, ehe eine neue Fragerunde los geht…

Der Montag wird lang, na ja so lang, wie Montage nun mal sind…

Die Weihnachtsstimmung in Hope ist greifbar, überall bunte Lichter und egal welches Haus man betritt, es duftet nach Orangen, Zimt und frisch gebackenen Keksen.

Dienstag beschließen Ana und ich endlich unsere Kekse zu backen.

Schon nach 20 Minuten sieht meine Küche aus wie ein Schlachtfeld. Es ist mehr Mehl an mir und Ana, als in den Keksen…

Als es klingelt gehe ich gut gelaunt an die Tür, eigentlich kann es nur Drew sein, der mal wieder seine Freundin sucht.

„Ja Drew, sie ist hier…“ ich öffne die Tür und stehe Jake gegenüber.

„Du bist wieder da.“ Sage ich leise.

„Ja…“ er schiebt mich in den Flur, nimmt mein Gesicht in seine Hände und küsst mich zärtlich „Ich wollte nur kurz Hallo sagen.“ Er lächelt und verschwindet wieder.

„Wer war denn das?“ Ana kommt aus der Küche und ich starre meine wieder geschlossene Haustür an.

„Das war Jake, er wollte nur sagen, dass er wieder da ist.“ Ich atme tief durch und drehe mich zu ihr um. „Da kommt er bei dir persönlich vorbei?“ sie schüttelt leicht den Kopf.

„Wegen unserer Bereitschaft, dann muss ich Kev nicht extra anrufen.“ Erwidere ich spontan und sie nickt wissend.

Das ist totales Quatsch, wir haben alle Drei einen Pieper… Warum sollte ich Kev anrufen müssen?

Aber sie glaubt es mir… gut so.

„Ich freue mich schon riesig auf das Wochenende, endlich mal wieder eine Tour im Wald.“ Ana sieht mich an, wir liegen beide voll gestopft mit unseren Keksen auf der Couch und ich nicke zustimmend.

„Wie läuft das eigentlich ab?“ frage ich und angle mir meinen Kakao vom Tisch.

„Wir starten morgens alle in Zweier Teams vom Fuß des Mount Foot und jeder bekommt eine andere Route hoch zur Hütte, da treffen wir uns dann gegen Abend. Wir trinken Glühwein, essen über dem Kamin geröstete Marshmallows und erzählen uns Geschichten. Wir machen das schon seit wir 10 oder 11 sind. Am nächsten Morgen heißt es dann die Abfahrt genießen.“ Grinst sie.

„Zweier Teams?“ echoe ich.

„Ja, du gehst entweder mit Kev oder mit Jake. Kev weiß aber noch nicht, ob er kommt und wenn er kommt, ob er mit Michelle kommt.“ Sie sieht mich an.

„Ich und Carter in einem Team?“ ich ziehe eine Augenbraue hoch.

„Die letzten beiden Jahre hat er sich allein auf den Weg gemacht, er würde also ankommen.“ Sie sieht mich skeptisch an „Aber du?“

„Danke Ana.“ Gebe ich zurück und sie lacht.

„Er ist gut als Fremdenführer.“ Sie lächelt.

„Hör auf Anabelle Grevy.“ Ermahne ich sie.

„Was denn?“ fragt sie unschuldig.

Bevor ich darauf weiter eingehen kann, klingelt es erneut und dieses Mal ist es wirklich Drew, der seine Freundin sucht.

„Komm rein…“ ich nehme ihn in den Arm, er war heute mit dem Chief unterwegs und sie haben Ausbesserungen am Stromnetz vorgenommen. „Kekse?“ grinse ich.

„Wenn sie essbar sind, dann gerne.“ Lacht er und begrüßt seine Freundin.

„Die sind echt lecker.“ Sie nimmt einen in die Hand und schiebt ihn Drew in den Mund.

„Wow Mädels, die sind echt lecker.“ Er sieht uns erstaunt an.

„Wann lernst du es endlich, uns nicht zu unterschätzen?“ ich ziehe eine Augenbraue hoch.

„Wahrscheinlich nie.“ Gibt er zu „Seid ihr jetzt fertig? Ich würde gerne noch ein paar Stunden mit meiner bezaubernden Freundin verbringen.“ Er sieht zwischen mir und Ana hin und her.

„Sie gehört dir.“ Antworte ich gönnerhaft.

„Wie nett von dir.“ Drew macht eine Verbeugung an Ana zieht sich an.

Ich verabschiede Beide an der Tür und winke ihnen kurz hinterher.

Dann räume ich das Schlachtfeld auf, nach einer Stunde kann man wieder erkennen, dass es eine Küche sein soll. Wir haben so viele Kekse gebacken, das ich gar nicht weiß wohin damit. Ich packe alle meine Dosen voll und dann schließlich noch einige Tüten die ich mit Namen beschrifte.

Die Sprechstunde in der nächsten Woche ist fast leer und ich beschäftige mich mit Fachzeitschriften und anderen mehr oder weniger nützlichem Kram. Ich habe Sally frei gegeben und bin allein in der Praxis, aber das stört mich nicht, die Patienten die kommen, die kann ich gut allein versorgen.

Am Donnerstag mache ich früher zu und hänge ein Schild an die Tür, nur für den Fall der Fälle. Ich bin kaum zu Hause, als mein Pieper geht. Ich ziehe mir meine rote Jacke an und schlüpfe in meine Stiefel, dann schwinge ich mich auf mein Schneemobil und brause zum Flugfeld.

Dieses Mal bin ich tatsächlich vor Jake da, ich drehe mich suchend nach ihm um. Er steigt gerade von dem Schneemobil von Olivia, einer 21jährigen Kellnerin und drückt ihr einen Kuss auf die Wange. So sehr ich es auch nicht will, in mir flammt Eifersucht auf.

Ich nehme mir das Funkgerät und werfe ihm einen giftigen Blick zu.

„Hier Papa Hotel Alpha Lima Foxtrott Delta, wir machen den Heli jetzt startklar. In 10 Minuten sind wir in der Luft.“ Teile ich der Zentrale mit.

„Okay Theresa, schwerer Jagdunfall 100 km südlich von Fairbanks. Foxtrott Bravo ist im Einsatz.“ Erklärt mir Tom.

„Alles klar, Ankunftszeit geschätzt in 90 Minuten, wir haben 6 Knoten Rückenwind.“ Ich setze meinen Helm auf und gehe zu Jake, der den Heli von seinen Ketten befreit hat und den Daumen in die Höhe reckt.

„Papa Hotel Alpha Lima Foxtrott Delta startet jetzt.“ Teilt Jake Tom mit und wir heben ab.

„Hey mein Stern.“ Jake stellt die Kommunikation um, so dass nur wir beide uns hören können.

„Nichts Stern…“ ich sehe ihn kurz an „War es mit Olivia wenigstens nett?“

„Mit Olivia? Wie war es denn mit Matt?“ erwidert er.

„Was geht dich Matt an? Erinnerst du dich? Unverbindlich und ohne Verantwortung gegenüber dem anderen.“ Erinnere ich ihn.

„Ja, ich erinnere mich, aber du hast damit angefangen.“ Er sieht mich an und ich fluche innerlich…

Er hat Recht.

Verdammt!

„Matt und ich sind Freunde.“ Sage ich nach ein paar Minuten. „Er ist nett, nicht mehr.“

„Okay.“ Sagt er nur und ich sehe ihn abwartend an.

Er lächelt leicht „Ich kenne Olivia aus Sitka, ich habe ihr vor einem Jahr den Job im Coopers besorgt und sie hat mich nur gefragt, ob ich ihr im Januar helfen kann wieder zurück nach Sitka zu ziehen. Hope ist ihr zu klein.“ Er zuckt mit den Schultern.

„Papa Hotel Alpha Lima Foxtrott Delta, stellt euch auf das Schlimmste ein. Reanimation begonnen. Wie lange braucht ihr noch?“ fragt Tom.

„Wir sind in 5 Minuten da.“ Sagt Jake und fliegt eine langgezogene Kurve.

Dann sehen wir die Leuchtfackeln und Jake landet. Ich springe aus dem Heli und schnappe mir meine Tasche. Ein Mann nimmt mich in Empfang und wir laufen ein Stück die Lichtung entlang.

Der Verletzte liegt auf einer Decke und um ihn herum ist alles voller Blut.

Die Bilder kommen zurück… sie brechen über mich herein und ich merke wie meine Hände zu zittern beginnen.

„Doc?“ fragt mich einer der Männer und ich sehe auf.

Ich besinne mich und versuche heraus zu finden, wo die Kugel den Mann getroffen hat. Jake kommt bei mir an und ich sehe kurz zu ihm.

„Wurde er mit Schrot angeschossen?“ ich sehe zu den Männern und sie nicken.

Verdammt… die kleinen Schrotkugeln sind in seinem gesamten Brustkorb.

Ich öffne seine Jacke und klebe das EKG fest, alles ist voller Blut und ich bekomme das Zittern meiner Hände kaum unter Kontrolle.

Ich starre auf den Monitor des EKG Gerätes… Nulllinie, kein Herzschlag.

„Rea.“ Sage ich zu Jake und er setzt sich mit einem Beatmungsbeutel an den Kopf des Verletzten.

Dann beginne ich zu reanimieren, während Jake ihn beatmet, bis vor ein paar Minuten haben das zwei andere Männer gemacht. Er blutet so stark und ich kann die Blutung nicht stoppen, während ich ihn reanimiere.

„Können sie das?“ ich sehe zu einem jungen Mann und er nickt.

„Gut, sie übernehmen das.“ Ich lege seine Hände in die richtige Position und hole mir meinen Koffer. Ich versorge so gut es geht alles mit Druckverbänden, aber das Blut findet immer wieder einen Weg. Ich sehe zu Jake und er schüttelt langsam mit dem Kopf.

„Wir können nichts mehr tun.“ Sagt er schließlich und ich lege meine Hand auf die ineinander verschränkten Hände des jungen Mannes.

„Aber…“ setzt dieser an.

„Er hat zu viel Blut verloren.“ Erklärt Jake ihm.

Der Mann nimmt seine Hände vom Brustkorb des Patienten und ich setze mich in den Schnee.

Meine Hände zittern immer noch, meine gesamte Kleidung ist voller Blut und meine Tränen verschleiern mir die Sicht.

Ich atme tief durch und gehe zum Heli um den schwarzen Leichensack zu holen.

Ich kehre damit zurück und die Männer helfen Jake meinen Patienten darin zu verstauen.

„Wir fliegen ihn nach Fairbanks. Möchte jemand von ihnen mitkommen?“ Jake hat das Kommando an sich genommen und ich bin ihm nicht böse, nein… Ich bedanke mich still bei ihm.

Einer der Männer will mit uns mitfliegen, während die anderen sich zu Fuß auf den 100 km langen Weg zurück nach Fairbanks machen.

Er steigt vorne zu Jake und ich setze mich nach hinten. Ich starre auf den Leichensack und schließe dann meine Augen. Blaulicht flackert vor meinem inneren Augen auf, die Schüsse dröhnen in meinen Ohren, ich kann das Messer spüren, welches die Narben hinterlassen hat. Ich höre Levi schreien und ich höre mich schreien… alles ist zurück. Mit einem Schlag und ich versuche gleichmäßig zu atmen.

Wir landen auf dem Krankenhaus und übergeben den Patienten.

Jake regelt alles, während ich im Heli auf ihn warte, ich will nicht reden, ich will keine Fragen beantworten, ich will nur einen Moment allein sein.

Als er zurück kommt sieht er mich besorgt an.

„Wir fliegen zum Stützpunkt und tanken auf, dann fliegen wir gleich weiter.“ Er legt seine Hand unter mein Kinn und zwingt mich ihn anzusehen. „Okay?“ fragt er leise.

„Ich will duschen.“ Ich sehe an mir hinunter.

„Okay.“ Er schnallt sich an und die Rotorblätter beginnen sich langsam zu drehen.

„Papa Hotel Alpha Lima Foxtrott Delta, wir kommen zum Stützpunkt. Wir brauchen eine Dusche und müssen Vollgetankt werden.“ Teilt er der Zentrale mit.

„Ihr werdet erwartet.“ Meldet sich Tom. „Theresa? Können wir die Papiere durchgehen?“

„Kannst du das nicht morgen mit ihr machen? Sie ist erledigt.“ Antwortet Jake für mich.

„Ja sicher.“ Sagt Tom schnell und wir heben vom Dach ab.

Tatsächlich erwartet man uns, Foxtrott Bravo ist auch gerade wieder da und die Techniker kümmern sich nun um beide Helikopter, während wir zu den Duschen gehen. Ich gehe in die Frauendusche, die eigentlich nie benutzt wird und habe den ganzen Raum für mich.

Nach der Dusche fühle ich mich besser, aber von gut bin ich wirklich noch weit entfernt. Ich ziehe mir eine Ersatzhose und ein Shirt über meine Unterwäsche und stelle mich vor den Spiegel, ich zittere immer noch so sehr, dass ich kaum etwas fest halten kann. Zum Glück habe ich meine Tabletten gegen die Panikattacken immer dabei. Ich drücken zwei aus der Packung und spüle sie mit Wasser runter. Ich atme tief durch und merke nicht, wie jemand herein kommt.

Ich spüre seine Hände auf meinen Hüften und wie er mich langsam zu sich dreht.

Er streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht und sein Blick fällt auf die Medikamentenschachtel.

Er sieht mich fragend an, ich lege meinen Kopf an seine Schulter und er hält mich fest in seinen Armen.

„Ich bin hier.“ Flüstert er und ich küsse seine Schulter.

„Danke.“ Erwidere ich erleichtert.

„Wir können los.“ Er schiebt mich ein Stück von sich weg und küsst mich zärtlich. „Ich warte im Heli auf dich.“

„Hmm.“ Ich nicke leicht, halte ihn fest und küsse ihn erneut.

Dann lässt er mich ganz los und ich ziehe mich zu Ende an.

„Tess? Wie geht es dir? Ich habe von eurem Einsatz gehört.“ Matt kommt zu mir.

„Es geht, ich will nur noch nach Hause.“ Ich lasse mich von ihm in den Arm nehmen.

„Ich ruf dich morgen mal an.“ verspricht er mir und ich nicke.

Dann klettere ich zu Jake in den Helikopter und winke Matt kurz zu, ehe wir uns in den Himmel Fairbanks erheben. Es wird noch 2 Stunden hell sein, das heißt, wir werden im Dunkeln in Hope ankommen, denn jetzt haben wir den Wind von vorne und werden gut und gerne 3 Stunden brauchen.

Ich starre auf die Instrumente vor mir, doch ich sehe sie nicht richtig… meine Gedanken sind bei jenem Tag vor fast 2 Jahren, an dem Tag, an dem meine Welt in tausend Einzelstücke zerbrach.

„Papa Hotel Alpha Lima Foxtrott Delta geht kurz runter, die Böen sind zu stark, wir machen eine Pause.“ Sagt Jake zur Zentrale und ich sehe kurz zu ihm.

Der Wind ist zwar stark, aber der Eurocopter hat dem einiges entgegen zu setzen. Er müsste nicht runter gehen.

Er sucht einen Landeplatz und landet, nachdem die Zentrale bestätigt hat, ganz sanft.

„Tess?“ er nimmt seine Kopfhörer ab und stellt das Funkgerät aus.

Ich starre immer noch hinaus und er öffnet meinen Helm und nimmt ihn mir ab.

„Sieh mich an.“ bittet er mich leise.

Es ist so unheimlich still hier draußen, nichts ist zu hören, außer unser beider Atem.

Er schnallt mich ab und zieht mich zu sich.

„Bitte mein Stern, sprich mit mir.“ Bitte er mich erneut und nimmt mein Gesicht in seine Hände. „Ich bitte dich.

„Ich kann nicht.“ Krächze ich.

„Ich bin da.“ Er hält mich fest und ich lege meinen Kopf an seine Schulter.

„Bleib bei mir.“ Bitte ich ihn verzweifelt.

„Immer.“ Verspricht er mir und ich merke wie ich zu weinen beginne.

Er streicht über meinen Kopf und lässt mich weinen. Alles entlädt sich und ich kann mich kaum beruhigen. Irgendwann komme ich hoch und sehe in seine wundervollen blauen Augen. Sie sehen mich voller Angst und ja, auch voller Liebe an.

Ich wische meine letzten Tränen weg und beuge mich über ihn, um ihn zu küssen.

„Ich danke dir.“ Flüstere ich und klettere auf seinen Schoß.

Man, bei den ganzen Klamotten ist es ein Wunder, das wir uns überhaupt bewegen können.

Er streift mir meine Jacke von den Schultern und schiebt mein Shirt hoch, sanft umfasst er meine Brust und ich stöhne leise auf.

Ich ziehe auch ihm seine Jacke aus und fahre auf seinem Shirt über seine Brust.

Unser Küsse werden immer leidenschaftlicher und ich schaffe es mit Mühe und Not seine Hose ein Stück runter zu ziehen und mich von meiner mit einem Funken Eleganz zu befreien. Die Scheiben sind alle beschlagen und ich höre nur unseren abgehakten Atem.

Zum Glück ist der Eurocopter nicht gerade klein…

Ich sehe ihn an und lasse mich auf ihm nieder. Ich stöhne laut und auch er stöhnt auf. Langsam bewege ich mich und halte mich an ihm fest.

Er küsst meinen Hals und ich beuge mich nach hinten, seine Hände wandern über meine Brust und ich glaube mit ihm davon zu treiben.

Die ganze Anspannung des Einsatzes liegt in unseren Bewegungen, sie sind hart, fordernd und unnachgiebig.

Dann zerspringe ich in tausend Einzelteile und er hält sich an mir fest, als auch er seinen Höhepunkt erreicht.

Atemlos lege ich meinen Kopf an seine Brust und wir bleiben eine ganze Weile so sitzen.

„Wir sollten nach Hause.“ Sagt er sanft und ich nicke.

Ich krabbele von seinem Schoß und ziehe mich wieder an. Auch er zieht sich an und setzt mir dann meinen Helm wieder auf.

„Geht es?“ fragt er leise und ich nicke.

„Ich danke dir.“ Ich beuge mich zu ihm und küsse ihn zärtlich.

Er lächelt und schaltet das Funkgerät wieder an.

„Papa Hotel Alpha Lima Foxtrott Delta. Die Wetterverhältnisse haben sich gebessert, wir setzen unseren Flug fort.“ Er lässt den Motor an und ich versuche die Scheiben von dem Dunst zu befreien.

„Alles klar Papa Hotel Alpha Lima Foxtrott Delta. Kommt gut nach Hause.“ Meldet sich Tom und wir steigen wieder in den Himmel.

Nach zwei Stunden erreichen wir Hope mitten in der Nacht und ich klettere aus dem Heli. Jake und ich verzurren ihn und gehen dann zu meinem Schneemobil.

„Ich fahre dich schnell rum.“ Biete ich ihm an.

„Nein, nein… Ich mache noch den Papierkram und lasse mich dann abholen.“ Erklärt er mir und ich stiege auf mein Schneemobil.

Wir stehen unsicher vor einander und ich sehe zu Boden.

„Ich danke dir so sehr.“ Er küsst mich und sieht mich an „Wir sehen uns morgen früh. Wir sind ein Team.“ Er zwinkert mir zu und ich lasse den Motor an.

„Ja.“ Ich lächele und fahre dann los.

Auf halber Strecke kommt mir Drew entgegen und ich winke ihm kurz. Er holt mit Sicherheit Jake ab…

Es ist kurz nach 2 Uhr morgens als ich endlich im Bett liege und das Telefon weckt mich unsanft.

„Scott.“ Melde ich mich verschlafen.

„Hey, hier ist Sally, du hast schon drei Patienten die warten.“ Erklärt sie mir entschuldigend.

„Ich bin in 10 Minuten da.“ Ich springe aus dem Bett und erhasche einen Blick auf die Uhr.

Kurz nach 11 Uhr…

Verdammt!

Ich ziehe mich in Windeseile an und laufe zur Praxis.

„Es tut mir wirklich leid.“ Ich laufe an der Anmeldung vorbei.

„Ach was, wir laufen schon nicht weg.“ Lory, eine ältere Dame grinst mich an, während ich mir meinen Kittel überziehe.

„Komm doch gleich mit Lory.“ Bitte ich sie und sie folgt mir ins Sprechzimmer.

Tatsächlich ist meine Sprechstunde wirklich voll und ich bin dankbar, dass mir Sally gegen Mittag ein Sandwich bringt.

„Es tut mir wirklich leid mit heute Morgen.“ Entschuldige ich mich nochmals.

„Ach was, ich weiß, das ihr erst heute Morgen wieder zurück seit.“ Sie nickt mir zu und ich verschlinge mein Sandwich, ehe ich den nächsten Patienten zu mir rein hole.

Ich bin erst um 21 Uhr zu Hause, da ich mit Sally noch alles für die nächsten beiden Wochen vorbereitet habe, die Praxis ist ab Montag in den Ferien, aber das heißt nicht, das ich frei habe. Die Patienten können mich jederzeit zu Hause anrufen und ich helfe ihnen natürlich.

So ist das eben, wenn man in einem Ort wie Hope die einzige Ärztin ist… Wenn alle Stricke reiße, dann habe ich ja immer noch Pete in der Hinterhand.

Ich packe noch meine Sachen für den nächsten Tag und schnalle mein Snowboard an meinem Rucksack fest. Seit 3 Wochen habe ich endlich mein eigenes… ich stelle meine Skistiefel raus, ich werde sie gleich anziehen. Ich kann sehr gut in ihnen laufen und sie sind echt warm.

Oben lege ich mir eine weiße Skihose und meine dunkelblaue Skijacke raus. Noch einen grauen, dicken Pullover mit dunkelblauem Norwegermuster und meine heiß geliebte Angoraunterwäsche.

Ich bin aufgeregt, als ich endlich im Bett liege. Ich freue mich auf den nächsten Tag…

Ich stehe pünktlich auf und genehmige mir ein ausgedehntes Frühstück. Dann fahre ich zum Treffpunkt und die Teams werden eingeteilt.

Welch Überraschung, das Drew und Ana, Maggie und Reese sowie  Kev und Michelle Teams bilden.

„Dann nehme ich die unverwechselbare Tess.“ Jake legt seinen Arm um mich.

„Es ist mir eine Ehre.“ Ich grinse ihn an.

„Also gut, ihr Route eins.“ Drew reicht mir und Jake einen Zettel und verteilt dann die weiteren Routen.

Im Abstand von 10 Minuten starten wir und Jake und ich gehen als Letzte los.

„Hey.“ Er zieht mich zu sich und küsst mich, als die anderen außer Reichweite sind.

„Hey.“ Lächle ich „Komm, ich will gewinnen.“ Ich nehme seine Hand und ziehe ihn hinter mir her.

„Oh, solch ein Ehrgeiz?“ lacht er und folgt mir.

„Immer.“ Gebe ich zurück.

Nach einer halben Stunde studiert Jake die Karte und sieht zum Himmel. Ich folge seinem Blick, schwere Wolken hängen über uns, aber wir setzen in Absprache mit den anderen unseren Weg fort.

Nach vier Stunden sind wir schon ein richtig gutes Stück nach oben gekommen und ich sehe mich um. Es ist atemberaubend hier oben und ich freue mich auf die Abfahrt morgen. Klar, der Rucksack hindert mich ein wenig, aber ich will nicht jammern, das tut Jake ja auch nicht.

Dann beginnt es zu schneien und zwar so heftig, das ich Mühe habe, etwas zu erkennen.

„Jake? Hört ihr mich?“ meldet sich Drew über das Funkgerät.

„Ja. Wo seid ihr? Wir gehen hoch zur Hütte, wir sind in 30 Minuten da.“ Sagt Jake und zieht mich in seine Arme.

„Wir schaffen es nicht, wir drehen um. Wir sind schneller zurück als oben. Wir haben die anderen hier.“ Erklärt Drew ihm.

„Alles klar, wenn es aufgehört hat, dann kommen wir runter.“ Jake versucht mich vor dem Schnee zu schützen und ich klammere mich an ihn.

„Tut uns einen Gefallen und bringt euch nicht um. Wir brauchen unsere Ärztin und unseren Anwalt.“ Ich höre Drews Stimme nur noch undeutlich.

„Wir geben uns Mühe.“ Verspricht Jake und steckt das Funkgerät zurück in die Seitentasche seines Rucksackes.

„Komm, wir müssen uns beeilen.“ Er zieht mich hinter sich her.

Ich staune wie gut er bei diesen Bedingungen hier zu Recht kommt, aber wahrscheinlich kennt er die Wälder um Hope besser wie jeder andere.

Eine knappe Stunde später erreichen wir die Hütte und Jake hat Mühe die Tür aufzubekommen. Dann endlich hat er es geschafft und schubst mich ins Innere.

„Geschafft.“ Er schließt die Tür hinter sich.

Er geht zum Kamin und befeuert ihn.

„Komm, zieh die nassen Sachen aus.“ Er öffnet den Reißverschluss meiner Jacke. „Hier drinnen wird es gleich warm.“ Verspricht er mir und rubbelt meine Oberarme.

Ich bin wirklich durchgefroren und trotz meiner dicken Handschuhe spüre ich meine Finger kaum. Meine Lunge brennt von der Kälte und ich zittere am ganzen Körper. Er hilft mir auch aus der Hose und den anderen Sachen, schließlich habe ich nur noch meinen Slip und meinen BH an. Er holt eine Decke und wickelt mich ein, ehe er mich auf der Couch vor dem Kamin platziert.

Die Hütte ist eher spartanisch eingerichtet. Ein Bett in der Ecke und mehrere Schlafsäcke darauf verteilt. Wahrscheinlich hat Drew die schon hier rauf gebracht. Der große Kamin strahlt eine ungeheure Wärme aus, obwohl er erst seit 10 Minuten brennt ist es mollig warm in der kleinen Hütte. Noch eine kleine Couch und eine Minimal Küchenecke, das war es auch fast schon. Die Hütte scheint alt zu sein, an den Wänden hängen unzählige Fotos und Karten. Ich drehe mich um und sehe wie sich Jake ebenfalls auszieht, er wickelt sich in eine weitere Decke und geht zu dem alten Funkgerät, was auf dem Schreibtisch neben der Tür steht.

„Point Hope? Chief Patterson?“ fragt er und es klickt ein paar Mal.

„Jake?“ ertönt eine undeutliche Stimme.

„Ja Evan, ich bin mit Doc Scott in der Carter Loge. Wir sind eingeschneit und erst einmal geht hier gar nichts. Kannst du bei der FD anrufen? Sie müssen unsere Bereitschaft an die anderen Teams übertragen.“ Erklärt er ihm.

„Du und Tess in einer Hütte?“ Evan lacht „Bringt euch nicht um.“

„Nein und vielen Dank auch Evan.“ Lachte nun Jake.

„Gut, ich melde mich, wenn es was gibt und ihr meldet euch, wenn ihr zurück kommen könnt.“ Die Stimme wird immer rauschiger.

„Alles klar, die Verbindung ist gleich weg.“ Sagt Jake und dann piept das Gerät.

Er hängt das Sprechteil ein und dreht sich zu mir um.

„Ist dir wieder warm?“ fragt er fürsorglich.

„Hmm…“ ich tue als müsse ich überlegen, dann öffne ich meine Decke und er grinst.

„Ich verstehe.“ Er kommt zu mir und kuschelt sich mit unter meine Decke.

Ich sehe ihn lächelnd an und meine Hand wandert über seine Brust. Er küsst mich und schlinge meine Arme um seinen Nacken. Wir lassen uns Zeit, wir haben ja genug…

Langsam schiebt er den Träger meines BHs über meine Schulter und küsst sie. Seine Finger streichen über meine Narben und ich erschaudere, fast will ich mich reflexartig zurück ziehen, doch er hält mich fest und küsst jeden Zentimeter meiner Narben.

„Sie gehören zu dir, sie sind ein Teil von dir.“ Haucht er und ich fahre ihm durch seine dichten dunkelbraunen Haare.

Geschickt öffnet er meinen BH und entblößt meine Brüste, sanft widmet er sich jeder und ich zerfließe unter seinen Händen. Dann zieht er mir langsam meinen Slip runter und auch ich ziehe seine Boxershorts runter. Meine Finger gleiten über seine markante Brust und ich küsse ihn leidenschaftlich.

Er dreht uns, sodass ich nun unter ihm liege. Er sieht mir tief in die Augen und dringt dann ganz langsam in mich ein. Ich nehme ihn in mich auf, er dehnt mich aufs köstlichste und ich stöhne leise. Er gibt das Tempo vor, ein quälend langsames Tempo und ich winde mich unter ihm.

Als ich meinen Höhepunkt erreiche tanzen tausend Sterne vor meinen Augen und ich halte mich an ihm fest. Er lässt mich einen Moment ausruhen und erst als ich meinen zweiten Höhepunkt erreicht habe, kommt auch er endlich.

Zusammen gekuschelt liegen wir mittlerweile auf dem Fußboden und Jake legt Holz nach. Ich beobachte ihn und als er merkt, dass ich mustere, lächelt er verschmitzt. Dann kommt er wieder zu mir und ich lege meinen Kopf auf seine Brust und lausche dem stetigen Schlägen seines Herzens.

„Was ist in New York passiert?“ seine Finger zeichnen meine Narbe über meiner Brust nach und ich verkrampfe mich.

„Hey mein Stern…“ er zwingt mich ihn anzusehen. „Ich bin hier.“ Flüstert er.

Ich ringe einen Moment mit mir, schließlich lege ich meinen Kopf auf seinen Arm und sehe ihn an.

„Es ist fast 2 Jahre her…“ beginne ich „Es war am 16. März…“ ich schließe meine Augen „… Levi, mein Verlobter, und ich waren auf dem Weg von einem Konzert nach Hause. Wir hätten mit dem Taxi fahren können, aber wir wollten den wunderschönen Abend genießen.“ Ich schüttele leicht mit dem Kopf „Wir wurden überfallen und in eine Seitengasse gezogen. Levi hat versucht mich zu beschützen…“ eine Träne läuft über meine Wange „… Sie haben ihn einfach erschossen. Dann hat sich einer der Beiden über mich gebeugt. Ich weiß, er wollte mich töten, aber augenscheinlich wollte er vorher ein bisschen Spaß mit mir haben. Dann tauchten plötzlich zwei Officers auf und der Mann nahm mich als Geisel. Er sagte er bringt mich um, wenn die beiden nicht verschwinden und zum Beweis hat er mir am Hals entlang geschnitten. Er hat sich wohl verkalkuliert, denn ich blutete stärker, als er es erwartet hatte. Er stach noch ein paar Mal zu und lief dann weg.

Ich fiel zu Boden und robbte zu Levi, er sah mich so viel Angst in den Augen an und ist in meinen Armen verblutet.“ Ich wage es Jake in die Augen zu sehen, er betrachtet mich und küsst mich zärtlich.

„Ich gab mir die Schuld…“ fahre ich fort, denn da endet die Geschichte keineswegs „…Ich kam mit meinem Leben plötzlich nicht mehr klar, ich hatte Panikattacken, ich konnte mich nicht auf die Arbeit konzentrieren, ich vermasselte beinahe meine Arztprüfung und ich schlief kaum. Ich begann meine Gefühle anzustellen, ich verletzte mich selbst…“ seine Hände wandern über meine Oberschenkel. „Anfang des Jahres war es so schlimm, dass meine Eltern mich in eine Psychiatrie eingewiesen haben…“ ich zucke mit den Schultern „Es wurde eine Borderline Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Ich war ein halbes Jahr da, es hat gut getan. Mir wurde geholfen und ich bekam mich wieder in den Griff. Meine Panikattacken kamen nur noch unter extremen Bedingungen und damit habe ich gelernt zu leben.“

„Deswegen die Tabletten in Fairbanks.“ Fragt er leise und ich nicke.

„Ich weiß, das sind schwere Psychopharmaka, aber ich kann es nicht kontrollieren. Bei dem Einsatz da war es zeitweise, als würde ich Levi in den Armen halten.“ Gestehe ich. „Ein Schuss lässt mich immer noch zusammen zucken und in manchen Nächten Schlafe ich kaum. Aber mir geht es viel besser seit ich in Hope bin. Pete hat das Richtige getan…“ ich streiche gedankenverloren über seine Brust „Du weißt, das er mein Patenonkel ist, oder?“ frage ich leise.

„Ja, Mum hat es mir erzählt, aber sie hat mir auf Todesstrafe verboten dich darauf anzusprechen.“ Ich spüre wie er lächelt.

„Du schaffst es, das es mir so viel besser geht.“ Gestehe ich ihm.

„Und du schaffst es, das es mir besser geht.“ Er zieht mich hoch und küsst mich. „Mein Stern.“ Er lächelt.

„Was hat es mit diesem Stern auf sich?“ frage ich und lächle.

Es ist das erste Mal, das ich über all das gesprochen habe und nicht das Gefühl habe, mein Herz zerspringt…

„Du bist mein Stern in dunkler Nacht…“ er küsst meine Nasenspitze „Ich hatte vor aus Hope weg zu ziehen, nach Anchorage oder Sitka. Ich wollte es meiner Mum und meinem Dad an dem Wochenende sagen, an dem ich dich abgeholt habe. Aber ich sah dich und wusste, ich kann unmöglich weg…“ er lächelt verschmitzt „Obwohl ich in den nächsten Wochen noch ein paar Mal daran gedacht habe.“ Gibt er zu „Aber du hast mir gezeigt, wo ich hin gehöre. Ich gehöre nach Hope.“ Er küsst mich.

„Ich weiß nicht, ob ich mich ganz auf dich einlassen kann.“ Ich sehe ihn entschuldigend an.

„Wir haben gesagt, keine Verpflichtungen und dabei bleibt es. Was bedeutet eigentlich Borderline Persönlichkeitsstörung? Ich meine, natürlich habe ich es schon oft gehört, aber was passiert mit den Menschen?“ er sieht mich an und ich atme tief durch.

„Willst du jetzt wirklich eine Definition, ich meine, ich bin Ärztin, ich tue mich schwer damit mich kurz zu fassen.“ Ich sehe ihn prüfend an.

„Ja sicher.“ Erwidert er wie selbstverständlich.

„Also gut, eine Borderline - Persönlichkeitsstörung oder emotional instabile Persönlichkeitsstörung des Borderline - Typs ist die Bezeichnung für eine Persönlichkeitsstörung, die durch Impulsivität und Instabilität in zwischenmenschlichen Beziehungen, Stimmung und Selbstbild gekennzeichnet ist. Bei einer solchen Störung sind bestimmte Bereiche der Gefühle, des Denkens und des Handelns beeinträchtigt, was sich durch negatives und teilweise paradox wirkendes Verhalten in zwischenmenschlichen Beziehungen sowie in einem gestörten Verhältnis zu sich selbst äußert. Das Wort Borderline bedeutet auf deutsch Grenzlinie. Man ist nicht in der Lage Gefühle richtig zu deuten, man möchte am Besten keine Zulassen, wenn man es doch tut, dann brechen sie über einen herein und hinterlassen Chaos und Verwirrung. Um dieser Verwirrung Herr zu werden, beginnt man sich Schmerzen zuzufügen. Man ritzt sich, beisst sich oder fügt sich anderweitig selbst Schmerzen zu. Es ist wie ein Ventil, wenn all die Gefühle nicht mehr beherrschbar sind. Es gibt viele Kretereien die erfüllt sein müssen, bei mir kamen fünf von acht zum tragen…“ ich atme erneut tief durch. „Zum ersten mein starkes Bemühen, tatsächliches oder vermutetes Verlassenwerden zu vermeiden. Ich klammerte mich an meine Eltern, aber stieß sie auch gleichzeitig weg, wenn sie mir zu Nahe kamen. Zum Zweiten, hatte ich ein verzerrtes Bild von mir selbst, ich habe mir die Schuld an Levis Tod gegeben. Zum Dritten mein Selbstverletzungsverhalten. Zum Vierten das chronische Gefühl von Leere, weil ich versucht habe meine Gefühle abzuschalten und dann meine Panikattacken. Es hat eine Weile gedauert, bis ich all das als meine Krankheit ansehen konnte.“

„Du bist ein so wunderbarer Mensch.“ Sagt er sanft und ich küsse seine Brust.

„Im Umgang mit anderen Menschen fällt es mir immer noch schwer, Nähe und Distanz zu regulieren. Dabei macht mir die Angst vor Nähe und gleichzeitig die Angst vor dem allein sein eine echte Scheißangst.“ Ich sehe ihm in seine wunderbaren tiefblauen Augen.

„Ich lasse dir all die Zeit die du brauchst.“ Er küsst mich zärtlich.

„Man sagt, das Borderline genetisch bedingt sein kann oder die Grundsteine dazu im Kindesalter gelegt werden, aber das trifft bei mir nicht zu. Bei mir wurde die Störung durch den Überfall ausgelöst und deshalb war sie “einfacher“ zu behandeln. Meine ganz genaue Diagnose lautet Borderline Persönlichkeitsstörung nach schwerer posttraumatischer Belastungsstörung. Das halbe Jahr hat mir gezeigt, wie ich mit meinen Ängsten umgehen muss, damit sie mich nicht überwältigen. Ich merke, wie gut mir das zwischenzeitlich schon gelingt. Hätte sich früher ein Patient meiner Behandlung widersetzt, da hätte ich wahrscheinlich nicht abschätzen können, wie ich reagiere. Aber jetzt kann ich es hinnehmen und mich auf andere Sachen fokussieren.“ Ich lächle mit ein wenig Stolz auf mich.

„Du bist atemberaubend.“ Er küsst mich und lässt mich alles, was ich noch sagen wollte vergessen.

Diese Nacht wird die schönste Nacht meines Lebens, ich wurde noch niemals so geliebt und dennoch kann ich mich nicht mit ganzen Herzen auf ihn einlassen. Ich habe einfach unglaubliche Angst…

Am nächsten Morgen wache ich fest an ihn gekuschelt auf und winde mich vorsichtig aus seinen Armen. Ich lege Holz nach und ziehe mir dann mein Shirt und meinen Slip an. Tatsächlich schaffe ich es, uns einen anständigen Kaffee zu machen und Jake streckt sich gähnend.

Er wickelt sich die Decke um die Hüfte und kommt zu mir.

„Gut geschlafen mein Stern?“ er haucht mir einen Kuss auf die Wange.

„Ja, wie ein Stein.“ Ich reiche ihm einen Becher mit Kaffee.

Wir setzen uns auf die Couch und sehen uns einfach nur an. Das piepen des Funkgerätes holt uns aus unserer trauten Zweisamkeit und seufzend geht Jake ran.

„Hey ihr Zwei! Lebt ihr noch? Hier unten ist das Wetter wieder in Ordnung. Wie sieht es bei euch aus?“ fragt Evan belustigt.

„Wir leben beide noch und werden uns in einer Stunde mit den Snowboards auf den Weg machen. Wir sind dann in drei Stunden wieder in Hope.“ Erklärt er ihm.

„Gut, wir sehen uns.“ Dann klackt es wieder und ich sehe Jake traurig an.

„Hey…“ er nimmt mich in den Arm „Wir haben noch eine Stunde.“

„Da seid ihr ja endlich.“ Werden wir von Ana begrüßt als wir mit unseren Snowboards über die Schultern die Straße entlang gestapft kommen.

„Warst du eingeschneit oder wir?“ Jake sieht sie grinsend an.

„Komm, ihr Beide lebt noch. So schlimm kann es nicht gewesen sein.“ Sie nimmt uns in den Arm.

„Das wird aber auf jeden Fall nach geholt und das nächste Mal checke ich das Wetter ab und nicht Drew.“ Verspricht sie uns.

„Aber sicher. Ich werde mir jetzt ein heißes Bad gönnen und dann zu Pete und Liv gehen.“ Verabschiede ich mich und drücke Jake einen Kuss auf die Wange „Wir sehen uns.“ Flüstere ich ihm ins Ohr und er lächelt.

„Ja sicher, ich muss nur noch morgen und übermorgen weg.“ Er drückt kurz meine Hand und ich gehe dann mal wieder dümmlich grinsend nach Hause.

Ehe ich mich versehe ist Heilig Abend und ich sitze bei Liv und Pete auf der Couch, es ist schön, wir erzählen von früher und als John und Sally mit Jake kommen, wird es irgendwie richtig familiär. Ich fühle mich wohl in Hope und ich fühle mich noch wohler, wenn ich Jake in meiner Nähe habe.

Gegen 23 Uhr verabschieden wir uns und ich verspreche Liv und Pete hoch und heilig morgen zum Geschenke auspacken vorbei zu kommen.

Jake bietet sich an, mich nach Hause zu bringen, aber stattdessen gehen wir zu ihm.

Ich bin das erste Mal bei ihm und sehe mich staunend um, als wir das Haus betreten.

Es ist gemütlich und warm eingerichtet, so gar nicht der Junggesellen - Stil den ich erwartet hatte.

„Gefällt es dir?“ er tritt hinter mir und knabbert an meinem Ohrläppchen.

„Du hast Geschmack.“ Gebe ich zurück.

Das Haus ist bestimmt doppelt so groß wie meins, aber durch die Möbel, die perfekt zum Holzton der Wände passen, wirkt alles stimmig und heimelig.

Ja, ich gebe es zu, ich fühle mich hier wohl…

Er hat ein riesiges Wohnzimmer mit einer Arbeitsecke, ein wirklich schöne, weiße Küche und einen gemütlichen Essplatz direkt unter dem Fenster, mit Blick auf Hope und auf den Mount Foot.

„Hast du das alles selber ausgesucht?“ ich fahre mit den Fingern über die Kommode im Flur.

„Ja…“ er lacht leise „Zusammen mit meiner Mum.“ Gesteht er schließlich und hilft mir aus der Jacke.

Ich sehe ihn an und ziehe ihm seinen Pullover über den Kopf.

„Was wird das?“ fragt er neckend.

„Ich habe doch einen Weihnachtswunsch, oder?“ lächle ich.

„Ja, der da wäre?“ er knöpft meine Strickjacke auf.

„Liebe mich.“ Flüstere ich in sein Ohr.

Er nimmt mich auf den Arm und trägt mich die Treppe hoch in sein Schlafzimmer.

„Immer.“ Haucht er mir ins Ohr und beginnt meinen nackten Bauch zu küssen, ich bäume mich auf und fahre ihm durch die Haare.

Ich ziehe ihn hoch und drücke ihn aufs Bett, so dass ich auf ihm sitze. Ich ziehe mich mein T-Shirt über den Kopf und lächle ihn an.

„Du bist wunderschön.“ Flüstert er und ich küsse ihn.

Ich schiebe nun sein T-Shirt hoch und küsse seinen Bauch, bei jedem kleinen Kuss zuckt er zusammen und ich öffne den Gürtel seiner Hose, dann öffne ich die Knopfleiste und ziehe ihm die Hose über den Po. Das das was ich hier tue nicht ohne Wirkung ist, wird mir spätestens jetzt bewusst und ich streiche sanft über seine Erregung. Ich sehe zu ihm auf und sehe, dass er die Augen vor Verlangen geschlossen hat. Ich befreie ihn von seinen Boxershorts und schlüpfe aus meiner Jeans.

Ich trage nur noch meine Unterwäsche und beuge mich über ihn. Meine Zunge umkreist in langsamen Bewegungen seine Eichel und er stöhnt leise auf, ich küsse sein Glied ganz sanft und nehme schließlich die Spitze in den Mund.

„Gott.“ Murmelt er und ich muss grinsen.

So hat mich bisher noch niemand genannt…

Ich verwöhne ihn, plötzlich zieht er mich mit einer ruckartigen Bewegung hoch.

„Ich will dich jetzt….“ Seine Augen glühen vor Verlangen „Und wie ich dich jetzt will.“ Er zieht mir meinen Slip aus und positioniert mich auf seiner Mitte, mit einem mutigen Stoß lasse ich mich fallen und schließe meine Augen.

Das ist so gut… meine Innerstes spannt sich auf köstlichste an und ich beginne mich langsam zu bewegen. Er nestelt an meinem BH Verschluss herum und wirft ihn schließlich achtlos zu Boden, dann umschließt er meine Brüste und beginnt sie zärtlich zu massieren.

„Sie mich an.“ bittet er mich und ich öffne meine Augen um in seinen zu versinken.

Meine Hände sind mit seinen neben seinem Kopf verschlungen und ich bewege mich stetig auf ihm.

Ich merke wie sich alles in meinem Inneren anspannt und komme dann zusammen mit ihm zum Höhepunkt. Glücklich, aber erschöpft lasse ich mich auf ihn sinken und lege meine Stirn an seine.

Wir schließen beide die Augen und lassen uns von den letzten Wellen davon tragen. Dann hebt er mich an und legt mich neben sich.

„Bleibst du heute Nacht bei mir?“ er küsst mich zärtlich.

„Hmm.“ Nuschele ich.

Ich kann mir ja viel vorstellen, aber bestimmt nicht, jetzt noch durch die eiskalte Nacht zu laufen.

Ehe er mir noch weitere Fragen stellen kann, bin ich auch schon eingeschlafen.

„Nein, nein, nein…“ ich wälze mich unruhig umher und versuche meinem Alptraum zu entkommen.

„Tess…“ höre ich eine beruhigende Stimme an meinem Ohr „Ich bin da.“ Starke Arme umschließen mich und meine Atmung beruhigt sich langsam.

Mein Gesicht ist nass von Tränen und ich kuschele mich an Jakes Brust.

„Ich bin da.“ Flüstert er erneut und ich schluchze leise.

„Ich will es nicht mehr durchmachen müssen.“ Weine ich.

„Ich bin doch hier.“ Er hebt mein Kinn vorsichtig an „Ich bin hier.“ Seine Augen sehen mich voller Liebe an und ich schlucke schwer.

„Mein Held.“ Wispere ich und sein Mund verzieht sich zu einem kleinen lächeln.

„Schlaf jetzt noch ein bisschen.“ Er umschlingt mich und ich finde tatsächlich noch etwas Schlaf.

Es ist noch stockdunkel, als ich das nächste Mal aufwache, aber die LED Zahlen an der Decke sagen mir, dass es schon kurz nach 9 Uhr ist. Ich versuche mich Jakes klammerhafter Umarmung zu entwinden und er brummt neben mir.

„Wo willst du denn hin?“ nuschelt er und hält mich noch ein wenig fester.

„Ich habe doch Pete und Liv versprochen vorbei zu kommen.“ Flüstere ich.

„Du hast noch Zeit.“ Grummelt er und küsst meine Schulter.

„Pete kennt mich, ich schlafe gewöhnlich nie länger, als bis 9 Uhr.“ Gebe ich zurück und genieße seine Küsse auf meiner Schulter und in meiner Halsbeuge.

„Was muss ich tun, damit du länger bleibst?“ er haucht mir ins Ohr und ich bekomme eine Gänsehaut.

„Mach einfach weiter.“ Ich räkele mich und er lacht leise.

„Wo sind denn ihre Prinzipien geblieben Dr. Scott?“ neckt er mich.

„Keine Ahnung.“ Ich drehe mich in seinen Armen zu ihm um. „Du hast einen schlechten Einfluss auf mich.“

„Ich? Auf dich?“ er lacht und küsst mich.

„Ja sicher. Ich etwa auf dich?“ ich rolle mich auf ihn und er grinst schelmisch.

„Im Moment hast du ganz und gar keinen schlechten Einfluss auf mich.“ Er hält mich an der Hüfte fest und ich kreische auf.

Tatsächlich schaffen wir es eine Stunde später aus dem Bett, da ich so etwas im Gefühl habe lege ich Jakes Geschenk auf den Küchentisch.

„Ich gehe jetzt zu Pete und Liv.“ Rufe ich nach oben, da Jake noch unter der Dusche ist.

„Warte!“ er kommt nur im Handtuch die Treppe runter gestürmt. Er kramt in der Kommode und reicht mir ein kleines Päckchen. „Frohe Weihnachten.“ Er küsst mich innig.

„Ich danke dir mein Held.“ Lächle ich und packe es vorsichtig aus, es kommt eine Schatulle zum Vorschein und ich öffne sie besonnen. Ein silberne Kette mit einem Anhänger in Sternform strahlt mich an.

„Die ist wunderschön.“ Hauche ich.

„Komm her.“ Er nimmt die Kette heraus und legt sie mir an.

„Jetzt ist sie wunderschön.“ Er küsst meine Stirn.

„Ich danke dir.“ Ich umarme ihn und mache mich dann los. „Wann sehen wir uns?“

„Ich bin die Feiertage bei meinen Eltern und dann muss ich zu zwei Verhandlungen nach Anchorage…“ er sieht mich entschuldigend an.

„Heute Abend bei mir?“ frage ich hoffnungsvoll und er lächelt.

„Ja.“ Sagt er schließlich und drückt mir einen letzten Kuss auf die Lippen „Ich bin um 23 Uhr bei dir.“ Er zwinkert mir zu.

„Bis dann.“ Ich gehe zur Tür „Übrigens, dein Geschenk liegt auf dem Küchentisch.“ Ich schicke ihm einen Luftkuss und trete in die kalte Luft hinaus.

Gut, das Liv und Pete gleich um die Ecke wohnen, dann stellt wenigstens keiner Fragen…

Ich hoffe Jake gefällt sein Geschenk, ich habe ihm eine Miniaturausführung seiner Flugzeuges in Silber gekauft und seinen Namen eingravieren lassen, dazu habe ich ihm eine kleine Karte geschrieben. Ich bin gut darin meine Gefühle schriftlich auszudrücken, aber lausig darin es den Menschen selber zu sagen.

 

Fröhliche Weihnachten Jake!

Ich hoffe mein Geschenk gefällt dir, ich habe es mit Mühe ausgesucht und musste Kev unauffällig fragen, was genau dein Baby für ein Flugzeug ist.

Ich danke dir für die letzten Wochen, ich danke dir so sehr.

Ich danke dir vor allen Dingen dafür, dass wir unser kleines Geheimnis bleiben können, denn ich bin einfach noch nicht so weit.

Ich will, dass du weißt, dass du mir unendlich wichtig bist.

In Liebe

Tess

 

Das war nicht immer so, dass ich Briefe brauchte, um mich meinen Mitmenschen mit zu teilen, aber ich habe mich verändert. Das ist nun einmal eine Tatsache, der ich ins Auge sehen muss.

Siedend heiß fällt mir ein, das ich ja noch Pete und Livs Geschenk von zu Hause holen muss und ich schlage den schnellsten Weg zu meinem Haus ein. Natürlich begegne ich Rob und er sieht mich fragend an.

„Fröhliche Weihnachten Tess! Wo kommst du denn her?“ er kommt bei mir an und nimmt mich in den Arm.

„Ich habe die Geschenke für Pete und Liv vergessen.“ Ich seufze und er lacht auf.

„Ja, was man nicht im Kopf hat…“

„Das hat man in den Beinen. Danke Rob! Bestell Jen ganz liebe Grüße!“ ich winke ihm zu und schließe meine Haustür schnell auf. Es ist kühl im Haus und ich stelle die Heizung höher, ich will ja nicht frieren, wenn ich heute Abend nach Hause komme.

Obwohl mir bestimmt nicht kalt sein wird… ich lächle bei dem Gedanken an Jake und schnappe mir Livs und Petes Geschenk.

Liv bekommt ein Kochbuch, welches sie ewig gesucht hat, aber nie finden konnte und Pete bekommt ein Pfeifenset, da er vor ein paar Wochen gemeint hat, da er jetzt im Ruhestand ist, müsse er Pfeife rauchen.

Ich entscheide mich schnell, mir wenigstens einen anderen Pullover anzuziehen, denn sonst wird es für Pete zu offensichtlich. Mein Blick fällt auf meine große Uhr in der Küche, es ist 10:37 Uhr, es wird so schon offensichtlich genug sein…

20 Minuten später klopfe ich bei Liv und Pete und gehe gleich rein. Ist ja nicht so, als gehe ich zu Fremden.

Der Tag wird so schön, Liv und Pete schenken mir ein graviertes Stethoskop und noch ein paar andere nützliche Sachen und meine Geschenke kommen wirklich gut an.

Pete beobachtet mich den ganzen Tag mit Argusaugen und ich werde das Gefühl nicht los, das er weiß, was los ist. Ich beschließe ihn nicht darauf anzusprechen. Zum Abendessen telefoniere ich mit meinen Eltern über Skype und es tut wirklich gut sie mal wieder zu sehen.

Als es immer später wird, beginne ich ständig auf die Uhr zu sehen.

„Sag mal Kind, was ist denn mit dir los?“ Liv sieht mich belustigt an.

„Nichts.“ Erwidere ich unschuldig.

„Komm schon Kleines…“ Pete schenkt mir einen Wir – sind - nicht - von – gestern – Blick.

Ich weiche seinem Blick aus und er lacht leise.

„Geh zu ihm. Er tut dir gut.“ Er winkt ab.

„Pete…“ setze ich an.

„Was ihr tut, was ihr sagt und was ihr für Richtig haltet ist euere Sache. Wir wissen von nichts.“ Unterbricht er mich.

„Das ist unverbindlich.“ Ich zucke mit den Schultern.

„Ja, schon klar…“ Liv winkt ab „Sieh zu, dass du nach Hause kommst.“

„Danke!“ ich stehe auf und drücke beiden einen Kuss auf die Wange.

„Bis morgen und vielleicht schaffst du es dann ja, eine andere Jeans und ein anderes T-Shirt anzuziehen.“ Feixt Pete und ich ziehe mir mit hochrotem Kopf meine Jacke über.

Ich bin kurz vor 23 Uhr bei mir und es ist gemütlich warm, wie ich erfreut fest stelle, als ich die Haustür aufstoße.

„Hey.“ Starke Arme umfassen mich und ich kreische auf.

„Gott Jake, wegen dir bekomme ich noch einen Herzinfarkt.“ Lache ich und ziehe ihn ins Haus.

„Das will ich aber nicht.“ Er grinst breit, zieht sich seine Jacke aus und hängt sie neben meine an die Garderobe.

Ich gehe ihm voraus in die Küche und hole eine Flasche Wein aus dem Schrank, mit der bewaffnet und mit zwei Gläsern komme ich wieder ins Wohnzimmer. Jake hat den Kamin befeuert und nimmt mir die Flasche und die Gläser ab, um sie auf den Tisch zu stellen.

„Dein Geschenk war toll.“ Er küsst mich innig.

„Es freut mich, dass ich das Richtige gefunden habe.“ Lächle ich.

Wir machen es uns auf der Couch bequem und reden fast die ganze Nacht über belanglose Themen. Gegen 7 Uhr morgens geht er und ich sehe ihn traurig an.

„Viel Spaß in Anchorage.“ Ich nehme ihn in den Arm.

Es ist merkwürdig, wie schnell man sich an die Nähe eines anderen Menschen gewöhnen kann und gleichzeitig erschreckend wie viel Angst sie auch in einem auslösen kann.

„Wir sehen uns zu Drews und Anas Silvesterparty.“ Verspricht er mir und ich nicke leicht.

„Sei vorsichtig.“ Bitte ich ihn.

„Ich rufe dich an, wenn ich morgen früh gelandet bin. Okay?“ er nimmt mein Gesicht in seine Hände.

„Okay.“ Erwidere ich leise und er küsst mich zärtlich.

Ich winke ihm noch hinterher und gönne mir anschließend ein Bad, ich überlege krampfhaft, ob ich es wagen sollte mich noch hin zu legen, denn Liv und Pete erwarten mich zum Mittag. Etwas unschlüssig stehe ich nur mit einem Handtuch im Flur, als ich von der Klingel unterbrochen werde und zur Tür gehe.

Ana rauscht an mir vorbei und bringt einen eiskalten Windhauch mit.

„Gott Ana…“ ich schließe die Tür schnell wieder „Was machst du um diese Zeit hier?“

„Ich muss es dir erzählen, sonst platz ich…“ sie strahlt mich an und ich lege meinen Kopf schief.

„Können wir dafür ins Wohnzimmer gehen?“ bitte ich sie und schiebe sie vor mich her.

Sie legt ihre Jacke auf die Rückenlehne der Couch und dreht sich dann zu mir um.

„Drew und ich werden heiraten!“ sie hält mir stolz ihren Ring hin.

„Was? Wahnsinn!“ ich nehme sie in den Arm. „Wann hat er dich gefragt?“

„Gestern Abend, unter dem Weichnachtsbaum, vor unseren Familien. Er war so romantisch.“ Schwärmt sie und ich betrachte eingehend ihren Ring.

„Ich zieh mir schnell was an, dann kannst du es mir ausführlich erzählen, ja?“ ich sehe sie an und sprinte die Treppe hoch. Ich ziehe mir nur schnell Unterwäsche, eine Jogginghose und einen Pullover an und laufe wieder runter.

„So, jetzt erfriere ich nicht mehr. Erzähl schon.“ Ich setze mich im Schneidersitz ihr gegenüber.

„Drew war gestern den ganzen Tag schon so hibbelig und dann hat er sich nachmittags noch mit Carter getroffen…“ sie grinst mich an „Ich wusste, da ist was im Busch. Nach dem Abendessen steht er auf und geht vor mir in die Knie. Er erzählt mir, das ich sein Leben bin und das er niemals auch nur eine Sekunde ohne mich sein will.“ Sie strahlt übers ganze Gesicht „Dann hat er mich gefragt, ob ich seine Frau werden will.“ Sie betrachtet ihren Ring und ich nehme sie in den Arm.

„Ich freue mich so für euch Beide. Habt ihr schon ein Datum ins Auge gefasst?“ ich lasse sie los und kann nicht anders, wie sie nun auch anzustrahlen. Sie und Drew gehören einfach zusammen…

„Den 07.07.“ sie lacht leise „So habe ich vielleicht eine Chance, dass mein Mann den Hochzeitstag nicht allzu oft vergisst.“

Ich lache leise „Da könntest du Recht haben.“ Stimme ich ihr zu.

„Sag mal, warum bist du eigentlich schon auf? Als wir heute Nacht nach Hause gefahren sind, da war bei dir noch Licht. Ich dachte, du hast bestimmt noch gelesen.“ Sie sieht mich fragend an.

„Ich habe gar nicht geschlafen.“ Gebe ich zu. „Ich gehe gleich zu Liv und Pete.“

„Und das hältst du durch?“ sie sieht mich mit hoch gezogenen Augenbrauen an.

„Sicher, ich bin schon länger ohne Schlaf ausgekommen.“ Ich winke ab.

„Ich wollte es auch nur unbedingt los werden und ich dachte meine beste Freundin sollte es erfahren, bevor es in Hope die Runde macht.“ Sie zwinkert mir zu.

„Ich danke dir.“ Ich nehme sie erneut in den Arm.

„Im Übrigen bist du meine Trauzeugin und meine Brautjungfer. Ist klar, oder?“ lacht sie.

„Was? Ich?“ ich sehe sie überrascht an.

„Sicher, wie schon gesagt, du bist meine beste Freundin. Du bist erst seit 4 Monaten hier, aber ich möchte in die Kirche mit niemanden anderem als Beistand betreten.“ Sie lächelt schüchtern.

„Oh Ana!“ ich drücke sie wieder an mich „Danke.“ Flüstere ich und merke wie mir Tränen in die Augen steigen.

„Weinst du?“ sie sieht mich mit einem weichen Blick an.

„Nein.“ Lüge ich.

„Gott Tess.“ Sie streicht mir die Tränen weg. „Ich danke dir.“

Dann beginnen wir ihre Hochzeit und ihren Junggesellinnenabschied zu planen und es macht wirklich Spaß, wir verfallen ganz in unsere Träumereien.

„So, ich muss jetzt.“ Sie sieht auf die Uhr, 11:22 Uhr „Mein Verlobter fragt sich bestimmt, wo ich bin.“

„Nein tut er nicht, er weiß doch genau, dass du bei mir bist.“ Ich zwinkere ihr zu.

„Da hast du Recht.“ Stimmt sie mir zu und zieht sich ihre Jacke wieder an. „Wir sehen uns morgen, ich komme gegen Mittag vorbei.“ Sie drückt mich kurz und dann ist sie auch schon wieder weg.

Ich ziehe mich, mit einem Blick auf die Uhr, ebenfalls um und mache mich auf den Weg zu Liv und Pete. Der zweite Feiertag wird ruhig und entspannt, nach gestern sind wir alle entweder noch voll gestopft oder erschöpft.

Gegen 18 Uhr fallen mir auf der Couch die Augen zu und ich werde am nächsten Morgen leicht verwirrt von Petes fröhlichem Pfeifen geweckt. Ich komme hoch und sehe, dass er in der Küche das Frühstück macht.

„Guten Morgen.“ Murmele ich.

„Guten Morgen...“ er dreht sich grinsend um „Ich will ja nicht frech sein, aber die Zeiten in denen du die Nacht durch gemacht hast und den nächsten Tag auch noch überstanden hast, sind wohl vorbei.“

„Danke, das du es mir so schonend bei bringst.“ Ich strecke mich und gehe zu ihm in die Küche. Ich hopse neben ihn auf die Küchentheke und er reicht mir einen Becher mit herrlich duftenden Kaffe.

Ich liebe den Geruch von frischem Kaffee und genehmige einen großen Schluck.

„Hast du eigentlich schon die Neuigkeiten von Drew…“ setzt er an.

„Ja, Ana war gestern früh bei mir. Habe ich das nicht erzählt?“ ich lege meinen Kopf schief und er lacht leise.

„Wie konnte ich ernsthaft denken, dass du es noch nicht weißt?“ fragt er sich selbst und ich muss nun auch lachen.

Nach einem ausgiebigem Frühstück gehe ich zu mir und werde nach dem Mittag von Ana und Drew zu einer Snowboardtour abgeholt.

„Alles Gute!“ ich falle Drew lachen um den Hals.

„Danke Tess.“ Er drückt mich an sich „Komm, ich will auf den Berg.“ Er grinst mich an und reicht mir meinen Helm.

Tatsächlich verbringen wir die nächsten Tage nur auf der Piste und am Abend damit die Hochzeit zu planen.

Am Silvestermorgen schneit es heftig und ein Gast nach dem anderen sagt ab.

Ana ist völlig verzweifelt, denn schlussendlich haben wirklich fast alle abgesagt.

„Man, ich hoffe Jake kommt an einem Stück runter.“ Drew sieht nach draußen.

„Er fliegt bei den Wetter?“ ich sehe ihn mit großen Augen an.

„Ja, er hat mich vor vier Stunden angerufen, als er in Anchorage los geflogen ist.“ Er sieht weiter aus dem Fenster.

„Ich fahre zum Flugfeld.“ Ich nehme mir meine Jacke und Drew sieht mich verwirrt an.

„Wenn der Idiot abgestürzt ist… Was meinst du, wer ihn dann suchen muss?“ ich ziehe eine Augenbraue hoch und er nickt leicht.

Ich kämpfe mich mit meinem Schneemobil durch den hohen Schnee und sehe mich suchend um, als ich auf dem Flugfeld bin, von Jakes Maschine weit und breit keine Spur. Ich gehe in das kleine Häuschen und nehme das Funkgerät, dann suche ich auf der Liste nach dem Rufnamen von Jakes Maschine.

„Point Hope Flugfeld hier. Alpha Juliet Charlie 2 bitte kommen.“ Sage ich ängstlich.

„Hier Alpha Juliet Charlie 2. Was gibt es Point Hope?“ ertönt die Stimme von Jake und ich atme erleichtert aus.

„Beweg deinen Arsch hier runter du Idiot.“ Fluche ich und er lacht auf.

„Dr. Scott, wir sind auf der offiziellen Frequenz, mäßigen sie ihren Ton.“ Erwidert er belustigt. „Ich bin in 15 Minuten unten. Kannst du die Beleuchtung einschalten?“

„Ja.“ Sage ich nur und gehe an den Verteilerkasten um die Großbeleuchtung anzustellen. Nicht nur das es wie verrückt schneit, nein es ist auch schon fast stockdunkel, in 10 Minuten ist das letzte Licht dann auch weg und er landet nur mit Hilfe der Lichter. Ich habe das schon ein paar Mal mit erlebt und ich weiß, er weiß was er tut. Dennoch habe ich ein flaues Gefühl im Magen…

Ich starre in den Himmel, aber ich sehe nichts und mit nichts, meine ich absolut nichts. Dann tauchen die kleinen grünen Lichter des Flugzeuges auf und ein paar Minuten später kommt er zum stehen. Ich lasse ihn das Flugzeug an die Seite fahren und den Motor ausstellen, erst dann laufe ich los und falle ihm um den Hals, kaum das er ausgestiegen ist.

„Hey, was ist den los?“ er gibt mir einen Kuss.

„Was los ist?“ ich schlage leicht nach ihm „Hier unten tobt ein Schneesturm und du bist mit diesem Pappkarton unterwegs.“ Ich deute auf sein Flugzeug „Ich bin vor Angst fast gestorben, zum Glück hat mir Drew erst vor einer halben Stunde gesagt, das du Idiot dich tatsächlich in dein Flugzeug gesetzt hast.“ Rede ich mich in Rage „Ganz ehrlich…“

Er lächelt nur und versiegelt meine Lippen mit einem sanften Kuss.

„Ich bin hier mein Stern.“ Sagt er leise „Und jetzt vertäuen wir mein Baby, über das ich nie wieder ein schlechtes Wort aus deinem Mund hören will und fahren zu Drew und Ana. Denn wie ich weiß, sind wir die Einzigen Gäste.“ Er nimmt mich in den Arm „Ich komme immer wieder zurück zu dir.“ Verspricht er mir.

Wir zurren die Gurte des Flugzeuges fest und fahren dann so schnell es eben geht zu Drew und Ana, die mit einem Glühwein auf uns warten.

„Bin ich froh dich zu sehen!“ Ana fällt Jake um den Hals. „Bist du total übergeschnappt?“ faucht sie ihn plötzlich an und ich ziehe meine Jacke aus und beobachte die Szene grinsend.

„Du bist ein Spatzenhirn Carter, ich dachte ja immer, du MUSST schlau sein, weil du Anwalt bist, aber du bist einfach nur ein absoluter Idiot!“ sie schüttelt den Kopf.

„Sorry.“ Sagt er kleinlaut und legt seine Jacke nun auch ab.

Dieses Silvester ist mit nichts zu vergleichen. Es gibt hier oben kein Feuerwerk, wer sollte auch eins machen? Wir sitzen zusammen, trinken Wein und lassen das alte Jahr hinter uns.

„Ich muss ins Bett.“ Ich strecke mich, es ist kurz vor 3 Uhr und ich habe die letzte Nacht schlecht geschlafen.

„Du gehst nirgendwo mehr hin.“ Drew sieht mich an „Komm schon Tess, es schneit immer noch und du würdest dich bei unserem Glück verlaufen und wir müssten dich nach dem Schneesturm suchen. Du schläfst bei uns…“ er lächelt mich an „Und du auch.“ Er deutet auf Jake und dieser sieht ihn erstaunt an.

„Ich finde meinen Weg.“ Sagt Jake sicher.

„Mir egal, ihr schlaft beide hier. Für was haben wir oben unterm Dach zwei Gästezimmer?“ Er steht auf und hilft mir aufzustehen.

„Komm, ich leih dir ein T-Shirt zum schlafen. Gute Nacht Carter.“ Sie gibt Jake einen Kuss auf die Wange und wir gehen nach oben.

Ich ziehe mich um und dann bringt mich Ana ins Gästezimmer. Unterm Dach ist nur ein schmaler Flur und jeweils rechts und links ein kleines Zimmer. Ich bekomme das Rechte und Jake das Linke.

„Gute Nacht Drew.“ Ich umarme ihn und krabbele dann in das herrlich einladend aussehende Bett.

„Gute Nacht!“ ruft er von der Treppe aus hoch und Jake und ich antworten im Chor.

Dann ist das ganze Haus still, ich warte einen Moment und will gerade aufstehen, als Jake sich zu mir aufs Bett setzt.

„Wo willst du denn hin?“ fragt er leise.

„Zu dir.“ Gebe ich zu und hebe meine Decke an.

Er kommt unter meine Decke und nimmt mich in den Arm. Ich genieße es in seinen Armen einzuschlafen, immer wenn er neben mir liegt, dann schlafe ich viel besser.

Sanft küsst er meinen Hals und ich stöhne wohlig auf.

„Das lassen wir lieber.“ Raunt er mir ins Ohr „Ich habe dieses Haus mit gebaut und es ist verdammt hellhörig.“ Er knabbert an meinem Ohrläppchen.

Ich gebe ein enttäuschten Schnauben von mir und er lacht leise.

„So sehr wollen sie mich Dr. Scott?“ fragt er neckisch.

„Ja Carter, ich will sie.“ Flüstere ich und er presst mich fest an sich.

„Das holen wir nach, versprochen.“ Haucht er mir ins Ohr und ich schlafe geborgen in seinen Armen ein.

Am nächsten Morgen wache ich alleine auf und kuschele mich in meine Decke, irgendwann hält es mich dann aber doch nicht mehr im Bett, ich wickele mich in die Decke und gehe runter in die Küche.

„Hey, das du heute noch mal aufstehst, habe ich ja fast nicht für möglich gehalten.“ Ana grinst mich an und ich setze mich zu ihr an den Küchentisch. „Wie spät ist es denn?“ frage ich gähnend.

„Kurz nach 16 Uhr.“ Sie schiebt mir eine Tasse Kaffee über den Tisch.

Irgendwie wissen alle, was ich morgens als Erstes brauche… Kaffee!

„Gott, ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal so lange geschlafen habe.“ Ich strecke mich.

„Du hast es einfach mal gebraucht. Hunger?“ sie hält in ihrer Bewegung inne und sieht mich an.

„Ein wenig.“ Gebe ich zu.

„Ich kann dir noch verlorene Ritter anbieten, die haben Drew und Carter heute Morgen gemacht.“ Sie schiebt mir einen Teller rüber und ich beiße beherzt rein. „Wow, die kann man sogar essen.“ Staune ich.

„Wenn sie wollen, dann können sie das richtig gut.“ Sie zwinkert mir zu und setzt sich wieder zu mir.

„Was ist da nun eigentlich zwischen dir und Carter?“ sie legt ihren Kopf schief.

Na super, die Fragerunde beginnt…

„Nichts.“ Gebe ich ausweichend zurück.

„Komm schon, er mag dich und du magst ihn. Wo ist euer Problem?“ sie sieht mich abwartend an.

„Ich weiß nicht, ob ich bereit bin eine Beziehung zu führen. Ich weiß nicht, ob ich das kann.“ Ich halte meine Tasse fest umklammert.

„Was ist in New York passiert?“ fragt sie behutsam. Es ist das erste Mal, das sie mich direkt fragt und ich atme tief durch. Sie ist meine beste Freundin, ich sollte keine Geheimnisse vor ihr haben…

„Mein Verlobter und ich wurden überfallen.“ Ich stelle die Tasse ab und reibe mir die Schläfen „Er wurde erschossen und ich nieder gestochen. Er ist in meinen Armen verblutet…“ ich schließe meine Augen und einzelne Tränen hinterlassen eine salzige Spur auf meiner Haut. „… Danach war ich nicht mehr ich selbst. Ich hatte Panikattacken, ich schlief kaum, ich konnte mich nicht mehr konzentrieren… Anfang des Jahres haben mich meine Eltern in eine Psychiatrie einweisen lassen. Bei mir wurde eine Borderline Persönlichkeitsstörung aufgrund einer schwerer posttraumatischer Belastungsstörung diagnostiziert.“ Ich sehe sie an und sie denkt einen Moment nach.

„Wie macht sich das Bemerkbar?“ fragt sie vorsichtig.

„Ich kann mit zwischenmenschlichen Gefühlen nicht richtig umgehen, beziehungsweise musste ich das neu lernen. Es fällt mir manchmal immer noch schwer, Nähe und Distanz zu regulieren. Dabei macht mir die Angst vor Nähe und gleichzeitig die Angst vor dem allein sein wirklich eine Heidenangst. Ich habe mich selbst verletzt, weil ich ein Ventil brauchte. Ich habe versucht meine Gefühle unter der Oberfläche abzuschalten, was natürlich nicht funktioniert hat und immer, wenn der Druck zu groß wurde, dann habe ich mich selbst geschnitten. Nie sehr tief, aber immer so tief, das Blut gelaufen ist. Es gab mir ein Gefühl von Macht über das Chaos in meinem Kopf, auch wenn es dadurch nicht ein Stück besser wurde.“ Versuche ich annähernd zu erklären, was in mir vorgegangen ist. „Ich war ein halbes Jahr in einem Zentrum für psychisch gestörte Menschen und habe dort gelernt, meine Gefühle zu kontrollieren und meine Angst in den Griff zu bekommen. Ich gelte als geheilt, aber man kann nie sagen, ob es nicht doch noch zu einem Rückfall kommt. Es kann ein kleiner sein…“ ich zucke mit den Schultern „Wenn ich zum Beispiel wieder anfangen würde mich zu schneiden, dann heißt das nicht, das die Krankheit zurück ist, dann heißt es nur, das mein Kopf nicht verarbeiten kann, was in meinem Leben gerade passiert und ich nicht die Hilfe bekomme, die ich brauche.“

Ich sehe sie an, ihre Augen sind geweitet und sie kämpft mit den Tränen.

„Pete hat beschlossen mich hier her zu holen, damit ich von Vorne anfangen kann. Es geht mir so viel besser, seitdem ich hier bin.“ Ich nehme ihre Hand „Aber ich kann mich nicht auf Jake einlassen, selbst wenn ich es mir vielleicht wünsche. Ich bin noch nicht so weit…“ immer mehr Tränen kullern über meine Wangen „Denn das würde bedeuten, dass ich ihn liebe und ich würde vor Angst darum ihn zu verlieren, durchdrehen.“ Gestehe ich ihr. „Ihm will ich das nicht zumuten und mir kann ich es nicht zumuten.“

„Oh Tess!“ sie steht auf und nimmt mich in den Arm. „Ich bin da, wenn du reden willst.“ Verspricht sie mir und ich nicke an ihrer Schulter.

„Danke. Wo sind die Jungs eigentlich?“ frage ich nach einer Weile und sie lässt mich los.

Sie lächelt mich unter Tränen an. „Die stürzen sich todesmutig im Neuschnee den Berg runter.“

„Das machen wir morgen auch, ja?“ ich schnäuze mich und sie nickt.

„Aber sicher.“ Sie schenkt mit einen mitleidigen Blick.

„Tu das nicht Ana.“ Ich gehe zu ihr und nehme ihr Gesicht in meine Hände „Bemitleide mich nicht, das ist das Letzte, was ich gebrauchen kann. Ich brauche meine beste Freundin.“

„Wie kommst du darauf, das ich dich bemitleide?“ sie grinst schief „Dafür bin ich nicht der Typ, das müsstest du doch am Besten wissen.“

„Ja und das bleibt so.“ ich knuffe sie leicht und sie lacht auf.

„Danke, dass du es mir erzählt hast.“

„Ich danke dir…“ ich nehme ihre Hand „Und jetzt komm, ich verspüre die unbändige Lust mir noch mindestens 100 Brautkleider anzuschauen.“ Ich ziehe sie hinter mir her ins Wohnzimmer und wir stöbern in den Hochzeitszeitschriften herum.

Als die Jungs am späten Nachmittag wieder kommen, essen wir noch alle zusammen und dann verabschiede ich mich nach Hause.

Jake bringt mich und bleibt über Nacht, am nächsten Morgen ist er weg und ich vermisse seine Nähe. Ich gewöhne mir an auf der Seite des Bettes zu schlafen, wo er immer schläft, denn das Kissen riecht nach ihm und umhüllt mich, wie eine Decke.

Das zweite Wochenende findet das erste Eishockeyspiel des Jahres statt, nachdem die Eisfläche endlich präpariert werden konnte.

Als erstes stehen sich die beiden Männermannschaften gegenüber und sie schenken sich nicht. Obwohl die Bastards im Schnitt halb so alt sind wie die Wolfes, stampfen die sie ungerammt in den Boden.

Gegen Ende des Spiel geht Jake brutal zu Boden und ich werde aufs Feld geordert.

Ich beuge mich über ihn.

„Kannst du mich hören? Jake?“ frage ich besorgt.

„Verdammt.“ Flucht er und ich sehe in seine funkelnden blauen Augen.

„Kannst du aufstehen?“ ich reiche ihm meine Hand und helfe ihm hoch.

„Ist dir schwindelig?“ ich nehme ihm seinen Helm ab und leuchte in seine Augen.

„Das ist hell, das weißt du, oder?“ er kneift die Augen zusammen.

„Ja natürlich.“ Grinse ich und wir gehen an den Spielfeldrand.

„Ist dein Kopf noch dran Carter?“ Ana sieht ihn besorgt an und er lacht leise.

„Es ist schön zu wissen, dass sich meine Exfreundin und zukünftige Frau meines bestes Freundes Sorgen um mich macht.“ Grinst er.

Exfreundin?

Ana war mit Jake zusammen?

Ich starre erst Ana und dann Jake an.

„Tess…“ setzt Ana an, als sie meinen Gesichtsausdruck sieht.

„Lass gut sein.“ Ich drücke ihr meine Helm in die Hand, weil wir die nächsten auf dem Eis wären und stürme in Richtung meines Schneemobils davon.

„Bleib doch stehen.“ Ruft Jake mir nach.

Ich weiß, er muss sich noch seine Schlittschuhe abschnallen und wird nicht schnell bei mir sein. Ich setze meinen Motorradhelm auf und starte mein Schneemobil.

„Verdammt Theresa! Warte!“ ruft er mir hinterher, aber ich gebe einfach Gas.

Ich fahre nicht nach Hause, es ist das erste richtig freie Wochenende seit Wochen und ich will einfach mal meine Ruhe, ich fahre den Pass ganz hoch und kann die Hütte von hier aus schon sehen. Das Gelände ist schwierig, aber ich schaffe es durch zu kommen und parke in dem kleinen Schuppen.

Jake hat mir vor ein paar Wochen gezeigt, wo ich den Schlüssel finde und ich schließe auf. Es ist kalt und ich brauche eine halbe Stunde um den Kamin in Gang zu bekommen. Ich ziehe meine dicken Sachen aus und kuschele mich in langer Unterwäsche unter die Decke.

Plötzlich höre ich Geräusche von draußen und schnelle hoch. Ich nehme ein großes Holzstück in die Hand und sehe abwartend zur Tür… Hier oben gibt es Bären und andere gefährliche Tiere und ich hoffe wirklich sie halten alle brav ihren Winterschlaf.

Die Tür wird aufgestoßen und Jake sieht mich ärgerlich an, dann fällt sein Blick auf den Holzscheit.

„Was hast du damit vor? Willst du ein wildes Tier damit erschrecken, oder ihm Feuer zu seinem Essen anbieten?“ er schließt die Tür hinter sich und nimmt seine Skibrille und seinen Helm ab.

Ich sehe ihn an, ich bin immer noch wütend auf ihn. Auch auf Ana, das gebe ich gerne zu, aber die ist gerade nicht hier.

Sie hätten es mir sagen müssen, erst Recht als ich ihnen alles gebeichtet habe.

Herrgott sie waren mal ein Paar…

Er zieht sich seine Jacke aus und baut sich vor mir auf.

„Was genau denkst du dir eigentlich?“ seine Augen funkeln fast schwarz im Schein des Feuers.

„Was ich mir denke? Du warst mit Ana zusammen und hast es nicht für nötig gehalten es mit zu sagen? Sie ist meine beste Freundin.“ Erwidere ich fassungslos und lasse den Holzscheit sinken.

„Weil es keine Bedeutung hat…“ er kommt weiter auf mich zu „… Tess, das war vor 15 Jahren, wir waren keine 20 und es hat gerade Mal drei Monate gehalten. Dann hat sie erkannt, wen sie wirklich liebt. Nämlich Drew.“ Er ist bei mir angekommen. „Ich ärgere sie nur manchmal damit. Wir wollten dich nicht verletzen.“ Er ist nur noch wenige Zentimeter von mir entfernt und ich halte immer noch meine “Waffe“ fest umklammert.

„Könntest du das Holzstück los lassen? Ich habe Angst, das du mir gleich damit eine überziehst.“ Er greift danach und ich lasse es los.

„Ich fühlte mich vorgeführt… Die Großstadtzicke, die keinen Durchblick hat.“ Gebe ich zu und Tränen sammeln sich in meinen Augen.

„Oh Tess…“ er streicht mir eine Strähne hinters Ohr. „Ich vergesse immer wieder, wie verletzlich du bist.“

„Jake ich…“ setze ich an.

„Psst.“ Er legt mir seinen Zeigefinger auf die Lippen „Ich beweise dir jetzt, wie wenig es mir bedeutet hat.“ Er zieht mich in seine Arme und küsst mich verlangend „Und wenn du noch einmal auf die selten dämliche Idee kommst, hier alleine hoch zu fahren, dann bringe ich dich um, wenn du nicht vorher von einer Lawine begraben wirst.“ Er sieht mich ernst an „Tess, es ist gefährlich hier oben. Du bist ein Greenhorn und dir hätte was weiß ich passieren können.“

„Tut mir leid.“ Gebe ich leise zurück.

Er schiebt sich die Hosenträger seiner Skihose über die Schultern, packt mich und legt mich auf den Teppich vor den Kamin. Ich sehe die Leidenschaft in seinen Augen aufblitzen und er schiebt mein Shirt hoch um meinen Bauch zu küssen, während ich ihm seinen Pullover und sein Shirt in einem Rutsch über den Kopf ziehe.

Er schiebt die Körbchen meinen BHs runter und knabbert an meinen Brustwarzen, die sich ihm sofort erwartungsvoll entgegen recken. Er hebt mich leicht an und befreit mich vollends von meinem Shirt und meinem BH, dann zieht er mir meine lange Unterhose und meinen Slip aus. Er betrachtet mich im Schein des Feuers und obwohl es mollig warm ist, bekomme ich eine Gänsehaut. Dann befreit er sich von seinen Sachen und beugt sich über mich.

„Das. Machst. Du. Nie. Wieder.“ Mit jeden Wort stößt er heftig zu und ich beiße mir auf die Unterlippe.

Ich schüttele mit meinem Kopf und er küsst mich leidenschaftlich. Er ist hart, stürmisch und fast schon grob. Wir entladen die Spannungen des Tages in einem gemeinsamen Höhenpunkt und ich liege schwer atmend in seinen Armen.

„Verdammt Tess, ich hatte Angst um dich.“ Sagt er leise.

„Es tut mir wirklich leid Jake.“ Ich kuschele mich an ihn und er hält mich ganz fest an sich gepresst.

„Wir sollten zurück nach Hope, sonst schickt Ana einen Suchtrupp los.“ Er streckt sich und steht auf.

„Können wir nicht heute Nacht hier bleiben?“ bitte ich ihn.

„Was soll ich denn bitte sagen, uns darf ich ja nicht erwähnen.“ Er zuckt mit den Schultern und ich merke, auch wenn er es nicht zugeben würde, es verletzt ihn.

Es verletzt ihn, dass wir ein Geheimnis sind…

Ich stehe auch auf und beginne mich anzuziehen.

„Es tut mir leid.“ Er nimmt mich in den Arm.

„Es ist in Ordnung.“ Ich streiche sanft über seine Wange und schiebe ihm eine widerspenstige Strähne aus der Stirn.

Wir löschen das Feuer im Kamin und machen uns dann auf den Rückweg, der Hinweg kam mir viel kürzer vor und als wir Hope endlich erreichen, da ist es schon fast dunkel.

„Tess!“ kaum, das ich von meinem Schneemobil abgestiegen bin, nimmt mich Ana in den Arm.

„Es tut mir so leid.“ Flüstert sie mir ins Ohr.

„Okay, Ana, es ist Okay.“ Erwidere ich „Ich will jetzt nur ins Bett und endlich mal wieder ausschlafen.“ Ich sehe sie bittend an und sie nickt.

„Aber sicher, ich komme morgen Nachmittag vorbei.“ Sie drückt mir einen Kuss auf die Wange und Jake kommt zu mir.

„Darf ich mit rein kommen?“ seine Augen fixieren mich.

„Aber…“ setze ich an.

„Wir haben wichtige Sachen zu besprechen, beruflich natürlich.“ Er zwinkert mir zu und folgt mir zur Haustür.

„Beruflich?“ ich sehe ihn skeptisch an.

„Wir sind das Flying Doc’s Team.“ Er nimmt mir den Schlüssel aus der Hand und schließt meine Tür auf.

Im Flur ziehen wir uns erst einmal die dicken Skisachen aus und ich gehe nach oben ins Bad.

„Was wird das?“ Jake sieht mich fragend an.

„Ein Bad.“ Gebe ich zurück und stelle den Wasserhahn an.

„Darf ich dir Gesellschaft leisten?“ er zieht sich seinen Pullover über den Kopf.

„Aber sicher.“ Lächle ich und beginne mich auszuziehen.

Eine viertel Stunde später sitze ich zwischen seinen Beinen in der Badewanne und lehne meinen Kopf entspannt zurück.

„Das ist himmlisch.“ Ich atme tief durch. Das ganze Bad duftet nach Lavendel und es ist ungemein entspannend.

Er knabbert leicht an meinem Ohrläppchen und ich kichere entspannt.

Seine Hände wandern über meine Oberschenkel.

„Tue dir bitte nie wieder weh.“ Bittet er mich leise.

Ich schüttele meinen Kopf, wie gerne würde ich es ihm versprechen, aber das kann ich nicht…

Wir verbringen die Nacht aneinander gekuschelt vor dem Kamin und schauen fern.

Es ist, als wären wir schon immer zusammen, obwohl man das, was wir haben nicht unbedingt eine Beziehung nennen kann und ich weiß, es liegt an mir…

Wie lange kann er es noch ertragen?

In den nächsten Wochen verbringe ich meine Tage in der Praxis oder im Heli und meine Nächte mit ihm.

Wir vertäuen gerade nach einem Einsatz den Heli und ich schüttele mich, es ist Mitten in der Nacht und ich will nur noch in mein Bett…

„Papa Hotel Alpha Lima Foxtrott Delta kommen.“ Ertönt mein Funkgerät und ich seufze.

„Papa Hotel Alpha Lima Foxtrott Delta, hier ist Theresa. Was gibt es Jim?“ frage ich und unterdrücke ein Gähnen.

„Ihr müsst noch mal los, in der Kotlik Bucht 100 km südlich von liegt ein Forschungsschiff vor Anker und bei einem Crewmitglied haben vor einer Stunde Wehen eingesetzt.“ Teilt er mir mit und ich gebe Jake das Zeichen die Sicherungsketten vom Heli wieder zu entfernen.

„Weitere Infos?“ frage ich und helfe Jake die Ketten weg zu räumen.

„38. Schwangerschaftswoche, bisher ohne Komplikationen. Aber sie möchten einen Arzt vor Ort haben. Die Fruchtblase ist noch nicht geplatzt und eigentlich sollte das Kind erst kommen, wenn sie Unalakleet in zwei Wochen erreichen.“ Erklärt er mir.

Ich stiege in den Heli und Jake setzt seinen Helm auf.

„Hier ist Jacob.“ Meldet er sich.

„Hier ist Jim, ihr müsst in die Kotlik Bucht. Auf einem Forschungsschiff bekommt eine junge Frau ihr Baby etwas früher wie geplant. Ihr müsst am Ufer landen, dort werdet ihr mit dem Beiboot abgeholt. Das Zielgebiet ist mit Leuchtfackeln gekennzeichnet.“ Erklärt ihm Jim und Jake tippt auf dem Navi herum.

„Wir sind in 20 Minuten da.“ Sagt er und startet den Motor.

„Auf geht’s.“ er sieht mich müde an „Papa Hotel Alpha Lima Foxtrott Delta macht sich auf den Weg.“

„Alles klar. Meldet euch nach der Landung und wenn ihr auf dem Schiff angekommen seid.“ Bitte Jim uns.

„Alles klar.“ Jake drückt ihn weg und wir heben ab.

Wir sind gerade vor 10 Minuten aus Fairbanks zurück gekommen und sind seit 7 Stunden unterwegs. Ich greife nach hinten und hole ein Buch aus meinem Rucksack.

„Deine erste Geburt?“ Jake sieht zu mir.

„Nein, aber die Erste, die ich selber in die Hand nehmen werde.“ Gebe ich zu und lese mich in die Materie ein.

Tatsächlich landen wir 20 Minuten später und Jake und die Männer sichern den Heli. Ich kann das Schiff beleuchtet am Horizont sehen und wir laden alles ein, was ich für nötig halte.

Jake hält mich beschützend im Arm, als wir mit dem Beiboot über die Wellen fliegen. Es ist wirklich kalt und wir bekommen eine Schutzdecke über uns gelegt.

Weitere 20 Minuten später hilft mir ein junger Mann auf das Schiff und wir werden unter Deck gebracht.

Ich ziehe mir erst einmal meine nasse Jacke aus und mir wird der Weg zu der jungen Frau gezeigt.

Ich klopfe an und gehe hinein.

„Hallo, ich bin Dr. Theresa Scott von den Flying Doc’s-„ stelle ich mich vor und reiche der Frau, die ungefähr in meinem Alter ist, meine Hand „Tess.“ Füge ich hinzu.

„Samantha Ford, Sam.“ Sie erwidert meinen Händedruck. „Wie geht es dir?“ frage ich und setze mich zu ihr.

„Die Wehen kommen alle 2 Minuten, die Fruchtblase ist vor 5 Minuten geplatzt.“ Erklärt sie mir und versucht die nächste Wehe zu veratmen.

Jake kommt zu uns und ich bereite eine gynäkologische Untersuchung vor, ich untersuche Sam gründlich und schließe einen Wehenschreiber an, der auch die Herztöne des Kindes überwacht.

„Dein Muttermund ist vollständig eröffnet.“ Sage ich zu Sam und sie nickt erschöpft.

„Das geht mir alles viel zu schnell.“ Gibt sie zu.

„Kann ich mir vorstellen.“ Ich drehe mich zu Jake um.

„Wir brauchen Decken, Handtücher und das Nabelset.“ Weise ich ihn an.

„Ich wasche mir eben die Hände und bin gleich wieder da.“ Ich sehe zu Sam und sie folgt mir mit ihrem Blick.

Nachdem ich sicher bin, das meine Hände sauber sind, desinfiziere ich sie und setze mich zu ihr.

„Ist der Vater des Kindes auch an Bord?“ ich lege einen Zugang und sehe sie an.

„Ja. Jamie.“ Presst sie zwischen zwei Wehen hervor.

„Jake, hol bitte Jamie, er sollte seiner Freundin die Hand halten.“ Ich drehe mich zu Jake um und er geht raus.

„Er ist mein Mann, wir haben vor einem halben Jahr geheiratet.“ Sie lächelt trotz ihrer Schmerzen und ich lächle ebenfalls.

„Dann sollte dein Mann auf keinen Fall verpassen, wenn euer Kind geboren wird.“

Jake kommt mit einem jungen Mann wieder und er sieht mich panisch an.

Tja, Kinder machen ist einfacher…

„Setzt dich ans Kopfende und mach ihr Mut.“ Ich nicke ihm zu und er setzt sich zu Sam, während ich sie erneut untersuche.

„Showtime Sam, bei der nächsten Wehe nach unten drücken.“ Weise ich sie an und sie stöhnt auf, als sie die nächste Wehe durchfährt.

Ich kann den Kopf schon fühlen und feuere sie an.

„Komm schon Sam, gleich hast du den Kopf geschafft.“ Mache ich ihr Mut und tatsächlich kann ich den Kopf sehen, als er draußen ist, kann Sam ein wenig durchatmen.

„So jetzt kommen die Schultern und der Rest geht wie von allein, versprochen.“ Ich sehe zu Jake und er steht auf, da er merkt, dass sich Sam verkrampft.

Er stellt sich neben sie und hebt ihr Bein an, während ich das andere auf meiner Schulter platziere.

Dann ist es geschafft und das Baby schreit aus vollem Halse.

Ein wunderschöner kleiner Junge… Ich lege ihn gleich Sam auf den Bauch.

„Willst du die Nabelschnur durchschneiden?“ Ich sehe zu Jamie und er sieht mich mit großen Augen an. „Es tut ihm nicht weh, versprochen.“ Ich reiche ihm die Schere und zeige ihm, wo genau er durch schneiden muss, nachdem ich die Nabelklemme fest gemacht habe.

Während Jake sich um das Baby kümmert, betreue ich die Nachgeburt und versichere mich, dass Sam in Ordnung ist.

Eine knappe Stunde später sind wir soweit fertig. Sam will auf dem Schiff bleiben und ich habe nichts dagegen. Es geht ihr und dem Baby gut, warum sollten wir die Strapazen auf uns nehmen und sie ausfliegen?

„So, wir machen uns wieder auf den Weg…“ ich sehe zu Sam, Jamie und dem Baby „Wir wünschen euch alles Gute.“

„Wollt ihr nicht noch wissen wie der kleine Mann heißt?“ Sam sieht mich und Jake an.

„Doch natürlich.“ Gebe ich zurück und setze mich auf die Bettkante.

„TJ.“ Lächelt Sam „Nach seinen beiden großartigen Geburtshelfern.“

„Wow, das ist wirklich eine Ehre.“ Ich sehe sie gerührt an.

„Wir danken euch, ohne euch hätte ich das nicht überstanden.“ Sie nimmt meine Hand „Danke Tess.“

„Gern geschehen. Bye TJ.“ Ich streiche über seine kleine Hand.

Es klopft und der Kapitän kommt herein. „Wir sind soweit, wir können euch zurück bringen.“ teilt er uns mit. „Seid ihr sicher, das Sammy und dem Kleinen nichts fehlt?“

„Absolut sicher, wenn ihr in Unalakleet seid, dann geht dort zum Arzt und lasst alles noch mal checken.“ Ich stehe auf und ziehe meine Jacke an.

„Bye Sam. Bye Jamie.“ Ich winke den beiden zu.

„Bye Tess. Bye Jake.“ Sam strahlt mich an.

Wir werden wieder über die eiskalte See geschippert und ich bin froh, als wir wieder im Heli sitzen.

„Papa Hotel Alpha Lima Foxtrott Delta, Einsatz beendet. Wir kehren nach Hope zurück.“ Jake sieht mich an und ich lehne mich erschöpft nach hinten.

Er startet und wir fliegen in die dunkle Nacht. Über uns leuchten Millionen von Sternen und ich sehe sie fasziniert an.

„Willst du auch Kinder?“ fragt mich Jake aus dem Nichts heraus.

„Ich weiß nicht, eigentlich hatte ich es nicht vor.“ Gebe ich zu „In meinem Leben hat ein Kind keinen wirklichen Platz, ich wüsste nicht, ob ich damit fertig werde.“ Ich sehe ihn an und ich merke sofort, dass ihm meine Antwort nicht gefällt.

Ich bin einfach zu müde, um jetzt weiter darauf einzugehen… Aber ich muss mit ihm darüber reden. Unsere “Beziehung“ wird langsam zu einer “Beziehung“ und es macht mir einen Heidenangst.

In Hope angekommen gehe ich mit zu ihm, denn sein Haus ist einfach dichter dran.

Geschafft lasse ich meine Jacke und Schuhe fallen und gehe die Treppe hoch. Ich kenne mich ja hier inzwischen Bestens aus. Jake folgt mir und nimmt mich in den Arm, als ich mich in einem seiner T-Shirts und meinem Hotpants ins Bett lege.

„Du warst großartig.“ Lobt er mich.

„Du auch mein Held.“ Ich drehe mich zu ihm um und küsse ihn.

Dann ziehe ich die Decke über uns Beide und schlafe augenblicklich ein.

„Tess? Bist du hier?“ werde ich von einer Stimme geweckt, die mir irgendwie bekannt vorkommt.

„Jake? Tess?“ ruft es erneut und mir wird bewusst, das es Sally ist. Ich springe aus dem Bett und laufe ins Gästezimmer. Ich schaffe es gerade so, das ich im Bett liege und mir die Decke bis zur Nase hoch ziehe.

„Tess?“ Sally kommt rein und ich komme verschlafen hoch.

„Hmm.“ Nuschele ich und reibe mir meine Augen.

„Wir haben uns Sorgen gemacht.“ Sie setzt sich zu mir auf die Bettkante.

„Wir waren erst um 7 Uhr zurück.“ Ich gähne herzhaft.

„Ihr wart von 14 Uhr bis 7 Uhr morgens bei einem Einsatz?“ sie sieht mich mit großen Augen an.

„Nein, es waren zwei Einsätze. Jake und ich haben heute Nacht noch einem Baby auf die Welt geholfen.“ Ich lächele beim Gedanken an den kleinen TJ.

„Wow.“ Lächelt sie „Ich habe die Sprechstunde ein wenig verlegt, wenn du in einer Stunde da bist, ist das völlig in Ordnung.“ Sie nimmt mich in den Arm.

„Danke Sally.“ Ich lasse mich zurück in die Kissen fallen.

„Unten stehen Kaffee und Brötchen.“ Sie zwinkert mir zu „Sagst du meinem Sohn, er soll nachher mitkommen? Ich muss ihn noch etwas wegen seinem Geburtstag nächste Woche fragen.“

„Ja klar, mach ich.“ Gebe ich zurück und warte, dass die Tür ins Schloss fällt, dann springe ich auf und laufe zu Jake.

„War das meine Mum?“ er streckt sich, als ich mich auf ihn setze.

„Ja und sie hat mir was verraten, was du mir anscheinend nicht sagen wolltest.“ Ich bohre ihm meinen Finger in die Brust.

„Ach ja?“ er sieht mich fragend an.

„Du hast nächste Woche Geburtstag.“ Ich sehe ihn entrüstet an.

„Und?“ er hebt mich hoch und setzt sich auf.

„Und? Ich will doch wissen, wann du Geburtstag hast.“ Gebe ich zurück.

„Tess, wir führen keine Beziehung. Keine Vertraulichkeiten und keine Verpflichtungen.“ Sagt er im scharfen Ton und steht auf.

Ich bleibe verdattert zurück und schlucke schwer, ich höre wie er duschen geht und ziehe mich an.

Es ist mir egal, das ich die Sachen gestern schon anhatte, ich muss hier raus.

Ich lege ihm eine Notiz hin, die besagt, dass er zu seiner Mum kommen soll und laufe zur Praxis.

„Das ging ja schnell.“ Sally sieht mich erstaunt an.

„Ja, ich will nicht so in Verzug kommen. Heute kommen doch die ersten Leute für die neue Bohrinsel und das wird ein Marathon.“ Ich ziehe meine Jacke aus und meinen Kittel über.

Ich rufe den ersten Patienten zu mir und meine Sprechstunde beginnt. Sally bringt mir wie immer meinen Kaffee und nachdem ich endlich die 20 Patienten die für heute angemeldet waren, abgearbeitet habe, komme ich aus dem Sprechzimmer und reibe mir den Nacken.

„Geht’s?“ Sally sieht mich besorgt an.

„Ja, alles gut.“ Winke ich ab.

„Kommst du nächsten Samstag auch zu Jakes Geburtstagsfeier?“ sie sieht mich fragend an.

Egal was ich jetzt sage, sie wird es gegen mich auslegen.

Sage ich ja, denkt sie, das zwischen mir und ihm was läuft.

Sage ich nein, denkt sie, das zwischen mir und ihm was läuft.

Also ist es egal…

„Ich weiß noch nicht.“ Sage ich schließlich.

„Tess?“ ertönt seine Stimme von der Tür her.

Kaum das man von Teufel spricht, ist er auch schon da…

„Ich habe noch eine Haufen Papierkram.“ Ich mache mich wieder auf den Weg ins Sprechzimmer „Sally? Wann kommen morgen die Nächsten von Corpoil?“

„Um 8 Uhr die Ersten und um 16:30 Uhr der Letzte.“ Sagt sie und ich atme tief durch.

„Danke Sally. Wenn nichts mehr ist, dann kannst du los, ich brauche noch.“ Ich winke ihr kurz zu und schließe die Tür hinter mir.

Als ich am späten Abend nach Hause komme liegt ein Zettel von Jake in meinem Briefkasten, aber ich mache mir nicht die Mühe ihn zu lesen. Er will mehr und ich kann ihm nicht mehr geben. Er wusste verdammt noch mal, worauf er sich einlässt… Da kann er jetzt nicht beleidigt tun.

Das Corpoil eine neue Bohrinsel vor der Küste besetzt, beschert Hope 200 zeitweilige Bewohner und mir einen rappelvollen Terminkalender.

Natürlich bitten mich Ana und Drew die ganze Woche über zu Jakes Geburtstagsparty zu kommen und schließlich stehe ich am Samstagabend um 20 Uhr bei Sally und John von der Tür. Zaghaft klopfe ich und Sally erstrahlt, als sie mich sieht.

„Du bist da.“ Freut sie sich „Komm.“ Sie nimmt meine Hand, nachdem ich mich meiner Jacke entledigt habe und zieht mich zu den anderen ins Wohnzimmer.

„Alles Gute.“ Ich entdecke Jake und gebe ihm sein Geschenk. Er sieht mich prüfend an, ich weiche seinem Blick aus und drücke ihm einen kleinen Kuss auf die Wange.

„Tess.“ Sagt er leise und ich schüttele den Kopf.

Dann gehe ich zu Ana und sie nimmt mich in den Arm.

„Sag mal, wie lange bist du noch so ausgebucht?“ sie seufzt tief.

„Die nächsten 2 Wochen.“ Ich zucke mit den Schultern. „Aber es tut mir gut.“ Gebe ich zu. Und ja, endlich mal wieder richtig was um die Ohren zu haben, tut mir wirklich gut.

„Hast du am Valentinstag schon was vor?“ sie sieht mich fragend an.

Ach ja, der ist ja auch in zwei Wochen. Verdammt, wie konnte ich das denn verdrängen?

„Sehe ich so aus?“ lache ich.

„Hey Tess!“ Drew kommt zu uns und drückt mich an sich. „Hey.“ Ich grinse ihn an.

„Du willst mich jetzt nicht fragen, ob ich was mit dir und Drew mache, oder?“ ich sehe zu Ana und sie sieht mich unschlüssig an. „Das ist nicht dein Ernst…“ ich schüttele lachend meinen Kopf „Ich unternehme doch nicht mit dem Traumpaar des Jahrhunderts etwas am Valentinstag. Wenn ich mich schlecht fühlen will, dann kann ich das auch zu Hause.“ Winke ich ab.

„Wir haben einen Lehrgang in Fairbanks.“ Jake tritt hinter mich.

„Wir haben was?“ ich sehe ihn skeptisch an.

„Wir haben einen Lehrgang. Samstagmorgen bis Sonntagnachmittag, wir bekommen neue Geräte für den Heli.“ Er legt den Arm um meine Schulter „Und da wir immer auf den Neusten Stand sein müssen, lässt die FD uns antanzen.“

Ich sehe ihn prüfend an, aber er sieht zu Ana und Drew.

„Na wenigstens bist du dann nicht allein.“ Drew sieht zu Jake und ich weiß nicht, wen von uns Beiden er meint. „Obwohl das wahrscheinlich nicht die beste Kombination zum Valentinstag ist.“ Er kratzt sich am Kopf und ich lächle gequält.

„Komm schon…“ Ana zieht mich von Jake weg „Tequila!“ jubelt sie und reicht mir ein Glas, welches ich sofort hinunter stürze.

„Wow… Durst?“ sie grinst mich an und ich schüttele mich.

„Kann man so sagen…“ gebe ich zurück.

„Bringt ihr Tess nach Hause?“ Sally sieht Ana bittend an und diese hakt mich unter, denn das Geradeaus laufen hat schon mal besser geklappt… Vor der gefühlten ganzen Flasche Tequila.

Ana bringt mich tatsächlich bis in mein Bett und am nächsten Morgen haben ich einen Kater, der jeglicher Beschreibung spottet und verkrieche mich in meinem Bett.

Auch am Montagmorgen habe ich noch mit den Nachwehen meiner Tequila - Attacke zu tun und Sally verzichtet heute auf den Kaffee und stellt mir eine Tasse Tee hin.

Die nächsten beiden Wochen vergehen rasend schnell und ich habe meinen Dienst im Heli an Pete abgegeben, denn ansonsten werde ich gar nicht fertig. Er freut sich, endlich mal wieder gebraucht zu werden und ich necke ihn damit.

Dann ist endlich Freitag, morgen ist Valentinstag und als ich heute Mittag bei Harvey einkaufen war, wurde ich beinahe von der Herzchen - Deko erschlagen.

Ich habe nur schnell meine Einkäufe entgegen genommen und bin nach Hause geflüchtet.

Als es am späten Nachmittag klopft gehe ich verwundert zur Tür und Jake steht vor mir, ich habe ihn tatsächlich zwei Wochen nicht gesehen, was in Hope schon fast an ein Wunder grenzt.

„Hast du gepackt?“ fragt er und ich sehe ihn verwundert an.

„Für was bitte?“ ich verschränke die Arme vor der Brust.

„Für den Lehrgang.“ Erklärt er mir, als sei es das Selbstverständlichste der Welt.

„Wir haben keinen Lehrgang.“ Gebe ich schnippisch zurück.

„Hör zu…“ er schiebt mich ins Haus und schließt die Tür hinter sich „… Es tut mir leid. Okay? Es tut mir wirklich leid und ich möchte gerne das Wochenende mit dir in Sitka verbringen.“ Er sieht mich an und ich atme tief durch. „Ich gehe jetzt langsam zum Flugfeld, in einer Stunde starte ich. Mit dir, oder ohne Dich.“ Er nimmt mein Kinn in seine Hand und küsst mich zärtlich.

Dann ist er auch schon wieder verschwunden und ich stehe wie angewurzelt in meinem Flur.

Erneut atme ich tief durch und entschließe mich erst einmal meine Einkäufe zu verstauen, dann gehe ich in meinen begehbaren Kleiderschrank und packe tatsächlich meine Tasche.

Er fehlt mir…

Er fehlt mir wirklich…

Als ich am Flugfeld ankomme sieht mich Pete strahlend an.

„Du hast gar nicht gesagt, dass du nach Fairbanks musst.“

„Das habe ich auch fast vergessen. Sorry Pete.“ Ich nehme ihn in den Arm.

„Kein Problem, Kev und ich machen das schon.“ Er zwinkert mir zu.

Jake kommt zu uns und nimmt mir meine Tasche ab. „Fertig?“

„Hmm.“ Ich nicke, winke Kev zu und klettere in Jakes Maschine.

„Hier Alpha Juliet Charlie 2, wir starten.“ Teilt Jake Kev mit und dieser winkt uns zu.

Als wir endlich in der Luft sind schweigen wir uns einfach nur an. Ich weiß nicht, was ich sagen soll und Jake sagt einfach nichts…

Ob das so eine gute Idee war?

„Woran denkst du mein Stern?“ fragt er aus dem nichts heraus mit samtweicher Stimme und ich sehe ihn erstaunt an.

„Was das hier wird.“ Gebe ich ehrlich zu.

„Entspann dich Tess…“ er nimmt meine Hand „Es tut mir wirklich leid und ich möchte dich zwei Tage für mich ganz allein haben.“ Er küsst meine Hand und mein Herz schmilzt wie Eis in der Sonne.

„Mir tut es auch leid, ich hätte mit dir reden müssen…“ erwidere ich kleinlaut.

„Ich will dieses Wochenende genießen.“ Er lächelt leicht „Lass uns nur dieses eine Wochenende so verbringen, als wären wir ein Paar… ein ganz normales Paar.“ Bittet er mich.

„Okay.“ Sage ich schließlich und er strahlt mich an.

Als wir in Sitka landen strahlt die Sonne mit ihm um die Wette. Wir stellen das Flugzeug in einem kleinen Hangar ab und Jake bringt mich zu einem Leihwagen.

„Worauf hast du jetzt Lust?“ er setzt sich auf den Fahrersitz und sieht mich gespannt an.

„Ich hätte Lust mal wieder zu shoppen.“ Gebe ich zu und er lacht auf.

„Wir bringen unsere Sachen ins Hotel und dann gehen wir shoppen.“ Beschließt er und startet den Motor.

Es ist irgendwie befremdlich wieder in einem Auto zu sitzen und befestigte Straßen entlang zu fahren, als wir vor dem Hotel halten, staune ich nicht schlecht.

„Wow, Jake…“ ich sehe zu ihm, als wir ausstiegen und er dem Pagen den Autoschlüssel gibt.

„Gefällt es dir?“ fragt er und legt seinen Arm um meine Schultern.

„Es ist wunderschön.“ Ich sehe zu ihm und küsse ihn.

An der Anmeldung erwartet uns ein junger Mann.

„Wir haben reserviert. Mr. und Mrs. Carter.“ Erklärt ihm Jake und ich sehe ihn verwundert an.

Ich lasse mir nichts anmerken und schenke dem jungen Mann ein strahlendes lächeln.

„Zimmer 134…“ er reicht uns den Schlüssel „Das Seaplane Base wünscht ihnen einen angenehmen Aufenthalt.“

„Vielen Dank.“ Erwidern Jake und ich wie aus einem Mund, Jake nimmt unsere Taschen und wir gehen zur Treppe und steigen hinauf in den ersten Stock.

"Mr. und Mrs. Carter?" ich ziehe eine Augenbraue hoch.

"Da war wohl der Wunsch Vater des Gedanken." er lächelt verschmitzt.

Wir erreichen unser Zimmer, Jake öffnet die Tür und ich betrete vor ihm das Zimmer. Überall stehen weiße und rosane Rosen und das Bett ist mit Blütenblättern bedeckt.

„Oh Jake.“ Ich drehe mich um und nehme ihn in den Arm „Das habe ich gar nicht verdient.“

„Oh doch…“ er stellt die Taschen ab, schließt die Tür und nimmt mich fest in den Arm. „Du hast immer nur von allem das Beste verdient.“ Haucht er mir ins Ohr.

„Mein Held.“ Flüstere ich und er lächelt.

„Ja, die Hero CD zu meinem Geburtstag war schon ziemlich offensichtlich.“

„Ich habe gerade gar keine Lust mehr auf shoppen.“ Ich mache mich von ihm los und ziehe meine Jacke aus.

„Ach nein.“ Grinst er und seine Jacke landet neben meiner auf der Couch.

„Nein.“ Ich schüttele lächelnd meinen Kopf.

Er kommt wie eine Raubkatze auf mich zu und zieht mich in seine Arme.

„Da bin ich aber froh, ich kann mich kaum beherrschen.“ Gesteht er und ich öffne die obersten Knöpfe meiner Bluse.

Seine Hand wandert zu meinem Hosenbund und er zieht den Saum der Bluse raus, seine Finger gleiten unter mein Shirt und hinterlassen eine brennend heiße Spur auf meiner nackten Haut. Geschickt zieht er mir meine Bluse und mein Shirt aus und setzt sich aufs Bett, ich setze mich rittlings auf ihn und seine Hände umfassen meine Brüste, ich stöhne leise auf und er sieht mich zufrieden an.

Eine halbe Stunde später liegen wir auf zerwühlten Laken und ich habe Mühe meine Atmung unter Kontrolle zu bringen.

Selig schlafen wir etwas und als ich wach werde, ist das Zimmer von Kerzen erhellt und er sitzt konzentriert über seinem Laptop. Seine Brustmuskeln zeichnen sich definiert unter seinem weißen T-Shirt ab, ich stehe lächelnd auf, wickele die Decke um mich und gehe zu ihm.

„Was machst du denn da?“ ich setze mich auf seinen Schoß und er küsst meine Schulter.

„Ich muss das noch schnell abschicken.“ Er deutet auf die E-Mail.

„Dann bist du wieder ganz für mich da?“ necke ich ihn und er hält mich fest.

„Immer.“ Er drückt auf Enter und sieht mich an. Ich lehne mich an ihn und er streicht über meine langen Haare.

„Wie stellst du dir eigentlich deine Zukunft vor?“ fragt er leise.

„Ich weiß nicht,…“ ich schließe meine Augen „… ich möchte erst einmal in Hope akzeptiert werden, es gibt immer noch genug Patienten, die sich nicht von mir behandeln lassen. Ich hatte mal so viele Pläne für meine Zukunft, aber…“ setze ich an und schlucke.

„Wo vor hast du solche Angst?“ er nimmt mein Gesicht in seine Hände.

„Ich habe schreckliche Angst dich zu lieben.“ Ich schaffe es nicht seinem Blick Stand zu halten. „Denn dann gehe ich das Risiko ein, dich verlieren zu können und das kann ich nicht ertragen. Ich würde daran zerbrechen.“

„Ich erwarte nichts…“ er streicht mit seinen Daumen über meine Wangen „… Ich möchte, dass du weißt, dass ich da bin. Vielleicht bist du irgendwann so weit, vielleicht in einem Jahr, vielleicht in zwei.“ Er küsst mich „Ich bin hier.“

„Ich danke dir so sehr.“ Ich küsse ihn innig.

Wir verbringen tatsächlich die beiden Tage komplett im Hotelzimmer, es lässt sich mit dem Zimmerservice gut leben und ich will ihn keine Sekunde aus meinen Armen lassen.

Ich fühle mich entspannt und erholt, als wir nach Hope zurück fliegen.

Die Mannschaft der Bohrinsel hält mich länger auf Trab, als ich es für möglich gehalten habe, denn kaum bin ich fertig, verlangt die Ölgesellschaft noch weiterführende Untersuchungen. Mir soll es Recht sein, denn so bleibt meine Praxis voll und ich habe zu tun.

Wenn Jake in Hope ist, dann verbringt er fast jede Nacht bei mir. Natürlich kann ich unser Gespräch wegen der Zukunft nicht vergessen, aber ich kann es einfach nicht zulassen. Mein Herz hat schon längst erkannt, das ich ihn liebe, aber mein Verstand kann diese Information einfach nicht verarbeiten…

Ehe ich wirklich weiß, was passiert habe wir Ende März und alles läuft wieder so ruhig wie vor der Ankunft unserer zeitweiligen Bewohner.

„Hast du Zeit?“ Ana steckt ihren Kopf in mein Sprechzimmer und ich sehe von meinen Akten auf.

„Sicher, in 5 Minuten gehöre ich dir.“ Lächle ich und schreibe zu Ende, was ich angefangen habe. „Was gibt es?“

„Hast du Lust mit auf ein Bier ins Cooper zu kommen? Drew ist mit Carter in Anchorage und mir ist echt langweilig.“ Sie setzt sich auf meine Schreibtischkante und ich sehe auf meine Uhr, 19 Uhr an einem Freitagabend.

„Warum eigentlich nicht.“ Ich ziehe meinen Kittel aus und sie reicht mir meine Jacke.

„Braves Mädchen.“ Lobt sie mich.

Ich lache und schließe hinter uns die Praxistür ab.

Das Cooper ist, im Gegensatz zu den letzten Wochen, fast ausgestorben. Denn die Crew der Bohrinsel hat sich nicht nur mit Ruhm bekleckert und die meisten Einheimischen sind nicht mehr her gekommen.

Mason Cooper erstrahlt als wir rein kommen und bringt uns gleich zwei Bier.

„Endlich wieder Menschen die mag.“ Er zwinkert mir zu.

„Hast du noch die leckeren Brezeln?“ ich sehe ihn fragend an und er geht zum Tresen um uns eine Schale zu holen und sie zwischen uns zu platzieren.

„Oh man, ich bin froh, das Hope wieder uns gehört.“ Ana strahlt mich an und erhebt ihre Flasche.

„Ja, es ist gut, dass es vorbei ist.“ Stimme ich ihr zu.

Für eine Zeit war es ganz nett, aber 7 Wochen waren einfach zu lang.

„Wo sind Drew und Jake eigentlich hin?“ ich sehe sie fragend an und lehne mich bequem nach hinten.

„Die holen Maschinenteile für die Holzfabrik.“ Erklärt sie mir und winkt ab, es gibt nichts Langweiligeres wie die Holzfabrik, denn darüber habe ich in den letzten Monate etliche Vorträge gehört…

„Wo wir gerade bei Carter sind. Was ist das mit euch? Hand aufs Herz…“ sie sieht mich bittend an.

„Ich trete auf der Stelle…“ ich seufze „… Glaub mir, ich würde mich gerne ganz auf ihn einlassen, aber wenn ich nur daran denke, dann steigt die Panik in mir auf. Ich bin kurz davor, meinen Psychologen aus der Klinik anzurufen.“

„Oh Tess…“ sie sieht mich mitleidig an „Liebst du ihn?“ fragt sie leise.

Ich sehe ihr in die Augen und sie nickt ganz leicht.

„Ich verstehe schon.“ Sie nimmt meine Hand. „Lass dir alle Zeit der Welt.“ Redet sie mir gut zu.

Alle Zeit der Welt klingt verlockend…

Wir genehmigen uns noch ein weiteres Bier und sprechen über ihre Hochzeit und den Junggesellinnenabschied.

„Den machst du aber nicht am Tag vorher, oder?“ ich sehe sie grinsend an.

„Bist du wahnsinnig?“ lacht sie auf „Ich dachte an eine Woche vorher. Wir Mädels lassen uns nach Anchorage fliegen und lassen die Sau raus.“ Freut sie sich.

„Dann sollten wir auch gleich dein Kleid und die Kleider für mich, Maggie und Michelle abholen.“ Schlage ich vor und sie nickt eifrig.

„Oh ja, ich freue mich jetzt schon darauf. Man, noch 3 Monate.“ Sie seufzt.

„Die gehen schneller rum, als uns lieb ist.“ Verspreche ich ihr.

Mason setzt sich zu später Stunde zu uns und wir werden Klatschtechnisch auf den Neusten Stand gebracht, es ist zu lustig, worüber sich die Menschen in so einem kleinen Kaff die Köpfe zerbrechen.

„Übrigens am 12. Mai ist die jährliche Bürgerversammlung, es wird erwartet, dass du etwas sagst und dich ins rechte Licht rückst.“ Er sieht mich an.

Ich verschlucke mich prompt an meinem Bier. „Ich?“ frage ich erstaunt.

„Ja sicher, es sind so viele Gerüchte im Umlauf, das muss endlich ein Ende haben.“ Seine Stimme klingt aufmunternd, aber ich fühle mich, als hätte ich gerade einen Schlag in die Magengrube bekommen.

„Wird sich nicht vermeiden lassen, oder?“ ich sehe zwischen ihm und Ana hin und her.

„Ich befürchte nein und ich denke auch für Liv und Pete wäre es gut, die Beiden stehen ganz schön im Fokus.“ Ana nimmt meine Hand „Ich werde die ganze Zeit neben dir stehen.“ Verspricht sie mir.

„Gut zu wissen.“ Ich leere mein Bier und sehe zu Mason.

„Danke für den netten Abend, aber ich muss ins Bett.“ Ich strecke mich und ziehe mir meine Jacke über.

„Bis dann!“ ich umarme Ana und gehe in Richtung Tür.

„Immer wieder gern Tess.“ Ruft mir Mason nach.

Mitten in der Nacht werde ich wach, weil sich jemand neben mich legt und sanft über den Bauch streichelt.

„Hallo mein Stern.“ Flüstert Jake mir ins Ohr und ich drehe mich lächelnd um.

„Wo kommst du denn jetzt her?“ nuschele ich.

„Drew und ich sind erst vor einer Stunde zurück gekommen und ich musste ihn noch abhängen.“ Er küsst mich zärtlich und seine Hände wandern über meinen Bauch hinauf zu meinen Brüsten. Sie sind noch ein wenig kalt und meine Brustwarzen stellen sich sofort auf.

Ich hatte es nicht für möglich gehalten, aber er verliert nicht ein bisschen seiner Anziehungskraft auf mich…

Ich  lege meine Hände um seinen Nacken und ziehe ihn zu mir.

„So stürmisch?“ er grinst mich an. „Du warst schließlich fast 2 Tage nicht da.“ Wehre ich mich und er lacht leise.

„Da hast du natürlich Recht.“ Er legt sich auf mich und küsst mich liebevoll.

Er zieht mir meinen Slip aus und dringt behutsam in mich ein, ich kralle meine Finger in seinen Rücken und passe mich jedem einzelnen seiner Stöße an…

„Wollen wir am Wochenende hoch in die Hütte?“ Jake kommt in die Küche und nimmt sich ein Brötchen. Wir haben jetzt Anfang April und wir hatten heute Nacht zwei Einsätze… Viel Schlaf gab es danach nicht, aber es ist Montagmorgen und meine Patienten erwarten mich in einer halben Stunde.

„Wie wollen wir das erklären?“ ich ziehe eine Augenbraue hoch.

„Lehrgang.“ Grinst er.

„Und es wird natürlich nicht auffallen, wenn dein Flugzeug noch an Ort und Stelle steht.“ Ich grinse breit.

Ein Wochenende mit ihm klingt einfach verlockend, aber uns gehen die Ausreden aus.

„Gut, ich sage meinen Eltern ich nehme dich mit auf eine Bergtour und du sagst Liv und Pete dasselbe.“ Er sieht mich an und ich nicke leicht.

Wie gut, das ich Pete und Liv erst vor zwei Wochen gesagt habe, das ich mir die Berge unbedingt im Frühling ansehen will.

„Klingt gut.“ Ich gebe ihm einen Kuss und nehme dann meine Jacke. Denn obwohl kalendarisch Frühling ist, viel hat sich hier nicht geändert.

Ich gebe es zu, statt zwei Meter Schnee haben wir nur noch einen…

„Ich muss los. Bis Donnerstag.“ Ich winke ihm zu, grinse und gehe zurück zu ihm. „Flieg vorsichtig.“ Ich nehme ihn erneut in die Arme und küsse ihn.

„Immer mein Stern.“ Er lächelt und ich gehe endlich los.

Ich komme fast pünktlich und Sally reicht mir meinen Kaffeebecher.

„Ist viel heute Morgen?“ ich sehe sie an und sie schüttelt mit dem Kopf.

„Nur 4 Patienten.“ Sie zuckt mit den Schultern.

„Schon Okay.“ Ich seufze leise „Übrigens, am Wochenende mache ich mit Jake eine Bergtour, er hat mir versprochen mir alles zu zeigen.“

Ich warte auf ihre Reaktion.

„Das ist ja schön, es soll herrliches Wetter sein.“ Sie strahlt mich an.

Meine vier Patienten sind schnell abgearbeitet und ich treffe mich zum Mittag mit Ana im Cooper.

„Hier.“ Schon als ich die Bar betrete winkt sie mich zu sich und ich ziehe meine Jacke aus.

Ich schlängele mich zwischen den Tischen hindurch und setze mich zu ihr. Das Cooper ist wieder gut besucht und gerade jetzt in der Mittagspause ist es voll.

Wir bestellen uns einen Burger und Ana plappert einfach drauf los, nachdem der erste Redeschwall vorüber ist grinse ich sie an.

„Was?“ sie beißt beherzt in ihren Burger.

„Wenn man dich reden hört, dann könnte man denken, wir haben uns wochenlang nicht gesehen.“ Lache ich und beiße ebenfalls in meinem Burger.

„Hey komm’, wir haben uns Freitag das letzte Mal gesehen und heute ist Montag.“ Wehrt sie sich. „Sag mal, hast du an diesem Wochenende schon was vor?“

„Ja, Jake und ich machen eine Bergtour, ich will endlich die Umgebung besser kennen lernen und wenn ich dir glauben darf, ist Jake ein erstklassiger Fremdenführer.“ Ich sehe sie an und sie nickt ganz langsam.

„Tue dir und ihm nicht weh.“ Bittet sie mich und nun nicke ich langsam.

Tue ich ihm wirklich weh?

„Wo ist Carter eigentlich?“ sie sieht sich suchend um. Jake verbringt fast alle seine Mittagspausen hier.

„In Sitka, er hat Verhandlungen.“ Erkläre ich ihr.

Wir reden dann noch über unser absolutes Lieblingsthema… natürlich die Hochzeit und ich komme gerade rechtzeitig für meine beiden Nachmittagspatienten zurück.

„Maggie? Was eine Überraschung!“ ich nehme sie in den Arm „Hey Daniel, wow du bist aber gewachsen.“ Ich bestaune ihren kleinen 6 Monate alten Sohn.

Klar, ich sehe ihn oft genug am Wochenende bei den Eishockeyspielen, aber jetzt habe ich ihn fast 3 Wochen nicht gesehen und es fällt mir noch mehr auf.

„Kommt rein.“ Ich winke sie ins Sprechzimmer.

Ich mache einen Gesundheitscheck bei dem kleinen Mann und er ist, wie nichts anders zu erwarten, kerngesund.

„Kommst du am Samstag mit auf die Feier bei Greyson und Wilma?“ sie sieht mich fragend an.

„Nein, ich mache eine Bergtour.“ Erwidere ich.

Wer zum Teufel sind Greyson und Wilma?

„Schade, aber ich wünsche dir viel Spaß.“ Sie winkt mir zu und ich rufe meinen letzten Patienten für heute auf.

Endlich, endlich ist Freitag und als Jake die Praxis betritt, da kann ich nicht anders wie ihn anzustrahlen.

„Hey.“ Ich gehe zu ihm, sehe mich um und gebe ihm einen Kuss.

„Hast du schon gepackt?“ er zieht eine Augenbraue hoch.

„Ja sicher, der Rucksack steht im Flur.“ Ich nicke eifrig „Gut, das du gestern Abend nicht mehr geflogen bist, hier hat es gestürmt wie verrückt.“ Ich nehme seine Hand „Ich freue mich so auf ein paar Tage nur wir Zwei.“

„Ich freue mich auch.“ Er küsst mich erneut. „Ich habe meine Sachen hier. Wollen wir deine holen und dann los?“

„Ja.“ Ich hänge meinen Kittel an die Garderobe und ziehe mir meine Jacke an.

Nur vier Stunden später kommen wir bei der Hütte an und während ich das Feuer mache, macht uns Jake was zu essen warm.

„Hmm riecht es etwa nach Drews Gemüsehühnchen?“ ich reibe mir den Bauch und er lacht leise.

„Ich konnte ihm gerade so zwei Portionen aus den Rippen leiern.“ Er holt zwei Teller aus dem Schrank.

Ich bin endlich zufrieden mit meinem Feuer und tausche meine Skisachen gegen eine Jeans und ein T-Shirt, auch Jake zieht sich um ehe wir uns an den Tisch setzen und das köstliche Hühnchen genießen.

Mitten in der Nacht verfluche ich Drew und sein Hühnchen, denn ich und Jake übergeben uns die halbe Nacht. Erst am späten Vormittag hat es sich soweit gegeben, dass ich es wage meinen Magen Tee und Toastbrot anzubieten.

Am Abend tun Jake und ich endlich das, wofür wir uns so mühsam Zeit frei geschaufelt haben…

Wir genießen die Zeit miteinander.

„Tess?“ fragt er leise und ich hebe meinen Kopf, der auf seiner Brust liegt, an.

„Ja mein Held.“ Necke ich ihn.

„Ich muss am Montag für einen Monat nach Sitka, die Anwaltskammer verlangt, das ich an einer Fortbildung teil nehme…“ er sieht mich an und ich ziehe ein Flunsch.

„Komm schon mein Stern, ich bin schneller wieder da, als du bis 10 zählen kannst.“ Er küsst meine Nasenspitze.

„Fliege ich so lange mit Kev?“ ich lege meinen Kopf wieder auf seine Brust.

„Nein, sie schicken jemanden aus Fairbanks, der mit dir die Dienste übernimmt.“ Er küsst meine Stirn. „Ich werde dich vermissen.“

„Wie sehr?“ ich sehe ihn schelmisch grinsend an. „Soll ich dir zeigen wie sehr?“ er streicht über meinen Rücken.

„Ich möchte sehr darum bitten.“ Ich beuge mich über ihn und küsse ihn zärtlich.

Trotz unseres verdorbenen Essens, komme ich, wie immer nach ein paar Tagen zusammen mit Jake, gut erholt wieder nach Hope.

„Tess!“ ruft mich eine bekannte Stimme und ich drehe mich um. Matt steht am Flugfeld und winkt mir zu.

„Matt!“ jubele ich und falle ihm um den Hals. Wir haben oft in den letzten Monaten telefoniert und er ist zu einem guten Freund geworden.

„Matt das ist Jake Carter, ihn wirst du vertreten.“ Stelle ich Matt Jake vor und er schüttelt ihm die Hand. „Jake, das ist Matthew McAllan von der Fairbanks Base.“

„Freut mich.“ Knurrt Jake und ich sehe ihn fragend an. „Ich muss packen.“ Damit dreht er sich um geht.

„Du hast mir gar nicht gesagt, dass du kommst.“ Rüge ich Matt und er lacht leise.

„Überraschung, sozusagen als meine letzte Amthandlung. Ich habe zum 1. Juni gekündigt.“ Er sieht mich an und ich nehme ihn in den Arm.

„Du bist nicht für Alaska gemacht, oder?“ frage ich leise und er schüttelt seinen Kopf.

Immer wenn Matt und ich telefoniert haben, dann ging es eigentlich nur darum, ob er den Job behalten soll oder nicht. Er fühlt sich in Fairbanks nicht wohl und ich habe ihm schon oft geraten zu kündigen. Ich bin fast ein bisschen stolz auf ihn…

„Komm, wir gehen ein Bier trinken.“ Ich harke mich bei ihm unter. „Sag mal, wo schläfst du eigentlich.“

„Die Zentrale sagte bei Kevin.“ Er zuckt mit den Schultern und schwingt sich seine große Reisetasche über die Schulter.

„Ach was, du schläfst bei mir. Ich habe ein Gästezimmer und so bist du für mich immer gleich greifbar…“ ich zwinkere ihm zu „Beruflich versteht sich.“ Füge ich hinzu und er lacht dunkel auf.

Wir erreichen mein Haus und ich zeige ihm das Gästezimmer.

„Für die nächsten 4 Wochen dein Zuhause.“ Ich mache eine einladende Handbewegung.

„Wow, das ist echt gemütlich.“ Freut er sich und lässt seine Tasche auf das große Bett fallen.

„Und jetzt komm, Ana und Drew werden sich freuen dich kennen zu lernen.“ Ich lächle ihn an und wir machen uns auf den Weg ins Cooper.

Wie nicht anders zu erwarten sind Drew, Ana, Maggie und Reese da und ich stelle Matt allen vor.

„Wow, endlich mal in Fleisch und Blut.“ Lacht Ana und wir setzen uns mit an den Tisch.

„Wie war denn deine Wandertour mit Carter?“ Ana sieht mich fragend an.

„Sehr schön.“ Gebe ich zurück und winke Mason zu, damit er mir und Matt ein Bier bringt.

„Wo ist Carter?“ Drew sieht sich suchend um.

„Der packt, er muss morgen für 4 Wochen nach Sitka.“ Erkläre ich ihm.

„Muss er den verdammten Lehrgang doch machen?“ Drew stöhnt auf.

„Scheint so.“ gebe ich zurück. „Sag mal Matt, wo willst du hin, wenn dein Vertrag ausgelaufen ist?“ ich sehe zu ihm und sein grinsen wird immer weiter.

„Ich habe einen neuen Job in Houston. Ich übernehme die Rettungsfliegerstaffel da.“ Erklärt er mir.

„Houston, Texas?“ ich verschlucke mich fast an meinem Bier.

„Ja, kennst du noch eins?“ fragt er belustigt.

„Wow, von – 20 Grad zu + 30 Grad. Viel Spaß.“ Ana sieht ihn kopfschüttelnd an.

„Ich bin nicht für das Leben hier geschaffen. Mir fehlen ein paar mehr Menschen und ja, ich vermisse meine Ex- Freundin.“ Er zuckt mit den Schultern.

„Ist Charly nach Houston gegangen?“ ich sehe ihn erstaunt an.

„Ja, sie hat mich vor drei Wochen angerufen und dann habe ich hier alles geklärt. Sie weiß noch nicht, ob wir es noch einmal hin bekommen, aber ganz aufgeben will sie uns auch nicht.“ Erklärt er mir.

Ana bittet Matt ihm die Geschichte von Charlie und ihm zu erzählen und ich grinse, Ana liebt romantische Geschichten…

Ich kenne sie ja schon, Matt hat Charlie vor 9 Jahren bei der Ausbildung zum Sanitäter kennen gelernt und sie waren 6 Jahre lang ein Paar, dann hat er sie betrogen, sie hat sich getrennt. Seitdem tingelt er durch die Staaten und sie hatte sich in Florida ein neues Leben aufgebaut. Irgendwie kamen die beiden nicht los und es stand schon lange im Raum, dass sie wieder an ein und demselben Ort leben wollen. Tja, die Entscheidung ist wohl auf Houston gefallen.

Matt mit Cowboyhut auf einem Pferd… mit Sicherheit sehenswert.

„Kann ich dich mal kurz sprechen?“ holt mich eine scharfe Stimme aus den Gedanken und ich sehe verwirrt in Jakes Gesicht.

„Klar.“ Ich stehe auf und wir gehen raus. Er reicht mir meine Jacke und ich ziehe sie über.

„Komm.“ Er zieht mich ins Lager vom Cooper und ich sehe ihn verwirrt an.

„Was ist denn mit dir los?“ frage ich erneut.

„Läuft da was zwischen dir und diesem Matthew?“ presst er hervor.

Ach, daher weht der Wind….

„Jake…“ ich zwinge ihn mich anzusehen „Nein.“

„Sicher? Ich meine du hast ihn bei dir einquartiert.“ Er atmet tief ein.

„Ja Jake, das habe ich. Weil er deine Vertretung ist…“ ich sehe in seine wunderbaren blauen Augen und angesichts seines Gesichtsausdruckes muss ich mir ein lachen verkneifen „Beruflich Jake.“ Erkläre ich ihm.

„Ich weiß, ich habe gesagt, ich lasse dir alle Zeit der Welt…“ Jake schluckt schwer. „Wenn ich am 12. Mai wieder da bin, da brauche ich eine Entscheidung uns betreffend.“

„Aber…“ setze ich an.

„Nein Tess, ich bin bereit jeden Weg mit dir zu gehen, aber ich habe Angst, am Ende allein da zu stehen.“ Gesteht er mir und ich nicke leicht.

„Ich liebe Dich. Ich weiß, das macht dir eine Scheißangst, aber ich will mich und dich einfach nicht mehr verstecken.“ Er küsst mich zärtlich und eine Träne stiehlt sich aus meinem Augenwinkel.

Warum verlangt er das von mir?

Sicher, ich kann ihn verstehen… aber ich kann doch nicht aus meiner Haut.

„Bis zum 12. Denk in Ruhe nach.“ Bittet er mich und haucht mir einen Kuss auf die Stirn.

Wie benommen gehe ich wieder ins Cooper und setze mich zu den anderen.

„Kommt Carter noch mal Bye sagen?“ fragt mich Drew, aber ich starre einen Punkt an der Wand hinter ihm an.

„Hey…“ Ana nimmt meine Hand und ich ziehe sie schnell weg.

„Ich muss nach Hause…“ ich sehe zu Matt „Ich lasse die Haustür auf. Bye.“ Ich stehe auf und stürme aus dem Cooper.

Ich laufe nach Hause und stürme ins Bad, ich greife in meinen Medikamentenschrank und nehme eine meiner Tabletten. Die Panik schürt mir die Kehle zu und ich sacke auf den Badezimmerboden.

„Tess?“ höre ich Ana rufen und rolle mich zusammen. „Gott, was ist passiert?“ sie kommt zu mir und nimmt mich in den Arm.

„Er will eine Entscheidung.“ Schluchze ich.

„Oh Tess.“ Mitfühlend streicht sie mir über den Kopf „Verdammt Carter.“ Flucht sie.

„Nein Ana, er hat doch Recht…“ ich sehe sie an „Ich muss mich entscheiden, ich weiß nur nicht, ob ich es kann.“

„Ganz ruhig.“ Sie streicht mir immer wieder über den Rücken und das Zittern lässt langsam nach.

In den nächsten Wochen bin ich wie fern gesteuert, ich mache meine Arbeit, aber ich bin nicht wirklich da. Matt bekommt nichts aus mir heraus und auch Pete kann ich mich nicht anvertrauen…

Niemand würde mich verstehen.

Ich verstehe mich ja selbst nicht.

Pete macht sich große Sorgen und ich glaube, er telefoniert mehr mit meinen Eltern wie ich es tue…

Nur Ana steht mir bei, sie sitzt in den Nächten in denen ich nicht schlafen kann neben mir und versucht mich abzulenken, ihre Hochzeit mit Drew bietet ja auch genug Stoff dazu.

Umso dichter der 12. Mai rückt, umso schlechter fühle ich mich.

Will ich Jake zumuten mit einem seelischen Wrack zusammen zu sein?

Will ich allen Ernstes von ihm erwarten, dass er mich verstehen kann?

Dann ist der 12. Mai und ich habe nicht einmal vor der Bürgerversammlung Zeit mit ihm zu sprechen, denn er landet erst als wir schon auf dem Weg ins Versammlungszentrum sind.

Ich höre den Vorrednern nicht zu und suche Jake in der Menge, ich kann aber nur Matt entdecken und schlucke schwer.

„Viele von Euch kennen sie ja schon, aber ich stelle jetzt offiziell die neue Ärztin von Point Hope vor. Dr. Theresa Scott.“ Er deutet auf mich und ich gehe nach vorne.

„Es freut mich sehr so viele mir bisher unbekannte Gesichter zu sehen.“ Setze ich an „Ich wurde von Hope mit offenen Armen aufgenommen, dafür möchte ich mich hiermit von Herzen bedanken. Ich kam auch nicht ohnehin zu merken, dass Peter und Olivia dank mir sehr schnell zum Gesprächthema geworden sind. Die wildesten Gerüchte kursieren und ich möchte eins klar stellen. Ohne Dr. Peter Dunn wäre ich nicht hier und das meine ich nicht nur im eigentlichen Sinn. Peter Dunn ist mein Patenonkel und kennt mich seit meiner Geburt, er hat mir durch die letzten beiden Jahre geholfen in denen ich schwere Schicksalsschläge hin nehmen musste und ja, er hat dafür gesorgt, dass ich die neue Ärztin in Point Hope werde, aber ich bin eine gute Ärztin und jeder der mir in Behandlung war, wird es bestätigen können. Ich lebe für meinen Job, es ist nicht nur ein Beruf, es ist meine Berufung.“ Ich sehe auf und die Menschen sehen mich mit großen Augen an.

„Was läuft da zwischen ihnen und unserem Anwalt?“ fragt eine weibliche Stimme und ich schlucke.

Jetzt oder nie…

Steh zu deiner Entscheidung.

Ich habe mir alle Fragen tausend Mal gestellt und ich bin zu einem Ergebnis gekommen… NEIN.

Ich kann ihm das alles nicht zumuten, ich kann es nicht von ihm verlangen.

„Es läuft nichts zwischen mir und Jacob Carter. Wir sind in der Luft ein Team und am Boden Freunde.“ Ich versuche zu lächeln.

Dann treffen sich unsere Blicke und ich schlucke erneut.

Er starrt mich fassungslos an, dreht sich um und geht raus.

„Wie viel Berufserfahrung haben sie denn?“ fragt eine andere Stimme und ich versuche mich zu konzentrieren.

„Ich habe am Masters Hospital in Queens, in New York mein praktisches Jahr in der Allgemeinmedizin gemacht. Ich habe bevor ich hierher gekommen bin mehrere hundert Stunden Einsätze mit einem Rettungshelikopter in New York absolviert, ich habe Fortbildungen in Orthopädie und ich habe an die 200 Stunden im OP gestanden, ich habe mich auf Notfallmedizin spezialisiert und ich lerne mit jedem Tag dazu. Ich weiß, das ich Dr. Dunn noch nicht das Wasser reichen kann, aber ich bin auch erst 28.“ Ich zucke mit den Schultern „Ich bin gut in dem was ich tue.“

„Stimmt es das sie in der Psychiatrie waren?“ die Stimme klingt spöttisch.

„Ja, das stimmt. Wenn man einen sehr nahestehenden Menschen durch ein Gewaltverbrechen verloren und fast selber getötet wurde, dann ist es nicht verkehrt psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen.“ Erkläre ich ganz ruhig.

„Sind sie jetzt geheilt?“ fragt die gleiche Stimme und ich versuche das Gesicht dazu zu finden.

„Nein, ich werde mit den Erinnerungen mein ganzes Leben zu Recht kommen müssen, aber es geht mir gut. Ich denke, das habe ich in den letzten Monaten deutlich bewiesen.“ Ich sehe hilfesuchend zu Rob und er nickt. „Danke Dr. Scott, wir sind wirklich froh, das Hope eine so engagierte Ärztin, hat.“ Er klatscht und fast alle stimmen mit ein.

Ich setze mich wieder und es werden noch mehr Tagespunkte besprochen, eine Stunde später ist der Spuk vorbei und ich unterhalte mich mit unzähligen Menschen. Ich bin froh, dass mich Pete da irgendwann raus holt und wir den Weg zu mir einschlagen.

„Er war enttäuscht.“ Sagt Pete als wir bei mir ankommen.

„Er wollte eine Entscheidung.“ Ich atme tief durch um nicht in Tränen auszubrechen.

„Oh Kleines.“ Er nimmt mich in den Arm „Rede wenigstens mit ihm.“

Ich sehe zu Jakes Haus, drinnen brennt Licht und ich nicke Pete zu, ehe ich mich auf den Weg mache.

Er hat eine Erklärung verdient…

Als ich bei ihm ankomme höre ich Stimmen und gehe auf der Veranda ums Haus herum.

„… Warum habe ich mich auf sie eingelassen? Sie ist einfach zu feige.“ Matt steht Drew gegenüber und dieser versucht ihn zu beruhigen.

„Lass sie doch erst einmal erklären.“

„Nein, ich will sie nicht mehr sehen. Sie sollte sich entscheiden und das hat sie. Die Frage ist nur, was mache ich jetzt mit ihrer Entscheidung…“ er tigert im Wohnzimmer auf und ab „… Ich ziehe nach Sitka.“ Er sieht zu Drew.

„Spinnst du total?“ Drew zeigt ihm einen Vogel.

„Du glaubst nicht allen Ernstes, dass ich weiter mit ihr arbeiten kann?“ fragt er spöttisch.

„Komm schon Jake, hier ist dein Zuhause.“ Appelliert Drew an ihn.

„Ich werde gehen, je schneller, desto besser. Ich rufe morgen bei der FD an, sie sollen diesen Matthew noch hier lassen bis sie Ersatz gefunden haben.“ Er fegt mit einer schnellen Handbewegung das Modellflugzeug von mir vom Kaminsims und es zersplittert in tausend Teile…

Genauso wie mein Herz.

Er wird gehen.

Wegen mir.

Ich merke wie sich die Tränen nun nicht mehr zurück halten lassen und laufe Tränenblind nach Hause.

Matt fragt nicht was los ist, ich denke, er kann es sich ganz gut zusammen reimen…

Als ich am nächsten Morgen völlig fertig in die Praxis komme ist Sally nicht da und Liv sieht mich stattdessen an.

„Sie will nicht mehr hier arbeiten.“ Sagt sie entschuldigend.

Ich nicke unter Tränen.

„Schickst du mir in 10 Minuten den Ersten rein?“ ich sehe zu Liv, sie nickt und versucht zu lächeln.

Ich behandele meine Patienten als wäre nichts passiert und das mache ich auch den Rest der Woche. Wenn ich jedoch zu Hause bin, dann verkrieche ich mich weinend in meinem Schlafzimmer und will niemanden sehen.

Am Samstagnachmittag klopft es heftig an der Tür und Matt lässt Drew rein.

„Du hättest ihn aufhalten müssen.“ Schreit er mich an.

„Er will mich nie wieder sehen.“ Gebe ich kraftlos zurück.

„Warum machst du das nur? Wie kann man so egoistisch sein?“ er ist mehr wie wütend und ich kann es ihm nicht einmal verübeln. Ich habe seinen besten Freund aus der Stadt vertrieben…

Matt sieht hilflos zwischen uns hin und her.

„Ich bin fertig mit Dir.“ Drew wirft mir einen letzten Blick zu und rauscht dann an Ana vorbei nach draußen.

„Es tut mir so leid, er ist wütend, weil Carter gerade weg ist.“ Versucht sie ihn in Schutz zu nehmen.

„Lass gut sein, vielleicht solltest du dir eine neue Brautjungfer suchen.“ Ich sehe sie an und die Tränen laufen über mein Gesicht.

„Nein Tess…“ sie nimmt meine Hände in ihre „Nein, ich will dich und ich weiß, dass es dir mit der ganzen Sache beschissen geht. Sieh dich doch nur an.“ sie wischt meine Tränen unbeholfen weg „Du bist meine beste Freundin.“ Sie drückt mich an sich.

„Geh nach ihm gucken und sag ihm, dass es mir unendlich leid tut.“ Ich deute auf die Tür durch die Drew vor ein paar Minuten verschwunden ist.

Am nächsten Morgen verabschiede ich Matt am Flugzeug.

„Melde dich Tess.“ Er sieht mich besorgt an.

„Mach ich, bestell der Sonne und Charlie liebe Grüße.“ Ich drücke ihm einen Kuss auf die Wange.

„Sicher. Lass dich nicht unter kriegen.“ Er winkt mir zu und besteigt das kleine Flugzeug.

„Ich übernehme Jakes Dienste bis auf weiteres. Wir bekommen am 1. Juni einen Neuen.“ Kev geht an mir vorbei und ich sehe zu Boden.“ Die nächsten 7 Tage wirst du also mit mir vorlieb nehmen.“ Fügt er hinzu.

Ich drehe mich um und setze mich auf mein Schneemobil.

Sie werden es mir nie verzeihen…

Sally nicht.

Drew nicht.

Kev nicht.

John nicht.

Ich werde mir selbst nie verzeihen…

Zwei Tage später habe ich mit Kev einen Einsatz und noch nie in meinem Leben habe ich mich so unwohl gefühlt, Kev lässt mich jede einzelne Sekunde spüren, dass er wütend auf mich ist.

Ich merke, wie ich immer weiter in eine Spirale aus Selbstzweifeln, Angst und Schuld gezogen werde.

Jake ist jetzt schon einen Monat weg…

Einen langen Monat.

Der Sommer ist da, an manchen Stellen in Hope kommt etwas grün zum Vorschein und nachts wird es nicht mehr dunkel, aber da ich sowieso nicht schlafe, stört es mich nicht.

Ana kommt fast jeden Tag vorbei und erkundigt sich, wie es mir geht.

Liv hat ganz Sallys Job übernommen und Sally geht mir aus dem Weg.

Gerade habe ich meine letzten Patienten behandelt und Liv ist schon nach Hause gegangen. Ich sitze auf der Behandlungsliege und mein Blick schweift über mein Operationsbesteck. Ich ziehe die Ärmel meines Pullovers hoch, nehme ein Skalpell in die Hand und fahre damit ganz leicht über die Haut an meinem Unterarm.

Skalpelle sind so scharf, das schon ein minimaler Druck reicht und sie einen feinen Schnitt hinterlassen. Ich atme tief durch und die Tränen beginnen zu laufen. Es ist befreiend und gleichzeitig weiß ich, dass es falsch ist.

Dieses Verhalten nennt man ambivalent… man steht zwischen zwei Gefühlen und kann nicht heraus finden, welches das Richtige ist.

Ich habe einen neuen Rettungsflieger von der FD bekommen. Er heißt Joe und ist 49, geschieden und Vater von zwei Töchtern.

Wir reden nicht viel mit einander, eher redet er und ich höre zu. Ein vier Stunden Flug kann so verdammt lang sein.

Wir sind gerade auf dem Dach des Anchorage Hospitals gelandet und ich steige mit aus.

„Flieg zur Basis, ich komme mit einem Taxi da hin.“ Ich sehe zu Joe und er nickt.

Ich laufe hinter den Ärzten und meinem Patienten hinterher.

„Alles Gute Nick.“ Verabschiede ich mich von meinem Patienten.

„Danke Doc“ ruft er mir noch hinterher.

„Was machst du denn noch hier?“ ein junger Arzt der Notaufnahme sieht mich fragend an.

„Ich suche eine Gynäkologin.“ Ich sehe mich suchend um.

„Fahr in den 4.Stock, dann rechts den Gang lang. Josie Monroe müsste Dienst haben“ er lächelt freundlich und ich erwidere es.

Ich fahre also in den vierten Stock und klopfe an die Tür an der Josephine Monroe steht.

„Hallo. Was kann ich für dich tun?“ sie sieht mich fragend an.

„Hast du gerade Patienten?“ ich sehe ich um.

„Nein, komm ein.“ Sie deutet auf einem Stuhl gegenüber ihrem Schreibtisch.

„Dr. Theresa Scott, FD Point Hope.“ stelle ich mich vor. „Tess.“

„Josie. Also was kann ich für dich tun Tess?“ sie setzte sich und sieht mich abwartend an.

„Die Sache ist die, ich nehme die Pille…“ ich wische meine schwitzigen Hände an meiner Hose ab „… Schon seit Jahren und ich habe nie eine vergessen, aber bei der letzten Pillenpause bekam ich meine Periode nicht. Ich dachte es ist stressbedingt, nun ja, ich mache mir so meine Gedanken.“

„Wann hattest du deine letzte Periode?“ sie nimmt sich einen Stift.

„Vom 20.03. bis zum 26.03.“ erkläre ich ihr und schlucke schwer. Wir haben den 14. Juni...

„Dann komm mal mit.“ Sie führt mich nach nebenan.

„Mach dich bitte unten herum frei und setz dich.“ Sie deutet auf den Behandlungsstuhl und ich gehe mich frei machen.

Ich setze mich auf den Stuhl und Josie beginnt die Untersuchung.

„Ist dir morgens übel?“ will sie wissen.

„Ich esse im Allgemeinen kaum was.“ Gebe ich zu.

Dann schaltet sie das Ultraschallgerät ein und konzentriert sich einen Moment.

„Herzlichen Glückwunsch Tess, du bist schwanger. Wenn meine Berechnungen stimmen in der 10. Woche. Ich tippe auf Anfang April.“ Sie strahlt mich an und ich breche in Tränen aus.

Drews verdorbenes Hühnchen in der Hütte…

Verdammt, ich hätte es besser wissen müssen.

Josie untersucht mich zu Ende und hilft mir dann mich aufzusetzen.

„Das ist dein Baby, es ist alles in Ordnung. Achte auf dich, iss regelmäßig und mute dir nicht zuviel zu.“ Sie reicht mir ein Ultraschallbild. „Egal was ist, das ist jetzt unwichtig. Du wirst Ende Dezember Mummy.“

„Danke.“ Schniefe ich und gehe mich wieder anziehen.

„Soll ich was an die FD schicken?“ sie sieht mich abwartend an.

„Nein, ich mach das schon selbst.“ Ich winke ab und sie füllt meinen Mutterpass aus.

„Hier, trage den bei dir.“ Rät sie mir.

„Danke noch mal.“ Ich gehe zur Tür.

„Ich möchte dich alle 4 Wochen sehen, wenn du hier bist, dann komm einfach vorbei.“ Bittet sie mich.

„Mach ich.“ Ich werfe ihr einen letzten kurzen Blick zu und gehe dann wieder in den Flur.

Ich lehne mich mit dem Rücken an die Wand und die Tränen wollen einfach nicht versiegen. Nach einer halber Stunde habe ich mich soweit im Griff, dass ich Richtung Fahrstuhl gehe.

Ich fahre runter ins Erdgeschoss und besteige das erstbeste Taxi.

Als ich bei der Außerstelle ankomme, sehen mich alle mitleidig an, aber zu meinem Glück ersparen sie sich jeden Kommentar…

„Können wir los?“ ich gehe an Joe vorbei, setze meinen Helm auf und klettere in den Heli.

„Alles klar.“ Er betrachtet mich einen Moment, ich arbeite die Checkliste ab und drücke auf die Funkverbindung zur Zentrale.

„Papa Hotel Alpha Lima Foxtrott Delta hier. Wir verlassen Fairbanks in Richtung Point Hope Außenstelle.“ Teile ich sachlich mit.

„Alles klar Theresa. Guten Flug.“ Kommt es augenblicklich und Joe macht den Heli startklar.

„Alles gecheckt.“ Sage ich zu ihm und er nickt, während er den Motor anlässt und das ohrenbetäubende Geräusch der Rotorblätter uns umfasst.

Wir fliegen schon eine ganze Weile schweigend, als sich Joe leise räuspert.

„Möchtest du reden?“ fragt er leise.

„Nein.“ Ich schüttele resigniert meinen Kopf.

Was soll ich schon sagen?

Ich bin schwanger…

Von Jake.

Von dem Jake, der mir jeden einzelnen Tag so sehr fehlt. Dem ich das Herz gebrochen habe, weil ich mir selber im Weg stehe.

Und jetzt ein Kind?

Wie bitte so ich diesem Kind eine annähernd glückliche Zukunft bieten?

Ich habe mit dem Weggang von Jake meinen ohnehin schwierigen Stand in Hope nur noch verschlechtert, denn es trifft mich sehr, dass Sally, John, Kev und Drew seit Wochen kaum ein einziges Wort mit mir gesprochen haben.

Ana hält mir tapfer die Freundschaft, aber irgendwann wird Drew eine Entscheidung von ihr verlangen… das bleibt in so einem kleinen Kaff wie Hope nicht aus.

Meine Unterarme sind gezeichnet von meinem Kampf mit mir selbst.

Und jetzt ein Kind?

Ich bin völlig überfordert.

Als wir in Hope landen gehe ich nicht nach Hause, sondern klopfe am späten Abend bei Pete und Liv.

„Hey Kleines. Komm doch rein.“ Pete sieht mich erstaunt an.

Ich folge ihm ins Haus, er nimmt mir meine Jacke ab und wir setzen uns.

„Was ist los Kleines?“ er nimmt meine Hände in seine.

„Ich kann nicht mehr…“ ich schluchze auf.

„Kleines.“ Er zieht mich in seine Arme.

„Ich habe ihn verloren, ich habe ihn verloren und ich bin selber Schuld.“ Weine ich.

„Pssst.“ Er streicht mir beruhigend über meinen Kopf.

„Ich kann es kaum ertragen. Sie hassen mich.“ Ich schüttele leicht mit meinem Kopf. „Wer denn Kleines?“ er bemüht sich krampfhaft zu beruhigen, aber über das Stadium, in dem ich beruhigen lassen kann, bin ich längst hinaus.

„Sally, John, Drew, Kev…“ ich sehe ihn an. „Ich halte den Druck kaum aus.“ Ich rücke ein Stück von ihm weg und ziehe die Ärmel meines Pullovers hoch.

„Oh Kleines.“ Er sieht geschockt auf meine Unterarme die von feinen Schnitten übersäht sind. Einige fast nicht mehr zu sehen, andere aber noch frisch und verkrustet.

„Du musst mit einem Psychotherapeuten reden.“ Beschwört er mich.

„Ich habe heute etwas erfahren, was die Situation noch unerträglicher macht.“ Ich sehe ihn an und kann doch sein Gesicht kaum erkennen, weil mir meine Tränen die Sicht verschleiern.

Dann schweige ich und sehe zu Boden, Pete hebt mein Kinn an.

„Sag es mir Kleines, sprich mit mir.“ Bittet er mich inständig.

„Ich bin schwanger.“ Sage ich tonlos.

Er zieht mich in seine Arme und ich schluchze haltlos.

„Das ist wunderbar meine Kleine.“ Er nimmt nach einer Weile mein Gesicht in seine Hände. „Es ist eine so großartige Neuigkeit.“

„Ich kann das nicht.“ Weine ich.

„Oh doch, du hast so viel durch gestanden…“ er streicht die Tränen weg „… Das ist eine Chance für dich. Sicher, du hast einen Rückfall, aber auch ich habe mich mit deiner Krankheit auseinander gesetzt. Lass dir helfen, regele dein Leben und dann weißt du so gut wie ich, das du dein Leben in den Griff bekommst. Mit oder ohne Jake. Lass dir helfen.“

Ich vergrabe mein Gesicht an seiner Brust und er lässt mich einfach weinen, einfach alles raus lassen und ich rede mir wirklich alles von der Seele. Ich weiß, dass Pete damit umgehen kann…

Ich schlafe irgendwann vor Erschöpfung ein und am nächsten Morgen hat mir Liv ein großartiges Frühstück gezaubert.

„Komm her meine Süße!“ sie nimmt mich in den Arm, als ich verschlafen hoch komme.

„Oh Liv.“ Schon wieder bin ich den Tränen nahe. Allein das schon überfordert mich, ich kann wirklich die ganze Zeit weinen…

„Pete kümmert sich heute um die Praxis und er wird sich auch die nächsten Tage kümmern. Ich kümmere mich um dich.“ Sie drückt mir einen Kuss auf die Stirn. „Du bekommst ein Baby und du brauchst Hilfe.“

„Ich kann das alles nicht.“ Nun beginnen die Tränen zu laufen und sie wiegt mich in ihren Armen.

„Pete hat mit einem sehr guten Psychologen gesprochen, heute Nachmittag wird er mit dir über Skype sprechen. Natürlich wird nicht von einen auf den anderen Tag alles gut sein, aber wir werden kämpfen. Du gehst diesen Weg nicht allein.“ Sie nickt mir aufmunternd zu.

„Ich…“ setze ich an.

„Nein Süße, keine Widerrede.“ Sie streicht über meine Wange „Und jetzt möchte ich, dass du etwas isst. Ich habe dich in letzter Zeit kaum was essen gesehen.“ Sie hilft mir hoch und wir gehen in die Küche.

Ich esse tatsächlich etwas, zum einen liegt es wohl an Liv die mich mit Argusaugen beobachtet und zum anderen daran, dass es wirklich gut schmeckt.

Der Psychologe, Dr. Raymond Clark, ist wirklich gut und am ersten Nachmittag sprechen wir fast drei Stunden miteinander. Wir vereinbaren gleich für den nächsten Tag einen weiteren Termin, bis auf Weiteres werde ich jeden Tag mit ihm sprechen müssen. Ich muss meine Gefühle und Gedanken los werden, auch wenn sie mir verwirrend und zusammenhanglos erscheinen, sie beschäftigen mich und halten mich von meinen eigentlich wichtigen Gedanken ab.

Wieder einmal muss ich einen Weg einschlagen, dem ich am Liebsten aus dem Weg gehen würde. Ich muss mich mit mir beschäftigen und meine Gedankengänge, Handlungen und Gefühle verstehen lernen. Die Behandlung des Borderline Symptoms besteht Hauptsächlich darin die Krankheit kennen zu lernen und zu verstehen.

Liv holt ein paar Sachen aus meinem Haus, es ist klar, das ich erst einmal bei ihnen bleiben werde, denn ich traue mir im Moment selber nicht.

„Tessa? Ana ist hier. Darf sie rein kommen?“ ruft Liv die Treppe rauf, seit über einer Wochen wohne ich schon bei ihnen und habe bisher nicht einmal das Haus verlassen.

Noch immer kann ich es nicht lassen mir selbst weh zu tun und Pete versorgt meine Wunden. Ich schäme mich dafür, das ich so schwach bin, aber ich muss erst lernen mit der neuen Situation klar zu kommen. Liv und Pete sind für mich da und kümmern sich aufopferungsvoll um mich.

Bisher haben sie mich abgeschottet und es ist das erste Mal, das Liv mich fragt ob Ana rein kommen kann.

Auch Pete und Liv sprechen mit Ray, wie ich Dr. Clark zwischenzeitlich nenne und es hilft ihnen mich zu verstehen. Erst gestern hatten sie ein langes Gespräch mit ihm…

Ich weiß, Ana war schon öfter hier, aber bisher hatte ich einfach keine Kraft dazu mich ihr zu stellen.

Vor Pete zuzugeben dass ich schwanger bin und einen Rückfall hatte, war was anderes…

„Ja.“ Sage ich schließlich und komme langsam die Treppen runter.

Ana sieht mich mit Tränen in den Augen an und nimmt mich in den Arm.

„Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht.“ Die ersten Tränen kullern über ihre Wangen und ihre grauen Augen sehen mich ängstlich an.

Ich erwidere ihre Umarmung und sie schluchzt leise.

„Ich bin bei Pete in der Praxis. Wenn was ist, dann kommst du rüber.“ Sie kommt zu mir und streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht. Sie geht an Ana vorbei, streicht auch ihr über die Wange und nickt ihr zu.

Anas Blick fällt auf meine bandagierten Unterarme und sie schließt verzweifelt ihre Augen.

Sie zieht ihre Jacke aus und ich umschlinge mich mit meinen Armen.

„Du hattest einen Rückfall, nicht wahr?“ fragt sie leise.

„Ich wollte es nicht…“ beginne ich. „Es ist alles zu viel.“

„Oh Tess, warum hast du nichts gesagt?“ sie sieht mich mit großen Augen an.

„Ana, du bist mit Drew zusammen. Ihr heiratet in knapp einer Woche. Ich wollte nicht zwischen euch stehen.“ Versuche ich zu erklären.

Heute ist Montag, am Samstag werden Ana und Drew heiraten…

„Tess, wie oft noch? Ich bin deine beste Freundin. Wenn du nicht mit mir redest, mit wem denn dann?“ sie hält mir ihre Hand hin und ich ergreife sie.

„Ich bin wieder in Behandlung.“ Ich sehe auf unsere Hände „Und ich bin schwanger von Jake.“

„Was?“ ihre Augen werden noch größer. „Oh mein Gott, das ist wunderbar!“ sie lächelt unter Tränen und drückt meine Hand.

„Ich bin deswegen zusammen gebrochen, das mit dem Ritzen habe ich schon kurz nach Jakes Weggang begonnen…“ ich sehe auf meine Unterarme „… Ich kann es immer noch nicht ganz sein lassen, an manchen Tagen stürzt alles auf mich ein und ich weiß nicht, was ich machen soll.“ Ich zucke hilflos mit den Schultern „Sally und John hassen mich, weil ich ihren Sohn vertrieben habe und Kev und Drew hassen mich, weil ich ihren Freund vertrieben habe. Die anderen hier in Hope schauen mich teilweise an, als sei ich eine Schwerverbrecherin. Ich bin am überlegen, ob ich weg gehen sollte.“

Tatsächlich haben Ray und ich diese Lösung in Betracht gezogen, aber er weiß, an meinem Problem würde sich nichts ändern…

„Bitte geh nicht. Drew führt sich auf wie ein Kleinkind.“ Sie hält meine Hand fest umschlungen „Ich will dich nicht verlieren. Du musst mit Jake sprechen, er muss es wissen.“

„Ich weiß…“ gebe ich zu.

Aber wie bitte soll ich ihm all das erklären, was in den letzten beiden Monaten passiert ist?

„Er kommt Freitagabend. Ich bitte dich Tess, rede mit ihm bevor du zu Grunde gehst.“ Sie sieht mich bittend an. „Ihr bekommt ein Baby.“ Ein weiteres lächeln stiehlt sich auf ihr Gesicht.

Ich denke nach, ich weiß, dass sie Recht hat…

„Ich verspreche dir nichts, ich muss vorher mit meinem Therapeuten Ray und mit Liv und Pete sprechen. Das alles hier…“ ich umfasse meine Handgelenke „… geht nicht nur mich was an.“

„Okay, mehr will ich gar nicht.“ Sie sorgt dafür, dass ich meine Handgelenke los lasse und sieht mir in die Augen.

„Wie war die Jungesellinnenabschied?“ ich sehe sie an und sie grinst.

Die Krankheit ist schlimm, aber keineswegs bestimmt sie mein ganzes Leben, wenn ich es nicht zulasse.

„Eher ruhig würde ich sagen, aber mein Kleid ist traumhaft. Deins im Übrigen auch, du weißt, egal was passiert, du wirst meine erste Brautjungfer sein.“ Sie legt ihren Arm um meine Schulter.

„Sicher?“ ich sehe sie skeptisch an.

„Ganz sicher.“ Sie nickt eifrig. “Die Brautjungfernkleider sind in einem ganz tollen Lavendelton, du wirst wunderschön aussehen. Und in welcher Woche bist du?“ sie betrachtet mich skeptisch.

„In der 13. Woche. Pete hat gestern ein Ultraschall gemacht. Es geht dem Baby gut.“ Nun endlich lächle auch ich mal wieder.

„Wahnsinn, du bekommst wirklich ein Baby.“ Sie schüttelt grinsend den Kopf.

„Ja und Schuld daran ist übrigens Drews Gemüsehähnchen…“ ich lehne mich zurück, das erste Mal seit Tagen fühle ich mich wieder annährend wohl „… Es war verdorben und Jake und ich mussten uns übergeben. Natürlich hätte ich darüber nachdenken müssen, das mein Verhütungsschutz nicht mehr ausreichend sein könnte, aber ich habe es nicht.“ Ich zucke mit den Schultern und Ana lacht leise.

„Oh mein Gott.“ Sie hält sich den Bauch vor lachen „Ein Gemüsehühnchen als Verhütungspanne.“

Als sie sich beruhigt hat beginnen wir zu reden, offen und ehrlich. Sie kann viele meiner Gedanken verstehen, aber sie ist auch so stark, dass sie sich mir entgegensetzen kann. Das ist wichtig, ich kann niemanden gebrauchen, der mir nach dem Mund redet.

Drei Stunden später verabschiedet sie sich und ich nehme sie in den Arm.

„Ich danke dir Ana.“ Ich lächle scheu.

„Ich danke dir Tess.“ Sie erwidert mein lächeln. „Ich komme morgen wieder und bringe leckere Brezeln von Cooper mit.“ Sie zwinkert mir zu „Noch was dazu? Schokolade? Gewürzgurken?“ neckt sie mich.

„Hmm…“ ich tue als würde ich nachdenken „Die Brezeln reichen. Ich bin schwanger aber nicht essgestört.“

„Also noch keine Gelüste?“ sie zieht sich ihre Jacke über.

„Bisher nicht.“ Ich bringe sie zu Tür und sie drückt mich erneut an sich.

„Danke Tess.“ Wiederholt sie.

„Ich danke dir.“ Ich winke ihr lächelnd hinterher.

Ich setze mich ins Wohnzimmer und denke noch einen Moment nach, ich habe in meiner Therapie letztes Jahr und in meinen Gesprächen mit Ray verschiedene Techniken gelernt, mich zu konzentrieren.

Ich fühle mich besser, wirklich besser. Ich hätte viel früher mit Pete, Liv und Ana reden müssen, dann wäre es vielleicht nicht so weit gekommen, aber nun ist es so und ich kann die Situation nicht ungeschehen machen, ich kann nur dafür Sorgen, das sie sich bessert.

Ich atme tief durch und gehe in die Küche, auf dem Weg dorthin lege ich meine Hand zärtlich auf meinen Bauch und streichele ihn sanft. Langsam wölbt er sich und ich freue mich auf mein Baby.

Ich beschließe für Pete, Liv und mich zu kochen und sie staunen nicht schlecht, als ich ihnen eine Stunde später meine selbstgemachte Bolognesesauce mit Pasta vorsetze.

„Wow Kleines, das schmeckt wirklich ausgezeichnet…“ lobt mich Pete und Liv nickt zustimmend „…Wie war dein Gespräch mit Ana?“

„Sehr gut, ich hätte das früher tun müssen. Sie kann nichts dafür, das die anderen nicht mehr mit mir reden.“ Gebe ich zu.

„Das freut mich Kleines.“ Liv steht auf und beginnt den Tisch abzuräumen.

Tatsächlich tut mir Ana mehr wie gut und ich bekomme mich weiter in den Griff, an manchen Tagen bin ich sogar schon wieder ganz ich selbst. Mein Brautjungfernkleid ist wirklich traumhaft, es ist aus lavendelfarbener Seide mit einem Tüllrock. Erst gestern hat es Ana mir vorbei gebracht und ich musste natürlich anprobieren. Ich befürchte zwar fast, ich werde erfrieren, aber für Ana nehme ich gerne ein paar Frostbeulen auf mich.

Ich sehe auf die Uhr, es ist kurz nach 16 Uhr, in einer halben Stunde holt mich Ana ab und wir gehen zu Sally und John. Jake müsste schon hier sein…

Ich atme tief durch und gehe ins Wohnzimmer, seit gestern wohne ich wieder in meinem Haus, ich habe es gestern Abend kurzfristig so für mich beschlossen. Ich ziehe mir eine gefütterte Jeans, einen dicken Pullover und meine Schuhe schon mal an. In den letzten Tagen war ich mit Ana auch schon ein paar Mal draußen, die frische Luft tut mir gut. Es liegt nur noch ganz wenig Schnee, es ist halt Sommer in Hope, aber bei Temperaturen um 6 Grad stellt sich kein wirkliches Sommergefühl ein. Die Alaskaroad ist geöffnet und die Holztransporter donnern auf der provisorischen Straße neben Hope  entlang.

Es ist 24 Stunden am Tag hell, aber damit habe ich mich erstaunlich schnell angefreundet. Ana hat mir schon vor Monaten eine Schlafbrille geschenkt und jetzt erfüllt sie wirklich ihren Zweck.

Aus dem Augenwinkel sehe ich wie Ana an meinem Haus vorbei in Richtung Liv und Pete vorbei eilt.

„Ich bin hier.“ Ich trete aus meiner Haustür und sie sieht mich erstaunt an. „Wieder zu Hause?“ fragt sie nachdenklich.

„Ich weiß noch nicht.“ Gebe ich zu.

„Wie geht es dir?“ sie hilft mir in die Jacke.

Im Übrigen genieße ich es, endlich nicht mehr mit den superdicken Jacken herum laufen zu müssen. Tatsächlich habe ich meine Jacke an, die ich anhatte, als ich in Hope angekommen bin.

„Es geht mir gut, ich bin nur nervös.“ Gestehe ich.

„Ich bin bei dir. Wie wir es mit Liv und Pete besprochen haben.“ Sie legt mir ihren Arm um die Schultern und wir schlagen den Weg zu John und Sally ein.

Mein Herz schlägt mit jedem Schritt schneller in meiner Brust, die Gedanken purzeln durch einander und ich bleibe kurz vor ihrem Haus stehen.

„Geht’s?“ erkundigt sich Ana leise.

Ich mache die Atemübungen die ich von Ray gelernt habe und schaffe es tatsächlich mich zu beruhigen. Ich lege meine Hand auf meinen Bauch, ich muss an mein Baby denken…

„Alles wird gut.“ Versucht mich Ana zu beruhigen und ich stütze meine Hände auf den Knien ab und atme tief durch.

Noch bevor wir die Haustür erreichen kommt John raus gestürmt.

„Was hast du hier zu suchen?“ blafft er mich an und ich sehe überrascht auf.

„Sie muss mit Jake reden.“ Sagt Ana für mich und hinter John kommen auch Sally, Kev, Drew und schließlich Jake raus.

Ich suche Jakes Blick, doch er weicht mir aus. Mutig gehe ich, an John und den anderen vorbei, auf ihn zu.

„Ich bitte dich Jake.“ Flehe ich ihn an.

Ihn zu sehen, bestätigt mich darin, dass ich ihn liebe und dass die Sache zwischen uns klären muss. Aber es bestätigt mich auch, dass ich ihm weh getan habe.

„Du hast ihn um nichts zu bitten.“ Fällt mir Sally ins Wort.

„Ich liebe Dich Jake.“ Meine Stimme ist kaum mehr wie ein flüstern „Ich liebe dich und du fehlst mir so sehr.“

„Das hättest du dir früher überlegen müssen.“ Drew stellt sich zwischen mich und Jake.

„Was glaubst du eigentlich, das du jetzt hier her kommst und alles ist wieder Friede, Freude, Eierkuchen?“ Drew durchbohrt mich mit seinem Blick.

Dann beginnen Sally, John und Kev auch noch auf mich einzureden und ich schließe meine Augen.

Meine Gedanken schwirren umher und ich kann nicht einen Einzigen fest halten, alles in mir spannt sich an und ich merke wie sich meine Atmung panisch beschleunigt.

„Haltet den Mund.“ Wimmere ich und halte mir die Ohren zu, Tränen laufen in Sturzbächen über mein Gesicht und ich versuche es irgendwie aufzuhalten. „Bittet hört doch auf.“ Flehe ich leise, aber sie hören nicht auf.

Sie geben mir die Schuld und all die unterdrückten Schuldzuweisungen der letzten Monate drängen mit aller Macht an die Oberfläche.

Nur Jake schweigt.

Ist er überhaupt noch da?

Kraftlos sinke ich auf meine Knie und Ana stürzt zu mir.

„Verdammt haltet den Mund!“ schreit sie und legt beschützend ihrem Arm um meine Schultern. „Könnt ihr sie nicht einmal ausreden lassen?“ sie streicht mir über den Rücken und ich schluchze auf. „Ja, sie hat einen Fehler gemacht. Einen Fehler, den sie in den letzten Monaten alleine ausgebadet hat. Sie ist krank, sie hat eine Borderline Persönlichkeitsstörung, es fällt ihr schwer Beziehungen aufzubauen, sie hat einmal den Mann verloren den sie liebte, weil er vor ihren Augen erschossen und dann in ihren Armen verblutet ist. Sie hat panische Angst gehabt und als ihr Jake ein Ultimatum gestellt hat, da hat sie diese Angst überwältigt.“ Sie lässt sich neben mir auf die Knie fallen und drückt mich beschützend an sich. „Sie hatte einen Rückfall, sie verletzt sich selbst und ich finde, sie sollte wenigstens die Möglichkeit bekommen, Jake das zu sagen, was sie ihm schon so lange sagen will und sagen muss.“

Die Stille ist unwirklich und erschlägt mich fast, ich brauche einen Moment um das Chaos in einem Kopf annähernd zu sortieren und mich zu beruhigen.

„Tess?“ fragt Ana leise.

Ich hebe meinen Kopf, Jake steht vor mir und ich sehe ihm in die Augen. In denen spiegelt sich die nackte Angst…

„Ich liebe Dich Jake. Ich liebe Dich und ich habe Angst. So unheimliche Angst. Ich hatte Angst dich zu verlieren und dadurch habe ich dich verloren. Ich hatte Angst dich zu lieben, dabei liebte ich dich schon so lange. Ich hatte Angst eine Beziehung einzugehen und eine Familie mit dir zu gründen und jetzt bin ich schwanger von dir. Du hast gesagt, du lässt mir alle Zeit der Welt und dann hast du mich vor ein Ultimatum gestellt. Es war zu viel…“ mein ganzer Körper bebt unter meinem Schluchzen „Dann bist du gegangen, einfach so. Ich habe dich mit Drew reden gehört und hatte nicht den Mut es dir zu erklären. Drew, Kev, dein Dad und deine Mum hassen mich und obwohl ich sie verstehen kann, zerreißt es mir das Herz. Ich wusste nicht mehr weiter und habe wieder angefangen mich selbst zu verletzen. Ich bekomme Hilfe, aber das ist keine Sache die mit ein paar Sitzungen mit einem Psychologen vorbei ist. Ich muss an mir arbeiten… Ich habe dich einmal gebeten mich zu lieben und du hast mir versprochen es immer zu tun.“ Ich sehe wieder auf und sehe die Tränen die über sein Gesicht laufen. „Ich bitte dich Jake, liebe mich.“ Flehe ich ihn an.

Er zieht mich hoch und drückt mich an sich.

„Natürlich liebe ich dich.“ Sagt er leise „Ich liebe euch.“ Er küsst mich innig. „Es war dumm von mir und ich habe mir über die Auswirkungen keine Gedanken gemacht.“ Gesteht er.

„Tess…“ setzt Sally an, doch Jake hebt seine Hand um sie zum Schweigen zu bringen.

„Mum, ich weiß, ihr habt das getan weil ihr mich liebt, aber ehrlich gesagt, hätte ich nicht gedacht, welche Ausmaße das annimmt. Meine Güte, ihr habt Tess alle gemocht und sie dann einfach fallen lassen?“ er sieht in die Runde und sein Blick bleibt an Ana heften. „Danke Ana.“ Sagt er ehrlich und sie nickt leicht.

„Können wir zu dir gehen?“ fragt er mich leise und ich nicke kaum merklich.

Er legt seinen Arm um eine Hüfte und führt mich zu meinem Haus zurück. Ich gebe ihm meinen Schlüssel und er schließt die Tür auf, behutsam schiebt er mich rein und macht dann die Tür gleich wieder hinter uns zu.

Ich zittere immer noch am ganzen Körper und er hilft mir aus der Jacke.

„Komm her.“ Er nimmt mich in den Arm und ich halte mich an ihm fest.

„Es tut mir so leid.“ Krächze ich.

„Du bist mein Stern in dunkler Nacht.“ Er nimmt mein Gesicht in seine Hände und küsst mich zärtlich.

Unsere Tränen vermischen sich und ich klammere mich noch mehr an ihn.

Langsam lässt er von mir ab und führt mich zur Couch, ganz bedächtig sorgt er dafür, dass ich mich setze, um sich dann neben mich zu setzen und meine Hand zu nehmen. Sein Blick fällt auf meine Verbände und er schüttelt leicht seinen Kopf.

„Was habe ich nur getan?“ er sieht mich hilflos an.

„Nein Jake, ich habe die Fehler gemacht.“ Ich halte seinem Blick nicht Stand.

„Ich liebe dich. Ich werde immer für dich da sein, ich werde niemals von deiner Seite weichen und wir werden alles zusammen überstehen.“ Er küsst meine Fingerknöchel.

„Ich liebe dich.“ Flüstere ich.

Er legt seine Hand auf meinen Bauch und sieht mich prüfend an.

„Ich bin in der 13. Woche. Das Wochenende in der Hütte und Drews verdorbenes Gemüsehähnchen.“ Ich lächle leicht.

„Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe, dich vor ein Ultimatum zu stellen.“ Er bekommt eine tiefe Sorgenfalte zwischen den Augen.

„Tue das nicht…“ ich fahre mit meinen Fingern über die Falte und sein Gesicht entspannt sich. „Keine Schuldzuweisungen.“

„Ich habe dich so sehr vermisst.“ Er zieht mich fest in seine Arme „Ich liebe Dich.“

„Ich liebe Dich.“ Ich sehe ihn an und küsse ihn leidenschaftlich.

„Wir werden mit Drew, Kev und meinen Eltern reden müssen. Ich kann nicht zulassen, das das so im Raum steht.“ Er haucht mir einen Kuss auf die Stirn.

„Okay, aber bitte nicht jetzt. Mir geht es seit sehr langer Zeit endlich mal wieder gut. Sehr gut sogar…“ ich nehme seine Hand und schiebe sie unter mein T-Shirt. „Ich muss sicher sein, das das hier alles real ist.“

Er steht auf und hebt mich auf seine Arme, er küsst mich und trägt mich die Treppe rauf.

„Tessa!“ hämmert es gegen meine Haustür und ich komme verschlafen hoch. Mein Blick fällt neben mich, da liegt er… ein lächeln stiehlt sich auf mein Gesicht. Er sieht entspannt und zufrieden aus und auch ich fühle mich endlich mal wieder im Reinen mit mir.

Ich ziehe mir schnell meinen Slip und sein T-Shirt an und eile die Treppe runter, denn wenn Pete weiter so an meine Tür hämmert, dann hebt er sie gleich aus den Angeln.

Ich öffne die Tür und er sieht mich atemlos an.

„Gott Tessa!“ er umarmt mich und drückt mich viel zu fest an sich.

„Pete, alles Okay.“ Beruhige ich ihn und seine Sorgenvoller Blick weicht einem schelmischen Grinsen.

„Das ist nicht zu übersehen.“ Er streicht mir eine Strähne hinters Ohr.

„Komm rein.“ Ich ziehe ihn endlich ins Haus und schließe die Tür hinter ihm.

„Ihr habt also “geredet“?“ feixt Pete und ich hole mir ein Glas Wasser aus der Küche und biete ihm ebenfalls eins an.

„Ja, wir haben geredet und “geredet“.“ Gebe ich lächelnd zu.

„Du weißt, dass trotzdem noch ein steiniger Weg vor dir liegt.“ Seine Stimme klingt besorgt.

„Ja Pete, mir ist sehr wohl bewusst, dass nicht plötzlich alles gut ist.“ Ich nicke und nehme einen großen Schluck von meinem Wasser.

„Du wirst dich auf ihn verlassen können müssen.“ Gibt Pete zu bedenken.

„Kein Angst Pete…“ Jake kommt nur in Jeans in die Küche, er stellt sich hinter mich und hält mich in seinen Armen „… Ich lasse sie nie wieder allein. Ich komme zurück, Sitka war eine blöde Idee.“ Er gibt mir einen Kuss „Ich bin mir bewusst, das Tess an sich und ich an mir arbeiten muss, aber wir wissen ja, wofür wir es tun.“ Er legt seine Hand auf meinen Bauch. „Wir sind eine Familie.“

„Es ist wirklich schön anzusehen, dass ihr Beide es in Angriff nehmt. Ihr schafft das, da bin ich sicher…“ er steht auf und lächelt uns an „… Jake, wenn irgendetwas ist, dann komm vorbei, unsere Tür ist immer offen.“ Er nickt Jake zu.

„Danke Pete.“ Kommt es wirklich dankbar von Jake.

Vielleicht ist es nicht verkehrt, wenn sich Jake mit Pete zusammen setzt, denn die ganze Sache aus einer anderen Sichtweise geschildert zu bekommen, macht vielleicht Manches klarer.

Ich entwinde mich Jakes Umarmung und bringe Pete zur Tür.

„Ich danke dir so sehr.“ Ich nehme ihn fest in den Arm.

„Dafür nicht meine Kleine.“ Winkt er ab. „Ach übrigens, es ist kurz nach 21 Uhr, Drews und Anas Polterabend hat vor einer Stunde begonnen und sie vermissen ihren Trauzeugen und die erste Brautjungfer… Denkt mal drüber nach.“ Er lacht und zieht die Tür hinter sich ins Schloss.

Ich gehe zu Jake und nehme ihn in den Arm.

„Du kommst zurück?“ frage ich lächelnd und merke wie mir Tränen in die Augen steigen.

„Aber natürlich mein Stern…“ er küsst meine Nasenspitze „Sitka ist mir zu groß und ich vermisse dich so unendlich. Ich will keine Sekunde mehr von dir und unserem Baby getrennt sein.“

Ich lege meinen Kopf an seine Brust und er hält mich fest an sich gepresst.

„Wir sollten, glaube ich, wirklich bei Ana und Drew vorbei…“ ich hebe meinen Kopf an „Wir können unsere besten Freunde nicht am Abend vor ihrer Hochzeit versetzen.“

„Ist es wirklich in Ordnung für dich?“ er küsst sanft meine Stirn und ich nicke.

„Jetzt ja.“ Lächle ich.

„Gut, dann zieh dir was an. So gerne ich dich auch in diesem Aufzug sehe, es ist nicht das Richtige für den Polterabend.“ Er schubst mich sanft in Richtung Treppe.

Ich gehe in meinen Kleiderschrank und ziehe eine ganz normale dunkelblaue Jeans heraus, dann muss ich etwa suchen, aber finde schließlich meine hellrosane Tunika. Die habe ich mal heiß und innig geliebt, aber dann zusammen mit meinen Erinnerungen in die untersten Schubladen gesteckt.

Ich ziehe mir Unterwäsche an, schlüpfe in die Jeans und versuche krampfhaft den Knopf zuzubekommen.

„Verdammt.“ Fluche ich und Jake kommt herein.

„Was ist los?“ er beobachtet wie ich versuche das Unmögliche zu schaffen und lacht leise. „Und jetzt?“

„Wie und jetzt?“ ich greife an ihm vorbei und befördere ein Haargummi zu Tage. Ich verknote es mit dem Knopfloch und schlinge es dann um den Knopf.

Gut, das ist sicherlich nicht die eleganteste Lösung, aber die einzige die mir einfällt. Dann ziehe ich die Tunika über und sie sitzt perfekt. Mein Bäuchlein ist versteckt unter den verschiedenen Lagen und die Steine funkeln.

Ja, das bin ich…

Ich sehe mich zufrieden im Spiegel an.

Jake betrachtet mich immer noch und lächelt verschmitzt.

„Du siehst wunderschön aus.“ Er kommt zu mir und küsst mich.

Mein Blick fällt auf meine Handgelenke und ich wickele die Verbände ab, es sieht nicht schön aus, aber nicht so schlimm wie ich befürchtet habe.

Als ich in meine weißen Pumps geschlüpft bin, nimmt Jake meine Hände in seine und betrachtet meine Unterarme.

„Du hattest mir versprochen, dir nie wieder weh zu tun.“ Er küsst die Narben.

„Ich hatte keinen Halt.“ Ich sehe zu Boden.

„Ich halte dich.“ Verspricht er mir und drückt mich an sich. Dann lässt er mich sanft los und hält mir eine Hand hin.

„Fertig?“ lächelt er und ich sehe auf.

„Darf ich noch kurz ins Bad?“ ich ziehe eine Augenbraue hoch und er stöhnt leise.

„Ich gehe runter und sehe so lange fern.“ Er steht am Treppenabsatz und ich stemme empört die Hände in die Hüfte.

„Ich bin in 5 Minuten bei dir.“ Verspreche ich und er lacht auf.

„Ja sicher.“ Murmelt er vor sich hin und geht runter.

Ich gehe ins Bad und öffne meinen Zopf, meine Haare fallen mir leicht wellig über die Schulter und ich fahre nur mit meinen Händen hindurch. Ich war und werde nie der Mensch sein, der sich großartig schminkt, aber etwas Rouge, Wimperntusche und Eyeliner hat noch niemandem geschadet. Dann trage ich Lipgloss auf und nehme meine Perlenohrringe zur Hand.

„Die Zeit ist um.“ Ruft Jake von unten hoch und ich gehe zur Treppe.

„Fertig.“ Sage ich stolz und er sieht mich verwundert an.

„Du weißt schon, das du wunderschön bist, oder?“ er nimmt meine Hand und küsst meine Fingerknöchel.

„Du bist auch ein Hingucker.“ Ich streiche ihm über seine Wange. Er trägt wieder das dunkelblaue Hemd, welches ich so an ihm liebe, dazu eine enge dunkelblaue Jeans und ein weißes Shirt. Die weißen Turnschuhe runden das Bild ab und lassen ihn schick, aber dennoch sportlich aussehen. Er reicht mir meinen Mantel und hilft mir gentlemanlike hinein, auch er zieht sich noch einen Pullover über und wir machen uns auf den Weg.

Ana und Drew feiern im Cooper und als wir hinein treten stürmt Ana natürlich sofort auf mich zu.

„Tess!“ jubelt sie und ich werde fast erdrückt von ihr.

„Ich bin da.“ Lache ich und muss Jakes Hand los lassen um nicht mit Ana auf dem Boden zu landen. „Meinst du ich kann meinen Mantel ausziehen?“ flüstere ich ihr ins Ohr.

„Ja sicher, ich bin nur froh dich…“ sie sieht zu Jake und er zieht eine Augenbraue hoch „… Euch zu sehen.“

„Hey Ana.“ Jake nimmt sie in den Arm während ich meinen Mantel aufhänge „Ich danke dir dafür, das du für sie da warst.“

„Ach was, Tess ist meine beste Freundin und endlich, endlich seid ihr zusammen.“ Sie knufft ihn in die Wange.

„Oh Ana.“ Stöhnt er auf.

„Was denn?“ fragt sie unschuldig und nimmt uns beide an die Hände um uns zu der großen Tafel zu ziehen.

„So Leute, jetzt sind wir endlich vollzählig, meine erste Brautjungfer und Drews Trauzeuge sind da.“ Ruft sie in die Runde und die Leute erheben zum Gruß ihre Gläser.

„Na Doc, da ist wohl doch mehr als Freundschaft.“ Maggie grinst mich an.

„Ja, definitiv.“ Ich sehe zu Jake und lächle.

„Ihr seid ein wirklich schönes Paar und ich hoffe inständig Hope bekommt seinen besten Anwalt zurück.“ Rob sieht Jake fragend an.

„Aber sicher, ich kann meine schwangere Freundin wohl kaum alleine mit euch Hinterwäldlern lassen.“ Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn.

„Oh wow, das sind ja mal Neuigkeiten. Herzlichen Glückwunsch!“ Jen erhebt ihr Sektglas und ich greife nach dem Glas Orangensaft vor mir.

„Ich danke euch.“ Endlich können wir uns setzen.

„Jake, kann ich deine bezaubernde Freundin für einen Moment entführen?“ Drew steht hinter uns und legt mir seine Hand auf die Schulter.

Jake sieht mich an und ich nicke kaum merklich.

„Sicher Drew.“ Er sieht zu seinem besten Freund und ich stehe auf.

Drew bringt mich zu einem Tisch ein wenig abseits und steht wie ein geprügelter Hund vor mir.

„Hey Drew…“ ich zwinge ihn mich anzusehen „… Es ist Okay.“ Sage ich sanft.

„Nein verdammt noch mal, es ist eben nicht Okay.“ Er fährt sich durch die Haare und ich lächle.

„Jake hat Glück einen solchen Freund zu haben, du hast dich für ihn eingesetzt und für ihn gekämpft.“ Lobe ich ihn.

„Aber Tess, ich habe das auf deinem Rücken ausgetragen.“ Erwidert er zerknirscht.

„Hör zu Drew, ich mag dich echt gerne, Ana und ich sind beste Freundinnen…“ ich lächle und winke Ana zu, die uns genau beobachtet. „… Tue ihr niemals weh, sonst schicke ich dir meinen Freund auf den Hals.“

„Du kannst mir wirklich vergeben?“ er sieht mich leicht verwirrt an.

„Sicher oder willst du jetzt unbedingt ein Nein hören?“ ich lege meinen Kopf schief.

„Natürlich nicht, aber du warst krank und ich habe es einfach nicht gesehen.“ Er atmet tief durch.

„Drew, ich bin krank. Ich galt als geheilt, aber vor einem Rückfall ist man nie sicher. Ich habe jetzt Jake an meiner Seite, wir bekommen ein Baby und bin wieder in Behandlung. Klar, du hast es mir nicht einfach gemacht und vielleicht trägst du einen winzigen Teil der Schuld, aber ehrlich, wen bringen Schuldzuweisungen weiter? Dich? Mich?“ ich nehme seine Hand „Ich brauche einen Freund, der an meiner Seite ist, ich brauche einen Freund, der sich um Jakes kümmern kann, wenn es ihm mal zu viel wird und vor allen Dingen brauche ich einen Freund bei dem Jake schlafen kann, wenn uns das Baby nächtelang wach hält. Also, bist du der Freund?“

„Aber sicher. Man, das klang fast nach einem Heiratsantrag.“ Er grinst und zieht mich in seine Arme.

„Danke Drew und jetzt geh zurück zu deiner Verlobten.“ Ich gebe ihm einen kleinen Schubs und gehe dann selbst zurück zum Tisch.

Jake nimmt mich zufrieden in den Arm und legt seine Hand beschützend auf meinen Bauch.

„Tess…“ Sally sitzt uns gegenüber und starrt auf ihren leeren Teller.

„Bitte lass gut sein Sally…“ ich sehe zu ihr und dann zu John „Und du auch.“ Füge ich hinzu. „Ich liebe Jake und er liebt mich. Mag sein, dass wir einen schweren Weg hinter uns haben, aber wahrscheinlich haben wir auch einen abenteuerlichen Weg vor uns. Unser Kind braucht ein Grandma und einen Grandpa und wer weiß, vielleicht gehöre ich irgendwann zu Familie.“ Ich sehe zu Jake und er nickt.

„Ganz bestimmt.“ Haucht er mir ins Ohr und ich lache leise.

„Also, keine Entschuldigungen…“  ich zucke mit den Schultern „Sie helfen mir nicht. Ich weiß, dass ihr das, was ihr getan habt, wegen Jake getan habt. Lasst uns einfach von vorne anfangen. So schwer sollte das nicht sein, denn immerhin bin ich ja immer noch das Greenhorn.“ Ich sehe zu John und er nickt erleichtert.

„Ich bin John, mir gehört die Holzfabrik.“ Sagt er lächelnd „Möchtest du etwas über die Geschichte der Fabrik erfahren?“

Ich winke lachend ab „Also das vergesse ich nie.“ Gebe ich zurück und er lacht auf.

„Danke Tess.“

„Kein Problem. Kann ich eigentlich wieder mit dir rechnen? Ich meine Liv macht den Job gut, aber sie ist keine Hilfe was die Abrechnungen angeht.“ Mein Blick wandert zu Sally und sie sieht auf.

„Aber sicher, wenn du mich noch für dich arbeiten lassen willst.“ Ein lächeln umspielt ihre Augen.

„Ja klar, ich muss mich ja auch noch mit einer Vertretung auseinander setzen. Obwohl ich da so ein Gefühl habe…“ ich grinse Pete an, der am anderen Ende der Tafel sitzt.

„Ich weiß zwar nicht genau worum es geht, aber ich übernehme gerne deine Schwangerschaftsvertretung.“ Ruft er lachend und Jake sieht ihn erstaunt an.

„Telepathie.“ Flüstere ich ihm ins Ohr und er muss nun auch lachen.

Der Abend wird noch richtig schön, aber um 0 Uhr lösen wir die traute Runde auf. Drew und Ana wollen morgen heiraten und wir wollen ja alle ausgeschlafen aussehen.

Während Jake mit Drew zu mir nach Hause geht, gehe ich mit zu Ana. Die beiden sollen sich ja in der Nacht vor der Hochzeit nicht sehen und so sitze ich eine halbe Stunde später mit einer überdrehten Ana auf der Couch.

„Wir sollten wirklich sehen, dass wir ein wenig Schlaf bekommen, sonst schläfst du morgen in der Kirche ein.“ Ich sehe sie lächelnd an.

„Du hast Recht.“ Stimmt sie mir schließlich zu und nur fünf Minuten später kuschele ich mich in die weiche Decke. Neben mir liegt Ana und ich merke wie aufgeregt sie ist.

„Versuch zu schlafen.“ Ich nehme ihre Hand in meine und drehe mich zu ihr. Irgendwann schlafen wir so ein und kaum das ich am nächsten Morgen ein Auge aufgemacht habe, geht es in dem Haus zu wie in einem Irrenhaus… Und ich kenne mich mit so etwas aus.

„Deine Haare Tess!“ ruft mir Ana zu und kommt fertig frisiert aus dem Bad. Michelle sieht mich, mittlerweile auch um eine Hochsteckfrisur reichen, erschöpft an.

„Du kannst auch gleich mit Maggie.“ Ruft Ana nun auch Maggie zu uns und wir beiden gehen ins Bad, wo uns eine ältere Dame unter ihre Fittiche nimmt.

Die Frisur und das Make up sind eine Stunde später fertig und als ich mit Maggie das Bad verlasse haben sich Michelle und Ana schon ihre Kleider angezogen.

„Wow Ana, du siehst bildhübsch aus.“ Ich gehe zu ihr. Ihr Brautkleid ist cremefarben, sie trägt eine enge Korsage die mit kleinen Steinchen bestickt ist und dazu einen Tüllrock. Sie sieht wahrlich aus wie eine Prinzessin mit dem passenden Schleier, den Handschuhen und der kleinen Krone.

„Ihr müsst euch auch umziehen!“ Gabrielle, Anas Mum sieht mich und Michelle fast strafend an.

„ich bin übrigens Ana.“ Stelle ich mich erst einmal vor, gestern Abend war irgendwie keine Zeit dafür gewesen.

„Das weiß ich doch.“ Lächelt sie gütig „Und jetzt ab in die Kleider.“ Sie scheucht mich und Michelle nach oben und wir ziehen uns die Kleider an.

„Verdammt.“ Ich drehe mich vor dem Spiegel und Michelle sieht zu mir. „Jetzt ist es echt offensichtlich, oder?“ ich betrachte meinen Bauch im Spiegel, die Maße für das Kleid wurden schließlich vor knapp 3 Monaten genommen und damals war ich definitiv nicht schwanger. Zum Glück bekomme ich es zu, aber es sitzt eng um meinen Bauch und verdammt, auch ganz schön eng um meinen Busen.

Wann ist denn das passiert?

„Du siehst wirklich hübsch aus und außerdem wird es in Hope nicht lange ein Geheimnis bleiben.“ Michelle hakt mich unter und wir gehen wider runter.

„Das will ich ja auch gar nicht.“ gebe ich lachen zu.

„Na dann würde ich sagen: Mission erfüllt. Unsere Doc ist wirklich und ohne jeden Zweifel schwanger.“ Sie zwinkert mir zu und wir kommen bei Ana und Maggie an.

„Wow Tess, wo hast du den Vorbau denn her?“ Ana starrt auf meinen Busen, wie auch ich vor ein paar Minuten.

„Ich denke den gibt es gratis zum Baby dazu.“ Ich rücke alles ins rechte Licht und Ana lacht auf.

„Wir müssen.“ Gabrielle kommt zu uns.

„Showtime.“ Ich zwinkere Ana zu und wir steigen in das Auto, welches vor dem Haus hält.

Ein altes dunkelblaues Mercedes Cabrio geschmückt mit weißen Rosen und weißen Bändern. Es sieht wirklich toll aus und ich und Ana stiegen hinten ein, im letzten Moment denke ich an ihren Brautstrauß und nehme ihn erst einmal an mich. Gabrielle steigt nach vorne und wir fahren dann endlich los.

Viele winken uns zu und Ana überstrahlt selbst fast die Sonne.

Sie ist so unheimlich glücklich und ich halte ihre Hand.

Heute sind fast 12 Grad und das dünne Jäckchen reicht wirklich aus.

Als wir an der Kirche ankommen stehen Jake, Kev und Reese draußen und warten auf uns. Alle tragen sie einen klassischen schwarzen Anzug, weiße Hemden und passend zu unseren Kleidern lavendelfarbende Krawatten.

Wow, Jake sieht echt heiß in einem Anzug aus…

Ich weiß, das Gabrielle ihre Tochter zum Altar führt, denn William, ihr Dad, ist vor zwei Jahren gestorben.

Jake hilft mir aus dem Auto und grinst mich schelmisch an.

„Wow.“

„Starre sie nicht an.“ ermahne ich ihn und er lacht.

„Ach was, die starre ich nicht an…“ er winkt ab „Ich starre deinen wunderschönen Bauch an.“

„Spinner.“ Ich küsse ihn und er hakt mich unter, wir nehmen vor den anderen beiden Paaren unseren Platz ein.

„Los.“ Sagt Jake leise zu mir und wir betreten die, bis auf den letzen Platz gefüllte, Kirche.

Die Musik setzt ein, sobald wir einen Fuß in der Tür haben und ich lächle Jake selig an, während wir auf Drew zuschreiten.

Am Altar lässt er mich los und ich finde meinen Platz rechts neben dem Pastor.

Auch Michelle und Maggie gesellen sich relativ schnell dazu, dann ertönen die ersten Klänge des Hochzeitsmarsches und ich sehe zur Tür. Sie sieht aus wie ein Engel und ich wage es kurz zu Drew zu sehen.

Ihm laufen die Tränen übers Gesicht und ich fasse es nicht.

Drew weint vor Freude und vor Überwältigung.

Sie ist endlich am Altar angekommen und reicht mir den Brautstrauß.

Der Pastor hält eine wunderbare Ansprache und Drew wie auch Ana tragen sich ihre eigenen Gelübde vor.

Eine Stunde später verlassen sie als Anabelle und Andrew Callahan die Kirche.

Ich nehme natürlich zu erst Ana in den Arm und gratuliere ihr.

„Ich wünsche euch von allem nur das Beste.“ Ich lächle sie an und sie streicht mir eine Träne weg.

„Ich danke dir.“

Dann gehe ich zu Drew.

„Pass mir ja immer auf Ana auf.“ Beschwöre ich ihn.

„Aber sicher.“ Er nimmt mich in den Arm und drückt mich an sich „Und du mir auf Jake, er sieht unheimlich glücklich aus.“

„Danke Drew.“ Ich drücke ihm einen Kuss auf die Wange.

Die anderen beglückwünschen auch das frisch gebackene Ehepaar und Jake kommt zu mir. Mir scheint, als hätte sich ganz Hope hier vor der Kirche versammelt und es wird noch Stunden dauern, ehe wir im Cooper ankommen.

„Sie sind ein schönes Paar.“ Ich sehe zu den Beiden und nehme Jakes Hand.

„Wir sind auch nicht schlecht, oder?“ er beugt sich zu mir und küsst mich zärtlich, ich umschlinge seinen Nacken mit meinen Armen und er drückt mich an sich.

„Dr. Tess?“ werden wir unterbrochen und ich sehe in das Gesicht von Mabel. Dr. Tess, das sagen irgendwie alle meine älteren Patienten zu mir, wahrscheinlich weil sie sich bei Pete das Dr. Pete angewöhnt haben und ich finde es einfach zu goldig, wenn sie mich so nennen.

„Ja Mabel.“ Ich lasse von Jake ab und sehe sie gespannt an.

„Du und unser Herr Anwalt sind ein wirklich hübsches Paar.“ Sie zwinkert uns zu.

„Danke Mabel…“ ich lächle Jake verliebt an „Wir sehen uns am Mittwoch.“

„Aber sicher, wie lange wirst du noch die Sprechstunde machen? Ich meine, du bist doch schwanger, oder?“ fragt sie leicht unsicher.

„Ja, das bin ich. Ich denke bis Mitte Dezember werde ich noch weiter machen und dann eine kleine Pause einlegen.“ Erkläre ich ihr.

„Das ist wirklich schön, ich werde dann mal das frisch gebackene Ehepaar beglückwünschen.“ Sie winkt uns zu und geht zu Ana und Drew.

Eine Stunde später sind wir endlich vollzählig im Cooper und genehmigen uns einen Snack, denn das große Essen ist für den Abend geplant.

Dann geht es daran, das alle etwas sagen sollen und Jake steht auf dun klopft an sein Glas.

„Lieber Drew und liebste Ana…“ er prostet den Beiden zu „Ihr seid in meinen Augen das perfekte Paar auch wenn mich Ana wegen dir…“ er deutet auf Drew „Vor 15 Jahren abserviert hat.“ Gelächter flammt auf „Aber wahrer Liebe kann man sich eben nicht in den Weg stellen. Ihr ergänzt euch, ihr scheint manchmal erschreckender Weise die gleichen Gedanken zu haben und dennoch habt ihr euch eure Individualität erhalten. Ich danke euch für eure Freundschaft, ich danke euch, dass ihr mir immer beigestanden habt und natürlich könnt ihr euch an einer Hand abzählen, das ihr die Paten von Tess’ und meinem Baby werdet. Ich bin ja bald wieder hier und glaub mir Drew, ich werde dir auf die Finger schauen, das du mir ja meine Ana gut behandelst.“ Er prostet ihm zu. „Auf euch.“

„Auf Drew und Ana.“ Ertönt es ihm Chor.

Jake sieht mich an und ich stehe auf, während er sich setzt.

„Drew und Ana…“ sinniere ich „Seitdem ich hier in Hope bin, seid ihr der Inbegriff des perfekten Paares für mich. Gut, ich bin ein Greenhorn und viele werden sich fragen, wie ich das beurteilen kann. Ihr beide habt Hope zu einem Zuhause für mich gemacht. Ana, du bist die beste Freundin, die ich in meinem Leben bisher hatte. Ich kenne dich jetzt seit 10 Monaten und es kommt mir trotzdem so vor, als kenne ich dich mein Leben lang. Danke für alles…“ ich erhebe mein Glas und Ana sieht mich mit Tränen in den Augen an „Drew…“ ich sehe zu ihm und er grinst. „… Du bist stark, klug und gut aussehend…“ ich lache leise „Aber glaube mir, ohne Ana bist du nichts.“ Ich zwinkere ihm zu und er nickt zustimmend „Ach ja, tue ihr weh und du wirst es bereuen.“ Ich lächele und erhabe mein Glas.

Dann geht die Lobpreisung der Beiden noch eine halbe Stunde weiter und schließlich steht Drew auf.

„Danke, das ihr hier seid um diesen wundervollen Tag mit mir und Ana zu teilen. Wenn ich mich umsehe, dann bin ich nur von Menschen umgeben, die ich mag und wertschätze.

Ich danke euch dafür…“ er erhebt sein Glas. „Wie die erste Brautjungfer meiner Frau so schön sagte bin ich gutaussehend, klug und stark, aber mit einer Aussage hat sie voll ins Schwarze getroffen. Ohne dich…“ er küsst Anas Hand „… bin ich ein Nichts. Ich brauche dich wie die Luft zum Atmen. Ich liebe Dich Ana Callahan.“

Er küsst sie und Beifallt erklingt. Ana muss sich erst einmal sammeln ehe sie aufsteht.

„Danke, ich danke euch so sehr. Ich danke Drew, meinem wunderbaren Ehemann. Ich danke meiner Mum, das sie diesen wunderbaren Tag mit mir hier verbringen kann. Ich danke Tess, die mir jeden Tag zeigt, das ich hierhin gehöre und ich danke Jake, der dafür sorgt, das in Hope endlich wieder was los ist.“ Sie zwinkert ihm zu „Ja, ich danke natürlich auch allen anderen, ihr macht Hope für mich zu einem Zuhause, ihr seid mein Zuhause. Drew, wenn ich mir jemals vorstelle, ich soll eine Sekunde ohne dich zu sein, so würde mein Herz brechen. Ich liebe Dich mehr wie du dir vorstellen kannst.“ Sie beugt sich zu ihm, küsst ihn und erneut klatschen alle begeistert.

Ich komme nach den Ansprachen nicht umhin mit Jake zu tanzen und wir schweben über die Tanzfläche.

Hier gehöre ich her…

„Weißt du noch, dass du dich vor unserem ersten Tanz drücken wolltest?“ Jake grinst mich an.

„Oh ja, du warst aber auch unhöflich.“ Ich lächle und er schüttelt leicht seinen Kopf.

„Du standest in Anchorage plötzlich vor mir und ich war wie vor den Kopf gestoßen…“ er streicht mir eine kleine Locke, die sich aus meiner kunstvollen Hochsteckfrisur gelöst hat, hinters Ohr „Deine grasgrünen Augen haben mich sofort in ihren Bann gezogen.“ Er küsst mich innig.

„Und wann heiratet ihr?“ Drew kommt zu uns und legt uns jeweils einen Arm um die Schultern.

„Erstens, sind wir seit gerade Mal 24 Stunden zusammen…“ lache ich „Zweitens muss sich dein bester Freund schon was einfallen lassen…“ ich sehe zu Jake und ziehe eine Augenbraue hoch „Und Drittens kommt das Abendteuer Eltern sein erst einmal auf uns zu.“

„Also zu Erstens…“ Drew räuspert sich „Ich habe keine Ahnung wie lange das genau schon lief, aber ich bin mir sicher, das ihr gut und gerne schon ein halbes Jahr zusammen seid. Zu Zweitens, ich werde da mal mit meinem besten Freund ein paar Takte reden.“ Er sieht Jake verschwörerisch an „Und zu Drittens? Hmm, Okay ihr habt gewonnen.“ Er drückt mir einen Kuss auf die Wange und geht dann wieder zu Ana, die ihn überglücklich anstrahlt.

„Spinner.“ Sage ich leise und Jake sieht mich nachdenklich an. „Was?“ lächle ich.

„Willst du nicht vor der Geburt unseres Kindes heiraten?“ fragt er leicht verwirrt.

„Jake…“ ich tätschele seine Wange „Wir leben nicht mehr im Mittelalter, ich kann es sehr wohl verkraften, erst ein Kind zu bekommen und dann zu heiraten.“

„Aber du willst mich irgendwann heiraten?“ seine Augen bekommen einen ängstlichen Glanz.

„Jake.“ Ich küsse ihn „Natürlich will ich dich irgendwann heiraten, aber denke jetzt ja nicht, das das hier dein Antrag war.“ Ich zwinkere ihm zu und gehe dann zu Ana, die hektisch nach mir winkt.

„Was ist denn los?“ ich komme bei ihr an und sie bekommt hektische Flecken im Gesicht.

„Die Hochzeitstorte ist eine Katastrophe.“ Sie sieht mich mit großen Augen an.

„Wie meinst du das?“ frage ich verwirrt.

„Komm mit…“ sie zieht mich hinter sich her in die Küche des Cooper. Jake sieht zu uns und folgt uns eilig.

Dann sehe ich sie, eigentlich ja ganz schön, aber oben auf der Torte prangt statt einem Brautpaar ein Paar ziemlich missratener Tauben, die bei genauerem betrachten Ähnlichkeiten mit irgendwelchen Fabelwesen aufzeigen. Und die Farbe des Zuckergusses erinnert mich mehr an braun als an rosa… Nicht sehr einladend. Jake zieht neben mir scharf Luft ein.

„Keine Panik.“ Beschwöre ich Ana und schiebe sie aus der Küche.

„Mason?“ rufe ich nach dem Inhaber dieser tollen Bar Schrägstrich Restaurant und er kommt lachend zu mir.

„Ziemlich über, oder?“ er deutet auf die Torte.

„Ja…“ ich denke angestrengt nach „Kannst du mir einen Gefallen tun? Geh zu Harvey und hole seine Valentinstagsdekoration, Butterkekse und einen Beutel rote Lebensmittelfarbe.“ Weise ich ihn an und er läuft los.

„Du gehst zu mir nach Hause…“ ich sehe zu Jake „Du holst aus der Küche Puderzucker, Zucker und zwei Tafeln weiße Schokolade.“

„Alles klar.“ Auch er läuft los. Ich sehe zur Torte und atme tief durch.

Als erstes nehme ich diese scheußlichen Vögel von der Torte und werfe sie in den Müll. Dann entferne ich den braunen Zuckerguss, der zum Glück irgendeine Art Mantel um die drei Etagen bildet und sich leicht entfernen lässt. Ich knete ihn ordentlich durch und im richtigen Moment kommt Mason wieder. Ich leihe mir Gummihandschuhe und schütte fast die ganze Packung Lebensmittelfarbe auf den Zuckerguss. Dieser strahlt jetzt in einem satten rot und ich sehe zu Tür.

„Komm schon Jake.“ Beschwöre ich ihn. Ich habe noch 30 Minuten, ehe die Torte ihren großen Auftritt hat…

Dann kommt er endlich und ich nehme ihm den Puderzucker ab und knete ihn unter die Masse. Ahhh, jetzt ist er richtig schön rosa. Ich lasse mir ein Nudelholz geben und verkleide die Torte wieder. Etwas behalte ich zurück…

Schon besser.

Dann rühre ich aus dem restlichen Puderzucker und einer Zucklösung einen Guss an und träufele ihn über die Ränder, anschließend noch ein wenig richtigen Zucker drüber streuen und die Torte sieht aus, als hätte es gerade draußen geschneit.

Mason hat mir kleine Herzchen mit gebracht und ich schneide aus der restlichen Verkleidungsmasse kleine Herzen und verziere damit die Torte.

Und oben drauf? Ich betrachte die Sachen die Mason mir mit gebracht hat und entdecke zwei große rosane Pappherzen.

„Hast du einen weißen Stift?“ ich sehe zu Mason und er holt einen.

Nach 10 Minuten prangen die beiden Herzen mit Ana und Drew Namen oben auf der Torte und ich lehne mich zufrieden zurück.

Nicht so schlecht für jemanden, dem man unterstellt, er könne nicht backen…

Ich nehme Jake an die Hand und Mason sieht mich dankbar an.

„Komm.“ Ich küsse Jake und wir gehen wieder zu den anderen.

Dann wird die Torte herein geschoben und Ana sieht mich unendlich dankbar an.

„Ich weiß nicht wie du es gemacht hast, aber ich danke dir.“ Sie nimmt mich überschwänglich in den Arm.

„Kein Problem, genau für solche Krisen sind doch erste Brautjungfern und Trauzeugen da, oder?“ ich zwinkere ihr zu.

Das Essen klappt dann Reibungslos und ich genieße diesen Abend in vollen Zügen, erst weit nach Mitternacht beschließen Jake und ich nach Hause zu gehen.

„Kommst du mit zu mir? Oder sollen wir zu dir?“ Jake hilft mir in den Mantel und ich zucke mit den Schultern.

„Egal.“ Lächle ich.

„Dann gehen wir zu dir, ich muss morgen erst einmal die Heizung im Haus wieder anstellen.“ Er legt seinen Arm um mich und wir winken den anderen kurz zu.

Als wir endlich zu Hause sind, da merke ich, wie viel Kraft mich dieser Tag gekostet hat.

„Müde?“ ahnt Jake und ich nicke nur.

„Ich muss ins Bett, ich fühle mich in den letzten Wochen echt jeden Abend wie erschlagen.“ Gebe ich zu.

„Dann komm.“ Er nimmt mich an die Hand und wir gehen nach oben.

Ich ziehe mich aus und strecke mich, mir tut jeder Knochen weh und ich weiß nicht einmal warum.

Jake tritt hinter mich und legt seine Hände wieder auf meinen Bauch. Ich lächle und lasse meine Arme sinken um seine zu umschließen.

Ich angle mir ein T-Shirt vom Stuhl neben dem Bett und krieche schnell unter meine Bettdecke.

Jake kuschelt sich an mich und küsst mich innig ehe ich ins Traumland entschwinde.

Der Sommer hier in Alaska ist nicht warm, aber wunderschön… Das grüne Gras im Kontrast zu den mit Schnee bedeckten Bergen und obwohl wir nur höchstens 12 Grad erreichen, tausche ich ab und zu meinen Pullover gegen ein T-Shirt. Ich habe mich gut an die Temperaturen gewöhnt und auch an die Helligkeit 24 Stunden am Tag.

Wenn ich schon vorher dachte, ich bin angekommen, so werde ich eines Besseren belehrt.

Jake und ich sind in sein Haus gezogen, denn da ist einfach mehr Platz, nach der Hochzeit hat es tatsächlich nur 1 Woche gedauert bevor er wieder hier in Hope gewohnt hat.

Ich genieße die Zeit mit ihm, spreche regelmäßig mit Ray und schaue, das ich mir nicht zuviel zumute.

Es ist kaum zu glauben, wir haben schon den 12. Dezember und gehen schnurstracks auf Weihnachten zu. Wo ist die Zeit denn nur hin?

Ana, Drew und Jake haben am 22. September eine kleine Party für mich organisiert, um zu feiern, dass ich mein erstes Jahr am Arsch des Arsches der Welt überstanden habe…

Bei dem Gedanken muss ich lächeln, denn genau das stand auf der Torte.

Ich bin im Einklang mit mir, ich tue mir nicht mehr selbst weh und ich versuche alles was mich bedrückt gleich zu sagen. Manchmal fällt es mir noch schwer, aber ich habe tolle Freunde die mir den Weg zeigen.

Die Patienten lassen sich fast alle von mir behandeln und ich merke, dass diese kleine Praxis das ist, was ich immer wollte.

Natürlich hilft mir Pete noch aus, er hat vor zwei Monaten meinen Dienst im Heli übernommen, da Jake der Meinung war ich solle nicht mehr fliegen. Ich bin ihm nicht böse, denn es wurde wirklich langsam zu anstrengend für mich.

„Tess? Jake landet in einer Stunde.“ Sally sieht mich an, ich sehe von meinen Akten auf und nicke ihr zu.

„Danke Sally.“

Ich trage noch meine letzten Untersuchungsergebnisse ein und atme dann tief durch.

Meine Hand bleibt auf meinem kugelrunden Bauch liegen. Ich bin froh, dass unser Baby bald kommt. Am nächsten Mittwoch werden Jake und ich für vier Wochen nach Sitka ziehen müssen und dort auch die Feiertage verbringen. So ist es nun mal, wenn man im tiefsten Alaska wohnt. Die Schwangerschaft verläuft bisher ohne Probleme und ich fliege brav alle vier Wochen nach Fairbanks zu Josie. Wir wissen nicht, was es wird und obwohl ich es anfangs wissen wollte, so freue ich mich jetzt auf die Überraschung. Wahnsinn in spätestens vier Wochen sind Jake und ich Eltern…

Schließlich hieve ich mich hoch und ziehe meine dicke Jacke über.

„Bis morgen!“ ich winke Sally zu und stapfe durch den Neuschnee zum Flugfeld. Ich sehe schon von weitem, das Jake schon gelandet ist und als er mich entdeckt kommt er gleich zu mir.

„Was machst du denn hier?“ er küsst mich innig.

„Dich abholen…“ lächle ich „Du warst 5 Tage weg.“ Füge ich als Entschuldigung hinzu.

„Aber du sollst dich nicht verausgaben.“ Er legt seine Hand auf meinen Bauch.

„Zählt ein 10 Minuten Spaziergang als Verausgabung?“ ich ziehe eine Augenbraue hoch.

Er schüttelt lächelnd den Kopf „Ich mache mir einfach nur Sorgen.“

„Ich weiß…“ ich lege meinen Kopf an seine starke Brust.

„Wann sollen wir heute eigentlich bei Drew und Ana sein?“ fragt er und ich hebe meinen Kopf.

„In einer knappen Stunde.“ Erkläre ich ihm.

Ana hat auf biegen und brechen darauf bestanden, das ich mit Jake gleich vorbei komme, wenn er gelandet ist, weil sie uns etwas sehr Wichtiges mitteilen muss.

Natürlich bin ich im Bilde, ich bin die behandelnde Ärztin hier… Schön, dass ich es noch vor ihrem Ehemann weiß.

Wir gehen gemütlich zu Ana und Drew und Ana strahlt mich an.

„Hey.“ Ich nehme sie in den Arm und sie hilft mir aus der Jacke, während Jake Drew begrüßt.

„Also Ana, was gibt es?“ Jake sieht sie fragend an.

„Können wir uns erst einmal hinsetzen?“ ich ziehe strafend eine Augenbraue hoch und er seufzt leise. „Komm schon, jetzt hast du 4 Tage gewartet, weitere 10 Minuten bringen dich nicht um.“

„Mich aber.“ Stöhnt Drew auf und ich setze mich lachend auf die Couch.

So jetzt sitze ich, macht was ihr wollt, aber ich bewege mich keinen Zentimeter mehr!

Dann sitzen endlich alle und Ana schenkt mir ein Glas Wasser ein.

„Schatz…“ sie dreht sich zu Drew und dieser sieht sie gespannt an „Wir bekommen in Juni ein Baby.“

„Was?“ Drew reißt sie in seine Arme und Jake schafft es gerade noch so sich in Sicherheit zu bringen.

Ich sehe zu Jake und er grinst mich an.

„Du wusstest es, oder?“ fragt er mich leise.

„Ich bin die Ärztin.“ Ich zucke mit den Schultern.

Drew ist total aus dem Häuschen und die beiden Männer zeihen sich zu einem Krisengespräch für den Umgang mit Schwangeren zurück, während Ana und ich Kataloge durchblättern.

Spät am Abend sind wir zu Hause und ich atme tief durch.

„Alles gut bei euch?“ Jake nimmt mich in den Arm.

„Ja, alles gut.“ Ich lächele schwach.

Ich schlafe unruhig in dieser Nacht, ich habe Rückenschmerzen und fühle mich auch sonst nicht gut.

„Jake, rufst du Pete an?“ ich rüttele sachte an Jakes Schulter und er sieht mich verschlafen an.

„Er kommt doch um 10 Uhr bei dir in der Praxis vorbei.“ Murmelt er.

„Das kann nicht warten…“ ich atme tief ein „Meine Fruchtblase ist geplatzt.“

„Was?“ er steht fast aufrecht im Bett und sucht panisch das Telefon.

„Wenn du das Telefon suchst, es steht auf der Station zum aufladen.“ Ich lasse mich in die Kissen sinken.

Er läuft los und sieht mich panisch an.

„Ganz ruhig mein Held…“ ich klopfe neben mich aufs Bett.

„Aber das Bett ist doch trocken.“ Er sieht mich verwirrt an.

„Ich war auf Toilette als es passiert ist, das war gegen 2 Uhr heute Nacht.“ Erkläre ich ihm.

„Aber es ist bereits um 7.“ Er setzt sich zu mir.

„Ja, aber die Wehen haben jetzt erst eingesetzt.“ Ich atme erneut tief durch.

„Ich hätte dich noch nach Sitka fliegen können.“ Er hält meine Hand und küsst meine Stirn.

„Du weißt so gut wie ich, dass ich unser Baby niemals in Sitka bekommen wollte.“ Ich lächle gequält.

Wir haben mit Josie an die 100 Mal besprochen, das das Baby hier zur Welt kommen soll, aber die Vorschriften lauten nun mal, dass ich ausgeflogen werden muss um den Geburtstermin herum. Also haben wir den Geburtstermin ein bisschen “korrigiert“. Im Mutterpass steht der 16. Januar, aber eigentlich war der 22. Dezember veranschlagt. So hatte ich gute Chancen es noch hier hin zu bekommen…

Pete kommt atemlos herein und erkennt natürlich sofort die Situation.

„Okay Jake…“ er sieht ihn grinsend an, dann schenkt er mir eine Blick und schüttelt leicht mit dem Kopf „Handtücher, heißes Wasser, ein Geburtsset und ein Glas Cognac. Aber wem erzähle ich das.“

Jake lacht leise und holt alle Sachen.

„Woher wusste ich nur, das dieses Kind nicht in Sitka oder Fairbanks geboren wird?“ er untersucht mich kurz und ich zucke mit den Schultern.

„Weil du mich einfach viel zu gut kennst.“ Antworte ich ihm. „Cognac?“ ich ziehe eine Augenbraue hoch.

„Für Jake…“ er zwinkert mir zu „Damit er nicht das atmen vergisst.“

Tatsächlich kann sich so eine Geburt verdammt in die Länge ziehen und erst 7 Stunden später tut sich richtig was, bisher war alles im Rahmen, aber nun nehmen die Schmerzen ein wirklich unschönes Ausmaß an.

„Kopf auf die Brust Kleines und fest pressen.“ Weist mich Pete an.

Ich tue wir mir befohlen und kralle meine Hände in Jakes Unterarme der einen undefinierbaren Laut von sich gibt.

Dann plötzlich erklingt ein glockenklarer Schrei und ich sinke in die Kissen.

„Ein wunderschöner Junge.“ Sagt Pete ergriffen und legt ihn mir auf den Bauch.

Jake schluchzt leise und küsst meine Stirn während er unseren Sohn betrachtet.

Er ist perfekt, er ist das Perfekteste was ich jemals in meinem Leben gesehen habe…

„Habt ihr euch schon einen Namen ausgesucht?“ Pete ist fertig mit der Nachbetreuung und betrachtet den kleinen Mann, der abgenabelt und in warme Tücher gehüllt ist.

„Ja…“ ich sehe zu Jake und er lächelt.

„Jeremy Peter Jonathan Jeffrey.“ Erkläre ich stolz.

„Wow mein Name noch vor dem deines Dads, er wird mich dafür hassen.“ Er lacht und küsst meine Stirn „Aber ich liebe dich dafür und das weißt du. Danke Kleines.“

Er nickt Jake zu, aber dieser hat nur Augen für unseren Sohn.

Er packt alles zusammen und ich und Jerr schlafen erst einmal ein wenig, uns Beide hat die Geburt geschafft und ich bin mir sicher, morgen werden sie uns das Haus einlaufen…

„Wie lange ist denn Jake dieses Mal weg?“ Ana sieht mich fragend an.

Vor ihren Bauch hat sie eine Trage mit der kleinen Zoey geschnallt und ich schiebe Jerr im Kinderwagen vor mich her. Es ist Mitte August, es ist herrlich warm und wir genießen einen schönen Spaziergang mit unseren beiden Kleinen.

„Morgen Abend.“ Antworte ich schließlich auf ihre Frage.

Ich arbeite wieder, aber ich habe meine Sprechzeiten etwas angepasst. Ich habe nur noch drei Mal die Woche feste Sprechzeiten, ansonsten können mich meine Patienten jederzeit anrufen, wenn was ist. Ich und Jake fliegen immer noch für die Flying Doc’s und wenn wir los müssen, dann finden wir natürlich schnell jemanden, der so lange auf Jerr aufpasst. Sally, John, Pete oder Liv sind in Sekundenschnelle da und reißen sich darum.

Jerr hat die wunderbaren blauen Augen seines Dads und er ist so pflegeleicht, das es schon fast unheimlich ist.

„Ich glaube nicht, dass dein Freund noch in Sitka ist.“ Ana deutet an den Himmel.

Ich erkenne ein kleines Flugzeug, aber da kann auch jeder andere drin sitzen, doch dann erkenne ich das Banner, welches hinter dem Flugzeug fest gemacht ist.

- Mummy? Willst du Daddy nicht endlich heiraten? Jerr -

Ich lache und sehe zu Ana, sie grinst mich nur an.

„Du steckst mit ihm unter einer Decke.“

„Komm, ich fand die Idee süß.“ Verteidigt sie sich und ich lächle.

„Es ist süß.“ Gebe ich zu.

„Dann komm, ich habe Jake versprochen dich zum Flugfeld zu begleiten.“ Sie geht mir voran und ich folge ihr mit Jerr, der friedlich schläft.

Kaum sind wir angekommen springt Jake aus dem Flugzeug und läuft auf mich zu.

Er geht in die Knie und hält mir einen wunderschönen Ring hin.

„Und Mummy? Was sagst du?“ er sieht mich fragend an.

„Natürlich heirate ich dich.“ Antworte ich ihm, er nimmt mich in den Arm und küsst mich erleichtert.

„Morgen?“ er steckt mir den Ring an und ich sehe ihn an, als ob er jetzt völlig den Verstand verloren hat.

„Morgen? Wie bitte soll das gehen?“ ich schüttele lachend meinen Kopf.

„Ganz einfach, es ist alles geregelt, bestellt und vorbereitet.“ Er zieht mich in seine Arme.

„Du warst dir deiner Sache wohl ziemlich sicher, oder?“ frage ich perplex.

„Hmm…“ er tut als müsse er über das eben gesagte nachdenken. „Ja.“ Gibt er schließlich zu.

„Gut so, denn ich würde dich lieber heute als morgen heiraten.“ Ich küsse ihn und Ana quietscht vor Freude.

 

 

 

EPILOG

„Vermisst du Jerr auch so sehr?“ Ana sieht mich an und reicht mir ein Glas Wein.

„Oh ja, jeden Tag…“ gebe ich zu „Aber Levi und Sara machen es erträglich.“

„Ich weiß nicht was ich machen soll, wenn Hailey auch irgendwann auszieht.“ Gibt sie zu „Ich denke Tag und Nacht daran ob Zoey es gut hat.“ Sie nippt an ihrem Wein.

„Sie sind nur 2 Stunden weg, wenn wir uns überzeugen müssen ob es Jerr und Zoey gut geht, dann lassen wir uns von Jake nach Fairbanks fliegen.“ Ich sehe sie an und sie nickt eifrig.

„Aber erst einmal haben es sich die Beiden verdient ein wenig Zeit für sich zu haben.“ Sie zwinkert mir zu.

„Es ist wirklich nicht zu fassen, dass sie damit ein halbes Jahr lang durch gekommen sind.“ Lache ich.

„Ach, wie die Mutter so der Sohn.“ Ana stellt ihr Glas ab und nimmt das Foto von Jerr und Zoey in die Hand, welches auf dem kleinen Tischchen neben der Couch steht.

„Ich kann es nicht fassen, mein Baby wird nächste Woche 24.“ Seufzt sie wehmütig.

„Sie ist toll Ana, sie ist eine ausgezeichnete Journalistin, sie hat einen Job bei der Fairbanks Post und ich bin mir sicher, sie wird es noch weit bringen.“ Ich nehme ihre Hand.

„Du hast Jerr auch gut hin bekommen, ich kann es nicht glauben, dass er in einem halben Jahr schon mit seinem Architekturstudium fertig ist. Wo ist bitte die Zeit hin?“ sie lächelt mich an.

„Das frage ich mich jeden Tag, aber Sara ist schon 21 und Levi wird nächsten Monat 22. Ich bin nur froh, dass die Beiden in der Nähe geblieben sind. Wie macht sich denn Levi in der Holzfabrik?“ ich nehme ihre Hand, wir nehmen uns zwei Decken von der Couch und gehen auf die Veranda, um uns auf den beiden Liegestühlen nieder zu lassen.

„Gut, Drew ist mehr wie zufrieden. Wie stolz bist du eigentlich auf Sara, das sie in deine Fußstapfen treten will?“ sie schubst mich leicht.

„Unheimlich stolz.“ Ich merke wie ich glatt zwei Zentimeter größer werde. „Letzte Woche hat sie sich mit Pete beratschlagt. Sie kam wohl bei einer Übertragung von den Vorlesungen nicht mit und du weißt, das Pete um Längen geduldiger ist wie ich.“ Ich ziehe eine Augenbraue hoch.

„Oh ja, das weiß ich.“ Sie nickt wissend „Drew wünscht sich, das Hailey sich langsam mal entscheidet, was sie will. Aber Madame meint, es hat noch Zeit.“ Sie lacht leise.

„Komm, sie ist 20. In dem Alter darf man noch unentschlossen sein.“ Stehe ich Hailey bei.

"Wie sieht es eigentlich aus. Gilst du jetzt als vollstädnig geheilt?" sie legt ihren Kopf schief.

"Nein, ich gelte als Rückfallslos, das heißt aber nicht, das ich kein Borderline mehr habe. Ich habe nur gelernt damit zu leben. Borderline verschwindet nie ganz, es bedeutet ein Leben lang an sich arbeiten." erkläre ich ihr.

„Hey!“ Jake und Drew kommen zu uns auf die Terrasse und Jake setzt sich zu mir auf die Liege. „Unsere Frauen lassen es aber entspannt angehen.“ Feixt er und ich gebe ihm einen Kuss.

„Tja, das ist das Gute an einer Ärztin in einem Dorf, ich habe viel Freizeit und kann sie verbringen mit wem ich will.“ Necke ich ihn.

„Mit mir hoffentlich.“ Er umarmt mich und ich lehne mich an ihn.

„Immer mein Schatz, immer.“ Flüstere ich ihm ins Ohr.

„Ich liebe Dich mein Stern.“ Seine Augen strahlen mich voller Liebe an.

„Ich dich auch mein Held.“ Antworte ich und streiche ihm eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht „Für immer und ewig.“

 

 

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Publication Date: 08-25-2013

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Tja, was soll ich sagen... Ich habe mit Erstaunen fest gestellt, das ich schon auf fast 2000 Herzchen komme. Ich danke euch so sehr... Leider fehlt mir in letzter Zeit ein bisschen Motivation, viele liken meine Bücher zwar, aber die Kritik bleibt aus. Ich finde es schön zu wissen, dass euch meine Bücher gefallen, aber ich möchte natürlich auch hören was euch besonders oder eben gar nicht gefallen hat. Schreibt mir dann doch einfach eine PN. Ich will wirklich weiter schreiben, aber ab und zu braucht der Mensch einen kleinen Schubser. Ansonsten wie immer: Ich danke meinem Mann (na ja fast Ehemann ;-) Maik, ich danke meinem Sohn Nicholas, meiner besten Freundin Melly und meiner Familie. Egal, welche Zeiten ich durchlebe, gute, schlechte, harte oder manchmal auch verzweifelte. Ihr steht hinter mir, ihr zeigt mir den Weg... Danke

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