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Kapitel 1 Vorfreude

Endlich im Flugzeug. Zwei Stewardessen lächeln freundlich, heißen uns Willkommen und weisen uns den Weg in die Kabine. Das Gefühl des Urlaubs. Nicht mehr Dienen, sondern bedient werden. Nicht mehr geben, sondern empfangen. Die Erlaubnis nur an sich zu denken. Mira ist dicht hinter mir. Wir haben die Notplätze gebucht.

"Da vorne" ruft Mira. Ich hatte überhaupt nicht gewusst, dass man Notplätze buchen konnte, aber Mira hatte es ergoogelt. Den kleinen Aufpreis haben wir auch gerne bezahlt. Die Beinfreiheit, die man damit erkauft, ist einfach unbezahlbar. Das Handgepäck ist schnell verstaut und ich überlasse Mira großzügig den Fensterplatz. Demonstrativ streckt Mira die Füße aus und sonnt sich in diesem Vorteil. "Nicht schlecht oder?" Sie grinst mich an. Es ist so ein Tick von ihr. Der restlichen Welt immer ein Stück voraus zu sein. Aber sie verfolgt diese Marotte stets charmant und nicht all zu verbissen, so dass ich mich eigentlich immer sehr amüsiere auf welche Ideen sie kommt. Und ich freue mich über die offensichtlichen Vorteile.

Ich mache es ihr nach und strecke die Beine bis zum geht nicht mehr." Fantastisch". Ich gebe ihr einen Kuss als Belohnung. Nicht alles was sie raus kramt, ist auch etwas für mich. Sie hatte uns auch  Komfort- Schlafbrillen aus dem Internet besorgt und schwor darauf und war ganz aus dem Häuschen. Doch für mich ist das nichts. Wenn ich so ein Ding aufhabe, höre ich wie meine Wimpern an die Innenseite kratzen, wie eine Katze die im Keller eingesperrt ist und verzweifelt die Tür mit ihren Krallen bearbeitet. Dafür brauche ich aber Wachskugeln und kann nicht ohne sie schlafen, während Mira überhaupt nicht damit klar kommt. Meine Ohren sind einfach zu heiß dafür, das Zeug schmilzt wie Butter in meinen Gehörgängen, sagt Sie. Ich finde das übertrieben, aber jedem das seine.

Hinter uns quetschen sich drei Skandinavier in die Sitzreihen. Sie haben markante Gesichter und natürlich blonde Haare. Ist es Schwedisch oder Norwegisch was ununterbrochen aus ihren Mündern kommt? Es hört sich auf jeden Fall lustig an und vielleicht lausche ich später eine Weile hin anstatt Musik zu hören. Normalerweise reagiere ich immer ein wenig allergisch, wenn ich gezwungen bin ein Gespräch in einer mir fremden Sprache mit anzuhören. Manchmal im Bus auf dem Weg  ins Büro, wenn die beiden Pakistaner dicht hinter mir sitzen und sich in Urdu  laut unterhalten. Du bist ein Miesepeter, sagt Mira mir, wenn ich ihr davon abends erzähle. Sei mehr locker. Du bist doch schließlich mit einer Brasilianerin verheiratet, lacht sie mich dann an.

"Möchtest du einen Apfel?" sagt Mira neben mir und beißt in einen wahrscheinlich sauren Vertreter seiner Art. Mira liebt diese Sorten Äpfel. Ich schüttele den Kopf und versuche mich zu entspannen. Das ist wieder so ein Beispiel. Ich würde gar nicht auf die Idee kommen Früchte mit in den Flieger zu nehmen. Mira schon. Sie sagt man braucht Vitamine und zwar jederzeit. Mira tut mir gut mit ihrer Art. Sie macht mich wirklich lockerer. Ich konzentriere mich auf die bewusste Zwerchfellatmung. Das hilft mir recht gut die Anspannung vor einem Flug zu reduzieren. Mira nimmt meine Hand. Sie kennt mich eben durch und durch.

"Ich freue mich schon so auf meine Familie" Sie drückt fest meine Hand als sie gerade Familie betont. Ich gebe ihr noch einen Kuss auf die Wange. Ihre Familie ist Mira unheimlich wichtig. Ich meine, mir ist meine Familie auch sehr wichtig. Dad, Mum und meine verrückte Schwester Sally und natürlich auch ihren Mann Bob, mit dem ich wirklich gut klar komme. Da ist auch noch Grandma, die ich auch nicht missen möchte. Aber bei Mira besitzt das noch eine besondere Qualität. Nicht nur das ihre Familie sehr viel größer ist. Noch immer blicke ich nicht vollständig durch. Außergewöhnlich viele Tanten, Onkel und Cousins und Cousinen spielen ebenfalls in der ersten Familienliga mit.

Ich kann mich noch gut an das erste Mal in Rio erinnern. In Mira war ich gerade frisch verliebt und ich meine wirklich verknallt. Ich war so verrückt verknallt in diese rassige Brasilianerin, dass ich alles für sie gemacht hätte. Hätte sie verlangt dass ich meine Religion wechsel, dann hätte ich das gemacht. Wäre ihr Wunsch gewesen, dass wir in Brasilien leben, dann hätte ich sie umarmt und geküsst und gesagt: "Ja, natürlich...lass uns in Brasilien leben. Ich hatte so gar angefangen brasilianisch zu lernen. Dabei bin ich wirklich ein Sprachmuffel. Mira war begeistert über jedes Wort was ich lernte und ich hatte überhaupt keine Hemmungen alles ganz falsch auszusprechen. Und dann musste ich bei unserer Familienrundreise alle meine Kenntnisse vorführen. Immer wieder die gleichen Satzbrocken. Und alle waren überglücklich und freuten sich so aufrichtig. Miras Mama sagte zu ihr:"Mein Goldstück, er liebt dich" und in diesem Moment hatte sie mich das erste Mal so angeschaut. Dieser Blick der mich auflöst, der mein Innerstes durch einen Fleischwolf dreht. Mensch, was war ich verliebt und bin es immer noch. Das Gefühl kommt wieder und überträgt sich wahrscheinlich in diesen Moment in ihre Hand, denn sie sieht mich wieder mit diesen wunderbaren Rehaugen an, voller Dankbarkeit und Zuneigung und ja, Liebe. Dieses große Wort. Liebe. Ich sehe es ganz deutlich und aufrichtig in ihren Augen und alle Organe verdrehen sich erneut in meinem Innern. Sie kommt mit ihren Lippen an mein Ohr. "Meu amor", haucht Sie. In diesem Moment weiß ich - das würde ein ganz besonderer Urlaub werden....

 

 

 

 

 

 

Kapitel 2 Hallo John....

 Ich gebe es ja zu - ich habe Flugangst. Besonders der Start macht mir zu schaffen. Mira weiß das und lässt mich mittlerweile in Ruhe. Als wir das erste Mal zusammen im Flieger saßen, hatte sie meine Unruhe bemerkt. Sie machte ihre Witzchen und hielt meine Hand. Doch ich schwitzte so stark, dass sie erschrocken meine Hand wieder losließ.

Diesmal habe ich mich sehr gut vorbereitet und eine spezielle Technik eingeübt. Es nannte sich progressive Muskelentspannung nach Jakobson. Kurz gesagt man spannt nacheinander Muskelpartien an und anschließend entspannt man sie wieder. Das ist relativ einfach und hilft tatsächlich. Vor allem sehe ich den Vorteil, dass ich mich beim Start und Abheben der Maschine ablenken kann. Man fängt mit den Gesichtsmuskeln an und hört mit den Wadenmuskeln auf. Mira lacht herzhaft als ich wie verrückt das Gesicht zu einer Grimasse verziehe, als hätte ich ein Glas Zitronensaft auf Ex hinuntergeschluckt. Aber was solls. Ich habs fürs Erste überstanden und über spätere möglichen Turbulenzen will ich mir noch nicht den Kopf zerbrechen.

Jetzt kehrt so langsam Ruhe im Flieger ein. Viele Passagiere schlafen schon oder schauen entspannt einen Film oder hören Musik wie Mira. Sie hat ihre Schlafmaske bereits über ihren Augen und ich glaube sie schläft schon. Die Skandinavier sind noch immer beschwingt am Reden, aber schon nicht mehr so laut. Ich habe einen Wiskey in der Hand und nippte genüsslich daran. Ich mag diese ruhige Atmosphäre im Flugzeug, nach dem die obligatorischen Aufreger vorbei waren. Der aufregende Start, die Sicherheitseinweisungen, die aufgeregten Kinder die wild umherlaufen. Die Kotztütenerlebnisse. Oder wenn es nicht mehr dazu gereicht hat, eine übelriechende Pfütze auf dem Teppich. Ich hatte zum ersten Mal beobachtet, dass eine Stewardess Kaffeepulver auf die Stelle schüttete, nachdem die peinlich berührte Mutter das Gröbste schon beseitigt hatte. Anschließend deckte sie die Stelle mit einer Decke ab. Aufregung gab es auch nochmal während des Essens. Ein orthodoxer Jude sorgte für Unruhe. Erst wollte er sich nicht von einer Stewardess bedienen lassen und verlangte unbedingt einen männlichen Kollegen. So ein Spinner. Die Stewardess nahm es professionell und machte keine Szene. Zum Glück war auch ein Kollege in der Nähe der einsprang. Mira war entstetzt und hat sich furchtbar aufgeregt. "Der Locki ist doch bestimmt auch Homophob. Erkennt er denn nicht, dass der hübsche Steward gar nicht koscher ist. Mira erkennt immer auf Anhieb" Viados", wie sie Homosexuelle auf Portugiesisch nennt. Ich kann so etwas meistens nie erkennen. Ich achte auch gar nicht darauf. Dann setzte der Orthodoxe noch einen drauf. Er verweigerte das Essen  und verlangte ein koscheres Menü. Der schwule Steward wies ihn darauf hin dass man ein koscheres Menü im Voraus bestellen muss. Es gab einige Diskussionen und letztendlich musste er aufs Essen verzichten. Dann gab es noch einen Knall und einen Aufschrei. Ein Vogel war gegen ein Fenster geflogen und eine ältere Dame schrie erschreckt auf. Das war dann aber auch schon alles.

Jetzt ist es angenehm ruhig. Ich nippe noch einmal an meinem Whiskey. Ich versuche erst gar nicht zu schlafen. Ich tippe mich durch das Menü auf den Monitor vor mir. Ich checke die Außentemperatur, Flughöhe, Uhrzeit: Start - Ziel, verschiedene Positionen des Flugzeugs auf diversen 3D-Karten und ähnliches mehr. Später wüerde ich mir noch einen Film anschauen. Ich entdecke einen Thriller der im Flugzeug spielte. Merkwürdig. Ließ man solche Filme nicht von vornherein draußen um nervöse Fluggäste nicht noch nervöser zu machen? Ich glaube der Film handelte so gar von einer Bombe an Bord und Liam Neeson der versucht die Katastrophe zu verhindern. Liam Neeson ist einer meiner Lieblingsschauspieler und ich lege mich schon mal innerlich auf diesen Film fest. Am liebsten schaue ich eigentlich Komödien, doch ich lache in der Regel so laut und ungehemmt, dass ich das nicht den schon schlafenden Passagieren zumuten möchte. Aber Liam Neeson ist auch Klasse. Ich freue mich schon darauf, will aber nochmal die Nachrichten auf meinem mobilen Gerät checken.

Es sind einige Eingänge vorhanden. Vor allem Urlaubsgrüße. Mum mit dem typischen Hinweis, dass wir nach der Ankunft uns kurz melden sollen, ob alles in Ordnung sei. Ich schmunzele. Danny, Bob....Geneva? Wer ist Geneva? Ich habe keinen solchen Namen gespeichert. Der Name der Nachricht ist mit "Dringend" betitelt. Hätte ich eine solche Nachricht als E-mail bekommen, wäre sie sofort im Mülleimer gelandet. Aber das hier ist meine Freundesliste. Wie kommt dieser Name da hinein? Ich klicke die Nachricht an.

 

 

Mein lieber Freund. Ich muss dringend mit dir reden. Melde mich online...bis bald Geneve.

 

 

Ich lese die Zeilen immer wieder und rätsele weiter herum wer diese Geneve ist. Ich kenne keine Geneve. Nicht mal jemanden mit ähnlichen Namen. Mein lieber Freund. Was ist das für eine Anrede? Auf einem Mal öffnet sich ein Balken. Er beginnt sich mit grüner Farbe zu füllen. Ein Download. Ein Virus? Ich bin verwirrt und drücke in Panik auf den Tasten herum. Gleichzeitig ist mir klar, dass das nichts bringt und höre damit auf. Ich starre auf das Display und bin gespannt was als nächstes passiert. Der Balken ist jetzt total grün ausgefüllt und schwebt drohend auf dem Display. Dann verschwindet er und mein Display änderte die Farbe zu einem hellen Blau. Ich warte, aber zunächst passiert nichts. Dann erscheinen zwei Worte...

 

 

 

                                               

 

 

Kapitel 3 Geneve

Hallo John     

 

 

Ich bin perplex. Wurde gerade eben so eine Art Chatprogramm heruntergeladen und installiert? Ich starre auf den Kursor, der mich aufforderte etwas zu schreiben. Mira dreht sich auf die Seite. Ihre Decke ist ein wenig verrutscht. Immer wenn ich Nachts wach werde, dann geht mein Blick zuerst zu Mira. Irgendein Bein schaut dann heraus und ich ziehe die Decke zurecht. Es ist fast so als würde ich es spüren und wache deshalb auf. Meine Decke ist schnell entfaltet und Mira empfängt Sie als hätte sie es erwartet. Mein Blick geht zurück zum Kursor.

Ein Gefühl schleicht sich von hinten an mich heran und schwebt jetzt vibrierend über meinen Nacken. Es ist so ein unbestimmtes Gefühl. Ich habe es manchmal an diesen Tagen, wo noch etwas passiert. Wo man so eine Art Ahnung hat. So ein Gefühl will aber ich jetzt überhaupt nicht haben. Es soll sich jetzt nur noch alles um Urlaub und Mira drehen. Ich erwarte irgendeine Nachricht die mich in Schrecken versetzen würde. Hier will nicht jemand nur plaudern. Was schweres Bedrohliches liegt in der Luft. Ich kann es spüren. Ich will schreiben "wer sind Sie?", aber ich weiß wer da am anderen Ende wartet. Okay, langsam herantasten.

 

 

Hallo Geneve

 

 

Das ist eine gute Antwort. Es ist nicht so eine überraschte Reaktion. Wer sind Sie, was wollen Sie, wie kommen sie zum Teufel auf meinen Blackberry!!!! Ich gebe nichts von mir preis und der Ball ist jetzt wieder bei dieser geheimnisvollen Geneve. Meine rechten Finger trommeln nervös auf meinem Oberschenkel, so als würde jetzt gleich im Scheinwerferlicht dieses Zirkusses etwas ganz Unglaubliches passieren. Komm mach schon, antworte.

 

 

John, ich weiß du bist überrascht. Du kennst mich nicht aber glaube mir, ich kenne Dich. Ich beobachte dich seit Jahren.

 

 

Ich muss schlucken. Was ist das denn für eine Antwort. Sie kennt mich seit Jahren und beobachtet mich. Das muss irgendeine Verrückte sein. Eine Stalkerin? Okay, ein Stalker verfolgt eine Person und belästigt sie. Wenn diese Geneve mich seit Jahren auf den Korn hat, dann hat sie verdammt lange mit der Kontaktaufnahme gewartet. Moment mal, es gibt doch auch dieses Cyberstalking. Das beharrliche Verfolgen findet bei dieser Variante überwiegend mit dem Handy oder übers Internet statt. Ist dies der Anfang. Würde ich sie jetzt nicht mehr loswerden? Wahrscheinlich wird sie bald damit anfangen ihre Besorgnis auszudrücken, dass in  Gefahr schwebe und sie mich beschützen will oder irgend so einen anderen Psychomist. Wie verhalte ich mich jetzt am besten?. Verdammt, das ist mein Urlaub. Zu ein Stuss hat mir jetzt noch gefehlt.

Mira ist bei so etwas ganz cool. Einfach nicht mehr reagieren. Jede Reaktion ist nur ein weiteres Holzstück dass man ins Feuer wirft, dass die leidenschaftlichen Gefühle eines kranken Menschen anheizt. Am Besten ist, das Handy jetzt auf der Stelle ausschalten, die Verbindung zu kappen. Das Unkraut herausreissen, wenn es noch klein ist und nicht warten bis es die schönen Pflanzen überwuchert. Oder eine schöne Pflanze wie Mira.

Sie wird so etwas nicht dulden. Ich versuche mir erst gar nicht auszumalen, wie Sie auf eine Stalkerin, die nicht locker lässt, reagieren wird. Ein paar Mails, okay. Aber wenn Sie anfängt in unserem Alltagsleben aufzutauchen, wird Mira sich in einen Orkan verwandeln.

Also ausschalten, nicht mehr reagieren. Ich bemerke, wie ich mit meinen Lippenmuskeln Achterbahn fahre. Auch über diese Angewohnheit von mir muss Mira immer lachen. Schalte aus. Mache diesem Unfug ein Ende. Aber sie hat irgendeine Art Chatprogramm auf mein Handy geladen. Das macht mich schon stutzig. Wie ist das möglich? Vielleicht muss ich mein schönen Blackberry wegwerfen. Oder bei der Polizei abgeben, damit die sich darum kümmern? Wie auch immer. Ich muss im Urlaub mein Gerät ausgeschalten und wenn wir wieder zurück sind, mich darum kümmern. Ich treffe eine Entscheidung und mein Gehirn schickt den Befehl zu meinen Fingern. Ich will gerade ausschalten, als die nächste Nachricht von der Stalkerin herein kommt....

 

 

Kapitel 4 Die Venusfliegenfalle

 

 

                                                  John, ich bin aus der Zukunft

 

 

 

Jetzt bin ich tatsächlich baff. Das ist so offensichtlich unglaubwürdig und damit klar, dass mich eine Verrückte an der Angel hat. Schalte aus. Los mach schon. Aber wie irre ist das eigentlich. Mein Handy wird gehackt und ich bekomme Nachrichten aus der Zukunft. Diese Story wird mir keiner glauben. Aber wann passiert einem schon mal so etwas. Man ist auf einer Party und unterhält sich mit anderen Gästen. Hallo, wo kommen Sie denn her?. Aus der Zukunft. Hey super, wie leben denn die Menschen in tausend Jahren so? Man würde sein Gegenüber für verrückt halten und mitspielen, ein kurzen Smalltalk halten und weitergehen. Eigentlich ist das doch total spannend. Jemand aus der Zukunft redet mit mir. So etwas erlebt man doch nicht alle Tage. Ich kann jetzt sowieso noch nicht schlafen. Also warum nicht ein wenig spielen. Mal sehen was so passiert. Sollte sie mich später weiter verfolgen, kann man das Handy immer noch aus dem Verkehr ziehen oder die Polizei einschalten. Also, bleib locker und genieße die Show. Mal sehen was du so zu bieten hast. Wie gehe ich das am besten an? So leicht werde ich es dir nicht machen. Du musst mir schon mal ein paar Beweise liefern.

 

 

                                                Wieviele Jahre aus der Zukunft?

 

 

 

Hat sie sich schon so eine Art Vita zurechtgelegt? Dann müssten die Fragen schnell beantwortet werden. Oder sie sitzt jetzt da und überlegt, was sie antworten könnte.

 

 

 

                                                      etwa 10000 Jahre

 

 

 

Wow, das kam schnell. 10000 Jahre? Mir kommt eine Idee.

 

 

 

                                     Man schreibt immer noch das Englisch von 2016?

 

 

 

Mal sehen was sie dazu sagt. Vielleicht bringt sie das durcheinander und sie wird unsicher.

 

 

 

                                       Nein, Englisch ist eine tote Sprache,

                                       so wie Latein für dich.

 

 

 

Okay, das war nicht schlecht gekontert. Dagegen kann man nicht stechen. Sie hatte wahrscheinlich diese alte Sprache Englisch studiert. Sie ist mit Sicherheit Wissenschaftlerin oder so etwas Ähnliches. Wahrscheinlich kann kein Normalbürger aus der Zukunft mal so einfach Kontakt aufnehmen zu 2016.

 

 

 

                                        Warum das Interesse an 2016?

 

 

 

Ich spüre ein Kribbeln. Das Spiel macht mir Spaß.

 

 

 

                                          2016 ist uninteressant.

                                          Ich habe nur Interesse an dir.

 

 

 

Dieses Gefühl im Nacken taucht wieder auf. Diese Ahnung. Ich kann es noch nicht richtig zuordnen. Obwohl ich mich rational dagegen wehre, ist doch ein Gefühl da, dass sie ehrlich spricht. Dass sie zu mindestens glaubt was sie sagt. Ich höre ihre Stimme nicht, kann ihren Gesichtsausdruck nicht sehen. Sehe nur diese nackten fetten Buchstaben und habe das Gefühl das sie ehrlich ist?

 

 

 

                                                         Warum an mir?

 

 

 

Ich werde in diesem Moment ein wenig traurig. Irgendwie tut sie mir leid. Was passiert mit einem Menschen, dass er sich so auf einen anderen Menschen fixiert. Ich muss sie von irgendwo her kennen. Aus meinem Arbeitsumfeld?. Oder ich kaufe bei ihr im Supermarkt ein und sie sitzt an der Kasse? Ich habe Sie bisher nicht wahr genommen und jetzt fordert sie meine Aufmerksamkeit vehement ein.

 

 

 

                                            Weil ich möchte das du überlebst.

 

 

 

Verdammt. Ich kenne mich auf diesem Gebiet einfach nicht kompetent aus. Einen Artikel in einer Zeitschrift beim Friseur. Das ist aber auch schon alles.

 

 

 

                                                              Was überleben?

 

 

 

Eine Gänsehaut wächst meinen Rücken hinauf. Sie meint unseren Flug. Es kann gar nicht anderes sein. Deshalb kontaktiert sie mich im Flugzeug. Sie ist davon überzeugt, dass das Flugzeug abstürzen oder explodieren wird. Aber wie soll diese Geschichte weitergehen? Wie will sie mich retten? Aus dem Flugzeug beamen und ich lande auf einem Konförderationsschiff der Vereinigten Welten. Der Trekkie kommt in mir durch. Zu Hause befinden sich alle Staffeln von der Star Trek -Reihe im Regal. Mira hatte nach unserer Heirat einiges bei mir ausgemistet. Ich führte so ein typisches Junggesellendasein. Meine Bude war mit Büchern vollgestopft und ich hatte eine beeindruckende Videosammlung. Dazu Riesenbildschirm und Spielekonsole und jede Menge Spiele. Meine Wohnung war so ziemlich vollgestopft mit allem möglichen Kram. Mira hatte nur mit dem Kopf geschüttelt und gelacht und mit der Zeit verschwanden viele meiner Sachen von denen ich mich erst strikt weigerte sie aus der Hand zu geben. Aber Mira hatte mich weich geklopft. Die Star Trek-Sammlung ist eines der wenigen Dinge die aus meinem früheren Leben übrig geblieben sind. Ich erwarte gespannt ihre nächsten Worte

 

 

                                    Das Flugzeug wird in 90 Minuten abstürzen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 5 Countdown läuft 90 Minuten

 Obwohl ich die Antwort so in etwa erwartet habe, bin ich geschockt. In 90 Minuten. Das ist eigentlich schon gleich. Ich meine, es wird nichts passieren und doch entert mich ein mulmiges Gefühl. Völlig unbegründet aber es ist nun da. Weil ich Flugangst habe. Das Gleiche würde passieren, wenn das Flugzeug in Turbulenzen gerät und anfängt mit meinen Nerven zu spielen. Dann fange ich immer an mich selbst zu beschwören in einer Art Psycho - Singsang. Es wird nicht abstürzen. Es wird nicht abstürzen. Es wird...Weiß Geneve etwa von meiner Flugangst?. Spielt sie damit? Um mich zu quälen? Kennt sie mich wirklich so gut? Hallo lieber Freund, ich kenne dich schon seit Jahren!, oder so ähnlich hatte sie in der Mail geschrieben. Was wird passieren, wenn die 90 Minuten verstrichen sind? Sie hat bestimmt eine Ausrede parat oder irgendeine andere Idee um mich auf Trab zu halten. Ich gehe ins Menü meines Blackberrys und suche die Stoppuhr. Ich wähle die Countdownfunktion und stellte die 90 Minuten ein. So, Countdown läuft- 90 Minuten. Der Kursor blinkteungeduldig.

 

 

 

Wie willst du mich retten?

 

 

 

Okay was wird ihr dazu einfallen? Was würde mir dazu einfallen? Gut, ich weiß ein paar nette Ideen. Schließlich habe ich unzählige Science-fiction Geschichten gelesen. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Sie könnte mich in eine Art Parallelwelt hinüber ziehen, mich durch die Zeit reisen lassen, mich mit Superkräften ausstatten und ich würde als einziger überleben. Oder es ist eine Bombe an Bord, die in 90 Minuten explodiert und ich bekomme von ihr den Auftrag sie rechtzeitig zu entschärfen. Sie würde mich natürlich aus der Zukunft anleiten. Oder sie kommt zu mir, hier ins Flugzeug. Meine Haare richten sich auf und  sie halfen sich gegenseitig dabei. Sie ist hier im Flugzeug!!!! Sie sitzt irgendwo in den hinteren Reihen und beobachtet mich. Ich drehe mich tatsächlich um und mein Blick hetzt durch die Reihen die Halbdunkel hinter mir liegen. Keiner beachtet mich, doch da - eine Frau schaut auf und blickt mich an. Sie liest ein Buch und ihre Augen fangen mich ab. Sie ist sehr hübsch. Sie lächelt kurz und ihre Augen wandern dann zurück zu den Buchstaben. Ich drehe mich schnell wieder um. Mein Atem geht tatsächlich ein wenig schneller. War sie das? Okay, ich hab einen kleinen Hang zum Paranoiden. Ich muss jetzt cool bleiben und...

 

 

 

Ich kann einen Zugang zum Zeitstrom öffnen

 

 

 

Also die Zeitreise ist es. Ich werde also in die Zukunft reisen. Zu ihr natürlich. Sie will mich retten. Ich gehöre ihr. Ich gehöre aber Mira. Mal sehen wie sie darauf reagiert.

 

 

 

Ich und Mira sollen also in die Zukunft reisen?

 

 

 

Das wird ihr natürlich überhaupt nicht gefallen. Sie wird sagen, dass sie nur mich retten kann.

 

 

 

Ich kann nur eine Person retten

 

 

 

Genau so wie ich es erwarte habe. Zeit sie mal ein wenig zu ärgern.

 

 

 

Dann soll Mira gehen

 

 

 

Das wird ihr nicht schmecken. Sie wird einen Grund anführen, warum das nicht geht.

 

 

 

Würde Sie denn gehen?

 

 

 

Gute Frage. Natürlich würde sie nicht gehen. Nicht ohne mich. Ich meine, sie würde diese Geschichte natürlich nicht glauben und nur darüber lachen. Ich überlege meine Antwort...

 

 

 

Nein, sie würde nicht ohne mich gehen und Ich nicht ohne Sie

 

 

 

Pattsituation. Sie bekommt mich nicht. Es würde mich nicht wundern, wenn Sie nun ein wenig gereizt wird.

 

 

 

Es gibt einen Ausweg

 

 

 

Hm. Jetzt bin ich aber gespannt. Wie soll dieser Ausweg denn aussehen?

 

 

 

Du gehst und zwar in die Vergangenheit

 

 

 

.....Countdown läuft - 82 Minuten

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 6 Countdown läuft 82 Minuten

In die Vergangenheit? Was soll denn das nun? Sie kommt aus der Zukunft und will mich in die Vergangenheit verfrachten? Und warum soll das ein Ausweg sein? Okay ich würde gerettet werden und dann? Natürlich, es ist so offensichtlich. Wäre ich in der Vergangenheit, könnte ich Mira mit einer Warnung retten. Aber Moment mal. Ich wäre dann doch zweimal existent. Geht das überhaupt?

 

 

 

Wie weit in die Vergangenheit?

 

 

 

Kann diese haarsträubende Geschichte wirklich wahr sein? Ich bemerke, dass sich in meinem Innern etwas bewegt. Ganz langsam. Es war wie eine Suppe, die erst nicht schmeckt und dann kommen immer mehr Gewürze hinein und dann kann man seine Finger nicht mehr davon lassen.

 

 

 

Jeder Zeitpunkt ist machbar aber du musst mir vertrauen

 

 

 

Dieses Spielchen am Handy können wir noch eine ganze Zeit lang so fortsetzen. Ich stelle Fragen. Sie antwortet. Bis dann die Zeit abläuft und entweder nichts passiert oder unser Urlaub mit einer Katastrophe endet. Ich kann einfach weiter mitspielen. Wenn sie mich wirklich retten möchte, muss ja was von ihrer Seite passieren. Wie hat sie es gesagt?. Einen Zugang zum Zeitstrom öffnen. Entweder sie kann das oder nicht. Natürlich. Soll sie das doch beweisen. Aber gehen wir die Sache erst mal langsam an. Ich habe eine Idee.

 

 

 

Kannst du mir aus der Zukunft Bilder senden?

 

 

 

Eine Stewardess schleicht mit einer Decke im Arm an mir vorbei.

 

 

 

Du möchtest einen Beweis?

 

 

 

Verdammt ja, das wäre nicht übel. Aber würde mich nicht wundern, wenn das nicht funktioniert.

 

 

 

Machbar aber riskant

 

 

 

Ich tippe schnell meine nächste Antwort

 

 

 

Warum?

 

 

 

Mir geht das alles nicht schnell genug. Ich schaue auf den Countdown. Noch 78 Minuten. Irgendwie scheint sie die Ruhe in Person zu sein. Ein plötzlicher Einfall windet sich meine Gehirngänge hoch. Wahrscheinlich, weil ich schon so viele Fiction-Literatur verschlungen hatte. Wenn dieser Versuch mich zu retten nicht klappt, kann Sie ihn einfach wiederholen, bis es ihr schließlich gelingt. Da konnte sie ziemlich relaxt die Sache angehen. Ihre Antwort lässt auf sich warten. Vielleicht tippt sie einen längeren Text.

 

 

 

Ein Bild aus der Vergangenheit wäre anachronistisch. Das wäre gegen die Zeitnaturgesetze. Es hätte Konsequenzen. Die Zeitnatur würde reagieren. Wahrscheinlich würde das Handy sofort zerstört werden. Wir könnten nicht mehr kommunizieren. Wir könnten es mit Miras Handy machen. Es wird sowieso in knapp einer Stunde in Rauch aufgehen.

 

 

 

Ich traue meinen Augen nicht. Ein aufkeimendes beklemmendes Gefühl macht einen Knoten in meine Eingeweide. Ich spüre auf einem Mal die Gefahr. Das Heranschleichen der Katastrophe. Und ist da so ein gereizter Unterton in ihrer Chatstimme?

 

 

 

Okay, was soll ich machen?

 

 

 

Jetzt wird es wirklich spannend. Bekomme ich gleich ein Foto aus der Zukunft geschickt?. Auf Miras Handy. Und anschließend verpufft ihr Smartphone?

 

 

 

Schalte Miras Handy ein

 

 

 

Das ist eine klare Anweisung. Ich schaue hinüber zu Mira. Sie schläft tief und fest. Sie hat so ein angedeutetes Lächeln um ihre Lippen. Ich liebe dieses Schlafgesicht von ihr. Wo ist ihr Handy? Sie hatte es im Flugzeug nicht in der Hand. Wahrscheinlich in ihrem Rucksack. Ich bewege meine eingefrorenen Knochen und stehe auf. Das Gepäckfach läßt sich leicht öffnen und ich nehme  Miras Rucksack heraus und stelle ihn auf meinem Sitzplatz ab. Der Rucksack beitzt zwei Seitentaschen. In einer steckt bestimmt das Handy. Ich löse gerade die Schnalle als Mira sich bewegt. Sie schiebt die Schlafbrille nach oben, öffnet die Augen und blinzelt mich an." Was suchst du, meu Amor"?....

 

 

 

Countdown läuft - 73 Minuten

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 7 Countdown läuft 73 Minuten

 Es fühlt sich an, als wäre ich erwischt worden. Dabei haben Mira und ich keine Geheimnisse vor einander. Mit großer Selbstverständlichkeit schaue ich in ihre Tasche, wenn ich auf der Suche nach Kleingeld bin oder irgendetwas anderes. Und sie macht das auch mit meinen Sachen. Was mein ist, ist dein und was dein ist, ist mein. Bei uns ist es wirklich so. Wenn ich in ihrer Tasche was suchen würde, dann wäre es so, als ob ich in meine eigene Tasche hineinschauen würde. Wir vertrauen uns gegenseitig hundertprozentig. Es gibt auch keine Eifersüchteleien zwischen uns. Wenn ich mit Freunden etwas unternehme, freut sie sich und ermutigt mich dazu. Es kommt dann auch kein Anruf von ihr. Schatz, wo bist du denn? Wann kommst du denn wieder nach Hause? Bei mir verhält es sich auch so. TrifftMira sich mit Freundinnen, habe ich keinerlei Kontrollbedürfnis. Jeder räumt dem anderen einen großen Freiraum ein, der Luft zum Atmen gibt. Ich bin so glücklich darüber, denn ich kenne die vielen Geschichten von Freunden und Arbeitskollegen. Manches Verhalten kommt einen Bespitzeln gleich. Das heimliche Schnüffeln in E-Mails oder das Kontrollieren von Anrufslisten. Das Aufstellen von Regeln und dergleichen mehr. Mira und ich sind völlig frei davon. Ich bin wirklich ein Glückspilz.

Doch jetzt habe ich Geheimnis vor ihr und ich fühle mich deshalb schuldig. Als würde ich etwas hinter ihrem Rücken tun. Ich fühle mich ertappt und reagiere wie ein kleiner Junge der von seiner Mutter erwischt wird, wie er nach Geld in ihrem Portemonnaie sucht.

"Ach nichts, ich suche nur ein Kaugummi. Hast du nicht welche?" Mira hat die Augen mittlerweile wieder hinter ihrer Schlafbrille verborgen. "Rechts" sagt sie nur, sinkt in den Sitz und mümmelt sich in die Decke zurück.

Ich habe Sie angelogen und  das kommt mir mies vor. Das Handy steckt in der linken Tasche. Schalte Miras Handy ein, war Geneves letzte Nachricht gewesen. Miras Handy wiegt schwer in meiner Hand. Ich fühle mich nicht gut. Unglaublich wie mein Gewissen mich beisst. Ich hatte die Konversation mit Geneve als Spiel begonnen. Mal sehen was passiert. Wohin das Ganze führt. Doch nun habe ich das Empfinden, Geneve führt mich von Mira fort und so kam ich mir verführt vor. Das alles fühlt sich nicht mehr richtig an. Zugegeben, Geneve ist überzeugend und das nur mit ein paar Buchstaben auf einem Display. Aber die ganze Geschichte ist doch haarsträubend. Abgesehen davon werde ich niemals ohne Mira gehen. Lieber würde ich mit ihr zusammen sterben, sollte das Flugzeug wirklich in einer Stunde vom Himmel fallen. Also was soll dieses ganze Theater. Zeit damit Schluss zu machen. Ich spucke Geneve innerlich aus wie eine schlechte Stelle von einem Apfel.

Das Display erlosch, mein Handy ist aus. Gut so. Ich fühle mich schlagartig besser, als hätte ich ein Gegengift gerade noch rechtzeitig genommen. Nun liegt das Handy kalt in meiner Hand, das Display erstarrt. Geneve hat ihre Macht über mich verloren. Aber was ist das? Was ist mit meinem Handy los? Ich habe das Gefühl als würde es anfangen zu vibrieren. Sind das meine Nerven, die sich da melden? Ich lege es auf meinen Schoß ab oder besser gesagt lasse es wie eine heiße Kartoffel fallen. Misstrauisch beäuge ich das Handy. Sei kein Idiot, lache ich mich selbst aus und nehme das Handy wieder in meine Hand. Es ist vorbei. Schlagartig leuchtet das Display wieder auf. Wieder diese blaue Farbe. Eine eiskalte Hand bohrt sich in meine Brust und packt mein Herz.

 

 

 

John, wir haben für so etwas keine Zeit

 

 

 

.....Countdown läuft 69 Minuten

 

Kapitel 8 Countdown läuft 69 Minuten

 Schockstarre. Immer wieder lese ich die wenigen Worte die mich so tief treffen. Wir haben dafür keine Zeit. Das Handy ist ausgeschaltet gewesen und doch ist sie in der Lage mir weiterhin Nachrichten zu schicken. Verdammt, wozu ist diese Geneve in der Lage? Ich drehe den Blackberry um und sehe auf die Rückschale des Handys. Mit dem Daumen schiebe ich sie ein wenig nach links und bekomme sie damit aus der Gehäusefassung. Jetzt lässt sie sich ganz einfach abnehmen. Ich fummele den Akku heraus. Das geht einfach und so schnell. Das ist der Todesstoß für Geneve. Ich sehe Sie im Geiste vor mir. Sie reicht mir ihre Hand. Dann öffnet sich ein Abgrund und ich stoße sie hinunter. Sie fasst noch meine Hand und ihr flehender Blick sagte nein, tu es nicht. Doch eiskalt löse ich meine Finger von ihrem verzweifelten Griff und sie fällt schreiend in die Tiefe. Es war vorbei.

Langsam drehe ich das Handy wieder auf die Vorderseite. Fast ein wenig zaghaft und kleingläubig. War sie jetzt wirklich weg? Mach dich nicht lächerlich. Sie ist besiegt. Und doch war da ein Zweifel. Sie hat mich gefühlsmäßig eingesponnen in ihre Geschichte und etwas in mir glaubte diesen Zukunftsschwachsinn. Loch Ness fällt mir plötzlich ein. Damals auf der Rundreise durch Schottland. Dieser See hat mich eingefangen und verzaubert. Die Nebelschwaden die geheimnisvoll umherwirbelten, wie das Tuch des Zauberers bevor das Kaninchen erschien. Ich glaubte natürlich nicht an das Seeungeheuer und doch meinte ich es jeden Augenblick zu entdecken. Ich hoffte es sogar. Vielleicht existiert es ja doch und ich sehe es. Später im Museum wurden mir all die Beweise und Fakten eingeflößt und insgeheim begann ich an Nessie zu glauben. Es könnte doch sein. Viel später schüttelte ich meine verzauberten Gefühle wieder ab. Die Realität schnippte mit dem Finger und erlöste mich aus der Hypnose. Wie leichtgläubig ich doch war.

Ich schaue auf den Blackberry, dem ich die Seele herausgerissen hatte. Ich blicke auf Miras Handy. Konnte sie damit noch zaubern? Nein, so einfach geht das nicht. Ich musste ihre Nachricht auch erst anklicken, bevor sich ihr Chatprogramm herunterladen konnte. Geneve war verschwunden. Ich hatte mich ihrem Zauber entzogen.

Es tut gut die Augen zu schließen und ein paar mal tief durchzuatmen. Mir ist klar, dass mich dieser kleine Ausflug in die Phantasie noch einige Zeit beschäftigen wird, aber jetzt in diesem Moment ist es nur von Bedeutung mich die kommende Stunde abzulenken und zu überstehen. Die Zeit muss verstreichen und der angekündigte Absturz ausbleiben. Dann würde ich mich wieder entspannen und mich nochmals kräftig innerlich auslachen und dann anfangen wieder auf Urlaub umzuschalten. Vielleicht noch einen Whiskey, der mir helfen könnte, mich auf angenehmere Gefühlswege zu schleichen.

Okay, eine Stunde geht schnell vorbei. Ich werde mich von einem Film zerstreuen lassen. Liam Neeson und sein Thriller im Flugzeug wird wohl keine Chance haben. Die Wahl wird wohl eher auf eine Komödie fallen. Ich muss einfach ein paar mal kräftig lachen.

Ich stöpsele schon mal die Kopfhörer ein und durchstöbere das Filmmenü. Der Bildschirm flackert und hat Aussetzer. Mist. Hoffentlich bleibt er nicht hängen. Dann müsste ich eine Stewardess bitten das Menü neu zu starten. Nochmal ein Flackern. Jetzt war der Bildschirm schwarz. Kleinere Schriftzeichen erscheinen. Das waren Programm-Codes. Vielleicht startet er neu? Das sieht so aus. Ich warte und sehe den Codes zu, wie sie herumtanzen. Plötzlich wird der Bildschirm blau. Das gleiche Blau wie auf meinem Handy, schiesst es mir sofort in den Kopf. Geneve...

 

Countdown läuft 63 Minuten

Kapitel 9 Countdown läuft 63 Minuten

Mir fährt der Schrecken tief in die Glieder. Das ist bestimmt nur ein Zufall. Sah das Blau von Displays nicht überall ziemlich gleich aus? Wahrscheinlich. Nun komm schon. Gleich müsste das Menü neu starten. Es passiert aber nichts. Die Sekunden verstreichen. Geneve ist in der Lage gewesen mein Handy zu hacken, aber den Bordcomputer? Von Technik habe ich so gut wie keine Ahnung aber ich würde darauf wetten, dass so etwas unmöglich ist. Dann könnte man auf diese Weise auch ein Flugzeug vom Himmel holen. Könnten Hacker so etwas bewerkstelligen? Buchstaben erscheinen und setzten sich zu Wörtern zusammen. Jemand schreibt eine Nachricht und ich kann zusehen wie sie die Wörter eingibt. Ich bin live dabei. Geneve. Sie schreibt tatsächlich eine Nachricht vor mir auf dem Bildschirm. Das ist doch verrückt. Gebannt schaue ich zu wie die Wörter zu Sätzen heran wachsen. Manchmal stoppt sie, geht zurück und korrigiert ein Wort oder setzt ein vergessenes Satzzeichen. Es ist faszinierend. Dann unterschreibt sie mit Geneve. Jetzt wo die Botschaft komplett ist, lese ich sie nochmal.

 

 

John, bitte rede mit mir. Schalte dein Handy wieder ein. Ich weiß, du bist verunsichert und hast tausend Fragen. Wenn du aus dem Flugzeug raus bist, können wir alles klären. Aber die Zeit läuft uns davon. Bitte lass dich von mir überzeugen, dass ich aus der Zukunft bin. Ich werde dir ein Foto auf Miras Handy schicken. Es ist das Titelbild einer Zeitung vom 23. Oktober 2016. Auf der Abbildung erkennt man ein gefundenes Trümmerteil eurer Maschine. Im Artikel wird Airline Flugnummer, Start und Ziel usw genannt. Alles weitere besprechen wir am Handy. Sollte dich dies nicht überzeugen, lass ich dich in Ruhe. Versprochen. Aber bitte gebe mir diese eine Chance dich umzustimmen. Vertraue mir. Du kannst Mira von der  Vergangenheit aus retten....Geneve.

 

 

Der Bildschirm flackert erneut und wird dann schwarz. Die Message ist gerade mal nur ein paar Sekunden zu lesen. Sie will nicht riskieren, dass noch jemand anderes sie liest. Wenn ich nur ein wenig schlagfertiger gewesen wäre, hätte ich ein Snapshot mit Miras Handy gemacht. Wäre das überhaupt möglich gewesen? Sagte sie nicht die Zeitgesetze ließen das nicht zu? Das alles ist sehr verwirrend und schwer zu entknoten. Im Endeffekt wird es darauf ankommen ihr zu vertrauen. Vertraue mir John. Ihre geschriebenen Worte besitzen eine magische Wirkung auf mich. Kein Zweifel. Ich bin mich mit Kräften am wehren, aber sie hat mich schon in ihr Netz eingesponnen. Ich strampel und zappel, aber sie wirft weitere süße Fäden nach mir. Mir kommt eine Idee, wie ich mich ihr entgegenstellen konnte. Sie sozusagen zum Duell herausfordern.Das Spiel würde dann nach meinen Bedingungen gehen.

Ich setze den Akku wieder ein. Mein Handy meldet sich zurück und schon nach wenigen Sekunden übernimmt das Chatprogramm von Geneve wieder das Ruder.

 

 

Danke John

 

 

Jetzt wird sie gleich große Augen machen.

 

 

Ich will kein Zeitungsartikel

 

 

Ich fühle mich gut. Jetzt bekomme ich die Oberhand.

 

 

Warum nicht?

 

 

Jetzt den Druck erhöhen.

 

 

Der kann manipuliert sein. Ich bin nicht blöd.

 

 

Ist das zu frech? Komm, jetzt kein Rückzieher machen. Hart bleiben.

 

 

Was würde dich überzeugen?

 

 

Sie weiß ganz genau, was ich will. Wahrscheinlich kaut sie jetzt an ihrer Unterlippe herum.

 

 

 Ein Video mit eindeutigen Beweisen

 

 

Ist das Spiel gleich zu Ende. Wie will sie sich herausreden?

 

 

Zu riskant

 

 

Angsthase. Das Auto rast auf dich zu. Nicht ausweichen.

 

 

Hör auf mit deinen Zeitgesetzen. Ja oder Nein

 

 

So Geneve. Kommen wir zum Ende.

 

 

Na schön. Geh auf WC. Nimm beide Handys mit

 

 

Was hat das zu bedeuten? Sie kann doch kein Video parat haben. So schnell kann man auch kein Film manipulieren. Geneve sitzt wieder am Drücker...

 

 

...Countdown läuft 57 Minuten

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 10 Countdown läuft 57 Minuten

Geneve schickt ihre nächste Anweisung.

 

 

Los John, die Zeit drängt.

 

 

Tut sie das nicht immer? Geh auf Toilette und nimm die Handys mit. Was sollte das nun? Richtig. Die Zeit würde das ja nicht zulassen. Ein Video aus der Vergangenheit. Was hat sie gesagt?. Das Handy würde wahrscheinlich zerstört werden. Deshalb die Toilette. Da könnte man auf irgendwelche Komplikationen unbemerkt reagieren. Miras Handy wandert in meine rechte Hosentasche und meins in die linke. Ich schaue mich um. Die Toilette vor mir war besetzt. Zwei Jungen drücken sich davor herum, flüstern und kichern irgendetwas. Nach hinten ist alles ruhig. Ich würde mein Glück dort versuchen. Vor mir liegt aber ein langer Weg. So kommt es mir jedenfalls vor. Ich laufe nicht gerne während des Fluges herum. Nur, wenn es unbedingt sein muss. Jetzt musste es sein. Geneve hat mich in die Toilette bestellt. Ich stehe im Gang und halte mich an den Kopfstützen fest und verharre wie in einer Art Startposition. Auf die Plätze, fertig, los.

Die meisten Passagiere schlafen und nur noch einige sind wach und beschäftigen sich mit Musik hören oder Filme schauen. Die Frau mit dem Buch liest noch immer. Sie schaut zu mir hin und beobachtet verstohlen mein Zögern. Ich muss los. Vorsichtig strecke ich meine Finger tastend nach vorne, streife leicht mit ihnen die Kopfstützen die meinen Weg markieren. Es kommt mir so vor als würden meine Nerven unsichtbare Fäden auswerfen, die in der Luft vibrieren und herum schlängeln und nach Halt suchen. Die ersten Schritte gelingenund ich komme vorwärts. Es fühlt sich an als würde ich auf einem Laufband laufen, dass sich vorwärts bewegt, während ich auch gleichzeitig darauf laufe. Wo Köpfe zur Seite geneigt waren, finden meine Hände Platz um sich abzustützen, abzustoßen und vorwärts zu kommen. Manchmal scheint das Flugzeug leicht zu schwanken und ich fühle mich wie auf eine Hängebrücke, die schwankend über einer Schlucht baumelt. Wo man sich nicht traut herabzublicken. Wo es in die Tiefe geht. Mein Gehirn will sich gegen diese Bilder wehren, sie niederringen. Doch durch irgendeinen Trick sind sie plötzlich über mir und übermannen mich. Ich sehe mich über die Wolken spazieren und manchmal reißt die Wolkendecke auf und gibt den Blick frei auf die endlose Tiefe und lässt den sicheren Boden nur erahnen. Nicht hinschauen. Spring über diese Wolkenlöcher weg, wie man über eine Pfütze springt um seine Schuhe nicht nass zu machen. So komme ich mir jetzt vor, während ich einen Schritt nach dem anderen setze, wie ein Spastiker der eine Lähmung in den Beinen hat. Unbeholfen und mit den Beinen stammelnd komme ich vorwärts. Noch gut fünf Meter fehlten zum rettenden Ufer. Das Gummiband. Ich trage es als eine  Art Realitätscheck um mein Handgelenk. Man konnte es auf die gereizten Nervenende auf seinem Fleisch fletschen lassen und die Nerven bändigen wie ein Dompteur im Zirkus seine Peitsche schwingt um die Raubtiere auf gebührenden Abstand zu halten. Nein, es geht schon. Ich schaff es auch so. Noch zwei Meter. Den letzten Meter werfe ich mich vorwärts und kralle mich an die Toilettentür. Geschafft. Die Tür gleitet auf und das von mir übrig geblieben ist, schlüpft hinein.

Die enge Toilettenkabine ist wie eine andere Welt. Eine Parallelwelt die neben dem Flugzeug herfliegt. Der Klodeckel ist aufgeklappt und ich starre auf das schwarze Loch. Die brummenden sonoren Flugzeuggeräusche scheinen direkt aus diesem Höllenschlund zu kommen. Shut up. Ich werfe den Deckel herunter und setze mich. So Geneve, wo bist du? Hast du mich etwa die ganze Zeit beobachtet. In deiner Zeitkugel? Hast du Mitleid mit mir? Wie ich so gefangen bin in dieser fliegenden Bombe. Meine Finger gieren nach der Tastatur.

 

 

Bin da

 

 

...Countdown läuft 51 Minuten

 

 

 

 

Kapitel 11 Countdown läuft 51 Minuten

 Schalte Miras Handy ein und geh zu Nachrichten

 

 

Ich weiß was jetzt kommt. Eine Nachricht von Geneve ist wahrscheinlich schon angekommen. Muss ich wieder ein Chatprogramm herunterladen, oder vielleicht sogar sofort das Video? Geneves Nachricht ist betitelt mit " Bitte anklicken". Wieder der Balken der sich mit Farbe füllt. Das blaue Fenster erscheint.

 

 

Wichtig, hör genau zu

 

 

Würde Sie jetzt wieder mit diesen Zeitgesetzen kommen?

 

 

Video wird nur einmal abgespielt und danach sofort gelöscht

 

 

Okay, sie wird das nicht näher erklären.Das weiß ich. Ich kann es sowieso zwischen den Zeilen lesen. Was ich hier mache ist total gefährlich. Ich riskiere für dich Kopf und Kragen. Eigentlich darf ich es gar nicht tun. Ich kann für nichts garantieren...

 

 

Leg das Handy in das Waschbecken

 

 

Jetzt macht sie es aber total spannend. Was soll denn nun kommen? Erwartet sie, dass das Handy in Rauch aufgehen würde? Dass Feuerzungen aus dem Handy züngeln? Ein mulmiges Gefühl packt meine Darmschlingen und knetet sie kräftig durch. Ich sehe auf das Nichtraucherschild. Natürlich war es verboten auf Klo zu qualmen und es gibt einen Rauchmelder der sofort Alarm auslöst. Ist das ein stummer Alarm oder so ein schrecklicher Piepton der das ganze Flugzeug in Aufregung versetzen würde?

 

 

Das umgebende Edelstahl hat dämpfenden Effekt

 

 

Sie gibt mir eine Erklärung.

 

 

und du kannst bei Rauchentwicklung löschen

 

 

Vielleicht muss ich jetzt auch noch den Rauchmelder mit einem nassen Tuch verstopfen. Ein weiterer Balken erscheint. Das Video wird heruntergeladen. Das geht recht schnell. Wird wohl nur ein kurzes Filmchen werden. Was werde ich sehen? Ausschnitte einer Nachrichtensendung? Ein Kreis mit einer Pfeilspitze. Anscheinend kann ich das Video jetzt starten. Meine Nervosität kocht erneut hoch.

 

 

Spiel es ab

 

 

Mein Finger tippt auf den Kreis. Das Display wird schwarz und dann sehe ich das Video. Ich hatte einen Nachrichtensprecher erwartet, der mit bedrückter Mine von einem Flugabsturz berichten würde, doch stattdessen sehe ich eine Friedhofsszene. Verdutzt bin ich von der Kameraführung. Das ist wie in einem Spielfilm.

Man sieht ein Grab von oben und Menschen darum herumstehen. Die Kamera fährt nach unten, wie ein Geist zwischen die Menschen hindurch. Ich sehe meinen Vater wie er mit steinerner Mine meine Mutter stützt, die hemmungslos weint. Meine Schwester mit ihrem Mann, andere Verwandte, Freunde, die Eltern von Mira.

Mir wird schwindelig. Das kann einfach nicht sein. Wie konnte Geneve in der Lage sein mir solch ein Video zu präsentieren. Die Kamera hat es sehr eilig und rast zum Finale. Der Grabstein war zu sehen. Ich sehe unsere Namen in verschnörkelter Schrift und das Todesdatum. Es ist das heutige Datum. Die Kamera schwenkt näher heran und zum Schluss füllt das Datum das ganze Bild aus. 22.Oktober 2016. Dann wird es wieder schwarz. Der Film ist zu Ende. Die Show vorbei.

Das Ganze hat vielleicht 10 Sekunden gedauert und Geneve ist voll zur Sache gekommen. Sie hat meinen Zweifel wie ein Unkraut herausgerissen und in die Biotonne geworfen. Sie hätte keine krasseren Bilder benutzen können. Es war auch nicht unbedingt der Umstand, dass ich meinen verzweifelten Vater oder meine in Tränen aufgelöste Mutter sah oder unsere Namen in schönen Buchstaben, sondern es war die Tatsache dass Geneve so ein Video zeigen konnte. Als wäre sie mal kurz vorbeigefahren und hätte ein paar Eindrücke von unserer Beerdigung festgehalten. Die Erkenntnis trifft mich wie ein Hammerschlag.

Geneve ist tatsächlich aus der Zukunft, so unglaublich das auch klingt. Es regt sich in mir noch eine leise Stimme und will Einwände erheben, doch sogleich kam eine Faust und schlägt  diese Stimme zu Brei. Es gibt keine Stimme mehr und mein Innerstes liegt nackt und bloßgelegt dar. Es ist, als würde einem Gottgläubigen die Erkenntnis bewusst, dass es doch keinen Gott gibt oder anders herum dem Atheisten ein Licht aufgeht, dass  der Allmächtige existiert und Rechenschaft für ein verlorenes Leben fordert. Geneve will mich retten, ist geduldig mit mir, verzeiht mir meinen Unglauben und zwingt mich jetzt mit aller Gewalt und Wucht die Wahrheit zu erkennen.  In 45 Minuten wird das Flugzeug abstürzen und Mira und ich sind tot..

 

 

Countdown läuft 45 Minuten

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 12 Countdown läuft 45 Minuten

Ich habe es im Unterbewusstsein die ganze Zeit für wahr gehalten. Ich habe mich dagegen gewehrt, es bekämpft, versucht es zu töten. Doch nun ist es mit aller Gewalt an die Oberfläche gekommen, steht vor mir und faucht mich an.

Und jetzt? Was nun? Ich starre noch immer auf das Handy. Das Display bleibt weiterhin schwarz. Doch Moment mal, da tut sich was.

Was ist denn mit dem Display los? Die Oberfläche bewegt sich. Es ist kaum zu sehen und geschieht ganz langsam. An mehreren Stellen verändert sich die Oberfläche. Es ist, als würde das Display nach innen gezogen. Es entstehen Vertiefungen wie kleine Krater. Dann knickt der Rahmen nach innen, als würde ein riesiges Gewicht auf dem Handy lasten und es nicht mehr standhalten können. Es knickt ein, gibt nach. Jetzt auch noch die andere Seite. Es nimmt die Form einer Sanduhr an. Als würde es in einem unsichtbaren Schraubstock stecken und langsam zusammen gequetscht werden. Mir kommt es so vor, als würde es sich verkleinern, als würde jemand die Luft aus dem Handy heraussaugen. Panik ergreift mich.

Ich habe unglaublich Angst davor, dass irgendein Alarm ausgelöst wird. Instinktiv betätige ich den Wasserhahn und Wasser schiesst auf das gequälte Handy herab. Aber es war nirgends Rauch zu sehen und ohne Rauch würde auch kein Alarm ausgelöst werden, beruhige ich mich selber. Mittlerweile hat sich in dem Waschbecken ein kleiner See angesammelt und ich unterbreche den Wasserstrahl.

Etwas Merkwürdiges geschieht mit dem Handy. Es sinkt wie ein angeschlagenes Schiff. Das kann doch nicht sein. Es wiegt doch nur ein paar Gramm. Es hätte oben schwimmen müssen. Ich will den Stöpsel nach oben betätigen , so dass das Wasser abfließen kann, doch der Mechanismus funktioniert nicht. Es ist ein Widerstand da. Es scheint so, als würde das Handy sein Gewicht verändern. Die Wasseroberfläche beruhigt sich und ich besehe mir das Handy genauer. Es schrumpelt weiter zusammen. Von seiner Form her, ist  es schon nicht mehr als Handy zu erkennen.

Meine Hände tauchen wie Krallen eines Baggers in das Wasser hinein und meine Finger umpacken das Handy vorsichtig von allen Seiten. Meine Güte. Es ist unheimlich schwer. Mit Mühe verschiebe ich es ein Stückchen, bis der Stöpsel frei daliegt. Ich lasse das Wasser ab. Gurgelnd macht es sich aus dem Staub.

Entsetzt starre ich auf den kleinen Klumpen Handy. Es scheint nicht mehr weiter zu schrumpfen. Ich tippe es mit dem Finger an und ziehe ihn erschrocken zurück. Verdammt dieses Ding wird heiß. Was soll ich nur machen?

Mir fällt Geneve ein. Natürlich, sie weiß was da vor sich ging. Schnell hole ich mein Handy hervor. Vielleicht hat sie mir schon tausende von Nachrichten geschickt. Das Handy geht an und ich sehe den vertrauten blauen Bildschirm.

 

 

John, schnell raus da

 

 

...Countdown läuft 40 Minuten

 

Kapitel 13 Countdown läuft 40 Minuten

Intuitiv erfasse ich die Gefahr. Natürlich ist es offensichtlich, dass etwas nicht stimmt. Das Handy ist von einer unsichtbaren Kraft zusammen gequetscht worden und nur Geneve konnte verstehen, was da vor sich gegangen war.

Sie ist aus der Zukunft. Sie weiß Bescheid. Die Zeit sie anzuzweifeln, ist vorbei. Gegen sie zu kämpfen hat nur Zeit gekostet. Zeit die nicht genügend vorhanden ist. Also raus hier.

Ich öffne vorsichtig die Tür und in mein Blickfeld kommt eine Frau. Sie steht  mit dem Rücken zu mir direkt vor der Tür und hält ein Baby an sich gedrückt. Ich sehe die Mütze des Kleinen und ein wenig Haarbüschel über ihre Schultern hinweg. Die Mutter wippt rhythmisch auf und ab, wahrscheinlich um das kleine Ding zu beruhigen. Sie hat nicht bemerkt, dass ich die Tür geöffnet habe. Behutsam schliesse ich die Tür wieder. Verdammt, was jetzt? Ich blicke auf das zusammen gekrümmte Handy, dass wie eine ans Ufer gespülte Leiche im Waschbecken liegt. Sobald ich die Toilette verlasse, würde sie hineinkommen und das verdächtige Handy sehen. Sie würde sofort Alarm schlagen. Diese geschrumpelte Etwas in dem Waschbecken würde für einige Aufregung sorgen und bestimmt auch den Sky Marschall auf den Plan rufen. Ich habe keine Zweifel, dass einer an Bord ist. Ein Stück undefinierbares Etwas dass so schwer ist, dass man es kaum von der Stelle bewegen konnte, war idealerweise prädestiniert dafür die Sicherheitskräfte in loderne Aufregung zu versetzen. Nochmal ein Blick auf mein Handy. Es gibt keine neue Anweisung von Geneve. Es ist schon alles gesagt. Ich muss schnell raus hier. Aber ich konnte das Handy nicht einfach dort lassen. Dann kommt mir die rettende Idee. Warum bin ich nicht gleich darauf gekommen? Das Handy ist auf eine Größe geschrumpft die es möglich macht, es in der Toilette heruntersaugen zu lassen. Es wäre verschwunden und würde kein Verdacht mehr erregen. Sobald dieser Gedanke durch meine Gehirnwindungen kroch, war die Entscheidung gefallen. Jetzt keine Zeit mehr verlieren. Los. 

Ich drehe mich zu dem Waschbecken hin. Sofort meldet sich irgendein inneres Alarmsystem und ein Gefühl sagt mir: Dreh dich von dem Ding weg. Schütze dich. Es wird jeden Moment explodieren. Flüchte. Renn weg. Es war als würde ich mich einer Bombe hinwenden, wo ein Timer sichtbar abläuft und die Sekunden zur Detonation herunterzählt und man hat nur noch wenige Sekunden um das Ding zu entschärfen.

Ich greife mit beiden Händen nach dem Haufen und versuche einen Test es anzuheben. Verdammt es ist sauschwer. Ich lasse alle Kraft in meine Hände fahren und kann es jetzt tatsächlich anheben. So, und nun schnell herausheben. Ich bekomme es gerade so über den Rand des Waschbeckens. Das Gewicht zieht erbarmungslos an meinen Händen und ich spüre wie es sich meinen Fingern entziehen will. Es rutscht mir förmlich aus den Händen und ich kann nichts dagegen tun. Der kleine Klumpen fällt zu Boden und verursacht ein so lautes Geräusch, dass ich mich sehr erschrecke. Ich glaube jeder im Flugzeug muss das gehört haben.

Ich verliere keine Zeit und hebe es wieder an. Der Schweiß sucht sich einen Weg durch mein Gesicht. Mir ist heiß und kalt zugleich vor lauter Aufregung. Ich habe es ein Stück angehoben und es befindet sich jetzt in Höhe der Toilette. Dann bemerke ich das Dilemma. Der Klodeckel ist noch nicht aufgeklappt. Darf das denn wahr sein? Ich muss es wieder absetzen. Breitbeinig stehe ich da und in der Bewegung sehe ich aus wie ein Gewichtheber der mit seiner Hantel herum hantiert. Vorsichtig ablassen.

Ein donnerndes Klopfen erschreckt mich. Hallo, alles in Ordnung?, bitte machen sie die Tür auf, bellte die energische Stimme einer Stewardess. Ich knalle den Klodeckel nach oben. Panik treibt mich an. Mir ist bewusst, dass es einen Nothebel gibt um von außen eine Fugzeugtoilette zu öffnen. Es würde nicht lange dauern und die Stewardess stürmt hinein und sieht mich hier mit diesem Ding. Auf einem Mal habe ich Superkräfte. Mit zitternden Armen schleudere ich dieses Monster in den Abgrund. Ich betätige gerade den Flush, als sich die Tür öffnet. Zwei der Flugbegleiterinnen schauen mit besorgter Miene hinein. Ich habe keine Idee, was für ein Bild ich abgebe, aber bin sehr erleichtert, dass das Ding noch rechtzeitig entsorgt war. Ich versuche ein harmloses Lächeln und dann gibt es einen ohrenbetäubenden Knall....

 

 

...Countdown läuft 34 Minuten

 

 

Kapitel 14 Countdown läuft 34 Minuten

 Schreie. Von überall hört man Schreie. Panik. Auch die Stewardess die in der Tür steht, schreit auf, taumelt zurück und schließt, glaube ich, vor lauter Schreck schnell wieder die Tür. Einen Moment bin ich mit meinem Schock allein.

Ich zittere und schaue auf meine Hände. Merkwürdigerweise zittern die Finger der rechten Hand schneller, als ihre Freunde auf der anderen Seite. Es war beinahe so, als wären sie erwischt worden, als wären sie die Schuldigen. Dabei haben sie doch in Harmonie zusammengearbeitet und mit vereinter Kraft das Ding beseitigt. Es muss explodiert sein. Dort unten in den Eingeweiden des Flugzeugs. Es hätte in meinen Händen explodieren können. Dieser Gedanke löst nun auch ein Zittern in meinen Knien aus. Ich kann mich nicht mehr auf meinen Beinen halten, gebe auf und lasse mich auf den Boden rutschen.

Von draußen höre ich viele Stimmen, die die wie aufgewühlte Wasser an die Tür schlagen. Ich erwarte, dass jeden Moment die Tür aufgerissen wird und jemand mir eine Standpauke hält. Dieser Jemand ist ein bulliger Kerl mit Schnauzer, der bedrohlich in der Tür erscheint. Er trägt einen Anzug, oder besser gesagt eine Kombination. Die beiden Teile passen offensichtlich nicht zusammen und wurden wahrscheinlich von ihm selbst zusammengestellt. Ich schätze, er ist Junggeselle oder hat eine Scheidung hinter sich. Eine Sommerhose aus dünnem Stoff mit nicht überzeugender Bügelfalte und eine Winterjacke aus dickerem, festen Material. Er hatte diese wahrscheinlich gewählt, weil man mit ihr die Pistole besser verbergen konnte, die er mit Sicherheit darunter trug. Er entspricht eigentlich genau meinem Bild, dass ich von einem Sky Marshall habe. Dazu passt auch seine Krawatte, die zu kurz gebunden ist. Das hier ist kein Geschäftsmann, auch kein Tourist sondern ist ein Bulle. Er versprüht diese  besondere Art Autorität. Ich mache sie an dem Schnauzer fest. Er ist buschig und entlang den Mundwinkeln gewachsen. Diesem kräftigen Mann widerspricht man nicht, sondern man fügt sich. Seine Augen ruhen auf mich und schätzen mich ein.

"Sind sie verletzt?" Ich habe Angst zu sprechen, das meine Stimme versagt und ich nur Unsinn plappere.

"Nein, ich glaube nicht, bin nur erschrocken" höre ich mich selbst sagen.

"Können Sie aufstehen?" Ich nicke mehrmals und erhebe mich.

"Drehen sie sich zur Wand" Ich gehorche. Ich sehe ihn nicht mehr, spüre aber dass er näher kommt.

"Hände nach oben und an die Wand" Seine Stimme ist dicht hinter mir. Sie klingt fest und bestimmt.

Er tastet mich ab. Schnell und routiniert wandern seine Hände meinen Körper hinab. Er gelangt zu meinem Handy und fischt es aus meiner Hosentasche. Eine Hand bleibt am Oberkörper, während die andere zu den Beinen geschickt wird und den Rest erledigt.

"Okay, hören Sie mir genau zu. Sie haben sich auf der Toilette eines Flugzeugs sehr verdächtig verhalten. Ich bin der Sky Marchall auf diesem Flug und ich nehme sie jetzt fest. Strecken sie die Hände nach hinten."

 

 

 

....Countdown läuft 27 Minuten

 

Kapitel 15 Countdown läuft 27 Minuten

 Ich habe es in Filmen schon Hunderte Male gesehen und jetzt erlebe ich es selber. Ich spüre wie das kalte Metall sich um meine Handgelenke schmiegt. Die Spannung die zwischen mir und dem Polizisten in der Luft lag, verzog sich ein bisschen. Aber nur minimal. Erst einmal war ich in seinen Augen gesichert. Seine linke Hand ruht noch immer auf meinem Rücken, während er sich nun in der kleinen Kabine umschaut. Er wirft den Toilettendeckel hoch und lugt hinein. Ich kann aus meiner Position nicht erkennen, ob die Toilette beschädigt ist. Das Handy ist explodiert und hat sicherlich einen Schaden in der Flugzeugkanalisation verursacht. Es war bestimmt nicht das richtige Wort dafür, aber nur dies fällt mir ein.

"Was ist hier passiert?" Ganz gleich was ich auch antworten werde, es wird sich komisch anhören. Eine plausible Erklärung konnte ich nicht liefern und es fällt mir auch nichts Passendes ein. Ich konnte den Ahnungslosen spielen, doch es gab vor der Explosion schon ein verdächtiges Geräusch, als der schwere Klumpen mir aus der Hand gerutscht war. Wie sollte ich das erklären? Ich könnte es mit der Wahrheit probieren. Die klingt aber noch verrückter. So oder so, ich bin geliefert. Man würde mich festgesetzt lassen, bis das Flugzeug landet. Das würde es freilich nicht tun. Es hatte nicht mehr viel Lebensdauer. Es wird in wenigen Minuten vorbei sein. Geneve schaut wahrscheinlich durch ihr Zeitfenster auf diese Szene hinab und denkt, dass es gelaufen ist. Okay, ich habe es versucht, doch der Kerl hat sich zu blöd angestellt.

Es ist eigentlich egal, was ich sage. Es spielt keine Rolle mehr. Moment mal. Wenn mich mein Zeitgefühl nicht trügt, passiert das Unglück etwa in einer halben Stunde.  Eventuell Zeit genug das Flugzeug zu landen. Natürlich, das war es. Man könnte versuchen den Ablauf zu ändern. Der Ablauf war schon verändert. Das Handy ist auf der Toilette explodiert und nun drückt mich der Sky Marchall mit dem Gesicht an die Wand. Vielleicht spielt das im Endeffekt keine Rolle, weil das Flugzeug sowieso abstürzt und somit für die Zeit alles in Butter ist. Aber man kann das Geschehen ändern. Von der Zukunft aus betrachtet, ist das so alles nicht passiert. Vielleicht ist es ja möglich noch mehr zu ändern. Die Zeitlinie in eine ganz andere Richtung zu bringen. Das Flugzeug landet und die Katastrophe ist abgewendet. Alle überleben. Niemand muss heute sterben. Ich muss es versuchen.

"Sie müssen das Flugzeug sofort landen" Jetzt war es raus und es lässt sich nicht mehr zurückdrehen.

"Warum?" Er drückt mich wieder ein wenig fester an die Wand.

"Das Flugzeug wird in 30 Minuten abstürzen" In diesem Moment fällt mir noch etwas ein.

"Ich werde alles sagen was ich weiß, aber sie müssen erst mit dem Piloten sprechen. Das Flugzeug darf seinen Flug nicht fortsetzen" Es gibt eigentlich überhaupt keine Alternative, wenn ich so recht überlege. Es hat eine Explosion gegeben, danach noch eine Drohung, dass das Flugzeug abstürzt. Unmöglich, dass der Pilot einfach weiterfliegt. Er wird den nächsten Flughafen ansteuern und die ganze Angelegenheit wird von der Polizei untersucht werden. Es kann gar nicht anders sein. Vielleicht nimmt das ja doch noch ein gutes Ende?

"Ich kann ihnen versichern, dass passiert schon in diesem Moment. Die Maschine befindet sich bereits im Anflug auf den nächstgelegenen Flughafen". Mir fällt ein Stein vom Herzen. Ehrlich. Doch, Moment mal. Der Cop könnte mich auch linken. Mir einfach sagen, was ich hören möchte. Ich überlege gerade meine nächsten Worte, als ein Handy klingelt. Es muss das Handy vom Cop sein, denn es ist ein mir fremder Klingelton. Der Marchall greift in seine Hosentasche und holt das Handy hervor. Ich höre jetzt das Klingeln noch lauter.

"Erwarten Sie einen Anruf?", fragt der Bulle mich. Ich begreife die Frage erst nicht recht, doch dann wird es mir klar. Das ist nicht sein Handy, sondern meins. Das muss Geneve sein und in der Zukunft gibt es ziemlich coole Klingeltöne...

 

 

...Countdown läuft 23 Minuten

 

Kapitel 16 Countdown läuft 23 Minuten

 Mein Gesicht schmiegt sich noch immer an die Kabinenwand und ich kann nicht sehen was er macht.

"Ja?" Er hat die Annahmetaste gedrückt. Ich lausche genau hin, kann aber keine Stimme vernehmen. Was hat Geneve vor?

Der Cop dreht mich zu sich. Ich sehe seine Augen und bemerke seinen beunruhigenden und misstrauischen Blick.

"Setzen sie sich aufs Klo", befahl er. Mit den Händen auf dem Rücken, und mit immer noch zitternden Knien, versuche ich beim Hinsetzen das Gleichgewicht zu bewahren. Der Mann steckt mein Handy in seine Jackentasche und holt ein weiteres Paar Handschellen aus der anderen Tasche. Er schließt die eine Schelle um den Mittelteil der Handschelle die meine Handgelenke schon umfasst und befestigt das andere Ende an dem Griff neben der Toilette die wohl älteren Passagieren helfen soll sich hochzuziehen. Damit der Abstand passt, zieht er mich ein Stück zu sich und verändert die Sitzposition. Ich sitze nun mehr schräg als recht auf dem Rand des Toilettensitzes und meine Arme sind ein wenig unbequem nach oben gezogen.

Er holt das Handy wieder heraus und sieht darauf. Ich sehe kurz das blaue Display und  einen etwas längeren Text von Geneve. Sie hat ihm eine Nachricht gesandt. Wahrscheinlich eine schwer verdauliche, denn der Cop liest sie wohl immer wieder und wieder.

"Kennen Sie meinen Namen? fragt der Marchall. Ich versuche ihn anzusehen, doch das fällt mir in meiner momentanen Position schwer.

"Nein, wieso?" Ein Steward öffnet die Tür. Die anderen Flugbegleiter bilden eine Mauer um die Passagiere zurückzuhalten. Ein paar Gesichter kann ich sehen. Mit großen Augen starren sie mich an. Der Geräuschpegel auf dem Gang ist so groß, dass der Steward laut sprechen muss.

"Ich soll Ihnen vom Captain sagen, dass es einen Schaden an der Zugangsleitung zum Toilettentank gibt, von der keine Gefahr für das Flugzeug ausgeht, aber die Toilette muss gesperrt werden. Außerdem hat er versucht Kontakt zum nächsten Flughafen aufzunehmen, aber der Funk ist gestört." Ich weiß nicht ob das für den Cop eine gute oder schlechte Nachricht ist, denn er lässt sich auf jeden Fall nichts anmerken, als er antwortet:

"Kontrollieren sie bitte noch den Inhalt des Abfallbehälters. Sie können ihn dann allein lassen. Er ist gesichert." und zu mir gerichtet sagt er:" Ich muss mit dem Captain sprechen. Danach unterhalten wir uns." Er verlässt die Kabine und drückt sich an den Steward vorbei in den Gang, wo die Passagiere ihn mit Fragen bestürmen. Der Steward führt die Anweisung des Marchalls aus, wobei er vermeidet mich in irgendeiner Weise anzusehen. Als ob ich gar nicht anwesend wäre. Er macht sich mit dem Abfallbeutel aus dem Staub und lässt mich allein zurück.

Die vielen Stimmen, die wild durcheinander reden, lassen nicht nach und geben mir das Gefühl doch nicht allein zu sein. Ich denke an Mira und wie es ihr wohl geht. Sie sucht mich wahrscheinlich und weiß nicht was mit mir passiert ist. Oder eine Flugbegleiterin ist bei ihr und beruhigt sie. Machen Sie sich keine Sorgen. Ihrem Mann geht es gut. Er befand sich leider nur auf der Toilette, als der Zwischenfall geschah und nun muss nur ein paar Fragen beantworten. Sie werden sich irgendeine harmlos klingende Erklärung ausdenken. Sie werden beruhigen, beschwichtigen und ihre Gesichter werden ganz natürlich aussehen. Bestimmt werden  sie sogar lächeln, während die süßen Worte aus ihrem Mund kommen. Aber wie ich Mira kenne, wird sie nicht das fromme Lämmchen spielen. Sie wird darauf bestehen mich zu sehen. Vielleicht sind sogar zwei Stewardessen bei ihr, um sie in Schach zu halten.

Warum hat der Bulle mich gefragt ob ich seinen Namen kenne? Die Nachricht von Geneve. Sie muss sich direkt an den Marchall gewandt haben. Ihn mit Namen angeredet haben. Was hat sie nur vor? Die Ungewissheit quält mich und die Zeit läuft ab. Hat sie mich aufgegeben? Ist es zu spät mich hier raus zu holen? Ich bin immerhin gefesselt und sitze fest. Ich bin ans Klo gefesselt. Und wenn der Cop zurückkommt, will er reden, mich verhören. Selbst wenn er mir die Fesseln wieder abnimmt, wird er mich keinen Augenblick aus den Augen lassen. Die Zeit ist einfach zu kurz um noch zu fliehen. Aber warum dann die Nachricht von Geneve? Hallo, ich bin Geneve und aus der Zukunft. Darum kenne ich auch ihren Namen. Bitte lassen Sie den Passagier in der Toilette frei, damit er durch ein Zeitloch in die Vergangenheit fliehen kann. Das nimmt doch alles absurde Züge an. Ich muss mich damit abfinden, dass es vorbei ist. Der Zug ist abgefahren. Ich werde sterben und der Gedanke beunruhigt mich nicht im Geringsten. Ich werde ganz ruhig und ergebe mich. Meine Augen sind geschlossen und ich halte den Kopf nach unten. So ist es noch am bequemsten für mich. Plötzlich ein Schlag an der Tür. Ich schrecke auf und schaue zur Tür. Aber sie geht nicht auf und es passiert auch sonst nichts weiter. Vielleicht hat ein aufgeregter Passagier es zur Tür geschafft und seine Hand dagegen geschlagen.

Mein Blick will sich gerade wieder senken, als er beim Spiegel hängen bleibt. Mit dem Spiegel passiert etwas....

 

 

Countdown läuft 17 Minuten...

 

 

Kapitel 17 Countdown läuft 17 Minuten

 Gebannt starre ich auf den Spiegel und beobachte ihn. Ungefähr in der Mitte passiert etwas mit der Oberfläche. Zuerst sah es so aus, als würde er beschlagen, wie beim Duschen, wo sich das gasförmige Wasser auf eine kalte Spiegeloberfläche setzt. Das war aber nur der erste Eindruck. Es scheint so, als würde sich der Spiegel selbst verändern und sich das Glas eintrüben oder irgendwie erstarren, als wäre der Spiegel Wasser und von der Mitte aus zufrieren. Kreisförmig breitet sich das Phänomen aus und schreitet wie eine Infektion vorwärts. Erst langsam, bedächtig, doch dann scheint es Appetit auf den Spiegel zu bekommen und beginnt ihn aufzufressen, ja verschlingt ihn regelrecht.

Erschrocken von dieser Intensität erwarte ich, dass es fortfährt, von dem Spiegelrand überspringt auf die Kabinenwand und alles verschlingt, was sich ihm in den Weg stellt. Doch es hält inne, wartet ab, streckt seine Klauen manchmal über den Spiegelrand, als hätte es noch nicht genug, aber müsste sich zusammenreißen. Es ist genug. Ich darf nicht weiter. Ich möchte zwar den ganzen Raum auffressen, aber ich muss mich beherrschen.

Die Kraft und Energie dieser Gier sammelt sich, stößt an den Spiegelrand und schwappt zurück und verbindet sich mit der nächsten Welle. Es ist als läuft der Spiegel mit Energie voll. Die Wellen kommen vom Zentrum aus, als wäre dort in der Mitte des Spiegels, unter der Oberfläche, eine Pumpe aus Energie.

Dann verlangsamt sich das Volllaufen, so als würde jemand im Hintergrund den Vorgang beobachten und kontrollieren und nun den Hahn zudrehen. Das Pulsieren aus der Mitte verebbt und die letzten Wellen machen sich auf den Weg zum Spiegelufer. Die Oberfläche beruhigt sich und es kehrt Stille ein. Dann wird der Spiegel  langsam wieder klarer, so als hätte der Energiefluss zwar Schlamm vom Spiegelgrund aufgewühlt und an die Oberfläche gespült, doch  da der Ansturm abgeklungen ist, die Schwerkraft des Spiegels ihn nun wieder auf den Grund zurückzieht. Der Spiegel sieht wieder so aus wie zuvor. Harmlos und unauffällig. Doch ich weiß es besser. Ich habe gesehen, was passiert ist. Ich spüre die Gefahr, die vom Spiegel ausgeht. Der Spiegel war kein Spiegel mehr. Irgend etwas Großes, gefährliches hatte Besitz vom Spiegel genommen, ihn verschlungen und umprogrammiert, wie ein Virus es mit einer Zelle tut. Nun sah es zwar noch aus wie ein Spiegel, war aber nur getarnt.

Natürlich steckt Geneve dahinter. Wer sonst? Das muss der Durchgang sein. Das Tor in die Vergangenheit.

Es kann gar nicht anders sein. Sollte nicht alles darauf hinauslaufen?. Sie will mich durch dieses Tor bringen und die Zeit ist verdammt knapp geworden. War da so eine Art Vorbereitung? Das Tor schon mal öffnen und dann verstecken, so das, wenn es dann soweit ist,  ich schnell hindurch flüchten kann? Das würde Sinn ergeben. Nur gibt es eine letzte Hürde. Ich bin mit Handfesseln ans Klo gekettet und komme erst einmal nirgends wohin. Aber Geneve muss noch daran glauben, dass ich es schaffen kann. Hätte sie sonst dieses Tor geöffnet? Nur, was hat sie vor? Es muss damit zu tun haben, dass sie dem Bullen eine Nachricht geschickt hat. Vielleicht bringt sie Ihn dazu meine Handschellen zu lösen. Ja, und dann? Wahrscheinlich muss man den Spiegel nur berühren und man wird in den Zeitstrom hineingerissen. So könnte es sein. So oder so, ich muss abwarten was als nächstes passiert und dann meine Chance ergreifen.

Die Tür öffnet sich und der Marchall zwängt sich hindurch...

 

 

...Countdown läuft 11 Minuten

 

Kapitel 18 Countdown läuft 11 Minuten

 Seine massige Gestalt füllt die Kabine. Sein Blick und seine Mimik verraten mir nichts. Er hat noch immer dieses Pokerface aufgesetzt. Er baut sich vor dem Spiegel auf und betrachtet sich darin. Ein Schreck fährt durch meine Glieder. Wird er eine Veränderung an dem Spiegel bemerken? Vielleicht schwappt noch eine letzte Energiewelle in den Spiegel. Ein Nachzügler, der die Oberfläche noch einmal in Wallung bringt. Doch der Spiegel bleibt ruhig. Aber ich spüre eine Spannung, die von ihm ausgeht. Der Spiegel ist bereit für mich.

"Wer wollte Sie kontaktieren, Mr. Kendall?" Er betätigt den Wasserhahn und der Wasserstrahl schießt in das Becken.

"Hat Sie sich Ihnen nicht vorgestellt?" Er wäscht seine Hände.

"Sie?" Er klatscht sich Wasser ins Gesicht. Mein Herz bleibt stehen. Was geschieht, wenn ein Wassertropfen den Spiegel trifft? Gibt es ein zischendes Geräusch und er verdampft?

"Sie heißt Geneve" sage ich nur kurz. Ich habe das Bedürfnis nur kurze Sätze zu sagen, denn ich befürchte meine Stimme fängt an zu zittern.

"Es könnte doch auch ein Mann sein, der nur vorgibt eine Frau zu sein, oder?" Kein Wassertropfen hat den Spiegel getroffen. Er trocknet sich das Gesicht ab.

Auf diesen Gedanken bin ich gar nicht gekommen. Ganz selbstverständlich habe ich angenommen, dass Geneve eine Frau ist. Natürlich könnte sich auch ein Mann dahinter verbergen. Dieses Chatphänomen ist hinlänglich bekannt. Hallo, ich bin Thomas, 23 Jahre alt und mit sportlicher Figur. Und die junge Frau am anderen Ende der Chatleitung fängt an zu träumen. Dabei sitzt ihr ein fetter 60-jähriger gegenüber. Man kennt diese Geschichten. Wenn ich ehrlich bin, habe ich mir auch eine angenehme Stimme zu Geneve vorgestellt und ich sah sie als Wissenschaftlerin aus der Zukunft vor mir, mit weißem Kittel, Brille und strenger Frisur.

"Ist das denn wichtig?" Ich denke an die Zeit, die erbarmungslos herunter tickt.

"Sie kennen Geneve also nicht persönlich?" Er sieht mich durch den Spiegel an.

"Nein, sie hat über mein Handy mit mir Kontakt aufgenommen. Hören Sie, es ist hier ziemlich unbequem. Können Sie mir nicht diese Handfesseln abnehmen? Ich bin nur ein normaler Passagier und leider in diese Geschichte hineingeraten. Ich bin keine Gefahr für Sie?"

"Was wollte Geneve von Ihnen?" Er betonte Geneve.

Sollte ich jetzt alles erzählen?. Einfach die Wahrheit sagen. Aber ich habe keine Zeit dafür. Verdammt, wie komme ich von diesen Dingern los?

"Sie hat davon gesprochen, dass das Flugzeug abstürzt" Das war ein Volltreffer. Ich bemerke ein Zucken in seinen Augen. Er muss davon wissen. Geneve muss ihm davon erzählt haben. Aber warum?

"Wann?

"Ziemlich bald, ich glaube es ist sowieso schon zu spät"

"Zu spät für was?" Da kam mir die Idee.

"Hören Sie, ich weiß nicht was sie Ihnen erzählt hat, aber ich glaube es ist eine Bombe." Ein weiterer Treffer. Er zieht die Augenbrauen nach oben.

"Wie kommen Sie darauf?"....

 

 

...Countdown läuft 6 Minuten

Kapitel 19 Countdown läuft 6 Minuten

 "Sie hat  mein Handy gehackt und so eine Art Chatprogramm heruntergeladen und schickt mir seit her  Nachrichten"

" Was für Nachrichten?. Hat sie eine Bombe erwähnt?"

"Nein, nicht direkt. Aber sie hat vom Absturz der Maschine geschrieben. Aber der Punkt ist. Jemand hat sich verdächtig verhalten. Es war ein Mann, ein paar Reihen hinter mir. Ich hatte das Gefühl, dass er mich beobachtet oder immer wieder zu mir hin schaut. Als Geneve mich dann ins Gespräch verwickelte, habe ich nicht mehr an ihn gedacht. Aber als Sie den Gedanken erwähnten, dass Geneve doch auch ein Mann sein könnte, ist er mir wieder eingefallen. Vielleicht hat er ja etwas damit zu tun und er war es der mir die Nachrichten als Geneve schickte.

"Wie viele Reihen hinter Ihnen.Können Sie es genau sagen?

"Nein, vielleicht 5 oder 6 Reihen"

Er überlegt. Ich sehe förmlich, wie er mit einer Entscheidung ringt. Er atmet einmal schwer aus und holt den Schlüssel der Handschellen aus seiner Tasche.

"Drehen Sie sich noch ein wenig zur Seite" ich tue was er sagt. Er schließt das erste Paar auf. Ich bin jetzt nicht mehr an dem Haltegriff gefesselt. ich erwarte dass er mich auch von dem zweiten Paar befreit, aber nichts passiert.

"Hören Sie mir jetzt genau zu. Wir werden jetzt nach vorne gehen. Mein Platz befindet sich direkt vor der Galley der ersten Klasse. Sie werden dort neben mir sitzen. Da werden wir uns weiter unterhalten. Auf dem Weg dorthin sagen Sie mir, wer der Mann ist." Er zieht mich auf die Beine.

"Sitzen denn die Passagiere alle wieder? Ich meine, die waren doch alle auf den Gängen"

"Sie nehmen in diesem Moment alle wieder Platz. Sind Sie so weit? Sie werden vor mir gehen"

"Wollen Sie mir nicht auch die anderen Handschellen abnehmen?"

"Nein, die bleiben. Aus Sicherheitsgründen"

"Hören Sie, meine Frau flippt aus, wenn Sie mich in diesen Dingern sieht" Ich glaube, dass würde Sie tatsächlich tun. Nichts und niemand könnte Sie dann noch aufhalten.

"Machen Sie sich keine Sorgen. Ihre Frau ist im Moment in der ersten Klasse und sitzt dort. Später darf Sie zu Ihnen." Er hielt mich weiter am Arm fest und öffnet die Kabinentür. Ein Steward steht dort Wache.

"Alles klar?" Der Steward nickt. Ich habe nur die eine Chance. Jetzt oder nie. Ich muss den Spiegel berühren. Was würde dann passieren? Ich weiß es nicht, aber ich muss es riskieren. Der Marchall will durch die Kabinentür und zieht an mir. Ich soll ihm folgen. Da ich meine Hände auf dem Rücken habe, bleibt mir nur der Kopf. Ich muss mit dem Kopf an den Spiegel. Sein Griff ist fest und stark und ich überlege ob er mich festhalten kann. Vielleicht werde ich in den Spiegel hineingesaugt. Vielleicht wirken dort Kräfte, die man nicht kontrollieren kann. Ähnlich wie in einem Auto, dass plötzlich bremst. Eine Mutter hat ihr Kind auf dem Schoß sitzen. Sie selber ist angeschnallt. Aber das Kind nicht. Das Kind wird von ihr weggerissen. Ganz gleich wie fest ihr Griff auch ist. Wird es so ähnlich ablaufen? Werde ich seinem Griff entrissen und in den Spiegel gezogen? Oder wird er vielleicht mit mir hineingezogen? Geneve sagte, sie könnte nur einen retten, also nur einer könnte durch das Zeittor hindurch. 

Ich tippele vorwärts. Jetzt oder nie. Ich hole mit dem Kopf aus, als käme ein Ball in meine Richtung geflogen und ich wolle ihn wegköpfen. Mit vollem Schwung stoße ich den Kopf vorwärts zum Spiegel....

 

Countdown läuft 1 Minute

 

 

Kapitel 20 Der Schatten im Spiegel

Paul Swatter will gerade die Toilettentür öffnen, als sein Arm schlagartig taub wird. Er öffnet überrascht seinen Mund und schaut auf seinen Arm. Wie erwartet umfasst seine Hand das Ellenbogengelenk von John Kendall. Doch mit John Kendall stimmt etwas nicht. Sein kopf steckt bis zur Hälfte in dem Spiegel. Das Haar, die Augen und die Nase waren schon nicht mehr zu sehen, dafür aber noch der Mund, der weit geöffnet war und man seine Zähne sehen konnte. Es sah so aus als würde er schreien, aber kein Laut war zu hören. Der Sky marshal starrte wie angewurzelt auf diese groteske Szene. Er war nicht in der Lage sich zu bewegen oder in irgendeiner Form zu reagieren, so als wäre er eingefroren. Unendlich Zeit schien zu vergehen und Paul schaute zu, wie John Kendall in Zeitlupe in den Spiegel hineinfuhr. In dem Moment, wo sich seine Hand vom Ellenbogengelenk von Kendall löste, bemerkte er einen kleinen Schmerz. Das war halb so wild. Es war eher so ein Schmerz, wenn man im Laufen irgendwo anstösst. Da seine Augen weiterhin eingefroren waren und er nur einen Blickwinkel hatte, sah er nur wie eine Blutwolke in sein Gesichtsfeld schwebte, etwa mit der gleichen Geschwindigkeit, wie John Kendall sich bewegte. Merkwürdigerweise löste dieser Umstand keine Panik in ihm aus. Seine Empfindungen müssen irgendwie auch durch dieses Phänomen beeinflusst worden sein. Ich werde sterben. Diese Gewissheit lief wie ein Laufband  bei einer Nachrichtensendung auf seinem  Unterbewusstseinsbidschirm ab. Seine Wahrnehmung löste sich in viele Einzelbilder auf, so als würde er durch ein Kaleidoskop schauen. John kendall war schon längst in dem Spiegel vollständig verschwunden, als sein Wahrnehmungsbild in tausenden von Stücken expodierte. Paul Swatter lag auf dem Boden der Toilette und war tot.

Der Spiegel warf nun wieder Wellen. Die Wände zitterten. Die Tür wurde aufgerissen. Eine schwankende Stewardess schaute in die Toilette und schrie aus vollem Hals. Chaos brach aus im Flugzeug. Viele Passagiere nahmen unbewusst die Notfallposition ein. Sie krümmten sich zusammen und hielten sich den Kopf und schrien mit allem was sie hatten. Das Flugzeug wurde durchgeschüttelt, als wäre das Flugzeug ein Shaker und jemand macht sich ein Proteintrink. Das waren keine normalen Turbulenzen, aber wer dachte schon darüber nach. Während sich jeder um sein eigenes Schicksal kümmerte, kämpfte sich eine schlanke junge Frau durch den Gang. Ihr Ziel war die Toilette, wo ihr Mann John sich seit einiger Zeit aufhielt. Sie sollte zwar von ihm ferngehalten werden, aber sie ließ sich nicht mehr still halten. Sie machte den Flugbegleitern unmissverständlich klar, dass sie nur noch zur Zusammenarbeit bereit war, wenn sie in die Nähe ihres Mannes geführt wurde und ihn zumindestens einmal sehen und kurz sprechen konnte. Wenn ihrer Forderung nicht entsprochen wurde, würde sie sich zu einem nicht beherrschbaren Orkan entwickeln, der durch nichts zu stoppen wäre. Sie muss so überzeugend gewesen sein, denn alle verantwortlichen Personen um sie herum, knickten zusammen ein und ergaben sich ihrem Temperament. Man beruhigte sie mit dem Versprechen sie sofort zu der Toilette zu führen und man würde mit dem Sky marshal sprechen und man vergewisserte ihr mehrmals, dass der Sky marshal ein vernünftiger Mann war, mit dem man reden konnte.

So machte man sich mit ihr auf dem Weg. Sie waren schon fast bei der Toilette, als diese schrecklichen Turbulenzen ihren Anfang nahmen. Man führte sie an der Toilette vorbei zu dem Bereich wo die Flugbegleiter sich aufhielten, beruhigte sie weiterhin und setzen sie auf einen Notsitz ab. Sie schnallten sie an und befahlen ihr dort sitzen zu bleiben. Das Schütteln wurde immer heftiger und die Passagiere gerieten in Panik.

Niemand passte jetzt mehr auf sie auf. Sie löste den Gurt und steuerte auf die Toilette zu. Eine Stewardes lief fluchtartig und schreiend von der Toilettentür weg. Ihre Panik brachte den Topf zum Überlaufen. Nichts rationelles lief mehr ab. Adrenalin saß wie bei einem Rodeo auf dem  herumspringenden Chaos und wurde in hohem Bogen abgeworfen.

Mira zog sich an den Stuhlreihen weiter, schlug panische Hände wild zur Seite und erreichte schließlich die Toilette. Sie sah den auf dem Boden liegenden Marshal und sah seine aufgerissen Augen und den entsetzten Gesichtsausdruck. Aber dafür war keine Zeit. Wo war John? Er musste hier sein. Fassungslos suchten ihre Augen die ansonsten leere Kabine ab. Dann sah sie den Spiegel. Er warf kreisförmige Wellen, so als würde er aus Wasser bestehen und jemand hätte  gerade eben einen Stein hineingeworfen. Sie stieg über den Marshal hinweg und hatte den Spiegel direkt vor Augen. Da war etwas unter den Wellen. Ein Schatten. Die Umrisse eines Körpers. John, schoss es durch ihrem Kopf und dann berührte sie den Spiegel....

Kapitel 21 Eine zweite Chance

Das Projekt lief auf Hochtouren. Die 43 Mitarbeiter von Robotforce arbeiteten effektiv und kreativ wie ein Bienenvolk. Aufgeteilt in kleinen Arbeitsgruppen, saßen sie in abgetrennten Bereichen über das Büro verteilt zusammen. Kuriere, mit Zetteln in der Hand, tanzten zwischen den Tischen hin und her. Telefone glühten, Computeranimationen flimmerten auf den Bildschirmen, die Kaffeemaschinen gurgelten ohne Unterlass. Ein Orchester der Kreativität. Die ganze Maschinerie kam mit einem Schlag zum Stillstand, als ein großer Knall erfolgte. Jeder reckte sofort den Hals, um zu sehen, was passiert war. Mitten im Raum standen zwei Menschen und ein Roboter. Ein Mann und eine Frau und ein Roboter, der einer Frau ähnlich sah. Der Mann und die Frau trugen futuristische Kleidung. Die Roboterfrau sah aus, als truge sie einen metallelen Ganzkörperanzug. Der Mann übernahm die Initiative. Er trat hervor und fing mit seinen Armen an zu winken.

"Ich möchte alle Mitarbeiter bitten näher zu kommen. Haben Sie keine Angst, bitte kommen sie zu uns" Unter großem Stimmengewirr, scharten sich die Menschen um die Besucher zusammen. Ein großer Mann mit Anzug und Krawatte trat aus dem Bienenvolk als Sprecher heraus. "Wer sind sie und wie kommen sie hier herein" Seine Stimme hatte einen leichten empörenden Ton.

"Mein Name ist John Kendall und das ist meine Frau Mira. Die metallene Lady heißt Geneve. Wir kommen aus der Zukunft. Wir sind hier um sie mitzunehmen und ihnen damit das Leben zu retten. Es wird sich in 5 Minuten ein Durchgang öffnen, der genau 5 Minuten offen bleibt und sich dann für immer schliessen wird. In diesen uns verbleibenden 5 Minuten, möchten wir sie bitten geordnet und ohne Panik durch das Tor hindurch zu gehen. Wir werden ihnen nun ein Video zeigen, was ihnen vor Augen führt, was in genau 11 Minuten passieren wird." Alle Mitarbeiter waren noch näher gerückt und es wurde laut durcheinander geredet. John gab Geneve das Zeichen. Geneve öffnete die Hand und eine kleine Kugel war zu sehen. So, als würde sie ein Zauberstück vorführen, warf sie die Kugel hoch in die Luft. Hoch über der Menge, blieb sie in der Luft stehen. Alle Augen blickten nach oben und startten auf die eingefrorene Kugel. Sie veränderte ihre Farbe und wurde weiß. Dann explodierte sie ohne einen Laut und verteilte ein weisses Puder über die Menschen. Das geschah so schnell, dass keiner der Anwesenden begriff, was vor sich ging. Dann hörte man ein lautes Maschinengeräusch. Es war ein Flugzeug. Alle starrten zu der Fensterfront des Büros. Am Horizont war etwas zu sehen. Ein Flugzeug das näherkam, wie in Zeitlupe. Die Menschengruppe wendete sich zu den Fenstern, wollte näher heran, um besser sehen zu können. Das Flugzeug wurde immer grösser. Die Menschen rissen die Augen auf, konnten nicht glauben, was sie sahen. Eine Verkehrsmaschine steurte auf ihren Turm des WTC zu. Es schien, als wollte die Maschine genau ihr Büro treffen. Kurz vor dem Einschlag fror das Flugzeug ein. Man konnte direkt in das Cockpit sehen und in das Gesicht des arabisch aussehenden Piloten. Man sah den Triumpf in seinen Augen aufblitzen. Die Menschen in dem Büro waren erstarrt vor Schrecken. Sie hielten sich gegenseitig in den Armen, fassten sich an den Händen. Dann verschwand die Vision.

"Ich weiß, dass sie alle verwirrt sind. Was sie gesehen haben, wird in genau 7 Minuten schreckliche Realität. Doch sie müssen nicht heute und hier sterben. Sie können in der Zukunft weiterleben. Dort gibt es keine Menschen, sondern nur eine Welt der Roboter. Sie haben entschieden die Menschheit nicht im Tode zu lassen, sondern ihr eine neue Chance zu geben. Ich und meine Frau waren die ersten, die von ihnen gerettet wurden und wir waren dankbar für diese Chance. Sie werden für diese neue Menschenwelt gebraucht. Vertrauen Sie uns und kommen sie mit." John ergriff Miras Hand und schaute ihr in die Augen. Mira lächelte zurück und drückte fest seine Hand. Sie wussten nicht, wieviele ihnen wirklich mit in die Zukunft folgen würden. Alles war noch ein großes wunderbares Experiment. Doch sie glaubten an eine neue Welt. Das Tor erschien. John küsste Mira, nahm sie in den Arm und gemeinsam schritten sie als erstes in die Zukunft....Ende

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Publication Date: 05-11-2016

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