Cover

Geschichte.

Daniel und Susanne waren eigentlich ein glückliches Paar. Sie hatten viel von der Welt gesehen und auch viel erlebt. Daniel hatte als Sachverständiger gut verdient und ziemlich viel auf die hohe Kante gelegt. So konnten die beiden beruhigt ihren Alltag als Senioren genießen. Es hatte in ihrem Leben diverse Hochs und Tiefs gegeben. Aber sie hatten immer zusammengehalten, selbst als Daniel im Krankenhaus gelandet war und die Ärzte um sein Leben gekämpft hatten. Nur mit Nachwuchs war das Ehepaar nie gesegnet worden. Susanne hatte zwei Fehlgeburten und danach war die Angst groß. Die Ärzte hatten ihr von einer weiteren Schwangerschaft versuch abgeraten. Dies war natürlich eine traurige Angelegenheit in ihren Leben. Ihre Mutter hatte versucht sie wieder nach vorne zu bringen, aber dies ging nach hinten los, so wie die andere Vorschlägen und Weisheiten von ihr. So hatte Susanne sich mit ihrer Mutter gewaltig gestritten und den Kontakt zu ihr abgebrochen. Selbst an ihrem Sterbebett war Susanne nicht gewesen. Ihr Vater, er war schon lange vor dem Tod ihrer Mutter gestorben, hätte sich im Grab umgedreht. Daniel hatte Verständnis für diese Geschichte und hatte sich zu dem Verhältnis mit ihrer Mutter auch nicht geäußert. Erst mehr als ein Jahr nach der Beerdigung hatte sie das Grab ihre Mutter besucht. Daniel hatte im Wagen gewartet. Es war ein kurzer Besuch und auch der Letzte.

 

 

 

 

 

******

Daniel hatte eigentlich nicht vorgehabt, so schnell in Rente zu gehen. Aber ein Unfall hatte ihn auf andere Gedanken gebracht. So beschloss er schon mit sechzig die Arbeit, Arbeit sein zu lassen und das Leben zu genießen. Das Ehepaar beschäftigte sich viel mit Reisen und besuchte fast alle Kontinente der Erde. Gut, die Arktis wurde besucht und bei der Frage nach der Antarktis, wurde erklärt, dass Eis, Eis bleibt und auf Pinguine hatten sie noch keine Lust. Amerika hatte es den beiden angetan und auch Afrika, aber nur auf der Ostseite bis hinunter nach Äthiopien, weiter nicht.

 

 

 

******

Das Ehepaar lebte all die Jahre gemütlich in ihrer kleinen Wohnung am Stadtrand. Susanne hatte sich damit abgefunden, dass sie ohne Kinder blieben. Als Daniel ihr eine Katze mitbrachte, war die Freude nur von kurzer Dauer. Es wurde festgestellt, dass sie eine Allergie auf Katzenhaare hatte. Vorsorglich wurde sie auch auf andere Tiere getestet, aber damit schien alles in Ordnung. Es wurde nun herumgeforscht und im Internet nachgeschaut. Die Auswahl fiel auf einen allergiefreien Hund. Susanne war erst skeptisch, aber die Hundezüchterin konnte sie überzeugen. Die Wahl fiel auf einen Havaneser. Ein Hund, weniger als kniehoch und angeblich sehr lieb und nett. Susanne hatte mit der Züchterin vereinbart, dass sie den Hund erst einmal auf Probe halten wollte. Nach zwei Wochen hatte Benno sich aber so an Susanne gewöhnt, dass er gar nicht mehr zurück wollte. So jedenfalls hatte Susanne es der Hundezüchterin mitgeteilt. Benno blieb und Susanne ging jeden Tag mit ihm spazieren und freute sich über die Gesellschaft. Die Trauer war um so größer, als Benno, im Alter von fünfzehn Jahren und ein paar Monaten, verstarb. Susanne trauerte sehr lange um ihn.

 

 

 

******

Auch das Reisen war wurde anstrengender. Susanne klagte über Reisekrankheit und bei einer Routinekontrolle ihres Hausarztes wurde bei ihr Parkinson festgestellt. Beide waren natürlich geschockt über diese Diagnose. Bei Daniel wurde Prostatakrebs festgestellt. Dies Erkrankung verlief jedoch unproblematisch und er konnte operativ entfernt werden. Aber bei Susanne gab es nun mehr Komplikationen. Bei einer weiteren Routinekontrolle kam noch eine Hiobsbotschaft hinzu. Pick’sche Erkrankung. Daniel kümmerte sich jedoch rührend um seine Frau. Er sagte sich immer, dass sie sowohl in guten als auch in schlechten Zeiten zueinanderstehen sollten. Es ist eben wie Ebbe und Flut. Mal ist das Glück da, mal nicht. Aber das Leben muss weiter gehen.

 

 

******

 

Daniel wurde aber auch immer klappriger und es wurde immer schwerer, sich um Susanne zu kümmern. So war es eine Quälerei, sie aus ihrem Bett in den Rollstuhl zu heben. Beim Baden schaffte er es nicht mehr alleine. Daher wurde ein Lift eingebaut und somit konnte er sie dann einfach auf Knopfdruck hochheben. Die Spaziergänge waren irgendwann auch langweilig geworden und Daniel überlegte, was zu tun wäre. So beschloss er, das Haus zu verkaufen und für sich und Susanne einen Wohnwagen zu kaufen. Es war kein großer aber ein gemütlicher. Nach ein paar Umbauten, es wurde ein kleiner Kran angebracht, damit Daniel seine Frau, mittels mechanische Hilfe, in den Wohnwagen hieven konnte, samt Rollstuhl. Vorne wurde der Beifahrersitz umgebaut, sodass dort der Rollstuhl bequem hinpasste. So genossen die beiden ihre Jahre.

 

 

******

Mit Susanne ging es immer weiter bergab, sie fing an, immer mehr Sachen zu vergessen und hatte nun auch langsam ihren Ehemann vergessen. Daniel, der eigentlich in seinem Leben nie geweint hatte, musste nun öfter weinen. Einmal hatte Susanne ihn geschlagen und seine Nase gebrochen. Der Arzt konnte nicht mehr viel für seine Frau tun. Daniel weinte erneut, als ihm verkündet wurde, dass er nun wieder Krebs hatte. Diesmal sei es aber bösartig und nicht operabel. Der Arzt wollte ihm eine Therapie anbieten aber Daniel hatte dies weinend abgelehnt. So fuhren sie mit dem Wohnmobil im Herbst nach Noordwijk, einem kleinen Badeort in Holland, in dem er aufgewachsen war. Er war sehr erstaunt, dass so vieles sich geändert hatte. Aber den Platz mit Janus und dem Leuchtturm, den gab es immer noch. Daniel hievte Susanne aus dem Wohnwagen und schob sie Richtung Strand. Er hatte sich einen Picknickkorb besorgt. Mühselig schob er den Rolli durch den Sand.

 

 

 

******

Daniel schob Susanne mit ihrem Rollstuhl weiter Richtung Wasser. Er suchte sich ein ruhiges Fleckchen. Der Strand war riesig und es schien gar kein Wasser mehr zu geben. Es dauerte etwas, aber dann schien er die richtige Stelle gefunden zu haben. Er faltete das Tuch nah am Wasser aus und hob Susanne drauf. Sie lachte ihn an. Daniel packte den Korb aus und setzte sich neben sie. Er schmierte ihr ein Brot und schnitt es in kleinen Stücken. Susanne biss hinein und kaute eine Weile darauf herum. Er nahm die Gläser und füllte sie. Er reichte ihr eines und prostete ihr zu. Susanne schien den Wein zu genießen. Sie nippte immer mal dran und schaute ihren Mann an. »Schatz«, sagte sie und kicherte. Die Sonne war schon ziemlich nah an den Horizont gelangt und Daniel versuchte Susanne klar zu machen, dass man, wenn man ruhig war, das Zischen der Sonne im Wasser hören konnte. Susanne verstand ihn aber nicht und schaute ihn mit ihren großen blauen Augen an. Daniel schaute, mit Tränen in den Augen, seine Frau an und schien es zu genießen, dass sie einfach da war. Er zog sie an sich und beide schauten zu, wie die Sonne nun im Wasser versank. Der Leuchtturm zeigte langsam immer deutlicher seine Lichtsignale, die über das Wasser streiften und versuchten den Horizont zu erreichen. Morgen würden sie nicht mehr hier sein, sondern weiter gereist. Der Platz am Strand würde dann nicht mehr von ihnen belegt sein, sondern wieder frei sein, für immer.

Imprint

Publication Date: 07-12-2013

All Rights Reserved

Next Page
Page 1 /