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Pascal

Etwas nervös trat ich in die riesige Eingangshalle der Schule. Ab heute würde ich hier Montags bis Freitags jeden Tag mindestens 6 Stunden verbringen. Wie konnten meine Eltern mir das nur antun? Nicht nur, dass sie mich von meiner ehemaligen Schule mitten im Jahr runter genommen hatten, nein, sie hatten mich auch noch auf so einer Bonzen Privatschule angemeldet. Eine gute Sache hatte es wenigstens, ich würde wieder in einer Klasse mit Max sein. Das war aber schon alles.

Ich machte mich auf den Weg zum Sekretariat, wo ich meinen Stundenplan von einer unnatürlich nett lächelnden Frau bekam und dann von meinem neuen Klassenlehrer, Herrn Grenn, mit zum Klassenraum genommen. Er wies mich an vor der Türe zu warten bis er mich rein rief. Nach fünf Minuten des Wartens rief er mich rein : „Pascal komm doch jetzt bitte rein.“

Ich betrat den Klassenraum und beinahe wäre mir der Mund offen stehen geblieben. Alles war sehr modern und offen eingerichtet. Zu meiner rechten befand sich eine Glaswand mit Ausblick auf den riesigen Pausenhof mit angrenzendem Park, zu meiner linken standen viele Fächer mit Schulsachen drin und im restlichen Raum verteilt standen jeweils immer zwei Tische zusammen geschoben. Herr Grenn sah mich ermunternd an und wartete anscheinend wie der Rest der Klasse darauf, dass ich mich vorstellen würde.

„Hallo, mein Name ist Pascal Rietberg, ich bin 16 Jahre alt und male in meiner Freizeit gerne Mangas.“ Mit meiner Vorstellung zufrieden nickte Herr Grenn und bedeutete mir mich an den hinteren Gruppentisch zu setzten. An ihm saß bis jetzt nur ein Schüler. Ich wollte mich nicht neben den Jungen setzten und ließ mich deshalb ihm gegenüber nieder. Der Unterricht begann und er schob mir einen Zettel zu, auf ihm stand: „Hay ich bin Chase, wenn du möchtest zeig ich dir gleich in der Pause die Schule“ Ich musste lächeln, zumindest müsste ich gleich nicht alleine rumstehen. Gerade wollte ich den Zettel zurück schieben, auf dem jetzt in meiner unleserlichen Handschrift „Gerne“ stand, als die Türe aufgerissen wurde und ein ziemlich verschlafen aussehender Max im Türrahmen erschien. „Entschuldigen sie für die Verspätung, ich habe verschlafen“ murmelte dieser und kam dann direkt auf unseren Tisch zu. Erst kurz bevor er ankam bemerkte er mich und lächelte. Max ließ sich auf den Stuhl neben Chase fallen und flüsterte dann: „Gut, ihr habt euch also schon Kennengelernt.“

In der Pause führte mich Chase wie versprochen rum und Max begleitete uns natürlich. Wir hatten uns viel zu erzählen, denn das letzte mal hatten wir uns gesehen als er vor den Sommerferien noch mit mir in einer Klasse war. Doch dann hatte er die Schule gewechselt und wir hatten uns nicht mehr gesehen, da die Privatschule Lichtenberg eine ganz Tags Schule war. Jetzt endlich waren wir wieder in einer Klasse, wir kannten uns schließlich schon seit dem Kindergarten und waren seither immer in einer Klasse gewesen, mit Ausnahme dieses halben Jahres.

Der Pausenhof war größer als er von dem Fenster aus wirkte. Ich hatte eben aus der Klasse heraus nur den Teil gesehen der an den Park grenzte, es gab allerdings noch den Teil auf dem sich die Sportplätze befanden, eine Cafeteria und einen Medienraum der in den Pausen immer auf hatte. Diese Schule was definitiv nichts für Leute mit wenig Geld, wie wir es eigentlich waren. Ich konnte noch immer nicht begreifen wie es sich meine Eltern leisten konnten und warum ich die Schule wechseln musste. Ich war zufrieden auf der Walddorfschule gewesen.

Als es wieder zum Unterricht klingelte verabschiedeten Max und ich uns von Chase, er würde jetzt eine Doppelstunde Mathe haben während wir eine Doppelstunde Kunst haben würden. Ich freute mich so sehr auf Kunst und dann hatte ich es auch noch mit Max zusammen. Er würde sich wundern,ich hatte meine Technik sehr verbessert, ich konnte nun viel realistischer malen als noch vor einem halben Jahr. Wir kamen in den Kunstraum und die Staffeleien waren bereits aufgebaut. Vor den meisten stand aber schon jemand, nur zwei in der vordersten Reihe waren noch frei. Max steuerte jedoch auf die in der letzten Reihe. Ich heilt ihn am Arm fest und raunte ihm zu, dass dort schon jemand wäre und wir nach Vorne müssten. Er schüttelte nur den Kopf uns zog mich mit sich. In der letzten Reihe angekommen räusperte er sich und die beiden Mädchen die dort vor den Staffeleien standen sahen hoch. Sie wurden rot und kicherten, dann nahmen sie sich ihre Sachen und gingen nach Vorne in die erste Reihe.

Verdutzt sah ich Max an. „Wie hast du das den gemacht?“ Er musste lachen, auch wenn ich nicht verstand was hier vor sich ging lachte ich mit. Sein Lachen war einfach zu ansteckend. Nachdem wir uns wieder eingekriegt hatten antwortete er auf meine Frage: „Ich bin hier sehr beliebt unter den Mädchen, sie würden alles machen was ich will.“ Ich sah ihn noch eine Weile an und nickte dann, er war schon immer viel beliebter gewesen als ich. Unter den Mädchen wie unter den Jungs.

Unsere Kunstlehrerin, Frau Schöllet, betrat den Raum und fing dann mit einem Monolog über das nächste Thema an. Ich war gerade richtig gekommen, wir sollten ein realistisch aussehendes Portrait von einem Mitschüler unserer Wahl malen. Neben mir fing Max bereits an zu malen, während ich noch überlegt wenn ich malen sollte, nach einer Zeit kam ich zu dem Schluss, dass ich am besten Max malen sollte. Ihn kannte ich schließlich am längsten, ehrlich gesagt kannte ich außer Chase und Max noch niemanden aus meiner neuen Klasse. Obwohl Klasse konnte man nicht sagen, in meinem Jahrgang waren 40 Schüler und es gab immer 4 Kurse die zur gleichen Zeit Unterricht hatte mit jeweils 10 Schülern.

Ich fing an mit einem Kreis als Grundform für den Kopf und ein paar Hilfslinien an, dann malte ich die Umrisse des Kinns und einen Hals, es folgten die Ohren und Schultern. Danach radierte ich die Hilfslinien aus und zeichnete neue für die Augen, Nase und Mund ein. Ich zeichnete und zeichnete, bis man Max schon erahnen konnte, dann nahm ich mir die Acrylfarben, die ich schon bereit gelegt hatte und fing an dem ganzen etwas Farbe zu geben. Ich war so ins Malen vertieft, dass ich garnicht merkte wie sich eine Traube um meine Staffelei bildete. Erst als sich Frau Schöllet zu mir durch kämpfte und mir lobend auf die Schultern klopfte erwachte ich aus meiner Trance. Um mich herum wurde laut gemurmelt, dass man Max genau erkennen könnte, warum ich Max wohl gemalt hatte und wie ich das so hinbekommen hatte. Ungläubige Blicke folgten mir von nun an jedes mal durch den Raum, wenn ich das Wasser wechselte oder mich sonst irgendwie bewegte. Sie starrten mich die ganze Zeit über an und als es endlich zur nächsten Stunde klingelte atmete ich erleichtert aus.

Max schwieg mich an wie schon die ganze Doppelstunde Kunst über, seit er mein Bild gesehen hatte. Irgendetwas ging ihm durch den Kopf und ich wüsste nur zu gerne was genau das war. Vor dem Chemieraum trennten sich die Wege von Max und mir, dafür hatte ich diese Stunde mit Chase zusammen Unterricht, ich würde also schon jemanden kennen. Ich hoffte ich könnte mich zu ihm setzten und tatsächlich war neben ihm noch ein Platz frei, auf den ich mich sofort fallen ließ. Ich saß also mal wieder in der letzte Reihe, das würde zur Gewohnheit werden, denn Hinten zu sitzen war definitiv nichts schlechtes.

Max

In Kunst ging ich direkt an meine Stammplatz nach hinten, im Schlepptau hatte ich Pascal, der die ganze Zeit versuchte mich dazu zu bewegen nach Vorne zu den freien Staffeleien zu gehen. Wie fast immer hatten sich zwei Mädchen in die hinterste Reihe begeben, obwohl alle wussten, dass das hier mein Revier war, aber es gab immer welche die sich so meine Aufmerksamkeit erkämpfen wollten. Ich brauchte mich nur zu räuspern und schon zogen sie ab. Pascal sah mich daraufhin ungläubig an, er hatte mich noch nie so erlebt, denn bevor ich auf diese Schule wechselte war ich zwar auch schon immer beliebt gewesen, aber immer eher zurückhaltend und schüchtern. Ich wäre nie auf die Idee gekommen meine Beliebtheit für irgendetwas auszunutzen.

Frau Schöllet begann mit ihrem üblichen Monolog, wenn wir ein neues Thema bekamen. „Realistische Portraits“ das war das Thema, wir mussten ein Portrait von irgendjemandem aus dem Kurz malen und zwar so realistisch wie möglich. Ohne groß darüber nachzudenken fing ich an, ich wusste schon wenn ich malen würde. Pascal neben mir starrte stattdessen auf seine noch weiße Leinwand und überlegte. Ob er vielleicht besser geworden war? Er war sehr begab was Kunst anging, das wusste ich schon immer, doch ich hatte ihn ein halbes Jahr nicht gesehen, er hatte sich sehr verändert. Sein schwarzes Haar hatte er jetzt in einem Zopf zusammen gefasst, wie lang es wohl mittlerweile war? Als wir uns das letzte mal gesehen hatten ging es ihm schon bis etwas über Kinnlänge. Auch sein Gesicht war nicht mehr so rund, außerdem trug er keine Brille mehr die seine wunderschönen blauen Augen verfremden konnte. Moment hatte ich grade wunderschön gedacht? Ich schüttelte den Kopf, das musste daran liegen, dass ich ihn so lange nicht mehr gesehen hatte.

Ich malte weiter, man konnte grob erkennen wen es darstellen sollte, doch ich war noch nie sonderlich gut in Kunst gewesen. Ich wollte einen Blick auf Pascals Leinwand werfen, aber es hatte sich eine Traube aus Schülern um ihn herum gebildet. Klar, sie waren es nicht gewöhnt, dass jemand gut malen konnte, die meisten in diesem Kurs waren eher weniger begabt. Frau Schöllet verscheuchte die gaffende Menge und lobte dann Pascal, sie war sichtlich zufrieden endlich „un petit artiste“ in ihrem Kurs zu haben. Pascal lächelte nur verlegen und tunkte den Pinsel dann wieder in die Acrylfarbe um weiter zu malen. Nun warf ich endlich einen Blick auf seine Leinwand und verschluckte mich fast an meiner Spucke, er hatte mich gemalt! Mit allen Einzelheiten, von meinen haselnussbraunen, gelockten Haaren, über meine jadegrünen Augen bis zu meinem markanten Kinn. Alles war am richtigen Platz, es war als würde ich in einen Spiegel sehen.

Für den Rest der Stunde schwieg ich, das kribbelige Gefühl in meinem Magen seit ich sein Bild gesehen hatte wollte einfach nicht mehr gehen. Trotzdem brachte ich ihn zum Chemieraum, er kannte sich hier ja noch nicht aus. Danach machte ich mich auf den Weg zu meiner nächsten Stunde: Sport. Eigentlich machte ich gerne Sport, aber ich war grade nicht wirklich in Stimmung um mich von den Mädchen angaffen zu lassen. An den Sportplätzen angekommen, war mein Kurs bereits in der Umkleidekabine, ich beeilte mich und zog mich um. Heute würden wir Basketball spielen, mein Spezialgebiet. Ich wurde mal wieder als erstes gewählt und dann begann das Spiel. Meine Mannschaft gewann mit sechs Körben Vorsprung und dann durften wir uns wieder umziehen, ein paar aus meinem Kurs wollten noch duschen gehen, doch ich hielt nichts davon hier in der Schule zu duschen.

Nach Sport hätten wir wieder Pause und so machte ich mich auf den Weg in die Cafeteria, wir waren die ersten auf dem Pausenhof, da der Unterricht eigentlich noch 5 Minuten dauern würde, aber Herr Grenn ließ uns immer früher gehen. Hier wollte ich mich mit Chase und Pascal treffen, die beiden hatten jetzt zusammen Chemie. Ob Pascal wohl noch weitere Freunde außer uns gefunden hatte? Ob er wohl mit diesen die Pause verbringen wollte? Etwas bedrückt ging ich zum Tresen und bestellte mir eine Cola, der Appetit war mir vergangen. Über was für Sachen dachte ich da eigentlich nach? Natürlich wäre es nicht schlimm wenn er die Pause nicht mit uns verbringen würde, wir waren schließlich nicht zusammen und ich nicht in ihn verliebt, sowas sollte mir nichts ausmachen.

Unruhig ließ ich mich auf dem erstbesten Stuhl nieder und wartete. Nach einer gefühlten Ewigkeit kamen die ersten Schüler aus dem Unterricht, auch Chase, von Pascal war nichts zu sehen. Ich rutschte etwas tiefer auf dem Stuhl, ich hatte mich unbewusst aufgerichtet als ich Chase gesehen hatte, in der Hoffnung Pascal wäre bei ihm. Chase holte sich ebenfalls etwas zu essen und ließ sich dann mir gegenüber nieder. „Hey! Wie war Sport?“ fragte er mich munter wie immer. „Gut, wir haben mit 6 Körben Vorsprung gewonnen“ murmelte ich. Verwirrt sah er mich an „Ist das nicht gut? Wieso bist du so bedröppelt?“ Er schien besorgt zu sein, doch ich winkte nur ab. „Wo hast du Pascal gelassen?“ fragte ich stattdessen, darauf bedacht nicht zu neugierig zu klingen. Chase zuckte mit den Schultern und widmete sich seinem Puten-Sandwich, ich hatte noch nie verstanden wie er das essen konnte. „Er ist eben in Chemie aus dem Raum gelaufen, danach hab ich ihn nicht mehr gesehen.“ „WAS?!“ ich konnte nicht verhindern, dass meine Stimme ein paar Oktave höher sprang. Jetzt war er an der Reihe ab zuwinken, „Ihm geht es bestimmt gut.“ Am liebsten hätte ich Chase in diesem Augenblick erwürgt, Pascal würde nie ohne bedeutenden Grund aus dem Unterricht raus rennen. Ich stand auf und ließ einen sehr verwirrt aus der Wäsche guckenden Chase zurück, aber mir war im Moment egal was er von mir dachte, alle meine Gedanken kreisten um Pascal. Wieso war er aus dem Unterricht gerannt? Ging es ihm gut? Was war los? Wieso war Chase bei der Sache so ruhig? Und wo steckte Pascal?

Ich begann meine Suche im Sekretariat, doch dort sagte man mir sie hätten ihn nicht gesehen. Also musste er noch in der Schule sein, das heißt wenn er nicht einfach ohne Bescheid zu sagen gegangen war, was ich ihm aber nicht zutraute. Danach machte ich mich auf den Weg zum Krankenzimmer, auch hier war er nicht und niemand hatte ihn gesehen. Bei den Toiletten im Naturwissenschaftlichen Stockwerk war er auch nicht. Ebenfalls nicht in den Toiletten der restlichen Stockwerke. Wo könnte er sein? Verzweifelt ließ ich mich an der Wand neben den Toiletten im Keller zu Boden sinken.

Pascal

Ich konnte ohne Probleme dem Unterricht folgen, dass Thema hatten wir schon durchgenommen, zum Glück, so müsste ich nichts nachholen. Ich musste zugeben ich war ziemlich faul was die Schule anging, laut meinen alten Lehrern an der anderen Schule könnte ich in sämtlichen Fächern 1 stehen würde ich mehr lernen und nicht einfach nur alles geschehen lassen. Ich musste leise Kichern bei der Erinnerung an Frau Schulze, wie sie mich vor der ganzen Klasse gelobt hatte mit den Worten: „Da seht ihr was man mit Lernen alles erreichen kann.“, dabei wusste die ganze Klasse, dass ich noch nie in meinem Leben auch nur eine einzige Sekunde mit Lernen verschwendet hatte.

Chase sah mich seltsam an als er mitbekam das ich lachte. Er stupste mich kurz an und zeigt nach Vorne, wohl um mir zu signalisieren, dass ich aufpassen sollte. Ich versuchte mich wieder ein zu kriegen und passte dann wirklich auf. Herr Molises Unterricht war allerdings nicht mal annähernd so spannend wie der von Herr Hügel gewesen war, er ratterte einfach monoton das Thema runter während Herr Hügel, alles mit kleinen Selbstversuchen erklärt hat.

Nach einer halben Stunde wurde mir auf einmal schlecht. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung warum, ich hatte nichts schlechtes gegessen soweit ich wusste. Ich versuchte mich zusammen zu reißen, doch es misslang mir, ich rannte aus dem Raum zur nächsten Toilette. Dort übergab ich mich und blieb dann noch ein paar Minuten zitternd vor der Schüssel hocken. Was war mit mir los? Das letzte mal hatte ich mich mit 10 übergeben. Ich richtete mich langsam auf und stützte mich an der Kabinenwand ab. Danach lief ich immer noch zitternd den Gang entlang, der nach draußen führen würde. Draußen angekommen setzte ich mich auf die Bank, die am weitesten vom Schulgebäude entfernt war und am nächsten am Park. Dort blieb ich sitzen bis ich das Klingeln der Schulglocke hörte und noch etwas länger. Dann stand ich auf und machte mich auf den Weg zurück zum Chemieraum um meine Schulsachen zu holen und dann einen Lehrer zu fragen ob ich nachhause könnte. Natürlich war niemand mehr in dem Raum, doch zum Glück wurde hier nie abgeschlossen. Warum hatte ich nicht so ganz verstanden als Chase es in der ersten Stunde runtergerattert hatte.

Ich ging also in die Klasse holte meinen Rucksack und Jacke und ging dann runter in den Keller, wo sich das Lehrerzimmer befand. Auf dem Weg zum Lehrerzimmer kam ich an den Toiletten vorbei, vor denen eine Person zusammengesunken saß. Ich konnte nicht anders und sprach ihn an. „Hallo? Geht es dir gut?“ Er sah hoch und ich erkannte, dass es Max war. Auf einmal saß er nicht mehr zusammengesunken vor mir sondern sprang auf und umarmte mich. Ich zuckte sofort zusammen und machte mich schnell los um wieder zur Kloschüssel zu rennen. Max folgte mir und fragt dann vorsichtig: „Ist alles ok mit dir?“ Ich wollte antworten doch wieder musste ich das Klo umarmen. So ging es ein paar Minuten. Als es endlich aufgehört hatte, richtete ich mich wieder auf oder versuchte es zumindest, denn meine Beine gaben noch und ich sackte in mich zusammen. Nach einer gefühlten Ewigkeit war ich schließlich soweit, dass ich mich aufrichten und Max antworten konnte. Immer noch zitternd kam ich wieder aus der Kabine raus und sah, dass er ganz bleich geworden war. Er sah mich mit großen runden Augen an. Und schimmerten da etwas Tränen in seinen Augen? Ich verwarf diesen Gedanken jedoch schnell.

„Alles wieder gut?“ fragte er und seine Stimmer zitterte fast so sehr wie ich mich fühlte. Ich konnte nicht mehr als nicken, denn ich befürchtete würde ich meinen Mund auf machen um ihm zu antworten würde ich mich wieder übergeben. Mir war schon lange nicht mehr so schlecht. Ich ging an Max vorbei und nahm meine Sachen, die ich eben so achtlos auf den Boden geworfen hatte. Ich ging weiter in Richtung Lehrerzimmer und Max begleitete mich. Die ganze Zeit über musterte er mich misstrauisch von der Seite. An unserem Ziel angekommen fragte ich nach Herrn Grenn, der auch direkt an die Türe kam um nachzuschauen welcher seiner Schützlinge nach ihm gefragt hatte. Als er mich sah, wirkte er sehr besorgt, sofort fragte er: „Was ist den los? Geht es dir nicht gut?“ doch bevor ich antworten konnte hatte Max das Wort ergriffen. „Nein ihm geht es ganz und garnicht gut, er hat sich eben 10 Minuten lang übergeben und konnte danach nicht mal richtig stehen. Ich werde ihn zum Sekretariat begleiten und dort mit ihm warten bis er abgeholt wird, wenn es ok ist.“ Herr Grenn nickte nur und wünschte mir noch eine gute Besserung, bevor mich Max zum Sekretariat brachte. Wir versuchten meine Eltern zu erreichen, doch keiner der beiden war zu erreichen. Wir versuchten es noch bei meiner Großmutter, doch auch sie war nicht zuhause. Ich wollte schon aufgeben und stattdessen ins Krankenzimmer gehen, doch Max hielt mich zurück.

„Frau Riesa würde es in Ordnung gehen, wenn ich Pascal mit zu mir nachhause nehmen würde?“ Die pummelige Sekretärin nickte und wählte dann die Nummer von Max' Eltern. Bei ihm zuhause war nur die Haushälterin, aber dass reichte der Sekretärin, sie ließ uns gehen und rief uns dann noch nach, dass sie Herrn Grenn Bescheid geben würde und ich mich gut Erholen solle.

Pascal

Max bracht mich zu seinem schwarzen BMW und bedeutete mir vorne einzusteigen. Ich wollte erst ablehnen, da ich nicht wusste ob mir die Autofahrt so gut bekommen würde, aber dann fiel mir wieder ein wo Max wohnte: am anderen Ende der Stadt. Er merkte mein Unbehagen und versicherte mir nicht zu schnell zu fahren. Die Fahrt verlief ohne Vorfälle und als wir bei ihm ankamen stütze er mich auf dem Weg in sein Zimmer, es war noch immer das Gleiche nur hatte er ein paar seiner Möbel umgestellt, sein Bett stand nun im Mittelpunkt des Zimmers rechts von der Tür aus stand ein aufgeräumter Schreibtisch, auf ihm war ein Laptop und ein paar lose Blätter, links von der Tür aus war ein geräumiger Kleiderschrank und die Tür zu seinem eigenen Bad. Er brachte mich zum Bett und zwang mich, mich hinzulegen. Es war sehr ungewohnt ihn so fürsorglich zu sehen. Nachdem er sichergegangen war, dass ich auch wirklich im Bett lag verließ er das Zimmer, nur um ein paar Minuten später wieder mit zwei dampfenden Tassen voller Tee wieder zu kommen, Kamillentee. Ich musste schmunzeln, den Tee hatte mir meine Mutter immer gemacht wenn ich als Kind krank war, was verdammt oft vorgekommen war, sich dann aber nachdem ich in die weiterführende Schule kam gebessert hatte.

Er setzte sich zu mir ans Bett und reichte mir eine Tasse, ich nahm sie an und schlürfte etwas an dem noch sehr heißen Tee. Ich stellte die Tasse auf den Beistelltisch neben seinem Bett und grinste ihn dann etwas verlegen an: „Ziemlich erbärmlich am ersten Schultag direkt krank zu werden oder?“ Jetzt war es an ihm zu lachen „Nein, überhaupt nicht. Du kannst ja nichts dafür krank zu sein.“ Ich fühlte mich gleich besser als ich merkte, dass er es anscheinend wirklich nicht schlimm fand. „Jetzt ruh dich etwas aus, ich bleibe hier und gucke dass dir nichts passiert.“ Ich atmete auf, er wusste noch immer, dass ich nicht alleine schlafen konnte wenn ich krank war, und das obwohl ich schon 16 war.

Schon bald darauf schlief ich ein und träumte einen sehr wirren Traum. Ich war wieder in der Schule und wäre auf dem Weg zum Lehrerzimmer nicht Max begegnet. Danach hätte mich die Sekretärin auch nicht alleine gehen lassen und stattdessen ins Krankenzimmer geschickt. Dort war, aber niemand und so musste ich dort alleine warten. Ich hatte Panik bekommen wie so oft, wenn ich krank und alleine war und hatte angefangen zu weinen. Ein paar meine Klassenkameraden kamen dann vorbei und lachten mich aus, ich sollte nicht so eine Pussy sein. Ich weinte noch mehr und machte dann Max und Chase in der Menge aus. Ich wollte auf sie zu doch sie lachten mich auch aus und drehten sich dann um. Ich ging ihnen nach und beobachtete sie dabei wie sie sich küssten. In dem Moment erstarrte ich und hatte ein ganz bedrücktes Gefühl in meinem Magen, zuerst dachte ich, ich müsste mich wieder übergeben, doch es war ganz anders. Ich war eifersüchtig... auf Chase, dass Max ihn küsste und nicht mich. Ich fing an fürchterlich zu schluchzen. Dann war da auf einmal eine Hand die mir durch die Haare fuhr, ich wollte mich umdrehen um zu sehen, wer mir da durch die Haare strich, aber stattdessen wachte ich, noch immer schluchzend in den Armen von Max auf.

Er hatte mich zu sich gezogen und hielt mich mit einer Hand fest, während er mir mit der anderen durch die Haare strich und mich versuchte zu beruhigen „Pscht, Pscht, alles ist gut, du bist nicht alleine.“ Wenn er wüsste warum ich wirklich weinen würde, würde er mich nicht so vertraut in den Armen halten, doch in diesem Moment war es mir egal. Ich kuschelte mich an ihn und schloss wieder die Augen. Er hörte kurz auf mir durch die Haare zu streichen, doch als ich „Hör nicht auf“ nuschelte machte er weiter. Ich schlief wieder ein und blieb dieses Mal Traumlos.

Max

Ich hatte so angst, als sich Pascal eben losgemacht hatte um zur Toilette zu stürzen, doch jetzt wo ich ihn in meine Armen hielt war alles gut. Ich fuhr ihm immer wieder durch seine Haare und machte schließlich sein Haarband raus. Seine Haare gingen ihm bis über die Schultern und waren weich. Ich hörte kurz auf durch seine Haare zu streichen um mein Gesicht in ihnen zu vergraben. Ich hatte ihn vermisst, das fiel mir grade erst auf, doch im Grunde wusste ich es schon die ganze Zeit. Ich spürte wieder das Kribbeln in meiner Magengegend und mein Herz schlug doppelt so schnell wie sonst, im Gegensatz zu vorhin. Da hatte es kurz aufgehört zu Schlagen, als Pascal anfing fürchterlich zu schluchzen. Erst wusste ich nicht was ich machen sollte, doch dann nahm ich ihn in den Arm und strich im über den Kopf und kraulte etwas seinen Nacken, wie es immer seine Mutter gemacht hatte. Er beruhigte sich etwas und sah mich dann an. Ich machte weiter und flüsterte beruhigend „Pscht, Pscht, alles ist gut, du bist nicht alleine.“ Er konnte noch nie besonders gut alleine sein, am liebsten hatte er immer jemanden bei sich. Ich will immer bei ihm sein. Mir war es auch egal, dass es bestimmt seltsam wirken würde, würde ich ihm das jemals sagen. Und ein weiteres mal setzte mein Herzschlag aus als er nuschele ich solle weiter machen. Ich war so froh, dass er jetzt bei mir war und sich an mich kuschelte. Ich vergaß ganz die Zeit und schlief, noch immer mit Pascal im Arm, ein.

Als ich aufwachte hatte meine Mutter uns richtig im Bett hingelegt und zugedeckt. Ich spürte wie mir das Blut ins Gesicht schoss. Sie hatte uns kuschelnd und schlafend gefunden, was musste sie nun denken? Ich richtete mich ruckartig auf und merkte erst zu spät das Pascal mich noch immer umklammerte. Er wurde wach und sah mich verschlafen an. Seine Gesichtsfarbe war noch immer mehr weiß als hautfarbend, auf seinen Wangen lag ein roter Schimmer und seine Augen glänzten fiebrig. „Alles ist ok, leg dich wieder hin. Ich hol ein Fieberthermometer.“ Ich wollte das Gesagte wahr machen und aufstehen, aber er hielt mich fest. „Sag mir bitte erst wie spät es ist.“ auf meinem Gesicht spiegelte sich anscheinend meine ganze Verwirrtheit den er lächelte etwas verlegen und erklärte dann: „Ich hätte heute nach der Schule zu meiner Granny gemusst um mit Benjamin Gassi zu gehen.“ Ich sah ihn an und sagte dann etwas zu aufgebracht um normal zu klingen: „Du hast dich heute mehrmals übergeben und konntest dich eben nicht mal selbst auf den Beinen halten, außerdem glaube ich hast du Fieber. Du glaubst doch nicht, dass ich dich aus diesem Zimmer rauslasse, bevor es dir besser geht oder?“ Jetzt war er es, der mich verwirrt musterte. Dann setzte er sich richtig auf und wollte aufstehen um selber auf die Uhr zu gucken, doch noch bevor er einen Schritt gehen konnte, war er wieder zusammen gesunken. Ich fing ihn auf und legte ihn wieder ins Bett. „Siehst du, du kann nicht mal alleine stehen. Du bist krank und seit ich dich das letzte mal gesehen habe auch ziemlich abgemagert, wie viel wiegst du eigentlich? Viel kann es ja nicht sein.“ Verlegen sah er auf den Boden. „fünf und fünfzig“ nuschelte er und mir fielen fast die Augen aus dem Kopf. „Das ist viel zu wenig!“ schrie ich ihn fast an. Pascal war mindestens zehn Zentimeter größer als ich und ich war schon 1,86m und wog mit meinen 60 Kilo zu wenig. Ich konnte nur den Kopf schütteln, er war schon immer schmächtig und dünn gewesen, doch dass er jetzt auch noch so viel zu wenig wog war schockierend. Ich bedeutete ihm nicht noch einmal das Bett zu verlassen und machte mich auf der suche nach dem Fieberthermometer. Ich wusste es war in unserem Medizinschrank, doch dieser war größer als in normalen Familien, da meine Mutter Krankenschwester und mein Vater Arzt war. Als ich es endlich in den Händen hielt machte ich mich auf den Weg zurück in mein Zimmer. In der Küche machte ich kurz halt um neuen Tee aufzuschütten und ein Glas mit Wasser zu füllen, denn ich hatte außerdem noch ein paar Fieber senkende Medikamente und ein Kräuterwickel mit genommen. Ich stellte alles zusammen auf ein Tablett und ging dann endgültig in mein Zimmer.

Pascal lag wie befohlen immer noch im Bett und schaute neugierig auf das Tablett. Als erstes steckte ich ihm das Thermometer in den Mund und wies ihn an es nicht rauszuholen. In der Zeit in der ich darauf wartete, dass das Thermometer den erlösenden Piep-Ton von sich gab, löste ich eine Tablette in dem Glas Wasser auf und zog dann den Wärmemesser aus seinem Mund. „39,4°C, du hast Fieber und das nicht zu niedrig.“ Ich reichte ihm das Glas und wartete bis er es ausgetrunken hatte. Dann gab ich ihm den Tee und setzte mich zu ihm auf die Bettkante. „Am Besten wäre es wenn du morgen auch noch zuhause bleiben würdest.“ Er sah mich schockiert an. „Das geht nicht, zuhause ist keiner. Außerdem kann ich doch nicht direkt fehlen, wenn ich grade erst neu bin! Ich - “ Ich bedeutete ihm leise zu sein und sah ihn streng an. „Du gehst nicht zur Schule, wenn es sein muss bleibst du eben hier und ich werde auf dich aufpassen. Einverstanden? Oder soll ich dich lieber ins Krankenhaus einweisen, dann sag ich meiner Mutter Bescheid, sie kümmert sich dann um dich und sorgt dafür dass du das Bett nicht verlässt.“ Er gab seufzend nach, legte sich wieder hin und schloss die Augen. Einen Moment sah ich ihn noch an, doch als ich seinen ruhigen, gleichmäßigen Atem vernahm, wurde ich ebenfalls wieder müde. Ich legte mich neben ihn und schlief auch bald ein.

Als ich erwachte war es bereits dunkel und Pascal schlief noch immer. Er sah so entspannt aus wenn er schlief, fast wie ein Baby. Ich schlich aus dem Zimmer um ihn nicht zu wecken und fragte meine Mutter ob er über Nacht bleiben könnte und ob ich morgen ebenfalls zuhause bleiben könnte. Sie willigte widerwillig ein und reichte mir dann das Telefon, damit ich Pascals Eltern Bescheid geben konnte. Sie waren erleichtert zu hören, dass es ihrem Sohn gut ginge und waren ebenfalls damit einverstanden, dass ich mich heute und morgen noch um ihn kümmern würde. Ich gab meiner Mutter das Telefon zurück und verschwand mit etwas zum Essen wieder in meinem Zimmer. Pascal schlief noch immer und ich musterte ihn genau während ich den Apfel aß, den ich mit genommen hatte. Etwas komisch fand ich es schon, dass ich jetzt hier saß und meinen Kindheitsfreund beim Schlafen beobachtete und mit ihm gekuschelt hatte, wie man eigentlich nicht mit einem Kumpel kuschelte. War es überhaupt normal mit seinem Kumpel zu Kuscheln?

Pascal wachte nicht mehr auf an diesem Abend und ich machte meinen Laptop an um Chase kurz Bescheid zu geben, dass mit uns alles ok sei und ich morgen auch nicht kommen würde, weil ich bei Pascal bleiben würde. Es kam mir unnormal vor so etwas, zu Chase zu sagen, vor allem als mir im Nachhinein auffiel, dass es genau die selben Worte waren, die er gesagt hatte als Sophia, seine ehemalige Freundin, krank war: „Uns geht es gut, aber wir kommen morgen beide noch nicht, ich möchte mich um sie kümmern.“ Nur dass ich 'ihn' geschrieben hatte. Ich schlug mit meinem Kopf gegen den Tisch, seit wann war ich so? Kaum war Pascal einen Tag wieder da, benahm ich mich wieder so seltsam. Und auch das kribbelige Gefühl im Magen, welches ich ihn seiner Nähe hatte war definitiv nicht normal für Freunde. Was war nur mit mir los?

Max

Am Morgen sah Pascal schon bedeutend besser aus, er war zwar immer noch sehr blass, aber der fiebrige Glanz in seinen Augen war verschwunden. „Geht es dir besser?“ fragte ich ihn um mich noch zu vergewissern. Er nickte verschlafen und richtete sich dann auf. Auf einmal hell wach fragte er „Wie viel Uhr sind es?“ Ich musste lachen, er wollte doch anscheinend wirklich zur Schule gehen. „Das ist nicht wichtig, heute lass ich dich nicht zur Schule.“ Er sah mich verständnislos an und schüttelte den Kopf, „Es geht nicht um die Schule, ich muss meine Tabletten nehmen.“ Nun war ich an der Reihe ihn verständnislos anzustarren. Ich überlegte doch mir fielen keine Tabletten ein die er nehmen müsste. Nach ein paar weiteren geschwiegenen Minuten, brach er die Stille. „Wie viel Uhr ist es denn jetzt?“ Ich sah auf die Uhr und antwortete wahrheitsgemäß „10:30 Uhr“ Sofort sprang Pascal aus dem Bett, anscheinend zu schnell den er schwankte und setzte sich noch einmal kurz auf die Bettkante, bevor er zu seiner Schultasche eilte und darin nach etwas suchte. Kurze Zeit später begann er zu fluchen, ließ sich an der Wand zu Boden gleiten und vergrub sein Gesicht in den Händen.

Ich hörte ein zitterndes Einatmen seiner seits, dem weitere verzweifelte Flüche folgten. „Was ist den los?“ fragte ich ihn und konnte mein Unbehagen nicht aus meine Stimmer verbannen. Er sah auf und in seinen Augen schimmerten Tränen. Ich ging schnell zu ihm und fragte ihn erneut was denn los sein. Pascal atmete noch mal zittrig ein und aus, dann fing er an zu erklären: „Vor ein paar Monaten wurde bei mir eine Schilddrüsenüberfunktion festgestellt. Das ist auch einer der Gründe, dass ich nicht zunehme, sondern eher noch abnehme und oft nervös bin bzw. mich nicht Konzentrieren kann.“ Ich musste schlucken, in Biologie hatten wir die Schilddrüse durchgenommen und dann auch direkt die Risiken von Schilddrüsenüber- bzw. -unterfunktion, viel wusste ich nicht mehr davon, doch ein Risiko war irgendetwas mit Herzrhythmusstörungen, die zum Tod führen konnten. Sofort sprang ich wieder auf und suchte nach meiner Mutter, sie müsste eigentlich wissen was wir jetzt tun sollten, oder am Besten noch ich fand meinen Vater, er ist Arzt.

Als erstes sah ich in der Küche nach, wo sich tatsächlich meine Mutter und mein Vater leise unterhielten. Sie sahen auf als ich die Küche betrat und meine Mutter fragte direkt „Was ist los?“,man konnte mir schon immer leicht im Gesicht ablesen wenn etwas nicht stimmte. Ich setzte mich zu ihnen und begann ihnen alles zu erklären. Nachdem sie mir zugehört hatten, ergriff mein Vater das Wort. „Dein großer Bruder wurde vor ein paar Jahren ebenfalls deswegen behandelt, wir müssten also eigentlich noch ein paar Thyreostatika hier haben, das heißt wenn sie noch nicht abgelaufen sind.“ Erleichtert atmete ich aus und folgte meiner Mutter zum Medizinschrank. Sie holte eine kleine Packung aus dem Schrank, sah sie sich kurz genauer an und reichte sie mir. Ich nahm sie rannte in die Küche schüttete ein Glas Wasser ein und brachte beides in mein Zimmer.

Pascal saß noch immer zusammengesunken an der Wand. Ich stupste ihn an und reichte ihm dann das Glas sowie die Tabletten Packung. Er schluckte eine und gab mir das Glas dann zurück. Ich stellte es auf meinem Schreibtisch ab und half ihm dann wieder auf seine Beine. Dann standen wir da, starrten uns an und keiner wusste was er jetzt sagen sollte. Nach weiteren fünf Minuten schweigen, klopfte meine Mutter an die Zimmertür. „Ist bei euch alles ok?“ rief sie durch die Tür, ich antwortete, dass es uns gut ginge und sie verschwand wieder, ohne die Tür auch nur einen Spaltbreit zu öffnen.

Pascal und ich starrten uns weiterhin sprachlos an, bis er nachgab und sich wieder hinsetzte. Ihm war noch immer nicht ganz wohl und das sah man ihm auf hundert Meter Entfernung an. Ich ließ mich neben ihm ebenfalls auf den Boden sinken. So saßen wir dann da, doch noch immer sagte keiner ein Wort. Es herrschte Stille, aber es war keine unangenehme Stille, es war einfach so, dass wir nicht reden mussten um zu wissen was der andere grade dachte. Ich merkte garnicht wie Pascal wieder einschlief, erst als er mit dem Kopf auf meiner Schulter landete registrierte ich es.

Ich wollte ihm durch seine schwarzen Haare fahren, bremste meine Hand aber ab bevor ich es machen konnte. Nachdem es ihm wieder gut ginge sollte ich etwas Abstand zu ihm halten, sonst könnte ich für nichts garantieren. Um ebenfalls in meinem Zimmer etwas Abstand zwischen uns zu schaffen, stemmte ich den größeren hoch und legte ihn ins Bett. Danach holte ich mir unser Gästebett und stellte es neben der Tür an der Wand auf. Ich wollte mich grade darauf legen um vor dem Abendessen noch etwas zu dösen, da rief uns auch schon meine Mutter, wir sollen zum Essen kommen. Ich antwortete, dass Pascal schlafen würde und ich keinen Hunger hätte. Damit gab sich meine Mutter, aber nicht zufrieden und so kam sie dann in mein Zimmer. Erneut sagte sie, dass es jetzt Essen geben würde. „Ich habe keinen Hunger und wie du siehst schläft Pascal.“ wiederholte ich meine Worte von eben, doch mein Magen machte mir einen Strich durch die Rechnung und knurrte laut. Meine Mutter sah mich misstrauisch an und drehte sich dann mit den Worten „So so, wenn du keinen Hunger hast können dein Vater und ich ja mal wieder in ein Restaurant gehen“ um.

Ich starrte ihr hinterher, beschloss aber nicht weich zu werden und stattdessen ein bisschen im Internet zu surfen. Ich öffnete meinen Messenger und schrieb Chase eine Nachricht: „Hey, war heute was besonderes los?“ Er verneinte und schrieb außerdem noch, dass er gerade keine Zeit hätte, er würde sich mit Stacia treffen. Ich musste kurz überlegen wer nochmal Stacia war, doch dann fiel es mir wieder ein. Stacia, das Gegenteil von den typischen Modepüppchen aus unserem Jahrgang, mit langen rot-braunen Haaren und schokofarbenden Augen. Sie war ganz ok, aber ehrlich gesagt hatte ich nie besonders viel mit ihr zu tun gehabt und außer ihrem Aussehen und dem Fakt, dass sie immer mit Tony rumhing wusste ich so gut wie nichts von ihr. Und auch von Tony wusste ich nicht mehr, als sein Aussehen und dass er offensichtlich Schwul war, was an der Schule nicht gerne gesehen wurde. Tony hatte kurze schwarze Locken und braune Augen.

Ich wollte mir nicht länger den Kopf über Leute zerbrechen, mit denen ich nichts zu tun hatte und beschloss deswegen einen Film an zuschauen. Ich verließ das Zimmer und kam erst wieder, als es schon nach 23:00 Uhr war. Pascal war noch am schlafen, hatte wahrscheinlich nicht mal meine Abwesenheit mitbekommen, doch warum sorgte diese Tatsache für ein dumpfes Gefühl in meinem Brustraum? Ich schüttelte die Frage ab und zog mich aus um noch schnell duschen zu gehen.

Das warme Wasser wirkte beruhigend und machte meine Kopf frei. Ich wollte garnicht mehr raus aus dem warmen Wasserstrahl, doch ewig konnte ich auch nicht darunter stehen. Seufzend wickelte ich mir ein Handtuch um die Hüfte und verließ mein Bad. In meinem Zimmer zog ich mir schnell eine Boxer über und ließ mich dann ins Bett fallen. Ein letztes Mal sah ich rüber zu Pascal bevor meine Augen zufielen und ich einschlief.

Max

Heute müsste ich wieder zur Schule, obwohl ich überhaupt keine Lust darauf hatte. Doch meine Mutter würde mich nicht noch einen Tag ohne guten Grund zuhause behalten. Ich sprang also schnell unter die Dusche, zog mich an und fuhr dann zur Schule. Der Parkplatz war noch leer und auf dem Pausenhof standen nur vereinzelt ein paar Streber, die vor dem Unterricht noch schnell den Lernstoff durch gehen wollten. Seufzend ließ ich mich auf einer Bank nieder und dachte zurück den Augenblick als ich aus dem Bad kam und Pascal mich verschlafen anlächelte. Er wollte auch aufstehen und zur Schule gehen, doch nach ein paar Schritten knickte er wieder ein. Ich machte mir Sorgen um ihn, obwohl meine Mutter ja bei ihm war.

Ich war noch immer ganz in Gedanken versunken als Chase auf einmal vor mir stand und mir mit den Fingern vor dem Gesicht schnippte. Ich musste ganz schon weit weg gewesen sein, denn als ich mich umsah waren schon ziemlich viele Schüler da, die nur darauf warteten, dass die Türen geöffnet wurden. In dieser Eiseskälte kein Wunder, dafür dass es schon Mitte Februar war, war es noch verdammt kalt.

Den Unterricht bekam ich nur zur Hälfte mir, immer wieder schweiften meine Gedanken ab zu Pascal und auch in Kunst war mir seine Abwesenheit schmerzlichst Bewusst. Auch musste man mir ansehen, dass ich nicht in der Stimmung für aufdringliche Mädchen war, denn die Staffelei neben mir blieb unbesetzt. Ich konnte es nicht fassen, da war Pascal mal einen halben Tag wieder in meiner Klasse und schon kam ich ohne ihn nicht mehr klar. Wie erbärmlich war das? Ich schüttelte den Kopf und klatschte weiter Farbe auf mein sowieso unkenntliches Bild. Niemals würde jemand auf die Idee kommen, dass die Farbkleckse auf meiner Leinwand Pascal darstellen sollten. Ich wusste zu Anfang ja nicht mal, dass er es werden sollte. Ich hatte eigentlich vorgehabt die „Neue“ zu malen. Obwohl Neu war sie ja nicht mehr wirklich, sie war einen Monat nach mir gekommen und hatte mich somit von dem Posten als Neuer abgelöst. Ich fand sie ganz nett und ihre Haare waren der Hammer, flammend rot. Sie war die Enkelin der ältesten Frau der Stadt und damit eine kleine Berühmtheit. Naja ich hatte angefangen sie zu malen und irgendwann zwischen der Bildung der Menschentraube um Pascal und dem Ende der zweiten Stunde, fiel mir auf, dass mein Gekleckse ihm sehr ähnelte.

Nach Kunst hatte ich Sport. Heute würden wir Fußball spielen, mal wieder ein Mannschaftssport. Als mir jemand den Ball zuspielte rannte ich wie gewohnt aufs Tor zu doch anstatt zu schießen rannte ich weiter, ich achtete garnicht darauf wo ich hin lief und so kam es, dass ich in den Torpfosten rein lief. Fast augenblicklich hatte sich eine Menschentraube um mich herum gebildet. Es war noch nie vorgekommen, dass ich in irgendeinem Sport versagt hatte, geschweige denn mich selbst oder andere verletzt.

Herr Grenn kam auf mich zu und wollte wissen ob mit mir alles ok sei. Ich antwortete, dass ich mir nicht großartig wehgetan hatte, doch das genügte ihm nicht. „Ich meinte nicht ob du dir wehgetan hast, sondern ob bei euch zuhause alles gut ist. So unkonzentriert hab ich dich noch nie gesehen, auch eben in Deutsch hast du schon nur Löcher in die Luft gestarrt.“ Verwirrt sah ich ihn an, wieso wusste er, dass etwas nicht stimmte? „Naja...-“ fing ich an „..ich bin nur mit den Gedanken nicht ganz hier, weil.... also...-“ Weiter kam ich nicht. Ich konnte Herrn Grenn ja schlecht sagen 'Ich bin mit den Gedanken bei meinem Kindergartenfreund, weil er krank ist und ich vielleicht mehr für ihn empfinde als für einen normalen Kumpel' Doch statt weiter zu fragen, sah er mich nur verstehend an und bedeutete mir dann, dass ich gehen könnte. „Meinen sie das wirklich so?“ fragte ich ungläubig. Er nickte und rief mir nach „Aber guck, dass du nächste Stunde wieder ordentlich mit machst.“

Ich raste in die Umkleidekabine, zog mich in Windeseile um und fuhr wie ein Bekloppter durch die Stadt nach hause. Meine Mutter staunte nicht schlecht als ich schon um 12:00 Uhr zuhause war. Eigentlich hätte ich bis 16:00 Uhr Unterricht gehabt. Auf dem Weg in mein Zimmer lief ich an der Küche vorbei um mir schnell ein Apfel zu schnappen, ich hatte heute morgen einfach keine Appetit gehabt. In meinem Zimmer ließ ich meine Tasche achtlos neben die Tür fallen und schmiss mich dann zu Pascal aufs Bett. Er saß mit einem Mal kerzengerade im Bett und starrte mich entsetzt und erschrocken an. „Was machst du den schon wieder hier?“ fragte er mich etwas misstrauisch. Ich fing an zu lachen und lächelte ihn an. „Ich konnte mich nicht konzentrieren, während du hier krank lagst.“ platze es mir wahrheitsgemäß raus und am liebsten hätte ich mich für diesen Satz geohrfeigt.

„ER IST NUR DEIN SANDKASTENFREUND UND NICHT MEHR UND NICHT WENIGER!“ schrie ich mich in Gedanken an. Er bemerkte meinen Streit mit mir selber garnicht und starrte mich nur mit runden Augen an. Seine Gesichtsfarbe hatte sich noch immer nicht ganz normalisiert und er sah auch allgemein noch ziemlich krank aus. Ich weiß auch nicht was ich mir in diesem Augenblick dabei dachte, aber ich beugte mich langsam zu ihm, hielt kurz vor seinen Lippen inne um sein stummes Einverständnis zu holen und küsste ihn dann.

Pascal

Max war heute morgen normal zur Schule gegangen und ich war noch zuhause geblieben. Eigentlich wollte ich auch wieder hin, aber ich sank schon nach wenigen Schritten wieder zu Boden. Ich legte mich also wieder ins Bett und schlief auch bald darauf erneut ein. Als ich wieder aufwachte, sah Max' Mutter nach mir und gab mir einen Tee. Ich fand seine Mutter schon immer furchtbar nett und sie kümmerte sich jedes mal so um mich, als wäre ich ihr eigener Sohn, wenn ich mal wieder krank und bei Max war, da meine Eltern viel beschäftigte Leute waren. Sie verließ das Zimmer und ich döste wieder weg. Das nächste mal wachte ich auf weil etwas schweres aufs Bett fiel. Sofort saß ich aufrecht ihm Bett. Ich bemerkte erst richtig, dass es Max war als er mich belustigt ansah und dann auch noch anfing zu lachen. Noch etwas am schlafen fragte ich ihn weshalb er schon zuhause sei, seine Antwort musste ich mir erst nochmal im Geiste vorsagen, bevor ich sie ganz verstand: „Ich konnte mich nicht konzentrieren, während du hier krank lagst.“ Ich sah ihn an und meine Verwunderung war mir wahrscheinlich im Gesicht abzulesen. In meinem Gesicht konnte man meine Gefühle offen ablesen, hatte mir meine Cousine mal gesagt und egal wie oft ich versuchte dies zu ändern es wollte einfach nicht klappen.

Als ich mich wieder auf ihn konzentrierte sah er mich mit einem abwartendem Blick an und kam meinem Gesicht näher. Als nur noch wenige Zentimeter unsere Lippen trennten hielt er kurz inne. 'Jetzt küss mich doch endlich' wollte ich ihm sagen, doch ich bekam meinen Mund nicht auf. Er konnte meine Reaktion anscheinend auch so erahnen denn nur kurze Zeit später lagen unsere Lippen aufeinander. Sein Mund fühlte sich warm und zart auf meinem an. Ich versuchte mir diesen Augenblick so gut wie möglich im Gedächtnis zu speichern, denn ich wusste nicht wann es jemals wieder so sein sollte. Erst war unser Kuss harmlos fast schon keusch, doch dann begann er sich an meinen Lippen zu bewegen und mit seiner Zunge um Einlass zu bitten. Ich gewährte ihm diesen und einen Moment lang umspielten sich unsere Zungen. Er löste sich kurz um einen Blick in meine Augen zu werfen, vielleicht um sich mein Einverständnis einzuholen. Jedenfalls zog er sich erst sein eigenes Shirt über den Kopf und half mir dann auch mit meinem. Er wollte direkt weiter machen und mir die Hose ausziehen, doch als ich mich verkrampfte hielt er kurz inne. Erneut sah er mir in die Augen, ich konnte dem Blick aber nicht stand halten und sah zur Seite. Ich hatte so etwas noch nie gemacht, weder mit einem Mädchen noch mit einem Jungen. Ich wusste überhaupt nicht wie ich mich jetzt verhalten sollte und das vertraute ich ihm auch an.

„Keine Sorge, ich bin ganz vorsichtig und sobald du sagst, dass ich aufhören soll, werde ich es sofort sein lassen.“ ermutigte er mich und ich gab nach. Mir gefiel es ja auch, wie er mich anpackte, so schöne Gefühle hatte ich noch nie gespürt. Ich half ihm seine Hose loszuwerden und im Gegenzug half er mir mit meiner. Jetzt lagen wir nur noch mit Boxer bekleidet in seinem Bett. Er küsste mich erneut, dieses mal jedoch fordernder. Gleichzeitig glitt er mit seinen Händen über meinen Körper und brachte alle Stelle die er berührte zum Glühen. Er wanderte mit seinen Fingern immer wieder meinen Bauch hoch und runter, machte aber jedes mal vor meinem Bund stopp um dieselbe Strecke noch einmal lang zufahren. Er brachte mich damit fast zum verzweifeln und in meiner Hose wurde es auch ziemlich eng. Max schien es zu bemerken denn er lächelte sadistisch an meinen Lippen und rieb an meiner Beule. Damit entlockte er mir ein leises Stöhnen, welches ihm aber nicht reichte. Er löste sich von meinem Mund und wanderte mit seiner Zunge meinen Körper runter. An meinen Brustwarzen machte er kurz halt um sie spielerisch mit der Zunge zu umkreisen. Ich fing ungeduldig an zu zappel, meine Erregung begann zu schmerzen, so sehr wollte ich ihn. Ich konnte es kaum noch erwarten und war gespannt wie es wohl sein würde. Er bemerkte meine Ungeduld und kicherte. Er kicherte doch tatsächlich, so hatte ich Max noch nie erlebt. Nachdem er ebenfalls an meinem Bauchnabel halt machte widmete er sich endlich meinem erregtem Glied. Zu Anfang umfasst er nur meinen Schaft und fuhr langsam, immer schneller werdend mit der Hand auf und ab. Dies wiederholte er eine Weile immer wieder bis er schließlich mit seiner Zunge meine Spitze umspielte. Immer wieder ließ er seine Zunge kreisen und als ich dann kam, sehr laut wie ich leider zugeben muss, schluckte er das Sperma.

Er sah mich neckend an und drehte mich dann auf den Bauch. Danach griff er neben mir in die Nachttischschublade und holte ein Kondom raus. Ich bekam noch mit wie er seine Boxer ebenfalls auszog und sich dann das Kondom überstreifte. Er umfasste meine Hüfte von hinten und drang dann in mich ein. Zu Anfang tat es weh, doch schon bald hatten wir unseren Rhythmus gefunden. Während er hinten immer schneller in mich eindrang begann er mir vorne erneut einen Runterzuholen. Nach einer Weile kamen wir fast zeitgleich, er in mir drin und ich in seiner Hand. Erschöpft ließ er von mir ab und reichte mir dann ein paar Feuchttücher um mich sauber zu machen.

Wir vernichteten sämtliche Beweise und schliefen dann Arm in Arm, immer noch erhitzt, ein.

 

Pascal

Ich wachte mit dem einfallenden Sonnenlicht auf, immer noch in Max' Armen. Ich wollte mich aufsetzten und auf die Toilette gehen, ihn aber auch nicht aufwecken. Langsam und vorsichtig machte ich mich los und setzte mich auf den Bettrand. Hatte gestern mein Hintern auch schon so weh getan? Als ich begriff warum er so weh tat wurde ich rot wie eine Tomate. Max war mein bester Freund und ich hatte mit ihm geschlafen. Wie sollte ich mich jetzt ihm gegenüber verhalten? Was wenn er es bereute? Ich hatte angst mir damit die beste Freundschaft, dich ich jemals haben werde, genommen zu haben. Andererseits konnte ich mir ein Lächeln nicht verkneifen. Nicht nur dass ich jetzt endlich wusste was dieses bedrückenden Gefühl war, nein ich hatte auch das erste mal in meinen Leben Sex. Und es war unglaublich schön gewesen. Ich war Max so nah wie noch nie und wollte ihm nochmal so nah sein. Doch würde das gehen?

Ich dachte immer weiter an die letzte Nacht, bis ich merkte, dass mir Blut in meine Mitte schoss. Wie konnte es sein, dass ich bloß durch die Erinnerung an Max einen Erregung bekam? War ich wirklich so verrückt nach ihm? Mir schossen noch tausend andere Fragen durch den Sinn, doch ich beschloss erst mal ins Bad zu gehen und das offensichtliche Problem zu ignorieren. Ich wollte einfach nur Duschen.

Seit ich in der Schule den Aussetzer hatte, hatte ich kein warmes Wasser mehr auf der Haut gespürt und nun hatte ich es dringend nötig. Ich stand also unter der Dusche als auf einmal die Badezimmertür aufgerissen wurde und ein panisch drein blickender Max im Türrahmen stand. Ohne irgendwelchen Stoff der ihn verhüllen könnte, wie ich anmerken muss.

„Was machst du denn ausgerechnet jetzt im Bad?“ fragte er etwas nervös und drehte sich von mir weg damit ich nicht sehen könnte, dass er ebenfalls erregt war. Was er nicht wusste, ich hatte es auf den ersten Blick wahrgenommen. Ich wusste selber auch nicht warum das die erste Stelle war auf die ich geschaut hatte.

Mein Arm wurde langsam lahm, ich hatte garnicht gemerkt, dass ich in der Bewegung eingefroren war als die Tür auf gerissen wurde. Ich zog meinen Arm zurück und seufzte tief. „Kann ich vielleicht erst duschen bevor du dich hier um dein Problem kümmerst?“ fragte ich und bemerkte erst zu spät, dass ich durch meine Worte verraten hatte was ich wusste. Ihm schien es auch aufgefallen zu sein. So wie ich vor noch einigen Minuten lief auch er Tomaten-rot an. Ich konnte es nicht fassen, er war doch sonst immer so gelassen und cool drauf. Was war jetzt mit ihm los dass er so rot wurde?

Ich verstand nicht was ihn dazu brachte, doch insgeheim fand ich es schon sehr süß, wie er da so peinlich berührt stand und nervös zu Boden sah. Ich versuchte ein Kichern zu unterdrücken, doch es bahnte sich seinen Weg raus aus meiner Kehle. Es ließ Max noch roter werden, wenn dies überhaupt noch möglich war. Er sah noch einmal schüchtern zu mir und verließ dann das Badezimmer. Ich konnte ein entzücktes Seufzen nicht verhindern. Er hatte mich eben wirklich schüchtern angeguckt. Schnell duschte ich zu ende und zog mich dann an, um Max ins Bad zu lassen.

Nachdem er im Bad verschwunden war, setzte ich mich auf seinen Schreibtischstuhl und drehte mich im Kreis. Und wie ich mich da so drehte ertönte auf einmal das bekannte »Plob«, welches zeigte, dass Max eine neue Nachricht erhalten hatte. Ich wusste, dass es falsch war, doch ich öffnete die eingeklappte Chatbox und las was Chase ihm geschrieben hatte.

»Hey, ist ok ich versteh, dass du lieber bei Pascal bleiben möchtest, aber es wäre cool gewesen mal wieder was zu unternehmen!«

Augenblicklich hatte ich ein schlechtes Gewissen, nicht nur weil ich seine Nachricht gelesen hatte, sondern auch weil ich mich unbewusst zwischen Max und Chase gedrängt hatte.

Geknickt ließ ich mich auf sein Bett sinken und sah zur Decke. So lag ich auch noch da als Max wieder ins Zimmer kam, frisch geduscht und deutlich entspannter als eben. Er blieb einige Meter vor dem Bett stehen und musterte mich. „Wie geht es dir?“ fragte er und kam etwas näher. Ich machte meinen Mund auf um zu antworten schloss ihn dann jedoch wieder. Stattdessen richtete ich mich auf un ging auf ihn zu. Bevor er ausweichen konnte schloss ich meine Arme um ihn, damit er meine Tränen nicht sah.

Max

Nachdem Pascal das Bad frei gemacht hatte ging ich duschen und machte mich soweit fertig. Ich beeilte mich nicht sonderlich, denn ich hatte angst vor der Konfrontation mit ihm. Mir war Bewusst, dass wir über letzte Nacht sprechen müssten, aber ich hatte es definitiv nicht eilig.

Als ich nach ca. einer halben Stunde aus dem Bad kam, länger konnte ich es nicht hinauszögern, lag Pascal mit dem Rücken auf meinem Bett und starrte zur Decke. Zuerst hielt ich etwas Abstand, doch dann hielt ich es nicht mehr aus und ging etwas auf ihn zu und fragte ihn ob es ihm gut ginge. Er antwortete nicht sonder stand einfach auf und kam auf mich zu.

Erst merkte ich nicht was er vorhatte, doch dann schloss er mich in seine Arme. Ich verstand nicht was er wollte, allerdings spürte ich kurze Zeit später, dass er schluchzte. Ohne lange nachzudenken schloss ich ihn fester in meine Arme und zog ihn mit zum Bett und dann auf meinen Schoss. Dies war jedoch schwerer als gedacht, denn er war zwar leichter als ich, aber immer noch ein ganzes Stückchen größer. Er weinte so herzzerreißend, dass ich mich einfach nicht von ihm lösen konnte, nicht einmal als ich die Türklingel hörte und einige Minuten später Chase im Zimmer stand, ließ ich Pascal los.

Erst sah Chase uns an, als wären wir das achte Weltwunder, doch dann sah er uns verstehend an und hob entschuldigend die Hände. Ich verstand nur Bahnhof, doch Chase hatte nicht vor es zu erklären, denn mit den Worten „Ich lass euch Turteltäubchen mal lieber alleine“ verließ er wieder das Zimmer.

Langsam sickerten seine Worte auf mich ein. Waren wie wirklich Turteltäubchen? Ich bemerkte erst, dass ich Pascal zerquetschte als dieser versuchte meinen Schraubstockgriff etwas zu lockern.

Beschämt lockerte ich meine Umklammerung, ließ ihn aber nicht vollkommen los. Ich hatte es nicht eilig weg von ihm zu kommen, denn ich würde ihn früher oder später sowieso loslassen müssen, da konnte ich das Ganze auch noch etwas hinaus zögern. Wir verharrten in dieser Position und rührten uns, bis auf das regelmäßige Heben und Senken unserer Brustkörbe, kaum. Erst als gegen Abend meine Mutter reinkam und uns zum Essen holte trennten wir uns voneinander, doch nicht vollständig, denn unsere Hände waren noch immer in Kontakt. Pascal wurde etwas rot erwiderte aber den Druck meiner Hand.

Während des Abendessens schwiegen wir alle und ich musste mit ansehen wie Pascal sein essen eher auseinander nahm als es zu essen. Doch als ich ihn unterm Tisch anstupste sah er mich nur entschuldigend an und schob dann den Teller mit den Worten „Ich habe keinen Hunger“ von sich. Er wollte aufstehen, aber meine Mutter hinderte ihn indem sie ihn am Handgelenk fest hielt.

„Pascal, du sahst wirklich krank aus als Maxi dich mit gebracht hat, hast du was dagegen wenn ich dich gleich mal kurz durch checke?“ fragte meine Mutter, ganz die Krankenschwester.

Etwas verlegen sah Pascal zu Boden und schüttelte, dann den Kopf.

„Ich möchte das lieber nicht...“ murmelte er ohne den Blick zu heben und obwohl meine Mutter eigentlich solch ein Verhalten hasste, tolerierte sie es. Erstaunt sah ich sie genauer an und erblickte sowas wie ernsthafte Sorge in ihrem Blick. Es kam selten vor, dass man ihr so deutlich ansehen konnte wie sie über eine Situation dachte. Jetzt hingegen konnte man ihr im Gesicht ablesen, dass sie irgendwas an Pascals Art Sorgen bereitete. Nur was genau konnte ich nicht erkennen, es hätte alles sein können... Seine bleiche Haut, dein offensichtliches Untergewicht, die Tatsache, dass er eine Schilddrüsenüberfunktion hatte oder sonst irgendetwas an ihm. Vielleicht auch, weil er so gut wie nichts gegessen hatte, obwohl er sonst immer Massenweise essen konnte ohne satt zu werden.

Der Umstand, dass meine Mutter, die Frau mit den Eisen-Nerven wie es mein Vater gerne nannte, sich Sorgen machte, ließ in mir eine aufkeimende Angst entstehen. Ich sah skeptisch zu Pascal rüber, er sah noch immer nicht von der Tischplatte auf. Erst als meine Mutter den Tisch abgedeckt hatte und mein Vater wie jeden Abend in seinem Arbeitszimmer verschwunden war, sah Pascal wieder hoch und das nur um mir einen flehenden Blick zu zu werfen. Ich verstand sofort und richtete mich auf um die Küche zusammen mit ihm zu verlassen. Ihm war anzumerken, dass er sich unwohl fühlte unter den sorgenvollen und aufmerksamen Blicken meiner Mutter. Ich konnte es ihm nicht verübeln, denn sie war zwar sehr fürsorglich und kümmerte sich rührend um all ihre Patienten, doch wer einmal von ihr ins Visier genommen worden war hatte schlechte Karten ihrem drängenden Blick zu entkommen.

Zurück in meinem Zimmer staunte ich nicht schlecht. Mein Vater hatte uns einen Fernseher in Zimmer gestellt zusammen mit meiner Spielekonsole. Beides befand sich sonst immer in seinem Arbeitszimmer bzw. dem Fernsehzimmer, welches er als Arbeitszimmer nutzte. Grinsend sahen wir uns an, wir wussten beide was wir nun machen würden. Wir mussten nur noch klären welches Spiel wir spielen würden. Während ich mehr für einfache eins gegen eins Kampfspiele war, spielte Pascal lieber Third-person Shooter. Nach drei Runden Schere-Stein-Papier stand fest wir würden spielen was Pascal wollte.

Wir spielten und spielten, Stunde für Stunde und egal was ich machte ich verlor jede Runde. Erst später am Abend gewann ich auf einmal und das nicht einmal knapp sondern Haus hoch. Als ich aufgesprungen war und mich jubelnd nach Pascal umgedreht hatte um sein entsetztes Gesicht über die Niederlage zu sehen, stellte sich heraus, dass ich nur gewonnen hatte weil er während des Spielens eingeschlafen war. Ich seufzte und nahm ihn hoch um ihn ins Bett zu legen. Erneut musste ich feststellen wie wenig er doch wog und als ich so im Arm hielt konnte ich nicht anders als ihn auf seine weiche Lippen zu küssen.

Beinahe erwartete ich, dass er davon aufwachen würde, doch er schlief wie ein Stein. So wie es aussah war er immer noch nicht zu 100% wieder gesund. Zum Glück war am nächsten Tag keine Schule so könnte ich bei ihm bleiben. Mir graute schon davor wieder in die Schule zu müssen und dann wirklich jeden all zu innigen Kontakt mit ihm meiden zu müssen. Denn leider gab es die Schulregel, dass es strengstens verboten war auf dem Schulgelände seine Sexualität zu zeigen, zumindest wenn man nicht strickt hetero war... Die Lehrer werden sogar dazu gezwungen Schwule, Lesben und Bisexuelle sofort dem Rektor zu melden. Aus diesem Grund ist mal eine Schülerin von der Schule geworfen worden, dabei hatte sie nichts falsches gemacht. Sie hatte einfach nur mit ihrer Freundin Händchen gehalten. Ich seufzte erneut laut auf und ließ mich dann nach hinten auf mein Bett fallen, natürlich ohne daran gedacht zu haben, dass ich Pascal noch im Arm hatte. Nun lagen wir in meinem Bett aufeinander und diese Situation erinnerte mich all zu sehr an die letzte Nacht. Mir schoss sofort das Blut ins Gesicht, zum Glück aber nicht zu meiner Mitte. Ein Ständer war das letzte was ich jetzt gebrauchen könnte...

Imprint

Publication Date: 12-21-2013

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Dedication:
Danke an Rike für dieses umwerfende Cover ^^ :*

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