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LEO - Erzählungen für eine Katze

 

Andrea Brehl

 

LEO

 

Erzählungen für eine Katze

Auf leisen Pfoten

 

 

 Auf leisen Pfoten schleicht ihr in unsere Seelen,
um mit großer Behutsamkeit unsere Herzen zu stehlen.



 

Vorwort

Vorwort

 Dieses Buch ist für Kinder, aber auch für Katzen und Katzenkinder und Katzenväter und Katzenmütter und erwachsene Kinder.

Lest es nicht nur mit den Augen und dem Verstand, sondern vor allem mit dem Herzen.

Die Freundschaft einer Katze ist etwas sehr Wertvolles, denn man muss sie sich erarbeiten. Man kann zu einer Katze nicht einfach sagen „komm!“ oder „bleib!“. Man muss sie bitten, und man darf das „Danke“ nicht vergessen.

Katzen sind zauberhafte Wesen. Sie können durch unsere Augen in unseren Herzen lesen, wenn wir sie lassen.

Sie reden auch mit uns, und manchmal verraten sie uns eins von ihren Geheimnissen, wenn wir uns die Zeit nehmen und ihnen zuhören.

Ich habe unserer Katze Maja Geschichten über Kater Leo erzählt, weil sie so gern in meinen Armen liegt und Geschichten hört.

Ich erzähle ihr aber nicht nur Geschichten. Wir zwei unterhalten uns auch, und wir freuen uns, dass wir uns so gut verstehen.

Und ich erlebe es immer wieder: wenn Katzen und Menschen miteinander reden, geschehen wunderbare Dinge.

 

Kapitel 1

Dein Vorgänger hieß Leo. So hieß er schon, als er zu uns kam, und er konnte gar nicht anders heißen . Ich erzähle dir gleich warum.

Leo wurde in Ägypten in Alexandria geboren, also war er ein richtiger Ägypter. Aber natürlich sah er nicht aus wie ein Ägypter.

Seine Mutter war eine waschechte Perserin und hatte eine lange Ahnenreihe vorzuweisen, ganz und gar von vornehmer Abstammung. Sie war von edler silbergrauer Farbe und ihre Augen leuchteten wie Bernstein.

Na ja, es kommt vor, dass auch die edelste Dame einmal in ihrem Leben dem Charme eines arabischen Straßenhändlers erliegt.

Wie auch immer, so kam Leo auf die Welt. Er hatte die leuchtenden Bernsteinaugen seiner Mutter geerbt, auch mit den kleinen Pünktchen darin. Er hatte auch die langen Haare seiner Mutter geerbt, aber allerdings nicht ihre Haarfarbe.

Er war leuchtend rot gestreift.

Ach, wenn du ihn gekannt hättest, meine Süße, und ihn ein bisschen gern gehabt hättest, ihr wärt ein wunderschönes Paar gewesen.

Seine Zähne und Krallen waren kräftig und weiß, sein prächtiger Schwanz rot und buschig wie der eines Fuchses.

Groß und stattlich und majestätisch schritt er durch den Raum.

Und soll ich dir was sagen? Viele Besucher, die ihn noch nicht kannten und ihn das erste Mal sahen, haben sich vor ihm erschrocken und gefragt:

„Was ist das denn?“

-Ja, wie, was ist das denn, was soll d a s wohl sein? Bin ich vielleicht ein Hund oder ein Bär oder ein Eichhörnchen oder wie seh’ ich aus?-

Leo platzierte sich stolz mitten ins Zimmer, sodass alle einen Bogen um ihn machen mussten. Mit einer Verbeugung natürlich. Die einen verbeugten sich nur, um ihn näher zu betrachten, die anderen, um ihn einmal vorsichtig zu berühren oder ein paar Worte zu ihm zu sprechen. Er ließ die Freundlichkeiten gnädig über sich ergehen. Er wusste genau, wie gut er aussah, legte seinen Schwanz um die Vorderpfoten, schaute uns mit halbgeschlossenen Augen an, gelassen und selbstbewusst, und meinte:

-Mir gehört die Welt!-

 

Siehst du, deshalb konnte er gar nicht anders heißen.

Leo, König der Katzen.


Kapitel2

 


Schnurre, liebes Kätzchen, schnurre,

bis die ganze Welt vibriert.

Schnurre, schnurre, bis mein Denken

sich in einem Traum verliert.

Lass des Tages Müh’ verblassen,

schnurre mir mein Herze weich.

Und wie ich mit deinem Schnurren

ist kein Millionär so reich.

Schnurre, liebes Kätzchen, mir

die Seufzer von der Seele fort.

Auf den Wellen deines Schnurrens

schick sie an einen fernen Ort.

Schnurre, bis die Luft zum Atmen

mit Wohlbehagen ist erfüllt

und die Süße deines Schnurrens

ein Stückchen Seeligkeit enthüllt.

Schnurre und lass Heiterkeit

und Harmonie den Sinn durchdringen.

Schnurre, schnurre, bis alle Herzen

in Einklang miteinander schwingen. 

 

 

Kapitel 3

 

Komm her, meine Süße, ich will dir noch ein bisschen mehr erzählen.

Weißt du, dein Herrchen und ich haben mit Leo einige Zeit in Ägypten gelebt, bevor wir ihn mit hierher nach Hause genommen haben.

Geheimnisvolles Ägypten. Geheimnisvoller Leo.

Wir waren alle jung und unerfahren, dein Herrchen, ich und Leo. Keiner von uns wusste groß Bescheid über das Leben, über die fremde Kultur, und keiner wusste Bescheid über Beziehungen zwischen Menschen und Katzen.

So haben wir alle unsere Abenteuer erlebt, große und kleine, und haben viel gelernt miteinander und übereinander.

Wir wurden die dicksten Freunde, wir drei.

Ja, ja , Abenteuer. Jetzt schau mich nicht so an, als wüsstest du nicht, was ein Abenteuer ist.

Selbst du in deinem zarten, behüteten Leben hattest doch schon deine kleinen Abenteuer, erinnerst du dich nicht?

Komm, ich flüstere dir noch eine Geschichte ins Öhrchen. Da hörst du gern zu, was? Ja, du bist meine Gute!

 

Damals in Alexandria ging Herrchen fast jeden Tag für uns auf dem S o u k einkaufen. Das ist ein Markt, auf dem es alles gibt, was Menschen zum Essen brauchen. Frisches Gemüse und Obst, süße Kuchen und Plätzchen, frisches Fleisch und frisch gefangenen Fisch. Du kannst mir glauben, da roch es immer sehr außergewöhnlich. Man fand auch außergewöhnliches Gemüse. Es gab Kohlköpfe, die waren so groß wie Medizinbälle, Radieschen so groß wie Äpfel, und die Salatgurken waren süß wie Melonen. Es gab Berge von saftigen Apfelsinen, Datteln und Feigen.

Schon zum Frühstück verkauften die Händler heißes , reich gewürztes , duftendes F o u l und F ä l ä f i l . Das sind Gerichte aus gekochten dicken Bohnen, mal mit Fleisch, mal ohne. Man bekam die Mahlzeit in schnell zusammengerollten, handlichen Tüten aus altem Zeitungspapier gereicht. Auch beim Bäcker nebenan bekam man das frisch gebackene warme Fladenbrot in die Zeitung von vorgestern gewickelt. Zu Hause konnten wir noch manchmal nachlesen, was vor ein paar Tagen in der Welt geschehen war, wenn wir eine englische Zeitung erwischt hatten.. Arabische Zeitungen konnten wir ja nicht lesen, dann haben wir uns die Bilder angeschaut und einen Text dazu erfunden.

Wir haben uns überlegt, ob die schmutzigen Fingernägel des Bäckers von der Druckerschwärze kommen. Ganz bestimmt, von was sonst?

Der Souk war ein Paradies für Leos streunende Kollegen. Sie waren nicht aufdringlich, nein, ganz unauffällig, kaum zu entdecken und doch überall.

Ein Schatten hier und ein Huschen da.

Ein leises Schleichen unter dem Tisch.

Ein Lauern an der Budenwand.

Mehr gefühlt als gesehen: Augen, die beobachten.

Marktkatzen.

Sie hatten die Farben des Marktes angenommen. Grau wie der Asphalt, weiß wie der Kohl und rot wie die Karotten. Sie waren gut getarnt, so wie es sich für brave Katzen gehört. Sie waren verschmolzen mit ihrer Umwelt.

Zu betteln gab es keinen Grund. Immer fiel irgendwo etwas ab: gekochte Bohnen, hier und da ein Krümel Brot, ein verlorenes Stückchen Käse, ab und zu ein paar Fischköpfe oder Schuppen, ein paar Tropfen Milch, die gleich vom Boden geschleckt wurden, bevor sie verdunsten konnten. Kaum fielen sie herunter, husch, husch, schon waren sie wieder weg.

Ein Festmahl gab es immer, wenn der Metzger seine Arbeit getan hatte und die Hammelhälften fertig zum Verkauf an den Haken hingen. Nicht nur die Fliegen bekamen ihren Teil ab. Dem Duft von frischem Fleisch, Innereien und Blut konnte keine Katze widerstehen. Es wurde geschleckt und geschmatzt, und das kleinste Stückchen wurde gefunden, das heruntergefallen war. Nichts wurde übersehen, eifrig wurde gesucht, geschnüffelt und geleckt, bis der Boden wieder blank geputzt war. Alle waren zufrieden.

Die Katzen verzogen sich wieder in ihre Ecken, wo sie sich ungestört erst mal ihre Schnäuzchen putzen konnten.

Der Metzger war zufrieden, weil ihm die Katzen die Putzarbeit abgenommen hatten.

Ein gutes Team.

Du musst wissen, in Ägypten werden Katzen hoch verehrt. Sie sorgen für Ordnung in den Straßen und zwischen den Häusern. Man würde sie nie verjagen. Die Leute wissen: wo Katzen sind, sieht man keine Mäuse oder Ratten oder Kakerlaken.

Was, du weißt nicht, was eine Kakerlake ist? Na ja, wie solltest du auch. Hier in unserer Gegend sind Kakerlaken so klein, dass man nicht über sie spricht.

Also, ab und zu hat man schon eine Ratte in Alexandria laufen sehen, das waren dann aber auch besondere Exemplare. Sie waren fast so groß wie die Katzen selbst, und da hätte es bei einem Zweikampf Probleme gegeben. Die Katzen wussten das, und die

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Publisher: BookRix GmbH & Co. KG

Publication Date: 12-06-2015
ISBN: 978-3-7396-2675-8

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