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PROLOG



Das leise Tropfen das er vernahm machte ihn rasend. Je näher er der Tür kam, desto lauter wurde es. Ihm war die trügerische Stille nicht geheuer.
Er war nur wenige Stunden weg gewesen und immer wenn er wieder Heim kehrte, fand er seine ausgelassen feiernde Familie vor. Sie liebten ihn. Und das so sehr, dass sie jedes Mal außer sich waren wenn er wieder zurück war. Doch dieses Mal war es anders...
Nichts war zu hören. Bis auf dieses nervige Tropfen! Seine Hand legte sich auf die Klinke der Eingangstür. Zögerlich drückte er sie nieder. Das Ganze war ihm absolut nicht geheuer! Er befürchtete das etwas passiert war, doch diese Vermutung verwandelte sich in pures Grauen als er die Unmengen Blut sah. Zu seinen Füßen hatte sich eine riesige Lache dieser dickflüssigen Substanz gebildet. Alle paar Sekunden zerbrach ein kleiner Tropfen diese Stille. Er wagte es nicht aufzusehen. Und dennoch musste er wissen wen genau von ihnen es erwischt hatte. Langsam sah er nach oben, doch er bereute es auf der Stelle.
„Gina.“, hörte er sich selbst flüstern. Eine Träne rann über seine Wange. Er hatte in seinen unzähligen Jahren seiner Existenz nicht einmal geweint, doch beim Anblick seiner zu Tode gefolterten kleinen Schwester konnte er nicht anders als seinen, nicht geglaubten, Gefühlen freien Lauf zu lassen. Die Finger an ihren kleinen und zarten Händen fehlten, ebenso wie ihre Augen, die irgendjemand scheinbar herzlos herausgerissen hatte. Unzählig viele Kugeln hatten sich in ihren zierlichen Leib gebohrt, das Blut war immer noch nicht versiegt. Nicht mehr lange und der Fäulungsprozess würde einsetzen.
Er ertrug diesen Anblick nicht länger und wandte seinen Blick ab. Leider brachte ihm das nicht viel, denn die nächste katastrophal zugerichtete Leiche fiel in sein Blickfeld.
War das Lucien, sein Bruder? Das Gesicht des Toten war bis ins Unkenntliche zerfetzt worden, weshalb er nicht feststellen konnte ob es sich hierbei wirklich um seinen Bruder handelte. Die Galle kam ihm hoch, doch er schluckte sie wieder und wandte seinen Blick ab. Er machte einen Schritt, wobei die Blutlache unter ihm ein leises Plätschern verursachte. Am Fuße der riesigen Treppe die ins Obergeschoss führte entdeckte er zwei weitere Leichen. Er erkannte sofort um wen es sich dabei handelte.
Eine Frau lag verrenkt, ebenfalls in einer Blutlache auf dem Boden, mit dem Gesicht nach unten. Messer und Dolche ragten aus ihrem Rücken. Er neigte den Kopf. Was war mit den Haaren seiner Mutter passiert? Die langen blonden Haare der Frau reichten ihr gerade mal bis zum Nacken, wobei sie doch sonst länger waren als ihr gesamter Oberkörper. Er schloss die Augen für einen Moment und widmete seine Aufmerksamkeit dann dem letzten Toten. Es war der Körper seines Vaters der da aufrecht auf der Treppe saß, mit der Schulter an das Treppengeländer gelehnt. Sein Kopf fehlte. Er konnte schon von weitem sehen, dass kein Schwert Schuld daran war. Nein, es sah eher aus als wäre der Kopf mit bloßen Händen vom Rumpf getrennt worden. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Wer auch immer dafür verantwortlich war würde dafür bezahlen. Und zwar schon sehr bald!

EINS



Genüsslich trank Christos auch den letzten Schluck seines Biers. Die Bar in der er saß existierte noch nicht lange, vielleicht erst seit einem Monat, doch sie war bereits jetzt schon beliebter als all die anderen, heruntergekommenen Schuppen in dieser ausgesprochen kleinen Stadt. Vielleicht lag es an dem Wirt?
Er musterte die junge Frau hinter dem Tresen und fragte sich, was sie wohl dazu gebracht hatte eine Bar zu öffnen, in der sich sowieso nur schmierige und vor allem betrunkene Typen herumtreiben würden. Seine Mundwinkel zuckten. Die Lynx

-Bar war alles andere als normal, was vielleicht an den Hausordnungen lag. Doch Christos mochte es, denn es gab endlich einen Ort, an dem er ungestört ein Bier genießen konnte.
„Was bringt eine Schönheit wie dich dazu, eine Bar zu öffnen?“
Er hatte den ganzen Abend noch nichts gesagt, nun erst sah er die Wirtin an. Er kam inzwischen jeden Tag her, sie wusste bereits was er wollte und stellte ihm immer ein Bier hin. Sie zuckte elegant mit den Schultern, wobei ihr einige Strähnen ihrer roten Mähne ins Gesicht fielen.
„War eine Schnapsidee.“, sagte sie mit ihrer ausdruckslosen und dennoch sinnlichen Stimme und konzentrierte sich dann wieder auf das Glas in ihrer Hand, welches sie gerade polierte. Christos lachte leise, was wahrscheinlich nur an seinem fünften Bier lag. Er vertrug nicht fiel, doch das spielte inzwischen keine Rolle mehr, da es hier nichts gab, was diese Tatsache hätte gefährlich werden lassen können! Doch an diesem Abend sollte sich das ändern...
Mit einem lauten Krachen flog die Tür des Lynx

auf und mit diesem Krachen rauschte ein wirklich unheimlicher Kerl in die Bar herein. Jeder der Gäste verstummte augenblicklich. Der Fremde rauschte mit einer Knarre in der Hand auf Christos zu, der noch immer ganz amüsiert war. Die große Hand des Fremden legte sich auf Christos' Schulter. Narben waren auf seiner blassen Haut erkennbar.
„Bist du Christos?“, knurrte er mit rauer Stimme. Ihm war völlig egal das ihn alle anstarrten, lediglich der Blick der äußerst attraktiven Wirtin entging ihm nicht. Irgendetwas in ihren grünen Augen gefiel ihm nicht. Der Mann vor ihm auf dem Hocker nickte schwach. Seine braunen Augen waren trübe und er erkannte sofort, dass er bereits einiges an Alkohol intus hatte. Sowohl sein Geruch bewies es, als auch seine Reaktionszeit.
„Gut. Dann kannst du mir doch sicher etwas über die grausamen Morde der Stadt erzählen.“
Er drückte den Lauf seiner Waffe gegen die Stirn von Christos und packte ihn am Kragen.
„Tust du das nicht, gibt’s Stress!“
Der Alkohol in Christos' Blut ließ ihn ein wenig überheblich werden.
„Erstens:“, sagte er und hob den Zeigefinger. „Würde ich meinem Gegenüber gerne in die Augen sehen, also nimm gefälligst die Kapuze ab. Zweitens:“, er hob den zweiten Finger. „Ist Gewalt in dieser Bar untersagt, also schlag gefälligst einen anderen Ton an!“
Für diese Worte fing er sich einen Schlag ins Gesicht ein. Ein Knacken war zu hören, es stammte von Christos', nun gebrochener Nase. Der Fremde mit dem schwarzen Ledermantel wollte bereits erneut austeilen, doch die Wirtin war über den Tresen gesprungen und fing nun seine Faust, mit der bloßen Hand ab. Die anderen Gäste beobachteten mit ausdruckslosen Gesichtern das Geschehen. Es hatte schon viele Burschen gegeben, die gegen die oberste Regel in dieser Bar verstoßen hatten und jedes mal, hatte es deswegen Stress mit Zarina, der Wirtin gegeben.
„Wenn du dich mit Christos prügeln willst kannst du das gerne draußen machen. Hier drinnen ist allerdings jegliche Art von Gewalt untersagt!“, fauchte Zarina leise und stieß den kräftigen Mann zurück. Er war überrascht. Diese Frau war scheinbar ziemlich stark! Nicht nur das sie seinen Schlag abgefangen hatte, nein, sie hatte ihn auch noch mit Leichtigkeit zurückgestoßen.
„Zeig's ihm!“, rief einer ihrer Gäste aus den hinteren Ecken. Der Fremde trat einen Schritt vor, bis ihn nur noch wenige Zentimeter von der Frau trennten.
„Ich lasse mir keine Befehle von einer Frau erteilen!“, knurrte er und drückte den Lauf seiner Waffe nun gegen ihre Brust. Mit hochgezogenen Brauen sah sie an sich herunter.
„Du drohst mir ernsthaft damit, mich zu erschießen?“
Ihre Stimme troff vor Gift und ihre Augen funkelten vor Wut. Er schluckte. Er hatte schon so viele Menschen auf dem Gewissen, dass er die genaue Anzahl schon lange nicht mehr sagen konnte, doch bei dieser Frau...würde er den Abzug nicht betätigen. Nur, warum?
Plötzlich schlug sie ihm die Waffe aus der Hand, dann riss sie seine Kapuze zurück. Sie war ihm dabei so nahe, dass er ihren Atem im Gesicht spüren konnte.
„Wage es nicht noch einmal den Lauf einer Waffe auf mich zu richten!“, flüsterte sie und war dann auch schon wieder zurückgetreten. Sie musterte ihn ausgiebig.
Sie würde diese grauen Augen überall wiedererkennen! Seine schwarzen Haare waren in all den Jahren ein wenig länger geworden und auch seine Gesichtszüge hatten sich verändert. Aus diesem jungen Burschen war ein verdammt gefährlicher Mann geworden, der jeden tötete wenn sich ihm einer in den Weg stellte.
Sie blinzelte als er plötzlich vor ihr stand, sich in ihren Haaren verkrallte und ihren Kopf zurück riss.
„Hör zu, Weib! Ich mag es nicht wenn man sich mir in den Weg stellt, du solltest also aufpassen!“
Seine Augen blitzten vor Zorn, doch das ließ sie nur lächeln.
Warum lächelt sie?

, fragte er sich und musterte sie eingehend.
Ihre grünen Augen funkelten wie zwei Smaragde, einige Strähnen ihrer roten Haare hingen ihr ins Gesicht und ihre vollen Lippen wuchsen zu einem ausgewachsenem Grinsen heran. Sein Blick wanderte tiefer. Ihre Haut war so blass, dass die Schlagader an ihrem Hals deutlich zu erkennen war. Er schluckte, sein Blick wanderte weiter. Das schwarze Hemd das sie trug hatte sie nicht ganz zugeknöpft, sodass ihr pralles Dekolleté niemandem vorenthalten blieb.
„Hier oben.“, sagte sie so leise, dass nur er es hören konnte. Ertappt sah er ihr wieder in die Augen. Wieso kamen ihm diese Augen bekannt vor?
„Du solltest verschwinden.“, sagte sie nun und deutete auf den Mann mit der gebrochenen Nase.
„Ehe Christos auf die Idee kommt dich herauszufordern.“
„Was wäre denn so schlimm daran?“, fragte er todernst und doch ein wenig verwirrt. Sie stemmte die Hände in die Hüften, seufzte leise und befreite sich dann aus seinem Griff. Elegant sprang sie wieder über den Tresen, zurück an ihren Platz.
„Es wäre schlimm, weil ich dann sowohl ihm, als auch dir den Arsch aufreißen müsste und das würde die Einrichtung nicht überleben.“, sagte sie monoton und schnappte sich das Poliertuch. Seine Mundwinkel zuckten, doch er zog sich wieder die Kapuze über, damit es niemand sehen konnte.
„Weiber.“, schnaubte er und sah Christos an.
„Wir sehen uns wieder.“, knurrte er und wandte sich ab. Auf dem Weg zur Tür sah er über seine Schulter.
„Wir auch.“, rief er der Wirtin zu.
„Bis später.“, sagte die Frau leise lachend und wurde dann ernst. „Daryl.“, fügte sie flüsternd hinzu und sah ihm nach.

ZWEI



Wütend ließ Daryl seine Fingerknöchel knacken. Er konnte noch immer nicht glauben das er sich von einem Weib hatte abspeisen lassen! Ihretwegen musste er nun einen anderen Weg finden an Informationen heranzukommen. Er hatte sich lange in der Stadt umhören müssen, bis er auf den Namen Christos gestoßen war. Laut den Leuten hier sollte er der Mann sein, der so gut wie über alle Morde und Verbrechen Bescheid wusste. Er seufzte. Wie lange würde es wohl dauern bis er einen weiteren Anhaltspunkt hatte?
„Hey, Fremder!“
Die Stimme die aus einer Gasse drang ließ ihn stehen bleiben.
„Komm her.“, befahl diese Stimme. Daryl hatte es schon immer gehasst wenn ihm jemand Befehle erteilte, doch nun gehorchte er. Was hatte er schon groß zu verlieren, wo er doch bereits alles verloren hatte?
Das Geräusch seiner schweren Stiefel war alles was man hörte. Doch als er der Gasse näher kam hörte er einen flachen Atem. Und einen schnellen Herzschlag.
„Du warst doch vor ein paar Stunden im Lynx

, nicht wahr?“
Die Stimme kam von einem jungen Burschen, der vielleicht gerade mal sechzehn war und nur ein paar zerfetzte Sachen am Leib trug. Daryl neigte den Kopf. Er mochte es nicht wenn man ihn beobachtete. Der Junge fuhr fort, scheinbar hatte er keine Antwort erwartet.
„Ich habe mitbekommen, dass du Informationen von Christos brauchst.“
Wieder machte er eine Pause, in der er einen Schritt vortrat. Dadurch stand er nun genau im Mondlicht. Seine blauen Augen blitzten.
„Nicht viele wissen es aber..die Wirtin im Lynx

weiß auch so einiges. Sie kennt so ziemlich jeden Verbrecher in der Gegend und man munkelt, dass sie selbst schon in einigen Mordfällen verwickelt gewesen sein soll!“
Nun wurde er aufmerksam. Angenommen das stimmte, warum sagte ihm dieser Zwerg das dann? Der Knabe zuckte mit den Schultern und trat wieder einen Schritt zurück.
„Einige Gläubige behaupten sogar sie sei eine Ausgeburt der Hölle. Eine Vampirin! Oder eine Dämonin!“
Daryls Augen verengten sich. Eine Vampirin? Ganz sicher nicht. Er hätte es gewusst. Schließlich...
„Warum glauben sie das?“, meldete er sich nun zu Wort. Mit einem mal sah der Junge ängstlich aus. Kein Wunder, Daryl sah in seinen Mantel gehüllt nicht nur verdammt unheimlich aus, nein, er klang auch so!
„Weil es, seitdem sie hier ist, nur so vor Fremden wimmelt! Und sie sich seltsamerweise sofort auf den Weg in ihre Bar machen.“, antwortete der Junge leise.
„Glaubst du daran?“, fragte Daryl leise, was ihn nur noch bedrohlicher wirken ließ. Er wusste das und grinste dementsprechend als er sah, dass der Junge anfing zu zittern.
„Ich glaube nur das was ich sehe!“, stotterte er und trat einen weiteren Schritt zurück. Vielleicht war es doch keine gute Idee gewesen diesen Fremden anzusprechen?
„Wie ist dein Name?“
Daryl wollte seinen Namen wissen, für den Fall, dass er noch mehr Informationen brauchte.
„N-Noah, Sir!“
Wieder zuckten seine Mundwinkel. Endlich mal jemand der Angst vor ihm hatte.
„Nun gut, hör zu, Noah. Ich habe eine Aufgabe für dich!“

Der schmerzerfüllte Schrei der die Stille der Nacht durchbrach erinnerte Zarina an jene Nacht, in der sich ihre Welt um hundertachtzig Grad gedreht hatte. Und sie selbst. Der Wind trug den Geruch von Blut zu ihr hinüber und sie fragte sich, was für eine grausame Tat wohl nun begangen worden war. Sie sprang von Dach zu Dach, bis sie schließlich den Kirchturm erreicht hatte, auf dessen Dachkante sie sich nun niederließ. Das Geldsäckchen an ihrer Hüfte klimperte.
Es war erst einen Monat her seitdem sie das Lynx

geöffnet hatte und doch verdiente sie bereits so viel, dass es ihr nicht hätte besser gehen können! Die Hausordnungen waren Schuld daran, dass die Bar so gut lief. Jeder der Dreck am Stecken hatte kam in ihre Bar, wohl wissend das er dort seine Ruhe hatte. Keine Gewalt, keine Beleidigungen. Auch Christos, einer ihrer Stammgäste, liebte dieses Konzept. Immer wenn er betrunken war sagte er ihr, wie toll er es fände endlich mal seine Ruhe beim saufen zu haben. Am Anfang musste sie bei diesen Worten immer lächeln, doch inzwischen ging ihr dieses Geschwätz auf die Nerven, weshalb sie auf Durchzug schaltete. Mit Erfolg, denn nun sagte Christos nichts mehr dazu.
Plötzlich kam ihr seine Frage in den Sinn. Eine Bar zu eröffnen war keine ihrer Schnapsideen gewesen, sondern ein ernster Versuch, ein neues Leben anfangen zu wollen. Leider war es bisher kein guter Start gewesen, denn ihre Vergangenheit holte sie immer wieder ein.
Das Gefühl beobachtet zu werden riss sie aus den Gedanken. Sie ließ den Blick über die Stadt schweifen. Sie war nicht sonderlich groß, doch Zarina kannte keinen anderen Ort der so voller Gewalt war.
„Zeig dich oder ich reiß dich in Stücke!“, drohte sie mit solch einer Gelassenheit, dass selbst dem härtesten Gangster die Knie weich geworden und das Herz ins Stolpern geraten wäre.
„Du bist doch die Wirtin aus dem Lynx

, oder?“
Der junge Knabe der aus dem Schatten der Nacht trat, überraschte sie. Seine blauen Augen hätten nicht unschuldiger aussehen können. Er machte einen faszinierten Eindruck.
„Ja.“, sagte Zarina und neigte den Kopf. Was zum Teufel wollte ein Vampir von ihr? Der Junge kam auf sie zu und sah sie neugierig an.
„Wie heißt du?“, fragte er. Seine Stimme klang ein wenig zu hoch, weshalb sie vermutete, dass er noch immer nicht im Stimmbruch war. Dabei musste er mindestens schon sechzehn sein.
„Verrate mir doch erst einmal deinen Namen.“, erwiderte sie mit einem falschen Lächeln. Auch wenn er noch ein Kind war, sie würde kein Risiko eingehen!
„Noah.“, sagte er Junge und ließ sich neben ihr nieder.
„Was hat ein junger Bursche wie du um diese Uhrzeit draußen noch verloren? Solltest du nicht Zuhause sein?“
Vielleicht würde sie den Vampir ablenken können? Sie wollte nicht das ein Vampir ihren Namen erfuhr, sei es drum ob dieser Vampir noch ein Kind war oder nicht. Er schüttelte den Kopf, schwieg aber. Mit einem mal schimmerte etwas rotes in seinen blauen Augen. Zarinas Augen verengten sich. Ein Frischling? Neugeborene Vampire hatten rote Augen, waren sie denn hungrig, ältere Vampire hatten goldene Augen und Meistervampire, die wahren Legenden, waren an ihren schwarzen Augen erkennbar.
„Kannst du mir einen Gefallen tun?“, fragte Noah leise. Der Junge war noch immer ganz benommen doch sein Meister hatte ihm klar gemacht wie glaubhaft er wirken musste und genau deshalb versuchte er, so unschuldig wie möglich zu wirken. Doch das war gar nicht mal so einfach, da ihm das unglaubliche Brennen in seiner Kehle das Denken schwer machte. Allein schon beim Geruch ihres Blutes lief ihm das Wasser im Munde zusammen! Aufmerksam musterte ihn die Frau.
„Was für ein Gefallen ist das?“
Sie klang so unschuldig! Wieso wollte sein Meister, dass er ihr weh tat? Doch er wagte es nicht sich ihm zu widersetzen. Beim blick in seine Augen hatte er das pure Grauen gesehen! Er schluckte.
Die Spitzen seiner Fänge bohrten sich ihm bereits unangenehm in die Unterlippe. Wieso sollte er das tun?
„Du hast Hunger, nicht wahr?“
Die Worte der Wirtin warfen ihn völlig aus der Bahn. Perplex starrte er sie an. Wusste sie etwa das er ein Vampir war? Wenn ja, woher?
„Deine Augen leuchten.“, sagte sie, als hätte sie seine Gedanken gehört. Er schluckte. Und nickte. Lächelnd hielt sie ihm den Unterarm hin.
„Nur zu.“, sagte sie so freundlich, dass es fast schon wieder unheimlich war. Sein Blick richtete sich auf ihren Unterarm. Er war so hungrig, dass er das Blut in ihren Adern pochen sehen und ihren Herzschlag so laut und deutlich hören konnte, als hätte er sein Ohr direkt auf ihre Brust gepresst.
„Aber ich werde dir weh tun!“, hörte er sich selbst flüstern. Sie lächelte.
„Das macht nichts.“
Er konnte nicht anders! Ohne zu zögern nahm er ihren Arm. Die Frage warum sie über Vampire Bescheid wusste geisterte ihm durch den Kopf, doch er behielt sie für sich. Er hörte deutlich das Reißen der Haut, als sich seine Zähne tief in ihr Fleisch gruben. Gierig trank er das warme Blut, das in seinen Mund lief und dort einen angenehm säuerlichen Geschmack auf seiner Zunge hinterließ.

Mit ausdruckslosem Gesicht beobachtete Zarina, wie Noah in die Nacht hinaus verschwand. Wer steckte dahinter? Erst ein Schrei, dann dieser Frischling der ausgerechnet ihr Blut trinken wollte, wobei doch hunderte Frauen unterwegs waren. Sie wusste das man über das Blut einer Person jegliche Dinge über diese Person herausfinden konnte, doch Zarina war in der Lage genau das zu kontrollieren! Sie hatte sich gerade auf ein Minimum beschränkt. Lediglich ihren Namen hatte sie preisgegeben. Obwohl das schon zu viel war. Wer auch immer scharf auf ihre Informationen war, würde enttäuscht werden.
Daryl kam ihr in den Sinn. Steckte er vielleicht hinter all dem? Sie schüttelte den Kopf. Nein, er hätte sich selbst darum gekümmert. Er hatte die Dinge schon immer selbst in die Hand genommen, selbst als kleiner Junge! Lächelnd erinnerte sie sich daran zurück, wie er immer auf eigene Faust gehandelt und sich somit in Schwierigkeiten gebracht hatte. Hatte er sie wirklich nicht erkannt?

Erwartungsvoll sah er den Jungen an. Das er sich dabei Blut von den Fingern leckte schien dem Burschen ganz und gar nicht geheuer zu sein, denn er trat von einen Fuß auf den anderen. Nun war er froh darüber das Blut der Wirtin getrunken zu haben. Hätte er das nicht getan, hätte er sich vor Hunger nun wahrscheinlich auf seinen Meister gestürzt.
„Ich warte.“, sprach sein Meister mit gefährlichem Unterton in der Stimme.
„I-Ihr Name ist Zarina. Das ist alles was ich herausfinden konnte...“, flüsterte Noah und kniff die Augen zusammen aus Angst, er würde nun bestraft werden. Doch die befürchtete Bestrafung blieb aus, weshalb er die Augen zögerlich aufschlug. Er trat einen Schritt zurück als er bemerkte, dass er Mutterseelen allein war...

DREI



Daryl schloss die Augen und nahm einen tiefen Zug der Nachtluft. Es roch nach Blut. Doch es war nicht das Blut der Frau, der er gerade das Leben genommen hatte.
Zarina.
Warum zum Teufel glaubte er, diesen Namen schon einmal gehört zu haben? Das Blut das er roch erinnerte ihn an...Zitronen. War es das Blut der Wirtin? Wenn ja, musste er es probieren! Sein Blick fiel in die kleine, dunkle Gasse, in der Noah sich noch immer verwirrt umsah. Er knurrte leise. Er hätte es doch selbst in die Hand nehmen sollen, so wie er es sonst auch immer tat. Er sah in den Himmel. Dennoch bereute er seine Entscheidung nicht. Dieser Junge würde sicher noch den ein oder anderen Vorteil bringen. Wer weiß, vielleicht würde er ihn noch einige weitere Male auf Zarina ansetzen? Er sprang in die Tiefe. Er würde ein paar Tage warten, ehe er sich ins Lynx

begeben würde.

Eine Woche war vergangen. Es war ruhig geblieben. So ruhig, dass Zarina anfing das seltsam zu finden. Doch gerade zu dem Zeitpunkt wurde es wieder normal. Viel zu normal!
Die Sauerei die sie nun wegmachen musste war allerdings viel zu krass um normal zu sein...
Die Gehirnmasse die den Lappen in ihrer Hand verklebte ließ sie seufzen. Sie hatte noch immer nicht gelernt, wie man sich unter Kontrolle hatte. Das musste sich ändern, und zwar so schnell wie möglich!
„Als Putzfrau gefällst du mir viel besser!“
Die tiefe und sinnliche Stimme die sie aus ihren Gedanken riss erschreckte sie so sehr, dass sie sich, während die sich aufsetze den Kopf an der Tischkante anhaute.
„Verdammt noch mal! Was fällt dir ein du mieser, dreckiger...“
Sie hielt inne als sie sah wer da vor ihr stand. Sie war so überrascht, dass sie gar nicht realisierte wie sie seinen Namen hauchte.
„Daryl!“
Er zog die Brauen hoch und musterte sie. Woher kannte sie seinen Namen? Das getrocknete Blut an ihrer Wange ließ ihn lächeln. Er beugte sich ein wenig vor und strich mit seinem Daumen das Blut weg.
„Die Gerüchte scheinen zu stimmen.“, murmelte er. Sofort veränderte sich ihre ganze Gestalt. Sie richtete sich auf, ihre Augen verengten sich und mit einem mal war es, als wäre sie tatsächlich eine Dämonin!
„Was für Gerüchte?“, knurrte sie. Blut tropfte von der Decke, genau auf ihre Wange, weshalb er erschrocken einen Schritt zurück taumelte. Dieser Tropfen! Genauso wie damals! Er wollte sich bereits abwenden, doch eine zartgliedrige Hand an seinem Arm hinderte ihn daran, sich zurückzuziehen.
„Daryl!“, sagte sie wieder. Zum Teufel, woher wusste sie wie er hieß? Wütend starrte er sie an, doch leider jagte ihr das eine Angst ein.
„Mir ist völlig egal was dir gerade durch den Kopf geht! Ich will wissen was für Gerüchte das sind!“
Sie packte ihn am Kragen und schüttelte ihn kurz. Sie verwirrte ihn so sehr, dass er nicht in der Lage war zu antworten. Sie seufzte und nahm seine Hand, was ein komisches Gefühl in ihm auslöste. Wieso fühlte sich das so vertraut an? Auch Zarina bemerkte das Kribbeln das sie durchfuhr, als sie seine Hand ergriff. Wie lange hatte sie das schon nicht mehr getan? Sie zog ihn an den Tresen, wo sie ihn auf einen gerade noch stabilen Hocker drückte und ihm schließlich ein volles Glas Whiskey hinstellte.
Der besorgte Ausdruck in ihren Augen verwirrte ihn allerdings nur noch mehr.
„Na los, raus mit der Sprache! Was treibt dich her?“
Ihr fordernder Ton ließ ihn endlich wieder klar denken können.
„Es heißt, du kannst Auskunft über sämtliche Verbrechen in dieser Stadt geben. Ist das wahr?“
Endlich hatte er zu seiner Sprache wiedergefunden.
Sie neigte den Kopf und überlegte einen Moment. Sie musste ganz genau überlegen was sie sagte, schließlich stand sie dem Mann gegenüber, dem sie am wenigsten vertrauen durfte. Umgekehrt war das ebenso. Daryl sah ein, dass er sich ein wenig kooperativer zeigen musste, damit sie ihm Antworten lieferte, weshalb er eine entspannte Haltung einnahm und seinen Whiskey in einem Zug kippte.
„Ich weiß in der Tat eine Menge über das Geschehen im Untergrund. Aber es gibt auch eine Menge Dinge, von denen ich keinerlei Ahnung habe.“, sagte sie plötzlich und sah ihn forschend an.
„Was willst du wissen?“, fragte sie leise. So leise als glaubte sie, jemand würde sie belauschen. Ihm schossen eine Menge Fragen durch den Kopf, doch er musste sich für eine entscheiden. Er beugte sich vor und bemerkte nur nebenbei, dass das Glas in seiner Hand zersprungen war. Der Frau schien das allerdings völlig egal gewesen zu sein.
„Woher kennst du meinen Namen?“, knurrte er. Sie konnte ihm unmöglich die Wahrheit sagen!
„Du kennst doch auch meinen, oder nicht?“
Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, was Daryl sofort in seinen Bann zog. Doch die Worte die sie gerade ausgesprochen hatte ließen ihn wieder stutzig werden. Woher wusste sie das?
„Dein Name ist Zarina.“, sagte er leise, nachdem er sich auf die Zunge gebissen hatte.
„Stimmt.“, hauchte sie lächelnd. „Und deiner lautet Daryl.“
Sie verschränkte die Arme und wurde wieder lauter.
„Völlig egal woher wir unsere Namen kennen. Los, weiter. Die nächste Frage!“
Zarina durfte keine Zeit verschwenden. Sie musste so viele Informationen wie nur möglich sammeln! Nun war er ein wenig gefasster.
„Was ist hier passiert?“, fragte er völlig gleichgültig. Zarina drehte ihr Gesicht zur Seite, worauf ihm der Blick auf ihre unglaublichen Augen verwehrt wurde.
„Einer der Gäste meinte einen Aufstand zu machen, bezüglich der Hausordnungen. Er hat es zu weit getrieben, weshalb ich ausgerastet bin...“
Ihre Erklärung machte ihn für einen Moment sprachlos, doch dann konnte er sich ein leises Lachen nicht verkneifen. Und mit der Erkenntnis das er lachte, schossen ihm einige Momente aus der Vergangenheit in den Kopf. Er hatte oft gelacht. Als Kind. Und er kannte diese unglaublich grünen Augen tatsächlich! Ebenso wie den Namen! Und mit diesen Erinnerungen kam auch das warme Gefühl in seinem Herzen wieder. Es war so erschrocken über sich selbst, dass er brüllend aufsprang und einige Schritte vom Tresen zurück machte.
„Daryl?“
Sorgte sich diese Frau etwa um ihn? Doch der Mann brüllte weiter. Wer war diese Frau? Er glaubte sie zu kennen. Er wusste das er sie kannte! Und doch war sie ihm fremd...
Er presste sich die Hände gegen die Schläfen, denn die grauenhaften Bilder des Todes kamen ihn in den Sinn und wollten partout nicht verschwinden! Auch die jetzige Umgebung machte es nicht besser. Das Blut tropfte noch immer von der Decke. Er keuchte. Er würde den Mörder seiner Familie finden und ihn genauso brutal zu Tode kommen lassen wie seine Eltern und Geschwister!
Die kühlen Hände auf seinen Wangen und das funkelnde grüne Meer in das er nun blickte, ließen ihn ruhiger werden. Mit einem mal hatte er sich beruhigt. Alles was er nun noch wahrnahm, war Zarinas atemberaubende Schönheit.
„Geht es wieder?“, flüsterte sie, wobei ihr Gesicht nur wenige Millimeter von seinem entfernt war.
Er nickte zaghaft. Sofort entspannte sich Zarina wieder. Ein wenig traurig sah sie ihn an.
„Mir ist zu Ohren gekommen das du den Mörder deiner Familie suchst.“, begann sie zögernd, ja fast schon stockend. Seine Augen weiteten sich und es verwirrte ihn umso mehr, als sie schwach lächelte.
„Ich habe meine Geheimnisse, so wie du auch also frage nicht, woher ich davon weiß.“
Schon lange hatte er sich nicht mehr so hilflos gefühlt. Vorsichtig, fast zärtlich strich sie über seine Wange.
„Vielleicht kann ich dir bei der Suche helfen?“, flüsterte sie.
Sie hatte nicht gewusst, dass ihn das auch heute noch so sehr quälte. Sie hatte es nie mit ansehen können wenn er litt. Genau deswegen fand sie, dass er die Wahrheit verdient hatte. Auch wenn sie schmerzte und vielleicht sogar gar nicht zu ertragen war. Doch einfach so damit herausplatzen würde sie nicht, nein, er musste von selbst dahinter kommen. Auch wenn das noch unerträglicher wäre als es ohnehin schon war... Gespannt wartete sie darauf, das Daryl antworten würde.
„Warum habe ich das Gefühl, dich zu kennen?“, flüsterte er immer noch mit großen Augen.
„Ich glaube auch dich zu kennen, Daryl.“, flüsterte Zarina und lächelte dabei warm.
„Aber ich habe dich noch nie zuvor gesehen...“, murmelte Daryl verwirrt.
Daryls Anblick tat Zarina im Herzen weh. Sie lächelte traurig. Damals hatte er nie Gefühle gezeigt, auch viele Jahrzehnte danach hatte sich das nicht geändert. Doch nun, wo sie vor ihm stand hätte er verwirrter nicht sein können. Doch sein plötzlicher Gefühlsausbruch war nicht das einzige was ihr Schmerzen bereitete. Auch die Tatsache, dass er sich scheinbar nur an ihr Aussehen erinnerte und sonst an nichts, schmerzte. Aber wie sollte es auch anders sein? Sie hatte ihm sämtliche Erinnerungen an seine Kindheit genommen!
„Ist dir das so wichtig?“, fragte sie leise und sah ihn forschend an. Der Ausdruck in seinen Augen änderte sich, auch er musterte sie nun forschend. Leise seufzend schloss er die Augen.
„Ich will einfach nur wissen woher...dieses Gefühl kommt.“, murmelte er. Sie war überrascht als er seine Stirn plötzlich gegen ihre lehnte. Es sah so aus als konnte sie ihm seine Erinnerungen zwar nehmen, die Gefühle in seinem Herzen aber nicht...Sie wusste nicht was sie tun sollte.
„Das musst du dein Herz fragen.“, flüsterte sie und legte ihm die Hand auf die Brust. Genau da, wo sich sein Herz befand.
„Mein Herz schlägt nicht.“, erwiderte er und sah sie dabei finster an. Sie lächelte schwach aber wissend.
„Es hat noch nie geschlagen, Daryl! Und glaubst du wirklich, dass du, nur weil dein Herz nicht schlägt, keine Gefühle besitzt?“
Wieder war er sprachlos. Woher wusste sie, dass sein Herz noch nie einen Ton von sich gegeben hatte? Es gab geborene und verwandelte Vampire. Also wie oder wo hatte sie erfahren, dass er ein geborener Vampir war?
„Wir müssen uns kennen! Sonst wüsstest du nicht so viel über mich.“, knurrte er, nachdem er seine Sprache wiedergefunden hatte. Sie lachte kurz und leise, trat einen kleinen Schritt zurück und klopfte ihm kurz auf die Brust.
„Also schön, angenommen wir würden uns wirklich kennen...oder besser gesagt ich würde dich kennen. Was dann, hm? Was würdest du tun?“
Mit dieser Frage hatte er nicht gerechnet. Er wurde regelrecht aus der Bahn geworfen!
„Ich...Ich denke ich würde versuchen...aus dir herauszuquetschen, woher du mich kennst. Oder warum du mir so vertraut vorkommst...“, antwortete er schließlich und drehte sich ein wenig zur Seite.
„Aber ganz sicher bist du dir nicht, oder?“
Zarinas Worte beschämten ihn, denn sie hatte Recht.
„Ja.“, flüsterte er. Er wandte sich ab und wollte verschwinden. Die Betonung lag auf wollte.
„Daryl.“
Leise knurrend blieb er stehen. Er wollte nicht bleiben, doch ihre Stimme...
„Ich glaube auch dich zu kennen, Daryl. Aber warum auch immer das so ist, es ist völlig egal, hörst du? Soll ich dir nun helfen oder nicht?“
Sie hatte schon tausende Lügen erzählt, doch nicht eine einzige davon war so...groß und...schmerzhaft wie diese: So zu tun, als wäre sie eine Fremde!
„Du glaubst also wirklich, du wärst in der Lage mir zu helfen?“, murmelte er und sah über seine Schulter. Seine Augen waren schwarz. Sie lächelte das geheimnisvolle Lächeln einer Frau und ging mit wiegenden Hüften auf ihn zu.
„Nun ja, ich bin eine schlaue, impulsive und gefährliche Frau. Und hübsch noch dazu! Also glaube ich das, ja.“
Er fand es verwirrend das ihre Persönlichkeit mit einem mal so anders war, doch er vermutete, dass sie absichtlich so tat, als wäre sie jemand ganz anderes.
„Interessant.“, flüsterte er.
Zarina blieb stehen. Sie war drauf und dran gewesen ihn zu umarmen! Sie biss sich auf die Zunge. Was er dann wohl gedacht hätte? Argwöhnisch musterte Daryl sie. Sie war einfach stehen geblieben und rührte sich nicht mehr. Stattdessen sah sie nachdenklich und auch ein bisschen traurig zu Boden. Was hatte sie bloß?
„Du würdest mir also wirklich dabei helfen, den Mörder zu suchen?“, hakte er nach. Sie hob ein wenig erschrocken den Blick und nickte dann, wobei sie ihm fest in die Augen sah.
„Ja. Vorausgesetzt du willst meine Hilfe.“
Er wandte sich ab.
„Ich würde alles dafür tun um diesen Kerl in die Finger zu kriegen!“, fauchte er verbittert und stieß die blutbeschmierte Tür auf.
„Ich schau in ein paar Tagen noch mal vorbei.“, fügte er ein wenig leiser hinzu, ehe er aus ihrem Blickfeld verschwand. Eine Träne rann über Zarinas Wange. Wie würde er reagieren, wenn er es herausfand? Weinend machte sich sich wieder an die Arbeit...

VIER



„Hey!“
Christos wollte sich aus dem Griff des kräftigen Mannes befreien, doch der Alkohol in seinem Blut ließ diesen Versuch sich zu befreien ziemlich jämmerlich wirken.
„Es heißt, eine junge Frau hat vor kurzem eine Bar eröffnet. Wo finde ich diese?“
Beim Blick in die schwarzen Augen des Mannes kroch Christos eisige Kälte in die Knochen. Wer zum Teufel war dieser Kerl?
„Ich weiß nicht wovon Sie sprechen.“, murmelte Christos und taumelte rückwärts, als der Mann ihm einen kräftigen Stoß verpasste.
„Verdammtes Menschenpack.“, brummte er und überlegte, wie er nun vorgehen sollte. Die Leute einfach anzupöbeln passte nicht zu ihm. Und es hätte auch nichts gebracht, da jeder dieser verdammten Menschen dicht halten würde. Ein Schatten lehnte an einer Hauswand, nicht weit von ihm entfernt. Seine Augen verengten sich. Die Aura die diesen Schatten umgab war ziemlich mächtig, doch so seltsam er das auch fand er wusste, dass es sich bei diesem Schatten nur um einen Vampir handelte. Nachdem er einen letzten Blick auf den verstörten Christos geworfen hatte, bewegte er sich auf den Schatten an der Hauswand zu.
„Vampir.“, begrüßte er den Blutsauger mit animalisch knurrender Stimme. Graue Augen blitzten in der Dunkelheit auf. Der Mann wartete gar nicht erst auf eine Antwort.
„Wo ist das Lynx

?“
Graue Augen färbten sich schwarz.
„Die Straße runter.“, sagte er bloß und schloss die Augen. Ohne Zeit zu verschwenden ging der Fremde die Straße entlang.

Daryl sah dem Mann mit den dunkelblonden Haaren nach. Dieser Typ war ihm nicht geheuer. Die Luft um ihn herum hatte eben so seltsam gekribbelt. Er neigte den Kopf, worauf seine Fänge im Mondlicht aufblitzten. Warum hatte er gerade dieses Gefühl verspürt? Dieses Gefühl, sie nicht verraten zu wollen? Leise knurrend machte er sich langsam auf dem Weg zum Lynx

. Irgendetwas in ihm wollte nicht, dass sie in Gefahr geriet! In der Zeit, in der er unauffällig dem Fremden folgte, dachte er nach.
Er war noch immer verunsichert, konnte nun aber, weil Zarina nicht in seiner Nähe war, wieder klar denken. Warum hatte sie sich so komisch verhalten? Erst lieb und nett, dann geheimnisvoll und gefährlich.
Zarina, was für ein Geheimnis trägst du in dir?


Erleichtert stieß Daryl die Luft aus als er bemerkte, dass der Kerl ihn nicht bemerkt hatte. Er hoffte zumindest das es so war. Zarina stand wie üblich hinter dem Tresen. Sie war dabei einige Gläser zu säubern und war so vertieft darin, dass sie keinen der beiden Neuankömmlinge bemerkte.
„Zarina.“
Beim Klang der Stimme hielt die Wirtin in der Bewegung inne. Als sie dann aufsah und sich ihre Blicke kreuzten, ließ sie die Gläser fallen. Klirrend zersprangen sie in tausend Einzelteile...
Daryl zog sich in den Schatten der Bar zurück, sodass die Frau ihn nicht sehen konnte. Still schweigend beobachtete er das Geschehen.

Der Schock saß tief. Seine Anwesenheit verängstigte wirklich jeden in der Bar. Alle verschwanden, bis die beiden schließlich alleine waren.
„Noel.“, hauchte Zarina fassungslos. Sie wusste nicht wohin mit ihren Händen, weshalb sie sie flach auf den Tresen legte. Sie fühlte sich unwohl. Mehr als nur unwohl. Sie fühlte sich scheußlich!
Nicht nur seine überraschende Anwesenheit überraschte sie, nein, auch seine Augen, die so schwarz waren wie die von Daryl es gewesen waren, wenn auch nur für einen kurzen Moment, verschlugen ihr die Sprache. Sie biss sich auf die Zunge. Sie hatte in den letzten Tagen viel zu oft an Daryl gedacht, wenigstens jetzt sollte, musste sie einen klaren Gedanken fassen können.
„Lange nicht gesehen.“, murmelte Noel und ließ sich auf einem der Hocker nieder. Er musterte sie. So wie er hatte auch auch Zarina verändert. Aus ihren kinnlangen, schwarzen Zotteln war eine lange, rote Mähne geworden. Auch ihr Gesamtbild hatte sich verändert. Sie wirkte...kühl und unnahbar.
„Allerdings.“, flüsterte sie und wurde mit einem mal ernst und zugleich wütend.
„Was zum Teufel machst du hier? Und warum bist du ein Vampir?“, brüllte sie, was Noel dazu brachte, sie sowohl misstrauisch als auch zweifelnd zu taxieren.
„Seit wann nimmst du den Teufel in den Mund?“
Der amüsierte Unterton in seiner Stimme ließ sie seufzen. So war er schon immer gewesen. Er machte aus allem einen Spaß, auch wenn es gar nicht lustig war.
„Noel.“, sagte sie ernst und sah ihm fest in die Augen. Seine Augen waren eigentlich blau...
„Es spielt keine Rolle.“, sagte der Vampir und wandte seinen Blick von ihr ab.Voller Zorn griff sie über den Tresen hinweg und packte sein Kinn, um ihn zu zwingen sie anzusehen.
„Warum verdammt noch mal, bist du ein Vampir?“, fauchte sie. Er nahm ihre Hand und drückte sie nieder. Ein Knacken ertönte, sie fauchte und sprang über den Tresen. Und obwohl ein Knochen in ihrer Hand gebrochen war, holte sie aus und verpasste ihm einen Schlag.
„Ich warne dich!“, zischte sie. „Ich habe momentan nicht die Nerven für deine Spielchen!“
Überrumpelt starrte der Vampir sie an.
„Seit wann bist du schon so?“, hauchte er. Sie neigte den Kopf. Aus Verwirrung.
„Was meinst du?“, fragte sie gereizt. Noel trat näher an sie heran.
„Seit wann bist du so gewalttätig? Und seit wann fluchst du? Das ist überhaupt nicht deine Art!“, erklärte er. Langsam klärte sich das schwarz in seinen Augen auf. Da waren sie. Seine strahlenden blauen Augen. Zarina schluckte. Wie sehr sie seine Augen geliebt hatte. Sie hatte alles an ihm geliebt, doch diese Zeit war schon lange vorüber.
„Ich bin nicht mehr das kleine, brave Mädchen von damals, Noel. Sieh es ein! Du wusstest was aus mir werden würde, noch bevor ich hierher kam.“
Wieder veränderte sich sein Blick. Er schwelgte in Erinnerungen.
„Du warst immer so begeistert wenn du von ihnen erzählt hast...“, begann Noel leise und schloss die Augen, um sich die Bilder der Vergangenheit ins Gedächtnis zu rufen.
„Schon da habe ich geahnt, was noch alles auf dich zukommen würde! Du hast viel zu viel Sympathie für sie empfunden...Nie hätte ich gedacht, dass du diesen Befehl ausführen würdest.“
Er wollte eigentlich weitersprechen, doch Zarina unterbrach ihn. Wenn auch ein wenig kleinlaut.
„Mir so etwas aufzutragen war grausam! Ich konnte es gerade noch hinnehmen. Als dann der nächste Befehl kam, ich solle...“
Sie stockte.
„Ich hätte ihm nie etwas antun können!“, flüsterte sie.
Noel verzog das Gesicht.
„Hast du mir damals nicht deine Liebe geschworen? Und außerdem...hast du ihn bereits verletzt. Ihm seine Erinnerung zu nehmen ist, wie ich finde, eine weitaus schlimmere Strafe als ihn zu töten!“
Zarina ballerte ihm erneut eine.
„Ich weiß selbst, dass es keine gute Idee war! Aber ich bin nun einmal egoistisch! Ich wollte ihn nicht umbringen und selbst heute würde ich es nicht übers Herz bringen.“, schrie sie.
„Welches Herz?“, flüsterte Noel. Zarina überging diese Bemerkung, weshalb Noel erneut das Wort ergriff.
„Und genau deswegen bist du hier. Du hättest den Befehlen folgen sollen.“
Sie schwieg weiterhin, Noel seufzte.
„Zarina.“, flüsterte er. Aufmerksam und doch zurückhaltend sah sie den Vampir an.
„Hast du dich in ihn verliebt? Hast du deshalb den Befehl missachtet, mir den Rücken zugekehrt und ohne weiteres deine Strafe akzeptiert?“
Seine Worte schmerzten, tapfer nickte sie, doch die Tränen in ihren Augen entgingen ihm nicht.
„Ja.“, hauche sie.
„Süße, ich...“
Er wollte sie bereits in den Arm nehmen, doch sie stieß ihn zurück. In dem Moment sah er ein, dass er sie verletzt und gekränkt hatte. Es war für ihn ungewohnt Schuldgefühle zu empfinden, weshalb sie für ihn unerträglicher waren als für andere. Langsam glaubte er zu verstehen wie Zarina sich fühlte. Sie gab sich auch die Schuld. Und da sie ihn liebte musste es für sie sehr viel schlimmer sein als wie für ihn!
„Ich bin hier, weil ich Anatol verletzt habe.“, sagte er ruhig und wartete auf ihre Reaktion. Sofort waren die Tränen in ihren Augen verschwunden.
„Du hast was?“, flüsterte sie und sah Noel schockiert an. Dieser zuckte jedoch nur mit den Schultern.
„Ich war wütend...weil er dich mir genommen hat.“
Seine Erklärung ließen den Schmerz erneut aufflammen.
„Wenn du so scharf auf Blut bist, kannst du dich meinetwegen gerne den Rest deines Lebens damit beschäftigen.“
Noel machte eine Pause.
„Das waren seine Worte. Tja, nun bin ich ein Vampir.“
„Du bist ein Idiot...“, flüsterte Zarina mit einem traurigen Lächeln auf den Lippen. Noel zog an ihr vorbei.
„Ich wollte sehen wie es dir geht aber ich denke es ist besser, wenn ich jetzt verschwinde. Tut mir leid, das mit uns. Und verzeih mir das ich dir noch mehr Schuldgefühle eingeredet habe.“
Dann war er zur Tür hinaus.

Daryl verstand nur Bahnhof. Wovon, zum Donnerwetter noch mal sprachen die beiden? Er achtete die meiste Zeit nur auf Zarinas Reaktionen, doch als er dann einige Worte aufgegriffen hatte, konzentrierte er sich auch auf die anderen Dinge. Die genauso wichtig waren, wie er feststellte.
Als er sah wie verzweifelt sie zu sein schien wäre er am liebsten zu ihr gegangen, um sie in die Arme zu schließen, doch er schüttelte den Kopf und riss sich zusammen. Warum wollte er das so dringend tun? Warum wollte er ihre Tränen wegwischen? Als er hörte, dass sie verliebt war, fuhr ihm ein Stich durchs Herz. Er musste sich kräftig auf die Zunge beißen um nicht laut zu brüllen. Es kotzte ihn an das zwischen diesem Noel und ihr mal was lief.
Was ist bloß los mit mir?

, fragte er sich und ließ den Kopf in die Hände fallen. Wer...war das eigentlich? Berichtigung: Wer war sie? Der Typ war zwar ein Vampir, jedoch ein verwandelter. Und Zarina war keine Vampirin. Aber ein Mensch war sie auch nicht. Ihre Worte bewiesen es!
Er hatte bereits vor zu verschwinden, doch Noel ging auf die Tür zu, weshalb er sich nicht regte. Schon wieder sah sie so verzweifelt aus. Er schluckte, dann war der Vampir verschwunden. Traurig beobachtete Daryl, wie Zarina sich die Haare aus dem Gesicht strich und sich auf einem der Hocker niederließ.
„Daryl?“, flüsterte sie und sah über ihre Schulter. Um Gottes willen, hatte sie ihn wirklich bemerkt?
„Ich...“, begann er, doch zu seinem Erstaunen lächelte sie schwach und machte eine kurze Geste mit der Hand.
„Lass gut sein. Ich will's gar nicht wissen.“
Ihre barschen Worte ließen seine Stimmung noch ein wenig weiter sinken. Er atmete tief durch und ging zu ihr. Obwohl er mit äußerster Vorsicht an die Sache heran ging, zuckte sie zusammen als er ihr die Hand an die Wange legte.
„Weiß dieser Mann das du ihn liebst?“
Er schluckte. Eifersucht? Die Bedeutung dieses Wortes hatte er eigentlich nie gekannt...
„Nein...“, sagte sie kopfschüttelnd. Eine Träne glitzerte in ihrem Augenwinkel. Ohne zu zögern wischte er sie fort. Warum fühlte sich das so vertraut an? Dieses ewige warum kotzte ihn an!
„Warum sagst du es ihm nicht?“, murmelte er nun.
„Weil ich sein Leben zerstört habe.“, flüsterte sie und drehte ihr Gesicht weg.
„Ich will nicht darüber reden, okay? Das ist eine sehr lange und alte Geschichte...Dieser Mann hat mich schon vor langer Zeit vergessen, also mach dir keine Gedanken, hörst du?“
Daryl schluckte. Er wollte das alles nicht glauben. Sein Blick fiel auf ihren vollen erdbeerroten Kussmund.
„Ich habe keine Ahnung warum es so ist aber ich kann nicht mit ansehen wie du leidest!“
Überrascht sah sie ihn an. Der Glanz war aus ihren Augen verschwunden. Er wollte alles über sie wissen und stand kurz davor, bereits eine Frage zu stellen, doch ihm wurde klar, dass sie sowieso nicht antworten würde. Sie sagte nichts, sah ihn lediglich erwartungsvoll an.
„Wer bist du, Zarina?“, flüsterte Daryl. Wieder trat ein Ausdruck der Verzweiflung und der Trauer in ihre Augen.
„Spielt das eine Rolle?“, flüsterte sie. Daryl hatte sich vorgenommen den Mörder seiner Familie zu finden. Es war zu seinem Lebensziel geworden. Doch auf einmal war Zarina viel wichtiger!
Dabei stand doch seine Familie an erster Stelle! Sie schwieg.
„Zarina!“
Er klang fordernd. Dann legte er ihr die Hand in den Nacken, um sie näher an sich heranzubringen.
„Du bist keine Vampirin. Und auch kein Mensch! Also wer oder was bist du?“
Sie presste die Lippen fest aufeinander und gab Daryl so zu verstehen, dass sie nichts dazu sagen würde.
„Wenn du mir nicht antworten willst, dann tu' mir wenigstens den Gefallen und...schließ deine Augen.“
Der Ausdruck in ihren Augen gab zu verstehen, dass etwas nicht stimmte.
„Vertraust du mir nicht?“, sagte er leise. Zum Beweis schloss sie die Augen.
„Doch...“, flüsterte sie. Sie fragte sich was er vorhatte und überlegte verzweifelt, als sie plötzlich etwas warmes auf ihren Lippen spürte. Als sie begriffen hatte was gerade geschah, wollte sie bereits zurückweichen, doch dann überlegte sie es sich anders. Warum tat er das? Hatte er sie vielleicht doch nicht vergessen? Der bittere Geschmack seiner Lippen und der süße ihrer, ließen sie leise stöhnen. Als ihn die Erkenntnis traf und er sich zurückzog, lief bereits eine einzelne Träne über ihre Wange.
„Zarina...“, flüsterte er. Seine Augen weiteten sich. „Zarina!“, rief er aus und warf sich in ihre Arme. Die Bilder vor seinem geistigen Augen waren der Beweis. Er kannte Zarina!

FÜNF



„Ich...du...“
Zarina lachte. Glücklich. Traurig. Verzweifelt!
„Du weißt also...wer ich bin?“, flüsterte sie und umfasste sein Gesicht mit beiden Händen, um ihm in die Augen sehen zu können.
„Nicht zu fassen, dass ich dich vergessen habe!“
Tränen strömten über seine Wangen, Zarina wischte sie liebevoll weg. Sie sah ihn forschend an. Es war unglaublich das er sich plötzlich an sie erinnern konnte. Doch die Worte die sie vorhin ausgesprochen hatte, schienen ihm schon wieder entfallen zu sein...
Hatte der Kuss etwa dafür gesorgt, dass die Erinnerungen in ihm hochkamen?
„An wie viel kannst du dich erinnern?“, flüsterte sie. Sie hatte Angst. Angst das er dahinter am!
Daryl lächelte. Er war glücklich. Für den Moment jedenfalls. Er hatte sie wieder. Endlich!
„Süße, ich kann mich an alles erinnern!“
Sie schluckte. Und lächelte. Und wurde zugleich traurig.
„Du warst auf einmal weg, nachdem...“
Daryl hielt inne. Und starrte Zarina so schockiert an, dass ihr beinahe wieder Tränen in die Augen gestiegen wären.
„Du hast gesagt du kannst mir helfen...Heißt das, du hast...damit zutun?“
Seine Fassungslosigkeit brach ihr das Herz.
„Daryl, ich...“
Die Tränen liefen bereits über.
„Zarina, bitte!“, flehte er. Sie schluchzte, doch sie versuchte sich zu beruhigen, was ihr auch auf Anhieb gelang.
„Ich kann es dir nicht sagen, Daryl aber...genau deswegen will ich dir helfen!“
Daryl wich zurück. Mehrere Schritte.
„Genau genommen...weiß ich immer noch nicht wer du eigentlich bist.“
Wieder weiteten sich seine Augen.
„Ich sollte dir nicht vertrauen, oder?“, knurrte er.
„Das musst ganz allein du wissen.“, erwiderte Zarina und drehte sich auf dem Hocker um. Die Tür fiel ins Schloss. Und damit öffnete sich das Fenster in ihrem Kopf. Sie lächelte und weinte. Beides zugleich.

Lachend rannten sie durch das riesige Anwesen. Seine Eltern, Arian und Cecile, hatten sie gebeten auf ihre drei Kinder aufzupassen, während sie sich um geschäftliche Dinge kümmerten. Sie schienen geahnt zu haben, dass sie viel mächtiger war als sie alle zusammen. Warum sonst hätten sie ausgerechnet ein Mädchen aussuchen sollen, dass jünger als ihr ältester Sohn war? Daryl und sie waren unzertrennlich. Und dabei fing sie langsam aber sicher an, ihn zu lieben!
Doch dann kam der Tag, an dem man ihr jenen Auftrag gab...
Sie kannte die Gründe nicht. Töte oder du wirst getötet. Das war das Motto. Das Gesetz an das sich jeder zu halten hatte! Sie hatte sie alle lieb gewonnen. Selbst Gina, die nerviger nicht hätte sein können.
Doch sie tat es! Warum auch immer. Sie hatte den Grund für ihr Handeln vergessen. Nicht sehr viel später gab man ihr den Auftrag, auch Daryl zu töten.
Das hatte sie nicht übers Herz gebracht. Stattdessen lauerte sie ihm auf, um ihn dann all seine Erinnerungen zu nehmen. Die Erinnerung an sie, an ihren Spaß, an alles was ausschlaggebend hätte sein können...



Sie würde ihm niemals wieder in die Augen sehen können!
„Daryl...wie weit glaubst du, würde ich für dich gehen?“, flüsterte sie.
Sie hatte zwar die Tür gehört, doch sie spürte seine Anwesenheit und sprach diese Worte deshalb bewusst laut aus. Sie bekam keine Antwort. Nur wenige Sekunden später wusste sie, dass er nicht mehr da war.

Daryl konnte keinen klaren Gedanken fassen. Zwar hatte er Zarina nun wieder, doch was nutzte ihm das, wenn er nicht wusste wer sie nun eigentlich war? Er schluckte. Zum zweiten Mal in seinem Leben hatte er Tränen vergossen. Wie konnte es sein, dass er sie vergessen hatte? Sie und seine Kindheit. Ihre gemeinsame Kindheit!
Er schüttelte den Kopf, denn nun erst wurde ihm klar, was für eine irre Situation das war. Wieso sollte er einfach so die tollen Ereignisse in seinem jungen Leben vergessen? Nach kurzem Überlegen fiel ihm auf, dass er sich erst, nachdem seine Familie ermordet worden war, an nichts mehr erinnern konnte. An nichts aus seiner Kindheit zumindest.
War etwa der Schock den er damals erlitten hatte Schuld daran? So musste es sein! Eine andere Erklärung gab es nicht. Traurig sah er zum Mond. Nein, so war es sicher nicht. Er würde Zarina nie, egal weswegen, vergessen! Sie hatte ihn schließlich immer Trost gespendet wenn er diesen gebraucht hatte. Und sie hatte ihn immer wieder aufgebaut.
Tut mir leid!

, dachte Daryl mit Schuldgefühlen. Ich hätte dich nicht vergessen dürfen!


Doch er wusste nicht, dass es allein ihre Schuld war! Er schloss die Augen. Was war ihr wohl durch den Kopf gegangen als er sie geküsst hatte? Er seufzte leise. Ihre roten Lippen waren so warm gewesen. Weich und süß. Warum hatte ausgerechnet dieser Moment alles wieder zurück geholt? Seine Augen öffneten sich. Sie waren schwarz. Hatte sie wirklich etwas mit dem Mord zutun? Dieser Gedanke war für ihn unerträglich. Mochte ja sein das sie ihm helfen wollte, doch sie hätte ihm auch helfen können, indem sie ihm sagte, was sie wusste! Warum tat sie das nicht? Hatte sie ein Geheimnis? Sicher nicht nur eins...Was verschwieg sie ihm? Daryl sah sich um. Sollte er diesen Noel vielleicht aufsuchen und ihm einige Fragen diesbezüglich stellen? Seine Augen verengten sich. Er war eifersüchtig. Es machte ihn rasend zu wissen, dass Zarina ihn geliebt hatte. Und das auch noch auf Gegenseitigkeit beruhte. Allein schon die Vorstellung wie sie sich küssten ließ ihn laut brüllen.
„Warum so wütend?“
Daryl wirbelte herum und erstarrte augenblicklich zur Salzsäule.
„Jette.“, sagte er ruhig, nachdem er geschluckt hatte. Er hatte diese Frau schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen. Mit besorgtem Blick schritt sie auf ihn zu.
„Warum so ein betrübtes Gesicht?“, flüsterte sie. Als sie ihn erreicht hatte legte sie ihm die Hände auf die Brust. Ihre blauen Augen funkelten und ihre platinblonden Locken wirkten im Mondlicht fast schon weiß.
„Das geht dich nichts an.“, sagte Daryl leise und versuchte, sie zurückzuschieben. Doch sie umschlang mit ihren Armen seinen Hals und vergrub ihr Gesicht an seiner Haut.
„Ich habe dich vermisst, Daryl.“, hauchte sie. Er seufzte und legte ihr seine Hände auf die Schultern.
„Hör gefälligst auf damit, Jette!“, knurrte er und stieß sie zurück.
Mit unschuldigem Blick sah sie zu ihm auf.
„Was meinst du?“
Sie klimperte mit den Wimpern. Wie Daryl das hasste! Dieses Weib hatte es schon seit vielen Jahren auf ihn abgesehen und ließ einfach nicht locker. Er fasste grob ihr Kinn, um ihr Gesicht anzuheben.
„Ich werde niemals Interesse an dir haben, verdammt noch mal!“, knurrte er. Er hatte gar keine Zeit um zu reagieren. Sie warf sich ihm an den Hals und küsste ihn.

Als Zarina die beiden entdeckte legte sie sich die Hand auf den Mund, um die geschockten Laute zu verbergen, die ihr entweichen wollten. Tränen stiegen ihr in die Augen. Wie konnte er es wagen sie zu küssen und dann dieses...eingebildete Weib an sich heranzulassen? Sie stieß ein leises Knurren aus. Hatte er sie vielleicht nur geküsst, um etwas aus ihr herauszubekommen? Wenn ja, dann war er einfach nur unverschämt! Und rücksichtslos...
„Störe ich?“, fragte sie grinsend, mit verschränkten Armen und hochgezogenen Brauen. Daryl erschrak so sehr, dass er einige Schritte zurück stolperte.
„Zarina.“, hauchte er, mit vor Schreck geweiteten Augen. Die Blondine musterte den Rotschopf, wobei ein gefährliches Blitzen in ihren Augen auftauchte.
„Daryl, Schatz, wer ist das?“, fragte sie mit zuckersüßer Stimme. Zarina hätte bei dem Wort „Schatz“ beinahe die Zähne gefletscht, doch sie riss sich zusammen und lächelte ebenfalls zuckersüß.
„Ich bin seine Freundin.“, sagte sie und zog die Brauen erneut hoch. Das machte Daryl genauso sprachlos wie Jette, doch das musste sie nun ignorieren.
„Weißt du...“, begann sie gedehnt und tänzelte auf die Blondine zu. „Daryl hat mir schon oft von einer...nervigen Goldmarie erzählt.“
Zarina musterte die Frau, deren Fingernägel in einem grellen Pink leuchteten.
„Das musst dann wohl du sein.“, beendete sie ihre kleine Rede und sah amüsiert dabei zu, wie Jette von Sekunde zu Sekunde schockierter aussah. Ihr Kopf drehte sich in Daryls Richtung, der sich noch immer nicht von der Stelle rühren konnte.
„Zum Teufel mit dir, warum erfahre ich das erst jetzt?“, brüllte sie. Ihre Augen glühten golden. Daryls Gelassenheit überraschte Zarina, weshalb sie gespannt und auch ein wenig fasziniert die Situation beobachtete.
„Du hättest dich nicht von deinem Vorhaben, mir den Kopf zu verdrehen, abbringen lassen. Es hätte dich nicht gestört.“, erklärte der Vampir. Wieder musterte Jette Zarina.
„Nicht zu fassen, dass du mit diesem hässlichen Ding zusammen bist!“, zischte sie. Zarina ignorierte ihre Worte. Daryl löste sich aus seiner Schockstarre und ging in lässigen Schritten zu Zarina, der er dann den Arm um die Taille legte und sie an sich drückte. Beinahe hätte sie ihn angestarrt.
„Hässlich? Da spricht wohl die Eifersucht aus dir! Du kommst niemals an sie heran.“
Zarina schluckte. Sie wollte nicht das er sie losließ, weshalb sie ihre Hand auf seine legte, die auf ihrer Seite lag. Jette fauchte, bleckte die spitzen Zähne und machte auf dem Absatz kehrt, um sich aus dem Staub zu machen.
Zarina sah zu Daryl auf. Sie war sprachlos.
„Was machst du hier?“
Der Vampir klang wütend, was sie nicht verstand.
„Ich habe Schuldgefühle...und will dir deshalb etwas über mich verraten.“, antwortete sie fast schon flüsternd. Überrascht sah er auf sie herab. Nun er löste er seinen Arm von ihr.
„Wo ist der Haken?“, fragte er misstrauisch. Unsicherheit zeichnete sich in ihren Augen ab.
„Du hast mir damals bedingungslos vertraut. Hat sich das geändert?“
Daryl konnte ihren Ton nicht deuten. Und das gefiel ihm nicht! Sie klang traurig, wütend, verwirrt und verunsichert. Alles zugleich. Er wusste nicht wie er darauf antworten sollte. Es stimmte, er hatte ihr blind vertraut. Ob das wohl ein Fehler gewesen war? Das sie ihm allerdings nicht erzählen wollte was sie wusste, ließ ihn misstrauisch werden. Er seufzte und ging nicht auf ihre Frage ein.
„Ich muss dir danken. Du hast mir Jette vom Hals geschafft.“, sagte er leise, ohne sie anzusehen.
„Jette? Du meinst diese...Blondine?“
Sie hatte vor sie zu beleidigen, und zwar aufs übelste, doch sie schluckte das Wort und beließ es bei Blondine. Daryl nickte. Er wünschte sich vom Herzen, dass sie eifersüchtig war!
„Sie hat es schon seit Jahren auf mich abgesehen. Dein Timing ist wirklich perfekt.“
Zarina wandte den Blick von ihm ab.
„Dann hat sie dich also geküsst.“, murmelte sie und schloss wütend die Augen.
„Wieso sollte ich mich an sie heranschmeißen, wenn ich dich doch geküsst habe?“
Schlagartig öffneten sich ihre Augen wieder. Sie musterte Daryl aufmerksam. Er lächelte geheimnisvoll.
„Du hast recht, Daryl. Ich bin weder Mensch noch Vampir.“, sagte sie leise, ohne auf seinen Kommentar einzugehen.
„Sondern?“, fragte er und trat näher an sie heran. Sie atmete tief durch. Ihr Herz war in einen wilden Rhythmus geraten und das lag nicht nur daran, dass sie ihm gleich sein Geheimnis verraten würde. Nein, auch seine Nähe brachte sie um den Verstand.
„Zarina.“, drängte Daryl und fasste sie an den Schultern, so, wie er es auch bei Jette gemacht hatte.
„Ich bin ein Engel.“, flüsterte sie mit Tränen in den Augen. „Dein Engel!“

SECHS



Mit ansehen zu müssen wie sie weinte tat ihm im Herzen weh, doch er konnte nichts tun außer die Tränen wegzuwischen und sie in seine Arme zu ziehen.
„Nicht weinen. Das ertrage ich nicht!“
Seine Worte sorgten bei ihr für zuckende Mundwinkel, doch richtig aufmuntern konnte sie das nicht.
„Daryl, ich...es tut mir so leid und...“
„Shht.“, flüsterte er und legte ihr die Hand auf den Kopf. Er hatte keine Ahnung von dem, was sie gesagt hatte.
„Ich kann dir nicht folgen, Kleines. Aber lass uns an einen ruhigen Ort gehen, an dem du mir alles in Ruhe erklären kannst.“
Zarina schniefte und rieb sich die Augen.
„W-Warte einen Augenblick.“, begann sie zögernd und schob Daryl ein Stück zurück.
„Ich...muss nachdenken.“, hauchte sie und legte einen Finger ans Kinn. Eigentlich war es verboten über die Existenz der Himmlischen zu sprechen, es sei denn der Gesprächspartner war selbst ein Engel, allerdings war sie verbannt worden was bedeutete, dass all die Gesetze des Himmels nicht mehr für sie von Bedeutung waren.
„Was ist?“
Daryl war verunsichert und das regte ihn so sehr auf, dass er am liebsten vor Verzweiflung laut gebrüllt hätte.
„Früher war es mir nicht erlaubt darüber zu sprechen, jetzt allerdings dürfte das kein Problem mehr darstellen.“, erwiderte sie und ergriff seine Hand, worauf die beiden wieder dieses kräftige Kribbeln verspürten.
„Kennst du vielleicht einen Ort...an dem uns wirklich niemand stören kann?“
Sein Mund öffnete sich und war mit einem mal so trocken, dass er mehrmals schlucken musste. Am liebsten hätte er sie mit nach Hause genommen, um sie dort festzuhalten, doch er wollte nichts tun, was ihr höchstwahrscheinlich nicht gefallen würde. Er dachte einen Augenblick lang nach. Dann nickte er.
„Am Rande der Stadt liegt ein altes Quartier meiner Eltern. Es steht bereits seit Jahrhunderten leer, weil es bisher nie jemand gewagt hat in die Nähe davon zu kommen.“
Sie lächelte schwach.
„Sehr gut.“
Noch immer hielten sie sich an den Händen.
„Komm.“, sagte Daryl leise und zog sie mit. Zarina sah sich um. Ein ungutes Gefühl überkam sie, doch sie konnte nicht sagen woran es lag.
„Wirst du mir alles erklären?“
Der Vampir hatte keine Ahnung warum er so plötzlich reden wollte, doch er gab dem einfach nach. Hauptsache die Stille erdrückte ihn nicht.
„Genug, damit du verstehst.“, sagte sie geheimnisvoll. Sie musste sich eingestehen das sie panische Angst hatte. Was, wenn er aus ihren Worten schlussfolgern würde, dass ganz allein sie Schuld war?
„Du hast mir gefehlt, Zarina.“
Seine Worten ließen sie stolpern, doch gerade noch rechtzeitig glitt sein Arm höher, zu ihrem Oberarm, damit er sie wieder auf die Beine ziehen konnte.
Warum nur tat das so weh?
Sie sah zu ihm auf und erkannte die Gefühle in seinen Augen. Die Wut, dass sie ihn damals verlassen hatte. Die Trauer, all die Jahre alleine gewesen zu sein. Die Fassungslosigkeit sie nun wieder vor sich zu haben. Und die Freude des Wiedersehens. Schmerz durchbohrte sie. Sie schluckte.
„Du hast mir auch gefehlt.“, flüsterte sie und zwang sich zu einem Lächeln. Sein Gesicht blieb weiterhin unverändert, er wandte den Blick von ihr ab und zog sie weiter, jedoch verspürte sie den Druck, den seine Hand auf ihre ausübte.
„Es...tut mir wirklich leid, Daryl.“, hauchte sie nun, mit Tränen in den Augen. „Es war ein Fehler einfach abzuhauen...Ich hätte dich nicht alleine lassen dürfen. Erst recht nicht zu einem Zeitpunkt, wie...“
Er unterbrach sie, indem er herumwirbelte, ihr seine Hand auf den Mund presste und sich an sie drängte.
„Lass gut sein, Süße!“, knurrte er und sah ihr in die Augen, die sie weit aufgerissen hatte.
„Verzeihung, ich wollte dich nicht erschrecken.“, flüsterte er und nahm die Hand von ihrem Mund. Ohne abzuwarten fuhr er fort.
„Ich will nicht weiter in der Vergangenheit wühlen. Hau...nur einfach nicht wieder ab.“
Sie nickte zaghaft. Sie hatte nicht vor wieder zu verschwinden. Sie wollte bei ihm bleiben, egal was noch kommen würde.
„Versprich mir, dass du bei mir bleibst!“, sagte er dann und nahm ihre Hände. Eindringlich sah Daryl sie an, was sie für einen Moment sprachlos machte.
„Ich verspreche dir, dass ich bei dir bleiben werde!“, sagte sie leise und lächelte. Das schien ihn zu beruhigen, denn er ließ sie los, drehte sich um und ging weiter.
„Du hast dich verändert...“, sagte Daryl irgendwann, während sie durch einen dichten Wald liefen. Zarina antwortete nicht, denn sie wusste nicht, ob er ihr Aussehen meinte oder ihren Charakter. Der Vampir fuhr fort.
„Du bist still geworden. Bist alles andere als lebhaft und dennoch voller Gewalt...Und dein Aussehen hat sich verändert.“
Er sah über seine Schulter und musterte sie. Sie war größer geworden, vielleicht war sie jetzt etwas über eins siebzig, und ihre Kurven waren noch üppiger geworden. Obwohl ihr Gesicht doch das selbe wie früher war, hatte es nun einen ganz anderen Eindruck auf ihn. Vielleicht lag es ja an ihren Haaren? Einst waren sie kinnlang, tiefschwarz und zerzaust, nun aber waren sie rot und reichten ihr bis an die Hüften. In diesem Moment hatte sie sie zu einem langen Zopf gebunden, einige Strähnen hatten sich jedoch gelöst und waren ihr ins Gesicht gefallen. Die Frage ob ihm das nicht gefiel spiegelte sich in ihren Augen. Daryl fand sie damals schon hübsch, nun allerdings wäre er steif geworden wenn er sich vorgestellt hätte wie sie nackt aussah.
„Du bist verdammt hübsch geworden!“, sagte er leise und lächelte.
„Danke. Aus dir ist aber auch was geworden.“
Sie beschleunigte ein wenig, um neben ihn hergehen zu können. Sie streckte die Hand aus um sie auf seine Brust legen zu können. Das brachte ihn dazu stehenzubleiben. Irritiert beobachtete er, wie ihre Hand tiefer glitt. Sie konnte deutlich die Muskeln unter seiner Haut spüren.
„Aus dir ist ein echter Mann geworden.“, murmelte sie lächelnd. Über seinem Hosenbund hielten ihre Fingerspitzen inne. Sie zog die Hand zurück und hob den Blick.
„Lass uns hier bleiben. Es gefällt mir hier.“, sagte sie.
Er war verwirrt, konnte aber nicht widerstehen und nickte deshalb. Zarina lächelte zufrieden, sammelte ein paar trockene Äste vom Waldboden auf und legte sie dann auf einen Haufen. Mit einem Fingerschnippen entzündete sich ein Feuer. Daryl zog die Brauen hoch. Irgendwie beeindruckte ihn das.
„Was hast du in all den Jahren so gemacht?“, fragte sie neugierig und ließ sich im Schneidersitz auf dem Boden nieder. Daryl war ein wenig überfordert mit der Situation, dennoch ließ er sich neben ihr an einem Baumstamm nieder. Er schloss die Augen, winkelte ein Bein an und legte seinen Arm dann auf sein Knie.
„Ich war mal hier, mal da, immer auf der Suche...“, sagte er leise.
Er wollte sie nicht ansehen. Er hatte so viele Morde begangen...Was würde sie wohl dazu sagen?
„Und du?“
Nachdenklich starrte sie ins Feuer.
„Ich bin von Land zu Land, von Stadt zu Stadt, auf der Suche nach einem Ort, an dem ich Ruhe finde. Ich habe das Lynx

erst seit einem Monat am laufen. Ich weiß nicht wie lange ich hier bleiben werde. Vielleicht für immer? Wobei ich es bezweifle...“
Geistesabwesend sprach sie die Worte aus. Sie dachte verzweifelt darüber nach, wie sie ihm erklären konnte das...
„Du hast gesagt du bist ein Engel.“, sagte Daryl plötzlich und riss sie somit aus den Gedanken.
So ein Mist!

, dachte sie. Sie hatte noch keine Worte parat, weshalb sie sich langsam erhob. Daryls Augen verengten sich, denn er wurde misstrauisch. Was hatte sie vor? Sie atmete tief durch und entfaltete dann ihre schwarzen Schwingen. Fassungslos starrte er auf die riesigen Flügel, die eine Spannweite von fast vier Metern hatten.
„Ein gefallener Engel um genau zu sein.“, sagte sie mit ausdruckslosem Gesicht und faltete die dunkle Federnpracht im Rücken zusammen. Sie ließ sich vor Daryl nieder und betrachtete forschend sein Gesicht. Er sah geschockt und fassungslos aus. Sie hob die Hand um sein Gesicht zu berühren, doch mit einem mal bewegte er sich. Und zwar so schnell, dass sie der Bewegung kaum folgen konnte. Vorsichtig strichen seiner Fingerkuppen über das Federkleid. Sie erzitterte, hinderte ihn aber nicht daran.
„Du hast gesagt...dein Engel. Was bedeutet das?“
Seine Augen suchten ihren Blick. Sie schluckte und legte die Hände in den Schoß. Langsam senkte sie den Blick. Zarina ahnte, dass er eine Menge Fragen haben würde.
„Es bedeutet...das ich für deine Sicherheit zuständig war.“, erklärte sie mit gedämpfter Stimme.
„Du meinst...wie ein Schutzengel?“
Sie musste nicht aufsehen um zu wissen, dass er verwirrt aussah. Sie hörte es anhand des Tonfalls seiner Stimme. Zarina nickte.
„Ja.“
„Ist das noch immer so?“, wollte er nun wissen.
Nun schüttelte sie den Kopf.
„Nein. Ich sagte doch ich bin ein gefallener Engel. Ich wurde verbannt...“
Er neigte den Kopf und zog seine Finger zurück.
„Erzählst du mir davon?“, fragte er leise und legte seine Hand nun an ihre Wange. Sie genoss die Berührung und schloss die Augen.
„Einst gab man mir den Befehl auf einen kleinen Jungen Acht zu geben. Ich war ein wenig verwirrt als ich erfahren habe, dass dieser Junge ein Vampir ist. Schließlich sind Vampire in der Lage auf sich selbst aufzupassen. Aus der Ferne habe ich also auf dich aufgepasst, als mich irgendwann deine Eltern bemerkt haben. Ich habe keine Ahnung ob sie wussten wer oder was ich war aber ich habe zugesagt als sie mich gefragt haben, ob ich auf ihre Kinder aufpassen könnte.
Es hatte schließlich Vorteile. Man hat mich verbannt, weil...ich euch alle wirklich lieb gewonnen habe und es verboten ist, Gefühle für...Lebewesen zu empfinden, die auf der Erde leben.“
Daryls Augen weiteten sich.
„Ihr dürft...keine Gefühle besitzen? Und...nur weil du uns nett gefunden hast, wurdest du verbannt?“
Er brachte die Worte kaum über die Lippen. Daryl war einfach nur verwirrt und überfordert. Sie seufzte leise und ließ den Kopf zurückfallen.
„Es ist nicht einfach zu erklären...“, begann sie. Die Wipfel der Bäume versperrten ihr die Sicht auf den Himmel. Das Feuer knisterte.
„Ich habe Zeit.“, sagte Daryl, packte ihre Arme und zog sie mit einem Ruck an sich. Er umschlang sie mit seinen Armen und drückte sie an seine Brust.
„Vor vielen Jahrhunderten habe ich Noel geliebt. Er war auch ein Engel und Liebe unter Engeln ist erlaubt. Wäre er aber ein Mensch oder ein Vampir gewesen, wäre es ein Verstoß gegen das Gesetz gewesen.“
Ihre Worte ließen ihn kurz nachdenken.
„Ich verstehe.“, sagte er schließlich. „Jegliche Gefühle sind verboten, es sei denn diese Gefühle richten sich gegen einen Himmlischen, habe ich das richtig verstanden?“
Sie nickte, wobei ihn ihre Haare am Hals kitzelten.
„Ja.“
Sie holte tief Luft und legte dann den Kopf in den Nacken.
„Es tut mir leid das ich abgehauen bin! Aber ich hoffe du verstehst...das ich einfach nur am Ende war, als sie mich verbannt haben.“
Daryl legte den Finger unter ihr Kinn und drückte ihr seine Lippen für einen kurzen Moment auf die Stirn.
„Verdammt noch mal, vergiss endlich die Vergangenheit! Nur das Hier und Jetzt zählt, hörst du?“
Lächelnd nickte sie, dann schwiegen beide. Ein wenig müde schmiegte sie sich an ihn. Daryl lachte leise.
„Früher hast du dich auch immer so an mich geschmiegt, und zwar immer wenn du müde warst.“
Ihre Mundwinkel gingen in die Höhe.
„Ich komme in letzter Zeit einfach nicht zur Ruhe...“, flüsterte sie.
Zarina spürte seine Hand, die langsam, ganz langsam ihr Rückgrat auf und ab fuhr.
„Ruh dich aus. Ich werde auf dich aufpassen.“, hauchte er.
Ihr Lächeln wurde breiter. Romantik war nicht so ihr Ding, doch sie freute sich über seine Worte.
„Genau das wollte ich hören.“, nuschelte sie an seiner Brust. Es dauerte nicht lange, da war sie eingeschlafen.

SIEBEN



Als Zarina aufwachte fand sie sich weder in Daryls Armen, noch im Wald wieder, sondern in einem riesigen Bett mit seidener Bettwäsche. Sie ließ den Blick schweifen und setzte sich vor Schreck so ruckartig auf, dass ihr schwindelig wurde. Sie wusste wo sie war!
Die dunkelroten Wände, die goldenen Kronleuchter und die große Statue eines Drachen in der Ecke. All das gehörte zum Schlafzimmer von Arian und Cecile!
In all den Jahren hatte sich nichts verändert. Bis auf die Bewohner...
Daryl trat, so gut wie nackt aus dem Bad, das an den Raum angrenzte. Er hatte lediglich ein Handtuch um seine Hüften gebunden.
„Guten Morgen.“, sagte er mit einem strahlenden Lächeln. Verwirrt starrte sie ihn an, während er auf sie zukam. Leise lachend beugte er sich vor, damit er ihre Stirn küssen konnte. Dabei tropfte das Wasser seiner nassen Haare genau auf ihr Dekolleté. Sie konnte ein Kichern nicht unterdrücken und umschlang mit einem Arm seinen Hals.
„Du hast mich umgezogen.“, sagte sie leise und sah ihm dabei fest in die Augen. Glaubte er etwa sie würde nicht merken, dass sie nur ein kurzes Hemdchen und eine kurze Hose trug? Er lächelte spitzbübisch.
„In deinen Sachen wäre es unbequem gewesen!“, sagte er und lehnte sich wieder zurück. Leise lachend rieb Zarina sich den Schlaf aus den Augen.
„Ich hätte nicht gedacht, dass du noch immer hier lebst.“, murmelte sie nachdenklich. Zarina schluckte. Am liebsten hätte sie nun jeden Zentimeter seines Körpers genau betrachtet, doch sie wollte damit warten. Zumindest so lange, bis er es nicht bemerken würde! Daryls Blick veränderte sich. Er drehte den Kopf zur Seite, wobei einige Sehnen an seinem Hals hervortraten. Zarina biss sich auf die Lippe.
„Wieso sollte ich von hier weg wollen? Schließlich ist das hier mein Zuhause.“, sagte er und sah aus dem Fenster. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel. Sie konnte es sich nicht verkneifen. Langsam ließ sie ihren Blick über seinen Körper schweifen.
Seine Brust wies keinerlei Behaarung auf, doch von seinem Bauchnabel an zog sich ein schmaler Pfad aus feinen dunklen Härchen nach unten, bis er unter dem Handtuch verschwand. Seine Bauchmuskeln wölbten sich unter seiner cremefarbenen Haut und spannten sich mit einem mal an. Erschrocken hob sie den Blick. Er hatte ihr Starren bemerkt und musterte sie dementsprechend argwöhnisch. Sie wollte sich entschuldigen, doch stattdessen entschied sie sich dazu frech zu grinsen. Daryls Augenlider senkten sich ein wenig.
Verdammt!

, dachte Zarina und biss sich auf die Zunge.
„Sehen eigentlich alle Vampire so heiß aus?“, sagte sie grinsend, ehe er etwas sagen konnte.
„Noel ist auch ein Vampir, also sag du's mir.“, erwiderte er.
Sie bemerkte, dass der Unterton seiner Stimme nach Wut klang. Sie zuckte mit den Schultern und lächelte.
„Noel sieht gut aus, ja aber...du übertriffst wirklich jeden Mann, den ich je nackt...fast nackt gesehen habe!“
Das schien ihn fröhlich zu stimmen, sein arrogantes Grinsen bewies es.
„Ach, ist das so?“, sagte er leise. Irgendetwas in seiner Stimme jagte ihr einen Schauer über den Rücken.
„Allerdings.“, bestätigte Zarina mit einem Nicken. Dann neigte sie mit einem hinterlistigen Lächeln auf den Lippen den Kopf.
„Ich bin neugierig.“, begann sie. Das Lächeln verwandelte sich in ein Grinsen.
„Was...oder besser gesagt wie viel, befindet sich denn unter dem Handtuch?“
Daryl war nicht in der Lage sich zu bewegen, geschweige denn darauf zu antworten.
„Sag nicht, ich habe dich sprachlos gemacht!“, sagte sie lachend und stieg aus dem Bett. Langsam und in eleganten Schritten ging sie auf den Vampir zu. Noch immer war er wie versteinert. Direkt vor ihm blieb sie stehen. Schon als er noch ein kleiner Junge war hatte er sie fasziniert, doch als Mann übte er eine solche Faszination auf sie aus, dass sie nicht anders konnte als ihre...versteckte Persönlichkeit ans Licht zu bringen. Lächelnd ließ sie ihre Fingerspitzen über seine Muskeln gleiten.
„Ich bin mir ziemlich sicher das du nicht trainierst. Also wie viele Kämpfe hast du ausgetragen, um solche Muskeln zu bekommen?“, hauchte sie und sah zu ihm auf. Das männliche Lächeln das seine Lippen umspielte hätte Eis zum Schmelzen bringen können. Auch wenn es arrogant war.
Das leise Lachen das in seiner Kehle aufstieg, ließ sie die Brauen hochziehen.
„Ich habe so viel Ärger am Arsch, dass mir kaum Zeit zum Ausruhen bleibt!“
Daryl erkannte sofort, dass sich anfing sich deshalb zu sorgen. Lächelnd strich er ihr die Haare aus dem Gesicht.
„Süße, sehe ich so schwach aus?“
Zarina ließ den Kopf in den Nacken fallen und legte ihm beide Hände auf die Brust.
„Du hast dich damals schon immer in Gefahr begeben, scheint als hätte sich daran nichts geändert.“
Daryl war über eins neunzig groß, er musste sich ein wenig vorbeugen um sie auf die Wange küssen zu können.
„Wenn du willst nehme ich dich auf einen meiner Streifzüge mit. Dann siehst du wie lächerlich die Gefahr ist.“
Sie zog die Brauen wieder hoch. Daryl umschlang mit seinen Armen ihre Taille, worauf sie sich ein Stück zurücklehnte, um ihn noch besser ansehen zu können.
„Und was genau machst du auf diesen Streifzügen?“, flüsterte sie. Er grinste. Sie klang als wolle sie ihn verführen, doch der Ausdruck in ihren Augen passte nicht.
„Ich genehmige mir den ein oder anderen Drink, stifte ein bisschen Ärger und bewache mein Revier.“
Bei Vampiren, männlichen Vampiren um genau zu sein, bedeutete ein Drink, eine Frau. Und natürlich gefiel Zarina das nicht. Mit den Fingern zeichnete sie unsichtbare Muster auf seine Brust.
„Ich habe dich noch nie Blut trinken sehen.“, sagte sie leise. Warum nur fiel es ihr auf einmal so schwer, ihm in die Augen zu sehen?
„Würdest du es gerne sehen?“, fragte er und verstärkte seinen Griff.
„Nein.“, flüsterte Zarina. Ihre Antwort überraschte ihn, doch ihre folgenden Worte überraschten ihn noch mehr.
„Ich will, dass du von mir trinkst, Daryl!“, hauchte sie und sah zu ihm auf.
„Ich ertrage es nicht, wenn sich dir eine andere Frau an den Hals wirft! So wie diese...Blondine!“
Die letzten Worte spuckte sie regelrecht aus, was ihn zwar amüsierte, dennoch nicht drumherum kamen ließ sich zu fragen, warum sie so eifersüchtig reagierte. Immerhin ging es hier nur um seine Nahrung. Traurig sah Daryl sie an. Seine Hand legte sich an ihre Wange.
„Süße, weißt du wie schrecklich es ist zu wissen, dass du, ohne es zu wollen einen Unschuldigen töten könntest?“
Zarina blieb ernst. Vielleicht zu ernst?
„Ich könnte dich auch töten, Süßer!“, sagte sie und legte ihre Hand ebenfalls an seine Wange.
„Ich bin mit meinen himmlischen Kräften stärker als jeder Vampir. Und auch stärker als du!“
Nun sank seine Laune endgültig in den Keller. Ihm schien, als würde sie, oder vielleicht auch er selbst, eine Diskussion beginnen.
„Du verstehst das nicht, Zarina, ich...“
Er schob die Frau zurück und wandte sich ab. Ständig warf er ihr finstere Blicke zu. Sie unterbrach ihn.
„Ich weiß genau worauf du hinaus willst!“, fauchte sie. Er kehrte ihr den Rücken zu, doch in großen Schritten war sie bei ihm. Sie packte ihn am Arm und drehte ihn dann zu sich um. Ein gefährliches Lächeln lag auf ihren Lippen. Wollte sie ihn herausfordern?
„Um einen Himmlischen zu töten bedarf es schon ein bisschen mehr, als nur ein wenig Blutverlust!“
Daryl seufzte und gab seine Haltung auf. Seine Muskeln lockerten sich und er rieb sich die Augen.
„Warum eigentlich diese Diskussion?“, murmelte er. So sehr er diese Frau auch mochte...liebte, sie raubte einem dennoch den letzten Nerv.
„Ich ertrage den Gedanken nicht, dass eine andere Frau in deinen Armen liegt!“, sagte sie ohne zu zögern. Sie klang so selbstbewusst, dass er nicht anders konnte als zu lächeln.
„Liege ich dir etwa so sehr am Herzen?“, fragte er leise und kam ihr wieder näher.
Na endlich!

, dachte Zarina. Sie ertrug die Distanz zwischen ihnen einfach nicht. Wieder sah sie zu ihm auf.
„Ich war damals ein Kind. Ein junger und unerfahrener Engel. Ein unbeschriebenes Blatt. Ich habe Liebe für jemanden empfunden, den ich seit meiner Geburt kannte. Doch als ich hierher kam habe ich so viel neues gelernt. Ich habe plötzlich Dinge gefühlt, die ich nicht kannte. Jemanden kennenlernen. Ganz langsam herauszufinden wie jemand ist, was er mag und was nicht. Ihn anfangen zu mögen. All das ist so viel aufregender und schöner als jemanden ohne...plausiblem Grund zu lieben!“
Fassungslos sah Daryl die Gefallene an, doch sie war noch nicht fertig!
„Du hast mir gezeigt wie man lebt, Daryl! Ich habe gekämpft, mich widersetzt und wurde bestraft. Aber all das...ist zwar schrecklich aber...tausend mal besser als so zu tun, als sei man...jemand, der keine Gefühle besitzt!“
Sie umarmte ihn so plötzlich und heftig, dass beide ins Taumeln gerieten, das Gleichgewicht verloren und zu Boden gingen. Sie hatte in ihrem Redefluss völlig vergessen worauf sie eigentlich hinaus wollte. Tränen rannen ihr über die Wangen.
„Ja, du liegst mir am Herzen, Daryl! Denn du hast mir so vieles gezeigt und beigebracht.“
Daryl schluckte. Ihr Hemdchen war hochgerutscht, sein Handtuch hatte er verloren. Nun lagen sie da. Haut an Haut, Herz an Herz. Es traf ihn wie ein Schlag.
„Du bist verdammt noch mal eifersüchtig!“, stellte er fast schon knurrend fest. Sie wich seinem Blick aus, stützte sich mit ihren Händen auf seiner Brust ab und setzte sich langsam auf.
Ihr war bewusst in was für einer...eindeutigen Position sie sich befanden, ebenso wie ihm, doch es war ja keiner hier.
„So eifersüchtig, dass ich Jette am liebsten meine Faust in ihren Magen gerammt und ihr Gesicht entstellt hätte!“, gab sie leise zu. Ihre Hände auf seiner Brust ballten sich zu Fäusten. Daryl lachte leise. Er setzte sich ebenfalls auf, hielt sie aber fest, damit sie in ihrer Position blieb.
„Ich war auch eifersüchtig.“, gab er zu. „Als ich gesehen habe wie vertraut du und Noel miteinander gesprochen habt, hat alles in mir geschrien.“
Nun war auch Zarina sprachlos. Doch dann fiel ihr etwas auf. Warum hatte sie es nicht vorher bemerkt? Seine Augen waren tiefschwarz. Nichts war in ihnen zu erkennen, bis auf...
„Deine Augen.“, flüsterte sie. Zart fuhren ihre Finger über seine Haut, die sich über seine Wangenknochen spannte. Seine Augen schlossen und sein Kopf neigte sich, womit er sich vollends ihrer Berührung hingab.
„Ich habe seit einer Woche keine Nahrung mehr zu mir genommen.“, flüsterte er. Er brachte Nahrung. Und Schlaf. Und zwar so schnell wie möglich! Die ganze Nacht lang hatte er auf die Frau Acht gegeben, ohne Rücksicht auf sich selbst. War das etwa Verzweiflung die sie in seinen Augen sah? Sie legte die Arme auf seine Schultern, lehnte sich an ihn und bot ihm ihren Hals dar. Daryl war verwirrt. Und schockiert. Was waren ihre Beweggründe?
„Zarina, ich...ich kann nicht, ich...würde dir weh tun!“
Warum war er so verzweifelt? Wieder neigte sie den Kopf, dieses mal so, dass sie ihn ansehen konnte.
„Ich bin kein kleines Mädchen, Daryl, sondern eine Frau! Und als Frau bin ich in der Lage all meine Entscheidungen zu überdenken und um mir um mögliche Konsequenzen Gedanken zu machen.“
Seine Augen wanderten unruhig hin und her, er wusste nicht wie er reagieren sollte.
„Ich scheiß auf die Schmerzen! Und nun beeil dich, man sieht dir deine Erschöpfung bis in die Haarspitzen an!“
Wieder positionierte sie sich so, dass ihre Kehle direkt über seinem Mund lag. Er schluckte. Seine Fänge schossen hervor, der Geruch ihres Blutes drang in seine Nase und das Pochen ihres Herzens in seine Ohren. Seine Hand legte sich in ihren Nacken. Er wollte sie noch näher bei sich haben!
„Zarina! Zwing mich nicht dazu...“
Sie nutzte die Gelegenheit und schaffte es durch eine geschickte Bewegung, sich den Fingern an seinen Fängen aufzureißen. Er konnte gar nicht schnell genug reagieren, da hatte sie ihren Finger auch schon in seinen Mund geschoben. Im ersten Moment fand er ihr Handeln erschreckend, doch der Tropfen Blut auf seiner Zunge ließen ihn ruhiger werden. Für den ersten Moment jedenfalls. Er seufzte, umfasste ihre Hand mit seiner und begann, an ihrem Finger zu saugen. Sie lächelte.
„Das ist zu wenig, Daryl! Du brauchst mehr.“
Er wusste das sie recht hatte, er sah es ein! Mit einem Knurren packte er ihr Genick.
„Zarina, ich...weiß nicht ob ich mich unter Kontrolle halten kann.“
Seine Worte jagten ihr keine Angst ein. Und sie würden es auch nie!
„Du kannst mich nicht umbringen. Und du würdest es auch nicht!“
So sehr er ihrem Blut auch schon verfallen war, ihre Worte drangen dennoch zu ihm durch. Sie vertraute ihm. Sie vertraute ihm ihr Leben an! Und deshalb vertraute er auf ihre Worte! Er vertraute darauf, ihr keinen großen Schaden zuzufügen! Mit einem animalischen Knurren versengte er seine Zähne in ihr zartes Fleisch. Trotz des stechenden Schmerzes in ihrer Kehle stöhnte sie. Ihre Fingernägel kratzten über seine Haut. Hinterließen Furchen aus denen Blut austrat. Sie hörte deutlich sein Schlucken. Sie spürte die Erregung, die tief in ihm pulsierte. Sie grinste in sich hinein, rutschte ein Stück, verlagerte ihr Gewicht und ließ ihre Hand wandern. So weit, bis sie schließlich sein steifes Glied in der Hand hielt. Sie drückte zu und lachte leise auf.
„Verdammte Scheiße, das hätten wir schon viel eher tun sollen.“
Daryl schrie auf und stieß seine Fänge erneut in ihre Haut. Zarina keuchte, ihre Hand löste sich von seinem harten und heiß pulsierendem Schwanz. Stattdessen verkrallten sich ihre Hände in seinem dichten Haar und rissen seinen Kopf zurück. So wie auch er benutzte sie rohe Gewalt, um ihre Lippen auf seine zu pressen.
Liebe mich! Liebe mich, so wie ich dich liebe!


Niemals würde sie ihre Gedanken laut aussprechen! Nicht, bevor er sie nicht endgültig vergessen hatte! Ihr Blut klebte an seinen Lippen, sie schmeckte den metallischen Geschmack. Sie wäre gerne ein bisschen zärtlicher geworden, doch der starke Griff seiner Hände an ihrer Taille ließen sie an ihrer Entscheidung zweifeln. Daryl stöhnte leise, seine Finger gruben sich in ihr Fleisch. Sie konnte nicht anders, sie musste ihn ansehen. Ihre Lippen lösten sich von seinen, sie sah ihm tief in die Augen und strich ihm einige Haarsträhnen aus die Stirn. Daryl keuchte und sah sie völlig überrumpelt an. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie so in die Offensive gehen würde. Nachdem sich sein Atem beruhigt hatte und seine Fänge verschwunden waren, küsste sie ihn erneut. Dieses mal aber voller Gefühl. Seine Hände umfassten sein Gesicht. Ihre Lippen fühlten sich genauso weich an, wie sie aussahen. Und ihr Geschmack erst! Sie schmeckte nach Sonnenschein und Regen.
Sie widersprach sich. Sie war ein liebes Mädchen und doch ein Teufelsweib!
„Damals hättest du dich das nicht getraut.“, murmelte er in den Kuss hinein.
„Wir waren Kinder, Daryl. Ich war ein Kind! Und Kinder haben weder Ahnung von Gefühlen, noch von dem...was wir hier gerade tun.“, flüsterte Zarina.
„Nur ein Kind, hm?“, murmelte der Vampir. „Wie alt warst du damals?“, wollte er wissen.
Sie dachte nach und lehnte sich dann ein Stück zurück.
„Ungefähr ein paar hundert Jahre.“, erwiderte sie schließlich. Daryl schwieg. Das mochte zwar viel klingen, war für Himmlische jedoch nur ein Wimpernschlag.
„Und du?“, fragte sie. Er schloss die Augen und erinnerte sich zurück.
„Etwas über hundert, vielleicht.“, murmelte er. Es mochte verrückt klingen, doch Vampire entwickelten sich unglaublich langsam! Erst wenn sie das Aussehen eines jungen Erwachsenen erreicht hatten, hörten sie auf zu altern. Das war der Grund, warum kein Vampir weder Falten, noch graue Haare hatte. Bei den Himmlischen jedoch war es anders. Sie alterten, zwar unglaublich langsam aber es passierte. Bei Zarina allerdings nicht! Sie war eine Meisterin des Zaubers, was so gut wie niemand wusste. Der Zauber den sie bei sich selbst angewandt hatte würde sie für immer jung aussehen lassen. Wäre doch schrecklich gewesen wenn sie einen Mann gehabt hätte, dessen Aussehen sich nicht veränderte, ihres aber schon!
„Kaum zu glauben, dass du älter sein sollst als ich.“, hauchte Daryl fassungslos. Zarina kicherte.
„Was macht das denn schon? Man sieht mir mein Alter schließlich nicht an.“
Der Vampir lächelte und umschlang sie wieder mit seinen Armen. Erst jetzt bemerkte er, wie müde er eigentlich war. Zarina bemerkte es.
„Ruh dich aus.“, sagte sie liebevoll und lächelte ihn an. Ernst sah er sie an. Er hatte ein wenig Angst, auch wenn er es nicht zugeben würde. Was, wenn sie wieder verschwand? Sie schien seine Gedanken zu erahnen.
„Keine Sorge.“, sagte sie und streichelte seine Wange. „Ich werde hier bleiben und auf dich aufpassen, so wie du es auch bei mir gemacht hast.“
Zu seinem eigenen Erstaunen beruhigte ihn das tatsächlich! Für einen kurzen Moment gab er sich wieder ihrer Berührung hin, dann schob er sie von sich damit er langsam aufstehen konnte. Zarina grinste und musterte ihn ausgiebig. Er hatte wirklich einen Traum von einem Körper! Nicht ein Gramm Fett, nur pure Muskelmasse unter seiner makellosen blassen Haut. Bei jeder seiner Bewegungen beobachtete sie das Spiel der Muskeln unter seiner Haut. Sie leckte sich über die Lippen. Als er ihr den Rücken zukehrte, biss sie sich auf die Lippe. Von Hinten sah er genauso unglaublich aus! Plötzlich sah er über seine Schulter. Wieder erschreckte sie sich, denn er hatte sie schon wieder erwischt. Er grinste. So männlich und arrogant, wie nur er es konnte.
„Du kannst dich gerne ein bisschen im Haus umsehen, auch wenn sich kaum etwas verändert hat.“
Sie lächelte, froh darüber wieder Zuhause zu sein. Ja, sie betrachtete diesen Ort als ihr Zuhause, schließlich war sie hier groß geworden. Hier hatte sie gelernt zu leben. Hier hatte sie ihre Fehler begangen...In schnellen Schritten war sie bei ihm. Sie küsste ihn auf die Wange. Ein leises „Danke“ war zu hören, dann hatte sie das Zimmer verlassen. Daryl lächelte. Er hatte die Freude in ihren Augen gesehen. War es die Freude wieder hier zu sein? Er wusste es nicht und es war ihm auch egal. Ihm war alles egal, solange es Zarina gut ging!

ACHT



Ohne sich zu bewegen starrte Zarina die Einganghalle an. Nichts deutete mehr darauf hin, dass sie hier damals ein Blutbad angerichtet hatte. Sie schloss die Augen und rief sich die Bilder der Vergangenheit ins Gedächtnis. Sie erinnerte sich daran wie unerbittlich sie damals gegeneinander gekämpft hatten. Selbst Gina, Daryls kleine Schwester, hatte alles versucht um sie zu töten und sich selbst am Leben zu erhalten. Gina war vielleicht erst an die fünfzig Jahre alt gewesen, viel für ein Kind, wenig für alle anderen, doch sie war so schnell gewesen, dass Zarina ihr die Augen herausreißen musste, um sich selbst somit einen kleinen Vorteil zu verschaffen.
Im Grunde genommen war es egal ob Vampire etwas sahen oder nicht, sie hatten auch noch ihre anderen Sinne, mit denen sie sich prima orientieren konnten.
Eine Träne lief über Zarinas Wange. Es war als würde sie ihre verzweifelten Schreie noch immer hören. Lucien hatte sie herzlos attackiert, doch wie sollte es auch anders sein, sie hatte schließlich den Kampf begonnen. Sie hatte sein Gesicht entstellt, ebenfalls in der Hoffnung so einen Vorteil zu haben. Am schwierigsten jedoch waren ihre Eltern. Es waren wahre Meistervampire gewesen.
Arian einfach den Kopf abzureißen war gar nicht mal so einfach gewesen...
Warum hatte sie das eigentlich getan? Wollte sie so unbedingt ein Engel bleiben, dass sie deshalb einfach ihre zweite Familie getötet hat? Sie selbst hatte ihre Eltern nie kennengelernt. Soweit sie sich erinnern konnte hatte sich immer Noel um sie gekümmert. Hatte sie ihn deshalb geliebt? War es vielleicht gar keine bedingungslose Liebe, sondern nur die Liebe zu einem „Familienmitglied“?
Einfach nur Dankbarkeit, dass er sich so um sie gekümmert hatte? Sie hatte ihm bedingungslose Liebe geschworen. Gesagt wie sehr sie ihn liebte, allein schon weil er bei ihr war, doch langsam begriff sie, dass es nur die Art der Liebe war, die man beispielsweise bei einem Bruder empfand.
Sie hatte auch Lucien geliebt. Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag. Hatte sie all die Jahre in Noel wirklich nur einen Bruder gesehen? Einen großen Bruder, der sich um seine kleine Schwester kümmerte?
Ja!

, dachte sie. Sie war entschlossen. Sie war sich sicher. Sie wusste, dass dem wirklich so war!
Zarinas Augen öffneten sich und fanden etwas, das nicht in das Bild und in die Stille des friedlichen Hauses passte. Noel lehnte an der riesigen Haustür. Sie blinzelte irritiert.
„Was machst du hier?“, flüsterte sie. Langsam stieg sie die Stufen hinab. Der Vampir sah wütend aus. Großzügig ließ er den Blick schweifen.
„So, hier hast du also den größten Teil deiner Kindheit verbracht.“
Er klang verbittert. Es gefiel ihm nicht, dass sie so lange hier gelebt hatte. Er wollte sie ganz für sich alleine haben!
„Ich hatte zwei Kindheiten. Eine mit dir. Eine mit ihnen.“, sagte Zarina monoton. Sie wurde ernst. War ihr deshalb so komisch gewesen, als sie vorige Nacht mir Daryl im Wald unterwegs war? Hatte Noel sie verfolgt?
„Welche war schöner?“, fragte er. Oh oh. Er klang verärgert. Wütend! Bei genauerem Hinsehen sah sie, dass er bereits vor Zorn bebte.
„Darauf wirst du keine Antwort bekommen.“, sagte sie ausdruckslos. Einige Meter von ihm entfernt blieb die Frau stehen. Noel knurrte leise und fletschte für einen kurzen Moment die Zähne.
„Du bist zu einem törichten Weib heran gewachsen, welches sich von einem Vampir um den Finger wickeln lassen hat!“
Angeekelt stieß er die Worte aus. Zarina stieß ein Fauchen aus.
„Du bist selbst ein Vampir, verdammt! Außerdem hat Daryl mich nicht um den Finger gewickelt. Er hat mir eine Kindheit geschenkt, die deine langweilig und wohlbehütet aussehen lassen hat!“
Zarina wurde unbeabsichtigt lauter. Hoffentlich würde sie Daryl nicht aufwecken. Mit einem Satz war er bei ihr und hatte ihr einen Schlag verpasst. Ihr Kopf wurde durch die Wucht des Schlages zur Seite geworfen.
„Du hast es ihm erzählt!“, hauchte er.
Dieses Flüstern hätte genauso gut auch ein Schrei sein können, es hätte die selbe Wirkung gehabt.
„Nicht alles.“, zischte Zarina und stieß den Vampir kräftig zurück. „Was fällt dir ein mich zu schlagen?“
Die gehauchten Worte hatten die Wucht einer Keule. Nie hatte sie gefährlicher geklungen. Noels Augen weiteten sich beim Klang ihrer Stimme. Mit einem schnellen Griff hatte sie ihn am Kragen gepackt und gegen die nächst beste Wand geworfen.
„Es bleibt mir überlassen wie viel ich von mir preisgebe!“, brüllte sie. Sie war überrascht als sie sah, dass die Wand gegen die Noel gekracht war keinerlei Schäden aufwies, wobei dieses Haus doch schon uralt war. Sie machte einige Schritte in seine Richtung.
„Außerdem geht dich mein Leben nichts mehr an, also verschwinde gefälligst!“
Sie war außer sich und nichts würde daran etwas ändern können! Für den Bruchteil einer Sekunde sah Noel geschockt aus, doch er hatte sich schnell wieder gefasst. Er kam wieder auf die Beine, klopfte sich den Staub ab und musterte Zarina dann ausgiebig. Ihre Miene verfinsterte sich unter seinem Blick. Ihre Lippe war von seinem Schlag aufgeplatzt, da Blut lief bereits über ihr Kinn. Ihre Haare sahen irgendwie zerzaust aus und sie trug nur ein Hemdchen und eine kurze Hose. Sie sah aus, als hätte sie bis vor kurzem noch geschlafen, doch dann fiel ihm die Bisswunde an ihrem Hals auf.
„Du hast diesen Dreckskerl von dir trinken lassen?“, brüllte er. Er stürmte auf sie zu, doch sie wich geschickt aus und griff nach seinem Arm, um diesen dann zu verdrehen. Zischend ging er in die Knie.
„Es gibt nicht viele Engel die den Auftrag zum töten bekommen, doch haben sie erst einmal damit angefangen, könnten sie jederzeit wieder in einen Blutrausch geraten! Du solltest also aufpassen!“, flüsterte sie. Sie war sich ziemlich sicher das sie Daryl aufgeweckt hatten, weshalb sie beschloss ein wenig vorsichtiger zu werden.
„Du bist einfach nur erbärmlich!“, knurrte er. „Egal was du auch sagst oder tust, du wirst mir niemals Angst einjagen!“
Zarina schnaubte und ließ ein kleines Feuer in ihrer Hand aufflammen. Noel zuckte zusammen. Er hatte nicht gewusst, dass Gefallene ihre Kräfte behielten.
„Ich habe nicht vor dir Angst einzujagen, Noel. Ich will lediglich das du aufhörst mich zu beleidigen und von hier verschwindest!“, sagte sie und schloss ihre Finger um seinen Hals.
Er lachte leise und kehlig, was sie irritierte.
„Ich habe eine bessere Idee! Was hältst du davon, wenn wir deinem geliebten Daryl die ganze Wahrheit erzählen?“
Sie bemerkte, dass sich seine Augen auf einen Punkt vor ihnen gerichtet hatten, weshalb auch sie den Blick hob. Sie erschrak und Panik machte sich in ihr breit.
„Nein!“, rief sie aus und presste ihre Hand auf Noels Mund. Daryl stand am Fuße der Treppe und starrte die beiden irritiert an.
„Du wirst ihm nichts sagen!“, zischte Zarina, nachdem sie sich zu Noel hinuntergebeugt hatte. Er biss ihr in die Hand, und zwar so kräftig, dass sie einen Schrei ausstieß. Ruckartig richtete er sich auf, worauf sie zurück taumelte.
„Daryl, willst du wissen was...“, begann Noel grinsend und ging auf die Treppe zu.
„Nein!“, schrie Zarina wieder und streckte die Hand aus. Eine gewaltige Kugel aus Feuer schoss in Noels Richtung und erfasste seine Schulter. Ein lautes Brüllen ging durch die Halle. Ein Schauer überlief sie.
Daryl, ich will ihn nie wieder sehen! Bitte hilf mir!

, dachte Zarina verzweifelt und hoffte, der Vampir mit den grauen Augen würde ihre Gedanken hören. Und tatsächlich! Scheinbar hatte er sie tatsächlich gehört, denn knurrend und mit gefletschten Zähnen ging er auf Noel zu, den er dann packte und zur Tür zog.
„Wenn ich dich Dreckskerl noch einmal bei Zarina sehe, reiße ich dir die Zunge raus und lasse sie dich essen!“
Zarina beobachtete unter Tränen, wie die beiden eine Prügelei anfingen. Sie beleidigten sich gegenseitig bis aufs übelste, weshalb sie sich zwischen die beiden drängte und Noel schließlich aus dem Haus schubste.
„Wage es nicht noch einmal mich zu beleidigen, mich zu schlagen, dich in mein Leben einzumischen oder noch einmal hier aufzukreuzen!“, brüllte sie und schlug ihm die Tür vor der Nase zu.
„Was soll das heißen, er hat dich geschlagen?“
Daryl bebte vor Zorn. Er wollte die Tür bereits wieder aufreißen, doch dann sah er, dass Zarina stumm Tränen vergoss. Sofort zog er sie in seine Arme, um sie dann zu beruhigen. Sofort sprudelten die Worte nur so aus ihr heraus.
„Ja, er hat mich geschlagen aber mach dir keine Gedanken, dafür habe ich ihn gegen die Wand geklatscht.“
Sie legte den Kopf in den Nacken.
„Hör zu, Daryl, bevor du fragst was das Ganze eigentlich soll...“
Sie holte Luft.
„Ich habe in meiner Vergangenheit ziemlich viel Scheiße gebaut und jegliche Dummheiten angestellt, die Noel dir eben verraten wollte. Ich möchte aber nicht, dass je einer davon erfährt, verstehst du? Es tut schon weh, wenn ich nur daran denke! Noch schmerzhafter wäre es, wenn ich darüber spreche oder es erwähnt wird. Ich will nicht daran erinnert werden und das ist der Grund, warum ich Noel nie wieder sehen will...Er erinnert mich ständig an meine Taten und das tut einfach nur weh!“
Ihre Stimme ging in ein verzweifeltes Schluchzen über.
„Ich verstehe...“, sagte Daryl und legte die Arme schützend um sie. „Ich habe dich darum gebeten die Vergangenheit ruhen zu lassen, also werde auch ich mich daran halten. Du brachst dir keine Sorgen zu machen, ich werde dich nicht darauf ansprechen!“
„Danke.“, sagte Zarina und sah dann entschuldigend zu ihm auf. „Tut mir leid, dass wir dich geweckt haben, ich...“
Er legte ihr einen Finger auf die Lippen und lächelte.
„Lass gut sein, ich konnte vor lauter nachdenken gar nicht einschlafen.“
Zarina wusste nicht was sie darauf erwidern sollte, weshalb sie ihren Blick wieder auf die Tür richtete.
„Noel hat sich noch nie einfach so abspeisen lassen, ich sollte künftig ein bisschen besser aufpassen.“, murmelte sie.
Daryl zog sie von der Tür weg.
„Hör gefälligst auf, dir Gedanken über diesen Kerl zu machen! Ich werde schon dafür sorgen, dass er dich in Ruhe lässt!“
Zarina kicherte.
„Du bist wirklich süß.“
Wurde aber sofort wieder ernst.
„Aber so sehr ich es auch schätze, dass du mich beschützen willst, Noel kann wirklich verdammt gefährlich werden! Versprich mir, dass du aufpasst, okay?“
Sie hatte sich vor ihn gestellt und ihm die Hände auf die Brust gelegt.
„Versprochen.“, sagte er trocken und küsste sie auf die Stirn. Dann ging er an ihr vorbei. Sein ernster Gesichtsausdruck ließ sie wissen, dass er ihre Warnung nicht ernst nahm.
„Du hast dich wirklich kein bisschen verändert.“, flüsterte sie lächelnd und folgte ihm.

NEUN



Wütend ließ Noel den Blick schweifen. Ein Knurren entfuhr ihm. Sie hatte es wirklich gewagt ihm einfach die Tür vor der Nase zuzuschlagen! Mit der Faust schlug er gegen den Baumstamm. Er zerbarst.
„Zarina.“, knurrte er und drehte sich um. Das riesige Anwesen in dem sie sich nun befand fiel in sein Blickfeld. Ein Brüllen. Sie gehörte ihm! Das Mal in seinem Nacken bewies es. Sie trug es auch, und zwar schon ihr ganzes Leben lang! Er erinnerte sich zurück.
Wie Harley und Eleanor getötet worden waren. Von einem Vampir! Wieder ein Knurren. Ein verdammter Vampir hatte ihre Eltern kurz nach ihrer Geburt getötet! Noel bekam den Auftrag sich um sie zu kümmern und damit sie nie wieder in ihrem Leben alleine sein würde, hatte der Rat der Erzengel beschlossen, die beiden aneinander zu binden. Sie wären für immer zusammen geblieben, doch leider sollte es anders kommen.
Irgendwann bekam sie den Auftrag auf einen Vampir aufzupassen. Natürlich gefiel das Noel nicht, doch er konnte sich nicht widersetzen. Er wäre bestraft worden! Am Anfang war noch alles okay, doch dann fing Zarina an, Gefühle für die Vampire zu empfinden. Das verstieß ebenfalls gegen das Gesetz. Und genau deshalb bekam sie den Auftrag, sie zu töten. Es sollte ihr eine Lehre sein! Sie sollte niemand anderen lieben als Noel. Den ersten Befehl hatte sie ausgeführt, warum auch immer sie das wirklich getan hatte, doch den zweiten Befehl hatte sie eiskalt ignoriert. Zur Strafe ihrer Ungehorsamkeit wurde sie auf die Erde verbannt.
Noel verstand die Welt nicht mehr. Sie sollte doch nie wieder alleine sein, also warum hatten sie sie verbannt? In seiner Wut hatte er einen Erzengel verletzt. Anatol. Deswegen wurde er zu einem Vampir. Er wurde zu dem gemacht, was er am meisten hasste und verabscheute.
Seit Noel auf der Erde war hatte er nach Zarina gesucht. Doch scheinbar war sie immer weitergezogen, denn nie hatte er sie gefunden. Dennoch hatte er einiges herausgefunden. Andere Gefallene behaupteten, sie würde vor dem Vampir flüchten, dessen Leben sie zerstört hatte. Er hatte es für verrückt gehalten, da Zarina diesem Vampir die Erinnerung genommen hatte, doch so unlogisch waren diese Informationen am Ende doch nicht. Schließlich hatte Daryl sich auf die Suche nach dem Mörder gemacht. Noel grinste. Der arme Kerl hatte ja keine Ahnung wer wirklich dahinter steckte!
Noel wollte es ihm sagen. In der Hoffnung er hätte Zarina dann wieder ganz für sich allein! Das die Frau ihn dann hassen würde war ihm klar, doch das wäre ihm egal gewesen, solange sich dieser Dreckskerl nicht mehr für sie interessierte. Kein Vampir der Welt sollte sich für sie interessieren, außer ihm!
Er wandte sich ab. Er würde schon eine Möglichkeit finden es diesem Vampir zu sagen, allerdings müsste er sich bis dahin nur noch ein wenig gedulden...

„Die Bar war lange geschlossen, was war los?“
Christos ließ sich auf einem der Hocker nieder. Zarina stellte ihm sein Bier hin.
„Ich hatte ein wenig Ärger aber keine Sorge, kommt nicht mehr vor.“, antwortete die Frau und ließ den Blick schweifen. Kaum ein Platz war mehr frei. Bei dem Wort „Ärger“ zog Christos die Brauen hoch und auch ihre Unterlippe, die aufgeplatzt gewesen zu sein schien war ihm nicht entgangen. Die Gerüchte über sie schienen zu stimmen.
„Ärger? Süße, du siehst aus als hättest du dich geprügelt.“
Sie sah ihn mit einem Blick an, bei dem ihm eisige Kälte in die Knochen kroch. Das das würde noch harmlos bleiben, wie er gleich feststellen musste. Die Tür flog auf. Zarina kümmerte sich erst nicht darum, doch als sie sah wie verängstigt Christos auf einmal reagierte, hob sie den Blick.
„Nicht der schon wieder.“, flüsterte Christos. Zarina ignorierte seine Worte und starrte Noel weiterhin mit furchteinflößendem Blick an.
„Mach, dass du raus kommst!“, flüsterte sie. Christos wollte bereits aufstehen, doch Zarina griff über den Tresen hinweg und legte ihre Hand auf seine Schulter.
„Bleib sitzen. Ich kümmere mich darum.“, sagte sie, ohne den Blick von Noel abzuwenden.
„Du lässt es also wirklich drauf ankommen, hm?“, sagte sie nun lauter. Sie zog ihre Hand zurück. Noel grinste.
„Ich lasse mir keine Befehle von einer Frau erteilen.“, knurrte er, worauf auch Zarina anfing zu grinsen. Sie verschränkte die Arme.
„Ob du's glaubst oder nicht aber Daryl hat genau das gleiche gesagt, als er hier aufgetaucht ist. Und wie du ja sicher weißt, lässt er mich immer noch nicht in Ruhe!“
Noel knurrte und kam auf den Tresen zu. Christos zog die Schultern ein, alle anderen beobachteten gespannt das Geschehen. Noel griff über den Tresen und griff nach Zarinas Bluse.
„Ich werde ihm die Wahrheit sagen, koste es was es wolle!“, knurrte er. Zarina seufzte und holte mit der Faust aus. Noel stolperte zurück, Zarina griff nach einem Messer und sprang über den Tresen. Sie erschreckte ihn mit ihrer Schnelligkeit, weshalb er mit einem lauten Rumpeln auf den Boden fiel. Sie setzte sich rittlings auf ihn drauf und drückte ihm die Klinge des Messers gegen seine Hoden.
„Raus hier!“, fauchte sie. „Oder ich kastriere dich!“
Sowohl bewundernde, als auch verängstigte Blicke lagen auf ihr. Da die Wirtin kurzerhand ihre eigene Hausordnung gebrochen hatte, musste die Geschichte hinter ihrer Handlung verdammt bedeutend gewesen sein, dass hatte auch Christos begriffen. Noel lachte, worauf sich ihre Augen verengten. Sie stieg von ihm herunter und packte ihn dann.
„Freibier für alle!“, rief sie, ehe sie mit Noel nach draußen verschwand.

Christos schluckte. Das Wort „Freibier“ hatte bei allen Gästen dafür gesorgt, dass deren Denken ausfiel. Sie jubelten. Nur Christos nicht. Gebannt starrte er auf die Tür des Lokals. Nun erst hatte er begriffen, dass Zarina verdammt gefährlich werden konnte. Der Ausdruck in ihren Augen hatte erkennen lassen, dass sie es bitter ernst meinte! Er fragte sich, was sie wohl mit ihm anstellen würde.
„Hey, wo ist Zarina.“
Er zuckte zusammen als er den groß gewachsenen Mann neben ihm bemerkte. Als ihm klar wurde wer genau da stand, fiel er von seinem Hocker.
„S-Sie ist g-gerade raus gegangen...“, stotterte er und rappelte sich zitternd wieder auf.
„Gut.“, sagte Daryl und ließ sich auf Christos' Hocker nieder, der sich widerrum fragte, wie der Kerl so plötzlich hier auftauchen konnte. Noch dazu völlig unbemerkt! Daryl machte eine Bewegung mit der Hand.
„Keine Sorge, ich will dir nichts tun. Lediglich mit dir reden.“
Wieder schluckte Christos. Er biss sich auf die Zunge und beschloss, auf die Situation einzugehen. Er lieferte jedem Informationen, vorausgesetzt er wurde bezahlt, also wieso sollte es bei diesem Typen hier anders sein?
„Du siehst aus als würdest du wollen, dass das Weib nichts davon erfährt.“
Daryl zog die Brauen hoch. Vielleicht war dieser Kerl ja doch nicht so dämlich wie er dachte?
„Stimmt genau. Und deshalb müssen wir uns beeilen.“
Daryl wollte natürlich immer noch wissen wer genau für den Tod seiner Eltern verantwortlich war, doch ab nun würde er Zarina da raus halten. Auch wenn sie etwas zu wissen schien. Und er wollte nicht das sie erfuhr, dass er weiterhin ermitteln würde.
„Also gut, was weißt du über den Mord der Callahan Familie?“
Für einen kurzen Moment war auch Christos überrascht.
„Die Callahan Familie? Es gab nur wenige Mordfälle, die so brutal und grausam waren wie dieser. Die Polizei hat keinerlei Hinweise gefunden, dafür brodelt die Gerüchteküche umso mehr. In den Gassen der Straßen wird behauptet, einige unsterbliche Wesen seien in diesen Fall verwickelt gewesen. Auch der Name Zarina ist schon einige Male gefallen.“
Christos sprach mit gedämpfter Stimme. Mit angespanntem Körper hörte Daryl zu. Er fragte sich ob dieser Mann wusste, dass es Engel und Vampire wirklich gab. Draußen fielen Schüsse, was ihn für einen kurzen Moment ablenkte. Er ignorierte es dann jedoch. Christos stieß ihn an.
„Du siehst aus wie jemand, der Bescheid weiß, also spreche ich mal ganz offen darüber.“, begann er und wurde dann wieder leiser.
„Nicht viele wissen es aber die Callahan Familie war eine alte Generation Vampire! Egal wer sie auch getötet hat, diese Person muss verdammt stark und mächtig gewesen sein! Hier in der Stadt gibt es keinen Vampir der stark genug gewesen wäre sie einfach so zu erledigen, derjenige muss also aus einer anderen Region kommen.“
Daryl war enttäuscht. Er hatte gehofft wenigstens ein paar Namen zu hören. Er schloss die Augen für einen Moment und zeigte dann kurz Zähne.
„Es gibt vielleicht eine Person, die dir helfen könnte.“, sagte Christos plötzlich. Daryl wurde sofort aufmerksam und sah den Mann an.
„Eine Person hat den Anschlag auf die Callahans überlebt, und zwar der zweitälteste Sohn. Ich kenne seinen Namen nicht. Und keiner weiß, wo er steckt. Darum musst du dich also selbst kümmern.“
Daryl fing an zu lachen, und zwar so heftig, dass Christos erschrak und ihn verwirrt anstarrte. Nach einigen Augenblicken rieb Daryl sich die Tränen aus den Augenwinkeln. Er beugte sich vor und bedeutete Christos näher zu kommen. So nah, dass sie sich schon fast berührten.
„Ich bin dieser Sohn!“, flüsterte er mit rauer Stimme, worauf Christos zurücktrat. So schnell, dass er stolperte und auf seine vier Buchstaben fiel. Panisch sah er auf, worauf er den schwarzen Augen des grinsenden Vampirs begegnete. Sein Atem beschleunigte sich, ebenso wie sein Puls. Das raubtierhafte Grinsen auf Daryls Lippen jagte ihm eine scheiß Angst ein! Der Vampir hielt ihm die Hand hin. Er zögerte einen Augenblick, ergriff sie aber dann und ließ sich aufhelfen.
„W-Wenn du wirklich dieser Sohn bist...warum bittest du dann die Menschen um Hilfe?“
Daryl schnaubte und ging nicht auf seine Worte ein. So gesehen hatte dieser Mensch recht. Vampire wollten eigentlich nichts mit Menschen zu tun haben, es sei denn Blut kam ins Spiel.
„Ich hatte gehofft du könntest mir ein paar Namen nennen.“
Christos verzog das Gesicht. Scheinbar war dieser Vampir in Wirklichkeit doch ein eher unangenehmer Geselle.
„Außerhalb der Stadt gibt es einen Vampir, der dir vielleicht helfen könnte. Er wohnt weit oben auf einem Hügel, in der Nähe eines kleinen Dorfes namens Willsbourgh. Er ist ziemlich gerissen und soll angeblich von allem eine Ahnung haben. Sein Name ist Noel.“
Daryl sprang auf und schlug mit der Faust auf den Tresen, worauf jedes Geräusch verstummte. Er knurrte.
„Dieser verdammte Hurensohn! Ausgerechnet er!“, brüllte er. Christos zog die Brauen hoch.
„Sieht so aus als würdest du ihn kennen.“, stellte er leise fest. Daryl schnaubte und ließ sich auf den Hocker sinken. Er wusste selbst, dass er sich beruhigen musste.
„Dieser Dreckskerl lässt meine Frau einfach nicht in Ruhe!“
Er bemerkte erst hinterher was genau er da gesagt hatte. Doch genau genommen störte es ihn nicht, im Gegenteil, es gefiel ihm sogar! Er wollte, dass sie ihm gehörte. Das sie seine Frau war und nicht die, eines anderen.
„Dann würde ich ihn an deiner Stelle auch hassen.“
Seufzend fuhr der Vampir sich mit der Hand durchs Haar, dann drückte er dem Mann gegenüber ein kleines Säckchen gefüllt mit Geld in die Hand.
„Wirklich hilfreich war das nicht aber trotzdem danke.“
Ohne auf eine Antwort zu warten verschwand er durch die Hintertür. Er musste nachdenken.

Schnell ließ Christos das Säckchen in seiner Jackentasche verschwinden. Er war verwirrt. Und völlig perplex. Er hatte so eben mit dem letzten Mitglied der Callahan Familie gesprochen! Er schluckte. Das behielt er lieber für sich, dass würde sonst nur Ärger mit diesem Vampir geben. Kurz darauf betrat Zarina mit ausdruckslosem Gesicht das Lynx

. Sofort herrschte Ruhe. Sie hätte schlimmer nicht aussehen können. Jeder der jetzt auf die Idee kam die Polizei zu rufen, wäre des Todes gewesen! Sie war voller Blut.
Es tropfte von ihren Händen und ihre Bluse hatte sich damit vollgesogen. In ihrem Gesicht klebten getrocknete Blutspritzer und an ihren Beinen hatte sie tiefe Kratzspuren, aus denen ebenfalls Blut sickerte. Ihre Haare waren zerzaust.
„Du hast ihn doch nicht etwa umgebracht, oder?“
Christos hätte sich am liebsten geohrfeigt. Es wäre viel besser gewesen, wenn er die Klappte gehalten hätte. Doch Zarina stieß ein Schnauben aus, was einem Lachen nahe kam.
„Schön wär's!“, sagte sie und kam in seine Richtung. „Diese feige Sau ist abgehauen!“
Christos neigte den Kopf.
„Dann nehme ich an, dass das sein Blut ist.“, sagte er nachdenklich. Sie nickte.
„Wer ist dieser Typ eigentlich? Ich habe ihn in letzter Zeit öfters gesehen.“, sagte Christos nun und verschwieg die Begegnung, die die beiden gehabt hatten. Zarina sah ihn eindringlich an, so als wüsste sie, dass er diesen Namen kannte.
„Sein Name ist Noel.“, sagte sie tonlos. Das war zu viel für Christos.
„Einen doppelten Scotch.“, hauchte er und wandte seinen Blick von ihr ab. Das sollte Noel gewesen sein? Er konnte nicht begreifen, dass er gleich zwei Vampire kennengelernt hatte, die eigentlich ganz anders waren als erwartet. Plötzlich stand Daryl wieder im Raum.
„Zarina!“, sagte er fast schon atemlos. Christos erschrak. Er konnte nicht mehr. Wortlos zog er sich in eine der Ecken zurück, um von dort aus die Situation zu beobachten. Daryls Augen weiteten sich als er Zarina erblickte.
„Ich habe dein Blut gerochen!“, sagte er so leise, dass nur sie es verstand. Mit einem mal veränderte sich das Wesen der Frau. Sie gab ihre selbstbewusste Haltung auf und sah hilflos zu dem Vampir auf.
„Noel war hier.“, flüsterte sie. Daryl knurrte und wollte bereits aus dem Lynx

stürmen, doch die Frau hielt ihn zurück.
„Warte!“, flehte sie und ergriff seine Hand. Alle starrten die beiden wie gebannt an.
„Ich weiß du willst ihm dafür den Kopf abreißen aber das muss warten! Kannst du stattdessen nach Hause gehen und mir ein paar neue Sachen holen?“
Nun veränderte sich auch der Ausdruck im Gesicht des Vampirs. Er sah mit einem mal viel...liebevoller aus! Er sah sie einen Moment eindringlich an, dann zog er sie ins Hinterzimmer des Lynx

, wo sie ab und zu ein kleines Nickerchen machte. Während die beiden aus dem Sichtfeld aller verschwanden beschlossen die Gäste, sich aus dem Staub zu machen. Die plötzliche Angst die sie verspürten war Schuld daran.
Daryl drückte Zarina auf das Sofa, das im Hinterzimmer stand und kniete sich vor sie, um dann ihre Bluse aufzuknöpfen.
„Bist du verletzt?“, fragte er leise und sah ihr dabei in die Augen, die irgendwie glanzlos geworden waren. Sie schüttelte schwach den Kopf. Behutsam zog er ihr die Bluse aus, worauf er sein eigenes Hemd auszog und es ihr anzog. Ihm gelang ein kleines Lächeln. Wie sie so da saß, in seinem Hemd, das ihr viel zu groß war und dem hilflosen Blick, sah sie einfach nur süß aus. Sie sah aus wie ein kleines Mädchen, würde man von ihren blutigen Händen mal absehen.
„Hat er dir Vorwürfe gemacht?“, fragte er nun und ging vor ihr wieder in die Hocke. Mit den, noch sauberen Stellen ihrer Bluse, wischte er ihre Hände ab.
„Nein.“, sagte sie mit kratziger Stimme. Sie räusperte sich und sprach mit fester Stimme weiter.
„Er hat mir damit gedroht dir alles zu erzählen, wenn ich mich nicht von dir fernhalte...“
Sie wollte sich nicht von Daryl fernhalten, schließlich hatte sie das lange genug getan! Allerdings wäre es besser gewesen.
„Wenn Noel glaubt, dich einfach so erpressen zu können, hat er sich geschnitten!“, knurrte Daryl.
„Das habe ich ihm auch gesagt. Genau deswegen habe ich den Kampf ja angefangen...“, gab Zarina kleinlaut zu, worauf Daryl sie wütend ansah. Sie zog die Schultern ein.
„Entschuldige! Aber ich habe es satt mich so von ihm behandeln zu lassen!“
Daryl begann mit seinen Fingern ihre Haare zu entwirren und band sie schließlich mit einem Band, was er aus seiner Tasche zog, zu einem Knoten in ihrem Nacken.
„Man kann dich wirklich keine Minute lang aus den Augen lassen.“, murmelte er lächelnd und sah sie dann an.
„Du bist genauso wie ich. Läufst blindlings der Gefahr in die Arme!“
Sie lächelte.
„Das habe ich von dir gelernt!“, sagte sie und sah an sich herunter. Dann sah sie wieder Daryl an, der sich aufgerichtet hatte.
„Du kannst mir doch nicht einfach so sein Hemd geben! Es ist kühler geworden!“
Er lachte leise.
„Vampire können sich nicht erkälten, Süße.“
Sie seufzte und verknotete sein Hemd am Bauch.
„Ich sollte die Bar schließen.“, murmelte sie und erhob sich.
Da erst sah er die tiefen Wunden an ihren Beinen. Er packte sie wieder und drückte sie zurück auf's Sofa.
„Du bist doch verletzt!“, knurrte er. Wieder seufzte sie.
„Das sind nur ein paar Kratzer. Und jetzt lass mich schließen, ehe die Gäste auf dumme Gedanken kommen!“
Er ließ sie nicht aufstehen und kehrte ihr dann den Rücken zu.
„Ich kümmere mich darum. Du bleibst hier und rührst dich nicht vom Fleck!“, knurrte er.
Als er aus ihrem Blickfeld verschwunden war, lächelte sie. Seine Fürsorge rührte sie. Sie dachte einen Augenblick lang nach. Daryl durfte nicht in die Nähe von Noel kommen! Der ehemalige Engel würde seine Chance sofort nutzen! Er hatte ihr klar gemacht, wie ernst er es meinte. Ihr Blick trübte sich. Warum nur wollte er ihr alles kaputt machen?
„Warum so abwesend?“
Daryls Stimme riss sie aus den Gedanken.
„Ich habe nur daran gedacht wie froh ich bin, dich zu haben!“, sagte sie lächelnd und sah auf. Er hielt ein nasses Tuch in den Händen. Wieder ging er in die Knie. Er begann ihre Beine abzuwischen und sah, dass die tiefen Kratzer langsam aber sicher begannen, sich zu schließen. Eine Weile starrte er die Wunden an, dann ließ er das Tuch sinken.
„Was ist?“, sagte sie, als sie seinen Blick bemerkte.
„Dein Gesicht.“, murmelte er. Sie berührte ihre Wange und fühlte das Blut, das bereits getrocknet war.
„Ich bin ziemlich hart an die Sache 'ran gegangen.“, sagte sie leise. Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Mundwinkel zuckten.
„Ich sollte ihn öfter so zurichten!“, sagte sie nachdenklich. Behutsam begann Daryl, auch das Blut in ihrem Gesicht wegzuwischen.
„Lass uns nach Hause gehen. Ich bin müde.“, murmelte sie und drückte seine Hand nieder. Wieder richtete der Vampir sich auf, dann zog er auch Zarina auf die Beine. Lächelnd drehte sie ihn um, damit sie auf seinen Rücken springen konnte. Er schnaubte, doch sie fand, dass es wie ein Lachen klang.
„Wie du willst.“, sagte Daryl und setzte sich in Bewegung.

ZEHN



„Ihr seid Zuhause!“
Jette lächelte, doch als sie sah wie übel ihr Meister zugerichtet worden war, schlug sie sich die Hände vor den Mund.
„Um Himmels willen, was ist mit Ihnen passiert?“
Sie rannte auf ihn zu, um ihn zu stützen. Langsam führte sie ihn in Richtung Schlafzimmer.
„Wer hat Euch das angetan?“, flüsterte sie.
„Es geht mir gut!“, fauchte Noel. Seine Schmerzen waren unerträglich, doch das musste die Frau ja nicht wissen. Er hatte nicht gewusst wie stark Zarina in Wirklichkeit war! Ihre Stärke hatte ihn völlig unvorbereitet getroffen. Die meisten seiner Wunden waren schon längst verheilt, doch das ganze Blut klebte noch immer an ihm.
„Bitte, mein Herr! Sagt mir, wer Euch das angetan hat!“
Sie hatte ihn auf seinem Bett abgesetzt und sah nun flehend auf ihn herab. Er seufzte. Was soll's? Sie kannte sie ja nicht, es wäre also völlig egal gewesen.
„Ihr Name ist Zarina.“, sagte er leise. Jettes Augen weiteten sich. Ohne etwas zu sagen wandte sie sich ab, um im Bad eine Schüssel mit Wasser zu füllen und dann mit einigen Tüchern zu ihm zurückzukehren.
„Zieht Euch aus!“, befahl sie.
Wieder ein Seufzen. Er hatte sich noch nie gegen diese Frau widersetzen können, weshalb er ihr schweigend gehorchte.
Sie war seine Frau für alles. Kümmerte sich um den Haushalt, den Garten, um sein Personal und um ihn selbst. Sie las ihm jeden Wunsch von den Augen ab und hielt auch für seine Bedürfnisse her. Sie liebte es sogar für ihn sein Betthäschen zu spielen. Sie profitierte schließlich auch davon.
„Gibt es Neuigkeiten?“, fragte er, während sie ihn von dem ganzen Blut befreite.
Sie schüttelte den Kopf.
„Nein, nichts.“
Sie hatte ihm nie etwas davon erzählt, dass sie sich ab und zu mal davon schlich und daran würde sie auch nichts ändern! Es ging ihr gut hier. Sie hatte ein unglaublich großes Anwesen zur Verfügung und einen Mann, der ihre Bedürfnisse stillte. Mehr brauchte sie nicht. Das sie sich dafür bei Noel einschleimen musste war ihr dabei völlig egal. Hauptsache es ging ihr gut. Außerdem war er gut im Bett, was die ganze Sache noch ein bisschen erträglicher machte. Beim Gedanken an Zarina musste sie an sich halten. Dieses Miststück hatte ihr Daryl weggeschnappt, dafür würde sie noch einiges zu spüren bekommen!
Noel stöhnte als sie zufällig seinen Schwanz streifte.
Ich muss mich ablenken!

, dachte er verzweifelt und verkrallte sich in Jettes Haaren, um sie hochzuziehen und küssen zu können. Sie stöhnte ebenfalls und ließ das Tuch fallen. Das ging inzwischen fast jeden Abend so. Nicht, dass sie das gestört hätte doch sie fragte sich wirklich, was passiert war.

Zarina schlief fast zwei Tage lang. Daryl musste bei ihrem Anblick ständig schmunzeln. Sie sah wirklich zum anbeißen aus, wie sie so da lag, in ihren knappen Klamotten. Ab und zu hatte sie etwas im Schlaf gemurmelt. Er hätte gerne gewusst was genau sie da sagte, doch sie sprach zu leise und undeutlich, als das er es hätte verstehen können. Hin und wieder wälzte sie sich auch unruhig hin und her, vielleicht wegen eines Traums, er wusste es nicht. Er hatte sich dann immer zu ihr gelegt und sie in den Armen gehalten, worauf sie sich sofort beruhigte. Er wurde den Gedanken nicht los, dass sie irgendwas quälte, doch er wollte sie nicht darauf ansprechen. Sie wäre von selbst zu ihm gekommen, wenn sie hätte reden wollen. Er war dabei sich anzuziehen, als sie aufwachte.
Ihre Augenlider flatterten.
„Was hast du vor?“, flüsterte sie, immer noch im Halbschlaf. Er lächelte beim Klang ihrer Stimme.
„Ich muss auf die Jagd.“, sagte er leise und wartete ab. Sofort war sie hellwach. Ruckartig setzte sie sich auf. Scheinbar wurde ihr schwindelig, denn sie hielt sich den Kopf.
„Ich dachte, dass hätten wir geklärt?“
Sie konnte zwar wach aussehen, den Schlaf und die Müdigkeit in ihrer Stimme konnte sie jedoch nicht verbergen.
„Zarina.“, seufzte er und ging zu ihr. „So...unglaublich dein Blut auch schmeckt aber...ich hätte ein schlechtes Gewissen, wenn ich immer nur von dir trinken würde!“, erklärte er.
Sie ergriff seine Hände.
„Was, wenn es mir nichts ausmacht? Wenn es mir sogar gefällt?“
Fassungslos starrte er sie an.
„Was soll das heißen?“, hauchte er. Sie schluckte und atmete tief durch.
„Ich sagte doch das ich nicht will, dass du von einer anderen Frau trinkst! Ich will, dass ich diese Frau bin. Es hat sich gut angefühlt, verdammt noch mal! Aber vor allem hat es sich richtig angefühlt!“
Eindringlich sah sie ihn an. Sie hatte recht! Es hatte sich gut angefühlt. Es hatte sich richtig angefühlt! Er wusste nicht was er sagen sollte, er fühlte sich so hilflos.
„Wir sind keine Kinder mehr, Daryl.“, fuhr sie fort, nun noch selbstbewusster. „Wir wissen was das, was wir fühlen zu bedeuten hat. Und deshalb sollten wir auch wissen, wie wir damit umzugehen haben!“
Ihre grünen Augen funkelten und ihr Atem hatte sich beschleunigt. Er konnte ihren Herzschlag deutlich hören. Zarina sah sie Unsicherheit in seinen Augen und wollte bereits etwas sagen, als er ihr zuvor kam.
„Du hast recht.“, flüsterte er entschlossen und zog sie an sich. Sie schaffte es irgendwie zu kichern, trotz des innigen Kusses in den er sie gerade verwickelte.
Natürlich habe ich recht!

, dachte sie. Daryl hörte ihre Gedanken. Vampire konnten Gedanken lesen, dass auch andere das konnten war ihm neu. Er beschloss ein andern mal darüber nachzudenken. Vorsichtig erkundete er mit seiner Zunge ihren Mund, worauf sie leise seufzte. Sie legte die Arme um seinen Hals, er legte die Hände an ihre Taille. Beide mussten feststellen, dass das nicht genug war. Zarina zog ihn näher an sich heran. Daryls Hände glitten unter den Stoff ihres Hemdchens und fuhren sanft über ihre zarte Haut, nach oben.
Sie unterbrach den Kuss um lachen zu können und packte seine Hände. Hastig zog sie sich das Hemdchen über den Kopf, dann nahm sie wieder seine Hände und legte sie direkt auf ihre Brüste. Sofort zog sie ihn wieder an sich. Daryl war überrascht, sie war so verdammt direkt! Er stöhnte. Ihre prallen Brüste füllten seine großen Hände aus, er hätte zufriedener nicht sein können. Sie verwickelte seine Zunge in einen wilden, nicht enden wollenden Kampf. Er erschauderte und riss den Kopf zurück. Seine Fänge schossen hervor. Zarina keuchte, grinste und legte den Kopf in den Nacken, um ihm ihre Kehle zu präsentieren. Sie hatte ihn überzeugt. Ohne zu zögern stieß er seine Zähne in ihr Fleisch. Sie stöhnte.
Warm strömte ihr süßes, leicht säuerliches Blut in seinen Mund. Er schluckte. Was wohl passiert wäre, wenn sie das damals schon getan hätten?
„Das hätte ich schon viel eher tun sollen!“, fauchte er, als er von ihr abließ.
„Oh ja, hättest du!“, erwiderte sie und lächelte. Er wurde langsam ruhiger und hielt am Ende ganz inne.
„Ich fühle etwas in mir, Zarina...“, begann er flüsternd und sah ihr in die Augen. „Aber ich weiß nicht, was es ist!“
Sie war ein wenig verwirrt, aufgrund der Panik in seinen Augen, doch dann lächelte sie.
„Es wird ein Gefühl sein.“, erklärte sie leise und legte ihm die Hand auf die Stelle, an der sich sein Herz befand.
„Du musst nachdenken, Süßer. Ich bin sicher du weißt es!“
Erwartungsvoll sah sie ihn an. Und doch blieb sie geduldig. Angestrengt dachte er nach. Er hatte nicht wirklich Ahnung von Gefühlen und hatte auch noch nie welche verspürt. Außer Liebe gegenüber seiner Familie und Zorn. Dennoch ging er nun jegliche Kategorien durch.
Vielleicht war es Vertrauen? Ja, er vertraute ihr!
Begierde? Ja, er begehrte sie definitiv!
Bewunderung? Auch, schließlich sagte sie immer ihre Meinung. Sie war so selbstbewusst und direkt und genau das bewunderte er.
War er glücklich? Irgendwie schon.
Er schüttelte verwirrt den Kopf.
„Ich...empfinde so viel, wenn ich bei dir bin aber...nichts davon würde die Empfindung die ich nun verspüre, treffen.“, murmelte er.
Sie lachte leise.
„Mach dir keine Gedanken. Du kommst sicher noch drauf.“
Sie wollte ihn wieder küssen, doch er blockte ab und lehnte sich noch ein Stück weiter zurück.
„Du siehst so aus, als wüsstest du es.“, sagte er irritiert. Wieder lächelte sie.
„Ich habe da so eine Ahnung aber du musst von alleine darauf kommen. Also ignoriere mich einfach!“
Sie hätte es nicht geschafft ihn an sich zu ziehen, weshalb sie sich einfach aufsetzte und ihn mit ihren Armen umschlang.
„Jetzt komm schon, Süßer!“, flehte sie und vergrub ihr Gesicht an seinem Hals. Tief atmete sie seinen berauschenden Duft nach Moos ein. Es war ihr ein Rätsel wie ein Vampir so nach Wald riechen konnte!
„Bitte mach weiter!“, bettelte sie.
Er war wie betäubt. Sie verzehrte sich nach ihm. Bedeutete das, dass sie ihn genauso stark begehrte wie er sie? Wieder sah Daryl ihr in die Augen. Das Verlangen in den funkelnden Smaragden verschlug ihm den Atem. Er beschloss ihr Verlangen zu stillen und gab nach. Er würde später genauer darüber nachdenken. Nun allerdings würde er ihr diesen Gefallen tun. Sanft umfasste er ihr Gesicht mit beiden Händen. Dann küsste er sie zärtlich. Er spürte wie sich ihre Mundwinkel unter seinen Lippen zu einem Lächeln anhoben.
Sieh an, du kannst ja auch ganz sanft sein!

, kicherte sie in seinem Kopf. Er drängte sie zurück ins Kissen und legte sich auf sie. Sie stöhnte leise als sie plötzlich sein Gewicht auf ihren Körper spürte.
Du bist die Einzige, bei der ich je auch nur an Zärtlichkeit gedacht habe! Und du wirst auch immer die Einzige bleiben.


Seine Antwort ließ Zarina leise in sich hinein lachen. Nun war sie sich sicher! Sie wusste genau was er empfand, doch sie wagte es nicht, es laut auszusprechen. So mutig war sie dann doch nicht.
Daryl ließ seine Finger über ihre Haut streichen. Von der Wange, über ihren Hals, hinab zur Brust. Für einen kurzen Moment erkundeten seine Finger die Rundungen ihres Busens, dann glitten sie tiefer. Über ihren flachen Bauch, bis sie schließlich ihre empfindliche Mitte erreicht hatten.
„Oh Gott!“, hauchte sie und legte den Kopf in den Nacken.
„Bringt dich das etwa schon aus der Fassung?“, flüsterte er und grinste breit. Gott, wie sie sein arrogantes Grinsen doch liebte!
„Ja! Aber nur, weil du es bist.“, flüsterte sie. Sie hatte ihn bewusst erwähnt und ihre Worte zeigten prompt Wirkung. Er hob den Blick.
„Ich bringe dich aus der Fassung?“, fragte er verwirrt. Obwohl er deutlich irritiert war, hörte er nicht auf sie zu berühren. Seine Hand schob sich unter den Stoff ihrer Hose. Langsam fiel ihr das Denken schwer.
„Ja.“, antwortete sie leise und keuchte, als plötzlich ein Finger in sie eindrang.
„Verdammt noch mal.“, fluchte sie stöhnend und räkelte sich unter ihm. „Hast du das schon oft gemacht? Mir scheint...“
Sie stöhnte laut und rang nach Luft als er begann, den Finger aus ihr herauszuziehen und wieder hineinzuschieben, sie dehnte.
„...als hättest du Übung darin!“, setzte sie schwer atmend fort. Wieder sah er sie mit unergründbarem Blick an.
„Ich weiß nicht wie oft ich so etwas schon gemacht habe...“, begann er, worauf sich Zarinas Augen weiteten.
„Aber es hatte bisher nie eine Bedeutung.“, fügte er lächelnd hinzu. Sofort beruhigte sie sich wieder.
„Und jetzt bedeutet es dir etwas?“
Sie drängte sich an ihn.
„Nur, weil du es bist!“, wiederholte er ihre Worte und grinste wieder.
„Das genügt mir.“, lachte sie und schloss die Augen.
Mit übermenschlicher Geschwindigkeit zog er sich aus. Sanft schob er ihre Beine auseinander. Sie war von Feuchtigkeit benetzt, weshalb er ohne zu zögern kräftig in die eindrang. Sie schrie auf. Er packte ihr Genick und zog ihren Kopf zurück. Seine Fänge blitzten wieder auf.
„Du wirst es nicht vergessen, Süße! Nicht einmal nach deinem Tod, versprochen!“, knurrte er bedrohlich. Dann fing er an sich in ihr zu bewegen...

Als Zarina aufwachte zierte ein Lächeln ihr Gesicht. Das würde sie wirklich nicht vergessen. Sie grinste und musste feststellen, dass Daryl nicht neben ihr lag. Sie zuckte die Schultern. Sollte ihr doch egal sein. Sie war glücklich, ausgeruht und einfach nur zufrieden. Er hatte sie von vorne und hinten genommen und sie immer zum Höhepunkt gebracht, bis ans äußere ihrer Grenzen getrieben. Und sie war auf ihm geritten! Hatte ihn geschmeckt und wurde bei bloßer Erinnerung daran wieder feucht. Sie begann zu lachen, so sehr, dass das Bett anfing zu vibrieren.
„Du verdammter Mistkerl!“, schnaubte sie und rieb sich das Gesicht. Schwerfällig stieg sie aus dem Bett. Sie lächelte in sich hinein, während sie sich ihre Kleidung zusammensuchte und sie anzog.
„Du hast wirklich dafür gesorgt, dass ich dich niemals vergessen werde!“, murmelte sie fassungslos. Nach zwanzig Minuten im Bad verließ sie das Schlafzimmer. Es dauerte eine Weile bis sie Daryl fand, doch am Ende entdeckte sie ihn in der riesigen Halle, die seine Familie und er immer zum trainieren genutzt hatten. Er stand vor einer Mauer aus Stein, die Löcher und einige große Rissen aufwies. Wieder gelang ihr ein Lächeln. Seine verzweifelten Gedankengänge hingen förmlich in der Luft. Er dachte also noch immer angestrengt über dieses Gefühl nach. Geräuschlos schritt sie auf ihn zu, um ihn dann von hinten zu umarmen.
„Dieses Gefühl reicht so viel tiefer als alles andere mir bekannte, Zarina! Es ist viel stärker und scheinbar...unglaublich bedeutungsvoll.“, flüsterte er. Ihr Lächeln wurde breiter und ihre Augen schlossen sich. Sie schmiegte sich an ihn.
„Es ist Liebe!“, hauchte sie.
„Wie bitte?“
Daryl versteifte sich und befreite sich aus ihrem Griff.
„Dieses Gefühl nennt man Liebe, Daryl.“, wiederholte sie sich. Eindringlich sah sie ihn an. Er war sprachlos. Warum wusste sie, was er fühlte?
„Du spinnst!“, fauchte er und holte mit dem Arm aus. Mit voller Wucht krachte seine Faust gegen die Steinmauer.
„Du hast keine Ahnung wie es in mir aussieht!“, fuhr er sie an. Sein Brüllen hallte von den Wänden wider. Sie trat einige Schritte zurück, wütend und traurig darüber, dass er das einfach abstritt, ohne auch nur nachgedacht zu haben.
„Doch, ich weiß es. Schließlich geht es mir genauso...“, flüsterte sie und machte auf dem Absatz kehrt.
„Was soll das heißen?“, brüllte er ihr hinterher. Fauchend wirbelte sie herum. Sie konnte es nicht länger vor ihm verbergen, sie musste es einfach loswerden!
„Ich liebe dich, Daryl!“, schrie sie wutentbrannt. „Du bist der Mann, den ich liebe und niemals vergessen werden, Gott verdammt! Dafür hast du vergangene Nacht ausreichend gesorgt!“
Sie ließ ihn stehen und flüchtete aus dem Hause ihres über allen geliebten Vampirs.

ELF



Was war das gerade? Daryl konnte nicht recht begreifen was gerade eben passiert war. Hatte sie es wirklich gewusst? Und hatte sie die Worte tatsächlich ausgesprochen?
„Zarina.“, flüsterte er.
Nichts.
„Zarina!“, brüllte er, doch noch immer passierte nichts. Eine einzelne Träne lief über seine Wange. Sie hatte ihn verlassen. Sie war verschwunden. Schon wieder. Er stieß ein Brüllen aus. Daryl war außer sich und wollte bereits hinter Zarina her, doch ihm wurde klar, dass sie schon längst über alle Berge war. Was sollte er nun tun? Abwarten, bis sie wiederkam? Oder sollte er sich auf die Suche nach ihr machen? Er ließ die Schultern hängen. Was, wenn sie nicht wiederkam oder er sie nicht fand?
Zarina.

, dachte er.
Sie wollte wirklich antworten, doch er ließ sie nicht zu Wort kommen.
Du hast mich schon wieder alleine gelassen.


Sie zögerte in seinen Gedanken. Scheinbar hatte sie nicht damit gerechnet, dass er ihr Vorwürfe machen würde. Nach einigen Sekunden hatte sie sich gefasst.
Ich komme wieder, sobald du dir im Klaren über deine Gefühle bist.


Daryl blinzelte.
„Soll das ein Ultimatum sein?“, knurrte er und machte einen Schritt Richtung Tür. Wäre sie nun bei ihm gewesen hätte er sie gepackt. Wahrscheinlich wären sie beide so wütend gewesen, dass sie am Ende miteinander im Bett gelandet wären.
Komm zurück!

, flehte er nun. Ihre Stimme wurde ruhiger und einen Hauch sachlicher.
Warum willst du, dass ich zurück komme? Nenne mir den Grund.


Sie klang fordernd. Daryls Augen schlossen sich.
Weil du mir etwas bedeutest.

, dachte er leise und zurückhaltend.
Was bedeute ich dir?


Sie wurde drängender. Der Vampir schluckte. Was sollte er nun sagen? Er wusste es doch nicht!
Ich weiß es nicht, Zarina.

, gab er zu. Noch eine Träne. Ein Seufzen ertönte in seinem Kopf.
Ich habe es dir bereits gesagt, Daryl. Das, was du fühlst, ist Liebe! Ich komme zurück wenn du es dir eingestanden hast.


Zarina, ich...


Plötzlich legte sich eine Hand an seine Wange. Schlagartig öffnete er die Augen. Sie stand tatsächlich vor ihm!
„Ich weiß das du nicht viel mit Gefühlen anzufangen weißt.“, sagte sie und streichelte seine Wange.
„Aber denke wenigstens einmal ausgiebig darüber nach, ehe du es abstreitest.“
Daryl wusste nichts dazu zu sagen und legte stattdessen seine Hand auf ihre, damit sie sie nicht wegnahm.
„Ich will nicht das du gehst.“, flüsterte er. Nie hätte er es sich träumen lassen, mal jemanden anzuflehen.
„Nicht zu fassen das ausgerechnet du jemanden anflehst.“, sagte sie und lächelte, so, als hätte sie seine Gedanken gelesen. Doch prompt wurde sie wieder ernst.
„Du weinst ja!“, stellte sie schockiert fest. Sie wischte seine Tränen weg.
„Vielleicht hast du recht.“, begann er mit rauer Stimme. „Vielleicht liebe ich dich! Aber völlig egal ob ich dich nun liebe oder nicht, bitte, ich flehe dich an, bitte geh nicht weg!“
Noch mehr Tränen liefen über seine Wangen. Innerlich fluchte er. Er war wirklich weich geworden. Für einen kurzen Augenblick lehnte sie sich an ihn.
„Ich brauche ein wenig Zeit für mich. Aber keine Sorge, ich komme zurück, versprochen!“, flüsterte sie. Daryl sah von Sekunde zu Sekunde verzweifelter aus.
„Woher weiß ich, dass du wirklich zurück kommst?“
Sein Anblick tat ihr im Herzen weh.
„Ich werde zurück kommen.“, sagte sie lächelnd. „Ich bin schon längst nicht mehr in der Lage, mich für längere Zeit von dir fernzuhalten!“
Mit diesen Worten wandte sie sich ab und ließ ihn endgültig stehen.

Das heiße Wasser lief über ihren Körper und lenkte sie zumindest für einen kurzen Moment ab. Doch lange hielt das nicht an, denn schnell schweifte sie mit ihren Gedanken wieder ab. Trotz des unglaublichen Wonnegefühls das Noel ihr verschafft hatte, musste sie an Daryl denken. An seine grauen Augen, die abweisender nicht sein konnten. Wieso um alles in der Welt interessierte sie sich bloß so für ihn? Er interessierte sich doch sowieso nur für diese rothaarige Vogelscheuche! Jette fauchte. Wenn sie das Miststück in die Finger bekam, hätte diese nichts mehr zu lachen!
Ein lautes Rumpeln ließ sie zusammenzucken. Sie stellte das Wasser ab, wickelte sich rasch ein Handtuch um und trat pitschnass aus dem Bad. Niemand war in ihrem Zimmer zu sehen. Kam es vielleicht von draußen? Hastig schlüpfte sie in ihre Sachen, dann rannte sie aus dem Zimmer. Wieder ein Rumpeln. Es kam aus dem riesigen Saal, in dem Noel immer seine Konferenzen führte. Außer Atem kam sie schließlich dort an.
Sie schlug sich die Hand vor den Mund. Daryl war hier!
„Wie zum Teufel hast du hierher gefunden?“, brüllte Noel, der bereits verletzt war. Blut lief an seiner Schläfe hinab. Jette überlegte einen Augenblick. So sehr es sie auch freute das Daryl hier war, das war ihre Gelegenheit! Nun hatte sie die Chance es diesem Rotschopf zu zeigen, ohne das er sie aufhalten konnte! Dennoch fragte sie sich, was er wohl hier wollte. Sie atmete tief durch und machte sich leise aus dem Staub. Sie hatte nicht viel Zeit und musste diese Chance nutzen. Grinsend verließ sie das Anwesen. Wo immer Zarina auch gerade war, sie würde sich auf etwas gefasst machen müssen!

Daryl ließ den Blick schweifen. Er hatte Noel in seiner Wut bereits verletzt, doch nun erst fiel ihm sein Umfeld auf. Es hätte prunkvoller nicht sein können. Da er von Christos erfahren hatte wo sich Noels Quartier befand, hatte er beschlossen ihm einen kleinen Besuch abzustatten. Dieser war natürlich überrascht. Und mindestens genauso wütend.
„Was hast du hier zu suchen?“, brüllte der ehemalige Engel und nahm eine Angriffsposition ein.
„Lass Zarina gefälligst in Ruhe, hast du verstanden?“, knurrte Daryl und ballte die Hände zu Fäusten. Noel zog spöttisch die Brauen hoch.
„Wieso sollte ich? Sie gehört mir!“, erwiderte der blauäugige Vampir. Seine plötzliche Ruhe und Gelassenheit gefiel Daryl nicht. Dieser Typ war ihm von Anfang an nicht geheuer gewesen.
„Was fällt dir ein, sie zu erpressen?“, stieß Daryl zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Noels Gesicht wurde noch eine Spur ausdrucksloser. Daryl hatte schon oft Wut verspürt, doch noch nie hatte diese Wut ein solches Ausmaß angenommen! Noel kam zu ihm und drehte sich dann um, sodass Daryl freien Blick auf seinen Nacken hatte.
„Siehst du das?“, begann Noel und deutete auf das Mal auf seiner Haut, beziehungsweise in seiner Haut. Er fuhr fort.
„Das ist ein Brandmal! Und es bedeutet so viel wie „bedingungslose Liebe“ und „unendliches Vertrauen“. Zarina hat es auch. An der gleichen Stelle. Es zeigt, dass wir zusammengehören.“
Daryls Augen weiteten sich. Er wollte das nicht glauben. Mit einem breiten und selbstgefälligen Grinsen auf den Lippen, drehte Noel sich um.
„Sag mal...“, begann er gedehnt. „Was weißt du eigentlich über Zarina?“
Sein Grinsen gefiel ihm nicht. Was es wohl zu bedeuten hatte? Ihm wurde klar, dass er so gut wie nichts über Zarina wusste. Außer, dass sie ein gefallener Engel war, der ihrer Gefühle wegen auf die Erde verbannt wurde. Noel sah die Ratlosigkeit in den Augen des Vampirs, ebenso wie die Verwirrung.
„Weißt du was? Da sie dir so viel bedeutet, werde ich dir einiges über sie erzählen...“
Noel legte den Arm um Daryls Schulter und machte eine ausladende Bewegung mit der Hand.
„Hör gut zu...mein Freund!“

Ein komisches Gefühl überkam Zarina. Vielleicht waren es Schuldgefühle, wer wusste das schon? Sie verspürte im Moment so vieles, dass sie vollkommen durcheinander war und keinen klaren Gedanken fassen konnte. War es richtig gewesen Daryl einfach so stehenzulassen? Er stand schließlich am Rande der Verzweiflung. Auch wenn er sich seinen Gefühlen wegen nicht sicher war wollte er, dass sie bei ihm blieb. Das war doch gut, oder nicht? Zarina warf das Glas in ihrer Hand gegen die Wand. Sie hatte das Lynx schon vor einer Stunde geschlossen aufgrund dessen, dass sie heute einfach nicht zurechnungsfähig gewesen war. Mit den Armen stützte sie sich am Tresen ab. Wäre es nicht besser gewesen, einfach wieder zu ihm zu gehen? Sie hätte so tun können als ob nichts gewesen wäre, auch wenn es eher einen fragwürdigen Eindruck hinterlassen hätte.
Die plötzliche Präsenz eines Vampirs riss sie aus den Gedanken. Sie hob den Blick und begegnete den blitzenden blauen Augen einer blonden Vampirin.
„Du scheinst schlecht gelaunt zu sein.“, stellte Jette im Plauderton fest.
„Jetzt schon.“, erwiderte Zarina in gleichgültigem Tonfall. Jette lehnte mit verschränkten Armen an einer Wand und stieß sich nun von dieser ab.
„Ich will, dass du dich von Daryl trennst!“, fauchte Jette. „Deinetwegen ist er total weich geworden.“
Zarina wandte den Blick von ihr ab. Sie war einfach nur deprimiert.
„Wir sind gar nicht zusammen. Und wir waren es auch noch nie.“, flüsterte sie und schloss die Augen. Jettes Brauen hoben sich.
„Im Ernst?“
Ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln, dann gingen sie in die Tiefe.
„Warum zum Teufel hast du das dann behauptet?“, schrie sie drauf los.
Die Gefallene hielt den Blick starr auf ihre Finger gerichtet.
„Daryl schien genervt von dir zu sein, weshalb ich ihm aus der Situation helfen wollte. Und ich war eifersüchtig. Es ist...einfach so aus mir herausgeplatzt.“
Jette erkannte die Gefühle, die Zarina für den Vampir hatte. Sie musste feststellen, dass ihre Gefühle viel tiefer gingen, als ihre eigenen. Doch...wollte sie Zarina Daryl wirklich kampflos überlassen? Sie schien dem Vampir auch etwas zu bedeuten...
Sie schluckte. Jette war keine nette Person, dass lag ihr nicht, doch...
„Daryl ist bei Noel. Sie haben sofort einen Kampf begonnen.“
„Was?“, hauchte Zarina. Ihre Augen weiteten sich. Jette schloss die Augen und trat einen Schritt zurück.
„Ich sehe dir an, wie viel er dir bedeutet, deswegen sage ich dir das. Soll ich dich hin bringen?“
Tränen traten Zarina in die Augen.
„Bitte.“, flüsterte sie.
Bitte! Bitte lass es nicht zu spät sein!


Jette lief vor. Sie fragte sich warum Zarina das so nahe ging und sie so verzweifelt werden ließ, doch sie beschloss lieber nicht danach zu fragen. Sie legten einen Zarn zu.

„Hier ist es.“, keuchte Jette und deutete auf die riesige Tür, die der Eingang zum Saal war. Nichts war aus dem Inneren zu hören, was sowohl ihr, als auch Zarina nicht behagte. Die Gefallene atmete tief durch, dann stieß sie die Tür kraftvoll auf. Sie hatte panische Angst vor dem, was nun folgen würde. Zu recht, wie sie später feststellen würde.
„Noel!“, schrie sie. Die Tränen in ihren Augen waren noch immer nicht verschwunden. Sie liefen über als sie sah, dass Daryl mit leerem Blick auf dem Boden kniete. Er sah einfach nur...schlecht aus.
„Nein!“, hauchte sie und richtete ihren Blick wieder auf Noel, der grinsend einige Meter Abseits stand.
„Was hast du getan?“, schrie sie. Sie war außer sich. Mit einem animalischen Brüllen stürzte sie sich auf den Vampir. Mit einer Hand an seiner Kehle brachte sie ihn zu Boden. Sie hatte ihre Flügel ausgebreitet, die den Saal bedrohlich eng wirken ließ. Sie war in wenigen Sekunden zu einer Mörderin geworden, wie auch Daryl feststellen musste.
„Warum hast du das getan?“, brüllte Zarina. Ihre Hände hatten sich in bedrohliche Krallen verwandelt, mit denen ein einziger Hieb tödlich sein konnte. Jette hielt die Luft an. Sie hatte keine Ahnung, dass Engel wirklich existierten. Alles schien wie in Zeitlupe abzulaufen. Zarina fletschte die Zähne, ihre Krallen schlossen sich fester um Noels Kehle. Er rang bereits nach Luft.
„Antworte!“, schluchzte Zarina. Doch Noel brachte nur ein Grinsen zustande.
„Du elende Heuchlerin!“
Die geflüsterten Worte sorgten dafür, dass sich Zarinas Krallen von der Kehle des Vampirs lösten. Langsam drehte sie sich um. Ihr Herz stand kurz davor zu zerspringen, ja nahezu zu explodieren!
Adrenalin wurde durch ihre Adern gepumpt. Sie traute sich nicht ihn anzusehen, doch da war er! Der vernichtende und gleichzeitig verzweifelte Blick zwei grauer Augen.
„Wann hattest du vor, mir das zu sagen?“, flüsterte Daryl. Zarina begann zu schluchzen. Ihre Knie gaben nach. Daryl dagegen erhob sich. Auch wenn seine Beine im Moment aus Pudding zu sein schienen. Seine Welt war soeben zusammen gebrochen. Nun gab es nichts mehr, woran er festhalten konnte. Das Vertrauen das er Zarina entgegen gebracht hatte, war futsch. Immer hatte er den Mörder seiner Familie gesucht, um diesen zur Rechenschaft zu ziehen. Nun kniete dieser vor ihm.
Daryl streckte die Hand aus. Er wollte das Brandmal in ihrem Nacken mit eigenen Augen sehen.
„Fass mich nicht an!“, schrie sie. Er zuckte zurück. Als sich ihre Blicke trafen hielt er den Atem an. Sie war total verängstigt. Gerdazu verstört! Doch obwohl sie ihm alles genommen hatte, empfand er nun etwas wie...Mitleid! Diese Frau war völlig am Ende. Verständlich wenn man bedachte, was sie alles hinter sich hatte. Jahrelang hatte sie es geschafft ihr Geheimnis zu bewahren und das war sicher nicht einfach gewesen! Warum nur wollte er sie in den Arm nehmen?
„Ich hatte nicht vor es dir zu sagen. Niemals!“
Zarina klang nicht wie sonst. Ihre Stimme war rau und brüchig, ließ nicht die kleinste Gefühlsregung erkennen. Jette mischte sich ein. Sie ertrug den Anblick der zerstörten Frau nicht länger.
„Hast du 'ne Macke?“, fuhr sie Noel lautstark an. „Was auch immer du getan hast, du hast ihr Leben zerstört! Sie liebt ihn, verdammt noch mal und du reißt ihr Herz einfach in Stücke!“, brüllte sie weiter. Noel schnaubte.
„Ihr Leben zerstört? Du meinst, so wie sie Daryls zerstört hat? Sie hat seine Familie getötet, Süße. Und ich liebe sie. Ich würde alles dafür tun, dass sich die beiden trennen.“
Nun wurde er lauter.
„Sie gehört zu mir! Nicht umsonst haben sie uns beide ein Brandmal verpasst!“, brüllte er.
Zarinas Schluchzen verstummte.
„Was sagst du da?“, hauchte sie und erhob sich. Beinahe wäre sie wieder zu Boden gegangen, doch sie fing sich. Noel lächelte schwach und wurde ein wenig ruhiger.
„Du gehörst mir, Zarina. Das ist die Wahrheit. Man hat uns beide aneinander gebunden, damit du niemals alleine sein würdest. Du kannst dich nicht an die Zeremonie erinnern, weil du zu dem Zeitpunkt noch ein Baby warst.“
Nachdem Noel verstummt war herrschte vollkommene Stille. Noel hatte Daryl davon erzählt, dennoch lauschte er nun, als er auch Zarina davon erzählte. Jette zog sich in den Hintergrund zurück. Sie beschloss sich raus zuhalten, schließlich hatte sie keine Ahnung worum es ging.
„Aber meine Eltern...“, begann Zarina zögernd. Noel ließ sie gar nicht erst zu Wort kommen.
„Deine Eltern wurden kurz nach deiner Geburt von einem Vampir getötet. Aus diesem Grund wurden wir aneinander gebunden. Ich erlaube nicht, dass du dich einem anderen Mann hingibst, hast du gehört?“
Zarina legte sich die Hand auf den Mund, um das aufsteigende Schluchzen zu unterdrücken.
„Warum hat man mir nie etwas davon gesagt?“, flüsterte sie. Kalt starrte Noel sie an.
„Aus dem selben Grund, warum du Daryl die Wahrheit verschwiegen hast. Das tat weh, stimmt's?“
Seine Worten gefielen ihr nicht. Sie kehrte ihm den Rücken zu.
„Glaub nicht, dass du mich dadurch wieder hast.“, begann sie und ging auf die Tür zu.
„Ich schwöre dir, Noel, ich bringe dich um!“
Der ehemalige Engel lachte leise. Ihre Drohung ließ ihn völlig kalt. Zarina sah über ihre Schulter.
„Ich meine es ernst!“, knurrte sie. Dann wurde sie monoton. Ihre Tonlosigkeit ließ jeden hier erzittern.
„Hat ein Engel einmal getötet, würde er es jederzeit wieder tun!“, flüsterte sie. Noel wurde bleich. Als sie es sah blieb sie stehen und drehte sich noch einmal um.
„Ich habe es dir schon einmal gesagt, Noel. Ich kann jederzeit wieder in einen Blutrausch fallen, erst recht wenn es um Liebe geht!“
Dann war sie verschwunden.


-EINS-



Ein kühler Windhauch blies ihr die feuerroten Haare aus dem Gesicht. Sie war zurückgekehrt.
Zurück an den Ort, von dem sie einst geflohen war. Fünf Jahre waren vergangen. Fünf Jahre, in denen sie die ganze Welt gesehen hatte. Sowohl die schönsten, als auch die grauenhaftesten Orte auf diesem Planeten hatte sie gesehen.
Einiges in dieser Stadt hatte sich verändert. Sie wirkte heller, freundlicher und trug sogar einen anderen Namen. Die meisten Gebäude waren abgerissen und neu gebaut worden. Nur die Kirche war geblieben.
Sie war nie lange an einem Ort geblieben. Die Angst er würde sie finden hatte sie immer weiter getrieben. Bis sie schließlich wieder hier angekommen war.
Sie atmete tief durch. Die Luft roch nicht mehr nach Blut und Verwesung, sondern nach Industrie.
Die Sonne verschwand hinter dem Horizont. Sie war erst seit wenigen Stunden wieder hier und hatte bereits etwas herausgefunden.
Die Stadt hatte wohl ein neues Oberhaupt. Eine Art Bürgermeister. Dieses Oberhaupt hatte wohl dafür gesorgt, dass dieser Ort so viel ansehnlicher geworden war. Sie sah in die Tiefe.
Sowohl Vampire, als auch Menschen füllten die Straßen. Es sah so aus, als würden sie nun in Frieden miteinander leben.
Sie zog die Brauen hoch. Wer auch immer dieses Oberhaupt war, derjenige hatte verdammt gute Arbeit geleistet! Ihre Finger berührten ihre Hüfte. Sie hatte Messer an ihrem Körper befestigt. Wurfsterne und Dolche. Ein Kampfstab steckte in ihrem Stiefel. Sie war stärker geworden. War eine Meisterin jeglicher Kampfkünste. Und da war auch noch der Zauber.
Eine Flamme flackerte in ihrer Hand auf. Sie hatte inzwischen gelernt wie man die himmlischen Kräfte mit den Waffen in Verbindung brachte. Sie war mächtig. Vielleicht sogar mächtiger als die Erzengel! Sie lächelte.
Diese Nacht würde das Grauen in die Stadt zurückkehren!

-ZWEI-



Daryl rieb sich die Schläfen. Diese Konferenz verlangte ihm wirklich alles ab. Doch das lag ausschließlich daran, dass ihm Noel gegenüber saß.
„Vielleicht sollten wir das Ganze auf einen anderen Tag verschieben?“, schlug Jette vor.
„Nein!“, brüllten beide gleichzeitig. Sie wollten das beide so schnell wie möglich hinter sich bringen. Daryl seufzte. Vor einigen Jahren wurde er das Oberhaupt der Stadt. Die Bewohner hatten irgendwie mitbekommen, dass er der letzte Überlebende der Callahans war. Noel wurde von den Anwohnern zum Berater gewählt. Natürlich waren beide unzufrieden.
Daryl wollte diesen Posten nicht, auch wenn er die Chance dazu hatte, etwas zu verändern. Und es gefiel ihm nicht, dass die Leute ausgerechnet Noel als Berater gewählt hatten. Doch Noel passte das Ganze auch nicht. Er war eifersüchtig auf Daryl, denn er wollte das Oberhaupt sein. Nur der Berater zu sein ging ihm gewaltig gegen den Strich! Die beiden hassten sich noch immer abgrundtief, doch in ihrem Job rissen sie sich am Riemen. Sie hatten beide das Ziel für Frieden in dieser Stadt zu sorgen und nur deswegen saßen sie nun hier.
Beide Männer wollten der Frau damals hinterher, doch keiner der beiden hatte sie gefunden. Irgendwann hatten sie es aufgegeben. Noel hatte sich damit abgefunden. Sie hasste ihn und würde ihm irgendwann nach dem Leben trachten. Doch damit kam er klar. Er war einigermaßen zufrieden, schließlich hatte er Daryl und sie erfolgreich auseinander gebracht. Bei Daryl war das allerdings anders...
Er hatte sich geschworen den Mörder seiner Familie auf brutalste Weise zu Tode kommen zu lassen, doch im war klar geworden, dass er diese Frau niemals töten könnte!
Es wäre ihm sowieso nicht gelungen, schließlich war sie verschwunden...
Er hatte damals nichts auf die Reihe gekriegt, wusste nicht wie er sich fühlen sollte, geschweige denn was er fühlen sollte. Er war so unglaublich wütend gewesen! War entsetzt darüber, dass sie ihm das angetan hatte und hatte doch Mitleid mit ihr gehabt, als sie schluchzend auf die Knie gefallen war.
Er war nicht mehr böse auf sie, nein! Er spürte keinen Zorn mehr, nicht ihr gegenüber, sondern etwas ganz anderes. Er hatte sich an ihre Worte erinnert. Warum sie verbannt worden war. Und er hatte sich an Noels Worte erinnert. Warum sie seine Familie getötet hatte. Er hatte einige Tage nachgedacht. Daryl wusste nun, dass sie ihn damals niemals hatte verletzen wollen. Es war eine Bestrafung! Zur Strafe ihrer Gefühle sollte sie die Personen töten, die diese Gefühle in ihr hervorgerufen hatten. Sie war ein Kind, sie wusste nicht was richtig und was falsch war und hatte deshalb getötet. Doch sie brachte es nicht übers Herz ihn zu töten. Stattdessen nahm sie ihm seine Erinnerung, damit er ihr Verschwinden nicht mit dem Tod seiner Familie in Verbindung bringen würde. Sie war abgehauen, aus Angst, er könnte sich doch an etwas erinnern. Sie wollte ihm keine Schmerzen bereiten und hatte ihn deshalb zurückgelassen.
Doch wie es das Schicksal wollte, waren sie sich am Ende doch wieder über den Weg gelaufen.
Er wusste nun warum sie Noel so unbedingt von ihm fernhalten wollte. Sie wusste, dass er es ihm sagen würde. Sie hatte ihn angefleht nicht nach ihrer Vergangenheit zu fragen. Kein Wunder...
Sie wollte ihr neu gewonnenes Glück nicht riskieren und hatte alles daran gesetzt, nicht ertappt zu werden. Nur, weil sie ihn nicht verlieren wollte hatte sie das getan!
Sie hatte ihm, kurz vor ihrem Verschwinden versprochen wieder zu kommen, doch sie hatte dieses Versprechen gebrochen. Doch es gab noch eine Sache, der er sich nun bewusst war...
Daryl liebte sie! Er liebte sie wirklich und wahrhaftig! Durch die Wahrheit hatte sich das Gefühl noch verstärkt und das ließ ihn wissen, dass sie damals wirklich recht gehabt hatte!
„Daryl.“
Jette riss ihn aus den Gedanken.
„Können wir weitermachen?“, fragte die Frau mit hochgezogenen Brauen. Er nickte.
„Liegt irgendetwas wichtiges an?“, fragte er geistesabwesend.
„Ja.“, sagte die Frau nun und nickte. Beide Männer sahen sie erwartungsvoll an.
„Ich hätte gerne Urlaub. Ab sofort!“
Hastig sprach sie die Worte aus. Jette wusste das sie da war. Sie musste weg, und zwar so schnell wie möglich! Daryl und Noel waren verwirrt, doch der ehemalige Engel nickte schließlich.
„Du bist immer so fleißig also denke ich, dass das in Ordnung geht. Meinetwegen kannst du verschwinden.“, sagte er ein wenig verwirrt.
„Danke.“, nuschelte sie und stürmte aus dem Saal. Völlig überrumpelt sahen sie beiden ihr nach.
„Was war das denn jetzt?“, murmelte Daryl. Noel zuckte mit den Schultern.
„Das hat sie manchmal.“
Die beiden verfielen in Schweigen, denn eine plötzlich eisige Kälte machte sich im Saal bemerkbar.
Noel blinzelte.
„Wieso steht das Fenster offen?“, fragte er irritiert und erhob sich kopfschüttelnd. Hastig schloss er das Fenster. Und da erst bemerkte er die Gestalt, die im Schatten neben dem Fenster an der Wand lehnte. Eiszapfen durchbohrten sein Herz. Er bekam einen solchen Schrecken, dass er einen Schritt zurück stolperte, das Gleichgewicht verlor und schließlich auf seinem Hintern landete. Die Gestalt rührte sich nicht.
„Was hast du denn nun schon wieder?“, rief Daryl ihm wütend zu. Doch nun sah auch er die dunklen Umrisse an der Wand. Er kniff die Augen zusammen, doch auch dadurch konnte er nichts genaueres erkennen. Nach einigen Sekunden war der Mond hoch oben am Himmel so weit gewandert, das sein Licht seitlich durchs Fenster fiel. Das Mondlicht traf genau auf die Gestalt.
Noels Augen weiteten sich. Er hatte keine Zeit um zu reagieren. Lange Krallen schlossen sich bereits um seine Kehle und drückten von Sekunde zu Sekunde fester zu. Er würde sterben, wenn er jetzt nicht reagierte. Mit der Faust versuchte er einen Treffer zu landen. Vergeblich. Er wurde hochgezogen, bis seine Beine in der Luft baumelten und wurde dann gegen die Wand geschleudert. Er spuckte Blut.
Was waren das für Kräfte?
Daryl Herz konnte sich gar nicht mehr beruhigen. Es klopfte stark, pumpte Adrenalin durch seine Adern und ließ seinen Blutdruck in die Höhe schießen.
„Schön euch wiederzusehen, Jungs.“, sagte Zarina und lächelte.

-DREI-



Jette wollte einfach nur weg von hier. Raus aus dieser Stadt. Sie hatte Zarina als eine etwas...verrückte Frau kennengelernt, doch der Ausdruck den sie in ihren Augen gesehen hatte ließ sie wissen, dass sie diese Nacht ein Blutbad anrichten würde! Sie hatte den Kopf geneigt und ihr so deutlich gemacht, dass sie verschwinden sollte. Sie wagte es nicht ihr zu widersprechen. Indem sie lief, schenkte sie sich selbst das Leben. Jette wusste, dass sie sie in Ruhe lassen würde. Auch das hatte sie in ihren Augen gesehen. Vielleicht war es ja Dankbarkeit, weil sie Zarina damals zu Noel geführt hatte? Sie rannte weiter. Sie wollte nicht stehen bleiben. Sie würde ein neues Leben anfangen müssen. Ohne Noel...

Sie hatte sich von ihrer langen Mähne getrennt. Statt ihrer hüftlangen, dunkelroten Haare sah Daryl nun zerzauste, feuerrote Strähnen, die ihr knapp bis ans Kinn reichten. In ihren Lederklamotten sah sie aus wie eine Raubkatze. Die schwarz umrahmten Augen verstärkten das grün und ließen sie noch gefährlicher wirken. Daryl hätte sich nun gerne an ihren Hals geworfen, doch zwei Dinge hinderten ihn daran. Zum einen die Waffen, die überall an ihrem Körper aufblitzten. Zum anderen die Tatsache, dass sie sich sowieso erst um Noel kümmern würde.
Als sich ihre Blicke trafen geschah etwas unglaubliches. Die Mordlust aus ihren Augen verschwand und sie lächelte schwach. In eleganten und zielsicheren Schritten kam sie auf Daryl zu, der noch immer wie versteinert am Tisch saß.
„Du dachtest wirklich ich würde mein Versprechen brechen, oder?“, flüsterte sie und beugte sich vor. Sie legte ihre Hand an seine Wange und drückte ihre Lippen kurz auf seine.
Diese kurze Berührung reichte aus, um den Vampir alles vergessen zu lassen. Er legte einen Arm um ihre Taille und zog sie auf seinen Schoß. Er ließ ihr keine Gelegenheit sich zurückzuziehen und drang mit seiner Zunge in ihren Mund ein.
Zarina, ich...


Sie biss ihm auf die Lippe, um von ihm loszukommen.
„Wir reden nachher, Süßer.“, flüsterte sie. Sie drückte ihm noch einen kurzen Kuss auf die Stirn, dann rutschte sie von ihm herunter. So berauschend dieser Moment auch war, sie musste sich nun auf Noel konzentrieren, der sie wütend anstarrte.
„Du wagst es wirklich, dich noch immer gegen mich zu stellen?“, knurrte er. Schlagartig trat wieder die Mordlust in ihre Auge.
„Du wagst es, überhaupt noch mit mir zu reden?“, schrie Zarina und schleuderte das erste Messer.
Verwirrt starrte Noel das Messer in seiner Schulter an. Blut sickerte hervor. Zarina wollte sich auf ihn stürzen, doch irgendetwas berührte ihren Hals. Es waren Daryls Lippen, die ihren Hals küssten.
„Lass mich das machen!“, flüsterte er. „Schließlich hat er uns auseinander gebracht!“
Wieder schweifte sie mit den Gedanken ab. Wieso war er nicht wütend? Sie hob den Arm, um ihn dann um seinen Hals zu legen.
„Lass es uns gemeinsam machen.“, hauchte sie und lehnte sich an ihn.
„Was immer du wünschst!“, hauchte er.
Wieder ein Kuss.

Sie wusste doch was mit ihm passiert war, also warum wollte sie so unbedingt zurück?
Sie betrachtete das Anwesen. Sie roch Blut. Sein Blut.
„Was mache ich hier eigentlich?“, murmelte sie, während sie auf das riesige Haus zulief. Der Blutgeruch wurde stärker, je näher sie kam.
Als sie am Ende vor der Tür des Saals stand, musste sie ein Würgen unterdrücken. Sie war zwar eine Vampirin und liebte Blut, doch die Unmengen Blut die sie roch, waren einfach zu viel für ihre empfindliche Nase. Sie hoffte der Anblick wäre nicht all zu schlimm, doch sie ahnte bereits, was sie gleich zu Gesicht bekommen würde.
Und dann stand sie mittendrin. Überall war Blut! An den Wänden, auf dem Boden und sogar an der Decke! Sie wäre beinahe darauf ausgerutscht. Und dann sah sie ihn. Den leblosen Körper von Noel, der auf dem großen Tisch lag. Aufgeschlitzt und verstümmelt. Doch...der Kopf fehlte! Sie sah sich um und entdeckte seinen Kopf, aufgespießt auf einem antiken Kerzenständer.
Jette schrie auf. Und brach zusammen.

Leise lachend ließ sie sich aufs Bett fallen.
„Scheiße noch mal!“, gluckste sie.
„Du scheinst mit seinem Verlust nicht klarzukommen.“, murmelte Daryl und betrachtete Zarina, deren Hände mal wieder voller Blut waren. Sofort wurde sie ernst.
„Noel war eine Zeit lang alles für mich. Aber seitdem er wieder aufgetaucht ist, ist alles aus dem Ruder gelaufen!“
Sie sah zu ihm auf.
„Es tat...so verdammt weh zu sehen, wie sehr du gelitten hast!“, flüsterte sie.
Sofort war er bei ihr. Er schloss sie in die Arme und drückte sie an seine Brust.
„Shht.“
Er strich ihr übers Haar.
„Hör mir zu, Zarina. Und unterbrich mich nicht!“
Er holte tief Luft und nahm all seinen Mut zusammen,.
„Ich bin dir nicht böse, Süße! Fünf Jahre sind vergangen und mit diesen fünf Jahren hatte ich genug Zeit, um nachzudenken. Als ich dich damals gesehen habe...schluchzend und am Boden, hätte ich dich am liebsten in den Arm genommen. Aber Noel hätte sicher wieder alles kaputt gemacht. Ich...weiß inzwischen warum du das alles getan hast. Deine Worte und die von Noel haben zusammengepasst. Eigentlich hätte ich schon viel eher darauf kommen müssen, dass du diejenige warst, die Schuld an der Vergangenheit hatte. Aber wie dem auch sei, mir ist eines klar geworden...“
Er sah sie eindringlich an, sie erwiderte seinen Blick mit einem fragwürdigen Funkeln in den Augen.
„Ich liebe dich, Zarina. Du hattest recht.“
Mit großen Augen sah sie zu ihm auf.
„Daryl.“, flüsterte sie.
Jegliche Grausamkeit und Kaltschnäuzigkeit war aus ihrem Gesicht verschwunden. Vor ihm saß eine sensible und verletzliche Frau, die schon längst gebrochen war.
„Du weißt was passiert ist. Du weißt wer Schuld ist. Du weißt, wie sehr du darunter gelitten hast. Und du erklärst dich dennoch dazu bereit, mich zu lieben?“
Ihre Worte ließen ihn leise lachen.
„Man kann sich nicht dazu bereiterklären, Süße.“, sagte er lachend. „Das müsstest du eigentlich wissen!“
„I-Ich weiß aber...das was du gerade gesagt hast, klingt...so weit weg.“, murmelte sie. Daryl musste schmunzeln. In diesem Moment sah sie einfach nur süß aus.
„Klingt ziemlich unglaublich, ich weiß.“, sagte der Vampir. Sein Arm legte sich um ihre Taille.
„Ich weiß, ich sollte dich hassen...“, murmelte er und legte seinen Kopf auf ihren ab. „...aber das geht einfach nicht! Ich kriege dich einfach nicht aus dem Kopf, Zarina! Du gehörst mir, Süße und niemand anderem sonst! Weder Noel, noch sonst jemandem, hast du verstanden?“
Sie nickte schwach.
„Ja.“, hauchte sie und legte ihre Hand auf seine. Ihre grünen Augen trübten sich.
„Ich kann einfach nicht glauben, dass man uns aneinander gebunden hat. Glaubst du, Noel ist das zu Kopf gestiegen?“, fragte sie und rückte sich so zurecht, dass sie auf seinem Schoß saß und ihn ansehen konnte. Daryl verkniff sich ein Seufzen. Er wollte nicht das sie Noel erwähnte, geschweige denn auch nur an ihn dachte, doch er konnte es ihr nicht verübeln. Nach allem was passiert war, musste sie einfach darüber nachdenken. Er hoffte nur, sie würde sich bald keine Gedanken mehr darüber machen.
„Darauf kann ich dir keine Antwort geben, Süße. Aber sag mal...“
Daryl zögerte.
„...was hast du zuletzt für ihn empfunden?“, fragte er leise. Sie neigte den Kopf.
„Zuletzt?“, hakte sie nach. „Nichts. Gar nichts! Dieser verdammte Mistkerl hat alles kaputt gemacht! Es war so schon kompliziert und dann kommt er und macht alles nur noch schlimmer! Weißt du, wie ich mich gefühlt habe, als ich dich da gesehen habe? Wie du ins Leere gestarrt hast? Ich hatte panische Angst davor, dass du mich hassen würdest! Sag...war es falsch von mir, einfach abzuhauen?“
Tränen standen ihr in den Augen. Daryl atmete wieder tief durch. Dann umfasste er ihr Gesicht mit beiden Händen.
„Ich habe es dir schon einmal gesagt und ich sage es noch einmal: Lass die Vergangenheit gefälligst ruhen. Du bist wieder bei mir, alles andere ist mir jetzt egal.“
Die Tränen liefen über.
„Gott, dass habe ich doch gar nicht verdient.“, hauchte sie und ließ sich von ihm küssen.
Du hast so viel mehr verdient als nur einen Vampir wie mich, Zarina!


Zarina schob ihn von sich.
„Nein!“, knurrte sie. „Du bist alles was ich brauche, Daryl. Alles andere ist Schwachsinn!“
Lachend zog er sie wieder an sich. Seine Fänge bohrten sich plötzlich unangenehm in seine Unterlippe. Er keuchte. In all den Jahren hatte er nur von Jette getrunken, doch selbst das war ihm zuwider.
„Zarina, ich brauche...“
Sie legte ihm den Finger auf den Mund.
„Halt die Klappe und mach gefälligst!“, sagte sie lachend und lehnte sich an ihn. Das ließ er sich nicht zweimal sagen. Sanft legte er ihren Kopf zurück, dann beugte er sich vor.
„Du glaubst ja gar nicht, wie sehr ich mich danach verzehrt habe.“, flüsterte er, ehe er seine Zähne in ihr Fleisch schlug. Zarina stöhnte, doch dann kam ihr ein Gedanke.
„Daryl.“, hauchte sie. Der Vampir lauschte gespannt während er trank.
„Ich bin zwar noch immer an Noel gebunden aber es gibt einen Weg, diese Bindung aufzulösen!“
Er hörte auf zu schlucken, zog seine Zähne aus ihr. Seine schwarzen Augen funkelten, Zarina sprach weiter.
„Allerdings wird dadurch eine neue Bindung entstehen.“, sagte sie leise. Daryls Brauen hoben sich. Damit hatte er nicht gerechnet.
„Du meinst, du kannst Noels Bindung auflösen, wenn du dich an mich bindest?“, fragte er vorsichtshalber noch einmal nach. Sie nickte.
„Ja.“
Sie blinzelte. Danach lag sie unter ihm. Sie fragte sich wie er das gemacht hatte, beschloss aber nicht weiter darüber nachzudenken.
„Zarina, ich will dich nicht drängen aber wenn es eine Möglichkeit gibt, dich von diesem Mistkerl zu lösen, dann musst du sie nutzen!“
Seine Verzweiflung ließ sie lächeln.
„Natürlich werde ich sie nutzen, du Idiot! Glaubst du, ich will an einen toten Mann gebunden sein?“
Sie packte ihn am Kragen und zog ihn zu sich hinunter.
„In dieser Zeremonie muss Blut ausgetauscht werden.“, flüsterte sie. „Im Himmelsreich wird daraus eine riesen Nummer gemacht. Das muss aber nicht sein...“
„Was muss ich tun?“, flüsterte Daryl.
„Du musst nichts tun, du hast mein Blut bereits in dir.“, erklärte sie und nahm seinen Finger.
„Ich muss lediglich dein Blut trinken. Das ist alles!“
Daryl hielt inne. Das hörte sich so einfach ein...Er zog seinen Finger zurück und riss ihn sich an seinen Fängen auf. Dann schob er ihr den blutigen Finger in den Mund. Sie schloss die Augen und seufzte, leckte das Blut von seinem Finger und schluckte.
„Eine Sache muss aber noch getan werden.“, flüsterte sie, nachdem Daryl seinen Finger wieder zurückzog. Er wusste erst nicht was sie meinte, doch dann fiel es ihm ein. Seine Augen weiteten sich.
„Aber wie...“
Eine kleine Flamme flackerte in ihrer Hand auf. Sie drückte sich selbst das Feuer gegen die Brust und verzog nicht einen Muskel dabei, auch wenn es verdammt schmerzte.
„Das Symbol entsteht von ganz alleine.“, erklärte sie ruhig. Ein wenig geschockt sah Daryl sie an.
„Warum ausgerechnet auf die Brust?“, fragte er leise.
„Ich will das jeder sehen kann, dass du zu mir gehörst.“, erwiderte sie. Er lächelte und nahm ihre Hand.
„Na, wenn das so ist...“, sagte er und drückte ihre Hand gegen seine Brust. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihn. Er biss sich auf die Zunge, um bloß keinen Ton von sich abzugeben. Langsam löste sich ihre Hand von seiner Brust. Verbrannte Haut kam zum Vorschein.
„Die Schmerzen werden gleich nachlassen, keine Sorge.“, sagte Zarina und streichelte seine Wange. Langsam zog sie ihre Hand zurück, um sich mit den Fingern über den Nacken zu streichen. War das alte Brandmal etwa verschwunden? Alles was sie spürte war glatte Haut.
„Das alte Mal ist verschwunden.“, sagte sie leise und sah den Vampir wieder an. Er lächelte zufrieden, legte seine Hand in ihren Nacken und zog sie zu sich heran.
„Jetzt gehörst du endlich mir!“, flüsterte er und küsste sie.
Ich habe schon immer dir gehört. Nun ist es offiziell!


Ihre Stimme in seinem Kopf ließ ihn lächeln. Irgendwann...schliefen sie Arm in Arm ein.

-VIER-



Aufmerksam lauschte Alec ihren Worten. Er war irgendwie beeindruckt, was teilweise an ihrem veränderten Aussehen lag. Aus dem Kind war eine Frau geworden. Zarina lächelte und stieß den Vampir an.
„Na los, erzähl schon, was hast du in den fünf Jahren alles getrieben?“
Alec war wieder überrascht. Fünf Jahre? Er fragte sich was alles passiert war. Er wusste das Zarina diesem Kerl die Erinnerung genommen hatte, doch so wie sie miteinander umgingen schien es, als wären sie mehr als nur Freunde. Daryl zögerte mit seiner Antwort.
„Nun ja, ich bin...zum Oberhaupt der Stadt geworden. Und die Bewohner der Stadt haben...Noel zu meinem Assistenten gewählt.“
Zarina hielt inne. Nie hätte sie damit gerechnet, dass ausgerechnet Daryl für den Frieden in der Stadt verantwortlich war.
„Wow!“, hauchte sie. „Du hast verdammt gute Arbeit geleistet.“
Der Vampir lächelte und verzog dann das Gesicht.
„Ich habe dich gesucht. Wo warst du in all den Jahren?“
Zarina senkte den Blick. Alec wurde aufmerksamer.
„Ich bin von Kontinent zu Kontinent. Ich habe mir schon gedacht, dass du nach mir suchen würdest, deswegen bin ich abgehauen.“, sagte die Frau leise. Für eine Weile schwiegen sie.
Alec war seit einigen Tagen auf der Erde, um Zarina zu beobachten. Die Erzengel wollten wissen was aus ihr geworden war. Sie würden schockiert sein wenn sie erfuhren, dass sie Noel getötet und sich an den Vampir gebunden hatte. Alec schluckte. Sie würden außer sich sein! Er schluckte erneut und zog sich zurück. Fürs erste hatte er genug Informationen gesammelt.

Zarina hatte sich nach dem langen Schlaf erholt gefühlt, doch nachdem sie darüber geredet hatten, was sie all die Jahre über gemacht hatten, war ihre Laune wieder gesunken.
Sie hatte Schuldgefühle! Doch egal wie oft sie sich entschuldigte, Daryl beteuerte immer wieder, wie egal ihm das geworden war. Sie war irgendwann unter die Dusche gesprungen, um den Kopf frei zu bekommen, doch daraus wurde nichts, denn die plötzliche Kälte die sie verspürte erinnerte sie daran, wie sehr sie bei Daryl bleiben wollte. Sie war nur duschen gegangen und verspürte dennoch unglaubliche Sehnsucht nach ihm, obwohl er gleich nebenan war. Scheinbar hatte er gespürt, dass sie ihn vermisste, denn plötzlich spürte sie nackte Haut an ihrer.
„Daryl.“, hauchte sie und erschauderte. Er küsste ihre Schulter.
„Ich kann spüren wie sehr du mich vermisst, wenn ich nicht da bin!“, raunte er ihr ins Ohr. Sie hörte deutlich das arrogante Grinsen heraus.
„Und ich kann spüren, dass du erregt bist.“, erwiderte sie lächelnd. Er zuckte. Sie wusste es anhand der Gefühle, die sie durch ihre Bindung nun verspürte und sie wusste es, weil sich sein harter Schwanz gegen ihren Rücken drückte.
„Du stehst nackt unter der Dusche, natürlich bin ich erregt!“, knurrte er. Seine Hände legten sich auf ihre Brüste, drückten und massierten sie. Sie stöhnte.
„Du bist verspannt.“, stellte er fest.
„Das Gespräch eben hat mich nachdenklich gemacht.“, murmelte sie und ließ sich von Daryl massieren.
„Denk einfach nicht mehr dran, Süße. Ich bin das Oberhaupt der Stadt und habe nun das sagen hier. Du brauchst dir keine Gedanken über das Geschehene zu machen. Wir fangen ganz neu an, in Ordnung?“
Sie zögerte einen Moment, nickte aber dann und lehnte sich an ihn. Schützend legte er seine muskulösen Arme um ihren Körper.
„Ich werde dennoch immer Schuldgefühle haben.“, flüsterte Zarina.
„Irgendwann wirst du merken, dass dies völlig unbegründet ist.“, sagte Daryl.
Zarina löste seine Arme von ihrem Körper und drehte sich dann um. Nun war sie diejenige, die ihn umarmte. Sie ließ ihre Fingerspitzen über seinen Rücken gleiten und spürte, wie er anfing zu beben.
„Ich liebe dich, Daryl!“, flüsterte sie und legte den Kopf zurück. Die bedingungslose Liebe in ihren Augen war nicht zu übersehen.
„Das weiß ich doch.“, flüsterte er und beugte sich vor. „Ich liebe dich auch, Zarina!“
Sie küssten sich. Das heiße Wasser prasselte auf ihre Haut. Wasserdampf vernebelte ihnen die Sicht.
Niemals hätte Zarina gedacht, dass Daryl ihr verzeihen würde, geschweige denn, ihre Liebe erwidern würde. Trotz Noels Ende war sie glücklich!
„Du bist so wunderschön, wenn du lächelst!“, hauchte Daryl. Sie hatte gelächelt, ohne es zu merken? Wie hatte sich ihr Leben doch geändert.
„Das hast du dir selbst zu verdanken.“, sagte sie lachend.
„Was bin ich doch für ein großartiger Kerl!“, antwortete er grinsend. Sie lachte lauter. Von nun an würde sie nie wieder einen Gedanken an Noel verschwenden. Sie würde auch nicht mehr über die Vergangenheit nachdenken. Sie würde leben. Mit Daryl zusammen leben! Ganz von vorne anfangen.
„Zarina.“
Die Frau hob den Kopf und blickte in graue Augen. Fragend neigte sie den Kopf.
„Heirate mich.“
Ihre Augen weiteten sich. Der Vampir fuhr fort.
„Ich weiß, wir sind schon aneinander gebunden und es gibt nichts, was uns tiefer miteinander verbinden könnte aber wir leben unter den Menschen und ich wäre auch gerne auf menschliche Weise mit dir verbunden!“
Tränen füllten ihre Augen und ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.
„Die menschliche Ehe hat für uns keinerlei Bedeutung aber wenn es dir wirklich etwas bedeutet dann...sage ich ja!“
Ihm hätte ein einfaches Ja gereicht, doch er küsste sie dennoch stürmisch, um seiner Freude Ausdruck zu verleihen. Und obwohl er keinen Ring hatte und nicht auf die Knie gefallen war fand sie, dass dies der schönste Antrag war, den ein Mann je einer Frau machen konnte.
Sie standen unter der Dusche, eng umschlungen, das war doch romantisch, oder nicht?

-FÜNF-



Anatol hatte nicht lange zuhören können. Alec war noch nicht fertig, da war er schon aufgesprungen und aus dem Saal gestürmt. Er konnte nicht glauben was er da gerade gehört hatte. Die Zarina die er kannte hätte niemals einen Mann getötet, den sie einst geliebt hatte! Er machte sich auf den Weg zu seinem Schlafgemach und dachte währenddessen über das Mädchen nach.
Er erinnerte sich an das kleine Mädchen, welches immer fröhlich gewesen war und sich nie die Laune hatte verderben lassen. Noel hatte sich liebevoll um sie gekümmert, nachdem ihre Eltern ermordet worden waren. Anatol war ihr Lehrer gewesen. Er hatte ihr alles beigebracht was ein junger Engel wissen musste. Hatte ihr gesagt wie wichtig es sei das Gesetz zu befolgen. Er schüttelte während seiner Grübelei den Kopf. Sie war immer ein braves Kind gewesen, hatte alles getan was man ihr sagte, und doch hatte sie das Gesetz am Ende missachtet. Anatol hatte Noel ausdrücklich gewarnt. Es gab schon viele junge Engel, die sowohl den Menschen, als auch den Vampiren verfallen waren und genau deshalb sollte Noel darauf achten, dass sie sich nicht zu sehr an die Vampire gewöhnte. Doch entweder hatte Noel versagt oder Zarina hatte sich gewehrt. Anatol lächelte schwach. Obwohl Zarina immer gehorsam gewesen war, hatte sie einen starken Willen gehabt. Nie hätte jemand ihren Willen brechen können! Er fragte sich, wie es nun aussah...

Lachend ließ Zarina sich aufs Sofa fallen.
„Du hast hier zwar vieles verändert aber Vampire dürfen noch immer nicht heiraten!“, gluckste sie. Daryl sah verwirrt auf sie herab.
„Wie meinst du das?“
Sie grinste.
„Ich war gerade in der Kirche, wo mir gesagt wurde, dass Vampire nicht heiraten dürfen.“, erklärte sie. Daryl schnaubte.
„Ich bin das Oberhaupt, so etwas entscheide immer noch ich!“
Sein ernstes Gesicht ließ sie lachen. Sie packte seinen Arm und zog ihn zu sich.
„Das hat Zeit, Süßer.“, sagte sie und küsste ihn auf die Wange. Plötzlich versteifte sie sich.
„Zarina, was...“
Daryl verstummte, denn nun spürte auch er die eigenartige Energie.
„Anatol.“, sagte Zarina mit fester Stimme und sah den Erzengel an, der mit verschränkten Armen an der gegenüberliegenden Wand lehnte.
„Zarina.“, erwiderte der Mann und kam auf sie zu. Die Frau wusste nicht so recht wie sie auf den Erzengel reagieren sollte, doch sie erhob sich, machte ebenfalls einige Schritte und verneigte sich leicht.
„Die Umstände könnten angenehmer sein aber es mir eine Freude dich wiederzusehen, Anatol.“, sagte Zarina, lächelte und richtete sich dann wieder auf.
„Noel sagte er hätte dich verletzt, wie geht es dir?“, sprach sie weiter. Die Gefallene musterte den Erzengel. Seine grauen Haare waren brustlang, er hatte sie locker zusammengebunden, und seine blauen Augen waren immer noch so trübe und milchig wie damals. Seine Haut war in all der Zeit noch faltiger geworden, doch auch das konnte die tiefen Narben in seinem Gesicht nicht verbergen. Der kräftige und muskulöse Körper hatte sich jedoch nicht verändert. Anatol war verwirrt. Sie schien zwar immer noch ganz höflich zu sein, doch rein äußerlich war sie eine ganz andere Person.
Ihre Haare waren nicht mehr schwarz, sondern feuerrot und zerzaust. Sie war zu einer Frau herangewachsen, zu einer unglaublich hübschen Frau um genau zu sein. In ihren grünen Augen war jedoch noch immer dieser unglaublich starke Willen zu erkennen. Aufmerksam musterten ihn diese Augen.
„Anatol, ist alles in Ordnung?“, fragte sie besorgt und trat einen Schritt vor. Mit einem mal war alles in dem Erzengel verschwunden. Alles was er noch spürte war die Vaterliebe zu dem einst kleinen Mädchen, welches ihm nun gegenüber stand. Er lächelte schwach.
„Ich bin eigentlich hergekommen um ein ernstes Gespräch mit dir zu führen aber im Moment ist die Wiedersehensfreude größer.“, sprach der mächtige Mann. Zarina lächelte.
„Ja, es geht mit gut.“, sagte Anatol nun. „Noel hat mich in der tat verletzt aber wie du siehst, geht es mir wieder gut.“
„Was bin ich erleichtert.“, seufzte die Frau und legte sich die Hand auf die Brust. Anatol sah genau hin. Das trägerlose Top das sie trug gab den Blick auf ihr Dekolletee frei und somit auch auf das Mal. Hätte sie es nicht eigentlich im Nacken tragen sollen? Zarina bemerkte seinen Blick und legte ihre Hand auf das Brandmal, sodass es ihm verborgen blieb.
„Du hast dich an jemand anderen gebunden?“, fragte er mit rauer Stimme. Daryl trat an Zarina heran und legte ihr einen Arm um die Taille, um sie an sich zu drücken.
„Ja, das hat sie.“, sprach der Vampir. Nun erkannte Anatol den Mann. Sein Blick ging zwischen den beiden hin und her.
„Dann ist es also wahr...“, sagte der Erzengel nachdenklich. „Du hast Noel wirklich umgebracht.“
„Deswegen bist du hier...“, stellte Zarina enttäuscht fest. Sie befreite sich aus Daryls Griff und kehrte beiden Männern den Rücken zu.
„Ja.“, gab sie leise zu. Anatol konnte die Aufruhr in ihrem Herzen spüren, doch er kam nicht drum herum tiefer zu bohren.
„Warum?“, wollte er wissen.
Daryl zog seine Frau wieder zu sich heran.
„Bei allem Respekt aber ich dulde nicht, dass Sie meine Frau dazu zwingen, an Vergangenes zu denken!“
Anatol zog die Brauen hoch. Es gab nicht einmal eine Hand voll Leute die es sich trauten, so mit ihm zu sprechen.
„Nun gut, dann kannst sicher du mir sagen, warum sie so gehandelt hat.“
Daryl schwieg im ersten Moment, dann ergriff er Zarinas Hand und beugte sich vor.
„Geh ins Schlafzimmer, hörst du?“, flüsterte er.
Sie nickte, dann lächelte sie schwach.
„Danke.“, hauchte sie und küsste ihn. Sanft schob er sie Richtung Schlafzimmer.
Nachdem sie die Tür zugezogen hatte, wandte er sich wieder dem Erzengel zu.
„Meinetwegen, ich erzähle es Ihnen. Aber egal was Sie gleich auch hören werden, Sie werden Zarina weder verurteilen, noch Vorwürfe machen, klar?“
Anatol hasste es wenn man so mit ihm sprach aber er nickte.

Ein wenig fassungslos starrte Zarina vor sich hin. Anatol war hier! Und er schien kein bisschen wütend zu sein! So angestrengt sie auch lauschte, sie konnte nichts hören. Sie lächelte. Ob Daryl ab jetzt wohl immer so vorsichtig mit ihr umgehen würde?
Zarina?


Sie wurde aufmerksam und setzte sich aufrecht hin.
Was gibt’s?

, dachte sie und lauschte angespannt nach Daryls Stimme.
Gibt es irgendetwas, das ich Anatol nicht erzählen soll?


Er soll alles wissen.

, dachte sie nun und ließ sich auf die Matratze fallen.
Gib mir Bescheid wenn ihr fertig seid.

, fügte sie hinzu und schloss die Augen.

Eine halbe Stunde später saß Anatol schweigend auf dem Sofa.
Zarina.

, dachte er.
Vorsichtig kam die Frau hinter der Tür zum Schlafzimmer zum Vorschein.
„Komm her.“
Schweigend folgte sie seinem Befehl. Anatol erhob sich und schloss sie in die Arme. Verwirrt ließ sie es geschehen.
„Mir scheint als hätte ich den Falschen ausgewählt.“, sagte Anatol. „Noel war der Falsche. Ihm ist wohl alles zu Kopf gestiegen und das hätte nicht passieren dürfen!“
Zarina lächelte und löste sich von dem Erzengel.
„Hör auf damit, Anatol. Dich trifft keine Schuld. Niemand hätte das wissen können.“, versicherte sie ihm. Doch der, fast schon liebevolle Ausdruck in Anatols Augen verschwand und er wurde zu dem Mann, der er eigentlich war. Nämlich ein Erzengel.
„Du hast dennoch gegen das Gesetz verstoßen.“, sagte er barsch. Zarina schob die Unterlippe vor und verdrehte die Augen.
„Na und? Glaubst du, dass stört mich noch?“, sagte sie in sturem Tonfall.
„Ich hatte vor dich zurückzuholen, Zarina.“
Zarina versteifte sich und sah den Erzengel perplex an.
„Was?“, hauchte sie.
Anatol schwieg. Sie hatte ihn natürlich verstanden. Daryl bekam es mit, doch er hatte keine Zeit sich einzumischen.
„Ich gehe hier nicht mehr weg!“, rief Zarina aus. Anatol sah sie überrascht an.
„Was ist los mit dir, Zarina? Ich hatte erwartet, dass du dich darüber freuen würdest.“, sagte er und machte eine Bewegung mit der Hand. Hastig schüttelte sie den Kopf.
„Eigentlich würde ich mich auch darüber freuen aber...“
Sie sah zu Daryl.
„Ich bin mit der momentanen Situation wirklich zufrieden, deswegen muss ich ablehnen.“
Daryl kam zu ihr und legte die Arme um sie. Anatol lächelte.
„Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sage aber vielleicht war deine Entscheidung, das Gesetz zu brechen ja doch nicht so falsch?“
Zarina atmete tief durch.
„Ist es mir erlaubt, ab und zu mal bei euch vorbeizuschauen?“, fragte sie leise.
Das Lächeln des Erzengels wurde breiter.
„Nur, wenn ich es erlaube.“, sagte er.
Zarina blinzelte unschuldig, Anatol nickte lächelnd. Kichernd befreite sie sich aus Daryls Armen, damit sie sich Anatol an den Hals werfen konnte.
„Vielen Dank.“, flüsterte sie und küsste ihn auf die Wange.

„Zarina, ich...“
Die Frau lächelte, stellte sich auf Zehenspitzen und küsste Daryl auf die Stirn.
„Mach dir keine Sorgen, Süßer, ich komme schon zurecht. Ich weiß gar nicht...worüber genau du dir eigentlich Sorgen machst.“, sagte sie.
Betrübt sah er sie an.
„Ich will nichts Falsches sagen, Zarina aber...du gehörst nicht mehr dorthin! Du gehörst zu mir!“
Zarina seufzte.
„Natürlich gehöre ich dir aber ich würde liebend gerne meine alten Freunde wiedersehen.“
Sie zögerte kurz.
„Es gibt da außerdem noch etwas, das ich wissen muss.“
Der Blick des Vampirs trübte sich noch mehr. Zarina zog bei seinem Anblick die Brauen hoch und drehte sich dann zu Anatol um, der bereits ungeduldig wartete.
„Ich weiß das ist viel verlangt aber glaubst du es ist möglich, Daryl mitzunehmen?“
Der Erzengel stieß zischend die Luft aus.
„Ein Vampir hat dir deine Eltern genommen, Zarina! Glaubst du...“
„Ich liebe ihn, Anatol!“, unterbrach sie den Erzengel und trat selbstbewusst einen Schritt auf ihn zu. „Und ich weiß, dass er es nicht wagen würde irgendeinen Schaden anzurichten!“
Anatol schwieg, Daryl legte seine Arme um Zarinas Bauch.
„Ich würde alles dafür tun, damit es Zarina gut geht, Anatol. Ich will sie nicht noch einmal verlieren, es geht mir hierbei nur um sie!“
Anatol knurrte leise.
„Meinetwegen. Aber ein Fehltritt und du stirbst!“
Der Vampir grinste und küsste Zarinas Hals.
„Das Risiko gehe ich ein!“

-SECHS-



„Wow!“
Daryl kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Einen schöneren Ort als hier gab es nicht! Alles war grün, alles blühte und die Luft roch nach Frühling.
„Es ist...“
„Wunderschön?“, beendete Zarina seine Feststellung und warf ihm einen kurzen Seitenblick zu. Er nickte sprachlos. Lächelnd sah Zarina zu Anatol, der ihnen mit einigen Metern Abstand den Weg zeigte.
„Es hat sich wirklich nichts verändert.“, hauchte sie. Tränen stiegen ihr in die Augen.
„Es ist wirklich toll wieder hier zu sein.“, flüsterte sie. Daryls Stimmung trübte sich, doch er tat so, als wäre nichts und ergriff ihre Hand. Er spürte ihr Heimweh. Sie gehörte nicht auf die Erde, sondern hierher!
Du vermisst diesen Ort, nicht wahr?

, dachte er und sah auf sie herab.
Nicht so sehr, wie ich dich vermisst habe.

, antwortete sie und warf ihm wieder einen Blick zu.
Er wusste nicht was er davon halten sollte. Wollte sie wirklich nicht hierher zurück?
Sie lächelte ununterbrochen. Sie sah so glücklich aus. Nach einigen Minuten kamen sie an einem riesigen Palast an.
„Ich kann es gar nicht erwarten, all die anderen wiederzusehen.“
„Freu dich nicht all zu sehr, Zarina. Schließlich bist du in Begleitung eines Vampirs.“
Anatols Worte stießen auf taube Ohren.
„Eines attraktiven und charmanten Vampirs!“
Dem Erzengel gelang ein Lächeln als er über seine Schulter sah. Sie hatte sich wirklich kein bisschen verändert.
„Wo gehen wir hin?“, fragte Daryl, während sie durch einen langen, glamourösen Gang liefen.
„Wir werden als erstes zu den Erzengeln gehen.“, antwortete Anatol. Zarinas Fröhlichkeit wich der Besorgnis.
„Wie sie wohl reagieren werden?“, murmelte sie.
„Das werden wir gleich sehen.“
Sie blieben vor einer großen, massiven Tür stehen, die Anatol ohne zu zögern aufstieß.
Zum Vorschein kamen die mächtigsten Kreaturen des Himmels.

„Zarina!“, schrie Ivette, erhob sich und rannte dann auf die Gefallene zu, um die dann stürmisch zu umarmen. Beide taumelten einige Schritte zurück.
„Ivette.“, sagte Zarina lächelnd. Der Erzengel schob die Frau ein Stück zurück und musterte sie.
„Bei Gott, was bist du für eine hübsche Frau geworden!“, hauchte sie. „Was machst du hier?“
Zarina wies auf Anatol.
„Anatol war so nett, mich mitzunehmen.“, antwortete sie gut gelaunt. Ivette lächelte und nickte Anatol kurz zu. Dann fiel ihr Daryl ins Auge.
„Was zum...“
Sie wich einen Schritt zurück.
„Was macht dieser Vampir hier?“, schrie sie. Sofort waren alle Erzengel in Alarmbereitschaft. Ivette verwandelte sich in eine Bestie. Ihre Hände verwandelten sich in Krallen und ihre Augen färbten sich blutrot. Sofort hatte Zarina sich ihr in den Weg gestellt.
„Nein!“, rief sie aus und streckte die Arme aus. „Er hat keine bösen Absichten!“, erklärte sie hastig.
Ivette stieß sie zur Seite.
„Was hast du dir eigentlich dabei gedacht, Anatol? Das ist unverantwortlich!“, brüllte sie und gestikulierte wild. Daryl mischte sich ein.
„Verzeiht mir, wenn ich so überraschend hier auftauche aber egal um was für eine Situation es sich handelt, ich lasse Zarina nicht aus den Augen, also spart euch eure Feindseligkeit!“
Alle Erzengel schnappten nach Luft. Anatol trat an Zarinas Seite und drängte Ivette ein Stück zurück.
„Er hat mich überzeugt, indem er für Zarina sein eigenes Leben geben würde.“
Langsam verwandelte sie Ivette in die liebevolle Brünette, die sie eigentlich war zurück.
„Zarina, deine Eltern wurden von einem Vampir getötet, also wie kannst du diesen Kerl mögen?“
Warum klang sie so traurig? War das nicht eigentlich Zarinas Entscheidung? Die Rothaarige ergriff Daryls Hand.
„Ich wusste bist vor kurzem nicht, was mit meinen Eltern geschehen ist. Noel hat es mir gesagt.“
Sie zögerte einen Moment.
„Daryl würde mich niemals verletzen. Ich vertraue ihm und ich vertraue darauf, dass ihr mir vertraut.“
Die Erzengel wussten nicht so recht, was sie davon halten sollten. Zarina hatte mit allem was sie je gesagt hatte, immer recht gehabt. Sie hatte sich nie getäuscht. Und wenn Anatol diesem Vampir traute, dann taten es die anderen auch. Ivette seufzte und fuhr sich mit der Hand durch ihre glatten Haare.
„Also schön, wir vertrauen dir. Aber nun raus mit der Sprache, warum hast du Noel das Leben genommen?“
Bedrückende Stille. Zarina sah Anatol bedeutungsvoll an, worauf dieser den anderen Erzengeln per Gedanken mitteilte, was passiert war...

Zarina lehnte an seiner Schulter, die Augen geschlossen, friedlich dösend, während Daryl ihr lächelnd über den Handrücken strich. Ein leises Rascheln ließ ihn aufmerksam werden. Er sah über seine Schulter und entdeckte Ivette, die scheinbar überrascht auf die beiden herab sah.
„Ich wollte eigentlich mit Zarina sprechen aber wie ich sehe...ist das gerade nicht möglich.“, erklärte sie leise und wandte sich ab.
„Setz dich ruhig.“, sagte Daryl. Ein wenig zögerlich ließ sich die Frau neben ihnen nieder. Daryl hätte nicht gedacht, dass auch im Himmelsreich die Sonne untergehen konnte, doch er genoss diesen Augenblick. Das grüne Gras unter ihnen glitzerte auf eigenartige Weise in dem Licht und er fing an, den Geruch zu mögen, der ihm schon die ganze Zeit über in der Nase hing. Er streichelte weiterhin Zarinas Hand.
„Sie scheint dir wirklich zu vertrauen.“, stellte der Erzengel neben ihm und Zarina erstaunt fest. Daryl lächelte schwach.
„Nach allem was geschehen ist, ist das auch gut so!“
Ivette senkte den Blick. Ihre braunen Augen trübten sich. Sie hatte Zarina aufgrund ihres Verhaltens immer verurteilt, doch nun meldete sich doch das schlechte Gewissen in ihr.
„Du willst dich bei ihr entschuldigen, nicht wahr?“, sagte der Vampir plötzlich. Ivette starrte ihn an, worauf er schwach lächelte.
„Du bist nicht die erste.“
Nun wurde er wieder ernst.
„Ihr glaubt alle, wenn ihr euch entschuldigt kommt sie zurück, doch ich täuscht euch! Sie sagt ständig, dass sie nicht hierher zurück will, obwohl ihre Reaktion als wir hier ankamen anders ausgefallen ist...“
Er wurde nachdenklich und verstummte, worauf der Erzengel reagierte.
„Wie meinst du das?“, hakte sie nach. Nun senkte auch er den Blick.
„Sie schien so glücklich zu sein, als wir hier angekommen sind.“, begann Daryl fast schon flüsternd. „Ich habe sie gefragt, ob sie diesen Ort vermisst hat. Nicht so sehr wie mich, sagte sie. Doch egal was ich ihr bedeute, sie hatte Heimweh, ich habe es gespürt. Und deshalb glaube ich das es besser wäre, wenn sie hierbleibt.“
Ivette wusste nicht was sie dazu sagen sollte, Zarina aber schon.
„Ich werde nicht hierbleiben, Daryl! Wie oft noch? Mag sein, dass dieser Ort hier einst mein Zuhause war, nun ist dein Anwesen allerdings mein Zuhause. Es stimmt, ich hatte Heimweh aber nun, nachdem ich alle wiedergesehen habe freue ich mich darauf, mit dir ein neues Leben anzufangen! Also lass gut sein, hast du verstanden?“
Daryl schwieg, Zarina kniff ihm in den Arm.
„Ob du verstanden hast?“,wiederholte sie, nun aggressiver. Der Vampir nickte.
„Mit dir zu diskutieren hat echt keinen Sinn.“, murmelte er und ignorierte Ivettes stechenden Blick. Sie sah Zarina an, die stur geradeaus auf den See sah.
„Zarina, es kommt nur selten vor, dass Gefallene die Chance haben wieder aufgenommen zu werden. Willst du dir diese Chance wirklich entgehen lassen?“, sagte Ivette mit einer Stimme, die sowohl weise als auch...gefährlich klang. Zarina knurrte leise.
„Wie ich bereits sagte, ich werde auf keinen Fall zurück kommen!“
Seufzend erhob sich der Erzengel. Ihre braunen Augen wurden irgendwie glasig.
„Nun gut, wie du willst. Dann lasse ich euch beide mal alleine...“, murmelte sie und kehrte ihnen den Rücken zu.
„Ivette.“, sagte Zarina eindringlich. Die majestätische Frau mit den violetten Flügeln blieb stehen.
„Sind wir noch Freunde?“, flüsterte die Gefallene.
Ivette drehte sich um. Nichts außer Verwirrung und Ungewissen lag in ihrem Blick. Sie schwieg.
„Du warst mal meine beste Freundin, Ivette. Das hat sich geändert, nicht wahr?“, flüsterte Zarina.
„Ich habe Noel gemocht, Zarina.“, waren Ivettes einzige Worte, ehe sie die beiden verliebten stehen ließ. Die Gefallene erschauderte bleib Klang der Stimme, ihrer ehemaligen Freundin. Sie klang mit einem mal so kalt und...verbittert. Zarinas Augen schlossen sich und ihr Körper suchte Halt an dem von Daryl.
Du hast mir nie gesagt, dass du Gefühle für Noel hast.

, dachte sie und hoffte, Ivette würde ihr antworten.
Wieso hätte ich etwas sagen sollen? Was, bitte hätte es geändert? Noel hat dich schließlich geliebt!


Zarina erschauderte. Noch nie hatte Ivette so wütend geklungen. Auch wenn es nur ihre Gedanken gewesen waren, die sie gehört hatte.
Du warst schon immer stur...

, dachte Zarina und zog sich zurück. Mit dem Erzengel zu diskutieren würde nichts bringen, sie war eine mächtige Person. Man konnte sich nicht einfach so gegen sie auflehnen, ohne mit irgendwelchen Konsequenzen zu rechnen.
Und du warst schon immer unberechenbar.

, kam es fauchend zurück. Die Gefallene sprang auf und ballte die Hände zu Fäusten.
„Du willst dich nicht ernsthaft wegen eines toten Mannes mit mir streiten!“, brüllte sie Richtung Palast. Die Richtung, in der Ivette verschwunden war.
„Was, wenn doch?“
Die Stimme hinter ihr ließ sie herumwirbeln. Ivette lehnte mit verschränkten Armen an einem Baumstamm, gut zwei Meter entfernt. Diese Haltung gefiel Daryl nicht, weshalb er sich langsam erhob und sich an die Seite seiner Frau stellte.
„Du solltest aufpassen, Ivette. Ich bin jederzeit kampfbereit, die Tatsache das du ein Erzengel bist lässt mich dabei völlig kalt.“, sagte der Rotschopf.
Daryl packte Zarina am Oberarm und zog sie zurück.
„Verdammt noch mal, reiß dich gefälligst zusammen. Du würdest es nur bereuen!“
Es dauerte eine Weil bis seine Warnung zu ihr durchdrang. Wütend sah sie zu ihrem Verbündeten auf.
„Ich habe mir lange genug selbst Vorwürfe gemacht, da braucht sie nicht auch noch dabei helfen! Außerdem hat auch sie schon Fehler begangen. Nur hatte sie das Glück, ein Erzengel zu sein...“, sagte Zarina leise.
Ihr Blick verriet, dass sie die Strukturen der Himmlischen noch immer nicht verstand, obwohl sie doch schon einige Jahre auf dem Buckel hatte. Mit einem Knurren stürzte Ivette auf die Frau zu.
„Du wagst es einen Erzengel zu beschuldigen?“, brüllte der Engel und holte mit der glühenden Faust aus. Das Zarina sie in keinster Weise beschuldigt hatte war ihr egal. Sie geriet einfach schnell außer Kontrolle, erst recht wenn es um ihre Position als Erzengel ging.
Zarina wusste, dass egal worum es ging, Ivette immer einen Vorwand suchen würde, um einen Kampf zu beginnen. So war sie schon immer gewesen und daran würde sich auch nichts ändern.
Daryl wollte dem Erzengel den Weg versperren, doch Zarina stieß ihn weg, und zwar so kräftig, dass er ins Straucheln geriet.
Engelsfeuer ist tödlich!

, dachte sie, um ihm eine Entschuldigung für ihr Verhalten zu liefern.
Fassungslos beobachtete er, wie seine Gefährtin den Schlag des Erzengels abwehrte und die riesigen Flügel ausbreitete, um einen besseren Stand zu bekommen.
Gib Anatol Bescheid, Süßer. Ich komme zurecht.

, dachte sie nun. Sie bemerkte selbst wie gelassen sie klang, was sie ein wenig beruhigte. Vielleicht würde es auch Daryl beruhigen?
Während die beiden Engel einen Kampf begannen, machte Daryl sich auf die Suche nach Anatol.

-SIEBEN-



„Wie armselig kann man nur sein? Du lässt dich wirklich von einem Vampir manipulieren?“, fauchte Ivette. Sie hasste Vampire. Doch Noel hatte sie geliebt, auch wenn er am Ende ebenfalls ein Vampir gewesen war.
Langsam umkreisten sich die zwei Frauen. Beide hatten sie die Flügel ausgebreitet.
„Ich lasse mich von niemandem manipulieren.“, sagte Zarina ausdruckslos. „Daryl kennt mich gut genug um zu wissen, wann ich kurz davor stehe meine Grenzen zu überschreiten. Er bewahrt mich davor, noch mehr Fehler zu machen!“
Ivette stieß ein kurzes Schnauben aus, was einem Lachen gleich kam.
„Dein ganzes Leben ist ein Fehler! Du solltest überhaupt nicht hier sein, du warst nichts als ein Unfall!“, schrie der Erzengel, wobei sich dessen Stimme überschlug. Zarina ahnte, dass viel mehr hinter der ganzen Sache steckte. Es ging nicht nur um ihren Stolz. Und auch nicht im Noel. Aber worum dann? Oder war es einfach nur die Absicht gewesen, sie zu verletzen?
Zarina hielt inne und zog die Brauen hoch. Auf diesen Trick fiel sie nicht herein!
„Na und? Ich habe meine Eltern nie kennengelernt, also was macht das schon? Es ist mir egal. Ich könnte genauso gut auch eine Ausgeburt der Hölle sein, ich käme damit klar.“
Damit hatte Ivette nicht gerechnet. Ihr Kiefer spannte sich an, sie biss die Zähne zusammen.
„Dafür das du Noel umgebracht hast, bringe ich dich um!“, brüllte sie nun. Eine riesige Flamme entstand in ihrer Hand. Zarina konnte gerade noch rechtzeitig ausweichen, um nicht von dem Engelsfeuer getroffen zu werden.
„Wenn ich gewusst hätte das du ihn liebst, hätte ich ihn vielleicht nicht getötet!“, sagte Zarina schnell und hob die Hände, um den Erzengel zu besänftigen. Doch Ivette ließ sich nicht beschwichtigen.
„Du bist nur eine Gefallene! Ein Stück Dreck unter den Himmlischen! Nichts gibt dir das Recht dazu, einfach einen Engel zu töten!“, keifte sie.
Zarina gab ihre Haltung auf und ließ die Schultern hängen.
„Und was gibt euch das Recht dazu, mich die Personen ermorden zu lassen, die ich über alles geliebt habe?“

Anatol und die anderen Erzengel hatten eigentlich vor einzuschreiten, doch bei ihren Worten und den Tränen die sie sahen, konnten sie sich genauso wenig rühren wie Daryl. Der Vampir hätte die beiden doch nicht alleine lassen sollen...
Beide Frauen waren verletzt. Sowohl körperlich auch als im Herzen.
„Wir Erzengel treffen hier die Entscheidungen, alles andere hat dich nicht zu interessieren!“, sagte Ivette auf einmal seltsam monoton. Waren ihr die Tränen ihrer ehemaligen besten Freundin etwa egal?
„Euer beschissenes Gesetz ist mir aber nicht egal, verdammte Scheiße! Du und die anderen habt dafür gesorgt, dass Daryl und ich Höllenqualen durchleiden mussten und das nur, weil ihr zu egoistisch seid andere lieben zu lassen!“, schrie Zarina. Mit verbissenem Ausdruck trabte Daryl zu seiner Frau, um sie an seine Brust zu ziehen.
„Du gehst zu weit, Zarina.“, sagte er leise, dennoch laut genug, damit es jeder verstehen konnte. Er wollte das alle sahen, dass er eine positive Wirkung auf die Frau hatte.
Augenblicklich wurde Zarina ruhiger. Sie schmiegte sich an seine Brust und vergrub ihr Gesicht an seinem Hals.
„Daryl.“, hauchte sie und schlang die Arme um ihn. Ein wenig misstrauisch beäugten die Erzengel das Geschehen.
„Ich will nach Hause.“, flüsterte die Frau mit Tränen erstickter Stimme. Daryl nickte und legte ihr seine Hände an die Taille, um sie ein wenig zu stabilisieren.
„Nein! Sie bleibt hier!“, schrie Ivette. Sie wollte sich bereits auf die beiden stürzen, wurde jedoch von Seth und Troy, zwei weiteren Erzengeln aufgehalten. Anatol sah Zarina an.
Ich versuche herauszufinden was mit ihr los ist und werde mich dann bei dir melden.

, sagte er in ihren Gedanken. Zarina nickte stumm und ging mit Daryl an ihm vorbei. Alleine machten sich die beiden wieder auf den Rückweg.

-ACHT-



„Du liegst schon seit Stunden im Bett. Ist alles in Ordnung, Süße?“, fragte Daryl sanft und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Er spürte wie ihr Körper alle paar Sekunden erzitterte. Sie weinte.
Er seufzte leise, setzte sich zu ihr und zog sie in seine Arme. Sanft wiegte er sie hin und her.
„Ich weiß nicht was in sie gefahren ist...“, schluchzte sie. Daryl konnte sie gerade so verstehen. Zarina schniefte und schob ihn dann von sich. Hastig wischte sie die Tränen fort.
„Verzeih mir meinen Gefühlsausbruch.“, sagte sie nun wieder mit fester Stimme. „Eigentlich sollte ich mir keine Gedanken darüber machen. Erzengel sind nun mal so...“, erklärte sie und erhob sich. Sie ging ein paar Schritte.
„Aber sie war deine...“
„...beste Freundin, ich weiß.“, ergänzte sie ihn. „Die Zeit ist vorbei, wie du siehst. Ich mache mir über etwas ganz anderes Gedanken.“
Zum Ende hin wurde sie nachdenklich und ernst.
„Und worüber?“, hakte Daryl nach. Sie ließ sich wieder auf dem Bett nieder. Sie schwieg, weshalb er an sie heran rutschte und ihre Hand nahm. Seine Wärme beruhigte sie. Keine Ahnung, warum es so war.
„Zarina.“, sagte er sanft. Ihre grünen Augen fixierten keinen festen Punkt, sahen ihn dann aber jedoch an.
„Sie sagt, ich sei ein Unfall.“, flüsterte sie.
Die plötzliche Kälte im Raum ließ ihn erschaudern. Er schloss sie in seine Arme, nicht bereit sie wieder loszulassen.
„Glaubst du ihr?“, fragte er vorsichtig. Sie nickte.
„Und was hältst du davon?“
Daryl wollte so behutsam wie nur möglich mit ihr umgehen, er hatte jedoch keine Ahnung ob er das in diesem Moment auf die Reihe bekam. Sie legte den Kopf auf seiner Schulter ab.
„Es ist mir egal. Ich habe meine Eltern schließlich nie kennengelernt, also wieso sollte mir das etwas ausmachen?“, antwortete sie gelassen.
„Zarina.“, flüsterte er wieder. Sie lächelte. Aufrichtig.
„Es geht mir gut, Daryl, wirklich. Ich bin lediglich verwirrt. Ich bin dabei zu begreifen...das man mir einiges verschwiegen hat.“
Eine einzelne Träne rann über ihre Wange.
„Ich weiß nicht, was ich fühlen soll!“
„Wir wollten die Vergangenheit ruhen lassen. Und deine Eltern gehören ebenfalls der Vergangenheit an, nicht wahr?“, sagte er und fasste ihr Kinn, damit sie ihn ansah.
Sie presste die Lippen zusammen und seufzte dann.
„Es geht mir nicht um die Vergangenheit, Süßer. Hier geht es um die Erzengel, Herr Gott noch mal! Sie haben mir einiges verschwiegen und das ist nicht okay. Sie erziehen jeden jungen Engel dazu, immer die Wahrheit zu sagen. Die Wahrheit ist ein Teil des Gesetzes und ich verstehe nicht, warum die Erzengel sich nicht an das Gesetz halten.“
Wieder ein Seufzen von Daryl. Er küsste sie auf die Stirn.
„Es gibt Gott, nicht wahr?“, fragte er. Sie nickte und fragte sich insgeheim, was er vorhatte.
Wieder ein Kuss, dieses mal auf die Wange.
„Ich bin der Meinung, dass alles einen Sinn hat. Manche müssen leiden, ehe sie ihr Glück finden.“, erklärte er mir samtiger Stimme. Ihre Mundwinkel zuckten. Es tröstete sie ein wenig, auch wenn sie es ungerecht fand, dass ausgerechnet Daryl und sie das schlechte Los gezogen hatten.
„Du bist einfach nur süß!“, hauchte sie und drückte ihm einen kurzen Kuss aus die Lippen. Er ließ sich mitreißen. Sie drückte ihn ins Kissen und setzte sich auf ihn.
„Ohne dich wäre ich verloren.“, flüsterte sie und beugte sich vor. „Wärst du nicht gewesen hätte ich Ivette ernsthaft verletzt!“
Ihre Hände strichen über seine Brust.
„Dafür bin ich da.“, sagte er grinsend und packte sie. Sie quiekte als er ihre Oberarme packte und sie noch näher an sich zog.
„Du bist auch noch für ganz andere Dinge da!“, hauchte sie, worauf er leise lachte.
„Zum Beispiel?“
Sie grinste und ließ Taten sprechen.

Ein lautes Räuspern. Zarinas grüne Augen öffneten sich. Sie blinzelte.
„Was macht ihr hier?“, murmelte sie, fast noch schlafend.
Alec neigte den Kopf. Zarina lag neben Daryl, dicht an ihn geschmiegt. Beide waren nackt. Der Vampir hatte einen Arm um die Frau gelegt, um sie somit an sich gedrückt halten zu können. Der Mann schien noch zu schlafen.
Anatol, Alec und Troy tauschten Blicke aus. Zarina seufzte.
„Hey!“, sagte sie, worauf die drei sie wieder ansahen. Sie hob locker die Hand und deutete damit auf Daryl und sich.
„Wir sind nackt. Und liegen in einem Bett. Was schließt ihr daraus?“, murmelte sie.
„Ihr hattet Sex.“, antwortete Alec. Er ekelte sich, sie sah es in seinen Augen. Dennoch ließ seine Stimme nicht die kleinste Regung seiner Gefühle erkennen. Das ließ ihn ziemlich unheimlich wirken.
„Ganz genau.“, knurrte die Gefallene ohne Scham. Sie deutete auf die Tür. „Gebt mir eine Minute.“
Ein wenig zweifelnd zogen sich die drei ins Wohnzimmer zurück.
„Schatz?“, flüsterte Zarina und beugte sich zu Daryl hinab. Schlagartig öffneten sich dessen Augen. Ruckartig setzte er sich auf.
„Wie hast du mich gerade genannt?“, hauchte er und starrte sie an.
„Ich wusste, dass das funktioniert.“, sagte sie lachend.
„Sag es noch mal.“, flüsterte er.
„Schatz.“, kicherte sie und küsste ihn. Seine Arme umschlangen sie.
„Keine Zeit für Zärtlichkeiten, mein Süßer. Anatol sitzt im Wohnzimmer.“
Sofort trübte sich seine Stimmung.
„Was will er hier?“, knurrte er.
Zarina zuckte mit den Schultern.
„Ich schätze es geht um Ivette.“, sagte sie leise.
Er wurde wachsam.
„Zieh dich an.“, befahl er.
Sie lächelte. Schwach und aufmunternd. Dann sprang sie aus dem Bett. Sie griff nach BH und Slip, schlüpfte hinein und tapste ins Wohnzimmer, noch bevor Daryl reagieren konnte. Er wollte sie aufhalten, doch es war zu spät, sie stand bereits vor den drei himmlischen Männern.
Alec war der Einzige der sich einen anzüglichen Blick leistete. Noch immer nackt stieß Daryl einen tiefen Seufzer aus. Er fuhr dich mit der Hand durchs Haar, packte Zarina und zog sie zurück ins Schlafzimmer. Sie seufzte als er die Tür abschloss. Mit hochgezogenen Brauen sah er sie an. Sie machte einen Schmollmund.
„Ich wollte sie nur ein wenig provozieren.“, murmelte sie.
„Deine Provokationen kannst du dir sparen, Zarina.“, sagte er fest und beugte sich vor. Er fasste ihr Kinn und sah sie eindringlich an.
„Ich dulde nicht, dass sich meine Frau anderen Männern so freizügig präsentiert.“, hauchte er. Sie grinste.
„Was, wenn eine Frau dort gesessen hätte? Hättest du dann auch so einen Aufstand gemacht?“
Der Vampir antwortete nicht, weshalb sie sich zum Kleiderschrank umdrehte. Sie griff hinein, zog ein bauchfreies Shirt und eine Hose heraus und schlüpfte hinein.
„Zieh dich an.“, sagte sie und wedelte mit der Hand. Kopfschüttelnd suchte sich auch Daryl etwas zum anziehen.
„Was ist los?“, fragte sie, als sie ins Wohnzimmer kam. Anatol sah sie ein wenig bestürzt an.
„Wir haben nicht die geringste Ahnung was mit Ivette los ist. Sie ist völlig außer sich. Wir haben es nicht geschafft sie zu beruhigen und mussten sie deshalb...einsperren.“
Zarinas Blick trübte sich.
„Ihr habt also keine Ahnung was der Grund dafür sein könnte.“, murmelte sie. Die Engel schwiegen.
„Was werdet ihr machen, wenn sie sich nicht beruhigt?“, fragte Daryl. Zarina biss sich auf die Lippe. Als Himmlische kannte sie natürlich jegliche Lösungen, für solche „Probleme“.
„Wenn es keine Möglichkeit gibt sie zu beruhigen und sich ihr Zustand verschlimmert, wird sie getötet.“, sagte sie leise und sah ihren Mann dann an. Dieser ergriff sofort ihre Hand. Die Engel musterten die beiden, dann räusperte sich Anatol.
„Wir sind noch aus einem anderen Grund hier.“, begann er. Gespannt zog Zarina die Brauen hoch.
„Wir würden uns gerne bei dir entschuldigen.“, sagte er nun.
Zarina und Daryl tauschten einen Blick aus, doch Anatol ließ sich dadurch nicht irritieren.
„Wir haben eingesehen, dass es nicht richtig war dir diesen...Auftrag zu geben. Daryl scheint sich sehr gut um dich zu kümmern, vielleicht fällt uns eine Entschuldigung deshalb so leicht.“
Zarina verzog das Gesicht und hob die Hände.
„Ich...will es gar nicht hören, Anatol.“, fauchte sie. „Ich habe mit der Vergangenheit abgeschlossen, also lasst mich damit in Ruhe. Alles was mich noch beschäftigt ist die Tatsache...das ihr mir einige Dinge verschwiegen habt.“
Wieder wechselten die Engel Blicke untereinander aus.
„Was genau meinst du?“, fragte Alec vorsichtig. Als niederer Engel hatte er zwar nicht das recht jetzt etwas zu sagen, doch er wollte nicht völlig umsonst mitgekommen sein und meldete sich deswegen zu Wort. Anatol warf ihm nur einen kurzen Blick zu, sagte aber nichts.
„Warum habt ihr mir nicht gesagt, dass meine Eltern ermordet worden sind?“, sagte Zarina ausdruckslos. Sie war wütend, doch so wütend sie auch war, sie musste sich jetzt zusammenreißen. Sie hätte im Himmelsreich schon beinahe die Kontrolle verloren.
Anatol seufzte und machte eine kurze Bewegung mit der Hand.
„Wir hatten Angst, du würdest es nicht verkraften und haben deshalb beschlossen, dir nichts zu sagen.“, erklärte er.
„Glaubt ihr, ich bin immer noch nicht alt genug für die Wahrheit?“, fauchte sie.
Besorgt sah Daryl sie an.
„Du darfst das nicht falsch verstehen, Zarina.“, fuhr Anatol hastig fort. „Wir wollten dich doch nur schützen!“
Die Frau schnaubte, schüttelte den Kopf und verschränkte dann die Arme.
„Beantwortet mir eine Frage.“, begann sie. Erwartungsvoll und gespannt sahen die drei auf dem Sofa sie an.
„Warum lehrt ihr den Kindern sich ausnahmslos ans Gesetz zu halten, wenn ihr selbst es nicht befolgt?“
Troy stieß ein empörtes Schnauben aus, Anatols Augen verengten sich. Scheinbar hatte er damit nicht gerechnet. Er kam nicht dazu etwas zu sagen, Zarina fuhr ungestört fort.
„Glaubt ihr, nur aufgrund eurer Position Vorteile zu haben? Ist es euch völlig egal wenn andere leiden, nur weil ihr selbst wisst, dass es euch immer gut gehen wird? Habt ihr eigentlich je versucht, den Engeln unter euch zu helfen? Ihr kennt ihre Probleme nicht ansatzweise und es ist euch völlig egal! Habt ihr eine Ahnung wie traurig das ist?“
Anatol sprang wutentbrannt auf. Obwohl er immer ein friedlicher Geselle war, kam nun der innere Kern zum Vorschein. Er wollte einen Schritt machen, doch Troy packte ihn am Arm.
„Sie hat recht.“, sagte er mit seiner tiefen Stimme. Überrascht sahen Zarina, Anatol und Alec ihn an. Der muskulöse Mann mit den kurz rasierten schwarzen Haaren sprach so gut wie nie ein Wort. Alecs Blick trübte sich.
„Natürlich hat sie recht.“
Er erhob sich und stellte sich an Zarinas Seite.
„Ihr kümmert euch zwar um die Erdenbewohner aber die Probleme der Engel interessieren euch nur wenig.“
Ungläubig starrte Zarina nun auch Alec an.
„Du wagst es, dich gegen einen Erzengel aufzulehnen?“, brüllte Anatol. Zarina seufzte bereits, stellte sich dann aber schützend vor Alec.
„Er lehnt sich nicht gegen dich auf, er spricht lediglich Tatsachen aus.“
Troy mischte sich wieder ein und sah Zarina eindringlich an.
„Wir haben euch eine verdammte Menge an Problemen bereitet, dafür entschuldige ich mich aufrichtig bei euch!“
Zu ihrem Erstaunen erkannte sie Schuldgefühle in seinen Augen. Sie lächelte schwach.
„Nicht doch! Dich allein trifft keine Schuld.“, sagte sie. Sie wurde sprachlos als sein Blick noch trauriger wurde. Irgendetwas in seinem Blick verriet ihr...
„Du!“, hauchte Zarina und starrte Anatol an. „Du hast all die Entscheidungen getroffen, nicht wahr?“
Anatols Augen weiteten sich, dann, von einer Sekunde auf die andere war der Erzengel verschwunden. Zarinas Mund stand ein wenig offen.
„Das glaube ich jetzt nicht.“, hauchte sie. „Anatol ist...Schuld daran, dass...“
Daryl zog sie in seine Arme, sodass ihr Gesicht gegen seine Brust gedrückt wurde. Sofort rannen ihr Tränen über die Wangen.
„Anatol hat damals die Entscheidungen getroffen.“, sagte Troy leise.
„Und er hat euch daran gehindert, es ihr zu sagen?“
Daryl übernahm Zarinas Part. Sie war nicht mehr in der Lage zu sprechen, sie war zu sehr mit schluchzen beschäftigt.
„Er hatte die Verantwortung für Noel und sie, deswegen hatten wir nicht viel damit zutun. Bei den großen Entscheidungen, wie zum Beispiel ihrer Verbannung, sind jedoch auch alle anderen Erzengel anwesend. Aber da uns keine Details bekannt waren, haben wir zugestimmt.“, erklärte Troy schuldbewusst.
„Ich wette er hat es so dargestellt, dass Zarina, egal was passieren würde, im Nachteil ist.“, dachte der Vampir laut. Der Erzengel dachte einen Augenblick lang nach.
„Da ich die Wahrheit nun kenne, kann ich dies bestätigen.“, sagte er schließlich. Zarina rührte sich an Daryls Brust.
„Danke.“, flüsterte sie und sah Troy an.
Alec, Daryl und sie selbst waren die ersten, und wahrscheinlich auch die letzten, die Troy lächeln sahen.
„Ich hätte mich schon viel eher auf deine Seite stellen sollen.“, sagte er gelassen.
Plötzlich verneigte er sich.
„Ich bitte vielmals um Verzeihung, Zarina. Ich hätte schon damals genauer nachfragen sollen. Ich bitte um Vergebung!“, sagte er leise.
Zarina löste sich von Daryl, ging in die Knie und umfasste mit beiden Händen Troys Gesicht, um es anzuheben.
„Ich sagte bereits, dich allein trifft keine Schuld.“, sagte sie und lächelte aufmunternd. „Ich bin nicht böse auf dich. Im Gegenteil, ich bin dir und Alec wirklich dankbar, denn nun kenne ich einen weiteren Teil der Wahrheit! Und das bedeutet mir alles!“
Sie umarmte ihn kurz, ehe sie ihn losließ und sich aufrichtete. Mit einem Mal war sie wieder der eiskalte Engel.
„Glaubt ihr Ivette wusste davon? Sie war irgendwie darauf aus, mich im Himmelsreich zu halten. Ob sie wohl etwas geplant hat?“, fragte sie in die Runde. Auch Troy, der sich nun aufrichtete, wurde ernst.
„Ivette ist eine der gefährlichsten und hinterlistigsten Engel im Himmelsreich. Das du und Noel aneinander gebunden wart hat sie rasend gemacht, auch wenn wie es sich nicht hat anmerken lassen. Ich würde ihr wirklich alles zutrauen! Und das sie dich töten will, ist ihr voller Ernst!“
Daryl und Zarina tauschten einen Blick aus.
„Um Ivette müssen wir uns leider später Gedanken machen.“, sagte Zarina und warf einen Dolch in die Luft, den sie dann, ohne hinzusehen wieder auffing. Daryl starrte sie an und fragte sich, wo sie den Dolch auf einmal her hatte. Troys Blick und seine Hand, sie seine Hüfte abtastete beantwortete seine Frage.
„Erst einmal muss ich einen alten Erzengel töten.“, fügte sie hinzu und reichte Troy seinen Dolch zurück. Noch immer geschockt starrte dieser sie an.
„Du kannst keinen Erzengel töten, Zarina! Du würdest auf ewig deine Flügel verlieren!“, hauchte er fassungslos. Daryl neigte mit zusammengekniffenen Augen den Kopf.
„So schön ich sie auch finde aber es sind doch nur ein paar Flügel.“
Troy schüttelte den Kopf.
„Nein, eben nicht. Tötet ein Engel, oder in diesem Falle ein Gefallener einen Erzengel, verliert er seine Flügel und somit all seine Kräfte. Zarina würde zu einer gewöhnlichen Sterblichen werden!“
Nun sah auch Daryl geschockt aus.
„Es wäre mir egal.“, sagte Zarina selbstbewusst.
„Nein!“, knurrte Daryl und packte sie. Wütend starrten sie sich an.
„Du bist stolz auf deine Kräfte, Zarina. Du lachst, wenn du mir sagst, dass du viel stärker bist als ich und du liebst deine Flügel! Du würdest vergehen wie eine Rose ohne Wasser...“
Daryl wurde zum Ende hin immer leiser, bis seine Stimme schließlich ganz wegbrach. Doch den wichtigsten Punkt hatte er nicht genannt. Sie würde irgenwann sterben. Er nicht. Zarinas Augen trübten sich zwar, doch ihre Miene blieb unverändert.
„Anatol. Wird. Sterben.“
Sie sprach jedes Wort einzeln aus. Auch sein Blick verdüsterte sich.
„Troy, Alec.“, sagte er laut und fest. „Ich bitte euch! Geht und findet Anatol. Lasst ihn nicht aus den Augen und gebt uns Bescheid, wenn euch etwas merkwürdig vorkommt.“
Troy nickte.
„Wir melden uns, versprochen.“
Dann waren die beiden Engel verschwunden.

-NEUN-



Zarina...


Ein Wimmern.
Ich werde dich kriegen, Zarina, versprochen!


Ein Stöhnen.
„Zarina!“
Keuchend wachte sie auf. Daryl hatte sich über sie gebeugt. Sorge lag in seinem Blick.
„Ein Alptraum?“, fragte er leise und streichelte sanft ihre Wange. Sie nickte und spürte die Tränen in ihren Augenwinkeln.
„Ich glaube...Ivette hat mit mir gesprochen.“, hauchte sie. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, sie brachte kaum einen Ton heraus.
„Selbst wenn, dass darfst du dir jetzt nicht zu Herzen nehmen.“, sagte er leise und küsste sie auf die Stirn.
„Du hast geduscht.“, stellte sie fest, als seine nassen Haare sie kitzelten.
„Ja.“
„Ohne mich?“, fragte sie mit Schmollmund. Er lachte leise, doch sie erwiderte dieses Lachen nicht.
„Du hast nicht geschlafen.“, sagte sie. Wieder eine Feststellung, die auf seinen Augenringen beruhte.
„Du hattest scheinbar die ganze Nacht Alpträume, deswegen habe ich die meiste Zeit deine Hand gehalten. Als du dann ruhiger geworden bist, bin ich duschen gegangen.“
Er streichelte weiter ihre Wange.
„Wie fühlst du dich?“, fragte er besorgt.
„So lala. gibt’s irgendetwas Neues?“, antwortete sie. Daryl schüttelte den Kopf.
„Nein, aber ich muss noch mit dir reden.“
Erwartungsvoll und fragend sah sie ihn an.
„Ich will nicht, dass du deine Flügel verliest.“, sagte Daryl.
„Darüber werde ich nicht mit dir diskutieren! Anatol wird sterben, jegliche Konsequenzen sind mir egal.“, fauchte sie.
„Meinetwegen bekämpfe ihn aber lass mich ihn töten!“, knurrte der Vampir.
„Er könnte dich mit Leichtigkeit umbringen!“, sagte sie leise.
Plötzlich sah er die Panik in ihren Augen. Er schluckte. Für den Moment wusste er nicht, was er sagen sollte.
„Es muss noch eine andere Möglichkeit geben, Anatol zu bestrafen.“, sagte er nach einigen Minuten Stille.
„Anatol ist ein Erzengel, mein Süßer. Man kann ihn nicht einfach wegsperren im Glauben, dass er dadurch niemandem mehr Leid zufügen kann.“, erwiderte die Frau.
„Zarina, Daryl.“
Die beiden wandten ihre Aufmerksamkeit Alec zu, der plötzlich im Raum stand.
Er musterte sie kurz, ließ sich aber nicht ablenken.
„Anatol ist aus dem Himmelsreich geflohen. Einige Gerüchte besagen, er sei unter den Menschen untergetaucht. Keiner weiß, wo er sich wirklich aufhält.“, erklärte er mit ausdruckslosem Gesicht.
„Das könnte zum Problem werden.“, murmelte Zarina und setzte sich auf.
„Wir sind bereits auf der Suche nach ihm, allerdings...sieht es schlecht aus.“, sprach Alec weiter. Zorn ließ Daryls Körper beben.
„Was soll das heißen?“, knurrte er.
„Anatol ist ein Erzengel, Daryl. Und wenn sich ein Erzengel versteckt, dann kann es Jahrtausende dauern, bis man ihn findet.“, erklärte Zarina rasch und ergriff Daryls Hand, damit er sich wieder beruhigte.
„Troy und ich sind die ersten, die etwas erfahren werden, wir geben euch deshalb so schnell wie möglich Bescheid.“
Alec sah sie eindringlich an, während er sprach. Zarina nickte.
„Danke. Wie sieht's mit Ivette aus? Habt ihr schon etwas aus ihr herausbekommen?“
Er schüttelte still schweigend den Kopf. Zarina atmete tief durch und dachte nach.
Es gab eine Sache, die vielleicht helfen konnte...
„Alec.“, sagte sie tonlos und sah den Engel mit kalten Augen an.
„Hol Troy her. Hat er gerade Zeit?“
Der Engel neigte den Kopf.
„Das Funkeln in deinen Augen gefällt mir nicht aber ich werde mal sehen, was er treibt.“
Dann war er verschwunden.
„Was hast du vor?“, fragte Daryl. Er war verunsichert, denn auch ihm war der Ausdruck in ihren Augen nicht entgangen. Zarina hatte gar keine Zeit zum antworten, denn Troy stand vor ihnen.
„Was gibt’s?“, fragte er. Alle sahen Zarina an, deren Anblick immer unbehaglicher wurde.
„Sind die Erzengel noch im Besitz des Artefakts?“, fragte sie.
„Was für ein Artefakt.?“, fragte Daryl. Troy erschauderte.
„Woher weißt du von dem Artefakt?“, hauchte er.
„Welches Artefakt?“, fragte Daryl wieder, dieses mal ungeduldiger.
„Zarina!“, drängte Troy.
Auf einmal herrschte Chaos in dem Schlafzimmer.
„Ruhe, jetzt!“
Alle verstummten, denn Alec stand mit vor Zorn verzerrtem Gesicht zwischen ihnen. Zarina zog die Brauen hoch, Troy verschränkte die Arme und Daryl stemmte die Hände in die Hüften. Alec drehte sich zu Daryl um.
„Das Artefakt von dem sie sprechen, ist ein heiliger und uralter Zauberstab mit unglaublichen Kräften. Er wurde noch nie benutzt, weswegen keiner so genau weiß, zu was dieser Stab alles in der Lage ist. Es gibt noch andere Artefakte, dieses jedoch ist das Bekannteste.“, erklärte er. Troy übernahm das Wort und sah Zarina an.
„Niemand außer den Erzengel weiß von dem Artefakt. Also woher weißt du davon?“
Die Frau zuckte mit den Schultern.
„Ich habe einmal in der Bibliothek Verstecken mit Noel gespielt und bin dabei auf einen geheimen Raum gestoßen. Da habe ich den Stab gefunden. Jegliche Gegenstände die in diesem Raum aufbewahrt wurden, besaßen eine eigenartige Energie. Die ganze Luft dort schien wir elektrisiert zu sein. Ich habe mich nicht getraut irgendetwas anzurühren. Natürlich habe ich niemandem etwas davon erzählt...“
Nachdem sie verstummt war, sah der Erzengel sie ungläubig an.
„Erstaunlich.“, flüsterte er.
Zarina neigte verwirrt den Kopf.
„Was ist erstaunlich?“, fragte sie.
„Das du nicht eine einzige Falle in dem Raum ausgelöst hast.“, antwortete Troy. „Es wimmelt dort nur so von Lichtschranken und Sprengfallen.“
Die Frau zuckte wieder mit den Schultern.
„Ich hatte einfach Glück, dass ist alles.“, sagte sie entspannt.
„Das bezweifle ich.“, murmelte Troy, wurde aber sofort wieder ernst. „Egal. Ich weiß nicht ob sich der Stab noch immer dort befindet aber selbst wenn, was hast du dann vor?“
Grüne Augen verdunkelten sich.
„Vielleicht ist es mit diesem Artefakt möglich, Anatol außer Gefecht zu setzen?“
„Du würdest alles für seinen Tod tun, nicht wahr?“, sagte der Erzengel.
Die Frau nickte, worauf Troy schwach lächelte.
„Du bist wirklich bewundernswert, Kleine. Du kommst ganz nach deinem Vater.“
Die Augen der Gefallenen weiteten sich.
„Du kanntest meinen Vater?“, flüsterte sie.
Daryl ergriff ihre Hand. Der Erzengel lächelte und nickte.
„Ja, aber auch deine Mutter.“, antwortete er. Zarinas Augen füllten sich mit Tränen und sie legte sich die Hand auf den Mund.
„Ich weiß...absolut gar nichts über meine Eltern!“, hauchte sie mit Tränen erstickter Stimme.
„Das hat auch einen Grund...“, sagte Troy leise und schüttelte den Kopf. „Auch egal. Soll ich dir von ihnen erzählen?“
Sie nickte hastig.
„Ja, bitte!“, flüsterte sie. Daryl wies auf die Tür.
„Nimm doch im Wohnzimmer Platz.“, sagte er höflicherweise und überließ dem Erzengel den Vortritt. Dieser nickte und ging voran. Nachdem er sich im Wohnzimmer auf dem Sofa niedergelassen hatte, ließ Daryl sich im Sessel nieder. Zarina zog er auf seinen Schoß.
„Setz dich.“, sagte Zarina zu Alec, der das Geschehen mit großen Augen beobachtete. Er gehorchte nicht. Zarina zuckte mit den Schultern und kuschelte sich an ihren Mann.
„Harley, dein Vater, war ein angesehener Krieger und noch dazu sehr schlau! Wenn er nicht gerade die Erzengel beschützt hat, war er als Archäologe auf der Erde unterwegs.“
Zarina bekam bei Troys Worten ebenfalls große Augen. Daryl legte besitzergreifend die Arme um sie. Sie schmiegte sich an ihn.
„Als Archäologe?“, hauchte sie fassungslos. „Als Engel kannte er doch die Geschichte der Menschen.“
Troy lächelte. Er hatte Harley und Eleanor gemocht und erinnerte sich deswegen gerne zurück.
„Harley war einfach fasziniert. Und er wollte den Menschen dabei helfen, mehr über ihre Vergangenheit herauszufinden. Er hat sich immer ins Abenteuer gestürzt und ihm war keine Nummer zu groß. Deswegen haben wir ihn so geschätzt. Dennoch war er ein Dickschädel. Er hat sich einfach nicht belehren lassen. Glücklicherweise ist ihm das nie zum Verhängnis geworden.“
„Er war wirklich berühmt, hm?“, murmelte Zarina.
„Er wurde von allen bewundert.“, meldete sich Alec kurz zu Wort.
„Was ist mit meiner Mutter?“, wollte die Frau als nächstes Wissen.
Das Lächeln auf den Lippen des Erzengels wurde breiter.
„Du bist Eleanor wie aus dem Gesicht geschnitten. Sie war eine wahre Schönheit und ebenfalls sehr gebildet. Jedoch war sie sehr zurückhaltend. Sie hat es gehasst im Mittelpunkt zu stehen, weshalb man sie und ihren Mann immer nur einsam am See gesehen hat. Dennoch wurde auch sie von jeglichen Frauen bewundert und von den Männern angehimmelt.“
Zarina lächelte, schloss die Augen und vergrub ihr Gesicht an Daryls Hals. Wieder hatte sie Tränen in den Augen.
„Ivette sagte, ich sei ein Unfall. Stimmt das?“, flüsterte sie. Daryl legte ihr die Hand in den Nacken und ließ seine Finger über ihre Haut tanzen. Troy starrte auf seine Füße.
„Leider...ist es wahr. Eleanor ist zusammengebrochen als sie es erfahren hat...Wir alle haben geahnt, dass die beiden ziemlich überfordert mit dir wären. Dennoch haben sie dich geliebt. Sie hatten Angst vor dem, was kommen würde, doch irgendwann haben sie der Angst ins Auge gesehen. Sie waren überzeugt davon, gute Eltern zu werden. Es ist ein Jammer, dass ihr euch nie kennengelernt habt...“
Troy hielt inne und sah Zarina besorgt an. Sie weinte stumm vor sich hin.
„Zarina, ich...“
„Danke!“, unterbrach sie ihn schluchzend. „Danke, dass du mir die Wahrheit gesagt hast!“
Daryl drückte sie fest an sich. Alecs Blick ließ den Vampir leise knurren. Verurteilte der Engel sie etwa?
„All die Jahre hat sie nur gekämpft, da darf sie doch auch mal weinen, oder nicht?“, knurrte er und fletschte die Zähne.
„Natürlich.“, murmelte Alec und wandte den Blick von den beiden ab.
„Kommst du damit klar?“, flüsterte Daryl und hob Zarinas Gesicht an.
„Ja.“, hauchte sie mit einem Lächeln auf den Lippen. Sie schweifte mit ihren Gedanken ab...
Das war also die Wahrheit über ihre Eltern.
...und schlief ein.

-ZEHN-



Sie rannte. Rannte davon. Doch wovor rannte sie davon? Sie sah über ihre Schulter und erblickte den riesigen schwarzen Schatten, der darauf lauerte, dass sie stolperte.
„Ich kriege dich!“, flüsterte dieser Schatten ständig.
Sie kannte diese Stimme. Nur woher? Sie wurde schneller, denn der Schatten hatte sie fast erreicht.
„Nein!“, schrie sie. „Lass mich in Ruhe!“
Und dann stolperte sie. Verzweifelt drehte sie sich auf den Rücken, um zu sehen wo der Schatten war, da hatte sich dieser bereits über sie gebeugt. Riesige Klauen senkten sich auf sie nieder.
„Nein!“, schrie sie wieder und versuchte, sich aus diesen Klauen zu winden.
Ein heftiges Rütteln ließen sie schreiend wach werden. Zarina keuchte und blicke in besorgt drein blickende graue Augen. Daryl musste gar nicht fragen, er umarmte sie einfach und hoffte, sie würde sich dadurch beruhigen. Es funktionierte. Ihr Atem wurde ruhiger und er hörte, wie sich auch ihr Herzschlag verlangsamte. Sie atmete tief durch und genoss seinen Geruch nach Wald.
„Was ist diesmal passiert?“, fragte der Vampir leise, ohne etwas an ihrer Haltung zu ändern.
„Ich wurde verfolgt.“, murmelte sie.
„Von wem?“
Er spürte wie sich ihr Körper in seinen Armen versteifte.
„Ich glaube...es war Ivette.“, sagte sie zögernd, so als könnte sie es selbst gar nicht glauben.
„Zarina, Troy ist hier. Es gibt Neuigkeiten.“, sagte Daryl und schob sie nun erst von sich. Ihre Augen weiteten sich.
„Warum sagst du das denn nicht sofort?“, sagte sie und sprang aus dem Bett. Dieses mal würde er keinen Aufstand machen, nur weil sie ihre Schlafsachen anhatte.
Mit einem lauten „Es gibt Neuigkeiten?“ kam sie ins Wohnzimmer. Troy, der am Kamin stand nickte.
Er musterte die Frau kurz, sagte aber nichts, was auch besser so war, wie Daryl fand.
„Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht.“, sagte der Erzengel.
„Zuerst die Gute.“, sagte Zarina und wurde ein bisschen ernster. Das Troy und Alec sie hatten weinen sehen, war ihr unangenehm.
„Wir haben das Artefakt.“, antwortete Troy, worauf sich ein Lächeln auf den Lippen der Frau ausbreitete.
„Die schlechte Nachricht ist; Ivette ist entkommen. Und nicht alle Erzengel sind bereit dazu, zu helfen.“, fuhr Troy fort.
„Das ist ein wirklich ungünstiger Zeitpunkt.“, murmelte Daryl.
„Wieso? Was meinst du?“
Troy sah ihn verwirrt an. Der Vampir wusste nicht ob er Troy das sagen sollte, weshalb er kurz zu Zarina herüber sah. Die aber regte sich kein Stück.
„Sie hat in letzter Zeit immer Alpträume und meistens geht es darin immer um Ivette. Das sie entkommen ist, ist für sie nicht wirklich angenehm.“, erklärte er leise. Auch Troy sah kurz zu der Frau hinüber.
„Verstehe.“, sagte er.
„Gibt es irgendeine Spur?“, fragte sie plötzlich und sah den Erzengel ernst an. Der schüttelte den Kopf.
„Es ist so wie bei Anatol. Wir vermuten, dass er dafür verantwortlich ist.“
Auch das war ein harter Schlag für Zarina. Sie hatte auch Ivette und Anatol geliebt. Doch nun hasste Ivette sie und Anatol hatte sie hintergangen.
„Das muss ich erst einmal verdauen.“, murmelte sie und kehrte den Männern den Rücken zu.
„Wissen die Erzengel eigentlich von ihrem Aufenthaltsort?“, fragte Daryl und deutete dabei auf die Frau. Troy schüttelte den Kopf.
„Nein. Und wenn doch hätte Noel sie damals auf Anhieb gefunden. Es hat Jahre gedauert bis er auch nur eine Spur hatte.“, erklärte der Erzengel.
Das beruhigte den Vampir, wenn auch nur ein bisschen.
„Es dürfte eine Zeit lang dauern bis Ivette dich gefunden hat, Zarina. Es sei denn, Anatol steckt mit ihr unter einer Decke.“, sagte Troy nun. Er ging zu ihr, legte ihr eine Hand auf die Schulter und hielt ihr das Artefakt hin.
„Ich werde im Himmelsreich nach Informationen bezüglich des Stabes suchen. Du passt solange auf ihn auf bis ich herausgefunden habe, wie er funktioniert und was er kann.“, sagte er leise und eindringlich. Zarina erschauderte, nickte aber dann und nahm den Stab vorsichtig entgegen. Daryl war das Ganze nicht geheuer. Er wusste inzwischen wie hinterhältig Zarina sein konnte und hoffte, dass sie nicht auf dumme Gedanken kam. Troy schien an das Gleiche zu denken.
„Ich warne dich, Zarina! Wehe du missbrauchst diese Macht!“, knurrte er leise.
Wieder nickte die Frau. Ihre Augen waren trübe.
„Keine Sorge, Troy. Ich bin zu verwirrt um zu handeln.“, sagte sie leise und verschwand ins Schlafzimmer.
„Ich mache mir wirklich Sorgen.“, sagte Daryl und sah den Erzengel von der Seite her an.
„Glaubst du es war eine gute Idee, ihr das Artefakt zu überlassen?“, sagte er nun so leise, dass nur Troy es hören konnte. „Ich glaube nämlich, dass Zarina um einiges gefährlicher werden kann als Ivette oder Anatol.“
Troy sah den Vampir nachdenklich.
„Ich glaube das nicht.“, begann er und verzog das Gesicht. „Ich weiß es! Das ist nicht auf eure Vergangenheit bezogen aber sie ist eine Mörderin! Jeder Engel der so erzogen worden ist wie sie, nämlich zu einem braven und gehorsamen Kind, ist gefährlicher als jeder Erzengel! Diese Engel verlieren schnell die Kontrolle und reagieren schon auf Kleinigkeiten gereizt oder emotional...wie man ja eben gesehen hat.“
Daryls graue Augen schlossen.
„Und was hilft dagegen?“, fragte er leise.
„Nichts. Außer Liebe und Verständnis.“

Sie ließ den Blick schweifen.
Hier wohnt diese Göre also?

, dachte sie und schritt langsam die Treppe hinauf. Die seltsame Energie die sie verspürte hatte sie hierher geführt. Naja, und ein Erzengel.
Zu ihrem Erstaunen hatte sich dieser Ort als Zarinas Zuhause entpuppt. Beim Gedanken an dieses Weib und den Vampir musste sie ein Würgen unterdrücken. Wie konnte sie diesen Vampir nur lieben? Und warum hatte sie ihn geliebt? Nein, sie hatte ihn nicht geliebt. Sie wollte Noel vergessen...deswegen hatte sie sich an ihn ran gemacht. Sie sah es ein...
Sie Stufe unter ihr ließ ein Knacken ertönen, weshalb sie die Luft anhielt und sich nicht bewegte. Sie wollte es nicht riskieren entdeckt zu werden, schließlich musste sie sich noch überlegen, was sie mit Zarina anstellen würde. Sie hörte nichts, weshalb sie die nächste Stufe erklomm.
Was war das nur für eine eigenartige Energie? Als sie die große Treppe hinter sich ließ kam sie in einen langen Gang, der in mehrere Richtungen führte. Sie blickte sich um und entdeckte eine hölzerne Tür, die einen Spalt breit geöffnet war. Auf leisen Sohlen schlich sie hinüber, dann spähte sie durch den Spalt hindurch und entdeckte eine schlafende Zarina, die einen hölzernen und knorrigen Stab in der Hand hielt.

Leise knurrend betrachtete Anatol das Callahan Anwesen. Ivette war schon seit einer halben Ewigkeit da drinnen, dabei wollte sie nur ein paar Informationen beschaffen. Anatol ahnte, dass Zarina und Daryl schliefen, es war schließlich mitten in der Nacht. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Niemals hätte er erwartet, dass ausgerechnet Troy sich auf ihre Seite stellen würde. Ausgerechnet Troy, der schweigsamste und gruseligste aller Erzengel!
Anatol hatte Respekt vor ihm, denn er hatte ihm das ein oder andere mal verdammt Angst eingejagt. Und das hatte außer ihm noch nie jemand geschafft! Anatol wandte den Blick ab. Er hatte keine Ahnung ob es eine gute Idee gewesen war Ivette zu befreien. Zwar hatte er nun Hilfe, allerdings wusste er, dass das auch nach Hinten losgehen konnte. Nicht umsonst trug Ivette den Spitznamen „Räuberin“. Sie war bekannt dafür den Verstand anderer zu berauben, Herzen zu stehlen und zu brechen und den Willen eines anderen zu zerstören! Er fragte sich was wohl passieren würde, wenn sie es schaffte Zarinas Willen zu brechen...

Zarina spürte etwas. Ein eigenartiges Kribbeln in der Luft, welches sie erschaudern und schließlich aufwachen ließ. Benommen sah sie sich um. Daryl war nicht da, wahrscheinlich suchte er in seinem Revier nach potenziellen Eindringlingen, doch die Tür war einen Spalt breit geöffnet. Zarina lächelte. Wahrscheinlich hatte er mehrere male nach ihr gesehen. Sie sah auf ihre Hand. Das Holz des Stabes war ganz warm geworden, kein Wunder, sie hielt ihn auch die ganze Zeit über fest. Doch nach kurzem Überlegen stellte sie fest, dass die eigenartige Energie die sie spürte, nicht von dem Artefakt herrührte. Wieder ließ sie den Blick schweifen, sie konnte jedoch nichts ungewöhnliches feststellen. Mit zuckenden Schultern legte sie sich wieder hin. Sie stand kurz davor einzuschlafen, als sie ein Keuchen hörte. Erschrocken setzte sie sich wieder auf. Sie entdeckte einen, völlig außer Atem geratenen Daryl. Irritiert starrte sie ihn an. Seine tiefschwarzen Augen ließen Panik erkennen.
„Was ist los?“, flüsterte Zarina, nun verängstigt.
„Es geht dir gut.“, murmelte er feststellend und gab seine Haltung auf.
Zarina neigte den Kopf.
„Sag bloß du bist hier...“, begann sie, wurde aber jäh unterbrochen.
„Weil ich eine eigenartige Präsenz verspüre, ja.“, bestätigte Daryl mit einem Nicken. Er ging zum Bett, setzte sich auf die Kante und musterte seine Frau forschend. Er hatte ein paar Mal nach ihr gesehen, jedes mal hatte sie tief und fest geschlafen, doch scheinbar war sie noch immer müde, die dunklen Ringe unter ihren Augen bewiesen es. Er streckte die Hand aus, um die Konturen ihrer Lippen nachzuziehen.
„Hast du irgendetwas bemerkt?“, frage er. Sie hätte über seine Sorge gelächelt, wäre da nicht dieser komische Ausdruck in seinen Augen.
„Bis auf dieses Kribbeln nichts.“, antwortete sie und neigte den Kopf, als seine Hand an ihrer Wange verharrte. Sie beide wussten, dass sie nun wachsam bleiben mussten, dennoch wechselte Zarina das Thema. Ihre Hände legten sich auf seine Brust.
„Und? Hattest du Spaß auf deiner Streife?“, flüsterte sie und lehnte sich an ihn. Er schüttelte den Kopf.
„Nein, aber das macht nichts. Es gibt andere Dinge, die mir Spaß bereiten würden.“
Das verlangende Grollen in seiner Brust ließ sie breit grinsen. Sie ließ sich ins Kissen fallen und streckte die Arme aus.
„Komm zu mir, mein Großer!“, hauchte sie.
Das ließ er sich nicht zweimal sagen. Schon lag er auf ihr.
Eigentlich ist keine Zeit dafür...

, dachte er, während er sie leidenschaftlich küsste.
Dafür ist immer Zeit!

, erwiderte sie und zog sich schnell das Hemdchen über den Kopf. Für einen kurzen Moment schweifte sie mit den Gedanken ab. Hoffentlich würden Alec und Troy nicht wieder aus dem Nichts auftauchen! Rasch schob sie jegliche Gedanken beiseite. Ihre Aufmerksamkeit sollte nur Daryl gelten und das ließ sie ihn auch wissen...

-ELF-



Er blätterte weiter, immer weiter, doch er fand einfach keine Hinweise auf das Artefakt. Es war, als würde dieser Stab gar nicht existieren!
„Schon etwas gefunden?“
Troy knurrte.
„Du sollst mich in Ruhe lassen.“
Alec ignorierte seine Worte.
„Hör mal, ich weiß nicht ob es richtig war Zarina das Artefakt zu überlassen.“, sagte er nachdenklich und setzte sich zu Troy an den Tisch. Er schob einige Bücher beiseite, damit er den Erzengel ansehen konnte.
„Es war auch keine gute Idee aber Daryl wird schon wissen was zu tun ist, sollte sie die Kontrolle verlieren.“, sagte Troy, ohne aufzublicken.
Alec schnaubte.
„Nicht zu fassen das wir einem Vampir vertrauen.“, fauchte er.
„Du hast doch gesehen was für eine Wirkung er auf Zarina hat. Ich glaube wir können ihm vertrauen. Er scheint außerdem echt in Ordnung zu sein.“, murmelte Troy mit den Gedanken ganz woanders.
„Können wir ihm wirklich vertrauen?“, knurrte Alec und zog die Brauen hoch. Er konnte Zarina nicht ganz verstehen. Ihre Eltern wurden von einem Vampir ermordet und dennoch fühlte sie sich zu einem Vampir hingezogen. Troy seufzte. Der Engel fing an, ihm auf die Nerven zu gehen, doch er schien es nicht einmal zu bemerken. Sah er denn nicht, dass er arbeitete?
„Meinetwegen beschatte die beiden weiter, um dich davon zu überzeugen das Daryl zu den Guten gehört aber lass mich damit in Ruhe. Ich habe zutun wie du siehst.“
Troys barscher Tonfall machte Alec sprachlos. Der Erzengel wurde sonst nie so aufbrausend.
„Schön, dann lass ich dich in Ruhe. Aber sag Bescheid wenn du etwas herausgefunden hast.“
Mit diesen Worten erhob sich der Engel, um die Bibliothek zu verlassen. Troy bemerkte es kaum, doch nun hielt er inne und hörte auf, die Bücher zu durchforsten.
Er hatte gesehen wie verliebt die beiden sich angesehen hatten und wusste, dass Daryl sich niemals gegen Zarina stellen würde. Und umgekehrt war es genauso.
Seine Augen schlossen sich. Troy wusste nicht warum es so war, doch der Anblick der beiden hatte ihn begreifen lassen, dass die Erzengel einige Fehler gemacht hatten. Vielleicht hätte er sich in all den Jahrtausenden doch nicht so distanzieren sollen? Er hätte genau hinsehen sollen. Und auch genau hinhören müssen.
Schuldgefühle plagten ihn, dabei wusste er nicht einmal, dass er Schuld empfinden konnte. Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Zarina war wirklich eine bemerkenswerte Frau, in vielerlei Hinsichten. Dennoch durfte man die Gefahr, die von ihr ausging nicht unterschätzen! Sie wollte Rache nehmen. Sowohl an Ivette, als auch an Anatol. Nun senkte er den Blick. Wenn man es genau nahm war es ihm völlig egal, was mit den beiden passierte. Sie hatten ihr Leben schließlich zerstört!
Wieder ein Lächeln. Dennoch hatte sie nie aufgegeben. Sie hatte immer gekämpft. Sie war unglaublich stark, und doch so zerbrechlich.
„Ach, Zarina...“, murmelte Troy und steckte den Kopf wieder in die Bücher.

„Hast du etwas herausgefunden?“
Anatols verlangender Tonfall ließ sie schlucken. So kannte sie ihn nicht. Sie zuckte mit den Schultern und druckste herum. Sie wollte ihm nicht alles erzählen...
Sie war Anatol zwar dankbar, weil er sie befreit hatte, doch mit ihm arbeiten wollte sie nicht.
„Es ist unglaublich geräumig dort. Es gibt eine Menge Möglichkeiten sich zu verstecken. Perfekt für einen Hinterhalt!“, begann Ivette und sah dem Erzengel nun in die Augen.
„Ich habe Zarina gesehen. Sie schlief und hielt dabei irgendetwas in der Hand.“
„Was genau war es?“, wollte Anatol wissen. Seine Augen funkelten bedrohlich.
„Ich weiß nicht.“, murmelte die Frau. „Es sah aus wie ein Stab. Ein knorriges Stück Holz.“, erklärte sie kurz angebunden und behielt für sich, dass von diesem Ding eine eigenartige Energie ausging.
„Was ist mit dem Vampir?“, knurrte der Erzengel. Ein Kopfschütteln.
„Ich habe ihn nicht gesehen. Wahrscheinlich war er nicht einmal im Anwesen.“
„Ist das alles?“
Ivette bemerkte, dass Anatol kurz davor stand die Beherrschung zu verlieren. Zweifellos hatte er sich mehr erhofft.
„Tut mir leid aber es ist, als hätten sie gewusst das ich komme.“, sagte die Frau entschuldigend. War war bloß los mit ihr? Sie war doch sonst nicht so kleinlaut und ruhig. War es vielleicht Angst, die sich da in ihr breit machte?
„Na gut, dann schauen wir mal, was wir aus Alec herauskriegen.“, murmelte Anatol und kehrte ihr den Rücken zu.
„Es ist nicht richtig andere Engel da mit hineinzuziehen.“, flüsterte Ivette, doch der Erzengel hatte es nicht gehört.

Mit gemischten Gefühlen beobachtete Alec das Pärchen. Er hasste Vampire, doch er musste einsehen, dass Zarina Daryl wirklich liebte. Nachdenklich sah er dabei zu, wie die beiden herumalberten. Zarina lachte aus tiefster Seele. Es war ein fröhliches Lachen, hell und klar, wie ein Glockenspiel. Er hatte sie noch nie so lachen gehört. Selbst als sie noch ein Kind gewesen war hatte sie nie mehr als ein Kichern zustande gebracht.
„Hör gefälligst auf damit!“, quiekte sie, während ihr Daryl ständig mit dem Finger in die Seite piekste. Doch er hörte nicht auf.
„Süßer, wir haben keine Zeit dafür!“, kicherte sie und versuchte seine Hände zu packen, um sie dann niederzudrücken.
„Liebling, wie oft noch, Ablenkung tut gut! Du kannst dir nicht jede Minute des Tages Gedanken über Anatol und Ivette machen.“, sagte Daryl. Behutsam zog er sie in seine Arme.
„Anatol hat mich verraten. Und Ivette will mich umbringen. Worüber soll ich mir bitte sonst Gedanken machen?“
Mit einem mal brachte sie nur noch ein Flüstern zustande.
„Um unsere Hochzeit.“, hauchte Daryl und küsste sie schnell auf den Mund.
Alec zog überrascht die Augenbrauen in die Höhe. Sie wollten heiraten? Aber warum? Sie waren doch aneinander gebunden. Plötzlich griff der Vampir in seine Tasche und zog einen Ring heraus.
Er war Silbern, bildete auf der Oberseite ein Herz aus verschnörkelten Ranken und war mit einem Diamant geschliffenen Mondstein geschmückt, der im Licht funkelte und blitzte.
„Es hat ein bisschen gedauert aber...bitte sehr.“, sagte er lächelnd und steckte ihr besagten Ring an den Finger. Beeindruckt betrachtete sie das Schmuckstück.
„Der sieht verdammt teuer aus...“, hauchte sie und sah Daryl wieder an. Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.
„Er ist wunderschön.“, flüsterte sie. Sie krümmte den Finger, damit er sich vorbeugte und sie ihn küssen konnte.
„Danke!“, fügte sie hinzu, ehe sie mit ihrer Zunge in seinen Mund eindrang. Stöhnend riss er ihr die Klamotten vom Leib.
„S-Schon wieder?“, stotterte sie, als er ihren Mund für eine Sekunde freigab.
„Sex kann man nicht oft genug haben.“, sagte Daryl grinsend und presste seine Lippen wieder auf ihre. Alec trat einen Schritt zurück und wandte den Blick. Dabei wollte er nicht wirklich zusehen.
„Warte, warte, warte!“, keuchte die Frau plötzlich.
Alec drehte sich wieder um und sah, wie auch Daryl sie verwirrt anstarrte.
„Jemand ist hier.“, murmelte sie und suchte den Raum nach jemand verdächtigem ab.
„Du hast recht. Das hätten wir eigentlich sofort bemerken müssen...“, erwiderte Daryl fast schon flüsternd und verstärkte seinen Griff um ihre Taille. Niemand sollte sie auch nur ansehen!
Alec seufzte. Jetzt hatten sie ihn doch bemerkt. Er räusperte sich und gab sich zu erkennen.
„Verzeihung, ich...bin ein wenig besorgt.“, erklärte er und sah die beiden entschuldigend an. Für den Bruchteil einer Sekunde sah Zarina wirklich überrascht aus.
„Du bist es.“, murmelte sie. Daryls Augen verengten sich.
„Besorgt?“, hakte er nach.
Alec lächelte.
„Ist nicht so wichtig.“, sagte er und ging auf die beiden zu. „Ihr werdet heiraten?“, fragte er nun.
Lächelnd legte Daryl den Arm um seine Verlobte.
„Ja.“
Alec neigte den Kopf.
„Darf ich fragen, warum? Ihr seid doch schließlich aneinander gebunden.“
Nun lächelte auch Zarina. Alec zeigte es nicht sehr oft, doch er war unglaublich einfühlsam. Dennoch hatte er von Liebe keine Ahnung.
„Wir leben unter den Menschen, deswegen wollen wir auch eine menschliche Bindung eingehen.“, erklärte sie und lehnte sich gegen den Vampir. Alec erwiderte nichts darauf.
„Warum bist du hier?“, fragte Zarina neugierig. „Gibt es irgendetwas Neues?“
Alec schüttelte den Kopf.
„Nein. Troy blättert sich durch sämtliche Bücher, kann aber keine Hinweise auf das Artefakt finden.“, sagte er ruhig.
„Was machen wir, wenn Troy absolut nichts herausfindet?“, fragte Daryl. Er war ein wenig beunruhigt, zeigte dies aber nicht.
„Ganz einfach.“, sagte Zarina todernst. „Wir werden einfach ein bisschen mit dem Stab herum experimentieren.“
Alex und Daryl starrten sie an, sie zuckte mit den Schultern.
„Was denn? Irgendwie müssen wir ja herausfinden, wie der Stab funktioniert.“, sagte sie entrüstend.
Der Engel seufzte. Er musste feststellen, dass er das in letzter Zeit öfter tat.
„Ich bin hier um darauf zu achten, dass du nicht auf dumme Gedanken kommst.“, gab er zu. Er machte sich bereits darauf gefasst Zarinas aufbrausende Seite kennenzulernen.
„Mach dir keine Sorgen, sie weiß wann sie zu weit geht.“, antwortete Daryl. Zarina schwieg, lächelte aber. Alec jedoch zweifelte weiterhin. Die Frau schien es zu bemerken, denn sie wurde wieder ernst.
„Ich weiß, dass ich nicht überstürzt handeln darf, Alec. Und ich kenne meine Grenzen, also mach dir keine Gedanken!“
Noch ein Seufzen.
Plötzlich stand Troy zwischen den dreien. Überrascht sahen sie ihn an. Seine Haltung bewies, dass er irgendwie nervös war.
„Alles okay?“, fragte Zarina vorsichtig.
„Ich weiß, wie das Artefakt funktioniert!“, antwortete der Erzengel fast schon zu aufgeregt. Sofort wurden alle aufmerksam. Das klang nach guten Neuigkeiten.
„Na los, raus mit der Sprache!“, drängte Daryl.
„Der Stab wird einzig und allein durch die Gedanken kontrolliert.“
Schweigen.
„Wenn ich mich nicht täusche spielen die Gefühle dabei eine wichtige Rolle.“, fuhr Troy fort. Zarina zog das Artefakt aus ihrem Stiefel und sah es einige Minuten an, ohne etwas zu sagen.
„Wie aktiviert man es?“, fragte sie schließlich und sah den Erzengel an. Entschuldigend erwiderte er ihren Blick.
„Das konnte ich leider nicht herausfinden.“, sagte er leise.
Sie seufzte, wobei sich ihre Augen schlossen. Der Vampir mischte sich wieder ein.
„Lassen wir das Artefakt erst einmal außer Acht. Wir müssen Anatol und Ivette finden!“, knurrte er.
„Und wie zum Teufel sollen wir das machen?“, fauchte Alec. Alle starrten ihn an.
„Hast du gerade den Teufel in den Mund genommen?“, hauchte Troy fassungslos.
Zarina grinste.
„Liegt wohl an deinem Umfeld.“, kicherte sie, worauf Daryl sie leicht kniff. Doch sie lachte nur.
Troy schüttelte den Kopf und ließ das Thema fallen.
„Ich habe keine Ahnung wie wir die beiden finden sollen. Sie könnten überall sein.“, erklärte er nachdenklich. Die Gefallene neigte den Kopf.
„Gibt es nicht noch irgendein Artefakt, mit dem sich dieses Problem lösen lässt?“, fragte sie.
Troy zog die Brauen hoch.
„Es gibt hunderte Artefakte, von denen immer noch einige unentdeckt sind aber so interessant das auch erscheinen mag, du kannst dich nicht auf solche Kräfte verlassen. Und überhaupt, hast du vor die geheime Kammer zu plündern oder warum bist du so versessen auf die Artefakte?“
Für einen Augenblick sah die Frau überrascht aus, dann senkte sie den Blick.
„Es sind Rachegedanken die mich antreiben.“, flüsterte sie. Dann hob sie den Blick und wurde wieder lauter, ehe jemand etwas erwidern konnte.
„Aber, verdammt noch mal, es muss einen Weg geben die beiden ausfindig zu machen.“, fauchte sie. Dieses mal seufzten die drei Männer gleichzeitig. Jeder von ihnen war manchmal mit ihrer Art überfordert. Sie schnaubte kurz und tat dann so, als hätte sie nichts gehört.
„Ich werde mich mal unter den anderen Erzengeln umhören, vielleicht können die ja ein wenig behilflich sein.“, sagte Troy.
Dann war er verschwunden.
„Ich bezweifle, dass das eine gute Idee war...“, murmelte Alec. „Egal. Die Erzengel könnten unterschiedlicher nicht sein und jeder einzelne von ihnen ist verdammt gefährlich! Ich befürchte die Situation könnte eskalieren, wenn Troy ihnen von allem berichtet. Ich schaue mal besser nach...“
Dann war auch er verschwunden.
„Du alter Pessimist.“, murmelte Zarina und schob das Artefakt zurück in ihren Stiefel.

-ZWÖLF-



Alec wollte sich noch eine kurze Auszeit nehmen, ehe er Troy folgen würde, doch langsam bekam er Zweifel an seiner Entscheidung. Das allein lag allerdings nur an den Blicken dieser Frau. Braune, glänzende Locken, funkelnde blaue Augen und ein erdbeerroter Mund. All das ließ ihn nicht bemerken, dass Ivette nur wenige Meter hinter ihm stand.

Nervös trat Ivette von einen Fuß auf den anderen.
Sie hatte diese Frau auf Alec angesetzt, um später besser an ihn herankommen zu können, doch irgendwie wollte ihr Plan nicht so richtig aufgehen, denn der junge Engel sprang nicht auf die lasziven Versuche der Brünette an.
Mit einem bedeutsamen Blick gab der Erzengel der Frau zu verstehen, dass sie sich sputen sollte.
Sie nickte und erhob sich, um dann auf den männlichen Engel zuzugehen. Ivette trat einige Schritte zurück und beobachtete das Geschehen. Fasziniert starrte Alec die Frau an, die genau auf ihn zukam. Sein Herz raste. So sehr er sich auch immer nach...Berührungen gesehnt hatte, er durfte nicht darauf eingehen! Er wollte nicht so wie Zarina enden!
Er schluckte als sie schließlich vor ihm zum stehen kam. Sie leckte sich über die Lippen und lächelte dann verführerisch.
„Verrätst du mir deinen Namen?“, flüsterte sie.
„Stellt man sich nicht zuerst vor, ehe man nach dem Namen seines Gegenübers fragt?“, erwiderte Alec barsch. Er durfte kein Interesse zeigen! Das wäre sein Ende!
Zuerst machte sie einen Schmollmund, dann legte sich wieder ein Lächeln auf ihre vollen Lippen.
„Nenn mich Annah.“, hauchte sie und beugte sich vor. „Weißt du was? Du brauchst mir deinen Namen nicht verraten, komm einfach mit!“
Ihre Lippen streiften seine, er erschauderte. Er fragte sich, ob diese Frau eine Prostituierte war. So angezogen war sie jedenfalls. Und sie benahm sich auch so.
„Wieso sollte ich?“, fragte er mit zuckenden Mundwinkel. Es gefiel ihm selbst nicht, sich so blöd zu benehmen, doch es ging nicht anders. Niemals würde er die Nähe zu einem Menschen zulassen!
„Du siehst nicht aus wie ein Arsch, also warum benimmst du dich wie eines?“
Seine Augen weiteten sich. Hatte diese Frau ihn etwa durchschaut?
„Mein Name ist Alec.“, sagte er, nachdem er sich gefasst hatte. Wieder breitete sich ein Lächeln auf Annahs Lippen aus. Sie setzte sich auf den Hocker neben ihm und musterte ihn fasziniert.
„Ich habe dich hier in der Stadt noch nie gesehen. Bist du neu hier?“
Er neigte bei ihren Worten den Kopf. Wollte sie nun etwa eine normale Konversation beginnen? Wenn ja, warum so plötzlich?
„Ich bin wegen einer Freundin hier. Wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen...“, murmelte er. Warum nur wollte er ihr von allem erzählen? Warum verspürte er das Bedürfnis...getröstet zu werden?
„Verstehe.“, sagte die Frau und zögerte dann plötzlich. Irritiert sah Daryl sie an.
„Tut mir leid.“, flüsterte sie. Er verstand nicht, doch das war auch völlig egal, denn mit einem Schlag auf den Hinterkopf wurde ihm schwarz vor Augen.

„Darf ich fragen wo du warst?“
Malachy sah ihn erwartungsvoll an, ebenso wie alle anderen Erzengel. Troys Muskeln spannten sich an.
„Bei Zarina und dem Vampir.“, antwortete er monoton, worauf einige der mächtigen Engel schnaubten.
„Hört mir zu.“, begann Troy mit erhobenen Händen und erzählte die Geschichte von Zarina.

„Das ändert nichts daran, dass sie das Gesetz missachtet hat.“, sagte Malachy verärgert.
Shana senkte nachdenklich den Blick.
„Sie liebt diesen Vampir. Und wir haben schon oft gemerkt, wie schwer man sich gegen Liebe widersetzen kann.“, sagte sie ruhig und sah nun in die Runde.
„Vielleicht sollten wir das Gesetz noch einmal überarbeiten?“, murmelte sie dann.
„Auf keinen Fall!“, brüllte Malachy und sprang auf. Shana knurrte leise.
„Ich als Frau kann Zarinas Rachegelüste verstehen! Wir alle müssen uns eingestehen, dass Anatol für den Posten als Erzengel nicht geeignet ist. Das er schon als Kind in diese Rolle schlüpfen musste konnte ja nicht gut gehen! Er hat schon oft Probleme gemacht, ebenso wie Ivette. Wenn die beiden wirklich zusammen arbeiten, müssen wir uns darauf gefasst machen, dass sie sich auch gegen uns stellen! Ich habe in den letzten Jahrhunderten wirklich genug Kämpfe ausgetragen, da habe ich nicht wirklich Lust auf einen Krieg mit dein beiden.“
Troy lächelte zufrieden in sich hinein. Das sah nach einem vielversprechenden Anfang aus.
Die Erzengel schwiegen, bis Malachy schließlich seufzte.
„Nicht zu fassen, dass wir uns gegen unsere Geschwister stellen.“, knurrte er, sah dann aber Troy an.
„Du weißt, dass du Zarina eigentlich nicht aus den Augen lassen solltest.“, sprach er.
Troy blieb gelassen.
„Ich vertraue ihr und ich vertraue darauf, dass Daryl auf sie aufpasst.“, antwortete er.
„Daryl?“, hakte Malachy verwirrt nach.
„Der Vampir.“, sagte Troy rasch, worauf Malachy nickte.
„Bring die beiden bei Gelegenheit her.“, sagte er. „Mit ihnen persönlich zu sprechen dürfte einfacher sein.“
Troy nickte und wandte sich ab. Am besten kümmerte er sich so schnell wir möglich darum...

Sanft strichen seine Finger über ihren Arm. Sie war in letzter Zeit immer erschöpft und schlief bei jeder Gelegenheit ein, so wie jetzt eben. Er lächelte ein trauriges Lächeln. Er liebte den Anblick wenn sie schlief, doch die Erschöpfung war ihr anzusehen.
Plötzlich tauchte Troy vor ihm auf. Er legte sich den Finger auf die Lippen, um dem Erzengel zu signalisieren, dass er ruhig sein sollte. Troy bemerkte die schlafende Zarina. Nachdem sein Blick für einige Sekunden auf der Frau gelegen hatte, wandte er sich an den Vampir, der ihn jedoch gar nicht erst zu Wort kommen ließ.
„Wo ist Alec?“, fragte er ein wenig alarmiert.
„Woher soll ich das wissen?“, fauchte Troy leise. Daryl wollte aufspringen, doch dann fiel ihm wieder die Frau in seinen Armen sein.
„Er wollte dir hinterher, aus Angst die Erzengel wären...nicht überzeugt.“, sagte der Vampir zögernd. Troys Pupillen weiteten sich ein wenig. Wenn Alec sagte, dass er ihm folgen würde, dann tat er das auch. Das Troy ihn nicht gesehen hatte musste bedeuten, dass etwas passiert war.
„Wann habt ihr ihn das letzte mal gesehen?“, knurrte er.
„Nachdem du gegangen bist, ist auch er verschwunden.“, antwortete Daryl.
Troy stieß ein Brüllen aus.
„Das darf doch nicht wahr sein!“
Prompt war Zarina wach.
„Was ist los, Schatz?“, flüsterte sie und rieb sich die Augen.
Troy zog die Brauen hoch. Glaubte sie wirklich, Daryl hätte so laut gebrüllt?
„Alec ist verschwunden.“, sagte der Vampir leise und strich der Frau einige Strähnen ihrer Haare aus dem Gesicht. Sofort saß sie aufrecht.
„Was?“, hauchte sie. „Was machen wir denn jetzt?“
Troy knurrte wieder.
„Die anderen Erzengel wollen euch sehen. Entweder machen wir uns auf den Weg zu ihnen oder wir machen uns auf die Suche nach Alec.“, sagte er, nachdem er einige Sekunden lang nachgedacht hatte.
„Wir sollten zu den Erzengeln gehen, dann können wir ihnen gleich davon berichten.“, murmelte Zarina. Sie wollte weiterschlafen, auch wenn sie wusste, dass dafür keine Zeit blieb.
„Ich will schlafen.“, flüsterte sie und ließ ihren Kopf gegen Daryls Schulter fallen.
„Ich weiß, Süße, aber...“
Seine Hand legte sich auf ihren Kopf aber sie ließ ihm keine Zeit zum antworten.
„...dafür bleibt keine Zeit, schon klar.“, hauchte sie und schloss die Augen. Troy seufzte und neigte den Kopf. Warum berührte ihn dieser Anblick nur so sehr?
„Vielleicht hast du im Himmelreich eine Gelegenheit dich auszuruhen. Erst einmal sprechen wir mit meinen Geschwistern.“

-DREIZEHN-



Ein Stöhnen entwich ihm. Was war denn passiert? Dann fiel es ihm ein! Da war diese Frau...Sie hatte sich entschuldigt. Es dauerte eine Ewigkeit bis Alec klar denken konnte und ihm klar wurde, was genau passiert sein musste. Ein tiefes Grollen stieg in seiner Brust auf. Deswegen hatte Annah sich also entschuldigt! Nachdem sein Verstand wieder auf Hochtouren arbeitete wurde ihm klar, dass es nur zwei Personen gab, die dafür verantwortlich sein konnten. Er wollte sich bewegen, doch...
Ein amüsiertes Lachen ließ ihn innehalten. Er hätte sich sowieso nicht bewegen können, aufgrund der eisernen Ketten, die ihn fesselten. Das Lachen wurde lauter und klang...zufrieden?
Zuerst betrachtete er die kleinen Füße, die in hohen Plateauschuhen steckten. Dann glitt sein Blick höher. Über lange, glatte Beine, zu den Oberschenkeln, an denen der Stoff seinen Anfang fand. Die Seide glitzerte auf eine eigenartige Weise und blendete ihn irgendwie. Als nächstes folgte ein flacher Bauch und ein üppiges Dekolletee, das durch das tief ausgeschnittene Kleid entblößt wurde. Die braunen Haare die ebenfalls wie Seide aussahen kamen ihm verdammt bekannt vor.
„Ivette!“, knurrte er, als sein Blick ihr Gesicht erreicht hatte.
„Hallo, Süßer.“, erwiderte der Erzengel grinsend. Wieder ein Knurren.
„Arbeitest du mit Anatol zusammen?“
Sie lachte wieder, laut und schrill.
„Ich stelle hier die Fragen, klar?“, sagte sie und beugte sich vor. Der Geruch ihres penetranten Geruchs stieg ihm in die Nase. Er unterdrückte ein Würgen.
„Schön. Und was für Fragen hast du?“
Alec hoffte, so gleichgültig wie möglich zu klingen. Obwohl es ihm schwer fiel klar zu denken, aufgrund seiner Schmerzen und seines pochenden Kopfes. Ivettes Augen verengten sich und sie lehnte sich wieder zurück.
„Du hängst in letzter Zeit ziemlich oft bei Zarina herum. Warum?“
Ihr Tonfall hatte sich verändert. Nun klang auch sie monoton. In Alecs Kopf ratterte es. Vielleicht sollte er Wahrheit und Lüge miteinander verbinden?
„Es gefällt mir nicht, dass der Vampir und Zarina unzertrennlich sind. Ich wollte Informationen sammeln.“, antwortete er ruhig und sah die Frau eindringlich an. Diese schien mit dieser Antwort nicht gerechnet zu haben, denn sie zog die Brauen hoch.
„Du magst diesen Vampir nicht?“, murmelte sie.
„Ich vertraue ihm nicht. Wir reden hier schließlich von einem Vampir.“, schnaubte Alec. Erneut konnte Ivette ein Lachen nicht unterdrücken.
„Sieh einer an, du empfindest also Abscheu? Das gefällt mir zwar, dennoch hegst du nun Gefühle gegen ihn und somit könnte ich dich verbannen!“
Ivettes Worte jagten ihm zwar keine Angst ein, dennoch beunruhigte ihn die Situation.
„Ich habe nicht vor wie Zarina zu enden.“, schnaubte er und zog an den Ketten. Er musste sich irgendwie befreien, leider war das Ganze nicht so einfach. Wieder zog der Erzengel die Brauen hoch.
„Was soll das heißen, du willst nicht so enden wie sie? Meinst du ihr Verhalten? Ihre Art zu leben? Ihre Entscheidung, mit dem Vampir zusammenzuleben? Oder die Tatsache, dass sie gefallen ist?“
Alec spuckte aus. Die Ketten rasselten und schnitten ihm ins Fleisch.
„Ihr Verhalten ist mir inzwischen egal. Ihre Art zu leben lässt mich zweifeln. Ich verabscheue Vampire, nur damit du es weißt! Und ich habe wie gesagt nicht vor, zu fallen.“
Nach seiner kleinen Rede grinste der Erzengel, doch das gefiel Alec ganz und gar nicht. Sie drehte und wendete die Dinge nämlich so, wie sie ihr gerade in den Kram passten. Das würde ihm wohl noch zum Verhängnis werden.
„Du widersprichst dir selbst, Süßer. Deine Ausdrucksweise erinnert mich stark an Zarina. Bist du sicher, dass dir das meiste an ihr egal ist?“
Der Unterton in Ivettes Stimme ließ ihn erschaudern. Sie glaubte doch nicht etwa...
„Es geht hier nicht um Zarina und mich, sondern um Zarina und Daryl, oder nicht?“, sagte er ruhig.
„Schlaues Bürschchen.“, kicherte sie und ging in die Hocke, um mit ihm auf Augenhöhe sein zu können.
„Was ist das für ein Ding, das Zarina ständig bei sich trägt?“
Er schluckte. Sie wusste von dem Artefakt? Das war schlecht. Sehr schlecht!
„Was meinst du?“, sagte er.
„Oh, stell dich nicht dumm, Kleiner! Ich meine dieses alte, knorrige Stück Holz!“, fauchte sie.
So, jetzt ging es also los.
„Wie gesagt, ich weiß nicht was du meinst. Vielleicht solltest du sie selbst fragen.“, erwiderte er ausdruckslos. Wie ihn das alles ankotzte!
„Halt mich nicht zum Narren!“, brüllte sie plötzlich und holte dabei mit der Faust aus. Gerade noch rechtzeitig konnte er sich so bewegen, dass ihre Faust an seinem Kopf vorbei sauste und stattdessen die Wand traf. Sie knurrte zwar, schien aber keinen Schmerz zu spüren.
„Antworte gefälligst!“, schrie sie.
„Du gibst mir auch keine Antwort, also werde ich schweigen.“, sagte er trocken. Wieder ein Knurren.
„Du bist scheinbar ebenfalls ziemlich gerissen.“, murmelte die Frau.
„Arbeitest du mit Anatol zusammen?“, fragte Alec erneut. Ivette schwieg. Nun war Alec derjenige der grinste.
„Wenn du mir nicht antwortest, antworte ich dir auch nicht.“, sagte er.
Der Erzengel fauchte.
„Was, wenn ja?“

„Ich glaube, ich bereue es ihrer Verbannung zugestimmt zu haben.“, murmelte die Frau mit den blau-grauen Augen. Die Männer schwiegen. Shana war nun die einzige Frau im Rat.
„Sie ist eigentlich so ein liebes Mädchen.“, fuhr sie fort.
Malachy schloss die Augen, seine Mundwinkel zuckten.
„Von lieb kann keine Rede sein. Das Blut Unschuldiger klebt an ihren Händen.“, knurrte er.
Shana warf den nächst besten Gegenstand nach dem Mann. Er war der Wasserkrug, der neben ihr auf einem kleinen Tischchen stand. Malachy schaffte es gerade noch dem fliegenden Krug auszuweichen.
„Noel war keineswegs unschuldig! Und die Vampire hat sie nur getötet, weil wir es befohlen haben! Naja, eigentlich war es Anatol aber wir haben zugestimmt. Also sei gefälligst still!“, brüllte Shana und lehnte sich auf ihrem Thron wieder zurück.
„Ich bewundere Troy.“, sprach sie, nun in ruhigerem Tonfall weiter. „Denn er war der Einzige von den Erzengeln, der sich bei Zarina aufrichtig entschuldigt hat.“
Malachy und auch einige andere schnaubten.
„Wir sollen uns bei ihr entschuldigen, wobei wir ihnen doch schon helfen?“, knurrte er. Fauchend erhob sich Shana. Sie ging auf Malachy zu und holte aus, um ihm eine Ohrfeige zu verpassen.
Stille.
„Du verdammter Mistkerl! Es geht hier nicht nur um Zarina und den Vampir, sondern auch um Alec, der zufällig verschwunden ist! Wir müssen Alec finden, und zwar so schnell wir möglich! Ich wette Anatol und Ivette stecken dahinter.“, brüllte sie nun.
Sie drehte sich um und sah in die Runde.
„Wir müssen handeln!“, sagte sie laut. „Sofort!“, brüllte sie dann. „Wir dürfen nicht zögern. Wir müssen Anatol und Ivette finden und ihnen das Handwerk legen!“
Seth neigte den Kopf.
„Vielleicht hast du recht. Mit Allem. Aber wie sollen wir Anatol und Ivette finden? Sie könnten überall sein.“, erklärte er ruhig und sachlich.
„Mit Hilfe der Artefakte.“, hauchte Shana.

-VIERZEHN-



Sie blinzelte. Sonnenstrahlen kitzelten sie im Gesicht. Langsam setzte sie sich auf. Sie musste feststellen, dass sie alleine im Bett lag. Ihre grünen Augen suchten den Raum ab, fanden ihn jedoch nicht. Rasch stieg sie aus dem Bett. Sie beeilte sich zu duschen, zog sich an und lief Richtung Halle.

„Verzeih uns unser Misstrauen.“, brummte Malachy.
Daryl zog die Brauen hoch, der Erzengel verstand seine unausgesprochene Frage und wies auf Shana.
„Shana hat uns von deiner...Unschuld überzeugt.“, erklärte er trocken. Daryl richtete seinen Blick auf die einzige Frau in der Runde. Diese grinste breit und machte eine kurze Geste mit der Hand.
„Troy und ich vertrauen dir, die anderen sollten das also auch tun.“, lachte sie.
Daryls Mundwinkel zuckten für einen kurzen Moment, doch dann wurde er wieder ernst.
„Ihr wollt also die Artefakte benutzen, um Anatol und Ivette zu finden?“, fragte er.
Malachy nickte.
„Ja. Andere Möglichkeiten gibt es nicht.“
Troy seufzte und schüttelte leicht den Kopf.
„Wer von euch kam auf diese Idee?“, knurrte er leise. Nun lagen alle Blicke wieder auf der Frau am Tisch, die noch immer grinste. Troy schnaubte.
„Nicht zu fassen das du und Zarina auf den selben Gedanken gekommen seid.“
Überraschte Blicke. Der Geruch nach Sonnenschein erfüllte den Raum und ließ Daryl inne halten. Sein Blick ging Richtung Tür, worauf seine grauen Augen Zarina erfassten. Als die Frau ihn entdeckte breitete sich ein Lächeln auf ihren Lippen aus.
„Daryl.“, flüsterte sie.
Nur er hörte es. Er erhob sich, schritt auf sie zu und als er bei ihr ankam küsste er sie erst zärtlich, dann stürmisch. Sowohl angewidert als ach neugierig beobachteten die Erzengel das Geschehen.
„Wie fühlst du dich?“, flüsterte Daryl.
„Besser.“, hauchte sie und sah an ihm vorbei.
Das Bett kam mir ohne dich so groß vor.


Daryl hielt beim Klang ihrer Stimme in seinem Kopf die Luft an.
„Du hast Teile des Gesprächs mitbekommen, nicht wahr?“, fragte er leise.
Sie nickte und noch immer lagen gespannte Blicke auf ihnen.
„Dann weißt du ja warum du das Bett für dich alleine hattest.“, sagte er noch leiser und schob sie zum Konferenztisch. Zarina lächelte die Erzengel an. Shana seufzte und stützte den Kopf auf der Hand ab.
„Ach, ihr zwei seid ja so süß.“, murmelte sie begeistert. Es schien als würde sie an etwas denken...
Malachy und einige andere sahen sie argwöhnisch an. Sie zuckte jedoch nur mit den Schultern.
„Was denn? So ist es nun mal!“
Seth schnaubte.
„Das sagst du nur, weil du nicht im Besitz solcher Liebe bist.“
Nun schnaubte auch Shana. Allerdings empört.
„Kommen wir zum eigentlichen Thema. Ihr wollt ein Artefakt benutzen?“
Sie nahm ebenfalls in der Runde Platz. Daryl setzte sich neben sie.
„Eine andere Wahl haben wir nicht.“, wiederholte Shana die Worte von Malachy und machte wieder eine Geste mit der Hand.
„Sie könnten schließlich überall sein.“
Zarina lächelte.
„Ich muss mich noch einmal bei euch bedanken! Eure Hilfe bedeutet mir wirklich viel.“
Sie sah jeden in der Runde für einen kurzen Moment eindringlich an.
„Lass gut sein, Süße. Wir sind diejenigen die uns bedanken müssen, du hast uns nämlich die Augen geöffnet und uns gezeigt, wer die beiden eigentlich sind.“
Shanas Worte ließen Daryl lächeln. Das glückliche Ende war ihnen einen Schritt näher gekommen.
„Ich nehme an ihr wart dabei, die Vorgehensweise zu besprechen?“, hakte Zarina nach.
Malachy nickte, doch Troy übernahm das Wort.
„Wir haben uns darauf geeinigt zuerst Ivette zu suchen, da ihr Mordgedanke oberste Priorität hat. Seid ihr beiden damit einverstanden?“, fragte er und sah dabei Daryl und Zarina an. Diese nickten.
Vielleicht solltest du ihnen von deinen Träumen erzählen?

, schlug der Vampir in Zarinas Gedanken vor. Sie zögerte. Sich Daryl zu offenbaren hatte schon verdammt viel Überwindung gekostet, wie sollte sie denn da den Erzengeln ihr Geheimnisse anvertrauen?
„Es gibt da etwas, dass ihr vielleicht wissen solltet.“, begann sie flüsternd und sah die Engel zögerlich an. Malachy zog die Brauen hoch, Shana neigte den Kopf und auch alle anderen warteten gespannt darauf, dass sie weitersprach.
„Ich glaube...Ivette ist in der Lage in die Träume anderer einzudringen...“, hauchte Zarina.
Sofort sprangen alle auf, weshalb sie zusammenzuckte. Sofort ergriff Daryl ihre Hand.
„Unmöglich!“, brüllte Shana. Der Vampir und die Gefallene tauschten einen Blick aus. Angst erfüllte die rothaarige Frau. Das sah nicht gut aus. Die Erzengel schimpften laut, was für Daryl ganz amüsant war, da sie keinerlei schlimme Ausdrücke in den Mund nahmen. Irgendwann hatte er genug, weshalb er die Hand hob und leicht den Kopf schüttelte.
„Moment! Eure Reaktion ist ein wenig beängstigend. Was ist los?“
Malachy sah ihn eindringlich an.
„Sie ist im Besitz eines Artefakts.“, knurrte er. Daryl kniff die Augen zusammen.
„Wie kommt ihr darauf?“
„Warum bin ich nicht selbst darauf gekommen?“, flüsterte Zarina. Ihre Augen wurden glasig. Daryls Hand umschloss ihre fester.
„Ich brauche klare Worte.“, knurrte er leise.
„Erzengel sind zwar mächtig aber nicht mächtig genug, um in Träume einzudringen und sie zu manipulieren.“, erklärte Zarina leise.
„Und daraus schließt ihr, dass ein Artefakt mit im Spiel ist?“, erwiderte der Vampir ein wenig verwirrt. Der ganze Engelskram überforderte ihn irgendwie. Malachy mischte sich wieder ein.
„Es gibt ein Artefakt mit dem Namen „Traumkugel“. Es kann in Träume eingedrungen werden, mit diesen kann dann alles Mögliche gemacht werden.“
Daryls Augen weiteten sich. Voller Sorge sah er seine Verlobte an. Noch bevor sie ihn beruhigen konnte meldete sich Shana wieder zu Wort.
„Hat sie versucht dich auszuquetschen? Wollte sie dir etwas antun?“
Der Gefallenen stiegen Tränen in die Augen. Sie hatte in letzter Zeit so viel erlebt, dabei wollte sie doch bloß ein ruhiges Leben führen!
„Sie hat mich erst nur verfolgt. Später hat sie dann irgendwie versucht mich umzubringen...“, hauchte Zarina. Die Erzengel tauschten besorgte Blicke untereinander aus.
„Hör zu, Süße.“, begann Shana und ging auf die Frau zu. „Du darfst nicht einschlafen, hast du gehört? Nicht bevor wir Ivette das Handwerk gelegt haben!“
Zarinas Augen wurden immer größer. Daryl stellte sich vor sie, damit Shana nicht an sie heran kam.
„Sie ist seit Wochen erschöpft und hält es keinen Tag ohne Schlaf aus!“, knurrte er.
„Himmlische Drogen werden Abhilfe schaffen.“, brummte Malachy.
„Ihr werdet meine Frau nicht unter Drogen setzen!“, brüllte Daryl, worauf augenblicklich Stille herrschte. Schwach lächelnd legte Zarina ihre Hand auf die Schulter des Vampirs.
„Himmlische Drogen worken gänzlich anders als menschliche, Liebling. Sie wirken wie Kaffee, nur...stärker. Sie putschen auf und vertreiben jegliche Müdigkeit.“, erklärte sie.
Er wirbelte herum.
„Nein!“, brüllte er wieder. „Du brauchst so viel Schlaf wie möglich und das weißt du nur zu gut!“
Zarina lehnte sich an ihn und vergrub ihr Gesicht an seiner Brust.
„Du bist so unglaublich süß!“, flüsterte sie. „Aber das ist die einzige Möglichkeit für mich, nicht einzuschlafen.“
Angespannt beobachteten die Erzengel weiterhin das Geschehen. Shana jedoch seufzte wieder entzückt. Daryl starrte Zarina mit undurchdringbarem Blick an.
„Du wirst sie wahrscheinlich keine Sekunde lang aus den Augen lassen, also lass dir gefälligst gesagt sein, dass nichts passieren wird.“, sagte Malachy ruhig.
Ich muss dir vertrauen.

, dachte Daryl und sah Zarina wieder an.
„Ich liebe dich!“, flüsterte sie und küsste ihn.

Ein Klopfen unterbrach ihre Zweisamkeit. Daryl zog die Decke über sich und Zarina und sich und rollte sich anschließend auf die Seite.
„Herein.“, knurrte er.
Troy trat ein und musterte Zarina, die sich die Decke bis ans Kinn gezogen hatte.
„Verzeiht mir die Störung aber es gibt einige Dinge die ich...ansprechen muss.“, sagte er mit seiner kratzigen Stimme. Daryl zog die Brauen hoch. Erstaunlicherwiese wusste der Erzengel sofort Bescheid, denn er kehrte den beiden den Rücken zu. Während Zarina aus dem Bett sprang und ihre Sachen zusammensuchte, fuhr Troy fort.
„Erst einmal würde ich gerne wissen, wie es dir geht, Zarina.“
„Gut.“, antwortete sie. Daryl schnaubte.
„Zu gut. Die himmlischen Früchte leisten verdammt gute Arbeit!“, brummte er.
Doch er nahm es gelassen, schließlich konnte er ihre Ausdauer gut zum vögeln benutzen.
„Gut.“, sagte auch Troy. Nachdem der Erzengel keinen Stoff mehr rascheln hörte, drehte er sich wieder um.
„Wir haben ein Artefakt benutzt um Ivette aufzuspüren und es hat funktioniert. Durch das Artefakt wissen wir, dass Alec bei ihr ist. Die anderen sind bereits auf dem Weg.“, berichtete er hastig.
Hoffnung blitzte in Zarinas Augen auf.

-FÜNFZEHN-



Alec stöhnte. Sie hatte ihn tatsächlich gefoltert! Er hatte kurz davor gestanden auszubluten, erst da hatte sie aufgehört ihm immer neue Wunden zuzufügen. Nun heilten seine Wunden zwar, allerdings waren sie so schwerwiegend, dass die Heilung in Zeitlupe von Statten ging. Unter halb geschlossenen Lidern beobachtete er den Erzengel, der wütend auf und ab lief.
„Ich fass es nicht! Sie haben sie tatsächlich unter Drogen gesetzt, damit sie nicht einschläft!“, fauchte sie. Die kleine gläserne Kugel die sie die ganze Zeit über in der Hand hielt, hatte sie nicht einmal abgelegt oder aus den Augen gelassen. Alec sah sich um. In all der Zeit, in die er nun hier war hatte er noch immer nicht herausgefunden, wo sie sich eigentlich befanden. Ob sie wohl von Zarina sprach? Immer wieder hatte sie irgendetwas gemurmelt, doch nie war ein Name gefallen.
„Was genau...ist das...für ein Ding...in deiner Hand?“
Er schluckte. Seine Stimmbänder hatten sich noch nicht vollständig regeneriert. Seine Stimme war rau, brüchig und kratzig und schien nicht ihm zu gehören. Ivette würdigte ihn keines Blickes und starrte stattdessen weiter auf die Kugel in ihrer Hand.
„Es ist ein Artefakt.“, sagte sie trocken. Alec zog die Brauen hoch. Noch ein Artefakt? Im Besitz von Ivette? Heiliger Bimbam, war ihr klar was sie mit diesem Ding alles anstellen konnte?
Als die Frau seinen panischen Blick bemerkte, stahl sich ein raubtierhaftes Grinsen auf ihre Lippen.
„Ich bin ein Erzengel, Süßer! Natürlich weiß ich Bescheid!“
Alec schluckte. Er flehte den Herrn an, betete darum, dass es Zarina gut ging.
„Nicht mehr lange und dieses Miststück ist Geschichte!“, fauchte der Erzengel. Alecs Kehle schnürte sich zu. Er bekam kein Wort heraus, konnte geschweige denn Luft holen. Ebenso wenig funktionierte sein Verstand. Das Denken fiel ihm auf einmal so schwer.
Plötzlich ertönte ein lautes Krachen. Eine Druckwelle wirbelte Staub auf und nahm selbst dem gefesselten Engel die Sicht. Ivette unterdrückte ein Husten.
„Alec!“
Die Geisel horchte auf. Er kannte diese Stimme! Nachdem sich die Staubwolke aufgelöst hatte erkannte der Mann Shana, die in tödlicher Eleganz auf die Zelle zukam.
Süße, so sehr ich mich auch über dein Auftauchen freue aber du musst hier weg! Bring dich in Sicherheit, hast du verstanden?

, dachte er und sah die graziöse Frau sowohl panisch als auch entschlossen an. Für einen kurzen Moment hielt Shana verblüfft inne, doch dann ignorierte sie den Mann und konzentrierte sich voll und ganz auf Ivette. Diese ergriff sofort das Wort.
„Ihr habt diese Weib tatsächlich auf Drogen gesetzt?“, brüllte sie.
Alec bemerkte nun erst all die anderen Erzengel, sie sich ungesehen um Hintergrund bereit hielten. Ivette schien nicht einmal zu ahnen, dass sie umstellt worden war.
„Eine andere Möglichkeit gab es nicht.“, antwortete Shana mit zuckenden Schultern. Sie machte einen Schritt, doch den hätte sie besser nicht gemacht. Sofort war Ivette bei Alec in der Zelle und hatte ihm den Fuß zertrümmert. Alec hätte am liebsten gebrüllt, doch er biss sich kraftvoll auf die Lippe, um es zu verhindern. Er schmeckte Blut. Zu peinlich wäre es ihm Shana gegenüber Schmerzen zu zeigen.
„Einen Schritt weiter und dieser unschuldige Knabe wird sterben!“, fauchte Ivette. Alec knurrte. Er war doch kein Knabe! Shanas Augen weiteten sich und füllten sich mit Tränen.
„Nein!“, flüsterte sie.
Alec schluckte und versuchte den unbeschreiblichen Schmerz auszublenden. Jedoch wurde daraus nichts, denn als Shana hilflos die Hand ausstreckte zertrümmerte Ivette auch seine linke Hand.
Er fluchte laut. Warum ausgerechnet die linke Hand? Er war Linkshänder, verdammt!
„Nein!“, schrie Shana wieder und stürzte sich nun auf den anderen weiblichen Erzengel. Nun stieß Alec doch ein lautes Brüllen an. Aber nicht vor Schmerz, sondern vor Wut. Und Verzweiflung.
„Shana!“, brüllte er.
Dann spritzte Blut...

„Was? Shana auch?“
Zarinas geschockter Gesichtsausdruck ließ Daryl seufzen. Troy räusperte sich.
„Wir glauben, dass...zwischen Shana und Alec was läuft.“, sagte er leise.
Daryl und Zarina tauschten einen Blick aus.
„Du machst Witze.“, hauchte Zarina und schüttelte irritiert den Kopf. „Jemand wie Shana würde nie etwas mit einem...niederen Engel anfangen.“, erklärte sie hastig.
„Darf ich fragen wie ihr darauf kommt?“, fügte sie hinzu.
Ein leichter Rotschimmer legte sich auf Troys Wangen. Er schien dies zu wissen, denn er wandte den Blick ab.
„Wir wissen es einfach.“, brummte er.
Daryl grinste.
„Ihr könnt es spüren, hab ich recht?“
Der Vampir hatte recht, denn das Rot in des Erzengels Gesicht wurde intensiver. Zarina schüttelte den Kopf.
„Ist ja jetzt egal. Shana ist also mit, weil ihr Alec am Herzen liegt. Das ändert aber nichts daran, dass ich mir Sorgen mache. Warum bist du eigentlich hier geblieben?“
Troy seufzte, das Rot aus seinem Gesicht verschwand, er wurde blasser.
„Mach dir keine Gedanken. Shana ist mindestens genauso stark wie Ivette, sonst wäre sie kein Erzengel. Und ich bin hier, um auf euch zwei aufzupassen.“, antwortete er.
Zarina wollte protestieren, doch Dary legte ihr die Hand auf die Schulter und drückte sanft zu.
„Du darfst Anatol nicht vergessen, Süße!“
Für einen kurzen Moment starrte Zarina Daryl einfach nur an, dann trübte sich ihr Blick. Ihre Augen richteten sich auf Troy.
„Angenommen er würde hier auftauchen...“, begann sie leise. Obwohl sich die Angst in ihren Augen widerspiegelte, hätte sie selbstbewusster nicht klingen können.
„...würdest du dich in einem Kampf auf den Beinen halten können?“
Troy und schwieg und auch dem Vampir wurde nun unbehaglich zumute.
„Es gab bereits einige Kämpfe unter den Erzenegeln, allerdings ging es dabei meistens um belanglose Dinge und nie um Leben und Tod.“, sagte Troy dann und fuhr sich mit der Hand über die kurzrasierten Haare.
„Noch nie gab es einen Kampf zwischen Anatol und einem anderen Erzengel, deswegen kann ich nicht sagen ob...ich eine Chance gegen ihn hätte.“
Daryl schnaubte.
„Du sollst ihr keine Angst einjagen, sondern sie beruhigen, du Idiot!“, knurrte der Vampir, worauf auch der Erzengel ein Schnauben ausstieß. Noch nie hatte man ihn einen Iioten genannt.
„Du müsstest eigentlich wissen, dass deine Frau stark ist. Sie verträgt die Wahrheit. Sie braucht sie sogar!“, erwiderte er.
Zarina schaute aufmerksam zwischen den beiden hin und her. Es wirkte wie ein...Konkurrenzkampf. Sie seufzte und lächelte dann schwach.
„Natürlich will ich die Wahrheit. Aber ein wenig Trost wäre auch nicht schlecht.“, sagte sie leise.
Sofort legte Daryl einen Arm um sie. Er zog sie an sich und beugte sich hinab, um ihre Stirn zu küssen.
„Mach dir keine Gedanken, hörst du? Er wird nicht hier auftauchen!“, flüsterte er.
Troys Augen verengten sich.
„Du solltest keine falschen Hoffnungen in ihr wecken.“, sagte er leise.
Noch ehe die beiden reagieren konnten war er schon verschwunden.

-SECHZEHN-



Ein Schrei. Blut. Massenhaft Blut.
Sie wussten nicht, wie sie es gemacht hatte, doch sie alle konnten sich keinen Millimeter rühren.
In diesem Kampf gab es nur die beiden.
Zwei Frauen. Die eine kämpfte aus Liebe, die andere aus Hass. Egal was passiert wäre, sie hätten weiter gekämpft. So lange, bis einer tot war.
Das Feuer traf Shana im Bauch. Sie schrie auf, sank auf die Knie und presste sich die Hand auf die klaffende Wunde, die immer größer zu werden schien. Ein ohrenbetäubendes Brüllen ging durch den Saal und ließ alle erschaudern. Das fürchterliche Geräusch hatte Alecs Mund verlassen.
Das, was er mit ansehen musste bereitete ihm so viele Schmerzen, wie der verletzten Frau die Wunde. Tränen liefen dem Mann über die Wangen. In seinem ganzen Dasein als Engel hatte er nicht einmal Tränen vergossen, doch scheinbar gab es für alles ein erstes Mal.
Da trafen sich ihre Blicke. Panik war in ihren Augen zu erkennen, ebenso Wut, Hass und sogar Liebe! Alec brüllte erneut, worauf auch Shana Tränen in die Augen stiegen. Es sah so aus, als würde sie dem Burschen wirklich etwas bedeuten.
Das beruht auf Gegenseitigkeit...

, flüsterte eine Stimme tief in ihr. Ihre blau-grauen Augen schlossen sich. Sie war doch gar nicht bereit für den Tod! Sie wollte leben. Ihn wenigstens nur einmal berührt haben, ehe sie starb. Sollte dieser Wunsch unerfüllt bleiben?
Ivette hatte zwar ebenfalls einige schwerwiegende Verletzungen, jedoch schienen ihr die nicht das Geringste auszumachen. Ein Schwert aus Feuer loderte in ihrer Hand und hob sich empor.
Sie würde ihr den Kopf abschlagen und niemand würde sie daran hindern können. Ivettes Arm ging immer weiter in die Höhe und hielt nicht ein einziges mal inne. Dann schoss die flammende Klinge nieder.
Erst ein Rasseln, dann ein Klirren und zuletzt ein Brüllen. Ivette schrie auf, einige Male knirschte es und Blut spritzte. Noch ein Schreien, dieses mal von ihm. Shana begann zu schluchzen, schlug sich die Hände vor den Mund und musste mit ansehen, wie sich der sonst so liebevolle und zurückhaltende Engel in eine grausame Bestie verwandelte. Er hätte auch ein Dämon sein können, wäre da nicht die Tatsache, dass er einzig und allein aus Liebe handelte...
„Du mieses Stück hast sowohl Zarina, als auch mich verletzt! Und du hast den Tod meiner Frau geradzu in die Arme gestoßen! Du bist nichts als ein mieses, dreckiges und hinterhältiges...“
Seine Stimme brach weg, doch sie alle verstanden ihn sowieso kaum, da seine Stimme von Ivettes Schreien und Shanas Schluchzen übertönt wurde.
Alec umfasste Ivettes Gesicht mit beiden Händen, aber keinesfalls zärtlich...
„Du hast das Leben nicht verdient!“, knurrte er.
Er ließ ihr keine Zeit um zu antworten, geschweige denn zu handeln.
Das Reißen von Haut ertönte, dann das Knirschen von Sehnen und Muskeln und schließlich das leise Knacken und Brechen von Knochen. Ein schriller Schrei schmerzte in den Ohren aller Anwesenden. Doch kaum waren auch die letzten Sehnen gerissen, verstummte der Schrei abrupt. Dennoch hallte er in den Gehörgängen aller wider. Keuchend hielt Alec ihren Kopf in den Händen. Das sollte es gewesen sein? Endlos quälende Minuten lang hatte Shana versucht diese Frau zu töten und dann kam Alec und enthauptete sie mal eben so? War das wirklich möglich? Oder träumte Shana bloß? Nein, sie konnte nicht träumen, denn Alec warf den Kopf beiseite und ging zu ihr, um sie dann in die Arme zu ziehen. Mit blutigen Händen umfasste er ihr Gesicht, um sie noch näher an sich zu bringen und somit küssen zu können.
Mit Ivettes Tod war der Zauber, der auf den Erzengeln gelegen hatte zwar gebrochen, dennoch konnte sich keiner bewegen. Zu überwältigend war der Anblick der sich ihnen bot. Endlos lange starrten sie Ivettes Leiche an, die langsam aber sich begann zu zerfallen. Dann richteten sich ihre Blicke auf Alec. Ausgerechnet ein niederer Engel wie er sollte eine mächtige Frau wie Ivette getötet haben? Hätten sie es nicht mit eigenen Augen gesehen, hätten sie es für unmöglich gehalten.
Shana seufzte leise. Sie hätte ihn gerne leidenschaftlich geküsst, doch dazu fehlte ihr die Kraft. Doch Alec schien ihren Wunsch zu kennen, denn er wurde drängender.
„Hat die Heilung schon begonnen?“, flüsterte er, als sich ihre Lippen voneinander lösten.
„Nein.“, hauchte sie atemlos.
Sofort war er wieder der fürsorgliche Mann, der er eigentlich war.
„Wir müssen die Wunde versorgen, sofort.“, murmelte er und schob die Hände unter ihren Körper, um sie hochzuheben.
„Du hast sie wirklich getötet!“, flüsterte sie, als ihr Blick für einen kurzen Moment wieder auf die Frauenleiche fiel.
„Ich würde mich selbst umbringen, um dich zu retten.“, sagte er leise, ohne sie anzusehen. Er trug sie zu den anderen Erzengel.
„Einer von euch muss sie heilen.“, sagte er laut.
Die Erzengel tauschten Blicke aus, kamen dieser Bitte oder diesem Befehl, je nachdem wie man es betrachtete, ohne zu zögern nach.

-SIEBZEHN-



Ohne Erbarmen drang er kraftvoll in sie ein. Für ein Vorspiel hatte er keine Nerven. Fast vierundzwanzig Stunden lang hatte er sie nicht gesehen, weil Troy meinte, mit ihm über ihr Wohlergehen zu streiten. Zarina schrie auf. Sie merkte sofort, dass etwas nicht stimmte.
„Warte, warte, warte!“, rief sie als er anfangen wollte, sich in ihr zu bewegen. Er hielt still und neigte irritiert den Kopf.
„Was ist los?“, fragte sie leise.
Seine Augen verengten sich. Konnte sie seine innere Unruhe wirklich spüren? Langsam zog er sein Glied aus ihr heraus. Sie stieß ein enttäuschtes Seufzen aus, sagte aber nichts.
„Troy und ich hatten Stress...“, sagte er leise und rollte sich auf die Seite. Dann zog er sie an sich.
„Warum?“, wollte sie wissen.
„Immer noch das alte Thema.“, raunte er ihr ins Ohr.
Seine Augen schlossen sich. Vielleicht würde ein bisschen Schlaf ja helfen?
„Mach dir keine Gedanken, mein Großer. Troy weiß, dass egal was du tust, es gut für mich ist. Ich glaube er kommt nur nicht damit klar, dass ausgerechnet ein Vampir sich um mein Wohlergehen sorgt.“, hauchte sie und streichelte mit ihren Fingern seine Brust. Nach und nach ging sein Atem ruhiger und flacher. Er war kurz davor einzuschlafen, Zarina wusste das. Langsam glitt ihre Hand tiefer. Daryls Mundwinkel zuckten, doch er versuchte ernst zu bleiben. Leider klappte das nicht so wie es wollte. Spätestens als sie ihn mit seiner Hand umfasste, konnte er seine Begierde nicht mehr unterdrücken. Er stöhnte laut. Sofort waren seine Augen wieder offen.
„Zarina!“, keuchte er.
Sie lachte und beugte sich vor, um ihn zu küssen.
„Das klang nicht so, wie ich es mir erhofft hatte.“, murmelte sie plötzlich.
Daryl seufzte. Diese Frau hinters Licht zu führen würde niemals funktionieren. Er legte die Arme um sie.
„Ich wollte mich nur ablenken.“, nuschelte er in ihr Haar.
Eigentlich wäre Zarina ebenfalls für Ablenkung gewesen, doch nicht in diesem Falle.
„Möchtest du darüber reden?“, fragte sie leise. Eigentlich gefiel ihm diese Idee nicht...
„Warum trauen die Engel den Vampiren nicht?“, fragte er.
Seine Stimmung hatte sich schon vor Stunden getrübt, nun war sie entgültig im Keller. Zarina zuckte mit den Schultern, sofern das in seinen Armen möglich war.
„Ich kann nur vermuten.“, begann sie. „Mindestens achtzig Prozent aller Vampire sind Unruhestifter. Sie bereiten den Engeln oft Probleme und stehen ihnen im Weg, wodurch sie ihre Arbeit nicht korrekt ausführen können. Vielleicht sind es auch andere Gründe, wer weiß. Wir wissen ja inzwischen nur zu gut, dass die Engel vieles verschweigen.“
Daryls Arme drückten sie fest an seine Brust.
„Die Engel sind nicht so gut, wie du immer geglaubt hast, nicht wahr?“, sagte er und küsste sie aufs Haar. Sie bestätigte.
„Fast mein gesamtes Leben lang war ich im Glauben, wir Engel seien die friedlichsten und gutmütigsten Geschöpfe des Universums...Und in Wirklichkeit sind wir auch nicht besser als die Geschöpfe und Ausgeburten der Hölle.“
Daryl sah die Tränen, die in ihren Augen glitzerten.
„Shht.“
Er drückte sie.
„Nicht alle Engel sind so und das weißt du! Alec ist auf deiner Seite und auch Troy hat seine Taten bereut und steht nun auf der guten Seite. Und die anderen Erzengel scheinen wir auch überzeugt zu haben.“
Zarina schwieg. Dann seufzte sie und setzte sich auf.
„Gehen wir spazieren? Mein Kopf droht aufgrund von Überfüllung zu platzen.“
Daryl lächelte. Typisch Zarina.

Hand in Hand schlenderten sie über die Wiese, beide mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt. Zarina schielte unauffällig zu Daryl herüber, der mit nachdenklichem Blick in die Ferne starrte.
Woran er wohl denkt?

, fragte sie sich und wandte den Blick wieder ab. Die ganze Zeit über musste sie an Alec denken, der in diesem Moment höchstwahrscheinlich Qualen erleiden musste. Zarina hätte es ein wenig beruhigt wenn sie genau gewusst hätte, was in diesem Moment mit ihm passierte, doch die Erzengel hatten sich vor ihrer Abreise strickt geweigert, noch ein weiteres Artefakt mit im Spiel einzubeziehen. Ihre Augen trübten sich. Sie konnte, oder besser gesagt wollte nicht glauben, dass auch Ivette ein Artefakt in ihrem Besitz hatte. Zarina spürte bereits die Tränen in den Augen, doch sie schaffte es sie wegzublinzeln. Warum konnten Ivette und sie keine Freundinnen mehr sein? Sie waren damals wie Schwestern gewesen. Zarina hatte sie immer als ältere Schwester angesehen, denn sie hatte sie beschützt, auf sie aufgepasst und sich, so wie Noel, um sie gekümmert. Sie waren ein Herz und eine Seele, wollten immer Freunde bleiben und hatten sich sogar die Treue geschworen! Sollte all das etwa nur eine schöne und zugleich traurige Erinnerung bleiben? Sie senkte den Blick und starrte auf ihre Füße.
Der Stab steckte noch immer in ihrem Stiefel. Ihre Augen schlossen sich für einen kurzen Moment. Wie oft hatte man sie nun schon betrogen und hintergangen? Sie sah gen Himmel. Ja, den gab es auch im Himmelsreich! Ob ihre Eltern wohl irgendwo, in irgendeiner Form wohl noch existierten? Daryl kickte einen Kieselstein weg. Er spürte ununterbrochen Troys Blick auf ihnen ruhen. Er konnte sich wohl einfach nicht damit abfinden, dass die Gefallene neben ihm einen Vampir liebte. Seine Augen wurden dunkler. Natürlich gefiel ihm das nicht! Erstens hatte ein Vampir Zarinas Eltern getötet. Zweitens brachten sie meisten Vampire nur Ärger. Und drittens stammten Vampire von Dämonen ab, was wohl der Hauptgrund für ihr Misstrauen war.
Doch Troy müsste inzwischen eigentlich wissen, dass er Zarina nie hintergehen würde! Klar, auch er hatte viel Scheiße gebaut, hauptsächlich unzählige Menschen getötet doch nie, niemals in seiner Existenz würde er Zarina verletzen! Schon als Kind hatte er sie gemocht. Sie hatte ihn nie alleine gelassen. Man hatte die beiden nie trennen können, immer waren die beiden zusammen gewesen. Unzählige male hatte sie sich an ihn gekuschelt, ihn auf die Wange geküsst und sich an ihn geschmiegt, wenn es Zeit zum Schlafen war. Ihm gelang ein Lächeln. Sie war ein fröhliches und aufgewecktes Mädchen und so unglaublich gehorsam gewesen!
Daryl hatte als zweitältester Sohn in der Familie nie etwas zu sagen gehabt, dennoch hatte ihm die Kleine ohne zu zögern gehorcht, sie hatte ihm bedingungslos vertraut!
Das Lächeln erstarb. Es machte ihn traurig und vor allem wütend, dass sie dieses Mädchen...diese Frau gebrochen hatten! Daryl hätte sie alle töten sollen...Doch auch er war nicht ganz unschuldig. Er hatte sie schließlich verurteilt. Sie war die Mörderin seiner Familie. Wäre er auf Rache aus gewesen, hätte er auch ihre Familie getötet. Sofern das möglich gewesen wäre.
Doch schon nach einigen Sekunden schämte er sich für seine Gedanken. Er bemerkte wie sie ihn aus den Augenwinkeln heraus musterte, tat aber so, als würde er es nicht merken. Als sie ihren Blick wieder abgewandt hatte, lächelte er schwach.
Sie wäre für immer sein!

„Nicht anfassen!“
Warnend streckte er die Hand aus, doch das hielt sie nicht auf. Ihre Neugier siegte.
„Was ist das für eine Pflanze?“, fragte sie und strich über die grünen, irgendwie pelzigen Blätter.
„Das, meine kleine Prinzessin sind Brennesseln.“, sagte er seufzend.
Ihr Mund öffnete sich bereits zu der Frage, warum diese Pflanze solch einen Namen trug, da fing es an. Der brennende Schmerz verteilte sich über ihre gesamten Finger und ließ sie vor Schreck aufschreien.
„Aua!“
„Daher hat sie ihren Namen.“, erklärte er.
Sie schüttelte ihre Hand. Er konnte nicht anders, er musste bei ihrem Anblick einfach lachen. Das Mädchen fand das Ganze allerdings nicht so lustig.
„Hör auf zu lachen!“, schimpfte sie. Das ließ den Vampir allerdings nur noch lauter lachen.
„Zeig her.“, sagte er, nun ernst und hielt ihr die Hand hin, damit sie ihre in seine legte.
Ohne zu zögern gehorchte sie. Mit großen Augen starrte sie ihn an. Was hatte er vor?
Langsam schob er sich ihren Zeigefinger in den Mund. Ihre Augen wurden immer größer. Einen Finger nach dem anderen leckte er ab und Zarina musste feststellen, dass es dieses fürchterliche Brennen und Jucken linderte.
„Besser?“, hauchte er und küsste ihren Handrücken, ehe er ihre Hand sinken ließ. Sie nickte.
Sprachlos.



„Daryl? Daryl!“
Als sich eine warme Hand an seine Wange legte, zuckte er zusammen. Er blinzelte und starrte Zarina verwirrt an.
„Was ist los?“, fragte sie besorgt.
Nun schrak sie zurück, denn er fing lauthals an zu lachen. Als er ihre Augen Augen sah, lachte er lauter.
„Erinnerst du dich an deine kleine Entdeckungstour im Garten damals?“, sagte er lachend.
Fragend neigte sie den Kopf.
„Deine Begegnung mit der Brennessel.“, erinnerte er sie.
Im ersten Augenblick schien sie noch immer nicht zu wissen was er meinte, doch dann zog sich ein roter Schleier über ihr Gesicht. Rasch wandte sie ihren Blick ab und drehte den Kopf zur Seite, sodass er es nicht sah.
„Wusstest du, was genau du da eigentlich gemacht hast?“, murmelte sie. Unsicher kaute sie auf ihrer Lippe. Daryl grinste.
„Ich habe mir viel von meinen Eltern abgeguckt. Mir war bewusst was ich da tat aber...wir waren Kinder. Und unter Kindern haben solche Gesten keinerlei Bedeutung.“
Nachdem er verstummt war nahm er ihre Hand, um diese dann zu küssen. Nun fing sie an zu lachen.
„Soll ich dir ein Geheimnis verraten?“, hauchte sie dann und sah mit einem strahlenden Lächeln zu ihm auf. Er zog die Brauen hoch, sie lehnte sich an ihn und legte ihm die Hände auf die Brust.
„Ich war zwar verwirrt über das, was ich gefühlt habe aber ich wäre...sehr gerne darauf eingegangen!“
Das überraschte Daryl dann doch.
„Meinst du das ernst?“, hakte er nach und schob sie ein Stück zurück, um sie ansehen zu können.
Sie nickte und ihr Lächeln schien ihn zu einem Kuss verführen zu wollen.
„Es ist ein Jammer das Kinder keine Ahnung von Gefühlen haben.“, flüsterte sie.
Er schluckte und gab schließlich nach. Er beugte sich hinab, seine Lippen streiften ihre und hinterließen eine Hitze, die sich rasend schnell wie flüssige Lava in ihrem Körper verteilte.
Sie seufzte, hielt diese Zurückhaltung nicht aus und verkrallte sich deshalb in seinem Haar, um ihm noch näher zu sein. Aus einer sanften Berührung wurde ein Sturm purer Leidenschaft.
Genau in diesem Moment jagte ihnen eine mächtige Energie die in er Luft prickelte einen Schauer über den Rücken. Sie erschraken so sehr, dass sie sich augenblicklich trennten. Und dann sahen sie sie.

-ACHTZEHN-



Sie hatte Schmerzen. Unglaubliche Schmerzen, dennoch lächelte sie. Sie war glücklich! Warum?
Weil Alec sie in den Armen hielt, Richtung Zuhause trug und sie liebte. Leise, zufrieden seufzend ließ sie ihren Kopf gegen seine Brust fallen. Sie hörte seinen Herzschlag, er ging schnell. So schnell das sie glaubte, sein Herz würde gleich explodieren! Sein Atem war jedoch ruhig und gleichmäßig.
Sie schloss die Augen und ließ sich von seinem atemberaubenden Duft berauschen. Er roch nach Meer. Salzig und frisch. Sie hörte den Kies unter seinen Füßen knirschen und wusste sofort, dass sie nun Zuhause waren. Sofort öffente sie ihre Augen wieder. Wie zu erwarten hatte sich in der Zeit, in der sie weg gewesen waren nichts verändert. Das Gras war noch immer saftig grün, der Himmel blau und wolkenlos und die Luft vom Geruch der vielen Blumen durchtränkt.
Das Lächeln auf ihren Lippen wurde breiter. Von nun an würde sie diese Pracht mit ihre Geliebten genießen. Und nichts würde sie davon abbringen!
Zwei Gestalten in der Ferne fielen in ihr Blickfeld. Sie konnte nicht erkennen wer es war, doch sie wusste das es sich um einen Mann und eine Frau handeln musste. Nachdem Alec, und die Erzengel hinter ihm, einige weitere Schritte gegangen waren, drehten sich diese Personen plötzlich in ihre Richtung. Nach einigen Sekunden rannten diese Personen auf sie zu. Shana erkannte, dass es sich bei den beiden um Daryl und Zarina handelte, die sowohl erleichtert als auch ein wenig panisch aussahen.
„Alec!“, rief Zarina.
Shana legte den Kopf in den Nacken um Alec ansehen zu können und sah, dass er stur geradeaus blickte. Sie konnte seine Erschöpfung spüren und richtete ihren Blick deshalb wieder auf die Frau, die immer näher kam.
Kommt bitte später zu uns! Alec ist erschöpft und hat viele schwerwiegende Wunden erlitten. Sie sind zwar verheilt aber...Meinetwegen sprecht mit den anderen aber ich bitte dich, gib uns beiden Zeit, ja?


Zarina blieb stehen und blinzelte perplex als sie Shanas Stimme in ihrem Kopf hörte.
Sofort griff sie nach Daryls Arm, um ihn ebenfalls dazu zu bringen stehenzubleiben. Natürlich sah er sie sofort besorgt an, aus Angst es könne ihr auf einmal schlecht gehen. Die beiden tuschelten kurz miteinander, dann, als Alec mit Shana im Arm an ihnen vorbei ging, senkten sie den Blick. Ob aus Mitleid oder Trauer konnte keiner sagen. Shana spürte jedoch ihre Blicke, als sie sich entfernten.
„Wir müssen reden.“, flüsterte Shana und sah wieder zu Alec auf.

Von Trauer und Mitleid überwältigt sahen Darly und Zarina den beiden nach. Man konnte Alec seine Erschöpfung ansehen, Shana hatte allerdings auch nicht besser ausgesehen. Zarina würde Shanas Bitte natürlich akzeptieren und die beiden einige Tage in Ruhe lassen. Sie würden so oder so alles von den Erzengeln erfahren. Nachdem die beiden aus ihrem Blickfeld verschwunden waren wandten sie sich den Erzengeln zu, die nun vor ihnen zum Stehen gekommen waren.
„Was ist passiert? Geht es euch gut? Habt ihr es geschafft?“, hauchte Zarina.
Die Chance, dass Ivette tot war lag bei fünfzig Prozent.
Malachys dunkle Augenringe bewiesen, dass es mehr als nur ein harter Kampf gewesen war. Dabei hatte er im eigentlichen Kampf nur an der Seite gestanden...
„Immer mit der Ruhe...Kommt heute Abend zum Konferenzsaal, dort werden wir euch alles erzählen.“
Dann setzten sich die Männer auch schon wieder in Bewegung. Fassungslos sah Zarina ihnen nach.
Plötzlich legte den Daryl den Arm um sie und drückte sie an sich. Ein Lächeln hatte sich auf seine Lippen gelegt.
„Sie haben es geschafft!“, flüsterte er und sah sie dann an.
Ihre Augen weiteten sich, er lachte leise.
„Malachy hat es mir gesagt.“, hauchte er ihr ins Ohr.
Das zauberte auch ihr ein Lächeln ins Gesicht.

Nachdem Alec die Frau auf dem Bett abgesetzt hatte, starrte er sie mit unergründbarem Blick an.
Sie zog bereits die Schultern ein. Aus Angst?
„Was?“, hauchte sie mit ihrer brüchigen Stimme. Trotz diesem Kratzen in ihrem Hals klang ihre Stimme wie der süßeste Honig. Alec atmete tief durch, um sich noch einmal ins Gedächtnis zu rufen wie sehr sie auch nach Honig geschmeckt hatte!
„Du wolltest mit mir reden.“, antwortete er mit seiner rauchigen Stimme.
Sie unterdrückte ein Stöhnen. Wie sehr sie den Klang seiner Stimme doch liebte! Sie liebte ihn so sehr, wie seinen Geschmack, wie das Funkeln seiner Augen oder besser gesagt: Sie liebte diesen Klang so sehr, wie alles andere an ihm auch! Sie war unfähig zu antworten.
„Worüber?“, hakte er nach. Ein fordernder Ausdruck trat in seine Augen.
„Über uns.“, flüsterte sie.
Zorn durchströmte den Mann. Er ahnte bereits was sie sagen wollte. Er hatte es gewusst! Ein Erzengel würde niemals etwas mit einem niederen Engel wie ihm anfangen! Natürlich nicht, er war schließlich nur ein Botenengel, nichts weiter. Niemals würde er an eine Frau wie Shana herankommen. Er unterdrückte das Knurren, das in seiner Kehle aufstieg. Wenn sie ihn nicht wollte, hätte sie ihn nicht so nah an sich heran lassen sollen! Sie quälte ihn damit nur.
„Ich höre.“, brummte er.
Shana war verunsichert. Sie merkte das er versuchte neutral zu klingen, doch der wütende Unterton in seiner Stimme war nicht zu überhören. Hatte sie etwas falsch gemacht? Wenn ja, was?
„Die Beziehung zwischen uns...“, hauchte sie. Sie geriet ins Stocken. Wie sollte sie das nur fomulieren, ohne von Scham überrant zu werden?
Seine Augen verengten sich und seine Zähne kamen zum Vorschein. Warum, warum nur war er so wütend? Shana erinnerte sich an Zarinas Selbstbewusstsein und die Offensive die sie ständig an den Tag legte und beschloss, sich daran ein Beispiel zu nehmen.
„Die Beziehung zwischen uns, ist mir nicht genug!“, sagte sie mit fester Stimme.
Sie setzte sich aufrecht hin, streckte die Brust raus und hob das Kinn. Daryl riss die Augen auf. Mit allem hatte er gerechnet. Aber damit? Niemals! Er konnte sich nicht bewegen und erst recht nichts darauf erwidern. Shana holte tief Luft, rief sich noch einmal Zarinas aufbrausenden Charakter ins Gedächtnis und erhob sich, wenn auch auf wackeligen Beinen.
„Ich will nicht so tun, als wäre nichts zwischen uns! Ich will meine Zuneigung dir gegenüber so zeigen, wie Zarina es Daryl zeigt!“
„Shana, ich...“
Sie ließ Alec gar nicht erst zu Wort kommen und ging auf ihn zu. Grob packte sie ihn am Kragen, um ihn an sich heran zu bringen.
„Ich will, dass du mir gehörst!“
Ihr heißer Atem traf ihn im Gesicht und ließ ihn erschaudern. Alec stieß ein Knurren aus, fasste sie im Genick und presste seine Lippen auf ihre.

Zarina lächelte.
„Wenn das so ist hoffe ich, dass zwischen den beiden alles gut geht.“
Daryl neigte den Kopf. Nach all dem was Malachy und die anderen ihnen erzählt hatten verstand er den Sinn ihrer Worte nicht. Das Lächeln auf den Lippen der Frau verschwand.
„Die Bindung zwischen einem Erzengel und einem untergeordneten Engel ist ebenso verboten wie die Bindung zwischen einem Engel und einem Vampir.“
Sie betonte das Wort „verboten“ und Daryl verstand.
„Verboten aber machbar.“, sagte er und grinste. Zarina nickte kurz und lächelte wieder. Ihr Blick richtete sich wieder auf Malachy und die anderen.
„Noch einmal vielen Dank für eure Hilfe! Ihr glaubt ja gar nicht wie viel mir das bedeutet. Sagt, war es wirklich Alec, der...“
Sie beendete ihren Satz nicht. Absichtlich.
Seth nickte.
„Wir können es selbst kaum glauben, aber ja. Scheinbar waren seine Gefühle Schuld an seinem...Kontrollverlust. Erst nachdem Ivette Shana schwer verletzt hatte, war Alec in der Lage sich aus seiner Zelle zu befreien.“
Zarina schwieg. Sie wusste nicht so recht was sie von dieser Geschichte halten sollte. Das Alec nun zu Shana gefunden hatte, naja, glaubte sie zumindest, war ja schön und erfreute auch sie aber die Tatsache das er einfach so, in seiner Wut ein Chaos anrichten konnte wenn er wollte, war ihr nicht geheuer.
„Nun gut...Ivette wäre dann Geschichte. Bleibt noch Anatol.“, murmelte Daryl, mit einem kurzen Blick auf Zarina. Auch wenn sie es sich nicht anmerken ließ, der Verlust ihrer ehemaligen besten Freundin traf sie wirklich! Unauffällig, und zwar unter dem Tisch, ergriff er ihre Hand, die er dann sanft drückte. Sie erwiderte den Druck kurz, sah ihn aber nicht an. Wenn sie jetzt in seine Augen sah, würde sie anfangen zu weinen. Bei ihm konnte sie einfach nicht anders, sie musste ihren Gefühlen freien Lauf lassen.
Mit der freien Hand zog die das Artefakt aus ihrem Stiefel.
„Wir sollten dieses Ding testen. Nachdem wir nun wissen wie mächtig die Traumkugel ist, bezweifle ich, dass es eine gute Idee war auf dieses Ding hier zu bestehen.“, murmelte sie und legte den Stab auf den Tisch. Malachy seufzte und legte die Traumkugel direkt daneben ab.
„Alle Artefakte sind weder gut noch böse, sondern neutral. Sie stammen alle aus der selben Quelle. Ob ein Artefakt gut oder böse ist, entscheidet der Besitzer. Genau genommen richtet die Traumkugel nicht unbedingt immer Schaden an. Sie könnte auch dabei helfen Probleme anderer zu lösen. Bei dem Stab allerdings...habe auch ich so meine Zweifel. Vielleicht hast du recht, Zarina und wir sollten das Artefakt wirklich erst einmal testen.“
Ein gefährliches Funkeln trat in Zarinas grüne Augen. Sie neigte den Kopf und entblößte somit ihre Kehle. In diesem Moment bemerkte Daryl seinen Hunger. Ihm fiel ein, dass er schon eine längere Zeit kein Blut mehr zu sich genommen hatte. Er wollte seinen Blick von ihr abwenden, doch es funktionierte nicht, er sah bereits das Blut in ihren Adern pochen. Sie schien nicht einmal zu bemerken was sie für eine Reaktion bei ihm auslöste. Seine Fänge schossen hervor, doch er hielt den Mund fest geschlossen. Es wäre besser, wenn niemand etwas hiervon mitbekam.
„Und wie genau?“, fragte sie und verschränkte die Arme.
Durch diese Geste drückte sie ihren Busen weiter nach oben, was Daryl schlucken ließ. Zum Teufel, sie hatte wirklich keine Ahnung was sie da tat! Es stahl sich tatsächlich ein Lächeln auf Malachys Lippen!
„In den Gefängniszellen sitzen einige Verbrecher. Sie haben Informationen, bis jetzt ist es uns allerdings nicht gelungen, ihnen diese zu entlocken. Vielleicht kann uns das Artefakt ja Abhilfe verschaffen?“, sagte er tonlos. Zarina lachte und legte den Kopf dabei ein Stück in den Nacken.
„Sieh an, auch du verspürst also das Bedürfnis mal böse zu sein.“, sagte sie, worauf jegliche Geräusche verstummten. Es war, als würde jeder hier die Luft anhalten. Jeder hier wusste, dass sie damit recht hatte.
„Auch wir haben Pflichten zu erfüllen.“, sagte Malachy nun wieder seltsam monoton. Fast schon so, als fühlte er sich ertappt. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht neigte Zarina erneut den Kopf.
Das war zu viel. Zu spät bemerkte Zarina Daryls bebenden Körper, der sich nun regte.
Er packte sie im Genick, riss ihren Kopf zurück und schlug ihr auch schon seine Zähne ins Fleisch.
Erschrocken riss sie die Augen auf. Nachdem sie begriffen hatte was gerade geschehen war, legte sie die Arme um ihn.
„Warum sagst du denn nichts?“, murmelte sie und schloss die Augen.
Auch wenn er sie so überfallen hatte, sie genoss es wenn er von ihr trank. Jedes mal aufs neue.
Auch die Erzengel hatten sich erschrocken und waren aufgesprungen. Sie befürchteten schon der Vampir würde nun die Kontrolle verlieren. Doch außer das er von ihr trank, passierte nichts. Langsam, dennoch wachsam ließen sie sich wieder auf ihre Plätze sinken.
Zarina begriff, dass Daryl schon lange kein Blut mehr zu sich genommen hatte, weshalb sie ihm die Zeit gab sich zu sättigen. Nach einigen Minuten ließ er von ihr ab.
Es schämte sich für sein unkonrolliertes Verhalten und wagte es nicht ihr in die Augen zu sehen. Er drehte den Kopf zur Seite. Zarina lächelte und hob sein Gesicht an. Ihr Griff war zwar nicht feste, gab ihm jedoch keine Chance sich darauf zu befreien.
„Besser?“, hauchte sie.
Er nickte, sie küsste ihn, trotz des Blutes das aus seinem Mundwinkel lief.
„Sag nächstes mal Bescheid, hast du verstanden?“, sagte sie leise und sah ihm wieder eindringlich in die Augen. Ein Schmunzeln konnte sie allerdings nicht verhindern.
„Ich habe es nicht bemerkt. Erst als du...den Kopf in den Nacken gelegt hast.“, erwiderte er und wich ihrem Blick erneut aus. Nun konnte sie ein Lachen nicht verhindern, was die Erzengel nur noch mehr verwirrte.
„Na, dann muss ich mich wohl entschuldigen!“
Malachy räusperte sich.
„Ich unterbreche eure Zweisamkeit nur ungerne aber könnten wir dann fortfahren?“
Zarina hustete leise.
„Natürlich.“, sagte sie und erhob sich. „Wir können meinetwegen gleich mit dem...Test anfangen.“
Seth seufzte. Das sie es so eilig hatte gefiel ihm nicht. Auch alle anderen erhoben sich.
Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zu den Gefängniszellen.

-NEUNZEHN-



„C-Christos?“
Zarina starrte den Mann an, der vor ihr auf dem Boden hockte. Angekettet an einer Steinwand.
„Du kennst ihn?“, fragte Malachy ernsthaft überrascht und sah zwischen den beiden kurz hin und her. Daryl verlagerte sein Gewicht aufs rechte Bein.
„Einer ihrer Stammgäste in ihrer Bar.“, sagte er kurz angebunden.
„Christos, was machst du hier?“, fragte Zarina ein wenig schockiert und ging in die Hocke, um mit ihm auf Augenhöhe zu sein. Er spuckte aus und warf den Erzengeln einen giftigen Blick zu.
„Frag doch mal deine Freunde!“, fauchte er.
Zarina starrte Malachy an.
„Was hat er hier zu suchen?“, zischte sie und richtete sich wieder auf.
„Wie ich bereits sagte sind die meisten hier im Besitz von wertvollen Informationen.“, sagte Malachy und wandte sich ab.
„Mach mit ihm was du willst, ich habe keine Lust meine Zeit hier zu verschwenden.“
Dann war er verschwunden, ebenso wie alle anderen Erzengel.
„Er war doch eben noch ganz scharf darauf das Artefakt zu testen, also warum haut er jetzt ab?“, fragte Zarina bissig.
„Irgendetwas stimmt nicht.“, murmelte Daryl und schüttelte dann den Kopf. „Egal. Darüber machen wir uns später Gedanken.“
„Du hast recht.“, erwiderte Zarina und sah wieder Christos an. „Weißt du irgendetwas, was eine wichtige Rolle spielen könnte?“, fragte sie und ging wieder in die Hocke.
„Hol mich hier raus!“, brummte die Insasse jedoch nur.
Die Frau seufzte.
„Geht nicht. Ich bin eine Gefallene und Gefallene sind nicht in der Lage Entscheidungen zu treffen.“, sagte sie und richtete sich wieder auf.
„Hör zu, ich will wissen warum du hier bist und was du alles weißt, ohne dir weh zu tun. Als raus damit, ehe ich zu schmerzhaften Maßnahmen greifen muss!“
Der Mann schwieg und wandte seinen Blick von ihr ab.
„Ich will den Stab nicht an ihm ausprobieren.“, murmelte sie und sah ihren Verlobten an. Dieser ergriff ohne zu zögern die Initiative und ergriff das Artefakt. Er wedelte damit ein wenig herum, dann richtete er ihn auf den Mann auf dem Boden. Daryl spürte das Kribbeln, als er seine Gedanken formulierte, dann, von einer Sekunde auf die andere fing Christos an zu reden.
„Ein Engel hat mich angegriffen. Ich glaube sein Name war...Anatol. Er sagte ich solle Zarina nicht aus den Augen lassen. Ich weiß nicht wie er es gemacht hat aber er hat mir einen Teil seiner Kräfte gegeben und mich hierher gebracht. Jeden Tag kam er vorbei um zu fragen, ob es etwas Neues gibt. Weil ich nie etwas herausgefunden habe hat er mich...gefoltert, jedoch sind die Wunden immer wieder verheilt...Es war wie ein Wunder! Ich habe so vieles herausgefunden...Das System der Engel und Dämonen, die Abstammung der Vampire, alles! Ein Engel namens Troy hat mich bemerkt und mich hier eingesperrt...“
Fassungslos starrte Zarina ihn an. Mehrere Tatsachen schockten sie. Zum einen, dass Anatol ihn angestiftet hatte, zum anderen, dass Troy Bescheid wusste. Nicht zu vergessen, dass Christos es nun verraten hatte.
„Wie hast du das gemacht?“, fragte sie Daryl und sah ihn mit großen Augen an.
Wieder wedelte er mit dem Artefakt.
„Du brauchst nur deine Gedanken.“, sagte er lediglich und drückte ihr den Stab wieder in die Hand. Sie sah das alte Stück Holz an und schob es dann wieder in ihren Stiefel. Sie wusste nun, dass es funktionierte, weshalb sie erst wieder Gebrauch davon machen würden, wenn sie Anatol gegenüber stand. Ohne noch etwas zu sagen machte sie auf dem Absatz kehrt.
Sie würde mit Troy sprechen.

Für einen kurzen Moment sah er gen Himmel. Ivette war tot. Was nun? Er hatte lange überlegt wie er weiter vorgehen sollte, doch auf eine Erleuchtung hatte er vergeblich gehofft. Er hatte am Ende einen Menschen zur Hilfe genommen, auch wenn ihm das nicht gefiel. Er musste irgendwie an diese Frau herankommen, egal wie! Doch das Ganze war leichter gesagt als getan. Er hatte ihr Leben zerstört und nun war sie auf Rache aus. Anatol hatte längst begriffen das, wenn sie Rache wollte, diese auch bekommen würde! Alles was er nun tun konnte war, sich zu verstecken und aus er Ferne zu handeln. Doch das gefiel ihm noch weniger. Er liebte es zu kämpfen und hasste es, davon zu laufen. Leider durfte er sich jetzt wieder was neues ausdenken, da dieser jämmerliche Mensch nun keine Chance mehr haben würde, für ihn Informationen zu sammeln. Anatol stieß ein Knurren aus. Es war sich sicher das es damit enden würde, dass er wieder im Himmelsreich herumschnüffeln würde. Er wandte sich ab. Und bereitete sich auf den nächsten Zug vor...

Nachdenklich beobachtete Troy die zwei Engel, die Hand in Hand über die Wiese liefen. Es handelte sich bei diesen beiden Engel um Alec und Shana, die...wirklich glücklich aussahen!
Er neigte den Kopf. Sie hatten sich zurückgezogen und nicht einmal mit jemandem gesprochen. Doch das mussten sie auch nicht, sie präsentierten sich selbst bereits mehr als genug.
Wieder wurde er traurig. Erst Zarina und Daryl, jetzt Shana und Alec. Er fand es unfair das fast alle Himmlischen schon einen Gefährten gefunden hatten, nur er selbst nicht. Er hatte nie eine Gefährtin gehabt. Genau genommen hatte er nie jemanden gehabt, der ihn geliebt hatte oder den er hätte lieben können. Er kannte seine Eltern nicht, hatte auch keine Geschwister und Freunde kannte er auch nicht. Genau deswegen war er zum Erzengel geworden. Er war der Gefühlslose, der kalte Engel. Er war in der Lage wichtige Entscheidungen zu treffen, ohne sich dabei von Gefühlen leiten zu lassen. Doch er hatte gesehen, dass gerade die Gefühle wichtig sein konnten, wenn es um eine Entscheidung ging. Er hatte nie ein Wort gesprochen, doch jetzt war alles anders. Auch seine Gefühle hatten sich verändert. Er hatte sich sein ganzes Leben lang einsam gefühlt, doch seitdem Zarina in sein Leben getreten war, hatte er zumindest den Ansatz neuer Freundschaften.
„Alles in Ordnung?“
„Ja.“, antwortete er.
Er verschränkte die Hände ineinander, Zarina stellte sich neben ihn.
„Das sieht mir aber nicht so aus.“, sagte sie leise.
Ihre Augen verengten sich, dann folgte ihr Blick dem von Troy.
„Bist du eifersüchtig?“, fragte sie überrascht, als sie Alec und Shana entdeckte.
„Nein.“
Der Erzengel sagte das so ruhig und monoton, dass Zarina keine Sekunde lang an seiner Antwort zweifelte.
„Wir sind Freunde, du kannst mit mir reden wenn du willst.“, sagte sie und lächelte.
Er starrte sie an, völlig überrumpelt. Sie wechselte absichtlich das Thema.
„Warum hast du mir nicht gesagt, dass Christos im Kerker sitzt?“, fauchte sie.
Ihr Stimmungsumschwung verwirrte ihn zwar, doch er ging darauf ein.
„Du kennst ihn?“, fragte er verblüfft.
Nun galt seine gesamte Aufmerksamkeit ihr. Sie nickte.
„Er war Stammgast in meiner Bar.“
Troy zog die Schultern ein.
„Tut mir leid, dass wusste ich nicht.“
„Schon okay.“, erwiderte sie gelassen. „Aber du hättest trotzdem ruhig davon berichten könnten, schließlich steckt Anatol dahinter.“
Troys Augen verdunkelten sich.
„Du hast dir solche Sorgen um Alec gemacht, da wollte ich dir nicht noch mehr Stoff zum nachdenken geben.“, erklärte er leise. Im ersten Moment reagierte die Gefallene nicht, dann blinzelte sie.
„Du bist echt süß.“, hauchte sie mit einem Lächeln auf den Lippen.
Noch bevor er reagieren konnte hatte sie ihn umarmt. Zögerlich legte er ebenfalls die Arme um sie.
„Betrachtest du mich wirklich als deinen Freund?“, fragte er leise.
„Ja.“, sagte sie, als sie wieder einen Schritt zurück trat.
Beschämt sah er auf die Frau herab.
„Ich hatte nie Freunde.“, gestand er leise.
Das ist es also!

, dachte sie. Er war deprimiert, weil er weder Freunde, noch eine Gefährtin hatte.
„Jetzt hast du welche.“, sagte sie grinsend. Troy schwieg, weshalb Zarina seine Hand ergriff.
„Na komm, wir sehen mal nach, ob es Neuigkeiten gibt!“

„Es ist uns nicht möglich Anatol aufzuspüren.“
Zarina sprang auf und schlug die Hände auf den Tisch.
„Was? Was soll das heißen?“, brüllte sie. Daryl ergriff ihre Hand, um sie wieder auf seinen Schoß zu ziehen.
Beruhig dich!

, dachte er. Sie gehorchte und atmete tief durch, um die Ruhe zu bewahren.
„Es gelingt uns, trotz des Artefakts nichts, Anatol aufzuspüren.“, erklärte Malachy, Zarinas Meinung nach zu gelassen.
„Es ist, als wüste er davon und hätte einen Weg gefunden, der Kraft des Artefakts zu entkommen. Vielleicht ist er auch imun dagegen, wer weiß das schon?“, fügte er hinzu.
Troys Augen wurden schmal und auch alle anderen Erzengel schnaubten oder knurrten. Das lauteste Knurren kam aber aus Zarinas Kehle.
„Und was machen wir nun?“, fragte sie.
„Keiner von uns wäre mächtig genug anstelle des Artefakts Anatol aufzuspüren. Uns bleibt nichts anderes übrig als darauf zu warten, dass er in Aktion tritt.“, erklärte Malachy.
Nun war auch er gereizt. Ihm gefiel das Ganze schließlich auch nicht...

Alec und Shana lauschten. Die Tür war aus massivem Holz was es schwer für sie machte, etwas zu verstehen.
„Vielleicht sollten wir reingehen?“, schlug Alec flüsternd vor.
„Nein. Ich bin noch nicht bereits dazu ihnen gegenüber zu treten.“, flüsterte Shana zurück.
„Sie werden mich sicher verurteilen.“, fügte sie mit zittriger Stimme hinzu.
Alec ergriff ihre Hand, die er dann drückte.
„Wenn sie Zarina und Daryl akzeptieren, werden sie auch uns akzeptieren.“, sagte er aufmunternd und lächelte sie an.
„Also gut.“, murmelte sie und ließ sich von ihrem Gefährten in den Saal ziehen. Sofort herrschte Stille.
„Alec, Shana!“, sagte Zarina freudig und erhob sich von Daryls Schoß. Sie kam auf die beiden zu und umarmte die beiden kurz. Beide waren überrumpelt von ihrem Verhalten.
„Ich bin erfreut über das, was ich gehört habe.“, sagte der Rotschopf kichernd und deutete auf die Hände von Alec und Shana, die ineinander verschränkt waren. Shana spürte plötzlich eine unangenehme Hitze in ihrem Gesicht, weshalb sie den Blick abwandte.
„Wie geht es euch beiden? Habt ihr euch erholt?“, fragte Zarina nun.
Sie war ernst geworden. Nun gelang auch Shana ein kleines Lächeln. Hatte sie sich tatsächlich um sie gesorgt? Shana nickte.
„Ja, danke der Nachfrage.“
„Es freut uns, euch wieder unter uns zu wissen.“, meldete sich Malachy lächelnd zu Wort. Überrascht starrte Shana den Erzengel an. War das...tatsächlich ein aufrichtiges Lächeln?
Alec grinste.
Und du hast geglaubt sie würden uns nicht akzeptieren!




EINS:



Wütend starrte sie die Holzbretter an. Sie war nicht hierher zurückgekehrt? Warum nicht? Warum war die Bar immer noch geschlossen?
„Hey, Süße, kann ich dir helfen?“
Die tiefe Stimme hinter ihr ließ sie erst inne halten, dann drehte sie sich um. Ein Mann stand hinter ihr, die Hände in den Hosentaschen vergraben.
„Was ist aus dem Lynx

geworden?“, fragte sie.
Seine blauen Augen trübten sich und sie erkannte sofort, dass er darauf aus war, sie für sich zu gewinnen. Er zuckte mit den Schultern und kam auf sie zu, um sie dann gegen die Wand zu drängen.
„Keine Ahnung. Aber ich kann dir, statt Informationen etwas anderes anbieten.“, raunte er ihr ins Ohr.
Ja, dein Blut.

, dachte sie genervt und stieß ihn zurück.
„Sorry, aber ich steh nicht auf Typen wie dich.“, sagte sie hastig.
Ohne einen Blick zurückzuwerfen ließ sie ihn stehen. Ziellos wanderte sie durch die Straßen. Wo könnte sie bloß sein?
„Was mache ich nur?“, murmelte sie. Schon eine Ewigkeit lang plagten sie Schuldgefühle. Sie hielt diesen eigenartigen Schmerz nicht länger aus. Sie bereute es. Sie bereute alles!
„Brauchst du Hilfe?“
Die jungenhafte Stimme ließ sie stehen bleiben.
„Wenn du darauf aus bist...“, begann sie, doch sie kam nicht weit.
„Mein Name ist Noah. Daryl ist mein Meister.“, sagte der, scheinbar noch ziemlich junger Bursche. Jette starrte den jungen Mann an.
„Daryl hat dich in einen...Vampir verwandelt? Und woher...weißt du überhaupt das ich nach ihm und...das ich nach ihm suche?“, hauchte sie.
Er nickte.
„Ja, hat er. Und ich weiß es einfach.“
Noah hatte schon länger nichts mehr von seinem Meister gehört, doch er wusste das er mindestens einmal in der Woche in seiner Villa war. Am Anfang hatte er Angst vor diesem Mann gehabt, doch inzwischen waren sie recht gute Freunde. Und das, obwohl er noch so jung war.
„Weißt du, wo er ist?“, fragte Jette hoffnungsvoll.
Noah blinzelte. Diese Frau wirkte wirklich verzweifelt.
„Er ist im Himmelsreich.“, antwortete er, worauf Jettes Beine nachgaben. Gerade noch rechtzeitig bekam er sie am Arm zu fassen.
„Hey, ist alles in Ordnung?“
„Im Himmelreich? Geht es ihm gut?“
Noah neigte den Kopf und ließ sie wieder los.
„Es ist zusammen mit seiner Verlobten dort. Es geht ihm gut.“
Erleichtert stieß die Frau die Luft aus.
„W-Was macht er im Himmelreich?“, fragte sie leise.
Der junge Vampir zuckte mit den Schultern.
„Ich weiß nicht. Er müsste morgen in seiner Villa sein. Geh doch einfach mal hin.“
„D-Danke.“, stotterte Jette und stolperte einige Schritte zurück. Noah fand ihr Vehalten merkwürdig, sagte aber nichts als sie davon stolperte.

Und tatsächlich! Daryl war hier. Jette beobachtete ihn dabei, wie er frische Wäsche in eine Tasche stopfte. Als sie die Frauenkleider sah schoss ihr das Wort „Verlobte“ durch den Kopf.
Waren er und Zarina wirklich verlobt? Auf leisen Sohlen folgte sie ihm aus dem Zimmer.
Warum lebten die beiden im Himmelsreich? Hasste Zarina die Engel nicht?
Ihre Augen weiteten sich als sie das riesige Portal sah, dass sich wie ein Riss in der Luft auftat.
Daryl verschwand durch diesen Riss im Nichts. Verzweifelt kam die Frau aus ihrem Versteck hervor. Sie musste ihn folgen! Ohne zu zögern sprang sie ebenfalls durch das Portal. Nach einigen Sekunden in einem schwarzen Nichts, kam sie stolpernd auf einer grünen Wiese zum stehen.
Sie keuchte und ließ den Blick schweifen.
War das etwa das Himmelsreich?

ZWEI:



Troy begegnete Daryl, doch dann war er wieder alleine. Ein Jahr war vergangen. Nichts war passiert. Es war, als wäre Anatol schon längst tot. Er ließ sich reichlich mit seinen Handlungen Zeit, weshalb er befürchtete, dass Anatol ewas Großes, sehr Großes plante. Auch Zarina und Daryl machten sich deshalb Sorgen. Sie wollten schon längst geheiratet haben, doch sie waren immer noch verlobt. Troy sah in den Himmel. Langsam aber sicher kam die Sonne dem Horizont immer näher. Alec und Shana waren so glücklich wie nie, denn sie hatten den Segen der Erzengel bekommen. Sie würden ebenfalls heiraten. Der Mann lächelte. Er hatte zwar noch immer keine Gefährtin, dafür aber Freunde!
Oft tranken Daryl und er himmlischen Wein und mit Zarina konnte er wunderbar über alles mögliche reden. Oft saßen sie stundenlang zusammen und quatschten. Plötzlich entdeckte er eine Gestalt, nicht weit von ihm entfernt. Diese Gestalt wollte einen Schritt machen, drohte aber das Gleichgewicht zu verlieren. Troy breitete seine Flügel aus und schoss blitzschnell voran. Die Frau fiel genau in seine Arme.
Die Zeit schien still zu stehen. Er bemerkte sofort ihren keuchenden Atem und ihren beschleunigten Herzschlag. Sie sah auf. Erst weiteten sich ihre blauen Augen, dann färbten sie sich golden. Troy hielt die Luft an. Eine Vampirin? Er musterte sie ausgiebig. Blonde locken, lang und glänzend, ein schmales Gesicht mit hohen Wangenknochen und einer Stupsnase, leicht schräg stehende Augen von langen Wimpern umrahmt und nicht zu vergessen, dieser sinnliche Schmollmund.
Hitze durchströmte ihn beim Anblick dieser Frau.
Die untergehende Sonne verlieh ihrer gebräunten Haut einen Goldschimmer, was ihn schlucken ließ. Wer war sie nur?
„Wie ist dein Name, Frau?“, fragte er ausdruckslos.
„Jette.“, flüsterte sie heiser.
Sie schluckte. Wer auch immer dieser Mann war, er faszinierte sie. Zu sehr, befürchtete sie. Seine Stimme war so rau und tief. Es klang als würde er seine Stimme nicht so oft benutzen. Seine muskulösen Armen hielten sie fest an seine Brust gedrückt. Sein Gesicht war kantig und seine kurzrasierten Haare verliehen ihm einen harten Ausdruck. Sein sinnlicher Mund ließ sie erneut schlucken. Nur ein Kuss! Dann sah sie die grauen Bögen seiner Flügel, die hinter seinen Schultern hervorragten. Sie hielt die Luft an. Wenn sie diese doch nur einmal berühren konnte!
„W-Wie heißt du?“, stotterte sie und sah wieder in seine dunklen Augen.
„Mein Name ist Troy.“, antwortete er. Langsam lockerte sich sein Griff.
„Wie ist es dir gelungen hierher zu kommen?“, fragte er und brachte Distanz zwischen ihr und sich. Auch wenn er gerne in dieser Position verharrt hätte...
„I-Ich bin Daryl gefolgt. K-Kannst du mich zu ihm bringen?“, erklärte sie.
Die Tatsache das sie zu Daryl wollte versetzte ihm einen eigenartigen Stich.
„Was hast du mit Daryl zutun?“, fragte er barsch.
Sie zuckte beim Klang seines groben Tonfalls zusammen.
„D-Das ist eine lange Geschichte.“, flüsterte sie und wich seinem Blick aus.
Plötzlich fasste er ihr Kinn und drehte ihr Gesicht in seine Richtung.
„Erzähl es mir.“, verlangte er.
Beide waren verwirrt. Jette merkte das er nicht wollte, dass sie ging und fragte sich, warum das so war. Troy wusste es auch nicht. Warum nur wollte er bei ihr bleiben?
„Ja...“, hauchte sie. Als ihr klar wurde was sie da gerade gesagt hatte, schüttelte sie den Kopf.
„A-Aber ich muss erst mit Daryl sprechen. K-Kannst du mich bitte zu ihm bringen?“
Täuschte sie sich oder sah sie da etwa einen wütenden Ausdruck in seinen Augen aufblitzen?
Sie zuckte erneut als sie das leise Knurren hörte, dass in seiner Kehle aufstieg.
„Wie stehst du zu ihm?“
Wieder schüttelte sie den Kopf. Die Situation wurde immer absurder.
„I-Ich habe mal für in gearbeitet...so in der Art zumindest aber...mehr war da nicht.“
Sie biss sich auf die Zunge. Warum wollte sie das er wusste, dass zwischen ihnen nie etwas gewesen war? Der Erzengel schnaubte, sagte aber nichts mehr, sondern wandte sich ab.
Er ging einige Schritte und sah dann über seine Schulter.
„Komm.“, sagte er.
Jette wollte ihm folgen, doch nachdem sie einen Schritt gemacht hatte gaben ihre Beine nach. Sie ging zu Boden. Troy blieb verwirrt stehen und drehte sich dann um. Als er die auf dem Boden kniende Frau sah, wurden seine Gesichtszüge augenblicklich weicher. Mit roten Wangen sah sie zu ihm auf.
„Ich glaube das Portal hat so seine Nebenwirkungen...“, murmelte sie und wandten ihren Blick dann wieder von ihm ab. Sie blinzelte überrascht als sie ein leises Lachen wahrnahm.
Plötzlich stand er vor ihr und hielt ihr die Hand hin. Zögerlich ergriff sie sie und ließ sich von ihm aufhelfen. Sie sah, dass seine Flügel verschwunden waren und wollte diesbezüglich etwas sagen, doch er ließ sie nicht zu Wort kommen, indem er sie auf seinen Rücken hob.
„Was für ein Engel bist du?“, fragte sie stattdessen leise.
Seine Mundwinkel zuckten. Sah so aus, als fand sie ihn genauso interessant wie er sie.
„Ein Erzengel.“, erwiderte er ruhig.
Jette hielt die Luft an. Dieser Mann sollte ein Erzengel sein? Unmöglich! Sie dachte nach. Wobei...
Sie hatte nie einen Mann gesehen, der gefährlicher gewirkt hatte. Alles an ihm hatte pure Macht ausgeströmt, also wieso sollte sie an seinen Worten zweifeln?
„Wow...“, hauchte sie schließlich. „Ich bin sprachlos.“, gab sie zu, weil sie wirklich nicht wusste, was sie dazu sagen sollte. Wieder hörte sie ein leises Lachen. Dieser Mann wirkte zwar wie ein kalter Eisblock, doch dieses Lachen...
„Du tust so als wärst du kalt und unnahbar. Aber das stimmt nicht. Warum bist du so?“
Troy blieb stehen. Wer zum Teufel war diese Frau? Ohne zu antworten ging er weiter. Scheinbar war sie beleidigt, denn sie schwieg von nun an und sah sich stattdessen fasziniert um.
Sie kamen in einen riesigen Palast, mit scheinbar endlosen Gängen und bogen irgendwann rechts ab. Plötzlich standen sie in einer riesigen Halle, voller Engel. Und einem Vampir.
„Daryl! Zarina!“, rief Jette und schaffte es, sich aus Troys Griff zu befreien.
Sie rannte auf die beiden zu, stolperte dabei ein paar Male, kam aber schließlich unversehrt bei den beiden an.
„Jette?“, fragte Zarina irritiert und musterte die Frau, die sich in all der Zeit kein bisschen verändert hatte. Äußerlich zumindest nicht...
Jette lächelte und sah erst Zarina, dann Daryl an.
„Ich muss mit euch reden.“, sagte sie leise.
„Schieß los.“, sagte die Gefallene und machte eine vage Geste.
Für einen kurzen Moment war Jette wieder sprachlos. Nichts an dieser Frau erinnerte sie an die kaltblütige Mörderin, die sie eigentlich sein konnte.
„I-Ich will mich bei euch entschuldigen.“, hauchte sie und sah Daryl an. „Ich bin dir ziemlich auf die Nerven gegangen und...das tut mir leid. Ich hätte nicht so aufdringlich sein sollen!“
Daryl zog die Brauen hoch.
„Am Ende habe ich es zwar eingesehen aber...ich habe mich nie richtig bei dir enschuldigt.“
Nun lächelte der Vampir.
„Schon okay. Ich weiß ja, dass du es nicht so gemeint hast, wie ich zu Anfang geglaubt habe.“
Dann wandte Jette sich an Zarina.
„Und bei dir muss ich mich auch entschuldigen. Ich wollte dir an die Gurgel und ich habe eingesehen, dass sämtliche Handlungen meinerseits falsch waren. Und ich muss mich bei dir bedanken.“
Zarinas Augen weiteten sich.
„Warum bedanken?“, fragte sie irritiert.
„Erst einmal hast du mich am Leben gelassen. Und du hast mir meine Fehler vorgeführt...Das verwirrt dich jetzt sicher aber du musst es nicht verstehen...“
Zarinas Gesichtszüge blieben unverändert.
„Moment mal...Wie bist du eigentlich hierher gekommen?“, fragte Daryl irritiert.
Troys Mundwinkel zuckten.
„Sie ist dir durch das Portal gefolgt.“, sagte er und versuchte, sein Lachen zu unterdrücken. Daryl zog erneut die Brauen hoch.
„Woher wusstest du, dass ich im Anwesen war?“, fragte er.
„Noah hat es mir verraten.“, erklärte sie.
Daryl und Zarina tauschten einen Blick aus. Da der Vampir still blieb, ergriff Zarina das Wort.
„Sag, Jette, wo wohnst du jetzt eigentlich?“, wollte sie wissen.
Jette senkte den Blick. Sollte sie das wirklich sagen? Sie war sich nicht ganz sicher, ob sie dieser Frau trauen konnte.
„Zur Zeit nirgends.“, gestand sie schließlich. Zarina wollte bereits etwas sagen, doch sie selbst schüttelte den Kopf.
„Ich will nicht darüber reden, okay?“, murmelte sie.
Eine Spur Mitleid tauchte in den Augen der Gefallenen auf.
„Glaubt ihr es ist möglich...“
Zarina kam nicht weit, denn alle Anwesenden stöhnten laut auf.
„Sie ist und bleibt einfach zu gutmütig...“, seufzte Malachy.
Zarina schnaubte empört.
„Also bitte, ja? Wir können sie doch nicht einfach sich selbst überlassen!“
Seth neigte den kopf.
„Wir haben andere Sorgen, Kleines. Und das weißt du ganz genau!“
Zarina stieß ein Knurren aus, da trat Troy seufzend an Jettes Seite.
„Ich werde mich um sie kümmern, solange ihr beschäftigt seid.“
Noch bevor die Blondine realisiert hatte was er gerade eben gesagt hatte, lächelte Zarina auch schon.
„Vielen Dank, Troy. Du hast was gut bei mir!“, sagte sie.
Troy erwiderte das Lächeln und nickte knapp. Dann fasste er Jette bei der Hand und zog sie mit.

DREI:



„Warum hast du das gemacht?“, fragte Jette und stolperte hinter dem Erzengel her.
„Wenn ich das nur wüsste...“, murmelte er.
„Aber...trotzdem danke!“, sagte sie und lächelte.
Sie musste sich eingestehen das es ihr gefiel, noch eine Weile hier zu bleiben. Allerdings lag das nur an dem Mann vor ihr.
„Vampire sind also wirklich in der Lage sich zu bedanken...“, murmelte der Erzengel nun.
Jette neigte den Kopf. Machte er sich etwa über sie lustig?
„Warum so feindselig? Daryl ist ebenfalls ein Vampir und gleichzeitig dein Freund, oder täusche ich mich?“
Troy blieb stehen und drehte sich dann langsam um. Woher wusste sie von der Freundschaft zwischem Daryl und ihm? Sie grinste und mit einem mal, wirkte sie viel selbstbewusster.
„Ich habe auch so meine Fähigkeiten. Wie zum Beispiel Gedanken lesen.“
Kichernd ging sie an ihm vorbei. Troy lächelte. Ja, diese Frau gefiel ihm. Sie gefiel ihm sogar sehr, auch wenn er von nun an darauf achten müsste, was er dachte. Er folgte ihr.
„Du hast ziemlich überrascht ausgesehen, als du Zarina entdeckt hast.“, sagte der Mann nebenbei.
Jette schluckte. Mit einem mal war ihr Selbstvertrauen wieder weg.
„Das gehört zur Geschichte...“, murmelte sie und starrte zu Boden.
Er spürte ihr Unbehagen und beschloss, das Thema fürs erste fallen zu lassen und später noch einmal genauer nachzuhaken. Nach einigen Minuten des Schweigens kamen sie an einer unauffälligen Tür an. Er öffente die Tür und schob sie hinein. Leise schloss er die Tür wieder.
„Leider ist kein Zimmer mehr frei, deswegen wirst du dich mit meinem Zimer begnügen müssen.“, erklärte er.
Sie ließ den Blick schweifen. Das Zimmer war nur spärlich eingerichtet, nur das Nötigste war zu finden. Und dennoch strahlten die hellen, cremefarbenen Wände eine ungeheure Geborgenheit aus.
„Es gefällt mir.“, sagte sie leise, ging einige Schritte und strich mit den Fingerspitzen über eine einfache Anrichte, auf der sich einige Waffen befanden. Troy zog die Brauen hoch. Es gefiel ihr?
„Mein zimmer ist eines der unpersönlichsten Zimmer im ganzen Palast. Bist du sicher, dass du dich hier wohlfühlst?“
Sie nickte. Begeistert?
„Wenn das so ist, dann...fühl dich ganz wie Zuhause.“
Er kehrte ihr den Rücken zu.
„Ich schau mal nach, ob ich irgendwo etwas zum anziehen für dich auftreiben kann. Wenn du dich frisch machen willst, im Bad findest du alles, was du brauchst.“
Dann hatte er das Zimmer verlassen.

Verzweifelt vergrub er das Gesicht in den Händen. Er hatte zwar Kleider gefunden, doch er war nicht in sein Zimmer zurückgekehrt. Zu atemberaubend war ihr Anblick! Allein schon ihr Duft raubte ihm den Verstand. Sie roch nach Rosen und einem Hauch Vanille. Nichts als pure Sinnlichkeit! Warum zum Teufel hatte sie bloß solch ein Wirkung auf ihn?
Schon wieder war alles anders. Im einen Moment fühlte er sich einsam und verlassen, von niemandem geliebt und nun war da sogar eine Frau, der er zu gefallen schien.
„Troy?“
Erschrocken sah der Erzengel auf. Zarina stand mit besorgtem Blick vor ihm. Er lachte leise und schüttelte dabei den Kopf. Allerdings wirkte selbst diese Geste verzweifelt.
„Na los, erzähl schon.“, drängte sie und setzte sich neben ihm auf die Mauer.
„Es ist diese Frau...“, brummte er und vergrub das Gesicht erneut in den Händen.
Zarina lachte leise. Dennoch bemerkte er die Vorsicht, die sie walten ließ. Sollte er wirklich mit ihr darüber reden? Sie konnten über alles reden, ja. Aber darüber?
„Hör mal, Worte sind nicht meine Freunde und...“
Die Frau legte ihm die Hand auf die Schulter und lächelte wissend.
„Jette ist es wert, alte Gewohnheiten zu ändern.“, sagte sie weise. „Ich habe Jette am Anfang nicht gemocht. Sie mich auch nicht und dennoch hat sie mir geholfen...Noel und Daryl haben einen Kampf begonnen. Zu dem Zeitpunkt war ich weder in der Nähe, noch hatte ich eine Ahnung vom Geschehen. Jette kam zu mir, um gegen mich zu kämpfen, doch stattdessen hat sie mir gesagt was los ist und mich zu den beiden gebracht. Wenn es eine Frau gibt, die dich verdient hat, dann sie!“
Fassungslos sah der Erzengel sie an. Ihr Grinsen wurde breiter.
„Denkst du ich wüsste nicht, warum du dich dazu bereit erklärt hast, dich um sie zu kümmern?“
Sie lachte auf und stieß ihn dann leicht an.
„Sie ist ein Risiko wert, Troy. Und nun geh zu ihr, sie will sicher mehr über dich erfahren.“
Troy gelang ein Lächeln. Er sprang von der Mauer, lehnte sich vor und küsste Zarina auf die Wange.
„Damit sind wir quitt.“, flüsterte er ihr ins Ohr und machte sich, mit den Kleidern zurück auf den Weg, zu seinem Zimmer.

Leise summend wickelte Jette sich ein Handtuch um. Das Badezimmer bestand aus einer Toilette, einem Waschbecken, einem Schränkchen und einer Dusche. Nicht sehr viel sollte man meinen, doch es genügte. Jette fühlte sich wohl. Allein Troys Geruch der in der Luft hing ließ sie wohlig seufzen. Sie stellte sich ans Waschbecken und sah in den Spiegel, der darüber an der Wand hing.
Sie neigte den Kopf. Blaue Augen blickten ihr aufmerksam entgegen und musterten sie ausgiebig. Nichts war in diesen Augen zu erkennen, bis auf...Sehnsucht? Sie wich ihrem eigenen Blick aus.
Ihre nassen Locken kräuselten sich bis zu ihren Hüften und ließen ihr helles, blondes Haar wie gold aussehen. Ihre geschwungenen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Nie hatte ihr ein Mann wiederstehen können. Bis auf Daryl...Sie seufzte und hob die Hand, um sich mit dem Finger über die Lippen zu streichen. Wie sehr wünschte sie sich, es wären die Finger von Troy?
Gerade in diesem Moment ging die Tür auf.
Ihre Blicke trafen sich.
„V-Verzeihung, ich wusste nicht das du...“
Troy schaffte es nicht seinen Satz zu Ende zu führen. Sie lächelte. Verständnisvoll.
„Ist schon in Ordnung.“
Dann trat ein Funkeln in ihre Augen.
„Es gibt nichts, was ich verbergen müsste.“
Troy schluckte.
„Warum hast du dir dann ein Handtuch umgewickelt?“
Jette verschluckte sich beinahe an ihrer eigenen Spucke. Sie hatte nicht mit solcher Schlagfertigkeit gerechnet.
„Sieh an, du bist ja doch nicht so schüchtern!“, erwiderte sie zuckersüß lächelnd.
Mit jeder Sekunde die sie bei ihm verbrachte, oder auch nur an ihn dachte, fühlte sie sich mehr zu ihm hingezogen. Zugegeben ja, sie hatte schon oft solche Spielchen gespielt, doch nie war eines der Spiele so...geheimnisvoll und unvorhersehbar gewesen! Ihr Atem beschleunigte sich, ebenso wie ihr Herzschlag. Ihre Fänge schossen hervor. Noch bevor Troy sie sehen konnte, hatte sie sich die Hand auf den Mund gespresst.
Bitte nicht jetzt!

, dachte sie verzweifelt und wandte sich von ihm ab.
„Jette? Ist alles in Ordnung?“
Der Erzengel klang genauso verzweifelt, wie sie sich fühlte.
„B-Bitte geh raus. Ich will nicht, dass du das siehst.“, flüsterte sie.
Tränen stiegen ihr in die Augen. Nicht einmal in ihrem Leben hatte sie sich für ihre Abstammung geschämt. Warum nun auf einmal? Warum hatte sie solche Angst, dass er sie nicht akzeptieren würde? Sie und ihre Gene?
Eine große Hand legte sich auf ihre Schulter. Warum und vertrauenserweckend.
„Ich will dein Gesicht sehen.“, sagte er leise und drehte sie wieder zu sich um.
Sie schüttelte heftig den Kopf, starrte zu Boden. Mit einem groben Griff hob er ihr Gesicht an.
„Nur weil du eine Vampirin bist, betrachte ich dich nicht als ein niederes Wesen.“, flüsterte er und beugte sich vor.
Bitte! Bitte nur ein Kuss!


„Bitte!“, flehte sie und sprach ihre Gedanken somit laut aus. „Nur ein einziger...“
Sie wurde jäh unterbrochen. Natürlich wusste Troy was sie sagen wollte, doch er wollte sie nicht ausreden lassen. Zu solchen Dingen wurde man nicht aufgefordert. Man tat es einfach! Niemand sollte deswegen flehen müssen. Sanft streiften seine Lippen ihre. Sofort entwich ihr ein Stöhnen.
Sie hielt es nicht aus und drängte sich an ihn um ihn dazu zu bringen, sie richtig zu küssen. Sie zögerte nicht und öffnete ihre Lippen, um seiner Zunge Einlass zu gewähren. Vorsichtig tastete er sich vor und stieß dabei auf ihre Fänge, an denen er sich prompt verletzte.
Es war nur ein kleiner Tropfen Blut, doch dieser kleine Tropfen reichte aus um Jette völlig um den Verstand zu bringen. Keuchend riss sie den Kopf zurück, um den Kuss zu unterbrechen.
Der bittere Geschmack in ihrem Mund ließ ihr Inneres jedoch nach mehr schreien.
„W-Was machen wir hier?“, flüsterte sie heiser und kehrte ihm den Rücken zu.
Ein Stich fuhr ihm durchs Herz. Er musste feststellen das es weh tat, abgewiesen zu werden...
„Etwas, nach das wir uns beide sehnen.“, antwortete er ernst und gelassen. Er schätzte es war besser, sich durch ihre Reaktion nicht aus der Fassung bringen zu lassen.
„Hast du etwas zum anziehen gefunden?“, fragte sie, nun eine Spur gefasster.
Troy nickte, doch dann fiel ihm ein, dass sie es nicht sehen konnte, da sie ihm ja den Rücken zugekehrt hatte.
„Ja. Ich weiß nicht ob es dir gefällt aber selbst wenn nicht wäre es immer noch besser, als nackt zu bleiben.“, sagte er und trat einige Schritte zurück.
„Wenn du die Sachen suchst, sie liegen auf dem Bett. Ich bin mir die Beine vertreten...“
Ohne ein Geräusch zu verursachen verließ er erst das Bad, dann sein Zimmer.

„Wann heiraten wir endlich?“, murmelte Zarina und streckte den Arm aus, um den Verlobungsring an ihrem Finger zu bertrachten. Der Stein in der Mitte des Ringes funkelte und blitzte im Sonnenlicht in allen möglichen Farben auf.
„Ich schätze, ich sollte dir die Entscheidung überlassen. Schließlich haben die Frauen immer das Sagen, wenn es um ihre Hochzeit geht.“, antwortete Daryl, halb schlafend.
Sie lagen mitten auf der Wiese, Daryl ausgestreckt, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, Zarina neben ihm, mit dem Oberkörper auf seinem Schoß. Sie kicherte.
„Wie klug du doch bist.“, kicherte sie, wurde aber wieder ernst. „Ich weiß, dass du mich die wichtigen Entscheidungen treffen lassen willst aber ich meine es ernst, ich habe keine Ahnung wann es so weit sein soll. Ich will nicht warten, bis wir Anatol das Licht ausgeknipst haben aber ich will es auch nicht riskieren, während der Trauungszeremonie von ihm unterbrochen zu werden!“
Daryl bewegte sich ein bisschen, um mit seiner Hand ihre Hand ergreifen zu können und seine Finger mit ihren zu verschränken.
„Was hältst du davon wenn wir es ganz spontan machen? Nun, sofort? Ohne großes Trara.“
Sie schnaubte. Ob belustigt oder empört konnte er nicht sagen.
„Klingt gut. Aber wenn wir schon so eine unnötige Bindung eingehen, dann wenigstens auf traditionelle Weise. Mit allem Pi-Pa-Po!“, erwiderte sie und drückte seine Hand kurz.
Er seufzte, konnte ein kleines Kichern aber nicht verhindern.
„Na, da habe ich mich ja auf eine Frau eingelassen...“
Lachend schlug sie ihn mit der anderen Hand.
Sie lachten, glücklich, als ein verzweifelt klingender Schatten an ihnen vorbei huschte.
Sofort setzte Zarina sich auf. Sie hatte keine Ahnung warum es so war, doch sie war...liebevoller und...fürsorglicher geworden.
„Jette?“, fragte sie verwirrt, als sie die Frau entdeckte, die sich ständig die Haare aus dem Gesicht strich und einige male schnäuzte. Die Blondine blieb stehen, wagte es aber nicht sich umzudrehen.
„Warte kurz.“, sagte Zarina zu Daryl. Sie beugte sich hinab, küsste ihn und sprang dann auf.
„Jette!“, rief sie erneut, als die Vampirin weiterlief.
Gerade noch bekam sie Jette an der Schulter zu fassen.
„Was ist los?“, fragte sie vorsichtig, als sie Tränen glitzern sah.
„Troy...ich...wir...“
Jette war nicht in der Lage vernünftig zu sprechen. Zarina ergriff ihre Hand und zog sie mit, Abseits von dem Trubel der im Palast herrschte.
„Beruhig dich mal. Atme tief durch.“
Jette tat wir ihr geheißen.
„Troy und ich wir...haben uns geküsst.“, flüsterte sie.
Zarina blieb ernst.
„Darüber solltest du dich aber freuen.“, sagte sie ernst.
Sie konnte irgenwie nicht so recht glauben, dass Troy wirklich so in die Offensive gegangen war, wobei sie ihn doch nur gebeten hatte, einfach zu ihr zu gehen. Die Gefallene musterte die Vampirin.
Warum trug sie Engelsgewänder? Egal...
„A-Aber ich bin eine Vampirin und...“
Jette stotterte leicht, was Zarina irritierte. Die Frau war ihr immer so selbstbewusst vorgekommen. Aber vor allem eingebildet und arrogant. Doch in Wirklichkeit schien sie das komplette Gegenteil zu sein.
„Süße, Troy ist ein Erzengel. Er ist in der Lage dich mit einem Wimpernschlag auszulöschen und du machst dir über deine Abstammung Gedanken? Verdammt noch mal, geh doch einfach darauf ein! Du kriegst jeden Kerl, schon vergessen?“
Jette war sprachlos. Warum tat Zarina so, als wären sie Freundinnen? Zarina grinste wissend.
„Zufällig sind Troy und ich gute Freunde. Und du bist auch nicht so schlecht wie ich geglaubt habe. Ich will dir nichts vorschreiben oder dir deine Entscheidungen abnehmen aber...tu einfach das, worauf du Lust hast. Troy wird nicht daran sterben, glaub mir. Ich wette er ist genauso verzweifelt wie du gerade...“
Die Blondine senkte den Blick, denn Zweifel machten sich in ihr breit.
„Ich...habe ihm eine ziemliche Abfuhr erteilt du...hast recht.“, murmelte sie.
Zarina lachte leise. Sie war selbst einmal so verzweifelt gewesen aber deswegen wollte sie nicht so tun, als wüsste sie alles besser.
„Mach dir keine Gedanken. Er wird es dir nicht übel nehmen. Beschäftigt dich sonst noch etwas?“
Jette schüttelte den Kopf, dann entfernte sie sich auch schon von ihr.

Troy wusste nicht wo er mit seinen Gedanken anfangen sollte. Er wusste nun, dass Jette ebenfalls seine Nähe wollte, doch er wusste nicht, warum sie ihn so plötzlich abgewiesen hatte. Ging es ihr nur um ihre Abstammung? Der Erzengel hatte eingesehen das nicht jeder Vampir automatisch hinterhältig und gefärhlich war und genau deswegen machte es ihm auch nichts aus, dass Jette ebenfalls eine Vampirin war. Aber scheinbar kam sie nicht so richtig damit klar.
Als er den Blick hob entdeckte er Daryl, der mitten auf der Wiese saß und angespannt nach Westen starrte. Troy folgte seinem Blick und entdeckte Zarina und Jette. Der Erzengel seufzte. Was wäre es nun für ein Vorteil gewesen das Gehör eines Vampirs zu besitzen? Er beobachtete eine kurze Unterhaltung, dann entfernte sich die Vampirin von der Gefallenen. Er zögerte. Sollte er Zarina ansprechen oder nicht? Er wollte nicht noch einen verzweifelteren Eindruck machen als ohnehin schon. Plötzlich bemerkte er Daryls Blick. Er sah wieder zu Zarina, die erst den Kopf schüttelte und dann der blonden Vampirin folgte. Mit einem Schlucken beschloss Troy sich zu Daryl zu setzten.
„Sie scheint sich mehr Gedanken um Jette und mich zu machen, als um eure Hochzeit.“, bemerkte er mit einem schwachen Lächeln. Daryl seufzte.
„Ich weiß nicht ob es an Anatol liegt aber sie will sich scheinbar gar keine Gedanken um etwas anderes mehr machen. Ich schätze sie versucht bloß, sich abzulenken. Ich bin mir aber nicht sicher, was ich davon halten soll...“, murmelte der Vampir und machte es sich wieder auf der Wiese gemütlich. Wieder verschränkte er die Arme hinter dem Kopf. Troy lachte leise.
„Eigentlich solltest du dich darüber freuen, schließlich musst du sie jetzt nicht permanent beruhigen.“
„Stimmt.“, erwiderte der Vampir und schloss die Augen. „Sag mal, was hast du mit Jette angestellt?“
Troy neigte den Kopf. Jetzt sollte er auch noch mit Daryl darüber reden?
Darly öffnete ein Auge und sah ihn an
„Jette war eine arrogante und hochnäsige Frau, die sich nichts sagen lassen hat und selbstbewusster nicht hätte sein können. Aber was dich angeht wird sie zum schüchternen Teenager.“
Das überraschte den Erzengel dann doch.
„Arrogant und hochnäsig?“, hakte er nach.
Der Vampir nickte.
„Sie hat sich immer als etwas Besseres betrachtet und auf alle herab gesehen. Ich finde ihr jetziges Verhalten zwar etwas bemitleidenswert aber ich finde es gut, dass du sie so durcheinander bringst. Ihre Hilflosigkeit gefällt mir besser als ihre Hochnäsigkeit.“, erklärte er.
Troy schnaubte. Ob Jette diese Worte wohl gefallen würden? Sicher nicht.
„Ich hatte gehofft du kannst mir sagen, wie ich mich ihr gegenüber verhalten soll.“
Er war leiser geworden. Trotz der Freundschaft zwischen den beiden Männern war ihm das nun unangenehm.
„Ganz egal wie du dich verhältst, ob abweisend oder...was auch immer, sei einfach nur du selbst. Was anderes würde sie nicht wollen.“
Troy erhob sich und wollte bereits verschwinden, da hielt der Vampir ihn zurück.
„Eins noch.“, rief er rasch. Troy drehte sich zu ihm um. „Wenn du schon mit mir über solche Dinge sprechen willst, dann nur wenn du mir vorher was eingeflößt hast.“
Ein Grinsen zierte sein Gesicht und auch Troy schnaubte belustigt.
„Meinetwegen.“
Dann war er weg.

VIER:



Malachy rieb sich die Schläfen. Kopfschmerzen plagten ihn schon den gesamten Morgen lang.
Er wusste nicht was er von der momentanen...Situation halten sollte. Zarina hatte sich zwar verändert, ihr Wille war jedoch geblieben. Sie und Daryl waren aneinander gebunden und als ob das nicht reichen würde, wollten sie jetzt auch noch eine menschliche Bindung miteinander eingehen.
Warum taten sie das? Doch auch das war noch nicht genug. Auch Shana und Alec würden heiraten. Warum, wusste er nicht. Die ganzen Veränderungen machten ihm zu schaffen.
Er wollte nicht so recht glauben das Anatol zu den Bösen gehörte, dabei stand das schon längst nicht mehr zur Debatte.
„Malachy?“
Der Erzengel überhörte seinen Namen, erst als sich eine kühle Hand an seine Wange legte sah er auf. Zarina stand vor ihm. Ihr Blick verhieß nichts Gutes. Er mochte es nicht wenn man ihm zu nahe kam, weshalb er ihre Hand wegschlug. Gereizt starrte er sie an. Sie entschudligte sich jedoch nicht und straffte stattdessen die Schultern die signalisieren sollten, dass sie sich einem Erzengel gegenüber niemals so verhalten würde, wie dieser es wollte.
Nun erst bemerkte er, dass sich alle anderen Erzengel versammelt hatten und auf ihren Plätzen saßen. Zarina trat einige Schritte zurück und verneigte sich nun leicht. Vielleicht hatte sie ja doch ein wenig Respekt für die Erzengel übrig. Sie sah kurz in die Runde.
„Wie ihr sicher wisst, waren Daryl und ich für einige Tage auf der Erde. Was wir dort herausgefunden haben trägt allerdings zu aller Besorgnis bei.“, sprach sie selbstbewusst und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Malachy blinzelte. Der Vampir war gar nicht bei ihr, wie ihm nun auffiel. War das gut oder schlecht? Er hätte es für gut befunden, wäre da nicht die Tatsache das Zarinas Tonfall alles andere als beruhigend klang.
„Einige Gefallene sind verschwunden.“, fuhr sie fort. „Wie sich herausgestellt hat, steckt Anatol dahinter. Wir haben aus zuverlässiger Quelle erfahren, dass...“
Sie hielt inne, starrte zu Boden und vergoss tatsächlich eine Träne. Malachys Augen verengten sich.
„Sprich weiter, Frau!“, drängte er. Die Hände der Frau ballten sich zu Fäusten. Energisch hob sie den Kopf, um den Erzengel einen wütenden Blick zuzuschleudern.
„Wir haben erfahren, dass Anatol sich dem Teufel persönlich verschrieben hat.“
Stille. Atemberaubende Stille. Die einem jedoch eisige Kälte in die Knochen kriechen ließ.
Anatol hielt die Luft an. Sie log. Das musste eine Lüge sein! Anatol, der Anatol den er kannte wäre nie dumm genug gewesen, sich auf einen Pakt mit dem Teufel einzulassen! Auch alle anderen Erzengel zweifelten an ihren Worten. Shana schluckte schwer, auch in ihren Augen glitzerten die Tränen. Alec, der neben ihrem Thron stand ergriff ihre Hand um sie ein wenig zu trösten.
„B-Bist du sicher, Zarina?“, flüsterte sie.
Die Gefallene nickte. Noch eine Träne. Rasch wischte sie diese fort. Alle merkten, wie unangenehm ihr das war.
„Es besteht kein Zweifel. Daryl ist unterwegs um noch mehr herauszufinden. Wir haben einen Gefallenen gefunden, der sich nur knapp aus seinen Fängen befreien konnten. Wir sind in sein Gedächtnis eingedrungen und haben herausgefunden, dass...Anatol eine Armee aus Dämonen zusammenstellt, um gegen uns alle vorzugehen.“
Troy ballte ebenfalls die Hände zu Fäusten. Wieder plagten ihn Zweifel.
Malachys Augen schlossen sich. Mit Anatol war er groß geworden. Sie waren wie Brüder, immer unzertrennlich. Er musste zugeben, Anatol hatte schon immer Unsinn angestellt. Schon oft hatten alle die Befürchtung, dass er irgendwann vom rechten Weg abkommen würde. Sie alle sollten Recht behalten...
„Deswegen ist es der Traumkugel also nicht gelungen ihn aufzuspüren...“, murmelte Malachy niedergeschlagen. „Weil er nun dem Teufel dient.“
„Ist alles in Ordnung, Malachy?“, sagte Shana leise und sah den Erzengel eindringlich an.
Sie alle wussten, wie sehr die beiden sich nahe gestanden hatten.
„Gebt mir bescheid, wenn es Neuigkeiten gibt.“, antwortete er fast schon flüsternd und erhob sich.
Ohne auf eine Antwort abzuwarten verließ er den Saal. Er würde damit fertig werden müssen, ob es ihm gefiel oder nicht.
Anatol würde sterben und er durfte nicht einmal etwas dagegen unternehmen...

Daryl leerte das Glas in einem Zug. Das Brennen in seinem Hals konnte ihn allerdings auch nicht ablenken. Der Anblick seiner Frau hatte weh getan. Er wollte sie nicht noch mehr quälen und hatte ihr deshalb befohlen, ins Himmelreich zurückzukehren. Dort wäre sie nämlich sicher.
Als sie erfahren hatte das Anatol nun dem Bösen diente, wäre sie beinahe zusammengebrochen.
Er hatte die Tränen nicht aufhalten können, konnte sie lediglich in die Arme nehmen und wenigstens so ein bisschen Trost spenden. Sie wusste was zu tun war. Sie hatte ihm selbst gesagt das sie damit fertig werden müsse, doch ob ihr das wirklich gelang bezweifelte er.
Klar, sie war stark, aber so stark um ihren „Ersatzvater“ zu vergessen? Darauf hatte er keine Antwort. Die Zeit würde alle Antworten liefern.
Er sah sich um. Jonas, der gefallene Engel der sich aus Anatols Fängen hatte befreien können, hatte ihm gesagt, dass sich der ehemalige Erzengel ab und zu hier aufhielt und mit dem Teufel höchst persönlich Geschäfte machen würde. Seitdem Daryl das wusste verbrachte er jeden gottverdammten Abend in dieser Kneipe. Bisher hatte er allerdings keinen Erfolg gehabt.
Hoffentlich ändert sich das bald...

, dachte er frustriert und bestellte den nächsten Scotch.

„Äh, vielleicht kann ich helfen?“
Das leise Flüstern am Ende des Saales ließ alle aufhorchen. Jette stand in der Tür und sah schüchtern zu Boden. Viele Tage waren vergangen, vieles hatte sich verändert, doch genauso viel war geblieben. Nachdem Malachy sich zurückgezogen hatte und sich nun nicht mehr blicken ließ hatte Jette beschlossen, zu lauschen. Auch wenn sie sich dabei mies vorkam.
Shana und Alec hatten sich ebenfalls zurückgezogen und schmiedeten Hochzeitspläne, in dieser Zeit unangebracht aber nun gut. Troy war Jette die ganze Zeit über aus dem Weg gegangen, was sie zutiefst empörte, doch sie ließ sich nichts anmerken. Auch jetzt nicht, als sie seinen durchdringenden Blick spürte.
Seth neigte den Kopf.
„Das ist nett gemeint, Kleine aber ich wüsste nicht, wie du uns helfen könntest.“
Jette schnaubte und ging in die Mitte des Saales, in der auch Zarina stand, die nun die Arme verschränkte.
„Warte, Seth. Jette ist durchaus in der Lage verdammt gute Pläne zu schmieden. Ich will wissen, was sie vorhat.“
Ein füchsisches Lächeln stahl sich auf die Lippen der Gefallenen und auch Jette konnte ein kleines und geheimnisvolles Lächeln nicht verbergen. Troy musterte sie interessiert. Er hatte sie seit Tagen nicht gesehen und bereute es sofort, ihr aus dem Weg gegangen zu sein.
„Was haltet ihr davon, wenn ich mich ebenfalls unter die Menschen mische. Anatol kennt mich nicht, vielleicht hat er ja einer Vampirin Interesse? Das würde seiner Armee sicher den letzten Schliff verpassen.“
Nachdem Jette verstummt war, sprang Troy brüllend auf. Zum ersten Mal während seiner gesamten Existenz kam seine innere Bestie zum Vorschein. Die Bestie, die auch in jedem anderen Erzengel lebte und darauf wartete, eines Tages ans Licht zu dringen.
„Ich lasse nicht zu, dass du blindlings Richtung Gefahr stürzt! Schlag dir diesen Gedanken gefälligst aus dem Kopf, mein Fräulein!“, brüllte er.
Alle starrten ihn an. Zarina zog die Brauen hoch und sah zu Jette, die sich das natürlich nicht bieten ließ.
„Mein Fräulein?“, fauchte sie. „Na hör mal, nachdem du mir seit Tagen aus dem Weg gehst, liege ich wohl richtig bei der Annahme, dass du dich von mir fernhalten willst und kein Interesse hast also glaub nicht, dass ich dich dennoch Entscheidungen treffen lasse!“
Troy blinzelte. Das Ziel war es, Anatol außer Gefecht zu setzen und die beiden fingen tatsächlich einen Streit an, indem es ausschließlich um sie selbst ging?
„Was glaubst du eigentlich...“
Troy hatte bereits erneut seine Stimme erhoben, da streckte Zarina einen Arm aus und brüllte ebenfalls drauf los.
„Es reicht!“, schrie sie. Sie räusperte sich und sah den Erzengel dann entschuldigend an.
„Sie hat recht, Troy. Du hast nicht das recht ihr Befehle zu erteilen. Es bleibt ihr überlassen ob und wie sie uns helfen will.“
Silas, der Erzengel mit den schwarzen Haaren und fast schon weißen Augen, richtete seinen Blick auf Jette.
„Meine Liebe, deine Idee gefällt mir, allerdings muss dir klar sein in welche Gefahr du dich damit begibst. Ich bin sicher Troy möchte auf keinen Fall eine tote Frau riskieren.“, sprach er mit seiner beruhigenden Stimme. Wieder ein Knurren von Troy. Die Vampirin lächelte und warf Zarina einen kurzen Blick zu.
„Ich weiß. Aber die Gefahr die von Zarina ausgeht ist wesentlich größer als die, von Anatol. Glaubt mir!“
Zarina lachte leise, worauf die Erzengel sie argwöhnisch musterten.
„Was soll das heißen?“, fragte Silas, nun interessiert.
Der Erzengel mit dem ruhigen Gemüt war nicht leicht zu beeindrucken. Auch ließ ihn das meiste kalt, doch nun war seine Neugier geweckt. Er wusste das Zarina keine gewöhnliche Frau war, doch leider wusste er nicht viel über sie. Er hatte damals nur wenig von dem mitbekommen, was passiert war. Jette hustete.
„Naja...“, begann sie zögernd. „Am meisten Angst hatte ich in der Nacht, in der sie Noel getötet hat. Wäre ich ihrem Befehl abzuhauen nicht gefolgt, hätte sie mich wohl auch umgebracht.“
Nun lagen alle Blicke auf der Gefallenen. Zarinas Mund verzog sich zu einem grimmigen Lächeln.
„Betet darum, dass sie euch die Einzelheiten verschweigt.“, murmelte sie.
Kopfschüttelnd sah Troy wieder Jette an. Silas Neugier war jedoch nicht gestillt.
„Mich würde interessieren, was genau du mit diesem Bengel angestellt hast.“
Silas hatte Noel noch nie leiden können, allerdings war es nun das erste mal, dass er dies nun auch offen zeigte.
Zarina starrte den Erzengel an. Keiner der Anwesenden konnte den Ausdruck in ihren Augen beschreiben. Sie schien aus Eis zu sein, dennoch lag etwas in ihrem Blick, dass jedem hier einen Schauer über den Rücken jagte. Da Zarina schwieg sah der Erzengel nun Jette an, die ja wusste was genau mit ihm geschehen war.
„I-Ich kann und werde nicht darüber sprechen!“, flüsterte sie heiser und trat einen Schritt zurück.
„Du willst es also wissen?“, mischte sich Zarina wieder ein, deren Ausdruck dem einer Dämonin nahe kam. In ihren grünen Augen blitzte es gefährlich.
„Ich habe ihn gefoltert. Aufgeschlitzt, massakriert und ihm den Kopf abgeschlagen, den ich dann auf diesem wunderschönen Kerzenständer aufgespießt habe! Und glaube mir, es gibt nichts, was mit je so viel Spaß bereitet hat!“
Ihre raue Stimme ließ den Erzengeln das Blut in den Adern gefrieren. Die Frau war wohl doch gefährlicher als sie gedacht hatten. Es gefiel niemandem hier, was aus ihr geworden war.
„Tja, wir haben sie zu dem gemacht was sie nun ist, wir sind also selbst Schuld.“, murmelte Shana und wandte ihren Blick ab.
Zarina grinste schief.
„Gebt euch keine Schuld.“, sagte sie gelassen. „Noel ist das Ganze wohl zu Kopf gestiegen, dagegen hättet ihr nichts unternehmen können. Und nun lassst uns zum eigentlichen Thema zurückkommen.“
Zarina sah Jette an.
„Du bist dir also sicher?“, sagte sie, noch ehe ein Erzengel ein Wort verlieren konnte.
Die Vampirin nickte.
„Mir tut leid, was ich alles angestellt habe, deswegen will ich helfen.“, erklärte sie und sah ebenfalls kurz in die Runde.
Troy schnaubte mehrere male, sagte aber nichts. Am liebsten hätte er sie nun zusammengestaucht aber wenn er das tat, würde sie sicher alle Achtung vor ihm verlieren. Stumm erhob er sich, damit er sich vom Acker machen konnte. Er wollte nicht wissen wie genau sie nun vorgehen würden. Am Ende würde er ihr folgen und das wollte er vermeiden. Er würde sich nun zwar mehr Sorgen machen als ohnehin schon, doch das musste er in Kauf nehmen.
„Troy.“
Er ignorierte Zarina. Die Gefallene schüttelte lediglich den Kopf, sah ihm aber nicht nach.
„Egal. Wo willst du anfangen zu suchen?“
Sie sah Jette an, die erst nachdenklich dreinschaute und dann entschlossen das Kinn hob.
„Ich werde als erstes zu Daryl gehen, vielleicht hat er schon mehr herausgefunden. Vielleicht kann er mir ja auch sagen wo ich anfangen sollte zu suchen.“
Sofort war Zarinas Stimmung getrübt. Sie senkte den Blick und ging auf Jette zu.
„Melde dich sofort, solltest du etwas herausfinden. Und du meldest dich, wenn du in Schwierigkeiten steckst. Und vor allem meldest du dich, sollte mit Daryl etwas passieren!“, murmelte sie und klopfte ihr kurz auf die Schulter, ehe sie an ihr vorbei ging und ebenfalls den Saal verließ.

FÜNF:



„So, du willst also mehr?“
Anatol nickte leicht. Der Mann der ihm gegenüber saß jagte ihm natürlich Angst ein, doch er ließ sich nichts anmerken. Angst war etwas, dass diesem Mann gefiel und er wollte ihn auf keinen Fall glücklich machen.
„Dir ist klar, dass das etwas kostet.“, sagte Sad und grinste breit.
Anatol wusste auch, dass egal worum er bat, etwas dafür opfern musste. Seine Flügel hatte er bereits eingebüßt. Seine Seele hatte er ebenfalls verkauft. Was wollte der Kerl nun wohl haben?
„Dessen bin ich mir bewusst.“, sagte Anatol und verschränkte die Arme.
Sad seufzte und fuhr sich durch die blonden Haare.
„Meine Güte, du bist echt lästig. Also schön...“
Wieder ein Seufzen.
„Besorg mir sämtliche Informationen über Zarina und über den Vampir, der auf den Namen Daryl Callahan hört. Dann sehen wir weiter.“
„In Ordnung.“, sagte der ehemalige Erzengel und nickte erneut.
„Wir sehen uns morgen.“, sagte der Teufel und verschwand in einer, nach Schwefel stinkenden Rauchwolke.

„Es wäre besser du meldest dich bei Zarina, sie ist ziemlich schlecht drauf.“, murmelte Jette, ohne Anatol aus den Augen zu lassen. Daryl seufzte.
„Mir war klar, dass sie damit Probleme haben würde. Aber egal. Ich verzieh mich jetzt und du fängst gefälligst an zu arbeiten.“, antwortete der Vampir und leerte sein Glas.
Jette schnaubte.
„Hast du zu viel gesoffen oder warum bist du so aggressiv?“, murmelte sie und erhob sich.
Dennoch hatte er recht. Sie hatte lang genug gewartet, es wurde Zeit das sie sich ins Geschehen stürzte. Sie sah noch einmal kurz über ihre Schulter, Daryl war jedoch schon weg. Sie seufzte, hob das Kinn und streckte die Brust raus.
„Hallo, Süßer.“, sagte sie mit rauchiger Stimme und ließ sich auf dem Platz nieder, auf dem eben noch ein anderer Mann gesessen hatte. Anatol musterte sie abschätzig. Welche Absichten hatte diese Frau? Diese Frage sollte sofort beantwortet werden.
„Ich habe zufällig gelauscht. Ich...kenne dieses Miststück von Zarina und würde alles tun, um sie zu erledigen.“
Jette versuchte so feindselig wie möglich zu klingen und hoffte, dass ihr das auch gelang.
„Ich habe kein Interesse an Frauen in meiner Truppe. Aber ich bin neugierig. Was hast du mit Zarina zutun?“
Anatol klang gelassen, dennoch entging der Vampirin nicht der...seltsame Unterton. Sie wäre wohl besser vorsichtig.
„Frauen können mehr als nur kochen und putzen aber egal. Diese rothaarige Vogelscheuche hat mir schon einige male alles vermasselt aber ich höre besser auf davon zu sprechen, bevor ich die gesamte Einrichtung auseinander nehme.“
Anatol schmunzelte bei ihren Worten. Nicht nur das diese Frau eine echte Granate war, was ihr Aussehen betraf, nein, auch ihre Art gefiel ihm. Vielleicht wäre eine Vampirin unter seinen Dämonen ja doch nicht so schlecht? Das würde sicher frischen Wind bringen. Als Jette das Lächeln sah, das seine Mundwinkel umspielte musste sie an sich halten, um sich nicht ins Fäustchen zu lachen. Vielleicht wäre das doch einfacher als gedacht.
„Wie lautet dein Name, meine Teuerste?“, fragte Anatol und neigte interessiert den Kopf.
„Nenn mich Honey, Süßer.“, log sie ungeniert.
Sie würde ihren echten Namen nicht verraten, der Teufel wusste sicher wer sie war. Der Kerl kannte schließlich jeden.
„So süß bist du auf jeden Fall.“, sagte Anatol. Nun konnte er sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Er streckte die Hand aus.
„Ich bin Anatol. Aber du kannst es gerne bei „Süßer“ belassen.“, fuhr er fort.
Jette ergriff seine Hand und verkniff sich ein Würgen. Dieser Kerl war ja schlimmer als schlimm!
„Erfreut dich kennenzulernen, Anatol. Sag, was genau hast du eigentlich vor? Mir scheint...du hegst einen ziemlichen Groll.“
Die Vampirin befürchtete schon, die Sache zu schnell anzugehen, doch sie seufzte innerlich, als Anatol darauf einging.
„Weißt du...ich bin zwar ein Dämon,“, begann er flüsternd und beugte sich vor. „vor kurzem war ich aber noch ein Erzengel!“, flüsterte er noch leiser.
Jette schluckte.
Mal schauen wie mir das schauspielern liegt., dachte sie und tat so, als könnte sie gehörtes nicht glauben.
„Ein Erzengel?“, hauchte sie. „Ich wusste ja, dass es Engel gibt aber du warst wirklich ein Erzengel?“
Anatol grinste. Er kaufte ihr die Begeisterung wirklich ab!
„Ja, Honey, ich war ein Erzengel. Allerdings haben viele meine Autorität infrage gestellt. Sie haben sich gegen mich aufgelehnt und mich zu unrecht beschuldigt. Das sind nur Kleinigkeiten einer ganzen Liste aber das ist irrelevant. Ich wollte mich rächen, bin aus dem Himmelsreich geflohen und bei...jemandem gelandet, der mir weiterhelfen kann.“, erklärte er von sich selbst scheinbar ziemlich beeindruckt, wie Jette fand. Sie hätte beinahe die Augen bei seinen Worten verdreht. Es war klar gewesen, dass er sich besser ins Licht rücken würde. Doch sie kannte die Wahrheit. Sie wusste was er Zarina und Daryl angetan hatte und dafür würde er gerade stehen müssen. Nicht unbedingt jetzt aber der Zeitpunkt würde kommen.
„Wer ist dieser...jemand?“, fragte sie vorsichtig.
Vielleicht wäre auch ein bisschen Angst nicht schädlich. Wer weiß, vielleicht würde er sie ja beschützen, wenn sie sich denn gut genug anstellen würde und es nicht vermasselte.
„Du wirst ihn noch früh genug kennenlernen, keine Sorge.“, sagte er und grinste erneut.
Ein ungutes Gefühl überkam die Frau. Sie hatte nicht vor ihre Seele zu verkaufen, so wie es der Erzengel scheinbar getan hatte. Sie lächelte.

Stumm starrten sie in die Ferne. Normalerweise fingen sie sofort an zu plaudern wenn sie zusammen waren, dieses mal aber war es anders.
„Willst du mich nicht anschreien, weil ich mich deiner Meinung nach scheiße verhalten habe?“, brach Troy schließlich die Stille. Er fand es seltsam das die Frau neben ihm noch nichts gesagt hatte.
„Ein Erzengel nimmt das Wort „Scheiße“ nicht in den Mund.“, murmelte sie und schüttelte dann den Kopf.
„Nein, ich werde dich nicht anschreien. Ich weiß ja, dass du dir nur Sorgen machst. Aber ich bin mit meinen eigenen Gedanken beschäftigt, also verzeih mir wenn deine heiß geliebte Predigt ausbleibt.“
Der Erzengel musterte Zarina und lächelte schwach.
„Du machst dir auch nur Sorgen, ich weiß.“, sagte er leise.
Er wusste es. Er wusste wie sehr sich die Gefallene um ihren Verlobten sorgte.
„Was, wenn Anatol seine Beschattung bemerkt und einen Kampf anfängt? Er ist zwar kein Erzengel mehr aber immer noch genauso stark. Dämonen besitzen zwar kein himmlisches Feuer, dafür aber Höllenfeuer und das ist genauso schlimm. Eine Berührung mit diesen Flammen und es könnte Daryls Ende sein!“
Sie sprach so schnell, dass Troy ein Lachen nicht verhindern konnte.
„Süße, er kommt schon klar. Er ist ein Vampir und die sind nun mal gerissen. Hinzu kommt das er der Callahan Familie angehört und die sind erst recht hinterlistig.“, lachte er und ergriff ihre Hand.
„Er kommt schon klar, Kleines. Und wenn dem nicht so wäre, hätte Jette sich schon gemeldet.“
Zarina seufzte und nickte.
„Du hast wohl recht.“, nuschelte sie und ließ ihren Kopf gegen seine Schulter fallen. „Was genau...hat es mit der Callahan Familie eigentlich auf sich? Ihr alle habt immer von ihnen gesprochen, als wären sie etwas Besonderes.“
Troy hielt inne. Hatte Daryl seine Familiengeschichte denn nie erwähnt? Scheinbar nicht.
Er seufzte leise.
„Die Callahans sind...waren die Älteste aller Vampirfamilien. In jeder Generation gab es nicht mehr als fünf Familienmitglieder. Sobald einer starb kam ein Neuer auf die Welt. So ging es viele Jahrtausende. Bevor Gina geboren wurde, hatte Daryl noch einen Bruder, sein Name war Kylian. Er starb bei eine Attentat. Wie genau das passiert ist, ist uns allerdings unbekannt. Kurz nach seinem Tod wurde Daryls Mutter mit Gina schwanger. Bis zur Geburt eines Vampirs dauert es fast doppelt so lange wie bei einem Menschen, da sie sich sehr langsam entwickeln. Seine Mutter hat die Schwangerschaft erst im neunten Monat bemerkt, aufgrund dessen das die Entwicklung so lange dauert. Nachdem sie es bemerkt hatte war ihr natürlich klar, dass einer sterben würde. Sie hat allerdings niemandem etwas erzählt. Auch ihrem Mann nicht. Knapp drei Monate später starb Kylian schließlich. Ihr Mann hat ihr Vorwürfe gemacht, sie gefragt warum sie denn nichts gesagt habe, doch ihre Antwort kam schnell. Sie wollte nicht, dass sich alle Sorgen machten. Sie sollten auch die verbleibende Zeit so miteinander verbringen, wie sie es immer taten. Ihr Mann verstand und hörte auf in Trauer zu weilen und sich stattdessen seiner kleinen Tochter zu widmen.“
Zarina lauschte gespannt. Sie konnte gar nicht glauben was sie da hörte. Nie hatte Daryl ihr etwas über seine Familiengeschichte erzählt. Warum hatte man ihr das alles nicht schon viel eher erzählt?
Warum nicht schon, bevor sie ihren Auftrag bekam auf Daryl Acht zu geben?
„Die Geschichte ist weitaus komplizierter und verworrener, als ich bisher angenommen habe. Da steckt viel mehr dahinter, nicht wahr?“, flüsterte sie.
„Ja. Nur wir können dir die Antworten darauf geben, Kleines aber ich bezweifle, dass die anderen ebenfalls etwas dazu sagen werden. Alles hat seinen Grund, Zarina. Auch dein Auftrag auf Daryl aufzupassen war nicht nur eine Laune von uns.“, antwortete Troy. Er seufzte erneut.
„Wenn man es genau nimmt, hast du einen Eintrag im Geschichtsbuch hinterlassen. Der Tod der Callahans ist ein wirklich wichtiges Ereignis und du wirst dir sicher sein können, dass in Zukunft alle jungen Engel davon erfahren werden, wenn sie in die Schule gehen. Ebenso wie sämtliche Vampire, denen eingeflößt wird, sie sollen sich vor Engeln in Acht nehmen. Jeder wird davon erfahren.“
Sie schluckte schwer.
„Musstest du mir das sagen? Das zu wissen macht mir ein wenig Angst. Die Vampire werden sicher hinter mir her sein.“, murmelte sie.
Die Mundwinkel des Erzengels zuckten.
„Nicht unbedingt.“, begann er. „Daryls Familie war unglaublich mächtig. Bevor das neue Zeitalter begonnen hat, haben sie über unglaublich viele Länder geherrscht. Einige andere Vampirfamilien werden ihre Chance nutzen und versuchen, ihr altes Revier zu erobern. Daryl wird es alleine nicht schaffen das zu verhindern.“
Zarina rückte ein wenig von ihm ab und sah interessiert zu ihm hoch.
„Wie viele Familien gibt es eigentlich?“, fragte sie.
„Nur eine Handvoll.“, erwiderte er. „Die Callahans waren die mir einzig bekannte Familie, die nicht darauf aus war die Menschen ins Verderben zu stürzen. Sie hatten keinerlei Hintergedanken in ihrer Regentschaft, anders als die anderen Familien.“
Das verwirrte die Frau.
„M-Moment.“, stotterte sie und hob die Hände. „Willst du mir etwa sagen, dass sie nicht nur über Vampire regiert haben, sondern auch über Menschen?“
Er grinste, doch bei ihrem Gesichtsausdruck ließ auch das Lachen nicht lange auf sich warten.
„Süße, fünfundneunzig Prozent der Menschen haben keine Ahnung, dass Vampire, Engel und Dämonen existieren, natürlich haben sie auch über die Menschen regiert.“
Das machte Zarina sprachlos. Natürlich wusste sie das viele Menschen über sie nicht bescheid wussten, dennoch erkannte sie den Sinn hinter seinen Worten nicht.
„Aber wieso sollten Vampire über Menschen regieren wollen? Na gut, sie könnten sie versklaven aber...was hatten die Callahans davon?“
Troy grinste und zwinkerte.
„Schluss mit der Fragerei. Diese ganzen Geschichten verwirren dich nur.“
Sie nickte, denn er hatte recht.
„Und schon wieder wurde mir etwas verschwiegen...“, brummte sie.
Lächelnd legte der Mann den Arm um sie.
„Wenn die Zeit reif ist, wirst du mehr erfahren.“
Sie schnaubte über seine Aussprache.
„Man, du bist wirklich ein Erzengel.“, murmelte sie.
Troy spürte bereits das leichte Kribbeln, welches in der Luft lag. Zarina schien allerdings so tief in Gedanken versunken zu sein, dass sie es nicht bemerkte. Plötzlich legten sich zwei kühle Hände auf ihre Augen.
„Ich hoffe doch sehr, Troy hält dich nur im Arm um dir Trost zu spenden.“
Sie zuckte, beim Klang seiner Stimme war sie jedoch sofort aufgesprungen.
„Daryl!“, rief sie aus und fiel ihm um den Hals.
Die Wucht mit der sie sich an ihn geschmissen hatte, ließ beide zu Boden gehen. Der Vampir seufzte, legte aber seine Arme um seine Gefährtin.
„Na, hast du mich vermisst?“
„Worauf du einen lassen kannst!“, kicherte sie und küsste ihn. Sein Geschmack ließ sie jedoch ein Stück zurückweichen.
„Hast du gertrunken?“, fragte sie irritiert.
Er nickte ernst, grinste aber dann.
„Ja. Aber mach dir keine Sorgen, Alkohol hat keine Wirkung bei Vampiren.“
Das beruhigte sie ein wenig, dennoch fragte sie sich, was ihn dazu gebracht hatte zu trinken.
„Lass uns...“
Er ließ sie nicht ausreden.
„Gleich, Süße gleich. Zuerst müssen wir den Erzengeln bescheid geben.“, flüsterte er und küsste sie energisch. Sie nickte hastig und unterbrach den Kuss, um Troy anzusehen.
„Gib ihnen bescheid!“, war alles was man hörte, ehe die beiden wieder nur mit sich selbst beschäftigt waren. Troy seufzte und rief in Gedanken zu einer Versammlung auf.

Zarina drückte seine Hand. Sie liebte seinen langen Finger, die einem Pianisten hätten gehören können. Sie grinste. Schon bald würde ein Ring an seinem Finger stecken. Sie war so in Gedanken versunken, dass sie seine Worte beinahe überhört hätte.
„Anatol scheint Interesse an Jette zu haben. Und...er ist wirklich zum Dämon geworden. Er besitzt keine Flügel mehr.“
Ein Raunen ging durch den Saal.
„Dieser Idiot macht tatsächlich Geschäfte mit dem Teufel, ich kann es nicht fassen!“, fauchte Shana und schlug mit der Faust auf die Armlehne ihres Throns. Daryl blinzelte. Ihm fiel auf, dass der Thron neben Shana leer war.
„Wo ist Malachy?“, fragte er irritiert.
Sofort verstummte wieder jegliches atmen. Zarina sah vorsichtig zu ihm auf. Keiner traute sich etwas zu sagen.
„Malachy und Anatol waren wie Brüder. Er hat sich zurückgezogen.“, sagte sie leise und senkte den Blick wieder. Daryl schwieg. Er wusste nicht was er dazu sagen sollte.
„Was nun?“, fragte Alec, der wie immer neben Shana stand und ihre Hand hielt.
„Wir sind gezwungen auf Jettes Bericht zu warten. Wir geben ihr eine Woche, dann werden wir sie suchen.“, sagte Troy nachdenklich.
Das diese Worte ausgerechnet von Troy kamen überraschte alle Anwesenden.
„Du willst ihr ernsthaft eine ganze Woche geben?“, fragte Silas ungläubig.
„Sie wird zurecht kommen.“, murmelte er und starrte zu Boden.
Zarina lächelte schwach.
„Na, da das geklärt wäre, können Daryl und ich ja verschwinden.“, trällerte sie und zog den Vampir mit. Keiner der Erzengel hatte Zeit, noch etwas darauf zu erwidern.
Während die beiden durch den Gang liefen, blieb Daryl plötzlich stehen.
Fragend sah die Frau zu ihm auf. Lächelnd beugte der Mann sich zu ihr hinab.
„Geh doch schon mal vor. Ich komme gleich.“, hauchte er ihr ins Ohr.
Sie kicherte und fragte sich zwar, was er vorhatte, tat aber was er gesagt hatte und ließ ihn stehen.
Daryl seufzte und lief in die entgegengesetzte Richtung. Er lief einige hundert Meter, ehe er an einer großen Tür ankam. Er klopfte zwei mal kräftig und trat, ohne auf eine Antwort zu warten ein.
Malachy saß an einem Schreibtisch, der aus dunklem und massivem Holz bestand. War das Teakholz? Der Erzengel sah zwar nicht auf, schien aber zu wissen wer ihm da gerade einen Besuch abstattete.
„Was willst du?“, brummte er.
„Ich habe es gerade erst erfahren. Ich will wissen was genau du denkst.“, erwiderte Daryl und ließ sich unaufgedordert in einem Sessel nieder. Knurrend sah der Erzengel nun auf.
„Mach, dass du raus kommst!“
„Nein.“, sagte der Vampir stur.
Wieder ein lautes Knurren. Dennoch schien der mächtige Engel nicht mehr solche Probleme mit dem Vampir zu haben, wie zu Anfang, denn er beruhigte sich langsam.
„Anatol und ich waren, wie Zarina schon sagte wie Brüder. Wir sind zusammen aufgewachsen. Ich kann nicht glauben das er wirklich so dumm ist...“
Malachy seufzte.
„Aber er war schon immer ein Ignorant. Ich hätte wissen müssen, dass er auf die schiefe Bahn gerät.“
„Malachy.“, sagte Daryl eindringlich, worauf der Erzengel ihn ansah.
Sie waren keine Freunde, würden es auch niemals sein, dennoch sprachen sie vertraut miteinander.
„In jedem Engel steckt auch ein Teil Dämon. Ich habe es bei Zarina gesehen und auch bei einigen anderen. Sie musste sich mit dem Tod ihrer ehemaligen besten Freundin abfinden und sie muss sich damit abfinden, dass auch Anatol sterben wird. Sie tut zwar so als würde sie damit klar kommen aber ich weiß, dass sie allen etwas vor macht. Du solltest mal mit ihr sprechen, ich bin sicher sie versteht alle deine Ansichten.“
Eine Weile lang starrten sie sich einfach nur an. Dann verengten sich Malachys Augen.
„Ich bin nicht auf Freundschaft aus.“, brummte er.
„Niemand spricht von Freundschaft. Ich kann mit Zarina nicht immer über diese Dinge sprechen, sie will mir schließlich weiß machen, dass alles in Ordnung ist. Deswegen will ich, dass du mit ihr sprichst. Ich bin mir sicher das sie, nach eurem Gespräch mit diesem Thema abschließen wird.“
Wieder starrten sie sich an. Daryl glaubte Feindseligkeit in seinem Blick zu sehen, ging aber nicht darauf ein. Schließlich gab der Erzengel mit einem lauten und entnervten Seufzen nach.
„Also gut. Aber nicht jetzt.“, brummte er.
Daryl erhob sich grinsend.
„Natürlich nicht jetzt! Sie wird lange Zeit beschäftigt sein.“
Er lachte leise und zog auch schon die Tür hinter sich zu.

SECHS:



„Du kannst mich doch nicht einfach hier zurücklassen!“
Jette stemmte die Hände in die Hüften. Der dunkle Raum in dem sie sich befanden, jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Einige Fackeln hingen an den Wänden, das war dann aber auch schon alles. Nichts als verschlingende Dunkelheit. Anatol seufzte und drehte sich noch einmal zu der Frau um.
„Mach dir keine Gedanken. Du wirst nicht lange alleine bleiben.“, murmelte er und wandte sich wieder ab. Jette knurrte. Sie hatte sich in all der Zeit noch immer nicht bei Zarina und den anderen gemeldet, weshalb sie hoffte, dass sie sich nicht all zu große Sorgen machten.
„Wehe, das ist ein Trick!“, rief sie, doch er war schon verschwunden.
Einige Minuten lang lief sie auf und ab, dann drang ein stechender Geruch in ihre Nase. Sie blieb stehen, sah sich um und zuckte zurück, als plötzlich ein Mann vor ihr stand, der sie um Längen überragte.
„Na hallo, wen haben wir denn da?“, sagte dieser Mann.
Das gefährliche Grinsen auf seinen Lippen ließ Jette erschaudern. Sie schwieg und beobachtete, wie der Mann mit den aschblonden Haaren sich vor ihr verneigte.
„Mein Name ist Sadhasivan aber du kannst mich Sad nennen.“
Er ergriff ihre Hand und küsste diese dann. Wieder erzitterte sie.
„B-Bist du etwa...“
Innerlich fluchte sie über ihre Nervosität.
„Ja, Honey, ich bin der große, böse Teufel.“, unterbrach er sie.
Er lächelte charmant, wobei eine strahlend weiße Reihe Zähne zum Vorschein kam.
„W-Woher kennst du meinen Namen?“, stotterte sie unbeholfen. Nun schauspielerte sie.
„Liebes, ich weiß so gut wie alles!“, erwiderte er leise lachend.
Innerlich kicherte sie. Wenn er alles wusste hätte er wissen müssen, dass ihr richtiger Name nicht Honey war.
„D-Dann weißt du bereits, warum ich hier bin?“, flüsterte sie heiser.
Er nickte und wies mit der Hand auf einen Stuhl, der wie aus dem Nichts vor ihnen aufgetaucht war.
Wortlos nahm Jette auf dem Stuhl platz. Das behagte ihr nicht. Ganz und gar nicht. Sie fühlte sich so, als ob sie auf einem Elektroschockstuhl saß. Sad lehnte sich ihr gegenüber an einen Tisch, der genauso unbemerkt aufgetaucht war, wie der Stuhl.
„Natürlich weiß ich das.“, sagte er im Plauderton, wobei seine schwarzen Augen sie genau musterten.
„Gefällt dir, was du siehst?“
Beinahe hätte sie sich die Hand vor den Mund geschlagen. Die Worte waren ihr einfach so herausgerutscht. Sie war es gewohnt jedem Kerl schöne Augen zu machen, sie konnte sich diese Angewohnheit einfach nicht abgewöhnen. Doch nach kurzem Überlegen glaubte sie, dass sie sich ein wenig interessanter machen würde, wenn sie auch mal in die Offensive gehen würde.
Der Teufel zog überrascht die Brauen hoch.
„Kein Wunder, dass dieser Kerl so von dir angetan ist. Du bist wohl nur nervös.“, sagte er, eher zu sich selbst wie sie schätzte. Jette beschloss, nicht darauf einzugehen.
„Warum hat Anatol mich hergebracht? Was willst du von mir?“, fragte sie, ohne ein Funken Gefühl zu zeigen. Sad machte eine ausladene Bewegung mit der Hand.
„Sieh mal, Süße. Anatol ist einer meiner Gefolgsleute. Und meine Gefolgsleute dürfen nicht einfach über meinen Kopf hinweg Entscheidungen treffen. Deswegen bist du hier. Ich treffe hier die Entscheidungen, nicht Anatol.“
Zum Ende hin wurde der Fürst der Finsternis lauter, bis sich seine Stimme in einem wilden und animalischen Knurren verlor. Jette schluckte. Das Ganze konnte auch gehörig nach Hinten losgehen, wie sie nun feststellen musste.
„Schön. Und wie fällt deine Entscheidung aus?“, murmelte sie, bedacht darauf nicht nervös zu klingen. Ein leises und kehliges Lachen erfüllte den, scheinbar riesigen Saal.
„Honey, erst einmal wüsste ich gerne ein paar Dinge von dir. Woher soll ich wissen, ob ich dir vertrauen kann.“
Seine Erklärung war plausibel, ließ sie aber in Erklärungsnot geraten. Erwartungsvoll zog der Mann die Brauen hoch. Er wartete.
„Ich...“
Sie holte Luft und beschloss sich später bei Zarina zu entschuldigen.
„Ich hasse dieses Miststück von Frau und es gibt nichts uns niemanden, den ich mehr verabscheue als sie! Diese elende Heuchlerin hat fast mein ganzes Leben zersört und ich schwöre, bei meinem Leben, dass sie sich wünschen wird nie geboren worden zu sein, und zwar bevor ich überhaupt erst angefangen habe!“
Sad fing schallend an zu lachen.
„Ich nehme an du meinst Zarina!“
Er gluckste und ging zu ihr, um ihr eine Hand auf die Schulter zu legen.
„Solch ungestüme Leidenschaft, das lobe ich mir! Ich heiße dich herzlich in Anatols Truppe Willkommen.“
Er machte eine Pause, in der sein Lachen allmählich abklang.
„So gerne ich auch den Hintergrund der Geschichte erfahren will, dein Hass auf diese Frau reicht aus, um dich bestehen zu lassen.“
Im Geiste bejubelte sie sich selbst. Sie hatte es geschafft sich einzuschleusen und das, ohne Probleme.
„Du tust alles, was Anatol dir befiehlt.“, fuhr Sad fort, doch Jette bekam es kaum mit.
Zweifel übermannten sie. Eigentlich...war das zu einfach. Viel zu einfach. Wo war der Haken?
„Hast du verstanden?“
Der Teufel riss sie aus den Gedanken, doch ihr Nicken war noch immer geistesabwesend.
„Gut. Meine Befehle wirst du aber auch befolgen, ist das klar?“
Er schien ihre Grübelei gar nicht zu bemerkten. Oder er ließ sie absichtlich in dem Glauben, er würde es nicht bemerken. Wenn ja, dann war das ihr frühzeitiges Ende! Wieder nickte sie. Der Mann grinste breit und zufrieden.
„Dann wär ja alles geklärt. Du hast vierundzwanzig Stunden Zeit, dich um dich selbst zu kümmern, danach kommt Anatol dich holen. Ob du fertig bist oder nicht!“
Von einer Sekunde auf die andere befand sie sich in der Bar, in der alles angefangen hatte.

Sie rannte. Und stolperte dabei ständig über ihre eigenen Füße. Sie würde sofort Bericht erstatten müssen. Sie lief durch den langen Gang, immer Richtung Halle. Doch nachdem sie links eingebogen war und eine unscheinbare Tür geöffnet hatte, fand sie sich in einem Schlafzimmer wieder. Keuchend erstarrte sie. Nach einigen Sekunden hörte sie sogar auf zu atmen. Voller Ehrfurcht starrte sie den schlafenden Mann an. Die Frau schluckte.
Troys gebräunte Haut war sehr viel blasser als sonst, sie konnte an einigen Stellen sogar seine Adern durchschimmern sehen. Obwohl er die Augen geschlossen hatte und schlief, erkannte sie die dunklen Schatten die sich auf seiner Haut abzeichneten. War etwas passiert? Langsam, mit ausgetrecktem Arm ging sie auf das Bett zu. Wie sie diesen Erzengel begehrte! Himmel, sie würde ihr Leben geben um ihn noch einmal küssen zu können. Warum nur war er so erschöpft?
Scheiß auf den Bericht!

, dachte sie. Zuerst würde sie sich um diesen wundervollen und verdammt attraktiven Mann kümmern!

„Z-Zarina!“
Die Mundwinkel der Frau zuckten.
„Das ist das erste Mal, dass ich dich zögern höre. Oder stottern.“, sagte sie amüsiert.
Als sie die Augen öffnete stand Malachy bereits vor ihr.
„Können wir reden?“, murmelte er.
Zarina zog erst die Brauen hoch, dann kicherte sie. So sehr er auch versuchte nicht die kleinste Gefühlsregung zu zeigen, sie durchschaute ihn trotzdem.
„Du willst reden? Du redest sonst nie, bist du dir also sicher?“, sagte sie leise.
Er nickte, doch das Zucken seines Augenlids verriet ihn.
„Vielleicht...hilft es...“, nuschelte der Erzengel und ließ sich neben ihr im Gras nieder.
„Wogegen?“, fragte sie irritiert.
Malachy antwortete nicht darauf und seufzte stattdessen.
„Du hast Noel geliebt und ihn am Ende dennoch getötet. Warum?“
Sie hielt den Atem an. Warum zum Teufel wollte er darüber sprechen? Wenn Daryl davon wüsste, würde er dem Erzengel Feuer unterm Arsch machen.
„Ich habe ihn geliebt, stimmt. Aber nur wie einen Bruder. Mit seinen Taten hat er dafür gesorgt, dass aus der Liebe Hass wurde. Aber...warum willst du ausgerechnet darüber mit mir reden?“, erklärte sie ruhig und gelassen. Malachys Blick trübte sich. Er konnte nich immer nicht glauben, dass er das wirklich tat. Wie hatte es Daryl bloß geschafft, ihn zu überreden?
„Ist es mit Anatol auch so?“, hauchte er.
Er wagte es nicht sie anzusehen. Was dachte sie wohl nun von ihm?
„Malachy!“
Ihr verzweifelter Tonfall und der Schock den er heraushörte hätten ihn beinahe dazu gebracht, sie anzusehen. Doch das wäre gar nicht nötig gewesen. Behutsam fasste sie sein Kinn, um sein Gesicht in ihre Richtung zu drehen.
„Ist das eine Träne.“, flüsterte sie ehrfüchtig. So zart, als wären ihre Finger eine Feder, wischte sie die Träne fort. Sie erkannte die Angst in seinen Augen. Seine Wangen schimmerten leicht rot, scheinbar war ihm die Situation peinlich.
„Anatol war auch für mich alles, Malachy! Ich weiß was du fühlst, ich weiß es wirklich! Aber Anatol würde auch dich töten, wenn er könnte. Er würde uns alle töten.“
Sie umfasste sein Gesicht mit beiden Händen und sah ihn eindringlich an.
„Mach die Augen auf, Malachy! Wir müssen ihn beide vergessen.“
Noch eine Träne lief über seine Wange.
„Wer die Tränen eines Erzengels sieht, kann sich glücklich schätzen noch am leben zu sein.“, murmelte der Mann und schloss die Augen. Zarina lächelte und küsste ihn auf die Stirn.
„Erzähl mir von deiner Jugend.“, forderte sie und ergriff seine Hand.
Nur wenig später saßen sie lachend zusammen...

Grinsend beobachtete Daryl die beiden. Zarina war manchmal wirklich zu gutmütig! Aber das war egal. Am Anfang ihres Gesprächs hatte der Vampir noch die Zähne gefletscht. Er wollte nicht, dass seine Frau an Noel erinnert wurde. Doch seines Erachtens nach schien sie es zu verkraften. Er hätte eifersüchtig sein sollen als er ah, dass sie des Erzengels Stirn küsste, doch er war es nicht. Er wusste, dass sie immer nur ihn lieben wüde und das ließ ihn selbstgefällig grinsen. Später lachten die beiden sogar zusammen. Zufrieden zog Daryl sich zurück. Jetzt würde er sich keine Sorgen mehr um sie machen...

Was war das? Dieses komische Gefühl? Dieses Gefühl, nicht mehr alleine zu sein. Er wusste, dass er schlief, doch irgendetwas war anders. Ihm stieg ein vertrauter Geruch in die Nase. Blumig. Frisch und zugleich sinnlich. Es roch nach...Rosen und Vanille! Er wollte reagieren, doch sein Körper gehochte ihm nicht. Doch auch wenn sein Körper nicht reagierte, Reize leitete er trotzdem an sein Gehirn weiter. Irgendetwas...oder irgendjemand berührte ihn. Erst seine Wange, dann sein Kinn, seinen Hals und zum Schluss seine Brust. Ein Seufzen verließ seinen Mund. Es fühlte sich gut an. Und vor allem richtig. Doch plötzlich war dieses warme und vertraute Gefühl verschwunden. Noch ein Seufzen, dieses mal ein Enttäuschtes. Blaue Augen tauchten vor seinem geistigen Auge auf.
„Jette!“
Erneut eine zarte Berührung.
„Ich bin hier, Troy.“
Er glaubte sein Verstand würde ihn täuschen, doch als eine feingliedrige Hand seine ergriff und leicht drückte, riss er keuchend die Augen auf. Sie war hier! Live und in Farbe!
„Du bist hier!“, keuchte er und starrte sie an.
„Ja.“, sagte sie leise und lächelte warm.
Er rang nach Luft. Er war derjenige der sie gemieden hatte, doch sie verhielt sich, als hätte sie Mist gebaut und nicht er.
„Ich...Ich habe mich daneben benommen...“, begann er benommen. Jette legte ihm einen Finger auf die Lippen.
„Darüber sprechen wir später.“, erwiderte sie leise.
„Was ist mit dir passiert?“, fragte sie dann.
Troy blinzelte über ihre plötzliche Besorgnis.
„Nichts, ich...“, begann er.
Hastig schüttelte sie den Kopf. Glitzerten da etwa Tränen in ihren Augen?
„Du bist so blass wie eine Leiche! Hast Augenringe und im Schlaf gestöhnt und...“
Troy ließ ihr nicht die Gelegenheit weiterzusprechen. Er packte sie, zog sie an sich und presste seine Lippen grob und fordernd auf ihre.
Ich habe deinetwegen gestöhnt, Frau!

, dachte er.
Keuchend riss die Vampirin den Kopf zurück.
„Zum Teufel, was...“
Troy presste seine Hand auf ihren Mund.
„Ja, ich habe deinetwegen gestöhnt, Süße und jetzt sei still!“, knurrte er. „Es tut mir leid, dass ich dir aus dem Weg gegangen bin und ich bereue es! Ich ertrage den Gedanken nicht, dass du dich in Gefahr befinden könntest und ich will, dass du in meiner Nähe bleibst.“
Jette biss ihm in die Hand, damit er von ihr abließ. Es funktionierte.
„Ist dir klar, was du da gerade gesagt hast?“, hauchte sie fassungslos. Troy knurrte leise, dann packte er sie erneut, um sie in die Matraze zu drücken.
„Ich weiß nicht warum es so ist aber...“
Er hielt inne. Er wusste nicht, wie er das erklären sollte.
„Was, Troy, was?“, hauchte sie.
„Ich kann mich nicht von dir fernhalten!“, zischte er, durch zusammengebissene Zähne.
Scheinbar wollte sie nicht auf dieses Thema eingehen, denn sie schüttelte heftig den Kopf.
„Wir haben keine Zeit, Erzengel! Anatol holt mich in nicht einmal vierundzwanzig Stunden ab. Ich muss sofort Bericht erstatten!“
Das Knurren in Troys Brust wurde lauter.
„Du hast recht.“, brummte er.
Er sprang auf und schlug mit der Faust auf die Wand ein.
„Verdammt!“, brüllte er.
Jette zuckte zusammen. Warum war er jetzt so aufgebracht?
„Engel fluchen nicht.“, murmelte die Frau, fast schon schmollend. Fauchend wirbelte Troy zu ihr herum.
„Mit jeder Sekunde die ich bei dir bin, verwandle ich mich immer mehr in einen Gefallenen!“
Er hätte die Worte auch durch den ganzen Palast brüllen können, es hätte die selbe Wirkung gehabt.
Wieder zuckte sie zusammen. Da sie nicht antwortete wandte er sich wieder von ihr ab.
„Gehen wir.“, sagte er barsch und riss die Tür auf. Ohne auf eine Antwort zu warten stapfte er in den Flur hinaus.

SIEBEN:



„Was ist das?“
Anatol stöhnte innerlich. Tja, der Teufel trug seinen Namen nicht ohne Grund.
„Eine von mir angefertigte Akte mit allen Informationen über Zarina und Daryl Callahan.“, antwortete er ohne zu zögern. Ein Grinsen breitete sich auf Sads Lippen aus.
„Sehr gut. Ich hoffe doch, dass diese Informationen auch...informativ genug sind.“, sagte er.
Anatol schwieg, was den Teufel wieder aufsehen ließ.
„Du bist heute so schweigsam. Beschäftigt dich irgendetwas?“
Sonst klang Sad desinteressiert, nun aber hörte der ehemalige Erzengel eine Spur Neugier.
„Nein.“, sagte Anatol. Doch...
„Was fasziniert dich so an ihr?“, fragte der Fürst der Unterwelt und zog, nun scheinbar wirklich interessiert die Brauen hoch. Anatol neigte den Kopf. Meinte er etwa Honey?
„Na sag schon, warum willst du diese Blondine dabei haben? Gefällt sie dir etwa?“, sagte Sad nun. Der Dämon knurrte leise.
„Wenn ich eine Frau will, nehme ich sie mir einfach. Dazu brauche ich sie nicht erst in meine Truppe einzuschleusen.“, erwiderte er gereizt. Sad lachte wieder.
„Schon klar.“
Schlagartig wurde der Teufel ernst. Ein gefährliches Funkeln war in seinen schwarzen Augen zu erkennen.
„Aber du solltest aufpassen, Anatol. Mir gefällt sie nämlich auch!“, sagte er mit rauchiger Stimme.
Er kehrte dem Dämon den Rücken zu und wedelte mit der Hand.
„Während ich mir die Akte ansehe, gehst du zu Honey und klärst sie über deine Pläne auf.“, sagte er, nun wieder gelassen. Anatol nickte, uch wenn der Fürst es nicht sehen konnte und verschwand.
Grinsend begann Sadhasivan die Akte zu lesen.

„Das ist zu gefährlich!“
Schon wieder lagen alle Blicke auf Troy. Jette seufzte.
„Sieh doch, wenn ich so tue als stände ich auf seiner Seite, kann ich euch sämtliche Infos über seine Pläne geben. Seine Strategien wären sinnlos, wenn ihr davon wüsstet. Und wenn der Kampf erst begonnen hat, stellte ich mich einfach wieder auf eure Seite!“
Wie ein wildes Tier warf Troy den Kopf hin und her.
„Auf keinen Fall!“, brüllte er.
Nun seufzten auch die anderen. Zarina tauschte einen Blick mit Daryl aus.
„Ich sage das nicht gerne...“, begann sie und sah in die Runde. „aber das müssen die beiden unter sich ausmachen.“
Wieder ein entnervtes Seufzen der Erzengel. Wütend funkelten sich Troy und Jette an.
„Ich lasse nicht zu, dass...“
Troy hatte die Stimme bereits wieder erhoben, da stürmte die Vampirin auf ihn zu, um ihn zu küssen. Verwirrt und überrumpelt hob der Erzengel die Arme, um sie gleich darauf wieder fallen zu lassen. Dann hob er die Hand, um sie in ihren Nacken zu legen. Somit drückte er sie an sich. Er wusste genau was sie damit bezwecken wollte. Sollte er nachgeben? Ihre Zweisamkeit wurde jäh unterbrochen, denn mit einem lauten Knarren der Tür betrat ein weiterer Erzengel die Halle.
„Malachy!“, rief Zarina aus. Malachy lächelte schwach und sah dann Troy an, der Jette mittlerweile zucükgeschoben hatte.
„Wie können gerne auch jemand anderen schicken, Troy. Jette wurde allerdings schon von Anatol akzeptiert und das relativ schnell. Wir haben die Traumkugel, du kannst sie also im Traum kontaktieren, solltest du es vor Sorge nicht mehr aushalten.“
Troy kam sich bei seinen Worten ziemlich blöd vor. Knurrend stieß er Jette noch weiter weg, um dann aus dem Saal zu stürmen. Fassungslos sah die Blondine ihm nach.
„Der ist ja schlimmer wie ich.“, murmelte Daryl mit hochgezogenen Brauen.
„Ob er will oder nicht, wir machen es so, wie Jette sagt.“, sagte Zarina ernst und ging auf die Tür zu.
„Ich seh mal nach ihm!“, rief sie noch, ehe sie aus dem Blickfeld aller verschwunden war.

Zarina zog die Brauen hoch.
„Bist du jetzt fertig?“, fragte sie, mit einem Blick auf die komplett zerstörte Inneneinrichtung.
Troy keuchte. Sämtliche Möbel hatte er zertrümmert.
„Ich weiß nicht, was mit mir los ist.“, murmelte er und sank zu Boden. „Diese Frau bringt mich noch um den Verstand.“, fügte er hinzu und vergrub das Gesicht in den Händen. Mitleid stieg in Zarina auf. Seufzend ließ sie sich neben dem Mann auf dem Boden nieder, dabei schneidete sie sich an einem Glassplitter. Erschrocken sah sie ihre Hand an, deren Handfläche quer aufgeschlitzt worden war. Auch Troy starrte die Wunde an.
„Tut mir leid.“, hauchte er, da es schließlich seine Schuld war, dass hier überall Trümmer und Scherben herum lagen.
„Schon okay.“, erwiderte sie und ballte die Hand zur Faust, damit das Blut nicht mehr lief. Sie wollte ihn etwas fragen, kam aber nicht dazu, denn die Tür wurde aufgerissen.
„Zarina!“
Die Frau seufzte.
„Ihr seid beide gleich schlimm.“, murmelte sie.
Daryl sah sich um, wobei sich seine Augen weiteten.
„Ich rieche dein Blut, hat Troy dich...“
Zarina hob die Hand und unterbrach ihn.
„Ich habe mich geschnitten, siehst du?“
Sie zeigte ihm die Schnittwunde. Daryl kniff die Augen zusammen und ging zu ihr.
„Zeig her.“, befahl er.
Sie konnte gar nicht gehorchen, er hatte ihr Handgelenk bereits gepackt. Fragend sah sie ihn an. Tief sah er ihr in die Augen, dann, ohne Hemmungen, leckte er das Blut von ihrer Hand ab.
„Was für eine Verschwendung!“, murmelte er, als er die Blutstropfen auf dem Boden sah. Zarina ging nicht darauf ein.
„Sei so nett und lass Troy und mich für einen kurzen Moment alleine, okay?“, sagte sie leise.
Erst rührte sich der Vampir kein Stück, dann ließ er die beiden tatsächlich alleine. Nun sah Zarina wieder Troy an.
„Nimm mir meine Worte nicht übel, Süßer aber du kennst Jette genau genommen überhaupt nicht. Warum willst du sie so unbedingt schützen?“
Das traf ihn wie ein Schlag. Er kannte sie wirklich kein Stück!
„I-Ich weiß es nicht, Zarina! Wirklich nicht. Es ist so als wäre sie ein Magnet. Ich kann einfach nicht anders, ich muss ständig über sie nachdenken.“, hauchte er.
Mitfühlend legte sie ihm die Hand auf die Schulter.
„Sie ist eine Vampirin, Troy. Und Vampire sind frei. Sie können tun und lassen was sie wollen. Es steht dir nicht zu, über sie zu entscheiden.“
Troy schwieg. Er wusste doch das sie recht hatte, verdammt noch mal!
„Es ist wohl besser, wenn ich sie von jetzt an meide.“, murmelte er und erhob sich.
Zarina seufzte und schüttelte leicht den Kopf.
„Mach was du willst. Aber krieg sich selbst gefälligst unter Kontrolle!“
Mit diesen Worten ließ sie ihn zurück.

Jette hätte beinahe die Zeit vergessen. Mit Verspätung kam sie in der Bar an, in der Anatol sie abholen wollte. Er saß bereits an der Bar und kippte einen Drink nach dem anderen.
„Verzeih mir meine Verspätung.“, murmelte sie, als sie sich neben dem Mann auf einem Hocker niederließ.
„Wo warst du denn so lange?“, brummte er.
„Hatte Ärger. Nichts Besonderes.“, erklärte sie gelassen.
Mit den Fingern bedeutete sie dem Wirt, dass er zwei weitere Drinks bringen sollte.
„Sad hat Interesse an dir.“
Jette zog die Brauen hoch.
„Jeder Mann hat Interesse an mir.“, sagte sie mit zuckenden Schultern, ganz so, wie eine Honey es tat. Anatol schnaubte und kippte den Drink, der vor ihm abgestellt wurde.
„Du verstehst das nicht. Wenn Sad Interesse hat, endet das meist tödlich.“, fuhr Anatol fort.
Jette schluckte. Beruhigend war das nicht.
„Glaubst du im ernst, dass mich das interessiert?“, sagte sie stattdessen monoton.
Er schwieg, sie auch.
„Wir werden in gut einer Woche ins Himmelreich einmarschieren. Hast du irgendetwas einzuwenden?“, sagte Anatol irgendwann und sah die Frau von der Seite her an.
„Nein.“, antwortete sie trocken. Nun versnak sie in ihren Gedanken. Schon in einer Woche? Troy kam ihr in den Sinn. Sie konnte seine Sorge doch verstehen, verdammt! Aber er durfte in dieser Situation doch nicht so egoistisch sein! Er musste an seine Freunde denken und an all die anderen Himmlischen, deren Leben auf dem Spiel stand. Sie schloss die Augen. Hatte Troy sich vielleicht so sehr um sie gesorgt, dass er deshalb so krank ausgesehen hatte? Hatte er wirklich ihretwegen gestöhnt?
„Wie stark bist du, Kleine?“, riss Anatol sie aus den Gedanken.
„Stark genug, um eines Engels Flügel zu zerfetzen.“, murmelte sie. Dass das eine lüge war musste er ja nicht wissen. Sie war eigentlich gar nicht so stark. Daryl war ein Meistervampir, dessen Augen schwarz wurden. Ihre Augen verfärbten sich jedoch nur golden. Unter den Vampiren war sie ein Erwachsene, mehr nicht.
„Gut. Wie viele Kämpfe hast du schon ausgetragen?“, wollte Anatol als nächstes wissen.
„Zu viele, um sich die Anzahl zu merken.“, antwortete sie nun. Wieder eine Lüge. Im Bett hatte sie schon unzählige Kämpfe ausgetragen, ja aber ein Kampf auf Leben und Tod? Niemals! Sie war keine Kämpfernatur...
„Nun gut, ich erkläre dir wie's ablaufen wird.“, sagte Anatol und lehnte sich ein Stück zurück.
„Die schwächeren Dämonen kümmern sich um die jungen Engel, die stärkeren arbeiten sich weiter vor und die Stärksten meiner Truppe, die kümmern sich um die Erzengel. Traust du dir einen Erzengel zu?“
Jette nickte ohne zu zögern. Sie war nicht in der Lage etwas zu erwidern. Wollte dieser Kerl sich etwa die Herrschaft über das Himmelreich unter den Nagel reißen? Nun bekam sie es wirklich mit der Angst zutun. Dieser Kerl war doch verrückt!
„Und was machst du?“, fragte sie neugierig. Der Mann grinste.
„Ich nehme mir eine ganz bestimmte Person vor.“, sagte er leise.
Natürlich wusste Jette, dass er Zarina meinte. Sie grinste um ihm zu zeigen, was sie davon hielt.
Der Mann lachte leise. Somit war ihr Gespräch beendet. Nach einigen Stunden und mehreren Drinks fand Jette sich in einem Hotel wieder. Alleine. Klar, sie hätte auch ins Himmelsreich zurückkehren können, doch sie wollte niemanden dort sehen. Doch genau genommen war es sinnlos sich zu verstecken, irgendjemand würde sie kontaktieren. Eigentlich benötigten Vampire nicht viel Schlaf, doch sie hatten abgemacht, dass sie jede Nacht ein paar Stunden schlafen würde. Seufzend schloss sie die Augen. Warum nur war sie Daryl gefolgt? Hätte sie es nicht gemacht, hätte sie nun entspannen können. Es dauerte eine ganze Weile, ehe sie tief und fest schlief.

ACHT:



Troy rieb sich die Schläfen. Hier saß er nun, mit der Traumkugel in der Hand. Er musste mit ihr sprechen, doch er wollte nicht! Der Kampf stand an erster Stelle, doch würde er sich wirklich darauf konzentrieren können? Er atmete tief durch und mit einem mal, begann die Glaskugel in seiner Hand zu leuchten. Er schloss die Augen und als er sie wieder öffnete, befand er sich in einem weißen Nichts. Verwirrt sah er sich um, dann entdeckte er eine schlafende Jette, die auf dem Boden lag. Er neigte den Kopf. Dieser Anblick verschlug ihm den Atem. Diese blonden Locken, die ihr herzförmiges Gesicht umrahmten und sich bis hin zu ihren Hüften kringelten. Die roten lippen, die leicht geöffnet waren und zum küssen einluden. Alles was sie am Leibe trug war ein seidenes Hemdchen, was ihr gerade mal bis über die Scham reichte. Troy zuckte zusammen. Als ob sie seine Anwesenheit gespürt hätte, setzte sie sich keuchend auf. Hilfesuchend sah sie sich um, dann entdeckte sie ihn. Sofort hielt sie inne. Keiner konnte sagen woran es lag, doch ihr Atem wurde ruhiger.
„Du!“, sagte sie...erfreut? Oder wütend?
„Ja, ich.“, erwiderte Troy ruhig.
Er rührte sich nicht. Vielleicht kam sie ja zu ihm?
„Warum ausgerechnet du?“, flüsterte sie.
Er antwortete nicht, doch das schien sie gar nicht zu stören. Langsam stand sie auf.
„Anatol will mit seiner Truppe in gut einer Woche im Himmelsreich auftauchen. Alle sollten ausgeschaltet werden. Er selbst will sich Zarina vornehmen.“, erklärte sie gelassen.
Troys Augen weiteten sich, doch er blieb still, damit die Frau fort fuhr.
„Er hat mich gefragt, ob ich stark genug sei, einen Erzengel zu töten.“, sprach sie weiter.
„Wie ist deine Antwort ausgefallen?“, wollte Troy wissen.
„Ja.“, sagte sie leise. Dann hob sie das Kinn. „Aber ich habe gelogen.“
Der Erzengel schloss die Augen.
Das ist meine Jette!, dachte er. Moment! Seine?
„Nachdem wir...“ Sie zögerte. „einiges getrunken haben hat er mich gefragt, ob ich ihm dabei helfen will Zarina zu erledigen.“
„Hast du gelogen?“, erkundigte sich der Erzengel mit erhitztem Gemüt.
„Ja.“
Sie nickte. Auf ihren Lippen zeigte sich der Ansatz eines Grinsens.
„Jette.“, sagte Troy plötzlich.
Die Frau musste feststellen, dass sich sein Tonfall verändert hatte. Aufmerksam musterte sie ihn. Langsam kam er auf sie zu. Was hatte er vor?
„Warum hast du kein Zuhause?“
Seine geflüsterten Worte warfen sie völlig aus der Bahn. Mit allem hätte sie gerechnet aber niemals, mit solcher Neugier! Ihr Mund wurde trocken und sie schluckte mehrmals. Sie war nicht in der Lage zu antworten. Als er bei ihr ankam, berührte er vorsichtig ihr Gesicht mit beiden Händen.
„Ich bitte dich, vertrau mir! Bitte!“, flüsterte er. Eindringlich sah er sie an.
Tränen sammelten sich in ihren Augen. Konnte sie diesem Mann wirklich vertrauen?
„Es...Es hat mit meiner Vergangenheit zutun.“, flüsterte sie.
Sie legte sich die Hand auf den Mund, um die aufsteigenden Schluchzer zu unterdrücken. Troy zog sie in seine Arme, was in ihr eine Welle der Geborgenheit auslöste. Ohne sich dessen wirklich bewusst zu sein umschlang sie ihn mit den Armen und begann zu schluchzen. Der Erzengel begriff, dass sie einschneidene Momente in ihrem Leben erlebt haben musste.
„Hast du je mit jemanden darüber gesprochen?“, sagte er leise und strich ihr übers Haar. Sie schüttelte den Kopf an seiner Brust.
„Nein.“, schniefte sie. Langsam löste sie sich von ihm.
„Ich...bin vor langer Zeit von Zuhause abgehauen.“, flüsterte sie und sah dabei zu ihm auf. Troy ließ sich auf den Boden sinken und ergriff Jettes Hand, damit sie es ihm gleich tat. Dann zog er sie zwischen seine Beine.
„Warum?“, fragte er vorsichtig. Er wollte sie nicht drängen, wollte dafür aber ihre Geschichte hören. Wieder schluchzte sie einige male, doch nach kurzer Zeit beruhigte sie sich wieder.
„Vertrau mir, Süße! Du kannst mit mir über alles reden, niemand wird etwas erfahren.“
Seine ruhige Stimme ließ sie tatsächlich Vertrauen fassen. Ihre Pupillen vergrößerten sich. Sie lehnte den Kopf an seiner Schulter und schloss die Augen, damit sie ihn nicht ansehen musste.
„Zu aller erst mal, bin ich eine geborene Vampirin. Meine Eltern waren Meistervampire, ich hingegen bin nur eine Erwachsene unter den Vampiren. Eine normal Starke. Leider sahen das meine Eltern anders. Sie waren der festen Überzeugung, dass ich zu höherem berufen war. Sie wollten aus mir ebenfalls eine Meistervampirin machen, unabhängig von meinem Alter. Sie haben angefangen mich zu trainieren, mich Kämpfe bestreiten lassen. Leider hatten sie zu viel Hoffnung in mich gesetzt. Nicht eine der Trainigseinheiten hat Wirkung gezeigt. Immer bin ich zusammengebrochen. Nicht einmal gelang es mir, mich zur Wehr zu setzen. Meine Eltern wurden strenger. Irgendwann fingen sie an...mich zu schlagen. Es wurde immer schlimmer. Sie misshandelten mich auf brutalste Weise. Folterten mich sogar! Ich habe es nicht mehr ausgehalten. Habe mich monatelang vorbereitet und sie...umgebracht. Ich hatte Hilfe von einigen Freunden, allerdings haben sie sich danach nie wieder gemeldet. Ich habe mich aus dem Staub gemacht. War seitdem nicht einmal Zuhause. Wobei ich zu gerne wüsste, was aus unserem Haus geworden ist...Ich hatte keine Kindheit. Ein junges Leben war von Gewalt geprägt...“
Troys Arme hatten sich immer fester um Jettes zitterndenden Leib geschlossen. Er war sprachlos. Sprachlos und von Trauer überwältigt.
„Ich kann spüren, dass du dir an allem Schuld gibst.“, sagte er leise und rückte sie so zurecht, dass er sie ansehen konnte. Nun sah er, dass sie weinte.
„Hey, dich trifft keinerlei Schuld. Deine Eltern waren zu egoistisch um dich so zu akzeptieren, wie du bist!“
Er wischte die Tränen fort und küsste sie auf die Stirn. Sie schmiegte sich an ihn, froh darüber endlich jemanden zu haben, mit dem sie darüber reden konnte.
„Frauen sind nicht fürs kämpfen geschaffen. Solch sinnliche Wesen sind für uns Männer gedacht, nicht für einen Kampf.“
Seine Worte brachten sie zum lächeln.
„Hattest du je eine Frau an deiner Seite?“, fragte sie leise.
Er schüttelte den Kopf.
„Nein. Ich war mein ganzes Leben lang alleine, weißt du? Ich habe meine Eltern nie kennengelernt. Bis vor kurzem hatte ich auch keine Freunde. Ich hatte keine Ahnung von Liebe oder Freundschaft und bin aus diesem Grund ein Erzengel geworden.“
Mit großen Augen sah sie ihn an.
„Dann hattest du es ja viel schlimmer als ich!“, hauchte sie fassungslos.
Troys Stirn legte sich in Falten.
„Bist du sicher? Ich war es gewohnt alleine zu sein, es hat mir nichts ausgemacht. Du dagegen musstest Schmerzen erleiden!“
Darauf wusste sie nichts zu erwidern.
„Ich dachte Erzengel werden geboren.“, murmelte sie dann.
Wieder zog er die Brauen hoch.
„Wie kommst du darauf?“
Sie zuckte mit den Schultern.
„Ich weiß nicht. Man kann es sich halt gut vorstellen.“, sagte sie.
Der Erzengel lächelte.
„Nein. Erzengel werden nach strengen Kriterien ausgewählt. Meist werden schon junge Engel im Auge behalten, damit passende Eigenschaften sofort erkannt werden.“, erklärte er.
„Muss man ein Erzengel werden? Oder kann man auch ablehnen?“, fragte sie.
„Man muss es nicht machen.“, sagte er leise.
Er ahnte was kommen würde.
„Warum hast du dazu ja gesagt?“, flüsterte sie.
„Weil ich nichts und niemanden hatte. Es gab eine Zeit, in der ich mir echt nutzlos vorkam. Mit der Aufgabe als Erzengel hatte mein Leben endlich einen Sinn.“
Seine monotonen Worten verursachten bei ihr Gänsehaut. Sie ließ den Kopf gegen seine Brust fallen und schloss die Augen.
„Wer hätte gedacht, dass auch Engel es schwer haben?“

Nachdenklich starrte er in den Himmel. Fühlte sich so Freundschaft an? Es war ein angenehmes Gefühl! Mit jemandem einfach über solche Dinge zu sprechen war unglaublich befreiend! Er wurde aus den Gedanken gerissen, denn eine eigenartige Energie machte sich in der Luft bemerkbar.
„Malachy!“
Diese Stimme. Langsam erhob er sich. Woher kam diese Stimme? Dieser Klang kam ihm bekannt vor!
„Malachy!“
Hastig ließ er den Blick schweifen. Er konnte jedoch nichts entdecken. Ein kalter Lufthauch hinter ihm ließ ihn herumwirbeln. Und erstarren.
„Mutter!“, flüsterte er.
Die Frau ihm gegenüber zeigte ein schwaches und trauriges Lächeln.
„Hallo, mein Sohn.“, erwiderte sie.
Malachy musterte sie. Hunderte von Jahren hatte er sie nun schon nicht mehr gesehen. Natürlich hatte sie sich in dieser Zeit verändert. Sehr sogar. Doch leider nicht zum Guten. Ihre langen braunen Haare wirkten strohig und verknotet. Ihre karamellfarbenen Augen hatten jeglichen Glanz verloren. Ihre Haut war faltiger geworden. War blass, fast schon durchscheinend. Ihre Wangen waren eingefallen, ihr ganzer Körper dürr geworden. Flügel besaß sie keine mehr.
Einst hatte er sie entführt. Er, den er bald vielleicht schon wiedersehen würde.
„Gott, was ist aus dir ein hübscher Mann geworden.“, hauchte sie mit brüchiger Stimme und hielt sich die Hand vor den Mund. Beinahe wäre er in Tränen ausgebrochen.
„Was machst du hier, Mutter?“, flüsterte er und schritt langsam auf die durchscheinende Frau zu.
„Ich bin gekommen, um mich von dir zu verabschieden, Malachy.“, sagte die Frau, deren Namen Alaine lautete.
„Was soll das heißen?“
Adrenalin wurde durch die Adern des Erzengels gepumpt. Er hatte so viele Fragen, doch er sah seiner Mutter an das nicht viel Zeit blieb. Sie wurde ernst.
„Anatol wird in einer Woche mit seiner Truppe hier auftauchen.“
Malachy schüttelte den Kopf.
„Aber was hat das mit dir zutun?“, fragte er verwirrt.
Der Blick der Frau trübte sich.
„Ich zweifele nicht daran, dass ihr siegen werdet. Doch sobald Anatol stirbt verschwindet der Fluch, der auf mir lastet. Allerdings bedeutet das, dass ich...“
Sie hielt inne, dann rannen ihr Tränen über die Wangen. Der Erzengel begriff sofort was sie meinte.
„Wie viel Zeit bleibt dir, ehe jemand bemerkt, dass du Kontakt mit mir aufgenommen hast?“, fragte er schnell.
„Ich weiß nicht. Vielleicht ein paar Minuten.“, sagte sie.
Malchy machte noch einen Schritt.
„Was ist das für ein Fluch? Und was hat Sadhasivan dir angetan?“
Seine Verzweiflung trieb ihr erneut Tränen in die Augen.
„Ich weiß nicht was für ein Fluch es ist. Wenn ich mich zu weit von ihm entferne, werde ich immer schwächer. Es ist so als könnte ich ohne ihn nicht...leben.“
Malachys Kehle schnürte sich zu. Alaine fuhr fort.
„Hör zu, mein Schatz. Erzähl mir, wie es dir geht und was du so machst. Das ist so viel schöner als über das zu reden, was mir alles widerfahren ist.“
Ihre Stimme wurde wieder brüchig, was Malachy schlucken ließ.
„I-Ich bin ein Erzengel, Mutter! So wie du!“, sagte er stolz und zwang sich zu einem Lächeln.
Wieder legte sie sich die Hand auf den Mund.
„Du...Du bist wirklich ein Erzengel?“, wisperte sie.
Er nickte.
„In all den Jahren, in denen du fort warst, habe ich alles getan um zu beweisen, dass ich so wie du ein großartiger Erzengel sein kann.“
Ein Schluchzen stieg in ihrer Kehle auf.
„Mein Junge, du bist auch so ein großartiger Engel, dazu muss man doch kein Ratsmitglied sein!“, hauchte sie und lächelte ebenfalls schwach.
„Es war dir zu ehren, Mutter.“, flüsterte er.
Nun konnte sie sich nicht mehr zusammenreißen. Sie begann zu schluchzen und beinahe gaben auch ihre Knie nach. Sofort war ihr Sohn bei ihr, um ihr wieder auf die Füße zu helfen.
„Malachy.“, flüsterte sie. „Du ahnst ja gar nicht, wie sehr ich dich liebe!“
Er hatte immer noch so unzählig viele Fragen, doch er behielt sie für sich. Er wollte den Moment nicht zerstören.
„Ich liebe dich auch, Mutter!“
„Alaine!“
Malachy sah sich um. Die Stimme die er hörte schien aus dem Hintergrund zu kommen und nicht präsent zu sein. Sie kam ihm ebenfalls bekannt vor, doch er kam nicht auf den Namen der Person.
„I-Ich muss los.“, flüsterte Alaine und sah ihren Sohn fast schon verzweifelt an.
Er nickte, mit Tränen in den Augen.
„Ich bin so froh dich wieder gesehen zu haben.“, hauchte er und umarmte sie.
Sie wollte etwas erwidern, doch es war zu spät, sie hatte sich bereits in Luft aufgelöst.

„Ach, wir wissen es selbst nicht. Ich habe ein wenig Angst davor von Anatol unterbrochen zu werden. Schon die Vorstellung davon jagt mir einen Schauer über den Rücken. Aber lange halte ich es nicht mehr aus, wir sind schließlich schon eine Ewigkeit lang verlobt.“
Zarina starrte nachdenklich auf ihre Füße, die immer abwechselnd in ihr Blickfeld traten.
Shana neben ihr kicherte.
„Weißt du was, wir feiern einfach eine Doppelhochzeit, dann sind alle zufrieden.“
Ihr Aufmunterungsversuch funktionierte. Zarina stimmte in ihr Lachen ein. Plötzlich bemerkten sie einen geflügelten Mann, der auf dem Boden hockte. Weinte er etwa?
„Malachy!“, stieß Zarina entsetzt aus und ging in den Laufschritt.
Shana folgte ihr und verfiel dabei fast schon in Panik, denn je näher sie kamen desto deutlicher wurde, wie verzweifelt Malachy sein musste.
„Malachy, was ist denn?“, hauchte Zarina und ging in die Knie.
Sie legte dem Erzengel eine Hand auf die Schulter und hob mit der anderen sein Gesicht an, damit er sie ansah. Tränen strömten über seine Wangen. Er keuchte und es schien, als würde er durch sie hindurch sehen.
„Ist etwas passiert?“, sagte sie leise.
Shana stellte sich neben sie und schlug sich die Hände vor den Mund.
„Malachy!“, stieß sie schockiert aus.
Noch nie hatte sie den Erzengel so gesehen. Weder weinend, noch auf dem Boden kniend.
„Um Gottes willen, Malachy!“, keuchte sie.
Zarina wischte seine Tränen fort.
„Bitte, sprich mit mir.“, sagte sie leise.
„M-Meine Mutter. Sie war hier!“, flüsterte er und sah sie nun erst an.
Shana stieß ein Zischen aus, stieß die Gefallene zur Seite und kniete sich dann hin, um dem Erzengel bei den Händen zu fassen. Zarina kannte seine Mutter nicht und wusste auch nicht was geschehen war, weshalb sie sich bedeckt hielt und im Hintergrund blieb.
„Bist du dir sicher?“
Shana war verwirrt. Seine Mutter war vor Hunderten von Jahren vom Teufel höchstpersönlich entführt worden. Seitdem hatten sie sie nie wieder gesehen. Das sie nun wieder aufgetaucht sein soll war höchst unwahrscheinlich. Andererseits war Malachy so aufgelöst, dass es schwer war ihm nicht zu glauben. Wütend starrte der Erzengel sie an.
„Glaubst du, ich würde meine Mutter nicht erkennen?“, knurrte er.
„Er sagt die Wahrheit?“, sagte Zarina leise und trat wieder näher heran.
Mochte sein, dass sie nicht wusste was geschehen war, doch sie kannte Malachy inzwischen ziemlich gut.
„Was hat sie gesagt, Malachy?“, fragte sie vorsichtig.
Der Blick des Mannes richtete sich auf sie.
„Anatol und seine Truppe werden in einer Woche hier sein. Sie glaubt, dass Sadhasivan auch kommen wird. Und wenn er einmal tot ist, dann...wird sie auch sterben!“, murmelte er.
Zarina verstand nur die Hälfte von dem was er sagte. Shana verstand allerdings alles.
„Soll das heißen...“
Shana hielt inne und zog Malachy in die Arme. Das tat sie zum ersten mal...
„Er hat sie mit einem Fluch belegt?“, flüsterte sie.
Er nickte, Shana sah über ihre Schulter.
„Geh mit ihm in sein Zimmer und sprich mit ihm. Ich werde den anderen bescheid geben.“, sagte sie leise. Zarina nickte, fasste Malachy bei den Händen und zog ihn auf die Beine.
„Na komm.“, murmelte sie und zog ihn mit.

NEUN:



Eilig lief er durch den Gang. Er musste sich beeilen, er hatte zu viel Zeit mit Jette verbracht. Nachdem er die Tür zum Saal aufgestoßen hatte, hielt er irritiert inne. Niemand war hier. Außer Shana und Alec.
„Wo sind denn alle?“, fragte er verwirrt.
Shana schnaubte und warf Troy einen wütenden Blick zu.
„Wo warst du denn so lange?“
Der Erzengel machte eine Geste.
„Verzeihung, ich habe die Zeit vergessen. Aber wie dem auch sei, Anatol wird in gut einer Woche mit seiner Truppe hier sein.“
Shana und Alec schnaubten.
„Das wissen wir schon längst, du Schnarchnase.“, murmelte Alec.
Shana hätte bei Troys Anblick beinahe angefangen zu lachen, doch sie riss sich zusammen.
„Alaine war hier. Malachy hat gesagt, sie wüsste einiges.“
Troys Augen weiteten sich.
„Was soll das heißen, Alaine war hier? Das ist unmöglich!“, murmelte er.
Shana und Alec tauschten einen Blick aus.
„Das dachten wir auch.“, fuhr Shana fort. „Aber wenn du uns nicht glaubst, kannst du gerne mit Malachy selbst sprechen. Er ist in seinem Zimmer. Zarina ist...“
Troy hatte den Saal bereits verlassen und hörte Shanas restlichen Worte nicht mehr.
Es dauerte nur wenige Sekunden, ehe er Malachys Zimmer erreicht hatte. Er trat ohne zu Zögern ein und zog überrascht die Brauen hoch als er sah, dass Malachy auf dem Bett lag, Zarina neben ihm und seine Hand hielt.
„...aber sie sah so aus, alls hätte es ihr nicht gefallen.“
Er schüttelte den Kopf. Er hatte keine Ahnung worum es da ging und er wollte es auch gar nicht wissen. Er räusperte sich, worauf ihre Aufmerksamkeit ihm galt.
„Troy. Du bist zurück!“, sagte Zarina und lächelte.
„Malachy.“, sagte Troy und machte einige Schritte. „Alaine war hier?“, flüsterte er dann und beobachtete, wie sich der Blick des Erzengels augenblicklich trübte.
„Ja. Sie war hier.“, murmelte er und schloss die Augen.
„Wie geht es dir?“, wollte Troy als nächstes wissen.
„Es könnte besser sein. Aber danke, der Nachfrage.“, antwortete er.
„Ich lasse euch beiden mal alleine.“, sagte Zarina.
Schon war sie verschwunden.

Nachdenklich starrte Jette den Wodka an. Sie hatte nie etwas für Alkohol übrig gehabt, doch seitdem sie Anatol kannte hatte sich das irgendwie geändert. Sie hing ständig in dieser Bar herum.
Doch neute nicht ohne Grund. Sie hatte sich verletzlich gefühlt, weil Troy über ihre Vergangenheit bescheid wusste, doch dieses Gefühl hatte sich verflüchtigt als er von seinem bisherigen Leben erzählt hatte. Sie wusste nicht was schlimmer war. Die täglichen Schläge die sie einstecken musste oder die Einsamkeit, die Troy sein ganzes Leben lang hatte ertragen müssen.
Sie hob das Glas an die Lippen. Sie wusste nicht warum es so war, doch durch diesem Austausch vertraute sie ihm! Sie hatte sich in seinen Armen sicher und geborgen gefühlt. Er war wie eine Mauer, die nur errichtet worden war um sie zu beschützen. Ihre Mundwinkel zuckten. Er schien ihr ebenfalls bedingungslos zu vertrauen. Sie hatte die Leere in seinen Augen gesehen. Diese Angst wollte sie ihm nehmen, doch konnte sie das überhaupt? Mit ihrer geschundenen Seele sollte sie dazu gar nicht in der Lage sein.
Jette leerte das Glas in eine Zug. Eine Ewigkeit lang hatten sie geredet. Beide hatten sie Trost gesucht. Und gefunden! Schmerz machte sich in ihr breit.
Sie wollte zu ihm! Ohne ihn war sie verloren...

Leise knurrend kaute er auf dem Nagel seines Daumens.
Es war ein Jammer das ihre Eltern tot waren. Nun hatte er nichts mehr gegen sie in der Hand. Sämtliche Informationen über sie waren nutzlos. Und die, des Vampirs waren auch nicht hilfreich. Erst hatte er vor, den Vampir auf seine Seite zu ziehen. Doch das hatte dieser Noel auch schon versucht. Er war gescheitert. Sie hatte ihn umgebracht und wie es das Schicksal wollte diesen Vampir von sich überzeugt. Sehr zu seinem Bedauern.
Das Knurren in seiner Brust wurde lauter. Die beiden würde nichts mehr auseinander bringen. Selbst der Tod nicht. Würde einer von ihnen sterben, würde der andere sein Leben ebenfalls sofort beenden und das ohne zu zögern. Er kaute weiter auf seinem Fingernagel herum.
Es musste einen Weg geben dieser Frau weh zu tun! Eine gefühlte Ewigkeit lang dachte er darüber nach, doch ihm fiel nichts ein weshalb er beschloss, sich abzulenken.
„Alaine!“, rief er.
Nur nach wenigen Sekunden tauchte die dürre Frau in der Tür auf.
„Ihr habt gerufen, Herr?“, murmelte sie und schritt auf den Mann zu.
Ein Grinsen breitete sich auf Sads Lippen aus.
„Du hast mir gar nicht gesagt, dass du wieder Kontakt zu deinem Sohn hast.“, sprach er, fast schon zu gelassen.
Ein Schauer überlief ihren ausgemergelten Körper. Auf der Stelle fiel sie vor ihm auf die Knie.
„Ich habe keinen Kontakt zu ihm.“, wisperte sie.
„Ach nein?“, erwiderte der Fürst und zog eine Augenbraue in die Höhe. Er lachte leise und wedelte dann mit der Hand, worauf sich die Luft vor ihnen manifestierte. Ein Bild tauchte in der milchigen Luft auf. Es zeigte Malachy und Alaine, sich gegenseitig in den Aren haltend.
Beschämt senkte die kniende Frau den Blick.
„Es war nur ein Abschied.“, flüsterte sie.
Sad neigte den Kopf.
„Ein Abschied? Aber wieso denn?“
Sein Tonfalls verhieß nichts Gutes, dass wusste sie. Es war eine trügerische Stille. Eine unbeschreibbare Sanftheit, die doch einen gefährlichen Unterton erkennen ließ.
Alaine atmete tief durch, ehe sie antwortete. Ob sie folgende Worte wohl bereuen würde?
„Du hast mir damals ja keine Zeit dazu gelassen.“, antwortete sie.
Sad neigte den Kopf. War da etwa eine Spur Sarkasmus? Aufgrund ihres Mutes lachte er nur leise und beließ es dabei.
„Wie dem auch sei, ich werde mir die Zeit ein wenig unter den Menschen vertreiben. Wehe du kommst auf die Idee deinem Sohn noch einmal einen Besuch abzustatten!“
Mit erhobenem Finger sah er sie eindringlich an. Sie nickte und wusste, dass er es eh herausfinden würde, wie er eben bewiesen hatte.
„Gut.“, sagte er noch, ehe er sich erhob und von nun an nicht mehr beachtete.
Ohne einen Gedanken an sie zu verschwenden ließ er Alaine zurück.

„Beschäftigt dich etwas?“
Alaine hob den Blick und sah Tareq an, der sie besorgt musterte. Sie seufzte.
„Ich...war bei meinem Sohn.“, sagte sie leise, worauf sich die Augen des Dämons weiteten.
Tareq stand fast am Ende der Rangordnung. Als niederer Dämon erfüllte er Sad jeden Wunsch ohne zu zögern. Der Teufel ließ ihn jedoch hauptsächlich die anderen Dämonen versorgen. Er besorgte ihnen das Fressen. Blut und Fleisch. Beides von Menschen. In all er Zeit wo Alaine nun schon hier war, war er zu ihrem besten Freund geworden. Ihm konnte sie alles erzählen, ohne Sorge haben zu müssen verpfiffen zu werden.
„Malachy?“, hakte der Dämon mit den braunen, zerzausten Haaren nach. Aufmerksam musterten seine stahlgrauen Augen sie. Alaine nickte.
„Du bist dieses Risiko eingegangen? Warum?“
Natürlich verstand der Mann sie nicht. Er war ein Dämon, er wusste nicht was es hieß, ein Kind zu haben, für das man alles tun würde. Selbst sein Leben geben!
„Ich habe ihn seit Jahrtausenden nicht mehr gesehen, Tareq. Ein Krieg steht bevor und wenn...Sadhasivan wirklich sterben sollte, werde auch ich sterben.“, murmelte sie.
Tareqs Blick trübte sich. Er wusste das die Frau vor ihm mit einem Fluch vom Teufel belegt wurde. Und er wusste auch, dass sie sterben würde, täte er es.
„Psst, nicht so laut!“; zischte der Mann und hielt sich den Finger vor die Lippen. „Was, wenn er dich hört?“
Die Frau lächelte schwach.
„Keine Sorge, er ist nicht da. Hat sich unter die Menschen gemischt. Wenn er hier gewesen wäre hätte ich diese Worte niemals ausgesprochen.“
Nachdem sie verstummt war klangen ihre übrigen Worte in seinen Ohren nach.
„Was meinst du mit „ein Krieg steht bevor“?“, hakte er nervös nach.
Diese Wort löste bei ihm jedes mal eine Gänsehaut aus, wenn er es hörte. Er wusste nicht warum es so war.
„Anatol ist auf Rache aus und baut eine Armee auf, mit der er die Engel bekämpfen will.“, murmelte sie geistesabwesend. Sie war zu sehr in Gedanken versunken um sich jetzt mit Tareq ausführlich darüber zu unterhalten. Was war Malachy nur für ein hübscher Mann geworden!
Er war groß geworden, muskulös und...attraktiv! Über all das freute sie sich, nur eine Sache ließ sie erschaudern. Seine braunen Augen, die vor unzähligen Jahren nichts als pure Lebensfreude ausgestrahlt hatten, waren glanzlos geworden. Trübe hatten sie ihr entgegen geblickt.
Er war als hätte er...seine Gefühle verloren. Sie konnte nicht glauben, dass er zum Erzengel geworden war. Und das nur ihretwegen! Was in Gottes Namen hatte ihn nur dazu getrieben?
Ihre Augen schlossen sich. Wie sehr wollte sie ihn noch einmal in ihre Arme schließen, ihm sagen wie sehr sie ihn liebte und das sich daran auch nie etwas ändern würde!
Als sich ihre Augen wieder öffneten, richteten sie sich wieder auf Tareq, der sie still schweigend eingehend musterte.
„Tareq.“, begann sie leise. Bittend, ja fast schon flehend sah sie ihn an. „Ich bin zwar in der Lage meinen Geist durch die Welten schreiten zu lassen aber es muss noch eine andere Möglichkeit geben mit meinem Sohn in Kontakt zu treten. Eine Möglichkeit, die keine Schwachstellen hat. Er darf es nicht erfahren! Er würde Malachy nur töten, nur um mich leiden zu sehen.“
Dem Dämon war klar geworden das die Erzengel Sadhasivan töten würden, sollte er sich tatsächlich im Himmelsreich blicken lassen. Doch das wäre auch ihr Ende. Wenn wirklich ein Krieg bevor stand musste sie damit rechnen, bald zu sterben. Natürlich wollte sie diese Zeit nutzen.
Der Mann dachte einen Augenblick lang nach.
„Du weißt, dass ich von solchen Dingen keine Ahnung habe aber vielleicht kann Lars helfen.“
Alaine blinzelte. Lars war unberechenbar, doch sie wusste, dass er mit seinen unglaublichen Fähigkeiten er Einzige war, der ihr helfen konnte. Und wenn Tareq dabei war, würde sie ihm auch vertrauen.
„Wo befindet er sich gerade?“, fragte sie hastig.
„Das ist die Frage.“, murmelte Tareq und griff nach Alaines Hand.

„Hallo, Kleines.“
Jette erschrak und zuckte merklich zusammen. Die Unmengen Alkohol in ihrem Blut hatten sich langsam bemerkbar gemacht, ihre Reaktionszeit ließ zu wünschen übrig. Sie trank normalerweise so gut wie gar nichts, vielleicht war das der Grund weshalb sich trotz ihrer dämonischen Abstammung der Alkohol bemerkbar machte.
Langsam drehte sich ihr Kopf. Ihre Augen erfassten einen muskulösen Mann mit blonden Haaren und tiefschwarzen Augen, doch es dauerte einen Augenblick bis sie begriff, dass es Sad war, der da neben ihr saß.
„Du.“, murmelte sie und wandte ihren Blick wieder von ihm ab.
Er lachte leise und beugte sich vor, um ihr Kinn zu fassen und ihr Gesicht wieder in seine Richtung zu drehen.
„Du bist ja betrunken.“, sagte er mit einem breiten Grinsen auf den Lippen.
„Na und?“, nuschelte sie und hielt dann inne. Sie konnte seinen Atem im Gesicht spüren. Und seine Lippen, die ihren immer näher kamen entgingen ihr auch nicht. Sie schlug ihn mit der flachen Hand.
„Schwein.“, fauchte sie.
Das Lachen des Fürsten wurde lauter. Einen Versuch war es wert gewesen.
„Ich warne dich, Honey.“, sagte er zuckersüß lächelnd und sah sie eindringlich an. „Wehe du übertreibst es! Anatol kann keine betrunkenen Frauen in seiner Truppe gebrauchen!“
Ein Schauer überlief sie. Sie hatte die Drohung, obwohl sie dicht war, klar und deutlich verstanden.
„Kommt nicht wieder vor.“, nuschelte sie nun und schloss die Augen. Er sollte sie in Ruhe lassen!
Sad schnaubte. Und verschwand tatsächlich!

Troy starrte an die Decke. Stundenlang hatten Malachy und er geredet. Er konnte noch immer nicht glauben was der Mann ihm erzählt hatte. Er hatte so verzweifelt gewirkt, er musste die Wahrheit gesagt haben. Er fragte sich wie Alaine es geschafft hatte sich den alles sehenden Augen des Teufels zu entziehen, doch Malachy hatte ihm erklärt das es ihr möglich war, sich mit ihrem bloßen Geist durch sämtliche Welten zu bewegen. Das sich ihr Geist auch manifestieren konnte, hatte er wie selbstverständlich erwähnt.
Troy schloss die Augen. Er war nicht annähernd so alt wie Malachy, doch er kannte ihn lange und gut genug um zu wissen, dass er eine schöne und vor allem fröhliche Kindheit hatte. Auch ohne Vater. Doch seine schöne Kindheit wurde zerstört. Seine Mutter war neugierig, hatte sich auf die Erde begeben. Das sollte der größte Fehler ihres Lebens bleiben. Sie fiel dem Fürst der Finsternis in die Hände. Seitdem hatte sie nie wieder jemand auch nur gesehen.
Das Knarren seiner Tür ließ ihn aufhorchen. Er dachte es wäre Zarina, weshalb er die Augen geschlossen hielt, doch die schlurfenden Schritte irritierten ihn. Zarinas Schritte waren nie zu hören.
Als sich plötzlich eine zierliche und dennoch kurvenreiche Gestalt an seine Seite schmiegte, riss er irritiert die Augen auf. Jette starrte ihn an.
Ruckartig setzte er sich auf, denn der schreckliche Gestank der in seine Nase drang löste beinahe ein Würgen bei ihm aus. Er musterte die Frau. Er erkannte die Pupillen in ihren schwarzen Augen nur schlecht, doch er wusste, dass sie riesig sein mussten.
„Nimm mich in den Arm.“, flehte sie.
Er musste sich anstrengen um sie zu verstehen, denn sie nuschelte so sehr, dass die Worte beinahe miteinander verschmolzen. Troy kniff die Augen zusammen, beugte sich vor und packte mit groben, ja schmerzhaftem Griff ihr Kinn.
„Du bist sturz besoffen!“, knurrte er.
„Du tust mir weh!“
Sofort ließ er sie los. Natürlich wollte er ihr nicht weh tun! Er neigte den Kopf und starrte sie an.
Sie war eine Vampirin und er wusste, dass Alkohol bei Vampiren keine Wirkung hatte. Also warum war sie betrunken?
„Wieso starrst du mich so an? Bin ich hübsch?“, kicherte sie.
Verblüfft sah er sie an. Dann, vorsichtig, sanft, umfasste er ihr Gesicht. Verwirrung zeichnete sich in ihren glänzenden Augen ab.
„Jette, hast du...“
Er kam nicht weit. Fasziniert ließ die Frau ihre Fingerspitzen über sein stoppeliges Kinn gleiten.
„Du bist so schön!“, flüsterte sie voller Ehrfurcht und zog nun die Konturen seiner Lippen nach.
Er erstarrte. Ob sie das wohl auch gesagt hätte, wenn sie nüchtern gewesen wäre? Sicher nicht.
„Jette, hör mir zu!“, sagte er fest, nachdem er geschluckt hatte. Fragend sah die Frau ihn an. Gott, wie süß und unschuldig sie aussah!
„Hat dir jemand Gesellschaft geleistet? Oder warst du alleine?“
Seine barschen Worte und der Ausdruck in seinen Augen ließ sie erstarren. Bildete sie sich das ein oder war er wirklich wütend? Einen Augenblick lang dachte sie angestrengt nach.
„Da ist jemand gekommen...“, erinnerte sie sich.
Zögernd blickte sie in seine Augen. Seine großen Hände legten sich ihr auf die Schultern und schüttelten sie kurz.
„Wer, Jette? Wer ist gekommen?“, knurrte er laut.
Ein wenig verängstigt zog sie die Schultern ein.
„E-Es war Sadhasivan.“, flüsterte sie.
Troy ließ die Hände sinken. Er glaubte sich verhört zu haben, doch ihr Blick sprach für die Wahrheit. Sofort breitete sich Angst in ihm aus. Wieder schüttelte er sie.
„Hat er dir etwas angetan?“, fragte er panisch.
Er war unbeabsichtigt lauter geworden, was Jette noch mehr ängstigte.
„N-Nein, er wollte nur...“
Sie verstummte und hob die Hand an den Mund. Sie war dicht bis zum geht nicht mehr, doch ihr Verstand arbeitete noch. Sie hatte Angst. Was, wenn er ausrasten würde?
„Jette!“, drängte er laut.
„Er wollte mich küssen!“, platzte sie mit der Wahrheit heraus.
Wie versteinert saß er da. Auch als die Frau wieder die Hand über seine Wange gleiten ließ, reagierte er nicht.
„Ich habe ihn geschlagen.“
Diese Worte ließen ihn blinzeln. Er wollte lachen, doch er konnte nicht. Er machte sich zu viele Sorgen.
„Du musst deinen Rausch ausschlafen.“, sagte er leise.
Dann nahm er ihre Hand und drückte sie nieder. Mit großen Augen sah sie zu ihm auf.
„Nur, wenn du bei mir bleibst.“, flüsterte sie.
Troy konnte es gar nicht verhindern, sie schlang einfach die Arme um ihn und schmiegte sich an seine Brust. Er hielt die Luft an.
„Du bist betrunken, Jette. Hör auf damit!“
Genau genommen wollte er gar nicht, dass sie ihn losließ. In diesem Zustand könnte sie jegliche Dummheiten anstellen und das musste er um alles auf der Welt verhindern! Er brummte.
„Meinetwegen. Aber hör auf dich so an mich zu klammern. Du schläft, Punkt. Klar?“
Sie nickte heftig, ließ ihn los und kuschelte sich in die Decke. Plötzlich ergriff sie seine Hand.
„Nicht weggehen.“, murmelte sie.
Er zog die Brauen hoch und legte sich zu ihr. Na, das konnte ja eine Nacht werden...

ZEHN:



Endlich waren die Tränen versiegt. Alle hatten ihn ungläubig angestarrt als er davon berichtet hatte, doch er konnte es ihnen nicht verübeln. Er konnte es ja selbst kaum glauben! Nie hätte er gedacht, dass er seine Mutte je wiedersehen würde! Was war nur aus dieser Frau geworden? Sie war einst so unglaublich hübsch gewesen, die Schönste aller Erzengel, doch sie hatte unglaublich schwach und dürr ausgesehen. Was hatte dieser Kerl ihr nur angetan?
Malachy konnte nicht schlafen. Immer wieder tauchte das Bild seiner Mutter vor seinem geistigen Auge auf. Obwohl seine Tränen versiegt waren, weinte sein Herz weiter. Ein kalter Windhauch blies durchs Zimmer. Erst erschauderte er nur, dann aber setzte er sich ruckartig auf.
„Mutter!“, hauchte er.
Und tatsächlich! Die Frau manifestierte sich vor seinem Bett und sah mit liebevollem Blick auf ihren Sohn herab.
„Hallo, mein Liebling.“, hauchte sie.
Fassungslos starrte Malachy Alaine an.
„Wie ist es dir gelungen...“
Der Erzengel konnte seinen Satz nicht zu Ende führen, Alaine winkte ab und setzte sich auf die Bettkante.
„Sadhasivan ist nich da und ich würde gerne noch ein bisschen Zeit mit dir verbringen, ehe der Krieg ausbricht.“, erklärte sie und lächelte.
„Was, wenn er herausfindet...“
Seine Mutter lehte ihm einen Finger um die Lippen.
„Keine Sorge, er wird es nicht herausfinden. Erzähl mir etwas, mein Sohn. Was ist in den letzten Jahrhunderten passiert?“
Malachy schloss für einen kurzen Moment die Augen, dann erzählte er ihr von den Ereignissen der vergangen Zeit.

„Es bleibt nicht mehr viel Zeit.“, sagte sie nachdenklich.
Er drückte ihre Hand.
„Mach dir keine Sorgen, Süße. Die Engelskrieger sind schon in Position. Jeder noch so kleinste Winkel wird bewacht. Sobald sie hier auftauchen werden wir alarmiert.“, versicherte er ihr.
Zarina sah zu ihm auf. Verunsicherung lag in ihrem Blick. Daryls Augen verengten sich. Ihr Blick gefiel ihm nicht.
„Bevor wir später eine große Diskussion beginnen spreche ich es lieber jetzt an. Du wirst nicht, ich wiederhole nicht, das Risiko eingehen zu...“
Er hatte den Finger erhoben, doch sie schlug seine Hand weg.
„Ich werde kämpfen, Daryl! Und wenn ich dabei draufgehe!“, fauchte sie und lief einfach an ihm vorbei. Sie wusste, dass das nicht richtig war, doch sie wollte sich von Daryl nicht in einen Käfig sperren lassen. Sie spürte seinen wütenden Blick im Rücken, doch darauf konnte und wollte sie keine Rücksicht nehmen.
„Zwing mich nicht dazu, dich einzusperren!“, rief er ihr nach.
Sie hob den Mittelfinger.
„Leck mich!“; fauchte sie und bog um die Ecke.
Daryl schlug mit der Faust auf die Wand nehem ihm ein.
„Stures Weib!“, brüllte er und machte auf dem Absatz kehrt. Er wusste doch das Zarina sich rächen wollte, doch er wollte nicht, dass sie verletzt wurde. Wenn Anatol schon durch Worte in der Lage war die Frau zu verletzen, dann war er sicher auch körperlich stark. Daryl kam ein Gedanke.
Was, wenn er sie nur mit Worten quälte, weil er nicht stark genug war ihr körperlichen Schaden zuzufügen? Er schüttelte den Kopf. Darüber durfte er jetzt nicht nachdenken. Er seufzte.
Du bedeutest mir alles, Zarina!

, dachte er und hoffte auf eine Antwort. Einige Sekunden lang passierte nichts, dann ertönte ein leises Seufzen in seinem Kopf.
Du bedeutest mir auch alles, ein Liebling aber du weiß, dass ich meinen Freiraum brauche. Anatols Tod bedeutet mir unheimlich viel! Ich konnte es akzeptieren, dass du ihm den Todesstoß versetzen willst aber ich werde dich nicht alleine in den Kampf ziehen lassen!


Mit dieser Antwort hatte er gerechnet. Er antwortete nicht, doch er musste auch gar nichts sagen, Zarina wusste was sein Schweigen zu bedeuten hatte.
Ich weiß du machst dir Sorgen, Daryl. Aber ich werde aufpassen und mich zurückhalten, versprochen!


Zögernd drehte er sich um, dann lief er in die Richtung, in die Zarina verschwunden war. Mit ihrem Versprechen würde er sich zufrieden geben müssen. Im Laufschritt holte er sie schließlich ein. Sie hatte ihn nicht bemerkt und schrie deshalb auf als er sie packte, herumwirbelte und stürmisch küsste. Ein leises Lachen drang aus ihrer Kehle. Während sie sich küssten sah Zarina aus den Augenwinkeln etwas vorbei huschen. Sofort schob sie ihren Verlobten zurück. Obwohl sie bereits wusste wie die Antwort ausfallen würde, fragte sie trotzdem.
„Hast du das gesehen?“, fragte sie leise.
„Was?“, fragte er verwirrt und zog die Brauen hoch.
„Irgendetwas...Irgendjeand ist hier.“, murmelte sie und ließ den Blick schweifen. Entdecken konnte sie allerdings nichts.
„Ich kann nichts fühlen.“, sagte Daryl nachdenklich.
Dämonen sind in der Lage ihre auffällige Aura zu unterdrücken.

, antwortete sie in Gedankene für den Fall, dass sie belauscht wurden.
Auffällig?

, hakte Daryl nach und neigte den Kopf.
Du wirst es merken, wenn Anatols Armee hier auftaucht.

, erwiderte sie.
Willst du den Wachen Bescheid geben?

, fragte er.
„Worauf du dich verlassen kannst.“, murmelte sie.
Nicht mal fünf Minuten später wussten sämtliche Kriegerengel und Wächter Bescheid.
„Mir ist unbehaglich zumute.“, sagte Zarina, als sie beiden wieder in ihrem Bett lagen.
Daryl küsste sie auf die Stirn und strich ihr das Haar zur Seite. Er musste nichts sagen, sie fühlte sich auch so geborgen und getröstet.
„Ich liebe dich!“, flüsterte er.
Lächelnd schloss sie die Augen.

Als sie aufwachte musste sie verwirrt feststellen, dass sich ein Arm um ihre Taille geschlungen hatte und sie fest an einen stählernen Körper drückte. Ihr Kopf dröhnte, weshalb sie leise stöhnte.
Es dauerte einen ganz schön langen Augenblick ehe ihr wieder einfiel, was passier war.
Nun wusste sie, wer das so dicht an ihren Rücken geschmiegt lag. Sie hatte ihn ja förmlich angebettelt, dass er sie nicht alleine ließ. Dennoch lächelte sie. Seine unglaubliche Fürsorge trieb ihr sogar die Tränen in die Augen. Troy schlief scheinbar tief und fest. Sein Atem ging ruhig und gleichmäßig, seine Lippen waren leicht geöffnet. Sie schmunzelte, drehte sich ein wenig unter seine Arm und legte ihm dann die Hände auf die nackte Brust. Sie spreizte die Finger und atmete tief durch, dann spürte sie den kräftigen Herzschlag unter seiner Haut. Sie lächelte erneut. Jette wollte, dass dieses Herz nur für sie schlug! Jettes Augen schlossen sich. Hatte Sad wirklich versucht sie zu küssen?
Dieses Arschlos trägt zurecht seinen Namen!

, dachte sie, außer sich vor Wut.
Sie presste die Wange gegen Troys muskulöse Brust um sich zu beruhigen. Niemand durfte sie beruhigen. Niemand durfte sie berühren, außer der Erzengel, der gerade neben ihr lag.
Plötzlich spürte sie das kurze Zucken seiner Muskeln. Erschrocken hob sie den Blick um festzustellen, dass Troy sie anstarrte. Sie schluckte und spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg.
„Troy.“, flüsterte sie.
Erst hatten seine Augen sie ausdruckslos angesehen, dann trat ein wütender Ausdruck auf seine Züge.
„Na, sind wir wieder klar im Kopf?“, knurrte er.
Mit Gewissensbissen löste sie sich von dem Mann. Sie rutschte einige Zentimeter zurück, doch Troy schlang einen Arm um sie um sie wieder näher an sich heranzubringen.
„Warum hast du getrunken? Aber was noch viel wichtiger ist; warum warst du betrunken?“
Wieder machte sich dieses schmerzhafte Pochen in ihrem Kopf bemerkbar.
„M-Mir ging so viel durch den Kopf und ich musste mich irgendwie ablenken. Ich weiß nicht warum ich betrunken war.“
Sie sprach schnell und leise, Troy musste sich anstrengen um sie zu verstehen.
„Ich war nie vom Alkohol begeistert, vielleicht vertrage ich es einfach nicht.“, fügte sie leise hinzu. Die Augen des Erzengels verengten sich.
„Hat Sadhasivan wirklich...“
Jette ließ ihn gar nicht ausreden.
„Ja, er hat versucht mich zu küssen. Ich hab ihm eine gescheuert, das war ihm wohl eine Warnung.“, sprach sie hastig.
Wieder ließ Troy ein Knurren hören.
„Du gehörst mir, hast du verstanden?“, fauchte er.
Er packte ihr Genick und presste seine Lippen besitzergreifend auf ihre. Sie ließ ihn gewöhren, erwiderte den feuchten und ungestümen Kuss. Irgendwann ließ er von ihr ab.
„Seit wann bin ich dein Eigentum?“, fragte sie mit hochgezogender Braue.
„Schon als ich dich das erste Mal gesehen habe war klar, dass du mir gehörst!“, flüsterte er und verwickelte sie erneut in einen Kuss. Dieses Mal sanft und zärtlich.

„Malachy, hast du...“
Zarina betrat ohne zu zögern das Schlafgemach des Erzengels. Er hatte ihr erlaubt jederzeit sein Zimmer zu betreten, egal aus welchem Grund. Doch nachdem sie mal wieder einfach so in sein Reich eingedrungen war, blieb sie wie angewurzelt stehen. Wer war diese Frau, die er da in den Armen hielt? Beide sahen überrascht in ihre Richtung und sie musste irritiert feststellen, dass die beiden eine verblüffende Ähnlichkeit hatten.
„Zarina.“, sagte Malachy überrascht und ließ die hagere Gestalt der Frau in seinen Armen los.
„Was machst du hier?“, wollte er wissen.
Sie neigte den Kopf. Fühlte er sich etwa ertappt? Zarina kam gar nicht dazu etwas auf seine Worte zu erwidern, die Frau mit den langen braunen Haaren kam nämlich in schnellen Schritten zu ihr und musterte sie mit großen Augen.
„Das ist sie? Das ist die Gefallene?“, fragte sie mit brüchiger Stimme.
Zarina war verwirrt. Kannte diese Frau sie etwa? Genau vor ihr blieb die dürre Frau stehen. Als sie ihre Hand ergriff erkannte sie, dass der Körper der Frau schwächer nicht hätte sein können. Sogar die Knochen in ihren Fingern waren zu erkennen. Zarina bekam ein wenig Angst. Es war offensichtlich das diese Frau Schlimmes hatte durchmachen müssen. Was hatte man ihr bloß angetan?
„Es freut mich dich kennezulernen, Zarina. Mein Name ist Alaine, ich bin Malachys Mutter.“

„Ich muss nachdenken. Bitte versteh das!“
Mit diesen Worten verließ sie das Zimmer. Sie hörte noch ein Knurren, ehe sie die Tür zu zog, doch das war ihr in diesem Moment egal. Wollte er sie wirklich? Wenn ja, konnte sie sich glücklich schätzen! Doch die Angst wieder missbraucht zu werden, war noch immer tief in ihrem Herzen verankert. Tief in Gedanken versunken lief sie durch die Gänge.
„Honey.“
Sie erschrak und hob den Blick. Dieser Name...Nur bestimmte Leute kannten ihn!
Dieses Etwas lehnte an der Wand, die kräftigen Arme vor der haarigen Brust verschränkt. Was war das für ein Wesen?
Ein Dämon...

, dachte Jette und musterte den Mann, der halb Tier war. Ab der Hüfte abwärts war er kein Mann mehr, sondern ein Pferd mit Hufen. Ob er wohl seine Gestalt verändern konnte? Ihre Augen verengten sich und ihr wurde klar, dass dieser Dämon sie ertappt hatte.
Fuck!

, dachte sie.
„Darf ich fragen, was du hier zu suchen hast?“, fragte er mit kratziger Stimme.
Jette schluckte, eilte auf ihn zu und zog ihn um die Ecke.
„Ich bin dabei Informationen zu sammeln, verdammt noch mal! Wer bist du überhaupt? Und was machst du hier? Was, wenn dich jemand sieht?“
Scheinbar kaufte er ihr dieses Theater ab, denn er nahm eine entspannte Haltung ein.
„Mein Name ist Kylian.“, sagte er trocken und zog dann interessiert die Brauen hoch.
„Sad hat mich hergeschickt um ebenfalls Infos zu sammeln, von einer Vampirin hat er allerdings nichts gesagt.“, sagte er nachdenklich. Jette grinste hinterhältig.
„Ich bin auf eigene Faust losgezogen.“
Sie zuckte mit den Schultern. Glück gehabt! Der Dämon grinste und musterte sie eingehend.
„Du bist also diese Honey.“, sagte er und leckte sich die Lippen.
Sie nickte und streckte ihm grinsend die Hand engegen. Lachend ergriff er sie.
Plötzlich ging alles ganz schnell. Er zog sie in seine Arme, packte grob ihr Kinn und beugte sich zu ihr hinab.
„Fataler Fehler.“, flüsterte er an ihren Lippen. „Jette!“

ELF:



Beinahe hätten ihre Beine nachgegeben, doch Malachy war gerade noch rechtzeitig bei ihr um siezu stützen.
„Oh, Zarina Liebes, ist alles in Ordnung?“, fragte Alaine besorgt und legte eine Hand auf den Arm der Gefallenen.
„Sie sind...Malachys Mutter?“, keuchte Zarina und sah mit großen Augen zu dem ehemaligen Erzengel auf. Die Frau nickte.
„Ja. Aber warum schockiert dich das so sehr?“, antwortete sie verwirrt. Langsam ließ der Mann neben ihr sie los.
„Malachy hat mir die Geschichte erzählt. Es hat mich berührt, weil ich selbst weiß wie es sich anfühlt, jemanden zu verlieren. Alaine lächelte verständnisvoll.
„Malachy hat mir viel von dir erzählt. Es tut ihm leid, dass du so viel durchmachen musstest.“
Bei ihren Worten wandte Malachy den Blick ab. Zarina erkannte, dass ihm das unangenehm war, weshalb sie lächelte.
„Glauben Sie mir, es freut mich das Malachy und Sie solch eine Verbindung zueinander haben und es tut mir ebenfalls leid, dass Ihnen nicht so viel Zeit bleibt.“
Wieder ein Lächeln von Alaine.

Mit ungutem Gefühl lief Troy durch den Palast. Das Jette nachdenken musste konnte er ja verstehen aber deswegen musste sie sich doch nicht gleich aus dem Staub machen! Er seufzte. Na gut, vielleicht musste sie auch einfach nur zurück zu Anatol. Es würde auffallen wenn sie zu lange wegbleiben würde. Troy stieß ein Knurren aus. Würde Sadhasivan sich wirklich hier blicken lassen, könnte dieser was erleben! Was fiel dem eigentlich ein, Jette einfach küssen zu wollen?
Er hielt inne. Oder wollte er sie damit einfach nur provozieren? Oder vielleicht ihn? Sorge überkam ihn. Was, wenn er wusste das sie was miteinander hatten? Wenn er wusste, dass sie gar nicht auf seiner Seite stand? Das Gelächter das aus Malachys Zimmer drang irritierte ihn. Er öffnete die Zimmertür ohne zu zögern und musste feststellen, dass Alaine hier war.
„Troy.“, sagte Alaine.
Schon waren all seine Ängste und Sorgen verschwunden. Malachy und er selbst waren zum Zeitpunkt ihres Verschwindens noch keine Erzengel gewesen. Sie waren lediglich Freunde, daher kannte er seine Mutter.
„Alaine...“, murmelte er fassungslos und schloss die Tür hinter sich.

Jette versuchte sich aus dem Griff des Dämons zu befreien, doch er war stärker wie sie. Es funktionierte nicht.
„Lass mich los!“
Sie schluckte als sie hörte, dass ihr Flehen fast schon nach einem Wimmern klang.
„Immer mit der Ruhe, Blondi.“, sagte Kylian grinsend und zerrte sie weiter.
Die ewige Finsternis verriet ihr, dass sie in demselben Raum war, wie auch zu Anfang.
Ein Tisch stand in der Mutte. Kylian stieß sie an, sie verlor das Gleichgewicht und fiel auf die Knie.
Hilflos sah sie auf. Sie hatte bereits jetzt schon verloren, schließlich kam sie von alleine nicht hier weg. Anatol tauchte als erster in der Dunkelheit auf. Angewidert sah er auf sie herab. Noch bevor er etwas sagte verkrallte er sich in ihren Haaren und riss ihren Kopf zurück.
„Schade eigentlich. Mit schien, du wärst ganz fähig.“, knurrte er und stieß sie dann wieder zurück.
Jette keuchte. Was sollte sie nun tun?
„Ich bin dafür, dass wir sie für diesen Verrat foltern.“, meldete sich Kylian wieder zu Wort.
Jette schluckte panisch, doch dann warf sie dem Dämon einen vernichtenden Blick zu.
„Leider habe ich das nicht zu entscheiden.“, murmelte Anatol und kehrte der Frau den Rücken zu.
„Warten wir ab, was er dazu sagt.“
Wie auf's Stichwort stand der Fürst der Finsternis vor ihnen.
„Sieh an, sieh an, da wird das Mäuschen ganz kleinlaut, was?“, sagte Sad grinsend und beugte sich ein wenig vor. Jette konnte einfach nicht anders. In diesem Moment pfiff sie auf ihre Selbstbeherrschung. Sie spuckte ihm ins Gesicht und grinste anschließend über seinen Gesichtsausdruck. Und schon war Schluss mit der geheuchelten Freundlichkeit.
Er holte aus und schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht, wodurch ihr Kopf zur Seite flog.
„Da du nun mit offenen Karten spielst, brauche ich nicht mehr so zu tun als wäre ich der liebe Onkel. Eigentlich ganz praktisch.“, knurrte er und fasste ihr Kinn.
Er zwang sie ihn anzusehen und fletschte dann bedrohlich die Zähne.
„Stecken etwa alle aus dem Himmelsreich mit dir unter einer Decke?“, fragte er monoton.
Jettes Wange schwoll an. Sie schluckte bei seiner plötzlichen Gelassenheit.
„Fick dich!“, zischte sie.
Mochte sein, dass sie nun eine Gefangene war, deswegen musste sie aber noch lange nicht so singen wie ein Vogel! Nun lachte der Teufel.
„Nun gut, mir war klar, dass du schweigen würdest.“
Er drehte sich zu Anatol um.
„Wir werden sie hierbehalten. Aber um ihren Freunden ein kleines Geschenk zu machen...“
Er ließ seinen Satz offen im Raum stehen und zückte stattdessen ein Messer. Diabolisch lächelnd wandte er sich wieder der Frau zu.
„Was hältst du davon, deinen Freunden eine Nachricht zu überbringen?“, flüsterte er.
Auf Jettes Armen breitete sich Gänsehaut aus. Wie er so da stand, über ihr, mit bedrohlich funkelnden Augen und zuckenden Mundwinkeln, sah er aus wie ihr Vater. Wut stieg in ihr auf, doch sie war nicht in der Lage zu handeln. Was in Gottes Namen hatte er nur vor? Sie bemerkte, dass das Messer in seiner Hand ihr immer näher kam, weshalb sie panisch versuchte zurückzuweichen.
Doch es war nutzlos. Er griff um sie herum und hielt sie auf.
„Aber, aber du willst mir doch nicht den Spaß verderben?“
Sie konnte nicht einmal reagieren, da berührte die Messerspitze auch schon ihre Haut. Plötzlich veränderte sich das Wesen des Teufels wieder. Er schien zu wissen, dass sie panische Angst hatte. Zärtlich strich er über ihre Wange.
„Du stammst von Dämonen ab, Liebes. Dies ist dein Zuhause, also sei ein braves Mädchen...“
Sie keuchte. Dieser Kerl war doch verrückt! Doch...genau genommen hatte er Recht! Ja, die Dämonen waren ihre Vorfahren und ja, deswegen war dies hier ihr Zuhause, doch sie wollte ihr eigenes Leben führen und sich nicht jemandes Willen beugen. Dann berührten seine Lippen ihre.
Leise seufzend schlossen sich ihre Augen, dann erschlaffte ihr Körper. Sad schlang einen Arm um sie und erwiderte ihren glasigen Blick.
„Das könnte jetzt weh tun.“, warnte er und schlitzte ihre Haut ein Stück weit auf.
Ohne auch nur einen Ton von sich zu geben beobachtete sie, wie er ihr ein Stück Haut herausschnitt. Anatols Augen wurden groß.
„Warum schreit sie nicht?“, hauchte er fassungslos.
„Das würde mich auch interessieren.“, murmelte Sad nun ernsthaft interessiert.
Er neigte den Kopf. Diese Frau war interessanter als gedacht. Jette hatte den Kopf nach unten fallen lassen, weshalb er ihr Gesicht mit einem Finger anhob.
„Hast du keine Schmerzen?“, fragte er so leise, dass nur sie es verstehen konnte.
„Es ziept nur ein wenig.“, flüsterte sie ausdruckslos.
Sads Augen verengten sich. Sie war in diesem Moment zwar willenlos, Gefühle und Schmerzen konnte sie dennoch empfinden.
„Raus.“, befahl der Teufel.
Anatol gehorchte ohne zu zögern, Kylian verweilte noch einen Moment, ehe er verschwand.
„Mach die Augen zu.“, befahl er der Frau leise.
Diese tat es einfach, ohne es zu hinterfragen. Sad legte seine Hand an ihre Schläfe und schloss ebenfalls die Augen. Mit Leichtigkeit überwindete er die Barrikaden ihres Willens. Er drang in ihre Erinnerung ein und sah, dass sie wirklich mit den Erzengels zusammen arbeitete, doch das interessierte ihn gar nicht! Er grub tiefer, viel tiefer und tatsächlich! Da waren sie. Bilder auf denen das Grauen zu sehen war!
„Serge! Charlize!“, hauchte er.
Keuchend zog er die Hand zurück. Kein Wunder, dass sie keine Schmerzen zu spüren schien bei den Dingen, die sie alle hatte ertragen müssen. Sein Blick richtete sich auf ihren Arm, wo er das Stück Haut herausgeschnitten hatte. Mit einer einzigen Handbewegung hatte er die Wunde geheilt.
Einen Moment lang hielt er inne, dann holte er sie zurück.
Jette erkannte sofort, wer da vor ihr kniete und wollte schreien, doch er presste ihr die Hand auf den Mund.
„Pssht! Ich tue dir nichts!“, sagte er leise und legte sich selbst einen Finger auf die Lippen.
Sein ruhiger Tonfall beruhigte sie tatsächlich ein wenig und auch das irre Funkeln in seinen schwarzen Augen war verschwunden. Sie wusste nicht warum oder woran es lag aber sie glaubte ihm. In diesem Moment jedenfalls!
„Jette.“, sagte Sad ruhig und legte seine Hand auf ihre Schulter.
„Wie heißen deine Eltern?“
Sie neigte den Kopf. Wie kam er bitte auf ihre Eltern?
„Serge und Charlize.“, murmelte sie.
Sad erstarrte. Also doch!
„Du kennst sie.“, stellte sie flüsternd fest.
Forschend musterte er sie.
„Ich sehe es an deinen Augen.“, erklärte sie bei seinem Blick.
Sie ließ zu, dass er seine Hand wieder an ihre Wange legte.
„Ich weiß, du willst das nicht hören, Kleines aber...deine Eltern sind entfernt mit mir verwandt.“
Jette riss sich von ihm los und kroch zurück. Sad ließ sie gewähren.
„Du lügst!“, keuchte sie und starrte den Mann angsterfüllt an.
Er schüttelte leicht den Kopf.
„Nein. Auch das wird dir nicht gefallen aber...“
Er zeigte ihr das Stück Haut in seiner Hand.
„Das hier ist ein Stück deiner Haut. Ich habe dir deinen Willen genommen, damit du dich nicht dagegen wehrst. Aber erstaunlicherweise hast du keinen Ton von dir gegeben. Ich habe die Wunde geheilt und bin dann in deine Erinnerung eingedrungen um der Sache auf den Grund zu gehen. Dabei bin ich auf die Bilder deiner Vergangenheit gestoßen.“
Ruhig aber bis auf jeden Muskel angespannt hörte sie sich an, was er zu sagen hatte.
„Du hast was?“, flüsterte sie heiser.
Noch bevor er antworten konnte schüttelte sie den Kopf.
„Warum sagst du mir das? Warum lügst du mich nicht an?“
Fassungslos sah Jette dabei zu, wie er sich mit Mitleid in den Augen aufrichtete.
„Kleines, nur weil ich der Teufel bin, muss ich niht immer herzlos und brutal sein. Und nun steh auf.“
Er entfernte sich von ihr und obwohl sie völlig verunsichert war, stand sie tatsächlich auf und folgte ihm.
„Was hast du mit mir vor?“, fragte sie leise.
Sad sah über seine Schulter und musterte sie wieder kurz.
„Ich stelle dir ein Zimmer zur Verfügung. Du wirst solange hierbleiben, bis der Krieg vorbei ist. Danach lasse ich dich gehen.“
Jette schluckte.

Alaine sah jeden der Reihe nach an.
„Sadhasivan scheint in letzter Zeit ein wenig abgelenkt zu sein. Ich glaube es liegt an der Vampirin.“, erklärte sie.
Troy lächelte stolz in sich hinein.
„Sie scheint gute Arbeit zu leisten.“, sagte Malachy und sah Troy lächelnd an.
Troy erwiderte das Lächeln. Alaine erhob sich seufzend.
„Es ist wohl besser, wenn ich jetzt gehe. Nicht, dass er etwas merkt.“
Malachy ergriff ihre Hand une ließ sie schweren Herzens wieder los.
„Ich verspreche dir, das war nicht das letzte Mal, dass wir uns gesehen haben.“
Alaine lächelte, doch es erreichte ihre Augen nicht.
„Versprich nichts, was du nicht halten kannst, mein Sohn!“, murmelte sie und küsste den Mann auf die Stirn. Hilflos musste er dabei zusehen, wie sich die Gestalt der Frau im Nichts auflöste.
Troy legte ihm eine Hand auf die Schulter.
„Sie ist und bleibt eine bewundernswerte Frau.“, sagte er leise.
Der Erzengel nickte, schwieg aber. Zarina mischte sich ein.
„Eine wirklich tolle Frau! Sie schien mir sehr weise zu sein.“
Daryl platzte keuchend in den Raum. Der Vampir ging direkt auf Troy zu und hielt ihm die geschlossene Faust hin. Der Erzengel verstand und hielt ihm fragend die offene Hand hin. Der Ausdruck in den Augen des Vampirs ließ alle drei wissen, dass etwas passiert war. Etwas Weiches legte sich in Troys Hand. Als er es musterte blieb ihm fast das Herz stehen. War das Haut?
„Sieh genau hin.“, flüsterte Daryl.
Troy erkannte die Buchstaben, die in die Haut geritzt worden waren und begann laut zu lesen.
„Für Troy. Von deiner, über alles geliebten Jette.“
Der Erzengel taumelte zurück, die Haut fiel zu Boden.
„Nein! Bitte nicht, nein!“, hauchte er.
Tränen stiegen ihm in die Augen. Für alle anderen in diesem Raum schien die Zeit still zu stehen. Sie alle wussten was dies zu bedeuten hatte. Sie war aufgeflogen. Der Teufel hatte herausgefunden, was sie alle für ein Spiel mit ihm spielten! Troys Beine gaben nach und er fiel auf die Knie. Die Tränen liefen über, stummt faltete er die Hände zum Gebet.
„Die Traumkugel.“, sagte Zarina, ganz die Kriegerin die sie war.
„Wir müssen sofort versuchen Kontakt zu ihr aufzubauen!“
Troy sah mit glasigen Augen auf. Die Frau stand vor ihm, ging dann in die Knie und schloss ihn in die Arme.
„Mach dir keine Sorgen, Troy. Deine Frau hat Mut und Stärke. Beides wird sie vor Schlimmeren bewahren!“, flüsterte sie ihm ins Ohr.
Troy schlang die Arme um sie und ließ seinen Tränen freien Lauf...

ZWÖLF:



Ängstlich sah sie sich um. Sie konnte sich einfach nicht an diese Umgebung gewöhnen.
Jette musste zugeben, dass hier jemand guten Geschmack beweisen hatte, doch diese Atmosphäre...
„Zieh nicht so ein Gesicht, Kleines. Es fehlt dir an Nichts, also hör...“
„Das ist es doch gar nicht!“, unterbrach sie Sad und warf ihm einen verzweifelten Blick zu.
Er lehtne mit verschränkten Armen in der Tür.
„Ich kann einfach nicht glauben, dass ich mit dir verwandt sein soll.“, flüsterte sie.
Wie sehr wünschte sie sich Troy an ihre Seite? Natürlich hatte sie im Schlaf auf ihn gewartet, doch er war nicht gekommen. Wusste er überhaupt, dass sie aufgefallen war?
„Glaube mir, damit hatte ich auch nicht gerechnet. Aber du solltest aufhören dir darüber Gedanken zu machen, das hilft dir sowieso nicht weiter.“, erwiderte der Mann und kam auf sie zu.
Naja, er hatte Recht. Dann waren sie also miteinander verwandt, na und? Solange er nicht ihr Vater war, war alles in Ordnung!
„Vampire können wirklich grausamer sein als Dämonen.“, sagte Sad nachdenklich und ließ sich auf dem Sofa ihr gegenüber nieder.
„Wärst du eine meiner Dämonen gewesen, hättest du ein friedliches Leben geführt. Du wärst nie so gequält worden.“
Sie hörte die Wahrheit in seinen Worten.
„Lügner!“, hauchte sie dennoch.
Eindringlich sah er sie an. Das Schwarz seiner Augen schien sie regelrecht zu verschlingen.
„Ich habe keinen Grund dich anzulügen, Jette! Dämonen stehen zwar unter meinem Kommando, das heißt aber nicht, dass ich sie quäle und foltere! Jeder von ihnen hat alles, was er zum glücklich sein braucht.
Sie schüttelte den Kopf, doch sie wusste, dass er nicht log.
„Du weißt, dass ich die Wahrheit sage, Kleines. Du weißt es!“
Plötzlich kniete er vor ihr. Er legte seine Hand ein weiteres mal an ihre Wange und sah sie bedrückt an. Sie begann zu zittern. Tränen stiegen ihr in die Augen.
„Ich will zu Troy!“, flüsterte sie heiser.
Ein wenig irritiert zog Sad seine Hand zurück.
„Troy der Erzengel.“, murmelte er.
Der Mann schloss die Augen, atmete tief durch und richtete sich langsam wieder auf.
„Du warst nicht in der Lage ihn in deinem Schlaf zu empfangen, nicht wahr?“
Jette erschauderte. Warum klang er auf einmal so monoton? Sie nickte.
„Das liegt daran, dass ich es verhindert habe.“, erklärte er.
Normalerweise amüsierte es ihn wenn sich jemandes Augen vor Angst weiteten, nicht so aber bei ihr!
„Warum?“, flüsterte sie.
Er ging nicht darauf ein.
„Ich werde dafür sorgen, dass ihr euch seht. Allerdings werde ich dabei sein!“
Für Jette wurde das alles immer absurder. Doch sie beschloss sich auf diese Situation einzulassen.
„Wie soll das bitte gehen? Es handelt sich dabei schließlich um meine Träume!“
Der Teufel grinste hinterhältig und zwinkerte ihr zu.
„Ich habe so meine Geheimnisse, Kleines!“

Zarina wollte immer wieder nach ihm schauen, doch er schickte sie weg. Wie oft hatte er es nun schon versucht? Immer und immer wieder, ohne Erfolg. Er atmete tief durch und startete einen letzten Versuch, Wäre dieser erfolglos, würde er es aufgeben. Eine Weile lang geschah nichts, doch dann, als er die Augen wieder öffnete, befand er sich in dem vertrauten Nichts. Hastig sah er sich um, dann weiteten sich seine Augen.
„Jette!“, brüllte er.
Schluchzend rannte die Frau auf ihn zu, um sich dann in seine Arme zu werfen.
„Verdammt, ich hab mir solche Sorgen gemacht, geht es dir gut?“
Troys Herz raste. Er brachte die Worte nur mit Mühe über seine Lippen. Jette bemerkte, dass der Erzengel Sad noch gar nicht registriert hatte. Sie trat einen Schritt zur Seite um ihm zu zeigen, dass sie nicht alleine waren. Als Troy den Mann entdeckte stieß er ein lautes und bedrohliches Knurren aus. Sad schwieg und blieb weiterhin im Hintergrund. Jette stellte sich wieder vor Troy und legte ihm die Hände auf die Brust.
„Troy.“
Beim Klang ihrer Stimme hielt er inne. Fragend und besorgt sah er auf die Frau herab.
„Tu ihm nichts! Er hat mir auch nichts getan!“, erklärte sie hastig.
Doch das konnte seine Wut nicht bändigen.
„Was soll das heißen, er hat dir nichts getan? Was ist mit dem Stück Haut?“
Das tiefe Grollen in seiner Brust jagte ihr Angst ein, doch sie zeigte es nicht. Sie suchte nach den richtigen Worten.
„Ich war nicht bei Bewusstsein als er das getan hat. Und er hat mich danach geheilt!“, sprach sie nun. Sie schluckte den Kloß in ihrem Hals.
„Wieso sollte er das tun?“
Troys Stime wurde immer tiefer, klang immer gefährlicher.
„Weil wir verwandt sind!“

Teilnahmslos beobachtete Sad die beiden.
Für den Erzengel schien gerade ein Teil seiner Welt zusammenzubrechen, er sah es anhand seiner Augen. Erst weiteten sich seine Pupillen, dann wurden sie wieder kleiner.
„Was soll der Mist?“, zischte er und packte die Frau grob bei den Schultern.
Diese keuchte kurz. Seine Wut ließ ihn nicht wissen, dass er ihr weh tat.
„Das ist die Wahrheit!“, flüsterte sie.
Nicht ihre Verzweiflung ließ ihn inne halten, sondern die dicken Tränen die über ihre Wangen kullerten. Erst legte sich seine Hand an ihre Wange, um die Tränen fortzuwischen, dann legte er die Arme um sie, damit er sie an seine Brust drücken konnte. Erst nachdem sie sich beruhigt hatte, beugte er sich zu ihr hinab um sie zu küssen.
Sie seufzte zufrieden darüber, dass sie endlich wieder seine Lippen auf ihren spüren konnte.
Das hat mir gefehlt. Du hast mir gefehlt!

, dachte Jette. Sie wusste, dass er es hören konnte.
Er löste den Kuss um sie wieder in seine Arme zu ziehen. Fest drückte er sie an sich.
„Warum lässt du sie nicht gehen?“, knurrte er verzweifelt über ihre Schulter hinweg.
Sad hatte erst nicht vor zu reagieren, antwortete aber dann doch.
„Ich werde sie nach dem Krieg laufen lassen, keine Sorge. Und ihr könnt euch auch jederzeit in dieser Traumwelt treffen, allerdings nur in meinem Beisein. Und...wenn sie wirklich mit mir verwandt ist, dann lasse ich nicht zu, dass sie zwischen die Fronten gerät. Ich behandle alle meine Untertanen mit Respekt! Auch sie!“
Weder Troy, noch die anderen Erzengel, waren solche Worte von diesem Mann gewöhnt, weshalb er im ernsten Moment sprachlos war. Dann schob der Jette ein Stück zurück. Besitzergreifend ließ er seine Arme zu ihrer Taille wandern.
„Ich muss zugebeben, dass du wenigstens ein bisschen Verantwortung besitzen zu scheinst.“
Der Blick des Erzengels richtete sich wieder auf die Frau vor ihm. Langsam bergriff er, dass mehr zwischen ihnen war als zu Anfang gedacht. Es waren tiefe Gefühle, die sie miteinander verbanden, nicht nur das Begehren zueinander. Jette sah die Sorge in seinen matten Augen.
„Es geht mir wirklich gut, Troy! Das Zimmer in dem er mich untergebracht hat ist...wirklich der Wahnsinn! Es fehlt mir an nichts, du brauchst dir also keine Gedanken zu machen!“, versicherte sie ihm und lächelte ihn aufmunternd an. Nun stiegen auch ihm die Tränen in die Augen.
Sad neigte den Kopf. Er hatte in ihrer Erinnerung nur wenige Bilder von den beiden gesehen, doch dieses Bild das sich ihm gerade bot ließ deutlich werden, wie sehr die beiden voneinander abhängig waren.
„Wie viel Zeit haben wir?“, fragte Troy, ohne der Frau von der Seite zu weichen.
Sad warf einen Blick auf die Uhr an seine Handgelenk.
„Anatol bereitet sicher schon seine Truppen vor. Es wäre wohl besser, wenn ich dabei bin.“, murmelte er nachdenklich. Jette warf sich in Troys Arme.
„Pass auf dich auf, hörst du?“, flüsterte sie fast unhörbar.
Der Erzengel küsste sie auf die Stirn. Wieder warf der Mann dem Teufel einen Blick zu.
„Versprich mir, dass du dich um sie kümmerst und auf sie Acht gibst!“
Zu seinem eigenen Erstaunen nickte der Fürst der Finsternis.
„Ich verspreche es!“
Der Erzengel sah die Wahrheit in seinen Augen, weshalb er die Sache mit einem Kopfnicken abtat.
„Stell keinen Unsinn an, hörst du?“, flüsterte er dann der Frau zu.
Diese nickte mit Tränen in den Augen. Beinahe wäre ihr ein „Ich liebe dich“ herausgerutscht, doch sie konnte sich gerade noch rechtzeitig auf die Zunge beißen um es zu verhindern.
Stimmte das? Liebte sie ihn wirklich? Ja, ja es stimmte, doch ihr Verstand wollte das nicht akzeptieren. Dieser Mann war schließlich ein Erzengel. Und einen Erzengel liebte man nicht einfach so. Außerdem wäre dies kein passender Moment gewesen. Wer weiß, vielleicht sagen sie sich nach dem Krieg ja gar nicht mehr wieder? Doch seltsamerweise schien Troy alles anhand ihres Blickes erkennen zu können.
„Willst du mir etwas sagen, Süße?“, fragte er leise. Sie erstarrte, schluckte und schwieg.
Jette!


Als sie seine Stimme in ihrem Kopf ertönte, erschauderte sie.
Ich...Ich...


Erwartungsvoll zog er die Brauen hoch.
Ich kann das nicht sagen.

, flüsterte sie schließlich in seinem Kopf.
Er lächelte und lehnte seine Stirn gegen ihre. Er hatte sich schon längst eingestanden, dass er sie liebte, doch niemals würde er sie bedrängen! Und auch wenn sie seine Gefühle niemals erwidern würde, hätte er keinen Grund deswegen zu verurteilen oder ihr Vorwürfe machen.
Ich würde dich niemals bedrängen, Jette. Du musst es mir nicht sagen, wenn du nicht willst.


V-Vielen Dank, Troy! Du glaubst gar nicht, wie...


„Ich unterbreche euch nur ungerne aber es wird Zeit!“, meldete sich Sad wieder zu Wort.
Jettes Stimme in Troys Kopf verstummte abrupt. Jette trat einen Schritt zurück, bis sie sich nur noch an den Händen hielten. Langsam lösten sich Sad und Jette in Luft auf.
„Ich liebe dich!“
Troy blinzelte, doch er befand sich bereits wieder in seinem Zimmer.
„Was?“, stieß er zu spät aus. „Was soll das heißen?“, knurrte er und ballte die Hände zu Fäusten.
Hatte sie wirklich diese drei Worte ausgesprochen? Oh, Herr im Himmel, nein! Er stieß ein Brüllen aus und schlug, wie so oft, mit der Faust auf die Wand ein.
„Komm zurück!“

Keuchend vergrub sie das Gesicht in den Händen. Hatte sie das gerade wirklich gesagt?
„Du liebst ihn?“, fragte Sad überrascht und zog die Brauen hoch.
„Sieht ganz so aus...“, murmelte die Frau und ließ sich ins Kissen fallen.
„Verdammt, was denkt er jetzt wohl?“, flüsterte sie und bedeckte sich die Augen mit dem Arm.
„Nachdem, was ich in seinen Augen gesehen habe würde ich sagen, dass er deine Gefühle erwidert.“
Jette hielt inne, nahm den Arm von den Augen und sah den Mann dann aus den Augenwinkeln heraus an.
„Du machst Witze, oder?“
Doch natürlich meinte er das ernst. Er antwortete nicht. Was hätte er auch sagen sollen? Er hatte noch nie eine Frau geliebt und er würde es auch nie. Er hatte keine Ahnung von diesem Gefühl, doch er erkannte es, wenn er es sah. Er war zwar so nett ihr einige kleine Wünsche zu erfüllen, Mitleid mit ihr und dem Erzengel hatte er aber keines. Sie würde hierbleiben, bis zum Ende des Krieges, eher würde er sie nicht gehen lassen. Sads Mundwinkel zuckten.
„Ich wette er tobt gerade vor Wut.“, sagte er, zuckte mit den Schultern und wandte sich ab.
Jette antwortete nicht.

DREIZEHN:



Zitternd schlich er durch den Flur. Hier war er also, in seinem alten Zuhause. Jahrhunderte war er schon nicht mehr hier gewesen. Er konnte gar nicht glauben, dass er wegen eines Krieges hier war.
Er sah über seine Schulter und entdeckte Bane, der ebenfalls auf der Suche nach einem Wächter war.
Setzt sie außer Gefecht.


Das waren Anatols Worte. Er wollte nicht gehorchen, doch wenn er nicht das tat was ihm gesagt wurde, dann... Sein Blick fiel auf seine Hand, an der der Ringfinger fehlte. Er verzog das Gesicht. Das war noch eine der kleinsten Verletzungen, die er hatte ertragen müssen. Er schüttelte den Kopf, um sich von jeglichen Gedanken zu befreien.
Jaylan.


Banes Stimme in seinem Kopf erschreckte ihn in der ersten Sekunde, doch er riss sich zusammen.
Zwei Wächter befinden sich links von uns um die Ecke.


Erneut sah Jaylan über seine Schulter, doch Bane war verschwunden.
Du solltest alleine mit den beiden fertig werden. Ich kümmere mich in der Zeit um die verbleibenden.


Das waren Banes letzte Worte, ehe Jaylan um die Ecke spähte. Tatsächlich, zwei Wächter, scheinbar noch ziemlich jung. Jaylan atmete tief durch. Nicht einmal zwei Sekunden, dann war ihr Wille gebrochen. Sie schienen mit dieser Fähigkeit nicht vertraut zu sein, denn sie brachen zusammen.
Er schüttelte den Kopf. Das war mehr als nur armselig!
Nun gut, zwei weiere Wächter waren außer Gefecht. Jetzt sollte eigentlich keiner mehr in der Nähe sein.
Kannst du noch jemanden spüren?

, fragte er vorsichtshalber noch einmal in Gedanken nach.
Nein.

, war die trockene Antwort.
Gut.

, antwortete er genauso trocken. Dann war sein Auftrag erledigt. Deswegen durfte er aber nicht unvorsichtig werden. Es liefen hier schließlich auch noch andere Engel herum!
Vielleicht sollte ich mich mal ein bisschen in meinem alten Zuhause umsehen?

, dachte er und lächelte schwach. Er vermisste diesen Ort. Doch was er nicht vermisste war die Art, wie er herumkommandiert wurde!

Syrelle schluckte schwer. Die Worte in ihrem Kopf bestätigten ihr, dass es nun Zeit für sie war anzugreifen. Jaylan, Bane und die anderen hatten die Wächter also erfolgreich ausgeschaltet.
Sie seufzte leise. Sie wollte das doch gar nicht! Sie wollte zurück. Zurück in ihre Kindheit, in der sie hier friedlich mit ihm gespielt hatte. Sie vermisste ihn! Und zwar auf eine Art und Weise die ihr bewusst werden ließ, wie sehr sie ihn geliebt hatte. Ob er sich wohl noch an sie erinnern konnte?
Wahrscheinlich nicht...
Sie schüttelte sich, um den Kopf frei zu bekommen.
Wie gehen wir vor?


Joes Stimme schlich sich in ihre Gedanken. Sie knurrte leise. Sie hasste diesen Kerl, er war ein arrogantes Arschloch und auch noch einer der Lieblinge von Anatol, doch was das kämpfen anging war er ein wahres Naturtalent. Nur war er in Anatols Augen nicht stark genug um einen Erzengel zu töten, weshalb er seine schlechte Laune an ihr ausließ. Immerhin akzeptierte er sie als Leiterin dieser Mission.
Ganz einfach: Rein, töten, raus.

, antwortete sie tonlos und sah über ihre Schulter.
Joe zog irritiert die Brauen hoch. Er wusste, dass dies ein Witz sein sollte, doch Syrelle machte keine Witze. Die Frau mit den schwarzen Locken verdrehte die Augen.
Bringe jeden Engel zu Boden. Die Erzengel sind tabu, alles andere ist unwichtig.


Der Mann nickte, dann war ihr Gespräch beendet.
Getrieben von dem Wunsch ihn wiederzusehen, stürmte Syrelle los.

Malachy starrte auf die Tür, durch die gerade ein junger Engel hereingestürmt kam. Keuchend blieb das Mädchen mitten im Saal stehen. Sie sah zu den Erzengeln auf.
„Sie sind hier! Und sie haben bereits sämtliche Wachposten ausgeschaltet.“
Es dauderte einen Moment bis sie wieder Luft bekam. Beunruhigtes Schweigen.
„Die Kriegerengel sollen auf ihre Posten gehen.“, sagte Zarina, da alle still blieben. Das Mädchen nickte und verschwand wieder. Daryl meldete sich nachdenklich zu Wort.
„Ich hätte nicht erwartet, dass sie so unbemerkt hier auftauchen würden.“, murmelte er.
Shana umklammerte den Griff ihres Feuerschwerts.
„Wir sollten uns bereithalten. Schließlich sind wir das Ziel.“, sagte sie.
Alec warf ihr einen nervösen Blick zu. Er wusste, dass sie Angst hatte und wollte sie deswegen beruhigen, doch sie wollte das nicht. Sie wollte nicht, dass jemand von ihrer Angst erfuhr.
„Wir brauchen keinen Finger zu rühren. Er weiß, dass wir hier sitzen und auf ihn warten.“
Alle sahen zu Troy. Das er etwas gesagt hatte überraschte selbst Zarina. Er hatte seit fast vierundzwanzig Stunden kein Wort mehr gesagt. Doch auch wenn er nicht mit Zarina gesprochen hatte so wusste sie, dass es mit Jette zutun hatte. Von einer Sekunde auf die andere waren Kampfgeräusche zu vernehmen. Alle hielten die Luft an.
Schreie, Beleidigungen, das Klirren von Metall, all das war zu hören. Langsam erhoben sich alle. Zarinas Blick verfinsterte sich.
„Dieses Arsch soll endlich herkomen!“, knurrte sie.
Daryl ergriff ihre Hand, damit sie sich wieder beruhigte. Sie alle hatten keine Zeit weiter über die Situation nachzudenken, denn die Tür schwang mit einem lauten Knarren auf.
Eine Frau kam hereingerannt, hinter ihr ein ehemaliger Erzengel...

Ihr blieb die Luft weg. Da stand er, jeder Muskel angespannt, das Gesicht eine einzige Maske. Sie wusste, dass ihre folgende Handlung sie den Kopf kosten konnte, doch das war ihr egal.
Sie lief auf ihn zu und warf sich ihm so kraftvoll in die Arme, dass die beide einige Schritte zurücktaumelten.
„Malachy!“, flüsterte sie.
Irritiert sah der Erzengel auf die Frau herab. Anatol beschloss, sich erst einmal herauszuhalten und alles aus der Ferne zu beobachten. Die anderen Erzengel beachteten ihn gar nicht, sondern wandten ihre Aufmerksamkeit Malachy und der Frau zu. Sie schienen genauso verwirrt zu sein. Weil Malachy nicht antwortete trat die Frau einen Schritt zurück.
„Ich bin's Malachy! Syrelle!“

Malachy hielt die Luft an. In was für eine Situation war er nur geraten? Anatol, ihr Feind, stand am anderen Ende des Saales, doch er wollte sich nur auf die Frau vor ihm konzentrieren. Irgendetwas stimmte wohl nicht mit ihm. Doch auch wenn er jetzt nicht in der Lage war zu handeln, bei den anderen schien der Verstand schon wieder auf Hochtouren zu arbeiten. Daryl war der Erste, der in Position ging. Nach der Reihe standen sie alle mit einigen Metern Abstand in einem Halbkreis, sodass Malachy mit Syrelle geschützt im Hintergrund stand. Dafür war auch Syrelle ihnen dankbar. Während Zarina mit dem ehemaligen Erzengel eine hitzige Diskussion begann, konzentrierte sich Malachy voll und ganz auf die Frau vor ihm.
„Syrelle.“, murmelte er verwirrt. War das die Frau, das Mädchen, in das er damals verliebt gewesen war?
„Du erinnerst dich doch an mich, oder?“, fragte sie voller Hoffnung.
Malachy lächelte. Ihre Stimme hatte schon damals immer voller Hoffnung geklungen.
„Natürlich.“, hauchte er und schloss sie in die Arme.
Das war das Mädchen, mit dem er sich in seiner Kindheit immer heimlich getroffen hatte. Niemand hatte je von ihr erfahren. Er hatte sich in sie verliebt aber nie etwas gesagt, aus Angst sie könnte ihn abweisen. Natürlich waren sie sich nahe gekommen, allerdings nie so nahe um zu erkennen, ob seine Gefühle erwidert wurden.
Syrelle schluckte und sah, nun scheinbar ängstlich zu ihm auf.
„Ich weiß es ist viel Zeit vergangen...und ich weiß nicht wie dein Leben nun aussieht aber...es gibt etwas, das ich dir damals verschwiegen habe und das ich dir gerne sagen möchte.“, sagte sie selbstbewusst. Angst breitete sich in Malachy aus. Was würde nun wohl kommen?
„Bevor ich...mit der Wahrheit herausplatze wüsste ich gerne...was du für mich empfindest. Oder was du für mich empfunden hast.“, flüsterte sie.
Malachys Augen weiteten sich. Wie sollte er ihr in diesem Moment die Wahrheit sagen? Sie waren im Krieg!
„Malachy, bitte!“, flehte die Frau.
Der Mann schluckte. Warum nur war alles so kompliziert? Er hob die Hand und legte diese an ihre Wange, worauf sie zufrieden die Augen schloss.
„Ich habe dich geliebt.“, begann er flüsternd. „Und wenn du so vor mir stehst muss ich feststellen, dass sich daran nichts geändert hat.“
Tränen stiegen der Frau in die Augen. Und anstatt etwas zu sagen, ließ sie Taten sprechen. Sie umfasste sein Gesicht mit beiden Händen und zog ihn dann zu sich hinunter, um ihn küssen zu können.
„Was bin ich froh!“, flüsterte sie.
Für einen winzigen Moment war alles perfekt. Für die beiden zumindest.

Anatol lachte, was Zarina natürlich nur noch mehr ärgerte. Sie knurrte. Am liebsten hätte sie ihn angegriffen, doch sie musste sich zurückhalten. Sie wusste, dass er sie mit Leichtigkeit umbringen konnte, wenn er wollte.
„Ich werde in deinem Blut baden, sobald du tot bist!“, mischte sich Daryl ein.
Wieder lachte Anatol.
„Versuch's nur!“, brüllte er und stürzte sich auf den Vampir.
Zarina wollte schreien, doch sie presste sich die Hand auf den Mund, um es zu verhindern. Sie musste Daryl vertrauen! Auch wenn sie die blanke Angst packte, als sie das Höllenfeuer in Anatols Hand aufblitzen sah. Nun begann der eigentliche Kampf.
Alle versuchten Anatol Schaden zuzufügen, doch das war gar nicht mal so einfach. Trotz Daryls Versuch in abzulenken. Anatol wollte zum Gegenangriff ausholen, doch gerade in diesem Moment tauchte Sadhasivan mitten im Saal auf. Eine blonde Vampirin an seiner Seite. Sofort war Troy bei ihr.
„Jette!“, flüsterte er und schloss sie in die Arme. „Warum hast du sie hierher gebracht?“, fragte er den Teufel, der direkt hinter ihnen stand.
„Sie kann hierbleiben. Allerdings bestehe ich darauf, dass weder du, noch sie an diesem Kampf teilnimmt.“
Beide nickten. Das tat ihnen zwar für die anderen leid, sie beide hatten damit allerdings kein Problem. Der Erzengel packte die Frau an der Hand und zog sie aus dem Saal.

„Ich lasse dich nur ungerne aus den Augen aber ich muss den anderen helfen.“, sagte Malachy eindringlich. Syrelle nickte verständnisvoll und ließ seine Hand los.
„Ich komme schon klar.“, sagte sie lächelnd und trat einen Schritt zurück.
Malachy nickte nur und wandte sich ab.

Daryl stieß ein ohrenbetäubendes Brüllen aus. Jetzt hatte dieser Typ ihn doch erwischt!
Er keuchte und rutschte an der Marmorsäule zu Boden. Nach Luft ringend starrte er auf sein Bein.
Er hatte kein Problem mit einem gebrochenen Knochen, allerdings war diese Verletzung mehr als nur ein Bruch. Ein Teil des Schienbeinknochens hatte sich durch sein Fleisch gebohrt und ragte nun ein Stück heraus. Das umliegende Gewebe war völlig zerfetzt. War das etwa die Wirkung des Höllenfeuers, welches ihn nur leicht gestreift hatte? Er schluckte. Kein Wunder, dass Zarina solche Angst um ihn hatte. Apropos Zarina. Die stürzte bereits auf ihn zu, um ihrem Mann zu helfen. Er versuchte aufzustehen, doch er schaffte es nicht. Bei solchen Verletzungen brachten selbst die ausgeprägtesten Selbstheilungskräfte nichts. Nur Blut konnte ihm jetzt noch helfen und das wusste auch Zarina. Sie beugte sich vor und bot ihm ihre Kehle an.
„Trink!“, befahl sie mit eisernem Wille.
Ohne zu zögern stieß er seine Fänge in ihr Fleisch. Daryl wusste, dass ihm nicht viel Zeit blieb, doch er genoss den Geschmack ihres Blutes auf seiner Zunge dennoch. Ihr Blut war ein Geschenk!
Während er trank, beobachtete er das Geschehen im Hintergrund.
Malachy hatte es geschafft Anatol zu Boden zu bringen, doch mit einem kräftigen Schlag den er einstecken musste, war der neugeborene Dämon wieder auf den Beinen.
„Warum tust du das?“, brüllte Malachy und hielt sich den Bauch. „Was haben wir dir denn getan?“
Doch Anatol brach nur wieder in Gelächter aus.
„Das würde keiner von euch begreifen, mein lieber Malachy!“
Malachy verzog das Gesicht, doch als er Syrelle sah entglitten ihm seine Gesichtszüge. Sie schlich sich von hinten an den Dämon heran, ein langer und gefährlich aussehender Dolch blitzte in ihrer Hand auf. Malachy versuchte sich nichts anmerken zu lassen und hoffte, es funktionierte. Scheinbar ja, denn Anatol schien die Frau nicht zu bemerken. Dann passierte es.
Syrelle rammte ihm den Dolch zwischen die Schulterblätter. Ein lautes und schmerzerfülltes Brüllen ging durch den Saal und ließ jeden erschaudern.
Gut gemacht, Süße!

, dachte Malachy und nickte der Frau anerkennend zu.
Diese lächelte und zog das blutige Stahl wieder aus Anatols Körper. Sie trat ein paar Schritte zurück, denn Anatol fiel auf die Knie und keuchte. Alle hielten gespannt die Luft an, doch ganz so einfach sollte es nicht sein. Nach einigen Sekunden richtete er sich plötzlich wieder auf. Alle traten einen Schritt zurück als sie sahen, dass sich die Wunde zwischen seinen Schulterblättern wie von Geisterhand wieder schloss. Wieder lachte der Mann auf.
„Glaubt ihr wirklich, es sei so einfach?“, brüllte er und ließ eine Kugel aus Feuer in seiner Hand entstehen, die langsam immer größer wurde. Zarina riss vor Entsetzen die Augen auf.
Du musst dich sofort in Sicherheit bringen, Daryl!

, dachte sie panisch und sah sich nach einem guten Versteck für ihn um.
Was? Warum?

, kam es verwirrt zurück.
Höllenfeuer! Erinnerst du dich?

, antwortete sie hastig.
Sie zog ihn auf die Beine, zerrte ihn hinter die Marmorsäule und drückte ihn dort wieder zu Boden.
„Mit dieser Feuerkugel in seiner Hand könnte er dich töten!“, flüsterte sie und sah kurz zu Anatol.
„Nicht zu fassen, dass die Wunde einfach so geheilt ist.“, murmelte sie dann. Daryl ergriff ihre Hand.
„Bleib hier.“, verlangte er barsch.
Unentschlossen sah die Gefallene von Anatol wieder zu Daryl. Sie zögerte. Sie musste diesen Wahnsinnigen irgendwie stoppen, doch sie konnte ihren Mann auf keinen Fall alleine lassen. Seufzend ließ sie sich schließlich neben ihm nieder. Schwach lächelnd ergriff sie seine Hand,dann sah sie über den Rand der Marmorsäule um zu schauen, was Anatol gerade tat. Die Kugel aus Feuer in seiner Hand war um einiges größer geworden, weshalb Zarina wieder schluckte. Jeder wusste was in wenigen Sekunden passieren würde, weshalb sich jeder in Deckung brachte. Sie blinzelte, dann gab es ein lautes Krachen. Zarina hielt sich schützend die Arme über den Kopf.
Irgendjemand brüllte und auch ein Schrei ließ Zarina erschaudern.
Vorsichtig lugte die Gefallene wieder hinter der Säule hervor. Einige Dinge waren schwarz und völlig verkohlt. Sie konnte Anatol nirgends entdecken. Stattdessen sah sie die anderen, die fast alle verletzt waren. Sie hielt die Luft an.
„Nur ein Kratzer!“, brummte Alec, als er Zarinas Blick bemerkte.
Sie verzog das Gesicht. Das war wohl die Untertreibung des Jahrhunderts! Sein Brustkorb war von Verletzungen übersät. Scheinbar hatte er schon vor dieser Art...Explosion einiges einstecken müssen. Irgendjemand zupfte an ihrem Shirt, sie vermutete das es Daryl war, weshalb sie sich wieder umdrehte.
Augenblicklich gefror ihr das Blut in den Adern. Anatol stand vor ihnen. Mit einem gefährlichen und eiskaltem Grinsen sah er auf die beiden herab. Scheinbar wollte er die beiden als erstes töten.
Das Feuer in seiner Hand flackerte gefährlich. Engelsfeuer war ebenso gefährlich, strahlte im richtigen Moment allerdings eine gewisse Wärme aus. Dieses Feuer allerdings war weit davon entfernt. War es möglich, dass Feuer auch kalt sein konnte?
Zarina war starr vor Angst. Der Wahnsinn in seinen Augen war deutlich zu erkennen.
Wieder ging alles ganz schnell. Daryl packte sie, riss sie mit und warf sich mit ihr schutzsuchend hinter einen der Thronstühle der Erzengel. Wieder ein Krachen. Die Marmorsäule hinter der sie eben noch gehockt hatten war hinüber. Mehr als Staub blieb nicht von ihr übrig.
Ein wahrer See aus Blut bedeckte bereits den Boden und durchtränkte die Kleider aller.
„Alles in Ordnung?“, hauchte Daryl und sah auf seine Frau herab, die sich neben ihm auf allen Vieren abstützte. Sie nickte und setzte sich auf, schwer atmend. Ein Splitter, er wusste nicht ob von der Marmorsäule, hatte einen Schnitt in ihrer Wange hinterlassen, aus dem Blut sickerte.
Vorsichtig wischte er es mit dem Daumen weg, dann leckte er es ab.
Sadhasivan fiel ins Blickfeld des Vampirs.
„Was hast du nur mit ihm gemacht?“, brüllte er dem Mann mit den schwarzen Augen zu.
Dieser reagierte aber gar nicht. Daryl knurrte und wandte seinen Blick wieder ab.
„Wie tötet man einen Dämon?“, fragte er Zarina.
Hilflos sah sie ihn an.
„Wenn ich das nur wüsste!“
Sie wandte ihren Blick ab.
„Troy und Jette haben es hier raus geschafft, vielleicht können sie uns helfen.“
Sie beendete das Gespräch zwischen Daryl und sich und nahm stattdessen mentalen Kontakt zu Troy auf.
Troy, hör zu. Ich nehme an, du weißt auch nicht wie wir Anatol töten können, oder?


Zarina?


Ja, ich bin's.


Nein, ich weiß es leider auch nicht.


Gut, dann durchwälz die Bücher, es muss einen Weg geben. Beeil dich und gib mir sofort Bescheid, wenn du etwas findest!


Geht in Ordnung!


Zarina atmete tief durch und machte sich bereit.
„Gib mir Deckung, okay?“, flüsterte sie und warf Daryl einen kurzen Blick zu.
Nun sah sie die Panik in seinen Augen.
„Was hast du vor?“
„Vertrau mir!“, hauchte sie und küsste ihn flüchtig, ehe sie hinter dem Thron hervor kam.
Anatol stand inzwischen wieder mitten im Saal. Als er die Frau erblickte, die noch als einzige unverletzt war, bis auf den Schnitt, fing er an zu grinsen.
„So, dann willst also du es zu Ende bringen?“, lachte er und zog erwartungsvoll die Brauen hoch.
„Lass dich überraschen.“, erwiderte sie und zog ihr Schwert aus Silber.

VIERZEHN:



„Troy, warum beeilen wir uns so?“, fragte Jette verwirrt.
Er zerrte sie hinter sich her, ohne Rüksicht auf ihr Handgelenk, welches bereits dabei war anzuschwellen.
„Die anderen stecken in Schwierigkeiten.“, war die einzige Erklärung die er ihr lieferte.
Er zog sie in das Archiv, wo er sie an einen Tisch drückte. Dann stürzte er auf ein Regal zu, aus dem er einige Bücher herauszog. Mit diesen Büchern setzte er sich ebenfalls an den Tisch. Einige schob er dann Jette zu.
„Wir müssen herausfinden, wie man Anatol töten kann. Beeil dich.“, sagte er und schlug auch schon das erste Buch auf.

Daryl beobachtete voller Angst, wie sich Zarina Anatol stellte. Das Schwert aus Silber in ihrer Hand verwirrte ihn. Seit wann besaß sie überhaupt ein Schwert? Dennoch bewunderte er sie in diesem Moment. Die Waffe beeindruckte ihn! Die lange Klinge reflektierte das Licht und er erkannte auch so, dass es unglaublich scharf geschliffen worden war. Die Spitze war leicht abgeschrägt und erinnerte ein wenig an ein japanisches Katana. Der Griff des Schwertes lag gut in ihrer Hand, war kunstvoll verziert, sogar Edelsteine waren zu erkennen, und besaß eine scharfe Spitze, mit denen sie ebenfalls einen erheblichen Schaden anrichten konnte.
Anatol grinste, Zarina fand das Ganze aber alles andere als lustig. Fast schon wehmütig starrte sie den Mann an, der einst ihr Lehrer gewesen war.
Zarina!


Sie zuckte zusammen als sie Troys Stimme in ihrem Kopf hörte.
Du hast etwas herausgefunden?


Ja. Allerdings hilft das jetzt nicht wirklich viel. Wir brauchen irgendein Artefakt um ihn zu vernichten. Aber ich weiß nicht welches! Hier steht, dass ein Erzengel, der vom Teufel persönlich zu einem Dämon gemacht wurde, nur mthilfe eines bestimmten Artefakts getötet werden kann.


Zarina trat einen Schritt zurück. Das half ihr wirklich nicht weiter.
Dann such weiter, verdammt!

, dachte sie und hob das Schwert.
Anatol machte keinerlei Anstalten sie anzugreifen und das gefiel ihr ganz und gar nicht. Was hatte er vor? Wieder fing er an zu grinsen.
„Du willst doch gar nicht gegen mich kämpfen, Liebes. Also nimm das Schwert runter!“
Nun lachte auch Zarina.
„Oh, ich will gegen dich kämpfen, Anatol und wie! Du glaubst ja gar nicht, wie sehr ich mich an deinem Tod erfreuen würde! Hast du eigentlich eine Ahnung, was du getan hast? Lass mich raten, in deinen Augen ist das Ganze nur ein Spiel!“
Zarina dachte nach. Sie musste irgendwie Zeit schinden. Zum einen, damit sich die anderen regenerieren konnten und zum anderen, damit Troy weitersuchen konnte.
Sie bemerkte Sadhasivan, der immer noch, scheinbar interessiert an der Situation, Abseits stand und sie beobachtete.
Warum bist du eigentlich hier?

, dachte sie in seine Richtung.
Als sich seine tiefschwarzen Augen auf sie richteten blinzelte sie. Es war fast unmöglich diesem Blick standzuhalten, doch sie schaffte es!
Es ist ganz aüsant dabei zuzusehen, wie dieser Mann zugrunde geht.


Überrascht ließ Zarina das Schwert sinken.
Du stehst gar nicht auf seiner Seite?

, hakte sie irritiert nach und neigte den Kopf.
Ein leises Lächeln umspielte des Teufels Lippen.
Plötzlich traf sie etwas im Magen.
Verdammt!

, dachte sie und spuckte Blut.
Sie hatte sich ablenken lassen und das hatte sie nun davon. Sie prallte nach einigen Metern auf dem harten Boden auf und spuckte erneut Blut. War das seine Faust gewesen? Sie spuckte aus und wischte sich dann mit dem Handrücken über den Mund. Mit hasserfülltem Blick starrte sie Anatol an, der lächelnd auf sie zukam. Blitzschnell sprang sie wieder auf die Beine. Sie musste sich nicht umdrehen um zu wissen, dass Daryl kurz davor stand zu ihr zu rennen.
Mach dir keine Sorgen, Süßer ich komme schon klar.

, dachte sie.
Sie sah über Anatols Schulter. Ihr Schwert hatte sie natürlich fallen lassen...
So eine Scheiße aber auch!

, fluchte sie wieder in Gedanken.
Sie biss sich auf die Zunge um den aufsteigenden Frust wieder hinunter zu schlucken.
Wieder stürzte Anatol auf sie zu, doch sie sprang zur Seite, rollte sich ab und ergriff ihr Schwert.
Sie hatte keine Zeit mehr Zeit zu verschwenden. Sie stürzte sich auf ihn, knurrend und fauchend und holte immer wieder aus.
Ich scheiß auf meine Deckung!

, dachte sie und versetzte dem Mann einen Schwerthieb nach dem anderen. Sie spürte ab und zu einen stechenden Schmerz, doch das war ihr egal. Sie machte immer weiter. So lange, bis sie am Ende keine Luft mehr bekam. Es genügte nur ein Fausthieb und sie lag erneut auf dem Boden. Keuchend versuchte sie, wieder auf die Füße zu kommen, doch ihre Beine gaben nach. Sie hob den Blick. Anatol stand direkt vor ihr. Nun war das Lächeln auf seinen Lippen allerdings verschwunden. Sie musterte ihn. Er hatte überall tiefe Schnittwunden und klaffende Löcher, vorallem in der Brust, doch mit einem einzigen Atemzug schlossen sich diese wieder.
„Das darf doch nicht wahr sein.“, murmelte sie und schloss die Augen.
Plötzlich verkrallte er sich in ihren Haaren und riss sie wieder auf die Beine. Sie zischte.
„Du wagst es...“
Sie ließ ihn nicht ausreden und spuckte ihm ins Gesicht.
„Fass mich nicht an!“, fauchte sie.
Leider ließ er sie nicht los, doch das war kein Problem. Sie umklammerte ihr Schwert, dann stieß sie ihm mit voller Wucht die Klinge in den Fuß. Brüllend ließ er von ihr ab, worauf er ein paar Schritte zurück taumelte. Sie nutzte die Chance um ihm mit der Faust ins Gesicht zu schlagen. Ein Knacken ertönte, es stammte von seiner Nase.
Zarina!


Der eindringliche Ruf in ihrem Kopf ließ sie inne halten. Sie sprang wieder hinter den Thron, dort wo sich auch Daryl noch befand, um in Deckung zu gehen.
Ich höre.

, dachte sie und gab Daryl mit einem Handzeichen zu verstehen, dass er ruhig sein sollte.
Sonnenlicht ist die Lösung.

, ertönte Troys Stimme wieder.
Naja, künstliches Sonnenlicht um genau zu sein. Es gibt ein Artefakt, welches eine Art Sonnenlicht produziert. Sollte Anatol diesen berühren, erleidet er schwerste Verbrennungen, die ihn unglaublich schwächen. Diese Verbrennung können nicht heilen! Es sollte dadurch ein leichtes Spiel werden ihn zu töten. Indem man ihm zum Beispiel den Kopf abschlägt.


Zarinas Augen verengten sich.
Erklär das den anderen. Sie sollen Anatol ablenken, damit ich mich auf die Suche nach diesem Artefakt machen kann!

, dachte sie.
Für einen Moment herrschte Stille in ihrem Kopf. Sie warf den Erzengeln der Reihe nach einen Blick zu. Jeder von ihnen schien für einen Moment in Gedanken versunken zu sein, auch Daryl. Zarina sah wieder zu Anatol, der benommen darauf warten zu schien, dass einer von ihnen angriff. Dann hörte sie wieder Troys Stimme.
Was? Was ist?


Beim panischen Klang seiner Stimme zuckte sie zusammen.
Der Stab! Das Artefakt in deinem Stiefel ist die Lösung!


Sie erstarrte und riss die Augen auf.
Das musst du mir genau erklären.


Troy seufzte.
Zusammen mit dem Blut eines reinen Herzens verwandelt sich der Stab in einen Sonnenkristall.


Troy hatte diese Worte an alle gesandt, weshalb jeder sofort Bescheid wusste. Alle sahen Zarina an, die sich jedoch fragte warum. Plötzlich krachte es wieder. Eine Feuerwelle ging durch den Raum, doch glücklicherweise waren alle durch die Thronstühle geschützt.
Zarina hat ein reines Herz!


Shanas Stimme ging durch sämtliche Köpfe. Sie sprach mit allen. Außer Sadhasivan und Anatol natürlich. Zarina knurrte leise.
Ich habe kein reines Herz! Ich bin von Rache erfüllt und habe sämtliche Leute auf dem Gewissen!

, dachte sie, völlig überrumpelt.
Du hast nicht böswillig gehandelt, Zarina. Du willst Frieden und das Leben, was du dir immer gewünscht hast. Du hast ein reines Herz, ob du es glauben willst oder nicht.

, mischte sich Malachy ein. Zarina schrie erschrocken auf als eine Feuerkugel knapp neben ihr in die Wand einschlug.
Daryl ergriff sofort ihre Hand und zog sie schützend an seine Brust. Der Vampir hatte ebenfalls das gesamte Gespräch verfolgen können.
Also schön. Angenommen sie besitzt ein reines Herz, was dann? Wie soll das Ganze dann ablaufen?

, fragte er und hoffte, Troy würde ihn hören.
Ihr Blut muss mit dem Stab in Verbindung gebracht werden.

, kam es schließlich von Troy zurück.
Daryl sah zu Malachy hinüber.
Lenkt ihn ab, Zarina und ich kümmern uns um den Rest.

, dachte er.
Der Erzengel nickte und gab den anderen ein Signal, worauf sie sich alle gleichzeitig auf den Dämon stürzten.
„Beeilen wir uns.“, sagte Daryl derweil zu Zarina.
Diese nickte und zog das Artefakt aus ihrem Stiefel. Unsicher sah die Frau den Vampir an.
„Du schaffst das.“, flüsterte er ihr aufmunternd zu. Dann ergriff er ihre Hand, um ihr sanft in den Finger zu beißen. Blut quoll hervor. Zaghaft drückte sie ihren Finger gegen das alte Holz des Stabes. Erst passierte gar nicht, dann spürte sie ein eigenartiges Kribbeln. Ein grelles Licht, welches von dem Stab ausging blendete sie plötzlich. Ihr wurde warm, nein heiß, und ein Schauer nach dem anderen überlief sie. Ein eigenartiges Zittern ergriff sie und ließ sie keuchen. Eine starke Hand ergriff ihre und beruhigte sie ein wenig. Ihr Herzschlag verlangsamte sich wieder und ihre Atmung wurde flacher. Die unangenehme Wärme in ihrem Körper verschwand und konzentrierte sich stattdessen auf ihre Hand, in der auf einmal etwas Schweres lag. Sie hatte die Augen wegen dem licht zugekniffen, nun öffnete sie sie aber wieder. Das Licht war verschwunden. Ihre Augen weiteten sich als sie den faustgroßen Kristall in ihrer Hand entdeckte. Er war weißlich, milchig und hatte einige Einschlüsse. Scheinbar war der Kristall aus Quarzgestein.
„E-Es hat funktioniert.“, hauchte sie fassungslos.
Es hat funktioniert!

, widerholte sie in Gedanken, damit es alle erfuhren.
Scheinbar waren alle im Kampf vertieft, denn keiner antwortete ihr.
Troy, wie setze ich den Kristall ein?


Zarina bekam keine Antwort. Entweder war etwas passiert oder er suchte noch nach der Lösung.
I-Ich bin mir nicht ganz sicher. Entweder ist das reine Herz in völliger Kontrolle über den Kristall oder...es wird Sonnenlicht benötigt um den Kristall zu aktivieren.


Zarina lauschte als endlich Troys Stimme in ihrem Kopf ertönte. Ein wenig hilflos sah sie hinter dem Thron hervor. Augenblicklich schlug sie sich die Hand vor den Mund. Jeder ihrer Freunde stand fast schon an der Schwelle des Todes.
„Daryl, wir müssen handeln!“, keuchte sie und sprang auf die Füße.
Der Vampir packte sie am Arm.
„Du weißt doch gar nicht wie der Kristall funktioniert!“
Die Frau schüttelte seine Hand ab.
„Sie sie dir doch nur an, Daryl! Sie alle haben schwerste Verletzungen erlitten!“, fauchte sie und rannte los.

FÜNFZEHN:



Ein wenig irritiert beobachtete Sad die Situation. Er hatte nicht damit gerechnet, dass die Erzengel so leicht zu verwunden waren. Und er hatte nicht damit gerechnet, dass Anatol solch ein Chaos anrichten würde. Solch ein...Blutbad! Zarina hatte recht gehabt, der Wahnsinn in seinen Augen war unverkennbar. Seine Augen verengten sich. Vielleicht hätte er diesen Mann doch nicht verwandeln sollen? Er schüttelte den Kopf. Verdammt noch mal, er war weich geworden! Irgendwie hatte das Auftauchen von Jette alles verändert. Während sie nicht miteinander verwandt gewesen, hätte er mit seiner grausamen Tour weiter gemacht. Blut spritzte, einige Tropfen trafen ihn im Gesicht.
Anatol beugte sich mit einem irren Grinsen über Malachy, seinem ehemals besten Freund.
„Hast du noch etwas zu sagen, bester Freund?“
Plötzlich ging ein lautes Brüllen durch den Saal. Sad musste irritiert feststellen, dass es von Zarina kam. Auf dieses Brüllen folgte ein grelles Licht. Einige dieser Lichtstrahlen trafen Sad am Bein und verursachten bei ihm einen solchen Schmerz, dass er laut knurrend in den Schatten sprang.
Panisch inspekzierte er sein Bein, welches Verbrennungen aufwies. Er stieß ein Zischen aus. Wie war es möglich, dass Licht einen solchen Schaden anrichten konnte? Noch nie hatte ihn Licht verletzt. Er war doch schließlich kein Vampir! Wieder ein lautes Brüllen. Sadhasivan hob den Blick. Anatol fiel in sein Blickfeld. Auch er war den Lichtstrahlen ausgesetzt. Allerdings vollständig!
Er hielt sich schützend die Hände vor's Gesicht, doch es half nicht. Auch sein Gesicht hatte bereits schwerste Verbrennungen erlitten. Auch seine Kleidung verbrannte einfach so und hang am Ende nur noch in Fetzen von seinem Körper. Sad sah sich um. Wo kam dieses Licht nur her? Er entdeckte Zarina, die die Arme von sich streckte. Ein glühender Klumpen lag in ihren Händen. War das etwa ein Kristall? In der Zeit, in der Anatol versuchte sich zu retten, kamen die Erzengel wieder auf die Beine. Ein Lächeln stahl sich auf die Lippen der rothaarigen Gefallenen.

Das ist die Chance! Schlagt ihm den Kopf ab!

, dachte Zarina und warf den anderen einen Blick zu. Sie nickten und gingen in Position, doch so wie es aussah wollte sich der Dämon noch immer verteidigen. Zarina schloss die Augen. Sie hatte es wirklich geschafft den Kristall anhand ihrer Gedanken zu steuern. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass es so einfach sein würde.
„Ich mach das!“, rief Daryl.
Als die Gefallene die Augen wieder öffnete sah sie, dass der Vampir ihr Schwert in der Hand hielt.
Bitte sei vorsichtig!

, dachte sie.
Sie erhielt keine Antwort. Daryl hob bereits das Schwert, doch plötzlich holte Anatol mit dem Arm aus und verpasste ihm einen Schlag, der ihn einige Meter zurückwarf. Benommen schüttelte er den Kopf.
Es gibt zwei Möglichkeiten.

, dachte Malachy. Entweder du schleichst dich von hinten an ihn heran oder wir halten ihn fest, damit du es zu Ende bringen kannst.


Haltet ihn fest!

, dachte Zarina und nahm dem Vampir somit die Entscheidung ab.
Die Erzengel warteten auf den richtigen Moment, dann stürmten sie auf Anatol zu, um ihn zu packen. Der Dämon brüllte.
Du verdammter Bastard, hilf mir gefälligst!

, dachte er, doch der Fürst der Finsternis ignorierte ihn eiskalt. Anatol versuchte sich zu befreien, doch er war zu geschwächt. Diese verdammten Lichtstrahlen! Er war so weit gekommen, es durfte noch nicht vorbei sein! Wieder brüllte er, doch sie ließen ihn nicht los.
Ich bin dein Freund, Malachy! Willst du das wirklich zulassen?


Der Erzengel zuckte beim Klang von Anatols Stimme in seinem Kopf kurz zusammen, ließ sich davon aber nicht ablenken.
Wir sind keine Freunde mehr, Anatol. Schon lange nicht mehr.

, erwiderte er und sah dabei zu, wie sich der Blick des Dämons verfinsterte. Malachy packte fester zu. Gemeinsam drückten er und Shana ihn zu Boden.
„Daryl, beeil dich.“, rief Zarina.
Anatols Augen huschten unruhig hin und her, fixierten keinen festen Punkt. Am Ende blieb sein Blick an dem Vampir haften. Dieser kam mit erhobenem Schwert auf ihn zu.
„Ich werde in deinem Blut baden!“, wiederholte er grinsend und entblößte dabei seine spitzen Reißzähne.
„Das wird der Fürst nicht zulassen!“, brüllte Anatol und versuchte erneut, sich den Griffen der Erzengel zu entziehen. Doch wieder hatte er keine Chance.
„Das sehe ich anders.“, erwiderte der Vampir und sah kurz über seine Schulter, zu Sadhasivan. Dessen schwarze Augen waren leer.
„Daryl!“, drängte Zarina wieder.
Der Vampir nickte, dann senkte sich das Schwert.

„Du mieses Schwein hast ihr Leben zerstört!“, knurrte er so leise, dass nur Anatol es hören konnte. Doch der zeigte keine Reue. Warum auch, es interessierte ihn nicht! Er zeigte ein schiefes Grinsen, was Daryl nur noch aggressiver machte. Sad neigte den Kopf. Gleich wäre alles vorbei! Dann stach der Vampir zu. Tief vergrub sich das Silber in Anatols Brust. Daryl zog es heraus und stieß es dann wieder hinein. Immer und immer wieder, solange, bis das Blut schon aus dem Mund des Dämons lief. Der Vampir knurrte ununterbrochen. Ihm war das Ganze nicht genug.
Sads Augen verengten sich als er die ganzen Beleidigungen hörte, die den und des Vampirs verließen. Nun erhob sich das Silberschwert in die Luft.
„Ich nehme an, du hast nichts mehr zu sagen?“, knurrte Daryl und zog die Brauen hoch.
Anatol war nicht in der Lage etwas zu sagen. Erst recht nicht, als der Vampir ihn packte und ihm ohne Gnade die Zunge herausschnitt. Ein Schrei. Daryl lachte, verbittert. Dann stopfte er dem Dämon dessen eigene Zunge in den Rachen. Sad schluckte seine aufsteigende Galle wieder hinunter. Ja, als Teufel war er einer der grausamsten Männer des Universums, doch so etwas hatte er seit langem weder gesehen, noch selbst durchgeführt. Dieser Vampir war definitiv wütend!
Ständig spritzte auf's neue Blut. Daryl lachte auf. Er schnitt ihm den Kehlkopf heraus, worauf der Dämon restlos verstummte.
„Jetzt hack ihm endlich den Kopf ab!“, brüllte Zarina.
Doch der Vampir ließ sich Zeit. Entfernte die Augäpfel aus den Augenhöhlen, schnitt ihm sogar die Ohren ab, folterte ihn auf grausamste Weise. Erst ganz zum Schluss, als Anatol in der Lache seines eigenen Blutes kniete, setzte Daryl die Klinge an seinen Hals.
In dem Moment, in dem die Klinge sich durch das Fleisch arbeitete, verstummten jegliche Geräusche im Saal. Alles was zu hören war, war das Fleisch, welches schmatzte. Die Halswirbel, die knirschten, die Sehnen und Muskeln die rissen und das Blut, welches spritzte und sich auf dem Boden sammelte.
Shana taumelte einige Schritte zurück und drehte sich um, um sich zu übergeben. Scheinbar hatte sie solch eine Bluttat auch noch nie miterlebt. Auch Malachy trat einen Schritt zurück. Still schweigend beobachteten alle, wie der Körper von Anatol zur Seite kippte. Das Blut plätscherte.
Daryl hielt seinen Kopf in den Händen, den er dann dem Fürsten zuwarf. Stirnrunzelnd sah Sad dabei zu, wie sowohl der Kopf als auch der Rumpf der leiche in Staub zerfiel.
„Mach, dass du hier weg kommst, ehe ich mich auch auf dich stürze!“, knurrte Daryl in seine Richtung.
Ohne etwas zu sagen löste sich der Fürst in luft auf. Er hatte genug gesehen.

Zarina stürzte auf Daryl zu und warf sich ihm schluchzend in die Arme.
Shana leerte ihren Mageninhalt und Malachy sank erschöpft und erleichtert zu Boden. Daryl strich seiner Frau übers Haar und küsste sie dann auf die Stirn. Trotz der blutigen Hände.
„Es ist vorbei!“, flüsterte er.
Sie nickte zaghaft und spähte dann zu den anderen herüber. Das Höllenfeuer hatte jeden verletzt, und zwar schwer. Es würde dauern bis sie alle wieder vollkommen gesund waren. Die Tür ging auf und Jette und Troy kamen hereingestürmt. Als sie die Unmengen von Blut sahen blieben sie stehen.
Sämtliche Farbe wich aus dem Gesicht des Erzengels.
„Ach du...“
Jette beendete ihren Ausruf aprubt. Zu schlimm war der Anblick, der sich ihr bot.
„Ist alles in Ordnung bei euch?“, rief Troy.
Alle hoben den Blick. Und nickten.

EPILOG:



Zärtlich küsste er sie.
„Macht es dir nichts aus, dass die beiden wieder auf der Erde leben?“, hauchte sie und sah in seine tiefen braunen Augen.
„Wir werden auch weiterhin noch Kontakt haben.“, erwiderte er. „Ich gebe zu es ist ein komisches Gefühl, auf einmal ohne beste Freundin da zu stehen aber...alles was ich brauche zum glücklich sein, ist hier!“
Sie lächelte, zutiefst erfreut über seine Worte und küsste ihn. Lachend schob Malachy Syrelle von sich.
„Ich würde dir gerne jemanden vorstellen.“
Fragend neigte die Frau den Kopf. Plötzlich ging die Tür hinter ihnen auf. Eine schlanke Frau betrat das Schlafzimmer. Sie kam direkt auf die beiden zu und verneigte sich schließlich leicht vor Syrelle.
„Freut mich dich kennenzulernen, Syrelle. Mein Name ist Alaine, ich bin...“
„Malachys Mutter!“, beendete Syrelle fassungslos ihren Satz.
„I-Ich dachte sie wäre Sad verschrieben?“, murmelte sie und sah Malachy wieder an.
„Er hat sie gehen lassen.“, sagte er glücklich und legte den Arm um seine Mutter.
Nun hatte er sie wieer. Seine Liebe und seine Mutter...

„Mir ist langweilig.“, maulte sie und betrachtete ihre perfekt manikürten Fingernägel. Alec kam aus de Bad geschlendert. Er hatte geduscht und hielt es nicht für nötig sich ein Handtuch umzubinden.
„Vielleicht kann ich helfen?“, sagte er selbstgefällig grinsend und ging auf sie zu.
Fasziniert ließ sie seinen Blick über seinen muskulösen Körper schweifen. Sie hatte früher nie bemerkt wie muskulös er wirklich war. Ihr Blick blieb zwischen seinen Beinen hängen.
„Oh ja, ich glaube das kannst du!“, schnurrte sie und ließ zu, dass er sich mit seinem vollen Gewicht auf sie legte.
„Ich weiß das dies ein nicht passender Moment ist...“, begann er zögernd. Er sah ihr tief in die Augen.
„Aber in der Zeit, in der ich Zarina und Daryl beobachtet habe musste ich feststellen, ...dass mich die Menschen faszinieren. Würde es dir etwas ausmachen, wenn wir...uns auf der Erde mal ein bisschen umsehen würden?“
Völlig überrumpelt starrte Shana ihn an. Doch sie musste feststellen, dass ihr seine Worte nichts ausmachten.
„Warum nicht?“, erwiderte sie und sah dabei zu, wie seine Augen begannen zu funkeln.
„Du bist die Größte!“, raunte er ihr ins Ohr und küsste sie.

Zufrieden kuschelte Jette sich an Troy. Sie war glücklich, doch sie fragte sich noch immer was Sadhasivan dazu veranlasst hatte, sie gehen zu lassen. Ab und zu trafen sie sich. Ja, sie waren tatsächlich so etwas wie Freunde geworden! Aber nie hatte er ein Wort darüber verloren.
„Und nun?“, fragte sie leise.
Troy neigte den Kopf, um sie anzusehen.
„Nichts.“, hauchte er lächelnd. „Wir machen nichts! Leben einfach und genießen die kommende Zeit. Oder gibt es etwas, das du unbedingt machen möchtest?“
Sie überlegte einen Moment.
„Ich...ich möchte an dich gebunden sein!“, flüsterte sie.
Troy lächelte. Diesen Wunsch würde er ihr erfüllen. Sie wollte nie wieder alleine sein und dafür würde er sorgen!

Ein Rumpeln ließ Daryl die Augen aufschlagen. War ihr etwa schon wieder übel?
Seufzend setzte er sich auf, dann fuhr er sich durchs Haar. In letzter Zeit ging es ihr ziemlich dreckig aber weder sie selbst, noch er wusste warum.
„Alles in Ordnung, Süße?“, rief er Richtung Badezimmer.
Keine Antwort. Sie antwortete sonst immer, weshab er irritiert aus dem Bett stieg.
„Liebes, ist alles okay?“
Die Tür zum Bad war angelehnt. Nichts war zu hören, nur beunruhigende Stille.
„Zarina!“, sagte Daryl nun alarmiert.
Vorsichtig stieß er die Tür auf. Er hielt inne. Zarina saß im Schneidersitz auf dem Boden und starrte auf etwas in ihrer Hand. Beunruhigt legte er seine Hand auf ihre Schulter.
„Was...“
Sie sah zu ihm auf. Hilflos und mit Tränen in den Augen. Sie hob das Etwas in ihrer Hand, um es ihrem Mann zu zeigen. Fassungslos starrte Daryl den Schwangerschaftstest an.
„Du machst Witze, oder?“, hauchte er.
Die Tränen liefen über. Sie schüttelte den Kopf.
„Ich bin schwanger, Daryl!“, flüsterte sie.
All die Zeit schon, in der es ihr so komisch ging und nicht einmal war sie auf diesen Gedanken gekommen...Sie hatte keine Ahnung ob sie darüber lachen oder weinen sollte. Oder vielleicht beides. Der Vampir fiel auf die Knie und legte dann die Arme um die Frau.
„Hör auf zu weinen, Süße! Das müssen wir feiern!“

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Text: Alle Handlungen, sowie Personen sind frei Erfunden!
Publication Date: 06-30-2012

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