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Wie alles begann

 

Es war April 2014. Ich stöberte in den Blogs von anderen Nutzern, auf der Suche nach dem Text, der mich anspricht. Eine Seite fiel mir besonders ins Auge. Alles war relativ dunkel. Die Aufmachung der Seite und die Texte. Irgendwie erschreckend und gleichzeitig faszinierend. Ich musste mehr erfahren. Also klickte ich den immer wieder zwischen den Texten auftauchenden Link zu einer Seite, die mir völlig unbekannt war.

 

Bookrix.de – was ist das?

 

Ich klickte und sah die Bücher der Bloggerin. Ich las und wieder faszinierten mich die Worte. Die Art, wie sie aneinandergereiht wurden. Sie führten mich in eine andere Welt.

 

Den Mut die Person anzuschreiben fehlte mir allerdings, jedenfalls noch.

 

Am 4. 4. erzählte ich in meinem Blog von einem Ereignis, dass ich Jahre zuvor erlebt hatte und das mich sehr prägte. Eine Sache, so betonte ich, die wohl jeder gemacht hat und die Meisten erinnern sich an ihren 4.4., auch wenn es bei jedem ein anderes Datum ist. Die Person kommentierte meinen Beitrag mit der Frage, was es denn sei, dass mich nach Jahren noch so beschäftigt. Sie gehe davon aus, dass es mein Geburtstag sein müsse. Jetzt begann es, etwas, was mir so noch nie passiert ist. Jedenfalls nicht in so intensiver Art.

 

Ich antwortete:

 

DAS schreib ich nicht öffentlich. ...vielleicht so viel: bei manchen war es sogar im Sommer. Bei Peter Maffay z.b....

 

Mein Gegenüber stand völlig auf dem Schlauch und ich grinste mir nach der Antwort

 

Wenn es nicht der Geburtstag ist, dann steh ich heute echt totaal auf dem Schlauch

 

einen ab.

 

SEX - Peter Maffay hatte es im Sommer

 

So begann ein Hin und Her der Nachrichten. Ich nahm meinen Mut zusammen und fragte nach der Dunkelheit ihrer Texte. Die Antwort, versteckt in vielen noch folgenden Worten erschrak mich. Nein, ich werde die Antwort jetzt nicht öffentlich machen, denn das würde Vertrauen, das ich aufbaute, zerstören. Ich möchte nur so viel sagen: nur wer durch dunkle Täler ging, der kann auch von ihnen berichten. Jeder andere würde früher, oder später, als Märchenerzähler auffallen und dafür gingen die Texte zu nahe.

 

Wir schrieben viel, sehr viel und es entstand eine Vertrautheit, ein sich kennen, ohne sich je gesehen zu haben. Ich denke, es war einfach die offene Art, wie wir miteinander umgingen.

 

Wir schwammen auf einer Wellenlänge.  

 

Auch wenn uns über 21 Jahre Altersunterschied trennten, so erkannten wir doch schnell gemeinsame Interessen, gemeinsame Neigungen und Abneigungen ganz bestimmter Situationen gegenüber. In manchen Situationen war es sogar so, dass wir uns erwischten, die gleichen Gedanken zu haben, ein gewisses Thema betreffend. Auch ähnliche Geschmacksrichtungen in Sachen Musik zeigten sich. Das ging sogar so weit, dass ich etwas in meinem Musikblog veröffentlichte und sie mir kurz nach der Veröffentlichung ein Mail schrieb, dass sie genau dieses Lied auch eben veröffentlichen wollte.

 

Wie kommt so etwas?

 

Ist es etwas wie Seelenverwandtschaft?

 

Wozu Worte führen

 

Man kann sagen, wir schrieben uns täglich. Aus den anfänglichen „sich beschnuppern“, wurde schnell eine innige, ja, man kann sagen, Freundschaft. Sie kannte schnell meinen Tagesablauf und ich den ihren. So fanden wir immer wieder Zeiten in denen wir unter anderem über gemachte Fehler schrieben, über die dunklen Seiten unseres Lebens. Wir erfuhren, wo wir lebten, was wir mochten, wie wir uns verhalten in dieser, oder jener Situation. Eine Welt entstand, außerhalb der Realität und doch mitten drin. Dieser Realität waren wir uns immer bewusst, denn wir hatten gleich am Anfang uns gegenseitig versichert, dass wir diese Nachrichten, die wir austauschten, nicht auf einer Basis geschrieben werden, uns jemals zu treffen. Das kam hauptsächlich von mir, denn ich kann offen sein, wollte aber, im Sinne meiner Ehe, keinen Reibungspunkt entstehen lassen.

 

Was tun, wenn der Körper will, aber der Geist sagt etwas anderes.

 

Also schrieb ich ihr, als ich dachte, sie wäre nicht Online:

 

Ich befinde mich auf dünnem Eis, weil ich … Angst wegen meiner … Gefühlswelt gegenüber habe. Du bist mittlerweile die Person geworden, mit der ich am meisten schreibe. Das ist schön und ich würde es vermissen, wenn dem nicht so wäre. Ich bin natürlich auch ein Freak andererseits, weil ich mir natürlich den von dir begangenen Weg auch mal ansehen wollte, wie und wo der halt liegt. Was gibt es mittlerweile einfacheres als Google Earth? Also sehe ich, wo du wohnst, in welcher Gegend und ich komme dir, obwohl ich es nicht will, immer näher. Ja, ich mag dich, mag dich sehr und eben da ist der Knackpunkt. Natürlich interessiert es mich, wie du aussiehst, aber andererseits möchte ich es nicht, weil ich dann wieder ein Bild hab und es wird immer enger.


Dein Bauchgefühl irrt nicht, wenn du schreibst: du kannst mit mir ehrlich Texten. Schau dir einfach unseren Mailumfang an, das ist so faszinierend, wie eigentlich ein Wort das Andere ergibt und wir im Prinzip die ganze Zeit auf einer Welle schwimmen. Das ist gut, das ist schön, aber kann halt auch zur Gefahr werden.

Deshalb mein ganzer Zinnober hier. Ich mag dich, mag dich wirklich sehr. Ich weiß du bist in festen Händen und du weißt, ich bin es und doch ist da ein Gefühl bei mir entstanden, was ich nicht weiter aufheizen will. Das meint nicht, dass ich den Kontakt jetzt mit dir abbrechen werde, um Gottes Willen, nein, es meint nur, ich muss für mich etwas kürzer treten.

 

Die schnelle Reaktion ihrerseits zeigte mir, sie war doch, für mich unerwartet, online.

 

Nimm Dir auf jeden Fall die Zeit die du brauchst.

 

Alleine diese Antwort zeigte, wie unser Verhältnis war. Klare und offene Worte.

 

Was allerdings bringen offene Worte, wenn sie im Endeffekt keine Lösung bringen? Wir schrieben weiter. In einem etwas geringerem Maß, aber es ging weiter.

 

Wie war es allerdings zu der von mir beschriebenen Situation gekommen? Wie kann man zu jemandem, den man nie sah, mit dem man erst wenige Wochen schrieb, eine solche Beziehung aufbauen? Es waren die Worte. Wer sich die Formulierung ansieht, den Aufbau und die Struktur der Ausdrucksweise, der sieht den Menschen dahinter. Mit einer Offenheit erzählt, unbeachtet von Recht-, Groß-, und Kleinschreibung.

 

Wenn wir einen Roman, oder eine Kurzgeschichte lesen, dann sprechen uns Wörter an. Wir kennen den Autoren nicht und doch kann ein guter Autor die Fantasie des Lesers so beeinflussen, dass dieser voll und ganz in der Welt des Autoren versinkt. Warum können das manche Menschen und andere erzählen genau die gleiche Geschichte und doch kommt etwas ganz anderes dabei heraus. Allerdings ist es etwas anderes einen Roman zu lesen und sich in die erfundene Geschichte des Autoren zu vertiefen, als sich in der Realität eines Gegenüber zu befinden. Fragen werden beantwortet, Man dringt tiefer in die Materie ein, als es jemals bei einem Autor möglich wäre. Es werden Dinge ausgetauscht, die man niemals mit einem Schriftsteller austauschen würde. So entsteht, mit jedem Wort mehr, ein Band, welches sich immer mehr aufbaute.

 

Wie gesagt, wir hatten uns nie gesehen und ich wusste nicht, wie sie aussah und doch entstand ein Bild in meinem Kopf. So machte ich mir am 27.05. den Spaß, sie zu beschreiben, wie ich sie sah. Nicht nur den Körper und ihr Aussehen, die Gestik und das Verhalten in bestimmten Situationen, sondern auch das, was sie als Mensch ausmacht. Antwort ihrerseits:

 

Hab grade aus dem Fester geschaut und nach der Überwachungsdrohne Ausschau gehalten.

 

Ich habe in dem Moment so gelacht. Allerdings gab es auch Dinge in meiner Beschreibung, die gar nicht passten.

 

Was ich damit sagen will ist folgendes: wenn man mit jemandem schreibt, ohne zu wissen, wie die Person aussieht, dann entsteht ein Bild. Die geschriebenen Worte lassen drauf schließen, wie die Person sich in gewissen Situationen verhält. So entstehen ein ganz konkretes Bild, das nicht nur das Aussehen der Person beinhaltet, sondern auch die Charaktereigenschaften. Dazu braucht es nicht viel, nur ein ganz klein wenig Menschenkenntnis.

 

Entwicklungen

 

In den nicht enden wollenden Mails gingen wir immer tiefer in die jeweiligen Hobbys und Interessen über. Ich hatte ja bereits erwähnt, dass sie auf Bookrix Bücher veröffentlicht hatte. Das waren nicht nur Kurzgeschichten, sondern auch Reime, nein, nennen wir es eher Poesie.

 

Da ich manchmal auch auf dieser Ebene unterwegs war, fiel es mir nicht schwer, hier und dort einen Reim in unsere Unterhaltung einfließen zu lassen. Sie ermutigte mich zu mehr, mit dem Einwand, ich solle auf den Flow achten.

 

Was zum Himmel ist Flow?

 

Die Wörter müssen fließen. Gleiche Anzahl von Wörtern und Buchstaben in den ersten beiden Zeilen. Überhaupt sollten die Zeilenlängen möglichst gleich sein, so ergibt sich ein gutes Bild.

 

Gesagt, getan, versuchte ich mein Glück und es gelang mir eher schlecht als recht. Nun ja, es ist ja noch kein Meister vom Himmel gefallen. Also immer weiter üben, üben, üben und von der Lehrerin sich die richtigen Tipps geben lassen.

 

Knapp 80 Tage nach unserem ersten Schreiben veröffentlichte sie ein Buch, an dessen Ende eine Widmung stand. Diese Widmung galt mir.

 

Damit konnte ich gar nicht umgehen. Ich habe in der Schule mal ein signiertes Buch erhalten, aber in einer Widmung genannt zu werden, das war dann doch des Guten zu viel. Ja klar, sie ist nicht so bekannt und das Werk hat „nur“ 16 Seiten, aber nein, das ging nicht. Ich wehrte mich mit Händen und Füßen und bat sie, die Widmung wieder zu löschen.

 

Ob dies, oder etwas anderes der Grund für eine plötzliche Funkstille war, kann ich nicht sagen. Sie hielt fast 2 Monate an. Eine unglaublich lange Zeit, wenn man sich täglich, oft auch mehrfach, schrieb.

 

Das erste Schweigen…

 

Nach dem erstes Schweigen

 

Irgendwann, als ich die Ungewissheit nicht mehr aushielt, schrieb ich ihr folgende Nachricht:

 

Hallo,

ich weiß nicht was passiert ist, ich weiß nicht, was ich gemacht hab und ich weiß nicht, warum du dich nicht meldest, bzw. weiterhin hier irgendetwas schreibst.
Ich weiß nur, dass ich mir wünschen würde, du würdest dieses Medium weiter nutzen.

Irgendwas ist passiert, irgendwas, was ich mir nicht so recht erklären kann, aber ich ahne was und ich denke, den Weg, den ich nun gehe und den ich dir anbiete, wird wohl der Richtige sein, auch wenn er mir persönlich sehr weh tut.

Ich hatte dich mehrfach als XXX bei Bookrix angeschrieben. Ich denke, du warst auch auf meiner Seite, hast dich aber aus einem bestimmten Grund nicht gemeldet. Ich werde XXX nun löschen. Versuche dir den Weg, der anscheinend nicht mehr geh bar für dich ist, zu öffnen, denn ich weiß, es ist dir wichtig auf Bookrix deine Bücher zu veröffentlichen.

Nun kommt eine Bitte von mir und ich wäre dir Dankbar, wenn du sie zeitnah erfüllen würdest, denn dann wüsste ich Bescheid und wäre nicht dauerhaft im Ungewissen. Hier also meine Bitte: sollte da was gewesen sein, was auch immer es war, lösche mich aus deiner FL und aus deiner Gruppe, dann könntest du ungestört weiter schreiben, ohne mich. Ich weiß, es hängt dir viel daran, gelesen zu werden. Dies wäre eine vernünftige Lösung und ich wäre zwar sehr traurig, könnte es im Endeffekt verstehen, jedenfalls besser verstehen, als im Ungewissen zu bleiben.

Ich danke dir vielmals dafür, dass ich dich kennen lernen durfte und erlaube mir, dich noch einmal virtuell in den Arm zu nehmen. Ganz doll liebe Grüße.

P.S.: Dieser Schritt fällt mir wirklich sehr schwer, aber ich kann dich verstehen, wenn du es machst, denn dann weiß ich Bescheid, warum du dich nicht gemeldet hast. Und nun, mach es, bevor es schlimmer wird...

 

Es stellte sich heraus, dass sie sich aus ganz persönlichen Gründen nicht meldete. Dieser „Aussetzer“ hatte nichts mit mir zu tun, sondern es hing einfach an einer ganz persönlichen Sache, weswegen es ihr nicht möglich war, sich bei mir, bzw. sich überhaupt im Netz zu melden.

 

Ich zeigte Verständnis und versuchte meinem Mitgefühl Ausdruck zu geben. Diese Auszeit führte eher noch zu einem engeren Bund in unserer Freundschaft, denn die Hintergründe dieses persönlichen Vorfalls wurden zu weiteren Themen von Nachrichten unseres weiteren Mailaustauschs. So dachte ich zumindest, denn nach nur 10 Tagen intensiver Schreiberei kam, für mich aus heiterem Himmel, wieder keine Nachricht von ihr, bei mir an.

 

Das zweite Schweigen…

Nach dem zweites Schweigen

 

Nach einem Monat absoluter Funkstille musste ich eine weitere Nachricht loswerden:

 

Hallo
Mache mir zwischenzeitlich etwas Sorgen um dich/euch. Hoffe doch ganz doll, dass es euch gut geht. Habe schon lange nichts mehr gehört und dachte mir, meldest dich einfach mal.

 

Allerdings musste ich noch warten, denn erst weitere 14 Tage später erhielt ich eine Nachricht von ihr. Diese Nachricht trieb mir die Tränen in die Augen. Nicht aus Mitleid, sondern aus Freude. Ihr Freund und sie hatten einen Heiratstermin ins Auge gefasst. Damit nicht genug, das Ganze hatte seinen Grund: sie war schwanger. Meiner Begeisterung konnte ich nur wenige Worte geben:

 

Schön, Pipi in Auge Nachricht!!!!

Freut mich so!!!!

Toll, toll, toll.

 

Die Schreiberei wurde noch intensiver und ich erfuhr, wie die Familienplanung in der Zukunft aussehen würde. Ich war ein Teil ihres Lebens geworden. Ich fühlte mich wie ein etwas älterer Onkel, der von weiter weg, das Glück einer jungen Familie beobachten darf.

 

Der zukünftige Vater ihres Kindes wünschte sich, dass sie sich schonen sollte. Dies führte dazu, dass sie noch mehr Zeit hatte, als zuvor.

 

 

Nun ist dem wehrten Leser vermutlich aufgefallen, dass ich unendlich viel Zeit zu haben schien, deshalb zwischendurch eine kurze Erklärung: Unsere Treffen via Internet fanden in der meisten Zeit nachts statt. Nein, eher am späten Abend. Durch meine Arbeit war es mir eher möglich dann online zu sein, wenn andere bereits im Bett waren, bzw. ihrer Arbeit nachgingen. Jetzt könnte der Einwurf erfolgen, was ist mit der Partnerin? Nun, meine Frau arbeitet auch und sie gehört zu den „Anderen“, die zu normalen Zeiten ins Bett geht, bzw. zu normalen Zeiten arbeitet. Natürlich ist es ein komisches Gefühl, wenn der Partner mit andersgeschlechtlichen Menschen immer wieder in Kontakt tritt. Dazu kann ich folgendes sagen: Ich erzählte viel über meine Internetbekanntschaften. Es gab nichts, was ich meiner Frau vorenthielt. Es gibt eine Grenze, im übertragenen Sinne, die ich nicht überschreiten wollte. Um dies zu zeigen und mir dessen bewusst zu sein, hatte ich meiner Internetbekannten ja auch geschrieben, dass die Gefühle für sie hoch waren. Vielleicht waren ihre Worte, die den sinngerechten Inhalt, wir schreiben nur und in Worte kann man sich nicht verlieben, die treffenden. Vielleicht war es aber auch der rechte Augenblick, dass ich mir klar machte, dass es einfach nur eine Internetbekanntschaft war. Dass sie sich jederzeit, ohne Vorankündigung, wieder in ihr reales Leben zurückziehen konnte, das hatte ich ja bereits gelernt. Es ging ja auch nicht darum, jemanden zu suchen, sondern einfach um diese Welle, der Gleichheit und der gegenseitigen Freude, weiter zu reiten. Keinesfalls wollte ich irgendwelche körperliche Nähe, sondern einfach nur geistige Nähe. Spaß haben, ohne anderen Menschen in meiner Umgebung, oder in ihrer Umgebung zu schaden. Ich kann behaupten, das gelang uns gut. Jedenfalls kann ich das von meiner Seite behaupten. Sie und ihren zukünftigen Mann hatte ich noch immer nicht gesehen, bzw. gesprochen.

 

 

Einen neuen Anstoß für den Austausch ergab sich durch eine Idee von ihr. Sie wollte andere Leser zu einem lyrischen Adventskalender bringen. 24 Gedichte, sollten die Vorweihnachtszeit verkürzen. Jetzt hieß es, sich richtig ins Zeug legen und zeigen, was in einem steckt. Wir rührten die Werbetrommel und der Dezember kam immer näher. Auch ich hatte fleißig gereimt und mich immer wieder bei ihr informiert. Waren wirklich 24 Gedichte zusammengekommen? Alles lag in ihrer Hand. Einige, mir unbekannte User hatten mitgemacht und hofften nun, ihren Beitrag zu diesem, etwas anderen Adventskalender beitragen zu können. Es kam der 1.12 und mit ihm das erste Gedicht. Jeden Tag folgte ein weiteres Gedicht und auch ich war dabei. Schön, ich war ein Teil des Großen und Ganzen. Es kam der 6. 12 und ich hatte extra für diesen Tag ein Gedicht geschrieben. Aber, das kam heute nicht dran, es kam gar nichts mehr dran. Es herrschte Funkstille.

 

Das dritte Schweigen…

Nach dem dritte Schweigen

 

 

Lange, sehr lange hörte ich kein Wort, obwohl, gehört hatte ich sie ja nie. Dann kam die Ankündigung des Blog-Seitenbetreibers, dass der Tag X Ende der Seite bedeutete. Große Aufregung herrschte auf den Seiten. Was machen wir nur, was machen wir nur? Viele, sehr viele Benutzer gingen zu Wordpress und fanden sich dort gut zurecht. Ich nicht. Mein Username war bereits vergeben und ich wollte einfach keinen neuen. Ich wollte den Wiedererkennungswert. Immer mehr brach der Boden weg und immer seltener wurden die Einträge. Tag X rückte immer näher.

 

Dann meldete sie sich wieder. Ich hatte bereits eine neue „Heimat“ gefunden, aber wir beschlossen, nach einigem Hin und Her, dass wir unsere eigene Seite gründen wollten. Wie macht man so was? Das ist kein Problem, meinte sie, mein Mann macht das. Aha, die Hochzeit war also hinter ihnen, aber das Kind noch nicht da. Mit der „Geburt“ des neuen Blogbereichs, kam auch das Kind. Er, der Vater hatte es wirklich geschafft und einige, die nicht zu Wordpress wollten fanden in diesem neuen Bereich eine Heimat. Binnen 30 Tagen waren wir knappe 20 Leute, die fleißig schrieben und sich natürlich auch mal an die Köpfe bekamen. Wir führten Regeln ein und es lief. Manche kamen täglich, manche nur ab und zu und wir beide, sie und ich, tauschten uns aus. Noch hatte sie Zeit, denn das Baby nahm sie nicht zu sehr in Anspruch. Jetzt schrieb ich auch mit ihrem Mann und ich durfte ihn beglückwünschen zu seiner Frau. Er hatte zuerst die alleinige Kontrolle über diese Seiten. Sie mischte sich nur dann ein, wenn er nicht konnte. Da ich relativ viele Nutzer angelockt hatte, wurde ich oft mit Fragen bombardiert, die ich nicht beantworten konnte. Ich musste sie weiterreichen. Irgendwann wurde es uns zu bunt und ich bekam den Auftrag, alle „Neuankömmlinge“ zu begrüßen und sie mit den Regeln und dem allgemeinen Ablauf auf der Seite, vertraut zu machen. Ich war der erste Ansprechpartner, sozusagen. Jetzt merkte man langsam, das Baby brauchte sie mehr. Dazu kamen noch andere persönliche Veränderungen und es kam, wie es kommen musste. Mehr und mehr zog sie sich zurück. Fragen von mir blieben unbeantwortet und ich konnte die „Neuen“ nicht für bestimmte Seiten freischalten. Keine 60 Tage war die neue Plattform und schon war sie zu Ende. Nach und nach verließen uns die Schreiberlinge wieder. Manche löschten sogar alles, was sie bisher hier veröffentlicht hatten.

 

Weitere 60 Tage später war die Seite tot. Jegliches Leben ausgehaucht. Ich hatte mit ihr nicht nur das Vertrauen derer verloren, die ich dort hin gelockt hatte, sondern auch sie – meine Internetfreundin.

 

Wie konnte ich sie nur erreichen?

 

Keine Antwort auf meine Mails – wir hatten die gegenseitigen Mailadressen ausgetauscht. Kein Melden auf Nachrichten im Bookrix-Bereich. Meine Freundschaftsanfrage dort blieb unbeantwortet.

 

War irgendetwas passiert?

 

Könnte es sein, dass mit ihr irgendetwas ist?

 

Lebte sie noch?

 

War es wieder eine Auszeit, oder was war?

 

All meine Fragen blieben unbeantwortet. Doch dann las ich eine winzig kleine Bemerkung auf ihrer Bookrix Seite. Das war 6 Monate, nach ihrem letzten Lebenszeichen, auf der Blog Seite.

 

Neue Hoffnung keimte auf.

 

Wieder hinterließ ich eine Nachricht.

 

Keine Antwort.

 

Ich wartete und wurde nicht belohnt. Einen letzten Versuch, just for fun. Ich schrieb ihr an ihrem letzten Geburtstag und gratulierte ihr. Wieder nichts. Dann, 35 Tage später kam ein kurzes DANKESCHÖN.

 

Fertig.

 

Mehr nicht.

 

Nun sitze ich hier, harre der Dinge und weiß nicht, was ich machen soll. Doch, natürlich weiß ich es, aber es entspricht keiner Logik. Ich warte weiter. Gegen jeden Ratschlag, gegen jede Logik, ich halte an der Person fest, denn sie hat mich berührt. Unsichtbar berührt. Einfach nur mit Worten. Dafür bin ich einfach nur dankbar. Dafür brauche ich keine Logik und auch keinen guten Menschenverstand. Es genügt, was mein Herz sagt.

Der feine, kleine Unterschied

 

 

Der feine kleine Unterschied in einer Internetfreundschaft besteht wohl darin, dass man so gar nicht weiß, mit wem man schreibt. Es kann alles, was man liest, erfunden sein. Man muss sich einfach darauf einlassen, ansonsten hat das alles keinen Sinn. Man muss seinem Gegenüber Glauben schenken. Schnell kann man dann erkennen, ob daraus wirklich so etwas wie eine Freundschaft entstehen kann. Die Worte wirken lassen. Manche Menschen sind sehr bemüht, aber irgendwie funktioniert es nicht. Das hat ganz viel mit Gefühl zu tun. Dem Gefühl, kann ich diesen Worten trauen und wie komme ich mit ihnen zurecht. Andere schreiben nur ein paar Sätze und du denkst: buah, diese Person kenne ich bereits Jahre.

 

In der Realität spricht man von, einen Menschen riechen können. Das gibt es im Internet nicht. Da müssen andere Sinne her. Wieder bin ich bei den Worten. Die Formulierung, die Aneinanderreihung der Buchstaben sind es, die den Leser faszinieren, oder eben abstoßen. Die Menschenkenntnis spielt auch eine Rolle und das Lesen zwischen den Zeilen.

 

Manche Menschen treffen mit allen ihren Sinnen und ihren Worten genau in die 100. Ich durfte so jemanden kennen lernen. Ich bin dankbar dafür. Irgendwann schreiben wir wieder. Ich weiß es.

 

Ein weiterer Unterschied ist: man kann jederzeit da sein, ohne dass das Gegenüber einen sieht. Man kann antworten, man muss es nicht. Ob das allerdings wahre Freundschaft bedeutet, wage ich zu bezweifeln. Das muss jeder für sich entscheiden. Genau wie, ob ich eine Internetfreundschaft eingehen will, oder nicht.

 

Nebenbei, meine längste Internetfreundschaft hält in diesem Jahr 10 Jahre und ich habe diese Person nie getroffen und weder sie auch nie treffen.

Imprint

Text: Alexander Markus
Images: http://bilder.pcwelt.de/3434681_original.jpg
Publication Date: 01-28-2017

All Rights Reserved

Dedication:
Ich habe ihren Namen nicht genannt und werde ihn auch jetzt nicht nennen, denn sie weiß genau, wenn sie dies lesen sollte, wen ich gemeint habe. Du hast mich hier hin geführt, du hast mich ermutigt hier weiter zu schreiben. Du kannst dich sicherlich an jene Situation erinnern, die ich irgendwo im Buch beschrieben habe. Es ging um die Widmung in deinem Buch. Schwamm drüber, dies ist keine Widmung in jenem Sinne, dies ist nur der freundliche Hinweis, dass es Menschen gibt, die andere Menschen bewusst/unbewusst, zu ihrem Glück führen. Wer sich erkennt, darf sich gerne angesprochen fühlen. Ja, auch du. ... und DANKE dafür!

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