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Kapitel 1

„Siehst du, wie sie da lungern, gepeinigt, dreckig. Sie zittern, ob das der Schmerz ist, wer weiß das schon! Wer will es wissen? Wen interessiert ihr Leid?

Mich…dich? Wohl kaum, denn würde es uns interessieren, wir würden nicht so gleichgültig an ihnen vorübergehen, oder sie so herablassend mustern.

Nicht mehr wert als Vieh, unserer kostete nicht einmal ein Dutzend Silbermünzen. Hässliche Narben verunstalten sein Gesicht, darum verbot ich ihm uns auch nur einmal kurz in die Augen zu sehen. Diesen grässlichen Anblick wollte ich dir ersparen.

Aber ein braver Arbeiter, für so wenig Geld, ein hervorragender Kauf. Sieh sie dir nur an, mein Kind, dann verstehst du, dass es vom höchsten Vorteil zeugt, reich zu sein. Ohne Reichtum, wo kämen wir nur hin?

Oh ja…richtig, auf den Sklavenmarkt.“

 

***

 

Ein herrlicher Sommertag. Die Luft flimmerte, heiß glühten der Sonne Strahlen auf das Land hinab. Das Korn wiegte sich sanft im Wind, das Rindvieh döste im Schatten der Birken. Niemand arbeitete am Feld. Alles schien zu träumen, ein Tagtraum aus dem Bilderbuche.

Schließlich vernahm man Kinderlachen.

„1,2,3,4

Bring den Sklaven her zu mir.

5,6,7,8

Jetzt wird ihm Garaus gemacht!“ Ein Mädchen mit roten Haaren, zu zwei langen Zöpfen geflochten, sprang über das, sich kreisende Springseil. Neben ihr ein schwarzhaariger Junge, der mit gesenktem Blick das Seil zum Schwingen brachte. Das andere Ende war an einen Holzpfahl gebunden worden.

„Jetzt bist du dran!“, rief das Mädchen mit geröteten Wangen. Ein leichter Sonnenbrand, der bei ihrer hellen Haut nicht allzu selten vorkam. Der Knabe sagte nichts und stellte sich in Position. Insgeheim wusste er, dass er keine Chance hatte, das Spiel gegen die Kleine zu gewinnen. Das Seil begann zu schwingen, jedoch so unerhört hoch, dass der dicke, harte Strick die nackten Knöchel traf. „ Du musst dich schon anstrengen“, tadelte das Mädchen schadenfroh. „ Los noch einmal 1,2,3,4“ Auf vier donnerte das Seil abermals gegen seine Füße, doch der Knabe musste weiterspielen. So lange, bis es dem Mädchen reichte, bis sie genug davon hatte, ihm die Beine blutig zu schlagen.

„Scarlett! Mittagessen!“, schallte eine Stimme über den Hof. Scarlett ließ sofort das Seil fallen und ließ den Jungen mit seinen Striemen an den Beinen in der prallen Sonne stehen.

„ Hast du schön gespielt, mein Kind?“ „ Ja!“ Die Mutter tätschelte ihrer Tochter den Kopf. „Wie ist dein neuer Spielgefährte?“ „ Nicht so lustig, wie der Letzte…der hat wenigstens geschrien...“

 

***

 

„Dort drin habe ich es versteckt und du musst es suchen, wenn du es nicht findest hast du verloren!“ Mit leerem Blick musterte der Knabe Scarlett. Genervt sagte sie: „ Hörst du?“ Er nickte. „ Na dann los!“ Die beiden standen im Wald nahe dem Gut von Scarletts Eltern. Immer wieder bekam die Kleine, die ein Einzelkind war, neue Spielkameraden, die sie sich selbst auswählen durfte. Am Sklavenmarkt gab es genug Kinder, die ungefähr in ihrem Alter waren. Scarlett war vor kurzem acht Jahre alt geworden und zu diesem Anlass erhielt sie einen neuen Sklaven. Es war das zweite Mal, dass sich Scarlett einen Jungen gewählt hatte. Sie hatte Gefallen an ihm gefunden, wegen den schwarzen Haaren und seinen grünen Augen, die allerdings wenig Ausdruck hatten. Der Händler meinte, dass er knapp elf Jahre sei. Scarlett nannte ihn Willow, da der Knabe nicht ein einziges Wort gesprochen hatte, seit er zum Händler gekommen war und dieser hatte sich keinen Namen für ihn einfallen lassen.

Scarlett machte sich häufig über den Jungen lustig, Scherze die tiefer als unter der Gürtellinie waren. Irgendwie war es ein Versuch ihn auf das Äußerste zu reizen, um ihm wenigstens einen Ton zu entlocken. Jedoch ertrug Willow alles, egal welche Boshaftigkeiten sich Scarlett auch auszudenken vermochte, mit einer schauderhaften Gelassenheit. Der letzte Sklave wurde vom Vater erwürgt, weil sie ihn erwischt hatten, wie er versuchte Scarlett in der Nacht mit dem Metzgerbeil zu enthaupten.

Aber Willow blieb ruhig, er zeigte überhaupt keine Emotionen, weder Schmerz noch Hass. Obwohl es zu bezweifeln war, dass Scarlett irgendetwas in dieser Höhle versteckt hatte, kletterte er trotz des Wissens hinein. Ihr Sommerkleid war nicht annähernd schmutzig, also würde Willow nichts darin finden. „ Du musst ganz tief hinein!“, hörte er Scarlett rufen, er tat wie ihm geheißen. Von draußen vernahm er ein dumpfes Geräusch.

Plötzlich noch nicht weit gekommen hörte er abermals etwas, es schien aus der Höhle zu kommen, ein unheilvolles Summen. Sogleich spürte er einen brennenden Stich im Nacken, gleich darauf ein weiterer. Scarletts Überraschung war ein Hornissennest. Verzweifelt versuchte Willow hinauszukriechen, aber vor der Höhle lag schlagartig ein Baumstamm, der ihm dies nicht ermöglichte. Das dumpfe Geräusch, das er zuvor gehört hatte, erklärte sich dadurch von selbst. Hektisch versuchte der Knabe die aufgebrachten Insekten zu erschlagen, aber es half ihm nichts. Stich für Stich, aber er würde keinen Ton von sich geben. Diesen Gefallen würde er ihr niemals tun. Er blieb stumm, obwohl er innerlich vor Schmerzen schrie.

 

***

 

„Tut das gut?“ Ein feuchtes, kühles Tuch wurde Willow auf seine geschwollenen Stellen gelegt. Theresa eine der Mägde versorgte die Hornissenstiche. Willow hatte Glück gehabt, einer der Holzarbeiter hatte Scarlett entdeckt und rettete den Jungen aus seiner Falle. Doch eine Bestrafung bekam Scarlett nicht, es war allen egal, was mit Willow geschieht, Hauptsache ihnen widerfährt nicht dasselbe.

Außer Theresa, sie kümmerte sich immer liebevoll um Willow, in ihr sah er bereits so etwas wie eine große Schwester.

„Dieses Kind ist schrecklich, was denkt sich dieses Biest nur dabei?“, schimpfte sie. Willow starrte mit traurigem Blick auf die Dielen, worauf sie ihn mitfühlend musterte. „Du tust mir so furchtbar leid, solch Grausamkeiten hat niemand verdient, schon gar nicht so ein lieber Junge wie du.“ Vorsichtig nahm sie seine geschwollene Hand. Sein Gesicht war komplett zerstochen, auf seinem linken Auge konnte er kaum noch sehen. Theresa hätte ihm so gerne geholfen, dem kleinen, stummen Knaben, der so unglaublich gequält wurde. Jedoch konnte sie das nicht. Sie war selbst nicht viel mehr wert als er, hatte selbst nicht viel zu sagen. „Vielleicht“, setzte sie an und ließ seine Hand los. „ Solltest du weglaufen, denn früher oder später, wird sie dich umbringen, so wie die anderen.“ Willow schluckte.

„ Nein…ich rede bloß Unsinn!“ Sie zwang sich zu einem Lächeln. „ Ich werde das niemals zulassen, eher will ich bei dem Versuch dich zu bewahren sterben, als nichts zu tun, hörst du?“ Er nickte, aber insgeheim wusste er, dass es für ihn keine Rettung gab.

 

***

 

Einige Monate waren vergangen, in denen Willow schon oft gedacht hätte, er würde nun zu Grunde gehen. Wie zum Beispiel an jenem Tag, als Scarlett ihn begraben wollte. Sie hatte ihn aufgefordert ein Loch zu schaufeln und nachdem sie es als tief genug erachtete, musste er sich reinlegen und sie begann es zu zuschütten. Einer der Knechte griff noch rechtzeitig ein und so überlebte Willow seine eigene Beerdigung.

Nun war es November, der den Morgen mit einem dichten Nebelvorhang einleitete. Willow half fleißig im Stall. Scarlett hatte Besuch einer Freundin. Sie hieß Adeline und war genau so verzogen wie ihre Freundin. Gerade als Willow mit den Wassereimern auf dem Weg zum Pferdestall war, liefen die beiden kichernd auf ihn zu.

„ Willow, wir benötigen dich für unser Spiel!“, rief Scarlett und grinste verschmitzt. Willow stellte die Eimer ab, er hatte die Erlaubnis solche Arbeiten zu unterbrechen, wenn es galt mit Scarlett zu spielen. Die Kinder marschierten in Richtung See. Die beiden Mädchen tuschelten und kicherten. An der Stelle angekommen, die sie aufgesucht hatten zog Scarlett ein Seil hervor. „ Wir binden dich jetzt an diesem Baum und du musst versuchen dich zu befreien. So wie der Zauberkünstler im Zirkus, den wir gesehen haben. Sagen wir innerhalb von“, sie unterbrach sich. „ Einer Stunde“, ergänzte Adeline. „ Ja eine Stunde hast du dafür Zeit, wenn du es nicht schaffst bekommst du kein Essen heute.“ Adeline quietschte vor Vergnügen, als sie Willow festbanden. „ In einer Stunde sind wir dann wieder da!“

Die Kinder liefen weg, selbst wenn es Willow versuchen würde, er hatte keine Chance sich selbst zu befreien. Der Junge strengte sich gar nicht an, es erschien ihm klüger zu warten. Also tat er es. Er wartete.

 

***

 

„ Auf Wiedersehen, Adeline!“ „ Wiedersehen!“ Adeline stieg in die Kutsche und winkte ihrer Freundin zum Abschied. Es war sehr dunkel und kalt geworden. Es regnete schon seit geraumer Zeit in Strömen. Scarlett schritt ins Haus. Theresa räumte gerade den frisch gewaschenen Lacken in einen großen Holzschrank. Eine Zeit lang begnügte sich Scarlett damit ihr zu zusehen, allerdings langweilte sich das Mädchen bald.

Sie sah aus dem Fenster, der letzte Knecht eilte mit einer Laterne über den Hof um in das Nebenhaus zu gelangen, indem die Knechte schliefen. Plötzlich erschrak Scarlett. Sie und Adeline hatten Willow am See vergessen, der dort noch immer gefesselt stand. Doch bevor sie agieren konnte, klopfte es an der Tür. Theresa öffnete und schrie fassungslos auf. Ein Händler hatte Willow aufgegriffen. Der Knabe war tropfnass, als hätte man ihn in den See gestoßen, und zitterte am ganzen Leib

„ Er war draußen beim See an einem Baum gebunden, der Bauer am anderen Hof sagte er gehöre hier her“, brummte der bärtige Mann. „ Ja…um Gottes Willen!“ Theresa war außer sich und zog Willow herein, er hustete stark. Gleich darauf kam Scarletts Vater hinzu und hielt dem Kind eine Standpauke, sie solle gefälligst besser auf ihren Sklaven Acht geben.

„ Der war nicht gerade billig, junge Dame!“ Theresa trocknete Willow währenddessen mit einem der Lacken ab. Unverfroren fasste sie ihm an die Stirn. „ Herr…ich denke er hat Fieber“, meinte sie. Der Gutsherr donnerte auf Willow zu, fühlte ebenfalls die Temperatur und schnaubte missmutig. „ Auch das noch… er soll sich ins Bett legen“, schnaubte der Gutsherr. „ Ausnahmsweise“, fügte er hinzu.

Gesagt getan. Willow lag im Bett. Er zitterte obwohl seine Stirn glühte, als wäre sie heißes Schmiedeeisen. Theresa legte ihm einen nassen Fetzen auf die Stirn, den sie immer wieder neu anfeuchtete. Allerdings sah es nicht gut aus, der Schweiß rann dem Knaben über die Stirn, er wirkte schon mehr tot, als lebendig. Das Fieber wollte nicht abklingen und schließlich musste sich auch Scarletts Vater eingestehen, dass der Junge wohl nicht von selbst gesund werden würde. Noch früh am Morgen kam der Doktor, dessen Diagnose ein Faustschlag in Theresas Gesicht war.

„ Der wird nicht mehr, nichts zu machen.“ „ Was? Aber Herr Doktor, irgendetwas muss es doch geben…irgendeine Medizin“, rief Theresa aufgeregt. „ Nun es gäbe schon eine Medizin, aber die müsste man erst bringen lassen, das kostet viel Geld und Zeit, die hat das Kind nicht mehr!“ „ Und ich habe das Geld nicht“, sagte der Gutsherr trotzig. Theresa warf ihm einen schockierten Blick zu, den der Mann allerdings nicht zu bemerken schien. „ Nun gut, dann schaffen wir ihn hier weg, ob der hier verbleicht oder im Wald ist dann auch schon irrelevant, sollen sich Wölfe dran erfreuen.“ Theresa standen Tränen in den Augen. Schützend nahm sie Willow in die Arme. „ Herr… bitte Herr…tun Sie das nicht, nehmen Sie ihn mir nicht weg“, kreischte sie hysterisch. „ Ich nehme ihn dir nicht, Weib! Der Tod holt ihn“, knurrte der Gutsherr. Zwei Knechte nach denen er geschickt hatte, tauchten in der Tür auf. „ Weg mit ihm“, sagte er zu ihnen gewandt. Die beiden Männer stießen Theresa einfach von Willow weg.

„ Nein, tut das nicht!“, plärrte sie verzweifelt. Aber sie hörten nicht, zerrten den Knaben aus dem Bett und wollten ihn fortbringen. Neben ihrem Vater stand schließlich Scarlett. Ungerührt musterte sie die Trauernde.

„ Warum plärrt sie denn so, Vater? Das ist doch nur ein Sklave!“ Mit funkelndem Blick starrte Theresa das Mädchen an. Ihre Nasenflügel blähten sich vor Zorn und Ekel. „ Nur ein Sklave?“, wiederholte sie Scarletts Worte. „ Du grässliches Monster, du Abschaum…Teufelsbrut, verbrennen sollte man dich du widerwärtige Hexe!“, schrie sie und verpasste Scarlett eine schallende Ohrfeige. Wie erstarrt hielt sich das Mädchen ihre Wange.

Wie ein erzürnter Bär brüllte der Gutsherr: „ Nehmt das Weib gleich mit…mein Kind schlagen, du Hure! Das wirst du bereuen!“ Der zweite Knecht packte Theresa, die wild um sich schlug. Doch bevor er sie rauszerren konnte schrie sie: „ Verflucht sollt ihr sein! Pech und Unglück sollen euch heimsuchen, der Teufel soll eure Seelen ins ewige Feuer werfen, alles wird sich rächen, alles bekommt ihr heimgezahlt und vor allem...“ Theresas Blick traf Scarletts. „ DU!“

Scarlett hatte allerdings nur ein selbstgefälliges Lächeln auf den Lippen, als der Knecht Theresa fortbrachte, nachdem der Vater befohlen hatte ihr die Kehle durchzuschneiden.

Die beiden Männer brachten Theresa und Willow in den Wald, der eine Knecht ließ den geschwächten Knaben zu Boden gleiten. Theresa kauerte bei dem kranken Kind, ihre Tränen vermischten sich mit dem Regen. Die beiden Männer losten darum, wer die Magd umbringen sollte.

„ Willow“, flüsterte Theresa dem Jungen zu. Er öffnete seine schweren Lider. „ T…T...“ Theresa hielt den Atem an. „ Theresa“, sagte Willow mit kratziger Stimme. „ Du…du sprichst“, murmelte sie leise. „ D….Danke“, hauchte er. Theresa lächelte traurig. „ K…kalt...“ Bevor Theresa ihn umarmen konnte, damit sie ihn wärmte, wurde sie an den Haaren zurück gezogen, sodass sie ihren weißen Hals darbot. Das Messer setzte an. Ein einziger Schnitt löschte ein Leben aus. Regungslos glitt Theresa zu Boden.

Die Knechte verschwanden. „ T…Theresa?“, Willow tastete nach ihrer Hand. Er fasste sie, doch Theresa rührte sich nicht mehr. Der Regen wusch das Blut weg. Blut tropfte von ihrem Körper, Blut versickerte im feuchten Boden. Willows Herz schlug immer langsamer. Er spürte weder Kälte noch Hitze, hatte keine Angst vor dem, was ihm bevorstand.

„ W…wir werden uns bald…wiedersehen“, prophezeite er und schloss, mit einem Lächeln auf den Lippen, die müden Augen.

 

 

 

 

 

Kapitel 2

 Zehn Jahre später

 

 

„ Liebste Scarlett.

Du zarte Blume, du funkelnder Stern am Himmel. Wahrlich bist du nicht zu beschreiben. Deine Eleganz und deine Anmut bannen mich jedes Mal, wenn ich dich erblicke. Ich möchte dich bitten, mich auf das Hoffest des Grafen am Sonntag zu begleiten.

In liebe, Richard!“ Scarlett warf Adeline einen skeptischen Blick zu, worauf beide zu lachen anfingen. „ In Liebe, Richard“, wiederholte Scarlett. „ Was bildet der sich denn ein?“ Adeline wischte sich eine Träne aus den Augen. „ Los, der nächste“, forderte sie mit einem bösartigen Lächeln auf den rosigen Lippen. Scarlett tat wie ihr geheißen und angelte nach dem nächsten Brief. Nun war das Mädchen achtzehn Jahre alt geworden, von atemberaubender Schönheit und unglaublich hochnäsig und eingebildet. Im Moment las sie zusammen mit Adeline die Briefe der Freier, von denen sie unzählige hatte und keiner von den jungen Knaben war gut genug, um ihren Ansprüchen zu genügen. Traf sie sich dennoch mit einem der Thore, die sich in die Schönheit verliebt hatten, war es rein zum Vergnügen des Mädchens, das, im Anschluss auf Spott und Hohn, die Knabenherzen in tausend kleine Stücke zerbrach.

„ Magda!“, plärrte Scarlett schließlich und eine hagere Maid mit dunkelblonden Haaren trat in die Stube ein. Scarletts persönliche Sklavin. „ Verbrenn die“, herrschte Scarlett und schleuderte Magda die Briefe, die sie bereits gelesen hatte entgegen. „ Wie Sie wünschen“, murmelte Magda dumpf. „ Wie Sie wünschen was?“ Scarlett hob erwartungsvoll ihre Augenbrauen. Magda warf ihr einen kurzen, finsteren Blick zu und ergänzte: „ Herrin!“

„ Muss ich dir das ständig sagen? Bekommst du das denn nicht in deinen Kopf hinein?“ Scarlett erhob sich aus ihrem Bett, indem auch Adeline voller Vorfreude lag, trat auf die Dienerin zu und verpasste ihr eine schallende Ohrfeige. „ Dumme Gans“ Adeline kicherte, sichtlich zufrieden.

Magda waren vor Schreck die Briefe zu Boden gefallen. „ Ungeschickt auch noch…so unbrauchbar. Na worauf wartest du? Heb sie auf!“ Magda tat wie ihr befohlen wurde und sammelte die Briefe ein, während sie von den beiden anderen verhöhnt wurde.

„ Wie hässlich sie ist“, lästerte Adeline. Scarlett nickte: „ Ich weiß und strohdumm….strohdumm sag ich dir, ich weiß nicht warum ich mir gerade die ausgesucht habe.“ Magdas Nasenflügel blähten sich vor Zorn, aber sie ertrug die Verspottung mit dem letzten Rest von Würde, den sie noch besaß. Am liebsten hätte sie dieser Gutsherrntochter den Hals umgedreht.

„ Verschwinde Magda, dein Anblick verdirbt uns noch den schönen Tag“, sprach Scarlett, während Magda die Fäuste ballte. „ Jawohl…Herrin“, zischte sie und musste sich stark am Riemen reißen, damit ihr nicht ein bösartiges Wort über die Lippen huschte.

Auf dem Weg zum Brennofen begegnete ihr eine Magd namens Sara. „ Was ist denn mit dir los?“, wollte sie wissen. „ Scarlett ist los…dieses Miststück gehört an die Kette des Hofhundes, die ist schärfer als der Köter!“ Saras Augen weiteten sich. „ Pst, doch nicht so laut!“ Magda war erst seit einigen Monaten am Gut beschäftigt. Sie hatte sich weder eingelebt, noch würde sie dies jemals tun. Eigentlich war sie eine zu starke Persönlichkeit um sich zu beugen, aber die Haselrute und die Peitsche des Gutsherrn waren ihrem Rücken schon ein alt bekannter Freund. Schon etliche Male hatte sie sich Scarlett widersetzt, was ihr teuer zu stehen gekommen war.

„ Übrigens“, setzte Sara an und Magda horchte auf. „ Du sollst die Wäsche abnehmen, das Wetter wird wohl nicht mehr lange halten.“ Magda nickte. „ Natürlich, alles lieber, als das Weib wiederzusehen.“ Sara schüttelte bedauernd den Kopf, Magda hatte nach all den Schikanen noch immer nicht begriffen, dass das alles keinen Zweck hatte.

Aber Magda würde keinesfalls aufgeben, als sie die Briefe dem Feuer übergab hätte ihr Lächeln genau so gut vom Teufel höchstpersönlich sein können.

 

***

 

Ein Poltern ließ Scarlett aus dem Schlaf aufschrecken. Sie rieb sich die schlaftrunkenen Augen, erhob sich und steckte die Füße in die Pantoffel. Ihr Fenster stand offen, die weißen Vorhänge tänzelten mit dem sanften Wind, der mit ihnen spielte. Scarlett stieg ein seltsamer Duft in die Nase, ihr Zimmer schien erhellt zu werden. Bevor das Mädchen jedoch zum Fenster treten konnte, donnerte die Zimmertür auf und ein großer, junger Mann stand plötzlich im Raum. Scarlett entfuhr ein Schrei.

„ Hallo meine Schöne“, sagte er und grinste psychopathisch. Erschrocken starrte Scarlett in seine unnatürlichen Augen, so bleich wie der Mond. „ Na überrascht?“, fragte er. „ Wer bist du?“, rief Scarlett. „ Oh wir duzen uns, wie nett“ Er trat näher an sie heran. „ Bleib weg, sonst" „ Sonst was?“ Scarlett musterte ihn verdutzt. „ Sonst wird mein Vater dir den Kopf abschlagen!“ „ Ach tatsächlich…meinst du?“ Er lächelte böse, während er sich weiter auf sie zu bewegte. „ Komm lass uns ein wenig miteinander spielen, was meinst du?“ „ Lass mich zufrieden!“, schrie Scarlett und huschte an ihm vorbei und stürmte die Treppen hinab. Ihr Herz klopfte, als sie erkannte, dass niemand im Haus war. Sie sprang die letzte Treppe hinab und bemerkte, wie sich ihre Pantoffel langsam vollsogen. Ihr Blick wanderte nach unten, das gesamte Vorhaus schien überflutet zu sein. Das Mädchen griff nach der Flüssigkeit und wäre beinahe in Ohnmacht gefallen, als sie bemerkte, dass sie in einem Meer aus Blut stand.

„ Oh Gott…oh Gott“, jappte sie und hastete aus dem Haus um gleich darauf zu Eis zu erstarren. Ihre Augen weiteten sich, wieder stieg ihr der Duft in die Nase. Schlagartig wurde sie gepackt und zurückgezogen. „ Schockiert?“, raunte ihr der Mann zu. Scarlett standen Tränen in den Augen.

„ Herzlichen Glückwunsch“, sagte der Mann feierlich und fügte mit einem bösartigen Unterton hinzu: „ Zur Alleinerbschaft!“

An ein Kreuz genagelt, sah Scarlett ihre Eltern auf einem Scheiterhaufen verbrennen, ihr dröhnten die Ohren von den qualvollen Schreien ihrer Familie. „ Du….du…Bastard! Scheusal!“, brüllte Scarlett sich losreißend. Sie deutete mit zitternden Finger auf den jungen Mann, der sie nur charmant anlächelte, so als ob gar nicht passiert wäre. „ Du weißt doch, meine Liebe, wenn du mit deinem Finger auf jemanden deutest, zeigen drei auf dich zurück!“ Scarlett senkte ihren Arm und sah ihm verständnislos in die Augen.

„ Du nennst mich Bastard, obwohl du so viele Leben auf dem Gewissen hast? Du heißt mich ein Scheusal, obwohl du doch selbst so unerträglich bist!“ Kein Lächeln, kein Anflug mehr von gespielter Freundlichkeit. Der Mann war todernst. Scarlett stolperte zurück, als er immer näher auf sie zu kam. „ Ich“, fiepte sie. „ Du, meine Kleine, bist nicht besser als ich, aber ich weiß wenigstens, dass ich ein Schwein bin, aber was ist mit dir? Weißt du das über dich selbst auch?“ Unsanft packte er das verschreckte Mädchen, zog sie zu sich her und knurrte ihr zu: „ Aber wenn du so traurig über deinen Verlust bist, bin ich gerne bereit, dich ebenfalls ans Kreuz zu nageln“

„ Nein…lass mich los du Monster!“, kreischte Scarlett worauf er nur seufzte. „ Du hast überhaupt nichts begriffen, nicht wahr?“, sagte er. Für ein Mädchen, das in seinem gesamten Leben noch keinen Handgriff selbst getätigt hatte, war Scarlett überraschend kräftig und es war für ihn eine Herausforderung sie festzuhalten.

„ Na, na…wirst du wohl still halten?!“ Die beiden rangelten und schließlich biss Scarlett fest in seinen Oberarm. „ Verdammt du“, er hatte sie für einen kurzen Moment losgelassen, doch fasste sie schnell wieder um seinen Satz zu beenden: „ Wärst bestimmt großartig im Bett…vielleicht sollte ich...“ Er umgriff ihre Hüfte und warf sie über seine Schulter. „ Lass…mich…runter!“, jappte Scarlett aber der junge Mann trug sie wie einen Juttesack voller Körner fort.

„ Peer?“, er zuckte zusammen, als er diese Stimme vernahm. Er wandte sich schnell um und grinste verlegen, als er in die großen Augen Magdas sah. „ Hallo mein Schatz!“, sagte er. Magda sah ihn skeptisch an: „ Was machst du denn da?“ „ Öhm...“ „ Magda…Magda, sag ihm er soll mich loslassen…hilf mir Magda, hilf mir doch!“ Doch die Sklavin tat nichts dergleichen. Sie musterte Scarlett ungerührt, während dieser Tränen der Verzweiflung über die Wangen rannen. „ Warum…“, schluchzte sie. „ Tust du nichts?“

„ Vielleicht will ich einfach nichts tun…vielleicht sollte das alles so kommen…meine liebe Scarlett“, raunte Magda und lächelte teuflisch.

„ Ihr habt nicht das Recht so etwas zu tun…ihr habt es nicht!“, brüllte Scarlett schließlich wütend und zappelte wie ein Fisch am Angelhaken.

„ Eventuell nicht das Recht, aber mir reicht der Hass, du verzogenes, bösartiges Mädchen…ich denke meine Strafe die ich mir für dich ausgedacht habe ist perfekt!“ Peer, der junge Mann, wusste nicht genau, was er nun tun sollte. „ Nageln?“, fragte er. „ Nein nicht ans Kreuz“, verneinte Magda. „ Oh, dieses Nageln habe ich nicht gemeint“, grinste er und klopfte Scarlett auf ihr Hinterteil. Magda verdrehte die Augen: „ Nein mein Plan wäre da von anderer Natur.“ „ Ach ehrlich?“ Peer sah sie erwartungsvoll an. Magda trat an Scarlett heran, die ihr einen tödlichen Blick zuwarf. „ Ich denke es ist nur gerecht, wenn du diese Welt anders kennenlernst!“ „ Was meinst du?“, wimmerte Scarlett. Magda leckte sich über die Lippen, ließ absichtlich eine schöpferische Pause.

„ Der Markt erwartet dich, Scarlett, aber diesmal wirst du es sein, die ausgewählt wird...“

 

***

 

Scarlett saß gefesselt auf der Erde und schluchzte leise vor sich hin. Sie beobachtete den fremden Mann, der einige Leichen aus dem Haus zerrte. Magda beobachtete ihn ebenfalls mit vorwurfsvollem Blick.

„ Du hast versprochen, dass du und deine Leute den Knechten und Mägden nichts antut!“ Peer warf einen Kadaver auf den brennenden Holzhaufen. Er schnaubte angestrengt. „ Peer?“, sagte Magda rügend. „ Ich habe aber auch gesagt“, ächzte er, als er den nächsten Toten über die Schwelle schliff. „ Dass sie sich nicht in den Weg stellen sollten.“ Magda verschränkte trotzig die Arme und murmelte etwas Unverständliches. Magda war schon lange Zeit mit Peer befreundet gewesen, bevor sie zu einer Sklavin wurde. Man hatte sie aus dem kleinen Dorf entführt, mit all den anderen Mädchen, die dort gewohnt hatten. Peer hatte sie ausfindig gemacht, mit Mitteln, auf die er nicht besonders stolz war, aber er konnte damit leben. Schon etliche Zeit zuvor, wollte er Magda mit sich nehmen, um sie aus der Knechtschaft zu befreien, aber Magda wollte nicht einfach verschwinden, ohne Scarlett ihren Hass spüren zu lassen. Zwar hätte sie nicht damit gerechnet, dass Peer so ein Blutbad anrichten würde mit seinen Gefolgsleuten, die er in irgendwelchen Wirtshäusern kennen gelernt hatte, jedoch war sie gar nicht unzufrieden mit der Situation, wie sie im Moment war.

Währenddessen versuchte Scarlett die Stricke loszuwerden, was ihr nicht recht gelingen wollte. Schließlich trat Magda auf das Mädchen zu. „ Alles in Ordnung, Scarlett? Du siehst so unzufrieden aus!“ Scarlett hätte Magda am liebsten ins Gesicht gespuckt, aber sie zügelte ihren Zorn. Verachtend wandte sie bloß ihren Blick ab und erspähte eine Kutsche, sehr schäbig, wie Scarlett fand, die unmittelbar vor dem Hofeingang hielt. Zwei braune Klepper waren davor gespannt, alte Rösser, deren Flanken pumpten, als würde jeden Moment ihr Herz stillstehen.

„ Peer!“, schallte es über den Hof. Es war der Kutscher, der offensichtlich auf die Fahrgäste wartete. Peer hievte den letzten der Knechte in die lodernden Flammen und kam auf die beiden Mädchen zu. Er war mit Blut beschmiert, sodass Scarlett angewidert versuchte sich seinen Händen zu entziehen, die nach ihr griffen, um sie zur Kutsche zu schaffen.

Ihr Schimpfen und Fluchen brachte ihr nichts, erbarmungslos brachte sie der Mörder ihrer Eltern fort. Weit weg von dem Ort, wo sie aufgewachsen war, zu jenem, den sie niemals in solch ungünstiger Lage, betreten wollte.

 

***

„ Es war ein König in Thule, getreu bis an das Grab, dem sterbend seine Buhle, ein goldnen Becher gab“ Magda hielt sich die Ohren zu. Sie war zusammen mit Peer und der Gefangenen bereits einige Zeit in der Kutsche und seit sie darin eingestiegen waren, sang Peer ständig dasselbe Lied. Es war eigentlich ein schönes Lied, jedoch vermochte Peer, nur diese eine Stelle, auf schreckliche Art und Weise, zu trällern, das jegliche Schönheit verloren ging.

„Es...“ „ Bitte...“ „ war...“ „hör...“ „ein...“ „ AUF!“

Scarlett zuckte zusammen. „ Was denn?“, fragte Peer gelangweilt. „ Dieses Lied…du raubst einem den letzten Nerv!“, rastete Magda aus. Peer lächelte verschmitzt. „ Ich könnte ein anderes singen!“ „ Nein!“, riefen Magda und Scarlett gleichzeitig. „ Na schön“, spielte Peer den Beleidigten. Seine Gekränktheit dauerte allerdings nur kurz an, denn sein Blick fiel auf Scarletts lange Beine. Er gähnte gestellt und streckte sich, um gleich darauf seinen Arm um ihre Schultern zu legen. Unverfroren musste er grinsen, da er richtig fühlen konnte, wie sich ihre Muskeln verspannten. „ Wie läuft das ganze jetzt ab, Magda? Habe ich noch ein Schäferstündchen mit der Kleinen?“ Scarlett warf ihm einen empörten Blick zu. Magda hob die Augenbrauen. „ Hast du das wirklich nötig?“ Sein Blick wurde von lüsterner Natur. „ Und wie ich das nötig habe!“ Magda schnaubte verächtlich, was Scarlett insgeheim preisgab, dass sie bald mit Peer allein sein würde.

„ Von dem lasse ich mich nicht anfassen!“, warf Scarlett zornig ein. „ Ach nein? Und ich dachte, es wäre ein Funken übergesprungen…fühlst du denn rein gar nichts für mich?“, äußerte Peer mit ironischem Unterton.

„ OH ich fühle etwas für dich…Hass!“, zischte Scarlett. „ Damit kann ich leben“, lachte er, während Magda genervt die Augen verdrehte. Eigentlich war es Magda schon egal was mit Scarlett geschah, sie hatten ihr schwer zugesetzt, aber wenn Peer sich noch mit ihr vergnügen wollte, dann wollte sie ihm auch nicht mehr im Wege stehen.

„ Von mir aus, mach mit ihr was du willst. Entjungfere sie, wenn es dir im Sinn steht!“ Hellhörig erwiderte Peer: „ Entjungfern?“ „ Natürlich, es war doch keiner gut genug“, entgegnete Magda gelassen. „ Das reicht, ich befehle euch mich auf der Stelle frei zu lassen!“, mischte sich Scarlett ein und kämpfte mit ihren Fesseln. Magda jedoch herrschte: „ Halt deinen Mund, du hast hier überhaupt nichts mehr zu befehlen!“ „ Du Miststück, ich fand immer schon, dass du deine Silbermünzen nicht wert warst!“ Anstatt ihr eine Ohrfeige zu geben, anstatt ihr eine Beleidigung an den Kopf zu werfen lächelte Magda nur kalt und sagte: „ Ja, mach mit ihr, was auch immer du willst!“

 

***

 

Vor Erschöpfung war Scarlett wohl eingeschlafen, denn als sie erwachte, stand die Kutsche still und niemand außer ihr befand sich darin. Plötzlich steckte der Kutscher seinen Kopf herein. „ Na…niemand bei dir, kleines Mädchen?“ „ Nein“, erwiderte Scarlett knapp. „ Gut“, grinste der Mann und stieg in die Kutsche. „ Dann sind wir ungestört.“ Scarlett begriff erst, als er ihr an die Brust langte, was der Mann vorhatte. Sie wehrte sich, doch war sie durch ihre Fesseln sehr beeinträchtigt. „ Ganz ruhig, halt still, mit Fußfesseln wird das nichts. Scarlett hielt inne, als der Mann die Seile an ihren Beinen mit einem Messer zerschnitt. Sobald er fertig war, trat sie ihm mit voller Wucht in seinen Magen und stolperte unbeholfen über den, sich krümmenden Mann, aus der Kutsche. Sie erkannte sofort den Ort, an dem Menschen um das Leben von anderen feilschten.

Der Sklavenmarkt.

Das Mädchen stürmte mit nackten Füßen über die dreckige Straße, sie wollte fort. Einfach nur weg. Es herrschte viel Radau und Lärm und Scarlett achtete darauf, dass die anderen Leute sie nicht bemerkten. Unverfroren prallte sie mit jemandem zusammen. Ein dicker Mann mit fettigem Haar musterte das Mädchen argwöhnisch, das durch den Rückstoß unsacht auf sein Hinterteil gelandet war. „ Na so was, wo willst du denn hin?“ Er packte sie am Arm und zog sie hoch. „ Nimm deine dreckigen Hände weg!“, schrie Scarlett, was nur dazu führte, dass der Mann sie kräftig schlug. Schockiert hielt Scarlett inne, ihr dröhnte direkt der Kopf. „ So eine freche Sklavin, aber Geld wirst du mir bringen, so eine Schönheit verkauft man nicht alle Tage“ Der Dicke lachte und zerrte Scarlett mit sich. Sie konnte sich nicht losreißen, so sehr sie es auch versuchte. Der Mann führte sie zu einem Holzkarren, vor dem ein Maulesel gespannt war, der träge sein Stroh mümmelte. Am Wagen waren Eisenringe mit Ketten angebracht. Scarlett kannte die Metallhalsbänder, die den Sklaven um den Nacken gelegt wurden, damit sie nicht flüchten konnten. Nie im Traum wäre ihr eingefallen, eines Tages selbst eines umgelegt zu bekommen. Der Dicke schnallte das Mädchen fest, das bittend die Leute ansah, die vorübergingen. Niemand wollte ihr helfen, niemand erkannte das Kind.

Einige Interessenten inspizierten Scarlett. Obwohl sie sich vor den Berührungen sträubte, entziehen konnte sie sich ihnen nicht.

„ Wie viel?“ „ Dreißig Goldmünzen!“ Der vermeintliche Käufer lehnte ab. „ Der kommt wieder“, grinste der Mann und lehnte sich zurück. „ Sieh einmal einer an, da ist sie ja...“ Scarlett warf Peer einen überraschten Blick zu, dann wandte sie ihn schnell ab. „ Hey du, die gehört mir, sie ist mir weggelaufen“, bellte Peer. Der Dicke zuckte mit den Schultern: „ Dein Pech!“ „ Was wie mein Pech, hä? Du kannst nicht einfach Sklaven klauen!“ „ Sie ist mir zugelaufen!“ Peer schnaubte. „ Und jetzt ist der Besitzer da, also gib sie zurück!“ „ Nein!“ Dieses deutliche Wort ließ Peer Zähne knirschen. „ Einen Köter würdest du mir auch zurück geben, wenn er dir zu läuft.“ Der Dicke grinste: „ Nicht, wenn er so rassig ist!“ Langsam verlor Peer die Geduld: „ Wie viel?“ „ Dreißig Goldene!“ Er ballte die Fäuste, aber anstatt den Dicken für seinen Wucherhaften Preis zu verprügeln, packte er zornig seinen Geldbeutel.

„ Hier du Fettsack!“ Der Mann schnalzte tadelnd mit der Zunge: „ Na, na, das macht fünf mehr!“ Stöhnend bezahlte Peer den Preis, darauf bedacht, dass nicht noch eine Beleidigung über seine Lippen kam. Der Mann schloss das Halsband auf und entfernte auch die Fesseln, woraufhin Peer Scarlett fest an der Hand nahm, so als ob er sie brechen wollte.  „ Böses Mädchen“, flüsterte er ihr zu. Sie starrte auf den Boden.

„ Danke für den Kauf“, lächelte der Verkäufer zynisch. „ Ach, kauf dir ein Maulschloss dafür“, knurrte Peer und zog Scarlett schwungvoll mit sich.

„ Na toll, jetzt muss ich wieder Geld beschaffen, deine Eltern hatten ja nicht besonders viel im Haus“, ärgerte er sich. Scarlett ahnte bereits, womit Peer sein Geld verdiente. Diebstahl, Raub und Mord. „ Tja auf jeden Fall, bist du jetzt offiziell meine Sklavin…toll nicht wahr?“, meinte er optimistisch. Scarlett antwortete nicht, lediglich ein missmutiges Brummen war von ihr zu hören. Peer grinste: „ Auch wenn du mich hasst, ich werde dich lieben…Tag und Nacht, Nacht und Tag, Tag….“ Er hörte gar nicht mehr auf diese Worte zu wiederholen und Scarlett musste sich eingestehen, dass es etwas Schlimmeres auf Erden gab, als auf dem Sklavenmarkt verkauft zu werden. Nämlich die Sklavin eines Verrückten zu sein.

Kapitel 3

Zusammen mit Peer marschierte Scarlett durch eine finstere Gasse. Er sprach kein Wort, was das Mädchen äußerst eigentümlich fand, da er sonst ohne Unterbrechung quasselte ohne Punkt und Komma. „ W…wo gehen wir hin?“, wagte sie schließlich zu fragen, jedoch antwortete er ihr nicht direkt, sondern fing an ein Lied zu pfeifen. „ Hallo?“, hakte Scarlett ein wenig energischer nach. „ Zogen einst fünf wilde Schwäne, Schwäne leuchtend weiß und schön“ Sie starrte ihn perplex an, als er zu singen begann. „ Na los…du kennst doch den Text“, meinte er plötzlich, Scarlett schluckte. „ Mach schon!“, forderte Peer, sodass sie sich räusperte und leise sang: „ Sing, sing, was geschah?“ „ Keiner ward je mehr gesehn“, ergänzte Peer. Allerdings erreichten sie offenbar den Ort, den Peer aufgesucht hatte, noch bevor Scarlett gezwungen war, die fünf weiteren Strophen zu trällern. „ Da wären wir“, erklärte Peer mit einem feierlichen Unterton. Scarlett rümpfte die Nase, als sie das schäbige Wirtshaus erblickte. „ Hier wohne ich und du jetzt auch“, er packte Scarlett und zog sie mit sich in das Gebäude, indem, als sie es betraten, sie grölend empfangen wurden.

„ Peer, was schleppst du denn da an?“, fragte ein hagerer Mann, der in der Ecke an einem dreibeinigen Tisch saß und an seinem Krug Bier nippte. „ Meine neue Liebschaft“, grinste Peer und machte es sich ebenfalls an dem Tisch gemütlich. Scarlett stand inzwischen merklich fehl am Platz im Raum und musterte ihre Umgebung. „ Sehr hübsch…hübsch, hübsch“, sagte der andere Mann und leckte sich über die Lippen. „ Hol mir ein Bier!“, herrschte Peer, allerdings fühlte sich Scarlett keineswegs angesprochen. „ Hey Lettchen! Bier“ Empört über die Verunstaltung ihres Namens trottete Scarlett zur Theke und bestellte das, wonach ihr Herr und Meister geschickt hatte.

Der Wirt brachte das Gesöff und das Mädchen stelzte zurück. Sie musste darauf Acht geben, dass sie sich mit ihren nackten Füßen nicht am verwitterten Holzdielenboden verletzte. Sie stellte den Krug vor Peers Nase hin, der ihn in einem Zug leerte. Scarletts Augen weiteten sich. „ Was starrst du so Lettchen, bring mir noch eines!“

Die ganze Zeit verbrachte Scarlett damit Krüge hin und her zu tragen, denn Peer und sein Freund Mirko tranken unheimlich schnell und waren auch dementsprechend früh am Abend betrunken.

„ Eines sag ich dir“, lallte Mirko und kippte beinahe vom Stuhl. „ Der…der Tod...“ „ Der Tod“, wiederholte Peer. „ Ist auch nur ein Mensch!“ „ Ja…ja ganz genau °hicks° denn Tote sind immer noch °hicks° Menschen!“, verkündete Peer und trank den letzten Schluck. „ Wie du und ich!“ Mirko legte seinen Arm um Peer. „ Wie ich und…und °hicks° du“, grunzte Peer. Mit schrägem Blick beobachtete Scarlett die beiden Kerle, denen beinahe die Tränen kamen. Unerwartet erhob sich Peer und wankte, sich verabschiedend, die Stufen zu den Zimmern hinauf. Er hatte zuvor Scarlett gepackt, aber wahrscheinlich nicht darum, damit sie ihm folgte, sondern eher, weil der Alkohol verursachte, dass er kaum zu stehen vermochte.

Geschweige denn gehen, die Treppen bewältigte er mehr kriechend. „ Da rein“, hickste er und stieß Scarlett in ein heruntergekommenes Zimmer. Es roch eigenartig und sie vernahm ein ohrenbetäubendes Schnarchen. Unbeirrt ließ sich Peer auf das Bett fallen, sogleich konnte man ein missmutiges Raunen hören.

„ Ups °hicks° falsches Zimmer“ Taumelnd verließ er dieses Zimmer wieder, dicht gefolgt von Scarlett. Sie betraten ein anderes. „ Ja….das °hicks° ist es“, freute sich Peer.

„ Sooo….Lettchen du darfst jetzt °hicks° dein hübsches Kleid ausziehen“ Peer grinste breit.

„ Wie bitte?“, entgegnete sie. „ Ausziehen!“, wiederholte Peer gereizt, aber sie wollte seiner Aufforderung nicht folge leisten, sodass er ihr die schlimmsten Drohungen an den Kopf warf, die ihm im Moment einfielen. Mit Tränen in den Augen begann Scarlett damit, sich zu entblößen, wobei sich Peer gelassen ins Bett niederließ, um ihr zuzusehen. Die Träger des Kleides rutschten über ihre Schultern und sogleich glitt es zu Boden. Scarlett verharrte, die Röte schoss ihr ins Gesicht und sie wartete auf weitere Anweisungen, jedoch blieben diese aus. „ Peer?“ Genüsslich grunzte er und drehte sich im Bett um. Diesmal war Scarlett noch einmal davongekommen, denn der Alkohol hatte Peer flach gelegt.

 

***

 

„ Au, mein Kopf!“ Schlaftrunken rappelte sich Peer auf, hielt sich benommen den Schädel, indem ein Schmied zu hämmern schien. Verschwommen nahm er seine Umgebung wahr. Ihm war speiübel. Plötzlich klopfte es an der Tür und bevor er überhaupt Einlass gewährte schwang die Tür auf und die Wirtin donnerte herein.

„ Gehört das Weib dir?“, rief sie zornig und zerrte Scarlett vor das Bett. Peer raunte missmutig: „ Leiser Laverne“ „ Typisch, saufen, aber dann nichts aushalten“ „ Leiser Laverne“, bat Peer  abermals. „ Schließ deine Tür ab, dein Gesindel steigt in meiner Küche herum“ Peer blinzelte: „ Küche?“ „ Ja… am Ende stiehlt sie mir noch was“ „ Ich stehle nicht“, entrüstete sich Scarlett.  Die Wirtin lachte laut auf: „ Und das soll ich dir glauben?“ Peer hielt sich die Ohren zu und knurrte: „ Leiser…Laverne!“ „ Also hör zu, Peer! Sperr dein Sklavenbalg ein, oder du fliegst raus, verstanden?“ „ Ja laut und deutlich…laut und deutlich!“, erwiderte er mit einem Hauch von Zorn in seiner Stimme.

„ Fabelhaft!“ Laverne verließ polternd das Zimmer. „ Stille…kennt sie wohl nicht“, murmelte Peer und erhob sich aus dem Bett. Ihm war ungehörig schwindelig, genauso musste sich jemand fühlen, der soeben von den Toten auferstanden war. „ Ah“, sagte er erfreut, als das Zimmer endlich aufgehört hatte sich zu drehen. „ Also…eigentlich weiß ich ja, was du vorhattest, aber für das Protokoll, was hast du in der Küche gemacht?“, wandte er sich schließlich Scarlett zu, die ihn nur schweigend ansah, direkt  in seine eisblauen Augen. Diese waren leicht von einem dunklen Schatten umrandet, seine Haare waren zerzaust, er war bei Gott kein hässlicher Mann, ganz im Gegenteil er sah überraschen gut aus, jedoch etwas heruntergekommen.

„ Tja Schweigen, ist auch eine Antwort, weißt du Lettchen, irgendwie macht mich das traurig, bin ich denn so schrecklich?“ „ Ja“, zischte Scarlett. Herablassend musterte Peer sie: „ Das war eine rhetorische Frage!“ Er trat an einen Schrank heran und zauberte eine Eisenkette hervor, die er inspizierte. Sie war ungefähr einen Meter lang. Schlagartig packte er ihr Handgelenk und schnallte das Metallarmband um ihr Handgelenk. Genauso tat er es bei sich selbst, somit waren sie aneinander gekettet.

„ Gebunden bis  dass der Tod uns scheidet…oder eine Axt die Kette durchtrennt je nachdem!“ Er grinste kurz und ging zur Tür, Scarlett wurde gewaltsam mitgerissen, sie konnte nicht anders. „ Da ich unglaublich viel Geld für dich ausgegeben habe, muss ich deine Fähigkeiten als Frau in Anspruch nehmen.“ Scarlett verstand nicht, was er meinte. „ Wie meinst du das?“, hinterfragte sie. Peer lächelte zynisch, blieb stehen und wandte sich Scarlett zu, die ihn mit großen Augen ansah. „ Eigentlich wollte ich so hilfsbereit sein und jemanden die schwere Last seiner Goldmünzen abnehmen, aber du bist doch ein kleines Hindernis. Da ich dich einfach nicht alleine lassen kann, weil du einen Hang zum Flüchten hast, muss ich eben dich dazu benutzen, um an Geld ranzukommen.“ Scarlett schluckte: U…und wie?“ Peers Lächeln nahm teuflische Züge an: „ Wie wär es denn mit…Mundarbeit?“ Gleichzeitig nickte er in Richtung seines Schritts. Scarlett stellte es die Nackenhaare auf. „ Oh nein, bitte nicht, ich bleibe ganz brav, ich verspreche es…ich laufe nicht mehr davon!“ Peer warf ihr einen mitleidigen Blick zu.

„ Und DAS soll ich dir glauben?“, fragte er gleichermaßen wie Laverne. „ Nein, raub jemanden aus, bitte zwing mich nicht dazu!“, flehte sie. Dieses Gejammer machte Peer unerwartet wütend, er packte die Kette und zog sich Scarlett grob zu sich heran.  „ Du hattest doch auch einmal Sklaven, nicht wahr?“, raunte er ihr zu. „ Ja…ja!“

„ Hast du es geduldet, dass dein Sklave so dermaßen widerspricht?“ „ Ich...“ „ Hast du?“ Scarlett holte tief Luft, wollte eigentlich etwas anderes sagen, jedoch besann sie sich und sagte: „ Nein!“ Peer nickte wissend.

„ Mhm…und warum jammerst du mir dann die Ohren voll? Du hast zu tun, was  ich von dir will!“ Scarlett seufzte und Tränen sammelten sich in ihren Augen. „ Und halt gefälligst dein Maul, oder ich stopf es dir selbst!“

„ Aber“, warf Scarlett ein, doch weiter kam sie nicht, denn Peers Geduldsfaden war schlagartig gerissen. „ Oh verdammt!“ Er griff nach ihr und schüttelte sie: „ Warum musst du ständig schnattern? Schnatter, schnatter, schnatter! Die ganze Zeit! Halt’s Maul!“, brüllte er sie an. Seine eisigen Augen erfassten sie, voller Erwartung, würde sie es noch einmal wagen, den Mund aufzumachen? Perplex stand sie da, sein Blick wurde eindringlicher. „ Hast du...“, setzte er an. „ Noch etwas zu meckern?“ Mit einem Kopfschütteln verneinte sie. So, als ob nichts geschehen wäre, klatschte er in die Hände und lächelte vergnügt: „ Schön, dann gehen wir also an die...“ Er zwinkerte ihr zu. „ Arbeit!“

 

***

 

Schluchzend folgte Scarlett ihrem Herrn auf die Straße. Er führte sie in eine noch grässlichere Gegend, als sie ohnehin schon gewesen waren. Das Mädchen begann zu schwitzen, sie hatte entsetzliche Angst. Irgendetwas wollte sie sagen, Peer anflehen, jedoch schwieg sie, um einem weiteren Wutausbruch seinerseits vorzubeugen.

Schließlich kamen sie einem seltsamen Mann näher. Scarlett glaubte Peer sagen zu hören: „Ausgezeichnet“. Seine Augen funkelten eigenartig. Insgeheim hoffte Scarlett, dass Peer sie an diesem hässlichen Kerl vorbeiführen würde, jedoch ahnte sie, dass er nur auf so eine Gestalt gewartet hatte. „ Hallo“, grüßte Peer. Der Kauz glotzte ihn durch seine dicken Brillengläser an. Seine gewaltige, warzige Nase zuckte. „ Tag“, erwiderte er. „ Mein Freund, du siehst wie jemand aus, der kein Weib abkriegt“. Scarlett warf Peer einen verdutzten Blick zu. War das etwa seine Verkaufsstrategie?

„ Das ist unheimlich taktlos“, entgegnete der Mann ärgerlich. „ Ich meine, du hast Recht, aber es ist taktlos!“ Peer ignorierte die Worte des Mannes: „ Du hast bestimmt den Wunsch, von einem hübschen Mädchen glücklich gemacht zu werden…so wie dieses hier!“ Peer zog Scarlett zwischen sich und den vermeintlichen Freier, dessen Zinken erneut zuckte. „ Ja…oh ja, den habe ich“, lechzte er und wollte nach dem Mädchen greifen, allerdings drückte Peer es an sich, bevor der Kauz es berühren konnte. „ Das hat aber seinen Preis und sie macht nur…wie sagte ich?“ „ Mundarbeit“, ergänzte Scarlett monoton. „ Richtig!“ Der Mann neigte seinen Kopf, so als wollte er unter Scarletts Kleid spicken. „ Mhm, mhm und wie viel?“

„ Fünfzehn Goldstücke!“ „ WAS? Bist du verrückt?“ Peer hob verdutzt die Augenbrauen:

„ Warum? Sieh sie dir doch an, wunderschön und noch dazu Jungfrau“, lockte er. Der Kauz warf ihm einen skeptischen Blick zu, allerdings stimmte er sogleich zu und bezahlte den überteuerten Preis für eine Jungfrau, die nach diesem Akt auch eine Jungfrau bleiben würde.

„ Knie dich hin!“, befahl Peer und beachtete ihren letzten flehenden Blick nicht. „ Nun mach schon!“, zischte er stattdessen. Langsam tat sie, wie ihr geheißen wurde. Der Kauz öffnete hektisch seinen Hosenknopf. Scarlett schluckte, vor lauter Ekel lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken und ihr wurde übel. Leicht öffnete sie ihren Mund und wollte nach der Erregung greifen, als Peer sie augenblicklich wegzog.

„ W…was machst du?“, wollte der Mann perplex wissen. „ Du bist hässlich, so was die dich kann ich ihr doch nicht zumuten“, entgegnete Peer kühl. „ A aber….“ „ Komm Lettchen!“ Scarlett erhob sich, nicht minder verwirrt, als der Freier. Geistesgegenwärtig umklammerte sie Peers Arm, der von Dannen schreiten wollte. „ Hey…ich will mein Geld zurück!“, rief der Mann ihm hinterher. „ Welches Geld?“, erwiderte Peer grinsend. „ Du Hurensohn!“, schimpfte der Kauz. Peer wirbelte herum mit funkelndem Blick. „ Willst du dich tatsächlich mit mir anlegen, Gartenzwerg?“, schnaubte er. Der Mann schluckte, als sich Peer vor ihm aufbaute und ihn mit seinen blauen Augen fixierte. „ Ich…nein, sch-schon gut“, beschwichtigte der Kerl und grinste dümmlich. „ Schön“ Peer verließ mit Scarlett die Gasse. Als sie verarbeitet hatte, was sich eben zugetragen hatte, war sie mehr als erleichtert. Sie bemerkte, wie Peer unverwandt vor sich hingrinste. „ Was guckst du denn so böse, war doch lustig, oder nicht?“ „ Extrem“, knurrte Scarlett. „ Ach Lettchen, hast du wirklich gedacht, dass ich das von dir verlange“ – Wer hätte das nicht gedacht- überlegte sie. „ Ja“, murmelte sie und richtete ihren Blick zu Boden. Peers Grinsen nahm teuflische Züge an. „ Wie könnte ich? So etwas würde ich niemals tun…nicht bevor ich nicht zum Zug gekommen bin.“

 

***

 

„ Lettchen, Lettchen, komm zu mir ins Bettchen.

Ich mache mir ein Späßchen draus,

und ziehe dir dein Kleidchen aus!“ Seit geraumer Zeit sang Peer sein selbstgereimtes Lied. Er hatte bereits sechs Strophen in denen er preisgab, was er mit Scarlett noch so vorhatte.

Scarlett hingegen ertrug seinen Gesang mit Fassung. Am liebsten hätte sie ihn für seine Unverschämtheit verprügelt, was allerdings nicht sehr ratsam wäre. Peer ließ sich auf einem Treppenabsatz nieder. Keine Menschenseele war in dieser düsteren Gasse zu sehen.

„ Na komm“, lächelte Peer und klopfte auf seine Oberschenkel. Auffordernd hob er seine Augenbrauen. Mit einem missmutigen Brummen setzte sich Scarlett auf seinen Schoß. „ Ich hätte gerne, dass du dich umdrehst“, sagte er mit unschuldigem Unterton. Sie schnaubte, erhob sich angespannt, spreizte die Beine und setzte sich abermals. Sein Grinsen provozierte sie ungemein und löste ein Gefühl des Unbehagens in ihr aus. „ Rutsch doch näher, Lettchen“ Er fasste sie am Gesäß und schob sie bis zum Anschlag an seinen Oberkörper. Hektisch schluckte Scarlett, ihr wurde immer unwohler. Seine bleichen Augen funkelten vor Verlangen. Seine Hände, die zuvor noch auf ihrem Gesäß platziert gewesen waren, wanderten hinab und Scarletts Herz pochte immer schneller. Als Peer seine Hand unter ihr Kleid schob und sie dort berührte, wo sie noch niemand berührt hatte, war schlagartig ihre Geduld am Ende. Das Mädchen sprang erzürnt auf und verpasste Peer, diesem Abschaum, diesem perversen Schwein, eine schallende Ohrfeige.

Stille, nur das Klimpern der Kette war zu hören, die die beiden aneinanderband. Peer strich sich über seine Wange, Scarlett hielt den Atem an, was würde er jetzt wohl sagen?

„ Dummes Lettchen“, knurrte der junge Mann, fuhr überraschend schnell hoch und drückte Scarlett hart gegen die nasskalte Wand auf der gegenüberliegenden Seite der schmalen Gasse. Er umgriff ihren hals, presste sie noch fester an die Mauer. Sie bekam kaum Luft, als er ihr gewaltsam das Kleid vom Körper riss. Seine Lippen schließlich dicht an ihr Ohr führte und ihr mit einem seiner bösartigsten Lächeln zuraunte: „ Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt!“

 

***

 

Scarlett wollte schreien, doch kein Laut kam über ihre Lippen. Verzweifelt versuchte sie sich zu befreien, sich aus der Misere zu winden, jedoch war Peers Griff eisern. Er war zu stark für sie. Peer schob sich zwischen ihre Schenkel und presste sie hart gegen die Mauer, ließ kurz ihre Hände los, um seine Hose zu öffnen.

„ Nein, nein! Hör auf!“, brüllte Scarlett endlich und trommelte mit ihren Fäusten gegen seine Brust.

„ Schnauze!“, entgegnete er unwirsch, packte ihre fuchtelnden Arme und drehte sie unerwartet um. Scarletts Brüste wurden an die Mauer gedrückt. Sie atmete schwer, Peer schien kurz inne zu halten. Sie konnte nichts sehen, nur fühlen, wie er ihr Kleid nach oben schob. Zum Teil erschrocken und zum Teil vor Schmerz schrie Scarlett auf, als er in sie eindrang. Etwas starb in ihr, als er sie so nahm, als wolle er sie für ihren Ungehorsam bestrafen. Ihre Finger krallten sich in die Wand, sie hatte es aufgegeben sich noch weiter zu wehren, es war immerhin zu spät, er hatte ihr schon genommen, was sie versucht hatte zu wahren. „ Hör…bitte…auf“, flüsterte sie wimmernd, mit glasigen Augen, ihre Worte hatte Peer nicht vernommen. Doch als er ihre Brüste umgriff und sein Tempo erhöhte entfuhr ihr:„ Nein nicht!“, was ihn inne halten ließ. Peer wirbelte das verängstigte Mädchen um und sein finsterer Blick, indem wieder dieser psychopathische Ausdruck lag, verschlug ihr den Atem.

„ Ge...schnatter“, knurrte er und zwang Scarlett auf die Knie. Als er ihr sein Gemächt entgegen reckte wusste sie, was er von ihr wollte, allerdings presste sie ihre Lippen fest aufeinander. „ Mach schon!“, raunte er ihr zu, aber sie sträubte sich, worauf er ihr eine Ohrfeige verpasste, die ihr augenblicklich jeglichen Gedanken des Widerstandes zerstäubte. Leicht öffnete sie ihren Mund, worauf er ihr, so wie er es einstmals angedroht hatte das „Maul stopfte“. Scarlett ließ ihren Tränen freien Lauf, sie wollte und konnte nicht mehr. Schließlich herrschte ihr Peiniger: „ Aufstehn!“

Wieder nahm er sie. Scarletts Welt brach zusammen. Sie dachte nur mehr daran, wann er  endlich aufhören würde, wann er genug hatte und diese Schmach beendete.

Schließlich wurden seine Bewegungen immer schneller, brutaler, schmerzhafter, bis Scarlett spürte, wie er sich in ihr ergoss und sich sogleich zurückzog. Sie sank zu Boden, völlig verstört, völlig erschöpft. Jeder Körperteil schmerzte, zitternd schluchzte sie leise vor sich hin. Peer betrachtete sie abwertend. „ Steh auf!“, herrschte er abermals. Sie erhob sich, sie fühlte sich wie Dreck, ja so musste sich Dreck fühlen, jeder trampelte auf ihm herum. Peer gab ihr einen Klaps auf ihren Hintern: „ Na los, Bewegung!“ Bevor sie überhaupt reagieren konnte, wurde sie von der Kette zu einer Reaktion gezwungen. Sie suchte seinen Blick, als sie durch die Gasse gingen, aber er inspizierte während des Gehens bloß seine Fingernägel. Daraufhin schnaubte er verächtlich: „ Na, ich habe es mir besser vorgestellt“ Er schnalzte mit der Zunge: „ Enttäuschend!“

Fassungslos blieb Scarlett stehen, was Peer dazu bewegte sich umzudrehen. „ Was ist denn jetzt?“, wollte er wissen. Scarletts Kopf wurde knallrot vor Zorn. Er quälte sie, nahm ihr die Jungfräulichkeit auf brutale Weise und dann sprach er solch verachtende Worte. „ Was fällt dir bloß ein, du mieses Schwein!“, plärrte Scarlett wütend. „ Tust mir so etwas an und wagst es dann, so überheblich zu sein?!“ Peer grinste und legte seinen Finger auf seine Lippen.

„ Pscht, Lettchen, du weckst noch die Leute!“ Schnaubend wie ein Drachen und wäre sie einer gewesen, hätte sie bestimmt Feuer gespuckt rastete Scarlett vollends aus: „ OH…ich HASSE dich, ich hasse dich, ich will weg von dir, weit, weit weg, dorthin, wo ich dir NIE wieder begegne, weil ich dich so dermaßen H-A-S-S-E!!!!“ 

Peer mustere das Mädchen nur gelangweilt und auf ihren Wutausbruch reagierte er, wie es Scarlett nie erwartet hatte: „ Weg von mir? Das können wir einrichten, ich habe sowieso keine Verwendung mehr für dich“ Sie erwiderte seinen Blick mit großen Augen.

„ Kein…Verwendung?“, murmelte sie, schlagartig beruhigt. „ Nein, nicht die Geringste, ich habe mir genommen was ich wollte, demnach erfülle ich dir liebend gern deinen Wunsch, du bist immerhin eine ziemliche Nervensäge!“ Er trat näher auf sie zu, grinste selbstgefällig und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf ihre erstaunten Lippen.

„ Weit….weit…weit weg von mir!“

 

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Publication Date: 11-19-2016

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