Cover

Hinweise zum Urheberrecht

Das Werk einschließlich aller Inhalte ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder Reproduktion (auch auszugsweise) in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie oder anderes Verfahren) sowie die Einspeicherung, Verarbeitung, Vervielfältigung und Verbreitung mit Hilfe elektronischer Systeme jeglicher Art, gesamt oder auszugsweise, ist ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung der Autorin untersagt. 

Anmerkungen

Alle in diesem Buch geschilderten Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen und Ereignissen wären rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Prolog - Schwestern

Man sagt, jeder hat irgendwo da draußen einen Seelenverwandten. Ob fern oder nah. Meiner war stets zum Greifen nah und ein fester Bestandteil meines Lebens. Cassie, meine Schwester. Wir waren keine Zwillinge – bei diesen sagt man ja immer, sie hätten eine besondere Verbindung. Trotzdem waren wir beinahe wie ein und dieselbe Person.

Cassie die ältere, ruhigere, ich die jüngere, ungebremste. Was mir an Durchblick fehlte, gab sie mir. Währenddessen habe ich ihr Temperament angeheizt, wenn sie sich versteckte. Eigentlich waren wir manchmal nicht nur wie eine Person, sondern eher wie eine Seele.

Sofern man weiß, wie unsere Vergangenheit war, erklärt das neben unserer Verbundenheit noch einige andere Dinge. Denn wenn man nur einander hat, wächst und hält man zusammen. Man teilt Leid und Schmerz miteinander genauso wie jede gute Erfahrung. Wieso wir nur einander hatten? Nun, man gab uns beide zur Adoption frei – Cassie war etwas über ein Jahr alt, ich gerade erst geboren. Bis heute wissen wir nicht, was der Auslöser dafür war. Vielleicht wollte unsere Mutter uns von Anfang an nicht oder war mit uns überfordert. Unser Vater war wohl kaum zu Hause und sie sorgte alleine für uns, zumindest die erste Zeit. Bis sie uns abgab.  Danach durchlebten wir eine Odyssee aus Heimaufenthalten und später Pflegefamilien.

Glaubte man den Worten anderer, lag es an uns, dass uns niemand bei sich behalten wollte und wir nirgendwo länger bleiben konnten. Dabei taten wir nichts. Im Gegenteil, irgendwann wurden wir beide schweigsam und gehorchten, wir taten nur das, was wir sollten. Wir fühlten uns bald nicht mehr wie Kinder. Es war, als würden alle wollen, dass wir gefühllose Maschinen werden.

Jedoch schien das nicht zu reichen. Irgendwann einmal griff ich bei einem Streit einer unserer Pflegeeltern die Worte „abnormal“ und „untragbar“ auf. Scheinbar war das der Grund, wieso man uns fortschickte. Dabei erschienen wir einander nicht sonderbar oder irgendwie anders. Wir waren einfach nur wir selbst.

Allerdings erkannten wir erst später, dass wir doch nicht ganz normal waren. Und das die Schatten, die nur wir sahen, uns von allen anderen abgrenzten und isolierten. Irgendwann verschwanden sie jedoch, nur nicht für ewig. Auch wenn sowohl Cassie als auch ich uns nichts mehr als das wünschten.

1 - Schatten der Vergangenheit

Ich erinnere mich noch allzu deutlich an Cassies Gesichtsausdruck an diesem Tag - der Abend, der unser gesamtes Leben aus den Fugen geraten ließ. Sie sah wunderschön aus in dem kurzen Abendkleid, das sie trug. Die Schminke im Gesicht zwar etwas verschmiert mit einer Spur Glitzer, aber hübscher als alle anderen in meinen Augen.

Mein Vorschlag, zusammen auszugehen, überraschte sie zunächst und ließ sie zweifeln. Als der Abend dann auch noch ganz anders als geplant verlief, fühlte sie sich darin sicher bestätigt.

Ein junger Mann näherte sich ihr irgendwann, erst zurückhaltender, dann aufdringlicher. Er tanzte direkt hinter ihr, bis er sie dabei berührte. Cassie würde stocksteif, blieb geschockt stehen. Im nächsten Moment stieß sie ihn mit einem Fluchen zurück, was ihn nicht großartig zu stören schien. Wieder kam er auf sie zu.

Sofort bahnte ich mir einen Weg durch die Tanzenden zu ihr hin. Gerade, als er versuchte, ihr an den Hintern zu fassen, erreichte ich sie, holte aus und verpasste ihm eine schallende Ohrfeige. Endlich zog er sich unter wüsten Beschimpfungen zurück.

Ihre Wut und Frustration bekam nun auch ich zu spüren. Sie war der Meinung, dass wir auf der Stelle gehen sollten. „Nun komm schon, Sarah!“, verlangte sie erneut wütend und zog an meinem Arm, obwohl ich die Tanzfläche und den Club nicht verlassen wollte.

„Ich will aber nicht! Wir sind noch nicht mal eine Stunde hier“, gab ich genervt zurück.

Sie ließ mich los und sah mich mit einem verkniffenen, zornigen Ausdruck im Gesicht an. „Dann geh ich eben allein nach Hause. Jedenfalls lasse ich mich nicht noch mal von irgendwem angrabschen!“ Ihr Blick wanderte in eine düstere Ecke hinter der Tanzfläche, wo ich nur einen Schemen ausmachen konnte.

Ich konnte mir denken, wer dort stand und uns noch immer beobachtete. Ich konnte verstehen, dass ihr das nicht behagte. Sie fühlte sich anscheinend nicht wohler, nur weil ich ihn zurechtgewiesen hatte und er vorerst auf Abstand blieb. Für einen Moment schämte ich mich für meine Selbstsucht. „Entschuldige.“ Ich griff nach ihren Händen und drückte sie fest. „Lass uns gehen. Ich will auch nicht länger hierbleiben.“

Ihr dankbares Lächeln verdeutlichte mir, warum ich alles für sie tun würde. Sie nutzte mich nie aus oder log mich an – ich sie ebenso wenig. Wir verließen uns aufeinander und vertrauten uns blind. Etwas, das nicht alle Menschen kannten.

Während ich mir schnell meinen Mantel überzog, bewegten wir uns schon in Richtung Ausgang, als ich eine Bewegung aus dem Augenwinkel wahrnahm. Es war der aufdringliche Typ, der sich rechts von uns an der Bar vorbeibewegte. Ich schob Cassie etwas an und räusperte mich, sie verstand mein Zeichen sofort und wir beschleunigten unsere Schritte.

Draußen auf der Straße angekommen, traten wir ein paar Meter zur Seite, um zu warten. Zu unserer Überraschung folgte der Kerl uns nicht. Selbst dann nicht, als wir an der nächstes Ecke ankamen und von dort aus zurückblickten. Bis auf den Straßenlärm blieb es ruhig. „Er scheint wohl genug zu haben“, meinte Cassie und seufzte. „Ein Glück. Der Typ war ekelerregend.“

„Du darfst dich ruhig wehren, sollte so etwas nochmal passieren.“ Sie wich meinem Blick aus. „Dafür hab ich dir doch das Spray gegeben.“

„Ich weiß.“ Wie ertappt blickte sie zu Boden und ich hakte mich bei ihr unter, während wir um die Ecke bogen.

„Man könnte meinen, ich wäre die Ältere von uns beiden.“

„Du bist nur schlagfertiger. Dafür bin ich wohl die Schlauere.“ Auf ihr Gesicht trat ein neckisches Grinsen.

„Ach ja, meinst du?“ Ich kniff ihr in die Seite und lachend machten wir uns auf den Heimweg. Zu Fuß waren es nur wenige Minuten bis zu dem Studentenwohnheim, in dem wir lebten. Kurz darauf gelangten wir zum Stadtpark, der eine Abkürzung darstellte. So konnten wir noch ein paar Minuten einsparen.

„Warte.“ Cassie war stehen geblieben und wollte mich zurückhalten, während ich schon auf den Kiesweg einbog.

„Was ist los? Es ist doch alles hell erleuchtet.“

„Und wenn der Typ uns doch gefolgt ist?“

„Ist er nicht, vertrau mir.“

Widerwillig ging sie weiter und ich musste unweigerlich den Kopf schütteln. „Ist doch nicht das erste Mal, dass wir diese Abkürzung nehmen.“

„Schon, nur habe ich heute so ein komisches Gefühl. Du nicht auch?“

„Ich merke nur, dass ich etwas zu viel Alkohol getrunken habe.“ Das war nicht gelogen, mir war schon seit einer Weile leicht übel. Daher war ich ihr dankbar, dass sie mich überzeugt hatte, schon nach Hause zu gehen. So schlenderten wir den Kiesweg entlang, der weiter ins Innere des Parks auf einen der Hauptwege führte und bogen auf diesem dann rechts ab. Bis auf uns schien keine Menschenseele unterwegs zu sein, obwohl das Wetter für diese Jahreszeit – es war bereits Anfang Herbst – noch mild war.

Wir hatten fast den nördlichen Ausgang erreicht, als mich eine Welle der Übelkeit überkam. Ich blieb stehen und kämpfte gegen den Drang an, mich zu übergeben. Besorgt griff Cassie nach meinen Schultern. „Alles in Ordnung?“

„Mir ist nur etwas schlecht“, wiegelte ich eilig ab.

„Mir ist auch schon die ganze Zeit nicht wohl.“

„Cassie, mir ist übel vom Alkohol.“ Es machte mich sauer, dass sie wieder mit ihrem sechsten Sinn anfing. Jahrelang hatten wir beide unter eben diesem gelitten und nun, da es endlich vorbei war, wollte ich, dass es so blieb. Ich riss mich zusammen und blickte sie an, um ihr das direkt zu sagen, als ich erschauderte.

Hinter Cassie bewegte sich etwas. „Cassie!“ Schnell zog ich sie an den Armen zurück, doch da war niemand. Aber ich hatte es mir ganz sicher nicht eingebildet, ich wusste, was ich gesehen hatte: Einen Schatten mit menschenähnlicher Silhouette.

„Was… was hast du gesehen?“ Panisch blickte sie sich um, aus ihrer Stimme sprach genauso viel Angst wie aus ihrem Blick.

„Nichts, das war nur Einbildung“, log ich.

„Das war es nicht“, wisperte sie, als ein Rascheln im Gebüsch direkt neben ihr ertönte und sie genau wie ich erschrocken zusammenfuhr.

Ich erwartete, den Schatten von eben zu sehen. Einen von denen, die uns in unserer Kindheit fast täglich begleitet hatten. Genau wie damals setzte plötzlich eine absolute Stille ein, die sämtliche Geräusche verschluckte und mir mehr Angst einjagte als je zuvor. Selbst mein eigener Herzschlag und mein Atem wurden in dieser Lautlosigkeit verschluckt, die nicht von dieser Welt sein konnte. „Cassie.“  Meine Lippen formten ihren Namen, doch es waren tonlose Worte.

Dann verschwand die Stille wieder so schnell wie sie gekommen war und das Blätterrauschen über uns in den Baumkronen klang wie ohrenbetäubender Lärm. Aber das nahm ich eigentlich nur am Rande war, meine Aufmerksamkeit war auf die Person gerichtet, die vor uns aus dem Gebüsch aufgetaucht war. Sowohl Cassie als auch ich waren zurückgewichen. Um die Gestalt in der zerschlissenen Kleidung, die sich als Mann herausstellte, waberte etwas, das wie Nebel aussah. Nur dass es schwarz war. Der Schatten von zuvor, schoss es mir durch den Kopf.

Der Mann hob den Kopf und sah uns aus rotunterlaufenen Augen an. Diese stachen deutlich aus seinem fahlen, eingesunkenen Gesicht heraus. Es war nicht der Mann aus dem Club und er war weitaus furchterregender. Seine Augäpfel sahen aus wie in Blut getränkt, so sehr traten die kleinen Blutadern darin hervor. Sein gesamter Körper wirkte ebenso abgemagert wie sein Gesicht und geschwächt, seine Kleidung hing lose an ihm.

Ein Röcheln kam über seine Lippen, während er zuerst zu mir, dann zu Cassie sah. Immer weiter wich ich zurück, bereit zu fliehen. Als der Mann die Hand hob, drehte ich mich zu Cassie, griff nach ihr und schrie, dass sie weglaufen sollte.

Doch nach nur einem Schritt blieb ich stehen. Der Schatten hinter uns war so undurchdringbar, dass er wie eine dunkle Leinwand wirkte. Der Mann stieß erneut röchelnde Geräusche aus, die in ein unverständliches Brabbeln übergingen. Mein Blick wanderte hilfesuchend nach rechts, doch auch Cassie stand wie versteinert vor der Wand aus schwarzem Nebel.

Instinktiv setzte ich mich in Bewegung und zog sie mit mir in Richtung Gebüsch, das zwar dicht war, aber doch eine Chance zur Flucht bot. Cassies Schrei durchschnitt die Luft, als pechschwarze Fäden von der Seite auf uns zuschossen und sich vor uns schoben.

Nur Sekunden später berührte mich etwas von hinten an der Schulter. Reflexartig holte ich mit meinem rechten Arm aus, als ich mich umdrehte. Dadurch verpasste ich dem Mann, der nach mir gegriffen hatte, einen Kinnhaken mit dem Ellbogen.

Doch er taumelte kaum, sondern holte mit seiner Hand nach mir aus, in der etwas silbern glänzte. Bevor ich es erkennen konnte, spürte ich einen stechenden Schmerz an meinen Armen, die ich zu meinem Schutz gehoben hatte. Er hielt tatsächlich ein Messer in der Hand, mit dem er auf mich zielte. Die Schnitte auf meinen Armen brannten wie Feuer.

„Sarah!“ Cassie wollte sich schützend vor mich stellen, womit sie die Aufmerksamkeit des Mannes auf sich zog. Nun attackierte er sie. Aber sie konnte sich nicht schnell genug schützen.

Mir schien es, als würde die

Imprint

Publisher: BookRix GmbH & Co. KG

Text: Vera Hallström
Cover: Renee Rott - Dream Design Cover & Art
Publication Date: 04-23-2022
ISBN: 978-3-7554-1240-3

All Rights Reserved

Next Page
Page 1 /