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Leseprobe

DIE HOFFNUNG AUF FREIHEIT

TALES OF DUBLIN (DUBLIN SAGA 1)

JIL HASLEY

PROLOG

Dublin, 13. März 1879

Ein leichter Wind blies durch die Sackville Street. Es war ein milder Frühjahrsvormittag, verglichen mit den letzten Tagen, und dennoch blieb das geschäftige Treiben heute aus. Die Menschen hatten sich in ihren Häusern verkrochen.

Jolyne hingegen hatte sich am späten Morgen aufgemacht, um sich mit den jungen Damen des Clans für den nächsten Wohltätigkeitsball zu organisieren. Sie fühlte sich geehrt, Mitglied des Vereins zu sein, war sie doch erst vor Kurzem in die Gesellschaft eingeführt worden.

Sie verließ das Gresham-Hotel und atmete tief durch. Der Geruch von Pferdemist hing in der Luft und vermischte sich mit dem Duft von frisch gebrannten Maronen.

Für einen winzigen Moment schloss sie die Augen und sammelte sich, um kurz darauf in den wolkenverhangenen Himmel hinaufzusehen und sich dann einen Überblick zu verschaffen. Ein Standverkäufer mit ziemlich zerlumpter Garderobe. Zwei kleine Kinder, die mit Reifen spielten. Eine betagte, gutsituierte Dame, die auf ihren Mann wartete.

Jolyne kannte sie, doch überging sie dies geflissentlich und tat, als hätte sie die Lady nicht gesehen. Wenn diese erst einmal die Gelegenheit zu tratschen gewittert hatte …

Das Gespann stand bereit, und so half ihr der Kutscher in den Wagen. Nach der gerade hitzig geführten Debatte mit Lady Carmichael musste sie sich zusammenreißen, um die Etikette zu wahren. Fröstelnd versenkte sie ihre Hände in den Seitentaschen des neuen Tournüre-Kleides, das den Modellen des berühmten Designers Charles Worth nachgeahmt war.

Müde lehnte sie sich zurück und hing ihren Gedanken nach. Diese Carmichael hatte es in sich. Sie mischte die Runde durch ihre emanzipierte, amerikanische Ader überaus auf.

Vorbei an den mehrstöckigen Häusern und den wenigen Spaziergängern fuhren sie durch die breite Gasse und überquerten die Carlisle Bridge. Das klägliche Kreischen der Möwen veranlasste die junge Frau zum Träumen. Ihre Augen blieben an einem großen Schiff auf dem Liffey River hängen. Schemenhaft erkannte sie einen Commodore an der Reling.

Man konnte die ersten Restaurierungsarbeiten der Bogenbrücke bereits beobachten. Wie in der Irish Times berichtet, sollte sie der Breite nach verdoppelt und so für den künftigen Passagierverkehr noch komfortabler gestaltet werden. Eine Verschwendung, wie Jolyne fand.

Sie ließen die Stadt hinter sich und passierten die Aylesbury Cottages, welche durchaus behaglich angelegt schienen.

Angekommen in Stradbrook drosselte der Kutscher das Tempo, lenkte den Zweispänner in die Newtownpark Avenue. Zu sehr wahrte sie den Anstand, der sie daran hinderte, den Kopf aus dem Fenster zu strecken, obgleich ihre Neugierde kaum zu bändigen war. Immer wieder ertappte sie sich dabei, wie sie ihre Nachbarn in deren Alltagsgeschehen studierte.

Da war unter anderem der junge Master Michael Crowe, der nächste Esquire. Ein gutaussehender Mann mit adeligen Gesichtszügen sowie eben solch vermögenden Verhältnissen.

Gelegentlich waren sie auf seinem Anwesen willkommen geheißen worden, und Jolyne konnte nur zu gut erkennen, wie bemüht der junge Crowe doch darum war, die gleiche Autorität wie die seines Vaters, des Lords, auszustrahlen.

Ehe sie in Gedanken weitere Nachbarn erläutern konnte, wurden die großen Eisentore des Lawsons-Lodge-Anwesens geöffnet. Der Wagen hielt vor dem Haupteingang. Geschwungene Stufen führten zu einer großen Doppeltür aus starkem Mahagoniholz. Ohne warten zu müssen, wurde sie von Butler Howes in Empfang genommen.

»Guten Tag, Howes.« Sie nickte ihm höflich zu, was er zurückhaltend erwiderte.

Umgehend kam ihre persönliche Kammerzofe Charlotte aus dem Untergeschoss und nahm den knielangen, marinefarbenen Wollmantel entgegen, sowie die seidenen, beigen Handschuhe.

»Charlotte, ich gedenke, mich gleich zum Lunch umzukleiden«, informierte sie die Zofe schlicht und stieg dann elegant den Linken der beiden eckigen Treppenaufgänge nach oben.

Von der Galerie aus bot sich ein erhabener Anblick auf das vornehme Foyer, auch wenn sie dieses pompöse Bild schon lange nicht mehr zu beeindrucken vermochte. Alles schien hier in gewohnten Bahnen zu verlaufen, und ohne es jemals ausgesprochen zu haben, wusste Jolyne, dass es sie insgeheim unendlich langweilte.

Wenige Zeit später traf sie sich mit der Familie im Speisesalon. Kleine Filets mit frischen Petersilkartoffeln wurden angerichtet. Howes stand, wie gewohnt, akkurat neben der großen Standuhr, stur geradeaus blickend.

Durch die üppige Tafel im Hotel hatte die junge Frau jedoch keinen Appetit und begnügte sich mit einem kleinen Salatteller. Scheinbar konzentriert pickte sie die Garnelen aus dem Grün heraus, ehe sie überrascht aufsah.

Cecily, ihre vier Jahre ältere Schwester, berichtete aufgeweckt vom angeblich neuesten Skandal, der die Runde machte.

»Vater, kennst du ihn nicht? Diesen Parnell? Stimmt es, dass er eine Affäre mit einer Engländerin hat?«

»Mir ist nichts dergleichen bekannt, Liebes«, tat er ihre Spekulationen mit diesem einfachen Satz ab, ehe er sich wieder seinem Teller zuwandte.

»Ich hörte heute Morgen ebenfalls von den Gerüchten«, schaltete sich nun Jolyne in das Gespräch ein, »Es heißt, sie sei die Frau eines Parteikollegen.«

»Derlei haltlosem Gerede solltet ihr nichts beimessen.«

Sir Edmund Lawson war ein Mann von Diskretion. Und da er die Meinung vertrat, man solle nicht mit Steinen werfen, wenn man im Glashaus saß, hielt er sich entsprechend zurück. Seit einiger Zeit stand ihm selbst das Wasser schon bis zum Halse, doch war es ihm bisher erstaunlich gut gelungen, seine Sorgenfalten vor Frau und Kindern zu verbergen.

Nachdenklich schweifte sein Blick zu den hohen Fenstern, hinaus in den kleinen, englisch angelegten Garten. Wie es aussah, würde er diesmal tatsächlich Schwierigkeiten bekommen. Der gewitzte Journalist Shepherd hatte seine Nase mal wieder zu tief in seine Angelegenheiten gesteckt.

Um das Thema über den Klatsch der Leute abzuwenden, unterrichtete er die Anwesenden über eine zweifellos erfreulichere Neuigkeit.

»Mein Bruder ist wieder im Lande. Seine letzte Reise soll wahrhaftig abenteuerlich gewesen sein.«

»Onkel Charles kommt nach Hause.«

Leos Augen begannen zu leuchten.

Der älteste und einzige Sohn der Lawsons war stets für die Seefahrt zu begeistern gewesen. Er war derjenige, der das engste Verhältnis zu seinem Onkel hatte aufbauen können, und es war nicht zu leugnen, dass Charles seinen Neffen ebenso ins Herz geschlossen hatte.

Scheinbar desinteressiert beobachtete Jolyne die Reaktion ihres Bruders. Leo war für sein Alter noch so unglaublich naiv, wie sie feststellen musste. Arglosigkeit spiegelte sich in seinen Gesichtszügen wider.

Unauffällig, während sie das Weinglas zu ihrem Mund führte, musterte sie ihn dabei, wie er sich laut zurechtlegte, mit welchen Fragen er Charles löchern würde. Sie konnte manchmal noch nicht fassen, dass er bereits sein vierundzwanzigstes Lebensjahr erreicht hatte, und war noch nie überzeugter wie in ebendiesem Augenblick, dass es ihn ebenfalls eines Tages auf die hohe See treiben würde.

Leo war schon immer anders gewesen. Er ließ sich nicht in die Rolle des begehrten, künftigen Dukes zwängen. Gehorsam besuchte er das University College, ganz nach der Tradition des Lawson-Clans. Doch würde er – wie auch schon Charles Lawson – die Freiheit so sehr lieben lernen, dass er sie nicht mehr aufgeben würde.

Ein stummes, halbherziges Lächeln lag auf ihren Lippen. So sicher sie sich dieser Theorie oder – wie sie meinte – Tatsache auch war, so unschlüssig war sie sich über ihre Gefühle darüber. In manchen Momenten verachtete sie ihn dafür, dass er es sich als männlicher Nachkomme herausnehmen konnte, bestimmte Verhaltensregeln zu übergehen. Gleichzeitig jedoch beneidete sie ihn im tiefsten Innern dafür.

Sie selbst war sich nur allzu bewusst, dass man als junge Dame keinerlei Aussicht auf tatsächliche Freiheit hatte. Und doch wünschte sie sich nichts mehr als das.

Frei sein.

Wie diese Möwen am heutigen Vormittag.

Hingehen, wohin man wollte, wann und mit wem.

Keiner würde darüber herziehen, dass man nicht mehr die neueste Mode trug, die falsche Aussprache verwendete …

Erschrocken, wohin ihre Gedanken sie trugen, stellte sie das Glas ab, welches sie zuletzt an ihre Wange gedrückt gehalten hatte. Nervös sah sie in die Runde und versuchte zu analysieren, ob einer der Anwesenden Erstaunen bezüglich ihrer Träumerei aufwies.

Das Gespräch war noch im vollen Gange, und keiner nahm von ihr Notiz. Beherrscht fand sie zurück zu ihrer undurchdringlichen Maske der kühlen, jungen Frau.

Als sie jedoch nochmals ihren Blick distanziert durch den Raum schweifen ließ, blieben ihre grünen, ja manchmal blau schimmernden Augen an Howes hängen.

Sie hatte ihn dabei ertappt, wie er sie beobachtet hatte. Natürlich. Laut Etikette wäre er sich nun einer Rüge sicher gewesen. Doch sie wollte darüber hinwegsehen.

Einige wenige Sekunden später schielte er doch tatsächlich nochmals zu ihr herüber, ehe seine Augen wieder unbeweglich auf dem Fenster der anderen Seite des Raumes ruhten.

Und wahrlich, es hätte niemand wahrgenommen, der sein vorheriges – laut Protokoll – unangebrachtes Benehmen nicht mitbekommen hatte. Aber seine Mundwinkel zuckten leicht, und Jolyne konnte ein geheimnisvolles Schmunzeln darin wiederfinden.

Insgeheim war sie sicher, dass er ihren Tagtraum sehr wohl erfasst hatte. Und sie war dankbar dafür.

Dass er es tat.

Dass es überhaupt jemand tat.

Sie war inzwischen sehr geübt in ihrem Fach, galt als die perfekte Vorzeige-Tochter. Stets adrett gekleidet, wusste sich auszudrücken und offenbarte jederzeit ein anständiges Benehmen.

Wie sie mittlerweile selbst in Erfahrung gebracht hatte, hielt man sie in der Gesellschaft für ein ›diplomatisches, kluges Ding‹. Diese Äußerung hatte sie, ziemlich simpel, im Vorbeigehen aufgeschnappt.

Zudem galt sie als undurchdringlich und gefühlsarm. Jene Feststellung verdankte sie der nicht zuletzt geschwätzigen, aber auch hochgeachteten Lady Carmichael. Es wunderte Jolyne nicht im Mindesten, dass die Duchess hinter ihrem Rücken über sie – nun, wie sagte man so schön? – referierte. Ebenso wenig störte es sie, dass man sie für undurchsichtig hielt.

Gerade jene Eigenschaft gab ihr eine gewisse Sicherheit, verschaffte ihr ein dickes Fell, wenn man so mochte. Gepaart mit einer starken Brise Ironie und nun … Humor ließ es sich doch ganz gut in der spießigen Gesellschaft Dublins leben.

Durch ihr kühles Auftreten und die pragmatische Art war es somit kaum jemandem möglich, ihr zu nahe zu treten. Genau genommen war ihr Vater die einzige Person, der sie sich bis zu einem gewissen Grad anvertraute. Sie schätzte ihn für seine fortschrittliche Denkweise. Er war kein zugeknöpfter Snob, was er gekonnt zu verbergen wusste.

»Er bringt Besuch mit.«

Nicht weiter auf ihre Überlegungen eingehend, entschied sie, sich der Konversation wieder anzuschließen.

»Wer ist es?«

»Nun … Es ist der Captain des Schiffes, auf dem euer Onkel heuert. Sein Name ist Coldwell. Er stammt aus der Sippschaft der Dockerys. Seine Eltern sind vor vielen Jahren nach Australien umgesiedelt. Man sagt, dass sie mehrere Farmen im Landesinnern besitzen.«

»Ist er liiert?«

Diese Frage war Cecily offenbar in Fleisch und Blut übergegangen. Sie hatte es sich angeeignet, Floskeln der Damenwelt ihres ›Freundeskreises‹ zu übernehmen.

»Wie ich hörte, nein.«

Skeptisch lugte Edmund über seine Brille hinweg zu seiner älteren Tochter. Er mochte es nicht, dass sie der Herrenwelt so offenkundig nachstellte. Es schadete ihrem Ruf, und zudem erweckte es den Anschein, sie wäre leicht zu umwerben.

»Wird er denn ebenfalls zum Wohltätigkeitsball erscheinen?« Auch die Neugierde seiner Frau war geweckt. Margarets Töchter, nun beide in die Gesellschaft eingeführt, waren im heiratsfähigen Alter. Es konnte ja nicht schaden, die Augen offen zu halten. Obgleich ihr ein Captain als Partie nicht sonderlich zusagte.

»Das wird er.«

»Wie lange werden sie in Dublin bleiben?«

Hungrig nach jeder Information legte Leo sein Besteck im Dreieckswinkel zu sich ab.

»Ich weiß es nicht. Du hast morgen die Gelegenheit, deinen Onkel selbst zu fragen. Ich habe ihn und Capt'n Coldwell zum Tee geladen«, sorgte der Vater für eine heitere Überraschung.

* * *

»Charlotte, ich werde das veilchenblaue Nachmittagskleid tragen.«

Sie war gerade dabei, sich des mit Perlen und Federn staffierten Zylinderhutes zu entledigen. Der Ausritt rettete vermutlich ihren Tag, denn obwohl erfreut über etwas Abwechslung, war ihr nicht danach, neue Bekanntschaften zu schließen. Und dennoch stand es nicht zur Debatte, ob sie anwesend war oder nicht.

Die junge Kammerzofe trat hinter sie und knüpfte das Reitdress von oben nach unten auf, half Jolyne dabei, einen Weg aus dem vielen Wirrwarr an Stoff zu finden, ehe sie in den Garderobenraum eilte, um das blaue Kleid im viktorianischen Stil zu holen und über die junge Frau zu schieben.

Auch dieses Teil hatte unendlich viele Knöpfe, die jedoch von vorn geschlossen wurden. Mit geübten, zarten Fingern zupfte es Charlotte an dem schlanken Körper zurecht. Sie schloss die Knöpfe, wobei Jolyne ihr zur Hand ging.

»Ist in Ordnung, Charlotte. Ich mache den Rest zu. Vielleicht könnten wir an der Frisur noch etwas machen. Der Wind hat ein Vogelnest auf meinen Kopf kreiert.«

Ein offenes Lächeln spiegelte sich auf dem Gesicht des nur zwei Jahre jüngeren Hausmädchens wider. Seit einiger Zeit schon kam es hin und wieder vor, dass die junge Lady ihr gewisse Tätigkeiten abnahm. Völlig unüblich für eine Dame ihres Ranges. Und doch tat sie es und vermittelte der Zofe damit das Gefühl, nicht nur eine bloße Arbeitskraft zu sein.

Prüfend betrachtete Jolyne ihr Ebenbild. Der grundlegend rechteckige Ausschnitt hatte einen V-Ansatz, und der Schnitt beließ die Taille relativ natürlich, fiel bodenlang. Der überliegende Stoff war zu beiden Seiten nach oben gerafft. Die weißen Ränder aus Seide, ebenfalls gerafft, fielen nach hinten als Schleppe ab und gaben dem Kleid den nötigen Schwung. Die Ärmel, dreiviertellang, standen im starken Kontrast zu ihrer blassen Haut. Sie mochte das Dress.

Ihr blondbraunes Haar war streng zu einem Dutt gebunden. Einzelne Strähnen umspielten ungebändigt ihre Wangen. Charlotte hatte ihre liebe Not.

Nachdem Jolyne noch etwas Puder aufgetragen worden war, sowie einige Accessoires angelegt, war sie zufrieden.

»Danke, Charlotte.«

Sich mental wappnend, machte sie sich auf den Weg nach unten.

Stimmen waren im Foyer zu vernehmen. Zuerst unbeobachtet, lugte sie hinter einer der Säulen hinunter. Alle waren schon anwesend, bis auf sie selbst. Genügsam machte sie sich ihr Bild von der Galerie aus.

Begrüßungen, Händedruck und angedeutete Verbeugungen, gerötete Wangen, die üblichen Floskeln. Genervt von dem ganzen Auftritt war sie geneigt, die Augen zu verdrehen, doch tat sie es nicht. Es schickte sich nicht. Außerdem hätte es Emotionen preisgegeben. Etwas, das sie stets vermied, wenn sie es für nötig hielt.

Ihre Eltern waren eingehend damit beschäftigt, Onkel Charles in Empfang zu nehmen. Von Leo ganz zu schweigen. Cecily konnte es nicht lassen und spielte mit einer Locke ihres Haares, während sie den Captain vor sich anhimmelte. Wie ungeschickt. Jolyne schämte sich beinahe dafür.

Unvermittelt blickte Letzterer zur Galerie hinauf, und seine Augen blieben einen Moment an ihr hängen. Sein Ausdruck war kühl und nichtssagend. Zuerst erschrocken, rührte sie sich jedoch nicht und wahrte gekonnt ihre ebenso eiserne Miene.

So schnell war der Augenblick verflogen, wie er entstanden war. Der Mann widmete sich wieder Cecily und schenkte ihr seine volle Aufmerksamkeit.

Wohl wissend setzte sich Jolyne in Bewegung. Sie kannte diese Art von Mensch. Solche Personen hielten sich für etwas Besseres und ließen das auch jeden spüren. Sie hatte wohl damit gerechnet, denn es stellte sich keinerlei Gefühl von Enttäuschung ein.

Selbstsicheren Ganges schritt sie in die Mitte der Halle und platzierte sich neben ihre Schwester. Gerade hatte diese ihren Satz beendet, ergriff sie die Gelegenheit, sich vorzustellen.

»Guten Tag. Jolyne Lawson.« Ohne mit der Wimper zu zucken, hielt sie ihm ihre Hand entgegen, eine wohldurchdachte und beinahe beleidigende Handlung, schickte es sich schließlich nicht, dass eine Lady sich selbst vorstellte.

»Dermot Coldwell. Sehr angenehm.« Er nahm ihre junge Hand in die seine und deutete einen Handkuss an, wie es üblich war.

Er hatte raue, kalte Hände, wie sie feststellte. Und sein Äußeres, wenn auch adrett, hatte eine verwegene Wirkung. Sein zwar gepflegter, aber für sein Alter außerordentlich voller Bart ließ ihn älter wirken, als er es wahrscheinlich war.

Gleichmütig nickte sie ihm noch einen höflichen Gruß und widmete sich dann scheinbar begeistert und voller Wiedersehensfreude ihrem Verwandten.

»Onkel Charles. Wie lange ist es her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben? Lass dich willkommen heißen!«

Gekonnt liebenswürdig drückte sie ihre Wangen an die seinen und schenkte ihm eines ihrer schönsten, einstudierten Lächeln. Sie bezweifelte, dass er es durchschaute. Dafür war er, wie Leo, viel zu aufrichtig.

»Lord Lawson, der Tee ist serviert.« Leicht nach vorn gebeugt und den Kopf senkend, läutete der Butler die Nachmittagszeit ein.

Seit dem gestrigen Vorfall im Speisesalon sah Jolyne ihn mit anderen Augen. Sie hatte nunmehr das Gefühl, dass er nicht einfach nur Butler war. Tatsächlich schien er die komplette Sippschaft des Lawson-Hauses entschlüsselt zu haben. Er wirkte wie ein alter Baum, der über viele Jahre hinweg gepflegte Geheimnisse miterlebt hatte und diese gut hütete.

Seine besonnene, neutrale Haltung täuschte darüber hinweg, was er wirklich dachte. Raffiniert verbarg er seine Gedanken und diente treu. In gewisser Weise glich er ihr sogar. Auch er hatte sich eine Maske zugelegt, hinter die keiner zu sehen vermochte.

Und zum ersten Mal seit den vielen Jahren, die sie ihn schon kannte, fragte sie sich, was für ein Mensch er wohl war. Außerhalb dieser vier Wände. An welchen Beschäftigungen er wohl Gefallen fand? Hatte er ein Privatleben? Hatte er Familie?

Völlig unvorbereitet fühlte Jolyne eine Schwere in sich. Sie hatte Howes mit ihrem siebten Lebensjahr kennengelernt. So viele, lange Jahre und sie wusste nicht einmal, ob er verheiratet war. Was sagte das über sie als Mensch aus?

Angeregt involvierten sich alle in die Unterhaltungen und Berichte von Charles. Geduldig beantwortete er jede noch so detaillierte Frage seines Neffen und lächelte verständnisvoll. Der Capt'n hielt sich zurück, wurde aber von Edmund aus der Reserve gelockt.

Mit stoisch monotoner Stimme beantwortete auch er die ihm gestellten Fragen. Jolyne konnte sich nicht gegen das Gefühl wehren, dass es dem Mann lästig war. Und sie empfand sein Verhalten gleicherweise dreist wie amüsant.

Nach kurzer Zeit schon verging ihr die Lust, sich den leeren Gesprächsthemen hinzugeben. Stattdessen entschied sie, ihre geschulten Augen auf Wanderschaft zu schicken. Unmerklich studierte sie die Personen bei Tisch.

Cecily erweckte den Anschein, in Höchstform zu glänzen. Sie trug ihr bestes Nachmittagsdress in Flieder und hatte ihr helles, blondes Haar zu einer aufwendigen Hochsteckfrisur staffieren lassen.

Leo gestikulierte ausgelassen über seinen Teller hinweg und war kurz davor, ein Weinglas umzukippen. Edmund wiederum nahm dies leicht murrend zur Kenntnis, verschleierte sein tadelndes Gesicht jedoch hinter einem vielsagenden Lächeln und einer hochgezogenen Augenbraue.

Charles und ihre Mutter zu beobachten war ihr schlecht möglich, da sie auf ihrer Tischseite saßen. Dem Capt'n hingegen wurde der Platz direkt ihr gegenüber zugewiesen. Bei ihm boten sich etwaige Möglichkeiten, interessante Feinheiten wahrzunehmen.

Am kleinen Finger seiner rechten Hand trug er einen Ring mit Siegel. Allein diese Entdeckung ließ ihr schwanen, dass er als selbstgerechter Anwärter eines teuren Titels lebte. Seine Handoberflächen wiesen Narben auf, was jedoch eher davon zeugte, dass er hart arbeitete.

Immer wieder ließ sie unbeobachtet ihren Blick über die Tafel schweifen, betrachtete Nuancen der Szenerie, ehe ihre Augen wieder zurückkehrten, unscheinbar und diskret.

Eine steile Falte durchzog seine Stirn. Entweder ein Anzeichen von Konzentration oder Unmut. Sie entschied sich für Ersteres, wenn sie ihn so dabei beobachtete, wie sorgfältig und ausführlich er doch seinen Tee umrührte. Zudem stützte er seine linke Hand auf das Bein. Jolyne sah hinter dieser Geste den Versuch, Cecily auf Abstand zu halten.

So sehr das Spiel auch zu Beginn reizte, so schnell verlor sie das Interesse daran. Was hatte es schon für einen bleibenden Wert, Menschen zu analysieren?

Sie konnte nicht ahnen, dass der Capt'n das Selbige spielte und sich aufgrund dessen noch um einiges unwohler in der vornehmen Bekanntschaft fühlte. Nachdenklich zog er die Augenbrauen zusammen und sinnierte vor sich hin, während er auf den orkanähnlichen, kleinen Strom in seinem Tee starrte, welchen er durch das Verrühren verursachte.

Er mochte Charles sehr. Nicht umsonst war dieser seit einigen Jahren seine rechte Hand. Er war ein zuverlässiger, bodenständiger Mensch und ein guter Freund. Doch, wie befürchtet, konnte er mit seiner Familie leider nicht viel anfangen.

Sie alle in diesem Salon schienen ihm weltfremd, allen voran Lady Margaret, eine Frau von Anstand und wortgewandter Aussprache. Doch ihre Aussagen waren leer, vollkommen abseits vom Wesentlichen.

Sir Edmund ließ in ihm noch die meisten Sympathiegefühle aufkommen. Bis auf seine höflich gemeinten Fragen vermied wohl auch er den sinnfreien Austausch von Floskeln.

Seine beiden Töchter hingegen ließen jedwede feinsinnige Ader ihres Vaters vermissen. Die eine verschwiegen wie sein jetziger Schiffskoch, der bedauerlicherweise taubstumm zur Welt gekommen war. Und die zweite besaß etwas von der Aufdringlichkeit eines hungrigen Albatros’, obgleich sie einen gewissen Charme besaß, wie er ihr zugestehen musste.

Allmählich neigten sich die Gesprächsthemen dem Ende, und es wurde stiller. So kam es, dass die Herren sich zu einem Brandy in den Herrensalon zurückzogen. Die Damen entschlossen sich zu einem Spaziergang.

Abgesehen vom gesundheitlichen Aspekt, ein Spaziergang diene der guten Verdauung, sah Jolyne keinerlei Vorteile darin, mit anderen Personen ihres Geschlechts etliche Male um das Anwesen zu schlendern. Allein hätte sie durchaus nichts dagegen gehabt.

»Habt ihr gesehen, wie anständig er sich verhält?«

Schon auf den Stufen des Eingangs begann Cecily eifrig, Mutter und Schwester ihre Beobachtungen kundzutun.

»Das habe ich.« Lady Margaret lächelte dezent und spannte ihren Schirm auf.

Wie konnte sie nur? Jolyne genoss die ersten Wärme spendenden Sonnenstrahlen. Nach diesem langen Winter hatte sie diesen entgegengefiebert. Aber nun ja. Ihre Mutter legte auf die vornehme Blässe noch immer den gleichen Wert, wie man es vor vierzig Jahren getan hatte.

»Und? Möchtest du ihn heiraten?«

Einen gewissen Zynismus konnte Jolyne nicht vermeiden, obgleich sie schon fast Mitgefühl für ihre Schwester verspürte, war diese doch so abhängig von der Bestätigung und Anerkennung ihrer Umwelt.

»Wie kommst du darauf?« Bestürzt wandte sich Cecily um.

»Ist schon gut, Cil. Ich wollte dich nur etwas aufziehen.« Mit einem versöhnlichen Lächeln verhinderte sie einen aufkeimenden Streit.

»Jolyne, du weißt, ich dulde ein solch unfeines Benehmen nicht«, mischte sich nun auch Lady Lawson ein.

»Natürlich, Mutter. Du hast recht. Verzeih.«

Aufgrund ihres spöttischen Schmunzelns musste Jolyne ihr Gesicht abwenden, um einigermaßen die Contenance zu wahren. Ihre reuevolle Stimmlage behielt sie – ihr Glück – völlig unter Kontrolle.

»Ich möchte meinen, er ist durchaus ein anständiger Mann. Er hat Manieren und Ausstrahlung«, fuhr Margaret singend fort.

Skeptisch ging Jolynes Augenbraue in die Höhe. Wo hatte sie bei ihm Ausstrahlung entdeckt? Da hatte sie so viel Zeit damit zugebracht, ihn zu mustern, und hatte etwas übersehen? Nachdenklich wanderten ihre Gedanken wieder in ferne Gefilde.

Wie schnell man doch über Menschen urteilte. Ihre Familie hielt ihn für charismatisch. Sie befand ihn für einen Eigenbrötler. Was traf nun zu? War es einem überhaupt möglich, sich aufgrund einer einzigen Begegnung ein Urteil zu erlauben, sich ein Bild zu machen? Abermals kam ihr in den Sinn, in welch oberflächlicher Gesellschaft sie doch offensichtlich lebte.

Waren alle so? Machten sich andere auch Gedanken um so etwas? Wurde man im Alter tiefgründiger und sprach nur nicht darüber? Wie war es wohl bei ihrem Vater?

Da ihre Fragen ja in diesem Moment doch keine Antworten bekamen, verwarf sie diese und beschloss, dem Captain noch eine Chance zu geben. Vielleicht war er ja doch ein angenehmer Gefährte.

Eine gewisse Distanz zu wahren, hatte seine Nützlichkeit. Doch gänzlich abweisend wollte sie sich dann auch nicht verhalten. Schließlich lag noch ein Großteil des Lebens vor ihr, und da war es ratsam, es sich nicht mit jedem zu verscherzen.

* * *

Schon draußen waren die Klänge von Violinen und einem Flügel sowie Kontrabässen zu vernehmen. Ein Stück von Beethoven, wie Jolyne ausmachen konnte, während sie sich vom Kutscher aus dem Wagen helfen ließ und ihr Kleid mit einigen gezielten Bewegungen glatt strich.

Sie trug ein schwarzes Dress mit emeraldgrünen Akzenten und einer nur leichten Tournüre, dafür nicht gespart mit Drapierungen an der Schleppe. Mehrfache Raffungen ließen die grüne Seide wasserfallartig liegen. Auch das Dekolleté setzte sich auffällig, aber nicht aufdringlich durch selbige Farbe ab. Es wurde mit schwarzem Stoffbesatz und etlichen Perlen und Pailletten geschmückt, welche zu einer V-Linie bis auf Hüfthöhe hinabführte. Kurze, handbreite Träger auf den Schultern ließen erkennen, dass ihre Arme in letzter Zeit nicht viel Sonne abbekommen hatten.

Das Kleid war ein Geschenk ihrer Mutter zur Einführung in die Gesellschaft. Es war also ihr erstes Abendkleid, obgleich ihre Garderobe inzwischen mehrere solcher Art beherbergte.

Sie nahm das Angebot ihres Onkels an und hakte sich bei ihm ein. Cecily wurde von Leo geleitet, und ihre Eltern bildeten das Schlusslicht. Wie sie unterwegs hatte in Erfahrung bringen können, würde der Capt'n in Kürze zu ihnen stoßen.

Das Gresham-Hotel erstrahlte in schillerndster Aufmachung. Die Kronleuchter hüllten die Eingangshalle in warmes Licht, warfen leichte Schattenmuster auf den roten, goldgeränderten Teppich.

Mehrere Angestellte standen bereit, wartend darauf, die Mäntel der Gesellschaft entgegenzunehmen. So entledigte sich Jolyne ihres schweren Pelerines und suchte ihren Onkel, um mit ihm gemeinsam den Festsaal zu betreten.

Schon konnte sie Lady Carmichael im hintersten Teil des großen Raumes ausmachen. Linker Hand zog sich die Geräumigkeit in weite Länge, ausgestattet mit unzähligen Tischen und Stühlen. Cremefarbene Hussen und Tafeldecken gaben dem Ganzen den gewohnten Glamour.

Wie üblich waren die vordersten Reihen reserviert für Gäste ihres Ranges. Schnell fand Lord Lawson ihre Plätze, und schon ging es los mit dem üblichen Rundgang an Begrüßungen.

Sie kamen vorbei an Master Crowe und seinen Eltern. Wie immer stand er steif wie ein Stock vor ihnen und gab sich die größte Mühe, Ernsthaftigkeit auszustrahlen.

Im Vorübergehen hielt er sie einen kleinen Moment auf.

»Lady Lawson, ob Sie mir die Ehre erweisen und den ersten Tanz für mich reservieren?«

Er gab sich ja wirklich Mühe, doch es wirkte schlicht und ergreifend unbeholfen.

»Wie freundlich, Sir Crowe. Ich bedauere. Den ersten Tanz habe ich schon meinem Bruder versprochen.«

Belustigt stellte sie fest, wie irritiert er von dieser Eröffnung war. Es war geradezu grotesk, einen Ball mit einem Familienangehörigen zu eröffnen. Mit verschmitztem Augenaufschlag nickte sie ihm zu und ließ ihn zurück.

»Konntest du schon neue Bekanntschaften schließen?«

Gekonnt akkurat bewegten sich Leo und seine Schwester zum Wiener Walzer.

»Nicht wirklich, aber Captain Coldwell müsste jede Minute eintreffen. Er ist ein sehr netter Mann, findest du nicht?«, suchte er bei ihr Bestätigung.

Leos aufgeweckter Ausdruck war voller Energie. Ganz im Gegensatz zu ihr schien er seine helle Freude an dem gesellschaftlichen Ereignis zu haben.

»Ich weiß nicht recht. Ich habe mir noch kein genaues Bild von ihm gemacht.« Jolyne entsann sich ihres Vorhabens. Daran, nicht vorschnell über einen Menschen zu urteilen.

»Ich hoffe doch sehr, ich habe dir nicht auch die restlichen vierzehn Tänze versprochen, nur um dich vor dem jungen Esquire zu bewahren?«, wechselte Leo das Thema und funkelte sie herausfordernd an. »Du weißt, du hast dir durch diese Aktion bei Mutter und Vater eine ordentliche Gardinenpredigt gesichert.«

»Ich weiß, aber das war es wert. Du hättest Junior Crowes Gesicht sehen sollen.«

Leise kicherte Jolyne und freute sich aufrichtig darüber, dass ihr Bruder sie zum Lachen gebracht hatte.

Sie schienen sich zunehmend besser zu verstehen. Beinahe glich es einem Anflug von Freundschaft, obgleich sie zwei Persönlichkeiten besaßen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können.

»Wirst du mit Miss Erin tanzen?«

»Das habe ich vor. Ich konnte mir drei Tänze bei ihr sichern.«

Fast unmerklich röteten sich seine Wangen.

Der Walzer spielte seine letzten Töne, und so trennten sich die Paare und neue fanden zueinander. Jolyne gesellte sich zu Lady Margaret an den Tisch. Elegant nahm sie Platz und nippte an dem Champagnerglas. Die eisige Atmosphäre zwischen den beiden war greifbar.

Jolyne war klar, dass ihre Mutter am heutigen Abend kein Wort mehr mit ihr wechseln würde. Wie konnte ihre Tochter auch nur so töricht sein und zuerst mit Leo tanzen?

Sir Edmund hingegen ließ sich die Stimmung nicht verderben und betrieb gesellig Konversation mit seinem Tischnachbarn, ehe er sich ihr zuwandte.

»Jolyne, Liebes. Gönnst du mir den nächsten Tanz?«

»Aber natürlich.«

Es war zweifelsohne ein Privileg, mit ihrem Vater zu tanzen. Da er ohnehin ungern seine Runden auf dem Parkett drehte – mit Lady Margaret nur selten und mit Cecily so gut wie gar nicht –, war es immer wieder wohltuend, dass er sie tatsächlich bei jedem Anlass wenigstens einmal zum Tanz aufforderte.

»Amüsierst du dich, Liebes?«

»Bedingt. Ich befürchte, Lady Carmichael schwadroniert wieder über mich, wenn ich sie mir so ansehe.«

Erheitert musste Sir Lawson wieder einmal feststellen, wie viel von ihm doch in ihr steckte. Sie war eine Freidenkerin. Gesellschaftliche Fesseln konnten sie nicht halten.

»Na, na. Das würde deine Mutter nun gar nicht gerne hören. Im Übrigen strapazierst du ihre Nerven gehörig, mein Kind.«

Er versuchte einen tadelnden Ton anzuschlagen, doch sie durchschaute ihn sofort und grinste ihn feixend an, verursachte ein Lächeln auf seinen Lippen.

»Vater, ich muss dich etwas Wichtiges fragen«, drängten sich doch urplötzlich die Überlegungen bezüglich des Butlers in ihren Kopf.

Erstaunt schnellten Edmunds Augenbrauen nach oben.

»Howes. Ist er verheiratet? Hat er Familie?«

»Ja. Er ist seit über fünfundzwanzig Jahren verheiratet und hat zwei Töchter in deinem Alter. Warum fragst du danach?«

»Weißt du, wir leben mit den Bediensteten einher und wissen gar nichts von ihnen. Das ist mir neulich sehr deutlich bewusst geworden. Ich finde es regelrecht beschämend. Zum Beispiel wissen wir nicht, was sie gerne in ihrer freien Zeit tun oder ob sie Probleme haben.«

»Ich weiß wohl, was Howes am Feierabend gernhat, und auch über seine Lage bin ich im Bilde. So verhält es sich auch mit allen anderen.«

Sir Edmund war keineswegs verwundert über die Anschauung seiner Tochter, wenngleich es ihn so glücklich wie auch besorgt stimmte. Er war zwar immer wieder erleichtert, festzustellen, dass Jolyne über die gesellschaftlichen Barrieren hinausdachte. Dennoch würde sie – wie er – allzu schnell erkennen, in welch verfahrenem, ungerechtem System sie doch alle lebten. Sie hatte eine rebellische Ader. Und wusste sie diese zu zügeln?

»Tatsächlich? Vater, du glaubst nicht, wie froh mich das macht. Ich dachte schon, ich wäre die Einzige, die sich mit solchen Denkvorgängen abmüht. Du betrachtest sie auch als Menschen wie dich und mich, nicht wahr?«

»Natürlich, Liebling. In Gottes Augen sind wir alle seine Kinder. Ich möchte dich dennoch wissen lassen, dass ich es nicht über den Marktplatz schreie, welches Verhältnis ich zu meinen Angestellten pflege.«

»Ich verstehe nicht.« Nachdenklich legte sie den Kopf zur Seite.

»Es ist unüblich, eine solch vertrauliche Haltung zur Dienerschaft zu vertreten. Würde dies öffentlich, wäre ich mit Gewissheit nicht mehr lange im Senat des University Colleges von Dublin, geschweige denn Sekretär des Finanzministers. Es gilt hier, eine Portion Cleverness an den Tag zu legen. Sein Herz nicht auf der Zunge zu tragen.«

Allmählich erschloss sich ihr die volle Bedeutung seiner Worte, und ausdruckslosen Blickes versuchte sie den Schelm in ihren Augen zu verstecken.

»Danke, Vater.«

Mit einem Gefühl von Geborgenheit drückte sie seinen Arm. Es bedeutete ihr unglaublich viel, dass er etwas von seinem verborgenen Charakter preisgab. Sie teilhaben ließ an seinen geheimen Ansichten über die Außenwelt.

Sie dachten gleich.

»Denke immer daran, Jolyne: Mit Diplomatie liegst du selten falsch. Bewusstes, taktisches Handeln bewahrt dich vor unbedachten Entscheidungen. Ich rufe mir immer Goethe ins Gedächtnis: Frei will ich sein im Denken und Dichten. Im Handeln schränkt die Welt genug uns ein. Deine Gedanken kann dir niemand verwehren, Kind. Nur handle stets mit Bedacht.«

Wie sehr sich ihm diese Worte als junger Mensch – Worte, die ihm sein Vater bei jeder Gelegenheit ins Bewusstsein gerufen hatte – eingeprägt hatten. Hätte er sie sich doch nur so zu Herzen genommen, wie es nun hoffentlich seine Tochter tat!

Ihr Kopf verarbeitete noch das Gesagte des Vaters, als sie den Capt'n den Saal betreten sah. Schon längst hatte sie sich an einem der Erker platziert und die beleuchtete Außenanlage begutachtet, um weiteren, suchenden Tanzpartnern aus dem Weg zu gehen.

Als Coldwell den ausladenden Raum betrat, hätte er am liebsten auf dem Punkt kehrtgemacht. Laute Musik und stickige Luft begrüßten ihn. Prüfend schweiften seine Augen durch die Menge.

Charles konnte er auf der Tanzfläche ausfindig machen, und der Rest der ihm Bekannten saß an ihren Tischen, vertieft in politische und gesellschaftliche Gespräche. Bis auf Lady Jolyne Lawson.

Lady Cecily hingegen hatte ihn zu schnell entdeckt, und so gab es für ihn kein Entkommen. Freundlich erwiderte er die Begrüßung, ehe er sich zu Tisch begab. Förmlich nickte er in die Runde und ließ sich auf seinem Stuhl nieder.

Es dauerte keine zwei Minuten, da war er auch nicht mehr allein, woran er doch am meisten Gefallen gefunden hätte. Charles, mit Cecily im Schlepptau, ließ sich an selbigem Tisch nieder und involvierte ihn versiert in eine Unterhaltung. Und noch bevor Cecily wiederum ihm zu vertraulich werden würde, bat er die Nichte seines Freundes schließlich um den nächsten Tanz.

Während sie gemeinsam über das Parkett schwebten, untersuchte er die Menschen um sich herum. Eine fremde Welt für ihn.

Und an einem Erker des Westflügels stand also die andere junge Lawson-Schwester. Sie hatte ihn auch entdeckt, und ihr Ausdruck wirkte fast nachdenklich, wenngleich er nach außen hin wohl abgeklärt erscheinen sollte. Doch diesmal war er sich sicher, dass dem nicht der Fall war. Etwas schien sie zu beschäftigen.

Auch wenn es ihn nur geringfügig interessierte, so fühlte er sich doch veranlasst, auf sie zuzugehen. Etwas Schweigen war ihm ohnehin willkommen. Und das konnte sie, wie er bereits hatte feststellen dürfen.

So fasste er sich ein Herz, geleitete Cecily nach Ende des Stückes zu ihrem Platz zurück und schritt durch den Saal in Richtung der Erker.

Inzwischen wurde Jolyne allmählich warm. Und die Luft war verbraucht. Müde blickte sie in die tanzende Menge. Ihre geübten Augen fanden Charles mit – oh je, wie konnte er? – Lady Carmichael.

Es war nicht neu, dass sie sich umgehend der Neuankömmlinge annahm. Nicht umsonst war sie in Dublin bekannt wie ein bunter Hund.

Schließlich trafen ihre Augen bei der Betrachtung auf Cecily und den Capt'n. Er hörte ihr wohl nur mit halbem Ohr zu, denn er schien sein Umfeld ebenfalls genauestens zu studieren. Auch nahm er offensichtlich ihre Aufmerksamkeit wahr, denn in diesem Moment musterte er sie unverwandt. Wissend tat sie es ihm gleich.

Als das Stück von Schubert sein Ende fand, entstand ein Tumult vor ihr. Und als sie gerade beschlossen hatte, an die frische Luft zu gehen, stand er unerwartet vor ihr.

»Darf ich um den nächsten Tanz bitten, Lady Lawson?«

»Selbstverständlich.«

Sie würde ihm nicht den Triumph gönnen, dass er sie tatsächlich überrascht hatte. Mechanisch bejahte sie also und legte ihre Hand in die seine.

Ein Stück von Strauss wurde angespielt, zu welchem man erneut einen etwas langsameren Walzer tanzte. Jolyne hörte, wie sich ein Spieler der Kontrabässe so sehr verspielte, dass es fast in den Ohren schmerzte. Lautlos zuckten ihre Mundwinkel, leichte Falten bildeten sich auf ihrer Stirn.

»Schweigen Sie immer so beharrlich?«

Herausfordernd ruhten seine Augen auf ihr.

»Sagen wir, ich äußere mich, wenn es von Bedeutung ist.«

»Sie meinen, wie neulich bei Ihrem Spaziergang mit Ihrer Mutter und Lady Cecily?«

Es war ein Seitenhieb, dessen war er sich bewusst. Und manch einer hätte es als anstandslos bezeichnet.

»Pardon.«

Perplex starrte sie ihn an, womit er nun ihre volle Aufmerksamkeit gewonnen hatte.

»Nun … Sie schienen unverhohlen zu spotten.«

Sie spürte, wie ihr die Hitze in den Kopf stieg, ihre Fassade zu bröckeln drohte. Rasch dämmerte ihr, dass er sie an jenem sonnigen Nachmittag beobachtet haben musste. Nur allein die Wut über seine Unverfrorenheit ließ sie schnellstens wieder die nötige Contenance zurückgewinnen.

»Capt'n Coldwell, sind Sie immer so indiskret?«

Ohne Zweifel entlockte ihm das ein amüsiertes Schmunzeln, was sie nur noch mehr zu verärgern schien. Er konnte ihr ansehen, dass sie innerlich tobte. Doch augenblicklich veränderte sich unverkennbar ihr Gesichtsausdruck, und beinahe wirkte sie verletzlich, was ihn irritierte.

»Verzeihen Sie, Lady Lawson«, meinte er es aufrichtig, »ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten.«

»Dann tun Sie es nicht.«

Ihre Stimme klang unterkühlt und distanziert.

Unwiderleglich hatte diese kurze Konversation beide zum Schweigen gebracht. Zuweilen sahen sie einander an, lasen die unterschiedlichsten Emotionen.

Obgleich sie sich zu jeder Zeit durch ihr undurchsichtiges Auftreten in Sicherheit wägte, so fühlte sie sich jetzt, als hätte er sie völlig bloßgestellt. Und obwohl sich ihre Abneigung ihm gegenüber nur verstärkt hatte, so wollte sie doch nicht, dass er falsch von ihr dachte.

Wenn dieser Mann eine solche Dreistigkeit an den Tag legen konnte, so war er schlussendlich vielleicht auch so tolerant, ihr die Möglichkeit zu geben, Stellung zu beziehen.

»Es geht Sie nicht das Geringste an, Sir Coldwell. Doch seien Sie sich gewiss, dass Sie ein vollkommen inkorrektes Bild von mir haben.«

»Das vermute ich auch.«

Er musste gestehen, dass sie wohl scharfsinniger war, als er anfänglich angenommen hatte.

Unbeirrt fuhr sie fort.

»Ich halte es für sinnfrei, über andere herzuziehen. Auch wenn es der liebste Zeitvertreib meiner Zeitgenossinnen ist, so teile ich ihn nicht. Und wenn ich über etwas spotte, so ist es über genau dies und über die Oberflächlichkeit, mit der die Gesellschaft durch ihr Leben geht.«

Er dachte ernsthaft über ihre Worte nach und stellte mit Erstaunen fest, dass sie für ihr zartes Alter eine klare Meinung vertrat. Wieder versanken sie in einvernehmliche Stille.

Nachdem sie sich wieder gesammelt hatte, wollte sie schließlich sichergehen, ihm mit erhobenem Haupt wieder gegenübertreten zu können, sollten sich ihre Wege unverhofft ein zweites Mal im Leben kreuzen. Abgesehen von diesem kurzen Aufenthalt dieser Tage. Keinesfalls sollte er sie als schwächliches Ding in Erinnerung behalten.

»Aber sagen Sie, Capt'n Coldwell: Tragen Sie zu jeder Zeit einen solch unkonventionellen Bart?«

Verschlagen funkelte sie ihn an, und einen kurzen Moment zweifelte er daran, dass sie soeben ehrlich gewesen war und ob sie es ihm nicht doch mit einem tiefsinnigen Schauspiel lediglich heimzahlen wollte.

»Nun, ich vermute, diesen Hohn habe ich verdient.«

In diesem Augenblick erklangen die letzten Akkorde des Stückes.

»Guten Tag, Sir Coldwell.«

Er erwiderte mit einem ehrlichen Nicken, und so ließ sie ihn auf der Tanzfläche zurück.

* * *

Versonnen schweiften ihre Augen über die großzügige Gartenanlage. Lady Margaret und Cecily absolvierten wie üblich ihren Nachmittagsspaziergang. Jolyne war erleichtert, dass sie sich davor drücken konnte, indem sie ihrer Mutter mitteilte, sie arbeite an einem Gemälde.

Seit einigen Stunden schon saß sie an der Leinwand, welche mit nassen Ölfarben behaftet war. Die gemalte steile Klippenlandschaft lud sie – wie so oft in letzter Zeit – zum Träumen ein. Mit geschlossenen Lidern genoss sie die Sonnenstrahlen auf ihrer feinen Haut.

Weit entfernt hörte man durch das offene Fenster eine Möwe kreischen, die sich wohl auf den Weg zur nicht weit entfernten Küste machte. Wie es sein mochte, den Tag so zu gestalten, wie man es gernhatte? Den halben Tag auf dem Liffey River im größten Trubel Dublins, die andere Hälfte am Strand und auf Sandbänken. Nicht zum ersten Mal beneidete sie die Möwen.

Ihre geheime Leidenschaft war tatsächlich das Malen. Farben, die sich bereitwillig zu einer Harmonie verstreichen ließen und sich zu Kunstwerken entwickelten. Geistesabwesend vermischte sie die Töne des Meeres mit weißen Nuancen, ehe Bewegung in ihr Umfeld kam und sie ihre Aufmerksamkeit dem Eingangstor zuwandte.

Restlos entgeistert musste sie feststellen, dass Charles mit dem Capt'n das Grundstück betrat. Ein Grund mehr, sich für den restlichen Tag in ihrem Zimmer aufzuhalten. Jetzt konnte sie nur noch von zehn an rückwärts zählen, dann würde es an ihrer Tür klopfen, und Charlotte würde das Zimmer betreten.

»Lady Lawson?«

Wie sollte es auch anders sein?

»Ich habe es bereits mitbekommen, Charlotte, danke. Ich gedenke, hier zu bleiben, ich fühle mich nicht wohl. Ob du mich bei Mutter entschuldigen würdest?«

»Sehr wohl, Lady Lawson.«

Mit einem aufmunternden Lächeln nickte das Zimmermädchen und verließ lautlos den Raum.

Nun war es lediglich eine Sache von Minuten, ehe sie persönlich von Lady Margaret aufgesucht wurde.

Es half ja doch nichts.

Eine gute Stunde später trafen sich alle im Teesalon und platzierten sich in selbiger Formation wie bei der zuletzt eingenommenen Teezeit. Jolyne empfand es als erdrückend, dem Captain erneut gegenüberzutreten, lag ihre unschöne Unterhaltung erst wenige Tage zurück.

Ihm schien es ebenso zu ergehen, denn er schwieg vornehmlich und – wie hatte er es formuliert? – beharrlich. Ihr war es nur recht. Vielleicht kamen sie beide diesmal so mit unverletztem Stolz davon, obgleich ihr ein subtiler Kommentar über seine Schweigsamkeit auf der Zunge lag und sie sich kaum zurückzuhalten vermochte.

In ebendiesem Moment betrat ein aufgewühlter Howes den Salon und bat in brüchiger Stimme Lord Edmund zu sich. Es fand ein kurzer und prägnanter Wortaustausch statt.

Und dann wandte sich Edmund mit bedauerndem Blick seiner Familie zu. Traurigkeit spiegelte sich darin wider.

Abrupt erhob sich Jolyne und fand raschen Schrittes zu ihm.

»Was ist geschehen?«

»Mein Liebling«, er strich ihr vorsichtig eine Strähne hinters Ohr, »ich werde für eine Weile fort sein. Zwei Konstablers sind hier. Sie werden mich mitnehmen.«

»Wie? Ich verstehe nicht.«

Völlig aufgelöst schüttelte Jolyne den Kopf. Sie konnte nicht fassen, was er soeben von sich gegeben hatte.

Inzwischen standen alle anderen ebenfalls um ihn herum.

Mit aufrechter Haltung teilte er seiner Familie die herannahende Tragik mit.

»Ich habe mich strafbar gemacht. Sie werden mich in den nächsten Minuten verhaften und abführen.«

Ein lautloses Schluchzen suchte sich seinen Weg, und Jolyne war nicht fähig, die übliche Haltung zu wahren. Alles in jenem Moment erschien ihr surreal. Unwirklich.

Wie konnte das passieren?

Ihr Vater?

Hatte sie noch vor wenigen Tagen einen neuen Menschen in ihm kennengelernt, so schien nun jede weitere Gelegenheit nichtig, ihn noch tiefer ins Herz zu schließen. Er würde sie verlassen.

Mit Würde betrat er die Vorhalle, in der zwei uniformierte Beamte auf ihn warteten.

»Lord Edmund Lawson, Duke of Chatterley?«

»Der bin ich.«

Ohne Zögern schritt er auf die beiden zu.

»Lord Lawson. Wir sind hier, um Sie zu verhaften.«

Kein Widerstand.

Völlige Einsicht.

Was war da geschehen?

»Vater?«

Jolyne ließ sich nicht von ihrer Mutter zurückhalten und stürmte verzweifelt auf ihn zu.

»Wann werden wir uns wiedersehen?«

»Ich weiß es nicht, mein Kind. Sei stark. Es wird nun nicht leicht sein für dich und deine Familie. Es werden Dinge ans Licht kommen, die euch fassungslos machen werden. Aber glaube mir, ich hatte meine Gründe. Und ich bin überzeugt, du wirst mich verstehen. Zu gegebener Zeit wird sich alles klären, und du wirst verstehen.«

»Aber …«

Ihr fehlten die Worte. Lediglich ein Gefühl von Panik bahnte sich seinen Weg nach oben.

»Sir.«

Der ältere Konstabler forderte ihn ein zweites Mal auf, ihnen nun zu folgen.

»Lebe wohl, Liebes.«

Voller Zuneigung schenkte Sir Edmund seiner Tochter ein trauriges Lächeln, ehe er sich umwandte und das Gebäude verließ.

Sie wusste es nicht. Doch sollte es der letzte Tag in Jolynes Leben sein, an dem sie ihren Vater gesehen hatte!

1

Jolyne

Dublin, 24. März 1879

»Es steht nicht zur Debatte, Kind! Onkel Charles und ich haben uns geeinigt.«

Wild fuchtelte meine Mutter mit den Händen und versuchte aufrechten Ganges ihre Autorität kundzutun.

»Ich denke nicht daran. Womit habe ich das verdient?«

Wie unglaublich fragil mein Leben doch war. Vor wenigen Tagen noch hatte mich lediglich die Anwesenheit des Schiffsmannes beunruhigt. Jetzt stand ich vor einer Tragödie.

Mein Vater, vollkommen unerwartet, abgeführt von zwei Konstablers. Und wie sich nun nach und nach durch Berichte aus Zeitungen herauskristallisierte, betrachtete man das Haus Lawson nur noch voller Missachtung und Geringschätzung.

Man nahm uns völlig auseinander. So gut wie jedes Magazin schmückte seine Titelseite mit dem Skandal. Es trug sich über die Grenzen Dublins hinaus, dass Sir Edmund Lawson einer geheimen Bewegung irischer Widerständler angehörte.

Wäre da nicht meine Sorge um Vater gewesen, so hätte ich mich eingehender mit den vorgebrachten Anschuldigungen auseinandergesetzt. Doch politisch gab ich mich nie sonderlich versiert. Und so nahm ich zu Beginn an, dass hier viel Wind um nichts gemacht wurde. Von ernsthaften Schwierigkeiten war in meinen Augen gar nicht die Rede.

»Kindchen, womit habe ich das verdient?«

Untrüglich kämpfte nun auch Lady Margaret mit aufkeimender Hysterie.

»Wir haben keine andere Wahl, Jolyne«, schaltete sich nun auch Onkel Charles ein. »Dein Vater hat der Familie nichts als einen Schuldenberg hinterlassen.«

»Ausgeschlossen. Wir haben doch noch die Aussteuer.«

Empört wandte ich mich ab. Ich war des Anblicks meiner Mama überdrüssig, die sich in Selbstmitleid suhlte.

»Es gibt keine Aussteuer, Jolyne, verstehst du denn nicht?« Charles' Stimme nahm jetzt eine alarmierende Tonlage an, was mich aufhorchen ließ. »Ihr seid völlig mittellos!«

Erzürnt legte ich die Stirn in Falten.

»Du unterstellst Vater, dass er uns in den Ruin getrieben hat? Wie kannst du es wagen, seinen Namen so in Verruf zu bringen?«

»Ich unterstelle es ihm nicht. Ich weiß es.« Erschöpft von den andauernden Diskussionen rieb er sich die Stirn. »Er hat es mir persönlich in einem Schreiben mitgeteilt.«

Fassungslos starrte ich ihn an. Das konnte unmöglich der Wahrheit entsprechen. Allmählich erkannte ich, dass es den beiden ernst war. Sie wollten mich nach Australien verschiffen. Als Gesellschafterin. Angestellte. Dienstkraft in einem reichen Haus.

Aufgestaute Wut drohte, aus mir auszubrechen. Ich war stur, und ganz gewiss besaß ich zu viel Würde, um mich derartig degradieren zu lassen. Ich stammte aus wohlgeborener Familie mit Abstammung. Sieben Generationen mit Adelsträgern.

»Niemals!« Beinahe entglitt mir die Stimme. »Ihr bekommt mich niemals auf dieses Schiff!«

Ich betonte meinen Entschluss nochmals durch eine schneidende Handbewegung und machte dann auf dem Absatz kehrt.

Auf schnellstem Wege und doch mit gelerntem Anstand suchte ich mein Zimmer auf, schloss die große Mahagonitür leise, wie immer, nur um daraufhin ein ersticktes Schluchzen von mir zu geben. Nicht gekannter Hass bahnte sich seinen Weg, und verzweifelt ließ ich einen Schrei los und fegte unkontrolliert alles vom Sekretär, vor dem ich nun stand.

Blaue Tinte ergoss sich auf dem hellen Teppich. Blätter glitten in Wellen zu Boden. Tränen liefen mir über die Wangen. Wann hatte ich zuletzt geweint? Gefühle solcher Intensität waren mir bisher unbekannt. Ich wusste weder ein noch aus, wusste nicht, wohin mit mir.

Immer mehr wurde mir klar, dass man mir keine Wahl lassen würde. Man würde mich zwingen, an Bord zu gehen und die Stelle als Gesellschafterin anzunehmen.

Ich besaß die besten Voraussetzungen, wie Mutter betont hatte. Ich wuchs mehrsprachig auf, genoss jeden Unterricht der Etikette, wies einen gesunden Ruf auf. Geradezu ideal für eine Gesellschafterin.

Gefühle von Hilflosigkeit schwappten in mir über, und ich fühlte mich einmal mehr gefangen in diesem Haus. Mit pochendem Herzen sah ich aus dem Fenster.

Geliebtes Dublin.

Geliebtes Irland.

Allein die Vorstellung, ich könnte das Land vielleicht nie wieder zu Gesicht bekommen, löste eine tiefe Traurigkeit in mir aus. Mir war nie bewusst gewesen, wie gern ich hier lebte, die Möwen beobachtete, am Strand ausritt und mich von der Landschaft für Gemälde inspirieren ließ.

Von alldem sollte ich mich verabschieden? Wochen und Monate auf diesem Handelsschiff dahinvegetieren? Und das auf Capt'n Coldwells Schiff! Oh Herrschaft, wie konnte es nur so weit kommen?

Sosehr ich mich noch offiziell weigerte, den Tatsachen ins Auge zu sehen, so wusste ich im Innern doch längst, dass ich würde kapitulieren müssen. Ich würde in Kürze ein Handelsschiff namens Glackmore beziehen und über Tausende von Meilen über die Ozeane reißen. Ob ich nun wollte oder nicht.

Schon der Gedanke, mit räudigen Schiffsmännern, Onkel Charles und nicht zuletzt Capt'n Coldwell über einen so langen Zeitraum auf engstem Raum eingesperrt zu sein, ließ mich nach Luft schnappen. Wie konnte man das überstehen?

Langsam zeichneten sich pastellfarbene Streifen am Himmel ab. Der Sonnenuntergang kündigte den Abend an. Stoisch betrachtete ich die Aussicht von den großen Fenstern des Zimmers aus. Am Horizont konnte man das Meer sichten. Dieses große Dunkel, welches mich auf einen anderen Kontinent tragen sollte. In nicht einmal zwei Tagen!

* * *

Stunden waren vergangen. Das sagte mir die pompöse Standuhr. Und ganz plötzlich kam mir mein Zuhause absolut nüchtern vor. Sämtliche Güter und Möblierungen, wie sie hier standen, hingen, lagen. Es war doch alles nichts wert. Was sagte es schon aus, ob man Perserteppiche besaß oder golden überzogene Kerzenleuchter?

Allmählich veranlasste mich meine Ausnahmesituation zum Denken und Handeln. Benommen versuchte ich, mich der Trance zu entreißen. Vorbereitungen mussten getroffen werden. Noch heute. So einiges würde ich bereinigen müssen, ehe ich Irland verließ.

Intuitiv suchte ich das Zimmer meiner Schwester auf, klopfte an, und Sekunden später öffnete sie mir. Eine völlig aufgelöste Cecily stand vor mir. Ihre Augen waren gerötet. Hastig wischte auch sie sich Tränen fort.

»Darf ich eintreten?«

»Gewiss.«

Schwungvoll öffnete sie die Türe ganz und gewährte mir damit Einlass.

»Was wird aus dir?«

Ich kam ohne Umschweife auf den Punkt. Und es war vermutlich das erste Mal seit langer Zeit, dass ich mein Interesse so offen an ihr kundtat. Schon vor vielen Jahren hatten wir uns so auseinandergelebt, dass es kaum für kurze Konversationen reichte.

Sie schüttelte nur den Kopf und begann erneut zu weinen. Erstaunt über das eigene Mitgefühl hatte ich abermals Schwierigkeiten, meiner Emotionen Herr zu werden.

»Ich weiß es nicht. Als gute Partie gelte ich nicht mehr. Und als Gesellschafterin wird man mich im ganzen County in zehn Jahren nicht einstellen. Oh Jolyne, du hast solches Glück!«

»Du solltest mit mir reisen. In Australien findest du sicherlich eine gute Stelle.«

Die Begriffe der Arbeitswelt klangen so vollkommen ungewohnt und unbeholfen aus meinem Mund.

»Es gibt nicht genug Platz. Onkel Charles hatte schon Mühe, dich mit an Bord nehmen zu dürfen.«

Man konnte ihr die Verzweiflung regelrecht ansehen.

»Cecily. Es wird eine passable Lösung geben.«

Ich versuchte ihr Mut zu machen und gab mir redlich Mühe dabei, die verständlichen Zweifel zu verbergen.

»Du hast leicht reden.«

Verbittert verschränkte sie die Arme vor sich und lief unruhig auf und ab.

In jenem Augenblick klopfte es erneut an der Tür, und Leo trat ein.

Sein Blick verriet Bestürzung. Ich war überzeugt, sie rührte aufgrund unserer äußeren Erscheinung. Wir mussten beide ja auch ein ziemlich konfuses Bild abgeben.

»Onkel Charles hat es mir soeben mitgeteilt. Jolyne, du wirst mit ihm gehen?«

Stumm nickte ich kurz und musterte ihn dabei aufmerksam, um festzustellen, was in meinem Bruder vor sich ging. Er wirkte beherrscht, doch an der hektischen Bewegung seiner Augen, die im Raum umherirrten, war klar, dass dem nicht so war.

»Haben Sie für dich ebenfalls schon eine Perspektive ausgehandelt?« Beißender Sarkasmus schwang in meinen Worten mit.

Bedauernd schüttelte er den Kopf.

»Ich beneide dich. Du darfst auf die Glackmore«, gab er ohne Umschweife zu.

»Ich weiß.« Ich schenkte ihm ein mitfühlendes Lächeln.

Ich hätte nur allzu gern Schicksal mit ihm getauscht. Doch da ich nicht wusste, wohin seine Reise führte, und es zudem rein utopisch war, verwarf ich diesen Gedanken alsbald. Welche Zukunft bot sich einem hier als Frau noch?

Allmählich spürte ich einen sich von selbst entwickelnden Zorn auf meinen Vater. Nun ergaben auch all seine Aussagen einen Sinn. Ich hörte sie noch deutlich in meinem Kopf:

Es gilt hier, eine Portion Cleverness an den Tag zu legen. Sein Herz nicht auf der Zunge zu tragen. Bewusstes, taktisches Handeln bewahrt dich vor unüberlegten Entscheidungen. Deine Gedanken kann dir niemand verwehren, Kind. Nur handle stets mit Bedacht.

Und noch klarer erinnerte ich mich an seine letzten Worte:

Ich hatte meine Gründe. Und ich bin überzeugt, du wirst mich verstehen. Zu gegebener Zeit wird sich alles klären, und du wirst verstehen.

Welche Gründe mochte ein Vater haben, seiner Familie eine solche Tragödie zuzumuten? Wenn er sich nicht tatsächlich getäuscht hatte in seiner Überzeugung, ich würde verstehen. Denn in ebenjenem Moment war mir ganz und gar nicht nach Verständnis zumute. Und auch nicht nach Geduld, bis besagte gegebene Zeit eintreten würde.

Was immer ihn bewegt haben mochte: Ich war zweifelsohne nicht gewillt, ihm irgendeine Rechtfertigung zuzugestehen.

2

Dermot

Ich war gerade dabei, die nächste Route mit dem Zirkel abzumessen, und tat mir zusehends schwerer, mich dabei zu konzentrieren. Charles knabberte mir seit geraumer Zeit das Ohr ab, und ich war kurz davor, nachzugeben.

»Komm schon, Derry, bitte.«

Seine Stimme wurde noch eine Nuance flehentlicher.

»Charles, du weißt, ich kann deiner Bitte nicht nachkommen. Weißt du, was uns droht, wenn wir hier eine Frau an Bord bringen? Ich kann doch nicht ständig meine Mannschaft im Auge behalten. Es wäre nicht fair. Sie sehen monatelang ihre Familien nicht, wenn sie denn welche haben.«

»Ich weiß, ich weiß. Aber ich werde auf sie achtgeben. Sie wird ihre Kabine nur in meiner Begleitung verlassen dürfen.«

Jetzt redete er schon so, als wäre es bereits beschlossene Sache! Wie kam ich da nur wieder heraus? Und auch noch Lady Jolyne. Warum denn nicht wenigstens Cecily?

»Was ist mit deiner anderen Nichte?«

Einen Versuch war es wert.

»Sie würde diese Reise nicht ohne Schaden überstehen. Abgesehen davon hat sie nur ansatzweise die Ausbildung genossen, wie sie Jolyne bereits besitzt.«

Bedauernd winkte mein Freund ab.

Ausbildung also. Nun. Selbstbewusstsein besaß sie, das war nicht zu leugnen. Und Anstand behielt sie, wenn man sie nicht gerade reizte. Ich dachte an unsere letzte Unterhaltung. Sonderlich akkurat hatte ich mich ja wirklich nicht verhalten.

»Also, was ist nun?«, ließ Charles nicht locker. »Derry, tue es für mich. Als mein Freund.«

»Also wirklich. Meinst du, mit dieser Masche kriegst du mich?«

Empört über seine plumpe Überredungskunst widmete ich mich wieder Zirkel und Karte.

»Denk nur, welche Zukunft ihr hier blüht. Sie wird als Dienstmädchen in einem der niedrigsten Häuser schuften müssen. Das hat sie doch nicht verdient. Sie ist ein kluges Kind. Wenn für Cecily schon alles zu spät ist, so biete doch Jolyne wenigstens die Möglichkeit auf eine bessere Zukunft. Du suchst ohnehin schon seit Ewigkeiten nach einer passenden Gesellschafterin. Deine Mutter wird es dir danken.«

Da hatte er bedauerlicherweise recht. Meine Mutter war schon zu lange allein. Nachdem mein Vater vor drei Jahren dem Tod entschlafen war, lebte sie einsam in der großen Villa. Und die wenigen Male, die ich sie in Abständen von Monaten oder gar Jahren besuchte, reichten nicht aus.

Jetzt hatte mein Freund erreicht, was er wollte. Die gewohnten Schuldgefühle bahnten sich ihren Weg nach oben. So begann ich, ernsthaft über die Option nachzudenken.

Es würde nicht einfach werden. Monatelang auf einem Schiff, auf kleinstem Raum. Sie würde sicherlich mit Übelkeit zu kämpfen haben. Es war kein Arzt zur Stelle. Und die wenigen Kenntnisse, welche Amir, ein Besatzungsmitglied türkischer Abstammung, aufwies, waren unter Umständen nicht ausreichend.

Es gab kein fließendes Wasser. Der Hygiene war schwerlich nachzukommen. Es gab weder abwechslungsreiche Mahlzeiten noch gesellschaftlichen Zeitvertreib an Bord. Zu was für einem Menschen würde die Reise sie machen? Wäre sie dann in der Lage, sich meiner Mutter anzunehmen? Und war sie denn überhaupt dazu bereit?

»Was sagt denn die werte Lady Jolyne persönlich dazu?«, wollte ich doch noch einmal auf den Busch klopfen.

»Sie ist froh um jede Chance, die sich ihr bietet.«

Ich kannte Charles nun schon einige Jahre, und diese lebten wir auf engstem Platz. Daher ertappte ich ihn dabei, wie er seine Aussage so verpackte, dass es nicht gelogen war und dennoch nicht meine Frage beantwortete. Seine aufgesetzten Gesichtszüge verrieten mir, dass die junge Frau von der Abenteuerreise nämlich noch gar nichts wusste.

Wohl wissend zog ich die Augenbrauen hoch und musterte ihn so lange, bis er mit der Wahrheit herausrückte.

»Sie wird sich damit anfreunden.«

Gekonnt unterdrückte ich ein Schmunzeln. So selbstsicher, wie seine Nichte war, würde er sich die Zähne daran ausbeißen, sie hier an Bord zu bekommen. Und obgleich ich wusste, dass eine Eventualität bestand, sie würde tatsächlich klein beigeben, war ich doch optimistisch, dass dem nicht der Fall sein würde.

»Also, wenn du es tatsächlich schaffst, sie zu überzeugen, dann bring sie mit. Übermorgen hissen wir den blauen Peter. Also sei pünktlich zurück.«

* * *

»Capt'n Coldwell!«

Da ich mich in meiner Kajüte befand, war mir schleierhaft, wie Fin dazu kam, mich rauszuschreien. Dass er mich beim Namen rief – was eigentlich ein alarmierendes Zeichen hätte sein müssen –, entging mir vollkommen. Ich hatte mich sehr deutlich ausgedrückt, als ich meinte, ich wolle nicht gestört werden.

»Was?«

Barsch riss ich die Tür auf und fauchte den Schweden an. Mir war nun wirklich nicht danach, eine Standpauke zu halten.

Unerwartet stumm zeigte dieser nur zum Dock. Und da sah ich das Dilemma. Eine Postkutsche und ein Zweispänner hatten vor meinem Schiff gehalten. Am Steg stand Charles mit seiner Familie. Und die vielen Koffer und Truhen am Kai verrieten mir, dass ich mich in den nächsten Minuten hochgradig unbeliebt machen würde. Keiner meiner Männer war darauf vorbereitet worden.

Da ich Charles in den letzten zwei Tagen nicht zu Gesicht bekommen hatte, war ich mir sicher gewesen, wir würden wie gehabt in gewohnter Besatzung ablegen. Entnervt rieb ich mir über die Augen. Wie konnte ich so leichtsinnig gewesen sein und mich überreden lassen?

Ratlos atmete ich durch den Mund aus und schürzte die Unterlippe.

»Capt'n?«

»Ja, Fin. Sie wird mit uns reisen«, erwiderte ich auf seinen ungläubigen Blick und rieb mir dabei die Schläfe, »Ruf die Mannschaft in die Gemeinschaftskajüte. Jetzt sofort!«

Charles blickte auf das Schiff, und unsere Blicke trafen sich. Vernichtend funkelte ich ihn an. Wir wussten beide, dass diese Geschichte ein Nachspiel haben würde.

Alle Gesichter waren auf mich gerichtet und rechneten scheinbar mit einem Einlauf. Für gewöhnlich rief ich sie nicht so unvermittelt von ihrer Arbeit fort.

»Männer, wir werden die nächsten Monate Besuch haben.«

Prüfend wanderten meine Augen durch die Crew. Die Mimik einiger bewies, dass sie bereits etwas wussten. Und doch wollte ich durch mein unnachgiebiges Auftreten und meine förmliche Anrede klarmachen, dass hier keine Widerworte erwünscht waren.

»Eine Lady.«

Grummeln ging durch die Runde.

»Cherchez la femme.«

Etienne war der Erste, der klarmachte, was er davon hielt.

»Etienne, Sie werden die komplette nächste Woche abbacken! Möchte sich sonst noch jemand dazu äußern?« Ich wusste, dass der Franzose Küchenarbeiten hasste.

Stille trat ein.

Es war nun enorm von Bedeutung, wie sehr die Besatzung mich respektierte. Etwaige Folgen einer fehlenden Autorität wollte ich mir nicht ausmalen.

Wenngleich die Männer wenig Begeisterung für die Neuigkeit übrighatten, erstarb das Gemurmel, und mir galt die volle Aufmerksamkeit.

»Ich erwarte von jedem Einzelnen absolute Diskretion. Sie werden sich der Dame nicht nähern, es sei denn, Sie haben den ausdrücklichen Befehl dazu erhalten. Sollte sich jemand dieser Anweisung widersetzen, darf er sich auf die Suche machen, auf einem anderen Schiff angeheuert zu werden. Haben wir uns verstanden?«

Einvernehmliches Schweigen und gelegentliches Nicken waren mir genug Bestätigung.

»Zurück an die Arbeit! In drei Stunden legen wir ab.«

Ich wollte meiner Truppe folgen und die Kabine verlassen, als ich Charles in dem schmalen Türrahmen erblickte. Wir musterten einander, und drückendes Schweigen trat anstelle des geschäftigen Tuschelns der Männer. Minuten schienen zu vergehen, ehe sich einer von uns rührte.

»Derry. Ich ging davon aus, du meintest deine Bedingung ernst.«

Entnervt stieß ich die Luft aus der Nase und verdrehte die Augen, ehe ich ihn wieder ansah.

»Tat ich auch.«

Abgespannt rieb ich mir abermals die Schläfen. Elendes Wetter. Ich war froh, wenn wir alsbald hier fort waren. Die stetig trübe Suppe verursachte mir anhaltende Kopfschmerzen.

»Soll ich sie hierlassen?«

Ich wusste, wie viel Überwindung meinem Freund diese Frage kostete. Und ich rechnete es ihm hoch an. Doch ich stand zu meinem Wort.

»Du weißt, es wird riskant?« Ich wollte sichergehen, dass er sich bewusst war, welchen Unterfangens wir uns damit soeben annahmen.

»Das ist mir bewusst. Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, damit der Alltag weiterhin in gewohnten Bahnen verläuft. Ich habe mit Jolyne gesprochen. Sie wird sich nicht bemerkbar machen.«

»Oh, mein Freund, das wird sie. Ihre bloße Anwesenheit ist genug.«

»Das ist korrekt.«

Schuldbewusst spielte Charles mit seinem Hut in den Händen.

»Lass gut sein, Charly. Irgendwie werden wir es überstehen.«

Versöhnlich klopfte ich ihm auf die Schulter.

Mir war bewusst, dass ich soeben eine gänzlich falsche Entscheidung getroffen hatte. Und auch, dass ich sie wohl noch am selbigen Tag bereuen würde. Aber Charles war mein Freund. Er war stets für mich da gewesen und würde mir sein letztes Hemd überlassen.

Viel zu müde für diese Uhrzeit lehnte ich mich an den Türrahmen und suchte die Lawson-Familie am Kai. Charles hatte Amir und Hayden, den taubstummen Koch, abgestellt, um die Habseligkeiten seiner Nichte an Bord bringen zu lassen.

Entsetzt kam mir der Gedanke, dass die freie Kabine seit ewigen Zeiten niemand mehr betreten hatte. Ich hoffte nur, dass Charles so viel Umsicht bewiesen und zumindest den gröbsten Staub zu beseitigen gewusst hatte.

Lady Margaret tupfte sich alle heilige Zeit mit einem feinen Seidentuch über die Augen und verbarg die restliche Zeit ihr Gesicht hinter einem verschleierten Hut. Der junge Leo hingegen bekam seine Augen gar nicht mehr von meinem Schiff los. Völlige Faszination spiegelte sich in diesen wider.

Jolyne umarmte ihre Schwester. Es war ein kurioser als pittoresker Anblick, die beiden Arm in Arm zu sehen, hegten sie offensichtlich nicht die größte Zuneigung füreinander.

Nachdem sie sich von ihrer Familie verabschiedet hatte, betrat sie gemeinsam mit ihrem Onkel die Bordstelling und setzte den ersten Fuß auf mein Schiff. Noch nie bisher hatte eine Lady die Glackmore betreten, abgesehen von der Person meiner Mutter. Und dieses Bild wollte sich einfach nicht einfügen.

Sie trug ein Tournüre-Kleid in dunklem Beige und üppiger Schleppe. Ein kleiner Hut mit Federn schmückte ihren zierlichen Kopf und die strenge Steckfrisur. Eine einzelne Locke fiel wohl platziert auf ihre Schulter. Sie wirkte wie eine Porzellanpuppe.

Und da war er auch schon. Der Moment, in dem ich meine Einwilligung bedauerte. Doch nun war es zu spät. In Kürze würde sie ihren ersten Sonnenbrand bekommen, und das sorgfältig toupierte Haar würde wild aus allen Reihen tanzen.

Ihrer Ausstrahlung nach konstatierte ich absolute Haltung, welche sie undurchschaubar wirken ließ. Doch ich nahm wahr, dass sie höchst unfreiwillig zu dieser Entscheidung gefunden hatte. Kaum merklich rümpfte sie das Näschen. Ungläubig, was ich mir da eingebrockt hatte, machte ich mich entgegen ihrer Richtung auf den Weg zu meiner Kajüte.

3

Jolyne

26. März 1879

Howes hatte dafür gesorgt, dass auch die letzten Gepäckstücke nach unten getragen und auf der Postkutsche festgezurrt wurden. Mein ganzes Dasein war nun in zwei Truhen und acht Tragetaschen verstaut. Doch im Grunde es war nur ein Bruchteil dessen, was ich eigentlich besaß. Doch mehr gestattete mir Onkel Charles nicht, mitzuführen.

Nachdem mir nur noch zwei Tage die Gelegenheit geblieben war, alles Nötige zu regeln, war es kaum noch möglich gewesen, ruhigen Schlaf zu finden. Entsprechend gepolt war mein Gesamtempfinden. Ich war übellaunig und angespannt.

Ich ließ nach Charlotte rufen. Über sie hatte ich mir erstaunlicherweise die meisten Gedanken gemacht.

»Sie ließen nach mir rufen, Mylady?«

Adrett stand sie im Türrahmen, eine Hand akkurat auf der Klinke.

»Ja. Bitte tritt ein und schließe die Tür hinter dir.«

Verunsichert kam sie meiner Bitte nach.

»Charlotte, du hast gute Arbeit geleistet. Sehr gute Arbeit sogar. Ich möchte, dass es dir in Zukunft an nichts mangelt.«

Charlottes Augen wurden größer.

»Ich habe hier etwas für dich.«

Ich überreichte ihr eine kleine Schachtel, und nachdem sie diese geöffnet hatte, schnellte ihre freie Hand zu ihren Lippen. »Mylady, das kann ich unmöglich annehmen.«

»Und ob du kannst. Ich habe es mir genauestens überlegt. Die Kette müsste dreihundert Pfund wert sein, ich habe sie schätzen lassen. Mit diesem Geld wirst du dir deine Zukunft verbessern. Geh zum Händler in der Sackville Street.«

»Aber –«, setzte das Mädchen an.

»Nichts aber. Diesen Brief hier legst du vor, sollte man dir nicht glauben. Darin steht, dass die Kette ein Geschenk von mir an dich war.«

Fassungslos starrte sie mich an, unfähig irgendetwas von sich zu geben.

Ich nahm sie bei der Hand und führte sie zu meinem Bett. Darauf lag eine weitere, weitaus größere Schachtel.

»Dieses Kleid wirst du tragen, wenn du die Kette verkaufst. So kommt niemand in die Verlegenheit, dich für eine Hehlerin zu halten. Anschließend kannst du auch das Kleid verkaufen. Dies bleibt dir überlassen.«

Tränen sammelten sich in den unschuldigen Augen meiner Kammerzofe, und ich konnte mir lebhaft vorstellen, dass ich sie damit wohl ziemlich überrollte.

»Ich kann das wirklich nicht annehmen, Lady Lawson.«

»Wir wollen uns nicht darüber streiten, meine Liebe. Nun nimm dein Eigentum und bringe es auf dein Zimmer. Mit Howes habe ich gesprochen. Er wird dir den nötigen Freigang schon morgen ermöglichen.«

Jetzt ließen sich ihre Tränen nicht mehr zurückhalten.

»Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«

»Ist gut jetzt, Charlotte. Versprich mir einfach, dass du nicht dein Leben lang Dienstmädchen bleiben wirst. Tu dein Bestes, etwas daraus zu machen.«

»Ich verspreche es. Ja, ganz bestimmt.« Eifrig nickte sie, während sie sich ihre Wangen trocknete und ein zaghaftes Lächeln hervorbrachte.

Damit war ich zufrieden, und so überreichte ich ihr die verpackte Goldkette sowie mein wertvollstes Alltagskleid in der Schachtel, ehe ich sie wieder in den Dienstbotenbereich schickte.

Nachdenklich trat ich – wie so oft in den letzten Tagen – an das Fenster und sog die Umgebung in mich auf. Meine ganze Vorstellungskraft gebrauchte ich dafür, mir dieses Panorama einzuprägen, es in meine Erinnerungen zu brennen. Ich wusste schließlich nicht, ob ich jemals zurückkehren würde.

Leise klopfte jemand an.

»Herein!«

»Miss Lawson, es ist alles fertig zur Abreise.«

Der Butler ließ nicht im Mindesten erkennen, wie sehr ihn diese Sache beschäftigte. Doch war ich mir sicher, dass auch er sich Sorgen um die Zukunft machte.

»In Ordnung, ich komme sofort.«

Geschäftig lief ich zum Sekretär, nahm meine langen, beigefarbenen Handschuhe an mich und streifte sie über die Hände. Ein letztes Mal, und diesmal selbstständig, setzte ich mir den passenden Hut auf und befestigte ihn mehrfach. Ich besah mich im Spiegel, machte einen tiefen Atemzug und verließ mein Zimmer.

* * *

Das laute Geschepper der Wagenräder hallte durch die Straßen. Kopfsteinpflaster schluckte das Hufgetrappel, und ein letztes Mal nahm ich den gewohnten Geruch von Pferdemist und gebrannten Maronen wahr. Ob es so etwas auch in Australien geben würde? Gebrannte Maronen?

Stillschweigend saß mein Onkel neben mir, gegenüber Leo. Mutter hatte darauf bestanden, uns mit dem Zweispänner zu folgen. Ihr Gemüt verkrafte eine ruppige Postkutsche heute nicht, so ihre Rede.

Und heute ließ ich es mir nicht nehmen, ungewohnt schaulustig aus dem Fenster zu gucken. Ich ließ meine Augen über die hohen Gebäude im viktorianischen Stil schweifen, betrachtete den Liffey River. Gab er seit jeher ein solch tristes und trostloses Bild ab?

Unterbewusst merkte ich, dass wir nicht mehr weit vom Hafen entfernt sein konnten. Zahlreiche Möwen schwebten über uns hinweg und absolvierten akrobatische Manöver. Angestrengt schloss ich die Augen, als hätte ich den Moment des Abschieds damit hinauszögern können.

Obgleich ich kein Musterverhältnis zu meiner Familie gepflegt hatte, spürte ich in meinem Innern den starken, durchdringenden Schmerz von Verlust, der nicht mehr fern war. Natürlich. Mutter konnte unausstehlich und kühl sein. Doch sie war meine Mutter. Und ich liebte sie.

Und was Cecily anging, so überkam mich in jenem Moment ein tiefes Bedauern. Hätte ich doch mehr Anstrengungen in unsere Geschwisterliebe investiert. Schließlich würden wir, so hoffte man, gemeinsam alt werden.

Die Kutsche hielt mit einem Ruck und ließ uns schaukeln. Charles beeilte sich, auszusteigen und mir anschließend eine Hand zu reichen, um mir behilflich zu sein. Ich trug mein Reisedress. Bisher hatten große Ausflüge in meinem Leben keinen besonders wichtigen Platz eingenommen. Und nun unternahm ich – wohl bemerkt unfreiwillig – gleich eine Weltreise.

Bemüht teilnahmslos studierte ich die Szenerie um mich herum. Alles wirkte schrecklich surreal. Mein Onkel war plötzlich verschwunden, und so leistete mir Leo Beistand, so gut es ihm möglich war. Nun … Sein Schweigen trug nicht sonderlich zur Besserung meines Gemüts bei.

»Leo, ich habe furchtbare Angst.«

Wortlos sah er mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Hilflos zuckte er mit den Schultern.

»Was soll ich sagen, Joy? Du bist gescheit. Wenn du damit nicht fertigwirst …«

»Du irrst. Ich bin es nicht. Nicht in Wirklichkeit.«

»Doch, das bist du. Halte dich stets an Onkel Charles, dann brauchst du dir keine Sorgen zu machen.«

»Jolyne, mein Kind. Ich halte diesen entsetzlichen Abschied keine Minute länger aus. Sei artig, denke zu jeder Zeit daran, was du mit auf den Weg bekommen hast.«

Mutter weinte. Sie weinte.

Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich sie derart gefühlsbetont erblickte. Aus dem Impuls heraus drückte ich sie an mich. Und wenngleich sie steif wie ein Stock in meinen Armen lag, so konnte ich spüren, wie sie die Umarmung einen kleinen Moment lang erwiderte, ehe sie sich beherrscht von mir löste.

Benommen näherte sich auch Cecily. Ich versuchte ein aufmunterndes Lächeln. Es war vertrackt. Denn trotz meiner leidlichen Situation, so schien ihre Zukunft um einiges tragischer. Ihr galt all mein Mitgefühl, welches ich aufzubringen vermochte.

Überrascht stellte ich fest, dass sie einen Schritt auf mich zumachte und ihre Arme um mich legte. Sie wirkte in diesem Augenblick so zerbrechlich. Und am liebsten hätte ich sie umgehend an Bord geschleift und mitgenommen. Ich erwiderte den Druck ihrer liebevollen Geste.

»Wirst du mir schreiben?«

Ich erriet mehr, was sie in mein Ohr flüsterte.

»Natürlich. Und du mir hoffentlich auch?«

Darauf folgte lediglich ein Nicken, welches ich an meiner Wange fühlte.

»Jolyne.«

Alarmiert wandte ich mich um. Vor mir stand mein Onkel. Etwas irritiert registrierte ich, dass mein gesamtes Gepäck schon an Bord gebracht worden war und ein orientalisch aussehender Mann soeben meine letzte Tragetasche auf die Glackmore trug.

Ein kurzer Blick zeigte mir ein gepflegtes Handelsschiff in seiner besten Zeit. Der schwarze Bauch wirkte wuchtig und gab dem Gefährt etwas Majestätisches. Helle Akzente setzten sich ab. Masten und Aufbauten waren mit gepflegtem, naturbelassenem Holz verkleidet. Ich hatte schon Schiffe in beklagenswerterem Zustand zu Gesicht bekommen.

»Bist du bereit?«

Jäh wurde ich aus meinen Gedanken gerissen.

Nun … War ich bereit?

Was, wenn nicht?

Hatte ich denn eine Wahl?

Worauf sollte ich warten, was meine Lage nun noch verbessern konnte?

»Gewiss.«

Erhobenen Hauptes folgte ich ihm auf die Stelling, welche uns auf das Schiff führen sollte. Hellwach setzte ich meinen ersten Fuß auf die Dielen und atmete ein weiteres Mal tief ein und wieder aus.

Einige wenige Herren in Seemannskluft kamen an mir vorbei und achteten stur auf ihre Füße. Sie ignorierten mich – ich mochte fast sagen – penetrant. Besaßen sie keinen Anstand? So hatte ich mir meine Ankunft auf meiner vorübergehenden Bleibe nicht vorgestellt.

Schon jetzt stellte sich Enttäuschung und Panik ein. Konzentriert als distanziert musterte ich mein neues Zuhause. Fast unmerklich erschrak ich, als ich den Capt'n der Glackmore ein Stück weiter am Eingang einer Kajüte ausmachte. Als hätte ich ihn nicht gesichtet, starrte nun auch ich zu Boden.

Er lehnte vollkommen desinteressiert am Türrahmen, und ich hegte keinen Zweifel daran, dass er mich hier nicht haben wollte. Womit wir schon zu zweit waren. Eine Gemeinsamkeit, auf die wir aufbauen konnten. Und doch traf mich seine kühle Gleichgültigkeit unerwartet heftig.

Kälte schien in mich hineinzukriechen. Ich fühlte mich unglaublich allein. Um meine aufkommenden Tränen zu verbergen, begab ich mich an die Reling und hielt mich daran fest, sodass meine Knöchel weiß hervortraten.

In Selbstmitleid zerfließend beobachtete ich meine Familie dabei, wie sie auf den Zweispänner stieg und uns noch einen Augenblick des Abschieds gönnte. Und schließlich setzte sich das Gefährt in Bewegung, die Pferde zogen an, und Mutter, Cecily wie Leo winkten mir zum Lebewohl.

4

Dermot

Der Hafenkommandant winkte mir noch einen Gruß, ehe meine Männer die letzten Tampen einholten und den Fockmast in Segel setzten. Ein frischer Wind zog auf, welcher uns gerade recht kam. Zügig ließen wir Dublins Kulisse hinter uns.

Ich stand am Steuerrad auf der Brücke, ließ meine Augen prüfend über das Gewässer gleiten. Der Wellengang verriet eine turbulente Nacht, was mich unruhig werden ließ. Obgleich wir keinerlei Sympathie füreinander hegten, so tat mir die junge Lady doch leid. Sie würde schon in ihrer ersten Nacht die unbarmherzige Seite der Seefahrt kennenlernen.

Nachdenklich wandte ich mich um und musterte sie konzentriert. Sie stand unverändert seit Ablegen vom Hafen an der Reling des Hecks und starrte auf den Horizont, der ihre Heimat soeben geschluckt hatte.

Ihre Haltung strahlte Traurigkeit aus. Hängende Schultern untermalten ihre Hoffnungslosigkeit. Es wurde Zeit, dass ich mit Charles ein Hühnchen rupfte. Ich ließ Amir antraben, er sollte ihn ausfindig machen und zu mir schicken.

»Ich habe sogar die Vorhänge gewaschen«, ereiferte sich mein Freund, in der Annahme, er konnte mich damit beeindrucken.

»Hast du ihr nur im Ansatz klargemacht, was da auf sie zukommt?«

»Derry. Du weißt ebenso gut wie ich, dass sie dann garantiert keinen Fuß auf dieses Schiff gesetzt hätte. Aber du wirst sehen, sie wird alsbald dennoch erleichtert sein über die Zukunftsperspektive, die sich ihr durch diese Reise bietet.«

Verständnislos schüttelte ich den Kopf. Eine Frau hatte einfach nichts auf hoher See verloren. Dafür war sie nicht geschaffen. Und schon gar keine in Lady Lawsons Alter. Vermutlich hatte sie gerade einmal das sechzehnte Lebensjahr hinter sich. Allein der Gedanke, dass sie von so vielen rauen Seeleuten umgeben war, bereitete mir einen unruhigen Magen.

»Es war schlichtweg unvernünftig. Sieh sie dir an! Wenn sie noch länger draußen stehen bleibt, holt sie sich eine Lungenentzündung.«

Selbst mir wehte unnachgiebig der Wind um die Ohren, klaute mir fast meinen Hut. Ich nahm eine Kursänderung vor und ließ die Glackmore abfallen, sodass sie nicht mehr gegen die Windrichtung steuerte. Der St.Georges-Kanal – wie man üblicherweise das Gewässer zwischen Irland und Wales nannte – hatte noch nie zu meinen bevorzugten Routen gehört.

Starr beobachtete ich kurze Zeit später Charles mit seiner Nichte. Die aufgewühlte See übertönte die beiden, lediglich auf Gesten und deren Mimik konnte ich mir einen Reim machen. Jämmerlich verzog sie ihre Lippen zu einem Schmollen. Das Haar flog ihr wirr über das Gesicht, und der dünne Mantel glich einem Sommerhemd.

Charly nahm sie am Arm, wollte sie zum Mitkommen bewegen, doch eisern hielten ihre Hände an der Brüstung fest. Seine steile Stirnfalte deutete darauf hin, dass er keinen Widerspruch akzeptierte, und auch, dass sein Geduldsfaden nicht mehr viel auszuhalten bereit war.

Daran ließ sich ausmachen, wie angespannt auch er war. Und ich kannte in der Regel kaum jemanden, der ein solch gelassenes und tolerantes Gemüt besaß wie Charly.

Schließlich ließ sie sich wohl überzeugen. Schnellen Schrittes, und offensichtlich sehr trittsicher, machte sie sich auf den Weg zu ihrer Kajüte. Augenscheinlich hatte sie noch nicht mit Übelkeit zu kämpfen. Doch würde diese nicht allzu lange auf sich warten lassen, wenn der Lady einmal keine Sicht mehr auf den unbeweglichen Horizont möglich war.

* * *

»Capt'n. Wird die Mylady nicht mit uns zu Abend essen?«

Etienne mit seinem vorlauten Mundwerk lernte wirklich nicht dazu. Dass seine Gedanken um die Lady kreisten, machte mich zunehmend nervös.

»Nein, Etienne. Sie wird mit ihrem Onkel dinieren. Etwas, worüber du dir keine Sorgen zu machen brauchst.«

Wortlos bat ich Hayden per Handzeichen um Nachschlag.

Hayden Connor war gerade junge einundzwanzig Jahre alt. Ich hatte ihn in London aufgeschnappt. Gerade, als ich die Smiths Tavern verlassen wollte, hatte der Eigentümer ihn hochkantig rausgeschmissen. Wie ich rasch herausgefunden hatte, war Hayden damit obdachlos geworden.

Bis dato hatte ich keinen Koch beschäftigt. Jeder der Crew hatte seine Kochkünste walten lassen müssen. Aus Mitleid heraus hatte ich ihn also angeheuert. Seine erste große Reise auf der Glackmore hatte er schon hinter sich, und ich schätzte ihn sehr – als Koch wie auch menschlich.

Obgleich Hayden taubstumm zur Welt gekommen war, fehlte es ihm nicht im Mindesten an Fähigkeit. Er war weder begriffsstutzig noch faul. Im Gegenteil. Er suchte nach Beschäftigung. Stand er nicht am Herd, so brachte er sich in die Arbeiten als Decksmann mit ein. Und wenn ich seine Handsprache auch nicht gänzlich beherrschte, so machte er es doch wett durch seine gute Kombinationsgabe.

Schon des Öfteren hatten wir ausgelassen die Heiterkeit und den Humor des jeweils anderen genossen, während die Besatzung an Deck einsam ein jeder an seiner Position verweilen musste.

Mit einem kaum merklichen Schmunzeln und Augenzwinkern bedankte ich mich bei ihm und nahm den gefüllten Teller entgegen.

»Wird die Lady dich an Land begleiten?«

Mit geblähten Nasenflügeln riss ich den Kopf von meiner Mahlzeit hoch und richtete meinen Blick in die Runde.

»Noch ein Wort über die Lady und wir legen einen Tag Pause zum Deckschrubben ein. Ihr dürft Etienne auch jederzeit beim Abbacken Gesellschaft leisten, habe ich mich deutlich ausgedrückt?«

Kopfduckend schürzte Norick die Unterlippe. Ein Signal für alle, dass jetzt Ruhe vorherrschen sollte. Norick war mein ältestes Besatzungsmitglied. Er war der Erste von allen. Meine ganze Laufbahn als Capt'n hatte er mich begleitet.

Viele Dogmen, die man mich – bis zu diesem Zeitpunkt vor sechs Jahren – gelehrt hatte, hatten sich bedingt als Theoriegehabe erwiesen. Geschickt in meinem Fach, doch unwissend, unerfahren hatte ich die Glackmore erstanden.

Es war mein Glück, dass ich Rick an meiner Seite hatte. Auf ihn war Verlass. Allein dank ihm hatte ich zwei starke Wirbelstürme auf hoher See überlebt, Meutereien durch das Anheuern klug ausgewählter Männer verhindert. Und auch das Verhandeln von Frachtpreisen hatte er mir beigebracht. Geschickt leitete er mich an, machte mir klar, welche Priorität es hatte, sein Schiff zu keiner Zeit aus den Augen zu lassen und sich niemals in Sicherheit zu wiegen.

Über die wenigen Jahre hatte ich mir durch mein Können und akkurates, stets durchdachtes Handeln an Bord den Respekt des alten Mannes erworben und damit auch den der gesamten Crew. Denn nicht nur für mich war Rick eine Autorität, obgleich ich sein Brötchengeber war. Was er vertrat, hatte auch bei den anderen Gewicht.

Gesättigt und müde verließ ich die Mannschaft unter Deck und trat an die frische Luft. Schemenhaft erkannte ich Charles' Umrisse am Steuerrad. Tief atmete ich die salzige Luft ein und schloss zufrieden die Augen. Auf See fühlte ich mich schlichtweg wohler als in Gesellschaft an Land.

Schweigend begab ich mich zu meinem Freund, übernahm die Steuerung und sinnierte vor mich hin, konzentrierte mich dabei auf unsere Atemwolken. Der Wind hatte abgeflaut, der Wellengang nachgelassen, was mich insgeheim aufatmen ließ. Die Wahrscheinlichkeit, so einer hysterischen und aufgebrachten Lady gegenüberzutreten, sank damit.

»Ich danke dir, mein Freund.«

Erstaunt sah ich ihn an, überrascht von der unerwarteten Kundmachung.

»Bedanke dich erst, wenn wir sicher im Heimathafen angekommen sind.«

Mir war nicht nach Reden zumute, und doch hatte ich das Bedürfnis, ihm nochmals intensiv einzuschärfen, dass er seine Nichte keine Minute unbeaufsichtigt lassen durfte. Sie wusste sich weder auf einem Schiff zu verhalten, noch war sie sich ihrer Wirkung bewusst.

Nachdem ich in Gedanken jedoch alle Mahnreden gründlich abgewägt hatte, kam ich doch zu keinem Ergebnis. Die Unterhaltung musste bis zum nächsten Tag warten.

»Du hast Feierabend, Charly. Am besten lässt du deine Nichte nicht zu lange warten. Sie ist pünktliche Essenszeiten gewohnt.«

Ein leicht spöttisches Grinsen legte sich auf seine Lippen, ehe er mir vertraut die Hand auf die Schulter legte und die Brücke verließ.

* * *

Übermüdet und mit Kopfschmerzen wachte ich aus meinem unruhigen Schlaf auf. Ich hatte allen Ernstes einen Albtraum gehabt. Seit wann träumte ich? Das war mir nun schon seit ewigen Zeiten nicht mehr widerfahren.

Ich würde es tunlichst unterlassen, auch nur irgendwem davon zu berichten. Sogar mir selbst versuchte ich den Traum schnellstmöglich als Hirngespinst darzustellen. Dass dieser Traum von einer Lady gehandelt hatte, die durch Meuterei über Bord ging und ertrank, versuchte ich ebenso rasch zu verdrängen und zu vergessen.

Gerädert stand ich auf und trank in einem Zug meine Flasche mit Wasser aus. Wie Umstände einen doch in den Schlaf verfolgen konnten. Auch wenn ich zu stolz war und es mir nicht eingestehen wollte, so wusste ich doch insgeheim, dass mich unser neuer Gast mehr beschäftigte, als ich zuzugeben bereit war.

Allein diese Erkenntnis machte mich wütend auf mich selbst. Wiederum bereute ich die Zustimmung gegenüber Charles. Doch nun musste ich damit leben. Auch wenn ich keinen Schimmer hatte, wie ich das anstellen sollte.

»Du siehst übernächtigt aus.«

Charles hätte besser wissen müssen, dass es nicht sonderlich intelligent war, mich in diesem Zustand auf meinen Zustand anzusprechen. Er kannte mich immerhin nicht erst seit gestern.

Ich brummte ein entnervtes »Hm« und würdigte ihn keines Blickes. Da er derzeit das Kommando innehatte, verzog ich mich zu Hayden. Wie wohltuend es doch sein konnte, dass ich hier nicht angesprochen wurde.

Die Ironie war nicht zu leugnen, als der Schiffskoch durch seinen Gesichtsausdruck meine Stimmung aufhellte. Mit einem optimistischen Lächeln und hochgezogenen Augenbrauen setzte er mir mein karges Frühstück, das aus etwas Haferschleim bestand, vor die Nase. Es war fast, als wollte er mir damit sagen: ›Hier, mein Freund. Diese Mahlzeit verbessert deine schlechte Laune sicherlich, und nun nimm das Leben nicht so hart.‹

Dankend nickte ich ihm zu, ehe ich verdutzt konstatierte, dass sich der junge Mann mit an den Tisch pflanzte und scheinbar ein Gespräch führen wollte.

Zuerst gewillt, die Unterhaltung abzuwehren, entschlüsselte ich jedoch zunächst seine Handgesten. Hatte er mich soeben ernsthaft gefragt, ob ich schlecht geschlafen hatte?

Ob ich schlecht geträumt hatte? Und ob!

Verdattert über seine unbestreitbare Wahrnehmung und Assoziationsfähigkeit, wusste ich nicht, was ich darauf erwidern sollte. Doch mein Schweigen war ihm wohl genug. Zielstrebig stand er auf.

Zurück kam er mit einem kleinen Beutel. Es war eine Kräutermischung aus Hopfen und Baldrian. Er machte mir klar, dass ich diese mit heißem Wasser aufgießen und anschließend trinken sollte.

Nun konnte ich ein aufrichtiges Lächeln nicht mehr zurückhalten. Der Junge war wirklich erstaunlich. Voller Wertschätzung erhob ich mich, klopfte ihm anerkennend auf die Schulter und hielt ihm die Hand entgegen.

Mit zunehmend besserem Wohlbefinden stieg ich die Treppe der Küchenkajüte hinauf, während der Kräuterbeutel in den Tiefen meines Mantels verschwand. Und als hätte sich das Wetter über meinen Stimmungswandel gefreut, strahlte die Sonne ein kleines Stück durch die graue Wolkendecke.

Zufrieden ließ ich von der Brücke aus meinen kontrollierenden Blick über die arbeitende Besatzung schweifen. Alles hantierte auf Hochtouren. Sie setzten weitere Segel, knoteten einige Tampen neu. Rick konnte man dabei beobachten, wie er ein Segel der letzten Reise flickte.

Etwas abseits blieben meine Augen empört an der jungen Lady Lawson hängen. Was hatte sie dort alleine zu suchen? Wie einstudiert lag eine Hand auf der Reling, die andere hielt sie vor ihren Mund gepresst. Im nächsten Moment fühlte ich mich aus Anstand gedrängt, wegzusehen. Sie hatte sich also nicht umsonst an die uneinsichtige Heckseite postiert. Die Seekrankheit hatte sie eingeholt.

Ließ ich mir äußerlich nichts anmerken, so empfand ich doch Mitgefühl und beschloss, einem Gegenübertreten nicht weiter aus dem Wege zu gehen.

5

Jolyne

Abgesehen von einer leichten Grippe als Kind war es mir in meinem ganzen Leben noch nie schrecklicher ergangen als zum jetzigen Zeitpunkt. Die Übelkeit kehrte in regelmäßigen Abständen wieder.

Zu guter Letzt wusste ich mir nicht mehr zu helfen und verließ meine Kajüte. Es dauerte keine Minute, da war nicht mehr zu verhindern, dass sich mein Magen entleerte. Ich fühlte mich elendig. Angeekelt wischte ich mir mit einem Stofftuch über die Lippen.

Verstohlen suchte ich meine Umgebung ab. Wenn mich nun jemand dabei beobachtet hatte, war es gänzlich vorbei mit meinem Selbstwertgefühl. Der Einzige, den ich aus meiner Position erhaschen konnte, war ausgerechnet der Capt'n, welcher offensichtlich gerade die Brücke verlassen wollte und stattdessen Onkel Charles ans Steuerrad zitierte, wie ich hörte.

Ob er mich gesehen hatte? Der Gedanke allein verursachte mir schon wieder Übelkeit. Und abermals musste ich den Kopf über die Brüstung strecken.

Hin- und hergerissen, was ich nun tun sollte, klebten meine Augen am Horizont. Offiziell durfte ich ohne Charles nicht aus meiner Kabine. Trotz einer unruhigen See war es mir in meiner ersten Nacht möglich gewesen, in einen unruhigen, aber dennoch erholsamen Schlaf zu fallen. Der ereignisreiche Tag war daran wohl nicht unschuldig gewesen.

Doch kaum war ich dem harten Bett entstiegen und hatte mich in eines der Alltagskleider gezwängt, überrollte mich schonungslos das flaue Gefühl in meinem ohnehin schon malträtierten Magen. Seitdem war mir kein klarer Gedanke mehr möglich.

Ich spürte, dass mir die Sicht auf das weite Meer guttat. Mein Inneres beruhigte sich allmählich. Ein lauer Wind wehte mir um die Nase. Es roch salzig und frisch. Einzigartig wahrscheinlich. Nicht einmal mit der Brise an Dublins Stränden ließ sich dieser Geruch vergleichen.

Mit geschlossenen Augen reckte ich den Kopf leicht nach oben. Meine streng gesteckte Frisur machte sich, wie zu erwarten, selbstständig. Wofür hatte ich mir am heutigen Morgen über eine Stunde lang die Mühe gemacht? Ich wusste die Antwort. Und sie war gleichsam beschämend wie verständlich.

Nur weil ich auf einem Schiff verweilte, bot mir dies keinen legitimen Grund, mich gehen zu lassen. Eine Lady hatte stets anständig und nach Vorschrift der Etikette aufzutreten.

Wenngleich ich mich nicht zu den vornehmlichen Vertretern ebenjener Ordnung zählte, so ließ es doch mein Gefühl der Würde nicht zu. Ich war einem gesellschaftlichen Rang zu eigen, welcher dem Anstand und der Selbstachtung Tribut zollte.

»Guten Tag, Lady Lawson.«

Bestürzt schreckte ich zusammen. Damit hatte ich nicht gerechnet. Direkt neben mir stand Capt'n Coldwell, und ich hatte ihn nicht im Mindesten bemerkt.

Mit geröteten Wangen und wild schlagendem Herzen wandte ich mich ihm zu. »Guten Tag, Capt'n Coldwell.«

Schweigen breitete sich über uns aus.

Geschwind arbeitete sich mein Kopf einen passenden Kommentar zurecht, der die seltsame Stimmung beseitigen sollte. Der Mann musste nicht wissen, wie schlecht es mir erging.

»Ich möchte Ihnen danken, dass Sie mich auf Ihrem Schiff so herzlich aufgenommen haben. Es entspricht sicher nicht Ihren Prinzipien, eine Lady über den Ozean zu schiffen.«

Erst als ich meinen Satz beendet hatte, fiel mir auf, dass man diese Aussage auch sarkastisch interpretieren konnte. Und diesmal hatte es nicht in meiner Absicht gelegen.

Fast unmerklich zog Sir Coldwell die rechte Augenbraue hoch, doch erwiderte er nichts darauf.

»Nun … Ich dachte, Sie könnten das hier gut gebrauchen.«

Er überreichte mir einen kleinen Beutel. Ich öffnete ihn und fand Ingwer darin.

Mein fragender Blick war ihm nicht entgangen, denn er setzte zu einer Erklärung an.

»Wenn Sie ihn in Stücke schneiden und kauen, vergeht die Übelkeit.«

Waren meine Wangen eben noch etwas gerötet, so musste ich nun mit hochrotem Gesicht vor ihm stehen. Ich spürte in Sekundenschnelle, wie mir die Hitze in den Kopf schoss. Er hatte mit ziemlicher Sicherheit mitbekommen, wie sehr ich mit mir kämpfen musste. Wie überaus unangenehm!

Ungeachtet dessen, dass mir zum Überbordspringen zumute war, bewahrte ich die Contenance und sah ihn geradeheraus an.

»Ich danke Ihnen. Das ist sehr aufmerksam.«

Zögerlich nickte er, ehe er sich umwandte zu gehen. Zwei Schritte später hatte er es sich wohl auch schon anders überlegt.

»Was Ihre Anwesenheit betrifft: Es spricht tatsächlich gegen meine Überzeugungen. Aber da ich der Meinung bin, dass Sie Dame eines Standes sind, die meiner Mutter gerecht wird, habe ich mich von Ihrem Onkel überreden lassen.«

Hatte er das gerade wirklich gesagt?

»Pardon?«

Entrüstet bildeten sich Zornfalten auf meiner Stirn. Wie konnte er es wagen, mich wie Ware bei seiner Mutter anzupreisen? War er tatsächlich der Meinung, ich wäre eine passende Partie für ihn? Verstand ich das richtig?

Stutzig legte er den Kopf leicht schräg und versuchte dann der Irritation Abhilfe zu schaffen. »Nun … Sagen wir, meine Mutter ist eine sehr selbstbewusste Person. Sie braucht jemanden an ihrer Seite, der ihr intellektuell die Stirn bieten kann.«

Meine Verwirrung wuchs mit jedem Moment.

»Ich verstehe nicht. Sir?«

Allmählich braute sich Wut in mir zusammen. Er hatte vor, seine Zukünftige wie ein Souvenir bei seiner Mutter abzustellen? Welche wohlgemerkt nicht ich sein würde. Mein Jawort hätte ich diesem Mann in hundert Jahren nicht gegeben.

Plötzlich verwandelte sich der Blick des Mannes, der mir gegenüberstand, als hätte er die Erleuchtung des Jahrhunderts erlangt. Verständnis trat anstelle der Verblüffung.

»Sie wissen es gar nicht.«

»Was weiß ich nicht? Sir. Hätten Sie die Güte, mir mitzuteilen, worum es geht?«

Ernüchtert starrte er mich an. Und wissend. Für diesen Ausdruck hätte ich ihn am liebsten angeschrien. Es schien ihm eine Genugtuung zu bieten, mich so kenntnisarm vor sich stehen zu haben.

»Die Stelle als Gesellschafterin, die Sie besetzen werden, wird im Hause meiner Mutter sein. Sie lebt seit drei Jahren allein auf dem Anwesen.«

Blankes Entsetzen machte sich in mir breit. Das konnte kaum sein Ernst sein!

Wie recht er hatte. Ich wusste es nicht. Wäre ich dieses Wissens mächtig gewesen, so hätte ich mich lieber in den Stand einer Kammerzofe begeben, als jetzt hier zu stehen. Wie sollte ich denn jemals die Chance auf bessere Zukunftsperspektiven erhalten, wenn Capt'n Coldwell nun die Gewalt über mein Schicksal innehatte?

»Ich denke, ich werde ein Gespräch mit meinem Onkel ersuchen.«

Meine Augen suchten jähzornig nach Ablenkung, starrten

Imprint

Publisher: Zeilenfluss

Text: Jil Hasley
Cover: Grit Bomhauer
Proofreading: Dr. Andreas Fischer
Layout: Zeilenfluss
Publication Date: 06-15-2023
ISBN: 978-3-96714-352-2

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