ROBERT McCAIG
Der Schattenmacher
Roman
Apex Western, Band 39
Apex-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
DER SCHATTENMACHER
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebtes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel
Dreizehntes Kapitel
Vierzehntes Kapitel
Fünfzehntes Kapitel
Das Buch
Der Berufsfotograf Jason Hand wollte Szenen aus dem Wilden Westen und die letzten Büffelherden auf die Platte bannen - doch da wird er zufällig Zeuge eines Raubüberfalls auf die Northern-Pacific-Bahn. Es knipst, was die Kamera hergibt.
Sehr gefährliche Bilder, wie sich bald herausstellt...
Robert McCaig (* 1804; † 1982) war ein US-amerikanischer Western-Autor. Der für das Western-Genre ausgesprochen ungewöhnliche Roman Der Schattenmacher erschien erstmal im Jahre 1970; eine deutsche Erstveröffentlichung folgte im gleichen Jahr.
Der Schattenmacher erscheint als durchgesehene Neuausgabe in der Reihe APEX WESTERN.
DER SCHATTENMACHER
Erstes Kapitel
Es war heiß, eine der Jahreszeit nicht entsprechende Hitze, die im Vorfrühling manchmal über die Prärie kommt. Ich lehnte halb im Schlaf am rechten Rand des Planwagenbocks, die Zügel lose in der Hand. Das Maultier Americus bestimmte sein eigenes Tempo auf der Straße, zufrieden damit, dass ich es nicht antrieb. Americus wirkte zynisch und klug, so als nahm er die ungerechte Bürde seiner Gattung gelassen hin. Er brauchte auf unserem Weg nach Westen nicht gelenkt zu werden, denn es gab nur eine einzige Straße durch die endlose Prärie.
Die Hitze und die Eintönigkeit schläferten mich ein. Außerdem hatte ich die Nacht vorher in North Heart, der kleinen Eisenbahnstadt hinter mir im Osten, nur wenig Schlaf gefunden. Die Uhr hatte drei am Morgen angezeigt, bis ich den Vorarbeiter der Eisenbahn, den Rancher und den Mietstallbesitzer davon überzeugen konnte, dass ein Wanderfotograf beim Pokern mehr als nur mitzuhalten vermochte. Die Zeit war nicht vergeudet gewesen, denn ich war um zweihundertzwanzig Dollar reicher als beim Abendessen in mein Bett gekrochen. Trotzdem, die Dämmerung war schnell gekommen.
Ich fühlte mich ganz wohl, abgesehen von leichten Schmerzen in meinem lädierten Knie, einer Taubheit am Gesäß vom langen Sitzen und einem Jucken zwischen den Schulterblättern. Als die Sonne höher stieg und wir langsam eine Meile um die andere zurücklegten, fand ich die Wärme nach den kalten, windigen Tagen in den Dakotas angenehm. Heute war der Wind frisch und sauber, und er roch nach Staub, Erde und frischem Gras. Rings um uns wiederholten die Wiesenstärlinge ihr Lied aus sechs Noten unablässig, aber fröhlich. Hoch an einem saphirblauen Himmel zog ein Falke auf der Jagd seine weiten Kreise.
Der Planwagen war stabil genug, wenn er auch schon bessere Zeiten gesehen hatte. Im Osten nannte man so etwas Postbuggy oder Paketkarren, aber die Leute hier bezeichnen es als Ambulanz, obwohl dieses Fahrzeug für gewöhnlich zweispännig gefahren wird. Der Wagen war wettergeschützt durch Segeltuch, das straff um einen gebogenen Holzrahmen gespannt war, und eine Blende wölbte sich nach vorn, um den Fahrersitz zu schützen. Das Segeltuch an meinem Wagen war an einigen Stellen zerrissen, der Firnis stumpf und vergilbt. Die Farbe an Rädern und Rahmen war stellenweise ganz geschwunden, das Holz grau verwittert.
Bevor ich Bismarck verlassen hatte, hatte ich den Namen des früheren Besitzers mit Ruß und Terpentin übermalt. Die verschnörkelten Goldbuchstaben Fotograf waren unberührt geblieben. Sobald ich mich in Montana oder Idaho niedergelassen hatte, wollte ich den Wagen neu streichen lassen. An den Seitenwänden sollte in Goldbuchstaben mein Name erstehen: Jason Hand statt des W. Fred Mayes, das noch durch Ruß und eine dichte Schicht Präriestaub schimmerte.
Ich dachte an Fred Mayes, der wirklich ein Künstler mit der Kamera gewesen war und mir trotzdem für Geld zum Trinken seinen Fotoapparat, die guten Dallmeyerobjektive, die Stereoausrüstung, Wagen und Maultier verkauft hatte. Wenn mir der Mann nicht leidgetan hätte, wäre es mir sogar möglich gewesen, seinen niedrigen Preis noch zu drücken.
Selbst wenn das glückliche Zusammentreffen mit Fred Mayes nicht stattgefunden hätte, wäre ich nach Westen unterwegs gewesen. Ich erkannte deutlich, wie sehr ich die Weite des Westens in den vergangenen drei Jahren vermisst hatte. Als ich aus den Bergen nach New York gekommen war, hatte es Spaß gemacht, in den großen Ateliers von Männern wie Kurtz, Sarony und Mora zu arbeiten. Sie hatten mir viel beigebracht, aber mit der Zeit wurde es mir langweilig in den pompösen Ateliers mit ihren Rokokokulissen. Das Gedränge und der Gestank der Großstadt wurden mir zuwider, und schließlich konnte ich es nicht mehr aushalten.
Jetzt verblassten die Städte und ihre Menschen vor dem weiten Land und dem grenzenlosen Himmel. Ich spürte, wie mich Friede erfasste, ein seltsames Gefühl, denn niemand wusste besser als ich, wie roh und brutal dieses Grenzland sein konnte. Vielleicht verstand ich diese Gegend besser. Jedenfalls galt mein Bedauern allein Linnet Saylor, die so schön und so süß war, so beschränkt und eigensüchtig, so konventionell, so erschreckt von den Briefen ihres Onkels, eines Ranchers, in denen von Blut und Töten so oft die Rede war. Ich ärgerte mich, als ich an sie dachte, und am liebsten wäre ich umgekehrt und die zweitausend Meilen zurückgefahren, um bei ihr zu sein. Natürlich tat ich es nicht, aber es kostete mich große Mühe.
Ein ganz gewöhnlicher Streit hatte zum Bruch geführt, nachdem Linnet mir ihre Meinung über den Westen und mich unverhüllt mitgeteilt hatte. Ich war gegangen und hatte am nächsten Morgen bei der Bank meine Ersparnisse abgehoben, Linnet einen großen Strauß Rosen geschickt und den nächsten Zug nach Chicago bestiegen. Ich war mir so leer wie eine ausgetrunkene Flasche Wein und so verloren wie ein herrenloser Hund vorgekommen. Ich hatte die Prärie rufen hören, und da Linnet keinen Sirenengesang hören ließ, war ich mit der Central-Eisen- bahn nach Chicago gefahren.
Um etwas Geld zu verdienen, arbeitete ich einen Monat lang in Chicago und hoffte die ganze Zeit auf ein gutes Wort von Linnet. Ich arbeitete zuerst für Hesler, dann für Blair. Eines Abends betrank ich mich in einer Kneipe, lernte jemand kennen und führ mit der Northern Pacific nach Bismarck. In Fargo blieb mein Bekannter zurück, aber ich stieg nicht aus, weil ich inzwischen nüchtern geworden war. In Bismarck traf ich zufällig Fred Mayes. Ich griff in meine schrumpfende Börse, und jetzt waren Americus und ich unterwegs nach Westen.
Ich befand mich knapp hinter der Grenze von Montana. Americus trabte gemächlich weiter nach Westen und zog den leichten Wagen mit mir, den Regalen und Fächern mit meinen Kameras, Kopierrahmen, Objektiven, Chemikalien und den Kästen mit Mr. Eastmans Trockenplatten. Außerdem hatte ich einen ordentlichen Vorrat an Glasplatten, für den Fall, dass ich, um zu sparen, zum Feuchtverfahren zurückkehren musste.
Im Augenblick war das Wichtigste ein fester Wohnsitz mit genügend zahlenden Kunden, damit ich mir meinen Unterhalt verdienen konnte. Mein großes Programm für Landschaftsansichten und populäre Stereoserien war ein Plan für die Zukunft. Ich war sicher, dass meine Ideen Erfolg haben würden, aber mein Geld würde nicht reichen, bis es soweit war. Ich brauchte Porträtaufnahmen und Gruppenbilder und Babyfotos, alltägliche Aufträge, damit ich mich ernähren konnte, bis ich ins große Geschäft kam.
Ich zog an den Zügeln, und Americus wurde ein bisschen schneller. Vor uns am Horizont zeigten sich ein paar Weiden und ein Hügel. Als wir die Bäume erreichten, entdeckte ich, dass sie an einem kleinen Bach standen, der voll dahinströmte, das Wasser kakaobraun vom Schlick. Der dahingurgelnde Strom würde im Sommer zu einer Reihe kleiner Pfützen vertrocknen, gerade tief genug für Frosch, Elritze und Wasserschlange.
Dort, wo die Straße zur Furt hinabführte, waren die grasbewachsenen Ufer plattgewalzt, so dass sie aus nacktem Kies bestanden. Die Wagenräder knirschten auf den Steinen, die Eisenreifen schlugen Funken aus ihnen. Ich hielt Americus am Ufer an. Er senkte das Maul zum wirbelnden Wasser hinab und trank lange. Er hob den Kopf und verspritzte Tropfen, die wie Diamanten funkelten. Er schaute sich nach mir um, nickte und trank wieder. Als er genug hatte, trieb ich ihn in die Furt. Die Gewalt der Strömung an den Radspeichen erstaunte mich. Americus brummte vor Anstrengung, als er den Wagen das steile Ufer gegenüber hinaufzerrte.
Als wir den Fluss sicher hinter uns hatten, schaute ich mit zusammengekniffenen Augen zur Sonne hinauf. Ihr Stand stimmte mit dem Knurren in meiner Magengegend überein; es war Mittag. Obwohl sich die Fahrspur unten am Hügel herumschwang, lenkte ich das Maultier von der Straße weg und den Hang hinauf, weil mich die flache Gegend langweilte. Wir erreichten die Kuppe und hielten, beide von der bescheidenen Höhe erfreut. Ich schob die Zügel durch das Ankergewicht und ließ es fallen, um zu verhindern, dass Americus sich selbständig machte.
Ich reckte mich mächtig, um die von der langen Fahrt steif gewordenen Muskeln geschmeidiger zu machen. Ich bewegte mein kaputtes Knie und versuchte es mit ein bisschen Massage. Americus holte sich sein Mittagessen an den vereinzelten Büscheln von Büffelgras. Ich zog ein in Zeitungspapier gewickeltes Bündel unter dem Sitz hervor und holte die Brote heraus, die mir der Koch in North Heart gemacht hatte. Es war grobes Brot und zähes Rindfleisch, aber die Rinder waren mit Gras gefüttert, das Fleisch schmeckte, und das Brot, mit selbstgemachter Butter bestrichen, war würzig. Ich hatte ein kräftiges Gebiss, der Appetit war mehr als ausreichend, und so aß ich mit Behagen und spülte die Bissen mit dem Nass aus meinem kleinen Wasserfläschchen hinunter.
Dabei betrachtete ich von meinem Platz aus die Gegend. Im Süden erstreckte sich der Gleiskörper der Northern Pacific von Osten nach Westen, eine halbverheilte Narbe, die Horizont mit Horizont verband. Die Schienen kräuselten sich im flirrenden Licht wie Wellen. Mein Weg hatte die Eisenbahnstrecke den ganzen Vormittag gekreuzt und berührt. Der kleine Fluss, durch den ich gekommen war, zog sich um den Hügel herum nach Süden. Die Eisenbahnstrecke überspannte den Fluss auf einer Holzbrücke. Dann verlief das Gleis schnurgerade bis zum westlichen Horizont. Etwa hundert Meter nach dem westlichen Ende der Brücke stand ein kleines Depotgebäude, und der schmale Mast eines Semaphors markierte das Rangiergleis. Im Norden versuchte ich den Verlauf der Wagenspur jenseits des Hügels zu verfolgen, aber die Eisenbahn hatte den Wagenverkehr so stark vermindert, dass die ausgefahrenen Spuren überwachsen waren.
Ich räumte den Rest meiner Mahlzeit weg und legte das Päckchen unter den Sitz, drehte den Hahn an meinem Wasserfass fest zu, sprang hinunter und holte das Ankergewicht. Als mich Americus zynisch anblickte, blinzelte ich ihm zu.
Ich beschattete die Augen mit der Hand und schaute auf das endlose Grasland hinaus. Weit im Süden glaubte ich Berge zu erkennen. Das mussten die Schwarzen Berge sein, nah der Grenze von Wyoming. Um die Rockies konnte es sich nicht handeln; ich würde noch viele Meilen nach Westen fahren müssen, bevor ich die ersten hohen Gipfel sah.
Im Nordwesten entdeckte ich eine dünne Staubwolke, die sich in die Luft erhob und zerstob. Es war keine Windhose; die Erscheinung schien von Menschen herzurühren. Jeder, der diese Straße benutzte, musste schließlich auf mich stoßen. Aber ich interessierte mich mehr für etwas Weißschimmerndes im Gras. Ich humpelte hinunter und stieß das alte Gras auseinander.
Ein Schädel lag dort. Er war grau-weiß verwittert, aber die kurzen, gebogenen Hörner waren noch fast schwarz. Der Schädel eines Büffels, des Großen Amerikanischen Bisons. Vor dreißig Jahren hatten sechzig Millionen davon die Erde erbeben lassen, jetzt, 1884, waren sie ausgerottet. Es mochte in entlegenen, unzugänglichen Gebieten noch vereinzelte wilde Herden geben, aber selbst das war nur ein Gerücht. Wo diese Höckerbisons, das Vieh der Indianer, umhergestreift waren, fraßen jetzt die Langhornrinder aus Texas das Büffelgras.
Erregung erfasste mich, als ich in der Mulde noch mehr Gebeine entdeckte: Rippen, Schenkelknochen, Schädel und Wirbelknochen. Ich hastete zum Wagen und lud die Stereokamera, ein Stativ und einen Plattenkasten aus. Ich stellte das Stativ gerade und befestigte die Stereografbox.
Ich hatte einen Stand entdeckt, wo ein Büffeljäger eine ganze Reihe von Tieren erlegt hatte. Er musste hier in Deckung gewartet haben, regungslos, bis die Herde herangekommen war. Dann hatte seine große Sharps gedröhnt und immer wieder gedröhnt und eines der verständnislosen Ungetüme nach dem anderen erlegt. Endlich hatte die Herde den Tod wahrgenommen und war angstvoll davongedonnert; sie hatte die massigen Kadaver zurückgelassen, und die Skinner kamen, zogen ihnen die Felle ab und verluden sie in Planwagen. Von dem Fleischberg nahmen sie sich nur die ausgesucht saftigen Zungen zum Abendessen oder Höcker oder Streifen frischer Leber. Das übrige verfaulte, wo es lag. Nahrung für Wolf, Kojoten und Elster, und dann blieben nur noch Haufen gebleichter Knochen in der Mulde zurück.
Ich nahm die Dallmeyerobjektive aus ihrem Lederbeutel und schraubte sie auf den Stereografkasten. Ich legte das schwarze Tuch über den Kasten und betrachtete das auf den Kopf gestellte Bild auf dem geschliffenen Glas. Ich sah den herrlichen Himmel, die weite Prärie, aber nur wenig verriet auf dem Glas, was an dem Tag geschehen war, als die Büffel hatten sterben müssen. Amerika wollte gekitzelt und unterhalten sein, wenn es im Salon auf dem Sofa saß und in das Stereoskop blickte. Es mochte durch meine Bilder etwas aus der Geschichte lernen, aber das neue Wissen würde nur ein Nebenprodukt sein. Was diese Aufnahme brauchte, war etwas Aufrüttelndes, Schockierendes.
Ich ließ die Kamera stehen und stieß, mehr weiße Knochen aus dem Lehm und Gras. Ich schleppte zwei von den größeren Schädeln näher heran, bis sie unmittelbar vor der Kamera lagen. Ich fand Rippenbogen, säuberlich abgenagt, und ordnete sie vor Schenkelknochen zusammen. Jetzt sah ich ein richtiges Bild auf der Platte. Ich musste lächeln. Vielleicht half ich der Natur etwas nach, aber ich grub auch die Wahrheit aus, die die Prärie verborgen hatte. Die Natur heilt ihre Wunden schnell, so als wolle sie die Verbrechen des Menschen gegen ihre Person verdecken.
Ich schob die Perrykappen auf die Objektive, drückte eine Kassette in die Kamera und zog den Schieber heraus. Ich stellte die Verschlüsse so ein, dass die Platte bei halber Brennweite eine halbe Sekunde belichtet wurde, und löste sie aus. Ich deckte die Platte zu, drehte die Kassette herum und machte die zweite Aufnahme mit einer Viertelsekunde und geringerer Öffnung. Selbst bei diesem guten Licht würde das Negativ dünn sein, aber die Negative ließen sich besser kopieren, wenn sie dünn waren. Falls die Wolken ausgebleicht waren, fiel es leicht, Wolken auf das Glas zu malen oder ein zusätzliches Negativ mit Wolken aufzukopieren.
Dann nahm ich die Schädel aus der Nähe auf und fotografierte ein paarmal die ganze Mulde. Ich demontierte eben meine Ausrüstung, als ich in der Ferne das Pfeifen eines Zugs hörte. Im Osten, wo sich die Schienen zu einem V vereinigten und verschwanden, sah ich einen Rauchfleck.
»Das ist Glück!«, sagte ich laut. Die Northern Pacific zahlte für eine schöne Aufnahme ihres Zuges, der in dieser einsamen, entlegenen Präriestation ankam, vielleicht einen ordentlichen Preis.
Die Station war wirklich entlegen, mitten im Nirgendwo. An Menschenwerk sah man nur das Holzhaus des Depots, einen Kieshaufen und die Holzbrücke über dem Bach. Es gab kein Wohnhaus, keine Straße, keinen Zaun. Der Signalmast stand aufrecht, die Telegrafendrähte verschwanden im Depot. Es war leer, denn wenn ein Telegrafist dagewesen wäre, hätte Rauch aus dem Kamin dringen müssen. Die Station musste als Viehverladestelle gedacht gewesen sein, die ständig mit einem Mann besetzt sein sollte. Jetzt verdiente sie kaum das Schild mit dem Namen Andrews in Blockbuchstaben.
Ich entschied, dass ich für diese Aufnahme besser den großen Kasten verwendete. Ich schleppte den Stereograf zum Wagen zurück, verstaute ihn und lud die große Anthony aus. Ich sah, dass Americus im erreichbaren Umkreis das ganze Büffelgras gefressen hatte, also führte ich ihn mit dem Wagen zur Nordseite des Hügels. Bevor das Maultier zu fressen begann, nickte es mir zu, und ich nickte zurück.
Ich fand am südlichen Rand der Mulde einen Platz für die Anthonykamera. Ich stellte die große Apparatur auf das Stativ und befestigte sie. Ich stellte das Objektiv ein, schob die Kassette hinein und regulierte den Verschluss. Dann stellte ich den Kasten mit Ersatzplatten neben mich und war bereit.
Das Warten machte mir nichts aus, daran gewöhnt man sich als Fotograf. Die Sonne schien angenehm warm, der Wind fächelte sanft meine Haare. In einem Monat würde man hier aufgefressen werden. Aber die Moskitos waren noch nicht ausgeschlüpft, und die Viehfliegen würden erst im Hochsommer auftauchen. Ich vermutete, dass der Angestellte in Andrews Station von Juni bis September Höllenqualen erleiden musste
Das langgezogene Stöhnen der Dampfpfeife wurde wieder hörbar und war in der klaren Stille ganz nah; der Rauch stieg in den makellosen Himmel hinauf. Als ich mich auf die Knie schob, bemerkte ich aus dem Augenwinkel rechts von mir eine Bewegung. Ich drehte den Kopf und sah vier Reiter Hals über Kopf aus dem Felstal hetzen. Einer von ihnen führte ein Beipferd mit. An der Böschung unter dem Depot brachten sie die Pferde zum Stehen. Drei von ihnen stiegen ab und reichten dem vierten Mann die Zügel. Die drei kletterten das Bankett zur Plattform hinauf.
Sie wollen zusteigen, dachte ich. Damit stand fest, dass der Zug anhalten würde, so dass ich zwei oder drei gute Platten würde machen können. Ich beobachtete die drei Männer, als sie vor dem Depot stehenblieben, und nur so zum Spaß drückte ich auf den Auslöser. Bevor ich die umgedrehte Kassette wieder hineinschob, blickte ich auf die Mattscheibe. In dem grellen Licht war die Tiefenschärfe so gut, dass ich beinahe die Gesichter der Männer erkennen konnte.
Dann zeigte sich an der Depottür plötzlich ein Rauchwölkchen, im nächsten Augenblick folgte ein Knall. Einer der Männer stieß die Tür mit dem Stiefelabsatz auf. Sie flog auf, und einer ging hinein. Ich sah, dass der Arm des Signalmastes herunterklappte. Sie wollen ganz sichergehen, dass der Zug nach Westen auch wirklich hält, dachte ich.
Einer von den Männern machte sich an der Seite des Gebäudes zu schaffen. In seinen Händen blinkte Metall. Die Telegrafendrähte sanken herunter. Er war ein hochgewachsener, schlanker Mann, sah ich, als er auf die andere Seite ging und die Drähte noch einmal durchtrennte. Ich nahm ihn auf.
Er ging über den Gleiskörper und stieg die Böschung hinunter, um mit dem Mann zu sprechen, der die Pferde festhielt. Der Berittene setzte sich in Bewegung, zurück zu dem Felstal, aus dem sie aufgetaucht waren. Der hochgewachsene Mann ging wieder zum Depot. Er hatte einen wiegenden Gang, den Gang eines Mannes, der buchstäblich im Sattel schläft. Ich kannte seine Sorte aus meiner Zeit bei der Hayden Survey: Die offene Weste, das Hemd mit dem runden Kragen und die ausgewaschene Leinenhose waren Merkmale des Viehtreibers.
Er setzte sich am Rand der Plattform hin, zog die Stiefel aus und drehte sie um. Anscheinend war Kies hineingerollt. Er zog sie wieder an, stand auf und nahm den Revolver halb aus dem Halfter. Er stieß ihn wieder hinein und betrat das Depot.
Diese Herren haben doch tatsächlich die Absicht, den Zug zu berauben, sagte ich mir. Ich geriet in Aufregung. Der Zug war schon nah herangekommen, und der Rauch aus der Lokomotive stand als Schweif über den Waggons. Es gab nicht die geringste Möglichkeit für mich, das Zugpersonal zu warnen. Wenn ich zu den Schienen hinunterlief und winkte, würde man auf mich schießen, oder das Zugpersonal würde annehmen, ich sei ein betrunkener Indianer, der sich auf das Eiserne Pferd stürzen wolle. Das kam oft genug vor; mehr als ein Zugführer hatte schon anhalten und die Überreste eines roten Kriegers von der Lokomotive entfernen müssen, damit die Leute in der nächsten Stadt nicht erschraken.
Na, dachte ich, ich kann es nicht aufhalten, also werde ich dafür sorgen, dass der Raubüberfall zum bestdokumentierten Verbrechen der modernen Geschichte wird. Mein Glück war, dass ich in der kleinen Mulde so stand, dass man von unten nur meine Haare und den oberen Teil der Kamera sehen konnte. Die Banditen würden zu beschäftigt sein, um auf mich zu achten, worüber ich froh war, weil ich Waffen und Schießereien hasste. Ich hatte eine kleine Flinte, mit der ich Präriehühner oder Hasen für den Kochtopf schoss; das war meine ganze Bewaffnung. Ich hatte in den Bergen von Colorado genug mit Schusswaffen zu tun gehabt. Seit der Nacht, in der Cy Stennis hatte sterben müssen, hasste ich alle Revolver wie die Pest.
Ich beobachtete die Lokomotive, als sie über die Brücke kam, ein hübscher Anblick, leuchtende Farben und schimmerndes Messing, während der Rauch aus dem Schornstein quoll. Der Rauch blieb plötzlich aus, als der Lokomotivführer das Haltesignal sah. Die Pfeife tutete zweimal fragend. Stahl knirschte auf Stahl, als die Bremsen griffen. Die Lokomotive kam vor dem Depot zum Stehen und hüllte sich in eine große, weiße Dampfwolke. In diesem Augenblick drückte ich den Ballon und löste den Verschluss aus. Schnell wechselte ich die Kassetten.
Leichter Wind wirbelte die Wolke aus Dampf, Rauch und Funken auf und fegte sie von der Lokomotive fort. Der Mann, der sich zum Fenster hinausbeugte, trug einen Stetson anstelle einer Eisenbahnermütze. Hinter dem Gepäckwagen winkte ein anderer Mann mit einer Kelle. Die Lokomotive spie Rauch, die Räder griffen. Die Lokomotive setzte sich mit dem Tender in Bewegung, angehängt blieben Express- und Gepäckwagen, die Güter- und Personenwagen blieben zurück. Hundert Meter westlich des Depots brachte der neue Lokomotivführer seinen kurzen Zug zum Stehen, dass die Puffer aneinanderknallten.
Der Heizer stand auf der Plattform vor dem Depot, wo ihm der kleinere Bandit einen Arm um den Hals presste und ihm die Mündung seines Revolvers an die Stirn hielt. Ich wartete noch, bis der Kerl in meine Richtung sah - dann drückte ich auf den Auslöser.
Die Lokomotive tutete dreimal. Der Mann mit den Pferden kam aus dem Felstal geritten. Männer sprangen aus dem Gepäckwagen, aus dem Expressgutwagen, jeder mit einem Sack. Sie rannten zu den Pferden, banden die vollen Säcke an die Sättel, saßen auf und warteten.
Ich sah, wie sich die Räder der Lokomotive in Gegenrichtung zu drehen begannen. Der kleine Zug wurde schneller. Der kleine Mann auf der Plattform schlug dem Heizer den Revolver an die Schläfe, und der Heizer brach zusammen. Ich verzog das Gesicht und machte eine Aufnahme. Der Bandit sprang die Böschung hinunter, als die Wagen auf das Depot zurollten. Der Amateurlokomotivführer sprang hinunter, ruderte mit den Armen, stürzte auf die Schulter und stand sofort wieder auf den Beinen. Er hinkte, als er und der kleinere Mann auf die Pferde zu hasteten.
Schüsse fielen aus den abgekoppelten Waggons. Ich knipste die Banditen, als sie in wildem Galopp Richtung Westen ritten, und wechselte hastig die Platten. Der rückwärtsrollende Gepäckwagen prallte krachend auf die abgestellten Waggons. Gepäckwagen und erster Waggon bäumten sich auf. Männer sprangen aus den Wagen.
Rauch quoll auf, während ein paar Fahrgäste den Reitern nachfeuerten, ohne sichtbares Ergebnis. Ich bemerkte, dass niemand mehr als ein paar Schritte zurücklief.
Ich war ebenso vorsichtig. Die Leute unter mir waren in übler Stimmung; sie würden einen Fremden zuerst niederschießen und erst dann Fragen stellen. Ich schulterte Stativ und Kamera, griff nach meinem Plattenkasten und lief geduckt zu meinem Wagen.
Americus riss den Kopf hoch und starrte mich an, als er mich rennen sah. Ich schob meine Ausrüstung über die hintere Wagenklappe, ohne sie zu verstauen. Ich hob das Ankergewicht auf den Sitz und kletterte hinauf. Mit den losen Zügeln schlug ich dem Maultier klatschend aufs Hinterteil.
»Los, Americus!«, rief ich. »Los, bevor die auf uns schießen. Du willst dich wohl von einer Kugel kitzeln lassen? Beeil dich gefälligst, dann gibt es heute Abend eine Portion Hafer extra!«
Americus schien zu begreifen, denn er stürmte mit dem Wagen und mir den Hügel hinunter. Wir erreichten die Straße, und ich lenkte ihn in Richtung Nordwesten. Dann kletterte ich nach hinten, spreizte die Beine und verstaute meine Geräte. Ich nahm die belichteten Platten aus dem Kasten und grinste.
Ich verstaute die Kassetten unter den Glastafeln in einer Holzkiste, die ich dann tief unter ein Regal schob. Mein Geld stopfte ich in das Loch, das ich mit Mühe und Geschick vor meiner Abreise in den Wagen gebohrt hatte. Ich drückte die Abdeckung darauf. Jeder Straßenräuber, dem ich begegnen mochte, würde den Wagen Brett für Brett auseinandernehmen müssen, bevor er mein Versteck fand.
Ich stieg wieder auf den Sitz und ergriff die Zügel. Das Maultier trottete gleichmäßig dahin. Ich spürte, wie meine Erregung nachließ, aber die Hochstimmung über den glücklichen Zufall, der mich zum richtigen Augenblick an den richtigen Ort geführt hatte, blieb. Wenn die Aufnahmen gut geworden waren, womit ich rechnete, würde ich vorsichtig taktieren müssen, um sie an den Mann zu bringen. Aber ich- kannte dieses Land: Wenn ich mich an den falschen Vertreter des Gesetzes wandte, konnte ich sehr leicht in irgendeiner Schlucht oder in einem verlassenen Bergwerksschacht enden.
Die Veröffentlichung in einem Magazin im Osten würde gefährlich sein. Man konnte sich hinter einem Pseudonym verbergen, aber wo blieb dann der Ruhm? Woher sollte Linnet wissen, dass ich es war, der diese packenden Bilder geschossen hatte? Wenn die Aufnahmen publik gemacht wurden, dann nur unter dem Namen Jason Hand.
Ich grinste schief. Würden nicht die vier Männer, die den Zug überfallen hatten, die besten Kunden sein? Der Heizer oder auch andere mochten ernsthaft verletzt sein. In diesem Fall mussten die Banditen mit dem Strick rechnen. Dann allerdings würden meine Fotos zu jedem Preis ein günstiges Angebot sein.
Ich zog meine kleine Mundharmonika aus der Tasche und spielte Americus etwas vor. Seine Schritte wurden schneller, seine Ohren stellten sich auf.
Nach etwa einer Meile bog die Straße nach Süden ab. Ich hörte ein Knacken im Dickicht, und das Maultier merkte auf. Ich begann einen Marsch zu spielen und beobachtete das Unterholz. Zwei Männer traten aus dem Dickicht, der eine mager, der andere wohlbeleibt. Sie hatten Flinten in den Armen. Ihre Gesichter waren grimmig. Ich brachte Americus zum Stehen.
»Guten Tag, meine Herren. Was kann ich für Sie tun?«, sagte ich.
Der Magere hatte ein Gesicht wie saurer Most.
»Nichts«, sagte er. »Was haben Sie hier zu suchen, Mister?«
Sein Ton ärgerte mich.
»Das ist meine Sache«, gab ich zurück. »Wenn Sie lesen können, auf dem Wagen steht, was ich treibe, so deutlich wie die Nase in Ihrem Gesicht.«
Der Dicke lachte.
»Und das ist deutlich genug, Scope, das musst du zugeben.«
»Werden Sie nicht frech, Mister«, sagte Scope. »Ja oder nein. Haben Sie fünf Männer hier entlangreiten sehen, und zwar im Laufe der letzten Stunde?«
»Da muss ich nein sagen«, erwiderte ich wahrheitsgemäß. »Ich bin heute früh in North Heart weggefahren. Auf der Wagenspur hier habe ich nichts gesehen als drei Backenhörnchen, einen Habicht und zwei Kojoten auf der Jagd. Suchen Sie nach Kojoten?«
»Gewissermaßen«, sagte der dicke Mann. »Fünf Banditen haben gerade in Andrews die Nummer vier überfallen. Fünf, einschließlich Fat Simson, dem Gepäckabfertiger, weil er mit ihnen geritten ist. Sie haben keine Reiter gesehen?«
»Keine Menschenseele«, sagte ich kopfschüttelnd. »Ein Zugüberfall, sagen Sie? Mann, wenn ich mit meinen Kameras dabei gewesen wäre, hätte ich als erster einen echten Raubüberfall fotografieren können! Das hätte mir sicher ein Vermögen eingebracht.«
»Pech. Sind Sie ein guter Fotograf, Mister?«
»Ziemlich gut, wenn ich so sagen darf. Ich nehme Sie auf, kostümiert als Atlas oder Herkules, dass jede Frau schwach wird. Ich kann sogar eine hässliche Fratze wie die von Ihrem Freund Scope fotografieren und sie in ein solches Porträt verwandeln, dass seine Frau Lust bekäme, es mit ins Bett zu nehmen. Gegen eine kleine Summe Bargeld knipse ich, wer da kommt, wann er kommt.«
»Scheren Sie sich zum Teufel«, sagte Scope. »Los, Charlie, wir gehen. Ich hab’ dir gesagt, dass die Kerle nach Norden geritten sind.«
»Scope, zu Fuß erwischen wir sie sowieso nicht«, meinte Charlie. »Du bist verdammt ungeduldig.«
»Ich kann Sie mitnehmen«, sagte ich. »Americus ist kein Renngaul, aber er kommt auch voran. Ich setze euch im nächsten Ort ab.«
Scope spuckte auf die Straße.
»Da kommen wir nächste Woche irgendwann mal an. Los, Charlie, gehen wir zum Weg zurück. Vielleicht ist die Leitung schon wieder geflickt.«
Charlie hatte es nicht eilig. Zu mir sagte er: »Geflickt? Sie müssen aus Miles einen Hilfszug holen. Sind Sie dahin unterwegs, Mister?«
»Wenn es ein guter Platz für ein Fotoatelier ist. Was meinen Sie?«
Er schüttelte den Kopf.
»Nee, Miles ist nichts für Sie. Die haben einen ganz jungen Burschen dort, Tuffman heißt er, und der ist gut eingeführt. Es ginge ihm noch besser, wenn er nicht dauernd nach Yellowstone oder hinauf zu den Missouri-Durchbrüchen rennen würde. Aber einer wie Sie könnte sich in Bleming ganz gut einrichten. Die hatten zwar einen Knipskünstler, aber vorigen Monat ist er mit einem Crow-Indianer aneinandergeraten. Die Rothaut war voll und erschlug Horner mit einer Axt. Den Indianer haben sie natürlich aufgehängt, aber einen Fotografen gibt es in Bleming nicht mehr.«
»Na, für den Tip bin ich ja dankbar, Charlie«, sagte ich. »Ich werd’ mich mal umseh'n. Indianer möchte ich zwar auch knipsen, mich aber nicht dafür skalpieren lassen, schon gar nicht mit einer Axt.«
Scope grinste schief.
»Kann Ihnen genauso passieren wie Horner«, meinte er. »Charlie, willst du hier den ganzen Tag quatschen? Gehen wir zum Zug zurück.«
»Richtig, Scope. Ich wüsste einfach nicht, was ich anfangen sollte, wenn wir Blink Norman und seine Bande einholen würden.«
»Hat Blink Norman den Zug überfallen?«, fragte ich.
»Sieht so aus. Das Ganze war gut organisiert, typisch Blink. Die Nerven hat er jedenfalls dafür. Es heißt, dass er mit hundertachtundachtzigtausend Dollar in Gold und Scheinen und zwei oder drei Einschreibpaketen entwischt ist. Blink wird nicht leicht zu schnappen sein, egal, wie viele Leute hinter ihm her sind.«
»Mensch«, sagte ich. »Einer, der so viel kassiert, lässt sich nicht so leicht auf halten.«
»Na, dann passen Sie schön auf. Wie war gleich Ihr Name?«
»Kann mich nicht erinnern, dass ich ihn erwähnt habe. Aber ich heiße Jason Hand.«
»Hand, ja? Freut mich. Ich bin Charlie Springer, und der mit dem sauren Gesicht ist Scope Jensen. Wenn wir jemals nach Bleming kommen, besuchen wir Sie vielleicht. Bis dann...«
»Auf bald, meine Herren«, sagte ich und trieb Americus an. Ich drehte den Kopf und sah sie zwischen den Weiden verschwinden.
Wir befanden uns schon in Montana. Die Territorialgrenze verlief in der Nähe der Station Andrews. Ich konnte mir vorstellen, wie sich die Juristen über den Tatort streiten würden, Dakota oder Montana. Nicht, dass Blink Norman und seine Leute das kümmern würde.
Wir zogen weiter nach Westen.
Zweites Kapitel
Die Nacht war schwarz wie die Hölle, keine Sterne, kein Mond. Ich konnte von der Wagenspur nichts sehen und verließ mich auf Americus’ Instinkt. Am Nachmittag hatte sich der Himmel bezogen, und die Sonne war schnell und glanzlos untergegangen.
Mein Weg war eintönig gewesen. Das Geflecht kleiner Wasserläufe lag hinter uns, und obwohl es stockfinster war, fuhren wir weiter auf der Suche nach Wasser. Ich hätte auch ein Trockenlager aufschlagen können, aber davon hielt ich nicht viel,
Endlich senkte sich der Weg. Ich spürte, wie Americus den Wagen zurückhielt. Ich hörte Wasser rauschen und aufgestörte Vögel zwitschern. Ich lenkte das Maultier nach links, weil hier alle Bäche nach Norden flössen, zum Roche Jaune. Das Knarren der Räder auf Stein hörte auf, und wir rollten lautlos auf Rispengras. Fünfzehn oder zwanzig Meter von der Straße entfernt hielt ich an und stieg ab.
Ich nahm eine Laterne vom Wagen, strich ein Zündholz an und entzündete den Docht. Im gelben Lichtkreis entdeckte ich, dass unsere Lage erträglich war. Die Stelle war eben, dicht mit Gras bewachsen und nah am Fluss. Americus hatte uns mit sicherem Instinkt durch eine schmale Lücke im Unterholz gezogen, so dass wir vor den Blicken später Reisender etwas geschützt waren, wenngleich kaum zu erwarten war, dass um diese Zeit noch jemand unterwegs sein würde. Im Südwesten sah ich Wetterleuchten.
Ich spannte Americus aus und pflockte ihn sicher an, nahm einen gläsernen Krug und ging zum Bach hinunter, füllte ihn und wartete im Laternenlicht, bis das Wasser klar wurde. Ich atmete auf. Am Boden blieb kein Satz, also vertraute ich dem Wasser meine kostbaren Platten an. Wäre es so dreckig gewesen wie in Dakota, hätte ich schwere Bedenken gehabt.
Ich war zu aufgeregt, um essen zu können. Im Wagen
Publisher: BookRix GmbH & Co. KG
Text: Robert McCaig/Apex-Verlag/Successor of Robert McCaig.
Images: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Cover: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Editing: Dr. Birgit Rehberg.
Proofreading: Dr. Birgit Rehberg.
Translation: Tony Westermayr und Christian Dörge (OT: the Shadow Maker).
Layout: Apex-Verlag.
Publication Date: 11-09-2021
ISBN: 978-3-7487-9892-7
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