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Leseprobe

 

 

 

 

HEINRICH GRAAT

 

 

SATANSMESSE

- 13 SHADOWS, Band 41 -

 

 

 

Roman

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

SATANSMESSE 

Prolog 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

 

Das Buch

 

Hinter den verdunkelten Kirchenfenstern treffen sich die Teufelsanbeter zu einer Orgie. Die Bewohner des kleinen englischen Ortes werden durch magische Kraft in tiefen Schlaf versenkt. Um Mitternacht beginnen die Geisterbeschwörer mit ihrer schaurigen Zeremonie. Aber diesmal bleiben sie nicht ungestört. Zwei Männer haben heimlich die Vorbereitungen zum Ritualmord beobachtet. Sie sind fest entschlossen, die Macht des doppelgesichtigen Gottes Janus zu brechen...

 

Der Roman SATANSMESSE des US-Schriftstellers Heinrich Graat (= George Wolk) wurde in Deutschland erstmals im Jahre 1973 veröffentlicht (als Band 10 der Reihe VAMPIR-HORROR-ROMAN).

SATANSMESSE erscheint als durchgesehene Neuausgabe in der Horror-Reihe 13 SHADOWS aus dem Apex-Verlag, die ganz in der Tradition legendärer Heftroman-Reihen wie GESPENSTERKRIMI und VAMPIR-HORROR-ROMAN steht. 

  SATANSMESSE

 

 

 

 

 

  Prolog

 

 

Benjamin Camden saß in seinem Büro im Gebäude der Abteilung Geschichte. Durch die Fenster konnte er das leuchtend bunte Herbstlaub des japanischen Ahorns und der anderen Bäume sehen. Auf den Wegen des Universitätsgeländes trieb der Wind welke Blätter vor sich her. Unter den weit ausladenden Zweigen einer Rotbuche sah Ben eine einsame Gestalt auf das Gebäude zukommen.

Erst als er genauer hinsah, erkannte er Jason McMurray. Der Kollege hatte sich in den wenigen Wochen, die er an der Crowell-Universität frühmittelalterliche Geschichte lehrte, sehr verändert.

Er schien große Sorgen zu haben, und sein Gesicht verriet, dass er zu wenig schlief.

Es klopfte kräftig an die Tür, und gleich darauf trat Carl Hendricks ein. Er setzte sich auf einen Stuhl, der hörbar unter seinem Gewicht ächzte. Carl blickte erst eine Weile aus dem Fenster auf den herbstlichen Park, dann wandte er sich Ben zu.

»Eigentlich wollte ich Jason aufsuchen«, sagte er. Carl Hendricks war der Leiter der Abteilung Geschichte und fühlte sich für alle seine Dozenten und Professoren verantwortlich.

»Er ist aber nicht in seinem Büro.«

»Gerade eben ist er hier unten vorbeigegangen. Sicher wird er jetzt in seinem Büro sein«, antwortete Ben freundlich. »Sie wollten doch mit mir über Jason sprechen, nicht wahr, Carl?«

»Sie sind ein heller Kopf, Ben. Haben Sie auch schon bemerkt, dass der Mann Sorgen haben muss? Wissen Sie vielleicht, was mit ihm los ist?«

»Keine Ahnung. Sicher braucht er jemanden, mit dem er sich aussprechen kann. Er ist noch nicht lange hier bei uns, um schon Freunde gewonnen zu haben.«

»Vielleicht wäre ihm zu helfen. Könnten Sie nicht Beverley dazu bewegen, heute Abend bei Jason und seiner Frau Sarah vorbeizuschauen? Es muss ja nicht betont werden, dass Sie direkt zu ihnen gefahren sind. Man könnte ja sagen, dass man eben in der Nachbarschaft war und nur mal guten Abend sagen wollte.«

»Kann ich machen«, erwiderte Ben. Draußen auf dem Flur hörte man Schritte, die zögernd an der Tür vorbeigingen. Dann wurde eine Bürotür geöffnet und wieder geschlossen. Ben nahm an, dass Jason sich jetzt in seinem Büro befand.

»Armer Kerl, der Teufel scheint die Hand auf ihn gelegt zu haben!«

»Was sagen Sie da? Der Teufel? Sie haben wohl zu viele Bücher über Hexen und Zauberei gelesen, lieber Freund! Sie nehmen viel zu ernst, was man Ihnen in Massachusetts alles erzählt.« Kurze Zeit später hatte Ben seine Arbeit beendet und fuhr mit dem Wagen in die kleine Stadt, wo er sein Haus hatte. Er dachte während der Fahrt über Jason nach. Auch wenn Carl Hendricks nicht in sein Büro gekommen wäre, hätte sich Ben heute um Jason gekümmert. Er hatte ein seltsames Gefühl, das er sich nicht erklären konnte, das aber mit Jasons merkwürdiger Veränderung zusammenhing. Irgendetwas stimmte da nicht.

Als er nach einer Stunde Dorrington erreichte, hatte er eine wunderschöne Fahrt hinter sich, die ihn aber nicht mehr beeindruckte, da er die Strecke täglich fuhr. Die Sonne hatte zwischen den Bergen gestanden und war langsam untergegangen. Kurz vor Dorrington standen die beiden Findlingsblöcke, auf denen alte Zeichen eingegraben waren. Mit diesen großen Blöcken wurden vor Jahrhunderten die großen Straßen von Albany gekennzeichnet. Gleich danach senkte sich die Straße in ein liebliches Tal. Zwischen den Bäumen sah man einen Augenblick die Spitze des Kirchturms in den golden leuchtenden Himmel ragen. Der Turm stand stolz und schneeweiß neben der bescheidenen Kirche. Nicht weit davon fuhr Ben jetzt in die Einfahrt des Gartens, der vor seinem Haus lag. Beverley kam heraus und winkte ihm zu. Seine Frau begrüßte ihn jeden Abend so.

»Hallo«, rief er fröhlich und knallte die Wagentür zu.

»Tag, Ben. Ich bin froh, dass du da bist. Heute hatte ich den ganzen Tag so ein ungutes Gefühl.«

Er küsste sie liebevoll auf die Wange und strich ihr braunes Haar aus der Stirn. Dann gingen sie langsam auf das Haus zu.

»Was ist denn los?«

»Ach, ich weiß selbst nicht«, antwortete sie ungewiss.

Als sie vor der Tür standen, drehte sich Beverley noch einmal um und blickte in den verglühenden Himmel, über den schon graue Abendwolken zogen.

»Heute Nachmittag hatte ich plötzlich Lust, Sarah anzurufen. Sie war so merkwürdig. Ich weiß nicht, Ben, mir scheint, da stimmt etwas nicht. Wir kennen sie zwar kaum, aber meinst du nicht, dass wir...«

»Was gibt es denn zu essen, Schatz?«

»Ach Ben, du bist grässlich!«

»Weißt du, wir essen schnell, und dann fahren wir zu den McMurrays hinüber. Wir sehen selbst nach, was da los ist.«

Beverley lächelte ihn glücklich an, als sie die Haustür hinter sich schlossen. Ben kniff sie in ihr hübsches Hinterteil, sodass sie mit einem Quietscher in der Küche verschwand.

Als sie gegessen hatten, war es bereits dunkel. Der Vollmond stand am Himmel, und sein blasses Licht fiel über die Straßen und Dächer. Die Bäume nahmen ihre Nachtgestalt an und wirkten fremd und bedrohlich.

Die Straße nach Crawfort führte durch einen Hochwald. Von Dorrington waren es ungefähr dreißig Meilen, die sie nach Norden fahren mussten. Dann kamen sie von der Autobahn auf eine schlechte Straße, die nach Crawfort hineinführte. Kurz vor dem Ort stand eine alte, halbverfallene Hütte, über deren Tür ein Schild hing. Krähennest stand darauf geschrieben.

Crawfort lag in einem langgestreckten Tal inmitten von Äckern und Wiesen. Es war ein kleiner Ort, der nur aus einer Kirche, einem Gemeindehaus und acht Wohnhäusern bestand. Um zu Jason zu kommen, mussten sie noch einmal über einen Hügel fahren, denn die McMurrays lebten auf einem alten Bauernhof, der fünfzig Jahre nicht bewirtschaftet worden war.

Ben fuhr langsam und hielt Ausschau nach dem Briefkasten, der die Einfahrt zu dem Bauernhof anzeigte. Er fand ihn auch nach einiger Zeit und fuhr in eine kleine, alte Allee hinein. Vor sich sah er Licht und fuhr langsam darauf zu. Aber als sie an das Haus herangekommen waren, lag es vollständig dunkel vor ihnen. Ben stieg aus und ging auf das Haus zu. Es war alt und nicht besonders hübsch gebaut. Er blieb vor der Haustür stehen und klopfte.

Plötzlich hörte er neben sich im Gebüsch ein Geräusch. Er fuhr herum und sah die glühende Spitze einer Zigarre. Sie glühte orangerot auf und wurde dann wieder dunkler. Lautlos zog sie sich in die Tiefe des Gebüschs zurück und verschwand.

Ben atmete schneller. Wie gebannt blickte er auf die Stelle, wo die Glut verschwunden war.

»Ben, was war das?«, rief Beverley, die auch ausgestiegen war und nun zu ihm trat.

Er deutete schweigend den Hügel hinunter. Dort glühte die Zigarrenspitze noch einmal auf, dann war sie verschwunden.

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

»Was kann das gewesen sein?«, fragte Beverley leise.

Ben zuckte mit den Schultern.

»Sah aus wie eine Zigarre. Aber es kann auch etwas anderes gewesen sein. Seltsame Sache.«

»Vielleicht ist Jason spazieren gegangen.«

»Warum kommt er dann nicht und begrüßt uns? Er hat uns doch sicher gesehen.«

Sie gingen auf das Haus zu. Ben legte den Arm um Beverley, die sich immer wieder umblickte.

»Vielleicht war es ein Glühwürmchen, Ben?«, meinte sie.

Ben öffnete nun die äußere Tür. An der Haustür war ein eiserner Klopfer befestigt. Er hob ihn an und ließ ihn kräftig auf die hölzerne Tür fallen. Dann lauschten sie.

Es rührte sich lange nichts im Haus. Ben und Beverley sahen sich erstaunt an, und Ben hob noch einmal den Klopfer. Nach einigen Augenblicken hörten sie Schritte, die Tür wurde geöffnet, und Licht fiel auf die Schwelle. Eine große, junge Frau mit wundervollem rotem Haar stand in der Tür und sah ihnen strahlend entgegen. Sie trug einen weißen seidenen Hosenanzug und sah sehr anziehend darin aus.

»Ben, Beverley, wie schön, euch zu sehen. Kommt bitte herein.«

Sie trat zur Seite und machte eine einladende Geste.

»Wir kamen in der Nähe vorbei, Sarah, und wollten nur einmal hereinschauen. Hoffentlich stören wir nicht?«

»Aber nein, durchaus nicht. Kommt bitte herein.« Sie nahm Beverley den Mantel ab und hängte ihn an einen Garderobehaken.

Die beiden Camdens folgten Sarah durch eine lange Halle, die den Mittelpunkt des Hauses bildete. Dann öffnete Sarah die Tür in den Salon und bat sie, einzutreten. Jason saß vor einem riesigen offenen Kamin und stocherte mit einer eisernen Stange in der Glut.

»Hallo«, rief Jason erfreut. »Schön, dass ihr gekommen seid. Ihr wart noch nie hier, nicht wahr? Schaut euch nur um.«

Ben hatte auf diese Aufforderung nicht gewartet. Er ließ den Blick durch den großen Raum schweifen, in dem sie standen, und schaute auch in den anliegenden Raum hinein, der im Dunklen lag. Das große Feuer erwärmte nicht nur den Salon, sondern gab auch Licht genug, um erkennen zu können, dass nicht nur dieser Wohnraum, sondern auch der anliegende geschmackvoll und kostbar eingerichtet waren. Es standen echte, alte Möbel auf einem wunderbaren azurblauen Orientteppich. An den Wänden hingen nachgedunkelte Bilder, deren Rahmen verrieten, dass sie seit Jahren hochgeachtet und gepflegt in eleganten Räumen gehangen hatten.

Ben war ehrlich überrascht. Er hatte nicht geahnt, dass sein Kollege Jason sich diese wunderschönen Dinge leisten konnte. Von seinem Dozentengehalt jedenfalls hatte er diese Einrichtung nicht kaufen können.

Beverley saß in einem bequemen Sessel nahe dem Kamin, während Ben sich auf ein Sofa gesetzt hatte, das in der Nähe der Bar stand, und mit Sarah plauderte. Er beobachtete Sarah genau, die ein fröhliches Geplauder anstimmte, aber sie konnte Ben nicht täuschen. Ihr heiteres Lächeln war nicht echt und fiel zu schnell in sich zusammen, wenn sie sich unbeobachtet glaubte. Auch ihre Augen waren verschleiert, als habe sie in den letzten Nächten nicht genug geschlafen.

»Ich bin froh, dass ihr hier seid«, sagte Sarah munter, als sie die Drinks mixte. »Es kann hier draußen ganz schön langweilig werden. Wir wohnen so weit weg, dass uns eigentlich nie jemand besucht.«

Sarah war fast so groß wie ihr Mann. Sie hatte eine helle, zarte Haut, auf der einige lustige Sommersprossen zu sehen waren. Ihre Figur war gertenschlank, als sei sie Mannequin in einem teuren Modesalon und könne sich kein Gramm Fett auf ihrem Körper leisten.

Als Sarah die Drinks gemixt hatte, trug sie sie auf einem Tablett zu dem Sofa und reichte jedem ein Glas. Beverley hob ihr Glas Jason entgegen, der mit seinen breiten Schultern und den großen dunklen Augen den Raum beherrschte. Er hatte jetzt die leichte Erregung der ersten Begrüßung verloren und saß grübelnd am Feuer.

»Jason«, sagte Beverley und trank ihm zu. »Sie sehen nicht gerade blendend aus. Was ist los mit Ihnen?«

 

 

»Ich bin wie immer, bin nie sehr stimmungshebend«, brummte Jason vor sich hin.

»Er war erkältet«, sagte Sarah, »und wenn er krank ist, kann er nicht schlafen.«

»Jason«, sagte jetzt Ben betont, »wir sind nicht zufällig vorbeigekommen heute Abend. Wir wollen uns natürlich nicht aufdrängen, aber wir haben das Gefühl, dass Sie vielleicht jemanden brauchen, der Ihnen einen guten Rat gibt. Sie sind noch nicht lange hier und wissen nicht, an wen Sie sich wenden können.«

»Das stimmt nicht ganz«, erwiderte Sarah ein wenig sarkastisch. »Wir kennen den Elektriker, den Installateur und den Schreiner. Nicht zu vergessen den Postboten. Und den Besitzer des Gasthauses im Dorf natürlich auch.«

»Ja, und ob wir den kennen!«, sagte Jason heftig und wandte sich schnell ab. Aber dann drehte er sich wieder um und blickte seinen Besuchern offen ins Gesicht.

»Ben, Beverley, ich gebe zu, ich bin sehr froh, dass Sie heute Abend gekommen sind. Es ist richtig, wir haben keinen Menschen, mit dem wir unsere Sorgen besprechen können. Sie haben recht, wir brauchen Freunde, mit denen wir sprechen dürfen. Ich habe mir nur niemals gedacht, dass ich Sie damit belästigen würde.«

»Jason, als wir kamen, stand draußen ein Mann mit einer Zigarre im Gebüsch. Als er uns sah, zog er sich lautlos zurück. Sie brauchen natürlich nur zu sagen, dass mich das nichts angeht, und wir fahren heim.«

»Haben Sie jemand, der das Haus versorgt und abends heimgeht?«, fragte Beverley. »Wir machen uns nämlich ehrlich Sorgen um Sie.«

Sarah sah Jason erstaunt an.

»Im Gebüsch? Jetzt? Aber Jason...«

»Ich habe ihn vor einer Stunde schon gesehen, Sarah, aber ich wollte dich nicht beunruhigen.«

Er blickte wieder in die Flammen.

»Ben, darf ich Ihnen eine Geschichte erzählen? Es ist eine lange Geschichte. Würden Sie beide zuhören, wenn ich Sie darum bitte?«

»Aber natürlich. Sonst wären wir ja nicht hier.«

»Gut«, sagte Jason entschlossen. »Es ist Zeit, dass wir mit einem Menschen darüber sprechen, der unabhängig und vernünftig ist.

Wir sind im vorigen Sommer hierher gezogen. Erst ließ sich alles sehr gut an. Wir fanden diesen Bauernhof und beschlossen, ihn für unsere Zwecke umzubauen. Als wir unser Kaufangebot machten, wunderten wir uns über den hohen Preis. Aber wir bezahlten ihn, weil wir es hier schön finden. Wir möchten gern für immer hier bleiben.

Eines Tages kam der Besitzer des Krähennestes zu mir und erklärte mir, dass ich es mir noch einmal überlegen sollte, ehe ich den Hof hier kaufte. Damals war der Vertrag noch nicht unterschrieben. Er drohte mir, dass die Steuern verdoppelt würden, dass uns das Wasser abgedreht würde und die Wohnbaubehörden große Auflagen machen würden. Ich dachte damals, dass er ein bisschen durchgedreht sei, weil er schon so lange hier in der Einsamkeit lebte. Ich war sicher, dass Harry Emerly uns nur erst näher kennenlernen müsste, um uns nicht für seine Feinde zu halten.

Aber es kam genauso, wie er es mir angedroht hatte. Kaum hatten wir den Kaufvertrag unterschrieben, erhielten wir die Steuerrechnung. Sie war unglaublich hoch. Ich ging zu den Steuerbehörden im Ort und erfuhr, dass Harry Emerly der Leiter ist. Dann schickte uns das Gesundheitsamt eine Untersuchungskommission, die uns zur Auflage machte, das gesamte Kanalsystem neu zu bauen. Als nächstes kam die Wohnbaubehörde und verlangte von uns, das Dach von Grund auf zu renovieren. Als ich wieder in den Ort ging, stellte ich fest, dass Harry Emerly der Leiter des Bauamtes und des Gesundheitsamtes ist.«

Jason stand auf und begann, erregt im Zimmer auf und ab zu gehen. Er sprach nicht sehr laut, aber Ben konnte ihn verstehen.

»Schließlich wurde mir die Sache zu dumm. Ich ging in die nächste Kreisstadt, um auf Grund der Verfassung eine Bürgerrechtsklage gegen diese undemokratische Verwaltung einzureichen. Der junge Anwalt ist keine große Leuchte, machte aber einen recht guten Eindruck. Außerdem versuchte ich, mich auf die Kandidatenliste der Landtagsabgeordneten setzen zu lassen. Da der Pfarrer gegen Harry Emerly ist, gelang mir das auch. Aber als ich mich nun bemühte, Stimmen gegen Emerly zu sammeln, stand ich vor einer Mauer. Kein Mensch gab mir auch nur ein Zeichen der Billigung, sie schwiegen alle, die hier zum Ortsbereich gehören, und ließen mich einfach stehen.«

Jetzt unterbrach ihn Sarah.

»Am Anfang hatte ich versucht, mit den Leuten im Ort ein wenig Kontakt zu bekommen. Ein paar Frauen luden mich zum Tee ein, und diese Nachmittage machten mir richtig Spaß. Neu-England ist sehr konservativ, aber ich hoffte, im Lauf der Zeit doch in die Familien eingeladen zu werden und sie bei mir zum Tee haben zu können. Aber als Jason sich auf die Kandidatenliste setzen ließ, brach der Kontakt schlagartig ab. Keine der Frauen grüßt mich mehr, sie weichen mir aus, wenn sie mich auf der Straße sehen, und das Einkäufen ist eine bedrückende Angelegenheit geworden.«

Beide schwiegen einen Augenblick, dann fuhr Jason fort:

»Es hat mir alles nichts geholfen. Der Prozess ist auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Der Anwalt kann mir keinen Grund dafür angeben, warum kein Gerichtstermin angesetzt wird. Hier im Ort steigen die Kosten immer höher, sodass ich den Tag kommen sehe, an dem wir unsere Belastungen nicht mehr bezahlen können. Wir haben einen neuen Brunnen gebaut, wir haben eine komplette Abwasseranlage bauen müssen, das Dach ist renoviert worden – aber ich weiß, dass es damit noch nicht zu Ende ist. Sie kommen immer näher, sie kreisen uns hier ein, und ich weiß nicht warum, ich verstehe es nicht.«

Jason hob den Kopf und sah Ben verzweifelt an.

»Vorige Woche hat ein Mann versucht, die Hintertür aufzubrechen. Es war Harry Emerlys Bruder, Frank. Er hat das Schloss beschädigt und wäre hereingekommen, wenn Sarah ihn nicht mit dem Gewehr bedroht hätte.«

»Er wollte nicht einbrechen, um etwas zu stehlen, das weiß ich genau. Er wollte zu mir. Sein Gesicht war so fürchterlich entstellt, dass ich ihn vom Fenster aus zuerst nicht erkannte. Es war verzerrt... wie das eines Wahnsinnigen. Er wollte mich vergewaltigen, deswegen versuchte er ins Haus zu kommen.«

»Am Abend habe ich die Spuren untersucht, weil ich es nicht glauben wollte. Aber es war ganz klar zu erkennen, dass er das Schloss bald aufbekommen hätte.«

»Sarah, wie furchtbar«, brachte Beverley mühsam hervor.

»Ich wollte telefonieren, ich wollte irgendjemanden um Hilfe rufen. Aber das Telefon war tot, die Kabel waren durchgeschnitten.«

»Aber warum haben Sie sich nicht an die Behörden gewandt?«

»Die Behörden werden alle von den Emerly-Brüdern geleitet. Auch die Polizei.«

 

 

 

 

 

  Zweites Kapitel

 

 

»Warum nimmst du mich nicht mit? Ich möchte nicht allein bleiben, wenn du abends ausgehst!«, beklagte sich Beverley am nächsten Abend bei Ben, als er nach dem Essen zur Garage ging.

»Schließ schön hinter mir ab, mein Schatz, und ruf dann Sarah an. Sag ihr, dass ich nachher noch einen Sprung bei ihnen vorbeikomme, wenn ich im Krähennest war.«

Ben fuhr die Straße heute schneller als gestern und war sehr bald am Krähennest angelangt. Es war neugierig, was er dort vorfinden würde. Wahrscheinlich handelte es sich um einen bockigen alten Mann, der sich einen Spaß mit Stadtleuten erlaubte, um sie vielleicht zu vertreiben.

Ben erwartete ein Gespräch über die Bartheke mit einem schrulligen Mann, dem er nach einigen Whiskeys klarmachen konnte, was hier falsch war. Er würde sicherlich sehr schnell von ihm das Versprechen bekommen, dass der

Imprint

Publisher: BookRix GmbH & Co. KG

Text: George Wolk/Apex-Verlag.
Images: Christian Dörge/123rf/Apex-Graphixx.
Cover: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Editing: Mina Dörge.
Translation: Brigitte Konopath (OT: THE DEVIL AND BEN CAMDEN).
Layout: Apex-Verlag.
Publication Date: 01-24-2020
ISBN: 978-3-7487-2728-6

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