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Tag auf der Bank

Während die Frau am Tisch vor dem Bankangestellten saß, der die Anfrage auf ihren Kredit überprüfte, und hoffte, dass diese nicht schon wieder abgelehnt wurde, bemerkte sie den kleinen Zinnsoldaten auf dem Tisch vor sich und fragte sich sogleich, wieso der Mann diesen dort stehen hatte. Doch sie kam nie zu einer Lösung dieses Rätsels, da gerade in diesem Moment die Türen der Bank aufflogen und mehrere vermummte Männer hereinstürmten, die mit ihren Waffen wild durch die Gegend fuchtelten.

„Das ist ein Banküberfall! Bleibt alle ruhig und legt euch auf den Boden! Wenn ihr tut, was ich sage, und wir bekommen, was wir wollen, passiert hier niemandem etwas“, verkündete einer der Männer.

Doch natürlich bekam die Frau Panik. Es ging ihr durch den Kopf, dass sie nun die Geisel dieser Männer war und ihnen damit komplett ausgeliefert war, während sie sich auf den Boden legte, wie der Mann es befohlen hatte.

Die Bankräuber sicherten unterdessen das Gebäude ab und einer von ihnen verschloss die Tür von innen mit einer dicken Kette.

Die Frau lag nur ängstlich auf dem Boden und hoffte, dass sie heil aus dieser Situation hinauskommen würde, während ihr seltsamerweise einfiel, dass sie dringend auf die Toilette musste. Weshalb ihr dies gerade jetzt einfiel, wusste sie nicht, aber die Normalität des Gedankens in dieser ganz und gar ungewohnten Situation beruhigte sie etwas, sodass sie sogar leise in sich hineinlachte, was aber leider einem der Männer, der vor der Scheibe aus Panzerglas, die sich vor den Schaltern befand, stand und bis dahin darüber gerätselt hatte, wie er diese zerstören konnte, auffiel.

Nun kam er zu der Frau, zog sie unsanft auf die Beine, hielt ihr die Waffe an den Kopf und fragte barsch: „Was gibt’s da zu lachen?“

„Nichts … Ich … ich muss nur aufs Klo … Ich weiß auch nicht, wieso ich …“, stammelte die Frau daraufhin entsetzt und dachte schon, dass es mit ihrem Leben nun zu Ende sei.

Doch dem war nicht so, da der Mann daraufhin ihren Arm packte, dafür aber die Waffe senkte und sie unsanft mit sich in den hinteren Teil der Bank zog, während er meinte: „Dann geh eben. Wie du dir hier in die Hose machst, will ich mir auch nicht unbedingt anschauen. Ich brauch nur das Bargeld, wegen meiner Kleinen. Sie braucht mich.“

Den letzten Teil murmelte er nur vor sich hin, doch die Frau hörte es und ihr ging auf, dass das hier auch nur ein Mensch war, der sie da gerade durch die Bank zerrte, der ihr nichts Böses wollte, sondern ganz im Gegenteil nur versuchte, irgendwie für seine Liebsten zu sorgen. Da bekam sie Mitleid mit diesem Mann, der doch eigentlich ihr Geiselnehmer war, und wollte gerade nachfragen, um mehr über ihn zu erfahren, als sie an ihrem Ziel angekommen waren und er sie mit einem sanften Stoß aufs Damenklo beförderte, sodass die Chance auch schon vorbei war.

Während die Frau dort saß und sich erleichterte, dachte sie, plötzlich wieder ganz ruhig, darüber nach, wie sie aus dieser Situation entkommen konnte, und wünschte sich ein Telefon, um die Behörden alarmieren zu können, da dies in ihren Augen der einfachste Ausweg war. Nun erst fiel ihr wieder ihr Handy ein, das sie noch immer in der Tasche hatte, und auf der Stelle rief sie den Rettungsdienst an, alarmierte die Polizei und kam dann wieder heraus zu dem Mann mit der Maske und der Pistole, für den sie noch immer Mitleid empfand.

Auf dem Weg zurück in den Hauptraum der Bank erzählte sie ihm, was sie getan hatte, und riet ihm, zu verschwinden, solange er dies noch konnte. Zunächst starrte der Mann sie nur mit großen Augen an und kam ihr dabei plötzlich sehr jung vor, dann machte er auf der Stelle kehrt und verschwand in Richtung Notausgang.

Wenig später traf die Polizei ein, woraufhin sich die restlichen Männer ergaben, und der Spuk war vorbei.

Wer der Mann gewesen war und wem genau er hatte helfen wollen, fand die Frau nie heraus.

Sie traf ihn nie wieder, doch der Gedanke an ihn ließ sie nie los.

 

 

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Publication Date: 08-08-2016

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