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Kapitel 0
Ich saß in meinem schwarzen Kabrio. Die laute Rockmusik dröhnte in meine Ohren und hinter mir hupten die Autos. Doch ich ließ mich nicht beirren und wartete darauf, dass die Ampel auf Rot umsprang. Dann gab ich Gas. Ich jagte einmal die gesamte Hauptstraße entlang, doch es passierte nichts.
Worauf ich wartete? Meine Mum ist ein einziges Mal über Rot gefahren. Ich mache es ständig, doch mir passiert nichts. Im Gegensatz zu ihr…
Kapitel 1
„Ich bin wieder zu Hause!“, rief ich und ließ die Haustür ins Schloss fallen. Mein Dad kam um die Ecke, er sah ziemlich verärgert aus. „Wo warst du?“, wollte er wissen.
Das ging ihn gar nichts an, dachte ich. Es ist wohl besser, wenn ich ihm von meinen Touren nichts erzähle. „Unterwegs.“ „Nikki, wir haben mit dem Essen auf dich gewartet.“
„Das ist ja der Wahnsinn Dad. Wir essen sonst auch nicht zusammen.“ Er seufzte: „Nikki, ich muss morgen wieder für ein paar Tage verreisen.“
„Dann habe ich ja wieder meine Ruhe.“, sagte ich nur und ging die Treppe hinauf in mein Zimmer. Aus dem Augenwinkel konnte ich noch erkennen, wie meine Schwester aus ihrem Zimmer guckte, aber ich redete nicht mehr mit ihr. Seit Mums Tod funktionierte unsere Familie nicht mehr. Mein Vater arbeitete mehr als zuvor und meine Schwester verzog sich immer mehr in ihrer Tanzschule. Ihrer bescheuerten Tanzschule.
„Da sind noch Sandwiches für dich im Kühlschrank.“
„Ich habe keinen Hunger.“, meinte ich nur und ging in mein Zimmer. Ich stellte die Musik an und legte mich aufs Bett.
Mitten in der Nacht wachte ich auf. Ich musste wohl einfach eingeschlafen sein. Ich stand auf und stellte die Anlage aus, die immer noch lief. Ein schlechter Traum beschäftigte mich. Schnell zog ich mir etwas anderes an und ging hinunter in die Küche. „Eine heiße Schokolade hilft immer.“, hatte meine Mum immer gesagt und es stimmte. Als ich die warme Tasse zwischen meinen Händen hielt, fühlte ich mich gleich viel besser. Meine Schwester kam aus dem Wohnzimmer. „Du bist noch wach?“, fragte sie mich, als sie in die Küche sah. „Du doch auch noch.“, stellte ich fest. Darauf wusste sie nichts mehr zu antworten und ging einfach die Treppe nach oben. Früher hatten wir ein unglaublich gutes Verhältnis, wir waren Zwillingsschwestern, obwohl wir unterschiedlicher nicht sein konnten. In der 4.Klasse hatte ich mal einen Aufsatz darüber geschrieben, wie froh ich war eine so tolle Schwester zu haben. Aber seit Mums Tod hatte sich alles geändert. Mein Dad war völlig überfordert mit der Situation und flüchtete sich in die Arbeit. Manchmal versuchte er noch ein wenig Autorität auszuüben, aber das war lächerlich. Unsere Familie war kaputt und alle warteten nur noch auf den Tag, an dem sie ausziehen konnten.
Kapitel 2
„Hey Beauty.“, grinste Matt mich an, als ich aus dem Klassenzimmer kam. Ich lächelte ihn an und stellte mich auf Zehenspitzen um ihn zu küssen. Wir waren erst seit zwei Wochen zusammen, aber er war jetzt schon unglaublich wichtig für mich. Bei ihm fühlte ich mich sicher. „Hattest du nicht eben auch Unterricht?“ „Nein, die Stunde ist ausgefallen und da dachte ich: Begleitest du deine Freundin mal zur nächsten Stunde.“ Er legte seinen Arm um meine Hüfte und zog mich mit. „Ich muss aber in die andere Richtung.“
„Du hast ja jetzt auch etwas anderen Unterricht.“
„Interessant.“
Wir gingen zusammen in die Bibliothek. Vorne saß die Bibliothekarin Mrs. Pearce. Manchmal war man sich gar nicht ehr sicher, ob sie noch lebte, da sie immer zu da saß und las, egal zu welcher Zeit man in die Bücherei kam. Ansonsten war der Raum leer. Eigentlich hatten ja auch alle Unterricht. Matt zog mich in eine hintere Ecke, sodass wir unentdeckt blieben. Matt sah mich an. „Was ist?“,
fragte ich. Das war mir irgendwie unangenehm. „Du sieht heute wieder unglaublich heiß aus.“, sagte er und zog mich zu sich. Dann gab er mir einen langen leidenschaftlichen Kuss. Ich lächelte in den Kuss hinein, er konnte wirklich unglaublich gut küssen. Er knabberte an meiner Unterlippe und eine Gänsehaut bereitete sich bei mir aus. „Diese Art von Unterricht gefällt mir eindeutig besser.“, sagte er. Ich lehnte mich gegen die Wand und legte meine Arme um seinen Hals. Matt küsste mich weiter, meinen Hals entlang und er schob seine Hand unter meine Bluse. „Matt!“, ich schob seine Hand wieder weg.
Er stoppte. „Was ist los, Baby?“
„Das geht mir zu schnell, außerdem will ich das nicht hier.“
„Wo ist denn das Problem?“, grinste er mich an, „Mach dich einfach ein bisschen locker Süße.“ Ehe ich etwas erwidern konnte, küsste er mich wieder. Matt war einfach viel erfahrener als ich, wenn ich ihm nicht gab, was er wollte, suchte er sich einfach eine neue Freundin. Ich ließ ihn einfach machen, während er seine Hand wieder unter mein Shirt schob, doch ich merkte wie ich mich versteifte. „Komm schon“, er küsste meine Lippen, „Vertrau mir.“, und er knabberte wieder an meiner Unterlippe, „Alles ist gut!“, beruhigte er mich und machte langsam die Knöpfe meiner Bluse auf. Doch das ging mir eindeutig zu weit und ich schob ihn weg.
„Meine Güte Nikki.“, man merkte ihm an, wie sauer er war. Ich knöpfte schnell wieder meine Bluse zu. „Es tut mir leid.“, ich wollte ihn nicht abweisen, aber er hatte ein Tempo, das ich nicht mitgehen wollte.
„Das hilft mir jetzt auch nicht weiter.“, meinte er nur, als es zur Pause klingelte, „Ich muss jetzt zum Training.“ Dann nahm er seine Tasche und ging. Ich seufzte. So ein verdammter Mist.
Kapitel 3
Am nächsten Tag saß ich mit der Cheeleadermannschaft in der Mensa. Matt hatte seit gestern nicht mehr mit mir geredet. „Hörst du mir zu Nikki?“, fragte mich Anna. Ich zuckte zusammen: „Sorry, was hast du gesagt?“ Anna schüttelte den Kopf: „Du scheinst wohl Ärger mit Matt zu haben?“
„Wie kommst du denn darauf?“, fragte ich sie pissig. Was gingen sie meine Beziehungsprobleme an.
„Naja, ansonsten würdest du doch die ganze Zeit an ihm kleben.“ Dazu sagte ich nichts. Anna war eine Ziege. Der typische Cheerleadercaptain eben. Sie lief die ganze Zeit den Basketballern hinterher und hatte schon so gut wie mit jedem geschlafen. Außerdem gönnte sie einem anderen nie eine Beziehung, so hatte sie die ganze Zeit versucht mir Matt auszureden.
„Was ist denn los bei euch?“, fragte sie scheinheilig. Mir ging ihre falsche Art dermaßen auf die Nerven.
„Das erzähl ich dir bestimmt.“
„Na gut. Dann eben nicht. Gehst du heute Abend auch zu Nicks Party?“
„Mal sehen.“
Es klingelte zum Unterricht. Meine Erlösung. Manchmal fragte ich mich, warum ich überhaupt bei den Cheerleadern eingestiegen war.
Am Nachmittag kam ich völlig entnervt nach Hause. Als ich den Schlüssel ins Schloss steckte räusperte sich jemand neben mir und ich drehte mich erschrocken um. „Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken, Süße.“, sagte Matt, der jetzt neben mir stand.
„Was willst du hier?“, fragte ich ihn überrascht.
„Mit dir reden. Du bist mir in der Schule aus dem Weg gegangen.“ Ich war ihm in der Schule aus dem Weg gegangen? Genau genommen, hat er sich nicht blicken lassen. Aber ich war froh, dass er jetzt hier war. „Komm rein.“, meinte ich und ließ ihn ins Haus.
„Süße, ich habe gestern wohl etwas überreagiert. Das tut mir wirklich leid. Ich will mich nicht mit dir streiten.“ „Ich will mich ja auch nicht mit dir streiten.“, sagte ich, „Ich hätte dich nicht einfach wegschieben sollen.“ Ich wollte nicht, dass er weiter böse auf mir war. Dann zog Matt mich in seine Arme. Es war ein wunderschönes Gefühl. „Ich liebe dich.“, flüsterte er mir ins Ohr.
„Ich dich auch.“, sagte ich und küsste ihn.
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Kapitel 4
„Ey Nikki. Dein Freund macht gerade mit Lindsay rum.“, rief mir jemand zu. Wir waren auf einer Party und der Alkoholpegel war enorm hoch. „Was!?“, rief ich aus. Das konnte ja wohl nicht wahr sein. Ich ging ins Wohnzimmer wo einige am Tanzen waren und konnte gerade noch erkenne, wie Matt und Lindsay die Treppe hoch gingen. Jetzt würde Lindsay Matts Bedürfnisse erfüllen, nur weil ich zu ängstlich war. Ich war enttäuscht und sauer auf mich selbst. Ich nahm meine Handtasche und meine Jacke und ging nach Hause. Irgendwie war es klar gewesen, dass so etwas passiert. Matt hatte schon mit einige Mädchen geschlafen, aber konnte er nicht verstehen, dass ich noch ein wenig Zeit brauchte? Zu Hause angekommen, verzog ich mich sofort ins Badezimmer. Ich kramte in einer Schublade und fand schnell wonach ich suchte: Eine Rasieklinge. Die setzte mich auf den kalten Fliesenboden und krempelte die Ärmel meines Sweatshirts hoch. Meine Arme waren schon von einigen Narben geschmückt. Seit dem Tod meiner Mutter ritzte ich mich regelmäßig, immer wenn ich es nicht aushielt. Wenn mir alles zu viel wurde. Zuerst quoll nur ein kleiner Tropfen aus der Wunde, doch schnell begann das Blut zu laufen. Ich spürte wie ich langsam wieder atmen konnte und fühlte mich leichter. Bei dem Gedanken an Matt, meine Familie und besonders an meine Mum liefen mir wieder Tränen die Wange hinunter. Ich wollte das alles nicht mehr.
Kapitel 5
Am nächsten Tag besuchte ich Matt bei sich zu Hause. Er öffnete etwas verschlafen die Tür. „Hey Baby, was machst du denn hier?“ Ich küsste ihn kurz und ging dann an ihm vorbei ins Haus. „Ich wusste nicht, was ich zu Hause soll und dann habe ich gedacht bringe ich meinem Freund einen Becher Kaffee vorbei.“ „Du bist ein Engel.“, grinste er, während er einen Schluck nahm, „Warum bist du gestern so früh abgehauen? Ich habe dich gar nicht mehr gesehen.“
Ich zuckte mit den Schultern: „Mir ging es nicht so gut. Ich wollte dir noch Tschüss sagen, aber ich habe dich nirgendwo gefunden.“ „Ich war draußen mit ein paar Leuten und habe ein paar Körbe geworfen.“ „Achso.“ Er stand hinter mir und legte seine Arme um mich, er küsste mich im Nacken, was eine Gänsehaut bei mir auslöste. „Matt“, sagte ich.
„Hm?“
„Ich möchte mit dir schlafen.“ „Wirklich?“, fragte er mich. Ich merkte, wie überrascht er klang.
Ich drehte mich in seinen Armen zu ihm um. „Ich liebe dich, warum sollte als noch warten wollen.“ Dann küsste er mich lange. „Aber,“, sagte ich schließich, nach dem er mir eine kurze Pause gönnte, „Lass es uns heute Abend machen, ja?“ „In Ordnung.“, meinte er, „Nach dem Spiel, okay?“ Ich lächelte: „Gut.“ Ich hatte zwar immer noch ein komisches Gefühl, bei dem Gedanken, dass ich heute Abend entjungfert werden würde, aber wenn ich nicht mit Matt schlafen würde, würde er mich verlassen, dessen war ich mir sicher. Und Matt war mir zu wichtig. Er war der einzige, der sich in letzter Zeit um mich gekümmert hat.
Kapitel 6
Nach dem Spiel sprang ich in Matts Arme. „Klasse gespielt.“, sagte ich und küsste ihn.
„Treffen wir uns in einer Stunde bei mir?“, fragte er nur. Ich nickte. Dann hatte ich genug Zeit um mich frisch zu machen. Zu Hause sprang ich schnell unter die Dusche und zog mir frische Sachen an. Auf dem Flur begegnete ich meiner Schwester, die wohl gerade vom Tanzen kam. Sie sah mich kurz an und ging dann um die Ecke in ihr Zimmer. Wir hatten uns nichts mehr zu sagen, aber ich hatte jetzt auch keine Lust über sie nachzudenken.
Kurze Zeit später klingelte ich bei Matt. „Hey.“, begrüßte er mich, „Komm rein.“ Ich folgte ihm in sein Zimmer. Mein Herz raste und ich war kurz davor wieder aus dem Haus zu stürmen, aber ich wollte das ganze jetzt hinter mich bringen. Ich wollte Matt nicht verlieren. Er zog mich zu sich und gab mir einen langen leidenschaftlichen Kuss. Er küsste unglaublich gut, ich merkte wie meine Knie weich
wurden und lehnte mich gegen die Wand. Matt knabberte wieder an meiner Unterlippe, das konnte er so gut und als er mich zum Bett drückte, zog er sein Shirt über den Kopf. Ich seufzte und strich mit meiner Hand über seine muskulöse Brust. Er find an meine Bluse aufzuknöpfen und küsste meine Brust entlang, bis zu meinem Bauchnabel. Ein mir unbekanntes Gefühl machte sich in mir breit. Es fühlte sich gut an, aber trotzdem war ich mir nicht sicher, ob ich es schon erleben wollte. Matt legte wieder seine Lippen auf meine und ich erwiderte den Kuss hin und her gerissen. Er öffnete den Knopf meiner Jeans. Es gab jetzt sowieso keinen Rückweg mehr, außerdem hatten alle meine Freundinnen schon Sex gehabt. Warum stellte ich mich eigentlich so an? Matt streifte meine Jeans mitsamt meinem Slip ab und ich fühlte mich extrem unwohl. „Entspann dich Süße.“, sagte er, während er sich ebenfalls seiner Klamotten entledigte. Entspannen? Das war gar nicht so leicht. Er küsste mich langsam meinen Hals hinab bis zu meinem Bauchnabel. „Alles okay?“ Ich nickte nur. Dann sah er mir in die Augen und drang in mich in ein. Ich stöhnte. Er gab sich wirklich Mühe, aber es tat trotzdem weh, als er mein Jungfernhäutchen durchstieß. Er begann sich hin und her zu bewegen bis er schließlich seinen Orgasmus bekam. Matt rollte sich runter von mir und entsorgte das Kondom. „Du warst wundervoll Baby.“, sagte er, als er sich neben mich legte und küsste mich auf die Stirn. „Ist alles okay bei dir?“ Ich nickte, dabei fühlte ich mich total komisch.
Kapitel 7
Am Montagnachmittag hatten wir mal wieder Cheerleader Training und Anna scheuchte uns hin und her. Meine Aufmerksamkeit wurde jedoch geweckt, als ich erkennen konnte wie sich wieder Matt und Kellan miteinander anlegten. „Was haben die zwei denn schon wieder?“, fragte mich Anna.
„Keine Ahnung. Vermutlich wieder irgendwelche Revierkämpfe.“, meinte ich. Die beiden spielten auf der gleichen Position und somit war Streit zwischen den beiden vorbestimmt. Eigentlich bekamen sie sich wegen jeder Kleinigkeit in die Wolle.
„Nikki.“, grinste Lindsay, die gerade zu uns stieß, „Herzlichen Glückwunsch. Ich habe gehört, du bist jetzt eine richtige Frau.“
Ich starrte sie entsetzt an: „Woher weißt du das?“
Sie grinste mich weiter an: „Na Matt hat es doch so gut, wie der ganzen Schule erzählt. Es war wohl eine Art Wette zwischen ihm und Sam, das er wirklich jede haben kann.“
Ich war völlig fertig. Das konnte doch nicht ihr ernst sein. Ich fragte mich, warum mich das so schockierte. Jeder wusste, dass Lindsay Unmengen von Lügen verbreitete, aber dies sagte sie dermaßen zufrieden, dass man es ihr abnahm. Ich sah wieder zu Matt und Kellan und konnte gerade noch erkennen, wie Kellan auf Matt losging. Ich musste hier weg. Schnell nahm ich meine Sachen und lief zum Parkplatz.
Zu Hause war ich völlig außer Atem. War das wirklich wahr, was Lindsay da erzählt hatte?
Ich hörte wie Vanessa die Treppe hoch kam. Sie ging an meinem Zimmer vorbei und blieb stehen. „Ich habe gehört, was Matt erzählt hat.“, sagte sie vorsichtig.
„Ist ja interessant.“, gab ich nur zurück. Ich wollte nicht darüber reden und schon gar nicht mit ihr.
„Matt ist ganz schön scheiße. Wenn du darüber reden willst…“
Ich seufzte und stand auf, dann sah ich sie an: „Hör zu Vanessa. Das geht dich überhaupt nichts an, was bei mir gerade los ist. Und wenn ich mit jemandem darüber sprechen wollen würde, wärst du die letzte Person auf diesem Planeten, zu der ich gehen würde.“ Dann knallte ich ihr meine Zimmertür vor der Nase zu und drehte meine Musikanlage auf volle Lautstärke.
Das Telefon klingelte und ich ging genervt ran. Es war schon wieder meine Schwester, Vanessa. „Vanessa, Mum ist unterwegs.“, sagte ich jetzt schon zum fünften Mal. Meine Schwester hatte heute eine wichtige Aufführung und wollte unbedingt, dass meine Mum zu sah. Sie teilten die Leidenschaft zum Tanzen und meine Mum war wirklich bei jeder Aufführung meiner Schwester dabei. Doch heute war sie spät dran. Sie hatte schließlich auch noch zwei andere Kinder, die sie versorgen musste. „Komm mal wieder runter. Mum beeilt sich. Sie sitzt rechtzeitig in der Aufführung.“, versuchte ich sie zu beruhigen. „Aber sie muss mir doch unbedingt noch meine Haarspange vorbeibringen.“, meinte sie. Ihr Haarspange, war so etwas wie ein Glückbringer für Vanessa. Ohne diese lief bei ihr gar nichts mehr glatt.
Kapitel 8
Am Abend schlief ich weinend ein.
„Mum ist unterwegs.“, sagte ich nochmal und legte auf. Man konnte Vanessa ja doch nicht beruhigen.
Das Telefon klingelte schon wieder. „Ich hab echt die Schnauze voll. Langsam müsste Mum doch mal da sein.“, sagte ich, Chace lachte. Genervt nahm ich zum gefühlt 100.en Mal den Hörer ab: „Vanessa! Mum ist unterwegs.“ Aber am anderen Ende war nicht Vanessa. „Nicole? Hier spricht Ellen Pompeo. Assistenzärztin aus dem Sacred heart. Ihre Mutter wurde gerade bei uns eingeliefert. Sie hatte einen Autounfall. Vielleicht kommen sie erstmal her. Sie wird gerade operiert.“ Ich ließ den Hörer fallen und mir wurde schwindelig.
Schweiß gebadet wachte ich auf. Meine Mum war an diesem Nachmittag über eine rote Ampel gefahren, weil meine Schwester so einen Stress gemacht hatte. Die Ärzte im Krankenhaus konnten nichts mehr für sie tun. Ich taumelte zum Bad, mir war total schlecht. Ich schloss ab und kramte wieder die Rasierklinge aus der Schublade. Diesmal setzte ich einen viel tieferen Schnitt. Obwohl ich mich heute wieder mit meinem Bruder versöhnt hatte, ging es mir gar nicht gut. Ich war unglaublich paranoid gewesen und hatte meine Unschuld für jemanden aufgegeben, der damit nur angeben wollte. Tränen rollten mir über das Gesicht und eine breite Blutspur lief über meinen Arm. Ich hätte jetzt gerne jemanden neben mir gehabt, der mich in den Arm nimmt. Ich sah in den Spiegel. Was war nur passiert?
Kapitel 9
Am nächsten Morgen in der Schule hatte ich das Gefühl, dass mich alle anstarrten. Ich ging zu meinem Schließfach und holte ein paar Sachen heraus. „Hey Liebes.“, Anna stand neben mir, „Wie geht es dir?“
„Willst du mich auch noch verarschen?“, auf Anna hatte ich jetzt gerade überhaupt keine Lust.
„Komm mal wieder runter, ja? Habe ich dir nicht die ganze Zeit erzählt, was für ein Arsch Matt ist?“ Ich seufzte. Ja, das hatte sie, aber glauben wollte ich ihr nie, da ich immer dachte, sie würde auf Matt stehen. „Meinst du, du bist die erste, mit der er diese Nummer abgezogen hat“, fragte sie mich.
„Das hilft mir jetzt auch nicht mehr weiter.“ „Das weiß ich.“, meinte sie und ging in den Klassenraum.
Ich hatte furchtbar schlechte Laune und war heilfroh, als der Schultag zu Ende war und ich in meinem Auto auf dem Weg nach Hause war. Eigentlich hatte ich gedacht, es könnte nicht mehr schlimmer werden, aber dann blieb mein Wagen auf einmal stehen.
Kurze Zeit später kam Kellan, um ihn zu reparieren. Ich lehnte genervt an der Autotür.
„Du hast wohl keine gute Laune.“, stellte der Typ fest. Das war ja ein richtiger Blitzmerker. Ich verdrehte die Augen: „Sieht man das?“ Er lachte. Warum zum Teufel lachte er jetzt? „Was ist jetzt mit meinem Wagen?“, ich wollte schließlich nochmal irgendwann zu Hause ankommen.
„Den muss ich mit in die Werkstatt nehmen.“, meinte Kellan.
„So eine Scheiße!“, murmelte ich, „Wie lange wird das denn dauern?“
„Kommt drauf an, ob wir alle Ersatzteile da haben.“
Ich nahm mein Handy und rief meinen Dad an, doch der war mal wieder viel zu beschäftigt um sich um seine Kinder zu kümmern. In dieser Familie klappte auch wirklich gar nichts mehr.
„Soll ich dich irgendwohin mitnehmen?“, fragte er freundlich.
„Wenn es dir nichts ausmacht?“ Ich hatte ja gar keine andere Wahl, wenn ich nicht laufen wollte. So stieg ich zu ihm in die Kabine des Abschleppwagens. Ich hatte keine Lust auf eine große Konversation. Und Kellan wusste wohl zunächst auch nicht, über was er mit mir reden sollte. Die Stille im Wagen war erdrückend. Ich sah auf seine verbundene Hand. Die musste er sich wohl gestern bei der Schlägerei mit Matt verstaucht haben. Er bemerkte meinen Blick: „Ist halb so schlimm. In einer Woche ist wieder alles heile. Und das war es mir Wert.“ Ich wollte darauf nicht weiter eingehen und
Kellan schaltete um die Stille zu überbrücken das Radio ein. Es lief gerade Kryptonite von 3 Doors Down. Ein unglaublich schönes Lied und ich drehte automatisch das Radio lauter. „Ich war mal auf einem Konzert von denen“, sagte Kellan und fing an davon zu erzählen. Ich hörte ihm gar nicht richtig zu und hing in meinen Gedanken „Was hast du da am Arm?“, fragte er auf einmal. „Hm?“, verdammter Mist, ich wusste nicht, was er eben gesagt hatte.
„Was du da für Kratzer am Arm hast.“ Scheiße. Mein Sweatshirt war ein Stück hochgerutscht und man konnte zwei frische Spuren sehen. Schnell zog ich den Ärmel wieder runter. „Ach, ich bin ein wenig tollpatschig.“ Oh, man was für eine blöde Ausrede, dachte ich. Aber er schien es zu schlucken. Zumindest fragte er nicht weiter.
Kurze Zeit später hielt er vor meinem Haus.
„Danke fürs rumfahren.“ „Kein Problem. Wegen deinem Auto wirst du angerufen. Man sieht sich dann ja mal in der Schule.“, er zwinkerte mir zu und fuhr weiter. Ich schüttelte den Kopf was für ein Spinner.
Kapitel 10
Drei Tage später konnte ich mein Auto abholen. „Hey.“, grinste Kellan mich an, als ich in die Werkstatt kam, „Also, deinem Wagen geht es wieder gut.“ „Schön zu hören.“, meinte ich.
„Du musst noch kurz mitreinkommen und was unterschreiben.“, sagte Kellan und ich folgte ihm in die Büroräume. „Einmal hier bitte.“ Ich unterschrieb brav und bekam als Dank die Rechnung. „Sehr gut. Hier ist dein Schlüssel. Und dann sieht man sich sicher heute Abend.“
„Heute Abend?“
„Na, auf der Party.“ Er sah mich verständnislos an.
„Ähm, ich gehe nicht hin.“
„Warum nicht?“, fragte er neugierig.
„Weil du da bist.“, sagte ich. Ich meinte das natürlich nicht ernst. Eigentlich hatte ich keine Lust auf Matt zu stoßen, ich ging ihm nun schon seit einer Woche aus dem Weg. Meine Güte, was hatte ich da nur getan. Ich habe mit ihm geschlafen, weil er mich sonst auf kurze oder lange Sicht verlassen hätte. Tja, ich war so naiv und hatte wirklich gedacht, wenn ich ihm gebe, was er will, bleibt er bei mir. Aber das das Ganze nur eine üble Show von ihm war habe ich natürlich nicht überlegt.
„Autsch.“, meinte er. Ich seufzte. Kellan versuchte die ganze Zeit über mit mir zu flirten. Ich meine, er sah wirklich nicht übel aus, er war extrem sportlich und insgesamt total mein Typ. Aber das war Matt auch gewesen und Kellan war vermutlich nicht besser. Ich hatte im Moment wirklich genug von Jungs.
Später am Abend lag ich auf meinem Bett und hörte Musik. Musik war schon immer ziemlich wichtig für mich. Ich hatte Platten für alle Gemütslagen. Von Pop bis Rock war alles dabei. Ich starrte an die Decke. Willst du jetzt hier wirklich nur rumliegen, fragte ich mich. Davon wurde das Ganze schließlich auch nicht besser und so beschloss ich doch zur Party zu gehen und mich ein wenig abzulenken.
Kapitel 11
Auf der Party war es voll. Ian kannte anscheinend eine Menge Leute. „Du bist ja doch gekommen.“, sagte eine Stimme hinter mir. Ich drehte mich um. Es war Kellan. „Ich habe es mir anders überlegt. Hey Ashley.“, begrüßte ich das Mädchen neben ihm. „Ihr kennt euch?“, fragte Kellan überrascht. „Wir gehen in eine Klasse.“, erklärte sie ihm, „Nikki, das ist übrigens mein Bruder Kellan.“
„So so.“, meinte ich. Ich fragte mich, warum er in der Autowerkstatt arbeitet. Seine Eltern haben nämlich nicht gerade wenig Geld. Aber was interessierte es mich eigentlich. „Ich seh mich mal um. Kommst du mit Ash?“, fragte ich sie und zog sie mit Richtung Küche. Ashley und ich waren nicht eng miteinander befreundet, aber manchmal konnte man sich gut mit ihr unterhalten.
„Hey Nikki.“, grinste mich Matt von der Seite an, „Hast du Lust zu tanzen?“
„Was soll der Scheiß Matt?“
„Naja, wir haben noch gar nicht für klare Verhältnisse gesorgt.“ Ich knallte ihm meine flache Hand ins Gesicht. „Ich denke jetzt dürften wir es geklärt haben.“
„Aua.“, meinte er, aber dann hielt er mich am Handgelenk fest, „Was bist du denn so sauer?“ Warum ich sauer war? Fragte er das gerade wirklich?
„Du bist betrunken Matt. Lass mich los.“, sagte ich und wollte meine Hand weg ziehen, aber er ließ nicht los. Stattdessen zog er mich dichter zu sich. Du warst wirklich unglaublich heiß im Bett. Ich wollte mich von ihm losreißen, aber er war viel zu stark. „Matt lass den Scheiß.“, sagte Ashley laut, die immer noch neben mir stand. Aber Matt blieb völlig unbeeindruckt: „Ich unterhalte mich doch nur ein wenig mit Nikki.“ Dann sah ich wie Kellan hinter ihm stand: „Bist du schon mal auf die Idee gekommen, dass sie nicht mit dir reden will?“
„Was geht es dich an?“, fragte Matt sichtlich verärgert. Er machte mir Angst und er verstärkte seinen Griff um mein Handgelenk.
Es hatten sich schon ein paar Leute unserem Streit zugewendet und es entstand ein Kreis von Schaulustigen. „Du tust mir weh.“, sagte ich in der Hoffnung, er würde mich los lassen.
„Lass den Scheiß!“, sagte Kellan wieder. Matt merkte wohl, dass er keine Chance mehr hatte, schließlich hatte ich Kellan auf meiner Seite. Er ließ mich los und hob abwehrend die Hände, was Kella nicht weiter beeindruckte und er schlug zu. Ich schrie auf: „Kellan!“ Matt taumelte zurück und hielt sich das Gesicht. Ashley nahm mich in die Arme: „Alles in Ordnung?“ Ich nickte, und sah wie ihr Bruder zu einem weiteren Schlag ausholte, doch irgendjemand hielt ihn fest: „Es reicht.“ Dann zog er ihn mit sich nach draußen. Ich ging ihnen zusammen mit Ashley nach.
„Er ist so ein Perversling.“, hörte ich wie Kellan sich aufregte.
Ich ging zu ihnen: „Sag mal spinnst du?“, schrie ich meinen ihn an.
„Was denn? Die hatte er verdient.“, versuchte er sich nicht einmal zu entschuldigen.
Kapitel 12
Kurze Zeit später fuhr Kellan mich nach Hause. „Danke.“, meinte ich. „Kein Problem.“, sagt er nur.
Aber ich schüttelte den Kopf: „Nein, für mich hat sich noch nie jemand so eingesetzt.“
„Wenn er dich noch einmal belästigt, dann sag bescheid.“
Dann verstummten wir. Dad kam aus dem Wohnzimmer: „Wo hast du gesteckt?“ „Ichwar auf einer Party.“; sagte ich gereizt. Was interessierte ihn das auf einmal? „Aha. Du könntest mir das nächste Mal bescheid sagen.“ „Auf einmal interessierst du dich wieder für uns, oder was?“ Ich hatte wirklich keine Lust mich jetzt mit meinem Dad zu streiten und auf diese Diskussion erst recht nicht. Also nahm ich meine Tasche und verschwand aus der Haustür. Kellan folgte mir. Mein Dad rief mir noch irgendetwas nach, aber ich ignorierte ihn.
Nachdem wir schweigend eine Weile durch die Stadt fuhren, meinte ich auf einmal Kellan sollte anhalten. Ich stieg aus dem Wagen „Als meine Schwester und ich noch klein waren, haben wir immer an diesem Fluss gespielt.“
„Ja.“, meinte Kellan, „Hier haben immer viele Kinder gespielt.“
„Wir sind früher immer mit unseren Fahrrädern hier her gefahren und haben Stunden lang am Fluss getobt. Es waren wirklich immer irgendwelche anderen Kinder zum Spielen da.“, Ich musste lachen, „Einmal sind wir völlig durchnässt nach Hause gekommen, weil wir uns gegenseitig nass gespritzt haben und dann hat Mum uns verboten hier her zu fahren.“
„Aber ihr seid am nächsten Tag trotzdem wieder her gefahren.“ , fragte Kellan und lachet, „So war das bei mir und Ashley auch.“ Ich ging vorsichtig durch die Bäume, die den Fluss umgaben, und Kellan folgte mir. Er blieb stehen und sah in die Nacht. Auf einmal bückt er sich und im nächsten Moment spritzte er mich mit Wasser nass. Ich schrie auf: „Spinnst du?“ Dann bückte ich mich ebenfalls und spritzte zurück. Es begann eine große Wasserschlacht aus der wir beide als Gewinner hinausgingen. Wir lachten beide, als wie uns ansahen und bemerkten wie durchnässt wir waren. Er holte eine Decke aus dem Auto und wir saßen eine Weile einfach nur da.
„Was ist passiert?“, fragte er nach einer Weile. Es klang als habe er vorher abgewegt, ob er mich das fragen sollte. Ich schwieg. Wollte ich wirklich mit ihm darüber reden? Das hatte ich noch nie mit jemand. „Ich habe dich letztens beobachtet, wie du bei Rot durch die Stadt gefahren bist. Warum machst du das?“ „Meine Mum ist nur ein einziges Mal über Rot gefahren. Einmal und das hat sie das Leben gekostet.“,
ich schluckte, „Sie war spät dran, weil sie zu der Tanzaufführung meiner Schwester wollte. Es war doch nur ein Mal. Ich fahre andauernd bei Rot über die Ampel und nichts passiert. Das ist nicht fair.“ Ich fing an zu weinen. „Das ist nicht fair.“, sagte ich wieder und schluchzte heftig. Kellan hielt mich in den Armen. Er sagte nichts, sondern ließ mich einfach weinen
Kapitel 13
An einem Abend lag ich auf meinem Bett und begutachtete meine Arme. An einigen Stellen hatten sich dicke Narben gebildet. Aber immerhin hatte ich in letzter Zeit nicht mehr zur Klinge gegriffen. Mein Handy klingelte: „Ich stehe gerade vor dem Kino und ich dachte mir, fragst du Nikki mal, ob sie nicht eventuell Lust hat auf einen entspannten Abend?“ Ich musste grinsen. Kellan hatte die ganze Zeit nicht locker gelassen. Immer wieder hatte er mich um ein Date gebeten. Aber ich hatte jedes Mal höflich abgesagt. Ich war noch nicht wieder bereit einem Jungen zu vertrauen. „Komm schon, nur ein Kinoabend.“, versuchte er mich wieder zu überreden. Was war schon gegen einen Kinobesuch einzuwenden? Also sagte ich zu.
Als ich die Treppe hinunter ging konnte ich Dad und Vanessa reden hören. Ich blieb stehen und lauschte.
„Bitte Dad.“, sagte Vanessa, „Diese Schule ist wirklich klasse.“ „Aber sie ist in New York. Das ist ja unglaublich weit weg.“
„Dad, ich halte das hier nicht mehr aus. Alles erinnert mich an sie. Ich brauche Abstand.“ Ich hörte wie Dad seufzte und sich in seinen Sessel setzte: „Ich denke es ist besser, wenn du hier bleibst. Du solltest nicht weglaufen.“ „Danke Dad.“, sagte sie. Ich lief noch schnell aus der Haustür, bevor Vanessa mich sah.
Im Auto sagte ich zu mir selbst: „Es ist besser, wenn sie geht.“ Hause war die Stimmung immer angespannt wenn wir alle da waren. Es war nicht schön. Eine Träne rollte mir über die Wange. Es war schlimm. Ich wünschte mir, dass meine eigene Schwester verschwindet. Aber sie hat Mum in den Tod getrieben. Nur weil sie unbedingt ihre blöde Haarspange haben wollte. Ich seufzte wieder. Es war langsam Zeit Vanessa zu verzeihen. Meine Mum hat immer gesagt: „Ihr könnt euch streiten, das passiert unter Schwestern genauso wie unter Freunden, aber man sollte einander auch vergeben können.“ Sie war eine wunderbare Mum.
Nach dem Kino gingen wir vier noch etwas essen. Es ging mir wieder besser. Wir lachten die ganze Zeit und alberten herum. „Es war ein wirklich schöner Abend.“, sagte ich zu Kellan, der mich zu Hause absetzte, weil mein Wagen mal wieder den Geist aufgegeben hatte. Er lächelte: „Freut mich.“ Ich sah ihm an, dass er in Begriff war, mich zu küssen und schloss schnell die Haustür auf. „Wir sehen uns Montag in der Schule.“, sagte ich noch und ging ins Haus. Schnell lief ich die Treppe hoch. Ich hatte keine Lust meinem Dad zu begegnen. Aber als ich das Bad aufmachen wollte, war abgeschlossen. Vermutlich war Vanessa gerade drin, dachte ich und ging in mein Zimmer. Nach einer halben Stunde war immer noch niemand aus dem Bad gekommen und so langsam war ich genervt. Ich ging zur Tür und klopfte: „Vanessa, sieh zu. Es wollen auch noch andere ins Bad!“ Doch ich hörte nichts. Ich hielt den Atem an. Im Bad war nichts zu hören, aber warum war dann abgeschlossen. Panik überkam mich und ich lief schnell in die Küche um den Ersatzschlüssel zu holen.
Und als ich sah, was im Bad passiert war, hätte ich am liebsten die letzten Monate meines Lebens wieder rückgängig gemacht.
Kapitel 14
„Es ist meine Schuld.“, sagte ich immer wieder, „Es ist meine Schuld.“ Kellan drückte meine Hand. Ich hatte ihn angerufen. Ich wusste selbst nicht warum. Ich hatte jemanden zum Reden gebraucht und Kellan war für mich in letzter Zeit ein guter Freund geworden. „Nein, das ist es nicht. Wenn du sie nicht gefunden hättest…“, versuchte er mich zu beruhigen, aber ich hörte ihm gar nicht zu: „Sie wollte sich umbringen.“ „Du hast es aber verhindern können.“, versuchte Kellan es wieder. Ich schüttelte den Kopf. Es war meine Schuld. Die ganze Zeit hatte ich ihr eingeredet, dass sie Schuld an Mums Tod war, dabei hätte ich ihr als Schwester zur Seite stehen müssen. „Das war für euch alle nicht leicht. Jeder hat versucht das anders zu verarbeiten.“ Die Tränen liefen mein Gesicht hinab. Ich hätte nie gedacht, dass ein Mensch so viel weinen kann. Ich bekam das Gefühl, als könnte ich nicht
mehr richtig atmen. Meine Brust verengte sich immer mehr. „Ich bin kurz auf Klo.“, sagte ich nur und lief ins Besucher-WC der Klinik. Mit zittriger Hand wühlte ich in meinem Portemonnaie und holte eine Rasierklinge heraus. Ich versuchte tief durchzuatmen, bevor ich den ersten Schnitt setzte. Es folgten zwei weitere, und erst als ich sah, wir das Blut lief, beruhigte ich mich wieder. Ich legte meinen Kopf zwischen die Knie und atmete ruhig durch.
Es klopfte an der Tür. „Ja?“, rief ich und versuchte schnell meinen Arm unter dem Wasserhahn abzuwischen, aber das Blut lief immer noch. „Ist alles in Ordnung bei dir?“, fragte Kellan hinter der Tür. Verdammt, ich hatte gar nicht an die Zeit gedacht, ich musste schon eine Ewigkeit hier sitzen.
Ich wischte schnell meinen Arm mit einem Tuch trocken, zog mein Sweatshirt wieder drüber und schloss die Tür auf. Ich versuchte zu lächeln, aber es wirkte ziemlich gequält: „Alles gut.“
„Okay.“, meinte er, „Ich habe mir nur Sorgen gemacht.“
„Alles gut.“, wiederholte ich wieder.
„Hier seid ihr.“, sagte mein Dad, der uns wohl gesucht hatte. „Vanessa ist jetzt wach.“ Ich schluckte: „Kann ich kurz mit ihr alleine reden?“
Mein Dad nickte und Kellan drückte noch einmal kurz meine Hand ehe ich das Zimmer betrat.
Kapitel 15
„Hey.“, sagte ich, als ich mich zu ihr ans Bett setzte. Vanessa starrte an die Decke. „Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich sagen soll. Ich habe wohl einiges falsch gemacht.“ „Hm.“, meinte sie nur, „Es ist ziemlich traurig. Da muss ich erst versuchen mich umzubringen, ehe irgendjemand schnallt, dass ich auch Probleme habe.“
„Ich habe dir die Schuld zugeschoben. Wenn ich irgendjemandem die Schuld geben konnte, ging es mir besser.“ „Es ist ja meine Schuld. Weil ich diese bescheuerte Haarspange haben wollte. Mum war sowieso schon fertig. Und ich habe es noch schlimmer gemacht, an dem Tag. Es ist meine Schuld, das weiß ich.“
„Ich hätte dich damit nicht alleine lassen sollen. Wir sind schließlich Schwestern. Wir haben vorher alles zusammen gemacht und dann habe ich dich einfach nicht mehr beachtet.“ „Wir haben es wohl beide verbockt.“ Ich nickte. Dann nahm ich ihre Hand. „Es tut mir leid Vanessa. Wie hat Mum immer gesagt?“
„Ihr könnt euch streiten, das passiert unter Schwestern genauso wie unter Freunden, aber man sollte einander auch vergeben könne.“, sagte Vanessa.
„Also vergibst du mir?“, fragte ich vorsichtig.
„Nur wenn du mir auch vergibst.“, meinte sie und versuchte zu lächeln. Dann umarmte ich sie und begann fürchterlich zu weinen: „Es tut mir so leid.“, schluchzte ich. Und dann merkte ich wie die ganze Anspannung der letzten Monate von mir fiel.
Einige Tage später war wieder Ruhe zu Hause eingekehrt. Mit meinem Dad verstand ich mich auch wieder besser. Er hatte selbst gemerkt, dass er zu viel arbeitete und sich zu wenig um uns kümmerte. Gestern sind wir alle zusammen Essen gegangen und es war wirklich schön, fast als wären wir wieder eine Familie. Aber bis dahin brauchten wir alle noch ein wenig Zeit.
Kellan unterstützte mich dabei. Wir waren nicht zusammen, auch wenn ich wusste, dass er Gefühle für mich hatte, aber so weit war ich dann doch noch nicht. Einen Abend hatte er meine Narben an den Armen entdeckt. Er hatte sich furchtbar aufgeregt, was ich unglaublich süß von ihm fand.
Jetzt mache ich zusammen mit Vanessa eine Therapie. Bis jetzt mit Erfolg. Unser Verhältnis ist (fast) wieder so wie früher und eine Rasierklinge hatte ich seit dem auch nicht mehr in der Hand.

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Publication Date: 06-06-2011

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