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„Keine weiteren Einwände, Euer Ehren.“ Erstaunt blickte Cathleen Walker zum Gegenanwalt hinüber. Sie hatte gehört, dass er gut war, genau deshalb hatte sie auch nicht abgelehnt als ihr ein erster Fall vor Gericht mit William O’Clair auf der Gegenseite angeboten worden war, doch das er so gut war, hätte sie nicht gedacht. Während O’Clair mit wenigen Argumenten den Richter von seiner Meinung zu überzeugen probiert hatte, war Cathleens Selbstvertrauen ziemlich geschrumpft. Doch nun war es wieder voll da. Cathleen wusste, dass sie es schaffen konnte wenn sie die Fassung bewahren, und den Richter mit ihren Argumenten überzeugen konnte. Der Gerichtssaal war, für heutige Verhältnisse sehr modern gestaltet. Die Wände waren frisch gestrichen und eierfarben. Die Tische und die sonstige Möblierung aus hellem Holz. Nur das Geräusch des Ventilators war zu hören, als der Gerichtssekretär Cathleen aufforderte sich zu erheben und sich zu äussern. Sie stand auf, nahm den Stapel mit den kopierten Unterlagen und verteilte sie an den Richter, den Gerichtsschreiber und den Gerichtsdiener. Es war heiss, und Cathleen schwitzte in ihrem dunkelbraunen Anzug und der weissen Bluse. Heute Morgen hatte sie noch im Regen und bei 15°C mit ihrem Klienten bei Starbucks Kaffee getrunken und nun war es mindestens 30°C warm. Während Cathleen nun also gelassen und ruhig ihre Argumente vorbrachte und nur einmal unterbrach um einen Schluck Wasser zu trinken, sass William ohne eine Mine zu verziehen auf seinem Stuhl und schaute herablassend zu Cathleen hinüber, die ihn gar nicht beachtete. Der Richter, der zuvor zurückgelehnt, jetzt aufrecht auf seinem grossen Stuhl sass, beobachtete Cathleen ganz genau und hörte gespannt zu, wobei sein Blick jedoch immer wieder von Cathleens Gesicht nach unten zu ihrer tief ausgeschnittenen Bluse wandelte. Cathleen übersah das genauso wie die giftigen Blicke, die William jetzt begann mit seinem Klienten zu ihr hinüber zu werfen. Nun wusste er also, dass auch sie gut war, sehr gut sogar. Vielleicht sogar gleichgut wie er, wenn das überhaupt möglich war. Sie aber konzentrierte sich, genau so wie ihr Vater es ihr gelehrt hatte, ausschliesslich auf ihre Aufgabe. Ihr Vater, ein berühmter Anwalt, hatte ihr kürzlich einmal gesagt: „Dein Klient muss dich völlig auf dich verlassen können, er kann nicht eingreifen wenn du vor dem Richter stehst. Erstens hat er zu wenig Sachkenntnis und zweitens ist das verboten.“

„Das war’s, ich danke beiden Seiten für die jeweiligen Erläuterungen. Das Gericht wird sich besprechen und sie werden den Entscheid bis spätestens nächste Woche per Post erhalten. Ich wünsche ihnen noch einen schönen Tag.“ Der Richter packte seine Unterlagen zusammen und verliess, nicht ohne noch einmal einen ausgiebigen Blick auf Cathleens Ausschnitt zu werfen, den Raum. William stand auf und kam zu ihr hinüber. „Guten Tag, mein Name ist William O’Clair“, stellte er sich vor und streckte ihr die Hand entgegen. Am rechten Ringfinger steckte ein Siegelring aber sonst konnte sie keine Ringe entdecken. Er war also nicht verheiratet. William O’Clair war nämlich definitiv der Typ Mensch, der falls er einen Ehering hätte, diesen auch tragen würde. „Cathleen Walker, freut mich.“ „So so, die Tochter von Frederic Walker nehme ich an. Sie haben das Zeug um es hier weit zu bringen. Sie sind hübsch, haben Selbstvertrauen und ein Talent zum reden.“ Cathleen wusste nicht was sie erwidern sollte und sagte einfach nichts. Sie schaute ihn einfach nur an. Seine dunkelbraunen Haare, die er gekonnt nach hinten gegellt hatte, seine hellblauen Augen, sein Gesicht mit den hohen Wangenknochen, die ihn älter wirken lassen als er ist und seine schön geformten Lippen. Dann drehte er sich auch schon um und ging zu seinem Klienten hinüber, der ihm sofort die Hand schüttelt und ausgesprochen siegessicher wirkte. Auch Cathleen drehte sich um und ging zu ihrem Klienten. Auch er wirkte sehr siegessicher und gratulierte ihr überschwänglich.


„Na, wie lief’s?“ Zwei Stunden später stand Cathleen ihrem Freund gegenüber, der ihr eben seine Wohnungstür geöffnet hatte. „Gut, wenn man davon absieht, dass wir verlieren werden, weil William O’Clair schon zwei Jahre Erfahrung hat und ich frisch von der Uni komme. Da kann er noch so oft sagen, dass ich ein Talent zum Reden habe und hübsch sei! Cathleen lies sich auf das blaue Sofa fallen. Wo war denn nur mein Selbstvertrauen geblieben von dem William doch auch geredet hatte. „Er hat dich WAS genannt? Hübsch? ER liegt ja vollkommen richtig aber das gibt ihm noch lange nicht das Recht das auch zu sagen!“ „Oh Michael können wir bitte etwas anderes machen als über William O’Clair sprechen?“ „Klar, jederzeit. Was schlägst du vor?“, Michael grinst anzüglich. „Ah mir fiele da schon was ein.“

„Um was ging der Fall noch mal?“, fragte Michael, als er und Cathleen am nächsten Tag nach dem Aufwachen gemütlich nebeneinander lagen. „Du hast es mir, glaube ich auf jeden Fall, letzte Nacht schon erklärt aber da war ich irgendwie nicht so bei der Sache.“ Er grinste Cathleen anzüglich an. Sie richtete sich in den Kissen auf und lehnte sich an Michaels Schulter. „Also es gibt diese zwei Schwestern deren Vater ein bekannter Designer war. Jetzt macht eine andere Firma einen Stuhl nach. Und ich musste mithilfe von Paragraph…“ „Baba, ich hab’s verstanden, und diese Paragraphen sagen mir ja doch nichts.“ Meinte Michael zärtlich und gab ihr einen Kuss. Den verletzten Ausdruck ihrer Augen, bemerkte er nicht.

„Was meinst du dazu, Annik? Es ist doch auch für Michael nicht gerecht, wenn wir zusammenbleiben obwohl ich ihn immer weniger liebe?“ Es sind vier Tage vergangen und Cathleen ist mit ihrer besten Freundin in der Stadt am Shopen. „Immer wenn ich etwas über meinen Fall sage, unterbricht er mich. Er fragt zwar selbst danach, hört dann aber gar nicht richtig zu. Aber er darf doch auch immer von seinen Geschäften erzählen, wieso ich dann nicht?“ Gemütlich schlendern die beiden die Hauptstrasse von Bournemouth hinunter, vollgepackt mit Tüten. „Ich finde, du bist überarbeitet, hast zu wenig geschlafen und machst aus einer Mücke einen Elefanten. Ihr seid jetzt schon fünf Jahre zusammen, irgendwann musste mal eine Krise kommen“, meinte Annik nun und steuerte auf das „Dreams“ , das Lieblingspub der beiden zu. Das kleine Pub, mit den weinroten Wänden, der dunkelgrünen Glastheke und den sieben kleinen, blauen Holztischen, hatte eine besondere Bedeutung für Annik und Cathleen. Hier hatten sie sich vor acht Jahren kennen gelernt, weil beide unbedingt den Tisch ganz links am Fenster wollten. Jetzt setzten sie sich an genau diesen und bestellten beide ein grosses Bier. „Aber was, wenn es nicht nur eine kleine Krise ist? Mein Job ist mir jetzt schon so wichtig. Ich glaube nicht, dass ich einen Freund haben kann der meine Arbeit nicht versteht und sich nicht mal bemüht dies zu tun.“ Annik überlegte einen Moment, dann sagte sie: „Hör zu Cath, du hast doch gesagt Michael käme später zu dir. Gib ihm noch mal eine Chance. Rede noch nicht mit ihm. Okay? Vielleicht hat er gerade ne Stressige Zeit im Geschäft. Vergiss nicht, er ist fünf Jahre älter als wir, Manager seiner eigens gegründeten Firma und war schon einmal verheiratet. Wenn du mich fragst hat Michael im Moment einfach viel um die Ohren.“ „Vielleicht hast du recht. Er prozessiert im Moment gegen Camilla, seine Exfrau. Sie will mehr Geld.“ „Na siehst du! Und jetzt lass und über was anderes reden! Ich war gestern mit Andreas aus!“

Zur gleichen Zeit bog William O`Clair in die Alee ein, die zu seinem Haus führt. Als William seinen ersten Fall gewonnen hatte, baute sein Vater für ihn ein eigenes Haus auf dem Grundstück der O’Clairs. Doch heute bog er nicht zu seinem Haus ab sondern fuhr weiter bis zum Haus seiner Eltern. Vor der marmornen Steintreppe hielt er an und stieg aus. Er drückte einem Butler den Schlüssel in die Hand. „Bringen Sie ihn bitte rüber in mein Haus.“ Er öffnete die Haustüre und trat in die grosse Marmorhalle. „Mum, Dad? Ich bin wieder aus London da!“ „Wir sind im Wohnzimmer“, ertönt die Stimme seines Vaters. William ging den langen Gang hinunter und betrat das gemütliche Wohnzimmer. Auf dem grünen Sofa in der Mitte des Zimmers sassen seine Eltern. Sein Vater hatte einen Arm um die Schulter seiner Mutter gelegt und die beiden schauten fern. Als William das Zimmer betrat, schauten sie auf. „Willkommen zuhause Will. Essen steht in der Küche, dort liegt auch deine Post“, meinte seine Mutter. Er holte sich den Rest Nudelauflauf und die Post. „Hey, da ist eine Karte von Lesley. Sie ist gerade am Nordpol und rettet Eisbären.“ Seine Eltern sagten nichts dazu. Lesley war Wills Schwester. Seit sie sich entschieden hatte ihr Medizinstudium abzubrechen um sich Greenpeace anzuschliessen, hatten seine Eltern nichts mehr von ihr wissen wollen. Da war er ja, der Brief vom Gericht. Langsam öffnete er ihn und zog die Blätter heraus. William las den ersten Abschnitt und lies das Blatt sinken. „Diese Frau ist unglaublich!“ „Wer? Deine Schwester? Ja sie ist unglaublich, unglaublich dumm! Sich einfach das Studium in Oxford entgehen zu lassen…“, Sein Vater schüttelte den Kopf. „Nein, ich spreche von Cathleen Walker. Es war ihr erster Fall, aber sie kam in diesen Saal und strahlte eine Ruhe und ein Selbstbewusstsein aus, wie ich es noch nie erlebt hatte. Dann stellte sie sich vor diesen Richter und erklärte ihm mit Witz und Charme, dass es gar nicht anders ginge als das sie gewinne. Und als Bonus war der Richter auch noch von ihrem Ausschnitt begeistert.“ „Cathleen Walker, sagst du? Ist sie verwandt mit Frederic Walker?“ „Ja, sie ist seine Tochter.“ „ War mir gar nicht bewusst, dass seine Tochter Anwältin ist. Er ist einer meiner besten und ältesten Freunden. Sie muss hübsch sein, bei den Eltern!“ Alle schauten wieder auf den Fernseher, bis William plötzlich aufsprang und fragte:“ Mum, kann ich schnell dein Auto ausleihen? Meins steht schon drüben.“ „Klar, aber was machst du denn jetzt noch?“ „Ich muss noch schnell was erledigen.“ „Hat es mit einem Mädchen zu tun?“, meinte sein Vater interessiert. Ohne eine Antwort verliess William das Wohnzimmer.

Cathleen betrat, Hand in Hand ihre Wohnung und schaltete das Licht ein. Sie legte ihre Jacke ab und schaute ihre Post durch währen Michael sich an den Küchentisch setzte und sich und Cathleen ein Glas Roten einschenkte. „ Hey, da ist der Brief vom Gericht!“, meinte Cathleen begeistert und riss ihn auf und überflog die ersten Zeilen. „Michael! Ich habe gewonnen! „Freut mich für dich.“, sagte Michael, schaute jedoch nicht mal von der Autozeitschrift auf die er sich geholt hatte. Cathleen liess sich auf einen Stuhl fallen und begann den Entscheid genauer zu lesen, als die Türklingel läutete. „Könntest du bitte schnell an die Türe gehen, Michael?“ Er murrte, erhob sich dann aber. Als er die Türe öffnete, schaute Michael erstaunt auf den riesigen Blumenstrauss vor ihm. „Guten Abend, ist Cathleen Walker zuhause?“ fragte der Blumenstrauss. „ Ja, sie ist hier. Was wollen sie von ihr?“ „ Ich würde ihr gerne gratulieren. Ich bin William O’Clair. Ich war ihr Gegenanwalt im letzten Fall. Könnten Sie sie bitte rufen?“ Nun schob sich endlich ein Gesicht neben den Blumenstrauss. Als Cathleen, nachdem Michael sie gerufen hatte, den Flur betrat meinte sie erstaunt: „ Mr. O’Clair!“ „Ich bitte sie Cathleen, ich bin William. Wir sind doch Berufskollegen.“ „Und was genau wollen Sie hier? Mir persönlich mitteilen, dass sie Einspruch gegen das Urteil einlegen werden?“, sagte sie mit einem bissigen Unterton. „Nein Cathleen, ich wollte ihnen ganz einfach zu ihrem ersten, gewonnenen Film gratulieren. Sie erlauben?“, mit diesen Worten ging er auf Cathleen zu, küsste sie auf beide Backen, drückte ihr den Blumenstrauss in die Hand und sagte: „Gratuliere Cathleen. Ihr Auftritt vor dem Richter war Hollywoodreif, von ihrem Ausschnitt gar nicht zu reden.“ Michael der in der Zwischenzeit an eine Wand hinter Cathleen gelehnt stand, schaute ziemlich erstaunt und Cathleen fühlte sich plötzlich ganz mulmig. Wie er sie mit seinen tiefblauen Augen anlächelte… Schliesslich fand Cathleen ihre Stimme wieder und ihr Verstand erinnerte sie daran, dass sie einmal eine Erziehung genossen hatte und so bedankte sie sich herzlich bei ihm. Dann sagte wieder niemand was, bis Michael sich räusperte. William schreckte hoch, meinte jedoch sofort: „Also ich geh dann mal! Cathleen, bis bald im Gerichtssaal!“ Er drehte sich um und lief die Treppe hinunter, doch kurz bevor er ins Freie trat sagte er ganz ernst: „ Ach ja, und wir werden keinen Einspruch gegen das Urteil einreichen. Der Richter ist mein bester Freund. Wenn er also gegen mich entschieden hat, wird das jeder andere Richter erst recht tun.“ Woran Cathleen eben noch gezweifelt hatte war ihr jetzt klar: Er hatte die Glückwünsche ernst gemeint, er wollte sich nicht über sie lustig machen.

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Publication Date: 07-18-2009

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