„Gestattet mir, dass ich mich Euch vorstelle. Mein Name ist Vlad Alexandar Dracul. Nennt mich doch bitte Alex.“ Nun fiel ihr doch der Kiefer runter. Verblüfft blickte sie ihn mit großen Augen an.
„Ihr seid… ihr seid …?“
Eleanor fand kaum noch Worte. Nur ein hilfloses Stottern kam aus ihrem Mund. Doch der Mann ihr gegenüber lächelte sie nur an.
„Nein, ich bin ein Nachfahre von Vlad Dracul. Was dachtet Ihr denn? All den Unfug den Ihr jemals über meinen Ahnen gehört habt, ist lediglich ein Mythos. Mehr nicht!“
Kam es ihr nur so vor, oder waren seine Eckzähne doch länger als die Anderen? Sie musste sich täuschen. Natürlich war die Legende von Dracula nur ein Mythos und sie jagte lediglich einem Hirngespinst hinter her. Was sonst wohl sollte sie dazu bringen, alles daheim auf Eis zu legen und nach Rumänien zu fahren, um dort sein berühmt berüchtigtes Schloss zu finden. „Sagt mir doch bitte, was euch in mein Land führt?“ Auf diese Frage hätte sie doch besser vorbereitet sein müssen. Was nun sollte sie ihm erzählen? Eine Geschichte oder die Wahrheit?
„Ich arbeite für einen großen Verlag in L.A. Wir suchen nach einer neuen Herausforderung und so hat es sich mein Arbeitgeber in den Kopf gesetzt, einen Bericht über Vampire heraus zu bringen.“
Naja, wenigstens ist dies nur eine halbe Lüge, dachte sie. Eindringlich sah Alexandar sie an.
„Nun, dann seit Ihr hier an dem richtigen Ort, um Eure Recherche zu beginnen. Doch Ihr müsst nun großen Appetit haben. In Eurem Gemach ist ein Bad zubereitet worden und es liegen auch frische Kleider für Euch bereit. In einer Stunde erwarte ich Euch im großen Saal.“
Er verneigte sich vor ihr und verließ den Raum. Tatsächlich wartete bereits ein alter Badezuber mit warmem Wasser auf sie. Genüsslich machte sie es sich dort bequem. Tausende Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Ein Ahne des berühmten Dracula war er also. Sie war gespannt auf ihn. Er sah unglaublich gut aus. Seine Augen schienen sie mit einem Bann zu belegen, aus dem sie sich kaum befreien konnte. Ein leichtes Flattern durchfuhr ihren Bauch als sie an das bevorstehende Dinner dachte. Auf dem Bett lag bereits ein wunderschönes schwarzes Abendkleid bereit.
Sie betrachtete sich im Spiegel. Das schwarze Haar hatte sie offen gelassen. Lang und seidig fiel es ihr bis zur Taille. Schultern zurück und Brust raus, dachte Eleanor und machte sich auf dem Weg in den Saal. Als sie die lange Treppe herunter ging, erwartete Alexandar sie bereits.
„Ihr seht wunderschön aus.“
Er nahm wie selbstverständlich ihre Hand und begleitete sie zum großen Eichentisch. Leckere Sachen standen dort bereit. Gefüllte Rebhühner, kleine Wachteleier und Fladenbrote erfüllten die Luft mit einem herrlichen Duft. Eleanor lief das Wasser im Mund zusammen und wusste nicht genau, wo sie am besten anfangen sollte.
„Erzählt mir von Los Angeles. Wie ist es dort?“
„Nun. Es ist dort zu dieser Jahreszeit auf jeden Fall wärmer als hier.“
Er musste lachen.
„Kein Wunder. Der Rumänische Winter hat es in sich. Keine schöne Jahreszeit.“
Er langte beherzt zu und biss in das saftige Fleisch hinein. Also trinkt er kein Blut, wenn er normale Sachen essen kann, dachte sie.
„Nehmt doch von dem Rotwein. Ein wirklich ausgesprochen guter Jahrgang.“
Rotwein, dachte Eleanor. Oh nein. Besser nichts Rotes trinken. Unwillkürlich lief ihr ein Schauer über den Rücken.
„Ähm, seid mir nicht böse. Ich vertrage Wein nicht sehr gut.“
Und wieder stotterte sie vor ihm. Doch dies schien ihm nichts aus zu machen. Er reichte ihr ein Glas mit klarem Wasser und lächelte sie an. Er trank einen großen Schluck der dunkelroten Flüssigkeit und sah ihr tief in die Augen.
„Auf das Ihr hier findet, was ihr sucht.“
Seine doppeldeutigen Worte gingen ihr unter die Haut. Ob sie sich nun verraten hatte? Sicher nicht. Er war nur ein Nachfahre. Mehr nicht. Nach dem Essen geleitete er sie in einen anderen großen Raum. Darin befand sich ein riesiges Bild an der Wand.
„Das ist er. Vlad Dracul. Ein wahrlich großer Mann. Es gibt viele Geschichten über ihn. Die einen erzählen er wäre grausam gewesen, die anderen berichten von einem zerbrochenen Mann. In der Bibliothek gibt es viele Bücher. Da Ihr nun einmal hier seit, habt ihr viel Zeit, diese zu lesen.“ Eleanor starrte auf das Bild. Obgleich Dracul in einer Rüstung gekleidet war und auch das Haar anders lag, so sah er Alexandar wie aus dem Gesicht geschnitten. Sie musste schlucken. Es würde immer komplizierter werden heraus zu finden, was Wahrheit oder Legende war.
Sie musste heraus finden, wer Alexandar wirklich war. War er derjenige, den er vorgab zu sein.
Oder war er der Mann auf dem Gemälde? Fragen über Fragen. Während ihr Gegenüber den Abend höflich mit ihr plauderte, gingen sie ihr nicht aus den Sinn. Es war spät geworden, als er sie nach oben brachte.
Vor ihrem Schlafgemach blieb er stehen und sah ihr tief in die Augen.
Er tut es schon wieder, dachte Eleanor. Ein aufgeregtes Gribbeln machte sich in ihrem Bauch breit. Ihr Herz fing an schneller zu pochen. Er nahm ihre Hand an seinen Mund und küsste sie. Kalt spürte sie seine Lippen darauf. Und heiß schoss es ihr durch den Körper.
„Ich wünsche Euch eine gute Nacht, meine Schöne. Schlaft und träumt gut.“
Als sich die Tür hinter ihr schloss, war sie aufgewühlter denn je. Wie kann es sein, dass ein Mann sie so aufregen konnte. Fast hatte sie gehofft, dass er sie küssen würde. Lange lag sie in dem weichen Himmelbett. Eine Kerze hatte sie noch an gelassen und auch der Kamin flackerte noch hell und wärmte den Raum angenehm. Draußen heulte der Wind mit den Wölfen um die Wette. Doch langsam schlummerte sie ein.
Sie lief durch die dunklen Gänge des Schlosses. Gewandet in einem rubinroten schulterfreien Samtkleid mit langen feinen Handschuhen welche ihr bis über die Ellenbogen reichten. Ihr Haar war zu einer kunstvollen Frisur nach oben gesteckt. Eisige Kälte schlug ihr entgegen. Atemlos lief sie weiter und weiter, die große Treppe hinunter aus deren Richtung laute Musik erklang. Schwer atmend stand sie vor den großen Eichentüren.
Was sollte sie nun tun, dachte sie noch als sich diese öffneten. Ein großer hell erleuchteter Ballsaal tat sich vor ihr auf. Maskierte Männer und Frauen in prunkvollen Gewändern tanzten durch den großen Raum. Ein Orchester spielte gerade einen Walzer als Eleanor eintrat.
Doch dann traten vor ihr die Menschen auseinander und bildeten eine Gasse, durch welche sie hindurch schritt. Leise Stimmen schlugen ihr entgegen. Das ist sie, raunten sich die anderen Gäste des Balles zu.
Und da stand er, am Ende des langen Ganges und lief ihr entgegen.
Sein muskulöser Körper war in einem prächtigen Abendanzug gekleidet. Auch er trug eine Maske und schien der Gastgeber dieser Feier zu sein.
„Ich wusste, dass du kommen würdest.“
Er umfasste ihre Hüfte und tanzte mit ihr durch den Saal. Auch die Anderen taten es ihnen gleich. Ihr kam der Walzer endlos vor. Eng umschlungen führte er sie. Dunkel und verlangend blickte er in ihre Augen. Nach einer schieren Endlosigkeit endete der Tanz. Verlangend sah er sie an.
„Werde heute Nacht Mein.“
Die Gäste prosteten dem Paar zu. Ihre Kelche waren mit einer dunkelroten Flüssigkeit gefüllt. Angst machte sich in Eleanor breit. Doch dann, als er ihr mit seiner weißen Hand liebevoll die Wange streichelte, beruhigte sich ihr aufgewühltes Inneres.
„Du brauchst keine Angst vor mir haben. Die Ewigkeit ist für ins geschaffen.“
Weiß blitzten seine Eckzähne auf bevor er seinen Mund in ihrem Hals vergrub. Es war ein kurzer süßer Schmerz, den sie verspürte. Eine bleierne Müdigkeit machte sich in ihr breit. Dann versank alles um sie herum in Dunkelheit.
Abrupt sprang Eleanor in ihrem Bett hoch. Schweißgebadet klebte das Nachthemd an ihrer Haut. Obwohl es bereits Mittag war, schummerte das Licht nur spärlich durch das Fenster. Ein Traum, dachte sie. Nur ein Traum. Langsam beruhigte sich ihr Herzschlag. Nur mühsam kam sie heute auf die Beine. Es war ganz so, als hätte sie tatsächlich die ganze Nacht durchweg getanzt. Wie am Tag zuvor, traf sie auf keine Menschenseele als sie durch das Gemäuer lief. Ein reichhaltiges Frühstücksbuffet war aufgebaut worden und heißer Tee wartete auf sie. Vom Personal oder Alexandar war jedoch nichts zu sehen. Nach dem Essen, machte sie sich wieder auf Erkundigungstour durch das Schloss. Die vielen langen Gänge und Räume verwirrten sie. Die meisten Räume waren offen. Nur eines nicht. Leider konnte sie keinen Schlüssel finden. Ob ihr Gastgeber sich in diesem Raum befand? Sicher war sie sich nicht, jedoch hatte sie ihn in keinem der anderen gefunden. Er war und blieb ihr ein Rätsel. In der warmen Bibliothek durchforschte sie wieder die langen Bücherreihen. Mühsam las sie in den dicken Wälzern ohne auch nur auf einen Hinweis zu stoßen. Schade, dass das Tagebuch nicht in englischer Sprache geschrieben war. Mit einem Wörterbuch gewappnet, machte sie sich auf die langwierige Übersetzung. Wieder verschwommen nach einiger Zeit die Buchstaben vor ihren Augen. Ein kurzer Moment im Sessel und sie schlief tief und dieses Mal traumlos ein.
Ein leichtes kitzeln an ihrer Wange erweckte sie. Blinzelnd machte Eleanor ihre Augen auf.
„Ich hab beinahe den Eindruck ihr schlaft viel lieber in der Bibliothek als in Eurem Bett?“ Schmunzelnd stand Alexandar vor ihr.
„Seid ihr voran gekommen mit Eurer Suche?“
Sie konnte ihm kaum erzählen, dass sie dabei war heraus zu finden, wer er eigentlich war.
„Nun, ich bin dabei, die Bücher zu durchforsten. Viel konnte ich noch nicht entdecken.“
Röte schoss ihr ins Gesicht. Eine Notlüge, dachte sie. Aber tatsächlich war sie ja auch noch keinen Schritt weiter.
„Lasst Euch Zeit. Die Herbststürme haben eingesetzt. Ihr werdet wohl für eine Weile mein Gast sein müssen, bevor Ihr wieder heim reisen könnt. Es wäre mir eine Freude, wenn ihr dies in Anspruch nehmt.“
Ein eigenartiges Gefühl machte sich in Eleanor breit. Sollte sie sich nicht glücklich schätzen? Sie hatte nun genug Zeit, um die Wahrheit ans Licht zu bringen. Eine leise Angst befiel sie jedoch.
Ihr Gastgeber erwartete sie wie am Abend zuvor im großen Saal. Wieder befand sich ein Badezuber auf ihrem Zimmer und ein weiteres luxuriöses Abendkleid lag für sie bereit. Das Dinner verlief ebenso in einer gemütlichen Atmosphäre. Er bot ihr wieder von dem roten Wein an, welchen sie ablehnte. Fast schien es ihr, als würde Alexandar ihr den Hof machen. Er machte ihr viele Komplimente und wollte alles aus ihrem Leben wissen. Charmant unterhielt er sie die halbe Nacht bevor er sie wieder auf ihr Zimmer brachte. Ganz nah trat er an sie heran. Als er wieder ihre Hand küsste, wurde ihr Puls abrupt schneller.
„Ich bin froh, dass Ihr hier seid. Ich wünsche Euch eine gute Nacht, meine Schöne.“
Doch an Schlaf war nicht zu denken. Lange lag sie wach und dachte über ihn nach. Es war kein Zufall, dass sie tagsüber keiner Menschenseele begegnete. Ein Geheimnis umgab ihn. Nachfahre hin oder her, sie musste sein Schlafgemach finden. Irgendwo in diesem Schloss war es.
„Ich werde es finden…“, murmelte sie leise bevor sich ihre Augen schlossen.
Musik drang in Ihre Ohren. Wie im Trance erhob sie sich. In dem großen Spiegel in ihrem Zimmer erblickte sie ihre Gestalt. In einem prunkvollen schwarzen Samtkleid war sie gewandet mit einem Diadem auf ihrer kunstvollen Lockenfrisur. Ein innerer Drang zwang sie den Raum zu verlassen. Zielsicher führten ihre Beine sie in den großen Saal aus dem ein Orchester erklang. Sie betrat den vollen Raum. Die maskierten Gäste in ebensolchen Ballkleidern gekleidet, traten auseinander, um ihm Platz zu machen. Er ergriff ihre Hand und führte sie zum Tanz.
„Du bist Mein. So lange habe ich auf dich gewartet und nun bist du endlich zu mir gekommen.“
Er blickte in ihre Augen. Ihr Puls fing an zu rasen und Hitze breitete sich in ihrem Schoß aus. Langsam senkte er seinen Kopf. Sanft berührten seine kalten Lippen ihren Mund. Weich und warm fühlte sie sich an.
Verlangen kam in Eleanor hoch.
Ein Verlangen nach viel mehr als nur einen Kuss. Ihr Herz schlug ihr bis an den Hals.
Er umfasste ihren Körper und zog sie noch dichter an sich heran.
„Werde Mein!“, flüsterte er in ihr Ohr.
Langsam öffnete sie ihre Augen. Sie befand sich in ihrem Zimmer. Sie gähnte und streckte sich. Wie lange sie bereits auf dem Anwesen Alexandar´s verweilte, wusste sie nicht.
Die Tage zogen an ihr vorbei.
Wie im Trance überstand sie den Tag.
Tagsüber war sie allein.
Irgendwann mittags erhob sie sich aus dem Bett erhob, aß eine Kleinigkeit und suchte dann anschließend in der Bibliothek nach Antworten. Doch die Worte, welche sie übersetzte, verschwommen vor ihren Augen und ergaben keinen Sinn. Sie konnte sich kaum konzentrieren. Erst abends schien sie etwas zu erwachen. Jeden Abend dinierte sie mit ihrem Gastgeber. Aufmerksam und liebevoll unterhielt er sie. Abend um Abend bot er ihr von dem dunkelroten Wein an. Noch konnte sie ihm wiederstehen. Doch sah sie wie genüsslich er aus seinem Glas trank und langsam machte sich in ihr ein großes Verlangen breit.
Jede Nacht hatte sie den gleichen Traum.
In wunderschönen Kleidern tanzte sie mit einem schönen maskierten Unbekannten durch einen großen Saal mit vielen ebenso maskierten Gästen.
Immer wieder küsste sie der Mann und bat sie, seine Gefährtin zu werden.
Tagsüber erschien ihr der Traum viel zu unreal. Jegliches Gefühl für Zeit und Ort verschwand in ihr.
Stunden, Tage und Wochen rannen an ihr vorbei. Eines Morgens wurde sie von einem Geräusch sehr früh wach.
Müde und zerschlagen fühlte sich ihr Körper an. Hell strahlte die Sonne in ihr Gemach.
Und dann hörte sie einen kleinen Vogel, der in der Nähe sein Lied sang.
Abrupt wurde sie hellwach.
Fröstelnd stand sie auf und blickte aus dem Fenster.
Es war Winter geworden.
Schnee lag über den Bergen und Wäldern.
Alles war in ein mildes Weiß getaucht.
Wie lange bin ich nun schon hier, grübelte Eleanor. Ihr wurde mit einem Mal bewusst, dass sie die letzte Zeit nicht sie selbst gewesen war. Was war nur aus ihrem ursprünglichen Vorhaben geworden?
Sie musste sich nun sputen.
Ein paar Stunden hatte sie bis zum Abend.
Sie wollte sich nicht wieder gehen lassen, sondern ihre Mission erfüllen. Eine kalte Wäsche half ihr, ihre Gedanken zu sortieren. Sie sah sich in dem Spiegel an. Eigenartiger Weise hatte sie das Gefühl als wäre sie in der letzten Zeit heran gereift. Irgendwie schöner geworden.
Ich sollte nicht auch noch eitel werden, nur weil mir ein gutaussehender Graf schöne Augen macht. Sie betrachtete ihren Hals.
Kein Makel war daran zu sehen.
Nach einem reichhaltigen Essen machte sie sich mit ihrer Übersetzung auf die Suche nach dem verschlossenen Gemach.
Wie bereits vorher war es fest verschlossen.
Sie machte sich mit einer Haarnadel an dem Schloss zu schaffen und benötigte eine ganze Weile bis sie ein beruhigendes klicken vernahm.
Langsam öffnete Eleanor die Tür. Es war ein Schlafgemach ähnlich ihrem. Nachdem sie die dunklen Vorhänge aufgezogen hatte und den Kamin angefacht hatte, blickte sie sich neugierig um. Helle Möbel und Samtvorhänge standen in dem Raum. Es war eindeutig das Gemach einer Frau. Als sie jedoch das Bild an der Wand erblickte, blieb Eleanor ihr Herz stehen.
Auf dem Bild war ihr Gesicht.
Fassungslos trat sie näher.
Sie erinnerte sich an ihre Träume.
Diese Frau auf dem Bild war sie selbst, gekleidet wie in ihren Träumen. Das Blut rauschte durch ihre Ohren, so dass sie sich auf das Bett setzen musste.
Kalter Schweiß brach ihr aus den Poren.
In welchen Albtraum bin ich nur gelandet?
Gedanken und Erinnerungen schossen durch ihren Kopf. Was, wenn dies alles keine Einbildung gewesen war?
Ihre Notizen fielen ihr ein. Sie nahm die Übersetzung und begann zu lesen.
Das Tagebuch von Vlad A. Dracul:
Der Krieg hatte viele Leben gekostet, doch das Land hatten wir verteidigt. Ich lag lange darnieder. Ein Wunder war es, das ich überlebt hatte. Doch nun kehre ich heim zu meinem Anwesen, zu meiner Frau und meinem Volk. Wie sehr ich sie vermisse. Jeden Tag mehr. Ich kann es kaum noch erwarten sie in meine Arme zu schließen. Meine Liebe, mein Leben. Ich vermisse sie so sehr. Als unser Trupp sich der Burg näherte, kamen uns keine Vorboten entgegen. Eine dunkle Vorahnung packte mich. Ich spornte mein Pferd an. Im Burghof kam mir John, mein treuer Diener entgegen. Alle waren sie in schwarz gekleidet. Sollten sie sich nicht freuen ihren Herrn wieder zu sehen? Ich sah Tränen in den Augen des Gesindels, doch ich verstand ihre Worte nicht. Elisabetha, wo war nur meine geliebte Frau? Warum kam sie mir nicht freudestrahlend entgegen. Verwirrt blickte ich in die vielen Gesichter meiner Untergebenen. Das Wort „tot“ fiel. Jedoch vernahm ich deren Inhalt nicht. Tot? Wer war gestorben? John sah mich traurig an, als sich ein wahnsinniger Schmerz in mir breit machte. Er führte mich zu der kleinen Kapelle. Ein Sarg aus schwarzem Eichenholz stand am Altar. Fassungslos trat ich heran. Und da lag sie. Auf rotem Samt. Als würde sie nur schlafen. Ihre Schönheit berührte mich. Ich berührte ihre Hand. Sie war eiskalt. Sie war tot. Ein Schrei löste sich aus meiner Kehle. Der Schmerz brannte sich tief in mein Herz. Ich hatte das Heiligste in meinem Leben verloren. Ich hatte sie verloren. Übrig blieb nur noch der Tod. Mein Tod.
Tränen brannten in Eleanor´s Augen. Die Geschichte um die Liebe von Alexandar´s Vorfahren rührte sie. Oder war es nicht seine eigene Geschichte? Sie hatte kaum bemerkt wie sich der Tag zu Ende neigte und die Nacht sich breit gemacht hatte.
Leise knarrte die Tür.
Als sie aufblickte, stand er am Türrahmen und sah sie traurig an.
Erschrocken versuchte sie sich zu rechtfertigen. „Es tut mir leid. Ich weiß, ich sollte nicht hier sein….“
Weit kam sie nicht mit ihrem Gestammel.
„Es ist schon in Ordnung, Liebes. Eines Tages musst du ja die Wahrheit erfahren.“
Ruhelos ging er im Raum auf und an. Immer wieder setzten seine Lippen zu Worten an, jedoch wusste er selber nicht genau wo er anfangen sollte.
„Du musst nun sehr stark sein, meine Geliebte. Was ich dir heute erzähle, hat noch kein Mensch in diesem Jahrhundert erfahren.“
Eleanor nickte. Weiterhin in dem Gemach auf und ab gehen, begann Alexandar ihr aus seinem Leben zu berichten.
„Ich wurde im 14. Jahrhundert nach Christi als Sohn eines reichen und mächtigen Grafen geboren. Ich war gerade zehn Jahre alt, als mein Vater mich ins Ausland zu einem Onkel schickte, um mich im Kampf ausbilden zu lassen. Ich vermisste meine Mutter ganz schrecklich und fühlte mich von meinem Vater verraten. Warum nur hatte er mich weggeschickt? Jedoch lernte ich dort Elisabetha, die Tochter meines Onkels kennen. Zusammen wuchsen wir miteinander auf. Ich verliebte mich schon als Kind in ihr Wesen. Sie war zu jedermann liebevoll, ob Adlige oder einfaches Gesindel. Klug und schön zugleich war sie, so dass ich als wir erwachsen waren, um ihre Hand anhielt. Ich war überglücklich als die Hochzeit stattfand und ich Elisabetha nach Hause auf das Schloss meines Vaters brachte. Wir verlebten eine kurze, jedoch intensive Zeit des Glücks. Bald darauf standen die Türken an den Grenzen unseres geliebten Landes und ich musste in den Krieg ziehen. Nur ungern verließ ich meine geliebte Gemahlin. Viele Jahre des Krieges vergangen. Nicht oft konnte ich heim reiten. So ließ ich sie viel allein. Jedoch war unsere Liebe stark. Sie war die Burgherrin und herrschte mit milder Hand über unser Volk. Die Trennung schmerzte, jedoch wuchs unsere Liebe in dieser Zeit noch mehr heran.
Dann geschah ein großes Unglück. Ich wurde schwer verletzt bei einem Angriff der Türken und hätte dies fast nicht überlebt. Ich konnte lange Zeit keine Briefe mehr nach Hause entsenden. Als ich genesen war, ritt ich heim. Doch an den Fenstern der Burg waren schwarze Vorhänge angebracht worden. Schwarze Fahnen wehten auf den Türmen. Was war nur geschehen? John, mein geliebter und treuer Diener kam mir im Burghof entgegen. Er hatte Tränen in den Augen. Meine geliebte Elisabetha war nicht mehr am Leben. Ein gefälschter Brief des Feindes hatte von meinem Tod berichtet. Da sie ohne mich nicht mehr Leben konnte, nahm sie sich das ihrige. Ich war außer mir vor Wut. Ein brennender Schmerz tobte in meiner Seele. Tagelang hatte ich mich in der kleinen Kapelle mit ihr eingeschlossen. Den Verwesungsgeruch ihres Körpers nahm ich nicht wahr. Als mich dann ein Brief aus Rom erreichte, in dem ihre Exkommunikation verkündet wurde, war es vollends vorbei mit meiner Geduld. Meine Geliebte, mein Leben wurde von den Christen aus dem Himmel verbannt, da sie sich selbst das Leben nahm. War dies gerecht? Niemals. Mein Hass und meine Wut waren grenzenlos. Noch in der Kapelle schrie ich den Himmel an und vergoss mein Blut. Ich riss mir meine Kette mit dem Kreuz vom Hals und stürmte wieder in den Krieg. Ich war wie wahnsinnig. Ich tötete jeden Feind. Spießte Körper auf meine Lanze und verfluchte immer wieder die Türken. Ich trank zum ersten Mal Blut und fand Gefallen daran. Als dieser Krieg vorbei war, ritt ich zum nächsten und dann wieder zum nächsten. Meine einst reine Seele hatte sich tiefschwarz gefärbt. Ich war ein wildes Ungetüm, unberechenbar und gefährlich geworden. Eines Tages wurde ich müde von all dem Krieg. Es war mittlerweile ein Jahrhundert vergangen, als ich als ein Nachfahre wieder heim in meine Burg kehrte. Eine neue Generation hatte sich im 15. Jahrhundert nach Christi dort entwickelt. Keiner wusste wer ich war und so gab ich mich als Graf Dracula, Sohn des Vlad Dracul, aus. Ich füllte die Dorfkassen damit mein Volk nicht hungern sollte und verbesserte somit die Lebensumstände. Mein Schmerz über den Verlust meiner jungen Ehefrau wütete noch immer tief in mir. Etwas hatte sich geändert. Der Tag war mir ein Gräuel, so dass ich nur noch des Nachts erschien. Als ich sie das erste Mal sah, dachte ich für einen kurzen Moment, sie wäre meine verstorbene Elisabetha. Ihr Vater, ein armer Bauer, bot sie mir zur Frau an. Ich war allein und wollte endlich dieses tiefe Sehnen in meiner Brust lindern, so dass ich sie mit auf mein Schloss nahm. In meinem Schlafgemach streichelte ich ihr zartes Gesicht, strich über ihre Lippen. Sie roch so unglaublich süß. Es war ein anderer Duft, als der meiner Gemahlin. Ein großer Hunger wuchs in mir heran. Ich küsste ihren weichen Mund. Willig lehnte sie sich an meinen Körper. Meine Hände führen über ihren Hals. Ich kann mich noch genau an ihr Entsetzen erinnern, als sie meine weißen und scharfen Eckzähne erblickte. Ich packte sie und hielt sie fest, als sie mir entrinnen wollte. Dann biss ich in ihren Hals. Und trank ihr Blut. Es war wie in einem Rausch. Während des Trinkens, als ich all das Leben aus diesem zarten Geschöpf saugen wollte, erblickte ich jedoch Elisabetha. Es war nur ein kurzer Augenblick. Sie stand da. Ihre schönen Augen blickten mich traurig an und sie schüttelte den Kopf. Je zerfloss ihr Bild vor meinen Augen. Ich ließ von dem armen Mädchen los. Sie war die Erste von Vielen. Zuerst waren es junge unerfahrene Frauen. Dann und wann mischte sich auch ein junger Mann dazwischen. Und immer wieder erschien mir das Bild meiner Gemahlin bevor ich das Leben gänzlich aus den Körpern saugen konnte. So erschuf ich ein Volk der Untoten. Meine Untertanen. Anfangs war es noch ganz amüsant. Große Festen wurden gefeiert. Alle möglichen Belustigungen wurden mir angeboten.
Doch mein Volk da draußen war beherrscht von Angst und Schrecken. Jeden Abend wurden die Häuser verriegelt, Weihwasser und Kruzifixe hielten uns aus dem Dorf fern. Ich begann mich zu langweilen. Meine Trauer hatte ich nicht überwinden können. Etwas viel Schlimmeres war dazu gekommen. Die Scham anderen Menschen mein eigenes Leid aufzubürden. Sie würden ein Leben in der Dunkelheit führen müssen wie ich. Als meine erschaffenen Vampire jedoch begannen, mein Volk auszusaugen bis in den Tod hinein, begann ich wahrliche Angst zu verspüren. Ich konnte sie nicht mehr daran hindern. Unberechenbar gingen sie ihren eigenen Weg. Was nur hatte ich getan? Es war später Winter, als ein Trupp von Zigeunern am Schloss ankam und bat auf dem Innenhof zu nächtigen. Ich erfuhr erst spät am Abend davon und ging runter in das Lager. Ein Lagerfeuer war angefacht worden. Ein junger Mann spielte auf seiner Geige ein schmerzvolles Lied. Ich stand da und konnte mich kaum rühren, so sehr fesselte es mich. Eine alte Frau war an mich heran getreten. „Ich lese aus Ihrer Hand, Graf. Ja? Ich sagen wie wird Zukunft?“ Und schon packte sie meine Hand und sah hinein. Etwas verwirrt blinzelte ich sie an. Die Alte wurde kreideweiß.
„Devil!“, murmelte sie.
„Habt keine Angst vor mir.“
Wieder betitelte sie mich mit diesem Wort. Als ich sie traurig anblickte und nur noch nickte, sah sie mich jedoch mitfühlen an.
„Was hast du nur getan, Junge?“, sagte sie als ich ihr von meinem Leben berichtete. Ich kannte die Legenden der Zigeuner. Vielleicht konnte diese alte Frau mir helfen?
„Ja, ich kann dir helfen. Aber kannst du damit leben?“
Ich wollte alles, nur musste dieses sinnlose Blutvergießen und Töten aufhören. Lediglich die Bedingung, dass all die anderen Vampire einbezogen wurden in ihrem Zauber hatte ich.
„Es wird eine schwere Zeit, mein Sohn. Nur ein reines Herz wird Euch erlösen können.“
Sie rührte einen eigenartigen Trank an und sprach fremde Worte aus.
Noch in dieser Nacht verließen die Zigeuner den Burghof. Ich stand lange an meinem Fenster. Langsam wich die Nacht dem Tag. Glutrot stieg die Sonne am Horizont empor. Es sollte das letzte Mal gewesen sein, dass ich sie erblickte. Ich nahm den Zaubertrank ein und der Fluch der Zigeunerin breitete sich aus. Keine Menschenseele konnte das Schloss mehr verlassen. Alle Vampire waren sie eingeschlossen darin. Ein Bann hielt auch das Gebäude unsichtbar vor den Augen Anderer. Lediglich ein paar Diener, darunter mein treuer John, konnten sich in einem kleinen Umkreis außerhalb der Burg bewegen. Menschenblut wurde mit Tierblut ausgetauscht. Nach und nach gerieten wir in Vergessenheit. Mein Name war schließlich nur noch ein Mythos. Die Einsamkeit nagte an mir. Es war eine dunkle Zeit.
Bis du eines Tages mein Heim betreten hattest. Du siehst so aus wie sie, du riechst wie sie. Wenn ich dich berühre, dann spüre ich die gleichen Empfindungen wie damals. Es sind so viele Jahrhunderte vergangen, doch meine Liebe zu DIR ist alles geblieben, was ich habe. Niemals hätte ich daran gedacht, dass du zurück kehren würdest. Ich habe alles darum gegeben, dich zu umgarnen. Doch mein Blut hast du abgewiesen. Jeden Abend habe ich es immer wieder versucht. Doch du bist standhaft geblieben. Oh Eleanor, ich bitte dich, werde meine Frau. Ein Leben ohne dich kann ich mir nicht mehr vorstellen. Ich habe so lange auf dich gewartet. Oft habe ich daran gedacht ein letztes Mal die Sonne auf meiner Haut zu spüren. Den Tod zu provozieren. Doch wo wäre ich dann ohne dich gelandet? Ich käme gewiss nicht in den Himmel. Getrennt zu sein von dir ist das wohl schlimmste was es wohl geben kann. Sei mein heute Nacht, meine Geliebte. Werde noch einmal meine Frau. Ich bitte dich von ganzen Herzen.“
Er saß nun zu ihren Füßen und hatte ihre Hand an sein Gesicht gelegt.
Erinnerungen aus vergangenen Zeiten schossen Eleanor durch den Kopf.
Bilder von denen er nicht berichtet hatte, Gerüche aus jener Zeit im 14. Jahrhundert.
Das konnte kaum möglich sein.
War dies eine Halluzination?
Hervor gerufen von seiner Geschichte?
Aber sie liebte ihn.
Bereits als sie ihn am ersten Abend gesehen hatte, waren ihre Beine weich geworden. Nun raste ihr Puls.
„Ja.“ Es war mehr ein Flüstern, doch ihm reichte es aus. Überschwänglich nahm er sie auf die Arme und drehte sich im Kreise mit ihr. Behutsam setzte er sie auf den Boden.
„Ich hoffe nur, Gott verzeiht mir meine Taten.“ Sie sah in seine dunklen Augen und konnte nur noch nicken. Langsam neigte er seinen Kopf zu ihr herab. Seine weichen Lippen streiften ihren Mund. Unglaublich süß schmeckte sie. Er hörte ihr Blut in ihren Adern rauschen. Heute Nacht noch, dachte er während sich sein Kuss vertiefte. Seine Zunge drang in ihrem Mund ein. Ein leises Stöhnen entrann Ihren Lippen. Immer fester presste er ihren biegsamen Körper an seinen. Seine Hände fuhren über ihren Hals in den Nacken und dann den Rücken hinunter, streichelten sie liebevoll. Nur mühsam konnte er von ihr lassen.
Die Trauung musste vorbereitet werden.
Auf ihrem Zimmer fand Eleanor wieder ein Kleid vor. Dieses Mal jedoch war es ein weißes.
Ihr Hochzeitskleid.
Der Diener John holte sie ab, in einem dunklen Anzug gekleidet grinste er sie breit an.
„Mylady, ich habe mich wohl geirrt in Euch. Könnt ihr mir verzeihen?“
Natürlich tat sie dies. Die Kapelle war voller Menschen. All diejenigen, welche auf den rauschenden Festen in ihren Träumen maskiert getanzt hatten, waren nun auch an ihrem Hochzeitstag oder besser Nacht erschienen.
Junge Männer und Frauen, Vampire die sich nach der Freiheit sehnten.
Oder nach dem Tod.
Keiner wusste genau, was passierte, wenn der Fluch der alten Zigeunerin gebrochen wurde und ob diese junge Frau sie zu erlösen vermag.
Ein Pfarrer aus einem nahen Dorf hatte der Diener John her gebracht. Mehr zitternd als freudig stand dieser nun mitten in der Nacht am Altar um eine Trauung vorzunehmen. Alexandar lächelte ihr entgegen, als sie heran trat. Sie war eine wirklich schöne Braut. Ihre schwarzen Haare fielen ihr offen über den Rücken und gaben einen wunderbaren Kontrast zu ihrem weißen Kleid, dessen schmaler Schnitt ihre schlanke Figur hervorhob. Eine rote Rose in ihrem Haar war das einzige Schmuckstück welches sie trug. Der Pfarrer begann mit dem Ritual der Trauung. Wie im Rausch flossen seine Worte an das Paar vorbei.
Sie sah nur ihn.
Da stand er.
Ihr Graf Dracula.
Sie hatte ihn gefunden und er war gar nicht so schrecklich und angsterregend wie sie ihn aus den Träumen vergangener Zeiten kannte.
Sein schönes Gesicht blickte sie voller Liebe und Zuneigung an.
Konnte sie mehr vom Leben verlangen?
Ein Leben für ein anderes. Ihr Leben gab sie gerne für ihn hin. Er strich ihr einen alten goldenen Ring über den Finger. Ein roter Rubin war in seiner Fassung eingesetzt. Ein Feuer loderte in seinem Inneren.
„Ich nehme dich, Eleanor zu meiner Frau. Ich werde dich lieben und ehren, bis dass der Tod uns scheidet.“
Sein Kuss weckte tiefe Empfindungen in ihr. Die Gäste jubelten. Im großen Ballsaal war ein prächtiges Bankett auf getafelt worden. Fröhliche Musik wurde gespielt. Es wurde gelacht und getanzt. Die letzte Nacht sollte ausgelassen stattfinden. Der Morgen wurde sehnsuchtsvoll erwartet.
Alexandar brachte seine Braut in sein Gemach. So oft hatte sie es gesucht. Hinter einer unsichtbaren Tür verborgen, hatte sie jedoch vergeblich danach geforscht.
Im Kamin loderte ein warmes Feuer, hunderte von Kerzen erfüllten den Raum in ein glitzerndes und warmes Licht. Liebevoll legte er Eleanor auf das Bett.
„Du bist meine Erlösung! Meine Liebe. Ich gebe mein Leben in deine Hände.“
Leidenschaft durchflutete ihn, als er ihr das weiße Kleid von ihrem Körper strich. Mit seinem Mund setzte er kleine Küsse auf ihr Gesicht und wanderte dann den Hals hinunter. Heiß pulsierte das Blut durch ihren Körper. Ihr Atem ging stoßweise, als er ihre Brust in den Mund nahm. Seine Hände strichen über ihre Haut und streichelten sie. Als er sich mit ihr vereinigte, glaubte sie nie jemals vorher so empfunden zu haben. Keuchend streckte sie ihm ihr Becken entgegen. Ihr beider Höhepunkt brachte sie an den Rand ihrer Sinne. Lange lagen sie beieinander, immer noch miteinander vereint.
Draußen setzte die Tagesdämmerung ein.
Alexandar erhob sich träge und sah ihr liebevoll ins Gesicht. Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht.
„Wenn dies der letzte Tag in meinem Leben ist, so bin ich doch ein glücklicher Mann.“
Er trug sie zu dem Badezuber in welchem sich noch warmes Wasser befand und setzte sie hinein. Sanft wusch er sie, strich mit einem Tuch über ihren Körper und spülte den Schweiß ihres Liebesspiels ab. Immer wieder unterbrach er sein Ritual um ihre vollen Lippen zu küssen.
Er kostete von ihr.
Anschließend trocknete er sie mit einem großen weichen Tuch ab. Nackt stand sie vor ihm.
„Du bist jetzt Mein. Was heute Morgen passieren wird, wissen nur die Götter.“
„Ich werde bei dir sein. Was immer auch geschehen wird!“, antwortete Eleanor.
Er zog ihr ein dunkelrotes nach unten weit fallendes Kleid mit langen Ärmeln an und bürstete liebevoll ihr Haar bis es seidig glänzte.
„Bist du bereit, mein Herz?“
Er ging mit ihr ans Fenster. Es würde ein schöner Tag werden. Weiß glitzerte der Schnee über den Bergen und Wäldern. Dunkelrot stieg die Sonne am Himmel empor. Er sah ihr tief in die Augen. Ein letzter inniger Kuss ihrer Liebe. Das Feuer in dem Rubin an ihrer Hand pulsierte, als wolle es raus gelassen werden. Dann senkte Alexandar seinen Mund an ihren schneeweißen Hals. Ein süßer Schmerz durchfuhr ihren Körper. Schwindel erfasste sie. Das Blut rauschte durch ihre Adern. Sie verspürte einen immer schmerzvoller werdenden Druck als er von ihrem Blut trank. Er breitete sich in ihren Gliedern aus. Ihre Lebensenergie wurde ihr entzogen. Sie wollte ihn von sich stoßen. Ungläubig starrte sie ihn an, als er endlich von ihr ließ. Er schaffte es gerade noch ihr sein eigenes Blut einzuflößen als sie bewusstlos in ein dunkles Etwas fiel. Sie war von tiefer Schwärze umgeben. Es war so ruhig hier und friedlich. Hier werde ich bleiben, dachte sie.
Doch Alexandar dachte nicht daran sie gehen zu lassen. Er hielt sie in seinen starken Armen und flüsterte ihr leise Koseworte zu. Eine Ewigkeit schien zu vergehen, als sie die Augen endlich aufschlug. Mühsam rang sie nach Atem.
„Was ist passiert?“
„Du bist wieder bei mir, meine geliebte Elisabetha. Meine geliebte Eleanor. Liebe meines Lebens.“
Die Sonne stand nun am Himmel. Sie beleuchtete den ganzen Raum. Das Feuer in dem Rubin wurde immer stärker bis er mit einem Mal zu leuchten anfing. Zuerst nur an Eleanor´s Finger, dann überflutete es das Paar. Letztendlich war das ganze Zimmer in einem roten Schein getaucht. In Windeseile verbreiteten sich die roten Strahlen im ganzen Schloss. Wie eine Welle brachen sie über Bewohner und Gebäude hinaus und überfluteten einen Augenblick das Land. Es schien so als halte die Welt ihren Atem an. Eng umschlungen standen Alexandar und Eleanor beieinander. Sie hatten keine Angst vor dem Tod. Sie erwarteten ihn geradezu. Die Strahlen zogen sich wieder bis in das Schloss zusammen und zerbarsten in einer riesigen roten Druckwelle...
Da standen sie beide nun. Sie blickten einander an und konnte kaum glauben, was eben geschehen war. Sie zitterte in seinen Armen.
„Ist gut, mein Liebling. Wir sind am Leben. Wir sind am Leben!“
Tränen standen in ihren Augen. Da standen sie inmitten der Sonne und spürten ihre Wärme ohne das etwas geschah. Seine Haut, die vorher noch ganz kalt und weiß gewesen war, hatte einen dunkleren Ton angenommen. Seine warme Hand streichelte ihr Gesicht.
„Du bist wieder ein Mensch“, flüsterte sie. Er küsste ihre Tränen weg.
„Du hast mein Leben gerettet, weißt du das? Du hast mich befreit.“ Sie konnte es kaum glauben. Im Schloss brach ein großer Jubel aus. All die vielen zurück verwandelten Menschen liefen nach draußen und streckten sich dem Himmel entgegen. Lachen und Freude drang zu ihnen hinauf, so dass sich das Paar zu Ihnen gesellte. Als die Anderen die Beiden erblickten wurde ein mehrfaches Hoch auf Eleanor, ihre Retterin, gerufen. Sie tanzten auf dem Burginnenhof.
Der Fluch der alten Zigeunerin war kein solcher. Sie hatte damals einen Zauber ausgesprochen, der jeden Vampir in das alte Schloss verbannte und darin fest hielt. Jedoch sollte sich ein reines Herz finden, welches sein Leben für die Anderen gab, dann würde der Fluch der Jahrhunderte aufgelöst werden und jeder Untote wäre erlöst. Eleanor hatte ihr Leben gegeben. Da sie selbst für einen Augenblick zu einem Vampir wurde als sie von Alexandar´s Blut trank, wurde auch sie wieder in einen Menschen zurück verwandelt.
Und so begab sich das Paar in eine neue Zukunft. In ein gemeinsames Leben, welches zwar keine Hunderte von Jahren dauern, jedoch erfüllend werden würde.
Denn die Liebe, die sie beide füreinander empfanden, hatte mehr als ein Leben überstanden.
Text: Die Rechte sind mir vorbehalten
Publication Date: 02-11-2011
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