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Der Königsball

Mit einem Mal kitzelte etwas an ihrer Nase. Als Belle ihre Augen aufschlug, stand die Sonne bereits hoch am Horizont. Sie gähnte und räkelte sich wohlig im Bett.
Welch außergewöhnlicher Traum.
Es schien alles so wirklich gewesen zu sein.
Ihre Erinnerung an den verzauberten See war noch so frisch, so dass sie das kühle Wasser noch direkt auf ihrer Haut spüren konnte.
Ein kurzer Blick unter ihre Decke genügte.
Ihre Haut sah makellos aus wie eh und jeh.
Kein Glitzern und Schimmern war zu sehen.
Und dann war dieser riesige Wolf.
Sie hatte keine Angst vor dem Tier empfunden.
Er war wunderschön gewesen, so dass sie ihn am liebsten ins weiche, weiße Fell gefasst hätte.

Ein leises Klopfen entführte sie aus ihren Gedanken, dann öffnete sich die Tür und ihre Zofe betrat ihr Schlafgemach.
„Guten Morgen, mein Schäfchen“, gurrte sie leise. „Ich hoffe Ihr habt gut geschlafen? Eure Eltern sind bereits mit Lady Cecile ausgefahren, um die Stadt ein wenig zu besichtigen. Da es gestern sehr spät geworden ist, wollten sie Euch jedoch nicht wecken.“ Während Netti begann, die schweren Vorhänge vorzuziehen, sprang Isabelle frisch und munter aus ihrem Bett und begab sich zur morgendlichen Toilette. Komischerweise fühlte sie sich keineswegs zerschlagen, auch wenn ihr die letzte Nacht so real vorgekommen war. Angezogen in einem hellen Tageskleid aus Seide mit kleinen Rüschen und Blüten an Saum und Ärmeln, begab sie sich geradewegs in die Küche.
Die leckersten Gerüche kamen ihr entgegen, als sie die Tür öffnete. Hilda lächelte ihr freundlich und liebevoll zu.
Sie war gerade dabei, mehrere Fladenbrote zu backen und knetete den Teig am Küchentisch ordentlich durch. Als sie Isabelle mit einem Frühstück aus noch warmen Brötchen, verschiedenen Obstaufstrichen sowie frischen Eieromelette mit Schinken und heißem Tee versorgt hatte, fragte sie nach ihrer letzten Nacht, ob sie auch gut geschlafen hätte.
„Oh ja, es geht mir ausgezeichnet. Ich habe tief und fest geschlummert“, sprudelte es aus ihr heraus.
Die Köchin blickte sie eindringlich an und fragte nach ihren Träumen.
„Ich glaube nicht, dass ich etwas geträumt habe. Daran würde ich mich erinnern“.
Isabelle schwindelte Hilda ungern an und zuckte leicht zusammen, als diese ihr wieder einen eigenartigen Blick zuwarf.
„Nun, macht nix, das wird schon noch“, murmelte Hilda leise vor sich hin und machte sich wieder an ihre Arbeit.
Ich möchte gerne wissen, was sie mir verschweigt, dachte Isabelle bei sich, fragte jedoch nicht weiter nach. Zu imaginär erschien ihr jetzt ihr nächtliches Erlebnis.
Viel zu tun, gab es im Stadthaus leider nicht, also begab sich Bella in die Bibliothek, um nach einem interessanten Buch zu suchen. Beeindruckt betrat sie den Raum, in dem es nach Holz und eigenartigerweise auch nach Weihrauch roch, aber sehen konnte keinen.
Hohe Wände mit etlichen Bücherregalen taten sich vor ihr auf. Sie setzte sich auf den gemütlichen riesigen Sessel und versank fast darin.
In Grübeleien aufgrund der vergangenen nächtlichen Ereignisse versunken, jedoch auch wegen der gemütlichen weichen Polster, schlummerte sie kurz ein.
„Oh Belle, du schläfst ja den ganzen Tag.“
Verwirrt öffnete eben jene genannte ihre Augen. Was war los und vor allem wo war sie? Erinnerungen und Bilder schwirrten in ihrem Kopf wie ein Schwarm Bienen.
Ein blauer Märchensee, bunte auf und ab hüpfende Lichter und ein großes Tier mit leuchtenden silbergrauen Augen erschienen vor ihrem geistigen Auge.
Cecile brachte sie mit ihrem aufgeregten Geschnatter schnell in die Wirklichkeit zurück, doch der Nachgeschmack eines warmen Mittsommertraumes blieb zurück.
„London ist einfach nur umwerfend. Es gibt so viele schöne Häuser und Geschäfte. Ich wusste anfangs gar nicht wo ich beginnen soll. Nur gut, dass sich Mama so gut auskennt. Ich habe ein neues Kleid mit passenden Schuhen gekauft. Die sind so wunderschön. Und dann waren wir noch im Hyde Park. Oh, und da sind so viele exquisit gekleidete und schöne Menschen unterwegs mit wunderschönen Kutschen. Das musst du dir unbedingt ansehen.“
Isabelle zuckte beim Erwähnen des Parks ein klein wenig zusammen.
Ob es diesen verzauberten wunderschönen Ort tatsächlich gibt und ob er so ist wie in ihrem Traum?
Nein, das kann unmöglich wahr sein.
Meine Phantasie ist mit mir durchgegangen, grübelte sie.
Sie schenkte ihrer Schwester ein aufmerksames und liebevolles Lächeln.
Diese war von einer zur anderen Sekunde sehr ruhig geworden.
Mit großen runden Augen flüsterte sie: „Bist du auch so aufgeregt wegen morgen?“
Ach herrje, wie kann man nur das größte Ereignis des Jahres, den Königsball vergessen.
„Aber ja doch“, antwortete Belle schnell. „Es wird alles gut gehen, glaub mir. Du wirst hinreißend aussehen und die schönste Debütantin sein.
Mach dir keine Sorgen.
Jeder Gentleman werden sich um einen Tanz mit dir reißen“, versicherte sie ihr.
Ein wenig beruhigt, nicket diese ihr zu, drückte sie kurz und begab sich in ihr Schlafgemach, um noch einige Vorbereitungen zu treffen.
Belle dachte mit aufkommender Unruhe an das Fest. Sie würde dort den Anderen begegnen. Bisher gab es keine Probleme, aber wie es in der Stadt sein wird, konnte man nie wissen.

Ihre Vorfahren waren allesamt Zauberer. Diese Eigenschaft wurde bereits von Generation zu Generation im Hause Feenwick weiter gegeben.
Mit dem Heranwachsen entwickelt sich diese Begabung dann. Bei dem einen früher, bei dem anderen später. Aber bei Isabelle hatte sich in dieser Hinsicht nichts getan. Sie hatte es immer wieder versucht. Ihr Vater unterrichtete sie mit viel Liebe und Sorgfalt und die Zauberformeln sind ihr in guter Erinnerung geblieben. Aber wie bei einem normalen Sterblichen, ist unter ihren Händen rein gar nichts entstanden. Kein Funken, keine Energie die leicht zu spüren wäre, nicht einmal ein fliegender Gegenstand, welcher tatsächlich leicht zu verzaubern ist. Einzig allein ihr Garten schien unter ihren Händen schneller, schöner und voller zu wachsen. All ihre Pflanzen gediehen in Hülle und Fülle, so dass auch aus halb verdorrten Blumen wunderschöne übergroße Blüten mit dicken Blättern wurden. Ihr Vater war ihr deswegen nicht böse, dafür liebte er seine erstgeborene Tochter viel zu sehr. Aber als Erbin wäre es von Vorteil, die besondere Begabung an die späteren Generationen weiter zu geben. Cecile, als Zweitgeborene besaß nur einen geringen Anteil dieser Begabung, da die Duchess eine Normalsterbliche war.
Man konnte nur hoffen, dass sich Isabelles Nachwuchs einmal zu vollwertigen Zauberern sich entwickeln würden.
Daher wollte der Duke of Feenwick seine Tochter auch mit eben einen solchen verheiratet wissen. Allerdings machte sich Belle, seid dem sie wusste, dass ihre Begabung in anderen Dingen lag, so rein gar nichts aus Männern dieser oder anderer Art.
Sie seufzte tief und verbrachte den ganzen Abend in der Bibliothek, auf der Suche nach Büchern über Wölfe. Mit einem dicken Buch bewaffnet, schlüpfte sie später sogar zu Bett, Unwillens ihre eben neu begonnene Lektüre aufzugeben. Sie hatte in den letzten Stunden soviel über diese intelligenten und herrlichen Tiere gelesen, so dass ihr mittlerweile die Augen ganz schwer wurden. Die Buchstaben wurden immer verschwommener und mit einem Mal schlief sie traumlos ein.

Als plötzlich etwas auf ihr Bett sprang, schreckte sie aus Ihrem Schlaf empor. Es war noch am frühen Morgen. Ein kleiner Schatten kam in der Dunkelheit auf sie zu. Eine weiche Pfote berührte ihre Nase. „Oh Mauzi, musst du mich so erschrecken?“ Ihre Lieblingskatze kam gerade von ihrem Ausflug wieder, noch nicht bereit in ihrem Körbchen ein wohl verdientes Schläfchen zu halten. Stattdessen wollte sie mit Isabelle spielen und fing an, nach ihrem schwarzen Zopf zu haschen. Sie lachte leise auf, schnappte sich das Tier und setzte sich an den gemütlichen Sessel am Fenster. Unter ihren warmen streichelnden Händen vernahm sie leise Schnurrlaute, während sie nach draußen zum Horizont blickte.
Es ist immer wieder herrlich einen Morgen beginnen zu sehen, dachte Belle.
Aus dem Schwarz der Nacht wurde nach und nach ein Dunkelblau und dieses wiederum zu einem Hellblau. Der Mond hatte sich längst zur Ruhe begeben, während die Sonne langsam erwachte.
Glutrot betrat sie nach und nach den Himmel, verfärbte diesen in die wunderbarsten Farben. Wie eine Feuergöttin wandelte sie am Horizont und begann die Welt in Licht zu tauchen. Ihre Strahlen wurden immer heller und begannen Isabelle in der Nase zu kitzeln, so dass diese lachend anfing zu niesen. Mauzi war auf ihrem Schoß bereits eingeschlafen und erwachte auch nicht, als sie in ihr Körbchen gesetzt wurde.
Die weiße Perserkatze hatte eine wieder einmal sehr aufregenden Nacht in der Großstadt hinter sich und viele neue Dinge kennengelernt.
Nun war sie viel zu erschöpft, als dass sie noch ein Äugelein aufhalten könnte.
Doch Isabelle war hellwach.
An Schlaf war heute nicht mehr zu denken und während sie an den vor ihr liegenden Abend dachte, fing es in ihrem Bauch an nervös zu gribbeln. Wie sollte sie diese Zeit nur überstehen?
Im Hause war zu dieser frühen Stunde noch keiner aufgestanden.
So zog sie sich einfache Männerkleidung an, eine Lederhose mit einer passenden Jacke und damit sie niemand erkannte einen langen Mantel.
Ob ich es wagen kann, mich wie in Winwick zu kleiden, grübelte sie. Doch die Aufregung, verkleidet durch die Hauptstadt zu reiten, ließ sie mutig werden. Leise schlich sie sich durch das Haus und schlüpfte unbemerkt in den Stall.
„Ruhig Aaron.“
Ihr Pferd begann vor Freude zu tänzeln, hielt jedoch ganz still, als Isabelle ihm den alten, verschlissenen Sattel auflegte.
Leise begaben sie sich zum großen Tor und auch dort, war noch niemand von der Dienerschaft zu sehen.
Im schnellen Galopp, die Kapuze ihres Mantels tief ins Gesicht gezogen, flogen sie durch die Stadt. Wunderschön bauten sich vor ihr die eindrucksvollen Häuser und Gassen auf. An einer weißen Stadtvilla mit einem Türmchen blieben sie stehen.
Es war anders als die Anderen. Kein Zauber umgab das Gebäude und dennoch strahlte es etwas Besonderes, beinahe Geheimnisvolles aus. Ihr schien es fast, als wäre sie schon einmal dort gewesen. Kopfschüttelnd ließ sie sich weiter durch die Strassen tragen. Das Pferd schien genau zu wissen wohin es sich wenden musste und mit einem Mal tat sich der große Park vor ihr auf. Ihre Augen wurden immer größer, als sie bemerkte, dass es dort wie in ihrem Traum aussah.

Zwei große alte Eichen befanden sich am Eingang mit einem riesigen goldenen Eisentor. Verschlängelte kleine und große Wege mit Sträuchern, künstlich angelegte Beete mit außergewöhnlichen und exotischen Pflanzen und Blumen, Bäche und Springbrunnen mit goldenen und silbernen Fischen sowie grüne Rasenflächen und weiße Holzbänke mit schönen Schnitzereien taten sich vor ihr auf. Belle ritt langsam durch den menschenleeren Park in Richtung Mitte. Doch wie im Traum befand sich dort kein Eingang zu einem anderen Ort.
Sie schüttelte den Kopf und begab sich wieder in Richtung Ausgang. Die Luft war wunderbar kühl und sie atmete sie tief durch die Lungen ein.
Es ist herrlich, einen Ausritt in einer noch ruhenden Stadt zu machen, dachte Belle.

Als sie nach links in Richtung des kleinen, künstlich angelegten Baches blickte, blieb ihr jedoch beinahe ihr Herz fast stehen.
Das weiße riesige Geschöpf blickte ihr mit seinen silberblauen Augen direkt ins Gesicht.
Als es ihr auch noch zuzwinkerte, musste Belle blinzeln und im nächsten Augenblick war die Erscheinung verschwunden.
Sie schaute sich verwundert um, aber in welche Richtung sie auch sah, da war kein Wolf zu sehen.
„Aaron, ich zweifle langsam an meiner geistigen Stabilität. Ich träume von Orten, die da sind und sehe Dinge, die nicht da sind!“
Das Pferd wieherte aufgrund ihrer wirren Worte und trug sie langsam aus dem Park wieder heimwärts.
In Kürze würde die Stadt erwachen und bis dahin wollte sie keiner Seele begegnen.
Ob Diener, Lady oder Gentlemen, eine Dame sollte nie ohne Begleitung ausreiten.
Belle sah die ganzen Häuser und Boutiquen gar nicht, sondern grübelte über das eben Geschehene nach.
Sie war immer noch Gedanken, während sie Aaron mit Stroh trocken wischte und ihm Futter und Wasser gab. Noch eine ganze Weile blieb sie im Stall, die Ruhe um sich herum genießend und sich tausendmal fragend, ob diese Erscheinung im Park echt war. Nachdem sie ihr Pferd liebevoll gestreichelt und umarmt hatte, begab sie sich leise wieder auf ihr Zimmer. Unten in der Küche war Hilde bereits dabei, das Frühstück vorzubereiten.
Nach und nach traf die Familie im Esszimmer ein. Es gab leckere Croissants, Waffeln und Pfannkuchen, warme duftende Brötchen mit selbstgemachter Butter und vieles mehr.
„Ist das liebe Fräulein Tochter heute so gnädig uns bei Tisch Gesellschaft zu leisten?“, stichelte die Duchess und blickte Isabelle kalt bei deren eintreten an.
Ihr Vater befand sich wie immer in seinem Arbeitszimmer und beschäftigte sich mit seinen Geschäften.
Cecile kaute bereits an einer Brezel und zwinkerte ihr aufmunternd entgegen.
Nicht entmutigen lassen, dachte sie. Ihre Stiefmutter schien heut sehr angespannt zu sein, was sicher an dem bevorstehenden Abend lag.
„Mein liebes Kind“, begann die Duchess erneut.
„Ich hoffe du konntest dich gestern gut erholen! Wir haben heute einen straffen Zeitplan einzuhalten und ich möchte nicht, dass es wieder zu Verzögerungen kommt, weil du in deinen Tagesträumen versunken bist.“
„Nein, Madame! Ich werde mich sehr bemühen“, antwortete diese höflich.
Ihr anfänglicher Hunger war mit einem Mal verschwunden. Auch als Cecile ihr von den schmackhaften Lachsröllchen auftat, stocherte sie nur lustlos darauf herum.
Die meiste Zeit am Tisch wurde schweigend verbracht, so dass sie froh war, als die Mahlzeit beendet wurde. Die beiden jungen Ladys begaben sich auf ihre Zimmer, da die Vorbereitungen auf das großes Fest begannen.

Netti und zwei andere Zofen warteten bereits auf Isabelle. Ein großer Badezuber stand für sie bereit. Nachdem Belle sich entkleidet hatte, glitt sie in das heiße Wasser hinein. Nach und nach wurden warme Stutenmilch und Honig dazu gegeben.
Es fühlte sich herrlich und seidig auf ihrer Haut an. Ihre langen, pechschwarzen Haare wurden mit einer besonderen Mischung aus Olivenöl, Sahne und Rosenblättern eingerieben, damit es später glänzend und weich wird. Jegliche Körperbehaarungen an Armen und Beinen wurden entfernt und ihre Haut wurde so lange geschrubbt, bis sie ganz rosig war.
Nach dem Bad bekam sie eine lange Massage mit ätherischen Ölen.
Finger und Fußnägel wurden zurecht gemacht und in weichen Pastellfarben lackiert.
Mit einem speziellen Balsam wurde sie von oben bis unten eingecremt.
Dieser hinterließ einen wunderschönen Schimmer auf ihrem Körper.
Ich sehe fast so aus, wie in meinem Traum, dachte Isabelle während sie ihren nackten Körper im großen Spiegel ansah. Dies war auch ihr Ziel.
Netti und die anderen Zofen brachten an ihren Armen und Dekolleté winzige Diamantensplitter an, welche die Wirkung noch verstärkten.
Nach und nach wurden ihre langen Haare in eine zauberhafte Lockenpracht verwandelt und ebenso mit glitzernden Haarnadeln und Perlen locker hoch gesteckt.
Dazu erhielt sie ein passendes Diadem.
Als letztes kam ihr fantastisches Kleid, welches mit viel Mühe über ihre seidene Unterwäsche angezogen wurde.
Ein Traum aus dunkelblauer Seide mit freien Schultern und einem durchsichtigen langen Schal.
Als Isabelle sich nun im Spiegelbild betrachtete, konnte sie kaum glauben, dass sie diese Person sein sollte.
Verzaubert, dachte sie, einfach nur verzaubert.

Es war spät geworden als sich die Familie des Duke of Feenwick in die Kutsche begab.
Magie lag in der Luft, als sich das geflügelte Pferdegespann mit den silbernen Glöckchen zum Palast aufmachte.
Am Tage zuvor noch hatte der Duke dem König seine Aufwartung gemacht.
Sie hatten sich seit langer Zeit nicht mehr gesehen, so dass es viel zu besprechen gab.
Nun saß der Duke of Feenwick höchst vergnügt in seiner Kutsche, die er sich mit seinen drei Herzdamen teilte und blinzelte von Einer zur Anderen.
„Meine Damen, ihr seht heute sehr bezaubernd aus. Die Herrenwelt wird euch zu Füßen liegen.“
Fröhlich schmunzelnd sah er aus dem Wagen.
Eine ganze Reihe anderer prächtiger Gefährte hatten sich bereits in einer große Schlange vor dem Palast gesammelt.
Belle seufzte leise in sich hinein.
Ihr kleines Herz klopfte vor Aufregung ganz laut.
Unaufhaltsam rückte die Kutsche auf der von großen Eichen umsäumten Allee vorwärts.
Das Schloss war in ein helles Lichtermeer getaucht.
Als sie endlich an der Reihe waren, öffnete ihnen ein Lakai in einer goldenen Livree die Tür und führte sie in das riesige Gebäude.
Ein roter, langer Teppich führte durch die Flure bis in den großen Saal.
„Genau so habe ich mir das heute vorgestellt“, raunte ihr Cecile leise zu.
„Ich bin so aufgeregt, dass wir die Hauptpersonen des heutigen Abends sind. Ich hoffe nur, dass alles gut geht.“
„Mach dir keine Sorgen, du siehst aus wie ein Engel. Alles wird gut gehen“, flüsterte Isabelle zurück. Jedoch nicht ohne einen unwilligen Blick der Duchess zu erhalten, welche ihr zu verstehen gab, sie möge sich ruhig verhalten.
Dann wurden vor ihren Augen die großen schweren Eichentüren geöffnet.
Isabelle musste aufgrund der plötzlichen Helligkeit blinzeln, während sie den Saal betraten und der Lakai ihren Empfang vor den Gästen ankündigte.
Die Musik wurde abrupt leise als die Familie die lange Treppe hinunter ging. Die Menschen traten beiseite und bildeten einen Gang.
So in Empfang genommen, traten sie vor dem Thron des Königs.
Nachdem sie sich verneigt und diesen hoheitsvoll begrüßt hatten, bestimmte der König den Duke und die Duchess an seine Seite.
Isabelle und Cecile wurden zwei Gentleman in dunklen Anzügen vorgestellt, welche die beiden mitten auf die Tanzfläche zum Auftakt des Balles führten.
Die Musik ertönte und die beiden bezaubernd aussehenden Paare begannen mit dem Königswalzer. Cecile in einem goldenen weitem Kleid und einem kleinen Krönchen wirkte wie eine Prinzessin.
Der Duke hatte ihr zwei durchsichtige Elfenflügel gezaubert, so dass sie fast zu schweben schien.

Die Tanzfläche bestand aus einem durchsichtigen Glasboden, unter welchem sich ein großer See mit klarem Wasser, Rosen, Lilien und kleinen Goldfischen befand.
Die Decke war ein herrlicher dunkelblauer Nachthimmel mit einem großen gelb leuchtenden Vollmond und einem Sternenmeer.
Überall in dem unendlich scheinendem Raum gab es versteckte Ecken mit großen Palmen und kleinen gepolsterten Sitzgelegenheiten, auf denen sich das ein oder andere Pärchen bereits gemütlich gemacht hatte.
Isabelle war hin und her gerissen von all der Schönheit um ihr drum herum.
Ihr galanter Tanzpartner hatte sie bereits zum zweiten Tanz aufgefordert und war seinerseits von seiner bezaubernden Tanzpartnerin entzückt. Aufmerksam und unaufdringlich geleitete er sie durch den Saal, vorbei an den mittlerweile ebenfalls tanzenden Ladys und Gentleman.
Immer wieder wurde sie von dem ein oder anderen gutaussehenden Herren aufgefordert.
Endlich hatte Belle es geschafft allein an den Rand des Geschehens zu treten.
Ihre Schwester war von mehreren jungen Männern umgeben, welche eifrig mit ihr flirteten. Jeder wollte ihr am nächsten sein, ihr ein Getränk oder ein Gourmethäppchen bringen.
„Na, das läuft doch ausgezeichnet“, murmelte Belle vor sich hin.
Sie brauchte unbedingt frische Luft, denn nach und nach wurde es ihr drinnen sehr warm.
Also begab sie sich auf die große Terrasse. Doch auch hier wimmelte es von Paaren, junge Männer hangen an den Lippen hinreißend aussehender junger Damen.
Daher schlenderte sie etwas weiter und ließ sich auf einer Gartenbank weit ab vom Geschehen nieder.
Tief atmete sie die kühle Luft ein, als sich ihr plötzlich die Nackenhaare aufstellten.
Irgendjemand beobachtete sie.
Das spürte sie ganz genau.
Doch wer könnte das sein?
Ihr war niemand besonderes bisher aufgefallen.
Es wimmelte von Adligen, Verwandte, Bekannte und Angehörige des Königshause sowie Zauberern und wer weiß wie viele Andere noch waren am heutigen Abend geladen.

Und dann erblickte sie ihn.
Er stand unweit von ihr an einer der offenen Türen und starrte sie unaufhörlich an.
Ihr Puls beschleunigte sich, als er auf sie zu ging. Abrupt schoss sie von der Gartenbank empor, als er vor ihr stehen blieb und sich verbeugte.
„Mylady, ich bin entzückt euch so schnell wieder zu sehen.“
Sein tiefer männlicher Ton ließ sie erschauern. Verwirrt aufgrund ihrer heftigen Reaktion senkte sie rasch ihre Augen, als er ihre Hand nahm und küsste.
Ach du liebe Güte, was ist bloß los mit mir? Sie konnte sich nicht erinnern jemals solche Empfindungen gehabt zu haben.
Kaum steht ein gutaussehender Mann vor mir und ich bekomme keinen Ton heraus, dachte Isabelle.
Er sah nicht nur schön aus, er duftete auch so herrlich.
Röte schoss in ihre Wangen, während sie ihn langsam von unten nach oben betrachtete.
Nach der neuesten Mode in einem eleganten schwarzen Abendanzug jedoch ohne das übliche Halstuch gekleidet, stand er vor ihr und zwinkerte ihr amüsiert zu. Dunkle, lange und wellige Haare fielen ihm unmodisch über die Schulter.
Sie entdeckte eine silberne Strähne, welche ihm immer wieder in die Stirn zurück fiel. Sein attraktives Gesicht mit einem vollen Mund lud sie ein, es zu berühren.
Und dann, diese Augen.
Irgendwo hatte sie diese Farbe schon einmal gesehen. Waren sie Silber oder Blau? Genau konnte sie es im Halbdunkel nicht erkennen.
Und da waren wieder dieser exotische Geruch und eine bestimmte Bewegung von ihm.
Augenblicklich erkannte sie, dass er anders war.
Sie schenkte ihm ihr schönstes Lächeln und fragte.
„Ich bin mir nicht ganz sicher, aber woher kennen wir uns?“
Seine Augen wurden ganz dunkel.
„Eine Schönheit wie Euch würde ich unter hunderten von Menschen erkennen.“
Er nahm ihre schmale Hand in seine und fuhr mit dem Daumen über ihre Innenseite.
Kalt und heiß zugleich schoss ihr ein Schauer durch den ganzen Körper.
Wenn er nicht gleich aufhört das zu tun, werde ich noch wahnsinnig.
Wer war er nur?
„Es tut mir leid, Mylord, aber ich kann mich nicht erinnern euch jemals begegnet zu sein“, hauchte sie ihm atemlos entgegen.
„Ach nein, ganz sicher nicht?“
Er hob fragend seine Augenbraue und kam mit seinem wunderschönen Gesicht ganz nah an sie heran.
Mit einem Mal durchzuckte eine Erinnerung ihr Gedächtnis als sie ihm tief in die Augen sah.
Er war es unmöglich.
Aber was wenn doch.
Nur wie?
Tausend Gedankenblitze durchfuhren sie.
Bilder aus dem großen Buch, welches sie in der Nacht zuvor geradezu verschlungen hatte, schossen ihr in den Sinn.
Theoretisch wäre es möglich, grübelte Belle.
Ich muss ihn auf die Probe stellen!
Nun musste sie sich jedoch stark zusammen reißen, um nicht breit zu grinsen.
Ein leichtes Zucken erschien um ihren Mund. Verunsichert nahm ihr gutaussehender Begleiter etwas Abstand ein und sah ihr Aufmerksam geworden ins Gesicht.
Sie setzte sich wieder auf die Bank, schaute ihn unschuldig an und sagte in einem bestimmenden Ton während sie auf die freie Stelle neben sich zeigte. „Mach Platz!“
Sofort und ohne Zögern setzte er sich neben ihr hin.
Sie war entzückt.
In einem Anfall von Begeisterung faltete sie ihren Fächer zusammen und warf ihn in hohen Bogen auf den großen Rasen.
„Hol das Stöckchen!“
Auf das Ereignis welches nun kam, war sie nur halb vorbereitet.
Blitzschnell hatte sich ihr Halbgott in einen großen weißen Wolf verwandelt, welcher los sprang, ihren Fächer zurück holte und freudig erregt wieder vor ihr stand.
„So also sieht das aus.
Du bist ein Gestaltenwandler!“, murmelte sie.
Entzückt fasste sie ihm in das dichte, weiche Fell und flüsterte ihm leise Koseworte zu.
Als seine Schnauze dicht vor ihr war, drückte sie ihm im Eifer des Gefechts einen Kuss auf.
„Du hast recht, wir sind einander bereits begegnet. Ich dachte es wäre ein Traum, aber er schien doch wirklicher gewesen zu sein als ich annahm. Ich bin sehr erfreut dich wieder zu sehen“, flüsterte sie. Während sie ihn streichelte, lag sein großer Kopf ganz still auf ihrem Schoß.
Kleine, wohlige Knurrlaute gingen von ihm aus.
Eine ganze Weile saßen beide still beieinander ohne dass die anderen Paare sie auf irgendeiner Art und Weise wahr genommen hätten.
Mit einem leisen Seufzer verwandelte sich dann das Tier wieder zurück.

„Auch ich habe gedacht, dass ich träume als ich Euch heute Abend im Ballsaal wieder gesehen habe, meine Schönheit. Mein Name ist Eric.“
Während er ihr tief in die Augen sah, begann es wieder in Isabelles Bauch zu flattern.
„Ihr seid meine Mondgöttin vom verwunschenen See.“

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Text: Die Rechte sind nur mir vorbehalten.
Publication Date: 02-01-2011

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