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Kapitel 1

Ich rannte. Noch 1 Minute. Ich stieß mehrere Passanten zur Seite, murmelte zwischendurch ein paar nicht ernst gemeinte Entschuldigungen vor mich hin und hatte nur noch die Rolltreppe vor Augen. Gleich war ich da. Ich lief die Rolltreppe so schnell es mir möglich war nach unten und bedankte mich insgeheim, dass heute anscheinend nur Leute unterwegs war, die die Regel 'Rechts stehen links gehen' beherzigten. Die letzten Stufen sprang ich hinab und rannte so schnell ich konnte zum Bahnsteig. Das bekannte piepsten der sich schließenden U-Bahn Türen drang in meine Ohren. Im aller letzten Moment schwang ich mich durch die U-Bahn Tür und kam zum Stehen. Völlig außer Atem lehnte ich mich gegen eine Stange. Die U-Bahn kam ins Rollen. Ich hatte es geschafft. Dad hätte mich umgebracht wenn ich zu spät gekommen wäre! Als Premierminister Großbritanniens lag ihm sehr viel daran, dass seine minderjährige Tochter sich an die Regeln hält. Und die besagten, dass die Tür der Downing Street No. 10 nun mal nur bis  22 Uhr geöffnet sind, zumindest für die Kinder des Premierministers, also mein älterer Bruder Daniel und mich. Dad meinte zwar immer das sei schon bei den bisherigen Premierministern der Fall gewesen, aber so wirklich nehme ich ihm das nicht ab. In solchen Sachen war er schon vor seiner Amtszeit sehr streng gewesen. Er erklärt uns immer wieder, dass das Ganze etwas mit unserer Sicherheit zutun habe, was ich ja auch einerseits verstehen kann. Andererseits gehen ich und mein Bruder aber auf eine Private High School und werden nicht wie andere in unserer Position zu Hause unterrichtet. Das war Moms Wunsch. Sie wollte das wir Kontakt zu gleichaltrigen aufbauen, damals, als wir aus Cornwall nach London zogen. Nun besuchen Dan und ich die High School unter falschen Nachnamen. Daher werden auch nie Fotos von uns veröffentlicht. Es würde unser Privatleben gefährden. Unsere Namen kennt die Öffentlichkeit, aber wie viele Teenager mit den Namen Cadence und Daniel gibt es denn in ganz England? Viele.

 

"Nächste Station Sloane Square" hallte es durch die U-Bahn. Noch 3 weitere Stationen dann könnte ich aussteigen. Ich hatte mich an diesem Abend noch mit meiner besten Freundin Hailey am Leicester Square getroffen und wäre viel schneller zu Hause gewesen, wenn ich nicht vergessen hätte, dass die Jubilee Line geschlossen ist. So musste ich ziemlich kompliziert (oder zumindest komplizierter als sonst) mit den anderen Linien fahren, was mich ziemlich unter Zeitdruck gesetzt hatte.

 

Das Sträuben meiner Nackenhaare riss mich aus meinen Gedanken über den heutigen Abend. Jemand beobachtete mich. So etwas war schon öfter vorgekommen, hatte ich doch ziemliche Ähnlichkeit mit meiner Mutter, die hier und da mal neben Dad im Fernsehen zu sehen war. Aber das hier war anders. Dies war wieder einer dieser Momente in dem ich froh war, dass Dad Bodyguard Dwayne mir einige Selbstverteidigungstricks beigebracht hatte, nur für den Notfall versteht sich. Als die Bahn zum halten kam hoffte ich, das Kribbeln würde aufhören und mein Beobachter müsste aussteigen. Doch das Glück war nicht auf meiner Seite. Die Bahn fuhr weiter und ich spürte immer noch einen Blick auf mir. So unauffällig wie möglich versuchte ich mich umzudrehen, um mir ein Bild von meinem Beobachter machen zu können. Lässig kramte ich mein Handy aus der Tasche und tat so, als wäre ich mit WhatsApp beschäftigt. Stattdessen jedoch öffnete ich die Kamera und beobachtete das Blickfeld vor mir. Ich war natürlich nicht alleine im Wagon. Grob geschätzt befanden sich noch zwanzig weitere Menschen mit mir hier drinnen. Aber einer fiel mir besonders auf. Er war komplett schwarz gekleidet, inklusive einem schwarzen Hut. Er schien sich über etwas zu amüsieren, denn seine schmalen Lippen hatten sich zu einem kaum erkennbaren Lächeln verzogen. Dieser Gedanke ließ mich stutzen. Der Mann befand sich normalerweise viel zu weit weg von mir, als dass ich so ein kleines Detail hätte bemerken können. Sein Blick blieb am Fenster der U-Bahn hängen und meine Nackenhaare beruhigten sich wieder. Er musste es gewesen sein. "Nächste Station: Victoria" ok, Ruhe bewahren Cadence! Das bildest du dir bestimmt nur ein. An der nächsten Station würde ich einfach den Wagon wechseln, so wie ich es schon öfter getan hatte. Der Unbekannte würde dann denken ich wäre gegangen und mich hoffentlich in Ruhe lassen. An der Victoria Station setzte ich meinen Plan in die Tat um. Hastig stieg ich aus, ging 2 Wagons weiter und stieg wieder ein. Dieser Wagon war nun um einiges voller, was mich aber nicht weiter störte. Ich lebte nun schon seit 3 Jahren in London, da gewöhnt man sich an so etwas. Bis zur Station Westminster verspürte ich kein unangenehmes Gefühl mehr. Als die U-Bahn zum Stehen kam verließ ich den Wagon und machte mich auf den Weg in Richtung Ausgang. Auf der Rolltreppe  sah ich auf meinem Handy nochmals nach der Uhrzeit. 22:02 Uhr. Dad würde mich umbringen. Gerade als ich einen kleinen Seufzer hervorbrachte hörte ich eine Stimme sehr nahe an meinem Ohr. "Keine Sorge Cadence. Dein Daddy wird dir schon nicht den Kopf abreißen nur weil du 5 Minuten zu spät bist." Ich drehte mich so schnell um, dass ich fast von der Rolltreppe gestürzt wäre. Da stand er wieder, der unbekannte Mann mit dem schwarzen Hut. Ich dachte nicht lange nach und rannte. Ich rannte so schnell wie ich in meinem Leben noch nie gerannt bin. An der Kartenkontrolle kramte ich hastig meine Oyster Karte heraus und schlug sie fast auf das Kartenlesegerät als ich hinter mir seine Stimme etwas weiter weg hörte. "Warte Cadence! Ich wollte..." was  er genau wollte, war mir ziemlich egal und deswegen hörte ich ihm nicht mehr zu als die Absperrung aufsprang und ich hindurch hastete. Ich wurde von allen Seiten merkwürdig angestarrt. Na ganz toll, das war Aufmerksamkeit die ich mir nicht leisten konnte. Ich rannte so schnell es ging die Canon Row entlang um ihn abzuhängen, bog in die Derby Gate ein bis ich schließlich auf der Parliament Street stand. Von hier aus war es nicht mehr weit. Ich rannte um mein Leben, schaute kein einziges Mal nach hinten um mich zu vergewissern, dass der Typ mir nicht folgt. Als ich endlich in der Downingstreet ankam hatte ich nur noch No. 10 im Auge. Schon von weitem sah ich die Bodyguards. Als ich an meinem zu Hause ankam starrte mich Mason, der  Türsteher überrascht an. "Ms. Thompson, geht es Ihnen nicht gut? Sie sehen ja aus wie ein Vampir, falls ich das so ausdrücken darf."  Ich ging gar nicht auf die Bemerkung ein. Ich bekam wahrscheinlich gleich noch von meinen Eltern eine Standpauke gehalten, weil ich zu spät war, da musste ich nicht noch unserem Türsteher erklären, wie unvorsichtig ich anscheinend gewesen war. "Ist Dad schon zu Hause?", fragte ich stattdessen mit einem vorsichtigen Blick Richtung Whitehall und Parliament Street. "Aber natürlich Ms. Thompson. Ihr Vater wartet schon auf Sie. Sie haben sich sehr verspätet." Ok, 5 Minuten empfand ich nicht als sehr verspätet, aber da musste ich nicht mit einem Türsteher drüber sprechen. "Danke" sagte ich und Mason öffnete mir die Tür. Den unbekannten Mann hatte ich offensichtlich abgehangen. Jetzt konnte ich mich einer neuuen Bedrohung stellen: Meinem höchst wahrscheinlich sehr verärgertem und Hausarrest liebenden Vater.

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Publication Date: 05-26-2017

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