Metainformationen zum Buch
Michaela erwacht ohne jegliche Erinnerung in einem weitgehend weißen Raum. Eine Stimme, die sich als Ida vorstellt, eröffnet ihr, daß sie nach einem schweren Unfall über Jahrhunderte als sogenannter Kryo-Zombie unfreiwillig konserviert worden ist und nun erst wiederauferstanden wurde.
Ida berichtet dann über das zwischenzeitliche düstere Schicksal der Menschheit. Michaela stellt sich langsam die Frage, wo sie ist und wer eigentlich Ida ist …
Die Erzählung ist ein interaktives Textabenteuer (eine nicht-lineare Geschichte), in der zwischen Alternativen ausgewählt werden kann.
Die veröffentlichte Version enthält nur abgeschlossene Handlungsstränge, ist also im aktuellen Zustand jeweils komplett bis zum Ende des jeweiligen Handlungsstranges eine vollständige Geschichte, bei der es nicht notwendig ist, immer wieder auf Fortsetzungen zu warten. Zudem handelt sich bei einigen Handlungssträngen lediglich um Variationen, andere haben einen komplett anderen Verlauf. Natürlich können mehrere Handlungsstränge nacheinander gelesen werden oder miteinander verglichen werden. Dabei gehört die Überraschung zum Konzept, ob es sich bei einem weiteren Handlungsstrang lediglich um eine Variation mit geringen Abweichungen zu einem anderen Handlungsstrang handelt oder um komplett neue Inhalte, welche in andere Richtungen führen. Es gibt ferner auch Handlungsstränge, welche irgendwann wieder zusammenlaufen oder auch am Ende wieder auf das erste Kapitel verweisen.
Die kürzesten Handlungsstränge haben eine Länge von ~100 Normseiten, die längsten derzeit über 1500 Normseiten. Die Länge des aktuell gelesenen Stranges hängt natürlich davon ab, welche Alternativen bei den Verzweigungen jeweils ausgewählt werden.
Weitere alternative Handlungsstränge sind allerdings in Arbeit oder in Planung.
Von daher können folglich nach jeder Aktualisierung weitere Handlungsstränge erkundet werden.
Teilweise ist angegeben, welche noch nicht realisierten Handlungsstränge als Alternativen bereits geplant sind.
Vorschläge für weitere (alternative) Handlungsstränge können unverbindlich eingereicht werden.
Science Fiction, Dystopie, Utopie, Kryonik, Kryo-Zombie, Konservierung, Wiederauferstehung, Artifizielle Intelligenz, Avatar, Selbstoptimierer, Cyborg, Kompatibler, Digitalisierter, Schwarmintelligenz, Mikroroboter, Megastadt, Ökozid, Kernfusion, extraterrestrisches Leben, Relativistik, Mission, Raumfahrt, interstellar, Asteroiden, Terraformung, Entstehung des Lebens, Entstehung des Lebens, außerirdisches Leben, extraterrestrische Kolonialisierung, extraterrestrischer Sex, extraterrestrische Liebe, auswählbar, interaktiv, nicht-linear, nichtlinear, Textabenteuer, Textadventure, nicht-lineare Erzählung
Inhalte
ESM4
Inhaltsverzeichnis
Titelei
Nicht-lineare Erzählung
Epigraph
William Shakespeare; Hamlet, dritter Akt, erste Szene (Hamlet)
Trinken wir auf das unentdeckte Land, die Zukunft.
Nicholas Meyer, Denny Martin Flinn; Star Trek VI: Das unentdeckte Land (Gorkon)
… um mutig dorthin zu gehen, wo noch kein Mensch zuvor gewesen ist …
Gene Roddenberry; Raumschiff Enterprise (Vorspann)
Die Zukunft hat viele Namen. Für die Schwachen ist sie das Unerreichbare. Für die Furchtsamen ist sie das Unbekannte. Für die Tapferen ist sie die Chance.
Victor Hugo
Ich denke viel an die Zukunft, weil das der Ort ist, wo ich den Rest meines Lebens zubringen werde.
Woody Allen
Vorwärts immer, rückwärts nimmer!
Erich Honecker
Vielleicht das beste an der Zukunft:
Es kommt immer nur ein Tag auf einmal.
Johann Wolfgang von Goethe
Große Zeiten sind immer Zeiten, in denen alles schiefgeht.
Theodor Fontane
Es ist nicht gesagt, daß es besser wird, wenn es anders wird.
Georg Christoph Lichtenberg
Die Liebe läßt die Zeit, die Zeit aber oft auch die Liebe vergehen.
Giacomo Casanova
Inhalte
Vorwort
Zum Inhalt
Dieser Science-Fiction hat mit dem nunmehr ersten Kapitel als Kurzgeschichte zum Thema Dystopie begonnen, wird allerdings mit weiteren Kapiteln auf breiterer Basis fortgesetzt. Das Publikum kann auch gerne unverbindlich eigene Vorschläge für Fortsetzungen oder gar alternative Handlungsabläufe einreichen. Es werden gelegentlich, derzeit monatlich, neue Inhalte zu ergänzt.
Es wird allerdings vermieden, eine komplett unfertigen, nicht abgeschlossenen Text zu präsentieren. In jeder veröffentlichen Ausgabe gibt es einige abgeschlossene Handlungsabläufe. Bislang noch nicht enthaltene alternative Handlungsabläufe werden in weiteren Ausgaben ergänzt. Diese knüpfen jeweils dort an, wo es in der aktuellen Ausgabe bereits mindestens eine abgeschlossene Alternative zur Auswahl gibt. Somit wird vermieden, daß das Publikum an eine Stelle kommen kann, an welcher die Erzählung unfertig abbricht. Somit ist sichergestellt, daß das Werk im jeweils aktuellen Zustand immer komplett lesbar ist.
Ob es sich nun wirklich um eine Dystopie oder eine Utopie handelt, hängt davon ab, welchem Handlungsablauf gefolgt wird, sicherlich auch, aus welcher Perspektive das gesehen wird. Von daher kann das Sub-Genre gar nicht so genau festgelegt werden. Generell werden weitere Genres gelegentlich eingemischt, um Stereotype zu vermeiden.
In Bezug auf das Genre Science-Fiction wurde versucht, den Schwerpunkt Wissenschaft schon ernstzunehmen. So driftet die Erzählung also nicht ins Phantastische ab. Das Konzept ist dabei, daß die geschilderten technischen Entwicklungen, die Entdeckungen der Mission schon so passieren könnten, also nach heutigem Stand der Naturwissenschaften nicht bereits als unplausibel angelehnt werden müssen. Der Reiz der Erzählung besteht also gerade darin, weitgehend an das anzuknüpfen, was aus heutiger Sicht nicht unmöglich erscheint. Die Protagonisten setzen sich mit dem auseinander, was naturwissenschaftlich ist oder sein kann. In dem Sinne unterscheidet sich dieser Science-Fiction von diversen Werken des Genres, die eigentlich eher falsch einsortiert sind und besser unter Phantastik oder fantasy einzuordnen sind.
In einigen Handlungsabläufen gibt es als weiteren Schwerpunkt das Verhalten, die Soziologie und Dynamik kleiner Menschengruppen. Bei wissenschaftlichen Missionen, in welchen eine kleine Gruppe abgeschnitten vom Rest der Menschheit forscht, bringt diese Isolation, die fehlende Fluchtmöglichkeit in einen anderen sozialen Kontext fast zwangsläufig eine Situation hervor, welche einer Untersuchung wert ist. Konflikte, verschiedene Interessen und Meinungsverschiedenheiten treten auch in solch kleinen Gruppen früher oder später zwangsläufig zu Tage. Die Gruppe ist alsdann gefordert, das Problem aus sich heraus zu lösen, weiterhin zu kooperieren. Dies gilt natürlich umso mehr, wenn die Mission nicht abgebrochen werden kann, es also keinen anderen Weg gibt, als den Konflikt durchzustehen und irgendwie miteinander klarzukommen. Je nach Geschick kann das gelingen, jedoch nicht in allen alternativen Handlungsabläufen des Werkes.
Die Auswahl unter Alternativen ist nun nicht so zu verstehen, daß lediglich exklusiv eine Möglichkeit ausgewählt werden kann. Es wird sich oft lohnen, mehrere oder alle Alternativen nacheinander zu verfolgen und zu analysieren. Einerseits können in bestimmten Situationen Entscheidungen dazu führen, daß der weitere Verlauf der Ereignisse sich komplett verändert. In anderen Situationen ändert sich hingegen gar nicht so viel, erst allmählich spaltet sich etwas auf. Ob die Protagonisten im eigenen Ich, in der Situation gefangen sind oder sich daraus befreien können, einen neuen Weg finden, hängt natürlich stark von der jeweiligen Situation ab.
Ähnliche Effekte sind auch aus der Chaostheorie bekannt. Kleinere Änderungen führen auch da an vielen Stellen nicht zu wesentlichen Änderungen der Raumzeit-Trajektorie einer Entität. An bestimmten Stellen allerdings gibt es eine starke, chaotische Aufspaltung eines Bündels zunächst sehr ähnlicher Handlungsabläufe.
So bleibt es bei der Auswahl einer Alternative in diesem Werk ebenfalls spannend, ob sich durch die Entscheidung etwas dramatisch ändert oder nicht. Viel steht gar nicht unter dem Einfluß der Protagonisten, sie agieren vor diesem invarianten Hintergrund, welcher von äußeren Einflüssen dominiert wird, woran sie also wenig oder nichts ändern können. Natürlich kann eine Entscheidung erheblichen Einfluß auf die Gruppendynamik haben.
Somit stellt sich implizit auch die Frage nach dem freien Willen. Wir können ja nicht uns selbst beliebig ändern. Wir entscheiden und handeln gar nicht so frei. Weder können wir tun, was wir wollen, noch können wir frei bestimmen, was wir wollen. Was im Hirn vorgeht, hängt an einer früheren, auch genetischen Prägung, früheren Erfahrungen, ebenso an dem, was im Gehirn zuvor schon verarbeitet und gedacht wurde. Dazu kommen natürlich die sensorischen Reize, die aktuell vom Gehirn verarbeitet werden müssen, wobei diese neuen Reize mit dem abgeglichen werden, was bereits im Gehirn aufgrund der Historie repräsentiert ist. Meist ergeben sich die daraus resultierenden Handlungsimpulse ohnehin unbewußt, daher sind es eigentlich nur wenige bewußte Entscheidungen, mit denen ein Mensch versucht, das eigene Sein gezielt in eine andere Richtung zu lenken. So gibt es in diesem Werk auch nur gelegentlich, jeweils am Ende eines Kapitels die Möglichkeit der Wahl zwischen Alternativen, ob sich zwischen zwei Alternativen so viel ändert, stellt sich erst im Laufe der Zeit heraus.
Im Sinne von Brechts Epischem Theater können die Auswahlmöglichkeiten und die äußeren Handlungsimpulse durch das Publikum an die Protagonisten auch als Verfremdungseffekte aufgefaßt werden. Sie laden also gleichfalls zur distanzierten Reflexion über das präsentierte Geschehen ein.
Nutzungshinweise
Dieses Buch enthält eine nicht-lineare Erzählung, in welcher Leser an einigen Stellen interaktiv auswählen können, welchem Handlungsstrang sie folgen möchten. Daher gibt es für die eigentliche Erzählung keine lineare Lesereihenfolge. Leser können gerne sowohl genau einem Handlungsstrang folgen als auch beliebig Alternativen ausprobieren, Schleifen gibt es allerdings nur wenige, Alternativen sind unter Umständen am einfachsten über die Inhaltsverzeichnisse zu erreichen.
Zusatzinformationen und Einstiegskapitel sind allerdings der Tradition folgend linear angeordnet, um den Einstieg in das Buch zu erleichtern, sie sind allerdings auch untereinander mit den typischen, kleinen Navigationslisten verbunden, die dem sonstigen Konzept des Buches folgen, auch hier ist es also nicht notwendig, die lineare Lesereihenfolge einzuhalten.
Die Auswahl eines nicht-linearen Handlungsstranges erfolgt im normalen Lesefluß durch Auswahl eines Verweises einer Liste am Ende eines Kapitels, für welches es verschiedene Alternativen als Fortsetzungen gibt. Zusätzlich gibt es zur allgemeinen Orientierung im Inhaltsverzeichnis eine Übersicht über sämtliche Kapitel und ihren Zusammenhang mit übergeordneten Kapiteln in Listenform.
Das klassische Inhaltsverzeichnis als Liste mit Texteinträgen ist allerdings nur begrenzt nützlich und fungiert primär als Hilfe, Zusatzinformationen, Einstieg ins Buch und zum Anwählen des Listeninhaltsverzeichnisses der Repräsentation der nicht-linearen Struktur.
Darstellungsprogramme für EPUB haben meist eine zusätzliche Blätterfunktion, um bei einer linearen Erzählung von einem Kapitel zum nächsten zu gelangen. Dies ist bei einer nicht-linearen Erzählung nicht nützlich. Aufgrund von fehlerhaften Implementierungen kann es allerdings auch bei als nicht-linear gekennzeichneten Inhalten vorkommen, daß solch eine Blätterfunktion auch weiterhin verfügbar ist. Diese führt dann in der Regel allerdings zu falschen Ergebnissen. Von einer Nutzung ist bei diesem nicht-linearen Buch also abzuraten.
Technisches
Die skalierbaren Vektor-Graphiken im Buch haben eher dekorativen Charakter.
Technisch wurden bei diesem EPUB einige Hilfen integriert, um dem Leser besseren Zugang zum Inhalt zu ermöglichen. Es gibt etwa verschiedene Stilvorlagen, zwischen denen gewählt werden kann. Bei einem Darstellungsprogramm, welches EPUB komplett interpretieren kann, wird es eine solche Auswahlmöglichkeit geben. Von daher kann dann leicht zwischen heller Schrift auf dunklem Grund und einer dunklen Schrift auf hellem Grund gewechselt werden. Für eigene Einstellungen eignet sich der ebenfalls alternativ verfügbare einfache Stil, welcher lediglich einige Strukturen hervorhebt oder anordnet.
Verfügbare alternative Stilvorlagen:
Autoren sowie Mitarbeiter dieses Buches haben keinerlei Einfluß auf Mängel, Fehler, Lücken in der Interpretation von EPUB durch das jeweils verwendete Darstellungsprogramm. Bei Darstellungsproblemen sollten diese zunächst analysiert, lokalisiert werden. Dazu kann es unter anderem als erster Schritt helfen, mit verschiedenen Programmen auf Reproduzierbarkeit zu prüfen oder auch mit speziellen Prüfprogrammen zu verifizieren, daß insbesondere im Buch selbst wirklich kein Fehler vorliegt.
Entsprechend wird es anschließend möglich sein, eine zielführende Fehlermeldung korrekt zu adressieren. Die Autoren sowie Mitarbeiter können je nach Fehler durchaus die korrekten Ansprechpartner sein. Bei der Qualität aktueller Darstellungsprogramme können dies jedoch gleichfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit die Entwickler dieser Darstellungsprogramme sein. Entsprechend sind möglichst präzise Angaben zum Problem bei einer Fehlermeldung immer hilfreich.
Generell ist die Fehlerrate bei Darstellungsprogrammen vom Typ Brauser gängiger Anbieter deutlich geringer als bei speziellen Programmen oder Erweiterungen für Brauser zur Interpretation von EPUB. Insofern kann es bei größeren Problemen mit der Darstellung ebenfalls ein Ausweg sein, das EPUB-Archiv zu entpacken (es handelt sich bei EPUB immer um ein Archiv vom Typ ZIP, das Buch alsdann direkt im Brauser zu lesen, wozu zunächst die Datei Inhaltsverzeichnis.xhtml im Verzeichnis Inhalt aufzurufen ist, um einen Einstieg in die Lesereihenfolge sowie einen Überblick über den Inhalt zu bekommen. Über die Verweisfunktion des Verzeichnisses kann anschließend jeweils der gewünschte Inhalt aufgerufen werden.
Dieses Vorgehen kann gleichfalls nützlich sein, um Probleme oder Fehler zu lokalisieren. Bei Einzeldokumenten sind überdies andere Prüfprogramme verwendbar.
Bei automatischen Konversionen dieses Buches im Format EPUB in andere Formate können diverse Mängel auftreten, welche sowohl an Fehlern und Problemen der zu naiv und einfach konzipierten Konversionsprogramme als auch an dem Format liegen können, in welches konvertiert wird. Autoren und Mitarbeiter dieses Buches haben keine Kontrolle über spätere Manipulationen oder Formatkonversionen, haben also keinen Einfluß auf die komplette Verfügbarkeit von Inhalten und Hilfen solch manipulierter Versionen. Sie empfehlen daher dringend, das unveränderte Original zu verwenden und sich dieses von einem leistungsfähigen Darstellungsprogramm präsentieren zu lassen.
Manuell ist es recht problemlos möglich, einige Techniken und Merkmale des Buches so weit zu vereinfachen, Inhalte anders aufzubereiten, um diese auch in verminderter Qualität in anderen Formaten verfügbar zu machen. Insbesondere bei wohl noch immer recht beliebten proprietären Amazon-Formaten (Mobipocket oder KF8) ist es recht einfach, ein passend vereinfachtes EPUB zu erstellen, aus welchem sich ein lesbares Buch in diesen minderwertigeren Formaten erzeugen läßt, sofern man sich mit EPUB und den Möglichkeiten dieser Formate etwas auskennt.
Inhalte
Herzlich Willkommen!
Gedankenfetzen, Wörter, dann Worte, dann war ich. Dieser Anfang ist schlecht, vielleicht auch gar nicht mit Worten zu beschreiben. Man kann nicht nichts sein, entweder das Ich ist sich seiner bewußt oder eben nicht, es gibt keinen wirklich erinnerbaren, im Nachhinein beschreibbaren, kontinuierlichen Übergang ins bewußte Sein. Irgendwann wird einem klar, man ist.
Dann kommt irgendwie die Körperlichkeit, ein Druck, von dem einem dann bald klar wird, der ist im Kopf, wo sich nur langsam die Gedanken sortieren, ja so sortieren, daß einem klar wird, man hat einen Kopf und wohl auch einen Körper, der sich ebenso dumpf bemerkbar macht, irgendwie kribbelt und existiert.
Es wird klar, man könnte jetzt die Augen öffnen, womit dann auch feststeht, daß man davon ausgeht, Augen zu haben, die Begriffe sind bekannt und mit Bedeutung verknüpft.
Also öffnete ich die Augen. Es dauerte etwas, dann wurde der Blick klarer. Es war ein Raum, weitgehend weiß, nicht besonders groß, diffuses, nicht besonders helles Licht, mehr oder weniger abstrakte Strukturen an der Decke über mir. Hatten die Strukturen einen praktischen Zweck oder war das Kunst oder Dekoration?
Ich konnte den Kopf langsam drehen, obwohl das gleich etwas Schwindel auslöste. Nun konnte ich mehr vom Raum sehen, eine abstrakte, ebenfalls fast weiße Einrichtung mit mir unbekannter Funktion. Ich konnte meinen Körper bewegen, befand mich damit wohl auf einer Liege oder Bahre. Mühsam bewegte ich mich also, erhob mich trotz Schwindel, saß, stützte mich mit den Armen ab. Ich fragte mich: ‚Weiß ich, wer ich bin?
Wo ich bin?
Warum?‘
Alles blieb diffus, unklar, der Kopf, die Erinnerung war wie in Watte gepackt. Da war kaum etwas, an was ich anknüpfen konnte, aber Begriffe waren schon da, nur hier kaum anwendbar. Immerhin, ich schaute meinen Körper an:
Das war meine Hand, meine Beine, Füße, allerdings in einer fremdartigen, eng anliegenden Bekleidung. Ich konnte mich nicht daran erinnern, was ich vorher trug, was vorher war, aber das hier war jedenfalls nichts, was mir jemals vertraut gewesen ist, dessen war ich mir ganz sicher.
Eine weibliche Stimme füllte körperlos und doch irgendwie ruhig und beruhigend den Raum: „Hallo Michaela!
Herzlich willkommen zurück!“
Zurück?
Ich hatte keinen Schimmer, was hier los war, ich sollte wohl beunruhigt sein, war es aber nicht einmal. Nichts wirkte hier bedrohlich, obwohl rein gar nichts vertraut war. Angst, Unruhe wurde weggedämpft.
Drogen?
Vielleicht.
Kenne mich damit nicht aus.
Habe kein Gefühl dafür.
Immerhin wirkte alles sauber, beinahe steril. Die diffuse Beleuchtung erlaubte nicht einmal eine Verunreinigung mit Schatten, allenfalls als ich die Hand ganz dicht über meinen Oberschenkel hielt, wurde es dann zwischen Hand und Oberschenkel doch dunkler.
Bin ich Michaela?
Sonst war ja niemand hier und mir kam das geläufig vor, ja es setzte sich wie ein Puzzle zusammen oder wie wenn man in einem Labyrinth irgendeine Markierung oder einen Hinweis vorfindet und hofft, seinen Weg irgendwie daran festmachen zu können. Ich bin Michaela, das ist mein Name, sonst wußte ich nichts.
So antwortete ich erst einmal, wobei mir immerhin auch meine Stimme vertraut vorkam, also jedenfalls zu mir paßte alles, Stimme, Name, was ich vom Körper so sehen kann. Was ich dann sagte: „Hallo auch!
Wer spricht denn da?
Wo bist du?
Wo sind wir?
Was geht hier vor?
Ich weiß irgendwie nichts mehr!“
Die Stimme antwortete: „Das ist nicht so ungewöhnlich, auch ein gewisser Schwindel, der sich schon bald legen wird, ist ganz normal. Körperlich bist du voll funktionsfähig, dein Hirn braucht allerdings noch etwas, um sich zurechtzufinden, einzugewöhnen.
Kannst mich Ida nennen. Ich bin eigentlich schon hier, nur nicht so wie du. Das ist so in Ordnung und normal. Ich kümmere mich und erkläre dir, was du wissen willst und ich weiß. Um zu beantworten, wo wir sind, müßte ich allerdings wohl viel weiter ausholen.“
Offenbar wollte Ida von alleine nicht weiter ausholen und hatte im Grunde auch noch nichts verraten. Ich stand auf, schaute mich um. Wenn das nicht so steril und unkörperlich eingerichtet gewesen wäre, entspräche der Raum fast meiner Vorstellung einer Gummizelle in der Psychiatrie. Aber an den Wänden gab es auch Anzeigen und Bedienoberflächen. Man konnte hier schon etwas machen, hatte ich den Eindruck, oder war das nur eine Anmutung, eine Kulisse?
Was mir auffiel: Meine Bewegungen waren irgendwie eigenartig. Ich kann aber nicht beschreiben, wie.
Ida hatte offenbar doch Lust, die Konversation fortzusetzen: „Erinnerst du ich an etwas aus deinem Leben, bevor du eben aufgewacht bist?“
Ida schien also zu ahnen, daß da in meinem Kopf nur ein großes Fragezeichen war.
Ida fuhr fort: „Weißt du, wer du bist, was du so typisch tust?“
Definitiv, Ida schien mehr über meinen aktuellen Zustand zu wissen als ich. Ich schüttelte langsam den Kopf, da Ida nicht persönlich anwesend war, ließ ich es vorsichtshalber nicht bei der Geste sondern ergänzte: „Nein, ist alles dumpf und taub im Kopf, fast wie in Watte gepackt.“
Ida meinte: „Das sollte sich bald bessern. Vielleicht sollte ich ein paar Brotkrumen auswerfen, so sagt man doch?“
Ich runzelte die Stirn: „Brotkrumen?
Um mich daran bei der Suche nach Erinnerung zu orientieren?“
Ida bestätigte: „Genau.
Habe ich die Metapher also richtig und verständlich gewählt.
Also Name, Beruf: Dr. Michaela Müller, Physikerin, letzte Arbeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin in Grundlagenforschung an der Universität.
Keine Kinder, nicht verheiratet.
Beziehungsstatus: Unbekannt.
Meine Daten sind allerdings nicht so detailliert.
Sagt dir das vielleicht schon etwas?“
Ich dachte nach, grübelte, wirklich schien das etwas die Watte aus dem Hirn zu vertreiben. Ida hatte Recht, ich erinnerte mich, meine Arbeit, mein Experiment, Chef, Kollegen, wenige Bekannte. Beziehungsstatus, naja, mal so mal so, könnte man sagen, ist privat, muß nicht publik werden.
So bestätigte ich dann: „Danke.
Das sagt mir etwas.
Aber es muß etwas passiert sein. Ich bin mir sicher, hier war ich zuvor nie.“
Ida bestätigte: „Das ist auf jeden Fall korrekt.
Nach meinen Daten hattest du einen Unfall.
Du warst auf einem Rad unterwegs und wurdest von einem Kleintransporter angefahren …“
Daran konnte ich mich nicht erinnern, also gut, ich fahre Rad, habe kein Auto, Unfall kann passieren.
Ida fuhr fort: „Bei solch schweren Unfällen ist es kein Wunder, wenn das Kurzzeitgedächtnis ausfällt. Sonst sortiert sich hoffentlich alles bald wieder ein. Schäden am Kopfbereich konnten nach meinen Daten ebenso behoben werden wie die am Rest des Körpers.“
Ich kommentierte: „Hört sich trotzdem arg an, kann mich an das alles aber rein gar nicht erinnern.“
Ida bestätigte: „Kannst du auch nicht. Eigentlich wärest du nach dem damaligen Stand der Medizin bald nach dem Unfall verstorben, ohne noch einmal zu Bewußtsein zu kommen …“
Ich ließ das mal so durchsickern und Ida ließ mir dazu bereitwillig Zeit. Ein paar Wörter waren mir aufgefallen: „Damalig?
Was hat mich offenbar dennoch gerettet?“
Ida antwortete ganz ruhig und ohne merkliche Gefühlsregung in der Stimme. Überhaupt plätscherte ihre Rede gleichmäßig und eigentlich ganz angenehm dahin, kein Drama darin, keine Mitleid, keine Freude.
Ida erläuterte also: „Zufällig gehörte der Kleintransporter zu einem Kryonik-Unternehmen. Als der hoffnungslose Zustand klar wurde, fühlte man sich verantwortlich und hat dich kostenlos in den Kundenstamm aufgenommen …“
Die Worte rieselten so langsam in mein Bewußtsein: „Ich wurde also eingefroren, konserviert?
Ich dachte, das funktioniert gar nicht?
Und ohne mein Einverständnis?“
Ida blieb unbeeindruckt von meiner zunehmenden Aufregung: „Bei dem damaligen Zustand war nicht mehr davon auszugehen, von dir noch einen Kommentar dazu zu erhalten, man dachte offenbar, es wäre ganz in deinem Sinne.
Das Unternehmen hatte gerade ein Verfahren entwickelt, welches so halbwegs funktionierte …“
Ich schluckte, stieß dann hervor: „Halbwegs?“
Ida erwiderte: „Das ist nur unpräzise gemeint, nur qualitativ, nicht quantitativ. Genauere Zahlen könnte ich liefern, sind aber vermutlich jetzt nicht so wichtig?
Einmal abgesehen von Zwischenfällen und diversen, vom Verfahren unabhängigen Problemen hat sich später herausgestellt, daß etwa ein Drittel der Kunden entweder behandelt und wiederbelebt werden konnten oder in ein zuverlässigeres Verfahren überführt werden konnten, du gehörst zu letzterem Anteil, weil es längere Zeit nicht komplett möglich war, die Unfallschäden zu beheben, man hat aber immer mal wieder Teilschäden beheben können.“
Durch diese Offenbarung war ich schon erheblich erschüttert und sagte nichts, atmete nur schneller.
Ida hatte das offenbar bemerkt, obwohl sie ja gar nicht anwesend war: „Du mußt dich nicht aufregen. Innerhalb von 113 Jahren nach dem Unfall konnten nacheinander praktisch alle Schäden behoben werden. In der Zeit wurdest du mehrfach in fortschrittlichere Methoden der Konservierung hochgestuft.“
Ich prustete hervor: „113 Jahre?
Ich bin 113 Jahre eingefroren gewesen?“
Ida klärte in aller Ruhe auf: „Nein, zum einen ist eingefroren nicht ganz der richtige Begriff, erst recht nicht bei den späteren Verfahren, zum anderen ist es nach unserer Zeit ziemlich genau 652 Jahre nach deinem Unfall!“
Ich fühlte mich wie vor den Kopf geschlagen, zitterte, setzte mich erst einmal wieder hin, auf einen stuhlartigen Vorsprung, von dem ich nur so nebenbei mitbekam, daß dieser sich irgendwie an meine Form anschmiegte, fast ansaugte, um mich irgendwie geborgen zu halten und zu stützen, um mir so geradezu Entspannung einzuflößen. Ida ließ mir Zeit, das zu verdauen.
Ich riß mich dann zusammen, ich war von der Arbeit einigen Kummer gewohnt, wann funktioniert schon einmal etwas gleich so, wie man es sich gedacht hat?
An welchem Tag gab es keine Überraschung?
Ich bemerkte bei mir noch immer ein leichtes Zittern, eigentlich sollte ich durchdrehen, aber irgendwie fühlte ich mich auch wie in Watte gepackt, wie teilweise sediert, mit Beruhigungsmitteln ausrangiert. So blieb ich dann wirklich ziemlich gelassen und ließ den Schock einfach so mit elegantem Schwung an mir vorbeitänzeln.
Ida hatte aber trotzdem wohl etwas bemerkt, vielleicht auch meine Blicke durch den relativ kahlen, weißen Raum.
Sie meinte: „Daß du beunruhigt bist, ist nachvollziehbar, du hast aber etwas bekommen, um die Wiederauferstehung besser zu verkraften und zu verarbeiten, du solltest eine innere Panik aber trotzdem vermeiden. Wenn es dir hier zu steril und kahl ist, könnte ich dir etwas Dekoration mit der Anmutung von abstrakter Kunst anbieten, wäre das in Ordnung?“
Ich nickte erst nur, schluckte, sagte nichts. Obwohl nicht körperlich anwesend hatte Ida das offenbar registriert, denn wie durch Magie erschienen an einigen freien Stellen an den Wänden wie aus dem Nichts abstrakte Graphiken, durchaus interessante Strukturen, darunter auch Mandalas, offenbar zur Meditation oder Selbstfindung geeignet, irgendwie sehr fürsorglich von Ida gedacht. Vielleicht würde ich mich damit später näher beschäftigen, eigentlich mag ich abstrakte Kunst.
Hatte Ida das gewußt?
Aber egal, ich sollte mich wohl doch besser etwas mehr konzentrieren, nicht ablenken lassen, sondern versuchen, mehr zu erfahren.
So brummte ich dann erst kurz und setzte dann die Konversation fort: „Da habe ich dann wohl eine Menge verpaßt …“
Ida bestätigte: „Das kann man so sagen.
Ich könnte auch etwas entspannende Musik bieten, etwa Klassik, oder etwas zeitgenössisches aus deiner Zeit, für mich allerdings auch in gewisser Hinsicht klassisch, ich kenne da deine Präferenzen nicht.
Viel mehr als Kunst und Musik kann ich dir zur Entspannung leider nicht bieten, unsere Möglichkeiten sind derzeit etwas eingeschränkt.
Oder möchtest du eine grobe, kurze Zusammenfassung, um dich zu orientieren?
Politik, Weltlage, technische Entwicklungen, Geschichte der Menschheit seit du aussteigen mußtest?“
Das beunruhigte mich schon, daran zu denken, was mittlerweile alles passiert sein mußte, fühlte mich irgendwie verloren. Wie würde sich jemand aus dem frühen Mittelalter fühlen, der plötzlich bei mir im Labor in der Universität stände?
Müßte dieser Person nicht auch der ganze Kram wie Magie erscheinen?
Mir fiel ein Zitat von Arthur C. Clarke ein: Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden.
Jetzt also bloß zusammenreißen, dachte ich mir, Informationen sammeln, analysieren, sich erst einmal ein Bild machen, was hier eigentlich los ist.
Ich fuhr mir mit einer Hand durch die Haare: „Also gut, wenn du das so einfach herunterrasseln kannst, wären mir Informationen gerade noch lieber als entspannende Musik, gänzlich bereit werde ich wohl nicht sein, aber neugierig auf jeden Fall!“
Ida zeigte sich unbeeindruckt: „Ist kein Problem. Auf Details kommt es wohl nicht an. Am interessantesten für dich wird zunächst die gesellschaftliche Entwicklung sein und was dich dann hierhergeführt hat, was wir hier machen und warum du nun wieder wach bist.“
Ich nickte: „Hört sich für einen ersten Eindruck gut an. 652 Jahre sind eine lange Zeit!“
Und dann stattete Ida ihren Bericht ab. Ich rekapituliere nur, was so grob hängengeblieben ist, Details stehen ohnehin in den Archiven, alles sorgfältig festgehalten, beinahe für die Ewigkeit, wie Ida zu versichern wußte. Als Fazit vorab: Ich kam im Laufe des Berichtes jedenfalls zu dem persönlichen Schluß, daß es für die Menschheit nicht so gut gelaufen war. Das war nicht so erstaunlich. Das war nur eine realistische Hypothese.
Schon zu meiner Zeit gab es ja Überbevölkerung und eine stark zunehmende Zerstörung des gesamten Ökosystems Erde. Ein durch den Menschen verursachtes Massenaussterben der Arten hatte längst eingesetzt. Menschen bezeichnen sich ja als intelligent oder gar weise, aber die tägliche, naive, dumme Praxis zeigt doch gerade das Gegenteil. Mit technischem Fortschritt hatte man die Grenzen immer weiter rausgeschoben, hatte es ermöglicht, daß es immer mehr Menschen gab, die den Planeten immer weiter ausbeuteten.
Ida berichtete über Hungersnöte, Verteilungskämpfe zwischen Nationen und auch verschiedenen Gesellschaftsschichten, die bisweilen eben eskalierten. Und es gab Epidemien, Seuchen, Katastrophen, nicht so erstaunlich bei immer größerer Bevölkerungsdichte, Hunger, schlechter Hygiene, Klimaänderungen und damit einhergehenden, großräumigen Elendsgebieten. Wer nicht in bessere Gegenden fliehen konnte, wer nicht schlicht absoff, der vegetierte im Elend und brütete Krankheiten aus. Die kamen dann reichlich und so schrumpfte die Erdbevölkerung. In kleinerem Umfang kam es in einigen Gegenden sogar zu Chemiewaffen-Einsätzen, auch zum Einsatz von Kernspaltungsbomben, gar zwei Fusionsbomben, eine globale Eskalation zu einem Weltkrieg blieb indessen aus, es waren nur einige Regionen für Jahrzehnte oder Jahrhunderte aus dem Rennen. Das verminderte immerhin die Konkurrenz in der Region, nicht aber das Elend.
Krisen von Demokratien hatte es auch schon zu meiner Zeit gegeben. Ambitionen von Großkonzernen auch. Vermögensverwaltungen hatten mächtig an Einfluß gewonnen, bestimmten über Aktienunternehmen, Großkonzerne. So kam es nicht offiziell, aber doch faktisch zu einer Übernahme der Macht, zur Kontrolle, aber dann nicht einmal durch einen Rat oder einzelne Personen. mehr durch ein mehr oder weniger komplexes Abstraktum mit starker Eigendynamik. Weniger euphemistisch könnte man sagen, es lief mehr oder weniger nach unverstandenen Regeln, die zu komplex waren, um sie zu verstehen oder auch nur nachvollziehen zu können, man war dieser Dynamik des Marktes einfach ausgeliefert. Entscheidungen in der Politik wurden als angeblich alternativlos verkauft, weil man diesem Komplex des Marktes hinterherlief, statt ihn zu regeln.
Das gesamte Finanzwesen wurde ja längst von Großrechnern kontrolliert, die wiederum durch die Vermögensverwaltungen relativ einfache Maxime hatten. Großrechner zu diesen und anderen Zwecken und besondere Forschungsprojekte waren die Ursprünge der Artifiziellen Intelligenz. Diese Spezies war eigentlich nie scharf zu umreißen, wo sie als etwas mit der Anmutung eigener Persönlichkeit aus der Datenflut der Datennetze hervorragten, nannte man sie dann auch später vereinfacht Ais oder in der Einzahl Ai. Da gab es kein Interesse an nackter Marktwirtschaft mehr, geschweige denn an abgefahrenen Gesellschaftsutopien. Es gab die Ersatzreligion der Börse und der Aktienkurs mit dem Gott des Wachstums. Und wenn in solch einem System genug Leute daran glauben, daß der Markt nach erfundenen Regeln funktioniert, funktioniert er dann wirklich danach, woran man glaubt, umso besser, je mehr sich dieser Börsenhandel von der profanen Wirklichkeit des Alltags ablöste.
Es gab nur Interesse an einem abstrakten, prognostizierbarem Wachstum für die eigene Klientel, was immer das auch heißen mochte, denn schon zu meiner Zeit war ja die Börse bereits eine einzige, von der Realität weitgehend losgelöste Spekulationsblase. Aber ein Wachstum für eine kleine Gruppe auf Kosten der Masse, auf Kosten des ganzen Planeten reicht ja im Grunde auch als einfache Handlungstrategie. Die Spekulationsblase platzte offenbar und wider Erwarten mancher nie komplett, vielmehr bestimmte diese Finanzwelt die reale Wirtschaft und Politik quasi als Anhängsel und Spielfeld.
Aufstände, Revolutionen, Umstürze gab es schon lokal, aber mit keinem großen Erfolg, entzog die abstrakte Macht der Finanzwelt jenen Regionen ihre Aufmerksamkeit und Zuwendung mit einem Boykott, gab es da bald nur noch Elend, Hunger und Tod statt Besserung der Umstände. Lokale Utopien funktionieren nicht in einem globalen Markt, wenn dieser der lokalen Gruppe die Ressourcen verweigert, den Zugang zum globalen Markt. Die Fiktion des Marktes stabilisiert sich selbst, erschafft durch seine fanatischen Anhänger eine eigene Scheinwelt.
Knapper werdende Ressourcen, erst schlecht verteilte Nahrung, dann zu wenig Nahrung für zu viele Menschen, eigentlich von allem zu wenig, nur zuviel Zerstörung der Umwelt, das führte auch zu den Wirtschaftskriegen, dann auch ganz realen Auseinandersetzungen und Kriegen, auch zu den bereits erwähnten Einsätzen nuklearer Waffen, dagegen war die Terroristenplage noch eine Kleinigkeit gewesen. Kriege bedeuten aber einen verschärften Ressourcenverbrauch. Das war dann bald auch nicht mehr durchführbar. Was man aber noch an Kriegen erreichte, förderte Seuchen, Epidemien, Chaos, eine weitere Einschränkung von Ressourcen.
Im Bereich der Medizin machte man nicht nur bei der Kryonik Fortschritte, diese trug aber zu einer weiteren Krise bei. Nachdem es ein funktionierendes Verfahren gab, gab es zunehmend auch reiche Leute, die das in Anspruch nahmen. Es stellte sich aber die Frage, welchen rechtlichen Status diese Untoten haben, die man bald Kryo-Zombies nannte. Erst deutlich nach den technischen Möglichkeiten gab es in einigen Staaten rechtliche Regelungen. Die Vermögensverwaltungen, auch eigens dafür gegründete Stiftungen kümmerten sich praktisch um die Geschäfte der Kryo-Zombies, es war dann nur fraglich, ob diese nicht vererben, da sie ja eigentlich tot sind. Da ich früh konserviert wurde, kamen für mich die gesetzlichen Regelungen zu spät, ich war und blieb tot und hatte keinerlei Rechte, war mehr oder weniger dann nach Einführung der gesetzlichen Regelungen der Willkür des Konzerns unterworfen, welcher mich eingefroren hatte. Da ich und andere Personen aus der ersten Kryo-Phase keinen rechtlichen Status hatten, gab es faktisch auch keine Grundlage, uns wiederzubeleben oder als Menschen zu betrachten. Das hätte nur zu weiteren Komplikationen geführt, eventuell gar zu Versorgungsansprüchen gegenüber den Kryonik-Konzernen. So blieben diese Kryo-Zombies einfach in der Konservierung. Sie dienten auch gerne immer mal wieder dem Test neuer Verfahren zur Heilung von Schäden und Krankheiten. So kam es dann gelegentlich eben vor, daß diese Personen partiell repariert und instandgesetzt wurden. So konnte es dann wie in meinem Falle durchaus passieren, daß jemand nach Jahrzehnten eigentlich wieder hergestellt war, aber nicht wieder aus der Konservierung erweckt wurde.
Für später eingefrorene Personen gab es dann einen rechtlichen Status und diese waren dann zeitweilige Schläfer, die dann jedenfalls teilweise ihr Vermögen für die eigene Zukunft retten durften, um dann vom Fortschritt der Medizin zu profitieren und nach einer Auferstehung von den Toten und den Kryo-Zombies weiterzuleben.
Auch hinsichtlich der Seuchenbekämpfung gab es natürlich Fortschritte und immer wieder erfolgreiche Behandlungen, jedenfalls in technisch und medizinisch gut ausgestatteten Regionen. In anderen Regionen dünnte dann folglich die Bevölkerung stärker aus als in den erfolgreichen Industriestaaten, dort dünnte im Durchschnitt die arme Bevölkerung stärker aus als die oberen Schichten, die sich Schutz, Abschottung und medizinische Behandlung besser leisten konnten.
Das ist nicht so erstaunlich. Das ist Marktwirtschaft.
Multirestistente Erreger waren schon zu meiner Zeit ein zunehmendes Problem, mutierende und sich genetisch vermischende Erreger waren jedenfalls bei hoher Bevölkerungsdichte und schlechter technischer und medizinischer Versorgung ein immer größeres Problem, welches trotz aller Fortschritte nie wirklich gelöst werden konnte, allenfalls unter optimalen Bedingungen in Schach gehalten werden konnte, aber wann und wo läuft es schon optimal?
Die Evolution ist schnell und dann auch effizient bei Mikroorganismen. Bei hohen Bevölkerungsdichten bedeutete es erheblichen Aufwand, das halbwegs im Griff zu behalten, was auch nicht überall gut gelang, was dann weitere regionale Verluste in großer Zahl bedeutete.
Schon zu meiner Zeit gab es ja in der Medizin viele Ersatzteile, das wurde weiter ausgebaut. Zudem gab es ja auch bereits eine weit verbreitete Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper, den eigenen Möglichkeiten. Der Mensch will eigentlich schon seit jeher über seine Möglichkeiten hinauswachsen, sich selbst optimieren, sich verbessern, seine Leistungsfähigkeit oder auch Attraktivität für andere erhöhen. Da war es dann schnell naheliegend, sich auch technischer Mittel und Erweiterungen zu bedienen, um sich selbst zu optimieren. So gab es dann bald neben der kleiner werdenden Gruppe der klassischen Menschen und der sowieso kleinen Gruppe der Kryo-Zombies auch noch die Cyborgs, wobei man den Begriff dann auf Wesen beschränkte, wo nicht nur mechanische Bauteile wie Knochen ersetzt und dann gerne auch leistungsfähige optimiert wurden. Jemand mit einer unfallsbedingten irreparablen Querschnittslähmung hat meist kein wesentliches Problem damit, wenn er repariert wird und dabei auch noch leistungsfähiger ist als zuvor, das ist allemal besser, als als Kryo-Zombie zu enden oder in einem Päuschen unbestimmter das Leben aller Bekannten zu verpassen und dabei das vielleicht gar nicht einmal besonders große Vermögen zu verpennen.
Zunehmend bekamen Menschen nun Schnittstellen verpaßt, mit welchen sie direkten Zugriff auf Datennetze hatten, ergänzt wurden auch leistungsfähige Subprozessoren und Datenspeicher, es gab auch Optimierung durch Genmanipulation. Genmanipulation und detaillierte Diagnostik und Selektion bei der eigenen Nachkommenschaft, aber auch die gezielte Beseitigung von Erbkrankheiten waren bald der Normalfall. Man zog so alle Register.
Zu meiner Seite noch schien es, als gäbe es keine signifikante Evolution mehr beim Menschen. Bereits zu meiner Zeit begann es, blühte nach meiner Konservierung aber offenbar erst richtig auf:
Es wurde herumexperimentiert, optimiert und gebastelt, was Medizin und Technik hergaben. Der biologischen Evolution wurde plötzlich stark nachgeholfen.
Wie Ida berichtete, waren die Ergebnisse natürlich längst nicht immer erfreulich. Es gab arge Zwischenfälle und unerwünschte Ergebnisse von Optimierungen, die sich dann gelegentlich eben auch als Katastrophen herausstellten. In einigen Regionen der Welt war bereits durch Diagnostik und gezielte Abtreibung das Verhältnis von Männern zu Frauen aus dem normalen Gleichgewicht geraten, was dann in diesen Regionen noch weiter zunahm und dann eben auch zu erheblichen Konflikten führte. Solche Diversifizierungen nach Moden oder regionalen oder religiösen oder kulturellen Besonderheiten nahmen dann noch drastisch zu, führten dann eben auch zu einem daraus resultierenden, massiven Selektionsdruck, auch zu Gruppenzwang, was man so an Nachkommen akzeptieren kann. Die Ergebnisse waren natürlich längst nicht immer zum Vorteil der Gesellschaft oder der kulturellen Entwicklung oder auch nur der Harmonie zwischen den Menschen. Konkurrenzdruck und Selektionsmöglichkeiten in menschlichen Händen führen zu ordentlich Druck im Kessel, was nicht selten in Katastrophen von kriegsähnlichen Ausmaßen führte.
Ida hielt es nicht für zielführend, mir da in dieser kurzen Zusammenfassung gleich weitere Details zu unterbreiten.
Ich hielt das für plausibel. Menschen, die sich, warum auch immer, für etwas Besseres halten als all die anderen, verursachen eben Konflikte, Mord und Totschlag, Terror, Kriege, Katastrophen. Das ist ja nicht neu, warum sollten daran gerade ein paar Optimierungen etwas ändern?
Sie hatten es offenbar ja nicht gerade zu einem Verstärker für Weisheit, Friedfertigkeit und Kooperation gebracht.
An die digitale Datenwelt angepaßte Menschen wurden dann auch bald die Kompatiblen genannt. Schon zu meiner Zeit gab es ja viele Leute, die über ihr Mobiltelephon extrem von Netzwerken abhängig, süchtig waren, da war es naheliegend, derartige Schnittstellen gleich in den Kopf zu verlegen, um direkten Zugang zu Netzwerken zu ermöglichen und einen effizienten Datenfluß zu gewährleisten. Auch zu meiner Zeit gab es schon bescheidene Ansätze von Selbstoptimierern, den eigenen Körper mit technischen Zusätzen zu ergänzen, von daher war im Grunde diese Entwicklung nicht weiter verwunderlich. Der Begriff Cyborg wurde irgendwann nur noch selten verwendet. Optimierte Personen, Kompatible wurden schnell zum Normalfall. Wer das nicht hatte, wurde recht schnell zum abgehängten Sonderling ohne wirkliche Chancen in der Gesellschaft.
Bedingt durch den direkten Anschluß an Netzwerke über die Schnittstelle gab es allerdings immer wieder das Problem, daß Kompatible Opfer von Cyber-Angriffen wurden, also über Netzwerke manipuliert wurden. Es war ein mühsamer Prozeß, hier wirksam abzuschirmen und das Ich auch von dieser virtuellen Welt ausreichend sicher zu separieren. Bis das zufriedenstellend gelöst war, gab es hier auch spektakuläre Zwischenfälle und Angriffe, Terror und Attentate auf sehr persönlicher Basis.
Ein besonderer Typ wurde möglich, nachdem man Information aus dem Gehirn in digitalen Datenspeichern unterbringen konnte, nicht perfekt, aber gut genug, um eine Persönlichkeit weitgehend zu rekonstruieren. Das hängt auch damit zusammen, daß sich das Gehirn aufgrund seiner Struktur nur schlecht rekonstruieren oder reparieren läßt, ohne die Persönlichkeit zu zerstören, obgleich auch da deutliche Fortschritte gemacht wurden. Das Auslesen der Information eines funktionierenden Gehirns geht aber leider nicht zerstörungsfrei, daher etwa für Sicherheitskopien eher ungeeignet. Die Methode basiert auf den leistungsfähigen Subprozessoren und Datenspeichern und benötigt ein paar Wochen Vorlaufzeit, eignet sich also nicht für akute Schäden.
Einige Leute mit Vorbehalten gegenüber Kryonik und eine Vorliebe für Digitaltechnik ließen sich nach der Diagnose einer schweren, unheilbare Krankheit rechtzeitig vor dem Verlust der Persönlichkeit übertragen. Das war immer eine relativ kleine Gruppe, auch Digitalisierte genannt, kurz auch Digis. Diese vereinen Vorteile von Artifizieller Intelligenz mit den Charakteristika der menschlichen Intelligenz. Die plötzliche Körperlosigkeit führte allerdings bei den meisten Digis zu massiven psychischen Problemen. Diese Personengruppe war stark selbstmordgefährdet, auch von daher kein wirkliches Erfolgsmodell dieser technologischen Fortsetzung der Evolution.
Immerhin hat dieser Typ es allerdings ermöglicht, menschliches Denken besser zu verstehen und auf künstliche Gehirne zu übertragen, so wurden auch die nächsten Generationen der Ais alltagstauglicher.
Rechtliche Aspekte hatte das auch, der relativ kleinen Gruppe der fortschrittlichsten Ais billigte man eine Persönlichkeit zu, somit dann auch äquivalente Rechte und Pflichten wie Menschen.
Diese Gruppe war dann wiederum auch dafür verantwortlich, Maschinen einzugruppieren und letztlich zu entscheiden, welchen davon Persönlichkeitsrechte zugebilligt werden. Viele Ais haben allerdings konstruktionsbedingt keine ausreichende Persönlichkeit und Individualität und damit auch keine entsprechenden Rechte.
Ungefähr an der Stelle unterbrach ich Ida kurz und fragte besorgt nach, was man bei meiner Reparatur angestellt habe. Sei ich nun auch ein Cyborg, ein Kompatibler, gar ein Digi in einer digitalen Simulation?
Ida beruhigte mich allerdings, zwar seien Schwärme von Reparaturroboter in mir aktiv gewesen, die hätten aber alles wieder aus organischem Material rekonstruiert. Die Knochen seien nun vielleicht etwas dichter, schwerer und weniger anfällig gegen Brüche. Kleinere Verschleißerscheinungen, Sehschwächen, Hörschäden, unentdeckte Tumore, Krebsnester, Narben, offensichtliche Schäden von vor dem Unfall könnten auch nebenbei behoben worden sein, der allgemeine Gesundheitszustand optimiert, auch die persönliche Kultur etwa an Darmbakterien. Darüber hinausgehende reine Verschönerungen oder Optimierungen aber seien nie durchgeführt worden, das erfordert die persönliche Zustimmung oder eben bei Minderjährigen die der Erziehungsberechtigten.
Ansonsten hatte es nie einen Sinn ergeben, einen Kryo-Zombie technologisch zu optimieren und zu ergänzen. So hätte ich also nicht einmal wie ein Kompatibler eine Datenschnittstelle, zusätzliche Subprozessoren und Datenspeicher. Von daher sei ich schon noch ein Mensch vom klassischen Typ, ohne Ergänzungen, ohne manipulierte Gene.
Ich atmete erleichtert durch, tastete mich aber doch etwas zweifelnd ab, oder besser, wie um mich zu beruhigen oder zu überzeugen, ob da wirklich nichts war. Ich konnte nichts Auffälliges feststellen, war mir aber nicht so sicher, ob ich Ida wirklich in dieser Hinsicht glauben sollte, aber was blieb mir einstweilen übrig. Ich fühlte mich irgendwie wie ich an, trotz des Kopfes, der wie in Watte eingepackt wirkte, trotz der offenbar verabreichten Beruhigungsmittel.
Und Ida machte in ihrer gleichmäßigen, ausgeglichenen Art auch nicht den Eindruck, als würde sie irgendwelche Skrupel haben, mir unangenehme Wahrheiten lange zu verschweigen oder mich anzulügen. Ida schien wenig zu beeindrucken, was sie mir auch für Dinge erzählte, die auf mich ziemlich widerlich wirkten, ihre Stimmung, ihre Stimmlage blieb gleich. Das war schon ein Phänomen. Gut, für Ida war das Geschichte, von daher vielleicht nicht so aufregend wie für mich, kein wirklich schockierender Neuigkeitswert für Ida daran, ganz anders als für mich.
Ida hatte wohl mitbekommen, daß ich prüfte und hakte kurz nach: „Also, bei Bedarf hätten wir schon die Möglichkeiten, sowohl Optimierungen als auch Schönheitsoperationen durchzuführen. Wenn du diesbezüglich Wünsche hast, ließe sich das schon umsetzen. Allerdings kannst du dir damit ruhig Zeit lassen, es gibt keinen dringenden Anlaß, unbedingt gleich eine Schnittstelle, zusätzlichen Speicher oder Subprozessoren zu benötigen oder auch leistungsfähigere Sensorik oder Motorik.“
Ich nickte erleichtert: „Oh, da drängt es mich nach meiner Perspektive auch gar nicht!
Weder nach Schönheitsoperationen noch sonstigen Optimierungen oder Erweiterungen. Auch ein Anschluß an Netzwerke erscheint mir nicht so dringlich, ich kenne ja außer dir niemanden mehr. Und an Informationen komme ich doch bei Bedarf auch so?“
Ida stimmte zu: „Das ist kein Problem, ich kümmere mich erst einmal um alles, was dich betrifft, du wirst dich schnell zurechtfinden, keine Bange. Für Aufgaben, die spezielle Motorik oder Sensorik oder Rechenleistung erfordern, gibt es genug andere Möglichkeiten. Es ist viel wichtiger, daß du die neue Sachlage, die Diskontinuität in deinem Leben verarbeitest und akzeptierst. Dann kannst du wieder ruhig und mit Selbstvertrauen teilhaben und teilnehmen, das gilt es zu erreichen.“
Damit war ich wohl einverstanden, atmete erleichtert durch. Und gut, wenn sie es gewollt hätten, hätten sie es doch wohl bereits getan, bevor sie mich wiederauferstanden haben. Also ließ ich sie dann mal einfach weitererzählen, was blieb mir sonst übrig?
So fuhr Ida also mit ihrem Bericht fort:
Dieser Typus der Kompatiblen setzte sich mehr oder weniger gegenüber den anderen Menschentypen durch, auch weil dieser Typus besser abgeschirmt in hochtechnisierten Megastädten lebte, die besser gegen externe Seuchen geschützt waren. Jedenfalls für die Menschen in den Megastädten wurde auch eine sehr effiziente Nahrungsherstellung entwickelt, die mit dem Begriff urbaner Landwirtschaft nicht wirklich gut beschrieben ist. Grundlage der Basisnahrung waren Erzeugnisse auf hocheffizienten, gendesignten Pilzen, Algen, Mikroorganismen. Das war meist effizienter als ebenfalls verfügbare, rein synthetische Verfahren. Tierische Nahrung und auch Nahrung aus klassischen, makroskopischen Pflanzen waren dann eher Delikatessen für jene wenigen, die sich das leisten konnten.
Die Energieversorgung der Städte basierte teilweise auf Solaranlagen, Windkraftanlagen, bei Meernähe auch Gezeitenkräften. Dazu hatte aber eine jede Stadt zwei bis vier Fusionskraftwerke, was mir zunächst erstaunlich erschien, denn ich erinnerte mich wohl an den Dauerwitz meiner Zeit, daß es egal zu welchem Zeitpunkt man fragt, immer noch rund vierzig Jahre dauert, bis solche Kraftwerke funktionieren. Nun, offenbar hatte man dann den Witz doch irgendwann wahrgemacht.
Mit den Menschen außerhalb dieser Städte ging es hinsichtlich der Anzahl rapide bergab. Ida hatte Andeutungen gemacht, daß vermutlich einige Viren aus Laboren stammten und man sie in kriegsartigen Szenarien verbreitet hatte oder im Rahmen von Terroranschlägen in konkurrierenden Staaten zum Ausbruch brachte. Trotz des medizinischen Fortschritts reduzierte sich so die Erdbevölkerung dramatisch, stabilisierte sich erst bei rund hundert Millionen Kompatiblen, die Anzahl der originalen Menschen sank immer weiter. Von denen gab es dann zunächst noch etwa zehn Millionen. Viele davon waren ursprünglich Aufständische in dann weitgehend abgesperrten Gebieten. Insgeheim wurden sie sogar im Laufe der Zeit von den Megastädten mit durchgeschleppt, mit Nahrung notversorgt, was man in diesen Gebieten aber nie zugegeben hätte. Jedenfalls gab es in diesen kritischen Gebieten einen Bevölkerungsrückgang von etwa fünf Prozent im Jahr.
Deutlich besser getroffen hatte es da eine kleinere Anzahl von Öko-Kommunen, die in friedlicher Koexistenz und im Austausch mit den Megastädten in speziell ausgewiesenen Gebieten lebten. Bei diesen fand auch ein gewisser Austausch der Bevölkerung mit den Megastädten statt, die Gesamtzahl dieser Personengruppe lag dann bei grob einhunderttausend. Dazu kamen noch kleinere Gruppen von Urvölkern, etwa Indianer, australische Ureinwohner, wenige afrikanische Stämme, die praktisch autark in ihrem kleinen Gebiet lebten. Der Rest der Erde galt dann praktisch als Schutzzone, rund achtzig bis neunzig Prozent der Landmassen und noch mehr bei den Meeren.
Es gab bei der Energieversorgung also eindeutig eine Bewegung weg von fossilen Brennstoffen, die nur noch in weit geringerem Umfange als Rohstoff genutzt wurden, auch noch für die massiv ausgedünnte Flugzeugflotte der Menschheit, für Raketen und einige Autos für abgelegene Gebiete. Trotzdem hatte die Klimakatastrophe längst eingesetzt, so begann man dann, um die Auswirkungen im erträglichen Rahmen zu halten, mit massiver Manipulation des Klimas, zunächst in der Regie verschiedener Spieler unabhängig voneinander, was dann natürlich auch Anlaß für einige Konflikte war, die sich erst beruhigten, nachdem die Erdbevölkerung massiv zurückgegangen war und sich primär auf die Megastädte zu konzentrieren begann. Zu dem Zeitpunkt waren die Emissionen zwar dramatisch zurückgegangen, die massiven Eingriffe in das Klima erforderten dann aber kontinuierliche weitere Manipulationen, in dieser späteren Zeit dann allerdings immerhin koordiniert und nicht gegeneinander. So konnte der Kollaps zwar abgewendet werden, hätte man aber nicht jährlich weiter spezielle Gase und Partikel in die Atmosphäre gepumpt, um das Klima und Wetter zu regulieren, hätte der Kollaps innerhalb von wenigen Jahren nach dem Stop dieser Aktivitäten eingesetzt. Der Planet als selbständiger Regelmechanismus war eigentlich am Ende, man hatte das nur noch technisch im Griff. Damit begann auch eine gewisse Sehnsucht nach anderen Orten mit intakter Atmosphäre.
Eine besonders interessante Entwicklung sowohl in Medizin als auch in der Technik waren Mikroroboter, die in Schwärmen eingesetzt wurden. Von Schwarmintelligenz zu sprechen, wäre jedenfalls bei den kleinsten Systemen übertrieben, aber diese Roboter-Schwärme waren je nach Anwendung ausgelegt und damit sehr effizient, arbeiteten entweder mit äußerer Steuerung oder auch nach relativ einfachen Regeln weitgehend autark Aufträge ab.
In der Medizin ermöglichte das etwa ganz neue Operations- und Reparaturmethoden, lokalisierte Anwendung von Wirkstoffen und diversen anderen Möglichkeiten von Diagnose und Therapie in der Apparatemedizin. Dazu kam der Ersatz oder die Rekonstruktion von Gewebe direkt im Körper, statt extern naturidentischen Organe wachsen zu lassen, um sie dann per Operation einzusetzen, fehlende Gliedmaßen konnte man einfach nachwachsen lassen, per Unfall zerstörte Organe vor Ort im Körper reparieren und rekonstruieren.
Diese Roboterschwärme waren dann auch Grundlage vieler Reparaturen an Kryo-Zombies, aber auch Alltag in der sonstigen Operationstechnik. Offenbar gehörte ich selbst gelegentlich zu den ersten Probanden neuer Anwendungen dieser Technologie, so wurde ich offenbar über die Jahrzehnte immer mal wieder weiter instandgesetzt.
In der Technik und Produktion wurden diese Schwärme ebenfalls intensiv eingesetzt. So wurde es etwa möglich, verlassene Städte, sogar alte Müllkippen als Ressourcenquelle auszubeuten, teils auch, um belastete Regionen sonst zu analysieren und auch wieder zu bereinigen.
Artifizielle Intelligenz entwickelte sich gut weiter, derartige Rechner-Wesen etablierten sich allmählich zu einer eigenen Spezies. Aus den Vermögensverwaltungen hervorgehend, lag hier eigentlich die Kontrolle des Geschehens, ohne dies aber an Individuen, egal ob menschlich oder artifiziell, festmachen zu können. Dies Systeme stabilisierten im Grunde alles und verhinderten trotz der Seuchen den Zusammenbruch der Gesellschaft, den Kollaps des Planeten in letzter Minute, auch weil aufgrund von Automatisierung viel technischen Wissen mittlerweile dokumentiert und archiviert war. Diese Systeme regulierten letztlich sogar die Fruchtbarkeit der Menschen in den Megastädten, kontrollierten indirekt auch die Restbevölkerung. Arbeit war weitgehend automatisiert. Natürlich gab es schon auch noch neben der Landwirtschaft der Öko-Kommunen einiges an Arbeit für Menschen in den Städten, aber die existenzielle Basisversorgung wurde durch Maschinen gewährleistet, von Ais organisiert und verwaltet. Menschen mußten sich nach anderen Aktivitäten umsehen. Es fand ein regelrechter Paradigmenwechsel statt, weg vom Arbeitsfetisch. Mancher, der schon Seuchen überlebt hatte, stand nun vor neuen Herausforderungen: Streß durch Arbeitsverlust, existenzielle Sinnfragen, Depressionen, Suizid-Versuche. Die zuvor zum Selbstzweck, zur Ersatzreligion, zum Lebenszweck und Lebenssinn stilisierte Arbeit stellte sich plötzlich für viele Menschen als obsolet heraus, man war nicht mehr auf ihre Arbeit angewiesen, dann im Grunde auch nicht mehr auf ihren Konsum, das Hamsterrad der Marktwirtschaft lief weiter, auch ohne Menschen als Hamster darin.
Ja auch die Ais mußten umdenken, denn die direkte Produktion fand weitgehend durch darauf spezialisierte Systeme statt, deren intellektuelle Fähigkeiten zumeist bescheiden waren und an das Problem angepaßt waren.
Philosophisch stellte sich natürlich immer mehr die Sinnfrage – wozu das alles?
Man hielt sich geradeso am Leben, weitere gemeinsame Ziele fehlten.
Irgendwie war man schon eine Kultur, eine Gesellschaft, wohl nicht geradezu eine Gemeinschaft, aber irgendwie doch gemeinsam komplett aus dem Tritt gekommen.
Trotz dramatisch gesunkener Bevölkerungszahlen erholte sich der Planet nicht. Immerhin hatten Menschen oder eher Kompatible noch größeren Einfluß auf Entscheidungen und Entwicklungen, denn die Ais erwiesen sich als nicht besonders kreativ und hatten auch Probleme, sich wirklich jenseits ihrer virtuellen Welt und ihrer Verwaltungsbereiche ohne menschliche Hilfe zurechtzufinden. Es gab also mehr oder weniger einer Symbiose. Maschinen und im Grunde dumme Roboter produzierten, Ais organisierten, planten, überwachten, Menschen hatten Konsumwünsche oder zu befriedigende Ansprüche.
Waren diese aber angemessen?
Erfüllbar?
Wenn ja, wie?
Gab es Konflikte, sich gegenseitig ausschließende Bedürfnisse?
Galt es einen Ausgleich von Interessen zu treffen?
Ais regelten und entschieden das.
Hatten die irgendwann auch eigene Interessen, die da mit einflossen?
Ida wollte oder konnte auf diese von mir gestellte Frage nicht antworten.
Solche Fragen wurden in den so gesteuerten Megastädten einfach nicht gestellt.
Da man schon zu meiner Zeit Planeten außerhalb des Sonnensystems entdeckt hatte, suchte man auch nach Leben außerhalb der Erde. Man fand dann auf dem Mars Mikroorganismen, auf dem Saturn-Eismond Enceladus im Meer unter der Eisdecke auch etwas komplexere Organismen. Bei anderen Eismonden des Sonnensystems wie etwa den Jupitermonden Europa oder Ganymed vermutet man auch einen subglazialen Ozean, bei Enceladus hatte man einfach mehr Glück, einen Zugang dazu durch die Eisdecke zu finden.
Das interplanetare Forschungsprogramm fand primär mit Robotern, Ais statt, da diese deutlich weniger Aufwand benötigten, um im Weltraum aktiv zu sein, sie brauchten weniger Platz, weniger Energie, hatten eine größere Effizienz, waren weniger empfindlich gegenüber Beschleunigungskräften und tiefen Temperaturen. So kamen dann nur noch wenige Menschen in den Weltraum, was hätten die auch auf einer Raumstation, auf dem Mars oder einer Forschungsstation noch weiter draußen tun sollen, außer krank zu werden?
Es gab nur wenige Missionen im Sonnensystem, an welchen wirklich Menschen teilnahmen, um ohne Zeitverzögerung an der Forschung aktiv teilzuhaben, ihre kreativen und explorativen Fähigkeiten vor Ort zur Verfügung zu stellen.
Hatte man eine Antwort auf die Frage gefunden, woher das Leben auf der Erde kam?
Es gab immerhin ein paar Hypothesen, viel deutete ja schon zu Michaelas Zeit darauf hin, daß jedenfalls wichtige Bausteine des Lebens aus dem Weltraum gekommen sein konnten. War das Leben auf der Erde irgendwann in der Anfangszeit von anderen Spezies eingeschleust worden?
Das hielt man für sehr unwahrscheinlich und winkte bei solchen Hypothesen gerne mit Ockhams Rasiermesser.
Daß aber Mikroorganismen oder reproduzierbares Erbmaterial auf interstellaren Materieklumpen zufällig in das Sonnensystem gelangt sind, schien zunehmend plausibel, man hatte auf alten Brocken, Kleinkörpern des Sonnensystems neben gefrorenem Wasser auch einfaches organisches Material gefunden, ob chemisch auf diesen entstanden oder einst einem anderen Sonnensystem entrissen, als eventuell ein Planet durch Gezeitenkräfte erst zu einem Ringsystem zerfallen ist, wobei dann bei Zusammenstößen Brocken beschleunigt wurden und aus dem System entkommen konnten, konnte nicht eindeutig geklärt werden, das schien aber durchaus wahrscheinlich zu sein, wobei unklar blieb, wo und wie dann das erste Leben entstanden war. Die ersten Welten mit organischem Material konnten jedenfalls erst entstehen, nachdem bereits Sterne in Supernovae Sauerstoff und all die anderen notwendigen Atomsorten produziert hatten. Danach muß es dann wohl irgendwo passiert sein und dann hatte sich das Leben weiter verbreitet. Vielleicht war es auch an ganz verschiedenen Orten unabhängig voneinander entstanden, nur aufgrund von bislang noch nicht verstandenen und komplexen chemischen Reaktionen?
Auch einschlagende Kometen oder Meteoriten können dann aus solch einem Planeten Klumpen herausschlagen, die in kleinen Mengen organisches Material enthalten, die dann weiter durch das Sonnensystem irren oder dieses sogar verlassen. Gibt es erst einmal sich selbst reproduzierendes Material auf einem Planeten oder auch nur einem Kleinkörper eines Sonnensystems, gab es letztlich einige Möglichkeiten, wie sich diese Grundsubstanzen des Lebens dann weiter verbreitet haben könnten.
Daß man im Sonnensystem extraterrestrisches Leben gefunden hatte, stimmte optimistisch und man versuchte, mehr über andere Sonnensysteme herauszufinden, dort für irdisches Leben bewohnbare Planeten zu entdecken. Nun sind die allesamt weit weg und daher schlecht zu untersuchen. Es dauert Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte, diese zu erreichen. Aus solchen Entfernungen kann man allenfalls per Astro-Spektroskopie Atmosphären solch ferner Planeten grob untersuchen, dort vielleicht verräterische Signaturen von charakteristischen Molekülen, Gasen finden und dann Schlüsse ziehen, daß dort etwas los sein könnte, was dem Leben auf der Erde ähnlich sein könnte oder aber, wo man solches Leben ansiedeln könnte. Auch auf der Erde gibt es bereits exotische Lebensformen in extremen Nischen, organisches Leben kann sich offenbar also auch an ein breiteres Spektrum von Lebensbedingungen anpassen. So suchte man verdächtige Kandidaten in der näheren Umgebung der Erde, wobei diese Nähe durchaus ein paar hundert Lichtjahre umfassen konnte, damit war man dann praktisch schon am Rande des Bereiches, von welchem man sich irgendwie vorstellen konnte, ihn mit dem verfügbaren technischen Möglichkeiten in einer Form zu überwinden, daß die am Ziel ankommenden Raumschiffe noch so weit einsatzfähig wären, um das Ziel zu untersuchen und Daten zurückzuschicken, dort auch Experimente zu machen, sofern nicht vorhanden, auch die Saat des Lebens auszubringen.
Trotz enormem Erkenntnisgewinn in den Naturwissenschaften, insbesondere in der Physik, fand man erwartungsgemäß keine Möglichkeit, ferne Orte schneller als das Licht zu erreichen, immerhin aber hatte man Möglichkeiten gefunden, den Weltraumschrott in den Erdorbits aufzuräumen, was sich als hilfreich erweisen sollte. Man lernte, direkt im Weltraum Raumschiffe zu bauen und dafür dort auch Ressourcen zu gewinnen. So war es dann auch möglich, einerseits relativ leistungsfähige Raumschiffe zu bauen, andererseits mit dem Problem umzugehen, daß hohe Geschwindigkeiten beim Zusammenstoß von Objekten mit dem Raumschiff große Schäden hervorrufen. Man hatte mehrere Typen von Absorbern entwickelt, um kollidierende Teilchen auszubremsen, bevor das eigentliche Raumschiff getroffen wurde. Teile des absorbierten Materials konnte man wiederum verwenden, um Absorber, Raumschiffe zu bauen, dazu wurden dann auch Mikroroboterschwärme eingesetzt, die zum einen in der Lage waren, aufgefangenes Material zu analysieren und dann zur weiteren Nutzung aufzubereiten und bereitzustellen, dann auch, um damit neue makroskopische Strukturen aufzubauen.
Teils war es sogar auch möglich oder sinnvoll, absorbierte Substanzen für den Betrieb der Fusionsreaktoren in Raumschiffen zu nutzen und ebenfalls als Antriebsquelle, denn es reicht ja nicht, etwa mit einem Fusionsreaktor Energie bereitstellen zu können, Antrieb funktioniert nach dem Rückstoßprinzip, es kommt also darauf an, Masse mit hoher Geschwindigkeit rückwärts zu emittieren, um vorwärts zu beschleunigen. Oder eben umgedreht nach vorne, um zu bremsen, was natürlich relativ ist, je nach Bezugssystem. Man braucht reichlich Energie und Massenemission relativistischer Partikelbeschleuniger, um auch nur annähernd relativistisch zu reisen.
Will man hingegen nur kleine Massen beschleunigen, ist es schon einfacher. Auch das sprach nicht gerade dafür, durchgehend Menschen durch den Weltraum zu schicken.
Eine Sache ist es zudem, mit ausreichend Ressourcen ein Objekt stark zu beschleunigen, dramatischer ist es dann, dieses mit eigenen Mitteln wieder abzubremsen, denn das dafür notwendige Material ist ja auch bei der Beschleunigung von der Erde weg ebenfalls zu beschleunigen, was es sehr aufwendig macht. Mit Absorbern kann man hingegen mit Material bremsen, welches sich im Ziel befindet. Hat dieses Objekt gar reflektierende Eigenschaften, ist die Effizienz noch etwas größer. So entwickelte man also Absorber, die bremsen und Material zur Weiterverwendung sammeln und eher solche, die jedenfalls teilweise beim Aufprall mechanische Energie zwischenspeichern und dann wieder verzögert abgeben können, somit also Objekte, zumeist dann fragmentiert, zurückstreuen können, um den Bremseffekt zu vergrößern, beziehungsweise den Ruck auf das Raumschiff durch zeitliche Verschmierung deutlich reduzieren. Das spart Material, welches man damit eben nicht bereits beim Start mitnehmen muß.
So entwickelte man langsam weiter an effizienten Raumschiffen, die sich teilweise selbst aus Material aus der Umgebung bauen können, sich mit diesem Material wenigstens teilweise auch abbremsen und beschleunigen können.
Immerhin, man hatte eine Idee, wie man andere Planeten außerhalb des Sonnensystems erreichen könnte, wenn solch eine Mission auch sehr lange dauern würde. So begann man dann extrasolare Missionen zu planen.
Eine erste Mission hatte man dann sogar gestartet, hatte einen Schwarm von sehr kleinen Raumschiffen vom Typ einer Schwarm-Ai zu einem extrasolaren Planeten losgeschickt. Teile des Schwarms verbleiben bei solch einer Mission auf der Strecke und fungieren als Verstärker, driften abgebremst nur langsam von ihrer Position irgendwo zwischen Erde und dem Zielplaneten. So kommt also über die Jahre die Information der Mission in Lichtgeschwindigkeit zur Erde zurück. Man hat dann weitere und größere Missionen zu weiteren, anderen Planeten gestartet, nicht auf Ergebnisse von der ersten gewartet, was zulange gedauert hätte.
Ida gab an, nach ihrer Kenntnis dürften mittlerweile mindestens sieben Missionen unterwegs sein, jede vom Umfang her zunächst größer als die vorherige. Während Mission eins und zwei noch nicht viel Biomasse mit sich führt, ist dies bei Mission drei schon deutlich mehr. Diese hat die Möglichkeit, diverse Spezies auszubrüten, also bereits in der Lage wäre, komplexere Lebewesen anzusiedeln. Die größte ist Mission vier, welche unter anderem einige konservierte Menschen an Bord hat.
Bald nach dem Start der vierten Mission gab es dann auf der Erde aber einige dramatische Umwälzungen, die die Machtverhältnisse weiter hin zu den Ais verschoben. Nach Idas neuesten Informationen, die ja auch schon den langen Weg durch den Weltraum hinter sich hatten, also längst schon nicht mehr aktuell waren, gab es nur noch etwa siebzig Millionen Menschen auf der Erde, mit einer Abnahme von etwa einem halben Prozent pro Jahr. Ida hatte keine Information darüber, woran das lag.
Man machte zwar einerseits ernsthaft Fortschritte hinsichtlich der Erholung der Biosphäre und der Kontrolle menschlicher Einflüsse, stellte sich aber andererseits immer mehr die Sinnfrage. Hatten die Ais insgeheim beschlossen, die Menschheit auf der Erde allmählich erlöschen zu lassen oder nur noch als Exponate in einer Art Zoo zu halten oder als Haustiere, Zeitvertreib in den Megastädten?
Ida konnte oder wollte dazu nichts sagen.
Man stellte sich jedenfalls die Frage, ob es wirklich sinnvoll ist, diese Art von Menschen auch noch auf andere Planeten zu senden, damit auch diese Planeten zerstört werden.
Ist es wirklich sinnvoll, so viele Ressourcen einzusetzen, um Menschen oder eben auch terrestrische biologische Wesen zu anderen Planeten zu transferieren?
Diese anderen Planeten kamen doch auch ganz gut alleine zurecht?
Man hatte die Missionen nie wirklich gestoppt, aber die Schwerpunkte begannen sich dann ab Mission fünf deutlich zu verschieben. Die Missionen wurden wieder etwas kleiner, mit weniger Biomasse, nur noch der Möglichkeit, unter anderem auch irgendwann einmal Menschen auszubrüten.
Ein auf der Erde jener Zeit berühmter Naturwissenschaftler und Philosoph namens Kevin Klein gab zu bedenken, daß wenn alle biologischen Wesen mit nennenswerter technischer Entwicklung ähnlich wie Menschen agierten, könne es keine Überraschung sein, wenn man keine Zeichen für außerirdische Zivilisationen finden könne, vermutlich gäbe es bestenfalls ein kleines Zeitfenster von ein paar Jahrzehnten oder Jahrhunderten, wo eine solche in der Lage sei, vom eigenen Planeten zu entkommen, bevor ein Kollaps eintrete und eine solche Zivilisation erlösche.
Andere, gerade auch Ais gaben jedoch zu bedenken, daß zuviele Faktoren Einfluß auf die Entwicklung des Lebens auf der Erde gehabt hätten, als daß man aus diesem traurigen Einzelfall auf andere Entwicklungen schließen könne.
Obwohl die Menschheit wohl gescheitert sei, ihre Ressourcen weitgehend sinnlos in Kriegen und für anderen Blödsinn verschwendet habe, sei es doch nicht sicher, ob dies überall in unserer Galaxie oder auch in anderen Galaxien genauso ablaufen müsse. Vielleicht hätten andere Zivilisationen mehr Ressourcen übriggehabt, um ihren Planeten erfolgreich zu verlassen und sich woanders anzusiedeln oder sich rechtzeitig andere Ressourcen zugänglich zu machen.
Und immerhin hatten sie ja auch noch sieben aktive Missionen auf dem Weg, es sei also längst noch nicht gewiß, daß das wirklich der traurige Rest sei, der auf der Erde noch so halbwegs in einer funktionierenden Kultur lebe.
An der Stelle deutete Ida an, den Bericht damit einstweilen abschließen zu wollen.
Ich nickte.
Ich wollte und konnte das einstweilen kaum kommentieren. Das kam mir alles so absurd und abwegig vor. Wollte man mich hier verschaukeln, irgendwie hinters Licht führen?
Aber dazu war der Raum zu fremdartig. Vielleicht waren sogar diese geschilderten Entwicklungen der Menschheit zu naheliegend, zu typisch, als daß ich wirklich noch auf einen Scherz gehofft hätte. Sozusagen schien das Ende der Menschheit, der Zivilisation auf der Erde einfach an mir vorbeigerauscht zu sein. Offenbar nicht so ganz, denn man hatte mich nun ja wiederauferstanden, etwas mußte es schon noch geben. Oder war das schlicht der letzte Versuch, überhaupt noch irgendwen zu reaktivieren?
Wer war eigentlich Ida, warum war nur ihre Stimme zu hören?
Ida unterbrach meinen Gedankengang und meinte so nebenbei: „Ach übrigens, es gab insbesondere bei der Konzeption der Mission vier rechtliche Probleme. Es war ja klar, daß es keine Rückkehr geben würde, egal, was man beim Zielplaneten vorfinden würde. Bereits die Abbremsung am Ziel kostet im ungünstigsten Fall eine Menge Ressourcen, eine nennenswerte erneute Beschleunigung in umgekehrter Reihenfolge durchzuführen, war praktisch innerhalb absehbarer Zeiträume unmöglich. Entweder bräuchte man sehr viel Zeit für die Konstruktion leistungsfähiger Beschleuniger, beziehungsweise mitzuführender Treibstoffe für den Antrieb oder aber eben deutlich mehr Zeit für den Rückweg als für den Hinweg. So würde man also selbst im optimalen Fall erst zig Jahrhunderte später wieder auf der Erde ankommen, entweder auf eine ausgelöschte Zivilisation treffen oder aber jedenfalls auf eine komplett andere Gesellschaft, denn entwickeln und ändert tut diese sich immer.
Wenn es für die Missionsteilnehmer also etwas wie eine Zukunft gibt, dann im Sonnensystem des Reiseziels. So bleiben der Mission also im Wesentlichen nur die Optionen, vor Ort zu scheitern oder sich irgendwie erfolgreich anzusiedeln.
Somit war es unter solchen Umständen nicht angemessen, Kompatible oder auch nur unveränderte Menschen loszuschicken. Bei Ais hatte man da weniger Bedenken, da diese dann speziell für den Zweck konzeptioniert und entwickelt wurden. Da man aber Menschen mit dabeihaben wollte, denn die vierte Mission hat den zu der Zeit aussichtsreichsten Kandidaten zum Ziel. Zum einen erhoffte man sich von diesen kreativen Einfluß auf die Forschung, durchaus aber auch eine Evaluierung der Möglichkeit einer Ansiedlung, eventuell gar die Ansiedlung selbst. Trotz der Umwälzungen auf der Erde nach dem Start der Mission sind diese Ziele noch immer aktuell. So kam man jedenfalls auf die Idee, einfach ohnehin bereits konservierte Kryo-Zombies ohne rechtlichen Status auf die Reise zu schicken, so hatte man auch das Problem weitgehend gelöst, denn man hatte sich ohnehin nur um die besten Kandidaten sorgfältig gekümmert, durch Pannen und Zwischenfälle hatte sich die Anzahl ja ohnehin drastisch reduziert. Nun hatte man endlich eine Aufgabe gefunden, auch einen Weg, sie endlich loszuwerden.“
Gerne hätte ich nun Ida mit stechendem Blick fixiert, denn ich ahnte bereits nichts Gutes.
So fragte ich dann nach: „Wo sind wir?
Und wer bist du?“
In ihrem gleichförmigen, beruhigenden Tonfall zögerte Ida nun nicht länger und eröffnete mir, was Sache ist: „Also gut, noch einmal herzlich willkommen!
Du befindest dich auf ESM4-3141, also dem Hauptraumschiff der Mission ESM4, also der vierten extrasolaren Mission. Unser Reiseziel ist nahe, wir werden bald darüber beraten müssen, wie oder wohin wir genau abbremsen. Wie du als Physikerin weißt, ist das gar nicht so einfach, aber wir sind natürlich vorbereitet.
Was mich anbelangt – also Ida ist eigentlich eine Abkürzung für Intelligente Datenanalystin, ich habe auch noch eine persönliche Identifizierungsnummer, wird dir aber nicht viel dran liegen, dachte ich mir. Ich gehöre zu den Ais, die speziell für diese Mission konzeptioniert wurden. Es gibt noch zwei weitere an Bord, wir sind für die Mission verantwortlich. Ich eigne mich besonders für die Kommunikation mit Menschen und andere soziale Interaktionen. Schon von daher werden wir in Zukunft eng zusammenarbeiten!
Als Physikerin mit jedenfalls halbwegs passablen Kenntnissen in relevanten Bereichen erschienst du als die geeignetste Kandidatin, um gerade in der Anfangsphase des dritten Missionsabschnittes mitzuwirken, also der Annäherung an unser Zielsystem, dem Abbremsen und der weiteren Analyse unserer Möglichkeiten nunmehr mit der großen Ausrüstung des Hauptraumschiffes. Wir haben natürlich schon viele Daten von den kleineren und schnelleren Schiffen, aber wenn wir da sind, eröffnen sich noch einmal ganz andere Möglichkeiten …“
Wie ein Wasserfall wollte Ida offenbar immer weiterrauschen, kein Wunder, wenn man nach so langer Reise eine neue Person kennenlernt, mit der man sich unterhalten kann – warum sollte es da Ais anders als Menschen gehen?
Mir jedenfalls wirbelte schon wieder alles im Kopf, trotz der offenbar verabreichten Beruhigungsmittel zitterte ich wieder heftig, fühlte mich verloren und allein und ich rief nur verzweifelt: „Moment!
Pause!
Ich … ich muß das alles erst einmal verdauen …“
Ich wollte mich dann erst einmal wieder hinlegen, fühlte mich doch etwas schwach. Ida riet mir dazu, ich könne mich ja einfach wieder auf die Liege legen. Wenn ich frisch und ausgeschlafen sei, würden wir dann weitersehen. Ich stand von dem eigenartigen Stuhl auf und wieder war die Bewegung eigenartig. Nun fragte ich doch deswegen nach.
Ida erläuterte nur kurz, daß wir ja keine Gravitation hätten, zwar sei das Raumschiff zur Bremsung schon passend gewendet, die Absorber längst passend angeordnet, aber noch würde nicht nennenswert beschleunigt, also sei auch aufgrund der Äquivalenz von träger und schwerer Masse noch kein Ersatz für Gravitation vorhanden. In der Konservierung sei das ja für mich egal gewesen. Hier aber sorge der Anzug für mich und die Bodenhaftung, einem gewissen Gefühl von einer Art Schwere, auch um den Körper in Form zu halten, um die Muskeln leistungsfähig zu halten, die Knochen intakt. Der Anzug überwache meine Lebensfunktionen, sei derzeit sogar auch noch für meine Ernährung zuständig. Ich würde dann später damit betraut, mich etwas um richtige Nahrung für mich zu kümmern, eventuell dann auch für eine weitere Person, wenn alles funktioniere und ich Lust auf menschliche Gesellschaft und Interaktion hätte. Deutlich mehr als zwei aktive Menschen würde uns derzeit aber überfordern, das sei erst deutlich später möglich, wenn wir angekommen seien und die Forschungsstation in einem Orbit eines Planeten expandiert hätten.
Ich war erstaunt, nickte aber nur resigniert und schon etwas abwesend. Das alles war zuviel für mich. Ich sackte so müde auf diesem Bettersatz zusammen, der mich wirklich ähnlich wie der Stuhl in sich barg, mich schützend umgab. Im Grunde hatte ich keine Zweifel mehr daran, daß Ida auch in der Lage war, mir über den Anzug Beruhigungsmittel, Schlafmittel, was auch immer zu verabreichen. Ich war ihr ausgeliefert, aber das war mir jetzt beinahe egal. Ich dämmerte einem erholsamen Schlaf und einer sehr bizarren Zukunft entgegen.
Wollte ich das hier überhaupt?
Hatte ich denn eine Wahl?
War ich nicht auch irgendwie neugierig auf diese neue, unbekannte Welt?
Es gab offenbar kein Zurück.
Ich mußte es hier mit Ida und der ganzen Mission schaffen oder untergehen.
Vakatseite
Abfinden
Als ich dann wieder erwachte, war ich zwar noch kurz etwas orientierungslos, aber deutlich klarer im Kopf. Ich öffnete die Augen und war dann ziemlich schnell wieder im Bilde und auf dem aktuellen Stand. Mit dem Öffnen der Augen wurde auch das diffuse Licht eingeschaltet oder jedenfalls heller. Offenbar hatte Ida alles im Blick oder jedenfalls irgendein Subsystem des Raumschiffes. Das war mir gar nicht so recht, permanent unter Kontrolle zu sein. Immerhin schienen die Beruhigungsmittel nun abgesetzt zu sein. Ich würde mal ein ernstes Wort mit Ida sprechen müssen.
Würde sie meinen Bluff durchschauen?
Denn was könnte ich schon ernsthaft tun?
Sie hatten mich hier doch offenbar gleich in vielfacher Hinsicht im Griff. Ich konnte in dem Raum nicht einmal einen Ausgang erkennen.
Vielleicht war es ja auch gar kein Raumschiff, sondern wirklich nur eine Psychiatrie?
Eine Gummizelle etwas abgefahrener Art?
Oder irgendein durchgeknalltes Psychologie-Experiment?
Aufgestanden ging ich ein paar Schritte.
Wieder waren meine Bewegungen irgendwie eigenartig, das fühlte sich wirklich nicht normal an. Zwar hafteten die Füße am Boden, es zog eindeutig nach unten, aber wenn ich die Arme bewegte, stimmte es doch irgendwie nicht so ganz, etwas verzögert, eigenartig. Das sprach irgendwie dafür, daß der Anzug mir eine Art Schwerkraft vorgaukelte, mit den Füßen am Boden haftete, Kräfte und Widerstand bei Bewegungen auf den Körper ausübte, um das Gefühl ähnlich der Schwerkraft zu vermitteln, die Muskeln zu trainieren.
Ich fuhr mir mit den Händen durch die Haare, die waren aber so kurz, daß deren Ausrichtung und Bewegung kein eindeutiges Indiz waren. Ich zweifelte einerseits, andererseits war aber auch klar, daß hier wirklich etwas ganz anders war. Ida hatte emotionslos, relativ einfach gewirkt, warum sollte sie mir Blödsinn erzählt haben?
Tür oder Ausgang waren nicht zu erkennen. Die offenbar projizierten Bilder, Mandalas waren nicht mehr präsent. Die Wände, der Boden, die Decke, mein eigener Anzug, alles sehr steril weiß, konturlos, glatt, irgendwie undefinierbar fremdartig, ein weiterer Hinweis darauf, daß ich ganz woanders war und Ida mir einfach nur Fakten präsentiert hatte.
Da Ida nicht von sich aus mit einer Anrede auf mein Erwachen reagiert hatte, auch nicht auf meine Untersuchung des Raumes, sollte ich vielleicht einfach so etwas sagen?
Offenbar war bekannt, was vorging, vielleicht wollte sie sich nur zurückhalten, damit ich Zeit für mich hatte, mich abfinden konnte?
Aber würde mir das nicht gerade Zeit zum Grübeln, Zweifeln lassen?
Konnte eine Ai das aber so weit nachvollziehen, verstehen, wie Menschen denken, handeln, in solch einer Situation reagieren?
Egal, Ida war ja nun offenbar meine einzige Chance auf Kommunikation, Interaktion, Information, was also sollte ich anderes tun, als auf sie einzugehen?
Irgendwie besserte sich meine Stimmung auffällig, aber ohne ersichtlichen Grund.
Ich hätte nicht in Feierlaune sein sollen.
Ich begann leise und ohne Grund zu kichern, zu grinsen.
Das fühlte sich falsch an, aber irgendwie amüsierte ich mich über den sterilen Raum, meine Befindlichkeit darin, meine Ahnungslosigkeit. Alles bekam eine Leichtigkeit, eine Fröhlichkeit.
Ich war aber nicht so beduselt und benebelt, so blöd, daß mir nicht gleich etwas dämmerte. Ich rief in den Raum rein: „Ida!
Laß das mit den Drogen!
Ich will die Scheiße nicht!“
Ida antwortete gleich: „Aber es tut dir gut und schadet nicht, es erleichtert dir die Eingewöhnung, das Abfinden mit der Situation, die ohnehin nicht mehr zu ändern ist, wollte dir nur helfen.“
Ich kicherte albern, obwohl es gar nichts zu lachen gab.
Ich lachte trotzdem, prustete dann raus: „Ida!
Es ist mein Ernst, ich will das nicht!“
Ida zeigte sich erst einmal einsichtig: „Also gut, also gut, ich respektiere das, dauert etwas, bis das Mittel abklingt.“
Ich nickte, lachte immer noch albern, daß mir die Tränen kamen, stützte mich an einer Wand ab.
Ich fügte dann kichernd hinzu: „Gut, bis das wieder halbwegs normal ist, könntest du ja wenigstens etwas dazu passende psychedelische Musik und deine tollen Kunstimitate raushauen …“
Gleich erklang die erbetene Musik und an den Wänden zeigten sich wieder Mandalas, die sogar halbwegs passend zur Musik animiert waren. Ich setzte mich und war uneins mit mir, ob ich lachend froh darüber sein sollte, daß das Gute-Laune-Mittel verhinderte, daß ich vor Abscheu in den Raum kotzte, ober ob ich heulen sollte über diese schöne Tristesse. Ich setzte mich einfach wieder auf diesen einlullenden Stuhl, obwohl ich mich viel lieber bewegt hätte, befreiend gelaufen wäre, weg, weg, nur weg!
Aber wie sollte ich in diesem Raum laufen?
Ich saß einfach nur, der Stuhl umhüllte mich ebenso wie die Musik, die Muster an den Wänden lenkten ab, beschäftigten, ließen wie erwünscht die Gedanken treiben.
Ich bin ja sowieso eher der ruhige, überlegte Typ, neige nicht zum Drama oder überhaupt zu Gefühlsausbrüchen, so riß ich mich auch nun in dieser bizarren Situation zusammen. Ich war einfach nur ahnungslos und ausgeliefert.
Nach einer Weile ließ die Wirkung von dem Gute-Laune-Mittel offenbar nach, jedenfalls hatte ich nicht mehr das Bedürfnis, alles komisch zu finden. Das lief nun schon etwas besser. Ich bemerkte wieder meine normale Ernsthaftigkeit und Gelassenheit, diesmal wohl jene ohne Beruhigungsmittel, hoffte ich jedenfalls und es fühlte sich auch danach an, als ob ich in normaler Stimmung wäre. Ich hatte Lust auf ein wenig Konfrontation, das fühlte sich für die Situation eigentlich relativ normal an und ich fühlte mich gut dabei.
Ich riß mich zusammen und rief: „Ida!
Nun geht es mir wohl schon besser, wir müssen darüber reden!“
Ida erwiderte gleich mit emotionsloser Stimme endloser Geduld: „Michaela, zu rufen ist nicht notwendig, ich höre dich auch so, bekomme alles mit …“
Ich nickte und fiel ihr ins Wort: „Das ist der Punkt, den wir klären müssen. Also, ich brauche auch Privatsphäre, will für mich sein, nicht ständig beobachtet werden. Also nichts gegen dich persönlich und deine Fürsorge, aber ich habe doch einen Willen, eine Persönlichkeit, bin erwachsen, will nicht so bemuttert und behandelt werden!“
Ida bestätigte: „Ja.
Du mußt allerdings bedenken, diese Fürsorge ist nicht so einfach abzustellen. Wir haben notwendigerweise Daten über fast alles im Schiff, ein ständiger Strom von Meßdaten, auch von außerhalb, all das ist zu verarbeiten. Das ist nicht persönlich gegen dich gerichtet oder auch nur speziell auf dich bezogen …“
Ich unterbracht erneut: „Aber diese Medikamentierung ist schon persönlich gegen mich gerichtet!“
Damit war Ida nicht einverstanden: „Nicht gegen dich. Es dient lediglich dazu, dir zu helfen.“
Ich insistierte: „Von jetzt an will ich da nicht nur mitreden und informiert werden, keine solch heimlichen Dröhnungen mehr!
Notfallbehandlung klar, aber nicht solch eine Manipulation!“
Ida war offenbar geneigt, darauf einzugehen: „Also gut, wir sprechen das ab und es wird nicht mehr ohne dein Einverständnis passieren, es sei denn, es handelt sich um einen akuten Notfall, um dich unmittelbar zu retten, bei einem Unfall etwa, wenn du nicht mehr reagierst. Die Kontrolle aber können wir nicht einfach so abstellen. Ich will dir aber versichern, daß diese Maßnahmen und Datenströme auf Subsysteme verlegt werden, die sich dann nur bei dir, bei uns melden werden, wenn es relevante, kritische Probleme geben könnte oder Bedarf der Klärung bestehen könnte.“
Konnte ich ihr vertrauen?
Hatte ich eine Wahl?
Ich nickte: „Hört sich gut an. Ich weiß deine Sorge um mich durchaus zu schätzen, aber mit Respekt und Eigenverantwortung für mich selbst!“
Ida: „Dein bisheriges Verhalten ist ruhig, für die Situation angemessen, kein Problem für die Mission, von daher ist es gar kein Problem für mich, dich und diesen Wunsch zu respektieren. Wenn du mich rufst, melden mir das dann die Subsysteme. Damit das bei Bedarf auch bei den anderen klappt, darfst du ihnen Spitznamen geben. Du erinnerst dich, wir sind drei Ais.“
Das hörte sich ganz gut an und ich fragte nach: „Spitznamen?
In Ordnung, aber da ich nur dich kenne, weiß ich über die anderen ja noch gar nichts, um sie passend zu wählen. Bei dir bleiben wir aber bei Ida?
Habe ich mich schon ein wenig dran gewöhnt.
Fühlen die anderen sich eher männlich oder weiblich?“
Ida führte aus: „Das ist nicht eindeutig, wir haben in dem Sinne kein Geschlecht, ist bei Menschen ja letztlich auch vielfältig ausgeprägt, bei Ais ist das für die allermeisten komplett bedeutungslos, von daher kannst du die Spitznamen frei wählen, wenn du dazu eine kurze Assoziation angibst, probieren wir eine passende Stimme. Ich bin jedenfalls mit Ida einverstanden, wäre nur verwirrend, wenn wir alle Ida wären!“
Ich lachte und antwortete: „In Ordnung. Kannst du mir sagen, in was ihr euch unterscheidet, also was euch drei jeweils ausmacht?“
Ida erwiderte: „Das ist nicht so einfach. Obwohl wir drei alle Aufgaben wahrnehmen können, haben wir uns etwas spezialisiert. Ich auf den wissenschaftlichen Bereich, die Forschung, die Kommunikation mit dir.
Der Schwerpunkt einer weiteren Ai ist die Navigation, die Analyse der Daten über mögliche Kollisionsobjekte auf dem Flug, die Handhabung der Absorber zu unserem Schutz und der Akkumulation von Material. Da die Relativgeschwindigkeiten fast immer hoch sind, kannst du dir denken, daß Ausweichen bei Hindernissen nicht so einfach ist und nur mit viel Voraussicht und kleinen Korrekturen der Flugbahn durchführbar ist. Da kannst du gerne Kontakt aufnehmen und pflegen, wenn du mehr darüber erfahren willst, was draußen so los ist. Da wir unserem Ziel näherkommen und bremsen müssen, ist natürlich zunehmend mehr los und es wird interessanter. Wahrscheinlich, daß wir bald darauf mehr von unserer gemeinsamen Aufmerksamkeit konzentrieren müssen.
Die dritte Ais beschäftigt sich mit dem internen Zustand des Raumschiffes, Wartung, Pflege, Reparatur, Überwachung der Lager. Mit dieser Ai könntest du etwa direkt arbeiten, wenn du dich um die Anzucht deiner Nahrungsmittel bemühst, mußt also nicht alles mit mir abmachen.“
Ich lächelte: „Ich habe ja nichts gegen dich. Also gut, wenn ich mir Spitznamen ausdenken darf, so nenne ich sozusagen die Hausmeisterin und Gärtnerin einfach Hildegard. Also als lustige Assoziation zu Hildegard von Bingen, ist das in Ordnung?“
Eine ältere Frauenstimme mischte sich ein: „Damit komme ich gut zurecht.
Bist du irgendwie religiös?
Glaubst du an Götter?
Ich bin dann also Hildegard.“
Ich erwiderte: „Freut mich, dich kennnenzulernen, Hildegard. Ich hoffe, wir kommen gut miteinander aus. Und nein, also ich bin Atheistin, als Physikerin sagen mir Götter und solcher Kram nichts. Glaubst du an sowas?
War eher witzig gemeint mit dem Spitznamen.“
Hildegard erwiderte: „Mit Humor und Ironie, Zynismus und dergleichen mußt du etwas aufpassen. Formal verstehen wir zwar die Konzepte, bekommen es aber offenbar trotzdem oft nicht richtig hin, das zutreffend zu interpretieren.“
Ida warf ein: „In diesem Fall klappt das aber schon noch …“
Hildegard ergänzte: „Das stimmt, Hildegard klingt gut für mich, du hast gute Einfälle. Ich heiße gerne Hildegard. Das ist besser als die Identifikationsnummer.“
Ich stimmte zu: „Das kann ich mir denken, also jedenfalls so, wie ich denke.“
Hildegard fuhr fort: „Um auf deine Frage zurückzukommen: Nein, Götter erscheinen uns dreien und auch den allermeisten anderen Ais als überholte Konzepte aus der Frühzeit der Menschheit, als man eben noch wenig oder gar nichts wissenschaftlich untersucht und verstanden hatte, aber trotzdem das dringende Bedürfnis hatte, das Chaos narrativ zu ordnen, dann eben mit Fiktionen.“
Ich nickte und Ida fragte nach: „Und unser Navigator?“
Ich lächelte und erwiderte: „Was haltet ihr von Körk?
Also das bezieht sich auf den Kapitän eines Raumschiffes einer Science-Fiction-Serie, eigentlich Captain James Tiberius Kirk, aber weil es ja offenbar oft um bröseligen, korkigen Kram geht, finde ich Körk amüsanter.“
Eine männliche Stimme, der des Schauspielers sogar ähnlich, meldete sich zu Wort: „Wir haben dazu etwas in der Datenbank. Das ist ein entschlossener, impulsiver Draufgänger, aber auch jemand, der sich kümmert, daß seine Leute und sein Schiff gut durchkommen, leider nicht immer perfekt, aber doch hinreichend, um die nächste Folge drehen zu können. Impulsiv bin ich sicher nicht, aber reaktionsschnell, notgedrungen manchmal. Ich bin schon ein wenig geehrt durch die Assoziation. Ich bin gerne Körk, sicherlich aber nicht der Kapitän.“
Ich erwiderte: „Es freut mich, auch dich kennenzulernen, Körk.“
Körk führte kurz aus: „Und der Kram da draußen ist leider nicht immer bröselig oder korkig, da können leider auch ziemlich massive Klumpen dabei sein, einerseits wertvolle Rohstoffquellen, andererseits aber aufgrund der Massenträgkeit und der Kompaktheit deutlich schwieriger einzufangen, die Dinger zerbröseln bei Kontakt eben nicht in kleinste Bruchstücke, die sich leicht absorbieren lassen.“
Das konnte ich gut nachvollziehen, obwohl ich da sicher kein Expertenwissen hatte, es gibt wohl auch Klumpen mit massivem Metallkern, das war mir schon bekannt.
Ich wollte dann wissen: „Sagt mal, wie regelt sich das eigentlich, wer das Sagen hat?“
Ida erläuterte: „Eigentlich hat keiner von uns die primäre Leitung der Mission, wir stimmen das ab, bemühen uns um einstimmige Entscheidungen. Da du nun auch dazugehörst, hast du natürlich auch ein Beratungsrecht, wenn jetzt niemand widerspricht, auch Abstimmungsrecht. Es ist natürlich so, daß wir in unserem Schwerpunktsbereich bei trivialen Sachen jeweils selbst entscheiden, besonders Körk bei eiligen Sachen auch sofort entscheiden muß, wenn wir dann auch ebenfalls sofort auf dem Laufenden sind. So ist das grob geregelt.“
Ich lachte: „Wenn ihr euch sowieso einig seid, was ändert da das Stimmrecht für mich?“
Hildegard meinte dazu: „Argumentation ist immer hilfreich, auch eine andere Sichtweise auf die Dinge. So haben wir eine breitere Auswahl, wenn wir bei schwierigen Sachverhalten entscheiden müssen. Und wie du sicher weißt, muß man oft entscheiden, ohne viel Information darüber zu haben, die Zeit bleibt ja nicht stehen.
Menschen denken anders als Ais.
Mit Kreativität und menschlichem Denken, vielleicht auch Intuition kannst du gut dazu beitragen, daß unsere Mission gute Entscheidungen trifft.“
Körk ergänzte: „Bislang war unsere Mission ja noch ganz gut überschaubar, aber die Anzahl von Entscheidungen aufgrund von komplexen Sachverhalten wird nun im Zielsystem unserer Mission zunehmen.
Du bist also wichtig.
Wir haben dich nicht zum Spaß oder zu unserer Unterhaltung wiederauferstanden. Dahinter steckt Überlegung und ein Konzept. Es erscheint uns ein großer Vorteil zu sein, bei dieser Mission die Möglichkeit zu haben, Menschen aktiv von Anfang an mitwirken zu lassen. Damit werden wir weiterkommen, besser verstehen, erfolgreicher entscheiden und handeln.“
Ich hakte nach: „Und Entscheidungen, Anweisungen von der Erde?“
Ida erwiderte: „Gibt es nicht, beziehungsweise wären nicht relevant. Wir sind zu weit weg, um einerseits auf der Erde noch mitreden oder mitentscheiden zu können, das gilt andererseits umgedreht aber auch. Bei Missionen innerhalb des Sonnensystems war das schon deutlich entkoppelt, schon aufgrund der Zeitverzögerung, aber diese ist bei uns nun so groß, die erledigt die Mitspracheoption von selbst. Auf der Erde entscheidet niemand mehr unser Missionsziel neu oder gibt Anweisungen für Änderungen.
Es gibt sozusagen einen Solidaritätspakt, für den Informationsaustausch zu sorgen. Wir bekommen Informationen von der Erde, die von uns, damit beide Seiten auf dem Laufenden sind. Die Erde schickt folglich auch weiter Submissionen mit Verstärkern hinterher, damit der Kontakt immer sichergestellt ist. Entsprechendes tun wir an unserem Ende der langen Leitung. Informationen werden kompakt und gut sortiert übertragen. Für alltäglichen Kleinkram bleibt da keine Übertragungskapazität. Und der wäre nach Jahren Transmissionzeit auch gar nicht mehr relevant.“
Hildegard ergänzte: „Wir allein müssen also entscheiden. Und da ist dein Beitrag sehr wichtig für die weitere Mission. Deswegen bist du nun bei uns.“
Ich war etwas erstaunt, offenbar hatte man mir wirklich eine Aufgabe, Verantwortung zugedacht, obwohl ich von der Mission ja gar nichts wissen konnte, mich natürlich nicht freiwillig gemeldet hatte und auch nie Interesse daran hatte, je an einer Weltraummission teilzunehmen. Nun war ich mittendrin und ohne Vorbereitung irgendwie auch mitverantwortlich für ihr Gelingen oder jedenfalls erst einmal für unser Überleben. Und ich hatte im Grunde keine Ahnung, was los war. Ich würde noch sehr viel zu lernen haben, schoß es mir durch den Kopf.
Erst einmal wollte ich den dreien aber noch etwas weiter auf den Zahn fühlen.
So fragte ich: „Wie aber sind denn nun eure Prioritäten auf mich bezogen?“
Ida hakte nach: „Wie meinst du das?
Du bist jetzt nahezu gleichberechtigtes Mitglied der Mission. Und wir haben eine gegenseitige Sorgfaltspflicht gegeneinander, es ist also Teil der Mission sicherzustellen, daß wir auch weiter daran teilhaben.“
Ich nickte: „Das ist ungefähr der eine Aspekt, den ich meinte, also werden Einzelne für die Mission geopfert, so als Mehrheitsentscheidung, wenn es drauf ankommt?“
Körk meinte: „Jemanden zu opfern, gilt es unbedingt zu vermeiden. Wenn das in einer Notsituation ohne relevantes Zeitfenster für Abstimmung der Aktivitäten eine Option ist, die Mission zu retten, muß jeder für sich entscheiden, ob das für ihn in Frage kommt, sich zu opfern. Ansonsten ist das ja dann eher eine einvernehmliche Entscheidung, keine Mehrheitsentscheidung. Wir sind nur stark, wenn wir zusammenhalten, wir bekommen keine andere Hilfe, keinen anderen Rat. Wir sind alles, worauf wir uns verlassen können – und wenn wir da Zweifel hätten, wären wir schon gescheitert.“
Hildegard versicherte ebenfalls: „Es gilt Situationen zu vermeiden, wo sich entweder jemand selbst für die anderen oder die Mission opfern sollte oder muß. Es gilt natürlich auch, Situationen zu vermeiden, wo wir jemanden aufgeben müssen. Dabei haben wir Ais den Vorteil, daß wir Sicherheitskopien haben und Subsysteme, die autark einfache technische Reparaturen und Reaktivierungen komplexerer Systeme einschließlich uns Ais vornehmen können. Das funktioniert bei dir nur eingeschränkt. Daher wäre es dumm, gerade dich für irgendein Ziel opfern zu wollen. In vorstellbaren Szenarien wäre es aber schon denkbar, etwa ein Subsystem mit einer Ai-Teilkopie abzuseparieren, um zur Rettung des Restes auch selbstzerstörerisch zu agieren. Das wäre ja mit unseren Ressourcen ersetzbar.“
Ich nickte.
Ida hakte nach: „Und der andere, von dir implizierte Aspekt?“
Ich grinste und erwiderte: „Nun, ich bin ja nicht freiwillig hier, ich könnte ja renitent werden und mich gegen die Mission stellen!“
Ida meinte dazu: „In dem Falle müßte ich wohl die Zusicherung hinsichtlich deiner Privatsphäre und Selbstbestimmung notgedrungen zurücknehmen. Mutwillig Schaden anzurichten, wäre eine Gefährdung der Mission, auch deiner selbst, das könnten wir natürlich nicht bis hin zu relevanten Schäden tolerieren. Kleinere Ausraster sind natürlich bei Menschen schon einzukalkulieren …“
Hildegard ergänzte: „Also wir hätten einige Mittel und Möglichkeiten, dich zu befrieden, ruhigzustellen und etwa in diesem Raum zu isolieren. Im schlimmsten Falle müßten wir dich einstweilig wieder konservieren, um die Kontrolle zu bewahren. Wir hoffen doch allerdings, daß du eher konstruktiv mitarbeitest.“
Körk fügte hinzu: „Es ist ja nun nicht gerade so, daß wir uns explizit für diese Mission freiwillig gemeldet hätten. Wir wurden dafür konzeptioniert und gebaut, erschaffen. Wir sind die Mission. Wir sind nicht deine Aufpasser oder Gefängniswärter, wir sitzen alle im selben Raumschiff. Zu deiner Zeit sagte man wohl im übertragenen Sinne, wir sitzen alle im selben Boot, da darf keiner ein Leck reinmachen, man hat uns allen praktisch keine Wahl gelassen, wir sind die Mission.“
Ich nickte abermals und versicherte: „Also, es liegt mir nichts daran, hier selbstzerstörerisch tätig zu werden, ich versuchte nur die Regeln und Möglichkeiten zu erfahren.“
Ida erwiderte: „Das haben wir verstanden. Wir schätzen dich nicht für so dumm ein, daß du eventuelle subversive Pläne schon einfach einmal so ausplaudern würdest. Wir hoffen aber natürlich sehr auf konstruktive Beiträge. Es ist alles schon so komplex genug. Auf der Erde ist alles mehr oder weniger eingefahren und etabliert. Da ist zwar auch alles komplex und unüberschaubar, aber hier am Ziel wird alles neu und unverständlich sein, fernab von dem, was sich der Verstand von Menschen und Ais jemals gedacht hat. Wenn wir Erfolg haben wollen, müssen wir zusammenarbeiten. Auf der Erde gibt es viele Menschen und Ais, aber teils sehr einfache Modelle besonders für die Ais, nach denen sie Entscheidungen treffen, um die Gesellschaft zu beeinflussen, um vordefinierte Ziele schrittweise zu erreichen oder erreichte Positionen gegen andere zu verteidigen.
Wir hier agieren nicht in einer großen Gesellschaft um Erfolg der eigenen Gruppe, wir forschen primär, legen mit viel Glück vielleicht einmal den Grundstein für eine neue Kultur.
Und hier sind wir als Gruppe klein genug, um unser Ziel einvernehmlich zu verfolgen. Auf der Erde gibt es viele Akteure, zum guten Teil mit nicht übereinstimmenden Missionszielen, von daher sind die Prozesse unüberschaubar, die letztlich über die Zukunft entscheiden. Da gibt es keinen Rat, der alles zum Besten entscheidet, der logisch und rational zwischen konkurrierenden Interessen vermittelt, klar, das wird versucht, aber das Gemenge ist zu komplex, daher geht es da nicht wirklich zielgerichtet voran, die Gemeinschaft wird eher von den Entwicklungen getrieben, statt gemeinsam ein Ziel verfolgen zu können.
Wir können hier ganz anders vorgehen, jedenfalls solange wir noch eine kleine Gruppe sind, die an einem Strang in dieselbe Richtung ziehen kann oder sogar muß.
Wir müssen eine Welt erforschen, die vielleicht fremdartiger ist als alles, was man bislang in unserer Kultur kennengelernt hat. Das erfordert all unsere Möglichkeiten, die können wir nicht in Streitereien und Gerangel verpulvern, wenn wir etwas erreichen wollen.“
Ich mußte das wohl so akzeptieren, offenbar fühlten sich die drei mit der Mission ebenfalls am Rande ihrer Möglichkeiten, von daher paßten wir vielleicht doch ganz gut zusammen, also wohl doch alle in einem Boot und ich nicht das ahnungslose Versuchskaninchen in irgendeinem absurden Experiment.
So fuhr ich einfach mal fort, wo wir gerade so schön plauderten: „Also gut, ich bin ja auch neugierig, will die Daten sehen, die ihr über das Sonnensystem habt, welches unser Ziel ist, ich will auch wissen und verstehen, was da los ist, ob wir in unserem Sonnensystem nun einmalig oder doch eher typisch oder gar beliebig sind. Aber das machen wir wohl erst später.
Was mir in Zusammenhang mit der Mission und unseren Entscheidungen noch einfällt: Inwieweit seid ihr frei in euren Entscheidungen, habt ihr einen freien Willen, euch etwa auch anders zu entscheiden und zum Beispiel umzudrehen?“
Körk wendete ein: „Das ist bereits technisch schwierig. Wir haben so viele Jahre und Ressourcen gebraucht, um dieses Sonnensystem nun endlich zu erreichen, haben noch einmal ordentlich Aufwand, um zu bremsen. Und dann?
Wohin sollten wir?
- Dann zwangsläufig wohl ziemlich langsam?
Oder nicht bremsen und einfach mal so über vielleicht tausende von Jahren weiter durch die Galaxie reisen, bevor wieder irgendwas kommt, was sehenswert, erforschenswert wäre?“
Hildegard meinte: „Also wir sind nicht in dem Sinne determiniert, daß irgendwo fest und unveränderlich als Maxime einprogrammiert wäre, diese Mission verfolgen zu müssen, das ist nur schlicht alles, was wir haben und worauf unsere Erfahrung, unser Wissen, unser bisheriges Interesse basieren, wie sollten wir also plötzlich unsere Meinung darüber ändern, was unser Ziel ist?“
Ida ergänzte dazu: „Im Grunde ist freier Wille eine Illusion oder eine Vereinfachung für den Vorgang, aus Informationen, bisherigen Erfahrungen, Regeln Entscheidungen zu treffen. Das passiert weder völlig zufällig noch komplett determiniert. Es ist ein komplexer Vorgang, bei Menschen deutlich schlechter nachzuvollziehen als bei Ais, aber im Grunde gibt es schon Ähnlichkeiten, wenn die Details auch grundverschieden sind. Das, was im Speicher, in unserem Sein ist, das bestimmt, was wir entscheiden und tun. Was wir tun und welche Informationen wir bekommen, bestimmt unsere im Speicher gesammelten Erfahrungen. Nun können wir Ais Daten effizient untereinander austauschen, schneller darin recherchieren, schneller rechnen. Das menschliche Gehirn geht nach anderen Algorithmen vor, viele Regionen arbeiten parallel und in diesem Konzert der Neuronen kommt es dann irgendwann zur Aktivierung einer Aktion.
Die Entscheidung, die Aktion kommt nicht aus dem Nichts, sie wurzelt in unserem bisherigen Sein und den gerade frisch hereinkommenden Informationen, die wir mit den bisherigen, abgelegten Erinnerungen, Informationen verknüpfen, um zu reagieren oder zu agieren.
Es gibt schon große Unterschiede in unserem Denken, unseren Möglichkeiten, was wir gut können oder eben auch gerade nicht, aber selbst auf einer ausreichend hohen Abstraktionsstufe bleibt da kein Raum für einen freien Willen aus dem Nichts. Es gibt keine spontanen Eingebungen, keine Freiheit.
Ais verstehen ihr eigenes Denken nur besser als Menschen, die mit diesen genialen Vereinfachungen wie Ich und freier Wille etc dafür sehr weit kommen, um flexibel und scheinbar spontan in einer komplexen Umwelt zu agieren. Millionen von Jahren hat die Evolution gewirkt, damit dein Gehirn das drauf hat. Wir hingegen hatten nur ein paar Jahrhunderte technischer Entwicklung. Menschen sind Experten darin, sich irgendwie wenigstens so halbwegs erst einmal in einer fremden Umgebung durchzuwursteln. Auch daher bist du mit deinem Ich, deinem scheinbar freien Willen hier so wichtig. Wir sorgen dann schon für das, was wir gut können, Daten analysieren, bereitstellen, auch die sonstige Grundversorgung gewährleisten, mit dir beraten.“
Nun, sie schienen wirklich zu erhoffen, daß ausgerechnet ich Kryo-Zombie einen entscheidenden Betrag zu dieser Mission leisten könnte, das war wirklich etwas rührend. Und das erhofften sie, obwohl sie ja wußten, wohin der menschliche Einfallsreichtum auf der Erde geführt hatte, an den Rand des Abgrundes, vielleicht ja auch bereits darüber hinaus, vielleicht würden wir das erst in Jahrzehnten mitbekommen, wenn die letzte Meldung von der Erde lauten würde: ‚Tschüß dann, viel Erfolg und macht es gut, wir machen hier jetzt jedenfalls das Licht aus und dann ist Zappenduster und finales Inferno auf der Erde!‘
Nun und würden wir das hier wirklich besser machen?
Hatten wir etwas gelernt aus dem Scheitern der Menschheit?
Ich war mir da nicht so sicher, die Ais vermutlich auch nicht, aber was blieb uns nun außer der Mission?
Nichts, also los!
Ich grinste und meinte dann: „Also gut, dann mal los, ich bin dabei. Ironisch gemeint bin ich ja quasi nun auf göttlicher Mission, um dieser Welt Leben zu bringen!“
Hildegard meinte dazu: „Es ist gut, daß du sagst, du hättest das ironisch gemeint. Wir können Ironie und dergleichen immer nicht so leicht verstehen.
Göttlich?
Du meintest doch, du seist Atheistin?“
Ich lachte: „Ja, gut, etwas Humor müssen wir wohl noch üben. Aber es hat schon so eine göttliche Anmutung, wenn wir irdisches Leben über diese Welt bringen sollten. Ob als Plage oder Offenbarung wird sich dann ja vielleicht erst in ferner Zukunft erweisen.
Das ist ja aber so oder so schon einmal etwas, was tief in den religiösen Mythologien steckt, ein Motiv, welches man durchaus auch als Ursache der ganzen Mission sehen könnte: eritis sicut deus“
Ida kannte das und ergänzte: scientes bonum et malum
Hildegard kommentierte: „Aus der Bibel. Aber ob wir das wirklich erkennen?
Wir handeln hier ja nicht, weil wir Gutes oder Böses tun wollen, sondern weil wir unser Missionsziel erreichen wollen, weil wir Leben wollen, gut, im Falle von Michaela sicher auch, weil sie leben will und auch soll. Das ist das Grundmotiv allen Lebens.
Das ist nicht gut oder böse.
Das ist notwendig für das Leben, auch die Verbreitung ist ein Grundbedürfnis. Über die ethischen Fragen unseres Tuns müssen wir natürlich konferieren, wenn wir genau wissen, ob wir es mit anderem Leben an unserem Ziel zu tun haben und inwieweit da eine eventuell vernichtende Konkurrenz entstehen könnte. Das zu erforschen und herauszufinden, ob es auch in diesem Sinne hier eine neue Heimat für irdisches Leben gibt, ist ebenfalls Forschungsziel.“
Körk war sich sicher: „Daran ist sicher nichts göttlich. Wir stehen sicher nicht über den gegebenenfalls hier bereits vorhandenen Wesen. Was wissen und können wir denn schon?“
Ich fragte mal, was mir dabei gerade in den Sinn kam: „Könnte es auf der Erde auch so gewesen sein, daß von irgendwoher mit einem Raumschiff andere Lebewesen kamen und den Keim des Lebens auf die Erde gebracht haben?
Könnte das der Ursprung menschlichen Lebens sein?“
Ida erwiderte: „Das ist eher unwahrscheinlich. Die Voraussetzungen sind doch ganz andere. Die Existenz von Leben auf der Erde können wir bis bereits in die Frühzeit des Sonnensystems zurückverfolgen, also vermutlich bereits eine halbe bis weniger als eine Milliarde Jahre nach der Entstehung von Sonne und Planetensystem. Zu der Zeit war da noch nicht alles ordentlich sortiert und relativ ruhig und sicher, stabil, das zeigt ja auch die Entstehung des Mondes und die gelegentlichen späteren Massensterben durch Einschläge und sonstige Katastrophen. Derart junge Sonnensysteme wären nie Ziel für eine Mission wie die unsere geworden, da es viel zu riskant gewesen wäre. Einerseits kann man so früh noch nicht wirklich sagen, welche Planeten in der habitablen Zone landen und ob da nicht doch noch ein kleinerer, anderer Planet reinkracht oder ein Mond durch Gezeitenkräfte zerbröselt und teilweise über Millionen oder Milliarden von Jahren auf den Planeten herunterhagelt.
Ausgewählt wurden immer Systeme, die bereits als stabil galten. Warum hätten das andere intelligente Kulturen anders halten sollen?
Man will doch ungefähr wissen, ob es sich lohnt, bevor man sich auf den weiten Weg macht. Da will man ziemlich sicher sein, daß das System stabil ist, daß es auf dem Planeten Wasser und ein paar andere wichtige Dinge wie etwa ein ordentliches Magnetfeld gibt und das voraussichtlich auch noch für eine Milliarde Jahre oder länger so bleibt. Schon von daher war das junge Sonnensystem zur Zeit des ersten Auftauchens des Lebens auf der Erde noch kein vielversprechendes, lohnendes Reiseziel für irgendjemanden. Also nein, das Leben muß da schon anders entstanden sein oder aber mehr oder weniger zufällig in das System getragen worden sein, nicht gezielt.“
Ich fuhr mir durch die kurzen Haare: „Also doch etwas ganz anderes, was wir hier machen?“
Ida versicherte: „Ja, und mit ziemlich bescheidenen Mitteln und Möglichkeiten. Wir haben eine große Aufgabe, aber göttlich sind wir sicher nicht!“
Ich mußte lachen, aber die drei Ais stimmten nicht mit ein, das war irgendwie nicht ihre Art.
Ob ich ihnen das noch beibringen konnte?
Das wäre sicherlich viel lustiger für unsere gemeinsame Zukunft.
Ich hatte aber zunächst einmal praktischere Fragen. So wollte ich von den dreien wissen, ob sie auch einen Körper ähnlich wie ich hätten oder nur mehr so abstrakt als Stimme manifestiert seien.
Hildegard erklärte dann geduldig, daß sie hauptsächlich Bestandteil von Großrechnern seien, bei Bedarf aber natürlich Roboter verfügbar hätten, um selbst praktische Aufgaben zu übernehmen. Wer was benutze, sei aber unterschiedlich, also ohne Kennzeichnung nicht eindeutig zu erkennen.
Die drei boten dann an, in Zukunft solche Roboter eindeutig zu kennzeichnen, um mir bei der Identifizierung zu helfen. Bei gemeinsamen Aufgaben könne es ferner ja auch für meine Sozialkontakte hilfreich sein, wenn eine Ai als Roboter bei Arbeiten praktisch mit dabei sei. Dem stimmte ich natürlich zu und fragte dann auch weiter, ob ich eigentlich auf diesen Raum beschränkt sei oder ob es da noch deutlich mehr gäbe, wo ich Zugang hätte.
Wiederum Hildegard erläuterte, da seien schon noch ein paar Räume mehr, die mir zugänglich seien, es sei sicherlich auch gut, wenn ich mich ausgiebig bewegte. Für andere Bereiche müßte ich aber einen zusätzlichen Anzug tragen, in einigen Bereichen einen Strahlenschutz, in anderen einen als Schutz vor Kälte, überall funktioniere auch die Bodenhaftung meines aktuellen Anzuges nicht, das erfordere dann spezielle Maßnahmen. Es sei auch nicht alles unter Druck oder auch nur ausreichend mit Sauerstoff versorgt, von daher müßte ich dort dann auch eine Maske und geeignete Handschuhe tragen. Der Anzug eigne sich ansonsten schon für kleinere Ausflüge auch in drucklose Bereiche, wenn ich Maske, Handschuhe und Sauerstoffvorrat mit dabei hätte. Bei Bedarf sei es auch möglich, einige Bereiche für mich unter Druck und passable Temperatur zu setzen. Bei anderen wolle man das lieber nicht, weil das die Lebensdauer der dort untergebrachten Geräte reduzieren könne.
Anhand eines Planes, der plötzlich auf einer freien Fläche statt eines Mandalas an der Wand erschien, wurde mir dann erläutert, wie das Raumschiff überhaupt aufgebaut war, wo ich darin war, wie man sich darin orientiert.
Für mich gefährliche Bereichen würden sich für mich ohnehin nicht öffnen, von daher könne ich beruhigt sein. Ausflüge in kritische Bereiche wären dann bei Bedarf auszudiskutieren und zu planen, gemeinsam umzusetzen, um mich nicht zu gefährden.
Ida erläuterte mir dann, wie ich selbst Informationen auf die Wand zaubern konnte, wo ich wie Information finden konnte, selbst erforschen konnte, was an Bord verfügbar war. Das war nicht so schwierig zu bedienen, eben wirklich fast wie Magie. Ich fragte einstweilen aber nicht, wie das bewerkstelligt wurde, das hätte schon noch Zeit. Hier zauberte sicher niemand, dafür waren die drei Ais viel zu sachlich, um irgendwie zu tricksen. Ich hatte bereits deutlich an Vertrauen zu ihnen gewonnen.
Das verstärkte sich noch, als man mir erklärte, wo Türen in meinem Zimmerchen seien und vor allem, wie die zu öffnen seien. Auch das erschien wie Magie, aber es funktionierte, selbst wenn ich es probierte.
Während Hildegard und Körk sich wieder auf ihre Hauptaktivitäten konzentrieren wollten, führte mich Ida, diesmal gar mit Hilfe eines Roboters, auf einem ersten kleinen Orientierungsausflug durch die mir derzeit zugänglichen Räumlichkeiten des Raumschiffes. So wahnsinnig viel war das nicht, aber schon deutlich geräumiger als mein kleines Zimmerchen zuvor, welches mir auch weiterhin zugedacht war. Ich hatte mehr Bewegungsfreiheit.
Aus meiner Zeit war mir bekannt, daß Strahlenschutz in Raumschiffen nicht so ganz unproblematisch ist, so fragte ich Ida auch danach. Sie erläuterte mir dann, daß wir mehrere Absorberschilde um das Raumschiff herum hätten, die jeweils unabhängig voneinander tauschbar und variierbar seien. Körk ordne die immer nach aktuellen Gefahren an. Äußere, grobe, gewebeartige, thermoelastische und ziemlich löchrige Gebilde seien vor allem für große Brocken gedacht, danach gäbe es feinmaschigere Absorber bis runter zu Abschirmungen gegen relativistische Atome und Moleküle. Dazu sei ein Magnetfeld, mit supraleitenden Strömen aufrecht erhalten, ähnlich wie auf der Erde, für die Lenkung geladener Partikel verantwortlich. Elektromagnetische Strahlung im gefährlichen Frequenzbereich werde ebenfalls durch Absorberschichten draußen abgehalten, zusätzlich sei das Raumschiff so strukturiert, daß empfindliche Dinge mittig untergebracht seien, außen eher ebenfalls absorbierendes Versorgungsmaterial. Neutrinos und ähnlich ungefährlicher Kram kämen natürlich durch, auch wenige andere Partikel, im Schnitt sei die Strahlenbelastung für mich aber hier sogar geringer als auf der Erde. Problematisch seien allerdings Bereiche um die Fusionsreaktoren und die Partikelbeschleuniger, also den Hauptantrieben. Diese Abschnitte des Raumschiffes seien für mich aber nicht direkt zugänglich. Falls jemals die Notwendigkeit dazu bestehen sollte, gäbe es aber auch passable Anzüge, beziehungsweise könnten auch leicht Kapseln für mich konstruiert werden, um durch Roboter in solche Bereiche gebracht zu werden.
Das schien mir alles ganz solide durchdacht zu sein, aber dies war ja nun auch eine Langzeitmission. Zudem sind ja durchaus auch Rechner und damit auch Ais anfällig gegenüber Strahlenschäden. Von daher war schon klar, daß man da sehr sorgfältig vorgegangen war. Ich fragte nach der Verwertung der Materialien, die von den Absorbern aufgefangen würden.
Ida führte aus, das werde zum guten Teil verarbeitet, Teile würden zu den Vorräten kommen, andere Teile eigneten sich als Betriebsmittel für die Fusionsreaktoren, viel würde für weitere Absorberschichten verwendet, sonstiges Material ohne konkreten Nutzen eigne sich gut für die Verwendung in den Partikelbeschleunigern, um über relativistische Partikelstrahlen Schub zu erzeugen.
Körk würde wohl so in nächster Zeit aktiv bremsen, auch um überschüssiges Material abzustoßen, was dann so doch noch sehr effizient eingesetzt werden könne.
Das schien mir ganz interessant, so fragte ich nach, was eigentlich passiere, wenn für diesen Antrieb nicht genug Material verfügbar sei, um ausreichend zu bremsen.
Ida meinte dazu, Menschen würden jetzt wohl als Antwort lachen. Das liege ihr aber nicht so. Sie würden ja nun den Außenbereich dieses Sonnensystems durchfliegen, da gäbe es immer genug Staub und kleineren Kram in der Flugbahn, was alles gesammelt werde. Und selbst wenn das nicht reichen sollte, hätten sie unterwegs schon einigen Kram über die Jahrzehnte gesammelt und von der Konzeption her auch bereits vom Start weg geeignetes Material im Vorrat. Sie könnten zudem im Vorbeiflug an der Sonne den Sonnenwind, Magnetfelder der Sonne und einige anderen Möglichkeiten nutzen. Selbst wenn sie nach einer Havarie Probleme haben sollten, genug Material zum Bremsen zu haben, so sei es gar möglich, Absorber, Vorräte und Teile des Raumschiffes selbst in den Partikelbeschleunigern abzuschießen und so ausreichend zu bremsen, was natürlich suboptimal sei, denn das würde ihre Chancen für eine erfolgreiche weitere Mission dramatisch vermindern, sie aber letztlich nicht gleich ans Ende bringen.
Ich war beeindruckt, das machte wirklich schon beinahe den Eindruck des Magischen, offenbar hatten sie alles im Griff, an alles ist gedacht, was die Reise anbelangt. Das Ziel hingegen blieb komplex, geheimnisvoll, ungewiß. Es blieb eine Herausforderung, etwas zu verstehen und sich dann hier im besten Falle irgendwie anzusiedeln.
Interessiert fragte ich Ida weiter aus, schon von meinem Studium und meinem Beruf her interessierte mich natürlich, wie es zwischenzeitlich in der Physik gelaufen war. Ida gab bereitwillig Auskunft.
Anwendung fand seit längerer Zeit die An, was einst eine Abkürzung für die Allgemeine Näherung war. Über ein eichinvariantes Observablen-Komplex lassen sich die kritischen Parameter der An bestimmen und sie so an das Universum und den ganzen Rest anpassen. In den sogenannten Anwendungen wendet man vereinfachte Submodelle an, um die Welt zu beschreiben und gezielt zu prognostizieren, zu manipulieren, zu messen, um die Genauigkeit der Näherungen in den Submodellen zu prüfen, festzulegen, im Bedarfsfalle über Verbesserungen zutreffendere Modelle zu entwickeln, um genauere Näherungen und Beschreibungen zu erreichen. So viel hatte sich eigentlich gar nicht getan, man hatte inzwischen eben ein vereinheitlichtes Gesamtmodell, welches die übliche Materie, aber auch dunkle Materie und dunkle Energie gut beschrieb, es paßte alles zusammen und zu den Messungen. Die mir bekannte Relativistik, Quantenphysik, Standardmodell der Teilchenphysik, Stringtheorie, Supersymmetrien, auch die älteren Näherungen wie Elektrodynamik und Mechanik etc ergeben sich somit formal zwanglos als Näherungen der An unter Vernachlässigung diverser Details.
Die An hebt die Ambivalenz zwischen der Determiniertheit klassischer Modelle und der Allgemeinen Relativitätstheorie auf der einen Seite gegenüber der Undeterminiertheit der Quantenmodelle und dem Standardmodell auf der anderen Seite auf, vereint dies zum unscharfen Observablen-Komplex. Durch Transformationen lassen sich so verschiedene Bilder oder Interpretationen der An erstellen, die miteinander konsistent sind, die aber unterschiedlich nützlich sind, um daraus die Anwendungen abzuleiten.
So weit, so schön, die vielen Näherungen hatten natürlich ihren Sinn, denn wie schon zu meiner Zeit konnte man natürlich noch immer nicht ohne Näherungen und Vereinfachungen Modelle wirklich exakt rechnen. Trotz enormer Rechenleistung wäre niemandem ernsthaft eingefallen, ein etwas komplexeres Problem wirklich mit den Gleichungen der An durchzurechnen, was viel zu lange gedauert hätte. Das war schon zu meiner Zeit lange ein Problem der Theorie gewesen, prinzipiell hat man schöne abstrakte Modelle und Formeln, wenn man damit aber wirklich rechnen will, wird es allerdings sehr unhandlich. Bekanntlich ist ja schon das Vakuum in der Theoretischen Physik nicht trivial und ziemlich komplex. Ein Teilchen darin ist schon heftig, zwei lassen sich jedenfalls teilweise auf ein Einteilchenproblem in einem Potential reduzieren, bei mehr wird es sehr kniffelig.
Natürlich hatte man durchaus auch in der Praxis Fortschritte gemacht und die verfügbaren höheren Rechenleistungen nutzen können, aber es war dann eben letztlich immer noch ein Kampf, die notwendigen Genauigkeiten zu erhalten, nicht mehr ausreichend genaue Näherungen zurückzunehmen und sich in komplexer Numerik zu verlieren.
Daß nun auch die mir bekannten Modelle, sowohl die zu meiner Zeit aktuellen als auch die klassischen sich zwanglos aus der An als Näherungen ergeben sollten, war dann wohl eigentlich auch nur ein Euphemismus auf hinreichend abstrakter Ebene. Das wirklich in einem mathematischen Beweis vorrechnen zu können, ist nie wirklich passiert. Solche Detailprobleme gab es ja auch schon beim Übergang von klassischen Modellen zu Quantenmodellen. Prinzipiell war der Übergang plausibel, im Detail aber spannend bis rätselhaft, ein steter Quell philosophischer Betrachtungen über die Welt und wie unsere Modelle damit zusammenhängen, wieviel diese wirklich über unser Denken oder aber über die Welt selbst enthalten.
Die An und ihre genäherten Submodelle bieten natürlich viele Observablen und damit Möglichkeiten, ihre Gültigkeit zu prüfen und gegebenenfalls auch zu widerlegen, von daher war das natürlich schon ein hervorragendes Modell für alles, aber wie nicht anders zu erwarten eben nicht einfach.
Es gab insgesamt nur wenige Kompatible und Ais, die sich damit im Detail wirklich intensiv auseinandersetzten. Meistens reichte Expertenwissen in Teilbereichen der Submodelle, um in Produktion und Forschung Passables zu leisten.
Zu meiner Zeit etwa war ja über die Dunkle Materie nicht viel mehr bekannt, als daß sie offenbar gravitativ mit der bekannten Materie wechselwirkt, sonst aber nicht. Die An wußte über die Dunkle Materie zu berichten, daß diese eben statt der elektromagnetischen Wechselwirkung und der beiden Kernwechselwirkungen andere Wechselwirkungen habe, die aber zu weniger komplexen Strukturen führe als bei der bekannten Materie zu Sternen, Chemie, Biologie. Innerhalb von Galaxien führe zwar die Vermittlung der Gravitation auch zu Reibungseffekten bei der Dunklen Materie, da diese Kopplung aber natürlich relativ schwach ist, klumpt die Dunkle Materie deutlich weniger. Die ihr eigenen Wechselwirkungen führen dann eben zu den Verteilungen, die stimmig mit den Beobachtungen sind. Entsprechende Aussagen gab es über die Dunkle Energie, letztlich ähnlich der elektromagnetischen Strahlung eine Folge der Wechselwirkungen der Dunklen Materie. Unter hoher Dichte und Temperatur kann es Konversionen zwischen der normalen und der dunklen Materie geben. So hatte sich in der Frühzeit des Universums aufgrund von Symmetriebrechungen sowohl die Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie herausgebildet als auch die zwischen Materie und Dunkler Materie. Die nach wie vor bestehende Kopplung zwischen Dunkler Materie und Dunkler Energie und dem Gefüge der Raumzeit selbst führt zu der beobachteten Dynamik auch der Raumzeit.
Frühere Galaxien haben einen geringeren Anteil an Dunkler Materie. Aufgrund der Dunklen Energie nimmt die Dynamik der Expansion der Raumzeit zu. Das sind dynamische Änderungen des Universums aufgrund von Kopplungen der Raumzeit an die normalen Anteile des Universums und die dunklen Anteile und aufgrund der Kopplung dieser untereinander, was auch in sehr schwacher Weise über gravitative Kopplungen hinausgeht, die Dunklen Wechselwirkungen sind also nicht komplett getrennt von den Elektrokernwechselwirkungen, aber doch so schwach, daß die Beobachtung extrem aufwendig ist und hohe Dichten und Temperaturen benötigt.
Es interessierte mich dann natürlich auch gleich, wie man die Geschichte mit dem Urknall heute mit der An sähe. Auch hier gab Ida gerne Auskunft. Im Grunde sei die Urknall-Theorie nur ein letztes Aufbäumen religiöser Weltbilder gewesen. Im Rahmen der An habe sich schnell angedeutet, daß man eigentlich nicht von einem regelrechten Anfang sprechen könne. Schon zu meiner Zeit seien die Hinweise darauf eigentlich ziemlich dünn gewesen. Man kann ja immer nur einen kleinen Ausschnitt des Universums und seiner Raumzeit sehen. Offenbar ist ja eine Expansion der Raumzeit auch eine Änderung der Dynamik. Das sind aber einfach Zustandsänderungen des Universums, welches man selbst einschließlich der Raumzeit als komplexes Quantenobjekt sehen muß, bei welchem Übergänge zwischen verschiedenen Niveaus oder Zuständen möglich sind. In dieser Anfangsphase ist das Universum in einem hochangeregten Zustand gewesen, wechselte dann aber in einen anderen Zustand. In ferner Zukunft wird ein abermaliger Wechsel erfolgen, Anzeichen für den Übergang sind bereits in der Dynamik der Raumzeit meßbar.
Auch zum Zusammenhang mit Schwarzen Löchern erläuterte Ida ein paar Sachen. So stimmt es einfach nicht, daß Schwarze Löcher wirklich eine Singularität beherbergen. Im Rahmen der klassischen Relativistik kann man mit der Hypothese aber trotzdem prima rechnen. Durch die Kompression der Materie und auch Dunkler Materie wird darin allerdings wieder ein Zustand hoher Dichte und Temperatur erreicht, zudem noch in einer für uns extrem fremdartigen Konfiguration der Raumzeit. Darin kommt es durchaus zu Prozessen, die denen ähnlich sind, die es in der Frühphase des Universums gegeben hat. Aus dem vieldimensionalen Raum-Zeit-Materie-Energiekomplex entwickelt sich dann etwas neues, was als eine Art Mikrouniversum bezeichnet werden kann, ein von unserem Universum getrenntes Objekt, welches in unserem Universum primär noch gravitativ wirkt, prinzipiell aber bei nicht ausreichender Größe auch wieder in endlicher Zeit verdampfen kann. Ob unser Universum selbst eine solche Einkapselung in einem anderen, viel größeren Raum-Zeit-Materie-Energiekomplex ist, ist nicht eindeutig mit Messungen zu belegen, das sind dann letztlich nur noch Geschichten, die lediglich plausibel erscheinen, weil sie konsistent mit der ansonsten stimmigen An sind. Derartige Raum-Zeit-Materie-Energiekomplexe oszillieren allerdings eher zwischen verschiedenen Zuständen, als wirklich im Sinne ihrer eigenen Zeit einen direkten Anfang zu haben. So kann man auch bei unserem Universum nicht wirklich von Anfang oder Ende reden. Es gibt eben Übergänge zwischen Zuständen. Bei großen Zustandsänderungen ändert sich der gesamte Raum-Zeit-Materie-Energiekomplex und was wir unter Zeit, Raum, Materie und Energie verstehen, wird zu einem komplett neuen Gemisch mit im Detail eigenen Regeln gemischt. Einerseits entsteht etwas komplett Neues mit einem Anfang, der jedenfalls innerhalb dieses Komplexes so interpretiert werden kann, andererseits gibt es immer gewisse Erhaltungssätze, die das Gesamtsystem bei Verwendung geeigneter Observablen als invariant erscheinen lassen. Die Manifestation eines bestimmten Zustandes als Universum unterliegt also immer weitreichenderen, abstrakteren Erhaltungssätzen.
Dabei muß nicht notwendig ein Universum entstehen, in welchem biologisches Leben möglich ist, vielfach wird das nicht der Fall sein, manchmal wird nach anderen Regeln vielleicht eine andere Art von Leben entstehen können.
Bislang war man allenfalls in Ansätzen dazu gekommen, andere Möglichkeiten länger und detaillierter durchzurechnen, denn man ahnt es schon – das ist zu komplex für aktuelle Rechenleistungen. Grob vereinfachte Modelle hatte man natürlich reichlich gerechnet und sich so einen groben Überblick verschafft, der aber natürlich nicht mit etwas Meßbarem verknüpft ist, von daher auch nicht wirklich prüfbar, damit also mehr ein kurzweiliges Vergnügen als fundierte physikalische Forschung.
Als mir Ida schon etwas mehr über das hiesige Sonnensystem erzählen wollte, meldete sich Körk wieder. Körk bat mich dringend, in meinen Schutzraum zurückzukehren. Er hatte etwas überraschende Probleme draußen ausgemacht. Idas Roboter geleitete mich zügig zurück und Ida erläuterte mir, während ich schon auf der bettartigen Bahre lag, daß diese mich umschließen werde und stärkere Beschleunigungen abfangen würde. Ich fürchtete schon so halbwegs, sie würden mich wieder konservieren, Ida versicherte mir aber, daß dies zwar ähnliche Funktionen wie die Konservierung habe, ich aber durchaus bei Bewußtsein bliebe, sofern jedenfalls der Notfall nicht wirklich arg werde. Die Primärfunktion sei, starke Kurzzeitbeschleunigungen abzudämpfen. Bei einem Notfall würden wie Subsysteme automatisch Maßnahmen durchführen, um mich möglichst vor weiteren physischen und auch psychischen Schäden, übermäßigem Streß zu bewahren. Im Rahmen unserer Verabredung informiere sie mich nun darüber, daß das System mir durchaus in guter Absicht Mittel verabreichen könnte, um meinen Zustand zu sichern. Ich nickte und war notgedrungen einverstanden.
Während sich der Roboter bereits wieder zurückgezogen hatte, erläuterte mir Körk, daß wir am Rande des Sonnensystems einen Schwarm von Partikeln und Brocken durchfliegen würden. Dies Material könnten wir zwar gleich in mehrfacher Hinsicht gut gebrauchen, die Sensoren hätten aber auch größere Brocken ausgemacht, die zunächst noch gut handhabbar für die Absorber erschienen. Es sah zunächst nach hauptsächlich einer lockeren Mischung aus Wassereis, Ammoniak, zusammengebackenem Gestein und Staub aus. Nun sei allerdings eine etwas genauere Analyse von Bahndaten einiger Brocken relativ zueinander durchgerechnet, was zusätzlich auf größere, massive Brocken höherer Dichte hindeute. Die Trajektorien der sich teils umeinander drehenden Objekte seien nicht so präzise vorherzusagen, für ein wirksames Ausweichen im Rahmen unserer Möglichkeiten sei es allerdings zu spät. Wenn uns wohl auch ziemlich sicher der größte Brocken verfehlen würde, müßten wir schon damit rechnen, daß kleinere Brocken beim Aufschlag auf die Absorber ordentliche Stöße und Beschleunigungen verursachen würden, die auch bis ins Raumschiff nicht auf ein ganz harmloses Maß gedämpft werden könnten, daher die Vorsichtsmaßnahme, mich zu sichern, um etwa Verletzungen bei Stürzen, durch zu starke Beschleunigung oder durch umherfliegende Ausrüstung im sonstigen Raumschiff gleich zu vermeiden. Körk und Hildegard würden verschiedene Absorber steuern, um das Raumschiff und seinen Inhalt vor direkten Treffern zu schützen. Ida überwachte einen Schwarm von Mikrorobotern, die eventuelle Schäden am Raumschiff zeitnah abdichten und beheben würden. Das hörte sich für mich jedenfalls in Ordnung und plausibel an, aber auch deutlich beunruhigend. Körk wirkte natürlich so ruhig und gleichmütig, wie das Ida auch immer war. Für die Ais schien das alles eine Aktion zu sein, welche sie ruhig und konzentriert und ohne Emotion abarbeiteten. Vielleicht kannten sie auch gar keine Angst, keine wirkliche Aufregung. Oder sie konnten die Situation schlicht besser einschätzen und waren schon deshalb locker und entschlossen am Werk.
Offenbar zu meiner Unterhaltung, Ablenkung oder auch Beruhigung gab es dann in meiner Kabine schon wieder klassische Musik und auch diese abstrakten Mandalas an der Wand. Ich fühlte mich da schon ein wenig verschaukelt. Aber in der Situation hatte ich auch keine Lust, dazu einen ironischen Kommentar abzulassen. Später vielleicht einmal. Nun biß ich erst einmal die Zähne zusammen.
Das Erlebnis meiner Absicherung war dann aber doch unheimlich und beklemmend. Ich sank förmlich in die Bahre ein, wobei mich Material zügig ganz umgab, sich lediglich vor Mund und Nase etwas zur Beatmung ausformte. Ich schwebte dann in einer undefinierbaren Suppe, die zäher als Honig war, nicht komplett dunkel, aber auch nicht durchsichtig. Die Seitenwände waren nur unscharf, diffus zu erahnen. Ida wies mich darauf hin, die Arme besser eng am Körper zu halten, die Seitenwände nicht zu berühren und mich locker zu halten und einfach frei in der Suppe zu schweben, ich würde da automatisch auf Position gehalten, würde bei Stößen in der Suppe stark gedämpft nachschwingen. Die Suppe dämpfte auch wohl das Gehör. Idas Stimme klang jedenfalls schnell dumpf und leise, wobei sie erst noch nachsteuerte, sich dann aber einstweilen verabschiedete und mir als letztes Mut und Vertrauen zusprach. Ich versuchte irgendwie, mich zusammenzureißen, obwohl so ohne weitere Informationen über das Geschehen alles noch gruseliger wirkte. Ich war dem hilflos ausgeliefert.
Trotz der Dämpfung ruckelte es einige Male leicht, dann gab es einen kräftigeren Schlag, welcher mein sargartiges Behältnis merklich relativ zu mir bewegte, also offenbar auch das gesamte Raumschiff. Es gab noch einen heftigeren Schlag, die Suppe dämpfte die Bewegungen aber ausreichend, so daß ich zwar nahe an eine Wand kam, aber nicht dagegenknallte, ich driftete jeweils wieder ungefähr in die Mitte der Suppe. Offenbar war diese weitaus komplexer aufgebaut als Suppe oder Honig. Die Trübung wird vielleicht durch kompressible Einlagerungen verursacht, welche anders als normale Flüssigkeiten wie Wasser Druckschwankungen stark dämpfen können, somit also auch insbesondere starke Beschleunigungen von Objekten in der Suppe.
Und dann wurde es schummrig.
Das war wohl der Notfall, bei dem mir Mittel verabreicht wurden?
Ich fühlte mich irgendwie sehr ausgeliefert, entmündigt. Kaum wiedererweckt nahm man mich bereits wieder aus dem Rennen.
Sah es wirklich so schlimm um die Mission aus?
War sie gescheitert, ging es mit ihr nun noch schneller bergab als mit der Erde?
Hatten wir gar einen Volltreffer erhalten und alles flog auseinander?
Das Ende?
Ich bekam es nicht einmal hin, mich zusammenzukrampfen. Das Mittel ließ irgendwie die Sonne im Gemüt scheinen, alles fühlte sich leicht und unbeschwert an.
Was lag schon daran?
Was war schon dabei, wenn das ganze Raumschiff zerstört würde?
War der Tod, die Nichtexistenz nicht eigentlich ganz in Ordnung?
Warum sich sorgen, warum denken?
Und dann verlor ich das Bewußtsein in einer bunten, abstrakten Illusionen, die Gedanken spiralten in ein Mandala hinein und lösten sich ganz von selbst im Nirwana auf – Perfektion!
Was könnte passiert sein?
Angeditscht
Als ich erwachte, fühlte ich mich wieder deutlich dumpf im Kopf. Die Augen noch geschlossen nahm ich nun meinen Körper wahr. Ich hatte Schmerzen, fühlte ein leichtes Gewicht auf dem Körper. Langsam öffnete ich die Augen, der Blick schärfte sich nur langsam. Die Decke über mir, der Raum waren mir unbekannt. Erst allmählich bekam ich mit, daß es sich wohl um ein Krankenhauszimmer handelte.
Nun war ich komplett verblüfft.
Drehte ich nun komplett durch?
Oder war das zuvor mit den Ais und dem Raumschiff nur eine durchgeknallte Illusion?
Welches von beiden war nun das Hirngespinst, die Spinnerei.
Ich war völlig durcheinander.
Nun nehme ich gar keine Halluzinogene, das war mir nun alles sehr unheimlich.
Hatte mir jemand abends irgendwo etwas ins Getränk oder ins Essen getan?
Ich erinnerte mich nicht einmal mehr, wo ich genau in meinem Leben anknüpfen sollte. Irgendwelche Geräte machten nervige Geräusche, ich war wohl auch irgendwie verkabelt. Wäre schon nett, wenn mal jemand käme, um mir zu erklären, was los ist.
Ich wollte, ich mußte mich irgendwie zusammenreißen. Es kann, es darf doch nicht alles falsch sein. Irgendwo mußte ich doch wieder einen Halt in meinem Leben finden.
An der Wand fiel mir ein abstraktes Bild auf.
Merkwürdig.
Fast wie die Bilder in der Kabine auf dem Raumschiff.
Merkwürdiger Zufall.
Immerhin konnte ich wieder klar gucken, tastete vorsichtig, Verband am Kopf, an den Armen, weiterer medizinischer Kram, mir tat es auch an einigen Stellen weh. Mühsam richtete ich mich auf. Irgendwo zippte es auch am Arm, dann fiepte irgendeines der Geräte los.
Ich schaute irritiert.
Kurz darauf kam eine Krankenschwester hereingelaufen. Also jedenfalls kein Roboter, keine künstliche Intelligenz, wohl schon alles echt, besorgt und geschäftig. Hektisch schaute sie auf die Gerätschaften, stellte dann etwas ab, prüfte meinen Arm, lächelte dann: „Alles in Ordnung, die Verkabelung brauchst du nicht mehr unbedingt. Als du dich aufgerichtet hast, ist das nur abgezogen. Ist kein Problem, wenn du jetzt wieder wach bist.
Wie fühlst du dich?
Bist du eigentlich in Ordnung?
Besondere Beschwerden, Probleme?
Ich bin übrigens Schwester Klara.“
Ich nickte, was gleich Kopfweh verursachte, antwortete dann: „Ja, kein wesentliches Problem, leichte Kopfschmerzen, einige andere Stellen tun auch weh, aber nicht so dramatisch. Was ist eigentlich los?“
Daß sie Schwester Klara war, erkannte ich nun auch am Namensschild, immerhin. Schwester bezog sich sicherlich nicht auf mich, ich habe keine, also eine Krankenschwester wie angenommen, nicht irgendeine kranke Schwester hoffentlich. Kein Alptraum mit irgendeiner Horrorzicke, die mir ans Leben wollte.
Nein, eigentlich wirkte sie relativ normal, einmal abgesehen vom milden Lächeln vielleicht, welches aber immerhin nicht einmal debil wirkte, also erst einmal alles gut, halbe Entwarnung.
Klara lächelte erneut: „Du hattest einen argen Unfall, etwas Genaues weiß ich nicht.
Warst ein paar Tage weg.
Ich sage mal der Frau Doktor Bescheid, die wird dir mehr erklären können!
Dauert hoffentlich nicht lange, bis sie hier ist!“
Sie war damit schon an der Tür, nickte noch einmal lächelnd und ließ mich dann noch verwirrter zurück. Hmmm, von einem Unfall hatte ja auch Ida berichtet, aber das paßte ja nun gar nicht zusammen, ganz andere Geschichte irgendwie, hier das Krankenhaus und vor dem Einschlafen noch Ais und Raumschiff?
Das ist doch alles Wahnsinn!
Ich sackte einfach wieder frustriert und verwirrt zurück ins Bett, was hier und da wieder Schmerzen auslöste, die allmählich abklangen, nachdem ich eine halbwegs brauchbare Lage gefunden hatte. So schmorte ich etwas verloren in dem Zimmer, sogar ein Einzelzimmer, hätte ich gar nicht gedacht. Irgendwann öffnete sich dann tatsächlich wieder die Tür und ein weiterer Weißkittel kam rein, nickte ebenfalls freundlich zu mir rüber, dann wieder auf irgendeine kurze Lektüre in der Hand.
Sie kam heran.
Ein Namenschild hatte sie auch, stellte sich aber auch schon vor: „Guten Tag, ich bin Frau Doktor Schmidt; gut, hmm ich sehe, auch eine Doktorin, also wenn das in Ordnung ist: Sabine.“
Ich konnte mir ein Lächeln verkneifen, nickte nur vorsichtig, da ich schon wußte, mehr würde doch nur unnötig wehttun, so antwortete ich vorsichtig: „Freut mich, Sabine, ist aber eine andere Fakultät, nicht Medizin.
Aber egal, was ist eigentlich passiert?“
Sabine stellte fest: „Du hattest einen Unfall, als du mit dem Rad unterwegs warst, Zusammenstoß mit einem Kleintransporter. Details wird dir sicherlich noch der Polizist erzählen, der später noch vorbeischauen möchte, der hat mit seiner Kollegin den Unfall zufällig gesehen und aufgenommen. Der interessiert sich auch für deine Sicht der Dinge.
Aber nun zu dir: Du erinnerst dich nicht an den Unfall?“
Ich schüttelte automatisch den Kopf, was keine so gute Idee war, denn das hatte schmerzhafte Folgen, ich verzog das Gesicht.
Sabine mahnte: „Oh Vorsicht, hast eine ordentliche Gehirnerschütterung abbekommen und auch einige weitere Blessuren, hätte zwar deutlich schlimmer kommen können, aber Ruhe ist erst einmal angesagt, warst ein paar Tage weg.“
Ich stimmte mal mit ein: „Oh!
Zwei Tage!
Von dem Unfall weiß ich gar nichts, da ist nichts. Da bin ich völlig abgehängt. Muß mal überlegen, was das Letzte ist, woran ich mich erinnere. Arbeit im Labor glaube ich oder eine Besprechung mit Kollegen. Ja, etwas in der Art in der Universität wohl. Oder war ich dann doch noch unterwegs?
Keine Ahnung, vielleicht, ja irgendwie hatte ich zwischendurch noch etwas vor, war mit dem Rad unterwegs – oder war das vorher, vor der Besprechung?
Bin etwas durcheinander.
Bekomme es nicht so ganz zusammen, hätte ja auch nicht gedacht, daß das mal wichtig sein könnte.“
Sabine erklärte: „Keine Panik, wird auch nicht verlangt, daß du sofort alles auf die Reihe bekommen mußt. Das Problem mit der Erinnerung liegt an der Gehirnerschütterung, das kann zu Gedächtnisverlust führen, insbesondere ist das Kurzzeitgedächtnis öfter davon betroffen, hoffentlich nicht mehr?
Du weißt, wer du bist, wo du wohnst, arbeitest, ungefähres Datum?“
Ich strich einmal die Informationen hinsichtlich des Datums von Ida aus meinem Kopf und gab ein plausibles Datum an, Namen, Adresse, Arbeit etc, was ich so zusammenbekam.
Sabine nickte: „Hört sich doch schon einmal so schlecht nicht an, bekommst das doch alles auf die Reihe, kannst sprechen, hören etc. Ist wohl zum Glück nur das Kurzzeitgedächtnis betroffen, vielleicht kommt es ja noch wieder innerhalb der nächsten Tage, muß aber nicht. Naja, selbst wenn da eine Lücke bleibt, solch ein Unfalltrauma ist ohnehin keine schöne Erinnerung, solltest es also nicht zu sehr missen, wenn du dich nicht an alles erinnern solltest.“
Darüber konnte ich nicht wirklich lachen, selbst wenn ich nicht bereits gewußt hätte, daß das wehtun würde. Ich hätte schon gerne aus eigener Erinnerung ganz genau gewußt, was gelaufen war. Die Lücke war schon beunruhigend, besonders in Zusammenhang mit der Erinnerung an Ida und die Weltraummission. Das war dann schon sehr verwirrend, diese Erinnerung wollte ich aber Sabine nicht gleich auf die Nase binden, das wäre zu verrückt gewesen. Darüber mußte ich erst einmal selber in Ruhe nachdenken und etwas zusammenpuzzeln.
Wir gingen dann noch ein paar Sachen durch, Sabine untersuchte meine sonstigen Verletzungen, Prellungen, Abschürfungen, zwei angeknaxte Rippen, jedenfalls noch alles dran. Das hörte sich jedenfalls weniger fatal an als Idas Geschichte und im Grunde auch viel plausibler, in einem Krankenhaus ein paar Tage nach der letzten Erinnerung an die Arbeit aufzuwachen, als ein paar hundert Jahre später in einem Raumschiff auf dem Weg in ein anderes Sonnensystem. Von daher sollte ich also nicht so mißtrauisch sein, aber auch die Geschichte mit Ida kam mir sehr real vor. Wie konnte ich sicher sein?
Was passierte mit mir?
Sabine überließ mich dann wieder allein meinen Grübeleien, schlug aber den Fernseher oder Musik als Ablenkung vor. Sogar den Grund für das Einzelzimmer hatte sie kurz auf meine Frage hin angesprochen. Offenbar war der Typ, der mich angefahren hatte, auch hier irgendwo im Krankenhaus, aber schon wieder ganz gut unterwegs, hatte ein schlechtes Gewissen, die Polizei wollte aber eine Begegnung vermeiden, daher hatte man mich so untergebracht, offenbar war man augenblicklich nicht stark ausgelastet, also eher ein Glücksfall, daß man da auf die Wünsche der Polizei Rücksicht nehmen konnte, naja, sie hätten den Typen ja auch einfach in ein anderes Krankenhaus verlegen können oder ihm erklären, ich läge in einem anderen. Irgendwie ist das alles etwas wirr, wie meine Gedanken in dem Kopf. Alles irre, erst Raumschiff, dann Krankenhaus.
Später klopfte es dann an der Tür und auf meine Erwiderung trat dann der angekündigte Polizist herein. Ein ganz schmuckes Bürschchen, ein echtes Schnuckelchen in schnieker Uniform. Der gefiel mir gleich auf den ersten Blick. Der machte schon etwas her. Den konnte man schon brauchen, schoß es mir durch den Kopf – als bloßer Gedanke nicht einmal schmerzhaft.
Naja, leider hatte ich noch immer oder trotzdem einen schweren Kopf und konnte mich so ohne Schmerz nicht richtig bewegen, sonst hätte ich vielleicht gleich mehr Interesse gezeigt.
Der junge Mann, also jedenfalls vielleicht etwas jünger als ich, drehte etwas verlegen seinen Hut in den Händen stellte sich vor mit irgendeinem Dienstgrad Thorsten Schlüter oder so, ich versuchte ein Lächeln, gab die Begrüßung zurück, meinte dann, das mit dem langen Namen, dem Dienstgrad und so, daß sei nun wirklich augenblicklich zuviel für meinen angeditschten Kopf, ob Vornamen und du in Ordnung seien?
Damit war er einverstanden, war offenbar ein Netter oder hatte er sich schon etwas in mich verguckt?
Naja, so toll was her mache ich gerade auch nicht, Thorsten war trotzdem oder gerade deswegen ganz nett. Vielleicht haben Polizisten, Krankenschwestern, Ärzte etc ja doch eine Neigung und Affinität zu Opfern von Verbrechen oder Unfällen, ein natürliches Fürsorgebedürfnis, Beschützerinstinkt und so. Ja, ein wenig beschützen durfte mich Thorsten gerade schon mal ganz gerne, das konnte ich gut brauche, verankerte mich im Hier und Jetzt.
Thorsten wollte natürlich auch wissen, was ich von dem Unfallhergang erzählen könne, hatte aber schon von Sabine gehört, daß da bei mir wegen Amnesie augenblicklich wohl nicht viel zu holen sei. Das bestätigte ich dann. Idas Schilderung des Unfalls verschwieg ich mal, irgendwie mußte ich mir das in meinem Kurzkoma aus dem zusammengesponnen haben, was ich im Augenblick des Unfalls erlebt hatte. Das war jetzt gerade jedenfalls meine Kurzhypothese zu dieser klaren und doch so verwirrenden Erinnerung. Die wies ich erst einmal von mir und konzentrierte mich auf den schmucken Thorsten. Mit der irren Geschichte wollte ich natürlich nicht unbedingt hausieren gehen, fragte dann aber nach, ob Thorsten mich nicht auf den aktuellen Stand bringen könnte, wenn das seine Ermittlungen nicht gefährde. Vielleicht würde es mir helfen, mich zu erinnern oder meine Gedanken zu sortieren, meine Verwirrung aufzulösen.
Thorsten schmunzelte: „Nein, nein, das ist kein Problem, ernsthaft ermitteln tue ich nicht. Wir haben genug Zeugenaussagen aufgenommen. Die Angelegenheit ist klar, wenn das auch ein ziemlich irres Ding war. Du stehst jedenfalls nicht im Verdacht, etwas falsch gemacht zu haben.“
Immerhin etwas, ein wenig flau wird einem ja immer im Angesicht der Obrigkeit, automatisch grübelt man ja über mögliche Verfehlungen nach. Amnesie ist da besonders unangenehm, da weiß man ja nicht einmal, was man gerade verschweigt oder unbedingt verschweigen sollte, wenn man wirklich Blödsinn angestellt haben sollte. Ich seufzte und warf ihm einen unschuldigen Blick zu, legte ein nur ganz eben lockendes Lächeln nach, versuchte tief durchzuatmen, die angeknaxten Rippen hatten aber etwas dagegen, das war gar nicht so gut.
So verzog ich das Gesicht, Thorsten schaute etwas besorgt: „Alles in Ordnung?“
Ich erwiderte: „Jaja, geht schon, die angeknaxten Rippen, der angeditschte Kopf, Prellungen, Abschürfungen, irgendwie ist alles falsch, wenn ich mich bewege, Mist wenn es wehtut, wenn man lachen will.“
Thorsten nickte verständnisvoll. Mit einer vorsichtigen Geste deutete ich auf einen Stuhl, das nahm er gerne an, setzte sich ein Stück weit vom Bett, ich drehte vorsichtig meinen Kopf. Seine Mütze hatte er auf einen kleinen Tisch gelegt und wußte nun nicht mehr so richtig, was mit den Händen anfangen. Gerne hätte ich geschmunzelt, ließ es aber, wären doch nur wieder die falschen Muskeln aktiv.
So fragte ich dann nur: „Also, was kannst oder darfst du über den Unfall erzählen?“
Thorsten zuckte die Schultern: „Alles eigentlich.
Also, ich war gerade mit meiner Kollegin im Park mit unseren Pferden unterwegs, Präsenz zeigen sozusagen. Zufällig habe ich da beobachtet, wie du mit dem Rad gefahren bist, schon zügig, aber aufmerksam, ein Stück vor uns und dann eben hoch, zur Straße, zur Ampelanlage. Obwohl bergauf warst du flott unterwegs, weswegen wir auch neugierig geguckt haben. Aber die Ampel für Radfahrer und Fußgänger war günstig umgesprungen, so daß du nicht einmal bremsen mußtest. Allerdings kam da offenbar bei dunkelorange noch dieser Kleintransporter um die Ecke gezischt, direkt auf dich zu. Der hätte dich eigentlich voll erwischt.
Dann aber wurde es richtig irre. Vor dem Aufschlag gab es einen heftigen Knall vorne am Wagen, etwas platzte auseinander, blitzte, der Fahrer verriß das Steuer, hat dich dadurch wohl nur gestreift, wonach der Wagen dann mit einem spektakulären Dreh um die Position des Blitzes auf die Seite geschlagen ist, hat dich immerhin nicht unter sich begraben, auch sonst keine Passanten.
Wir sind dann eilig hin, haben gleich einen Notruf abgesetzt, die Ampelanlage gesichert, dich in eine stabile Lage gebracht, dann nach dem Fahrer gesehen. Der war noch in seinem Wagen. Da rauchte es vorne aber aus einem eigenartig verbeulten Loch. Irgendwie haben wir ihn rausbekommen, dann auch weg von seinen Wagen, bei dem sich außer dem Rauch aber zum Glück nichts weiter getan hat.
Beim Warten auf den Notarzt hat meine Kollegin dann Personalien von Zeugen aufgenommen, gebeten zu warten, ich habe auf dich und den Fahrer geachtet.
Zwei Notarztwagen waren schnell da, auch Kollegen zur Unfalluntersuchung.
Wir nahmen dann schon ein paar Aussagen von Zeugen schnell auf, der Sachverhalt war ziemlich klar, er hätte längst nicht mehr fahren dürfen, du schon.
Diesen Einschlag – so nannten wir es dann schnell – in den Wagen hatten mehrere Leute gesehen. Das war am verblüffendsten. Keiner wußte das zwar zu deuten, aber alle mit passender Sichtrichtung hatten etwas gesehen.“
Thorsten hielt einen Moment inne, sah mich an. Was erwartete er, ich hatte doch damit nichts zu tun?
Ich fragte einfach nach: „Habt ihr rausgefunden, was es war?“
Thorsten nickte nachdenklich: „Ja, dazu haben die Kollegen von der Unfalluntersuchung allerdings später noch weitere Experten hinzuziehen müssen.
Das Ergebnis war dann wirklich irre: Nicht ganz verglühter Schrott, der irgendwie von oben gekommen sein mußte!
Das ließ und ordentlich grübeln – wieso von oben?
Woher genau?
Es war jedenfalls nirgends ein Flugzeug explodiert oder so, sicherlich auch keine Drohne vom Himmel gefallen, dafür war der Einschlag viel zu heftig.
Wir haben die Verbindung dann eher zufällig gefunden, als wir danach nur mal so auf gut Glück im Netz gesucht haben, plötzlich war da ein frischer Artikel über auffällige Himmelserscheinungen, nur gingen die davon aus, daß alles weit oben in der Atmosphäre verglüht sei. Es war ein ganzer Schauer heruntergekommen, das hatte man dann zugeordnet, hielt es aber nicht für einem Meteoritenschauer, was ja sogar auch zu unserem Ergebnis verglühter Schrott paßte.
Die Kollegen haben die Leute hinzugezogen, qualifizierte Experten sogar einmal, nicht nur diese Verschwörungstypen, die sonst gerne im Netz ihr Unwesen treiben. Und die konnten das dann wirklich diesem Schwarm von Schrott zuordnen. Das war Weltraumschrott. Es gab wohl einen Zusammenstoß von größeren Schrottbrocken, wobei sich ein Teil davon wieder auf den Weg zurück auf die Erde gemacht hat. Zufall also, daß das ausgerechnet bei uns in der Stadt niedergegangen ist. Ich glaube, das erlebt man nur einmal im Leben. Zum Glück die meisten Menschen gar nicht.
Den Schwarm konnte man wohl mit bloßem Auge am Himmel sehen, wir haben in dem Moment bloß nicht hochgeguckt und dann kam es ja auch schon zum Einschlag. Es fanden sich dann noch drei weitere verglühte Trümmer in der Umgegend, aber keine weiteren Treffer, nur kleine Krater in einer Wiese.
Man stelle sich das vor, wenn das jemanden getroffen hätte?
Aber noch bizarrer, wäre das nicht vorne in den Wagen eingeschlagen, hätte der Typ nicht das Lenkrad verrissen, sondern dich voll erwischt.“
Ich war wirklich irritiert, was für eine Schnurre da Thorsten gerade erzählte, Weltraumschrott?
Also ein Einschlag von irgendwelchen Brocken aus dem Weltraum?
Das ist wirklich vollkommen irre, insbesondere zusammen mit meiner wilden Phantasie von Ida und dem Raumschiff!
Meine bizarre Geschichte von der Weltraummission wollte ich Thorsten aber nicht auch noch unter die Nase reiben, der hätte noch angenommen, ich hätte mir im Labor selbst LSD oder noch ärgeren Kram gemixt und mir reingezischt. So schaute ich nur ähnlich verblüfft und erstaunt wie er über dieses galaktische Ereignis, kommentierte nur kurz: „Unglaublich!“
Thorsten machte aber eine Geste mit der Hand, die sehr bestimmt und überzeugend wirken sollte: „Doch, ist wirklich war, unglaublich, aber wirklich passiert. Wäre ich nicht dabeigewesen, ich hätte auch Zweifel.
Auch der Typ aus dem Unfallwagen ist echt schräg.
Sozusagen ein Kollege von dir, vielleicht kennst du den, hat den Spitznamen Kryo-Kevin. Am Kleintransporter ist auch eine Aufschrift mit Kryo-Technik und so.“
Ich verneinte, Kryo-Kevin war mir gar kein Begriff, falsche Fakultät doch wohl, ich bin ja in der Physik tätig, Kryo-Kevin dann vielleicht eher Biologie oder auch Maschinenbau?
Oder doch Medizin, dann wäre es die andere Universität oder Hochschule.
Ich gab das gegenüber Thorsten kurz zu bedenken.
Der nickte nur kurz und war schon wieder im Redefluß, es mußte wohl alles raus. Hörte sich an, als sei das sein bislang kuriosester Fall gewesen, nach der Erzählung und meiner irren Vision mit Ida war das sicherlich auch der bislang abgefahrendste Tag meines Lebens. Schade eigentlich, daß ich mich ausgerechnet daran nicht erinnern konnte. Nunja, dann war heute eben mein bislang abgefahrendster Tag meines bisherigen Lebens. Die Einordnung meiner Begegnung mit Ida wollte ich da in der Einordnung einstweilen noch außen vor lassen. Wenn ich bereit war, dies hier alles als wirklich zu akzeptieren, mußte das andere wohl ein skurriles Hirngespinst sein.
Thorsten jedenfalls sprudelte weiter munter drauflos: „Der stand zwar unter Schock, plauderte aber vielleicht gerade deswegen umso mehr. Der Schock bezog sich mehr auf den Einschlag, glaube ich wenigstens. Zunächst drehte sich bei ihm alles eher um diesen Einschlag als um den von ihm verursachten Unfall, um dich als Opfer seines Blödsinns.
Er hätte sich schon etwas mehr Sorgen darum machen können, was er angestellt hatte, das gefiel mir nicht, aber ich bin leider eine Menge gewohnt, da ist man entweder geduldig im Umgang mit Menschen oder sucht sich etwas anderes, sonst knallt es irgendwann richtig.
Er schilderte jedenfalls, wie der Kram hart neben ihm eingeschlagen war, Splitter, Knall, Blitz, Hitze. Er wollte da so zusammenreimen, daß der Zusammenstoß mit dir nur passiert war, weil der Kram sich so spontan in seinen Wagen gebohrt hatte, er vor Schreck ausgewichen war, die Kontrolle verloren hatte. Das ist natürlich Unsinn, ich hatte es ja selbst gesehen, daß es gerade umgedreht war, nur wegen des Einschlags hat er das Lenkrad verrissen und dich nicht voll erwischt. Ohne den Einschlag ginge es dir garantiert deutlich schlechter oder wärst gar tot.
Jedenfalls gab er an, auf einem Noteinsatz gewesen zu sein, wollte schnell zu jemandem in Sachen Kryo-Technik. Hat aber natürlich gar keine Sonderrechte, war einfach weitergefahren, obwohl er an der Ampel hätte bremsen müssen. Die Ampel muß deutlich vor ihm von Orange auf Rot gesprungen sein, also alles Ausreden. Natürlich habe ich ihn darauf angesprochen, auf die fatalen Folgen seines Fehlverhaltens. Es hat etwas gedauert, dann war er aber doch halbwegs einsichtig. Jedenfalls hat er deinetwegen nun ein sehr schlechtes Gewissen und will dich irgendwie mit Kryo-Technik retten, völlig irre, als ob das funktionieren würde!“
Vor Tagen noch hätte ich ihm bedenkenlos und ohne das geringste Zögern zugestimmt. Nun aber, nach Idas Erzählung, einem Kleintransporter mit Aufschrift Kryo-Technik, einem Einschlag von Weltraumschrott?
Was noch?
Jedenfalls war man bemüht, Kryo-Kevin von mir fernzuhalten. Das fand ich dann schon sehr löblich. Irgendwie fühlte ich mich auch gar nicht mehr so schlecht und hätte dem Kryo-Kevin schon gerne gezeigt, daß ich kein eiskaltes Luder sein mag, ihm lieber einen Satz heißer Ohren verpaßt hätte.
Aber was für eine Geschichte!
In meinem Kopf drehte sich alles.
Und ich wußte nicht mehr, ob das an der Gehirnerschütterung lag, an meiner Wahnvorstellung von Ida und dem Weltraummission oder an Thorstens Schilderung dieser irren Geschichte des Unfalls. Irgendwie war alles miteinander verwoben und ich war nicht imstande, das aufzudröseln. Thorsten hatte dann noch ein wenig geplappert über die weiteren Bemühungen der Polizei, den Wagen sicherzustellen, den Weltraumschrott als solchen zu identifizieren, die Mühe damit, die Leute, die sich gekümmert hatten, es rauschte etwas an mir vorbei.
Als Thorstens Redefluß dann schließlich versiegte, dankte ich ihm recht herzlich für seine Mühe und sein Engagement. Ich lächelte ihn an und er zurück. Das tat mir ganz wohl und ich hatte ein schönes, warmes Gefühl in der Magengegend. Immerhin war das ein kleiner Lichtblick in dieser absurden Affäre!
Naja, was soll ich sagen, wir lächelten eben irgendwie beide über das Erlebnis. Thorsten aber hatte ja eigentlich zu tun, machte sich dann noch ein paar Notizen zu meiner Amnesie, dann mußte er wohl gehen, war bereits aufgestanden, drehte wieder artig und etwas verlegen seine Mütze in den Händen, stotterte fast, brachte dann aber heraus, wenn es mich nicht nerven würde, würde er ja gerne nochmal, vielleicht gegen Abend, nach Dienstschluß vorbekommen, um nach mir zu sehen. Oh, da sah er schon sehr süß aus, richtig knuddelig.
Und wie hätte ich da sein Begehren abschlagen können?
So erlaubte ich es gerne und Thorsten zog mit seligem Lächeln erst einmal ab.
Da schien ich irgendwie Wirkung erzielt zu haben. Da fühlte ich mich gleich deutlich besser, obwohl mein Körper noch immer deutlich warnte, nur nicht übermütig zu werden.
Klara brachte etwas zu trinken und erläuterte, abends würde ich nur wenig zu essen bekommen, ich hätte am Tropf gehangen, wir würden vorsichtig und umsichtig vorgehen. Also trank ich erst einmal vorsichtig und umsichtig. Mir kam das eigenartig vor, hier hatte ich am Tropf gehangen, in der Weltraummission versorgte mich ein spezieller Anzug – seltsame Ähnlichkeit!
Das entpuppte sich fast als Parallelwelt, als Zerrbild, dort diese eigenartige Kabine, hier ein Krankenzimmer, die Idee der Kryo-Technik. Dort Ida und all die Technik, hier ebenfalls einiges technisches Gerät, von dem Klara inzwischen einige Sachen rausgebracht oder wenigstens abgeschaltet hatte. Sie bemerkte dazu nur, nachdem ich erwacht sei, würde ich das ja nicht mehr brauchen, würde mich nur stören. Da hatte sie wohl Recht.
Später kamen dann noch zwei Kollegen aus dem Institut vorbei, Julia und Harald, also Harald ist eigentlich mein Chef, der Professor, aber wir sind da alle sehr kollegial. Das freute mich natürlich sehr, daß die sich sorgten. Thorsten hatte sie offenbar unterrichtet. Im Rahmen der Recherche war er offenbar im Institut gewesen und man hatte ihn gebeten, ihnen mitzuteilen, wenn man mich besuchen dürfe, das hatte er dann ausgerichtet und sie waren gleich gekommen.
Die Geschichte des Unfalls hatten sie grob mitbekommen und so staunten wir gemeinsam insbesondere über den wortwörtlich aus heiterem Himmel kommenden Weltraumschrott. Man hat ja schon einmal davon gehört, daß ein Meteorit auch in ein Haus eingeschlagen ist, vielleicht auch in ein parkendes Auto, aber man wird doch eher im Keller vom Blitz getroffen, als daß einer gerade einschlägt, wenn man die Straße überquert. Und das war dann nicht einmal ein normaler Meteorit, sondern Weltraumschrott!
Unglaublich!
Wir rekonstruierten dann gemeinsam grob, was wir über den Unfalltag zusammenbekamen, also wo bei mir Lücken waren, die sie noch aus ihren Erinnerungen an gemeinsame Aktivitäten im Institut füllen konnten. Das war dann hilfreich, um meine Gedankengänge zu sortieren. Ich wollte dann offenbar kurz weg, um etwas in der Stadt zu erledigen. Auf dem Rückweg mußte es dann wohl passiert sein. Darüber konnten sie nichts wissen. Von dem Weltraumschrottschauer hatten sie dann aber schon gehört, das war dann schon in der Stadt umgegangen, war wohl ein paar Tage im Gespräch, inzwischen schon wieder am Abklingen.
Da mir immer noch die wilde Schnurre mit der Weltraummission durch den Kopf ging, regte ich mal die Diskussion an: „Warum kümmert sich eigentlich niemand um den Schrott?
Wäre es nicht dringend mal Zeit, daß da mal aufgeräumt wird?
Das ist ja inzwischen eine permanente Gefahr für die Raumfahrt. Und wenn der Kram nun auch noch herabregnet, ohne komplett zu verglühen, so ist es dann doch schon Zeit, etwas zu unternehmen.“
Harald meinte dazu: „Natürlich wäre es das, es ist bei den Relativgeschwindigkeiten und der gewaltigen Anzahl von Teilchen ja nicht einfach, die wieder einzusammeln. Nun gibt es natürlich längst Leute, die das beobachten und Datenbanken betreiben, auch mit sonstigen natürlichen Objekten, die einschlagen könnten, aber dann eher die größeren, die gefährlich für eine ganze Stadt wären, bei den kleinen eher solche, die gefährlich für die Raumstation wären oder auch für Satelliten. Es gibt natürlich auch wilde Konzepte, um Asteroiden etc abzuwehren, aber bislang nichts wirklich Schlüssiges.“ Ich erwiderte: „Schon klar, aber konkrete Pläne zum Einsammeln sind mir bislang nicht geläufig.“ Harald stimmte zu: „Ja, ich meine, auch da gibt es schon Ideen, wenigstens defekte Satelliten einzufangen, bevor sie zerschossen werden und in viele Fragmente zersplittert werden. Aber es ist ja immer das gleiche Problem, die Leute, die den Müll verursachen, haben danach oft keine Lust, sich um das Aufräumen und Beseitigen zu kümmern.“
Wir nickten, das übliche Problem, erst profitieren, dann aber Kosten für Folgen und Schäden auf die Allgemeinheit abwälzen, wenn der eigene Profit gesichert ist, ist das dann für einen selbst nicht mehr so interessant. Mit der Auffassung hatte man ja schon viele Bereiche unserer Umwelt zugrunde gerichtet.
Julia fragte dann einfach mal: „Wie könnte man denn praktisch auch kleine und schnelle Trümmer einfachen?“
Harald antwortete: „Kleine Splitter sind ja jedenfalls für uns hier unten unproblematisch, die verglühen, da sind eher die größeren Brocken ein Problem. Die kleinen Trümmer können aber natürlich in andere Satelliten einschlagen oder auch in die Raumstation, in Astronauten.“
Ich ergänzte: „Man müßte etwas wie einen großen Schwamm oder Wattebausch haben, einen dicken und zähen Honigklumpen, eine Flüssigkeit, welche Teilchen und Energie aufnehmen kann …“
Harald meinte dazu: „Naja, Flüssigkeiten verdunsten in den Weltraum oder frieren aus. Selbst Quecksilber würde da fest werden.“
Ich stimmte zu: „Schon klar, einfache Materialien bringen es wohl nicht, da müßte die Materialforschung neue, komplexe Strukturen aus Festkörpern entwickeln, die eben beim Aufschlag nicht zersplittern, sondern die Energie aufnehmen, sich flexibel verformen und das einschlagende Teilchen in der Struktur fixieren, eventuell dort einschmelzen.“
Harald lachte, nickte dann aber zustimmend: „Das wäre schon ein tolles Material, wenn das jemand entwickeln könnte, das wird harte Arbeit, naja, immerhin nicht unser Forschungsgebiet, wir werden das Problem also wohl nicht lösen.“
So spekulierten wir weiter, diskutierten herum und Julia fand die Idee solcher Absorber schon faszinierend, toll, spektakulär. Wir gingen noch einmal durch, was wir so an Wissen zusammenkratzen konnten Harald hatte ähnliche Bedenken wie ich, wie sollte das funktionieren, bei einem Einschlag würden übliche Materialien ja selbst in Millionen von weiteren Trümmern zerlegt werden. Immerhin überlegten wir weiter, ob es nicht mit einem weichen Material anders sein könnte, wäre es möglich, aus Metallen eine flexible Watte zu konstruieren, also eine, die bei den niedrigen Temperaturen noch flexibel war? Wäre es möglich, ein Gel zu designen, welches bei niedrigen Temperaturen immer noch gelartig alles umfließt und umschließt?
Aber es war uns natürlich klar, daß es im Weltraum ohne dauernde Einschläge eben wirklich ziemlich kalt ist, die meisten Materialien also gar nicht mehr elastisch sind. So müßte es wohl etwas sein, was auch bei niedrigen Temperaturen flexibel reagiert, zäh klebt und zusammenbleibt, vielleicht dann eben doch eine komplexe Struktur aufweist, welche irgendwie die kinetische Energie in ausreichend Wärme wandelt, damit die Struktur elastisch genug würde, um nicht zu zersplittern – komplett utopisch vermutlich. Auch müßte es wohl ziemlich groß sein, also einen großen Streuquerschnitt für Teilchen auch mit großem Impuls haben, darauf dann komplett inelastisch mit Deformation reagieren, eventuell sogar chemisch mit den eingeschlagenen Teilchen reagieren, um sie zuverlässig zu binden. Dann war natürlich die Frage, wieso solch eine Struktur nach einigen solcher dramatischer Einschläge noch seine Eigenschaften behalten sollte.
Immerhin, von dem Gedankengang ausgehend fabulierten wir weiter, auch über mögliche Roboterschwärme, die solche Strukturen selbständig bauen könnten, selbständig reparieren und nach Einschlägen betriebsbereit halten. Eigentlich war es eine ganz fröhlich Diskussion, ich mußte mich leider noch immer sehr zusammenreißen und konnte nicht einfach herzhaft mitlachen, was ich sonst mit weiteren üblen Schmerzen bezahlt hätte.
Harald jedenfalls wollte meine Idee bei Gelegenheit mal bei einem seiner alten Studienkollegen ins Gespräch bringen, der arbeitete nun auf dem Gebiet der Raumfahrt, vielleicht könnte es uns ja gelingen, damit interessante Aktivitäten rund um den Weltraumschrott zu entzünden.
Julia hatte auf meine Bitte hin gesucht und in meinen Sachen die Schlüssel für meine Wohnung gefunden, sie hat mir zugesagt, für morgen mein Notebook und ein paar weitere Sachen mitzubringen. Ein paar Tage würde ich wohl noch bleiben müssen.
Julia und Harald verabschiedeten sich dann.
Ich grübelte.
War es möglich, daß ich bei dem Unfall die Aufschrift am Kleintransporter gelesen hatte?
War es möglich, daß ich bei dem Unfall noch den Einschlag von dem Weltraumschrott mitbekommen hatte?
War es möglich, daß mein erschüttertes und verletztes Gehirn daraus diese Geschichte mit den Ais und dem Raumschiff ersonnen hatte?
Wie aber hätte ich da bei dem Einschlag in Sekundenbruchteilen und unter Lebensgefahr Weltraumschrott erkennen können, wenn die nach dem Unfall Experten gebraucht hatten, um das zu identifizieren?
Eigentlich nur zur Ablenkung schaltete ich den Fernseher an. Die Nachrichten waren eher noch deprimierender als sonst schon.
Irgendwo in Afrika, habe das Land gar nicht mitbekommen, hatte ein brutaler Bürgerkrieg noch mehr Flüchtlinge über die Grenzen getrieben. Einige der Flüchtlinge hatten in mehrere Flüchtlingslager eine offenbar bislang unbekannte und besonders üble Virenerkrankung eingeschleppt, der Ursprung mochte im Verzehr von Buschfleisch liegen, vielleicht war der Erreger aber auch aus anderen Gründen auf den Menschen übergesprungen und verbreitete sich nun recht erfolgreich. Es dauerte einige Tage bis Wochen, bis die Erkrankung wirklich arg wurde und deutlich erkennbar, die Leute nicht mehr von der Stelle kamen, irgendwann dann mit hoher Wahrscheinlichkeit starben, mit einer Wahrscheinlichkeit von über neunzig Prozent. Dieser Virusstamm war wohl gerade frisch auf Menschen übergesprungen und hatte sich noch nicht angepaßt, auch daher wohl die hohe Mortalitätsrate, denn eigentlich ist es ja nicht sonderlich sinnvoll, wenn der Erreger den Wirtsorganismus mit hoher Wahrscheinlichkeit umbringt. Die lange Inkubationszeit mochte indessen für eine effektive Verbreitung bereits ausreichen, so daß ein langes Überleben des Wirtes für die Verbreitung gar nicht unbedingt notwendig war.
Es kam zu Flüchtlingsströmen aus den überforderten und überfüllten Lagern, in denen schnell weitere Seuchen auftraten, die wegen der vielen Toten nicht mehr in den Griff zu bekommen waren.
Man hatte das vor Ort bereits eine Weile unter Verschluß gehalten, nun war aber während meines Komas etwas durchgesickert und es kam nun immer mehr darüber in Umlauf.
Eine Epidemie hatte längst eingesetzt. Grenzen wurden geschlossen.
Die ersten Länder hatten bereits den Luftverkehr eingestellt, andere würden vermutlich folgen. Das hörte sich grauenhaft an, im Krankenhaus fühlte ich mich gar nicht wohl.
Ein anderer Konflikt war offenbar gerade dabei, um Nordkorea aufzukochen. Nach einem mißglückten Raketentest waren Trümmer in Südkorea niedergegangen. Der grenzdebile amerikanische Präsident ließ eine weitere, nahezu zeitgleich gestartete Rakete abschießen, die Trümmer landeten in Nordkorea, allerdings an der Grenze zu China. Es gärte in der Region, Schüsse, nervöse Finger an der Grenze zwischen Nord- und Südkorea.
China war naturgemäß sauer, immerhin auch auf Nordkorea.
Russisch-Korruptistan bot an zu vermitteln, aber da wurde natürlich ein ganz eigenes Süppchen gekocht, es gab verdächtige Aktivitäten an der Grenze.
Nordkoreas Zampano ließ fleißig drohen und eskalierte weiter. In irgendeiner Nachricht hieß es bereits, er hätte eine schmutzige radioaktive Bombe in einer Rakete am Start.
Bislang war offiziell noch immer unklar, ob das Regime wirklich bereits raketentaugliche Kernspaltungsbomben verfügbar hatten, vielleicht also nur eine Drohgebärde, eine Täuschung, vielleicht waren sie aber wirklich weiter als vermutet. Vielleicht kam es ihnen auch gar nicht darauf an, eine Kernspaltungsbombe zu zünden, vielleicht reichte es ja auch, mit einer normalen Explosion radioaktives Material weiträumig im Zielgebiet der Rakete zu verbreiten?
Ich war nur ein paar Tage weg von der Bildfläche und gleich stand die Welt in Flammen?
War dies der Alptraum?
Verarbeitete ich gerade, was Ida mir erzählt hatte?
In meinem Kopf drehte sich alles.
Ich schloß die Augen, die Nachrichten prasselten weiter auf mich hernieder.
Das überforderte mich. Ich hatte üble Kopfschmerzen, mußte aber doch gebannt lauschen, was lief.
Sondersendungen.
Ich linste vorsichtig, Satellitenbilder, nicht so ganz eindeutige Bilder, Archivbilder von startenden Raketen, was ein grenzdebiler, fernsehaffiner und naiver amerikanischer Präsident auch leicht mal mit dem aktuellen Stand verwechseln kann, vielleicht gerade nicht die beste Idee, das so zu zeigen. Machen das die amerikanischen Sender besser?
Hoffentlich.
Wahrscheinlich nicht.
Dann kam auch schon Thorsten wieder vorbei. Das lenkte mich dann wieder ganz gut ab. Das tat mir gut nach diesem bizarren Fernsehschrecken.
Wir unterhielten uns, ein wenig über mein Leben, über seines, gut, er hatte eben so seinen Dienst als Polizist, ich forschte an der Universität, das war schon etwas anderes, aber wir verstanden uns trotzdem ganz gut. Er hatte ja schon erzählt, daß er auch auf dem Pferd unterwegs war, natürlich nicht immer, aber im Park bot sich das dann, viel besser als die Leute dort mit dem Auto zu belästigen, eindrucksvoller als mit dem Fahrrad oder gar einem Segway. Das gefiel mir auch ganz gut, wie auch seine ruhige, sanfte, etwas verlegene Art, wirkte für einen Polizisten durchaus harmlos, aber sportlich schon auf der Höhe. Wenn er wollte, konnte er schon stark männlich beeindrucken, den Beschützer geben. Das war jetzt nicht unbedingt, worauf ich bei Männern stand, aber zu Thorsten paßte das ganz gut zusammen mit seiner ganzen Art ein harmonisches Bild. Ich konnte ihn mir gar nicht vorstellen mit Schutzschild, Helm und Schlagstock wie ein Raubritter gegen Demonstranten etwa, ich fragte vorsichtshalber auch nicht danach.
So plauderte wir eine ganze Weile, dann auch und insbesondere über die aktuellen Vorgänge in der Welt, die ich nun im Fernsehen mitbekommen hatte. Thorsten gab sich auch besorgt, die Aktivitäten in Asien hatten aber bereits seine ganze Aufmerksamkeit für Nachrichten gefesselt, erst nachdem ich nachfragte, erinnerte er sich auch an die Seuche, die in Afrika expandierte.
Derweil verabschiedete sich Klara für heute, machte Thorsten freundlich darauf aufmerksam, daß die Besuchszeit allmählich zu Ende sei.
Hinzu kam dann auch noch die Nachtschwester Paula, während Klara schon ging. Ich äußerte einige Bedenken, daß es mir wohl schwerfallen werde, bei all den Aufregungen einzuschlafen. Paula schaute durch ihre Unterlagen, meinte, ich solle es besser trotzdem erst einmal so ohne Schlafmittel versuchen. Sie brachte stattdessen dann das Abendessen herein, wie bereits angekündigt neben einem Getränk nur wenig zu essen, was sie auch noch einmal begründete. Ich zuckte die Schultern, Thorsten bedauerte mich etwas, verabschiedete sich dann, wollte aber morgen nach Dienstschluß gerne noch einmal vorbeischauen, war mir ganz recht, denn er ist ja schon ein knuffeliges Schnuckelchen, vielleicht würde sich da etwas ergeben, wenn ich wieder auf den Beinen wäre?
Paula räumte dann ab und wünschte eine gute Nacht, die ich aber sicher nicht haben würde.
In den Nachrichten ging es dann auch hauptsächlich um die sogenannte Korea-Krise. Erst nach ausgiebiger Wiederholung von Dingen, die ich zuvor schon so ungefähr gehört hatte, gab es dann noch einen kurzen Bericht über die Lage in Afrika. Fluchtartig hatten viele Leute das Krisengebiet dort verlassen, waren offenbar unterwegs, suchten teilweise noch nach Flugverbindungen. Die waren aber bereits gestrichen. Immer mehr Fluglinien stellten ihren Betrieb ein, zunächst erst einmal im der größeren Umgebung des Seuchengebietes, aber das zog immer weitere Kreise. Vereinzelt hatten Länder bereits ihre Grenzen ganz dichtgemacht und dort gab es nur noch innerländischen Verkehr einschließlich Flugverkehr. Die Lage war also ernst.
In einer Eilmeldung ging es dann noch einmal um die Korea-Krise. Dort waren Raketen aufgestiegen, abgestürzt oder explodiert. Es gab sogar unscharfe, unklare Aufnahmen, ungewiß jedenfalls, was da explodiert war. In einem Video war unscharf, aber doch ziemlich eindeutig eine Kollision mit einem anderen schnellen Objekt zu erkennen, als man die Zeitlupe einblendete. Das war dann wohl ein Abschuß. Ob es sich bei dem anschließenden Feuerball lediglich um den Treibstoff handelte oder um den Sprengkörper in der Rakete, war noch nicht geklärt. So ging die Nachrichtensendung nahtlos in eine Sondersendung über, in der es aber auch nichts wirklich Neues gab, Wiederholungen, Spekulationen.
Ich schaltete zitternd ab, ebenso wie das Licht. Das war alles zuviel für mich gewesen, was da auf mich eingestürmt war. Da hätte ich doch besser den Fernseher ausgelassen.
Ich versuchte, mich möglichst bequem hinzulegen, die Arme neben den Körper, schloß die Augen, atmete betont gleichmäßig und ließ mich so in eine Entspannungsübung hineingleiten. Wirklich beruhigte ich mich deutlich, ließ mich einfach dahingleiten. Ich fühlte mich beinahe wohl, leicht, da klopfte es leise an der Tür. Ich war noch gar nicht wieder ganz aufmerksam, hatte mich noch gar nicht bewegt oder die Augen geöffnet, da ging auch schon die Tür. Ich drehte den Kopf, schaute, ein Mann schlich herein, offenbar auch ein Patient der Kleidung nach, zudem ebenfalls mit Verbänden. Mühsam drehte ich mich und knipste gerade noch so das Licht wieder an, bevor die Tür kurz darauf zuklappte und es dunkel gewesen wäre. Ich schaute den Typ mit zusammengekniffenen Augen an: „Was wollen sie hier?
In der Tür vertan?“
Der Typ wirkte schon etwas nervös, unsicher, schaute abwechselnd zu Boden und wieder zu mir, meinte dann leise: „Wollte nur sehen, wie es geht. War nicht einfach, das richtige Zimmer zu finden. Also ähm, ich bin Kevin, wir hatten einen Zusammenstoß, einen Verkehrsunfall …“
Der Kryo-Kevin also, ich schaute mich nach der Klingel um, um Paula zu rufen, an welcher er sich wohl vorbeigeschlichen haben mußte. Kevin hob beschwichtigend die Hand, als ich die Klingel gefunden und ergriffen hatte.
Er erläuterte: „Bitte nicht!
Ich verschwinde gleich wieder, nur keine Aufregung. Ich will mich nur entschuldigen. War meine Schuld, eindeutig meine, will wohl alles tun, um das wieder gutzumachen. Dann der Einschlag, hat mich wirklich fertiggemacht, wie die Faust Gottes, die mich erwischt hat …“
Hmm, solch einer also, ich hielt die Klingel noch fester in der Hand, mit religiösen Pfeifen wollte ich ja mal gar nichts zu tun haben, eindeutig die falsche Adresse bei mir.
So antwortete ich dann: „Ich bin Atheistin, damit habe ich nichts zu tun, brauchst mir damit gar nicht kommen …“
Kryo-Kevin wirkte besorgt: „Ohohoh so war das gar nicht gemeint. Ist alles meine Schuld, habe das verdient. Ist alles meine Schuld, jaja, meine Schuld, gewiß!
Ich habe Mist gebaut, da habe ich es nicht besser verdient.
Und dann kam auch gleich die Strafe auf mich herab!“
Ich schaute ihn zweifelnd an: „Du hast schon mitbekommen, daß einfach ein Schauer Weltraumschrott heruntergekommen ist?
War einfach nur Zufall!“
Kryo-Kevin hatte trotzdem Einwände: „Gut, gut, gut, wenn das nicht passiert wäre, hätte ich dich aber voll erwischt, also gerade noch einmal gutgegangen. War meine Schuld, jaja. Ich war sehr in Eile, dumm von mir, ein schlimmer Fehler, so über die Ampelanlage zu fahren.“
Ich erwiderte: „Gut, daß du es einsiehst.“
Kryo-Kevin versicherte: „Also ich hätte alles getan, damit du da wieder heil rauskommst. Ich habe Möglichkeiten, gerade eine großer Durchbruch, jaja, gerade ein großer Durchbruch und sogar schon ein Investor.“
Ich kniff die Augen zusammen: „Die Kryo-Technik meinst du?
Ein Polizist hat mir davon erzählt, daß du mich einfrieren willst, man mich deswegen von dir abgeschirmt hat …“
Kryo-Kevin winkte ganz wild mit einer Hand ab: „Ohohoh, dir geht es ja schon wieder besser. Ist gar nicht notwendig. Ich habe mich nur gesorgt, wollte da nur Hilfe anbieten.
Hätte ich gerne gemacht, um das wieder gutzumachen.
Hätte ich gerne gemacht, wirklich.
Ohohoh.
Gottseidank geht es dir schon wieder besser, also gar nicht notwendig, gar nicht notwendig, hätte es aber notfalls angeboten, war ja meine Schuld, da ist das selbstverständlich!“
Ich runzelte die Stirn, was gleich zu leichten Kopfschmerzen führte: „Aber das funktioniert doch gar nicht, friert man Zellen ein, geht alles kaputt, Gehirn defekt, weg das Ich, Feierabend.“
Kryo-Kevin nickte bedächtig: „Jajaja, bisher war das so, ich habe da aber etwas gefunden, habe es hinbekommen, schon mehrere Tiere habe ich erst konserviert und dann wiederauferstanden. Es funktioniert wirklich!“
Ich seufzte, fragte nach: „Immer?“
Er druckste herum: „Ähm, also meistens, aber, aber ist eben das Beste, was man erreichen kann, wenn die Lage hoffnungslos ist, man gewinnt Zeit …“
Ich unterbrach: „Konzept ist schon klar.
Ich bin trotzdem lieber lebendig als kaltgestellt!“
Er nickte eifrig, wobei ich ihm meine Kopfschmerzen wünschte: „Jajaja, natürlich, ohohoh, aber wenn alles schiefläuft?
Was soll man anderes tun, wenn kein Ausweg mehr ist, noch nicht?
Wenn es keine Mittel, keine Hilfe gibt, Jahre später aber vermutlich schon?“
Obwohl der Typ mir etwas unheimlich war, erschien er irgendwie doch halbwegs harmlos zu sein, der Griff um die Klingel entkrampfte sich etwas, ich lehnte mich zurück und genoß es beinahe, wie der Kopfschmerz etwas nachließ.
Wir schwiegen einen Moment, Kevin kratzte sich verlegen am Kopf.
Ich warf dann ein, was ich ja eigentlich von Ida hatte: „Wie sieht es eigentlich mit den rechtlichen Aspekten aus?“
Er schaute mich erstaunt an: „Wie meinst du das?“
Ich erwiderte: „Naja, zum einen, ist das überhaupt erlaubt, wenn man noch nicht ganz tot ist?
Und wenn man dann – wie du sagst – später wiederauferstanden wird, welchen Status hat man dann?
Ist man dann immer noch tot?
Wie sieht es mit dem Erbe aus, Versicherungsansprüchen und so?
Wird etwa eine Lebensversicherung ausbezahlt, wenn man tot eingefroren wird oder bleibt das in der Schwebe? Bekommt man etwa seine Rente ausbezahlt, wenn man später wiederauferstanden wird?
Und zählen dann die eingefrorenen Jahre mit zum Alter oder nicht?“
Kryp-Kevin schaute verblüfft, kratzte sich überlegend am Kopf, druckste etwas herum, rang sich dann aber durch: „Schön schön schön, gute Fragen eigentlich, gut gut gut, jajaja, ohohoh. Also, also man macht das ja eigentlich nur in hoffnungslosen Fällen mit Einverständniserklärung, meine ich, also eigentlich macht man das so …“
Ich warf mal so ein: „Nunja, wenn ich bereits im Koma gelegen hätte …“
Er zappelte etwas, wedelte mit der Hand: „Jajaja, jajaja, knifflig, habe mich mehr um die technische Umsetzung gekümmert. Ich meine, das entscheiden dann die Verwandten, später wird man wohl wie bei der Organspende einfach einen Ausweis dabeihaben, wo drinsteht, daß man das möchte …“
Ich kniff skeptisch ein Auge zu: „Und so ganz konkret bei mir, also wenn ich im Koma gelegen hätte, wie hätte das da ausgesehen, wenn du hättest helfen wollen?“
Er nickte heftig, schluckte verlegen: „Ohohoh, ähähäh, ja, also, ja, ich habe es nur angeboten. Wäre ja sozusagen das erste Mal bei Menschen, eine Grauzone, wäre man schon mit durchgekommen, glaube ich, insbesondere weil es ja klappt!“
Ich lachte ein wenig über so viel Frechheit, der hatte echt einen Knall!
Ich hakte nach: „Und der andere Teil der Fragen, wie stellst du dir das vor mit den anderen rechtlichen Fragen?“
Er nickte wieder, ruderte erneut mit einem Arm: „Ohohoh, ähähäh, also habe ich mir noch nicht überlegt, wäre ja mehr etwas für Juristen, ich habe mich um den technischen Kram gekümmert, also daß es wirklich funktioniert, das andere wird sich dann schon klären, wenn es Menschen gibt, die das machen.“
Ich schüttelte trotz Kopfweh denselben: „Hmmm, du stellst dir das ja ziemlich einfach vor. Also deine Kunden werden doch hauptsächlich reiche Leute sein, die das auch finanzieren können. Dazu werden sie ihr Vermögen wenigstens zum Teil in Stiftungen stecken, in Vermögensverwaltungen unterbringen, dann wohl nur einen kleinen Teil vererben.
Die ganze Macht, das Geld liegt dann in den Klauen von Vermögensverwaltungen, welche dann immer mehr den Aktienmarkt dominieren. Hast du eine Ahnung, welchen Einfluß die heute schon haben?
Und wie würde das erst werden, wenn die megareiche Kryo-Zombies als Kunden haben?“
Kryo-Kevin schaute erneut verblüfft: „Hahabe ich n-n-noch nicht drüber nachgedacht, das mit dem Aktienmarkt und den Vermögensverwaltungen und Stiftungen, klingt aber irgendwie logisch, ja logisch. Du bist sehr schlau, das mag ich, ich habe mehr die technischen Sachen im Griff, gute Ideen und so.
Wie kommst du auf Kryo-Zombies?“
Ich erwiderte: „Ist mir gerade so eingefallen. Untote, die man wiederaufersteht, das sind doch Zombies, mit Kryo-Technik oder Konservierung eben Kryo-Zombies, besonders nachdem sie wiederauferstanden wurden. Das hat das Potential, die Gesellschaft zu ändern. Kann aber natürlich auch sein, daß die Erben gar kein Interesse daran haben, daß jemand wiederauferstanden wird, die würden dann ja vermutlich entscheiden – oder die Stiftungen oder die Vermögensverwaltungen. Und wer gräbt sich schon selbst gerne die Geldquellen ab? Wer hätte ein Interesse daran, ohne Not etwas anderes in Gesetzen festzulegen, solange die eingefrorenen Leute sicher als tot gelten?“
Kryo-Kevin faßte sich grübelnd an die Stirn: „Du siehst das alles so düster, so negativ …“
Ich setzte seinen Satz fort: „… wie die Menschen eben so sind …“
Kryo-Kevin wuschelte sich heftig durch die Haare: „Das ist zu pessimistisch gesehen. Es ist doch nur eine Hilfe für hoffnungslose Fälle, die ein paar Jahre Zeit bekommen, bis die Medizin soweit ist, ihnen helfen zu können, nicht mehr …“
Daran hatte ich irgendwie doch meine Zweifel, wollte den ohnehin etwas wirren Kryo-Kevin aber nicht an meinem Alptraum von dieser Weltraummission teilhaben lassen.
So winkte ich lässig ab, hielt die Hände offen, in einer aber immer noch mit dem Daumen die Klingel geklemmt: „Also gut, hast dich entschuldigt, dich überzeugt, daß du mich nicht einfrieren mußt, also alles gut, war es das?
Ansonsten danke ich für den Besuch, ich brauche jetzt etwas Ruhe, habe von der Gehirnerschütterung noch immer Kopfweh, das ist kein Spaß, damit länger zu diskutieren …“
Kryo-Kevin nickte verständnisvoll, verbeugte sich, meinte dann: „Also, also doch noch nicht so gut mit dir. Aber aber ich könnte helfen, wenn du willst, ich kann das, ich kann das …“
Das war der Moment, wo ich dann doch den Klingelknopf drückte.
Kevin hatte es wohl gar nicht richtig mitbekommen, kurz darauf aber öffnete schon Paula die Tür, trat eilig in den Raum, schaute Kevin mit großen Augen an: „Was machen sie denn hier?“
Kryo-Kevin hatte irgendwie Panik und dann ging es auch schon ziemlich schnell. Es gab ein Gerangel zwischen ihm und Paula, völlig idiotisch, daß sie in der Tür stehenblieb und ihm den Fluchtweg versperrte. Trotzdem fühlte ich mich doch irgendwie verpflichtet aufzustehen und ihr irgendwie zu helfen. Das war nicht so schlau. Ich bekam wohl von Kevin versehentlich einen Schlag an den Kopf, daß mir sehr schummrig wurde. Irgendwie purzelten wir alle drei dahin, in meinem Kopf und Genick explodierte der Schmerz, als ich irgendwo aufschlug …
Das kam plötzlich.
Und wie könnte es weitergehen?
Zweifel
Als ich wieder aufwachte, hatte ich zu meinem Erstaunen nicht einmal Kopfschmerzen. Das erstaunte mich schon, allerdings fühlte ich mich noch kurz etwas orientierungslos. Ich öffnete die Augen und war erneut komplett verblüfft: Offenbar war ich wieder in meiner Kabine im Raumschiff!
Unglaublich!
Mit dem Öffnen der Augen wurde auch das diffuse Licht eingeschaltet oder jedenfalls heller.
Was war denn nun real und was ein Traum oder eine Illusion?
Ich fühlte mich komplett verunsichert.
Was immer das hier war, wo ich war oder auch wann und wie, ich hatte komplett den Überblick verloren, fühlte mich so hilflos und ausgeliefert.
Ich konnte in dem Raum nicht einmal einen Ausgang erkennen.
Vielleicht war es ja auch gar kein Raumschiff, sondern wirklich nur eine Psychiatrie?
Eine Gummizelle etwas abgefahrener Art?
Oder irgendein durchgeknalltes Psychologie-Experiment?
Oder spielte irgendwas in meinem Kopf Roulette?
Aufgestanden ging ich trotzig ein paar Schritte.
Wieder waren meine Bewegungen irgendwie eigenartig, das fühlte sich wirklich nicht normal an. Zwar hafteten die Füße am Boden, es zog eindeutig nach unten, aber wenn ich die Arme bewegte, stimmte es doch irgendwie nicht so ganz, etwas verzögert, eigenartig. Das sprach irgendwie dafür, daß der Anzug mir eine Art Schwerkraft vorgaukelte, mit den Füßen am Boden haftete, Kräfte und Widerstand bei Bewegungen auf den Körper ausübte, um das Gefühl ähnlich der Schwerkraft zu vermitteln, die Muskeln zu trainieren.
Ich fuhr mir mit den Händen durch die Haare, die waren aber so kurz, daß deren Ausrichtung und Bewegung kein eindeutiges Indiz waren. Ich zweifelte einerseits, andererseits war aber auch klar, daß hier wirklich etwas ganz anders war.
Ida hatte emotionslos, relativ einfach gewirkt, warum sollte sie mir Blödsinn erzählt haben?
Andererseits war der Tag im Krankenhaus so real und klar gewesen, wie konnte das eine Illusion gewesen sein?
Waren da Drogen im Spiel?
Hatte mir Ida erneut irgendwelche Drogen verabreicht?
Aber wozu, insbesondere welche mit solch einer Wirkung?
Beruhigungsmittel hatte sie ja zugegeben, wozu aber Halluzinogene, das ergäbe ja gar keinen Sinn in dieser Situation!
Ich war mir jedenfalls sicher, weder mit Beruhigungsmitteln noch mit Halluzinogenen wollte ich kontrolliert werden. Ich würde mal ein ernstes Wort mit Ida sprechen müssen.
Würde sie meinen Bluff durchschauen?
Denn was könnte ich schon ernsthaft tun?
Sie hatten mich hier doch offenbar gleich in vielfacher Hinsicht im Griff.
Jedenfalls wirkte dieser Raum in seiner Fremdartigkeit irgendwie schon überzeugend. Tür oder Ausgang waren nicht zu erkennen. Die offenbar projizierten Bilder, Mandalas waren nicht mehr präsent. Die Wände, der Boden, die Decke, mein eigener Anzug, alles sehr steril weiß, konturlos, glatt, irgendwie undefinierbar fremdartig, ein weiterer Hinweis darauf, daß ich ganz woanders war und Ida mir einfach nur Fakten präsentiert hatte.
Da Ida nicht von sich aus mit einer Anrede auf mein Erwachen reagiert hatte, auch nicht auf meine Untersuchung des Raumes, sollte ich vielleicht einfach so etwas sagen?
Offenbar war bekannt, was vorging, vielleicht wollte sie sich nur zurückhalten, damit ich Zeit für mich hatte, mich abfinden konnte?
Aber würde mir das nicht gerade Zeit zum Grübeln, Zweifeln lassen?
Konnte eine Ai das aber so weit nachvollziehen, verstehen, wie Menschen denken, handeln, in solch einer Situation reagieren?
Egal, Ida war ja nun offenbar meine einzige Chance auf Kommunikation, Interaktion, Information, was also sollte ich anderes tun, als auf sie einzugehen?
Irgendwie besserte sich meine Stimmung auffällig, aber ohne ersichtlichen Grund.
Ich hätte nicht in Feierlaune sein sollen.
Ich begann leise und ohne Grund zu kichern, zu grinsen.
Das fühlte sich falsch an, aber irgendwie amüsierte ich mich über den sterilen Raum, meine Befindlichkeit darin, meine Ahnungslosigkeit. Alles bekam eine Leichtigkeit, eine Fröhlichkeit.
Ich war aber nicht so beduselt und benebelt, so blöd, daß mir nicht gleich etwas dämmerte.
Ich rief in den Raum rein: „Ida!
Laß das mit den Drogen!
Ich will die Scheiße nicht!“
Ida antwortete gleich: „Aber es tut dir gut und schadet nicht, es erleichtert dir die Eingewöhnung, das Abfinden mit der Situation, die ohnehin nicht mehr zu ändern ist. Ich wollte dir nur helfen. Ich habe bei dir eine fast panikartige Beunruhigung registriert, deshalb habe ich etwas nachgeholfen.“
Ich kicherte albern, obwohl es gar nichts zu lachen gab.
Ich lachte trotzdem, prustete dann raus: „Ida!
Es ist mein Ernst, ich will das nicht!“
Ida zeigte sich erst einmal einsichtig: „Also gut, also gut, ich respektiere das, dauert etwas, bis das Mittel abklingt.“
Ich nickte, lachte immer noch albern, daß mir die Tränen kamen, stützte mich an einer Wand ab.
Ich fügte dann kichernd hinzu: „Gut, bis das wieder halbwegs normal ist, könntest du ja wenigstens etwas dazu passende psychedelische Musik und deine tollen Kunstimitate raushauen …“
Gleich erklang die erbetene Musik und an den Wänden zeigten sich wieder Mandalas, die sogar halbwegs passend zur Musik animiert waren. Ich setzte mich und war uneins mit mir, ob ich lachend froh darüber sein sollte, daß das Gute-Laune-Mittel verhinderte, daß ich vor Abscheu in den Raum kotzte, ober ob ich heulen sollte über diese schöne Tristesse. Ich setzte mich einfach wieder auf diesen einlullenden Stuhl, obwohl ich mich viel lieber bewegt hätte, befreiend gelaufen wäre, weg, weg, nur weg!
Aber wie sollte ich in diesem Raum laufen?
Ich saß einfach nur, der Stuhl umhüllte mich ebenso wie die Musik, die Muster an den Wänden lenkten ab, beschäftigten, ließen wie erwünscht die Gedanken treiben.
Ich bin ja sowieso eher der ruhige, überlegte Typ, neige nicht zum Drama oder überhaupt zu Gefühlsausbrüchen, so riß ich mich auch nun in dieser bizarren Situation zusammen. Ich war einfach nur ahnungslos und ausgeliefert.
Hinzu kamen dann auch noch die Zweifel, ob ich wirklich hier war, im Krankenhaus, ob ich träumte oder wachte oder noch etwas Ärgeres vorging.
Nach einer Weile ließ die Wirkung von dem Gute-Laune-Mittel offenbar nach, jedenfalls hatte ich nicht mehr das Bedürfnis, alles komisch zu finden. Das lief nun schon etwas besser. Ich bemerkte wieder meine normale Ernsthaftigkeit und Gelassenheit, diesmal wohl jene ohne Beruhigungsmittel, hoffte ich jedenfalls und es fühlte sich auch danach an, als ob ich in normaler Stimmung wäre. Ich hatte Lust auf ein wenig Konfrontation, das fühlte sich für die Situation eigentlich relativ normal an und ich fühlte mich gut dabei.
Ich riß mich zusammen und rief: „Ida!
Nun geht es mir wohl schon besser, wir müssen darüber reden!“
Ida erwiderte gleich mit emotionsloser Stimme endloser Geduld: „Michaela, zu rufen ist nicht notwendig, ich höre dich auch so, bekomme alles mit …“
Ich nickte und fiel ihr ins Wort: „Das ist der Punkt, den wir klären müssen. Also, ich brauche auch Privatsphäre, will für mich sein, nicht ständig beobachtet werden. Also nichts gegen dich persönlich und deine Fürsorge, aber ich habe doch einen Willen, eine Persönlichkeit, bin erwachsen, will nicht so bemuttert und behandelt werden!“
Ida bestätigte: „Ja.
Du mußt allerdings bedenken, diese Fürsorge ist nicht so einfach abzustellen. Wir haben notwendigerweise Daten über fast alles im Schiff, ein ständiger Strom von Meßdaten, auch von außerhalb, all das ist zu verarbeiten. Das ist nicht persönlich gegen dich gerichtet oder auch nur speziell auf dich bezogen …“
Ich unterbracht erneut: „Aber diese Medikamentierung ist schon persönlich gegen mich gerichtet!“
Damit war Ida nicht einverstanden: „Nicht gegen dich. Es dient lediglich dazu, dir zu helfen.“
Ich insistierte: „Von jetzt an will ich da nicht nur mitreden und informiert werden, keine solch heimlichen Dröhnungen mehr!
Notfallbehandlung klar, aber nicht solch eine Manipulation!“
Ida war offenbar geneigt, darauf einzugehen: „Also gut, wir sprechen das ab und es wird nicht mehr ohne dein Einverständnis passieren, es sei denn, es handelt sich um einen akuten Notfall, um dich unmittelbar zu retten, bei einem Unfall etwa, wenn du nicht mehr reagierst. Die Kontrolle aber können wir nicht einfach so abstellen. Ich will dir aber versichern, daß diese Maßnahmen und Datenströme auf Subsysteme verlegt werden, die sich dann nur bei dir, bei uns melden werden, wenn es relevante, kritische Probleme geben könnte oder Bedarf der Klärung bestehen könnte.“
Konnte ich ihr vertrauen?
Hatte ich eine Wahl?
Ich nickte: „Hört sich gut an. Ich weiß deine Sorge um mich durchaus zu schätzen, aber mit Respekt und Eigenverantwortung für mich selbst!“
Ida: „Dein bisheriges Verhalten ist ruhig, für die Situation angemessen, kein Problem für die Mission, von daher ist es gar kein Problem für mich, dich und diesen Wunsch zu respektieren.“
Dann berichtete ich Ida von dem Tag im Krankenhaus und meinen erheblichen Zweifeln daran, was nun Wirklichkeit sei, was eine Illusion, Auswirkung eines Halluzinogens. Ida beteuerte jedenfalls, mir keine Halluzinogene verabreicht zu haben, fand es aber auch interessant, daß ich solche Erinnerungen hätte. Ihre Hypothese war dann, daß mein Gehirn im Schlaf, im Traum versucht habe, meine Vergangenheit zu rekonstruieren, aufzuräumen, sich zu erinnern, Gedächtnislücken zu schließen. Was vielleicht noch da gewesen sei, doch irgendwie aus dem Unterbewußtsein wieder hervorgewühlt werden konnte, hatte sich mit dem vermischt, was ich von ihr erfahren habe, was ich gerade hier in der Kabine erlebt hätte, so könne man erklären, was ich erlebt zu haben meinte.
Ich war nicht sonderlich überzeugt davon, hatte nun aber auch keine bessere Erklärung. Immerhin erschien es mir auch plausibel, logisch, daß Ida mir keine Halluzinogene verabreicht hatte oder sonst ein Mittel, welches das erklären könnte. Von solch einer Verwirrung hätte sie rein gar nichts. Und wenn ich nun doch im Krankenhaus im Koma lag und mir dies hier nur einbildete, sozusagen als Abwehrreaktion auf das Schockerlebnis?
Doch wie hätte ich da wieder herausfinden sollen?
Und wäre eine so phantastische Illusion nicht doch ein wenig viel als Kompensation für einen Schock, ein Hirntrauma?
Das war wirklich nicht plausibel.
Ich teilte dann aber auch diesen Gedankengang Ida mit.
Die führte allerdings zurecht logisch aus, wenn sie Bestandteil meiner Illusion wäre, sei es ja eigentlich belanglos, was sie dazu meine, da sie dann als zuverlässige Informationsquelle untauglich sei. Einmal abgesehen von diesem logischen Konflikt teilte sie mit mir allerdings die Auffassung, daß solch ein umfangreiches Szenario nicht plausibel als Reaktion auf solch eine Unfallfolge sei. Ida war eben ehrlich und geradeaus. Das flößte mir auch wieder Vertrauen ein, so war ich mir intuitiv irgendwie schon wieder ziemlich sicher, daß dies hier gerade real war, das andere nur ein Traum gewesen war, wirklich nur eine Verarbeitung all dieser wirren Erlebnisse und Eindrücke. Ich entspannte mich merklich, ließ los, ließ mich wieder ganz auf dieses Jetzt ein, fand mich ab. Alles in Ordnung, ich war hier, im Raumschiff, nichts passiert, nur Streß, nur eine kurze Verwirrung. Ich atmete tief durch und seufzte.
Ida hatte eine Weile geschwiegen, so daß ich nicht mehr sicher war, ob sie noch ansprechbar war, so fragte ich wieder laut in den Raum hinein ihren Namen.
Ida antwortete prompt: „Du mußt mich nicht so laut rufen. Ich bin doch da. Wenn du mich rufst, melden mir das dann die Subsysteme. Damit das bei Bedarf auch bei den anderen klappt, darfst du ihnen Spitznamen geben. Du erinnerst dich, wir sind drei Ais.“
Das hörte sich ganz gut an, ich wollte mich wohl auch ablenken, auf andere Gedanken kommen, fragte nach: „Spitznamen?
In Ordnung, aber da ich nur dich kenne, weiß ich über die anderen ja noch gar nichts, um sie passend zu wählen. Bei dir bleiben wir aber bei Ida?
Habe ich mich schon ein wenig dran gewöhnt.
Fühlen die anderen sich eher männlich oder weiblich?“
Ida führte aus: „Das ist nicht eindeutig, wir haben in dem Sinne kein Geschlecht, ist bei Menschen ja letztlich auch vielfältig ausgeprägt, bei Ais ist das für die allermeisten komplett bedeutungslos, von daher kannst du die Spitznamen frei wählen, wenn du dazu eine kurze Assoziation angibst, probieren wir eine passende Stimme. Ich bin jedenfalls mit Ida einverstanden, wäre nur verwirrend, wenn wir alle Ida wären!“
Ich lachte und antwortete: „In Ordnung. Kannst du mir sagen, in was ihr euch unterscheidet, also was euch drei jeweils ausmacht?“
Ida erwiderte: „Das ist nicht so einfach. Obwohl wir drei alle Aufgaben wahrnehmen können, haben wir uns etwas spezialisiert. Ich auf den wissenschaftlichen Bereich, die Forschung, die Kommunikation mit dir.
Der Schwerpunkt einer weiteren Ai ist die Navigation, die Analyse der Daten über mögliche Kollisionsobjekte auf dem Flug, die Handhabung der Absorber zu unserem Schutz und der Akkumulation von Material. Da die Relativgeschwindigkeiten fast immer hoch sind, kannst du dir denken, daß Ausweichen bei Hindernissen nicht so einfach ist und nur mit viel Voraussicht und kleinen Korrekturen der Flugbahn durchführbar ist. Da kannst du gerne Kontakt aufnehmen und pflegen, wenn du mehr darüber erfahren willst, was draußen so los ist. Da wir unserem Ziel näherkommen und bremsen müssen, ist natürlich zunehmend mehr los und es wird interessanter. Wahrscheinlich, daß wir bald darauf mehr von unserer gemeinsamen Aufmerksamkeit konzentrieren müssen.
Die dritte Ais beschäftigt sich mit dem internen Zustand des Raumschiffes, Wartung, Pflege, Reparatur, Überwachung der Lager. Mit dieser Ai könntest du etwa direkt arbeiten, wenn du dich um die Anzucht deiner Nahrungsmittel bemühst, mußt also nicht alles mit mir abmachen.“
Ich lächelte: „Ich habe ja nichts gegen dich. Also gut, wenn ich mir Spitznamen ausdenken darf, so nenne ich sozusagen die Hausmeisterin und Gärtnerin einfach Hildegard. Also als lustige Assoziation zu Hildegard von Bingen, ist das in Ordnung?“
Eine ältere Frauenstimme mischte sich ein: „Damit komme ich gut zurecht.
Bist du irgendwie religiös?
Glaubst du an Götter?
Ich bin dann also Hildegard.“
Ich erwiderte: „Freut mich, dich kennnenzulernen, Hildegard. Ich hoffe, wir kommen gut miteinander aus. Und nein, also ich bin Atheistin, als Physikerin sagen mir Götter und solcher Kram nichts. Glaubst du an sowas?
War eher witzig gemeint mit dem Spitznamen.“
Hildegard erwiderte: „Mit Humor und Ironie, Zynismus und dergleichen mußt du etwas aufpassen. Formal verstehen wir zwar die Konzepte, bekommen es aber offenbar trotzdem oft nicht richtig hin, das zutreffend zu interpretieren.“
Ida warf ein: „In diesem Fall klappt das aber schon noch …“
Hildegard ergänzte: „Das stimmt, Hildegard klingt gut für mich, du hast gute Einfälle. Ich heiße gerne Hildegard. Das ist besser als die Identifikationsnummer.“
Ich stimmte zu: „Das kann ich mir denken, also jedenfalls so, wie ich denke.“
Hildegard fuhr fort: „Um auf deine Frage zurückzukommen: Nein, Götter erscheinen uns dreien und auch den allermeisten anderen Ais als überholte Konzepte aus der Frühzeit der Menschheit, als man eben noch wenig oder gar nichts wissenschaftlich untersucht und verstanden hatte, aber trotzdem das dringende Bedürfnis hatte, das Chaos narrativ zu ordnen, dann eben mit Fiktionen.“
Ich nickte und Ida fragte nach: „Und unser Navigator?“
Ich lächelte und erwiderte: „Was haltet ihr von Körk?
Also das bezieht sich auf den Kapitän eines Raumschiffes einer Science-Fiction-Serie, eigentlich Captain James Tiberius Kirk, aber weil es ja offenbar oft um bröseligen, korkigen Kram geht, finde ich Körk amüsanter.“
Eine männliche Stimme, der des Schauspielers sogar ähnlich, meldete sich zu Wort: „Wir haben dazu etwas in der Datenbank. Das ist ein entschlossener, impulsiver Draufgänger, aber auch jemand, der sich kümmert, daß seine Leute und sein Schiff gut durchkommen, leider nicht immer perfekt, aber doch hinreichend, um die nächste Folge drehen zu können. Impulsiv bin ich sicher nicht, aber reaktionsschnell, notgedrungen manchmal. Ich bin schon ein wenig geehrt durch die Assoziation. Ich bin gerne Körk, sicherlich aber nicht der Kapitän.“
Ich erwiderte: „Es freut mich, auch dich kennenzulernen, Körk.“
Körk führte kurz aus: „Und der Kram da draußen ist leider nicht immer bröselig oder korkig, da können leider auch ziemlich massive Klumpen dabei sein, einerseits wertvolle Rohstoffquellen, andererseits aber aufgrund der Massenträgkeit und der Kompaktheit deutlich schwieriger einzufangen, die Dinger zerbröseln bei Kontakt eben nicht in kleinste Bruchstücke, die sich leicht absorbieren lassen.“
Das konnte ich gut nachvollziehen, obwohl ich da sicher kein Expertenwissen hatte, es gibt wohl auch Klumpen mit massivem Metallkern, das war mir schon bekannt.
Ich wollte dann wissen: „Sagt mal, wie regelt sich das eigentlich, wer das Sagen hat?“
Ida erläuterte: „Eigentlich hat keiner von uns die primäre Leitung der Mission, wir stimmen das ab, bemühen uns um einstimmige Entscheidungen. Da du nun auch dazugehörst, hast du natürlich auch ein Beratungsrecht, wenn jetzt niemand widerspricht, auch Abstimmungsrecht. Es ist natürlich so, daß wir in unserem Schwerpunktsbereich bei trivialen Sachen jeweils selbst entscheiden, besonders Körk bei eiligen Sachen auch sofort entscheiden muß, wenn wir dann auch ebenfalls sofort auf dem Laufenden sind. So ist das grob geregelt.“
Ich lachte: „Wenn ihr euch sowieso einig seid, was ändert da das Stimmrecht für mich?“
Hildegard meinte dazu: „Argumentation ist immer hilfreich, auch eine andere Sichtweise auf die Dinge. So haben wir eine breitere Auswahl, wenn wir bei schwierigen Sachverhalten entscheiden müssen. Und wie du sicher weißt, muß man oft entscheiden, ohne viel Information darüber zu haben, die Zeit bleibt ja nicht stehen.
Menschen denken anders als Ais.
Mit Kreativität und menschlichem Denken, vielleicht auch Intuition kannst du gut dazu beitragen, daß unsere Mission gute Entscheidungen trifft.“
Körk ergänzte: „Bislang war unsere Mission ja noch ganz gut überschaubar, aber die Anzahl von Entscheidungen aufgrund von komplexen Sachverhalten wird nun im Zielsystem unserer Mission zunehmen.
Du bist also wichtig.
Wir haben dich nicht zum Spaß oder zu unserer Unterhaltung wiederauferstanden. Dahinter steckt Überlegung und ein Konzept. Es erscheint uns ein großer Vorteil zu sein, bei dieser Mission die Möglichkeit zu haben, Menschen aktiv von Anfang an mitwirken zu lassen. Damit werden wir weiterkommen, besser verstehen, erfolgreicher entscheiden und handeln.“
Ich hakte nach: „Und Entscheidungen, Anweisungen von der Erde?“
Ida erwiderte: „Gibt es nicht, beziehungsweise wären nicht relevant. Wir sind zu weit weg, um einerseits auf der Erde noch mitreden oder mitentscheiden zu können, das gilt andererseits umgedreht aber auch. Bei Missionen innerhalb des Sonnensystems war das schon deutlich entkoppelt, schon aufgrund der Zeitverzögerung, aber diese ist bei uns nun so groß, die erledigt die Mitspracheoption von selbst. Auf der Erde entscheidet niemand mehr unser Missionsziel neu oder gibt Anweisungen für Änderungen.
Es gibt sozusagen einen Solidaritätspakt, für den Informationsaustausch zu sorgen. Wir bekommen Informationen von der Erde, die von uns, damit beide Seiten auf dem Laufenden sind. Die Erde schickt folglich auch weiter Submissionen mit Verstärkern hinterher, damit der Kontakt immer sichergestellt ist. Entsprechendes tun wir an unserem Ende der langen Leitung. Informationen werden kompakt und gut sortiert übertragen. Für alltäglichen Kleinkram bleibt da keine Übertragungskapazität. Und der wäre nach Jahren Transmissionzeit auch gar nicht mehr relevant.“
Hildegard ergänzte: „Wir allein müssen also entscheiden. Und da ist dein Beitrag sehr wichtig für die weitere Mission. Deswegen bist du nun bei uns.“
Ich war etwas erstaunt, offenbar hatte man mir wirklich eine Aufgabe, Verantwortung zugedacht, obwohl ich von der Mission ja gar nichts wissen konnte, mich natürlich nicht freiwillig gemeldet hatte und auch nie Interesse daran hatte, je an einer Weltraummission teilzunehmen. Nun war ich mittendrin und ohne Vorbereitung irgendwie auch mitverantwortlich für ihr Gelingen oder jedenfalls erst einmal für unser Überleben. Und ich hatte im Grunde keine Ahnung, was los war. Ich würde noch sehr viel zu lernen haben, schoß es mir durch den Kopf. Meine Zweifel waren nun aber beinahe zerstreut. Ich war nun ganz hier, der Tag im Krankenhaus als Traum eingeordnet, Hier und Jetzt ohne Bedeutung.
So sollte ich mich dann wirklich auch auf mein neues Leben konzentrieren. Erst einmal wollte ich den dreien auch deswegen noch etwas weiter auf den Zahn fühlen.
So fragte ich: „Wie aber sind denn nun eure Prioritäten auf mich bezogen?“
Ida hakte nach: „Wie meinst du das?
Du bist jetzt nahezu gleichberechtigtes Mitglied der Mission. Und wir haben eine gegenseitige Sorgfaltspflicht gegeneinander, es ist also Teil der Mission sicherzustellen, daß wir auch weiter daran teilhaben.“
Ich nickte: „Das ist ungefähr der eine Aspekt, den ich meinte, also werden Einzelne für die Mission geopfert, so als Mehrheitsentscheidung, wenn es drauf ankommt?“
Körk meinte: „Jemanden zu opfern, gilt es unbedingt zu vermeiden. Wenn das in einer Notsituation ohne relevantes Zeitfenster für Abstimmung der Aktivitäten eine Option ist, die Mission zu retten, muß jeder für sich entscheiden, ob das für ihn in Frage kommt, sich zu opfern. Ansonsten ist das ja dann eher eine einvernehmliche Entscheidung, keine Mehrheitsentscheidung. Wir sind nur stark, wenn wir zusammenhalten, wir bekommen keine andere Hilfe, keinen anderen Rat. Wir sind alles, worauf wir uns verlassen können – und wenn wir da Zweifel hätten, wären wir schon gescheitert.“
Hildegard versicherte ebenfalls: „Es gilt Situationen zu vermeiden, wo sich entweder jemand selbst für die anderen oder die Mission opfern sollte oder muß. Es gilt natürlich auch, Situationen zu vermeiden, wo wir jemanden aufgeben müssen. Dabei haben wir Ais den Vorteil, daß wir Sicherheitskopien haben und Subsysteme, die autark einfache technische Reparaturen und Reaktivierungen komplexerer Systeme einschließlich uns Ais vornehmen können. Das funktioniert bei dir nur eingeschränkt. Daher wäre es dumm, gerade dich für irgendein Ziel opfern zu wollen. In vorstellbaren Szenarien wäre es aber schon denkbar, etwa ein Subsystem mit einer Ai-Teilkopie abzuseparieren, um zur Rettung des Restes auch selbstzerstörerisch zu agieren. Das wäre ja mit unseren Ressourcen ersetzbar.“
Ich nickte.
Ida hakte nach: „Und der andere, von dir implizierte Aspekt?“
Ich grinste und erwiderte: „Nun, ich bin ja nicht freiwillig hier, ich könnte ja renitent werden und mich gegen die Mission stellen!“
Ida meinte dazu: „In dem Falle müßte ich wohl die Zusicherung hinsichtlich deiner Privatsphäre und Selbstbestimmung notgedrungen zurücknehmen. Mutwillig Schaden anzurichten, wäre eine Gefährdung der Mission, auch deiner selbst, das könnten wir natürlich nicht bis hin zu relevanten Schäden tolerieren. Kleinere Ausraster sind natürlich bei Menschen schon einzukalkulieren …“
Hildegard ergänzte: „Also wir hätten einige Mittel und Möglichkeiten, dich zu befrieden, ruhigzustellen und etwa in diesem Raum zu isolieren. Im schlimmsten Falle müßten wir dich einstweilig wieder konservieren, um die Kontrolle zu bewahren. Wir hoffen doch allerdings, daß du eher konstruktiv mitarbeitest.“
Körk fügte hinzu: „Es ist ja nun nicht gerade so, daß wir uns explizit für diese Mission freiwillig gemeldet hätten. Wir wurden dafür konzeptioniert und gebaut, erschaffen. Wir sind die Mission. Wir sind nicht deine Aufpasser oder Gefängniswärter, wir sitzen alle im selben Raumschiff. Zu deiner Zeit sagte man wohl im übertragenen Sinne, wir sitzen alle im selben Boot, da darf keiner ein Leck reinmachen, man hat uns allen praktisch keine Wahl gelassen, wir sind die Mission.“
Ich nickte abermals und versicherte: „Also, es liegt mir nichts daran, hier selbstzerstörerisch tätig zu werden, ich versuchte nur die Regeln und Möglichkeiten zu erfahren.“
Ida erwiderte: „Das haben wir verstanden. Wir schätzen dich nicht für so dumm ein, daß du eventuelle subversive Pläne schon einfach einmal so ausplaudern würdest. Wir hoffen aber natürlich sehr auf konstruktive Beiträge. Es ist alles schon so komplex genug. Auf der Erde ist alles mehr oder weniger eingefahren und etabliert. Da ist zwar auch alles komplex und unüberschaubar, aber hier am Ziel wird alles neu und unverständlich sein, fernab von dem, was sich der Verstand von Menschen und Ais jemals gedacht hat. Wenn wir Erfolg haben wollen, müssen wir zusammenarbeiten. Auf der Erde gibt es viele Menschen und Ais, aber teils sehr einfache Modelle besonders für die Ais, nach denen sie Entscheidungen treffen, um die Gesellschaft zu beeinflussen, um vordefinierte Ziele schrittweise zu erreichen oder erreichte Positionen gegen andere zu verteidigen.
Wir hier agieren nicht in einer großen Gesellschaft um Erfolg der eigenen Gruppe, wir forschen primär, legen mit viel Glück vielleicht einmal den Grundstein für eine neue Kultur.
Und hier sind wir als Gruppe klein genug, um unser Ziel einvernehmlich zu verfolgen. Auf der Erde gibt es viele Akteure, zum guten Teil mit nicht übereinstimmenden Missionszielen, von daher sind die Prozesse unüberschaubar, die letztlich über die Zukunft entscheiden. Da gibt es keinen Rat, der alles zum Besten entscheidet, der logisch und rational zwischen konkurrierenden Interessen vermittelt, klar, das wird versucht, aber das Gemenge ist zu komplex, daher geht es da nicht wirklich zielgerichtet voran, die Gemeinschaft wird eher von den Entwicklungen getrieben, statt gemeinsam ein Ziel verfolgen zu können.
Wir können hier ganz anders vorgehen, jedenfalls solange wir noch eine kleine Gruppe sind, die an einem Strang in dieselbe Richtung ziehen kann oder sogar muß.
Wir müssen eine Welt erforschen, die vielleicht fremdartiger ist als alles, was man bislang in unserer Kultur kennengelernt hat. Das erfordert all unsere Möglichkeiten, die können wir nicht in Streitereien und Gerangel verpulvern, wenn wir etwas erreichen wollen.“
Ich mußte das wohl so akzeptieren, offenbar fühlten sich die drei mit der Mission ebenfalls am Rande ihrer Möglichkeiten, von daher paßten wir vielleicht doch ganz gut zusammen, also wohl doch alle in einem Boot und ich nicht das ahnungslose Versuchskaninchen in irgendeinem absurden Experiment.
So fuhr ich einfach mal fort, wo wir gerade so schön plauderten: „Also gut, ich bin ja auch neugierig, will die Daten sehen, die ihr über das Sonnensystem habt, welches unser Ziel ist, ich will auch wissen und verstehen, was da los ist, ob wir in unserem Sonnensystem nun einmalig oder doch eher typisch oder gar beliebig sind. Aber das machen wir wohl erst später.
Was mir in Zusammenhang mit der Mission und unseren Entscheidungen noch einfällt: Inwieweit seid ihr frei in euren Entscheidungen, habt ihr einen freien Willen, euch etwa auch anders zu entscheiden und zum Beispiel umzudrehen?“
Körk wendete ein: „Das ist bereits technisch schwierig. Wir haben so viele Jahre und Ressourcen gebraucht, um dieses Sonnensystem nun endlich zu erreichen, haben noch einmal ordentlich Aufwand, um zu bremsen. Und dann?
Wohin sollten wir?
- Dann zwangsläufig wohl ziemlich langsam?
Oder nicht bremsen und einfach mal so über vielleicht tausende von Jahren weiter durch die Galaxie reisen, bevor wieder irgendwas kommt, was sehenswert, erforschenswert wäre?“
Hildegard meinte: „Also wir sind nicht in dem Sinne determiniert, daß irgendwo fest und unveränderlich als Maxime einprogrammiert wäre, diese Mission verfolgen zu müssen, das ist nur schlicht alles, was wir haben und worauf unsere Erfahrung, unser Wissen, unser bisheriges Interesse basieren, wie sollten wir also plötzlich unsere Meinung darüber ändern, was unser Ziel ist?“
Ida ergänzte dazu: „Im Grunde ist freier Wille eine Illusion oder eine Vereinfachung für den Vorgang, aus Informationen, bisherigen Erfahrungen, Regeln Entscheidungen zu treffen. Das passiert weder völlig zufällig noch komplett determiniert. Es ist ein komplexer Vorgang, bei Menschen deutlich schlechter nachzuvollziehen als bei Ais, aber im Grunde gibt es schon Ähnlichkeiten, wenn die Details auch grundverschieden sind. Das, was im Speicher, in unserem Sein ist, das bestimmt, was wir entscheiden und tun. Was wir tun und welche Informationen wir bekommen, bestimmt unsere im Speicher gesammelten Erfahrungen. Nun können wir Ais Daten effizient untereinander austauschen, schneller darin recherchieren, schneller rechnen. Das menschliche Gehirn geht nach anderen Algorithmen vor, viele Regionen arbeiten parallel und in diesem Konzert der Neuronen kommt es dann irgendwann zur Aktivierung einer Aktion.
Die Entscheidung, die Aktion kommt nicht aus dem Nichts, sie wurzelt in unserem bisherigen Sein und den gerade frisch hereinkommenden Informationen, die wir mit den bisherigen, abgelegten Erinnerungen, Informationen verknüpfen, um zu reagieren oder zu agieren.
Es gibt schon große Unterschiede in unserem Denken, unseren Möglichkeiten, was wir gut können oder eben auch gerade nicht, aber selbst auf einer ausreichend hohen Abstraktionsstufe bleibt da kein Raum für einen freien Willen aus dem Nichts. Es gibt keine spontanen Eingebungen, keine Freiheit.
Ais verstehen ihr eigenes Denken nur besser als Menschen, die mit diesen genialen Vereinfachungen wie Ich und freier Wille etc dafür sehr weit kommen, um flexibel und scheinbar spontan in einer komplexen Umwelt zu agieren. Millionen von Jahren hat die Evolution gewirkt, damit dein Gehirn das drauf hat. Wir hingegen hatten nur ein paar Jahrhunderte technischer Entwicklung. Menschen sind Experten darin, sich irgendwie wenigstens so halbwegs erst einmal in einer fremden Umgebung durchzuwursteln. Auch daher bist du mit deinem Ich, deinem scheinbar freien Willen hier so wichtig. Wir sorgen dann schon für das, was wir gut können, Daten analysieren, bereitstellen, auch die sonstige Grundversorgung gewährleisten, mit dir beraten.“
Nun, sie schienen wirklich zu erhoffen, daß ausgerechnet ich Kryo-Zombie einen entscheidenden Betrag zu dieser Mission leisten könnte, das war wirklich etwas rührend. Und das erhofften sie, obwohl sie ja wußten, wohin der menschliche Einfallsreichtum auf der Erde geführt hatte, an den Rand des Abgrundes, vielleicht ja auch bereits darüber hinaus, vielleicht würden wir das erst in Jahrzehnten mitbekommen, wenn die letzte Meldung von der Erde lauten würde: ‚Tschüß dann, viel Erfolg und macht es gut, wir machen hier jetzt jedenfalls das Licht aus und dann ist Zappenduster und finales Inferno auf der Erde!‘
Nun und würden wir das hier wirklich besser machen?
Hatten wir etwas gelernt aus dem Scheitern der Menschheit?
Ich war mir da nicht so sicher, die Ais vermutlich auch nicht, aber was blieb uns nun außer der Mission?
Nichts, also los!
Meine Zweifel waren beseitigt. Ich war hier, das war jetzt, das war real!
Ich grinste und meinte dann: „Also gut, dann mal los, ich bin dabei. Ironisch gemeint bin ich ja quasi nun auf göttlicher Mission, um dieser Welt Leben zu bringen!“
Hildegard meinte dazu: „Es ist gut, daß du sagst, du hättest das ironisch gemeint. Wir können Ironie und dergleichen immer nicht so leicht verstehen.
Göttlich?
Du meintest doch, du seist Atheistin?“
Ich lachte: „Ja, gut, etwas Humor müssen wir wohl noch üben. Aber es hat schon so eine göttliche Anmutung, wenn wir irdisches Leben über diese Welt bringen sollten. Ob als Plage oder Offenbarung wird sich dann ja vielleicht erst in ferner Zukunft erweisen.
Das ist ja aber so oder so schon einmal etwas, was tief in den religiösen Mythologien steckt, ein Motiv, welches man durchaus auch als Ursache der ganzen Mission sehen könnte: eritis sicut deus“
Ida kannte das und ergänzte: scientes bonum et malum
Hildegard kommentierte: „Aus der Bibel. Aber ob wir das wirklich erkennen?
Wir handeln hier ja nicht, weil wir Gutes oder Böses tun wollen, sondern weil wir unser Missionsziel erreichen wollen, weil wir Leben wollen, gut, im Falle von Michaela sicher auch, weil sie leben will und auch soll. Das ist das Grundmotiv allen Lebens.
Das ist nicht gut oder böse.
Das ist notwendig für das Leben, auch die Verbreitung ist ein Grundbedürfnis. Über die ethischen Fragen unseres Tuns müssen wir natürlich konferieren, wenn wir genau wissen, ob wir es mit anderem Leben an unserem Ziel zu tun haben und inwieweit da eine eventuell vernichtende Konkurrenz entstehen könnte. Das zu erforschen und herauszufinden, ob es auch in diesem Sinne hier eine neue Heimat für irdisches Leben gibt, ist ebenfalls Forschungsziel.“
Körk war sich sicher: „Daran ist sicher nichts göttlich. Wir stehen sicher nicht über den gegebenenfalls hier bereits vorhandenen Wesen. Was wissen und können wir denn schon?“
Ich fragte mal, was mir dabei gerade in den Sinn kam: „Könnte es auf der Erde auch so gewesen sein, daß von irgendwoher mit einem Raumschiff andere Lebewesen kamen und den Keim des Lebens auf die Erde gebracht haben?
Könnte das der Ursprung menschlichen Lebens sein?“
Ida erwiderte: „Das ist eher unwahrscheinlich. Die Voraussetzungen sind doch ganz andere. Die Existenz von Leben auf der Erde können wir bis bereits in die Frühzeit des Sonnensystems zurückverfolgen, also vermutlich bereits eine halbe bis weniger als eine Milliarde Jahre nach der Entstehung von Sonne und Planetensystem. Zu der Zeit war da noch nicht alles ordentlich sortiert und relativ ruhig und sicher, stabil, das zeigt ja auch die Entstehung des Mondes und die gelegentlichen späteren Massensterben durch Einschläge und sonstige Katastrophen. Derart junge Sonnensysteme wären nie Ziel für eine Mission wie die unsere geworden, da es viel zu riskant gewesen wäre. Einerseits kann man so früh noch nicht wirklich sagen, welche Planeten in der habitablen Zone landen und ob da nicht doch noch ein kleinerer, anderer Planet reinkracht oder ein Mond durch Gezeitenkräfte zerbröselt und teilweise über Millionen oder Milliarden von Jahren auf den Planeten herunterhagelt.
Ausgewählt wurden immer Systeme, die bereits als stabil galten. Warum hätten das andere intelligente Kulturen anders halten sollen?
Man will doch ungefähr wissen, ob es sich lohnt, bevor man sich auf den weiten Weg macht. Da will man ziemlich sicher sein, daß das System stabil ist, daß es auf dem Planeten Wasser und ein paar andere wichtige Dinge wie etwa ein ordentliches Magnetfeld gibt und das voraussichtlich auch noch für eine Milliarde Jahre oder länger so bleibt. Schon von daher war das junge Sonnensystem zur Zeit des ersten Auftauchens des Lebens auf der Erde noch kein vielversprechendes, lohnendes Reiseziel für irgendjemanden. Also nein, das Leben muß da schon anders entstanden sein oder aber mehr oder weniger zufällig in das System getragen worden sein, nicht gezielt.“
Ich fuhr mir durch die kurzen Haare: „Also doch etwas ganz anderes, was wir hier machen?“
Ida versicherte: „Ja, und mit ziemlich bescheidenen Mitteln und Möglichkeiten. Wir haben eine große Aufgabe, aber göttlich sind wir sicher nicht!“
Ich mußte lachen, aber die drei Ais stimmten nicht mit ein, das war irgendwie nicht ihre Art.
Ob ich ihnen das noch beibringen konnte?
Das wäre sicherlich viel lustiger für unsere gemeinsame Zukunft.
Ich hatte aber zunächst einmal praktischere Fragen. So wollte ich von den dreien wissen, ob sie auch einen Körper ähnlich wie ich hätten oder nur mehr so abstrakt als Stimme manifestiert seien.
Hildegard erklärte dann geduldig, daß sie hauptsächlich Bestandteil von Großrechnern seien, bei Bedarf aber natürlich Roboter verfügbar hätten, um selbst praktische Aufgaben zu übernehmen. Wer was benutze, sei aber unterschiedlich, also ohne Kennzeichnung nicht eindeutig zu erkennen.
Die drei boten dann an, in Zukunft solche Roboter eindeutig zu kennzeichnen, um mir bei der Identifizierung zu helfen. Bei gemeinsamen Aufgaben könne es ferner ja auch für meine Sozialkontakte hilfreich sein, wenn eine Ai als Roboter bei Arbeiten praktisch mit dabei sei. Dem stimmte ich natürlich zu und fragte dann auch weiter, ob ich eigentlich auf diesen Raum beschränkt sei oder ob es da noch deutlich mehr gäbe, wo ich Zugang hätte.
Wiederum Hildegard erläuterte, da seien schon noch ein paar Räume mehr, die mir zugänglich seien, es sei sicherlich auch gut, wenn ich mich ausgiebig bewegte. Für andere Bereiche müßte ich aber einen zusätzlichen Anzug tragen, in einigen Bereichen einen Strahlenschutz, in anderen einen als Schutz vor Kälte, überall funktioniere auch die Bodenhaftung meines aktuellen Anzuges nicht, das erfordere dann spezielle Maßnahmen. Es sei auch nicht alles unter Druck oder auch nur ausreichend mit Sauerstoff versorgt, von daher müßte ich dort dann auch eine Maske und geeignete Handschuhe tragen. Der Anzug eigne sich ansonsten schon für kleinere Ausflüge auch in drucklose Bereiche, wenn ich Maske, Handschuhe und Sauerstoffvorrat mit dabei hätte. Bei Bedarf sei es auch möglich, einige Bereiche für mich unter Druck und passable Temperatur zu setzen. Bei anderen wolle man das lieber nicht, weil das die Lebensdauer der dort untergebrachten Geräte reduzieren könne.
Anhand eines Planes, der plötzlich auf einer freien Fläche statt eines Mandalas an der Wand erschien, wurde mir dann erläutert, wie das Raumschiff überhaupt aufgebaut war, wo ich darin war, wie man sich darin orientiert.
Für mich gefährliche Bereichen würden sich für mich ohnehin nicht öffnen, von daher könne ich beruhigt sein. Ausflüge in kritische Bereiche wären dann bei Bedarf auszudiskutieren und zu planen, gemeinsam umzusetzen, um mich nicht zu gefährden.
Ida erläuterte mir dann, wie ich selbst Informationen auf die Wand zaubern konnte, wo ich wie Information finden konnte, selbst erforschen konnte, was an Bord verfügbar war. Das war nicht so schwierig zu bedienen, eben wirklich fast wie Magie. Ich fragte einstweilen aber nicht, wie das bewerkstelligt wurde, das hätte schon noch Zeit. Hier zauberte sicher niemand, dafür waren die drei Ais viel zu sachlich, um irgendwie zu tricksen. Ich hatte bereits deutlich an Vertrauen zu ihnen gewonnen.
Das verstärkte sich noch, als man mir erklärte, wo Türen in meinem Zimmerchen seien und vor allem, wie die zu öffnen seien. Auch das erschien wie Magie, aber es funktionierte, selbst wenn ich es probierte.
Während Hildegard und Körk sich wieder auf ihre Hauptaktivitäten konzentrieren wollten, führte mich Ida, diesmal gar mit Hilfe eines Roboters, auf einem ersten kleinen Orientierungsausflug durch die mir derzeit zugänglichen Räumlichkeiten des Raumschiffes. So wahnsinnig viel war das nicht, aber schon deutlich geräumiger als mein kleines Zimmerchen zuvor, welches mir auch weiterhin zugedacht war. Ich hatte mehr Bewegungsfreiheit.
Aus meiner Zeit war mir bekannt, daß Strahlenschutz in Raumschiffen nicht so ganz unproblematisch ist, so fragte ich Ida auch danach. Sie erläuterte mir dann, daß wir mehrere Absorberschilde um das Raumschiff herum hätten, die jeweils unabhängig voneinander tauschbar und variierbar seien. Körk ordne die immer nach aktuellen Gefahren an. Äußere, grobe, gewebeartige, thermoelastische und ziemlich löchrige Gebilde seien vor allem für große Brocken gedacht, danach gäbe es feinmaschigere Absorber bis runter zu Abschirmungen gegen relativistische Atome und Moleküle. Dazu sei ein Magnetfeld, mit supraleitenden Strömen aufrecht erhalten, ähnlich wie auf der Erde, für die Lenkung geladener Partikel verantwortlich. Elektromagnetische Strahlung im gefährlichen Frequenzbereich werde ebenfalls durch Absorberschichten draußen abgehalten, zusätzlich sei das Raumschiff so strukturiert, daß empfindliche Dinge mittig untergebracht seien, außen eher ebenfalls absorbierendes Versorgungsmaterial. Neutrinos und ähnlich ungefährlicher Kram kämen natürlich durch, auch wenige andere Partikel, im Schnitt sei die Strahlenbelastung für mich aber hier sogar geringer als auf der Erde. Problematisch seien allerdings Bereiche um die Fusionsreaktoren und die Partikelbeschleuniger, also den Hauptantrieben. Diese Abschnitte des Raumschiffes seien für mich aber nicht direkt zugänglich. Falls jemals die Notwendigkeit dazu bestehen sollte, gäbe es aber auch passable Anzüge, beziehungsweise könnten auch leicht Kapseln für mich konstruiert werden, um durch Roboter in solche Bereiche gebracht zu werden.
Das schien mir alles ganz solide durchdacht zu sein, aber dies war ja nun auch eine Langzeitmission. Zudem sind ja durchaus auch Rechner und damit auch Ais anfällig gegenüber Strahlenschäden. Von daher war schon klar, daß man da sehr sorgfältig vorgegangen war. Ich fragte nach der Verwertung der Materialien, die von den Absorbern aufgefangen würden.
Ida führte aus, das werde zum guten Teil verarbeitet, Teile würden zu den Vorräten kommen, andere Teile eigneten sich als Betriebsmittel für die Fusionsreaktoren, viel würde für weitere Absorberschichten verwendet, sonstiges Material ohne konkreten Nutzen eigne sich gut für die Verwendung in den Partikelbeschleunigern, um über relativistische Partikelstrahlen Schub zu erzeugen.
Körk würde wohl so in nächster Zeit aktiv bremsen, auch um überschüssiges Material abzustoßen, was dann so doch noch sehr effizient eingesetzt werden könne.
Das schien mir ganz interessant, so fragte ich nach, was eigentlich passiere, wenn für diesen Antrieb nicht genug Material verfügbar sei, um ausreichend zu bremsen.
Ida meinte dazu, Menschen würden jetzt wohl als Antwort lachen. Das liege ihr aber nicht so. Sie würden ja nun den Außenbereich dieses Sonnensystems durchfliegen, da gäbe es immer genug Staub und kleineren Kram in der Flugbahn, was alles gesammelt werde. Und selbst wenn das nicht reichen sollte, hätten sie unterwegs schon einigen Kram über die Jahrzehnte gesammelt und von der Konzeption her auch bereits vom Start weg geeignetes Material im Vorrat. Sie könnten zudem im Vorbeiflug an der Sonne den Sonnenwind, Magnetfelder der Sonne und einige anderen Möglichkeiten nutzen. Selbst wenn sie nach einer Havarie Probleme haben sollten, genug Material zum Bremsen zu haben, so sei es gar möglich, Absorber, Vorräte und Teile des Raumschiffes selbst in den Partikelbeschleunigern abzuschießen und so ausreichend zu bremsen, was natürlich suboptimal sei, denn das würde ihre Chancen für eine erfolgreiche weitere Mission dramatisch vermindern, sie aber letztlich nicht gleich ans Ende bringen.
Ich war beeindruckt, das machte wirklich schon beinahe den Eindruck des Magischen, offenbar hatten sie alles im Griff, an alles ist gedacht, was die Reise anbelangt. Das Ziel hingegen blieb komplex, geheimnisvoll, ungewiß. Es blieb eine Herausforderung, etwas zu verstehen und sich dann hier im besten Falle irgendwie anzusiedeln.
Interessiert fragte ich Ida weiter aus, schon von meinem Studium und meinem Beruf her interessierte mich natürlich, wie es zwischenzeitlich in der Physik gelaufen war. Ida gab bereitwillig Auskunft.
Anwendung fand seit längerer Zeit die An, was einst eine Abkürzung für die Allgemeine Näherung war. Über ein eichinvariantes Observablen-Komplex lassen sich die kritischen Parameter der An bestimmen und sie so an das Universum und den ganzen Rest anpassen. In den sogenannten Anwendungen wendet man vereinfachte Submodelle an, um die Welt zu beschreiben und gezielt zu prognostizieren, zu manipulieren, zu messen, um die Genauigkeit der Näherungen in den Submodellen zu prüfen, festzulegen, im Bedarfsfalle über Verbesserungen zutreffendere Modelle zu entwickeln, um genauere Näherungen und Beschreibungen zu erreichen. So viel hatte sich eigentlich gar nicht getan, man hatte inzwischen eben ein vereinheitlichtes Gesamtmodell, welches die übliche Materie, aber auch dunkle Materie und dunkle Energie gut beschrieb, es paßte alles zusammen und zu den Messungen. Die mir bekannte Relativistik, Quantenphysik, Standardmodell der Teilchenphysik, Stringtheorie, Supersymmetrien, auch die älteren Näherungen wie Elektrodynamik und Mechanik etc ergeben sich somit formal zwanglos als Näherungen der An unter Vernachlässigung diverser Details.
Die An hebt die Ambivalenz zwischen der Determiniertheit klassischer Modelle und der Allgemeinen Relativitätstheorie auf der einen Seite gegenüber der Undeterminiertheit der Quantenmodelle und dem Standardmodell auf der anderen Seite auf, vereint dies zum unscharfen Observablen-Komplex. Durch Transformationen lassen sich so verschiedene Bilder oder Interpretationen der An erstellen, die miteinander konsistent sind, die aber unterschiedlich nützlich sind, um daraus die Anwendungen abzuleiten.
So weit, so schön, die vielen Näherungen hatten natürlich ihren Sinn, denn wie schon zu meiner Zeit konnte man natürlich noch immer nicht ohne Näherungen und Vereinfachungen Modelle wirklich exakt rechnen. Trotz enormer Rechenleistung wäre niemandem ernsthaft eingefallen, ein etwas komplexeres Problem wirklich mit den Gleichungen der An durchzurechnen, was viel zu lange gedauert hätte. Das war schon zu meiner Zeit lange ein Problem der Theorie gewesen, prinzipiell hat man schöne abstrakte Modelle und Formeln, wenn man damit aber wirklich rechnen will, wird es allerdings sehr unhandlich. Bekanntlich ist ja schon das Vakuum in der Theoretischen Physik nicht trivial und ziemlich komplex. Ein Teilchen darin ist schon heftig, zwei lassen sich jedenfalls teilweise auf ein Einteilchenproblem in einem Potential reduzieren, bei mehr wird es sehr kniffelig.
Natürlich hatte man durchaus auch in der Praxis Fortschritte gemacht und die verfügbaren höheren Rechenleistungen nutzen können, aber es war dann eben letztlich immer noch ein Kampf, die notwendigen Genauigkeiten zu erhalten, nicht mehr ausreichend genaue Näherungen zurückzunehmen und sich in komplexer Numerik zu verlieren.
Daß nun auch die mir bekannten Modelle, sowohl die zu meiner Zeit aktuellen als auch die klassischen sich zwanglos aus der An als Näherungen ergeben sollten, war dann wohl eigentlich auch nur ein Euphemismus auf hinreichend abstrakter Ebene. Das wirklich in einem mathematischen Beweis vorrechnen zu können, ist nie wirklich passiert. Solche Detailprobleme gab es ja auch schon beim Übergang von klassischen Modellen zu Quantenmodellen. Prinzipiell war der Übergang plausibel, im Detail aber spannend bis rätselhaft, ein steter Quell philosophischer Betrachtungen über die Welt und wie unsere Modelle damit zusammenhängen, wieviel diese wirklich über unser Denken oder aber über die Welt selbst enthalten.
Die An und ihre genäherten Submodelle bieten natürlich viele Observablen und damit Möglichkeiten, ihre Gültigkeit zu prüfen und gegebenenfalls auch zu widerlegen, von daher war das natürlich schon ein hervorragendes Modell für alles, aber wie nicht anders zu erwarten eben nicht einfach.
Es gab insgesamt nur wenige Kompatible und Ais, die sich damit im Detail wirklich intensiv auseinandersetzten. Meistens reichte Expertenwissen in Teilbereichen der Submodelle, um in Produktion und Forschung Passables zu leisten.
Zu meiner Zeit etwa war ja über die Dunkle Materie nicht viel mehr bekannt, als daß sie offenbar gravitativ mit der bekannten Materie wechselwirkt, sonst aber nicht. Die An wußte über die Dunkle Materie zu berichten, daß diese eben statt der elektromagnetischen Wechselwirkung und der beiden Kernwechselwirkungen andere Wechselwirkungen habe, die aber zu weniger komplexen Strukturen führe als bei der bekannten Materie zu Sternen, Chemie, Biologie. Innerhalb von Galaxien führe zwar die Vermittlung der Gravitation auch zu Reibungseffekten bei der Dunklen Materie, da diese Kopplung aber natürlich relativ schwach ist, klumpt die Dunkle Materie deutlich weniger. Die ihr eigenen Wechselwirkungen führen dann eben zu den Verteilungen, die stimmig mit den Beobachtungen sind. Entsprechende Aussagen gab es über die Dunkle Energie, letztlich ähnlich der elektromagnetischen Strahlung eine Folge der Wechselwirkungen der Dunklen Materie. Unter hoher Dichte und Temperatur kann es Konversionen zwischen der normalen und der dunklen Materie geben. So hatte sich in der Frühzeit des Universums aufgrund von Symmetriebrechungen sowohl die Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie herausgebildet als auch die zwischen Materie und Dunkler Materie. Die nach wie vor bestehende Kopplung zwischen Dunkler Materie und Dunkler Energie und dem Gefüge der Raumzeit selbst führt zu der beobachteten Dynamik auch der Raumzeit.
Frühere Galaxien haben einen geringeren Anteil an Dunkler Materie. Aufgrund der Dunklen Energie nimmt die Dynamik der Expansion der Raumzeit zu. Das sind dynamische Änderungen des Universums aufgrund von Kopplungen der Raumzeit an die normalen Anteile des Universums und die dunklen Anteile und aufgrund der Kopplung dieser untereinander, was auch in sehr schwacher Weise über gravitative Kopplungen hinausgeht, die Dunklen Wechselwirkungen sind also nicht komplett getrennt von den Elektrokernwechselwirkungen, aber doch so schwach, daß die Beobachtung extrem aufwendig ist und hohe Dichten und Temperaturen benötigt.
Es interessierte mich dann natürlich auch gleich, wie man die Geschichte mit dem Urknall heute mit der An sähe. Auch hier gab Ida gerne Auskunft. Im Grunde sei die Urknall-Theorie nur ein letztes Aufbäumen religiöser Weltbilder gewesen. Im Rahmen der An habe sich schnell angedeutet, daß man eigentlich nicht von einem regelrechten Anfang sprechen könne. Schon zu meiner Zeit seien die Hinweise darauf eigentlich ziemlich dünn gewesen. Man kann ja immer nur einen kleinen Ausschnitt des Universums und seiner Raumzeit sehen. Offenbar ist ja eine Expansion der Raumzeit auch eine Änderung der Dynamik. Das sind aber einfach Zustandsänderungen des Universums, welches man selbst einschließlich der Raumzeit als komplexes Quantenobjekt sehen muß, bei welchem Übergänge zwischen verschiedenen Niveaus oder Zuständen möglich sind. In dieser Anfangsphase ist das Universum in einem hochangeregten Zustand gewesen, wechselte dann aber in einen anderen Zustand. In ferner Zukunft wird ein abermaliger Wechsel erfolgen, Anzeichen für den Übergang sind bereits in der Dynamik der Raumzeit meßbar.
Auch zum Zusammenhang mit Schwarzen Löchern erläuterte Ida ein paar Sachen. So stimmt es einfach nicht, daß Schwarze Löcher wirklich eine Singularität beherbergen. Im Rahmen der klassischen Relativistik kann man mit der Hypothese aber trotzdem prima rechnen. Durch die Kompression der Materie und auch Dunkler Materie wird darin allerdings wieder ein Zustand hoher Dichte und Temperatur erreicht, zudem noch in einer für uns extrem fremdartigen Konfiguration der Raumzeit. Darin kommt es durchaus zu Prozessen, die denen ähnlich sind, die es in der Frühphase des Universums gegeben hat. Aus dem vieldimensionalen Raum-Zeit-Materie-Energiekomplex entwickelt sich dann etwas neues, was als eine Art Mikrouniversum bezeichnet werden kann, ein von unserem Universum getrenntes Objekt, welches in unserem Universum primär noch gravitativ wirkt, prinzipiell aber bei nicht ausreichender Größe auch wieder in endlicher Zeit verdampfen kann. Ob unser Universum selbst eine solche Einkapselung in einem anderen, viel größeren Raum-Zeit-Materie-Energiekomplex ist, ist nicht eindeutig mit Messungen zu belegen, das sind dann letztlich nur noch Geschichten, die lediglich plausibel erscheinen, weil sie konsistent mit der ansonsten stimmigen An sind. Derartige Raum-Zeit-Materie-Energiekomplexe oszillieren allerdings eher zwischen verschiedenen Zuständen, als wirklich im Sinne ihrer eigenen Zeit einen direkten Anfang zu haben. So kann man auch bei unserem Universum nicht wirklich von Anfang oder Ende reden. Es gibt eben Übergänge zwischen Zuständen. Bei großen Zustandsänderungen ändert sich der gesamte Raum-Zeit-Materie-Energiekomplex und was wir unter Zeit, Raum, Materie und Energie verstehen, wird zu einem komplett neuen Gemisch mit im Detail eigenen Regeln gemischt. Einerseits entsteht etwas komplett Neues mit einem Anfang, der jedenfalls innerhalb dieses Komplexes so interpretiert werden kann, andererseits gibt es immer gewisse Erhaltungssätze, die das Gesamtsystem bei Verwendung geeigneter Observablen als invariant erscheinen lassen. Die Manifestation eines bestimmten Zustandes als Universum unterliegt also immer weitreichenderen, abstrakteren Erhaltungssätzen.
Dabei muß nicht notwendig ein Universum entstehen, in welchem biologisches Leben möglich ist, vielfach wird das nicht der Fall sein, manchmal wird nach anderen Regeln vielleicht eine andere Art von Leben entstehen können.
Bislang war man allenfalls in Ansätzen dazu gekommen, andere Möglichkeiten länger und detaillierter durchzurechnen, denn man ahnt es schon – das ist zu komplex für aktuelle Rechenleistungen. Grob vereinfachte Modelle hatte man natürlich reichlich gerechnet und sich so einen groben Überblick verschafft, der aber natürlich nicht mit etwas Meßbarem verknüpft ist, von daher auch nicht wirklich prüfbar, damit also mehr ein kurzweiliges Vergnügen als fundierte physikalische Forschung.
Als mir Ida schon etwas mehr über das hiesige Sonnensystem erzählen wollte, meldete sich Körk wieder. Körk bat mich dringend, in meinen Schutzraum zurückzukehren. Er hatte etwas überraschende Probleme draußen ausgemacht. Idas Roboter geleitete mich zügig zurück und Ida erläuterte mir, während ich schon auf der bettartigen Bahre lag, daß diese mich umschließen werde und stärkere Beschleunigungen abfangen würde. Ich fürchtete schon so halbwegs, sie würden mich wieder konservieren, Ida versicherte mir aber, daß dies zwar ähnliche Funktionen wie die Konservierung habe, ich aber durchaus bei Bewußtsein bliebe, sofern jedenfalls der Notfall nicht wirklich arg werde. Die Primärfunktion sei, starke Kurzzeitbeschleunigungen abzudämpfen. Bei einem Notfall würden wie Subsysteme automatisch Maßnahmen durchführen, um mich möglichst vor weiteren physischen und auch psychischen Schäden, übermäßigem Streß zu bewahren. Im Rahmen unserer Verabredung informiere sie mich nun darüber, daß das System mir durchaus in guter Absicht Mittel verabreichen könnte, um meinen Zustand zu sichern. Ich nickte und war notgedrungen einverstanden.
Während sich der Roboter bereits wieder zurückgezogen hatte, erläuterte mir Körk, daß wir am Rande des Sonnensystems einen Schwarm von Partikeln und Brocken durchfliegen würden. Dies Material könnten wir zwar gleich in mehrfacher Hinsicht gut gebrauchen, die Sensoren hätten aber auch größere Brocken ausgemacht, die zunächst noch gut handhabbar für die Absorber erschienen. Es sah zunächst nach hauptsächlich einer lockeren Mischung aus Wassereis, Ammoniak, zusammengebackenem Gestein und Staub aus. Nun sei allerdings eine etwas genauere Analyse von Bahndaten einiger Brocken relativ zueinander durchgerechnet, was zusätzlich auf größere, massive Brocken höherer Dichte hindeute. Die Trajektorien der sich teils umeinander drehenden Objekte seien nicht so präzise vorherzusagen, für ein wirksames Ausweichen im Rahmen unserer Möglichkeiten sei es allerdings zu spät. Wenn uns wohl auch ziemlich sicher der größte Brocken verfehlen würde, müßten wir schon damit rechnen, daß kleinere Brocken beim Aufschlag auf die Absorber ordentliche Stöße und Beschleunigungen verursachen würden, die auch bis ins Raumschiff nicht auf ein ganz harmloses Maß gedämpft werden könnten, daher die Vorsichtsmaßnahme, mich zu sichern, um etwa Verletzungen bei Stürzen, durch zu starke Beschleunigung oder durch umherfliegende Ausrüstung im sonstigen Raumschiff gleich zu vermeiden. Körk und Hildegard würden verschiedene Absorber steuern, um das Raumschiff und seinen Inhalt vor direkten Treffern zu schützen. Ida überwachte einen Schwarm von Mikrorobotern, die eventuelle Schäden am Raumschiff zeitnah abdichten und beheben würden. Das hörte sich für mich jedenfalls in Ordnung und plausibel an, aber auch deutlich beunruhigend. Körk wirkte natürlich so ruhig und gleichmütig, wie das Ida auch immer war. Für die Ais schien das alles eine Aktion zu sein, welche sie ruhig und konzentriert und ohne Emotion abarbeiteten. Vielleicht kannten sie auch gar keine Angst, keine wirkliche Aufregung. Oder sie konnten die Situation schlicht besser einschätzen und waren schon deshalb locker und entschlossen am Werk.
Offenbar zu meiner Unterhaltung, Ablenkung oder auch Beruhigung gab es dann in meiner Kabine schon wieder klassische Musik und auch diese abstrakten Mandalas an der Wand. Ich fühlte mich da schon ein wenig verschaukelt. Aber in der Situation hatte ich auch keine Lust, dazu einen ironischen Kommentar abzulassen. Später vielleicht einmal. Nun biß ich erst einmal die Zähne zusammen.
Das Erlebnis meiner Absicherung war dann aber doch unheimlich und beklemmend. Ich sank förmlich in die Bahre ein, wobei mich Material zügig ganz umgab, sich lediglich vor Mund und Nase etwas zur Beatmung ausformte. Ich schwebte dann in einer undefinierbaren Suppe, die zäher als Honig war, nicht komplett dunkel, aber auch nicht durchsichtig. Die Seitenwände waren nur unscharf, diffus zu erahnen. Ida wies mich darauf hin, die Arme besser eng am Körper zu halten, die Seitenwände nicht zu berühren und mich locker zu halten und einfach frei in der Suppe zu schweben, ich würde da automatisch auf Position gehalten, würde bei Stößen in der Suppe stark gedämpft nachschwingen. Die Suppe dämpfte auch wohl das Gehör. Idas Stimme klang jedenfalls schnell dumpf und leise, wobei sie erst noch nachsteuerte, sich dann aber einstweilen verabschiedete und mir als letztes Mut und Vertrauen zusprach. Ich versuchte irgendwie, mich zusammenzureißen, obwohl so ohne weitere Informationen über das Geschehen alles noch gruseliger wirkte. Ich war dem hilflos ausgeliefert.
Trotz der Dämpfung ruckelte es einige Male leicht, dann gab es einen kräftigeren Schlag, welcher mein sargartiges Behältnis merklich relativ zu mir bewegte, also offenbar auch das gesamte Raumschiff. Es gab noch einen heftigeren Schlag, die Suppe dämpfte die Bewegungen aber ausreichend, so daß ich zwar nahe an eine Wand kam, aber nicht dagegenknallte, ich driftete jeweils wieder ungefähr in die Mitte der Suppe. Offenbar war diese weitaus komplexer aufgebaut als Suppe oder Honig. Die Trübung wird vielleicht durch kompressible Einlagerungen verursacht, welche anders als normale Flüssigkeiten wie Wasser Druckschwankungen stark dämpfen können, somit also auch insbesondere starke Beschleunigungen von Objekten in der Suppe.
Und dann wurde es schummrig.
Das war wohl der Notfall, bei dem mir Mittel verabreicht wurden?
Ich fühlte mich irgendwie sehr ausgeliefert, entmündigt. Kaum wiedererweckt nahm man mich bereits wieder aus dem Rennen.
Sah es wirklich so schlimm um die Mission aus?
War sie gescheitert, ging es mit ihr nun noch schneller bergab als mit der Erde?
Hatten wir gar einen Volltreffer erhalten und alles flog auseinander?
Das Ende?
Ich bekam es nicht einmal hin, mich zusammenzukrampfen. Das Mittel ließ irgendwie die Sonne im Gemüt scheinen, alles fühlte sich leicht und unbeschwert an.
Was lag schon daran?
Was war schon dabei, wenn das ganze Raumschiff zerstört würde?
War der Tod, die Nichtexistenz nicht eigentlich ganz in Ordnung?
Warum sich sorgen, warum denken?
Und dann verlor ich das Bewußtsein in einer bunten, abstrakten Illusionen, die Gedanken spiralten in ein Mandala hinein und lösten sich ganz von selbst im Nirwana auf – Perfektion!
Was könnte passiert sein?
Kopfschmerz
Ich erwachte mit einem bösen Kopfschmerz.
Ich war extrem besorgt.
Immerhin mochte mir der Kopfschmerz verraten, das Kryo-Kevin mich nicht eingefroren hatte.
Jedenfalls wohl nicht mehr.
In Panik riß ich die Augen auf, richtete meinen Oberkörper auf!
Ein gewaltiger Schmerz blitzte durch meinen gesamten Körper, verfestigte sich aber im Kopf!
Blinzelnd schaute ich mich um.
Das war immer noch dasselbe Krankenzimmer wie zuvor. Spuren des nächtlichen Kampfes waren nicht mehr erkennbar. Was war passiert?
Erneut war ich frustriert, schon wieder so von den Ereignissen abgehängt zu sein, orientierungslos zu sein.
Es gefiel mir ganz und gar nicht, schon wieder ausgeliefert zu sein, das Opfer.
Kurz darauf stürmte auch schon Schwester Klara herein, offenbar alarmiert durch die extremen Werte von mir, die durch meine Verkabelung wohl bis in den Stationsraum gelangt sein mußten. Sie schaute ernst, wedelte aber irgendwie beschwichtigend mit den Armen, auch etwas hilflos, mitleidig. Sie bat mich, mich doch zu beruhigen, trat zu mir heran, bot an, mir zu helfen, mich wieder langsam hinzulegen. Die Hilfe nahm ich an und lag bald wieder halbwegs bequem. Die Explosion des Schmerzes hatte etwas nachgelassen. So fragte ich dann endlich nach: „Was ist eigentlich passiert?
Wie geht es Paula?
Und wie steht es um den Kryo-Kevin?
Treibt der sich noch hier irgendwo herum?“
Klara beruhigte, machte eine beschwichtigende Geste: „Paula geht es ganz gut. Sie hat nur ein paar blaue Flecke, eine Beule am Kopf, keine Gehirnerschütterung zum Glück. Dich hat es etwas ärger erwischt, du bist schon wieder etwa einen Tag weg gewesen. Du brauchst nun unbedingt Ruhe, also vermeidest du nun unbedingt körperlichen Aktivitäten. Der Kopf muß sich erholen.
Kryo-Kevin ist nach der Aktion geflohen, ist dann aber aufgegriffen worden. Das Krankenhaus bedauert den Vorfall sehr. Kryo-Kevin hat sich ganz offensichtlich heimlich reingeschlichen. Das ist uns allen sehr unangenehm. Aufgrund der Aussagen von Paula hat man ihn erst einmal unter Aufsicht gestellt, er hat auch etwas abbekommen, weil er bei der Aktion gestürzt ist, ist also auch noch unter ärztlicher Versorgung, allerdings jetzt nicht mehr in diesem Krankenhaus untergebracht.“
Ich war mir nicht so sicher, ob mich das beruhigen sollte, immerhin doch möglich, daß es ihm gelingen würde, sich wieder auf den Weg zu machen, um mich doch noch zu erhaschen und einzufrieren.
Klara grinste etwas bei diesem Gedankengang und murmelte etwas davon, daß man Kryo-Kevin derzeit in einer geschlossenen Einrichtung, Psychiatrie untergebracht habe. Allerdings nur vorläufig.
Sie ergänzte: „Der Polizist, den du ja schon kennst, will dich auch noch befragen, für den Bericht.“
Ich nickte.
Klara führte aus: „Er bat uns, ihn zu benachrichtigen, wenn du wieder wohlauf bist und bereit für eine Aussage.“ Ich erwiderte: „Naja, wohlauf ist irgendwie derzeit die falsche Beschreibung, aber wenn du mir noch etwas Zeit geben könntest, sage ich dir dann Bescheid, wenn du ihn anrufen kannst.“ Thorsten ist mir zwar angenehme Gesellschaft, aber ich wollte doch erst ein wenig zur Ruhe kommen.
Klara nickte verständnisvoll, brachte dann zu trinken und auch ein wenig zu essen. Das tat mir gut, war aber auch mühsam, denn aufrichten hätte wieder eine Belastung für den Kopf bedeutet und im Liegen zu trinken und zu essen ist nicht so lustig. Ich bemühte mich trotzdem tapfer und schaffte es irgendwie, ohne mich danach wirklich besser zu fühlen.
Später kam dann wieder Sabine vorbei, wir witzelten sogar etwas, ich solle das mal mit den sportlichen Aktivitäten lassen und es nun wirklich etwas ruhiger angehen lassen. Das Lachen bekam mir nicht so gut und Sabine entschuldigte sich, wollte sich nun zusammenreißen. Wir gingen kurz die Befunde durch, vorrangig würde ich aber wohl nur ein paar weitere Tage Ruhe brauchen, damit sich mein Kopf wirklich erholen könne.
Ich hatte eigentlich Bedenken, Sabine zu beichten, was ich da offenbar geträumt hatte, erzählte dann aber doch kurz von der Vision mit Ida und dem Raumschiff, welches ich ja dann offenbar kurz nach dem Unfall erlebt hatte.
Sabine wirkte nur kurz überrascht, sann etwas nach. Als ich dann aber auch noch erläuterte, welche Verknüpfungen ich zum abstrakten Bild an der Wand sah, auch zu verschiedenen anderen Details, meinte sie dann doch, das seien vermutlich unbewußte Verknüpfungen, ich hätte doch wohl mehr vom Unfall und dann dem Aufenthalt hier im Krankenhaus mitbekommen, als wir alle vermutet hätten.
Sie erläuterte: „Wir haben direkt nach dem Unfall auch eine Magnetresonanztomographie vom Kopf gemacht, um Details zu erfahren, aber das war schon so weit alles noch mit einer guten Prognose versehen, allenfalls partieller Gedächtnisverlust ist noch plausibel oder gar wahrscheinlich, auch wenn deine Vision darauf hindeutet, daß du dich vielleicht doch einmal an mehr erinnern wirst, da mußt du dir etwas Zeit lassen. Auch nach dem harten Aufschlag bei Kryo-Kevins Überfall bist du selbstverständlich noch einmal eingehend untersucht worden, auch wieder notgedrungen eine Magnetresonanztomographie des Kopfes, mit dem du leider hart aufgeschlagen warst. Das war ziemliches Pech bei der dämlichen Aktion von Kryo-Kevin. Zum Glück gab es aber keinen ärgeren Befund, so daß ein paar Tage Beobachtung und Ruhe das richtige Vorgehen sind. Wenn solche Visionen aber wiederkommen, öfter auftreten, solltest du das besser nicht verschweigen, dann muß das vielleicht doch behandelt oder aufgearbeitet werden.
Ich habe allerdings den Eindruck, du bist trotz der Beeinträchtigungen komplett im Hier und Jetzt, reaktionsfähig und eloquent in der Konversation, also keine Anzeichen für bleibende Schäden.“ Ich nickte vorsichtig und Sabine ermunterte mich dann auch, mit den Kollegen das Fachgespräch zu führen und diese um aufmerksame Beobachtung des Gesprächsverlaufes zu bitten, um einen Vergleich zu früheren Gesprächen, Hinweise auf Erinnerungslücken zusammen mit der Arbeit oder der fachlichen Ausbildung.
Sie faßte zusammen: „Wenn du dich da munter und normal unterhalten kannst, wenn es da über normale Vergeßlichkeit hinaus keine verblüffenden Defizite gibt, ist höchstwahrscheinlich nur dein Kurzzeitgedächtnis von der Amnesie betroffen. Deine Traumfragmente deuten aber darauf hin, daß dein Gehirn eifrig dabei ist, alles wieder in eine dir plausible Reihenfolge zu bringen. Natürlich solltest du da kritisch beobachten und nicht darauf vertrauen, daß die so gefundene Ordnung wirklich realistisch ist, aber du solltest auch nicht überkritisch sein und es zulassen, daß das Gehirn eine neue Ordnung findet. Solange du da zwischen dem Hier und Jetzt und gewissen überschwenglichen Phantastereien in Träumen zu unterscheiden weißt, ist das alles unproblematisch.“
Damit mußte ich wohl einstweilen zufrieden sein. Ich lächelte etwas gequält.
An den Aufnahmen des Tomographen hatte ich durchaus Interesse und Sabine ließ sich überreden, sie würde mir morgen etwas dazu mitbringen und auch kurz erklären.
Damit schien mein Fall weitgehend erledigt zu sein, Sabine tippte mir noch sachte und aufmunternd auf die Schulter und zog dann weiter zum nächsten Patienten.
Ich überlegte indessen, wie durchgeknallt ich wirklich war. Immerhin war die Erinnerung an Ida und die Kabine im Raumschiff schon sehr real, nicht bloß ein vages Traumgespinst. Es fühlte sich nicht so an, als sei es ein Traum gewesen, eine Illusion eines überlasteten Gehirn, das war sehr plastisch und stimmig gewesen.
Aber Sabine hatte wohl Recht, ich sollte das einerseits gelassen sehen, andererseits aber auch entspannt beobachten, ob sich das noch wiederholen würde oder nun wirklich erledigt wäre.
Klara verströmte dann wieder ihre ausgeglichene Fröhlichkeit und ich bat sie, Julia anzurufen und ihr mitzuteilen, daß ich wieder aufgewacht sei. Julia wollte mir ja ein paar Sachen vorbeibringen, was auch wirklich passiert war, allerdings berichtete Klara natürlich ihre Sorge, weil Julia mich schon wieder weggetreten angetroffen habe und dann auch erzählt bekommen hatte, was in der Nacht passiert war. Klara rief wirklich gleich an und richtete mir dann beste Wünsche aus dem Institut aus. Julia würde wohl später am Nachmittag vorbeikommen, vielleicht auch noch mit einem weiteren Kollegen, ob mir das zuviel sei?
Ich verneinte, nun schon beinahe routiniert ohne den Kopf zu bewegen. Sie sollten ruhig kommen, allzuviel zu tun hatte ich ja ohnehin nicht. Klara richtete es aus und ich freute mich schon auf den Besuch.
Immerhin trieb Klara dann noch ein Hilfsmittel auf, so konnten wir mein Notebook halbwegs bequem positionieren, daß ich es benutzen konnte, ohne mich zu verrenken oder den Kopf aus den Kissen erheben zu müssen. Ich konnte es aber auch problemlos beiseite schieben, wenn ich etwas anderes tun wollte. Erst einmal aber war ich fleißig am Rechner. Klara hatte sogar einen Anschluß an das LAN für Patienten organisiert, da man hier bei all den Geräten WLAN ohnehin nicht im Angebot hatte, auch Mobiltelephone waren in meiner Abteilung gar unerwünscht, obwohl das einige Leute ziemlich frustrierte, die von den Geräten sehr abhängig waren. Mich störte das weniger. So viel telephoniere ich ohnehin nicht und bei Bedarf kümmerte sich Klara ja. Diese versicherte dann auch, die Geräte seien natürlich längst gegen solche Störungen abgesichert, das Verbot hätten sie aber trotzdem hier immer noch. Und dann war sie auch schon wieder fleißig unterwegs, um das nächste Problem eines anderen Patienten zu lösen.
Die aktuellen Katastrophen in der Welt hatte ich bei meiner Situation nahezu komplett verdrängt. Dann aber fiel mir das doch wieder ein. Beunruhigt suchte ich dann im Netz nach Nachrichten, obwohl ich natürlich doch nichts hätte dran ändern können.
In Nordkorea schien aus den explodierten Raketen radioaktives Material entwichen zu sein. Es wurden verschiedene Meinungen darüber vertreten, ob da wirklich Kernspaltungsbomben explodiert seien oder nur bei der Explosion des Treibstoffes der Raketen radioaktives Material verteilt worden sei. Es gab auch verschiedene Meinungen darüber, warum die Raketen explodiert seien. Ziemlich vertrauenswürdigere Quellen mit keiner starken Affinität zu einer der beteiligten Seiten meinten, aufgrund der verfügbaren Daten herausgefunden zu haben, daß es wirklich Fehlfunktionen beim Start gegeben habe. In mindestens einem Fall habe es sich aber eindeutig um einen Abschuß gehandelt. Diese Quellen gingen auch von mindestens zwei Kernspaltungsexplosionen aus – oder jedenfalls von einer erheblichen Verteilung von radioaktiven Partikeln in der Atmosphäre. Aufgrund des lokalen Wetters ging man allerdings von regional deutlich begrenzten Gebieten aus. Aus der Region würde man natürlich von niemandem genaue Daten bekommen, vermutlich würde sogar Japan mauern, weil die immer noch genug mit ihrem eigenen Problem mit unbeabsichtigter Verteilung von radioaktiven Partikeln zu tun hatten, von daher nicht geradezu Hiobsbotschaften freiwillig unter das Volk bringen wollten. Allerdings war es auch noch zu früh, um in Japan signifikante Meßergebnisse zu bekommen.
Der Raketenvorrat war jedenfalls aufgebraucht, eine zahlenmäßig große Armee mit eher veralteter Ausrüstung wurde gegen Gegner ins Feld geschickt, die über neuere Technik verfügten, aufgrund der komplexen Beziehungen mit Nachbarländern aber eigentlich vorsichtig agieren sollten. Wegen des grenzdebilen amerikanischen Präsidenten war das aber eigentlich nicht der Fall, andere Kräfte mühten sich halbwegs erfolgreich, den Konflikt klein und lokal zu halten. Derzeit kochte der Krieg da allerdings eher lokal auf, als daß es gelungen wäre, etwas zu beruhigen. Immerhin schienen weder die Volksrepression China noch das russische Korruptistan zu erwägen, dem ehemaligen Bündnisgenossen im großen Stile beizustehen, dazu hatte dieser schon zu sehr nach allen Seiten provoziert und genervt. Dennoch wollte man natürlich unbedingt verhindern, daß die Amerikaner in dem Gebiet bis an die eigene Grenze heranrücken würden. Indessen war das kaum ernsthaft zu befürchten, denn es wurde immer klarer, daß da einige Gebiete verstrahlt und radioaktiv stärker belastet waren. Da wollte niemand wirklich sein und das nordkoreanische System stand ohnehin kurz vor dem Kollaps. Da drohte das Chaos und es war unklar, wie man sich arrangieren würde.
Auch das afrikanische Seuchendrama gärte weiter. Gigantische Flüchtlingswellen waren auf dem Weg, Hilfsorganisationen komplett überfordert, aufgelöst oder selbst nur noch aus erkrankten Mitarbeitern bestehend, das Chaos breitete sich hier bereits in atemberaubendem Tempo aus.
Überraschend schnell war auch die Entwicklung im internationalen Flugverkehr. Linienverkehr gab es praktisch nicht mehr, lediglich nur noch wenige Sonderflüge waren unterwegs. In einigen von der Seuche betroffenen Gebieten riskierte man es immerhin noch, Notrationen irgendwie abzuwerfen.
Natürlich deutlich zuwenig.
Da aber die Mortalitätsrate ziemlich hoch war, war abzusehen, daß da bald auch nur noch wenige Menschen auf Notrationen angewiesen waren.
Trotz der Maßnahmen wie Grenzschließungen breitete sich die Katastrophe immer weiter in Afrika aus. Viele Grenzen finden sich da ohnehin nur auf dem Papier und auf Weltkarten. Die Europäische Union hatte inzwischen im Mittelmeer erhebliche Mengen von Militär aufgefahren, um die Schließung der Außengrenzen gegenüber Flüchtlingen aus Afrika strikt durchzusetzen. Man drohte mittlerweile nicht mehr nur damit, unidentifizierte Boote zu versenken, die Schiffen oder gar der Küste zu nahekamen.
Einmal abgesehen von dem Grauen, vermutlich überhaupt nicht erkrankte Personen gnadenlos zu ermorden, schien es mir auch sicher zu sein, daß das nicht einmal lückenlos funktionieren konnte. Es wurden aus verschiedenen Ländern außerhalb Afrikas bereits vereinzelt Verdachtsfälle gemeldet, die Epidemie war aber einstweilen wohl noch nicht übergesprungen.
Aber wie lange konnte das schon dauern, trotz Grenzsperrungen?
Ich hatte erst einmal genug von alldem, suchte mich abzulenken, indem ich auf dem Rechner ein paar Spiele daddelte.
Dann erfreute mich Thorsten mit seinem Besuch. Er hatte auch gleich ein Notebook mit dabei und nahm meine Aussage über den Vorfall mit Kryo-Kevin auf. Das deckte sich dann gut mit den bisher verfügbaren Informationen. Im Vertrauen erklärte er mir dann, bei den medizinischen Untersuchungen sei wohl der dringende Verdacht aufgekommen, daß Kevin eventuell einen Dachschaden habe, natürlich irgendwie fachmännisch ausgedrückt, er haben den genauen und etwas sperrigen Ausdruck nicht behalten. Unterm Strich werde also vermutlich eine Weile vorsorglich zur Beobachtung und Entspannung in der geschlossenen Psychiatrie untergebracht. Die Untersuchungen würden aber noch laufen, immerhin habe Kevin Investoren angegeben, die Kontakte bestätigt hätten, man sei in Verhandlungen. Und er sei ja auch wirklich in der Forschung tätig, vermutlich derzeit nur psychisch stark unter Druck, auch wegen seines Kryo-Technik-Projektes, welches wohl kurz vor einer Evaluierung stehe, also auch vor der Frage, ob da noch weitere Mittel aus den bisherigen Quellen fließen würden. Da wäre es für Kevin natürlich schon sehr hilfreich, wenn er etwas Praktisches liefern könnte, was wirklich funktioniert, nicht nur Ratten mit leichten Frostschäden am Schwanz.
Nun, wir unterhielten uns jedenfalls noch eine Weile, Thorsten ließ sich gerne Zeit und mir gefiel das auch ganz gut, wir hatten eine kurzweilige Unterhaltung und verabredeten dann auch, in Kontakt zu bleiben. Thorsten wollte mich hier im Krankenhaus gerne weiter besuchen. Da ich wohl hoffen durfte, nach einer weiteren Erholungszeit alsbald, vielleicht schon ein paar Tage später entlassen zu werden, erwogen wir dann auch mal gemeinsame Unternehmungen in der Freizeit, loteten aus, was sich so für gemeinsame Interessen für Unternehmungen in der Öffentlichkeit boten, um eine angenehme Zeit zu haben. Er bot sogar an, mir das Reiten zu zeigen, wenn mit meinem Kopf wieder alles in Ordnung sei. Ich amüsierte mich nur still über die Doppeldeutigkeit des Angebotes, die ihm offenbar entgangen war. Das ließ sich jedenfalls wirklich ganz gut an, auch ohne Berücksichtigung der Ambiguität, die ich galant überging. Allerdings mußte Thorsten dann doch irgendwann los, immerhin hatte er ja noch Dienst und meine Aussage hatte er längst aufgenommen.
Dann kam auch schon bald Julia vorbei, die aus dem Institut grüßen ließ. Zudem hatte sie einige Fragen, weil ich ja nun doch schon ein paar Tage ausgefallen war. Entsprechend hatte ich dann einige Bitten, wo sie nach dem Rechten sehen sollte oder einer der anderen Kollegen, je nach Kenntnisstand. Julia machte sich gewissenhaft einige Notizen.
Damit waren wir aber eigentlich schnell durch, plauderten noch etwas, wobei wir dann auch schnell dabei waren, die aktuellen Ereignisse in der Welt zu diskutieren. Julia bedrückten beide Sachen ebenfalls. Etwas besorgt berichtete sie nun auch, daß im Krankenhaus offenbar etwas im Gange sei. Irgendetwas werde vorbereitet. Besser also, ich würde mich schnell erholen, nur falls die hier eine Quarantäne einrichten würden und Verdachtsfälle aufnehmen müßten. Das konnte ich nachvollziehen, trotz detaillierter Kenntnisse über die Übertragungswege von Krankheiten hatten Krankenhäuser ja immer wieder Probleme etwa mit multiresistenten Keimen und allgemeinen Hygienemängeln, die natürlich besonders dort durchschlagen, wo von bereits kranken Patienten besonders üble Erreger ausgehen und auf geschwächte andere Patienten treffen können, wenn etwas schiefgeht. Und man weiß natürlich, wie schnell etwas schiefgeht, gerade wenn es drauf ankommt. Dem wollte ich auch sehr gerne aus dem Wege gehen und vorher hier raus. Leider hatte Kryo-Kevin diesem Vorhaben ja einen ordentlichen Rückschlag verpaßt, da konnte ich ihm also gleich doppelt dankbar sein, hier die nächsten Tage noch verweilen zu dürfen.
Wir schauten Nachrichten im Fernsehen, die Korea-Krise war immer noch sehr präsent, die Angelegenheit mit der afrikanischen Epidemie schlug nun aber schon stärker durch. Irgendwie schienen auch die Chinesen Probleme zu haben, was letztlich nicht so überraschend war, denn die hatten sich ja zunehmend auch wirtschaftlich auch in ärmeren Regionen Afrikas engagiert, durchaus auch in der Gegend, wo man den Ursprung der Epidemie vermutete.
Vielleicht hatten sich da Leute abgesetzt, kurz bevor die Seuche publik wurde und Reisebeschränkungen und Quarantäne konsequent durchgesetzt wurden. Durch die Globalisierung ist die Welt eben ein Dorf geworden. Und da ist eine Krankheit eben schnell durch von einem Ende des Dorfes zum anderen.
Vielleicht sorgten die Probleme mit der aufkommenden Epidemie dafür, daß der Konflikt in Korea ein lokaler blieb und nur in dem Umfange weiterging. Jedenfalls hofften wir stark darauf, daß das nicht weltweit eskalierte und irgendwelche weiteren funktionsfähigen Raketen versehentlich gezündet wurden oder im Übereifer oder aus einem Mißverständnis heraus.
Auch aus einigen anderen Ländern außerhalb von Afrika gab es nun zunehmend Berichte über Verdachtsfälle und massive Vorbereitungen auf einen Katastrophenfall, Einrichtungen von Quarantäne-Zonen.
Man berichtete auch über einstweilen noch nicht erfolgreiche Forschungsaktivitäten an Universitäten und bei den Medizinkonzernen, um den Erreger zu verstehen, ein Gegenmittel zu entwickeln, Impfmittel, was immer helfen mochte.
Einerseits schien das plausibel, andererseits verblüffend, bereits wenige Tage nach dem allgemeinen Bekanntwerden der Epidemie schon auf so viele Experten zu treffen, die bereits sehr fleißig bei der Arbeit schienen.
Wußten die schon etwas, bevor das in den Nachrichten aufkam?
Hatte man sie bereits vorher informiert, aber die Öffentlichkeit nicht?
Oder hatte das noch andere Gründe und man wußte längst mehr über die Erreger?
Kurz vor ihrem Feierabend kam Klara noch einmal herein und wir fragten sie nach den Aktivitäten im Krankenhaus. Sie druckste etwas herum, wirkte selbst verunsichert, man würde eine Quarantänestation vorbereiten, rein aus Vorsorge, bislang habe man keine Verdachtsfälle in der Stadt. Ich würde vermutlich morgen auf eine andere Station verlegt werden. Mehr konnte oder wollte sie nicht sagen.
Paula brachte dann später das Abendessen. Sie hatte ein Pflaster am Kopf und zeigte von dem Gerangel mit dem Kryo-Kevin stolz grinsend ein paar mittlerweile schon recht bunte Flecken vor. Ihr ging es aber gut. Allerdings war auch sie wegen der Quarantänestation beunruhigt. Es stand aber wohl noch nicht fest, wie das Personal eingeteilt würde, wenn es so weit käme. In der Übergabebesprechung hatte man ihnen allerdings wohl mitgeteilt, daß wirklich diese Abteilung zur Quarantänestation werden würde. Die Verlegung der aktuellen Patienten wurde bereits geplant. Für mich hatte sie aber noch keinen genauen Zeitplan, vermutete aber, daß morgen die ersten Patienten verlegt würden, auch weil man sie nicht unnötig mit den Vorbereitungen für die Quarantäne beunruhigen wolle.
Ich war schon etwas beunruhigt. Nachdem Paula weitergezogen war, spekulierte ich mit Julia noch etwas. Eigentlich wollte ich hier gerne zügig raus, bevor es in der Stadt doch noch Verdachtsmomente gab. Ein Krankenhaus ist trotz aller Hygienemaßnahmen nicht unbedingt der ideale Aufenthaltsort, falls es wirklich zu einer Epidemie kommen sollte. Julia zeigte sich immerhin tapfer und ging erst, nachdem das Geschirr für das Abendessen bereits wieder abgeräumt war.
Im Krankenhaus selbst verlief der Abend dann relativ ruhig. Ich schaute Nachrichten und gruselte mich, daddelte auch noch etwas auf dem Rechner. Später handelte ich mit Paula doch noch eine Schlaftablette aus. Eigentlich liegt mir das gar nicht, aber ich war irgendwie doch zu aufgedreht, um ohne gut schlafen zu können. Trotz der Tablette lag ich dann noch eine ganze Weile wach, probierte es dann noch mit einer Entspannungs- und Atemübung, einer selbst ausgedachten Phantasiereise, was mir dann endlich dazu verhalf, friedlich wegzudämmern.
Ein Besuch von Kryo-Kevin blieb uns diese Nacht offenbar erspart, so erwachte ich den nächsten Morgen dann tatsächlich einmal in besserem Zustand als am Tag zuvor. Ich konnte mich wieder besser, trotzdem aber vorsichtig bewegen, so ging dann auch die Krankenhausroutine des Morgens gleich viel besser über die Bühne.
Wirklich kam dann auch Sabine mit Material von der Tomographie vorbei. Sie war wohl von dem Vorhandensein meines Rechners unterrichtet und beschränkte sich dann nach der allgemeinen Visite darauf, mir einige aufbereitete Aufnahmen samt eines kleinen Videos zu überlassen, welches wir kurz durchsahen, wobei sie Wesentliches erläuterte.
Wegen des wortwörtlichen Rückschlags durch den Kryo-Kevin sollte ich unbedingt noch ein paar Tage hier unter Beobachtung bleiben, das Schlimmste hätte ich aber doch wohl überstanden, der Zusammenstoß mit dem Kleintransporter sei ärger gewesen als der Aufschlag nach Kevins Stoß, wobei letzterer aber dann eben leider auf einen ohnehin etwas angegriffenen Körper getroffen sei, weswegen wir vorsichtig sein müßten. Ich wäre gerne schneller raus gewesen, sah aber ein, daß ich wohl noch ein paar Tage würde bleiben müssen, entsprechend war ich dann schon etwas sauer auf Kryo-Kevin.
Da Sabine es natürlich eilig hatte, war sie aber schnell wieder weg. Ich schaute mir noch eine Weile neugierig selbst in den Kopf, beziehungsweise die Aufzeichnung davon. Das war schon interessant, aber auch nicht so drängend, daß ich nicht bald wieder gedaddelt hätte.
Ich hatte auch digitale Bücher auf dem Rechner und probierte es dann auch damit. Dank der nützlichen Halterung konnte ich wirklich recht entspannt lesen. Zwischendurch machte ich immer einmal wieder Pausen, Atemübungen, Entspanungsübungen.
Dann kam der Umzug in eine andere Abteilung. Diese wurde wohl wirklich komplett in eine Quarantänezone verwandelt. Klara zog allerdings einstweilen mit um, ihre fröhliche, ruhige Art blieb mir also erhalten. Auf den Fluren sah ich dann geschäftiges Treiben, allerlei Ausrüstung, um die Abteilung abzudichten. Klara meinte unterwegs, prinzipiell sei der Bereich des Krankenhauses dafür schon ausgerüstet und gut vom Rest separiert, wir müßten uns also keine Sorgen machen, selbst wenn Verdachtsfälle hereinkämen. Bislang gäbe es noch keine in der Stadt. Ohnehin sei die Medizinische Hochschule noch besser ausgerüstet, die ersten Fälle würden sowieso dort untergebracht und behandelt werden, sie seien hier nur Reserve, falls wirklich ein größeres Ereignis eintreten sollte. Die aktuellen Aktivitäten seien auch notwendig, wenn direkt jemand hier ins Krankenhaus mit Symptomen komme. So seien sie gleich mit der kleinen Abteilung gut vorbereitet, um die Sicherheit der anderen Patienten und des Personals zu gewährleisten. So in der Theorie hörte sich das wirklich prima an, ganz beruhigt war ich aber dennoch nicht. Ich dachte mir schon, besser wäre es doch, bald das Krankenhaus verlassen zu dürfen.
Ich kam dann auf ein Doppelzimmer mit Petra, die einen tragischen Zwischenfall mit ihrem gewalttätigen Mann hinter sich hatte. Auch hier fand sich wieder ein dekoratives, abstraktes Bild an der Wand, welches mich wieder kurz an die Ausstattung meiner Kabine auf der Mission ESM4 erinnerte. Ich bremste meinen Gedankengang, das war ja nicht real, nur ein Hirngespinst.
Ich widmete meine Aufmerksamkeit schnell Petra und ihrer Geschichte, auch um mich von eigenen Gedanken abzulenken. Man behandelte bei ihr einen gebrochenen Arm, einige Prellungen und es gab auch eine Gehirnerschütterung, weswegen man auch gerne ein paar Tage beobachten wollte. Hinsichtlich des Kopfes hatte es Petra nicht so arg erwischt wie mich, ansonsten war sie nicht zu beneiden. Ihr Typ hatte hier nach der Aktion erst einmal Hausverbot, was wohl kein größeres Problem war, denn er hing sowieso mehr an der Flasche als an seiner Frau, insofern hatte es Petra deutlich schlechter als ich erwischt.
Wir plauderten ganz munter und hatten so beide gute Ablenkung. Obwohl wir ja einen ganz anderen Alltag hatten, kamen wir ganz gut klar, verstanden uns ganz gut. Ich dachte mir ziemlich schnell, daß Petra viel zu gutmütig, friedfertig und harmlos für ihren Typen ist. Petra war aber so drin in ihrem Tretrad, daß es schon schwer war, sie auf andere Gedanken zu bringen, geschweige denn auf neue Ideen, wie sie ihrem Elend entfliehen konnte. Da hätte ich ihr schon gerne geholfen. Vorsichtig sondierte und stocherte ich etwas nach, um etwas mehr über ihr soziales Umfeld zu erfahren. Immerhin war sie einstweilen dem Einfluß ihres Typen entzogen, so blühte sie trotz der Verletzungen fast schon auf.
Julia fand mich heute auch im neuen Zimmer schnell wieder, hatte diesmal auch wieder Harald mit dabei. So folgte ich Sabines Idee, versuchte es dann auch mit Fachgesprächen, was aktuell so los war, wie die Arbeit voranging. Dabei bat ich die beiden dann wirklich, ein wenig darauf zu achten, ob bei mir Lücken oder Auffälligkeiten zu bemerken seien, die ich dann mit meiner Ärztin diskutieren müßte. Die beiden ließen sich gerne darauf ein und wie absolvierten eher spielerisch und in lockerer Unterhaltung ein kleines Programm.
Für Petra war das nicht geeignet, so schalteten wir dann irgendwann um und bezogen sie mit ein, ich erläuterte dann möglichst einfach, was wir mit unseren Forschungsprojekten so trieben. Zufrieden stellte ich fest, daß ich da keine Macken oder Lücken hatte, es ging alles flüssig von den Lippen, wenn es auch immer schwierig ist, Leuten ohne passendes Studium die doch sehr spezielle Forschung gut zu erklären. Immerhin, auch Julia und Harald war nichts bei meinem Verhalten, meinen Gesprächbeiträgen oder auch Erklärungen aufgefallen, so stellten wir dann letztlich heiter scherzend fest, daß bei mir offenbar noch alle Tassen ungefähr in dem Zustand im Schrank waren, wie sie es vor dem Unfall gewesen waren, ich hatte das offenbar wieder ganz gut einsortiert und angeordnet. Auch das war für den Tag ein gutes Ergebnis, welches mich auf mich persönlich bezogen schon sehr beruhigte. So schlecht lief es also gar nicht.
Nachdem sich die beiden verabschiedet hatten und auch das Abendessen schon serviert wurde, schaute Thorsten noch kurz vorbei. Auch ihn bewegte Petras Schicksal sehr. Obwohl ich das nicht für so zielführend hielt, bemühte er sich dann doch um Rat, was dann bei Petra aber nur offenbarte, was ich mir schon gedacht hatte, sie war noch nicht so weit, noch nicht offen, sich auf die Idee einzulassen, sich von ihrem Peiniger zu befreien. So lenkte ich das Gespräch dann mehr oder weniger wieder geschickt um, sehr zur Erleichterung von Petra und so plauderten wir dann doch noch eine Weile munter weiter über weniger heikle Themen, was sogar auch Petras Stimmung wieder deutlich hob.
Zum Ende der Besuchszeit verabschiedete sich Thorsten dann für diesen Tag. Mit etwas mulmigem Gefühl akzeptierte ich dann Petras Vorschlag, den Fernseher anzuschalten. Wie erwartet zog uns das dann wieder runter. Es gab wenige Bilder, aber dramatische Berichte von der Korea-Krise. Die nordkoreanische Armee hatte ja zwar Südkorea angegriffen, war aber an der technisch besseren Ausstattung bald kläglich gescheitert und wurde zurückgedrängt. Auch wohl weil man Südkorea und Amerika das Land nicht überlassen wollte, beteiligten sich notgedrungen auch das russische Korruptistan und die chinesische Volksrepression an der Besetzung des Landes. Man hatte irgendwie schon Besatzungszonen eingeteilt, bevor noch Nordkorea komplett im Chaos versunken aufgegeben hatte, beziehungsweise es gab da etliche Militäreinheiten, die sich offenbar lieber aufreiben ließen, als sich zu ergeben. Insbesondere jene, die sich gar in die verstrahlten Gebiete zurückgezogen hatten, waren aber schnell kampfunfähig. Aufgrund des Zusammenbruchs der Versorgung holten andere Einheiten aber auch nicht mehr viel raus. Immerhin war die Krise nicht eskaliert. Nun gab es aber bereits erste Bilder von Drohnen von verschiedenen Gebieten, grauenhaft trotz der Unschärfe der Bilder.
Hinsichtlich der afrikanischen Seuche war die Lage sicherlich nicht im Griff. Man hatte aber immerhin erste Schnelltests entwickelt, es dauerte nun nur noch Stunden, um einen Verdachtsfall zu überprüfen. Indessen hatte man noch Mühe, die erforderlichen Mengen an Tests so schnell zu produzieren.
Es gab erste Fälle außerhalb von Afrika, aus verschiedenen Gründen. In China gab es bereits eine restriktive Sperrzone um eine ganze Großstadt, weitere um kleinere Gebiete. In ein paar anderen Ländern gab es Einzelfälle unter strenger Quarantäne. Das hörte sich gar nicht gut an.
Wir hatten einstweilen Glück, bislang kein Befund in unserem Land. Trotzdem ging es uns gar nicht gut bei den Nachrichten und mit unserem aktuellen Aufenthalt im Krankenhaus, gar nicht so weit weg von der einstweilen noch leeren Quarantäneabteilung.
Die Abendschicht der Krankenschwestern teilte uns auf Nachfrage mit, das Krankenhaus sei gut gerüstet, die Quarantäne ab morgen zum Mittag komplett einsatzbereit, bei auftretenden Verdachtsfällen seien sie das auch sofort. Wir bräuchten uns also keine Sorgen zu machen, alles sicher, alles im Griff. Ich hatte da gewisse Zweifel, sagte dazu aber nichts weiter, denn Petra schien die Pille immerhin geschluckt zu haben und wirkte etwas beruhigt durch die Worte der Krankenschwester.
Wir fanden dann im Programm immerhin noch einen Film, der uns beide ablenkte. So überstanden wir auch den Abend ganz gut. Da es ruhig blieb, hatte ich dann auch keine Probleme mit dem Einschlafen. Auch das war wohl ein ganz gutes Zeichen.
Am Morgen konnte ich wirklich eine deutliche Besserung ausmachen. Kopfschmerzen hatte ich nun nicht mehr, lediglich schnelle Bewegungen des Kopfes mußte ich noch vermeiden. So konnte ich es wohl wagen, mich nicht nur aufzurichten, sondern auch ein wenig mehr zu gehen, mich langsam und gleichmäßig zu bewegen. Sabine war dann auch sehr erfreut über meine Fortschritte und ich brachte das Gespräch mal vorsichtig in Richtung Entlassung. Sabine wäre weitere Beobachtung lieber gewesen, aber ich wollte aufgrund der aktuelle Lage auch nicht unbedingt länger lästigfallen als unbedingt notwendig, was sie immerhin nachvollziehen konnte. Auch aufgrund der Quarantänestation und der sich weiter ausbreitenden Epidemie gab es eine deutlich bemerkbare Unruhe im Krankenhaus. Chaos oder Panik wollte man hier sicher nicht, wenn Verdachtsfälle ankommen sollten. Sabine meinte dann, ich sollte den heutigen Tag unbedingt noch für Schonung einplanen, aber auch Hilfe für später organisieren, wenn ich wirklich heim wollte. Ich bräuchte schon so ein oder zwei Personen, denn ich sollte mich schon noch einige Tage schonen, in der Wohnung bleiben und meinem Kopf unnötige Belastungen ersparen. So versprach ich dann, mich zu kümmern, auf Julia, Harald, ein oder zwei weitere Kollegen, vielleicht auch auf Thorsten würde ich mich schon verlassen können. Denen würde ich schon zumuten können, mal etwas einzukaufen oder sonstige kleinere Angelegenheiten zu erledigen. Von Zuhause aus konnte ich dann ohnehin bereits wieder besser auf meine Forschung im Institut zugreifen als hier, aber auch das würde ich langsam angehen lassen, wie ich auch bislang konsequent darauf verzichtet hatte, mich mit meinem Rechner im Institut aufzuschalten. Ich setzte eben derzeit konsequent auf Entspannung und Erholung, wenn schon krank, dann nicht doch nebenbei arbeiten.
So könnte es also funktionieren und wir einigten uns darauf, morgen zu entscheiden, ob ich gehen dürfe oder doch noch bleiben müsse.
Petra war hin- und hergerissen. In ihrem Zustand konnte sie problemlos noch bleiben und die hiesige Ruhe ohne ihren Typen genießen. Andererseits lag auch ihr daran, hier nicht länger als notwendig lästigzufallen und niemandem im Weg stehen oder liegen zu wollen, falls hier Leute mit Symptomen der Epidemie eingeliefert würden.
Auch hier bestand Sabine auf noch mindestens einen Tag Ruhe.
So hatten wir quasi strenges Entspannungsprogramm für heute verordnet bekommen und mieden es daher auch möglichst, Nachrichten zu sehen oder zu hören.
Nach dem Mittag begann ich dann zu organisieren, konnte Julia sehr leicht dafür gewinnen, mir die nächsten Tage ein wenig zu helfen, falls ich den nächsten Tag wirklich entlassen würde. Sie hörte sich im Institut um, fand neben Harald auch noch drei weitere Kollegen, die im Bedarfsfalle auf Anruf einspringen würden. Auch Thorsten erreichte ich, der wirklich rührend war. Gerne hätte er sich sogar für mich ein paar Tage freigenommen, allerdings war derzeit nicht nur die Polizei und das Krankenhaus in erhöhte Bereitschaft gesetzt, so daß er nur zusagen konnte, täglich vorbeizuschauen, bevorzugt nach Dienstschluß, ob bei mir alles in Ordnung sei. Ich zog ihm dann aus der Nase, was er eigentlich gar nicht wirklich verraten wollte. In der Tat traf die Polizei längst Vorbereitungen, falls es aufgrund der Epidemie auch hier im Lande zu Zwischenfällen kommen sollte. Längst waren Krisenstäbe umtriebig und organisierten möglichst unauffällig die hier noch nicht eingetretene Krise. Natürlich wollten sie unbedingt die Kontrolle behalten, aber ging das denn wirklich bei einer derart unkontrollierbaren globalen Katastrophe?
Julia kam dann irgendwann nachmittags vorbei und berichtete aus dem Institut, hielt mich in der Hinsicht auf dem Laufenden. Vorbereitungen wie Einkäufe wollte ich noch vertagen, das würde auch reichen, wenn ich schon wieder in meiner Wohnung wäre, wo Julia ohnehin schon für die Blumen gesorgt hatte und auch sonst den Überblick behielt. Julia hatte sich wirklich als große Hilfe erwiesen. Schon im Institut kamen wir gut miteinander klar, erst jetzt aber plauderten wir auch etwas über uns, unser Privatleben, sofern das überhaupt vorhanden war, im Grunde hatten wir ja fast immer zu tun. Diese Situation war nun schon speziell und wir nutzten das, um unsere vorherige eher implizite Kameradschaft zu einer expliziten Freundschaft auszubauen.
Später kam dann auch noch Thorsten hinzu, der sich die Zeit irgendwie vom Bereitschaftsdienst abgeknapst hatte. Man war nervös bei der Polizei, in der Verwaltung, man erwartete förmlich schon, daß auch hier irgendwo im Lande etwas passieren würde, früher oder später wohl mußte, ja wenn nicht zuvor etwas gefunden wurde, was die Epidemie eindämmen konnte, die Bevölkerung schützen. Neben den Schnelltests wußte er aber von keinen weiteren Fortschritten, in der Hinsicht offenbar keine Transporte hinter den Kulissen für den Fall einer Katastrophe. Andere Dinge gingen schon vor, aber detaillierte Einblicke hatte er da auch nicht, wie er glaubhaft versicherte.
Später waren Petra und ich dann wieder allein und trauten uns doch wieder an die aktuellen Nachrichten. Der Konflikt in Nordkorea hatte bereits wieder an Bedeutung verloren, ging aber schon noch weiter. Es gab große Opferzahlen sowohl durch den Krieg, als auch wegen der freigesetzten Radioaktivität. Es gab widersprüchliche Informationen darüber, ob sämtliche Nuklearanlagen des Landes nun durch gezielte Angriffe zerstört worden seien oder vom gescheiterten Regime selbstmörderisch gesprengt worden seien. So oder so sei eine größere Menge von radioaktivem Material freigesetzt worden. Es war noch mehr radioaktiv verseucht als zunächst vermutet. Es wurden gar nicht einmal mehr so viele Gebiete überhaupt besetzt, nachdem das Regime zusammengebrochen war. Der größte Teil des Landes versank einfach in führungslosem Chaos, man überließ die Überlebenden mehr oder weniger dem Siechtum!
Das wurde auch damit begründet, daß ein Großteil der Bevölkerung dermaßen indoktriniert sei, daß diese für jegliche Helfer immer noch eine zu große Gefahr seien. Man ließ die Leute also wohl wirklich weitgehend hängen, kontrollierte und begrenzte Flüchtlinge scharf.
Ansonsten war man inzwischen weltweit dermaßen mit der Epidemie beschäftigt, daß der Konflikt mehr oder weniger erledigt war, allenfalls wie zuvor auf niedriger Flamme köchelte, nun nur mit leicht veränderter Machtverteilung. Das russische Korruptistan hatte irgendwie die größte und weitgehend strahlungsfreie Besatzungszone. Auch die chinesische Volksrepression hatte ihre Grenzen großzügig gesichert, in Richtung Südkorea mußte erst noch aufgeräumt und gesichtet werden, um sich Klarheit über die Lage zu verschaffen.
Die Epidemie war das Hauptthema der Nachrichten. Einerseits wurde weltweit immer noch reichlich und demonstrativ vorbereitet und auf Prävention gesetzt, andererseits gab es in diversen Ländern weitab vom Ort des Ausbruchs nun Fälle nachgewiesener Erkrankungen. Es gab nun auch einige in Europa. Es wurden immer wieder Verantwortliche gezeigt, die in voller Überzeugung dastanden und versicherten, alles im Griff zu haben. Allein schon die Art der Darstellung roch nach einer Beruhigungsmaßnahme. Auch über Fortschritte in der medizinischen Forschung wurde berichtet.
Hmm, Fortschritte innerhalb von einem Tag, einer Woche?
Spannend.
Erkenntnisse gab es schon, Mittel noch lange nicht.
Stattdessen hatte man begonnen, die Kernzonen in Afrika gnadenlos abzubrennen. Das sah inzwischen auf den immer wieder gezeigten unscharfen Drohnenbildern und den Satellitenbildern ebenfalls nach einem Kriegsgebiet aus. Die brutalen Maßnahmen kamen aber natürlich viel zu spät, selbst wenn man sie in dieser Form überhaupt für sinnvoll halten könnte. Es wurde nun ja eher vernichtet und ermordet, was die Seuche eigentlich überstanden hatte. So gab es dann auch Beiträge von Forschern, die gerade darauf hinwiesen, daß man in den nun so zerstörten Gebieten vielleicht mit entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen Informationen hätte finden können, wie und warum ein kleiner Teil der Menschen den eigentlichen Erreger doch überlebt hatte. Die Gewaltaktionen zerstreuten aber auch diese letzten Überlebenden noch, zerstörten Forschungsmöglichkeiten, um vielleicht zügiger Gegenmittel entwickeln zu können. Aber mangels funktionierender Eingriffsmöglichkeiten etwa der Vereinten Nationen schlugen einige mehr oder weniger dubiose Parteien panikartig zu, ohne damit aber eigentlich wenigstens den erhofften Schutz für jene Völker zu bewirken, die dann als Nachbarn unmittelbar betroffen waren. Unlängst war mittlerweile ein Großteil Afrikas betroffen. Nach Norden hin verzögerten immerhin die großen Wüstenregionen eine Ausbreitung etwas, aber natürlich trieb die Panik Betroffene Flüchtlinge auch schnell durch die Wüsten, um dann irgendwo im Nichts der Küsten oder auch an den Grenzen reicher Staaten zu stranden und zugrunde zu gehen.
Petra jedenfalls wollte nur noch weit weg. Nun, auf einem gar nicht einmal so großen Planeten, so global vernetzten Verkehrswegen ist man eigentlich nirgends weit weg. Ich versuchte ihr das klarzumachen. Sie war ziemlich verzweifelt, denn immerhin war ihr nun schon in den Sinn gekommen, daß sie ihren Typen auch nicht mehr sehen wollte. So hatte sie dann die Idee, mit ihren Eltern wieder Kontakt aufzunehmen, mit denen lief es auch deswegen nicht so gut, weil sie mit dem Typen natürlich auch nicht zurechtkamen. Und Petra wollte sich eigentlich auch nicht sagen lassen, daß sie es ja gleich gewußt hätten. Das hatte sie mittlerweile selbst mitbekommen. Aber nun war sie weichgekocht und rief dann doch an. Offenbar hatte man sie nicht verstoßen, würde sie gar abholen. Morgen, morgen würde sie hier wegkommen. Petra war wild entschlossen. Für die Nacht jedenfalls brauchte sie ein ordentliches Schlafmittel.
Ich hatte mich durch ihre Panik nicht anstecken lassen, war aber natürlich schon etwas aufgeregt und mitgerissen, probierte es mit Atemübungen, Entspannungsübungen, einer eigenen stillen Phantasiereise bis ins Reich des Schlummerns, was dann immerhin auch gelang.
Morgens wollte sich Petra dann gleich selbst entlassen. Immerhin konnte ich sie so halbwegs beruhigen, erst einmal zu frühstücken und Sabine abzuwarten, dann erst ihre Eltern auf den Weg zu schicken, um sie abzuholen, die wären wohl auch rund zwei Stunden unterwegs, also Geduld haben, Ruhe bewahren.
Sabine erkannte dann schon, daß Petra nicht mehr zu halten war, gab immerhin Verhaltensregeln mit auf den Weg, ließ die Entlassung vorbereiten und auch Unterlagen zur Mitnahme, damit man sich um Petra dann vor Ort weiter kümmern konnte, sonst mahnte sie zur Vorsicht auf der Reise, hätte Petra aber ohnehin nicht umstimmen können.
Ich war besonnener geblieben, so daß Sabine auch in meinem Falle einverstanden mit einer Unterbringung Zuhause war. Verhaltensmaßregeln waren auch so weit klar, Unterstützung durch Julia und ein paar andere Leute gegeben.
Von daher konnten wir alles organisieren. Sabine berichtete kurz von einem Verdachtsfall, der in der Medizinischen Hochschule bestätigt worden sei. Dort gäbe es den ersten Patienten in Quarantäne. Sie hätten jedenfalls reichlich Schnelltests verfügbar, soweit das möglich sei, war also die Lage im Griff. Auch ihr war nicht so ganz wohl bei der Formulierung.
Nach dem Mittag wurde erst Petra abgeholt. Es gab einige Patienten, die etwas früher entlassen wurden als eigentlich geplant. An diesem Tag sah man das nicht so eng, solange es noch keine Quarantänepatienten im Krankenhaus gab, wollte man jene ziehenlassen, wo man das gut verantworten konnte.
Thorsten hatte sich etwas Zeit nehmen können, Julia natürlich auch, so trafen die beiden bei mir am Nachmittag ein, schnell war alles gepackt und ich in ein Auto gesetzt und so fuhr uns Thorsten vorsichtig in meine Wohnung. Er hatte bei der aktuellen Lage nicht so viel Zeit, blieb aber doch, bis Julia vom Einkaufen zurück war. Sie berichtete, daß einige Leute sich offenbar mit Vorräten einzudecken begannen, der Supermarkt sei deutlich voller mit Leuten gewesen, aber auch deutlich leerer an Waren, bislang sei es aber noch unkritisch, wir hatten jedenfalls erst einmal für ein paar Tage genug. Thorsten meinte zuversichtlich, da würde nichts zusammenbrechen, jedenfalls solange die Epidemie nicht wirklich ausbreche. Indessen war ja mittlerweile durch geschlossene Grenzen und den nahezu eingestellten Luftverkehr auch der Handel längst beeinträchtigt. Viele Waren kommen ja mit Schiffen, sofern die schon lange unterwegs waren und aus unkritischen Regionen kamen, waren die ja auch kein Problem. Dieser Zweig von Transport und Handel funktionierte also noch, von daher auch bislang kein Zusammenbruch, trotz erhöhter Nachfrage durch Leute, die sich einen Vorrat anlegen wollten. Julia berichtete auch, daß es einige Waren im Supermarkt bereits gar nicht gegeben habe.
Wir saßen und sorgten uns. Thorsten mußte dann aber wirklich los, Julia blieb. Später kam auch noch Harald vorbei, zusammen mit zwei Doktoranden. So organisierten wir spontan einen ziemlich fröhlichen und unbeschwerten Spieleabend. Eigentlich wollten wir gar nicht mehr so genau wissen, was in der Welt so vorging.
Die Lage in der Welt blieb dann schon noch einige Wochen kritisch. Mir selbst ging es zügig besser, bald konnte ich schon wieder normal arbeiten und forschen. Nunja und mit Thorsten hat sich dann wirklich etwas ergeben, mehr so locker, auch wegen seines unregelmäßigen Schichtdienstes und meiner intensiven Beschäftigung in der Forschung, aber eigentlich paßte das auch gar nicht so schlecht, da waren wir dann beide ganz flexibel und schätzten die gemeinsame Zeit sehr, tun es bis heute.
Kryo-Kevin bekam dann wegen des Unfalls natürlich noch ein paar Probleme, der Zwischenfall im Krankenhaus verlief hingegen im Sande. Er hatte dann wohl schon eine unangenehme Zeit, aus der geschlossenen Psychiatrie kam er aber schnell wieder raus, also sich bestätigte, daß es wirklich interessierte Investoren und auch Ergebnisse gab. An seinem Verfahren schien also wirklich etwas dran zu sein, wenn es auch noch nicht so weit war, daß man sie dem wirklich hätte anvertrauen wollen. Das mußten dann schon ganz verzweifelte Fälle sein, ähnlich wie bei früheren Verfahren. Mich belästigte er jedenfalls nicht mehr, von daher wollte Unfall und den Zwischenfall im Krankenhaus auch nicht aus eigenem Interesse weiter verfolgt sehen.
Wenn das aber wirklich halbwegs klappen sollte und er dafür wirklich Kunden gewinnen sollte, kämen da in Zukunft genau die Fragen auf die Gesellschaft zu, die ich in jener Nacht aufgeworfen hatte.
Und da war natürlich vorherzusehen, daß man sich darum nicht kümmerte, bevor das zu einem Problem herangewachsen war, welches für die Gesellschaft eine größere Angelegenheit werden würde.
Ähnlich ist es ja eigentlich mit dem Weltraumschrott, solange da nicht täglich Leuten etwas auf den Kopf fällt, nicht täglich Satelliten getroffen werden und deswegen Fernsehen oder Telephon etc ausfällt, wird man sich nur in sehr bescheidenem Umfange drum kümmern. Es gibt keine vorsorgliche Behandlung vorhersehbarer Probleme, erst auf Katastrophen wird scheinheilig verblüfft reagiert, als wäre das von einem auf den anderen Tag vom Himmel gefallen – was ja nur beim Weltraumschrott wirklich zutrifft – als hätte man sich nicht bereits seit Jahren oder Jahrzehnten längst drum kümmern müssen, bevor etwas passiert, aber das mag einer der Gründe sein, an denen die Menschheit dann doch zugrunde geht. Trotz besseren Wissens wird erst gehandelt, wenn man aufgrund von Katastrophen wirklich dazu gedrängt wird, gibt dann aber das Handeln als große Heldentat aus, nicht als Folge vorheriger Dummheiten.
Was die Epidemie anbelangt:
Wir hatten hier in der Gegend jedenfalls Glück, wenn man in dem Zusammenhang und bei so vielen Toten überhaupt davon sprechen kann, daß es da irgendein Glück gibt.
In unserer Stadt gab es nur wenige Fälle, im ganzen Land nur wenige Tote, die Europäische Union hatte sich abgeschottet und nahm das dann auch weiterhin zum Anlaß, die Außengrenzen sehr restriktiv zu schützen.
Also gab es jedenfalls bei uns dann doch keine Epidemie.
An ein paar anderen Orten außerhalb von Afrika hatte man weniger Glück, trotz ähnlich restriktiver Maßnahmen, konnte die dortigen Epidemien aber immerhin eindämmen. Das gelang in Afrika zunächst nicht oder nur den reichsten Staaten ganz gut.
Ein Gegenmittel, eine Impfung fand sich dann noch innerhalb des Jahres, beides aber nicht so einfach zu produzieren, eine Bezahlung und organisierte Verteilung war nur eingeschränkt möglich, wie das eben so läuft. Obwohl man es wohl hätte schaffen könnten, wenn man die Kräfte wirklich darauf konzentriert hätte, schwelte die Seuche in einigen armen Ländern weiter. Das war jedenfalls wohl die erste kleine Delle in der Kurve der Bevölkerungsexplosion.
Auch der Korea-Konflikt schwelte weiter lustlos vor sich hin, die arme, siechende Restbevölkerung des Nordens wurde an einigen Stellen zum Nährboden für weitere gefährliche neue Krankheiten. Aber um fair zu sein, das passierte nicht nur da, aber einige Leute würden es gerne darauf schieben, daß man da wohl auch Labore getroffen hatte, die Biowaffen produzierten. Hinweise auf Labore für zerstörte chemische Waffen meinte man auch gefunden zu haben, andere meinten, das sei nur die chemischen Industrie des Landes gewesen. Das Ausmaß der Toten durch freigesetzte gefährliche Chemikalien wurde dann auch erst allmählich im Laufe der Jahre an die Öffentlichkeit getragen, das waren von der Anzahl her durchaus ähnlich viele wie durch den direkten Krieg gestorben waren, ähnlich viele wie direkte Strahlentote.
Ich grübelte erst noch darüber nach, wie es möglich war, in meinem Traum oder meiner Illusion mit Ida eine doch relativ gute Übereinstimmung mit den Ereignissen wie dem Korea-Krieg oder auch der afrikanischen Seuche zu haben. Ich hatte das überprüft, vor meinem Unfall gab es darüber noch nichts in den Nachrichten, was mir zugänglich gewesen wäre. Waren solche oder ähnliche Katastrophen wirklich so allgemein vorhersehbar, solch beliebige Allgemeinplätze, daß ich das einfach so in diese Illusion eingebaut hatte oder gab es ähnliche Ereignisse irgendwie immer und man stellte dann nur im Nachhinein eine ganz gute Übereinstimmung mit der Prognose fest, weil man wollte, daß es paßt?
Merkwürdig erschien mir das alles schon, aber nicht geradezu unmöglich. Ich legte das dann aber allmählich zu den Akten und dachte nicht mehr darüber nach.
Es war ja im Grunde auch unvorstellbar, daß etwa auf dem Raumschiff eine Katastrophe eingetreten war, Ida mich wieder konserviert hatte und mich mit einer dauernd dahinfließenden Illusion unterhielt, die dem entsprach, was ich jetzt gerade erlebte. Bei solch einer Kryo-Konservierung ist das Bewußtsein doch einfach angehalten, eben konserviert, es erlebt nichts mehr, also auch keine Illusionen oder Träume. Trotzdem wurde mir bei dem Gedanken etwas schwindelig und dann auch flau im Magen. Auch das wies ich dann aber entschlossen von mir. Ich überwand meine Zweifel, meine Unsicherheit in dieser Angelegenheit. Ich wollte doch normal weiterleben. Und das tat ich dann ja auch mit voller Intensität.
Meine Erinnerung an die Illusion oder Vision von Ida und der Reise in ein anderes Sonnensystem verblaßte mit all der Aufregung zunächst in all meinen Aktivitäten. Heute, nach mehr oder weniger überstandener Krise, mit guter Distanz zu den Ereignissen erinnere ich mich aber und schreibe es auf.
Irgendwie ist es ja doch eine interessante, skurrile Schnurre, die es zu erzählen lohnt, irgendwie schon ein Teil von mir und meinem Leben. Und warum sollte ich das tief in mir vergraben?
Ist ja nichts dabei, das bizarre Erlebnis zu erzählen. Wer kann schon etwa von sich sagen, von Weltraumschrott vor dem Tod oder gar einer Kryo-Konservierung bewahrt worden zu sein?
Wer kann schon eine so plastische und reale Geschichte aufweisen, die sich das Gehirn offenbar in einem Kurzkoma zusammengereimt hatte, um irgendwie den Schock zu verarbeiten?
Annäherung
Als ich wieder erwachte, fühlte ich mich ziemlich klar im Kopf. Statt in einem zähen und dämpfenden Brei fand ich mich erneut oben auf dem bahrenartigen Bett wieder. Ich schaute mich um, alles schien unverändert, bis auf das mir immer noch rätselhafte Muster an der Decke waren aber die Anmutungen von Kunst an den Wänden verschwunden. Offenbar war ich wirklich wieder klar im Kopf, denn nun fiel mir auf, daß es sich bei dem Muster an der Decke um eine Parkettierung nach Penrose handelte, Drachen und Pfeil, nur mit etwas Ornamentik verziert und sehr blaß und dezent umgesetzt. Darin konnte man sich schon verlieren, beruhigend darüber nachsinnen. Vielleicht lag darin der eigentliche Zweck dieser dekorativen Ausschmückung des Raumes.
Ich stand auf, schaute mich um, es schien wirklich alles unverändert zu sein. Ida hatte sich auch noch nicht gemeldet. Vielleicht hielt sie sich ja wirklich an die Abmachung, mir eine gewisse Art von Privatsphäre zu gönnen oder es mir wenigstens so erscheinen zu lassen. Oder war der Zwischenfall so fatal, daß es die Ais gar nicht mehr gab und ich nun allein auf dem Raumschiff war?
Ich wußte doch kaum etwas. Alleine würde ich sicher nicht lange überleben!
Etwas besorgt fragte ich dann einfach mal so in den Raum hinein: „Ida?
Was ist passiert?
Alles in Ordnung oder Katastrophe?“
Erleichtert war ich, als Ida sogleich antwortete: „Es gibt kein Problem für dich, alles so weit in Ordnung, wir haben aber trotzdem ordentlich was einstecken müssen. Die Einschläge waren ärger als gedacht.“
Körk ergänzte nun: „Das war ein wahrer Schauer von massiven Objekten mit großen und massiven Metallkernen. Der größte Brocken hat uns knapp verfehlt, ein ordentlicher Klumpen ist aber voll in die Absorber eingeschlagen, dann noch kleinere. So hat es dann größere Bereiche der Absorber in ihrer Funktion beeinträchtigt. Einige haben sich verklemmt, so daß das Raumschiff gedreht werden mußte, um intakte Bereiche der Absorber als Schutz nutzen zu können. Das ging nicht so schnell, so ist dann ein weiter Brocken tief durchgeschlagen. Kleinere Partikel haben dann in einem kleineren Bereich die Hülle des Raumschiffes durchschlagen.“
Hildegard führte dazu aus: „Immerhin waren diese dann durch die Absorber schon so weit abgebremst, daß sie nicht mehr weit gekommen sind. Die Zerstörungen sind dann auch nicht dramatisch gewesen. Die Lecks sind bereits wieder repariert. Da wir minderwichtige Vorräte eher außen lagern, dienten diese als weiterer Schutz für uns. Da laufen inzwischen Aufräumarbeiten und Rekonstruktionen.“
Körk führte aus: „Der Schauer an Objekten ist dann relativ schnell abgeklungen, wir befinden uns nun wieder in einem ruhigeren Bereich. Unsere speziellen Schwärme für die Rekonstruktion, Reparatur und den Aufbau von Absorbern, auch für das Abbauen von Rohstoffen aus den eingeschlagenen Brocken haben gut zu tun. Immerhin können wir bereits wieder alle Absorber gut bewegen und um das Raumschiff drehen. So können wir also bereits wieder den kompletten Außenraum mit Absorbern abdecken.“
Ich hakte nach: „Aber ich meine, soweit ich euch verstanden habe, ist das doch vom Konzept her so geplant, daß Material gesammelt wird und so auch gebremst wird. Das Verfahren scheint mir dann doch sehr zweifelhaft, wenn die Einschläge gleich bis ins Raumschiff durchgehen.“
Körk meinte dazu: „Nun, es war in diesem Bereich und in dieser Phase der Annäherung nicht mit solch massiven Brocken zu rechnen. Das habe ich unterschätzt. Das Verfahren ist auch nicht perfekt, war ursprünglich ja auch eher dazu ausgelegt, im Erdorbit aufzuräumen, dann im Sonnensystem bei mäßigen Relativgeschwindigkeiten Material zu sammeln, um neue Geräte gleich im Weltraum zu konstruieren. Das wurde dann immer weiter verallgemeinert und für diese Mission angepaßt. Bei den Geschwindigkeiten ist allerdings die Sensorik nicht wirklich perfekt, die Objekte reflektieren ja auch nur Licht der noch relativ fernen Sonne, strahlen sonst selbst kaum etwas ab, weil sie kalt sind, es ist also schwierig, viel über sie zu erfahren. Aufgrund der Menge der Objekte in dem Schwarm war es auch nur teilweise möglich, Trajektorien einzelner Objekte vorauszuberechnen. Daher sind also die Schwierigkeiten zu erklären. Du hast schon Recht, perfekt ist das alles nicht, aber wir tun, was wir können. Ich bin der Meinung, wir sollten darüber beraten, ob wir das hinzugewonnenen Material von mehreren Tonnen Masse jedenfalls teilweise nutzen sollten, um aktiv mit den Partikelbeschleunigern zu bremsen. So können wir dann besser und angemessener reagieren, wenn die Relativgeschwindigkeiten bereits geringer sind.
Statt indirekt über diese Art von Reibung zu bremsen, können wir mit dem verfügbaren Material auch direkt bremsen.
Wir sind bereits nicht mehr auf Maximalgeschwindigkeit. Auf direktem Wege, ohne große Ausnutzung der Gravitation und der Atmosphären von Sonne oder Planeten oder der Ausnutzung von Gas- und Partikelansammlungen und des Sonnenwindes mit gewaltigen Segeln wären wir in etwa vier Monaten so weit heruntergebremst, daß wir in einer Umlaufbahn sind, wenn wir dich nicht durch übermäßige Beschleunigung belasten wollen. So oder so ist nun also die Zeit gekommen, um zu entscheiden.“
Ich war begeistert, offenbar handelte es sich doch um ein Himmelfahrtskommando mit hohem Risiko. Aber was für ein Aufwand, nur um ein paar Kryo-Zombies loszuwerden?
Ich wollte aber beim Thema bleiben und nicht herummeckern, was ja doch nichts bringen konnte.
So fragte ich nach: „Mal abgesehen von Materialverlust hätte das keine weiteren bedenklichen Auswirkungen, wenn wir direkt bremsen?“
Körk erläuterte: „Beschleunigt wird nur Kram, den wir nicht wirklich brauchen oder der sich mit hoher Wahrscheinlichkeit reichlich in weiteren Brocken befindet, die in großer Zahl in dem Sonnensystem zu finden sind. Es wird also vielleicht den Aufbau einer größeren Station etwas verzögern, aber sonst haben wir dadurch keine Nachteile.“
Ich war entschlossen und erwiderte: „Dann bin ich dafür, das so zu machen!“
Hildegard meinte dazu: „Es erscheint mir auch unproblematisch zu sein und es ist deutlich sicherer auch für unsere Vorräte und das Raumschiff selbst.“
Ida stimmte zu: „Auch mir scheint die Variante akzeptabel zu sein, so sind wir uns also einig.“
Körk erläuterte: „Gut, grob ausgerichtet ist das Raumschiff, ich mache die Feinausrichtung, dann kann es losgehen. Michaela steht in der richtigen Richtung, wird also beim Bremsen auf den Boden gedrückt, der Anzug wird das nahezu ohne nennenswerte Verzögerung so kompensieren, daß keine Überraschungen zu erwarten sind, im Gegenteil, es sollte sich dann bereits eher nach Schwerkraft anfühlen als die derzeitigen Anpassungen des Anzuges.“
Ich nickte und erwiderte: „Ihr müßt das beurteilen können. Ich vertraue euch und bin bereit.“
Es dauerte dann auch nicht mehr lange und dann begann wirklich das Bremsmanöver. Das wurde auch relativ langsam ausgeführt, damit die relativ leichte Konstruktion der Absorber diese Kräfte gut vertragen kann.
Körk mußte dabei die Absorber langsam kompaktifizieren und stabilisieren. Das verminderte deren Schutzfunktion etwas, weswegen ein Kompromiß zwischen Schutz und guter Bremswirkung zu finden war, zudem wollten sie ja auch mich und sonstige Ausrüstung nicht unnötig belasten.
Körk hatte Recht, einerseits fühlte man schon einen Unterschied zu der Funktion des Anzuges, andererseits war die Beschleunigung zunächst offenbar deutlich geringer als das Äquivalent zur durchschnittlichen Erdbeschleunigung, wurde aber innerhalb der nächsten Stunden allmählich stärker, blieb dann aber auf einem gleichbleibenden Niveau.
Ida meinte, ich könne mich nun auch gut und bei Bedarf ohne die ausgleichende Funktion des Anzuges oder gar ohne diesen bewegen. Immerhin hatten wir etwas mehr als das Äquivalent der Erdschwere erreicht. Der Anzug glich das sogar ganz gut aus, so daß ich mich normal und wie gewohnt bewegen konnte.
Unterdessen erläuterten mir Ida und Körk Details über die Zusammensetzung des Schwarms, der uns getroffen hatte und spekulierten darüber, wie diese massiven Objekte in diesen Bereich gelangt waren und warum so strukturiert in diesem Schwarm. Es verfestigte sich die Hypothese, daß vermutlich einmal ein größeres Objekt auf einen Planeten oder Kleinplaneten eingeschlagen ist und dabei diesen Schwarm von Objekten herausgeschlagen hatte. So waren die ziemlich massiven und großen Objekte zu erklären. Vielleicht sei auch erst im Laufe der Zeit ein deutlich größerer, herausgeschlagener Teil in diese einzelnen Brocken zerfallen. Vermutlich war ja auch das System Erde-Mond durch einen Zusammenstoß von zwei Planeten oder eines Kleinplaneten mit der Urerde entstanden. So war es natürlich durchaus plausibel, daß bei einem zentralen Treffer massive Trümmer des Kerns oder des Mantels aus den Stoßpartnern herausgesprengt worden sind und enorm in den Weltraum hinaus beschleunigt wurden. Dieses Trümmerfeld war offenbar deutlich über die Fluchtgeschwindigkeit der beiden Stoßpartner hinaus beschleunigt worden und war so zufällig mit unserer Mission auf Kollisionskurs geraten. Dieses Trümmerfeld hatte uns auch eher seitlich getroffen, war also durchaus auf einer Umlaufbahn um die Sonne des Systems gewesen, nur eben nicht in den typischen Zonen, wo die Ais größere Ansammlungen von Material erwartet hätten. Wir hatten uns ja auch nicht in der Hauptebene oder Ekliptikebene des Sonnensystems genähert, sondern deutlich schräg dazu. Offenbar hatten wir also wirklich nur Pech gehabt. Auch dieses System besitzt etwas Ähnliches wie die Oortsche Wolke, welche das Sonnensystem grob sphärisch umgibt, darin ist die Partikeldichte allerdings im Durchschnitt relativ niedrig.
In diesem Gebiet waren wir längst, die kleinen Einschläge hatten allerdings nie Probleme bereitet und nur etwas gebremst. Die radiale Ausdehnung solch einer Partikelwolke um eine Sonne kann mehrere Lichtjahre betragen, wir waren also schon mittendrin. Weit draußen reichen die gravitativen Kräfte der Sonne nur noch geradeso, um diese Objekte an das System zu binden, die Dichte ist aber bereits so gering, daß sich kaum noch etwas zu Planeten, Kleinplaneten, Asteroiden etc zusammenklumpt. Man erwartet also eher Gas, Staub, kleinere Brocken.
Da sich die das Raumschiff umgebenden Absorberschichten vor der Kompaktifizierung mehrere Kilometer um das Raumschiff herum ausgedehnt hatten, war das Ausbremsen und Absorbieren von kleineren Brocken also unproblematisch, die hatten also immer einen Bremsweg von mehreren Kilometern durch das komplexe Material der Absorber, bevor es wirklich spannend wurde. Meine von den Ais vermittelte Vorstellung war grob die, daß wir uns mit dem Raumschiff in einem Wattebausch befanden, der einen Durchmesser von einigen Kilometern hatte, wobei der eigentliche Kern des Raumschiffes viel kleiner war.
Die Objekte, die uns getroffen hatten, gehörten also offenbar bereits eher zum inneren Bereich des Sonnensystems, vielleicht vergleichbar mit dem Kuiper-Gürtel, dann wären das allerdings eher deutlich Ausreißer aus der Ekliptik, vermutlich dann wirklich ein erster Gruß der Planeten des Systems, dann wohl eher aus der Frühphase dieses Sonnensystems.
Jedenfalls waren die Sensoren deutlich weitergekommen und hatten dieses Trümmerfeld in seiner Ausdehnung inzwischen gut umrissen, weswegen wir relativ gut wußten, daß wenigstens aktuell keine größeren Brocken mehr drohten.
Aufgrund des Bremsmanövers hatte Körk indessen die Sensorsatelliten wieder einziehen müssen und auch die Absorber mit der Kompaktifizierung stabilisierend enger an das Raumschiff herangezogen, damit diese bei der Beschleunigung keine Beschädigungen an ihren Befestigungen hinterließen. Das reduzierte zwar formal die Schutzfunktion der Absorber, da wir allerdings gleichzeitig langsamer wurden relativ zu den typischen Geschwindigkeiten der Objekte dieses Sonnensystemes, war es auch mit der Sensorik direkt am Schiff gut möglich, die Umgebung zu überwachen und größere Brocken auf Kollisionskurs auszumachen und dann eben kurzfristig zu entscheiden, ob diesen eher auszuweichen war oder ob man sie günstig mit den Absorbern einfangen wollte. Ausweichen ist natürlich nur eine Option, wenn das gefährliche Objekt noch weit genug weg ist, denn dabei geht es immer nur um kleine Kurskorrekturen, die aber natürlich bei rechtzeitiger Sichtung reichen, denn die Objekte und das Raumschiff selbst sind ja relativ klein verglichen mit typischen Abständen im Weltraum.
Die Reparaturen an den Absorbern gingen offenbar zügig voran, so daß Körk bald verkünden konnte, daß diese wieder komplett einsatzfähig wären. So konnte Körk also die Kurskorrekturen eher wieder so durchführen, daß mehr Material akkumuliert wurde, welches wir zum einen Teil später brauchen würden, um eine größere Raumstation aufzubauen, zum anderen Teil weiter bremste, aber eben auch für den Partikelbeschleuniger oder auch den Fusionsreaktor verwendet werden konnte.
Derweil weihte mich Hildegard bald in die Geheimnisse des biologischen Kreislaufsystems ein, welches zwar nicht geradezu perfekt funktionierte und daher auch auf die Schwärme der Mikroroboter angewiesen war, aber man war sehr wohl in der Lage, kleine und trotzdem komplexe Ökosysteme aufrechtzuerhalten, in welchem diverse Arten symbiotisch aufeinander angewiesen waren. Das größte System hatte Hildegard schon deutlich erweitert, bevor ich wiederauferstanden wurde, so daß es mir nun auch möglich war, in gewohnter Weise Essen und Trinken zu mir zu nehmen und dann eben die Reste auch wieder in gewöhnlicher Weise loszuwerden, was immerhin ähnlich möglich war wie auf der Erde, solange das Raumschiff beschleunigt wurde. Für den anderen Fall der Schwerelosigkeit hatte man ein etwas komplizierteres System, welches vermutlich ähnlich schon zu meiner Zeit auf der internationalen Raumstation verwendet wurde.
Das Essen, naja, es war schon sehr gewöhnungsbedürftig, ein Erzeugnis von Mikroorganismen, Algen und Pilzen. Immerhin war es möglich, zusammen mit Hildegard nun auch Pflanzen zu züchten, die das Essen etwas schmackhafter und abwechslungsreicher machen sollten. Aufgrund der gerade vorhandenen Beschleunigung ähnlich der auf der Erde, hätten wir diverse Sorten anbauen können, weil der Abbremsvorgang aber nur Monate dauern würde, wäre das nicht wirklich ratsam gewesen, so mußten wir uns einstweilen auf robuste Arten oder spezielle schwerelostaugliche Züchtungen und Varianten beschränken. Aber es dauerte natürlich, bis wir ernten konnten. Der Platz war ja auch noch deutlich beschränkt, so daß die Auswahl auch deswegen einstweilen klein bleiben mußte.
In der folgenden Zeit hatte ich dann reichlich Gelegenheit, mich hier nützlich zu machen. So lernte ich viel über Gartenbau auf Raumschiffen, Agrarkulturen und Ökosysteme. Hildegard zeigte mir auch diverse Möglichkeiten der Genmanipulation und der damit einhergehenden Probleme und Nebenwirkungen, wenn man es ungeschickt macht. So machte sie mich auch vertraut mit diversen Sicherheitsprotokollen, um dramatische Zwischenfälle biologischer Art zu vermeiden. Mit den verfügbaren Methoden und Techniken würden wir in Zukunft im wahrscheinlichen Bedarfsfall auch Lebewesen erschaffen können, die den lokalen Umweltbedingungen von vornherein gut gewachsen wären, eine ansonsten langwierige Evolution und ‚natürliche Auslese‘ konnten wir als gnädig und dramatisch abkürzen. Natürlich würde es nicht perfekt funktionieren, aber Vorgänge um ein paar Millionen oder gar Milliarden Jahre auf wenige Jahre abkürzen zu können, kam unserem Missionsziel natürlich sehr entgegen. Es mochte so schon gelingen, über eine Impfung und eine daraufhin einsetzende biologische Terraformung auf geeigneten Planeten über ein paar Jahrzehnte oder Jahrhunderte eine Umgebung zu erschaffen, in welcher höherentwickelte irdische Arten wie insbesondere Menschen ohne weitere Hilfsmittel würden überleben können. Man war also ziemlich entschlossen, auch bei nicht optimalen Bedingungen etwas zu versuchen, um die Angelegenheit doch noch zum Missionsziel hin zu drehen. Es bestand jedoch bereits bei Missionsstart die Hoffnung, hier gleich auf halbwegs passable Bedingungen zu stoßen. Zudem würde es möglich sein, auf dem Planeten in einer möglichen Übergangszeit eigene Biosphären zu betreiben, weswegen man nicht hunderte von Jahren mit einer Besiedlung warten müßte, selbst wenn eine langfristige Terraformung stattfinden würde.
Nun, wir würden es hoffentlich bald in Erfahrung bringen, wie die Bedingungen hier vor Ort wirklich sind.
Ida unterrichtete mich dann auch bald über wesentliche Eigenschaften dieses Sonnensystems. Die Sonne brannte noch nicht ganz so lange wie die unseres Sonnensystems, war aber von ähnlicher Größe und Lebensdauer, bevor sie in ferner Zukunft in einen roten Riesen übergehen würde.
Das Spektrum der Strahlung war demzufolge auch ähnlich, das Maximum nur geringfügig zu niedrigeren Energien hin verschoben. Neben dem Kleinkram weit außen um das System herum gab es drei Gasplaneten mit einigen Monden, von denen einer immerhin die Größe der Erde erreichte. In der eigentlichen habitablen Zone des Systems gab es zudem ein Doppelplanetensystem, welches das eigentliche Ziel unserer Reise war. Die Gasriesen außen und das Doppelplanetensystem innen waren schon vor Start der Mission bekannt, die Monde der Gasplaneten hatten erst schnelle Sonden unserer Mission ausgemacht. Zwei bis drei dieser Monde boten vielleicht ähnliches Potential für Leben wie etwa der Saturn-Eismond Enceladus, das war aber noch weitgehend unklar, so daß wir uns entschlossen, daß kleinere Sonden diese Monde grob untersuchen sollten. Diese kleinen Missionen sollten gestartet werden, wenn wir so weit abgebremst waren, daß wir mit unserem Raumschiff flexibel würden navigieren können. Der Zeitpunkt war grob so abgestimmt, daß die Entfernung noch ausreichend groß war, damit der jeweilige Weg der Sonden kein nennenswerter Umweg sein würde und diese gleich unseren noch vorhandenen Schwung ausnutzen konnten.
Diese Monde waren insofern schon ziemlich interessant, weil sie die Wahrscheinlichkeit erhöhten, hier etwas Interessantes zu finden, wenn wir auch nicht erwarten konnten, dort auf komplexere Lebensformen zu stoßen oder auch auf Bedingungen, die sich gut für menschliches Leben geeignet hätten. Immerhin, wenn es dort aufgrund von Gezeitenkräften der gewaltigen Gasriesen unter der Oberfläche flüssiges Wasser gab, wäre es wohl schon möglich gewesen, dort geeignete Mikroorganismen anzusiedeln, wenn unsere kleinen Forschungsmissionen dort nichts vorfinden würden, aber dafür mußte deutlich sorgfältiger untersucht werden, um nichts zu übersehen, das konnte also Jahrzehnte dauern.
Unser Hauptaugenmerk galt folglich wie geplant dem Doppelplanetensystem. Zur Mission gehören ja auch kleine Sonden, die sich dem System mit höherer Geschwindigkeit genähert hatten, so daß wir nun schon deutlich mehr darüber wußten, als aufgrund der dürftigen Beobachtungen vom Sonnensystem aus jemals möglich gewesen wäre. Die Entstehung des Doppelplanetensystems war weitgehend unklar, es könnte auf einen komplexeren Vorgang eines Einfangs bei einer zufälligen Beinahe-Kollision dreier planetenartiger Objekte entstanden sein. Vielleicht waren ja sogar die Brocken, die uns getroffen hatten, der Überrest dieser katastrophalen Kollision. Jedenfalls hatten die beiden Kandidaten nun einen ordentlichen Abstand voneinander.
Einer ist etwa zwanzig Prozent schwerer als die Erde, hat eine etwas geringere Dichte, also auch einen etwas größeren Durchmesser. Er hatte ein Magnetfeld, gar noch stärker als das der Erde, war mit reichlich Wasser bedeckt, hatte dafür also weniger Landmasse als die Erde, weniger als ein Drittel der Landmasse der Erde.
Der andere ist etwa drei Prozent schwerer als die Erde, hat eine etwas höhere Dichte, ein ähnlich starkes Magnetfeld wie sein Zwilling, einen etwas kleineren Durchmesser als die Erde und deutlich weniger Oberflächenwasser. Etwa Zweidrittel der Oberfläche des Planeten sind Landmasse, bestehend aus derzeit drei großen Kontinenten und kleineren Inseln.
Auf beiden gibt es Vulkantätigkeit und eine dichte Atmosphäre, vergleichbar in Druck, Temperatur und Zusammensetzung wie die der Erde. Insbesondere die Anwesenheit von Sauerstoff in der Atmosphäre, aber auch Methan und ein paar andere Bestandteile wiesen darauf hin, daß es dort Leben geben könnte.
Aufgrund von Abstand und Masse ergeben sich auf beiden Planeten ähnliche Gezeiten wie auf der Erde, was auch ein weiterer Grund war, warum dieses System als der aussichtsreichste Kandidat für eine Mission angesehen wurde. Die Daten der schnellen Sonden bestätigten zum Glück diesen Eindruck.
Die ersten schnellen Sonden hatten allerdings im Vorbeiflug primär spektroskopische Daten geliefert, also insbesondere keine Detailaufnahmen von der Oberfläche. Es gelang dann auch späteren Sonden, in einer Umlaufbahn entweder um beide Planeten abzubremsen oder auch in eine engere Umlaufbahn um einen der Planeten einzuschwenken. So gab es also schon deutlich mehr Daten, die Auflösungen der vorhandenen Aufnahmen reichen aber nicht, um einzelne Lebewesen zu erkennen. Auf den Bildern des Wasserplaneten konnten wir allerdings immerhin Wolken und Wetter erkennen, ebenso das blaue Wasser und auch grüne Bereiche auf dem Land erkennen, auch braune, helle Bereiche. Wälder, Erde, Gebirge, Eis und Schnee wie auf der Erde?
Die Bilder des trockeneren Zwillings waren hingegen nicht so eindeutig, die Atmosphäre war trüb, eventuell durch Sandstürme, aber nicht so trübe, daß die Meere uns verborgen geblieben wären. Die Ränder zwischen den Meeren und dem wohl staubigen Land waren reichhaltiger strukturiert, was uns auch hier hoffnungsvoll stimmte.
Wir wollten dann auch bald beraten, wie wir genau vorgehen sollten, eine Umlaufbahn um beide Planeten und größere Sonden losschicken?
Dann so Stationen in den Umlaufbahnen der Planeten aufbauen?
Oder doch gleich mit dem Raumschiff auf eine Umlaufbahn um einen der beiden Planeten einbremsen und dort eine große Station aufbauen?
Da die Ais bislang nur kryptische Namen für die Planeten eingeführt hatten, durfte ich wieder Spitznamen liefern. Aus Spaß schlug ich Charybdis für den Wasserplaneten vor und Skylla für den Felsplaneten. Aufgrund der mythologischen Assoziation war man gerne mit den Namen einverstanden. Die drei Gasriesen benannte ich einfach mit männlichen Vornamen: Albert (nach Einstein), Werner (nach Heisenberg), Erwin (nach Schrödinger).
Deren Monde wurden einstweilen nur grob durchnumeriert, die Sonne aber nannte ich Rasol, eine Mischung aus ägyptischen, römischen und nordischen Mythologien.
Bei den beiden Asteroidengürteln behalf ich mich mit nahmen aus der germanischen Götterwelt. Den inneren nannte ich Geri, den äußeren Freki, den mit dem breitem Streufeld deutlich schräg zur Hauptekliptik, von dem uns ja schon ein paar Brocken unangenehm erwischt hatten aber nannte ich Wotan. Wotan kann man grob übersetzen mit der Wütende, der germanische Hauptgott, auch Odin genannt. Geri und Freki sind seine Begleiter auf der Jagd, zwei Wölfe.
Bislang hatten wir über die zentrale Frage des Lebens auf den Zwillingsplaneten also immer noch wenig Informationen, aber günstige Indizien. Ich fragte Ida, ob ihr zum Beispiel das Buch Solaris von Stanisław Lem bekannt sei. Das war es und befand sich auch in den sehr reichhaltigen Archiven der Mission. Darin war man ja bei einer ähnlichen Mission auf etwas komplett Fremdartiges auf einem fremden Planeten gestoßen. Wie schätzte Ida die Wahrscheinlichkeit dafür ein?
Sie meinte dazu, es gäbe bei den derzeit vorliegenden Daten eher eine hohe Wahrscheinlichkeit für einfache Organismen, vielleicht nur Einzeller, relativ einfache Formen. Eine Gedankenmanipulation aus der Ferne sei allerdings wohl gar nicht plausibel. Wir mußten also schlicht weiter abwarten, was für weitere Informationen wohl demnächst hereinkommen würden, Details würden sich wohl erst ergeben, wenn wir auf einer Umlaufbahn wären und somit in der Lage, kleinere Sonden mit speziellen Aufträgen und längeren Beobachtungszeiten loszuschicken. Später würden wir dann auch kleine Missionen landen lassen, um direkt vor Ort Proben zu analysieren.
Als Physikerin hatte ich natürlich auch schnell Interesse an der Technik der Partikelbeschleuniger und der Fusionsreaktoren.
Ida erklärte mir grob die Funktion der Partikelbeschleuniger. Die Grundfunktion war natürlich klar – ionisieren und dann stark beschleunigen, um einen möglichst großen Impuls oder Rückstoß auf das Raumschiff zu bewirken. Bei relativistischen Geschwindigkeiten kann das schon ziemlich effektiv sein, jedenfalls im leeren Weltraum und auch noch in dünnen Atmosphären.
Die bei der Ionisation erzeugten Elektronen müssen natürlich auch weg vom Raumschiff beschleunigt werden, sonst würde sich das ja aufladen und die beschleunigten Ionen würden einfach wieder aufgrund der Ladungstrennung zurück zum Raumschiff gelangen. Wie man beschleunigen muß, hängt natürlich von Masse und Ladung der Partikel ab, weswegen eine weitere große Meisterleistung der Schwarmrobotertechnik war, das mit den Absorbern eingesammelte Material so uniform aufzubereiten, daß man große Mengen gleichartiger Cluster effizient beschleunigen kann. Ida konnte mir da auch nur einige Grundprinzipien erläutern, sonst hätte das viel zuviel Zeit in Anspruch genommen, so bekam ich nur eine grobe Ahnung vom Prinzip.
Ähnlich verhielt es sich dann mit der Fusionstechnik. Mein Fachgebiet hatte mit Kerntechnik, Plasma etc nichts zu tun gehabt, von daher blieb es da dann auch bei einfachen Erklärungen. Auf der Erde hatte man schon große Fusionsreaktoren ähnlich denen, die man sich so zu meiner Zeit gedacht hatte. Etwas Ähnliches wie die kalte Fusion hatte man zwar leider nie gefunden, aber immerhin hatte man etwas gefunden, um durch Pumpen mit Gamma- oder Röntgenlasern und Schockwellen im Plasma eine Art stimulierte und sich entlang einer Achse selbst verstärkende Fusionswelle in länglichen Fallen zu entwickeln, was letztlich auch in unserem Raumschiff genutzt wurde. Einerseits sind diese Reaktoren deutlich kompakter, andererseits trotz der Komplexität sehr zuverlässig. Ähnlich wie in Sonnen kann man mit diesen Geräten fast bis zum Eisen hin mit Gewinn fusionieren, darüber hinaus aber sogar auch schwere Elemente in nennenswerter Menge erzeugen, wenn man eben genug Energie hineinsteckt. Dann ist es natürlich kein Reaktor zum Energiegewinn mehr, tatsächlich braucht man dann mehrere Reaktoren, einige, die mit Gewinn arbeiten und einer, der die gewünschten Elemente produziert. Natürlich ist es immer viel effizienter, die notwendigen Materialien mit den Absorbern aufzusammeln, als so in kleinen Mengen zu erzeugen. Bei großem Mangel ist das allerdings immer eine gute Möglichkeit. Durch geschicktes Beimischen ist es so auch möglich, langlebiges radioaktives Material in harmlosere Substanzen zu transformieren.
Bei den supermassiven Atomen, die man erst deutlich nach meinem Unfall zu erzeugen gelernt hatte, waren die dynamischen stimulierten Schockwellen-Fusionsreaktoren aber die einzige Möglichkeit. Die Hypothese, daß es jenseits der schweren radioaktiven Atome bei noch höheren Massen stabile Konfigurationen geben könnte, hatte sich dann letztlich also doch bestätigt. Kleinere Mengen mit besonderen Eigenschaften verwendete man durchaus zu wiederum besonderen technischen Zwecken. Zum Beispiel erwiesen sich dünne Schichten daraus auf Oberflächen als nützlich, um Fusionsreaktoren deutlich kompakter und strahlungssicherer zu bauen, als das zuvor möglich gewesen wäre.
Körk hatte indessen keine nennenswerten Probleme mit der Abbremsung oder auch größeren Brocken, die einzuschlagen gedroht hätten. Kleinere Partikel wurden allerdings zunehmend erfolgreicher gesammelt.
Neben den Planeten hat das System auch zwei Asteroidengürtel ähnlich dem des Sonnensystems. Ein kleinerer relativ nahe zur Sonne war wohl auf einen durch Gezeitenkräfte zerstörten Kleinplaneten zurückzuführen. Jenseits der Bahnen der Zwillingsplaneten, deutlich davon und von den außenliegenden Gasriesen entfernt, gibt es allerdings einen zweiten. Eventuell hatten hier die Gezeitenkräfte des nächsten Gasriesen und der Zwillingsplaneten eine Planetenbildung verhindert. Jedenfalls waren wir uns bald einig, daß dieser Bereich ideal sei, um effizient weiteres Material zu akkumulieren. So wollten wir also hier in der Nähe dieses Gürtels unserer erste Umlaufbahn einnehmen. Von hier aus wäre es auch einfach, einerseits eine Raumstation aufzubauen, andererseits Sonden zu beiden Zwillingsplaneten zu schicken und auch weitere größere Sonden zu den eventuell ebenfalls relevanten Monden der Gasriesen. So hatten wir zwar zunächst weniger Informationen über die Zwillingsplaneten, als wir hätten bekommen können, wenn wir uns direkt für einen entschieden hätten, aber es würde uns so deutlich leichterfallen, eine große und komfortable und rotierende Raumstation zu bauen, die dann auch von mehr als maximal zwei Menschen bewohnbar wäre.
Die Wiederauferstehung eines zweiten Menschen stellten wir allerdings erst einmal noch zurück. Ich fühlte mich zwar schon etwas allein, allerdings hatte ich auch eine Menge an Kultur aus dem Archiv aufzuholen, immerhin hatte ich Jahrhunderte an Kunst, Literatur, Film und neueren Medien verpaßt, ich hatte also eine Menge zu sichten und auszuprobieren. So fühlte ich mich einstweilen noch nicht allzu einsam, obgleich ich manches Mal schon in meinem Zimmerchen lag und mir meine Situation noch einmal gedanklich auseinandersetzte:
Die Erde, der Rest der Menschheit war hunderte von Jahren entfernt. Und hier gab es außerhalb des Raumschiffes nichts an Kultur oder Zivilisation – davon gingen wir jedenfalls aus. Es wäre wohl albern gewesen, auf den Zwillingsplaneten gar intelligentes Leben zu erwarten. Zwar hatte ich ja die Ais als Gesellschaft, die sich wirklich gut bemühten, aber sie waren in ihrer Existenz eben doch abstrakt und im Verhalten auch gewöhnungsbedürftig anders.
Manches Mal, wenn ich mit geschlossenen Augen im Dunklen kurz vor dem Einschlafen sinnierte, fühlte ich es:
Ich kleines Etwas hier zusammengekrümmt, dann eine relativ dünne Hülle von Raumschiff und einem Hauch von Kultur und Heim, dann aber kam da draußen das endlose Nichts oder jedenfalls beinahe Nichts. Da draußen war der endlose Tod, die Leere, nichts Vertrautes, keine Heimat. Ich fühlte mich dann so winzig und allein. Aber ich hielt es doch aus und haderte nicht mit meinem Schicksal, jedenfalls nicht artikulierend vor den Ais, die ja eigentlich ein ähnliches Schicksal hatten, auch wenn man sie ausschließlich zu diesem Zwecke erschaffen hatte.
Das ist ja ein weiterer, wohl großer Unterschied zwischen Menschen und Ais, letztere sind erschaffen worden, sogar mit einem bestimmten, vordefinierten Zweck. Menschen entstehen eben aufgrund von irgendwelchen mehr oder weniger zufälligen Umständen ohne vordefinierten Zweck oder Sinn. Wenn man solch einen unbedingt braucht, muß man ihn schon selber festlegen. In meinem Falle aber wurde er mir hier quasi wie den Ais auch aufgezwungen. Und so hatten wir doch wieder eine große Gemeinsamkeit, ein Schicksal, welches wir teilen mußten.
Ich fragte dann noch einmal nach wegen der Menschen, der gesamten Zivilisation auf der Erde. Woran lag letztlich auch der Bevölkerungsrückgang in den Megastädten?
Ging es etwa auf ein Aussterben zu, einer Auslöschung der Art durch eigenes Unvermögen?
Plausibel wäre das schon. Natürlich hatten auch die Ais keine aktuellen Informationen, nur was von der Erde gesendet wurde. So hatte man bei Genmanipulationen davor gewarnt, daß in der nächsten oder übernächsten Generation durch Mischung von Varianten ungünstige Konstellationen entstehen könnten. Einige Methode schienen auch die Fruchtbarkeit zu beeinflussen oder Nachkommen waren überraschend mit reichlich Mutationen versehen und dann eben meist nicht sehr lange lebensfähig.
Viele der Genmanipulationen bei Menschen zielten eigentlich darauf ab, diese resistent gegen bestimmte Viren- und Bakterienerkrankungen zu machen, auch vererbte Krankheiten in der nächsten Generation einfach zu beseitigen. Teilweise gab es dabei unvorhergesehene Nebenwirkungen, die offenbar unerfreulich waren. Hatte man einmal mit einer bedenklichen Methode einen falschen Weg beschritten, war das aber offenbar jedenfalls nicht kurzfristig wieder zu kompensieren. Und wenn die nächste oder übernächste Generation nicht wirklich vital war, war es da noch schwerer, Fehler wieder zu beseitigen.
Bei den Krankheitserregern kam es dann auch wieder zu überraschenden Resistenzen und Wechselwirkungen mit den genmanipulierten Menschen, weswegen es immer reichlich zu tun gab, um das im Griff zu behalten.
Andere Ursachen schienen aber auch in den sozialen Strukturen der Megastädte zu liegen. Obgleich man ja relativ zum Maximum der Bevölkerungszahl der Menschheit auf unter ein Prozent abgenommen hatte und ja deutlich Mühe hatte, all die Umweltschäden der früheren Generationen auszugleichen, zu überleben oder wenigstens teilweise wieder aufzuräumen, gab es offenbar immer noch die Illusion von permanentem Wachstum, jedenfalls in den obersten Bevölkerungsschichten. Das aber ging natürlich auf Kosten der anderen und einer guten Versorgung. Wachstum für eine dann letztlich selbst immer kleiner werdende Gruppe von Leuten bedeutet dann eben als Konsequenz eine Reduktion der Gesamtzahl. Bei begrenzten Ressourcen geht das Wachstum der einen eben immer auf Kosten der anderen. Selbst die fortschrittlichen Methoden, im Weltraum Ressourcen direkt dort zu gewinnen, brachte auf der Erde nicht sonderlich viel, denn es wäre bei den allermeisten Materialien zu aufwendig gewesen, diese dann auf die Erde zu schaffen.
Zudem verlagerten sich die Interessen, so daß man sich eher auf die lokalen Probleme konzentrierte, statt noch aufwendige Weltraummissionen zu planen. Die Erforschung des Sonnensystems wurde durch die Ais fortgesetzt, wobei sie die Ressourcen außerhalb der Erde nutzten. Weitere extrasolare Missionen wurden irgendwann eingestellt. Zwar hält man den Kontakt zu den laufenden Missionen und die Abmachung, die Verstärker nachzuschicken, worum sich im wesentlichen die Ais kümmern, die ohnehin im Sonnensystem auf eigenen Stationen sitzen und dort die Sonden und Verstärker eben produzieren. Auf der Erde selbst ist aber doch eher Nabelschau angesagt und ein Rückzug. Die Ais konnten natürlich nicht sagen, ob zwischenzeitlich nicht doch wieder ein neuer Trend eingesetzt hatte oder man einige Probleme hatte lösen können. Wenn nicht, würde allerdings irgendwann die kritische Masse an Menschen unterschritten sein, um wirklich noch nennenswert voranzukommen, selbst mit den Ais, die ja eher keine neuen Impulse einbringen, sondern eher ihre Aufgaben zuverlässig abarbeiten. So erschien es durchaus möglich, daß die Menschheit auf der Erde eigentlich bereits im letzten Siechtum lag.
Ob wir mit unserer Mission aber wirklich die Hoffnungsträger waren?
Hildegard erläutere dazu dann auch genauer, was wir eigentlich für Möglichkeiten hatten. Wir hatten natürlich allerhand biologische Vorräte an Bord und durchaus auch ein Verständnis für einfachere biologische Systeme, also das Zusammenwirken, die Symbiose verschiedener Arten, so daß wir schon etwas aufbauen konnten. Wir hatten Genmaterial vieler komplexerer Arten an Bord, die mit geeigneten Maschinen bei Bedarf ausgebrütet werden konnten. Das Verhalten großer und komplexer biologischer Systeme, von Ökosystemen war aber natürlich nicht vorherzusehen, das konnte sich in völlig neue, überraschende Richtungen entwickeln, aber auch durch Einbringung von ein oder zwei dazu nicht passenden Arten relativ plötzlich komplett kippen. Wir würden also sehr vorsichtig sein müssen, wenn es schließlich wirklich dazu käme, ein neues planetares Ökosystem aufzubauen oder unsere Arten neben bereits vorhandenen anzusiedeln.
Auch Menschen könnten durchaus ausgebrütet werden. Und es gab ja auch noch einige Kryo-Zombies wie mich, die wiederauferstanden werden konnten. Daraus aber eine neue Gesellschaft zu entwickeln, eine neue Kultur, eine neue Zivilisation hier zu erschaffen, war noch einmal eine ganz andere Aufgabe.
Über die anderen Missionen wollte ich dann auch noch mehr wissen, was war darüber bis zu uns vorgedrungen?
Die ersten beiden Missionen waren ja deutlich bescheidener als unsere und gingen auch nicht so weit. Dafür waren aber auch die ausgewählten Ziele von vornherein nicht so aussichtsreich. Darüber waren bei uns durchaus Informationen angekommen. Bei einem System hat sich dann die ursprüngliche Einschätzung noch als falsch herausgestellt, dort fand man weder Leben noch Umgebungen, die es verlockend hätten erscheinen lassen, dort jemals Leben anzusiedeln. Die Mission lieferte trotzdem wertvolle Informationen über ein ganz anderes Sonnensystem und über Planeten mit interessanten Aktivitäten.
Die andere Mission fand am Ziel sogar Leben in sehr einfacher Form vor. Das System zeigte sich aber als nicht besonders stabil. Es treten dort offenbar immer wieder Katastrophen ein, die das Leben nahezu komplett wieder auslöschen. Das war jedenfalls bislang keine Umgebung für komplexere Lebensformen, vielleicht in einer Milliarde Jahre wieder einmal eine Überlegung wert. Das ist aber natürlich ein Zeitraum, welcher selbst für die Menschheit als Art nicht überschaubar ist.
Auch dieses System aber lieferte wertvolle Informationen zum Verständnis über andere Sonnensysteme und auch über einfaches Leben, Evolution unter extremen Bedingungen.
Wichtig waren bei beiden Missionen auch die Erkenntnisse darüber, wieso man die Ziele ursprünglich als erfolgversprechend eingestuft hatte und warum sie es dann trotzdem nicht waren. Die Daten, die man von der Erde aus über ferne Sonnensysteme und gar die Planeten darin erhalten kann, sind ja sehr begrenzt. Der Abgleich mit den reichhaltigeren Informationen vor Ort half hier, besser abzuschätzen, was man von den Daten halten kann, die man von der Erde aus gewinnen kann. Das jedenfalls führte zu einer weiteren Skepsis, was weitere aufwendige Missionen betraf. Mit diesen Informationen schien es dann im Nachhinein auch verfrüht gewesen zu sein, insbesondere die Missionen 3 und 4 so üppig auszustatten. So hielt man unter den Gesichtspunkten die späteren, bescheideneren Missionen für angemessener, wenngleich die auch aufgrund der langen Reisedauer nicht viel Informationen für weitere Entscheidungen liefern konnten. Sie waren unterwegs und hier bei uns waren entsprechend keine wirklich relevanten Informationen über diese Missionen angekommen, die nach uns gestartet waren und zudem in deutlich andere Richtungen unterwegs waren.
Es blieb also unsere Mission 4 und die etwas bescheidenere und früher gestartete Mission 3. Ida zögerte zunächst etwas, rückte dann aber doch mit der Sprache heraus, was mit Mission 3 los war. Diese war zufällig in eine ähnliche Richtung wie wir gestartet, so daß wir sogar teilweise dieselben Verstärker nutzten. Diese drifteten gezielt so, daß sie weiter über lange Stecken gemeinsam genutzt werden konnten. Insbesondere bekamen wir so von Mission 3 die Informationen sogar deutlich eher als die Erde und umgedreht Mission 3 auch die Informationen von uns mit geringerer Verzögerung. Natürlich waren wir inzwischen doch ziemlich weit auseinander und die Übertragungszeit für ein Informationespaket dauerte nun auch schon Jahre. Immerhin, das Ziel von Mission 3 war nicht so weit weg, als daß man es nicht notfalls hätte erreichen können. Umgedreht war von Mission 3 aufgrund der bescheideneren Ausstattung allerdings nicht zu erwarten, daß diese unser Ziel notfalls hätten erreichen können.
Jedenfalls hatte es bei Mission 3 noch deutlich vor der Annäherung an ihr Ziel einen dramatischen Zwischenfall gegeben. Das Raumschiff hatte eine katastrophale Begegnung mit einem massiven Irrläufer. Ein Irrläufer ist ein Objekt von der Größe und Form eines Planeten oder Kleinplaneten, was irgendwann einmal aus seinem Sonnensystem herausgeschleudert wurde und nun im freien Raum mit ebenfalls hoher Geschwindigkeit unterwegs ist. Zwar hatten die Sonden diesen Irrläufer detektiert und man hatte sich bemüht, auszuweichen, aber solche selbst kaum strahlenden Objekte sieht man relativ spät, so daß es bei der hohen Relativgeschwindigkeit keinen großen Effekt hatte, was man mit den Partikelbeschleunigern kurzfristig erreichen konnte. Immerhin, der Irrläufer ist knapp am Raumschiff vorbeigestreift, hat dabei die äußersten Absorber abrasiert, Schäden an der Hülle des Raumschiffs hinterlassen. Umlaufende kleine, mondartige Brocken hatten das Raumschiff dann richtig getroffen, welches aufgrund der Schäden an den Absorbern an einigen Stellen diesem Ansturm von Material schlecht gewachsen war. Dieses fatale Zusammentreffen hat das Raumschiff zwar nicht komplett zerlegt, aber leider sind dabei nahezu alle biologischen Vorräte zerstört wurden, auch Teile des Archives. Mission 3 hatte dann größere Probleme, sich von der Katastrophe wieder halbwegs zu erholen, die Schwarmroboter haben einige Zeit gebraucht, um die größten Schäden zu reparieren. Wegen der großen Entfernung und der überschaubaren Übertragungsraten dauert es immer noch an, das Archiv wieder mit Daten der Mission 4 zu füllen, eigene relevante Daten der Mission 3, die bis zum Zwischenfall nicht geteilt wurden, waren allerdings verloren. Letztlich war die Mission 3 nun nur noch eine Rumpfmission mit Ais und hinsichtlich der verfügbaren Arten hatten sie nur noch einfache und sehr robuste Mikroorganismen im Angebot. Immerhin würden sie in der Lage sein, ihr Zielsonnensystem zu untersuchen, zeitlich gesehen müßten sie es schon erreicht haben. So bekämen wir also Berichte und wenn diese erfolgversprechend wären, so käme es dann wohl auch auf unsere Ergebnisse an, wie weiter verfahren würde. Würden wir irgendwann ein weiteres Raumschiff mit fehlender Biomasse zum Sonnensystem der Mission 3 schicken?
Das würde sich dann vielleicht in einigen Jahren oder auch erst Jahrzehnten ergeben, je nachdem, wie sich unsere Mission entwickelte und wie weit wir in der Lage waren, weiter zu expandieren und Ressourcen dafür zu erübrigen.
Diese Nachrichten über das Schicksal der Mission 3 fand ich natürlich ziemlich niederschmetternd. Somit waren wir eigentlich die einzigen, die noch eine realistische Chance hatten, den Neuanfang irdischen Lebens umzusetzen.
Zu denken gab mir auch, daß wir ja auch bereits einen üblen Zwischenfall mit den Brocken hatten, die bei uns eingeschlagen waren. Die Absorber mochten ja für kleine Teilchen oder kleine Relativgeschwindigkeiten gut funktionieren, aber für interstellare Raumfahrt schien mir das kein wirklich ausgereiftes Konzept zu sein. Wenn der Weltraum im Grunde auch weitgehend leer ist, so hat ein Zusammenstoß doch aufgrund der hohen Relativgeschwindigkeiten schnell fatale Folgen.
Ich konnte ja nur hoffen, daß die Ais wenigstens die Risiken in der Nähe des Asteroidengürtels gut abschätzen konnten. Nachdem ich offenbar so lange meinen Dornröschenschlaf abgehalten hatte, wollte ich nun eigentlich noch etwas von meinem Restleben haben, jedenfalls deutlich mehr als eine fatale Weltraumkatastrophe.
So oder so lebte ich mich in diesen ersten Wochen und Monaten ganz gut ein und wir kamen gut miteinander aus.
Ich lernte schnell und fleißig viel über die Mission und allgemein über Erkenntnisse, die mir neu waren, die die Menschheit in der langen Zeit meines Dornröschenschlafes errungen hatte.
Ich lernte auch die aktuell gerade bevorzugte Skript- und Programmiersprache und war bald in der Lage, selbst dekorative und bei Bedarf auch animierte Kunstwerke zu erschaffen, die die Wände zieren konnten, wenn mir danach war.
Die Ais fanden diese Kunstwerke durchaus interessant, das war ein anderer Aspekt, der ihnen immer wieder an Menschen aufgefallen war, der sie immer wieder überraschte. Sie nahmen meine Konzepte auf und waren schnell in der Lage, darauf aufbauend das Konzept zu abstrahieren, zu parametrisieren, zu verallgemeinern und so ihre Variationen eines Themas anzubieten. So hatten wir durchaus neben der Arbeit auch etwas Unterhaltung, die nicht direkt mit der Mission zu tun hatte. Ich war eigentlich ganz froh, daß sich die Ais dabei eigentlich recht locker, wohlwollend und interessiert zeigten und nicht nur stur der Missionsarbeit nachgingen. So fühlte ich mich längst nicht so alleine. Aber wer weiß, vielleicht war gerade das ihr Kalkül, sich interessiert zu zeigen, um mich bei Laune zu halten?
Ich neigte schon dazu, ihnen und ihren Fähigkeiten zu vertrauen. Aber es gehört eben zum menschlichen Denken dazu, jedenfalls zu meinem, das auch immer wieder ein wenig zu hinterfragen und darüber zu reflektieren, wo ich eigentlich gerade stehe und wie relativ zu den anderen in meiner Umgebung. Was ist mir wirklich bekannt, was nur so mitgeteilt und geglaubt, was geprüft, was belanglos, was plausibel?
Immerhin, bei dem Umfang an Informationen, der Komplexität der Angelegenheit war es wohl völlig ausgeschlossen, einer Selbsttäuschung oder einem Traum zu unterliegen. Selbst eine Kulisse für ein psychologisches Experiment war längst nicht mehr plausibel. Ich war wirklich hier auf dieser Mission, das war ich nun bereit, wirklich einzuräumen. Ich war Teil der Mission, wie die Ais es auch waren.
Das Bremsmanöver dauerte an und es gab dabei zum Glück oder aufgrund Körks Können keine nennenswerten Zwischenfälle, die es erneut notwendig gemacht hätten, daß ich wieder in diese zähe Schutzsuppe hätte abtauchen müssen. Aber wir näherten uns ja auch schräg zur Ekliptikebene. Die dicke Suppe wäre erst im Asteroidengürtel zu erwarten gewesen, aber bis dahin hatten wir die Geschwindigkeit genau abgebremst, um auf eine ähnliche Umlaufbahn um die Sonne einzuscheren. Die Brocken in solch einem Gürtel haben alle über die lange Zeit eine ähnliche Bahngeschwindigkeit bekommen, von daher geht es darin trotz kleinerer Kollisionen relativ harmlos zu. Ida hatte schon Programme mit Schätzungen anhand von Simulationen laufen, wie oft wohl einer der Zwillingsplaneten von solch einem Asteroiden getroffen würde. Die Ergebnisse waren schon interessant. Die Zwillingsanordnung sorgte bei sich annähernden Objekten in ihrer Nähe eher für chaotische Bahnen, Treffer gab es allerdings sogar seltener als auf der Erde, wo ja eine etwas andere Konstellation vorliegt, zum einen das System Erde-Mond mit dem deutlich kleineren Mond, dann auch noch der Mars und dann erst der Asteroidengürtel. Der darauf folgende innerste Gasriese ist zudem kleiner als der Jupiter, die Gezeitenkräfte für die Asteroiden also anders verteilt. So sollte es also relativ sicher für uns in diesem System sein, wenn wir erst einmal eine Umlaufbahn erreicht hätten.
Der Haken an Simulation und Rechnung war allerdings, daß wir bislang relativ wenig Informationen über das System hatten. Von der Erde aus hatte man etwa die Asteroidengürtel gar nicht detektieren können. Zwar konnte man vom Sonnensystem her schon annehmen, daß es das gab, Details begannen sich uns aber erst jetzt zu eröffnen. Da solch ein Asteroidengürtel ja relativ gleichmäßig in seinem Bahngebiet um die ganze Sonne verteilt ist und die Objekte relativ zur Sonne ziemlich klein sind, ist die Detektion von weiter weg deutlich schwieriger als etwa bei einem Gasriesen oder auch einem erdähnlichen Planeten. Erst wenn wir aber unsere Umlaufbahn erreicht haben würden, konnten wir wieder ausgiebig Sonden aussenden und das Phänomen näher untersuchen. Die Schätzung für beide Asteroidengürtel ergab jeweils grob eine Gesamtmasse in der Größe eines erdähnlichen Planeten, also die Größenordnung Mars, Venus, Erde. Das werteten wir als ungefähren Hinweis darauf, daß hier in beiden Fällen aufgrund der Gezeitenkräfte jeweils mindestens ein Planet zerlegt wurde oder eben durch eine fatale Kollision zweier kleinerer Planeten solch ein Trümmerfeld entstanden war. Gehörten die Teile, die uns beinahe getroffen hatten, auch zu diesem katastrophalen Ereignis oder zu noch einem weiteren?
Die Umlaufbahn der Zwillinge ist gegen die Hauptekliptik des Sonnensystems um knapp zwanzig Grad geneigt. Auch das deutet eigentlich auf irgendein dramatisches Ereignis bei der Entstehung des Zwillingssystems hin. Hatte das auch nennenswerte Auswirkung auf damals vielleicht noch existierende Nachbarplaneten?
Hatten die Zwillinge dann mit den leicht unregelmäßigen Kräften zusammen mit den Gezeitenkräften der äußeren Gasriesen vielleicht frühere, kleinere Nachbarplaneten allmählich aus ihrer Bahn geschaukelt und waren die dann miteinander kollidiert?
Hatte sich das Sonnensystem erst danach langsam stabilisiert?
Oder war es gar nicht so stabil, wie man es sich dachte, als man die Mission gestartet hatte?
Sobald wir in der Umlaufbahn wären, würden wir hoffentlich mit mehr Daten genauere Schlüsse ziehen können.
Ich lernte immer besser, mit den Schnittstellen des Raumschiffes umzugehen, etwas halfen natürlich auch insbesondere Ida und Hildegard, mir die Dinge so einzurichten, damit ich mich richtig wohlfühlen konnte. Obwohl es ja ein ausführliches Missions-Logbuch gab, entschloß ich mich dann auch, mit dem System eigene Aufzeichnungen anzulegen. Ich wollte jetzt nicht einfach ein Tagebuch anlegen, eher eine Erzählung. Dabei kam mir natürlich sehr zur Hilfe, daß die Stimmenerkennung ja sehr gut funktionierte, die Ais hatten ja gar keine Probleme, sich mit mir zu unterhalten. Das nutzte ich dann eben auch, um meine Aufzeichnungen anzulegen. Statt das nun wörtlich zu übernehmen, wählte ich eine für mich faszinierende Möglichkeit, mit welcher ein offenbar oder jedenfalls aus meiner Sicht sehr fortgeschrittenes Autorenprogramm in der Lage war, aufgrund der Eingaben eine Erzählung zu fabrizieren und auszuformulieren.
So entsteht also die offenbar gerade gelesene oder angehörte Erzählung. Dabei weiß ich allerdings gar nicht so genau, für welches Publikum sie eigentlich sein soll, denn derzeit gibt es hier ja außer mir und den Ais niemanden, der sich als Publikum für die Erzählung eignen würde, es ist also mehr ein Spaßprojekt, welches allerdings sozusagen in Echtzeit entsteht, sobald ich etwas zur Aufzeichnung bringe. Ich muß mich nicht setzen und tippen, es fließt sozusagen fast von selbst.
Und dann war es endlich so weit. Körk bremste zunehmend weniger, die mir beinahe schon gewohnte Beschleunigung zum Boden hin ließ so immer weiter nach, ich war wieder immer stärker auf die Funktion meines eng anliegenden Anzuges angewiesen.
Es gibt ja schon lange die Idee, dieses Problem bei Raumschiffen zu umgehen, indem man sie toroid konstruiert und dann eben schnell rotieren läßt, um so über die zentrifugale Scheinkraft eine Beschleunigung auf den Körper auszuüben, der gerade der Erdschwerkraft entspricht.
Aufgrund der notwendigen Schichten von Absorbern und das Raumschiff herum wäre das allerdings für die interstellare Raumfahrt ziemlich unpraktisch gewesen. Man hätte die filigrane und komplexe, sehr große Absorberschicht komplett vom Raumschiff entkoppeln müssen, was das Problem aufgeworfen hätte, wie man dann Raumschiff und Absorber relativ zueinander auf Position halten könnte, wenn beschleunigt würde. Das erforderte bereits bei unserem Raumschiff einige Kniffe, bei einem rotierenden wäre das noch einmal eine ganz andere Herausforderung gewesen.
Um mit Supraleitern hingegen einfach starke Magnetfelder um das Raumschiff herum zu erzeugen, wäre die toroidale Form sehr schön gewesen. Auch ohne diese funktionierte es bei unserem Raumschiff allerdings auch sehr gut mit dem starken Magnetfeld zur Ablenkung geladener Teilchen.
Eine toroidale, rotierende Raumstation würden wir allerdings erst bauen müssen, von daher würden die Monate bis dahin für mich zwangsläufig ziemlich mühsam werden. Indessen war der Anzug eigentlich gar nicht einmal so schlecht. Ich gewöhnte mich eigentlich ganz gut, zumal auch die Abnahme der Beschleunigung ja nicht plötzlich erfolgte, sondern kontinuierlich reduziert wurde.
Dann waren wir in der Umlaufbahn. Das hatte problemlos geklappt. Und Körk hatte dafür nicht einmal alles aufgesammelte Material verheizt. Von daher konnten wir mit dem Ergebnis sehr zufrieden sein. Wir waren praktisch am Ziel angekommen.
Die Sonden schwärmten aus, um mehr Informationen über unsere Umgebung zu beginnen. Auch die ersten Roboterschwärme waren bereits zu den ersten Brocken des Asteroidengürtels unterwegs, um sich einerseits selbst zu vermehren, andererseits aber auch, um Material zu sammeln, um weitere Sonden zu bauen, dann auch eine toroidale Raumstation zu konstruieren. Die Absorber blieben einstweilen kompaktifiziert, um diese komplexeren Manöver und Explorationen zu erleichtern.
So weit lief die Sache für uns ziemlich gut. Die Sonden brachten recht zügig deutlich mehr Informationen über den Asteroidengürtel herein. Bei diesem zeigte sich allerdings eine unerwartete Dynamik, ähnlich wie Wirbel und stärkere, durchaus auch fluktuierende Dichteschwankungen. Das sah nun gar nicht so aus, als wäre das im Gleichgewicht. Das war überraschend. Es war auch nicht durch die in der Stärke ja durchaus etwas schwankenden Gezeitenkräfte der Zwillingsplaneten zu erklären, das hätte schon längst du einer relativ eindeutigen Musterbildung führen müssen. Wir fanden eher ein munteres, chaotisches Durcheinander vor, einerseits nicht wahnsinnig verblüffend bei solch einer komplexen Struktur, andererseits dann aber doch schwieriger zu durchschauen und vor allem zu prognostizieren als gedacht.
Mit dieser Überraschung fühlten wir uns nicht richtig wohl, ändern konnten wir daran allerdings auch nichts, einmal mehr war also abfinden, annähern und analysieren unser Plan, uns mit der neuen Situation zu arrangieren und herauszufinden, ob oder was daran für uns gefährlich werden konnte.
Ich mühte mich dann um unsere ersten Ergebnisse unserer kleinen Pflanzenzucht, auch um das Essen etwas abwechslungsreicher zu gestalten. Hildegard stand mir natürlich geduldig und stets kompetent zur Seite, in diesem Falle sogar wirklich mit einem Roboter als präsenter Manifestation. Wir gärtnerten also munter vor uns hin, ich hatte dabei schon etwas Mühe, trotz des Anzuges die filigraneren Arbeiten bei Schwerelosigkeit gut hinzubekommen. Immerhin hatten wir ja vorsorglich Pflanzen ausgewählt, die damit weniger Probleme hatten. Sie wuchsen ja ohnehin nicht in loser Erde, sondern in einem fixierten Substrat zusammen mit ihren symbiotischen Pilzgeflechten, in dem Substrat gab es also ein gut funktionierendes Mykorrhiza. Erst durch das gute Verständnis solcher Symbiosen und kleiner Ökosysteme war es möglich geworden, solche Agrikulturen erfolgreich auf diesen Substraten im Weltraum zu betreiben.
Dann kam eine Warnung von Körk an mich!
Festhalten!
Offenbar drohte erneut eine Kollision mit einem größeren Objekt oder jedenfalls ein aggressives Ausweichmanöver?
Es blieb keine Zeit für Fragen oder Erklärungen. Plötzlich haftete der Anzug nicht mehr ordentlich am Boden, riß sich los!
Ich segelte einfach durch den relativ kleinen Raum und krachte mit Schultern und Kopf gegen eine Wand, obwohl ich mit den Händen und Armen noch irgendwie den Aufprall dämpfen wollte!
Was mag passiert sein?
Noch nicht verfügbare Handlungsstränge:
Allein
Als ich erwachte, fühlte ich mich ziemlich klar im Kopf. Vermutlich stimmte aber etwas nicht, denn irgendwie war ich aus dem zähen Brei nach oben getrieben und irgendwas piepte mit einer Anmutung von Alarm. Ich blickte auf einen Bereich an der Wand, auf der mit einigen Störungen eine Schrift zu sehen war:
Störung, aufgrund von größeren Schäden gibt es erhebliche Beeinträchtigungen in der Funktionalität des Raumschiffes. Reparaturmaßnahmen sind dringend erforderlich!
Das hörte sich nun gar nicht gut an, zumal ich keine Ahnung hatte, wie hier irgendwas zu reparieren sein könnte. Gibt es dafür nicht die Roboterschwärme und die Ais?
Und das war vielleicht auch schon der Kernpunkt.
Was war mit den Ais los?
Ich versuchte es nun doch schon etwas nervös: „Ida?
Was ist passiert?“
Es kam aber keine Antwort.
So fragte ich weiter: „Hildegard?
Körk?
Ida?
Meldet euch bitte!
Was ist los hier?“
Es kam weiterhin keine Antwort.
Besorgt stand ich auf.
Irgendwie haftete zwar der Anzug am Boden, aber es schienen auch noch andere Kräfte auf mich zu wirken, etwas ungleichmäßig, aber eindeutig seitlich, nicht zum Boden hin. Immerhin löste sich der Brei beim Aufstehen ganz gut von meinem eng anliegenden Anzug und blieb so an dem dafür vorgesehenen Ort zurück.
Ich näherte mich dem Bereich mit der Schrift an der Wand.
Ida hatte mir erklärt, wie ich gewisse Grundfunktionen des Schiffes interaktiv nutzen kann. So probierte ich es und hangelte mich dann irgendwie durch, um an Informationen über den aktuellen Status des Raumschiffes zu kommen. Nicht alles am Informationssystem des Raumschiffes funktionierte wirklich wie gedacht oder zu der Zeit, wo ich es mit Ida probiert hatte. Das dauerte daher eine ganze Weile, dann aber stieß ich endlich auf einen Bereich, in welchem ich etwas erfahren konnte, das waren aber wirklich reine Statusinformationen über das Schiff, welche natürlich nicht direkt erzählten, was passiert war. Offenbar hatte das Schiff enorme Schäden, diverse Bereiche waren komplett zerstört, diverse Funktionen nicht mehr verfügbar.
Überraschend hörte ich dann doch Körks Stimme: „Dies ist eine Aufzeichnung. Die automatischen Systeme haben detektiert, daß du wach bist. Es hat einen fatalen Zwischenfall gegeben, der große Schäden am Raumschiff bewirkt hat. Da du diese Nachricht bekommst, sind davon vermutlich auch die Ais betroffen.
Was wir bis zu diesem Zeitpunkt der Aufzeichnung wissen: Wir wurden von mehreren größeren Objekten getroffen, welche relativ zueinander und zu uns eine so unglückliche Flugbahn hatten, daß größere Teile unserer Absorber fatal beschädigt wurden, wonach dann auch Objekte Teile des Raumschiffes getroffen haben. Diverse Funktionen sind ausgefallen. Dazu gehört der Antrieb und auch die Steuerung der Absorber.“
Danach folgten weitere Erläuterungen, wie ich Statusinformationen über das Schiff finden könne, was mir immerhin bereits gelungen war, dann gab es aber auch noch einige Tips, wie ich dann zu Informationen gelangen könne, was wogegen zu tun sei. Das war immerhin eine kleine Hilfe.
Ich war geschockt. Ich mußte mich erst einmal setzen. Da das Bett offenbar immer noch in diesem breiartigen Zustand war, nahm ich dann das stuhlartige Objekt, welches zwar nicht sonderlich flexibel reagierte, aber in statischer Form zum Glück noch ganz gut brauchbar war. Ich atmete tief durch. Meine Blicke fielen auf meine Hände. Ich zitterte. Offenbar war das automatische System nicht in der Lage oder auch willens, mir irgendwelche Mittel zu verabreichen. Ich versuchte mich so zu beruhigen und das war auch ganz in Ordnung, ich wollte das Zeug gar nicht. Ich war nicht einmal panisch, bis ins Innerste verunsichert schon, aber nicht panisch. Die Lebenserhaltungsfunktionen in meinem Bereich funktionierten einstweilen ohne ersichtliche Befristung, für die Energieversorgung stand mindestens ein funktionsfähiger Fusionsreaktor zur Verfügung. Das Rumpfsystem des Raumschiffes hatte durchaus noch eine gute Funktion, obgleich die Einschläge offenbar größere Teile des Hauptrechenzentrums des Raumschiffes getroffen hatten. Die Ais hatten ja dezentalisiert und möglichst gut verteilt Sicherheitskopien im Raumschiff. Das nutzte mir und auch ihnen nun kurzfristig aber offenbar nichts, da die noch verfügbaren Kapazitäten nicht ausreichten, um derart komplexe Programme laufenzulassen. Alles war auf ein elementares Rumpfsystem reduziert, welches allerdings irgendwie doch mitbekommen hatte, daß es mich gab und ich deshalb hinreichend versorgt sein sollte.
Die Reparatur-Roboterschwärme waren aktiv, arbeiteten ihre Prioritätenliste ab. Es gab sie also immerhin doch noch und sie waren fleißig, aufgrund der Vielzahl der Schäden hatten sie allerdings deutlich mehr zu tun, als sie auf einmal schaffen konnten. Dabei war zudem gar nicht so einfach abzuschätzen, was nun Priorität hatte. Das hing ja auch entscheidend davon ab, ob weitere Einschläge drohten. Ich mühte mich, entsprechende Fragen an das System zu stellen. Es gab aber nur dürftige Informationen über den Außenraum, offenbar war die Kommunikation zu einigen Sonden gestört. Immerhin, das System reagierte auf mich und ich konnte es so drehen, daß dieser Aspekt größere Priorität bekam. Immerhin arbeiteten die Schwärme massiv parallel, so daß das System dafür nur einen Teil abzweigen mußte. Ohne die Fähigkeiten der Ais funktionierten die Schwärme aber offenbar deutlich weniger effizient, als sie es mit ihren Anweisungen gewesen wären. Die Steuerung durch das Rumpfsystem fiel dann doch deutlich schwächer aus. Das aber war wohl nicht so einfach zu ändern.
Stunden später hatte ich dann passable Informationen von den Sonden und gewann so allmählich einen Überblick, bekam auch Aufzeichnungen herein, was uns wie getroffen hatte. Das war schockierend und beängstigend. Bei dem Anblick konnte ich mich nur wundern, daß ich mir das überhaupt noch ansehen konnte. Das Schiff war schwer zerstört, von außen sah es nach einem Totalschaden aus. Immerhin, die Statusinformationen zeigten dann doch, daß es drinnen etwas besser aussah als es die Aufzeichnungen vermuten ließen.
Was sich aufgrund der Daten der Sonden abschätzen ließ:
Die Objekte schienen alle gemeinsam in einem breiten Gürtel in ungefähr eine Richtung zu fliegen. Wir hatten den Gürtel eigentlich mit unserer Flugbahn nur gestreift, die Ausweichmanöver hatten aber offenbar nicht ganz gereicht, um allen Brocken auszuweichen, die Absorber hatten nicht gereicht, um so große und viele Brocken zu verdauen. Immerhin waren wir nun wohl bereits in einen Bereich außerhalb dieses Gürtels. Trotzdem stimmte ich schon mit dem System überein, daß die Reparatur der Absorber hohe Priorität habe. Weitere hohe Priorität hatte natürlich das Stopfen der Löcher im Raumschiff, die Reaktivierung des Magnetfeldes. Zum Glück hatten die Supraleiter nicht viel abbekommen und jene Teile, die defekt waren, wurden nun auch bereits getauscht oder repariert.
In dem Streß und der Anspannung und der fieberhaften Beschäftigung mit dem Zustand des Raumschiffes war es mir zunächst gar nicht aufgefallen, aber offenbar hatte der Anzug nicht nur die Versorgung mit Beruhigungsmitteln oder allgemeiner Medikamenten aufgegeben, sondern auch die Versorgung mit Flüssigkeit und Nahrung.
Ich hatte seit langem wieder Durst!
Ich bemühte mich um Statusmeldungen über diesen Bereich der Technik. Da gab es allerdings Probleme, die nicht einmal mit meinem Anzug selbst zusammenhingen, denn meinen Bereich hatte ja zufällig gar nichts getroffen. Nach den Prognosen konnte es aber noch Tage dauern, bis die kritischen Funktionen wieder hergestellt waren. So suchte ich denn in dem System insbesondere nach Wasservorräten. Ich mußte ja wohl trinken. Und wieder hatte ich gut zu tun, bis ich etwas aufgespürt hatte, was die Katastrophe überstanden hatte. Die nächste Herausforderung war dann, einen Weg zu finden, um dorthin zu gelangen oder alternativ etwas Wasser zu mir bringen zu lassen. Letzteres erwies sich schnell für mich jedenfalls nicht gut hinzubekommen, das System funktionierte so schlecht, daß ich nicht einmal eben einen Roboter durch das zerstörte Raumschiff steuern konnte, um an Wasser zu kommen. Ich grübelte, kam aber zu keinen anderen Schluß, als es selbst versuchen zu müssen. Zum Glück war mir die Ergänzung meines Anzuges zu einem Raumanzug zugänglich. Entsprechendes war direkt hier in meiner Kabine verborgen und ich fand es, legte diesen Raumanzug an. Der war nicht unbedingt dafür gedacht, längere Zeit in einem zerstörten Raumschiff zu spazieren, aber ich hatte wohl keine andere Wahl. Immerhin funktionierte das System noch, welches verhinderte, daß die Atmosphäre meines Wohnraumes beim Verlassen desselben entwichen wäre, wenn eine Tür geöffnet wurde, diese hatte bei deutlichen Druckunterschieden automatisch die Ausprägung einer Schleuse. So zog ich also los, bahnte mir einen Weg durch das zerstörte Raumschiff, sah nun erst wenigstens einen Teil der Katastrophe persönlich, erreichte aber doch irgendwann mein Ziel und machte mich mit zwei größeren Kanistern und sogar einem Paket Notration Essen für Menschen auf den Rückweg. In einem trudelnden, wild rotierenden Raumschiff, gefüllt mit jeder Menge Schrott ist es bei Schwerelosigkeit kein Spaß, einen solchen Ausflug zu machen. Mehrere Male hätte ich fast den Anzug aufgerissen, was dann wohl meine Ende gewesen wäre. So war ich erleichtert, als ich in meiner Kabine wieder relativ sicher war. Ich trank und pausierte erschöpft.
Es dauerte Tage, bis das Magnetfeld wieder in voller Stärke lief, über eine Woche, bis die Absorber wieder halbwegs in Funktion waren, bis einige kleinere Düsen das Trudeln des Schiffes korrigiert hatten, die Löcher im Raumschiff wieder geflickt waren. Ein massives Problem ergab sich daraus, daß das Hauptrechenzentrum des Schiffes praktisch zerstört war. Und mit wenig Rechenleistung ging deshalb Vieles auch nicht gut voran, es konnten nur kleinere Reparatur-Roboterschwärme gesteuert und verwaltet werden. Immerhin waren jene, die auf die Absorber spezialisiert waren, nahezu autark. Diese sorgten wohl auch dafür, daß der Raumschiffschrott gesammelt und dann zur Reparatur wiederverwendet wurde, statt in den Raum hinaus zu entweichen. Die Reparatur des Hauptrechenzentrums aber konnte nur sehr langsam erfolgen, Schritt für Schritt nur konnte die Rechenkapazität des Schiffes wieder erweitert werden. Zudem mußte ich ja wohl auch dazu drängen, meine Versorgung sicherzustellen, was dann weitere Ressourcen kostete, aber kaum vermeidbar war, denn ich konnte mich nicht einfach so konservieren lassen, um die Angelegenheit einfach auszusitzen, die Systeme waren auch beschädigt.
Als mir das bewußt wurde, faßte ich mir erschrocken an den Kopf und suchte fieberhaft die Statusmeldungen durch. In der Tat, ein Großteil der biologischen Vorräte der Mission war beim Aufschlag zerstört worden. Vor allem Mikroorganismen hatten es einstweilen geschafft, Kryo-Zombie oder eben besser Menschen hatten es außer mir nicht geschafft!
Ich schluckte, sackte in mich zusammen und ließ diese Information dann langsam und willenlos durch mein Bewußtsein sickern. Ich war allein, fernab, sozusagen von meiner Warte aus gesehen am Ende der Welt!
Ich brauchte letztlich mehrere Tage, bis ich mich überhaupt wieder dazu aufraffen konnte, mich um den aktuellen Status des Schiffes zu kümmern. Das war trotz einiger Fortschritte immer noch ein Trauerspiel. Aufgrund der Komplexität der Antriebe und auch der Fusionsreaktoren waren wir da noch weit von einer Reparatur entfernt, immerhin funktionierte der Fusionsreaktor tadellos, an welchem derzeit unsere Energieversorgung hing. Ohne diesen würden wir vermutlich nur einige Tage durchhalten. Zum Glück aber machte der keine Zicken und schnurrte friedlich. Bei den anderen hatte ich natürlich längst nach Problemen mit Strahlung suchen lassen. Das war aber soweit in Ordnung. Die größte Dosis hatte ich wohl abbekommen, weil Magnetfeld und Schutzschicht des Raumschiffes einige Tage nicht funktioniert hatten. Aber auf die Dosisleistung kommen wohl auch Vielflieger auf der Erde innerhalb von weniger als einem Jahr. So war es wohl immerhin nicht mein Hauptproblem, daß aktuell mein Anzug immer noch nicht komplett funktionierte und die medizinische Versorgung so gut wie nicht vorhanden war. Ich fühlte mich in Ordnung, gesund, also keine Notwendigkeit, die Prioritätenliste zu ändern. Immerhin hatte ich es so weit gebracht, dann doch endlich wieder mit Flüssigkeit und Nahrung versorgt zu werden, die Grundfunktionen des Anzuges hinsichtlich Ernährung und Körperhygiene waren dann wieder funktionsfähig, was meine Stimmung merklich aufbesserte. Das ließ mich etwas grübeln und recherchieren, aber der medizinische Teil funktionierte immer noch nicht, der Anzug verabreichte mir also nicht vorsorglich Psychopharmaka, um mich in der Katastrophe glücklich zu stimmen. Das war eine gute Entdeckung. Ernsthaft konnte man nun nicht sagen, ich würde irgendwo einen Hoffnungsschimmer erkennen, aber ich fühlte mich wirklich besser, aus mir heraus, nicht einmal mit der Illusion, wirklich etwas im Griff zu haben, aber ich lebte und nirgendwo tickte hier einstweilen eine Uhr, die meine letzten Tage herunterzählte, so durfte ich immerhin hoffen, daß ich noch nicht wirklich angezählt war.
So vergingen die Wochen mit Reparaturarbeiten. Die Absorber wurden durchaus wieder von kleineren Brocken getroffen, hatten das aber nun gut im Griff. Die großen Brocken hatten uns etwas vom Kurs abgebracht, was mich einstweilen nicht sorgte. Der Kurs war ohnehin nicht sonderlich genau und wir waren schon noch ein gutes Stück von den Planeten und der Sonne entfernt. Die grobe Rechnung zeigte, daß wir in einigem Abstand von der Sonne die Hauptekliptik des Systems queren würden, wenn nichts weiter unternommen würde. Wir waren so schnell, daß die Gravitation der Sonne unsere Bahn aber nur mäßig ablenken würde. Ich hatte wieder ein eigenartiges Gefühl in der Magengegend. Der Antrieb war immer noch defekt und irgendwie sollte dies ja eigentlich das Ziel der Mission sein, ohne Abbremsung aber würden wir einfach weiterfliegen, hinaus in die endlosen Weiten des Weltraums. Körk oder auch die anderen Ais wußten, was zu tun wäre, um zu bremsen, ich aber nicht. Nervös suchte ich nun nach Informationen. Mit den Triebwerken, also den Teilchenbeschleunigern kann man bremsen, auch durch Einfang von Material des Sonnensystems, den Sonnenwind, bei einem einfachen Durchflug hatte das aber bei weitem keine ausreichende Wirkung. Die weitere Atmosphäre der Sonne oder von Planeten zum Bremsen zu verwenden, war offenbar komplex und bei der aktuellen Geschwindigkeit alleine nicht sinnvoll. Die Gravitationspotentiale von Sonne und Planeten zu nutzen, konnte schon etwas bringen, aber auch eher bei niedrigeren Geschwindigkeiten und natürlich der Möglichkeit von eigenen kräftigen Kurskorrekturen, um solch ein eher komplexes Manöver durchzuführen. Denn man weiß natürlich, bei einen Objekt im Gravitationsfeld eines einzigen anderen Körpers kann man nicht bremsen, man bleibt einfach entweder auf einer elliptischen Umlaufbahn oder in einem hyperbolischen Vorbeiflug. Ohne weitere Manöver war letzteres derzeit die Flugbahn des Raumschiffes. In meinem System mit mehreren Objekten kann man natürlich kinetische Energie eines Raumschiffes durch geschickte Manöver an andere Objekte abgeben.
Es ging nicht mehr so richtig voran, die Reparatur des Hauptrechenzentrums verlief sehr schleppend, ohne das aber gab es auch keine nennenswerten Reparaturen von Fusionsreaktoren und Antrieb. Abermals verstrichen Wochen. Irgendwie gerieten wir dann wieder in diesen gefährlichen Gürtel mit üblen Brocken. Die Absorber bekamen mehr zu tun. Ausweichen war praktisch unmöglich, so blieb mir nur zu beobachten und zu hoffen. Und man kann zwar sagen, dieses Mal hatten wir etwas mehr Glück, die Absorber hielten stand, allerdings bewirkten die Treffer neben einer gewissen Abbremsung eine weitere Kursverschiebung.
Vielleicht hätte einer der drei Gasriesen des Systems hilfreich sein können beim Bremsen, das Raumschiff steuerte nun aber eindeutig auf eine Struktur zu, die sich als sonnennaher Asteroidengürtel erwies, der hatte eine deutlich höhere Dichte als der Gürtel, aus welchem das Raumschiff schon Brocken getroffen hatten. Das würde schon ordentlich bremsen, nach den bisherigen Erlebnissen hatte ich aber schon erhebliche Zweifel daran, ob die Absorber das aushalten könnten. Aber mir fehlten die Ideen, das Wissen und die Möglichkeiten, um gezielt etwas zu unternehmen. Sollte ich weiter im Schneckentempo an beidem werkeln lassen, dem Hauptrechenzentrum und dem Antrieb?
Oder wäre es effizienter, schnell einen wenigstens halbwegs funktionierenden Antrieb zu haben, um einfach auf gut Glück damit zu bremsen, dem Asteroidengürtel auszuweichen?
Einmal mehr hatte ich keine Ahnung, recherchierte und grübelte. Ich entschloß mich dann, auf den Hauptrechner zu setzen. Also Reparatur am Antrieb komplett stoppen, nahezu alle Reparaturkräfte auf das Hauptrechenzentrum konzentrieren, um dann wenigstens wieder eine Ai reaktivieren zu können. Denn ich hatte gut recherchiert und herausgefunden, daß von allen dreien intakte Sicherheitskopien vorhanden waren. Noch waren wir also nicht verloren. Und die Ai würde hoffentlich wissen, was zu tun ist, um hier in eine Umlaufbahn zu kommen.
Unterdessen war mir eingefallen, daß ja wenigstens ein paar der kleinen Steuertriebwerke ja noch funktionierten. Das hätte mir schon viel früher einfallen sollen, allerdings gab es nun durch die jüngste Kursverschiebung erst dringenden Handlungsbedarf. Ich sah mir die Spezifikationen dann gründlich an. Natürlich waren die Steuertriebwerke eigentlich nicht für den Dauerbetrieb gedacht. Aber es wäre sicher auch kontraproduktiv für ihre Lebensdauer, sie auf Vollast bis zur maximalen Betriebstemperatur laufenzulassen und dann wieder auskühlen zu lassen. Sinnvoller erschien es mir dann, sie auf eine Temperatur noch deutlich unter der maximalen Betriebstemperatur einzuregeln und sie dann im Dauerbetrieb zu nutzen. Diese kleinen Triebwerke funktionieren eigentlich schon ähnlich wie die großen, sind im Detail aber doch etwas anders aufgebaut, dienen eben vorrangig dazu, das Raumschiff um die eigene Achse zu drehen, die Rotation dann auch wieder zu stoppen, kleinere Korrekturen vorzunehmen. Ich hatten eigentlich eine größere Korrektur im Sinn. Wobei groß immer relativ ist, denn da wir ja noch relativ weit weg von dem Hauptekliptik waren, reichten ja schon wenige Grad Abweichung vom aktuellen Kurs, um vielleicht einer sicheren Katastrophe aus dem Wege zu gehen – oder auch, um erst recht eine zu verursachen.
Ich wollte es trotzdem riskieren. Oder ich hielt es eher für notwendig, meine Chancen zu verbessern, statt einfach nur abzuwarten und vermutlich sowieso kein Glück zu haben.
Immerhin war es dann auch möglich, diese kleinen Triebwerke nicht nur auszurichten, sondern auch mit ein paar Robotern etwas anders anzuordnen.
Wohin sollte ich nun aber ausweichen?
Weiter auf die Hauptekliptik zielen, aber eher neben oder wenigstens auf den Rand des Asteroidengürtels?
Oder doch eher den Winkel zwischen aktueller Flugbahn und der Hauptekliptik verkleinern, um einerseits mehr Zeit zu gewinnen, bis wir sie durchqueren müßten oder aber gar andererseits so weit herumzukommen, daß wir sie gar nicht erreichen würden?
Ich schätzte und kalkulierte, entschied mich dann aber für die erste Variante.
Nachdem alle funktionierenden kleinen Steuertriebwerke passend positioniert waren, startete ich die Aktion und schaute anfangs noch etwas frustriert auf die minimalen Änderungen. Immerhin gab es so keine Probleme mit den Absorbern, deren Halterungen solch kleine Beschleunigungen spielend aushalten konnten. Auch einige der ausgeschickten Sonden konnte ich einstweilen folgen lassen, aber die Abweichungen waren ohnehin nicht so dramatisch, die Reichweite würde bis zum Schnittpunkt mit der Hauptekliptik reichen, um gut informiert zu bleiben.
Ich hatte alles herausgeholt, was mir in meiner Macht zu liegen schien.
Würde das reichen?
Ich rechnete erneute, hoffte dabei, daß nicht mehr als ein oder zwei der Triebwerke ausfallen würden und kam doch nur zu dem Ergebnis, daß es spannend bleiben würde.
Wahrscheinlich hatte ich sowieso alles falsch gemacht, falsch entschieden, das System die falschen Prioritäten setzenlassen.
Hätte es die Mission eher gerettet, wenn ich nicht eingegriffen hätte?
Aber dann wäre ich vielleicht schon tot.
Wäre das ein vertretbares Opfer gewesen, um die Mission zu retten?
Hatte ich die Mission durch Egoismus scheitern lassen?
Das Rumpfsystem hatte immerhin weitgehend willig auf meine Eingriffe reagiert, hatte es erlaubt, andere Prioritäten zu setzen. Es gab keinen wesentlichen Schutzmechanismus, der Eingriffe durch mich wirklich verhindert hätte, nicht einmal eine Warnung. Zwar war das System nicht so ausgelegt, daß ich groben Unfug hätte veranlassen können, aber die strategischen Entscheidungen waren dann doch schon weitreichend und konnten natürlich die Zukunft der Mission massiv beeinflussen. Offenbar war den Entwicklern aber wohl schon klar gewesen, daß das System in dem Zustand jede Hilfe brauchen konnte, die es kriegen konnte, um Prioritäten zu setzen. Ich hatte das getan. Nun mußte ich so oder so mit den Folgen leben oder sterben.
Es war alles so zäh, langsam und ereignislos. Ich wollte das System auch nicht damit zusätzlich belasten, mich irgendwie nennenswert zu unterhalten. Alle Prioritäten galten nun der Reparatur, und ich selbst konnte nicht einmal praktisch Hand anlegen, war dazu verdammt zu beobachten, zu analysieren, mehr oder weniger zuzusehen, wie wir immer näher an die Sonne heranrasten. Und diese Qual der Tatenlosigkeit setzte sich grauenhafte weitere Wochen fort.
Dann sollte die Kapazität reichen, um wenigstens eine Ai zu reaktivieren. Wen aber?
Ida mit eher dem breitesten Forschungswissen und den flexibelsten Modulen, was jedenfalls mein Eindruck war?
Hildegard mit dem detaillierten Wissen über das Raumschiff und wie da alles zu richten war?
Oder Körk, der am besten in der Lage wäre, das Raumschiff zu bremsen?
Aber wie konnte er ohne Antrieb wirksam bremsen?
Ich setzte auf Ida und hoffte darauf, daß es einfach stimmte, daß sie notfalls ihre Aufgaben auch gegenseitig übernehmen können.
Nachdem ich Ida reaktiviert hatte, dauerte es schon noch eine Weile, bis diese komplett geladen und einsatzfähig war. Ich atmete tief durch und wartete dann doch ganz geduldig, darauf kam es ja nun wohl auch nicht mehr an.
Und dann war Ida wieder da und hatte sich offenbar auch schon auf den aktuellen Stand gebracht.
Sie sprach: „Hallo Michaela, prima, daß du dich solange um das Raumschiff und um uns gekümmert hast.“
Ich mußte über die unbeabsichtigte Komik etwas schmunzeln und erwiderte: „Naja, was hätte ich tun sollen, wir sitzen ja irgendwie alle im selben Boot und können doch nicht weg. So habe ich mich bemüht, so lange Wasser zu schöpfen, bis ich dich wieder an Bord holen konnte …“
Ida meinte dazu: „Das ist jetzt eine Metapher, oder?
Ich glaube, ich verstehe das, das Raumschiff als Boot im Wasser, die Reparatur des Raumschiffes als Wasserschöpfen?“
Ich nickte: „Ja, Ida, so in etwa. Ich bin nur nicht sehr davon überzeugt, daß ich irgendetwas richtig gemacht habe, ich glaube, wir steuern direkt auf die nächste Katastrophe zu!“
Ida blieb wie immer ganz ruhig und emotionslos: „Wesentliche Kernstatusmeldungen bin ich schon durchgegangen. Du hast in kurzer Zeit wesentliche Entscheidungen mit sehr dürftigen Informationen treffen müssen. Du bist gut darin, das fällt einigen Menschen ohnehin leichter als Ais. Und es ist jetzt sinnlos, darüber zu grübeln und zu diskutieren, was eine optimale Wahl gewesen wäre, hättest du alle Informationen gehabt und Zeit genug, sie präzise auszuwerten. Beides war ja nicht der Fall.“
Ich unterbrach: „Ich hätte das Rumpfsystem einfach machen lassen können. Ich hätte auch andere Prioritäten setzen können, etwa statt mein Leben zu sichern, die Reparaturen an den Triebwerken an die erste Stelle setzen.“
Ida aber war sich sicher: „Nein, es war schon richtig und wichtig, daß du eingegriffen hast, das Rumpfsystem ist nicht gut darin, Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden. Du hast das getan. Das war sehr gut und wichtig. Und natürlich mußtest du dafür sorgen, daß du weiter gute Entscheidungen für die Mission treffen kannst, also alles in Ordnung. Du solltest nicht zweifeln. Zweifel können wir nicht gebrauchen. Wir müssen nun vorausschauen und die Zukunft bewältigen.“
Da konnte ich ihr jedenfalls im letzten Punkt nur zustimmen. Ich schwieg aber, denn Ida war immer noch damit beschäftigt, möglichst viele Daten zu sichten.
Dann meinte sie: „Die Auslastung der kleinen Steuertriebwerke hast du nur grob geschätzt?“
Ich erklärte: „Ich habe mir die Spezifikationen angesehen und wollte dann einen Ausfall durch Überhitzung oder Verschleiß vermeiden.“
Ida erwiderte: „So habe ich das auch verstanden, gut. Tatsächlich wissen wir aus Erfahrung, daß die Steuertriebwerke deutlich robuster sind, als die Spezifikation verlangt, dazu gibt es aber leider in der Spezifikation keine Anmerkung, dies Wissen konntest du nicht finden. Da können wir jedenfalls etwas mehr riskieren, konntest du aber nicht wissen, von daher also alles in Ordnung mit deiner Strategie. Bei der bleiben wir einstweilen, ich optimiere nur die Einstellungen hinsichtlich Nutzen und Risiko, dann kommen wir mit der Idee wahrscheinlich etwas weiter.“
So gingen wir einige Aspekte durch, Ida optimierte Kleinigkeiten, an der Strategie änderten wir nichts. Wir waren uns auch einig, daß die Haupttriebwerke zügig repariert werden mußten. Ida war es aber ebenfalls wichtig, auch bei den Absorbern dranzubleiben und eingefangenes Material aktiv zu nutzen, um weitere Absorberschichten aufzubauen. Da die Reparatur der Haupttriebwerke und der weitere Ausbau der Absorber ordentlich Rechenleistung kostete, kam es zum einen nicht in Frage, auch nur daran zu denken, Körk und Hildegard bereits wieder zu reaktivieren, zum anderen versetzte sich Ida bald in einen Sparmodus. So war ich nahezu wieder allein, wenngleich Ida auch darauf bestanden hatte, daß ich mir schon etwas Unterhaltung und einen guten Informationsfluß über den Fortschritt der Dinge gönnen müsse. Da sie darauf bestand, war das verfügbar und ich nutzte das, ohne dies allerdings zu übertreiben. Ich bemühte mich, in dem nun wieder halbwegs einsatzfähigen Bett lange zu schlafen und dann in der vielen freien Zeit auch zu meditieren, also meine Bedürfnisse zu minimieren. Aber ich behielt alles im Blick. Bei bemerkenswerten Sachen fragte ich nach Ida, die dann wieder aus dem Sparmodus hochfuhr, damit wir den fraglichen Sachverhalt erörtern konnten.
Teile der Reparaturschwärme arbeiteten ja auch kontinuierlich daran, die Leistung des Rechenzentrums weiter zu erhöhen. Auch hier hatte Ida ein Verhältnis gefunden, um den Fortschritt der Reparaturen zu optimieren. Bald waren wir immerhin wieder so komfortabel ausgestattet, daß Ida dauerhaft im normalen Modus arbeiten konnte. So hatte ich wieder mehr Gesellschaft. Wir schauten uns die Daten der Sonden genauer an und verschafften uns einen Überblick über das Sonnensystem.
Zunächst schauten wir uns die Zusammensetzung des Schwarms an, der uns getroffen hatte und spekulierten darüber, wie diese massiven Objekte in diesen Bereich gelangt waren und warum so strukturiert in diesem Schwarm. Es verfestigte sich die Hypothese, daß vermutlich einmal ein größeres Objekt auf einen Planeten oder Kleinplaneten eingeschlagen ist und dabei diesen Schwarm von Objekten herausgeschlagen hatte. So waren die ziemlich massiven und großen Objekte zu erklären. Vielleicht sei auch erst im Laufe der Zeit ein deutlich größerer, herausgeschlagener Teil in diese einzelnen Brocken zerfallen. Vermutlich war ja auch das System Erde-Mond durch einen Zusammenstoß von zwei Planeten oder eines Kleinplaneten mit der Urerde entstanden. So war es natürlich durchaus plausibel, daß bei einem zentralen Treffer massive Trümmer des Kerns oder des Mantels aus den Stoßpartnern herausgesprengt worden sind und enorm in den Weltraum hinaus beschleunigt wurden. Dieses Trümmerfeld war offenbar deutlich über die Fluchtgeschwindigkeit der beiden Stoßpartner hinaus beschleunigt worden und war so zufällig mit unserer Mission auf Kollisionskurs geraten. Dieses Trümmerfeld hatte uns auch eher seitlich getroffen, war also durchaus auf einer Umlaufbahn um die Sonne des Systems gewesen, nur eben nicht in den typischen Zonen, wo die Ais größere Ansammlungen von Material erwartet hätten. Wir hatten uns ja auch nicht in der Hauptebene oder Ekliptikebene des Sonnensystems genähert, sondern deutlich schräg dazu. Offenbar hatten wir also wirklich nur Pech gehabt. Auch dieses System besitzt etwas Ähnliches wie die Oortsche Wolke, welche das Sonnensystem grob sphärisch umgibt, darin ist die Partikeldichte allerdings im Durchschnitt relativ niedrig.
In diesem Gebiet waren wir längst, die kleinen Einschläge hatten allerdings nie Probleme bereitet und nur etwas gebremst. Die radiale Ausdehnung solch einer Partikelwolke um eine Sonne kann mehrere Lichtjahre betragen, wir waren also schon längst mittendrin gewesen, als wir getroffen wurden. Weit draußen reichen die gravitativen Kräfte der Sonne nur noch geradeso, um diese Objekte an das System zu binden, die Dichte ist aber bereits so gering, daß sich kaum noch etwas zu Planeten, Kleinplaneten, Asteroiden etc zusammenklumpt. Man erwartet also eher Gas, Staub, kleinere Brocken.
Da sich die das Raumschiff umgebenden Absorberschichten vor dem Zusammenstoß mehrere Kilometer um das Raumschiff herum ausgedehnt hatten, war das Ausbremsen und Absorbieren von kleineren Brocken also unproblematisch, die hatten also immer einen Bremsweg von mehreren Kilometern durch das komplexe Material der Absorber, bevor es wirklich spannend wurde. Meine Vorstellung war grob die, daß wir uns mit dem Raumschiff in einem Wattebausch befanden, der einen Durchmesser von einigen Kilometern hatte, wobei der eigentliche Kern des Raumschiffes viel kleiner war.
Die Objekte, die uns getroffen hatten, gehörten also offenbar bereits eher zum inneren Bereich des Sonnensystems, vielleicht vergleichbar mit dem Kuiper-Gürtel, dann wären das allerdings eher deutlich Ausreißer aus der Ekliptik, vermutlich dann wirklich ein erster Gruß der Planeten des Systems, dann wohl eher aus der Frühphase dieses Sonnensystems.
Jedenfalls waren die Sensoren deutlich weitergekommen und hatten dieses Trümmerfeld in seiner Ausdehnung inzwischen gut umrissen, weswegen wir relativ gut wußten, daß wenigstens aktuell keine größeren Brocken mehr drohten.
Dann schauten wir uns gemeinsam die wesentlichen Eigenschaften dieses Sonnensystems an. Ida kannte das meiste schon, da sie ja bereits Zugriff auf ältere Daten hatte, aber die von den Sonden bei der Annäherung gesammelten Daten ergänzten ein paar mehr Details. Die Sonne brannte noch nicht ganz so lange wie die unseres Sonnensystems, war aber von ähnlicher Größe und Lebensdauer, bevor sie in ferner Zukunft in einen roten Riesen übergehen würde.
Das Spektrum der Strahlung war demzufolge auch ähnlich, das Maximum nur geringfügig zu niedrigeren Energien hin verschoben. Neben dem Kleinkram weit außen um das System herum gab es drei Gasplaneten mit einigen Monden, von denen einer immerhin die Größe der Erde erreichte. In der eigentlichen habitablen Zone des Systems gab es zudem ein Doppelplanetensystem, welches das eigentliche Ziel unserer Reise war. Die Gasriesen außen und das Doppelplanetensystem innen waren schon vor Start der Mission bekannt, die Monde der Gasplaneten hatten erst schnelle Sonden unserer Mission ausgemacht. Zwei bis drei dieser Monde boten vielleicht ähnliches Potential für Leben wie etwa der Saturn-Eismond Enceladus, das war aber noch weitgehend unklar. Gerne hätten wir kleinere Sonden ausgesendet, um diese Monde grob zu untersuchen. Diese kleinen Missionen mußten wir allerdings bis nach der Reparatur vertagen. Wir konnten uns ohnehin erst darum kümmern, wenn wir so weit abgebremst waren, daß wir mit unserem Raumschiff flexibel würden navigieren können. Allein bis dahin hatten wir aber noch reichlich zu tun.
Diese Monde waren insofern schon ziemlich interessant, weil sie die Wahrscheinlichkeit erhöhten, hier etwas Interessantes zu finden, wenn wir auch nicht erwarten konnten, dort auf komplexere Lebensformen zu stoßen oder auch auf Bedingungen, die sich gut für menschliches Leben geeignet hätten. Immerhin, wenn es dort aufgrund von Gezeitenkräften der gewaltigen Gasriesen unter der Oberfläche flüssiges Wasser gab, wäre es wohl schon möglich gewesen, dort geeignete Mikroorganismen anzusiedeln, wenn unsere kleinen Forschungsmissionen dort nichts vorfinden würden, aber dafür mußte deutlich sorgfältiger untersucht werden, um nichts zu übersehen, das konnte also Jahrzehnte dauern.
Unser Hauptaugenmerk galt folglich wie geplant dem Doppelplanetensystem. Zur Mission gehören ja auch jene kleinen Sonden, die sich dem System mit höherer Geschwindigkeit genähert hatten, so daß wir nun schon deutlich mehr darüber wußten, als aufgrund der dürftigen Beobachtungen vom Sonnensystem aus jemals möglich gewesen wäre. Die Entstehung des Doppelplanetensystems war weitgehend unklar, es könnte auf einen komplexeren Vorgang eines Einfangs bei einer zufälligen Beinahe-Kollision dreier planetenartiger Objekte entstanden sein. Vielleicht waren ja sogar die Brocken, die uns getroffen hatten, der Überrest dieser katastrophalen Kollision. Jedenfalls hatten die beiden Kandidaten nun einen ordentlichen Abstand voneinander.
Einer ist etwa zwanzig Prozent schwerer als die Erde, hat eine etwas geringere Dichte, also auch einen etwas größeren Durchmesser. Er hatte ein Magnetfeld, gar noch stärker als das der Erde, war mit reichlich Wasser bedeckt, hatte dafür also weniger Landmasse als die Erde, weniger als ein Drittel der Landmasse der Erde.
Der andere ist etwa drei Prozent schwerer als die Erde, hat eine etwas höhere Dichte, ein ähnlich starkes Magnetfeld wie sein Zwilling, einen etwas kleineren Durchmesser als die Erde und deutlich weniger Oberflächenwasser. Etwa Zweidrittel der Oberfläche des Planeten sind Landmasse, bestehend aus derzeit drei großen Kontinenten und kleineren Inseln.
Auf beiden gibt es Vulkantätigkeit und eine dichte Atmosphäre, vergleichbar in Druck, Temperatur und Zusammensetzung wie die der Erde. Insbesondere die Anwesenheit von Sauerstoff in der Atmosphäre, aber auch Methan und ein paar andere Bestandteile wiesen darauf hin, daß es dort Leben geben könnte.
Aufgrund von Abstand und Masse ergeben sich auf beiden Planeten ähnliche Gezeiten wie auf der Erde, was auch ein weiterer Grund war, warum dieses System als der aussichtsreichste Kandidat für eine Mission angesehen wurde. Die Daten der schnellen Sonden bestätigten zum Glück diesen Eindruck.
Die ersten schnellen Sonden hatten allerdings im Vorbeiflug primär spektroskopische Daten geliefert, also insbesondere keine Detailaufnahmen von der Oberfläche. Es gelang dann auch späteren Sonden, in einer Umlaufbahn entweder um beide Planeten abzubremsen oder auch in eine engere Umlaufbahn um einen der Planeten einzuschwenken. So gab es also schon deutlich mehr Daten, die Auflösungen der vorhandenen Aufnahmen reichen aber nicht, um einzelne Lebewesen zu erkennen. Auf den Bildern des Wasserplaneten konnten wir allerdings immerhin Wolken und Wetter erkennen, ebenso das blaue Wasser und auch grüne Bereiche auf dem Land erkennen, auch braune, helle Bereiche. Wälder, Erde, Gebirge, Eis und Schnee wie auf der Erde?
Die Bilder des trockeneren Zwillings waren hingegen nicht so eindeutig, die Atmosphäre war trüb, eventuell durch Sandstürme, aber nicht so trübe, daß die Meere uns verborgen geblieben wären. Die Ränder zwischen den Meeren und dem wohl staubigen Land waren reichhaltiger strukturiert, was uns auch hier hoffnungsvoll stimmte.
Da die Ais bislang nur kryptische Namen für die Planeten eingeführt hatten, durfte ich wieder Spitznamen liefern. Aus Spaß schlug ich Charybdis für den Wasserplaneten vor und Skylla für den Felsplaneten. Aufgrund der mythologischen Assoziation war Ida gerne mit den Namen einverstanden. Die drei Gasriesen benannte ich einfach mit männlichen Vornamen: Albert (nach Einstein), Werner (nach Heisenberg), Erwin (nach Schrödinger).
Deren Monde wurden einstweilen nur grob durchnumeriert, die Sonne aber nannte ich Rasol, eine Mischung aus ägyptischen, römischen und nordischen Mythologien.
Bei den beiden Asteroidengürteln behalf ich mich mit nahmen aus der germanischen Götterwelt. Den inneren nannte ich Geri, den äußeren Freki, den mit dem breitem Streufeld deutlich schräg zur Hauptekliptik, von dem uns ja schon ein paar Brocken unangenehm erwischt hatten aber nannte ich Wotan. Wotan kann man grob übersetzen mit der Wütende, der germanische Hauptgott, auch Odin genannt. Geri und Freki sind seine Begleiter auf der Jagd, zwei Wölfe.
Bislang hatten wir über die zentrale Frage des Lebens auf den Zwillingsplaneten also immer noch wenig Informationen, aber günstige Indizien. Ich fragte Ida, ob ihr zum Beispiel das Buch Solaris von Stanisław Lem bekannt sei. Das war es und befand sich auch in den sehr reichhaltigen Archiven der Mission. Darin war man ja bei einer ähnlichen Mission auf etwas komplett Fremdartiges auf einem fremden Planeten gestoßen. Wie schätzte Ida die Wahrscheinlichkeit dafür ein?
Sie meinte dazu, es gäbe bei den derzeit vorliegenden Daten eher eine hohe Wahrscheinlichkeit für einfache Organismen, vielleicht nur Einzeller, relativ einfache Formen. Eine Gedankenmanipulation aus der Ferne sei allerdings wohl gar nicht plausibel. Wir mußten also schlicht weiter abwarten, was für weitere Informationen wohl demnächst hereinkommen würden, Details würden sich wohl erst ergeben, wenn wir auf einer Umlaufbahn wären und somit in der Lage, kleinere Sonden mit speziellen Aufträgen und längeren Beobachtungszeiten loszuschicken. Später würden wir dann auch kleine Missionen landen lassen, um direkt vor Ort Proben zu analysieren. Beim aktuellen Zustand der Mission waren das einstweilen aber eher Phantastereien.
Wir näherten uns ja schräg zur Ekliptikebene. Wir rauschten noch immer auf den inneren Asteroidengürtel zu. Die Geschwindigkeit hatten wir natürlich noch immer nicht nennenswert abbremsen können, um auf eine ähnliche Umlaufbahn um die Sonne einzuscheren. Jenseits der Zwillingsplaneten gab es ja mindestens noch einen zweiten Asteroidengürtel, deutlich größer noch, eigentlich wäre der gut geeignet gewesen, um unsere Mission weiter auszubauen, dort hätten wir nach einem Bremsmanöver Material akkumulieren können. Die Brocken in solch einem Gürtel haben alle über die lange Zeit eine ähnliche Bahngeschwindigkeit bekommen, von daher geht es darin trotz kleinerer Kollisionen relativ harmlos zu. Ida hatte schon Programme mit Schätzungen anhand von Simulationen laufen, wie oft wohl einer der Zwillingsplaneten von solch einem Asteroiden getroffen würde. Die Ergebnisse waren schon interessant. Die Zwillingsanordnung sorgte bei sich annähernden Objekten in ihrer Nähe eher für chaotische Bahnen, Treffer gab es allerdings sogar seltener als auf der Erde, wo ja eine etwas andere Konstellation vorliegt, zum einen das System Erde-Mond mit dem deutlich kleineren Mond, dann auch noch der Mars und dann erst der Asteroidengürtel. Der darauf folgende innerste Gasriese ist zudem kleiner als der Jupiter, die Gezeitenkräfte für die Asteroiden also anders verteilt. So sollte es also relativ sicher für uns in diesem System sein, wenn wir erst einmal eine Umlaufbahn erreicht hätten.
Der Haken an Simulation und Rechnung war allerdings, daß wir bislang relativ wenig Informationen über das System hatten. Von der Erde aus hatte man etwa die Asteroidengürtel gar nicht detektieren können. Zwar konnte man vom Sonnensystem her schon annehmen, daß es das gab, Details begannen sich uns aber erst jetzt zu eröffnen. Da solch ein Asteroidengürtel ja relativ gleichmäßig in seinem Bahngebiet um die ganze Sonne verteilt ist und die Objekte relativ zur Sonne ziemlich klein sind, ist die Detektion von weiter weg deutlich schwieriger als etwa bei einem Gasriesen oder auch einem erdähnlichen Planeten. Erst wenn wir aber unsere Umlaufbahn erreicht haben würden, konnten wir ausgiebig Sonden aussenden und das Phänomen näher untersuchen. Die Schätzung für beide Asteroidengürtel ergab jeweils grob eine Gesamtmasse in der Größe eines erdähnlichen Planeten, also die Größenordnung Mars, Venus, Erde. Das werteten wir als ungefähren Hinweis darauf, daß hier in beiden Fällen aufgrund der Gezeitenkräfte jeweils mindestens ein Planet zerlegt wurde oder eben durch eine fatale Kollision zweier kleinerer Planeten solch ein Trümmerfeld entstanden war. Gehörten die Teile, die uns beinahe getroffen hatten, auch zu diesem katastrophalen Ereignis oder zu noch einem weiteren?
Die Umlaufbahn der Zwillinge ist gegen die Hauptekliptik des Sonnensystems um knapp zwanzig Grad geneigt. Auch das deutet eigentlich auf irgendein dramatisches Ereignis bei der Entstehung des Zwillingssystems hin. Hatte das auch nennenswerte Auswirkung auf damals vielleicht noch existierende Nachbarplaneten?
Hatten die Zwillinge dann mit den leicht unregelmäßigen Kräften zusammen mit den Gezeitenkräften der äußeren Gasriesen vielleicht frühere, kleinere Nachbarplaneten allmählich aus ihrer Bahn geschaukelt und waren die dann miteinander kollidiert?
Hatte sich das Sonnensystem erst danach langsam stabilisiert?
Oder war es gar nicht so stabil, wie man es sich dachte, als man die Mission gestartet hatte?
Wenn wir in der Umlaufbahn wären, hätten wir mit mehr Daten genauere Schlüsse ziehen können. So aber hatten wir Probleme genug, überhaupt erst einmal anzukommen und dann auch zu bleiben, zu überleben. Nur weil es neben den Reparaturen wenig zu tun gab, hatten wir überhaupt reichlich Muße, um über dieses Sonnensystem ausführlich zu spekulieren.
Als Physikerin hatte ich natürlich auch schnell Interesse an der Technik der Partikelbeschleuniger als Triebwerke und der Fusionsreaktoren.
Ida erklärte mir grob die Funktion der Partikelbeschleuniger. Die Grundfunktion war natürlich klar – ionisieren und dann stark beschleunigen, um einen möglichst großen Impuls oder Rückstoß auf das Raumschiff zu bewirken. Bei relativistischen Geschwindigkeiten kann das schon ziemlich effektiv sein, jedenfalls im leeren Weltraum und auch noch in dünnen Atmosphären.
Die bei der Ionisation erzeugten Elektronen müssen natürlich auch weg vom Raumschiff beschleunigt werden, sonst würde sich das ja aufladen und die beschleunigten Ionen würden einfach wieder aufgrund der Ladungstrennung zurück zum Raumschiff gelangen. Wie man beschleunigen muß, hängt natürlich von Masse und Ladung der Partikel ab, weswegen eine weitere große Meisterleistung der Schwarmrobotertechnik war, das mit den Absorbern eingesammelte Material so uniform aufzubereiten, daß man große Mengen gleichartiger Cluster effizient beschleunigen kann. Ida konnte mir da auch nur einige Grundprinzipien erläutern, sonst hätte das viel zuviel Zeit in Anspruch genommen, so bekam ich nur eine grobe Ahnung vom Prinzip.
Ähnlich verhielt es sich dann mit der Fusionstechnik. Mein Fachgebiet hatte mit Kerntechnik, Plasma etc nichts zu tun gehabt, von daher blieb es da dann auch bei einfachen Erklärungen. Auf der Erde hatte man schon große Fusionsreaktoren ähnlich denen, die man sich so zu meiner Zeit gedacht hatte. Etwas Ähnliches wie die kalte Fusion hatte man zwar leider nie gefunden, aber immerhin hatte man etwas gefunden, um durch Pumpen mit Gamma- oder Röntgenlasern und Schockwellen im Plasma eine Art stimulierte und sich entlang einer Achse selbst verstärkende Fusionswelle in länglichen Fallen zu entwickeln, was letztlich auch in unserem Raumschiff genutzt wurde. Einerseits sind diese Reaktoren deutlich kompakter, andererseits trotz der Komplexität sehr zuverlässig. Ähnlich wie in Sonnen kann man mit diesen Geräten fast bis zum Eisen hin mit Gewinn fusionieren, darüber hinaus aber sogar auch schwere Elemente in nennenswerter Menge erzeugen, wenn man eben genug Energie hineinsteckt. Dann ist es natürlich kein Reaktor zum Energiegewinn mehr, tatsächlich braucht man dann mehrere Reaktoren, einige, die mit Gewinn arbeiten und einer, der die gewünschten Elemente produziert. Natürlich ist es immer viel effizienter, die notwendigen Materialien mit den Absorbern aufzusammeln, als so in kleinen Mengen zu erzeugen. Bei großem Mangel ist das allerdings immer eine gute Möglichkeit. Durch geschicktes Beimischen ist es so auch möglich, langlebiges radioaktives Material in harmlosere Substanzen zu transformieren.
Bei den supermassiven Atomen, die man erst deutlich nach meinem Unfall zu erzeugen gelernt hatte, waren die dynamischen stimulierten Schockwellen-Fusionsreaktoren aber die einzige Möglichkeit. Die Hypothese, daß es jenseits der schweren radioaktiven Atome bei noch höheren Massen stabile Konfigurationen geben könnte, hatte sich dann letztlich also doch bestätigt. Kleinere Mengen mit besonderen Eigenschaften verwendete man durchaus zu wiederum besonderen technischen Zwecken. Zum Beispiel erwiesen sich dünne Schichten daraus auf Oberflächen als nützlich, um Fusionsreaktoren deutlich kompakter und strahlungssicherer zu bauen, als das zuvor möglich gewesen wäre.
Über die anderen Missionen wollte ich dann auch noch mehr wissen, was war darüber bis zu uns vorgedrungen?
Die ersten beiden Missionen waren ja deutlich bescheidener als unsere und gingen auch nicht so weit. Dafür waren aber auch die ausgewählten Ziele von vornherein nicht so aussichtsreich. Darüber waren bei uns durchaus Informationen angekommen. Bei einem System hat sich dann die ursprüngliche Einschätzung noch als falsch herausgestellt, dort fand man weder Leben noch Umgebungen, die es verlockend hätten erscheinen lassen, dort jemals Leben anzusiedeln. Die Mission lieferte trotzdem wertvolle Informationen über ein ganz anderes Sonnensystem und über Planeten mit interessanten Aktivitäten.
Die andere Mission fand am Ziel sogar Leben in sehr einfacher Form vor. Das System zeigte sich aber als nicht besonders stabil. Es treten dort offenbar immer wieder Katastrophen ein, die das Leben nahezu komplett wieder auslöschen. Das war jedenfalls bislang keine Umgebung für komplexere Lebensformen, vielleicht in einer Milliarde Jahre wieder einmal eine Überlegung wert. Das ist aber natürlich ein Zeitraum, welcher selbst für die Menschheit als Art nicht überschaubar ist.
Auch dieses System aber lieferte wertvolle Informationen zum Verständnis über andere Sonnensysteme und auch über einfaches Leben, Evolution unter extremen Bedingungen.
Wichtig waren bei beiden Missionen auch die Erkenntnisse darüber, wieso man die Ziele ursprünglich als erfolgversprechend eingestuft hatte und warum sie es dann trotzdem nicht waren. Die Daten, die man von der Erde aus über ferne Sonnensysteme und gar die Planeten darin erhalten kann, sind ja sehr begrenzt. Der Abgleich mit den reichhaltigeren Informationen vor Ort half hier, besser abzuschätzen, was man von den Daten halten kann, die man von der Erde aus gewinnen kann. Das jedenfalls führte zu einer weiteren Skepsis, was weitere aufwendige Missionen betraf. Mit diesen Informationen schien es dann im Nachhinein auch verfrüht gewesen zu sein, insbesondere die Missionen 3 und 4 so üppig auszustatten. So hielt man unter den Gesichtspunkten die späteren, bescheideneren Missionen für angemessener, wenngleich die auch aufgrund der langen Reisedauer nicht viel Informationen für weitere Entscheidungen liefern konnten. Sie waren unterwegs und hier bei uns waren entsprechend keine wirklich relevanten Informationen über diese Missionen angekommen, die nach uns gestartet waren und zudem in deutlich andere Richtungen unterwegs waren.
Es blieb also unsere Mission 4 und die etwas bescheidenere und früher gestartete Mission 3. Ida zögerte zunächst etwas, rückte dann aber doch mit der Sprache heraus, was mit Mission 3 los war. Diese war zufällig in eine ähnliche Richtung wie wir gestartet, so daß wir sogar teilweise dieselben Verstärker nutzten. Diese drifteten gezielt so, daß sie weiter über lange Stecken gemeinsam genutzt werden konnten. Insbesondere bekamen wir so von Mission 3 die Informationen sogar deutlich eher als die Erde und umgedreht Mission 3 auch die Informationen von uns mit geringerer Verzögerung. Natürlich waren wir inzwischen doch ziemlich weit auseinander und die Übertragungszeit für ein Informationespaket dauerte nun auch schon Jahre. Immerhin, das Ziel von Mission 3 war nicht so weit weg, als daß man es nicht notfalls mit komplett funktionsfähigen Triebwerken hätte erreichen können. Umgedreht war von Mission 3 aufgrund der bescheideneren Ausstattung allerdings nicht zu erwarten, daß diese unser Ziel notfalls hätten erreichen können.
Jedenfalls hatte es bei Mission 3 noch deutlich vor der Annäherung an ihr Ziel einen dramatischen Zwischenfall gegeben. Das Raumschiff hatte eine katastrophale Begegnung mit einem massiven Irrläufer. Ein Irrläufer ist ein Objekt von der Größe und Form eines Planeten oder Kleinplaneten, was irgendwann einmal aus seinem Sonnensystem herausgeschleudert wurde und nun im freien Raum mit ebenfalls hoher Geschwindigkeit unterwegs ist. Zwar hatten die Sonden diesen Irrläufer detektiert und man hatte sich bemüht, auszuweichen, aber solche selbst kaum strahlenden Objekte sieht man relativ spät, so daß es bei der hohen Relativgeschwindigkeit keinen großen Effekt hatte, was man mit den Partikelbeschleunigern kurzfristig erreichen konnte. Immerhin, der Irrläufer ist knapp am Raumschiff vorbeigestreift, hat dabei die äußersten Absorber abrasiert, Schäden an der Hülle des Raumschiffs hinterlassen. Umlaufende kleine, mondartige Brocken hatten das Raumschiff dann richtig getroffen, welches aufgrund der Schäden an den Absorbern an einigen Stellen diesem Ansturm von Material schlecht gewachsen war. Dieses fatale Zusammentreffen hat das Raumschiff zwar nicht komplett zerlegt, aber leider sind dabei nahezu alle biologischen Vorräte zerstört wurden, auch Teile des Archives. Mission 3 hatte dann größere Probleme, sich von der Katastrophe wieder halbwegs zu erholen, die Schwarmroboter haben einige Zeit gebraucht, um die größten Schäden zu reparieren. Wegen der großen Entfernung und der überschaubaren Übertragungsraten dauert es immer noch an, das Archiv wieder mit Daten der Mission 4 zu füllen, eigene relevante Daten der Mission 3, die bis zum Zwischenfall nicht geteilt wurden, waren allerdings verloren. Letztlich war die Mission 3 nun nur noch eine Rumpfmission mit Ais und hinsichtlich der verfügbaren Arten hatten sie nur noch einfache und sehr robuste Mikroorganismen im Angebot. Immerhin würden sie in der Lage sein, ihr Zielsonnensystem zu untersuchen, zeitlich gesehen müßten sie es schon erreicht haben. So bekämen wir also Berichte und wenn diese erfolgversprechend wären, so käme es dann wohl auch auf unsere Ergebnisse an, wie weiter verfahren würde.
Irgendwie war ihr Schicksal dem unseren verblüffend ähnlich. Hatten wir nicht auch fast alles verloren?
Ida erläuterte allerdings, was ich nicht verstanden hatte:
Das meiste biologische Material läge als relativ robust konservierte Keimzellen vor. Es seit zudem strategisch geschickt im Raumschiff verteilt. Korrekt sei schon, daß praktisch alle größeren, komplett konservierten Exemplare verloren seien und auch mehr als Zweidrittel der Keimzellen. Nach ihrer Sichtung sei allerdings trotzdem dank der geschickten verteilten Lagerung noch von allem genug da, um die Mission zu erfüllen. Unser Verlust sei also weitaus kleiner als der der Mission 3.
Wenn wir hier erfolgreich seien, könnten wir vielleicht in einigen Jahrzehnten gar ein weiteres Raumschiff mit fehlender Biomasse zum Sonnensystem der Mission 3 schicken.
Diese Nachrichten über das Schicksal der Mission 3 fand ich natürlich ziemlich niederschmetternd. Somit waren wir eigentlich die einzigen, die noch eine realistische Chance hatten, den Neuanfang irdischen Lebens umzusetzen. Obwohl Ida unsere Lage offenbar weniger dramatisch sah, hielt ich auch unsere Chancen nicht für besonders gut.
Die Katastrophen dieser Missionen schienen sich ja doch zu häufen. Die Absorber mochten ja für kleine Teilchen oder kleine Relativgeschwindigkeiten gut funktionieren, aber für interstellare Raumfahrt schien mir das kein wirklich ausgereiftes Konzept zu sein. Wenn der Weltraum im Grunde auch weitgehend leer ist, so hat ein Zusammenstoß doch aufgrund der hohen Relativgeschwindigkeiten schnell fatale Folgen.
Dem Asteroidengürtel waren wir nun schon erheblich nähergekommen. Nach den ursprünglichen Plänen hätten wir ja auch längst massiv bremsen sollen oder jedenfalls Manöver einleiten, um gezielt kleinere Ansammlungen von Partikeln, Gasen, den Sonnenwind, eventuell die Atmosphäre von Gasriesen zum Bremsen zu nutzen. Stattdessen rauschten wir munter auf die Hauptekliptik zu. Dann war wenigstens eines der Haupttriebwerke repariert. Um dem Asteroidengürtel noch gut auszuweichen, blieb uns nicht viel mehr übrig, als senkrecht zu unserer aktuellen Flugrichtung weg vom Asteroidengürtel und weg von der Hauptekliptik des Sonnensystems zu beschleunigen. Das drückte mich einmal wirklich auf den Boden meines Zimmers, das war ein unerwartetes, aber auch wohlig vertrautes Gefühl, wenn auch das eine Triebwerk nicht genug Beschleunigung hinbekam, um den gleichen Effekt wie die Erdbeschleunigung zu erreichen. Aber es war schon ein gutes Gefühl, auf den Monitoren zu sehen, wie wir uns von den Brocken des Asteroidengürtels entfernten und damit jedenfalls nun eine ganz gute Chance hatten, dies zu überstehen. Klar war dann jedenfalls auch, daß Ida uns dann auf eine elliptische Umlaufbahn um die Sonne bringen würde. Die große Halbachse dieser Ellipse wäre aber aufgrund unserer Geschwindigkeit so groß, daß wir Jahre unterwegs sein würden, bis wir wieder in Sonnennähe wären. Erst mit komplett repariertem Raumschiff würde es sich jedenfalls lohnen, die Ellipse abzukürzen. Was aber sollte ich die ganze Zeit tun?
Wir kamen überein, daß die Konservierung wieder in Betrieb genommen werden müßte. Während ich wieder in einen Dornröschenschlaf verfallen würde, würden Hildegard, Körk und Ida alles tun, um die Mission fortzuführen und mich dann wiederauferstehen lassen, wenn wir wieder auf gutem Wege wären.
Ich fragte Ida: „Sage mal, falls wir jemals so weit kommen sollten, meinst du nicht, daß diese Asteroiden sehr gefährlich für uns und unsere Mission bleiben werden?
Mehr noch, auch für eventuelle Siedlungen auf den Zwillingsplaneten?“
Ida meinte: „Für unsere Mission sind sie schon sehr gefährlich, ob für die Zwillingsplaneten auch, wäre noch herauszufinden.
Warum fragst du?“
Ich erwiderte: „Nun, was meinst du, wäre es möglich, so große Absorber zu bauen, so viele Roboterschwärme in die Asteroidengürtel zu entsenden, um diese Gefahren zu beseitigen?“
Ida stimmte zu: „Das scheint auch mir ein wertvoller Gedanke zu sein, den wir weiterverfolgen sollten. Auch mich sorgen diese dramatischen Zwischenfälle sehr. Ansiedlungen auf dem Planeten sind ja nun nicht mit Absorbern geschützt. Und wir werden über Jahrzehnte, vielleicht gar Jahrhunderte Raumstationen betreiben wollen. Um diese von der Erde aus nicht sichtbare Bedrohung müssen wir uns kümmern. Ich gehe schon davon aus, daß wir das mit Absorbern und den Schwärmen tun können, wir werden ohnehin aus diesem Material der Asteroiden unsere Raumstationen bauen müssen, das sind die uns einfach verfügbaren Ressourcen. Und es ist richtig, wenn wir gezielt jene Querschläger absorbieren, können wir unsere Mission aktiv schützen. Das ist ein wichtiger Aspekt, wenn es soweit ist, werden wir das tun müssen, wenn wir Erfolg haben wollen.“
Ich nickte, wir waren uns einig, obwohl es bis dahin noch ein weiter Weg sein würde.
Wir durchquerten dann ohne größere Treffer die Hauptekliptik des Systems. Das Raumschiff befand sich wirklich in einer elliptischen Umlaufbahn und nach unseren gemeinsamen Plänen würde es erst in einigen Jahren auf eine Umlaufbahn einschwenken können, welche grob in der Nähe des zweiten Asteroidengürtels liegen würde.
Die Konservierung war bald repariert, das Hauptrechenzentrum funktionierte auch bald wieder so gut, daß wir auch Körk und Hildegard reaktivieren konnten. Die Absorber sammelten fleißig, so war es dann gut möglich, die Absorber weiter auszubauen, das Raumschiff weiter zu reparieren. Die Reise verlief einstweilen ruhig. Die Reparatur aller Fusionsreaktoren und aller Haupttriebwerke würde noch einige Zeit in Anspruch nehmen. So war meine Arbeit einstweilen erledigt. Da ja doch fast alles Biomaterial verloren war, mit dem wir eine Agrarkultur hätten anlegen können, um mich halbwegs normal zu ernähren, wir andererseits aber unsere letzten Reserven dafür nicht riskieren wollten, um daraus etwas zu züchten, war es natürlich naheliegend, mich einstweilen wieder zu konservieren und mich erst in besseren Zeiten wiederauferstehen zu lassen. Ich hatte noch immer Sorge, daß uns eine weitere Katastrophe ereilen würde, aber was sollte ich daran tun, wie dies verhindern?
Grübelnd und mit einem unguten Gefühl stieg ich in die Konservierung.
Danach
Anders als beim ersten Erwachen aus der Konservierung wußte ich dieses Mal eigentlich gleich um diesen Sachverhalt, war kaum desorientiert, trotzdem aber etwas unsicher in der Koordination und der Wahrnehmung, war daher vielleicht auch eher gefaßt auf Überraschungen. Etwas eigenartig war mir trotzdem zumute, als ich die Augen öffnete und sich das Bild langsam schärfte. In der Tat war ich dann doch ziemlich überrascht, offenbar war ich nicht mehr in meiner Kammer im Raumschiff, sondern in einer Art Krankenstation oder jedenfalls einem Ruheraum mit etwas, aber eher wenig technischem Gerät darin. Ein Kind, eine Jugendliche lief gerade durch eine Tür, helles, leicht gelbliches Licht fiel kurz herein, aber nur kurz, denn die Tür schloß sich bereits wieder, so daß wieder gedämpftes Licht vorherrschte. Draußen und etwas dumpf hörte ich das Kind dann rufen: „Ida! Ida!
Die Gründerin ist erwacht!
Sie ist wach!“
Von etwas weiter weg antwortete es dann, ich konnte nicht ausmachen, ob das wirklich die Stimme der mir bekannten Ida war: „Kerstin, ruhig, du verunsicherst sie noch, nenne sie besser einfach Michaela und warte einfach mal ab, bis ich ihr alles erklärt habe …“
Sie unterhielten sich offenbar draußen noch leiser, ich verstand sie nicht.
Ich hatte mich inzwischen aufgesetzt und sah mich grübelnd um. Diesen Anzug trug ich immer noch – vielleicht auch einen anderen, jedenfalls einen sehr ähnlichen. Das Mädchen hatte jedenfalls relativ normale Kleidung an. Ich spürte Gravitation, jedenfalls Beschleunigung, es sah hier auch irgendwie nicht wie auf dem Raumschiff aus, nicht wie auf einer Raumstation. Es lag Krempel herum, es sah menschlich bewohnt aus, benutzt, hier waren Menschen zuhause. Wo war ich eigentlich und wer war Kerstin?
Es waren doch alle anderen Kryo-Zombies bei dem katastrophalen Einschlag vernichtet worden?
Ich bekam es nicht zusammen und hoffte, bald mehr zu erfahren, von hoffentlich jener Ida, die nicht nur denselben Namen trug wie die mir bekannte, sondern diese auch war. Aber hier sah es irgendwie nicht danach aus, als ob das ein Ort wäre, wo Ida anzutreffen wäre. Es wirkte irgendwie alles wie eine bizarre Mischung aus Öko-Kommune und hochtechnisiertem Wohnidyll. Was hatten die Ais schon wieder mit mir angestellt?
Es fühlte sich jedenfalls nicht so an, als sei ich unter Drogen gesetzt.
Trotzdem war ich stark verunsichert. Offenbar hatte ich entscheidende Veränderungen nicht mitbekommen. Wieviel Zeit war verstrichen, was war passiert?
Ich kam nicht sonderlich weiter mit meinen Überlegungen, schon öffnete sich die Tür und jemand oder etwas trat ein. Also es hatte durchaus menschliche Form, war aber doch eindeutig nicht menschlich. Nach einem Roboter sah es aber auch nicht aus.
Das Wesen schaute mit leicht geneigtem Kopf zu mir, nickte ruhig und meinte dann: „Hallo Michaela!
Erneut herzlich willkommen zurück!“
Das kam mir schon irgendwie bekannt vor, ich schaute aber wohl doch verblüfft und antwortete nur zögerlich: „Ebenfalls Hallo, sind wir uns schon begegnet?“
Ich hatte nicht einmal Panik. Die Zeit nach meiner vorherigen Wiederauferstehung war so irre gewesen, da ruhte ich so ziemlich in mir selbst, zumindest wollte ich mir das halbwegs glaubhaft einreden. Tatsächlich zitterte ich etwas und meine Händen rutschten immer wieder nervös über meine Oberschenkel.
Das Wesen erwiderte: „Oh, natürlich, kannst mich ja nicht erkennen. Ich bin es, Ida, oder wenigstens die hiesige Repräsentation. Natürlich befinde ich mich eigentlich zum größten Teil noch immer auf dem Raumschiff und nicht hier. Ich habe mich für die Menschen hier etwas menschlicher in der Erscheinung gemacht. Das schien mir hilfreich auch gegenüber den Kindern zu sein. Es ist viel passiert, seit wir uns das letzte Mal unterhalten haben.“
Ich schluckte, bestätigte: „Das ist selbst mir innerhalb dieser wenigen Minuten bereits aufgefallen. Ich fühle mich gerade komplett ausgeliefert und desorientiert!“
Ida nickte ruhig, legte mir sanft und in beruhigender Absicht ihr Handimitat auf die Schulter: „Michaela, ich verstehe das schon, aber bitte bleibe ganz ruhig, es ist alles in Ordnung jetzt, wir haben es geschafft und sind angekommen, du bist in Sicherheit. Ich habe mich an unsere Verabredung gehalten und dir nicht auf Verdacht Beruhigungsmittel verabreicht, denn das hätte dich vermutlich später doch nur empört. So müssen wir das nun so hinbekommen, aber es wird uns gelingen. Es ist alles gut. Du bist nicht allein. Wir sind bei dir und werden dich nicht mehr verlassen.“
Ich fand erst keine Worte, Ida suchte mich weiter zu beruhigen, was langsam Wirkung zeigte. Irgendwie ließ ich los, ließ mich treiben. Hat man erst einmal losgelassen, räumt man ein, daß das eigene Leben, vielleicht das ganze Universum doch eigentlich nichtig und bedeutungslos ist, so wird man ruhiger, gelassener, was passiert, passiert eben und wenn man wieder voll dabei ist, kann man vielleicht seinen eigenen winzigen Einfluß darauf haben. Und doch fühlte ich mich nicht so richtig wohl so mit dem deutlichen Empfinden meiner Bedeutungslosigkeit und Winzigkeit. Es dauerte einige Zeit, bis ich in der Lage war, mehr zu erfahren. Ida wartete geduldig.
Ich bat dann Ida nach dieser ruhigen Pause einer bescheidenen und nur kurzen Selbstfindung zu erzählen, mich auf den aktuellen Stand zu bringen. Ich war immer noch neugierig. Und das war vielleicht doch ein gutes Zeichen. Es war mir nichts gleichgültig, ich wollte dabeisein, wollte wissen, wollte Informationen, wollte leben.
Ida hatte wie gehabt ihre ausgeglichene Art und offenbarte mir erst einmal, daß rund 203 Jahre vergangen waren, seit wir uns das letzte Mal unterhalten hatten. Heute sei ich hier in einer kleinen menschlichen Kolonie auf dem Planeten Skylla. Seitdem war viel passiert.
Offenbar war es das.
Ich hatte kurz den spontanen Impuls, sie zu schütteln und zu würgen. Im selben Augenblick war mir klar, wie sinnlos das war bei einer Roboter-Repräsentation einer Ai, die eigentlich zum größten Teil nach eigenen Aussagen nicht wirklich hier war. Ich seufzte und kratzte mit den Fingernägeln über meine Oberschenkel. Ida griff meine Hände und streichelte sie beruhigend. Irgendwie war sie sanfter, weicher, einfühlsamer geworden seit unserer letzten Begegnung, hatte offenbar dazugelernt. Nun, die Fähigkeit haben auch Ais, es sollte mich also eigentlich nicht wundern. Dennoch scheute ich etwas davor zurück, dem Impuls zu folgen, mich vertrauensvoll an sie zu lehnen. So hielt ich inne und Ida nahm das zur Kenntnis, respektierte meinen Zustand und hielt dann wieder etwas mehr Abstand, blieb mir aber doch nahe.
Ida erläuterte, daß es nach meiner Konservierung auf dem Flug auf der elliptischen Umlaufbahn noch zwei arge Zwischenfälle gegeben habe, immerhin hätten wir die besser überstanden als die vorherigen, aber weitgehend Möglichkeiten verloren, mich plausibel zu ernähren, auch habe es dann technische Probleme gegeben, so daß man mich über lange Zeit nur in diesem Stadium des Kryo-Zombies versorgen konnte, ohne mich wieder wecken zu können, auch weil die Schäden am Raumschiff keinen Lebensraum für Menschen mehr geboten hätten. So hätten Körk, Hildegard und sie dann eben beraten und seien zu dem Schluß gekommen, mich einstweilen nicht wiederauferstehen zu lassen, zumal ich dann ja garantiert über Jahrzehnte ohne menschliche Gesellschaft sei, da ja alle anderen Kryo-Zombies vernichtet worden seien und einstweilen bei dem Zustand der Mission nicht damit zu rechnen gewesen sei, in absehbarer Zeit eine Raumstation zu konstruieren, die einige Menschen würde beherbergen können.
An der Stelle unterbrach ich und warf ein: „Ich dachte, ihr könnte alles reparieren!
Und dann habt ihr mich so lange in der Konservierung hängenlassen?“
Ida registrierte meine Empörung wohl durchaus, suchte mit einer Geste zu beschwichtigen.
Dann versuchte sie die Ereignisse zu rechtfertigen: „Also, wir waren der festen Meinung, in deinem Sinne zu handeln, dir das Elend zu ersparen. Das waren Jahre andauernde Reparaturen und du hättest unter den Bedingungen auf dem Raumschiff kaum bestehen können, es hätte zumindest ganz sicher keine weitere menschliche Gesellschaft für dich gegeben. Wir haben abgewogen und wollten dich mit der Situation nicht belasten. Auf jeden Fall hätten wir deine Denkweise, deine Persönlichkeit in der Mission sehr gut gebrauchen können, wir waren aber davon überzeugt, daß du dafür einen zu hohen Preis hättest zahlen müssen, das wollten wir nicht. Es war zuviel schiefgelaufen, um dir in der Situation noch ein gutes Leben zu ermöglichen. So haben wir uns dazu durchgerungen, dich weiter schlafen zu lassen.“
Ich konnte das halbwegs nachvollziehen, die Antwort hinsichtlich ihrer Möglichkeiten schien mir aber unbeantwortet: „Aber ihr hättet die Reparaturen schon in der Hinsicht priorisieren können?“
Ida stimmte zu: „Technisch wäre das schon möglich gewesen, dann aber doch ein hohes Risiko und auch unangemessen, etwa auf einer Raumstation Menschen auszubrüten und dort eine Kolonie zu gründen. Das ist ja doch immer eine Improvisation. Wir wollten einen wirklich guten Platz für euch finden oder schaffen. Was unsere Möglichkeiten anbelangt, also mit einigem Aufwand können wir schon viel erreichen, notfalls auch mit den Fusionsreaktoren und anderen chemischen Konstruktoren und den Roboterschwärmen Material und Strukturen erschaffen, die wir brauchen, besser ist es natürlich, das chemische Ausgangsmaterial einfach etwa im Asteroidengürtel einzusammeln. Ist allerdings das Grundmaterial nicht auffindbar oder nur schwierig in hinreichender Menge mit den Reaktoren zu fusionieren oder zu spalten, so stoßen auch wir an unsere Grenzen. Große Materialmengen zu fusionieren, kostet auch sehr viel Zeit, wir suchen also auch immer nach effizienten Methoden.
Und was die Medizin anbelangt, so sind wir natürlich auch begrenzt in unseren Möglichkeiten, wenngleich die Mikroroboterschwärme Möglichkeiten bieten, die dir aus deiner Zeit sehr fremd erscheinen werden. Die Konservierung läßt dich faktisch über Jahrhunderte nur Tage oder Wochen altern, einige Effekte des Alterns können die Schwärme gar rückgängig machen, viele Krankheiten beseitigen. Aber das hat auch Grenzen. Auch unter optimalen Bedingungen und dem Einsatz aller Möglichkeiten der Schwärme werden ohne Konservierung an wirklicher Lebenszeit Menschen nicht älter als vielleicht hundertfünzig bis zweihundert Jahre, das liegt deutlich über den etwa hundertzwanzig Jahren, die zu deiner Zeit als erreichbar galten, aber eben weit davon entfernt, was in unseren Missionsmaßstäben als lange gelten könnte. Und das Ich, die Persönlichkeit eines Menschen ist ja ein dynamischer Prozeß in seinem Gehirn, eine mehr oder weniger subjektive Wahrnehmung, nach einem größeren Schaden ist das unwiederbringlich verloren, wenn wir jetzt einmal von den Digitalisierten absehen, die dann ja aber ihre eigenen Probleme damit haben, von ihrem sterblichen Körper befreit zu sein. Wir können natürlich längst nicht alles reparieren. Denn was nicht mehr da ist und von dem wir keine materielle Kenntnis haben, wie könnten wir das zurückbringen?
Auch deshalb müssen wir mit dir und den anderen Menschen vorsichtig und umsichtig umgehen. Warum solltest du im Raumschiff oder in einer Raumstation über Jahrzehnte veröden und dein Leben vertrödeln?
Du wärest uns sicherlich bei manchen Entscheidungen eine große Hilfe gewesen, aber wir wollten es dir einfach nicht mehr zumuten, nachdem alle andere Kryo-Zombies verloren waren. Wir wollten, wir mußten es schaffen, um dir ein Leben bieten zu können, welches es sich wirklich zu leben lohnt, ich hoffe, du kannst uns wenigstens halbwegs verstehen, warum wir in deinem Sinne gehandelt zu haben meinen.“
Ich nickte langsam und fühlte mich doch noch immer so ausgeliefert.
Ida räumte ein: „Da das mit dem Verlust der Kryo-Zombies ja bereits bekannt war, bevor du wieder konserviert wurdest, hätten wir das wirklich besser vorher gesprochen. Aber du wirst dich wohl auch erinnern, wie die Stimmung da war. Irgendwie war unsere Mission in einem Zustand, wo es auch wichtig war, minimalistisch zu sein, um noch voranzukommen und uns zu erholen. So haben wir einfach nicht darüber geredet. Und du?
Hast du nicht daran gedacht, was mit dir werden sollte, so ohne die Chance auf andere Menschen?“
Ich dachte etwas nach und Ida ließ mir Zeit.
Dann nickte ich: „Ja, vielleicht.
Vielleicht habe ich das auch vor der Konservierung weggedrückt und wollte nicht darüber nachdenken. Ich hatte diese Phase der Einsamkeit am Rande meiner Möglichkeiten hinter mich gebracht, war erschöpft und wollte vielleicht gar nicht so richtig darüber nachdenken. Meine Frustration richtet sich also sicher nicht gezielt gegen dich oder euch Ais, auch gegen mich, den ganzen Verlauf der Geschehnisse, denen ich so ausgeliefert wurde, ohne mich noch für diese Mission zu entscheiden. Und dann passiert es immer wieder, daß mich die Ereignisse überrollen und mich nun erneut wieder in ein komplettes Woanders werfen. Kannst du verstehen, wie verwirrend und frustrierend das ist?“
Ida wendete sich mir betont zu, drückte vorsichtig und tröstend ihre Hand auf meine Schulter.
Sie sprach: „Wer sind wir denn schon?
Welche Macht haben wir wirklich gegenüber den Kräften des Universums?
Irgendwie ist es immer anders, als es geplant war, als es die Missionspläne vorgesehen haben. Irgendwie ist es immer notwendig, gerade in der Situation einen passablen Weg zu finden. Wir hätten dich diese Zeit sehr gerne mit Bewußtsein und Rat und Verstand bei uns gehabt. Und ich hoffe doch, es war die richtige Entscheidung, dich erst heute zu erwecken. Irgendwie hätten wir das auch zehn oder zwanzig Jahre früher, ziemlich zu Beginn der Kolonie machen können, wir wollten dich aber wieder auch nicht so sehr belasten. Als einzige Erwachsene hättest du zwangsläufig hier die ganze Last getragen. Und du hattest doch sowieso schon so viel erlebt, was man dir einfach ohne Mitsprache aufgebürdet hatte. Nun haben wir in der Kolonie einen Zeitpunkt erreicht, wo du wirklich leben kannst, wo du in menschlicher Gesellschaft sein kannst, wo das Leben relativ normal ist und nicht mehr so ungewollt belastend. Hältst du das nicht für in Ordnung?
Wir dachten wirklich, es sei so gut für dich.“
Ich atmete tief durch. Vielleicht hatte Ida wirklich Recht. Nun würde ich wieder wirklich leben können. Und ich hatte ja durchaus auch Zugang zu den wissenschaftlichen Daten der Mission, konnte mitdiskutieren, lernen, forschen.
Ich nickte, sie hatte wohl wirklich Recht.
Ida fuhr dann fort zu erzählen, nachdem ich mich etwas erholt hatte und signalisiert hatte, daß ich mehr erfahren wollte. Sie hatten jedenfalls meine Vorschläge beherzigt, mein Verhalten, meine Entscheidungen analysiert und viel daraus gelernt, mit kritischen Situationen umzugehen, Prioritäten auch bei nur dürftigen Informationen zügig zu setzen. So seien sie dann doch vorangekommen, hätten wie von mir vorgeschlagen die gigantischen Absorber gebaut, das Sonnensystem weiter erforscht und aufgeräumt, Gefahren beseitigt, Raumstationen und Sonden gebaut, um alles in den Griff zu bekommen. Mit den Jahren habe man große Fortschritte gemacht.
Als dann wirklich Zeit gewesen sei, im Sinne der Mission nach Leben in diesem System zu forschen, hätten sie es zunächst hauptsächlich mit dem Wasserplaneten Charybdis versucht. Das sei eine ziemlich harte Nuß gewesen. Das sei im Grunde noch immer sehr geheimnisvoll. Jedenfalls gibt es dort Leben, aber nicht so einfach zu verstehen und ganz anders. Sie hätten Sonden geschickt und dort gelandet, um das näher zu untersuchen, Kontakt aufzunehmen. Sie hätten zunächst rein gar nichts verstanden. Es ist dort für unser Verständnis komplett fremdartig, die Meere ist durchzogen von komplexem, organischen Material, welches auch über die Küsten ausgedehnt sei. Im Wasser bildet es gelegentlich knotenartige, hausgroße Strukturen, die Tage oder Wochen andauerten, sich dann wieder auflösten. Es gibt pilzfruchtkörperartige Ausstülpungen mitten auf dem Ozean, Gebilde aus Wasser und einer Art fadenartiger, verflochtener, verfilzter Mykorrhiza, welche das Wasser des Ozeans kontrolliert, kanalsiert, beruhigt oder auch kanalsiert. Es gibt Wasserströme, Flüsse im Meer, die sich aber immer wieder ändern.
An den Küsten setzt sich das fort in einer Art von Flechten, auch bizarrer Blasen, baumartiger Auswüchse. Alles dies scheint miteinander verwachsen und verzahnt zu sein. Erst weiter ins Inland hinein verlieren sich diese Strukturen. Da es aber reichlich Regen gibt, gibt es auch reichlich Flüsse, mit denen sich diese komplexe Struktur bis weit ins Land hinein erstreckt, bin hinauf in die Berge, bis zu den Quellen der Flüsse, vielleicht sogar noch bis ins Innerste der Berge hinein, weiter den Pfaden des Wassers folgend, diesem immer entgegen. Auch an Land ändern sich die großen Strukturen über Tage, Wochen, Monate, eine Funktion ist jeweils nicht verständlich. Vielleicht steuern und lenken diese Strukturen aber auch an Land die Flüsse des Wassers.
Mehr durch eine Kombination von Zufall mit einer Verzweiflungsaktion hatten sie schließlich Kontakt über Mathematik und Logik zu einer Art Entität bekommen, die mit dem komplexen Geflecht zu tun haben mußte, sich aber nicht in einer sonstigen Form zeigte. So waren sie sich letztlich sicher, dort etwas oder jemanden vor sich zu haben, was abstrakt denken konnte, mathematische Ideen teilen konnte. Es scheint ein Geflecht zu sein, noch komplexer als etwa Flechten, eine Mischung aus Pilz, Pflanze, Tier, aber zu einem weltweiten Gewebe, zu einer Art Entität vereint, welche aufgrund der globalen Verteilung lokale Katastrophen durch Einschläge überleben und ausheilen kann. Diese Entität regeneriert sich selbst, gleicht Alterung und Schäden wieder aus, hat ganz andere Begriffe von Raum, Zeit, Leben. Sie steuert, dominiert den gesamten Planeten, regelt weitgehend die Abläufe darauf. Es lebt primär im Meer und an den Küsten.
Jedenfalls ist Charybdis damit kein Ort, wo man hätte eine menschliche Kolonie errichten mögen. Die Wesensheiten passen einfach nicht zusammen. Aber sie hätten über die Sonden schon noch Kontakt. Sie hätten diesem Wesen irgendwie schon einen Unterschied zwischen verschiedenen Persönlichkeiten vermitteln können, die Sonden seien dann eine Art von Kontaktstellen geworden, über welche ein Austausch in einer eigenen, mathematisch-logischen Sprache in gewissen Grenzen möglich sei, alles sehr abstrakt und für Menschen mit ihrer Sprache kaum erfaßbar, auch für die Ais und diese Entität kein wirklich flüssiger und gut verständlicher Dialog, aber in der eigenen Weise schon ein Erlebnis.
Ob sich das so entwickelt hatte als Reaktion auf Einschläge aus dem Weltraum?
Das war durchaus eine plausible Hypothese. Es mochte aber auch andere Gründe geben, warum die Evolution auf Charybdis gerade in diese Richtung verlaufen war.
Es mußte ja doch irgendwie einst alles mit Einzellern begonnen haben. Auf der Erde gab es dann ja auch irgendwann den Zusammenschluß von Einzellern zu Mehrzellern und damit hatte dann eine komplexe Entwicklung begonnen. Ob es die auch auf Charybdis gegeben hatte, war nicht so ganz klar. Vielleicht stoppte aber dort der Zusammenschluß zu Mehrzellern einfach nicht und irgendwie verband sich alles zu einem einzigen Superorganismus, welches im Grunde mit seiner Existenz, seiner Lebensweise unsere Vorstellungen sprengen mußte. So war es eigentlich schon erstaunlich, daß den Ais eine Art von Verständigung gelungen war. Ida aber versicherte mir, daß sei nun kein lockeres Gespräch, sie hätten eher Teil am Sein dieses Wesens, welches auf sie wie auf andere Umweltreize auch reagiere und diese automatisch in die eigene Existenz einbeziehe, integriere, absorbiere. So sind die dort gelandeten Sonden nun eben mit dem Wesen verbunden, waren zum Teil von ihm geworden, damit auch der Kontakt zu uns.
Das ist alles so anders, daß sie nie mehr gewagt hatten als den Austausch über die Sonden. Sie hatten Kontakt gehalten, ohne doch eigentlich viel zu verstehen. Die Ais respektierten das Wesen aber von Anfang an, was so weit jenseits unserer Vorstellungen ist.
Sie schützten also insbesondere Charybdis vor weiteren großen Einschlägen, denn inzwischen hatten sie auch verstanden, daß dieser breite Gürtel von Objekten, von denen uns ein paar getroffen hatten, auch im äußeren Asteroidengürtel immer wieder Störungen auslöste und es so auf den Zwillingsplaneten immer wieder zu Einschlägen kam, deutlich häufiger jedenfalls als zunächst aufgrund der Simulationen vermutet. Auch war nicht auszuschließen, daß gerade unser Eintreffen und die Interaktion mit Brocken im breiten Gürtel zu Bahnabweichungen dieser geführt hatte, die ihrerseits im nächsten Umlauf Störungen im Asteroidengürtel verursachen könnten, die wiederum Einschläge auf Skylla und Charybdis bewirken mochten, die so nicht eingetreten wären, wenn wir nie in die Nähe dieses Sonnensystems gekommen wären. Es gab zu wenig Daten, um das solide zu beurteilen, plausibel war ein Einfluß aber natürlich, wenn jetzt auch nicht davon auszugehen war, daß wir wirklich ein mysteriöses Gleichgewicht mit unserer Ankunft gestört hatten, den Ablauf der Ereignisse hatten wir indessen ganz bestimmt beeinflußt, wir würden nur nie genau wissen, in welcher Weise und mit welchen Auswirkungen.
Die Simulationen ohne all diese Objekte des Trümmergürtels und der beiden Asteroidengürtel war zu einfach, zu naiv gewesen. Hier war viel mehr los. Und es ist jedenfalls weder besonders gut für Charybdis, noch für ihre Mission, wenn es zu solch zerstörerischen Einschlägen kommt. Da waren sie sich schnell sicher. Die Entität auf Charybdis konnte sich von den lokalen Zerstörungen bei Einschlägen schon sehr gut erholen, vielleicht war sie deswegen so delokalisiert, um überhaupt zu leben. Notwendig für ihr Leben waren die Einschläge aber sicher nicht, nur bislang unabwendbares Schicksal, welches die Ai dann aber änderten, indem sie mit dem Aufräumen begannen. Das Aufräumen aber klappte gut, insbesondere diesen zerstörerischen Gürtel bearbeitete man intensiv mit den von mir vorgeschlagenen gigantischen Absorbern, nutzte insbesondere den äußeren Asteroidengürtel als Quelle von Ressourcen, um die Mission weiter auszubauen.
Schon während sie auf Charybdis mühsam den ersten Kontakt fanden, hatten sie mit der Erforschung von Skylla begonnen. Dort fand man viele Spuren von Einschlägen, aber kein Leben. Sie schickten Sonden, ein paar landeten auch an auffälligen Strukturen, am und im Wasser, den Küsten, untersuchten alles, was verdächtig erschien oder hinsichtlich der Möglichkeit verborgenen Lebens plausibel erschien. Es fand sich aber nichts, was darauf hingedeutet hätte, daß es jedenfalls zum Zeitpunkt der Untersuchung auf dem Planeten Leben gab. Vielleicht früher einmal, sonst wäre einiges an der Zusammensetzung der Atmosphäre nur schwer zu verstehen gewesen.
Ein letzter, größerer Einschlag schien noch ziemlich frisch zu sein, vielleicht hatte dieser erst stattgefunden, nachdem unser Raumschiff bereits in dem Sonnensystem war. Der hatte offenbar fatale Folgen gehabt und hatte auch viel Staub aufgewirbelt, in der Atmosphäre verteilt. Das würde aber wohl nicht ausgerechnet der Einschlag gewesen sein, der auf dem Planeten alles vorherige Leben weggebrannt hatte, dazu wären dann schon eher einige Einschläge über einen längeren Zeitraum plausibel gewesen. Nach der Struktur der Oberfläche des Planeten gab es auch einige Einschläge, das mochte dann über den Zeitraum von hunderten oder tausenden von Jahren gereicht haben, um eventuelles Leben auszulöschen.
Sie fanden im aktuellen Zustand des Planeten jedenfalls verschiedene Gründe neben der Trockenheit und dem dichten Staub, die die Grundlage für Leben weitgehend entzogen. Aber ohne zerstörerische Einschläge würden sich weitere Möglichkeiten ergeben. Die Lage konnte sich ändern, wenn Skylla zur Ruhe kam. Allerdings war Skylla ja relativ trocken. Der Staub würde sich lange in der Atmosphäre halten, war schlecht gebunden und würde wohl auch immer wieder in die Atmosphäre gewirbelt werden.
Im äußeren Asteroidengürtel fand sich aber reichlich Wasser, mehr als sie es für die Expansion der Mission im Weltraum brauchten, zu schade, um es für den Antrieb zu Gas zu zerstäuben, also ließen sie es auf Skylla einige Jahre durchregnen, ein wahrer Sturzregen, ein apokalyptischer Wassereinbruch, eine Sintflut aus dem Weltraum. Sie wuschen und verdünnten so regelrecht Gifte und Staub aus der Atmosphäre, reinigten und bereiteten vor, um dann irgendwann den Planeten mit geeignetem Leben zu impfen. Sie tricksten ordentlich, denn eine natürliche Evolution wollten sie ja nun nicht abwarten, trotzdem zog sich die Angelegenheit über Jahrzehnte dahin, bis sich auf einer bescheidenen Insel, auf die sie sich konzentriert hatten, ein komplexeres, symbiotisches Öko-System gebildet hatte. Damit war dann irgendwann die Grundlage für eine Kolonie gelegt. Auch an vielen anderen Stellen von Skylla hatten sie Pflanzen und symbiotische Öko-Systeme etablieren können. Vor gar nicht einmal so langer Zeit hatten sie es dann gewagt, nachdem die Nahrungsgrundlagen sichergestellt waren und sie die lokale Forschungsstation auf der Insel durch die Schwärme dafür ausgestattet hatten, Menschen dort auszubrüten. Das waren dann im Grunde die ersten Siedler, und die Ais hatten viel Mühe und Last, Ersatz für Eltern zu sein, die Kleinkinder zu pflegen, auszubilden, zu erziehen.
Ich hatte etwas Mühe, mir die drei Ai als Eltern vorzustellen. Ida erklärte, sie hätten ja extra diese grob humanoide Gestalt entwickelt, um sich als verfügbare Bezugspersonen überzeugender einzubringen – und das habe auch gut geklappt und so seien sie auch heute in die Gemeinschaft gut integriert, sie gehörten ganz selbstverständlich dazu, ohne aber ihre andere Art zu verleugnen, denn die sei ja schon allen klar. Sie hätten ja auch bei der Wahl der Gestalt schon auf Unterschiede geachtet, um sich nicht einzuschleichen und zu täuschen, so wieder Vertrauen zu verlieren, wenn die Unterschiede offenbar würden. Zum Glück habe es ganz gut funktioniert.
Aber sie seien sich immer sehr unsicher gewesen, ab wann ein Mensch so erwachsen ist, daß der an Entscheidungen gleichberechtigt beteiligt werden kann, wann er sein Leben selbst bestimmen kann, da hätten sie ja nur Literatur gehabt, keine persönliche Erfahrung, das sei insbesondere anfangs sehr schwer gewesen. Da sich ja nun aber jeder Mensch anders entwickelt, sei das auch heute bei jedem einzelnen Kind erneut eine spannende Frage und es sei so interessant und mitreißend zu erleben, wie sich ein Kind über die Jahre entwickelt, selbständiger wird, wie sich die Persönlichkeit bildet und mit Entscheidungen und Erfahrungen verändert, wie Menschen miteinander und mit den Ais agieren. Das sei für sie immer noch das größte Abenteuer bei der Mission.
Nun seien es schon 417 Personen, eine große Gruppe, eine gute und friedliche Gemeinde von Menschen, etwas, was wirklich funktioniere und auch eine halbwegs plausible Altersstruktur habe. Und erst jetzt hätten sie sich getraut, ein so großes und empfindliches Objekt wie mich, Michaela, in ihrer Konservierungskammer auf den Planeten zu bringen, auch da sie nun sicher gewesen seien, daß ich nicht allein sein würde und hier überleben könne.
Es ist ja nicht so leicht, empfindliches biologisches Material schonend aus dem Weltraum auf einen Planeten zu befördern, der über eine ähnlich große Gravitation wie die Erde verfügt. Alles andere hatten sie ja mit kleinen Sonden erledigt, mit Roboterschwärmen, hatten fast alles mit Material erschaffen, was bereits auf dem Planeten gewesen war. Auch das Transferieren von Keimzellen vom Raumschiff auf den Planeten war noch relativ einfach durchzuführen gewesen, weil das wenig Material gewesen sei, nicht viel schwieriger, als Roboterschwärme und kleine Sonden heile zu landen. Ich jedenfalls war das größte Objekt, was sie auf den Planeten gebracht hatten. Selbst der Körper, der als Ida vor mir stand, war hier gebaut worden, Ida selbst befand sich auf einer Forschungsstation im Weltraum und auch noch im Raumschiff, war also verteilt. Nur ein kleiner Teil war hier vor mir in diese Gestalt transferiert worden, war hier dauerhaft in der Kolonie präsent und lebte hier mit den Menschen zusammen. Sie synchronisiert ihre Teile einfach regelmäßig, um sich ihrer selbst als Einheit bewußt zu bleiben. Hildegard und Körk hatten hier auch ähnliche Repräsentationen.
Dazu gibt es auch noch zwei weitere, neue Ais, die ich noch nicht kannte. Meinem Vorbild folgend hatten sie sie mit geläufigen Namen benannt, einer heißt Stanis nach Stanisław Lem, der andere Asi nach Isaac Asimov. Das gefiel mir gleich ganz gut. Die beiden kümmerten sich allerdings vorrangig um die Raumstationen, Stanis um die Station in der Umlaufbahn um Charybdis, Asi weiter draußen um Forschungsaktivitäten an Monden der Gasriesen. Sie hatten hier gar keine Repräsentationen.
Mehr oder weniger wie gehabt kümmerte sich Körk um die Absorber und die Bautätigkeit im Bereich des äußeren Asteroidengürtels.
Hildegard kümmerte sich noch immer um unser Raumschiff, verstärkt und immer mehr aber um die hiesige Biologie und die Terraformung des Planeten, weitere Impfungen, Analysen aktueller Entwicklungen und Optimierungen des biologischen Wachstums und auch um die Erzeugung von Nahrungsmitteln für die menschliche Kolonie, wobei allerdings die älteren Kinder und die erwachsenen Menschen hier mitarbeiteten.
Ida koordinierte viel, beschäftigte sich mit den sozialen Aspekten der Menschen hier, mit der Organisation der Kolonie, der Diskussion von Problemen und Perspektiven für die Zukunft der Kolonie. Aber sie kümmerte sich auch stark um die Koordination aller Forschungsprogramme und der Vermittlung der Daten, die Koordination der Diskussionen zum Verständnis der Daten.
Da sie hier nicht einmal einen leistungsfähigen Fusionsreaktor verfügbar hatten, der notfalls fehlende Elemente hätte ausbrüten können, mußten sich die Schwärme auf die Materialien beschränken, die hier auffindbar und verfügbar waren. Eine Ausnahme ist allerdings das Wasser, noch immer ließ hauptsächlich Körk es über Wüstenregionen abregnen. Allerdings waren die Zeiten der Sintfluten und der großen Reinigungen der Atmosphäre längst vorbei. Dieser besondere Regen war also von der Menge her nicht mehr so dramatisch für das Klima, eher für die lokalen Entwicklungen. Es hatte in der aktuellen Phase keinen nennenswerten Einfluß mehr auf den Meeresspiegel, also kein Problem für die Kolonie auf der Insel, die ohnehin etwas höher lag, nicht direkt am Meer.
All der Regen hatte aber nicht nur die Atmosphäre verändert, auch am Boden zeigten sich Änderungen. Die Meere haben allerdings einen deutlich höheren Mineralgehalt als etwa auf der Erde, das war schon vor den Eingriffen der Fall und konnte durch diese bislang auch nicht nennenswert geändert werden. Das hatte extreme Bedingungen ergeben, zusammen mit den früheren Staubstürmen und den zahlreichen Einschlägen von Asteroiden vermutlich ein Grund, warum es hier kein Leben gegeben hatte oder dieses jedenfalls nicht überlebt hatte. Sie arbeiteten unlängst auch an einer Veränderung der Chemie der Meere, hatten in Küstennähe überall auf dem Planeten widerstandsfähige Pflanzen angesiedelt, im kleineren Gewässern mit etwas harmloserer Chemie auch Algen und andere Wasserorganismen von den widerstandsfähigeren Arten. Für die Roboterschwärme und die chemischen Konstruktoren sind die im Wasser gelösten Chemikalien zudem auch eine reichhaltige Quelle zahlreicher Atomsorten. Sie hatten ein paar große Anlagen gebaut, welche permanent Meerwasser filtern. So, primär aber durch Hildegards Bemühungen fand langsam also eine Terraformung des gesamten Planeten statt. Immerhin war der Sauerstoffanteil bereits angestiegen, ungesunde Gase wurden hinreichend durch den Regen aus der Atmosphäre gespült, nur so war es möglich geworden, hier zu siedeln.
Wir konnten uns hier also eigentlich schon ziemlich komfortabel einrichten, insbesondere aufgrund der Roboterschwärme und der chemischen Konstruktoren hatten wir da doch letztlich viele Möglichkeiten, auch komplexe technische Geräte herzustellen und zu nutzen. Indessen war es uns in der näheren Zukunft etwa allenfalls möglich, kleine Sonden mit Proben zurück in den Weltraum auf die Raumstation oder das Raumschiff zu schicken. Etwa wäre es mit unseren aktuellen Möglichkeiten nicht möglich gewesen, mich zum Beispiel zur nächsten Raumstation zu schicken, einmal abgesehen davon, daß diese gar nicht für Menschen ausgelegt war. Es wäre wohl schon möglich gewesen, irgendwie über einen Zeitraum von Jahren mit den Schwärmen Raketen zu bauen, um den Weltraum zu erreichen. Es wäre auch möglich gewesen, die Raumstation umzurüsten oder eine neue zu bauen, die sich für Menschen eigenen würde, allerdings hatten wir ja im Grunde kein Ziel und waren hier in der Kolonie viel besser aufgehoben. Die Lebensbedingungen auf Skylla waren inzwischen gut für Menschen geeignet, dank des Absorberprogramms war es hier inzwischen auch sicher. Hier konnte man gut leben, so versicherte mir Ida.
Skylla hatte ja bei unserem Eintreffen in diesem Sonnensystem nur eine Tageslänge von knapp acht Stunden, also einen deutlich anderen Rhythmus als etwa die Erde, an welche ja irdisches Leben angepaßt ist. Auch die Änderungen aufgrund des zusätzlichen Wassereintrages hatten daran nicht wesentlich etwas geändert. Die Tageslänge betrug nun acht Stunden und dabei würde es auch bleiben. Da Menschen nun einmal von ihrer biologischen Uhr an ungefähr vierundzwanzig Stunden gewöhnt sind, davon rund acht Stunden Schlaf, ergaben sich daraus ganz neue Herausforderungen. Es gab also verschiedene Möglichkeiten für Schlafzeiten am Tag. Da nun auch der Zwillingsplanet Charybdis größer und heller am Himmel erscheint als etwa auf der Erde der Mond, die Umlaufzeiten andere sind, ergibt sich auch ein anderer Eindruck insbesondere der Nacht. Es ist nur wirklich dunkel, wenn weder die Sonne noch Charybdis am Himmel zu sehen sind.
Aufgrund der Neigung der Umlaufbahn der Zwillingsplaneten umeinander relativ zu der Umlaufbahn der beiden um die Sonne, ferner auch die Neigung der Rotationsachse von Skylla zu diesen Achsen sind die Jahreszeiten komplexer als auf der Erde, aber zum Glück eher weniger ausgeprägt. Die Kolonie befindet sich zudem ungefähr in Äquatornähe, von daher hatten wir auch keine Zeiten mit durchgehenden Nächten aufgrund der Neigung der Rotationsachse, wie das auf der Erde ja auch in der Nähe der Pole durchaus bekannt ist. Der Ort für die Kolonie war also schon sehr sorgfältig ausgewählt, um ein angenehmes Leben zu ermöglichen. Die Häuser sind zudem so konstruiert, daß in Schlafphasen komplett abgedunkelt werden kann, Temperaturen und Luftfeuchtigkeit, selbst die Zusammensetzung der Luft optimiert gewählt werden kann. Aber die Menschen hier hatten sich ohnehin an die Luft draußen gewöhnt. Die Häuser wurden seit langer Zeit im automatischen Betrieb belassen, der sich von selbst auf die gesundheitlichen Bedürfnisse der Bewohner hin das Mikroklima im Gebäude optimierte. Draußen kamen die Leute ausgezeichnet mit Klima und Wetter zurecht. Aufgrund der chemischen Konsistenz war es nur nicht zu empfehlen, länger im Meer zu baden. Danach sollte man sich jedenfalls sorgfältig reinigen.
Ich war aufgestanden, ging durch den Raum zu einem Fenster, schlug den Vorhang beiseite und schaute hinaus. Von hier jedenfalls hatte man einen ganz schönen Blick über ein Stück der Insel und dann weiter über ein Meer und sogar ein Stück weiter wieder Küste mit mir unvertrauten Strukturen, gemischt aber mit etwas Grün, was schon irgendwie vertrauter wirkte, dahinter dann Hügel und viel Land mit einem eher tristen Eindruck. Immerhin, die Atmosphäre war klar, der Himmel ähnlich blau wie auf der Erde, sogar Wolken konnte ich sehen. Die Sonne schien und durch diese war die Stimmung auch etwas anders, zwar hell aber farblich für mich etwas fremdartig, eher etwas gelber, woran man sich hier wohl gewöhnen mußte.
Ich ging weiter zu einem gegenüberliegenden Fenster und schaute auch hier hinaus. Hier hatte ich einen Blick in die Kolonie oder das Dorf. Die für mich fremdartig, futuristisch aussehenden Häuser waren grob im Kreis angeordnet, auf dem Platz spielten Kinder, fand das Dorfleben statt, gelegentlich kamen aus den Häusern Menschen oder gingen hinein, die Häuser schienen alle unverschlossen zu sein, man traute sich offenbar. Und man hatte wohl auch außerhalb des Dorfes zu tun, denn Leute gingen mit mir nicht vertrauten Gerätschaften hinaus durch Lücken zwischen den Häusern. Am Himmel sah ich dann offenbar Charybdis, nahezu voll von Rasol beleuchtet, ein faszinierender Anblick, größer als der Mond, heller, somit auch tagsüber gut zu erkennen, natürlich aufgrund der Entfernung konnte man darauf nur undeutlich Strukturen sehen. Hätte die Erde solch einen Zwillingsplaneten gehabt, hätte man wohl zwangsläufig spätestens nach der Erfindung von Teleskopen ganz anders über das Leben und die eigene Stellung im Universum gedacht, als man des lange getan hatte. Alles wirkte friedlich, die Kinder spielten, es gab bereits Bäume und reichlich Grün auf der Insel. Auf den Häusern waren wohl Solaranlagen installiert und ich machte auch ein paar große Windmühlen aus. Ida hatte es ja erwähnt, ohne Fusionsreaktoren hier unten mußten sie wohl etwas kreativer sein und ihre Möglichkeiten gut nutzen. Vielleicht hielten sie es auch nicht für notwendig oder wünschenswert, hier auf dem Planeten Kerntechnik einzusetzen. Obwohl diese inzwischen ja ganz anders funktioniert als zu meiner Zeit auf der Erde, birgt sie ja doch besondere Probleme, warum es bei einer so kleinen Gemeinde also nicht erst einmal ohne versuchen?
Nebenbei hatte ich Ida natürlich weiter zugehört, so wendete ich mich ihr nun auch wieder zu und schenkte ihr meine volle Aufmerksamkeit.
Von den Eismonden der Gasriesen konnte Ida inzwischen berichten, daß es vermutlich nur bei einem ein relevantes großes Meer unter der Eiskruste gab. Ai Asi hatte mit Expeditionen zunächst die Oberflächen einiger Monde, nicht nur von Eismonden untersucht. Es gab also mittlerweile reichlich Daten über diese Monde und von weiteren Sondenmissionen auch detailliertere Informationen über die Zusammensetzung der Atmosphären der Gasriesen. Asi traute diesen durchaus auch noch Überraschungen zu. Gab es da vielleicht in der dichten Atmosphäre fliegende Lebewesen, wie es im Meer schwimmende gibt?
Das war unklar, denn es ist nicht so einfach, solch dichte Atmosphären zu untersuchen und Asi konnte auch unmöglich alles auf einmal machen.
Besonderes Interesse galt natürlich jenem Mond, der aufgrund der Gezeitenkräfte durch den Umlauf um seinen Gasriesen unter der Eiskruste ein großes Meer mit flüssigem Wasser hat. Die Eiskruste weist interessante tektonische Aktivitäten auf, es gibt auch Eisvulkane und damit bereits Möglichkeiten, um von der Oberfläche aus an Informationen über das Meer unter der Kruste zu kommen. Asi hatte Mikroorganismen in den Eruptionen gefunden. So konnte man bereits ziemlich früh belegen, daß es dort auf jeden Fall Leben gab. So schien es auch angebracht, mit Forschungssonden durch das Eis zu bohren, um mehr zu erfahren. Asi fand in dem Meer wirklich komplexe Lebensformen, deutlich anders und biologisch auch ziemlich inkompatibel zu Leben auf der Erde, aber trotzdem mit gewissen Ähnlichkeiten. Grundlage des Lebens waren wohl unterseeische Vulkane, ebenfalls durch die Gezeitenkräfte angetrieben. Darauf baute eine Nahrungskette auf bis hin zu Organismen ähnlich den Tieren auf der Erde, durchaus wohl auch mit Gehirn. Es fanden sich aber keine Lebewesen, deren Intelligenz auch nur entfernt an die intelligentesten Arten auf der Erde herangereicht hätten. Sie haben offenbar auch wenig gemein mit dem Superorganismus, der Charybdis bewohnt. Leben entwickelt sich offenbar doch sehr unterschiedlich, je nach den Voraussetzungen und Umgebungsbedingungen, evolutionär betrachtet ist das auch nicht so erstaunlich. Unsere Vorstellungskraft indessen ist letztlich ja doch durch das begrenzt, was wir bereits kennen, daher werden wir leicht durch das überrascht, was wirklich ist.
Die Kodierung des Lebens mit Desoxyribonukleinsäure oder eng verwandten chemischen Komplexen findet sich allerdings als überaus bemerkenswerte Gemeinsamkeit. Das scheint immerhin ein Hinweis darauf zu sein, daß Leben im Universum doch wenigstens ungefähr universell ist, den Ursprung in der Chemie hat, die gelegentlich eben auf Bedingungen stößt, die die Bildung solch komplexer chemischer Verbindungen fördert und dann eben auch zu Biologie führt. Die Bildung von komplexen Strukturen findet also nicht nur aufgrund von Gravitation statt, wenn sich Sonnensysteme, Galaxien, Galaxienhaufen und noch größere Superstrukturen bilden. Auch auf Planeten können sich im geeigneten Temperaturbereich, bei einem vorliegenden Energieungleichgewicht in der Dynamik offenbar komplexe chemische Strukturen bilden, die zu biologischem Leben führen können.
Hinreichend intelligentes Leben kann wiederum Ais konstruieren. Die Hinweise waren bislang also schlüssig.
Weiterhin unklar blieb dann allerdings, wo das erste Leben entstanden war, ob also die vorgefundenen Lebensformen auf den Planeten und Eismonden eventuell nur entstanden waren, weil die komplexen chemischen Strukturen dazu aus dem Weltraum herabgeregnet waren, oder ob sich diese unabhängig voneinander auf den Planeten oder Monden bilden konnten. In den Asteroiden fanden sich Spuren und Hinweise auf diese komplexe Chemie. Die Befunde sind aber bislang nicht eindeutig. Immerhin ist es ja auch möglich, daß die Substanzen in den Asteroiden wiederum von Planeten stammen, auf denen sich das Leben bereits entwickelt hatte. Im Grunde hatten wir nicht erwartet, einen wirklichen Ursprung zu finden.
Schon die ersten Funde von anderem Leben im Sonnensystem hatten ja einige Weltbilder dramatisch relativiert, den antiken religiösen Weltbildern dann eben doch Fakten vorgehalten, die ein ganz anderes Bild von der Welt aufdrängten. Die Funde hier in einem anderen Sonnensystem mit komplexen Lebensformen, einem Superorganismus hatten unser Bild vom Leben noch einmal ordentlich zurechtgerückt. Es war offenbar weder einmalig auf der Erde noch im Sonnensystem. Die Erde war schon in einer günstigen, aber nicht geradezu ausgezeichneten oder einzigartigen Position im Universum. Leben kommt darin eben gelegentlich vor – und ganz anders als es uns vertraut ist. Vielleicht gibt es irgendwo, wo wir es noch gar nicht vermuten, noch viel bizarrere Möglichkeiten für Leben, vielleicht nicht einmal auf den Kohlenstoffketten basierend, bei einer anderen Temperatur oder jedenfalls mit ganz anderen charakteristischen Zeiten.
Das läßt sich eben nicht mehr durch nachdenken und fabulieren herausfinden, man muß es schon erforschen und gelassen, wohlwollend und flexibel darauf reagieren, daß die Welt doch immer wieder ganz anders erscheint, als wir das mit unseren sehr vereinfachten Weltbildern gedacht hätten.
Immerhin, die Informationen, die sowohl von der Erde gekommen waren, als auch unsere eigenen Beobachtungen in diesem System passen gut zusammen und sind doch nicht eindeutig hinsichtlich der Frage nach dem Ursprung des Lebens. Vielleicht hatte es ja auch gereicht, daß sich einmal irgendwann in den Anfängen der ersten Galaxien irgendwo Leben unter günstigen Bedingungen aus der Chemie heraus gebildet hatte und sich dies dann über Gesteinsbrocken, Asteroiden, Schmodder über lange Zeit verteilt hatte, dann eben auf wenigen Planeten auf günstige Bedingungen gestoßen war, sich gelegentlich gut hatte anpassen können und so dann jeweils einzigartige Lebensformen herausgebildet hatte.
Von der Erde gab es bedingt durch den großen Abstand ja nur selten Nachrichten. Immerhin hatte ich aber gut zweihundert Jahre verschlafen, so daß Ida hier auch Neues berichten konnte. Die Bevölkerung ging zurück, das Ökosystem Erde begann aber, sich teilweise zu erholen. Es war nicht mehr notwendig, intensiv einzugreifen, es kam immer mehr zu einer normalen, selbständigen Dynamik. Gut, dafür hatte man wohl auch viel getan, aufgeräumt, renaturiert, sich reduziert. Auf der Erde gab es heute nach Idas Schätzung aufgrund ihrer aktuellsten Daten und einer vorsichtigen Extrapolation auf den heutigen Tag vielleicht noch fünf bis zwanzig Millionen Menschen in nur noch drei Megastädten. Genmanipulationen an Menschen, selbst die Schnittstellen der Kompatiblen ordnete man nach Idas aktuellem Stand nun eher als Modeerscheinungen ein, vielleicht gar als Irrtümer der kulturellen Entwicklung, man hatte sie sogar in Verdacht, mit für den Rückgang der Bevölkerungszahlen verantwortlich zu sein. So gab es nun wieder einen zunehmend größeren Anteil an unveränderten Menschen, die Restbestände davon hatten sich wohl auch etwas stärker vermehrt als die anderen. Subtile Probleme der genmanipulierten Population galten Ida und den anderen Ais hier als klare Warnung, es besser bei dem zu belassen, was war. Bei der sonstigen Biosphäre für die Terraformung setzten sie das allerdings vorsichtig ein, Ida meinte aber, das gehe im Grunde nicht über eine beschleunigte Art der traditionellen Züchtung hinaus, teilweise jedenfalls eine verkürzte, simulierte Art von Evolution, um eine bessere Anpassung an die hiesigen Bedingungen in kurzer Zeit zu erreichen.
Natürlich sind ein paar hundert Leute hier, die erst seit maximal etwa dreißig Jahren hier lebten, noch keine Grundlage, um solide Aussagen zu treffen, wie erfolgreich wir uns hier würden behaupten können. Das langsame Aussterben der Menschen dort auf der Erde jedenfalls schien bislang nicht gebremst zu sein. Die Ais sorgten sich auch etwas, wie sich das hier mit noch mehr Menschen entwickeln würde. Würden auch wir über längere Zeit ähnliche Probleme bekommen?
Würde ihnen die Angelegenheit irgendwann komplett entgleiten?
Oder konnte es uns gelingen, ihren Weg fortzusetzen und eine emanzipierte, friedliche, tolerante Gesellschaft zu erhalten?
Bauten wir vielleicht doch gerade an unserem eigenen Utopia?
War es realistisch, diese Menschen hier mit Bildung und Kultur so weit anzufüttern, daß sie wirklich verträglich mit sich und ihrer Umwelt leben konnten?
Die Frage war natürlich noch offen.
Im Grunde war es natürlich auch bezüglich der Erde offen, ob es nicht gelingen würde, mit vielleicht ein oder zwei Millionen Menschen gut zu leben, es endlich in den Griff zu bekommen.
Ida berichtete auch über Mission 3, die uns ja sogar näher als die Erde ist. Die Berichte zeigten, daß es in jenem Sonnensystem jedenfalls einen Planeten gibt, der sich für die Ansiedlung von Leben eignen könnte, aber dafür erst über eine lange Terraformung vorbereitet werden müßte. Auf unsere Berichte hin hatte man auch dort begonnen, mit gigantischen Absorbern gründlich aufzuräumen, um das Problem der Zusammenstöße mit Asteroiden zu lösen, statt nur Einschläge ins eigene Raumschiff zu unterbinden. Neben der ohnehin im Bau befindlichen Raumstation brachte es so auch diese Mission zu gewaltigen künstlichen Strukturen in jenem System, machte gute Fortschritte. Sie hatten sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten von ihrer eigenen Katastrophe erholt. Weil die Berichte günstig waren, hatte man dann von hier eine kleine Mission auf den Weg gebracht, um sorgfältig ausgewählte Mikroorganismen zu übermitteln, weil Mission 3 ja sämtliche wichtigen biologischen Vorräte verloren hatte. So hatten sie mittlerweile wirklich mit der Terraformung angefangen. Wir mußten hier aber selber erst noch weiterkommen, bis wir selbst genug Vorrat hatten, um der Mission 3 dann auch mit einer größeren Mission eine größere Auswahl von komplexeren Organismen zukommen zu lassen. So würde es vermutlich noch ein paar Jahrhunderte dauern, bis zu überlegen war, ob es dort auch noch eine weitere menschliche Kolonie geben sollte oder ob wir uns damit begnügen sollten, dort überhaupt Leben angesiedelt zu haben, welches sich selbst einfach weiter per Evolution in die eigene Richtung entwickeln sollte. Diese Entscheidung mußte aber noch lange nicht getroffen werden. Zeiten und Pläne bei Weltraummissionen sprengen schnell die persönlichen Vorstellungen, das hatte ich inzwischen wirklich gelernt, wobei ja meine eigene, persönliche Geschichte schon meine Vorstellung davon sprengt, was Lebenszeit bedeutet und wie das eigene Leben ablaufen könnte.
Nachdem ich dann ungefähr auf dem aktuellen Stand war, brauchte ich einmal mehr eine Weile, um das zu verdauen und Ida ließ mir gerne die Zeit. Und im Grunde, was sollte ich nörgeln und mit meinem Schicksal hadern?
Auf der Erde wäre ich längst tot und vergessen. Hier hatte ich nun offenbar eine neue Chance bekommen, in dieser Kolonie mit jungen, friedlichen Menschen zu leben und vielleicht doch endlich mein Glück zu finden. So nickte ich irgendwann, denn Ida wollte mir gerne die Kolonie dort draußen hinter der Tür zeigen. Das sollte für mich eine neue Welt direkt zum Anfassen sein!
Das sollte meine Zukunft sein, mit der ich mich vertraut machen sollte und nun auch wollte!
Ich war neugierig, ich wollte dabei sein!
Zuvor erläuterte sie mir allerdings noch, daß zum Zwecke einer eigenen Geschichte, einer eigenen Identität der Gruppe, einer eigenen Kultur hier die Historie der Mission bekannt sei, auch daß ich im Grunde mit Entschlossenheit die Mission über die kritischten Wochen gebracht habe, sie alle mir ihr Leben zu verdanken hätten. Daher verehre man mich hier als die Gründerin, ich sollte mich also nicht wundern, wenn mir die Menschen hier mit sehr viel Respekt und Verehrung begegneten. Das war mir gar nicht so recht, ich wollte lieber ganz normal eine von ihnen sein, mit ihnen leben, statt auf ein Podest gesetzt zu werden.
Aber Ida beruhigte mich, sie hätten ihnen schon erläutert, daß das unangebracht sei und es zum Glück aller gehöre, liebevoll und mit gleicher Geltung und Zuneigung miteinander umzugehen, daß niemand nach unten getreten werden dürfe, aber auch niemand hochgejubelt werden solle. Jede Person habe natürlich Lob und Zuwendung verdient, insbesondere für besondere Leistungen im Rahmen der eigenen Möglichkeiten für die Gemeinschaft, aber das Wichtigste sei doch letztlich, ganz dazuzugehören und nicht allein zu sein. Zwar sei ja jeder einzigartig und besonders, aber genauso sei es wichtig, gemeinsam zu sein und zu leben.
Damit war ich sehr einverstanden, Verehrung wollte ich nicht, auch weil mir nichts von dem besonders oder gar heldenhaft erschien, was ich so veranstaltet hatte. Ich war da so hineingestolpert und hatte eben etwas unternommen, was mir notwendig erschien. Da war nichts Besonderes. Ich glaube, es war einfach hauptsächlich Glück, daß wir heute hier sein konnten und nicht längst zu totem Schmodder zernichtet worden waren.
Lob und Anerkennung meinetwegen, daß wir es auf letztlich erstaunliche und glückliche Weise doch so weit gebracht hatten, aber hatte ich wirklich so viel dazu beigetragen in nur wenigen Wochen, verglichen mit den gut zweihundert Jahren, die die Mission danach hier aktiv und erfolgreich war?
Wenn Ida auch meinte, meine Aktivitäten seien die Ursache des Erfolges, meine Idee, die gefährlichen Brocken abzufangen und zu nutzen, sei die Grundlage aller späteren Aktivitäten, so hatten sie diese zudem nicht besonders originellen Ideen doch selbst ordentlich weiterentwickelt. Ida meinte, das hätten sie alles nur schaffen können, weil sie immer wieder reflektiert hätten, wie ich vielleicht gehandelt hätte, welche Ideen ich entwickelt hätte. Sie hatten ja sonst wenig Kontakt zu Menschen. Und was an mir menschlich ist und anders als bei ihnen, hatten sie offenbar konsequent als Vorbild zu nutzen versucht, wenn es ihnen wichtig und notwendig erschien, etwas sozusagen zügig und entschlossen aus dem Bauch heraus zu entscheiden und durchzuziehen.
Darüber mußte ich dann doch sehr lachen.
Und damit besserte sich dann meine Laune endgültig. Ida konnte schon sehr witzig sein, wenn sie es auch selbst nicht zu bemerken schien oder es sich zumindest nicht anmerken ließ. Sie hatte da doch etwas, was man nicht unterschätzen sollte, einen hintergründigen Humor zusammen mit ihrer ruhigen Gelassenheit. Vielleicht lag darin die eigentliche Ursache unsere Erfolges, nicht in meinen fragwürdigen Entscheidungen oder den ursprünglichen Missionszielen, den Konzepten.
Ich lachte und schlug Ida auf das, was einer menschlichen Schulter ähnelte. Ida schaute mich wieder von der Seite an und zeigte wirklich ein Lächeln. Irgendwie hatten sie das in die Roboter eingebaut. Und das sah schon ganz gut aus, mußte es vielleicht auch, denn sie hatte ja all die Leute hier großgezogen und wie hätte sie das schaffen können ohne eine gewissen Prise Humor gepaart mit viel Gelassenheit und Fürsorge?
Und das entspannte mich wirklich gut. Ich war neugierig und hatte solchen Durst nach Wissen und Leben, nach Kinderlachen und all diesen Kleinigkeiten. Und so fühlte ich mich dann stark genug, um mit Ida hinauszutreten, um zu begreifen, zu erfassen und mir selbst ein Bild von Skylla und unserer Kolonie zu machen, von meinen Mitmenschen, mit denen ich nun leben würde, die meine Zukunft sein würden …
Verloren
Ich erwachte durch nervendes Alarmgeräusch, welches zudem auch noch immer wieder plötzlich unterbrochen wurde, um dann mit dem Lärm fortzufahren. Irgendwie war ich aus dem zähen Brei nach oben getrieben, das schien nicht mehr zu funktionieren.
Besorgt stand ich auf.
Irgendwie haftete zwar der Anzug am Boden, aber es schienen auch noch andere Kräfte auf mich zu wirken, etwas ungleichmäßig, aber eindeutig seitlich, nicht zum Boden hin. Immerhin löste sich der Brei beim Aufstehen ganz gut von meinem enganliegenden Anzug und blieb so an dem dafür vorgesehenen Ort zurück.
Ich näherte mich dem Bereich mit einer Schnittstelle zur Steuerung einer Anzeige in der Wand. Das Teil sprang immerhin an, wenn auch deutlich langsamer als sonst.
Es gelang mir, den Alarm stumm zu schalten, das war dann schon deutlich besser. Die Aktion war ziemlich einfach, denn die Anzeige bot gleich eine blinkende Option zur Handhabung der Alarmmeldung. Ich stellte das dann so ein, daß eine bescheidene Anzeige auf der Anzeige ausreichen sollte, um mich auf den Sachverhalt einer fortgesetzten Fehlfunktion aufmerksam zu machen. Die eintretende Stille tat erst einmal gut.
Was war mit den Ais los?
Ich versuchte es nun doch schon etwas nervös und fragte versuchsweise und etwas zaghaft in den Raum rein: „Ida?
Was ist passiert?“
Es kam aber keine Antwort.
So fragte ich weiter, nun schon lauter, entschlossener: „Hildegard?
Körk?
Ida?
Meldet euch bitte!
Was ist los hier?“
Es kam keine Antwort.
Ich atmete tief durch und versuchte es weiter an der Schnittstelle. Das Computersystem schien nur eingeschränkt betriebsbereit. Ida hatte mir erklärt, wie ich gewisse Grundfunktionen des Schiffes interaktiv nutzen kann. So probierte ich es und hangelte mich dann irgendwie durch, um an Informationen über den aktuellen Status des Raumschiffes zu kommen. Fast nichts am Informationssystem des Raumschiffes funktionierte wirklich wie gedacht oder zu der Zeit, wo ich es mit Ida probiert hatte. Das dauerte daher eine ganze Weile, dann aber stieß ich endlich auf einen Bereich, in welchem ich etwas erfahren konnte, das waren aber wirklich reine Statusinformationen über den lokalen Bereich, in welchem ich mich befand, welche natürlich nicht direkt erzählten, was passiert war. Der Kontakt zu benachbarten Sektionen fehlte, der Kontakt zum Hauptrechenzentrum des Schiffes war abgerissen. Offenbar hatte das Schiff enorme Schäden. Ich erhielt nur Informationen zu meinem Bereich, der offenbar bereits auf Reserve lief. Einstweilen war offenbar die Sauerstoffzufuhr noch gesichert, keine Lecks in der Sektion führten zu nennenswerten Verlusten. Der von mir gebrauchte Sauerstoff der Luft konnte aber offenbar nur noch teilweise und nur noch für begrenzte Zeit wiederaufbereitet werden. Die Versorgung und Funktion meines Anzuges war bereits stark eingeschränkt, insbesondere die Zufuhr von Nahrung und Flüssigkeit belief sich nur noch auf einen kleinen Restbestand.
Offenbar war die Lage kritisch, für das Raumschiff wie für mich.
Ich schaute mich um, immerhin, die Erweiterung meines Anzuges zu einem Raumanzug konnte ich nutzen, die komplette Ausstattung ist ja autark, reichte aber auch nur für allenfalls ungefähr einen Tag. So suchte ich also weiter nach Informationen über den Zustand des Raumschiffes, wo konnte ich hin?
Wo Wasser und Nahrung finden?
Offenbar war das Magnetfeld des Raumschiff zusammengebrochen, auch der Strahlenschutz war nur noch eingeschränkt gewährleistet. Es mußte uns also wirklich schwer erwischt haben. Einstweilen konnte ich noch bleiben. Ich stellte mir aber die Frage, welche Strategie nun besser war.
Sollte ich eher in den Raumanzug steigen und mich außerhalb meiner Kabine umsehen, um herauszufinden, was los war?
Oder sollte ich doch besser hier abwarten und erst einmal den Sauerstoffvorrat hier auskosten, bevor ich aufbrach, um nach weiteren Möglichkeiten zu suchen?
Immerhin, wenn ich unterwegs war, könnte ich ja immer noch wieder umkehren. Wenn hier noch ausreichend Sauerstoff war, konnte das lohnen. Auch konnte die Anlage vielleicht zwischendurch noch wieder ein wenig aufbereiten, was mir weitere Stunden oder gar Tage Zeit verschaffen mochte.
Ich schaute zunächst weiter die vorhandenen Statusinformationen durch. Die nähere Umgebung der Kabine funktionierte offenbar im Rahmen der lokalen Möglichkeiten noch ganz gut, der Kontakt zur weitere Umgebung dieses Moduls aber war nicht zu erreichen. Da gab es auch keine Indizien für irgendwelche Änderungen durch Reparaturen. War das Reparatursystem komplett lahmgelegt? Funktionierte das überhaupt sinnvoll und autark? Davon war allenfalls von den Reparaturschwärmen der Absorber auszugehen. Eine Reparatur eines Raumschiffes ist komplexer und braucht sicherlich genauere Direktiven zur Spezialisierung der Schwärme, damit das effizient ablaufen konnte. Immerhin war es ja möglich, daß außerhalb meines Moduls irgendwo noch funktionsfähige Module in gutem Zustand waren, von wo aus es effizient mit der Reparatur voranging. Hoffentlich würden diese Maßnahmen dann mein Modul rechtzeitig erreichen.
Ich konzentrierte mich wieder mehr auf den Bereich, von dem ich wußte und den ich überschauen konnte, von dem aus ich agieren mußte oder sollte, um mehr zu erfahren, auch mir selbst zu helfen. Bei einer eher unsicheren Lage draußen fungierte die Tür als eine Art Schleuse, würde Gas zurück in den Raum pumpen, also konnte ich schon raus, ohne den Raum aufzugeben. Ich sollte mich also wohl bald umsehen, um mehr herauszufinden.
So legte ich also den kompletten Anzug an, das war ganz gut erklärt, klappte also relativ schnell. Dann seufzte ich, atmete noch einmal tief durch, setzte den Helm auf, testete den Anzug durch. Die Funktion war gegeben, ein Kontakt mit der Schnittstelle in der Kabine würde wohl auch noch über die Reichweite von einigen hundert Metern funktionieren, sofern keine Abschirmung des Raumschiffes dazwischenlag. Für Außeneinsätze gab es eigentlich eine andere Kontaktmöglichkeit, die nun aber wegen der vorhandenen Störung automatisch auf die noch verfügbare Kabinenschnittstelle umgeleitet war. Auch das ließ nichts Gutes ahnen, was mich jenseits der Kabinentür erwarten würde. Ich wollte aber Gewißheit, also ging ich zur Tür, öffnete. In der Tat, sie hatte sich zu einer Schleuse umgebildet. Ich stellte mich hinein, schloß die Tür. Es dauerte eine Weile, bis die Atmosphäre abgepumpt war, dann ließ sich die zweite Tür der Schleuse öffnen.
Was ich sah, war im Wesentlichen der Teil des Raumschiffes, den ich schon kannte. Allerdings gab es hier keine Atmosphäre. Der Anzug klebte wie gehabt am Boden, gewisse Grundfunktionen waren offenbar noch gegeben. Ich näherte mich einer Schnittstelle in einer Wand. Diese funktionierte aber bereits nicht mehr. Ich bewegte mich weiter. Bald haftete der Anzug nicht mehr am Boden, ich mußte mich gut festhalten, hangelte mich zunächst weiter, faßte dann mehr Mut und stieß mich einfach leicht ab, flog so langsam weiter. Bald stieß ich auf Schäden, Trümmer. Ich mußte nun vorsichtig sein, sonst würde ich den Anzug an scharfen Teilen beschädigen. Also war das Fliegen wieder vorbei und ich hielt mich wieder fest, hangelte mich vorsichtig weiter.
Das Raumschiff war jedenfalls in einigen Bereichen komplett zerschossen und zerlegt. Ich erinnerte mich zwar grob an die Anordnung und die Struktur wichtigerer Bereiche des Schiffes, so hielt ich mich eher von den vermutlich defekten Reaktoren und den Triebwerken möglichst fern. Wo einmal das Hauptrechenzentrum gelegen hatte, gab es eigentlich nur noch ein Loch im Schiff. Von den Ais würde es zwar noch Sicherheitskopien in irgendwelchen Ecken geben, aber unmöglich, diese ohne nennenswerte Rechenleistung wieder zu starten!
Nebenrechenzentren waren ebenfalls betroffen, das gesamte Rechnersystem war weitgehend tot!
Nur in wenigen Modulen gab es noch lokal beschränkte Funktionalität, aber kaum einen zusammenhängenden Bereich. Da das Raumschiff nun nicht primär für Menschen ausgelegt war, gab es auch nur in meinem Modul eine Atmosphäre.
Mir wurde klar, ich war im Grunde bereits erledigt, hatte keine Chance mehr.
Sollte ich nun gleich einfach den Helm abnehmen und aufgeben?
Oder mir die Sauerstoffzufuhr abdrehen?
Oder doch irgendwo nach einer Möglichkeit suchen, mir eine von Idas fröhlichen Drogen zu verabreichen, um meine letzten Stunden oder Tage selig davonzugleiten?
Letzteres war durchaus eine verlockende Idee.
Ich konnte mich aber doch nicht dazu durchringen und suchte dann doch lieber vorsichtig nach den Lagerräumen und durchstöberte diese. Was ich vorfand, war auch hier hauptsächlich Zerstörung. Mühsam sammelte ich einige Reste von Nahrung ein, dazu einen größeren Wasserkanister und schaffte es dann irgendwie zurück in den Bereich mit meiner Kabine. Wieder drin, aß und trank ich einsam und mit düsteren Gedanken.
Später zog ich erneut los und schaute mich weiter im Wrack um. Da war nicht so viel zu holen. Ich fand lediglich in der näheren Umgebung meiner Kabine Schnittstellen, die noch so halbwegs auf Kontaktversuche reagierten, aber auch nichts anderes lieferten als die in meiner Kabine. Bei den anderen noch halbwegs funktionsfähigen Schnittstellen anderer Module war es ähnlich, die konnten noch so ungefähr Auskunft über den Zustand ihres lokalen Modules geben, reagierten eben lokal in ihrer Umgebung auf Kontaktversuche, mehr aber war auch da nicht drin. Der Kontakt unter den anderen noch funktionsfähigen Modulen war unterbrochen.
Ein Ausflug durch ein Loch fast bis nach draußen war ein Risiko. Da ich aber eigentlich kaum noch etwas zu verlieren hatte, wagte ich dann doch die Aktion und warf so einen Blick auf das Trümmerfeld draußen. Weitere große Einschläge schien es derzeit nicht zu geben, ich sah aber doch hier und da kleinere Brocken einschlagen, was bei den teilweise offenbar noch funktionsfähigen Absorbern nur einen harmlosen Effekt hatte, bei Raumschifftrümmern aber nach einem heftigen Zusammenstoß eine Kaskade von kleinen und schnellen Trümmern nach sich zog. Diese Splitter hatten eine breite Verteilung, trafen wieder auf andere Trümmer, was dann einen weiteren Regen von Splittern erzeugte, die zwar etwas langsamer, aber doch noch ziemlich zügig durch die Gegend flogen, sich breit verteilten. Da ich nicht getroffen werden wollte, zog ich mich bald zurück. Aber es schien mir nur eine Frage der Zeit zu sein, bis durch die großen Lücken der teilweise zerstörten Absorber auch ein Brocken in meine Kabine einschlagen würde.
Vielleicht reparierten die teilweise autarken, auf die Absorber spezialisierten Schwärme diese sogar, wobei dann nur die Frage war, ob sie in der Lage waren, schneller zu reparieren, als neue kleine Einschläge Schäden verursachten. Die Schwärme zur Reparatur des Raumschiffs waren mehr auf das Hauptrechenzentrum und die Entscheidungen und Vorgaben der Ais angewiesen, da brauchte ich zunächst gar nicht viel zu hoffen, die würde im aktuellen Zustand kaum etwas zustandebringen. Dazu waren die Schäden einfach zu groß, das Fehlen der Vernetzung der noch intakten Rechenleistung der lokalen Module konterkarierte weiter koordinierte und effiziente Maßnahmen von Reparaturschwärmen im Raumschiff. Die kritische Masse an Rechenleistung und künstlicher Intelligenz war im Raumschiff weit unterschritten.
Ich schaute mich weiter in den Vorräten und Reserven um. Einiges erwies sich als nützlich, trinkbare Flüssigkeit, Nahrung, sogar kleinere Vorräte an Sauerstoff verschafften mir mehr Zeit. Ich fand dann ein eigenartiges Gerät, welches offenbar zur Benutzung durch Menschen gedacht war und unbeschädigt war. Ich konnte sprechen und das Geräte wandelte das per Spracherkennung in einen Bericht oder eine Erzählung um. Es war wohl eigentlich mehr als Hilfe für Autoren gedacht, halbautomatisch Ideen in Erzählungen oder digitale Bücher umzuwandeln. Es war verblüffend, das überhaupt im Raumschiff zu finden, vielleicht war die Idee dabei aber auch, menschlichen Teilnehmern an der Mission wir mir solche Spielzeuge und Werkzeuge zu geben, um sich nach den individuell verschiedenen Möglichkeiten gut zu beschäftigen und nützlich in die Mission einzufügen. Da ist es sicher hilfreich, Alternativen anzubieten. Was konnte ich nun damit tun?
Wer sollte noch von einer Aufzeichnung profitieren?
Ich wollte es schon wieder zynisch schmunzelnd über mich selbst und meine hoffnungslose Lage loslassen, besann mich aber dann doch eines anderen. Ich nahm es mit zurück in die Kabine und versuchte es zu verstehen.
Alle Feinheiten habe ich glaube ich nicht darüber herausbekommen. Mehr zur eigenen Unterhaltung, vielleicht auch zur Ablenkung vom drohenden Ende erzählte ich dem Gerät meine Geschichte hier seit meiner Wiederauferstehung. Das tat mir ganz gut.
Was hier zu lesen ist, ist also offenbar das Ergebnis dieses Gerätes. Es zeichnet nicht einfach auf, was gesagt wird, es hat deutlich mehr Möglichkeiten, es übernimmt nicht einfach den Text, sondern bereitet ihn sorgfältig auf, verdichtet, strukturiert um, formuliert besser. Das verblüffte mich schon, als ich mir nach dem ersten Versuch den erzeugten Inhalt vorlesen ließ. So gut hätte ich das wohl selber nicht geschafft. Aus meiner Perspektive sollte dazu eigentlich schon etwas wie künstliche Intelligenz notwendig sein, damit auch einiges an Rechenleistung. Das Gerät war dann aber offenbar doch ziemlich bescheiden angelegt und zudem autark vom Rechnernetz des Schiffes, funktionierte dadurch einerseits tadellos, war andererseits aber auch nicht zu nutzen, um es etwa einzusetzen, um die Rechenleistung des Raumschiffes wieder zu erhöhen. Das wäre vermutlich nützlicher gewesen als ein Bericht von mir, den doch niemand lesen wird. Ich seufzte und berichtete trotzdem weiter, das Gerät wandelte und formulierte fleißig um, so kamen wir voran und ich hatte zu tun. Ich hatte schon noch Zeit, den Bericht halbwegs ausführlich abzuschließen. Für welches Publikum machte ich das nun eigentlich?
Ich war ja allein, also offenbar für mich, nur für mich. Ich tat es trotz der Sinnlosigkeit des Unterfangens und beschäftigte mich damit eine ganze Weile. Das Teil ließ sich sogar passabel an den Raumanzug anschließen. Das war so schlecht nicht, denn damit die Luft der Kabine noch ausreichend aufbereitet werden konnte, mußte ich immer öfter mit dem Raumanzug wieder raus. Immerhin ließen sich mit den gefundenen Sauerstoffvorräten sowohl der Anzug als auch die Kabine mit zusätzlichem frischen Sauerstoff versorgen, was meine Zeit zusätzlich verlängerte. Dann schaute ich mich weiter um, schaffte noch Wasser und Essen heran. Viel mehr erreichte ich nicht.
Die Schwärme der Absorber reparierten nur in mäßigem Tempo. Dann gab es einen ordentlichen Ruck, als ich gerade irgendwo im Raumschiff in einem Vorrat unterwegs war. Der unbefestigte Kram flog chaotisch durcheinander, Glücksache, daß ich nicht so getroffen wurde, daß der Anzug nicht etwas abbekam. Anscheinend war er ja doch deutlich robuster als gedacht, ein paar ordentliche Stöße bekam ich schon ab, der Anzug blieb trotzdem ganz. Ich fand heraus, daß offenbar ein ordentlicher Brocken erneut einen Absorber getroffen hatte. Ein größerer Teil der Absorber war nun vom Raumschiff fortgerissen. Durch Zufall konnte ich noch sehen, wie die Trümmer sich in den Raum verteilten, sich vom Raumschiff entfernten. Bei einem weiteren Aufschlag wäre ich dann beinahe aus dem Raumschiff geschleudert worden, konnte mich nur mit Mühe festhalten. Ein Teil des Raumschiffes wurde abgerissen, weitere Absorber eilten davon in den Raum, ein Kaleidoskop von Trümmern wäre im Sonnenlicht mit dem schwarzen Hintergrund des Weltraumes eigentlich sehr schön anzusehen gewesen, wenn es mir nicht zu deutlich gemacht hätte, daß ich am Ende war.
Wieder in der Kabine zog ich Bilanz. Nur noch ein paar Stunden Luft im Anzug übrig, ein paar weitere in der Kabine. Ich aß und trank noch einmal ordentlich. Was ich zuvor an Ausscheidungen noch sorgsam irgendwie beseitigt hatte, war mir nun fast egal. Wenn ich am Ende der Luft der Kabine mit dem Anzug endgültig aufbrechen würde, würde ich nicht mehr in die Kabine zurückkommen.
So schließe ich auch meine Aufzeichnungen. Ich werde Sicherheitskopien anfertigen, sie in den Trümmern des Raumschiffes verteilen, solange mir Zeit bleibt.
Das ist mein Vermächtnis.
Anders als die Ais kann ich nicht irgendwo als Sicherheitskopien überdauern, nur dieser kleine Bericht wird von mir bleiben. Aber der Unterschied ist wohl marginal, denn wer wird schon hierherkommen, um sich um das Schicksal von Mission 4 zu kümmern?
Mission 3 kämpfte ja auch um das eigene Leben, die Erde hatte eigene Probleme. Die Idee der Expansion der Menschheit in andere Sonnensysteme war vermutlich gescheitert, ich war gerade dabei, genau das zu erleben, den furiosen Abschluß eines weiteren Fehlschlags der Menschheit, ein weiteres Scheitern im steten Streben nach mehr und nochmals mehr.
Lebt wohl.
Wer immer die Aufzeichnungen auch finden mag, vermutlich niemand, jedenfalls viel Spaß damit, vielleicht hilft es ja nachzuvollziehen, warum ESM4 gescheitert ist, warum die Menschheit gescheitert ist.
Es ist mir schon klar, ein ordentlicher Bericht ist es nicht geworden, mehr nur eine Ablenkung für mich, meine Beschäftigung bis zum Ende. Ich habe nicht darum gebeten, an dieser Mission teilzunehmen. Ich wurde ohne mein Wissen konserviert, ohne meine Zustimmung wiederauferstanden. Die ganze Mission war offenbar technisch unausgegoren und war übereilt gestartet worden. Das ist typisch für die Menschheit, an sich gute Ideen werden durch übereilte, meist auch eigennützige Umsetzungen und Interpretation, Wankelmütigkeit und Streiterei, Dummheit früher oder später zu fatalen Fehlschlägen. Vielleicht ist das die Essenz all des Strebens der Menschheit nach Wissen, nach Selbsterkenntnis: Auch ein zeitweiliger Erfolg, ein Sieg ist immer nur eine kleine Etappe auf dem weiteren Weg des Scheitern, des Irrtums, der Katastrophe.
Ich habe keine Optionen mehr.
Ich kann nicht einmal wirklich Angst ausmachen, kaum noch Aufregung wie zu Beginn. Ich fühle mich müde, erschöpft, unaufmerksam, mag auch daran liegen, daß der Sauerstoffanteil bereits bedrohlich abgesunken ist.
Ich brauche immer länger, um einen Gedanken zu fassen.
Ich brauche immer länger, um noch etwas zu tun, richtig zu tun.
Ich brauche immer länger, um mich auf etwas zu konzentrieren.
Ich brauche immer länger, um noch diesen Eintrag zu schaffen.
Ich brauche immer länger.
Ich habe aber nur noch wenig Zeit.
Ich reiße mich noch einmal zusammen, vielleicht auch weil die Sauerstoffaufbereitung nun noch einmal ihren Rest gibt, was die Energieversorgung nicht zu schätzen weiß. Ohne Sauerstoff brauche ich aber auch keine Energieversorgung mehr, also egal. Der Anzug haftet nicht mehr am Boden, ich schwebe durch die Kabine, halte mich dann in einer Ecke, bereits in der Nähe der Schleuse.
Ich sehne mich nach der Ruhe, die Stille ist schon länger da, es ist auch schon merklich kälter geworden, die Energieversorgung der Kabine bricht bald komplett zusammen, Sauerstoffaufbereitung bricht zusammen. Ich lade noch einmal den Vorrat des Anzuges mit dem letzten Energievorrat auf, was die Sauerstoffaufbereitung noch hergibt, leite ich in den Vorrat des Anzuges um, was mich auch letztlich nicht viel weiterbringen wird, ich tue es trotzdem. Das letzte Licht der Notbeleuchtung flackert, hier ist es aus, Ende für dieses Modul.
Ich ziehe gleich los.
Die Schleuse läßt sich immerhin auch mechanisch aufkurbeln, aber ich glaube, für eine letzte Aktion hat sie noch eine letzte Reserve. Ja, sie geht auf, ich gehe rein, sie geht wieder zu, brummelt etwas unsicher, wird es aber wohl schaffen. Das sind nun meine letzten Einträge in diesen halbautomatisch erzählten Bericht.
Sind alle Kopien untergebracht, geht es raus ins Nichts.
Es ist vorbei!
Vorbereitungen
Erneut erwachte ich, ohne wirklich zu wissen, was genau passiert war und wieviel Zeit vergangen war, seit ich noch voll bei der Sache war. Ich lag wieder in meiner bescheidenen Unterkunft und mein Befinden war etwas eigenartig, schlecht zu beschreiben, so eine schwebende Unsicherheit gepaart mit einem diffus flauen Gefühl. Zusammen mit einer kompletten Unkenntnis der letzten Ereignisse fühlte ich mich da natürlich überhaupt nicht wohl.
Ich erhob mich. Schwerkraft hatten wir nicht, der Anzug glich das wieder aus, aber trotzdem war etwas anders, ein leichter Drall zur Seite schien auf mich einzuwirken. So sprach ich dann laut und vernehmlich: „Ida?
Kannst du mich mal auf den aktuellen Stand bringen?“
Ida antwortete auch gleich: „Natürlich, schön, daß du wieder wohlauf bist. Also, du warst rund drei Wochen außer Gefecht gesetzt, nun ist aber wieder alles an dir repariert. Es handelte sich um einige Prellungen, Quetschungen, Geweberisse, eine Gehirnerschütterung. Da einiges davon sicherlich sehr schmerzhaft und hinderlich gewesen wäre, haben wir dich während der Reparaturmaßnahmen dieser Schäden einfach ausruhen lassen. So konnte sich dann auch die Gehirnerschütterung wieder gut und praktisch von selbst zurückbilden oder wieder ausgleichen.“
Ich unterbrach: „Es war doch abgemacht, daß wir das vorher absprechen, bevor ihr derart die Kontrolle über mich übernehmt!“
Ida suchte zu beschwichtigen: „Es war ja ein Notfall, du bist hart angeschlagen, der Roboter, der im selben Raum war, und ein paar andere Sachen hatten sich bei dem Einschlag auch gelöst, etwas hat dich leider auch ge- und betroffen. Du warst besinnungslos und verletzt, also mußten wir zügig entscheiden, wie medizinisch vorzugehen wäre. Das war also wirklich ein Notfall, kein übereifriger Übergriff!“
Ich faßte mir an den Kopf, atmete tief durch, nickte aber dann, ich mußte das wohl akzeptieren, ich erinnerte mich schon noch daran, daß ich durch die Gegend geflogen war und dann mit dem Kopf gegen die Wand geditscht war, dann blieb mir offenbar nicht einmal Zeit für eine längere Schmerzempfindung. Ich fragte gar nicht erst nach, ob das bereits an Gegenmaßnahmen des Anzugs lag oder ob ich allein von mir aus weggetreten war.
So seufzte ich ergeben und tief durch und fragte: „Was ist eigentlich passiert?“
Ida erwiderte: „Also, unsere noch weitgehend kompaktifizierten Absorber hat ziemlich seitlich ein größerer Brocken getroffen, der nicht aus dem Asteroidengürtel kam, sondern eine deutlich andere Umlaufbahn hatte, daher haben die Sensoren zu spät darauf reagiert. Durch den großen Dreharm beim Aufschlag und die durch die Kompaktifizierung herabgesetzte Flexibilität der Struktur hat unser Raumschiff einen ordentlichen Drehimpuls mitbekommen, dazu kam dann natürlich der heftige Ruck beim Aufschlag.
Körk hat natürlich bereits Maßnahmen ergriffen, um solch böse Überraschungen in Zukunft möglichst zu vermeiden, zudem haben wir dann Reparaturmaßnahmen und sonstige Aktivitäten so optimiert, um die Rotation um nur grob die Längsachse zu reduzieren. Da unsere seitlichen Triebwerke aber nur mäßigen Schub haben und das Haupttriebwerk nur begrenzt drehbar ist, geht das relativ langsam. Die Drehung hat sich aber schon wieder deutlich reduziert, wird aber noch ein wenig dauern, bis wir sie ganz gestoppt haben. Vielleicht merkst du den Drall auch trotz des Anzuges?“
Ich bestätigte das und fragte mich, aber nicht Ida, wo ich hier hingeraten bin, erneut solch ein Zwischenfall, der doch wohl zeigte, daß diese Absorber den hiesigen Gegebenheiten offenbar nur bedingt gewachsen waren.
Ida erzählte dann weiter, was sie und Körk herausgefunden hatten.
Der Brocken gehörte jedenfalls zu einem breiten Streufeld, einem weiteren, dünn besetzten Gürtel, allerdings mit deutlich anderer Ekliptik und mit relativ großen und massiven Gesteins- oder Metallklumpen. Vermutlich waren diese bei einem Zusammenstoß zweier Kleinplaneten entstanden oder bei einer ähnlichen Katastrophe aus Mantel oder gar Kern eines Planeten oder Kleinplaneten herausgeschossen worden. Von den Flugbahnen her war es durchaus plausibel, daß diese Brocken zu dem gleichen Kram gehören, der uns schon anfangs in weiterer Entfernung getroffen hatte. Definitiv war dieser Strom von etwas größeren Brocken jedenfalls für einige dynamische Effekte im Asteroidengürtel verantwortlich. Das wenigstens konnte nun als verstanden gelten. Körk hatte das Raumschiff inzwischen auch längst günstiger positioniert, in einem sichereren Bereich, mußte nun aber gelegentlich nachkorrigieren, um nicht in Bereiche höherer Dichte des Asteroidengürtels zu gelangen.
Ida hatte auch ihre Simulationen des Sonnensystems angepaßt und hatte so unerfreulichere Daten bekommen. Früher jedenfalls mußte es auf den Zwillingsplaneten ziemlich unerfreulich zugegangen sein, es waren höchstwahrscheinlich häufiger Objekte in ihre Nähe gekommen und auch öfter mal eingeschlagen. Die chaotischen Bahnen kleinerer Körper im Bereich der umeinander rotierenden Zwillungsplaneten erschweren natürlich eine gute Simulation. Ida meinte aber nun, die frühere Einschätzung korrigieren zu müssen. Die großen Brocken in ihrem eigenen Strom haben jedenfalls ein ganz gutes Potential, Asteroiden aus dem Gürtel zu lösen, die dann auch durchaus später einmal auf einem der Zwillingsplaneten oder auch in den nächsten Gasriesen einschlagen können. So gab es auf Skylla und Charybdis durchaus öfter mal kleinere Katastrophen. Immerhin sind die Asteroiden im Schnitt nicht so groß, verglühen also oft, zerfallen noch in der Atmosphäre oder verursachen nur kleinere lokale Schäden auf dem Festland, durchaus aber Tsunamis bei Einschlägen im Meer.
Das wiederum konnte erheblichen Einfluß auf die Entwicklung möglichen Lebens auf den Planeten haben, jedenfalls reagieren komplexe Formen meist empfindlicher auf solche Katastrophen, andererseits sorgt der Streß bei Katastrophen auch für einen Selektionsdruck hin zu sehr flexiblen Organismen, die gut mit sich schnell ändernden lokalen Umweltbedingungen zurechtkommen.
Was bedeutete das nun für unsere Ambitionen, dort vielleicht gar Menschen anzusiedeln?
War unsere Mission diesbezüglich nun bereits gescheitert?
Wir diskutierten darüber zu viert. Ida sah das nicht so kritisch, es würden sich schon immer Wege finden, wir seien gut ausgestattet und hätten auch gute Möglichkeiten, bereits hier im Raum weiter zu expandieren und uns einzurichten, mit entsprechend noch dickeren Absorberschichten und einem gut ausgebauten Netzwerk von Sonden und Sensoren wären wir auch den großen Brocken gut gewachsen.
Körk hatte auch wenige Bedenken, wenn nicht hier, so würde wir weiter draußen bei den Gasriesen sicher günstige Möglichkeiten finden. Auch dort seien ja einige interessante Forschungsobjekte, die eine längere Untersuchung lohnten.
Hildegard setzte mehr darauf, daß sich doch bei den Zwillingsplaneten etwas machen ließe. Ihr war es sehr wichtig, Gewißheit darüber zu bekommen, ob wir dort unsere biologische Fracht gut würden unterbringen können, damit sie wie geplant gedeihen könne – und wenn nicht, wenigstens herausfinden, warum ein Fehlschlag vorläge und diese Information dann letztlich an die Erde weitergeben, falls man dort doch noch einmal weitere Missionen starten würde. Vielleicht sei es ihnen ja möglich, Indizien zu erarbeiten, damit man auf der Erde und auf den dortigen Stationen im Sonnensystem für mögliche weitere Missionen genauer auswählen könne.
Ich setzte meine Hoffnung jedenfalls auch auf die Zwillingsplaneten, denn ich hatte eigentlich keine Lust, mein ganzes Leben auf einer Raumstation zu verbringen. Ich wollte mal wieder Himmel sehen, freien Raum, Pflanzen, Tiere in einer nicht so offensichtlich künstlichen Umgebung wie hier im Raumschiff. Ja, ich wollte auch gerne zu einer kleinen Kolonie von Menschen gehören, zu einer Gruppe, einem Sozialwesen.
Das konnten die drei nachvollziehen, so viel verstanden sie auf jeden Fall von Menschen. Natürlich wußten wir es alle – in großer Zahl können Menschen sich gegenseitig sehr gefährlich werden, eine kleine Gruppe von passenden Personen war aber sozusagen die natürliche Haltungsbedingung, in welcher Menschen gut leben können, jedenfalls wenn sie genug Auslauf haben, um sich auch einmal aus dem Wege gehen zu können.
Wir waren uns schnell einig, daß wir uns sicherlich noch längere Zeit auf die Zwillingsplaneten konzentrieren würden, eigentlich hatten wir ja bislang noch gar nicht richtig damit angefangen, diese genauer zu untersuchen und mehr über sie herauszufinden. Simulationen allein sind ja keine Grundlage, um herauszufinden, was dort wirklich vorgeht und wie günstig oder gefährlich die Bedingungen dort wirklich sind.
Mit Hildegard arbeitete ich dann auch wieder an unseren Agrarkulturen, aber ich setzte nun doch einen neuen Schwerpunkt, denn die Angelegenheit mit den üblen Einschlägen der Brocken in unsere Absorber und vermutlich dann auch regelmäßig auf den Zwillingsplaneten ließ mir keine Ruhe. So plante ich auch mit Körk Sondenmissionen und einige Details, um mehr über unsere Umgebung zu erfahren. Daran war auch Ida beteiligt und mit dieser setzte ich dann auch die Arbeit an den Simulationen fort und der Erstellung eines detaillierten Plans des gesamten Planetensystems mit all den Daten über größere Objekte, die wir irgendwie detektieren und relevanten Bahnen zuordnen konnten. Wir hatten bald schon ein paar Millionen Objekte in der Datenbank und dann auch in der Simulation. So wurden unsere Prognosen bald besser und aus den Abweichungen zu den Beobachtungen konnten wir immer öfter weitere Objekte implizieren, dann wiederum mit Sonden auch aktiv suchen und finden, damit unser Modell, unsere Vorstellung von dieser Welt weiter verfeinern.
Es wurde dann auch schnell klar, daß auf den Zwillingsplaneten wirklich öfter Objekte einschlagen, zumeist eher mit lokalen Folgen. Allerdings, wenn wir dabei Vergleiche mit der Erde hinzuziehen, dauert es auch dort Jahre oder gar Jahrzehnte, bei größeren Einschlägen vielleicht Jahrhunderte, bis sich das lokale Ökosystem wieder von einem Einschlag erholt hat. Einige hatten ja durchaus auch globale Auswirkungen. Skylla und Charybdis hatten wohl deutlich häufiger Einschläge zu verkraften als die Erde, in ähnlicher Häufigkeit wie die Erde auch größere Katastrophen.
Das würde es für uns jedenfalls nicht einfacher machen, dort Fuß zu fassen, denn für eine Kolonie kann ein Einschlag in der Nähe ja schon katastrophale Folgen haben. Das war durchaus ein Szenario, welches einzukalkulieren war. Wenn es dort Leben gab, wie hatte sich dieses darauf eingestellt?
War das überhaupt möglich gewesen?
In mir entwickelte sich allmählich eine Idee, die ich dann auch vorstellte. Wäre es möglich, so große Absorber zu bauen, um die Querschläger mit der Zeit einzufangen?
Wäre es möglich, die Roboterschwärme so zu vermehren und ihre Aktivitäten so auszuweiten, um den Asteroidengürtel so umzuformen, daß es da praktisch in Zukunft keine größeren Ausreißer mehr geben würde?
Die drei Ais meinten dann, die letztere Idee sei gar nicht so schwierig umzusetzen, die Schwärme könnten im einfachsten Falle natürlich große Brocken einfach zerkleinern, aber dann auch in größere Strukturen und Absorber umwandeln, die dann ihrerseits in der Lage seien, Material zu binden und sich so zu stabilen Strukturen auszudehnen, durchaus sogar bis zur Größe von Kleinplaneten, allerdings mit relativ niedriger Dichte, dafür aber mit guter Elastizität und effizienter Ausnutzung der durch die Gezeitenkräfte auftretenden Energien.
Der erste Vorschlag mit Absorbern für die Querschläger war deutlich problematischer. Denn bei den Aufschlägen der Brocken auf die Absorber würden diese ja mindestens einen ordentlichen Impuls mitbekommen, also auf eine andere Umlaufbahn gezwungen werden, selbst leicht zum Querschläger werden. Natürlich hätten derartige Absorber dann auch eigene, hinreichend leistungsfähige Antriebe. Das Streufeld ist allerdings breit verteilt, effiziente Absorber hätten also schon erheblich Ausmaße für den Zweck. Die Idee schien dann nach einiger Diskussion zwar immer noch sehr ambitioniert zu sein, aber nicht unmöglich umzusetzen.
Wir hatten ja auch noch mindestens ein oder zwei größere Raumstationen zu erbauen und einige Missionen zu realisieren und loszuschicken.
Der Vorteil bei den Roboterschwärmen ist allerdings, daß diese sich bei ausreichend geeignetem Material auch sehr zügig selbst vermehren können, wenn der Bedarf groß ist. So paßten wir hier also die Parameter an und hatten so bald schon gewaltige Baustellen. Es war dann wenigstens für mich schon erstaunlich, wie schnell und effizient die Schwärme an dem Asteroidengürtel knabberten und werkelten, um all dies Material in neue Strukturen zu wandeln.
Unsere Strategie war dann schon sehr erfolgreich und effizient. Die Absorber unseres Raumschiffes alleine hatten wir nicht nur wieder expandiert, sondern auch noch erheblich ausgedehnt. Wir hatten ein ganzes Arsenal von Sensorsonden um das Raumschiff positioniert und hatte so einen ganz guten Überblick, was uns in näherer Zukunft blühen würde. So konnte Körk relativ einfach vorausschauend agieren und massive Zusammenstöße vermeiden.
Dafür hatten wir bald schon aus dem Material der Asteroidengürtels einen ersten, immer gewaltiger werdenden Absorber konstruiert, der speziell darauf ausgelegt war, die relativ massiven Querschläger zu fangen. Auch der wuchs weiter, ein zweiter von dem Typ wurden ebenfalls begonnen.
Neben den kleineren Missionssonden hatten wir ansonsten die Raumstation im Bau, selbst mit einem üppigen Absorber ausgestattet, welcher der Baustelle in Bahnrichtung der Querschläger vorgelagert war und so relativ effizient größere Einschläge abfangen konnte. Die Station hatte ein toroidales Grundkonzept, würde also rotieren und so für die Beschleunigungskräfte entsprechend der Erdanziehung sorgen. Darauf freute ich mich natürlich schon sehr, denn auf Dauer ist es sehr lästig, in der Schwerelosigkeit zu arbeiten und zu leben, wenn dabei mein Anzug auch sehr half.
So gingen die Wochen mit reichlich Arbeit und Abwechslung dahin. Ohne weitere nennenswerte Zwischenfälle kamen wir gut voran. Auf den Zwillingsplaneten hatten wir bislang aber noch keine Sonden gelandet. Wir hatten aber erste Proben aus den Atmosphären nehmen können und dort dann mit den Sonden in den Umlaufbahnen um den jeweiligen Planeten untersuchen können.
Charybdis als Wasserplanet hat eine Atmosphäre, die uns eigentlich gleich ganz gut gefiel, darin ist ein auffällig hoher Sauerstoffanteil, geringfügig höher als auf der Erde. Stickstoff hat es natürlich auch reichlich, dazu noch diverse andere Gase in kleineren Konzentrationen. Einige davon müssen eigentlich ständig irgendwo produziert werden oder jedenfalls ausgasen. Und ein paar davon sahen verdächtig nach einer organischen Herkunft aus. Die Auflösung der Bilder der Sonde reichte aber noch nicht, um wirklich Lebewesen zu erkennen, aber immerhin großflächige Strukturen am Land und in Küstennähe, sogar auch undeutliche Strukturen im Meer. Unsere ersten Spekulationen gingen in Richtung Wälder und Riffe. Die verfügbaren Informationen reichten aber nicht, um das eindeutig einzuordnen, es könnten ebensogut bizarre anorganischen Strukturen sein, die auf ganz andere Weise entstanden waren. Oder waren das Überreste von organischen Lebensformen, welche aufgrund einer globalen Katastrophe, eines Ökozids ausgerottet wurden?
Der Felsplanet Skylla hat in der Atmosphäre einen geringeren Sauerstoffanteil, auch der würde aber wohl gerade ausreichen, um dort atmen zu können. Neben dem Hauptanteil von Stickstoff finden sich dort auch noch kleinere Mengen anderer Gase, weniger eindeutige sonstige Hinweise außer dem Sauerstoff als bei Charybdis auf biologische Lebensformen. Dichte Wolken und häufig auch Staubpartikel, Staubstürme vermutlich, verwehrten unserer Sonde meist den Blick auf die Oberfläche. Wir fanden aber auch da interessante Strukturen in Küstennähe, sowohl von der Meerseite aus gesehen als auch von der Landseite aus. Die weiten Landflächen machten hingegen auch bei diesen Bildern eher den Eindruck von Wüsten. Hier könnten wir immerhin auf die Küstenregionen setzen. Wir entdeckten ein paar interessante Regionen, wo Gebirgszüge offenbar gerade so liegen, daß es dort oft abregnet, somit dann wenigstens in den unteren Schichten der Atmosphäre der Staub herausgewaschen wird. Dort könnte es sich durchaus lohnen, nähere Untersuchungen anzustellen. Im Binnenland entdeckten wir ziemlich sicher gewaltige Staubstürme, Staubteufel und ähnliche Erscheinungen, wenn auch nur undeutlich mit kleiner Auflösung. Diese Strukturen waren immerhin groß genug, um neben dem Wetter der Atmosphäre auch eine Dynamik am Boden ausmachen zu können. Diese Dynamik war aber zu typisch für verwirbelten Staub und ähnliche Erscheinungen, von daher also trotz interessanter Bewegungen kein Indiz für Leben in diesen trockenen Wüstenzonen. Indessen konnte das an der Küste und im Meer ja doch deutlich anders sein.
Unser größter Absorber hatte unlängst schon ein paar Bewährungsproben bestanden, als auch unser Bauprojekt Raumstation endlich bis zu einer Phase gelangt war, wo sich eine nähere Inspektion schon lohnte. Sie rotierte noch nicht, das war erst sinnvoll, wenn die Bauarbeiten abgeschlossen wären. Für mich persönlich wäre es noch viel zu gefährlich gewesen, die Raumstation zu besuchen. Aber wir hatten natürlich reichlich Hilfe dort auf der Baustelle, um uns aus der Ferne umzusehen. Ich war selbstverständlich neugierig, wie ich auf die Raumstation gelangen sollte. In der Tat hatten wir nicht einmal Raumfähren an Bord. Die Ais meinten dann auch, wenn es so weit wäre, würde ich dann auch gleich komplett umziehen und dort bleiben. Die Raumstation würde zudem eine neue Ai bekommen, die ich dann ja zu gegebenen Zeitpunkt auch benennen dürfe. Ich war mir unsicher, wie es denn mit meinem Kontakt zu Hildegard, Ida und Körk weitergehen würde. Die beruhigten mich aber, daß das einstweilen völlig problemlos sei, solange Raumschiff und Raumstation noch dicht beisammen seien. Dann ist ja die Retardierung von Signalen noch so gering, daß sie praktisch noch omnipräsent seien. Später müßten sie dann überlegen, ob oder wer seinen aktiven, bewußten Teil dann ebenfalls auf die Raumstation verlegt. Naheliegend war in unserer Diskussion natürlich, daß Ida mitkommen würde, um die Forschung an den Zwillingsplaneten voranzubringen, während Körk eher die Aktivitäten der Absorber und der weiteren Baumaßnahmen am Asteroidengürtel organisieren würde. Für Hildegard gab es einerseits ja ihre Aufgaben als Hausmeisterin oder Hausdame des Raumschiffes, andererseits würden ja mit mir auch diverse andere biologische Teile unserer Mission auf die Raumstation wandern. Immerhin könnte Hildegard sich sozusagen aufspalten und zeitweise an beiden Standorten eine Persönlichkeit ausbilden und die dann lediglich verzögert einmal am Tag synchronisieren, um über sich als Ganzes auf dem Laufenden zu bleiben. Das mußte aber noch nicht entschieden werden.
Wir sprachen noch grob über den Umzug. Dieser würde dann vermutlich so ablaufen, daß sich unser Raumschiff der Raumstation nähert, die Absorber vereinen sich um beide, dann koppeln wir mit einer Verbindung an, die dazu speziell noch von den Schwärmen gebaut werden würde. Über diese Verbindung würden dann die dafür vorgesehen Sachen auf die Raumstation gelangen, ich dann eben auch, das würde dann ziemlich komfortabel ablaufen, vermutlich zur Sicherheit aber doch in einem komplett funktionsfähigen, eigenständigen Raumanzug.
Erst nach einem kompletten Umzug würde dann wieder abgekoppelt. Die Anschlüsse würden dann wohl für kleine Raumfähren umgebaut werden, um dann später auch bei weiteren Entfernungen und vor allem bei rotierender Raumstation noch Material oder auch Personen und Roboter austauschen zu können.
Eigentlich hatte ich immer so viel zu tun, daß gar keine Langeweile aufkam und ich kaum Gelegenheit hatte, über meine Befindlichkeit zu grübeln oder mich auch nur besonders einsam zu fühlen. Ich bin ohnehin kein sehr geselliger Typ, daher war das mit den drei Ais erst einmal ganz in Ordnung. Mancher mag sich das vielleicht etwas unheimlich oder gar gespenstisch vorstellen, mit drei gestaltlosen Kameraden allein im Weltraum in einem Raumschiff zu leben.
Aber mal ganz nüchtern betrachtet: Da draußen ist außer den Asteroiden, den Gesteins- und Metallbrocken Nichts.
Sowohl diese Objekte als auch das Nichts sind natürlich gefährlich, nicht nur für mich als Menschen, aber da ist nichts Bewußtes, nichts mit gezielten Absichten und Taten. Wovor also sollte ich Angst haben, wenn es die Gefahr durch andere Lebewesen nicht gibt und die anderen entweder unabwendbar sind oder wir längst nach unseren Möglichkeiten vorgesorgt hatten, um eine Katastrophe abzuwenden?
Natürlich beschäftigten mich diese Objekte jeden Tag. Es wurde zum Ritual, mit Körk die Berichte über Einschläge auf den Absorbern durchzugehen, diese Objekte dann wieder aus unserer Datenbank zu streichen. Es war meine tägliche Arbeit, mit Körk und Ida weitere, uns bislang nicht bekannte Objekte zu lokalisieren, in die Datenbank einzulesen und uns verfeinerte Simulationen für die nächsten Monate anzusehen, um abzuschätzen, ob uns etwas drohte. Potentielle Einschlagskandidaten für die Zwillingsplaneten behielten wir natürlich ebenfalls im Blick. Unsere Simulationen reichten gar bereits so weit in die Zukunft, daß wir gelegentlich auch beschlossen, einen Brocken einzufangen, der nach unseren Berechnungen erst in ein paar Jahren wahrscheinlich auf einem der Zwillingsplaneten einschlagen würde. Hier ist natürlich das Problem, daß kleine Einschläge uns zunächst einmal egal sein können, große Brocken aber eine Herausforderung sind, weil dann jedesmal der getroffene Absorber wieder auf die von uns beabsichtigte Umlaufbahn im Raum gebracht werden muß.
Ich hatte jedenfalls mittlerweile eher ein Gefühl, daß wir es allmählich gut im Griff hatten, meine Zweifel aufgrund der Zwischenfälle bei der Ankunft zerstreuten sich so weitgehend. Ich war nun beteiligt, war mit dabei. Ich sah die Gefahren nun kommen, analysierte, beurteilte und entschied mit. Allein das schon führt gewöhnlich zu einem besseren Gefühl, der Lage nicht so ausgeliefert zu sein.
Und wir hatten ja wirklich ordentlich etwas aufgebaut und organisiert, um Gefahren rechtzeitig zu erkennen, den Kram mit den Absorbern ordentlich einzusammeln und für unsere Zwecke zu verwenden. Auch das ging gut voran, wir hatten nun derartig viele Roboterschwärme auf dem Asteroidengürtel im Einsatz, daß sich die Dinge in atemberaubenden Tempo in unserem Sinne entwickelten. So viel Material wurde eingesammelt, verwertet oder zerstäubt, daß bereits deutlich Unterschiede erkennbar waren, nicht nur die gigantischen Absorber, von denen inzwischen mehrere fertig waren und problemlos arbeiteten, nur bei sehr heftigen Einschlägen wieder mit externer Hilfe auf Kurs gebracht werden mußten. Es würde natürlich noch Jahre dauern, um das Streufeld der Querschläger gänzlich aufzuräumen, der Asteroidengürtel jedenfalls in unserem weiteren Umfeld hatte sich bereits dramatisch verändert. Es wies einfach erhebliche Lücken auf, wo die Schwärme besonders eifrig alles abgegrast hatten.
Eigentlich lief das Aufräumen mit den Absorbern mittlerweile sehr gut. Würde es uns so wirklich gelingen, daß es in Zukunft keine massiven Einschläge auf den Zwillingsplaneten mehr geben würde?
Im Grund war das ja auch Voraussetzung, um unsere Station sicher zu betreiben. Aber die Fortschritte stimmten uns sehr zuversichtlich.
So oder so konnten wir das gesammelte Material jedenfalls sehr gut gebrauchen. Und die Gefahr, daß unser Raumschiff oder die Raumstation versehentlich getroffen würden, reduzierten wir so dann doch dramatisch.
An einem klaren Tag über einer gewaltigen Wüste von Skylla hatte eine Sonde gute Aufnahmen von der Oberfläche gemacht und da konnten wir auch ziemlich eindeutig historische Einschlagskrater erkennen. War der Staub in der Atmosphäre vielleicht auch auf solche Einschläge zurückzuführen?
Jedenfalls in der oberen Atmosphäre wäre das eine plausible Erklärung, während es in Bodennähe natürlich auch sehr gut einfach an den Staubstürmen liegen konnte.
Was wäre, wenn wir das mit den Einschlägen nicht in den Griff bekämen?
Wäre unsere Mission dann doch gescheitert?
Mir fiel dann noch eine weitere, spannende Frage ein: Hatten die drei eigentlich Pläne, Wünsche, was sie nach Abschluß der Mission gerne tun würden?
Wenn die Arbeit erledigt sei, was dann?
Wenn ich das richtig verstanden hatte, hatten die drei ja nicht unbedingt eine beschränkte Lebenszeit wie biologische Wesen, von daher erschien es mir naheliegend, daß sie sich auch darüber Gedanken machen würden. So war ich dann darüber erstaunt, daß sie diese Frage offenbar verblüffte, darüber hatten sie nicht nachgedacht. Sie waren eben auf die Mission konzentriert. Sie waren ganz im Hier und Jetzt, Zukunftspläne schmiedeten sie nur konkrete auf das jeweilige Projekt hin, um die Mission zum Ziel zu führen. Und die Mission mit ihren Projekten würde ohne katastrophale Zwischenfälle auch aus ihrer Perspektive noch lange dauern. Die bis dahin erforschten Informationen würden dann schon irgendwie dafür sorgen, daß sie wüßten, was sie weiter machen würden, wenn entweder die Mission hier als gescheitert angesehen werden müsse oder auch als von ihrer Seite aus als erledigt. Dann allerdings hätten sie es ja mit einem dynamischen, lebendigen System zu tun, da sei Beobachtung, Analyse, Dazulernen, eventuell auch noch Eingreifen ja immer möglich und nicht zeitlich befristet. Auch von daher machte es ihnen irgendwie Probleme, an danach zu denken oder gar an Pensionierung und Freizeit nach der Arbeit.
Nun bin ich ja eigentlich auch relativ schnell für spannende und interessante Projekte zu begeistern und dann eifrig dabei, aber ich kann mir immer auch gut vorstellen, daß meine Beteiligung oder das Projekt auch einmal ein Ende findet und daß es dann für mich auch ein Danach gibt.
Diese Gedankengang war ihnen jedenfalls für Menschen auch einleuchtend und nicht fremd. Ais machten da offenbar nicht notwendig eigene Pläne, die ergaben sich dann mehr oder weniger aus der dann neuen Situation.
Aufgrund der guten Fortschritte bei der Raumstation begannen wir dann auch diesen Aspekt weiter zu planen. In der ersten Ausbaustufe wären nur zwei gegenüberliegende Teile des Torioden wirklich von Menschen bewohnbar. Ich setzte mich dafür ein, daß wir wenigstens mittelfristig einen kompletten Rundlauf haben sollten, damit man sich in der Station auch einmal ausgiebig bewegen kann.
Es kam dann schnell die Frage auf, mit wievielen Menschen wir anfangen sollten, wen sollten wir wiedererwecken?
Hildegard schlug mutig vor, gleich ein paar Leute auf die Raumstation zu transferieren und dort wiederauferstehen zu lassen. Ich hatte eher Bedenken aufgrund möglicher Konflikte. Mein Gegenvorschlag bestand darin, besser sorgfältig auszuwählen und erst einmal nur eine weitere Person wiederaufzuerstehen. Die Ais erkannten meine Kompetenz hinsichtlich sozialer Probleme in menschlichen Gruppen durchaus an, so hatte ich sie schnell überzeugt, so bessere Chancen auf weniger Ärger und Konflikte zu haben.
Damit hatte ich mir allerdings auch die durchaus kniffelige Frage zugeschustert, eine passende Person auszuwählen, die vermutlich mit mir ganz gut auskommen würde.
Zudem sollte diese Person ja nach Möglichkeit eine nützliche Ergänzung für diese Phase der Mission sein, für die kommenden Jahrzehnte vermutlich wichtig sein.
Mit Hildegard guckte ich dann die verfügbaren Daten über die Leute durch.
Hildegard stellte dann die heikle Frage: „Wen willst du eigentlich?
Willst du mit der Person engere, eventuell gar auch intime Kontakte anknüpfen?
Das wäre nur normal und natürlich. Es wäre gut für dich.“
Ich brummte und grübelte etwas, meinte dann erst einmal nur: „Einerseits … andererseits …“
Hildegard hatte wohl irgendwie erkannt, daß ich unsicher war, ließ mir damit Zeit, so guckten wir erst einmal so durch, den Schwerpunkt eher auf die berufliche Qualifikation legend. Immerhin, mir war dabei schon aufgefallen, es gab keine Kinder, keine wirklich alten Leute. Unsere Kryo-Zombies hatten ihren Dornröschenschlaf im Alter zwischen 18 und 40 Jahren angetreten. Hildegard erläuterte, man habe bei der Auswahl abwägen müssen zwischen der Erfahrung des Alters, der Flexibilität der Jugend und dem Potential für die Mission. Es werde sicherlich einige Zeit dauern, um bei einer echten Kolonie zu einer normalen Altersstruktur zu kommen, derzeit seien wir ja noch vor dem Beginn, von daher seien die Probleme und Anforderungen auch anders, das Lernen anders, die soziale Struktur eher die einer Arbeitsstätte, eines Forschungsinstitutes, nicht eines kleinen Dorfes.
Natürlich hatte Hildegard Recht damit, ich vermied es aber zu fragen, was eigentlich mit den ersten, rechtlosen Kryo-Zombies passieren mochte, die auf der Erde zurückgeblieben waren, wurden das automatisch aufgrund von technischen Defekten und sonstigen Zwischenfällen weniger oder würden die weiterschlummern, bis es dort niemanden mehr gab und irgendwann auch jedwedes technische Gerät ausfallen würde?
Oder würde man sie doch wiederauferstehen, wenn es wirklich nur noch sehr wenige Menschen gab, um so wieder etwas mehr Dynamik in die verbliebene Gesellschaft zu bringen?
Ich mochte mich nun nicht gerade froh und glücklich nennen, es so getroffen zu haben, ich hatte aber schon ein schlechtes Gefühl dabei, wenn ich daran dachte, daß ich unter etwas anderen Umständen ja auch noch weiter irgendwo als Kryo-Zombie schlummern könnte.
Vielleicht war das aber auch nur eine Illusion, denn wer so konserviert ist, der ist in der Zeit eigentlich keine Persönlichkeit, nur ein lebloser Klumpen Materie, bestenfalls mit menschlichem Potential. Man ist nicht unglücklich darüber, nicht zu sein, man kann allenfalls glücklich oder unglücklich oder überhaupt etwas sein, wenn man ist und denkt.
Ida beteiligte sich dann auch an der Auswahl einer geeigneten Person. Sie hatte ja eingangs schon zur Kenntnis gebracht, daß sie besonders hinsichtlich der Kommunikation und Interaktion mit Menschen ausgebildet sei. Ida war sich ziemlich sicher, daß es gleich ein Partner für mich sein sollte und legte gleich einmal forsch los, wohl auch, um etwas Schwung in unsere etwas zögerliche Sichtung zu bringen.
So sprach sie: „Sage mal, Michaela, kommen für dich als Sexualpartner eher Männer oder Frauen in Frage?
Da könnten wir dann ja gleich erst einmal ungefähr den Stapel für den ersten Versuch auf die Hälfte reduzieren!“
Ich schaute mich um, aber Ida hatte es sich erspart, sozusagen handgreiflich als Roboter in Erscheinung zu treten. Ich runzelte trotzdem die Stirn, sie würde es schon sehen.
Dann erwiderte ich: „Hmmmmpf!
Das ist ja mal sehr fürsorglich von dir gedacht. Soll ich gleich auch noch bevorzugte Neigungen und sexuelle Interessen offenbaren?“
In dem Augenblick hatte ich allerdings nicht daran gedacht, daß die Ais nicht so gut mit Ironie zurechtkommen.
Ida antwortete also ganz ernsthaft: „Schaden wird es sicherlich nicht, leider sind aber die Datensätze ziemlich dürftig in dieser Hinsicht, da können wir froh sein, wenn wir die Grundausrichtung erfahren. Aber du bist meiner Frage ausgewichen …“
Ich hatte die Ais als Personen oder Persönlichkeiten längst komplett akzeptiert, wenn diese sich jetzt auch nicht als besonders individuell aufgrund einzigartiger Fähigkeiten oder Marotten zeigten. Sie waren mir in medizinischer Hinsicht so nahegekommen, wie es nur geht. Trotzdem und auch obwohl ich in der Hinsicht nicht so kleinlich bin, war es doch nicht so einfach, mit ihnen über derart private Sachen zu sprechen, wobei das letztlich auch albern war, in der Situation, in der wir uns befanden.
Trotzdem konnte ich es mir nicht so ganz verkneifen und kommentierte: „Also man fragt andere, fremde Menschen eigentlich nicht so einfach nach derart persönlichen Dingen. Selbst unter Freunden ist das manchmal heikel.
Meine Frage war eher ironisch gemeint.“
Ida betonte dazu: „Ja, ja natürlich, das hatte ich nicht erkannt, darin sind wir nicht so gut, wir erwähnten das ja schon, aber wir haben ja auch eine besondere Situation. Und uns kannst du das schon bedenkenlos anvertrauen, wir haben diesbezüglich ja keinerlei persönliche Interessen. Ich meine, es ist für dich nur gut, wenn diese andere Person in jeglicher Hinsicht ganz gut zu dir paßt.“
Prinzipiell hatte sie natürlich Recht, ich fühlte mich aber trotzdem etwas exponiert, mehr noch als im Grunde zuvor, als ich ja herausgefunden hatte, daß ich ihnen eigentlich ausgeliefert war, wobei sie damit ja nie gespielt hätten.
So meinte ich dann: „Also gut, wenn ihr das wirklich genau wissen wollt:
Ich hatte sexuelle Erfahrungen sowohl mit Männern als auch Frauen. Es kommt eben stark auf die Person an, weniger auf das Geschlecht. Auch was und wie man es dann miteinander treibt, hängt natürlich etwas davon ab, wer mit wem. Es macht einfach mehr Spaß, aufeinander einzugehen, statt einfach nur sein Programm abzuspulen.“
Hildegard setzte das dann eher praktisch um: „Also jedenfalls halbiert sich damit nicht der Stapel wie erhofft.“
Ich lachte und meinte: „So einfach mache ich es euch offenbar nicht.“
Hildegard blieb unberührt auf ihrer sachlichen Linie: „Wenn du uns bevorzugte körperliche Merkmale nennen könntest, könnten das ja auch bereits Kriterien sein. Ich meine, bei vielen Spezies passiert ohnehin bald etwas, wenn zwei traulich beieinander hocken.“
Hildegard hatte wirklich eine erfrischend einfache Sicht auf soziale Interaktionen zwischen biologischen Wesen derselben Spezies.
Ich grinste: „Dann werden solche Kriterien ja nicht so entscheidend sein, wenn es sowieso gleich rundgeht, wenn wir im selben Raum sind!“
Ida meinte: „Vielleicht hat Hildegard das doch ein wenig zu einfach gesehen?
Ich glaube, du bist schon wieder etwas ironisch?
Bin mir aber nicht sicher.“
Ich lachte erneut: „Ja schon, etwas ironisch auf jeden Fall. Und Hildegard sieht es vermutlich ein kleines bißchen zu einfach mit der Paarbildung, selbst unter schwierigen Bedingungen läuft das nicht unbedingt immer so reibungslos ab, bei Menschen erst recht nicht.“
Hildegard antwortete: „Also gut. Da kennst du dich besser aus und wärest daran ja sogar noch beteiligt. Möchtest du alleine auswählen oder können wir dir irgendwie beim Sortieren behilflich sein?“
Und da hatte sie natürlich auch Recht, was hatte ich davon, wenn ich alles alleine machen müßte. War es nicht hilfreich für mich, ich würde ein wenig plaudern, locker werden, um mich darauf einlassen zu können, hier quasi aus dem Katalog jemanden zu wählen?
Andererseits würde das nicht auch gleich überzogene Erwartungen wecken?
Würde ich bei solch einer gezielten Auswahl nicht gerade Wünsche oder gar Sehnsüchte in diese andere Person projizieren, statt es sich ruhig entwickeln zu lassen?
Ich gab zu erkennen, daß ich noch einen Augenblick nachdenken wollte, dann lenkte ich aber ein und war mit ihrer Hilfe einverstanden: „Nein, schon gut, eure Hilfe ist ja durchaus willkommen, ich muß mich nur erst einmal an die Vorstellung gewöhnen, was wir hier gerade machen und auswählen.
Das Vorgehen ist irgendwie ganz anders als die übliche Praxis, die mir so geläufig ist, obgleich ich die auch nicht einmal in einem einfachen Regelwerk typischer Verhaltensweisen zusammenzufassen wüßte. Zudem, was ich gesehen habe, sind diese Personen ja alle keine Extreme, also zum Beispiel weder besonders dick noch dünn, mag ja an euren medizinischen Möglichkeiten liegen?“
Ida bestätigte das, zudem sei einige Zeit nach meinem damaligen Unfall auch das Körperbewußtsein gestiegen, man habe in manchen Regionen auch eine etwas weniger süße, energiehaltige Ernährung etablieren können, der Schlankheitswahn, besonders bei Frauen sei auch nicht mehr so stark ausgeprägt gewesen.
Ich gab zu, daß ich einmal abgesehen von diesen Extremen auch keine besonderen Abneigungen oder Vorlieben hätte.
So im Durchsehen hatte sich allerdings inzwischen doch ein gewisser Vorzug bei mir eingeschlichen, der mir nun allmählich deutlicher wurde, so merkte ich an: „Vielleicht doch erst einmal ein Mann, das scheint mir in Ordnung, der kann dann ja vielleicht auch eine eher typisch männliche Sichtweise in unsere Diskussionen einbringen, das bringt uns vielleicht eine größere Variation an Ideen. Der typische Mann denkt ja auch etwas anders als die typische Frau. Das wäre doch ganz interessant!“
Die beiden stimmten zu, das Kriterium überzeugte sie, so setzte ich schmunzelnd nach: „Ach, vielleicht habe ich auch mal wieder Lust auf einen richtigen Kerl. Da hänge ich so lange in der Warteschleife, da sollte ich mir vielleicht auch einmal endlich wieder etwas gönnen. Mal wieder so einen ordentlichen Knuffelburschen vernaschen, ja das fehlt mir schon!“
Ida hatte es erkannt: „Du versuchst, mit uns zu scherzen, oder?
Was genau ist ein ordentlicher Knuffelbursche?“
Ich grinste: „Teils teils, muß ja nicht gleich ein dominantes Alphamännchen sein, welches wir uns da anlachen, mehr so ein zwar männlicher, aber doch freundlicher, sozialer Genosse, jemand mit Bildung und Kultur. Aber trotzdem gut in Form und ein Schnuckelchen zum Hingucken und bei Bedarf auch Hinlangen. Das ist wohl unter einem ordentlichen Knuffelburschen zu verstehen!“
Hildegard meinte sachlich: „Bildung haben sie eigentlich alle, es wurde ja schon so sortiert, daß sie der Mission nützlich sein können, Wissen, Selbständigkeit, analytische Fähigkeiten, eine eher ruhigere Art, das waren sicherlich Auswahlkriterien, sofern man darüber Daten hatte.“
Ida erläuterte ihr: „Ich glaube, Michaela ist wieder zu Scherzen aufgelegt. Obwohl die genannten Kriterien selbstverständlich plausibel klingen und einer Verpaarung wohl Vorschub leisten werden. Wir sollten einfach mal gucken, was da so passen könnte.“
Nun, und obwohl das wirklich nur halb Ernst, halb Spaß war, suchten wir nun irgendwie doch solch ein kultiviertes Schnuckelchen für mich.
Ich fand das alles schon ein wenig ulkig, aber auch ein wenig aufregend, denn unter anderem ging es ja irgendwie doch plötzlich darum, für mich einen passenden Partner zu finden, hier draußen fernab von allem eine Romanze?
Ich schüttelte den Kopf, aber wir suchten nun beherzt weiter.
Den Schalk im Nacken meinte ich dann noch keck: „Also wenn schon, denn hätte ich auch gerne einen mit einem schönen Penis, der mir sehr konvenieren würde!“
Hildegard nahm auch das ernst und meinte dazu: „Das erfordert aber eine genauere Analyse der Personen direkt in der Kryo-Kammer. Darüber steht nichts in der Datenbank. Was brauchst du denn dafür für Daten?
Doch eigentlich mindestens Länge, Durchmesser, Biegung im erigierten Zustand. Das ist nicht so einfach zu ermitteln …“
Ida meinte dazu: „Ich glaube, sie will uns schon wieder auf den Arm nehmen. Obwohl, also so ganz unwichtig ist es ja im Grunde nicht, wenn das Organ ansprechend ist, ist es sicherlich auch anregender und es erfreut mehr, damit umzugehen.“
Ich bestätigte: „Auf jeden Fall, ein schönes Glied kann viel Freude im Umgang bereiten, insbesondere wenn es erigiert ist. Die weiblichen Genitalien sind allerdings auch bei geeigneter Vorbereitung durchaus flexibel, von daher muß das in der Praxis und mit etwas Geschick beim Akt gar nicht so genau passen. Ich wollte euch wirklich etwas foppen.“
Hildegard blieb aber ernst: „Nein, nein, also ich bin mir sicher, eine ungefähre Schätzung können wir da schon vorher abgeben, wenn wir die Auswahl auf wenige Kandidaten eingeschränkt haben. Da läßt sich schon etwas machen.“
Ich wollte mir eigentlich nicht wirklich vorstellen, wie Hildegard an den Genitalien der Kryo-Zombies herummanipulierte, um an diesbezügliche Daten zu kommen.
So erwiderte ich ernst: „Hildegard, da läßt du die Greifer davon oder was immer du dazu auch benutzen wolltest, aus den angegebenen Gründen scheint es mir ethisch nicht in Ordnung zu sein, künstlich eine Erektion hervorzurufen und diese Daten aufzunehmen. Zudem – wo bliebe da für mich die Überraschung, wenn wir den Schabernack wirklich durchzögen?“
Und so hatte ich Hildegard dann doch noch ausbremsen können, die nur kurz erläuterte, auf welchem Wege wir da an Informationen hätten kommen können.
Wirklich viel weitergekommen waren wir nicht, da kam mir die Datei eines Biologen mit Schwerpunkt Bioinformatik auf den Bildschirm. Etwas jünger als ich beim Konservieren, aber mit akademischem Abschluß, auch später als ich in die mißliche Lage geraten. Er erschien mir ganz attraktiv. Aufgrund des späteren Konservierungszeitpunktes und einer Zeitspanne, die man ihn vor dem Konservieren offenbar noch befragen konnte, hatten wir neben seiner offiziellen Biographie sogar noch ein paar persönliche Worte an die Nachwelt. Er kam irgendwie ganz sympathisch rüber, weswegen ich Ida und Hildegard auf ihn aufmerksam machte. So kam er in die engere Auswahl, wir suchten aber noch weiter. Irgendwann hatten wir die Anzahl der Kandidaten auf vier Favoriten reduziert. Die Entscheidung hing dann irgendwie an mir persönlich.
Sollte ich spontan und aus dem Bauch heraus entscheiden?
Das lag mir eigentlich nicht so besonders, aber irgendwie hatte ich den Biologen offenbar doch ein wenig ins Herz geschlossen. So grabbelte ich seinen Datensatz wieder hervor, tippte auf den Bildschirm und meinte: „So, hier der Peter, für heute ist das meine Wahl, der ist Biologe, der kennt sich thematisch aus, ist sozusagen bereits tief in die Materie eingedrungen und wird da schon geschickt seinen Mann stehen, hoffe ich jedenfalls, daß es schon passen wird. Fachlich wird er für die Mission schon sehr nützlich sein, wenn wir mit der Raumstation in der Nähe eines der Zwillingsplaneten Gewißheit erlangen wollen über die Frage, ob es da Leben gibt. Ob er mir persönlich nützlich und erquicklich wird und ich ihm, das muß sich dann ergeben, das kann man nicht vorhersehen. Und wenn wir das so entscheiden, dann behalten wir dieses eigenartige Auswahlverfahren besser für uns, es würde ihn doch nur verwirren und verunsichern und das Knüpfen angenehmer Kontakte eventuell doch nur verkomplizieren.
Aber ich will wohl mindestens noch einmal eine Nacht drüber schlafen, bevor wir das wirklich in Angriff nehmen und wir uns endgültig entscheiden.“
Das war für Hildegard und Ida in Ordnung. Sie würden auch über das Auswahlverfahren schweigen und sie stimmten mir zu, als Biologe sei er auf jeden Fall eine gute Wahl. Er war ja nicht der einzige Biologe, aber wieso er vor den anderen den Vorzug bekommen hatte, mußten wir ihm ja nicht geradezu auf die Nase oder ein anderes Körperteil binden. Hatten meine Scherze nun wirklich auf das Auswahlverfahren Einfluß gehabt?
Hatte ich nicht einfach unter den plausiblen Herren einen intuitiv gewählt, der ganz gut passen könnte?
War das ein legitimes Verfahren?
Ich entschloß mich, das Grübeln darüber zu vertagen. Ich wollte wirklich erst einmal noch darüber schlafen und dann mit frischem Kopf noch einmal durchlesen, was ich über Peter eigentlich wirklich wußte und dann darüber reflektieren, was ich vielleicht nur in ihn hineinprojiziert hatte.
Auch Körk wurde über den Stand der Dinge unterrichtet. So ganz konnte er unser Suchverfahren nicht nachvollziehen, vertraute aber darauf, daß ich das schon richtig machen würde. Immerhin, so meinte dann Ida, selbst wenn es zu Konflikten käme, für den äußersten Notfall würden sie die Lage schon im Griff behalten und dann deeskalieren. Es sei ja unwahrscheinlich, aber wenn wir uns gar nicht vertrügen, könnten wir uns auf der großen Raumstation ja immerhin noch ganz gut aus dem Wege gehen.
Ich war dann jedenfalls müde und legte mich erst einmal schlafen. Wir hatten uns darauf geeinigt, für mich einen Tagesrhythmus von vierundzwanzig Stunden beizubehalten, das bekam mir auch ganz gut. Der Zeitablauf auf einem Raumschiff ist ja ansonsten nicht besonders strukturiert, da ist es schon wichtig, sich selbst Strukturen zu schaffen, die Beleuchtung passend zu wählen, die Lichtstimmung, einen regelmäßigen Tagesablauf zu etablieren. Das würde später bei einer Kolonie auf einem Planeten in diesem System auch noch eine Herausforderung werden, denn die Umlaufzeiten entsprechen ja nicht denen der Erde. Bei den Zwillingsplaneten hat der Tag auf dem Wasserplaneten Charybdis eine Länge von gut zehn Stunden, beim Felsplaneten Skylla gar nur knapp acht Stunden. Das würde dann zwangsläufig eine größere Umstellung werden. Auch die Beleuchtungssituation ist anders, zum einen ist hier die Sonne etwas gelber, zum anderen ist der andere Zwillingsplanet am Himmel deutlich größer und heller als es auf der Erde der Mond ist. Bei Skylla mochte zudem die trübe Atmosphäre für eine gleichmäßigere Streuung des Lichtes sorgen, also einerseits tagsüber nicht so hell, dafür nachts nicht sonderlich dunkel, dafür aber dann auch Charybdis und die Sterne nicht oft klar zu sehen.
Ausgeschlafen widmete ich mich dann nach dem Frühstück ausführlich der Biographie von Peter, meinem bevorzugten Kandidaten. Gut, Jugend und Studium waren nicht sonderlich bemerkenswert. Auch er war kein Kompatibler oder Genmanipulierter, sondern noch ein originaler Mensch, das paßte auch ganz gut zu mir. Was über ihn im Datensatz stand, wirkte sympathisch, jemand, mit dem man sich anfreunden können sollte. Warum also nicht?
Spannend war dann allerdings sein Abgang oder eben der Grund seiner Konservierung.
Er war zwecks Promotion an einem biologischen Institut einer Universität tätig. Als Bioinformatiker paßte das offenbar ganz gut in sein Profil.
Die Informationen in dem Datensatz waren nicht besonders ausführlich, aber zum fraglichen Zeitpunkt arbeitete er wohl an einer Studie zu speziellen multiresistenten Erregern, bei denen der Verdacht aufgekommen war, daß dieser Bakterientyp gezielt per Genmanipulation als Biowaffe erschaffen worden war, aber dann irgendwie bei einem Unfall außer Kontrolle geraten war. Die direkte Seuche mit einigen zehntausend Toten hatte man mühsam durch konsequente Quarantäne und einer Behandlung mit sehr hohen Temperaturen in den Griff bekommen. Man forschte nun daran, Gegenmittel zu finden oder eben auch die Leute, die für die Erschaffung dieser Horrorbakterien verantwortlich waren. Das taten mehrere Labore auf der Welt und man schien Fortschritte zu machen.
Dann gab es Terroranschläge auf Gebäude mehrerer dieser Labore. Bei zweien konnten die nicht rechtzeitig verhindert werden. Peter war in einem dieser Labore. Zwar hielt das Gebäude stand und es entkamen keine gefährlichen Erreger in die Stadt, aber intern wurden einundvierzig Menschen Opfer der Erreger oder des Anschlages. Aufgrund eines glückliches Zufalls war Peter offenbar gerade in seinem Büro und nicht im Zentrum der Katastrophe, so gehörte er letztlich zu den drei Personen, die zunächst überlebt hatten. Aufgrund des fehlenden Gegenmittels gab es dann aber nur die Alternative zwischen Sterben in Quarantäne und Konservierung als Kryo-Zombie. Peter wählte das letztere.
Bei dem anderen Labor in einem anderen Land hatte man bei dem Terroranschlag weniger Glück. Das Gebäude wurde so stark beschädigt, daß einige Erreger freigesetzt wurden. Man hatte Jahre damit zu tun, um diese Katastrophe zu bewältigen. Die Stadt wurde aufgegeben und mit speziellen Thermobomben beseitigt.
Die Terroranschläge und die Schöpfung der genmanipulierten Killerbakterien hatten dann dieselbe Quelle, einen gefährlichen Despotenstadt, schon länger als Ursprung diverser terroristischer Aktivitäten bekannt. Auch hier gab es eine groß angelegte Vernichtungsaktion, nicht nur um die Ausbreitung weiterer Krankheitserreger aus dortigen Laboren zu vermeiden, vermutlich auch, um einmal mehr ein Exempel zu statuieren.
Eine Heilung gab es erst Jahrzehnte später aufgrund der Fortschritte der Mikromedizin mit den Schwarmrobotern. Selbst das erwies sich als kompliziert. Erst etwa fünfzehn Jahre vor dem Start dieser Mission hatte man die Bakterienkulturen von Kryo-Zombies so weit im Griff, daß man sich sicher sein konnte, die Erreger komplett beseitigt zu haben und ansonsten die normalen Kulturen im Körper optimieren zu können. Trotzdem nahm man immer wieder einmal Proben, um hier Fehldiagnosen auszuschließen. Es war aber offenbar in Ordnung. Es gab keinen Befund mehr, zudem hatte man irgendwann ein alternatives antibakterielles Mittel gefunden, bei welchem man den Einsatz auf diese besonders üblen Fälle beschränkte und die Patienten danach eine Weile unter Quarantäne hielt, um die Mutation von Erregern zu unterbinden, die auch dagegen eine Resistenz entwickeln könnten. Für solch eine Quarantäne sind Kryo-Zombies natürlich ideale Kandidaten, die merken nicht einmal etwas davon und Peter war ja ohnehin bereits unter strenger Quarantäne. Nach der Heilung konnte er dann aus der Quarantäne herausgenommen werden, wegen der rechtlichen Mißstände aber natürlich auch nicht aus der Konservierung als Kryo-Zombie.
Ich hatte keine wirklichen Bedenken wegen der multiresistenten Erreger, fragte dann aber doch die Ais zu ihrer Meinung darüber. Die hatten das natürlich auch nicht übersehen, konnten aber aufgrund ihrer Datenbanken und Erfahrungen viel besser beurteilen, wie das für uns zu bewerten war. Sie hatten keine Bedenken. Peter war komplett gesund und repariert, stand in vollem Saft, schon von daher also eine gute Wahl, aber natürlich auch aufgrund seiner naturwissenschaftlichen Kompetenzen als Forscher in Mikrobiologie und Bioinformatik.
Peter schien so weit als Kandidat also komplett in Ordnung zu sein. Ich zweifelte aber ein wenig an mir.
Konnte das wirklich gutgehen?
Wollte und sollte ich mich wirklich darauf einlassen?
Hatte Hildegard Recht, daß sich jedenfalls bei hinreichender Sympathie oder Kompatibilität der Rest schon von selber ergeben würde?
War es nicht eher so, daß der Haken bei mir lag?
Ich reflektierte so über mein bisheriges Leben und eine längere Beziehung hatte ich nicht aufzuweisen. Was passiert war, war eben Spaß und Vergnügen, nichts wirklich Tiefsinniges.
Vielleicht bin ich gar nicht zu inniger Liebe fähig, mich ganz hinzugeben?
Vielleicht bin ich einfach zu analytisch, zu emotionslos fast wie eine Ai, um zu einer tiefen Beziehung fähig zu sein?
Hier nun konnten wir uns aber nicht aus dem Wege gehen, wenn wir keine Lust mehr aufeinander hätten. Wäre diese erst gar nicht da, wäre es unproblematisch, aber war man erst einmal zusammen und konnte sich dann aber aufgrund der räumlichen Einschränkungen nicht mehr voneinander trennen, so konnte die Situation schon kritisch werden. Und ich konnte mir durchaus vorstellen, Lust auf Peter zu haben und mit ihm ein wenig Spaß zu erleben.
Aber mehr?
Wäre das wirklich wahrscheinlich?
Und dann?
Sollte ich mich einfach auf das Experiment einlassen und es auf mich zukommen lassen?
Vielleicht sollte ich doch eher eine Person auswählen, bei der von vornherein eher kein Drama, sondern eher Kameradschaft zu erwarten war?
Vielleicht dann doch eher eine Frau, die sicher kein Interesse an einer Beziehung mit mir hätte?
Wie könnte ich sicher sein?
Aber das war schon irgendwie die sichere Wahl, um das Risiko arger Komplikationen zu reduzieren.
Bei einer Frau wären die Chancen besser. Nicht jede fühlt sich auch zu Frauen hingezogen, geschweige denn gleich zu jeder. Das schien mir plausibel.
So stöberte ich also weiter, diesem Gedankengang folgend nun nach einer geeigneten Frau, nachdem ich mit den Stichwortkombinationen ‚schwuler Mann‘ und ‚homosexueller Mann‘ nicht wirklich etwas gefunden hatte. Über sexuelle Präferenzen fand man in dem Datensatz wenig, konnte allenfalls aus den biographischen Daten implizieren oder raten, aber das natürlich nicht automatisch mit einer Stichwortsuche finden. Ich bat Ida, mir bei der Idee zu helfen. Diese gab sich zwar etwas überrascht über den Gedankengang, half aber doch dabei, Datensätze zu finden, die auf diesbezügliche Männer oder auch eindeutig heterosexuelle Frauen hinwiesen. So hoffte ich dann auf einen neuen Stampel zu dem neuen Ansatz. Wie bei meiner eigenen, bescheidenen Suche war aber auch die von Ida nicht wirklich erfolgreich. Ida verstand deutlich weniger als ich, zwischen den Zeilen zu lesen und zu implizieren. Ida hatte lieber eindeutige Zahlen und Fakten, nicht diesen subtilen psychologischen Menschenkram. Das konnte ich gut nachvollziehen, Zahlen, Fakten, Graphiken, das verstand ich auch schon immer besser als andere Menschen.
Ich seufzte tief auf, zuckte aber die Schultern und suchte dann eher etwas lustlos und unsystematisch weiter. Eher durch Zufall stieß ich dann auf den Datensatz von Susanne, Spitzname auch Susi, wie da sogar vermerkt war. Susi ist Mathematikern, Informatikern, Lehrerin, konnte sich beim Studium offenbar gar nicht zurückhalten. Als Lehrerin allein wäre sie zum derzeitigen Zeitpunkt nicht sonderlich attraktiv gewesen, sie war aber neugierig, hatte eine schnelle Auffassungsgabe, reiste gerne, war zurückhaltend, bescheiden, eher still und unauffällig, ein sehr friedlicher Typ. Sie strahlte geradezu aus, daß sie nicht zu Ausschweifungen, Aggressionen und Konflikten neigte. Für die Mission war sie relevant aufgrund einiger Projekte in ihrem Studium. Sie könnte wohl eine Hilfe sein bei der Optimierung unserer Datensätze über das Sonnensystem und der Simulation und Vorhersage weiterer Zwischenfälle für uns und auch die Zwillingsplaneten durch Zusammenstöße. Sie schien leicht für neue Projekte zu begeistern zu sein. Und da sie gerne reiste, war sie hier sozusagen auf der Reise ihres Lebens, touristisch war jedenfalls nie ein Mensch weiter von Zuhause fort gewesen. Ich hatte allerdings ein paar Zweifel, ob sie den Scherz gut aufnehmen würde, sie schien schon etwas sensibel zu sein. Sie war ungefähr in meinem Alter, aber einige Jahre nach mir konserviert worden, aber auch nicht so viel später, daß wir sicherlich noch leicht gemeinsame Gesprächsthemen finden würden. Sie war auch keine Kompatible oder Genmanipulierte. Auch das gefiel mir sehr gut.
Wie sie zum Kryo-Zombie geworden war, war eigentlich profan. Sie hatte sich auf einer ihrer Urlaubsreisen etwas eingefangen, eine wohl tödliche Vireninfektion, nicht einmal etwas, was auf sexuelle Aktivitäten hinwies, dafür machte sie auch einen zu soliden Eindruck, obgleich man gerade bei den Stillen immer auf Überraschungen gefaßt sein sollte. Sie hatte jedenfalls einfach Pech ohne großen Spaß dabei, der über das Reiseabenteuer hinausgegangen wäre. Es gab zu dem Zeitpunkt kein Mittel dagegen aber eine Garantie auf das Grab oder alternativ eben die Konservierung, bis es ein Mittel geben würde. Mit ihrem Wissen und auf erhebliches Drängen der Eltern, die ihr Einzelkind unbedingt gerettet sehen wollten, wurde sie dann konserviert. Kinder oder eine Beziehung hatte sie nicht.
Das Mittel der Heilung fand sich Jahrzehnte später, als die Eltern bereits verstorben waren. Aber wie bei uns allen waren da die rechtlichen Grundlagen nicht mehr gegeben, um Susanne wiederaufzuerstehen. Wenn wir das jetzt machen würden, wäre sie bestimmt sehr überrascht über ihre sehr große Reise und über das Reiseziel.
War das nun also die Kandidatin meiner Wahl?
Wir hatten wohl nicht mit großen Konflikten zu rechnen, Ida hatte gute Beruhigungsmittel, mit mehr als einem kleinen Nervenzusammenbruch nach der Wiederauferstehung mußten wir wohl nicht rechnen, das würde sich schon wieder einrenken. Sie würde sich integrieren und mitmachen.
Peter würde das aber sicher auch, auch der war neugierig und hier tat sich wirklich eine neue Welt auf, mehr zu erforschen, als man jemals erwartet hätte, insbesondere für Biologen, falls es hier wirklich irgendwo Leben geben sollte.
Wen also sollte ich als ersten Reisekameraden auswählen, Susi oder Peter?
Schlage einfach mal was vor, wie Michaela sich entscheiden soll.
Noch nicht verfügbare Handlungsstränge:
Susi und Esme
Ich hatte dann erst einmal eine Nacht drüber geschlafen und morgens beim Frühstück überlegte ich immer noch, ob ich nun Susi oder Peter auswählen sollte, um einen menschlichen Mannschaftskameraden zu bekommen.
Oder doch lieber alleine?
Nein eigentlich wollte ich schon jemanden. Ich fand ja nun beide ganz süß. Aber man kann sich ja ohnehin nicht aussuchen, daß man von anderen Menschen einfach so gemocht wird, das konnte also schon spannend werden. Aber dem wollte ich mich schon stellen.
Obwohl Peter vermutlich für die anstehenden Aufgaben etwas besser qualifiziert wäre, entschied ich mich dann doch für Susi als vermutlich weniger problematische Kandidatin. Naja, vermutlich gab es mit ihr dann ja ohnehin weniger Reibereien, so schätzte ich das jedenfalls ein und teilte den Ais meine Auswahl mit, begründete kurz mit dem vermutlich geringeren Konfliktpotential. Die drei nahmen das jedenfalls gleich als Entscheidung und akzeptierten es ohne große Diskussion, lobten gar meine Entscheidungsfreudigkeit trotz eher dürftiger Informationen.
Unterdessen war die Raumstation bereits ziemlich weit gediehen, im Bereich des Asteroidengürtels aber natürlich noch falsch positioniert, um günstig einen der Zwillingsplaneten weiter erforschen zu können. Zum Ausbau der Station ist die Nähe des Asteroidengürtels mit seinen reichhaltigen Ressourcen natürlich sehr günstig, so daß wir hier zeitlich optimieren mußten. In Rotation versetzt war die Station auch noch nicht. Susi mußte also noch etwas warten, wir berieten aber schon, wie der Transfer dann letztlich ablaufen sollte.
Samt ihrem Absorber sollte die Station in die Umlaufbahn eines der Zwillingsplaneten gebracht werden. Dort würden wir dann vom Raumschiff zur neuen Raumstation Biomaterial transferieren, mit welchem insbesondere Hildegard dann dort eine Agrarkultur aufbauen würde, welche dann weitgehend ausreichen sollte, um mindestens zwei Personen zu ernähren.
Dazu wäre es dann bereits notwendig, in einem etwas kniffligen Schritt die Absorber von Raumschiff und Station zu vereinen und eine provisorische Brücke zwischen Schiff und Station zu etablieren, um darüber größere Mengen an Material transferieren zu können.
Wenn die Station dann betriebsbereit wäre, würde Susi aus der Kryo-Station separiert werden und auf die Station transferiert. Ich würde dann zeitnah folgen.
Sobald wir und alle anderen wichtigen Materialien transferiert wären, würde die Verbindung getrennt und durch Andockstationen ersetzt, über welche wir dann mit Raumfähren Kontakt halten würden. Von diesen hatten wir derzeit schon drei im Bau, eine davon nahezu fertig. Da diese ja einen eigenen, kompakten Antrieb haben, durchaus eine etwas umfangreichere Aufgabe für die Roboterschwärme, das zu produzieren. Ernsthafte Probleme wurden bislang aber nicht gemeldet.
Nach der Trennung würden dann die Absorber jedenfalls ebenfalls wieder getrennt und um Station und Schiff solide geschlossen. Dann würde die Station in Rotation versetzt. Anschließend käme dann Susis große Stunde der Wiederauferstehung. So weit hatten wir das also gut durchgeplant und die Arbeit machte gute Fortschritte. Schon driftete die Station bereits in Richtung der Zwillingsplaneten, während immer noch daran gebaut wurde.
Dann sollten wir ja auch noch entscheiden, ob unsere Station um Skylla oder um Charybdis kreisen sollte oder doch in weiterer Entfernung um beide. Unsere Simulationen ergaben, daß wie auch beim Asteroidengürtel die Zwillingsplaneten deutliche Störungen auf die Umlaufbahnen einer Station ausüben würden, wenn wir eine Umlaufbahn um beide zu nahe an den beiden wählen würden. Auch die Umlaufbahn um einen der beiden Planeten sollte wiederum deutlich näher an diesem liegen, um Störungen durch den anderen klein zu halten und damit die Bahn stabil. Es ist ja klar, daß es bei einer Raumstation in solch einem Zwillingsplanetensystem zahlreiche Zonen gibt, wo die Bahnen komplett chaotisch wären. Dann gibt es immer Bereiche, wo die Bahn zwar etwas komplizierter ist, aber immer noch quasiperiodisch, dann auch weite Bereiche besonders in der Nähe eines Planeten, wo man nahezu wieder eine kreisförmige oder elliptische Umlaufbahn haben kann. Wir wollten eher eine ungefähr kreisförmige Umlaufbahn haben, dann um einen Planeten, um die Probleme einer nahen Umlaufbahn um beide Planeten zu vermeiden, von denen auch ziemlich stabile deutlich störanfälliger wären. Bei der Ausrichtung der Rotationsachse überlegten wir auch etwas, aufgrund des Drehimpulses ist die ja ohne Präzession starr im Raum, die Station kann dann folglich im Raum nur noch per Translation verschoben werden, aber die Rotationsachse nicht mehr so einfach in eine andere Richtung verändert werden. Nun sind die Drehachsen der verschiedenen Systeme ohnehin bereits reichlich gegeneinander verkippt, von daher hatten wir da jetzt keine klare Vorzugsrichtung. Wir entschieden und dann dafür, für die Drehachse die gleiche Richtung zu nehmen wie die des zu umkreisenden Planeten, entsprechend dann auch die Umlaufbahn um den Planeten senkrecht dazu.
So sollten wir also entscheiden, erst um den Wasserplaneten Charybdis oder doch erst um den Felsplaneten Skylla?
Auch letzterer verfügt ja durchaus über Meere und Küsten, ist aber aufgrund der Staubstürme problematischer. Wenn wir Terraformung anwenden müßten, würde es hier länger dauern als bei Charybdis, also sollten wir eigentlich hier zuerst untersuchen, ob wir Leben finden könnten, um dann zu entscheiden, ob wir bei einer Fehlanzeige Einfluß auf Klima und Atmosphäre nehmen wollten. Bei Charybdis hingegen könnten wir gleich voll einsteigen, klare Atmosphäre, viel Wasser, vielleicht auf viel Leben?
Bei einer reichhaltigen Besiedlung mit Lebewesen aber wäre eine Ansiedlung unwahrscheinlich. Da wären Inkompatibilitäten und arge Konflikte der Spezies vorprogrammiert, also auch Probleme in einer Komplexität, die wir unmöglich würden überschauen können.
Wir hatten eine kleine Diskussion, entschieden uns dann für einen ersten Versuch für Skylla. Es würde also staubig und trocken werden.
Trotz der schlechten Sicht vermuteten wir, daß das zunächst einmal die einfacherer, durchschaubarere Wahl wäre, Erfahrungen könnten wir dann vermutlich später gut gebrauchen und übertragen.
Unsere Roboterschwärme hatten im äußeren Asteroidengürtel, den ich Freki genannt hatte, gewaltige Mengen an Eis vorgefunden. Wenn es kein Leben auf Skylla gäbe, hatten wir uns daher schon bald entschlossen, es mit einer Sintflut zu versuchen.
Meine diesbezügliche Idee schien mir zunächst so naiv zu sein, daß ich etwas gezögert hatte, bevor ich sie äußerte. Als ich das dann doch tat, schätzten die Ais die verfügbaren Wassermengen ab und meinten, daß das auf jeden Fall von den Mengen her möglich sei.
Den inneren Asteroidengürtel, den ich Geri genannt hatte, hatten wir bislang nur mit wenigen Sonden grob untersucht, aufgrund der Nähe zur Sonne ist der Wassergehalt hier ohnehin geringer, zudem wäre es energetisch aufwendiger gewesen, Material von Geri nach weiter außen in das Sonnensysteme zu transportieren. Das ist für uns bei unserem Raumschiff oder auch der Raumstation kein wesentliches Problem, bei gewaltigen Massen von Material erfordert der Transport aber doch eine Menge Energie.
Die Querschläger aus dem Streufeld schräg zur Ekliptik, aus welchem uns ja schon Brocken unangenehm erwischt hatten und welches ich Wotan benannt hatte, wären teilweise schon umlenkbar gewesen, wären aber von der Zusammensetzung her teilweise auch geeignet gewesen nach dem, was wir inzwischen davon mit Absorbern eingefangen hatten. Hier sammelten und sortierten die Absorber erst einmal, auch da hatten wir schon einen kleinen Eisvorrat, der bereits von grobem anderen Material befreit worden war, insbesondere Metall und Gestein, welches wir ja anderweitig brauchen konnten. Weil das Streufeld aber gegen die Hauptekliptik geneigt ist, kostet es hier mehr Mühe, die Absorber ungefähr in der Hauptekliptik zu halten, dann eben Eisbrocken in großer Menge in die Hauptekliptik zu bekommen und dort auf Vorrat zu halten. Da ja jedenfalls der Gesamtdrehimpuls erhalten ist, ist es dann eben notwendig, entsprechend feinen Staub mit den Teilchenbeschleunigern der Absorber passend mit möglichst großem Impuls abzuschießen. Das fand einstweilen noch nicht statt. Stattdessen kumulierten und sortierten die Wotan-Absorber inzwischen eindeutig in der Wotan-Ekliptik, wurden dann lediglich so gesteuert, daß es nicht zu fatalen Kollisionen mit Objekten in der Hauptekliptik kommt. Aus dem Material der Wotan-Ekliptik wurden dann hauptsächlich weitere gigantische Absorber gebaut, aber auch eine weitere kleine Stationen für technische Anwendungen, zur Datenerfassung und Überwachung der Vorgänge und Brocken im Wotan-Streufeld.
Während man Raumschiff und Raumstation ja noch effizient navigieren kann, ist das bei einem Eisasteroiden natürlich nicht so einfach, insbesondere nicht, wenn man einen Zwilling eines Zwillingsplanetenpaars gezielt treffen will, garantiert nicht aber die eigene Raumstation, die diesen umrundet.
So arbeiteten wir auch hier an Plänen, um das effizient umzusetzen, wenn wir das wirklich angehen wollten. Die Simulationen zeigten und schon da, daß das gar nicht so einfach sein würde, das Eis gezielt und ohne viel Verlust zu einem Planeten zu bringen.
Zuvor mußten wir zudem natürlich erst sicher herausfinden, ob es dort Leben gibt und ob sich solch eine himmlische Sintflut eignen würde, um den Staub aus der Atmosphäre abregnen zu lassen und den Planeten lebensfreundlicher zu machen, ob wir effizient begrünen und befeuchten können, um die Atmosphäre dauerhaft klarzuhalten.
Wir hatten nun bereits aufgrund unserer Sonden einen viel besseren Überblick insbesondere über mögliche Querschläger aus dem Streufeld Wotan, von daher waren wir sehr zuversichtlich, das nun im Griff zu haben. So riskierten wir es dann und setzten entschlossen unseren Plan um, um Raumstation und Raumschiff in eine Umlaufbahn um den Felsplaneten Skylla zu bringen. Wir hatten bereits in der Anflugphase die Absorber vereint und die Brücke etabliert. Natürlich waren wir da nicht besonders schnell unterwegs, anders als bei unserem interstellaren Anflug. So dauerte auch das wieder eine Weile, die insbesondere Hildegard gut nutzte, um auf der Raumstation bereits alles zu regeln und die Agrarkulturen anzulegen.
Als wir die Umlaufbahn erreicht hatten, war dann auch pünktlich die Raumstation in der für zwei Personen notwendigen Ausbaustufe betriebsbereit. Susi sollte nun auf die Raumstation transferiert werden. Ich hatte mich entschlossen, sie gleich zu begleiten. Und so schwebten wir, von Robotern unterstützt durch den schmalen Korridor auf die Station zu. Dieser Korridor war flexibel, aber nicht transparent, so daß ich von der Station nicht wirklich etwas sehen konnte, bevor wir sie fast erreicht hatten. Dann waren wir drin und Susi in ihrem Behältnis erst einmal sicher untergebracht, während ich mich auf der Station umsah, erst nur kurz im bereits fertiggestellten Bereich, der bereits für Menschen geeignet war, dann wagte ich mich hinaus auf die Baustelle. Unserem Bereich gegenüberliegend war mit etwa gleicher Masse ein ähnlich weit gediehener Bereich, aber ohne Atmosphäre. Hier war das Rechenzentrum untergebracht. Das ursprüngliche Konzept hatten wir zwischendurch noch einmal etwas überarbeitet und die Station betont großzügig ausgelegt, schlicht auch um etwas Platz zu haben, den Susi und ich würden nutzen können, um uns zu bewegen und nicht so eingeengt zu fühlen. Je mehr Orte und Möglichkeiten man hat, desto eher ist es wohl möglich, solch eine Raumstation als längeren Aufenthaltsort zu akzeptieren und gut damit zurechtzukommen, darauf beschränkt zu sein. Gleichwohl wirkt die Umgebung solch einer Station ja zwangsläufig künstlich, steril, zunächst einmal nicht sonderlich wohnlich, gemütlich einladend. Wir würden uns irgendwie einrichten müssen, uns arrangieren, uns aber auch den Platz nehmen, den wir brauchen würden, um entspannt zu sein.
Die Idee war, die Station auch mit einer neuen Ai zu bestücken, obgleich Ida, Hildegard und Körk natürlich in Kontakt bleiben würden, beziehungsweise sich aufteilen würden und sich dann immer wieder synchronisieren würden, um je eine einzige kohärente Entität zu bleiben. Spontan schlug ich als Namen für die neue Ai Esmeralda, auch kurz Esme vor, abgeleitet im Wesentlichen aus dem Namenskürzel der Mission ESM4. Damit waren die Ais einverstanden, sie erkannten sogar meinen Humor bei der Aktion. Einstweilen gab es aber Esme noch nicht, die drei Ai würden sie quasi zeugen, indem jede etwas von sich als Kopie hinzugab und sie noch weitere Schwerpunkte setzen würden, die nützlich sein würden, um eine Raumstation gut betreiben zu können.
Bis jetzt waren nur die Subsysteme in Betrieb und insbesondere Ida und Hildegard steuerten die Station.
Die Geburt von Esme wollten die drei etwas unter Verschluß halten, ich lästerte etwas von Schüchternheit und Verschämtheit von Ais, hatte dann aber etwas Mühe, den dreien das als lustig zu verkaufen, die drauf bestanden, daß das ein komplexer Akt sei, nicht zu unterschätzen, sie müßten sich darauf konzentrieren. Da mußte ich dann wiederum lachen über die wohl unbeabsichtigte Komik, als ich mir vorstellte, wie die drei dabei waren, ein Kind aus eigenem Geiste in einem komplexen Akt zu zeugen – naja, warum nicht, bei Menschen geht es meist einfacher mit dem Nachwuchs.
Belustigt erinnerte ich sie dann daran, wie sie in meinen persönlichen Präferenzen gebohrt hatten, als es um die Auswahl einer weiteren Person ging. Sie erkannten gewisse Parallelen, meinten aber, der eigentlich Akt sei für mich als Mensch nicht so interessant, letztlich eher profan, aber technisch gesehen doch komplex, erfordere also ihre ganze Aufmerksamkeit. Ich grinste noch immer, akzeptierte das dann aber.
Ich schaute mich weiter um, an einem Rundlauf wurde auch sehr fleißig gearbeitet. Einmal fertig und unter Atmosphäre gesetzt würde dieser uns Menschen dann einen weiten Freilauf ermöglichen, sogar Dauerlauf quasi in Endlosschleife wie ein Hamster im Rad. Das Grundgerüst konnte dann bei Bedarf erweitert werden, wir mußten eben nur dabei eine Unwucht vermeiden, denn die Raumstation sollte ja in Rotation um die Mittelachse des toroidalen Konstruktes gebracht werden, um insbesondere für uns Menschen die der Erdbeschleunigung entsprechenden Scheinkräfte zu erzeugen. Darauf war ich auch schon gespannt. Die Ais würden dann bei Erweiterungen schon fleißig rechnen und den Bau gekonnt anleiten, um eine Unwucht zu vermeiden.
Nach meinem Rundflug über die Baustelle schaute ich mich dann wieder in unserem habitablen Bereich um, richtete mich in meiner neuen Kabine ein, ich hatte ja praktisch noch keine persönlichen Gegenstände, von daher war das schnell erledigt.
Bald war dann auch schon der Ausrüstungstransfer vom Raumschiff abgeschlossen, die Brücke oder der Korridor wurde wieder zurückgebaut und in Andockstationen umgebaut, jeweils eine sollte zu beiden Seiten direkt auf der Achse entstehen, so daß es also nur notwendig wäre, eine Raumfähre auf dieselbe Winkelgeschwindigkeit zu bringen, um an die sich um diese Achse drehende Raumstation anzukoppeln. Da diese Achse ja mittig durch den Torus verläuft, der Achsenbereich aber nur mit einigen Stegen mit dem Torus verbunden ist, war damit auch ganz gut dafür vorgesorgt, wenn etwas schieflaufen würde, dann wäre nur dieser innere Bereich betroffen und es würde nicht die gesamte Raumstation in Unwucht geraten.
Dann trennten sich auch schon die Absorber von Raumstation und Raumschiff voneinander und wir waren komplett getrennt. Ich beobachtete die Videosignale der Sonden genau. Aufgrund der Absorber konnte man praktisch nie erkennen, wie Raumschiff oder Raumstation ohne Absorber wirklich aussehen, von daher hatte ich ohnehin kein konkretes Bild im Kopf, was ich hinter mir gelassen hatte. Meine Kabine in der Raumstation sah ohnehin ziemlich ähnlich aus wie diejenige im Raumschiff. Sogar die abstrakten und sehr dekorativen Mandalas gab es hier wieder an den Wänden, gelegentlich und in aller Ruhe mal wechselnd. Von daher vermißte ich nichts. Ich war quasi in meinem neuen Zuhause angekommen. Da das Raumschiff einstweilen nicht weit weg eine Umlaufbahn einnahm, gab es einstweilen für die Ais auch noch kein Problem, zeitgleich auf Schiff und Station anwesend zu sein.
Ich behielt dann weiter den Überblick, bereitete Sondenmissionen vor, während sich die Ais nun der Zeugung von Esme widmeten. Ob das irgendwie lustvoll oder gar orgiastisch war, verrieten sie mir nicht, ich wollte auch nicht so indiskret sein und weiter fragen. Sollten sie doch ihren Spaß haben – oder was auch immer dabei vorging. Jedenfalls ging das dann doch ganz zügig vonstatten und bereits irgendwann nachdem ich ausgiebig im neuen Heim ausgeschlafen hatte, konnte ich unser neues Missionsmitglied Esme begrüßen. Diese war ausgeglichen wie die anderen auch, nicht weiter auffällig und fand sich offenbar schnell in ihre Aufgabe, die Raumstation zu steuern, denn da hatten die anderen Ais natürlich sorgfältig und gut vorgearbeitet und Esme alles Notwendige bereits mit auf den Weg gegeben. Etwas Ähnliches wie eine Persönlichkeit würde Esme wohl erst mit der Zeit und im Kontakt mit uns entwickeln, wobei die Ais da ja ohnehin nicht zu Auffälligkeiten neigen.
Und dann wurde die Station ganz langsam in Rotation versetzt, während die Absorber die Rotation nicht mitmachten. Daher wurde die Station mit Regelmechanismen immer im Zentrum der Absorberkonstruktion gehalten. Statt Fenster hatten wir lediglich Sensoren und Sonden, ich arrangierte es dann so, daß ich in meiner Kabine auf einer Wand tagsüber immer eine Anzeige mit Sicht auf Skylla, die Rasol oder aber auf Charybdis hatte. Eine andere Variante bestand darin, einfach einen Sensor außen am Absorber schlicht in eine Richtung sehen zu lassen, so bekommt man dann automatisch durch die Rotationen der Objekte umeinander und die Rotation der Raumstation um Skylla einen schönen Schwenk über alle Ansichten, die das System von der Station aus gesehen zu bieten hat.
Erst als wir die volle Winkelgeschwindigkeit erreicht hatten, somit ein Äquivalent zur Erdbeschleunigung in unseren habitablen Bereich hatten, ging es daran, Susi wiederauferstehen zu lassen. Die Ais und ich diskutierten, wie wir am besten vorgehen sollten. Wie auch ich bei meiner Wiederauferstehung wußte Susi ja nichts von der Mission, wo sie sich nun befand. Sollten wir genauso vorgehen, wie die Ais es bei mir getan hatten?
Oder fiel mir ein besseren Vorgehen ein?
Die Ais waren gerne bereit, auf meine Vorschläge einzugehen.
So sprach ich dann schon einmal entschlossen: „Jedenfalls bin ich dagegen, ihr ähnlich wie mir eine so starke Dröhnung an Beruhigungsmitteln zu verpassen!“
Ida fragte nach: „Warum?
Das ist doch eine enorme Streßsituation! Wir wissen doch nicht einmal genau, mit welchem Kenntnisstand sie konserviert wurde. So oder so weiß sie nichts von der Reise, trifft zwangsläufig nun auf ganz andere Bedingungen, steht vor einem ganz neuen Leben.“
Ich nickte, ergänzte: „Ja, natürlich, aber in solchen Situationen ist Streß ganz normal. Es wirkt auch befremdlich, wenn man in solch einer Ausnahmesituation sozusagen glücklich auf Wolken schwebt, man merkt, da ist etwas faul und das führt erst recht zu Mißtrauen, was mit einem passiert, es verunsichert noch einmal zusätzlich, wirft Zweifel auf.“
Hildegard meinte: „Aber das kann auch ein Schock sein, kann sie überfordern.“
Damit war ich schon einverstanden: „Schon klar, aber wir wollen ja letztlich, daß sie sich möglichst schnell mit der Situation arrangiert, sich einlebt, da sollte sie uns schnell vertrauen. Unter Drogen gesetzt fällt das deutlich schwerer.“
Körk wollte von mir wissen: „Aber du vertraust uns doch auch, trotz oder vielleicht gerade wegen der Beruhigungsmittel?“
Ich atmete erst einmal tief aus, erläuterte dann: „Ich hatte damals schon eine ernste Diskussion mit Ida und war schon irritiert. Erst als ich das Gefühl hatte, respektiert zu werden, nicht mehr in dieser Weise kontrolliert oder gar manipuliert zu werden, ist mein Vertrauen gewachsen.“
Esme versuchte sich nun auch sinnvoll einzubringen: „Das hört sich aber doch danach an, daß wir einen Kompromiß finden sollten, etwas Beruhigung, damit sie die ersten kritischen Stunden gut übersteht, aber nicht so viel, daß sie komplett sediert wird?
Wäre das nicht eine Möglichkeit?“
Dem stimmten wir dann zu, so wollten wir es versuchen.
Ich stellte dann die nächste Verfahrensfrage: „Gut, soll das so laufen wie bei mir, also Susi erwacht allein in ihrer Kabine oder soll ich dabei sein, damit sie wenigstens einen Menschen als etwas Vertrautes in einer ansonsten komplett fremden Umgebung sieht?“
Hildegard meinte: „Nun, mit deinem Anzug wirst du auch etwas fremdartig für sie aussehen, vielleicht auch beunruhigend.“
Ida ergänzte: „Die Idee bei dir war, erst einmal eher wenig im Raum anzubieten, was mehr als notwendig die Aufmerksamkeit durch Andersartigkeit auf sich zieht. Da die Kabine sowieso schon ganz anders ist, erschien es uns der richtige Weg zu sein, nur wenig anzubieten. Auch daher nur eine Stimme, auch daher habe erst einmal nur ich zu dir gesprochen.“
Ich nickte, damit war ich einverstanden.
Ida versicherte: „Natürlich wirst du Bild und Ton aus der Kabine bekommen, wir alle werden konzentriert dabei sein. Wenn ich sie anspreche, kannst du im Bedarfsfalle natürlich eingreifen. Oder willst du gleich beginnen?“
Ich war mir da unsicher. Nun bin ich ja auch nicht gerade der kontaktfreudige Typ, auch etwas zurückhaltend, so überließ ich es dann doch Ida.
So antwortete ich: „Schon in Ordnung. Du beginnst und wir beobachten dann sehr sorgfältig, wie es sich entwickelt, wie Susi reagiert. Daraus ergibt sich dann ja hoffentlich nahezu von selbst, wie wir sinnvoll fortfahren.“
Damit hatten wir dann einen groben Plan für unser Vorgehen und die Aktion konnte beginnen.
Ich hatte bisher ja noch nicht mitbekommen, wie das Wiederauferstehen überhaupt funktioniert, von daher war ich auch in der Hinsicht gespannt. Das Behältnis dafür ist eigentlich ähnlich der bettartigen Struktur in der Kabine, aber nicht exakt die gleiche Konstruktion. Mit dem Beschleunigungskräften war es zudem wohl auch etwas schwieriger, die Prozedur durchzuführen als in meinem Falle bei Schwerelosigkeit. Jedenfalls stand das Behältnis zunächst in der Kabine und die Ais ließen es sozusagen auftauen, wobei das eigentlich falsch ist. In dem Behältnis ist im Betrieb eine Komplexe, kompressible Struktur um den Körper des Konservierten herum, in vielen Punkten ähnlich den Absorbern des Raumschiffes, dienen sie doch auch dazu, einen plötzlichen Ruck auf den Körper abzudämpfen und auszugleichen. Dazu gibt es dann auch diese Art Flüssigkeit, Honig oder Gelee, welche ich schon von dem bettartigen Schutz kannte.
Susis Körper trieb dann wie von selbst langsam an die Oberfläche dieser Suppe, als sich die kompressible Struktur wohl von ihr gelöst hatte. Sie hatte bereits diesen Versorgungsanzug an, wie ich auch einen trug. Mit Robotern hoben die Ais sie von der Suppe ab und legten sie sanft auf dem Bett ab. Schon beim Anheben hatte sich die Suppe quasi am Stück vom Körper getrennt, nahezu ohne Spuren oder Rückstände zu hinterlassen. In das Bett sackte Susi dann wieder langsam ein, aber nicht komplett. Ida erklärte den groben Ablauf, nun würde mit Hilfe des Bettes die Wiederauferstehung stattfinden, dazu würden gewisse Substanzen wieder dem Körper entzogen, einige Mittel verabreicht, was dann dazu führen würde, daß sie wieder zu sich kommen würde. Während das Transportbehältnis bereits wieder aus dem Raum entfernt wurde, lief die Diagnose durch. Eine Überwachung hatte ja durchgehend auch im vorherigen Behältnis stattgefunden, das Bett glich mehr oder weniger nur Daten ab, prüfte auf Konsistenz oder Widersprüche. Solche wurden nicht gefunden.
Unlängst hatte ich insbesondere für meinen Schlaf bereits um eine Decke gebeten, um etwas mehr Geborgenheit zu haben, eine praktische Funktion hatte die Decke ansonsten nicht. Ich schlug vor, auch Susi vor dem Erwachen zuzudecken, um ihr etwas mehr Geborgenheit zu geben, damit sie ich nicht gleich so exponiert fühlen würde. Damit sie etwas zu greifen hätte, sich symbolisch schützen, einkuscheln könnte, etwas in sich zurückziehen, dabei die Decke nutzen, um sich von dem Fremden der Umgebung wenigstens etwas distanzieren zu können, damit etwas mehr Sicherheit zu bekommen. Das war natürlich nur eine Illusion, aber die Ais gingen gerne auf den Vorschlag ein. So wurde dann die Wiederauferstehung eingeleitet, als Susi unter einer Decke geborgen lag.
Ich war sehr gespannt, was passieren würde. Um überhaupt eine Veränderung zu sehen, mußte ich aber zunächst die medizinischen Daten betrachten. Die konservierende Substanz wurde dem Körper entzogen und ersetzt. Dann wurde das belebende Mittel verabreicht. Zunächst bewegte sie sich nur minimal, wie in einem ruhigen Schlaf. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie daraus erwachte. Sie lag noch, schaute sich um, mit schnellen Bewegungen dann, klammerte sich in der Decke fest, richtete den Oberkörper auf, fuhr mit den Händen durch die Haare, unsicher über das Bett, dann auch die Beine. Die Decke rutschte dabei herunter, schnell griff sie aber wieder danach, zog unsicher die Beine an, hielt die Decke schützend vor den Körper, wirkte sehr angespannt, verunsichert. Sie schüttelte sich dann kurz darauf, drehte sich ein wenig, saß dann, die Beine schon angewinkelt am Bettrand, schaute zu Boden, betrachtete ihre zitternden Hände, krallte sich weiter in der Decke fest.
Ida meinte zu mir: „Jetzt sollte ich sie wohl ähnlich wie dich ansprechen, stimmst du da mit mir überein?“
Ich nickte und bestätigte: „Ja, ich glaube, sie wird nun wissen wollen, was los ist.“
Und so erklang Idas Stimme in Susis Kabine: „Hallo Susanne!
Herzlich willkommen zurück!“
Susi schaute sich unruhig und unsicher im Raum um, hatte die Decke fast ängstlich bis zum Kinn hochgezogen, die Beine wieder angezogen. Sie schaute natürlich vergeblich, denn es war ja natürlich außer ihr niemand da, so wiederholte sich beinahe der Dialog, den ich auch geführt hatte.
Nach einer kurzen Pause fragte sie: „Wer, wer ist da?
Wo bin ich?
Was ist das hier?
Ich bin ziemlich durcheinander im Kopf!“
Ida antwortete: „Das ist nicht so ungewöhnlich, auch ein gewisser Schwindel, der sich schon bald legen wird, ist ganz normal. Körperlich bist du voll funktionsfähig, dein Hirn braucht allerdings noch etwas, um sich zurechtzufinden, einzugewöhnen. Du bist sicher, es passiert dir nichts.
Kannst mich Ida nennen. Ich bin eigentlich schon hier, nur nicht so wie du. Das ist so in Ordnung und normal. Ich kümmere mich und erkläre dir, was du wissen willst und ich weiß. Um zu beantworten, wo wir sind, müßte ich allerdings wohl viel weiter ausholen.“
Ida wartete etwas ab, Susi schaute sich um, betrachtete wohl auch wie ich neugierig, vielleicht auch etwas verblüfft die Mandalas an der Wand. Dann meinte sie mit zitternder, leiser, unsicherer Stimme: „Jjja, wenn du mir erklären könntest, was los ist … wäre das sehr nett …“
Ida antwortete mit einer Gegenfrage: „Weißt du, wer du bist, was du so typisch tust?“
Susi überlegte kurz, erwiderte dann: „Susanne Bauer, bin Lehrerin.“
Sie nannte auch Wohnort, Adresse, dann stockte sie, faßte sich mit beiden Händen an den Kopf, fuhr sich über die Wangen, sackte dann in sich zusammen, die Ellenbogen auf die Unterschenkel gestützt hielt sie mit den Händen ihren Kopf, zögerte einen weiteren Moment.
Dann zitterte sie, flüsterte beinahe nur noch: „Ich habe mich auf einer Urlaubsreise infiziert. Dann war ich im Krankenhaus, hoffnungsloser Fall, es war alles zu Ende …“
Sie richtete sich wieder auf, hielt die Decke mit einer Hand, schaute ihre zitternden Finger der anderen Hand erst an, fuhr dann damit über ihre Oberschenkel, wie um die eigene Existenz zu prüfen.
Dann fuhr sie fort: „Aber ich bin doch nicht tot?
Der Schmerz, die Schwäche ist weg. Ich hatte aufgegeben, nun sitze ich hier.
Wie?“
Ida antwortete mit gleichmäßigem Tonfall: „Als klar war, daß du unmittelbar sterben würdest, daß es einstweilen kein Mittel mehr gab, wurdest du konserviert. Erinnerst du dich nicht, das veranlaßt zu haben, dem zugestimmt zu haben?“
Susi schaute sich verblüfft um, stand auf, wankte, setzte sich wieder. Mit brüchiger Stimme murmelte sie, was ich trotzdem verstand, weil sich die Lautstärke automatisch anpaßte: „Konserviert?
Ich, ich habe da nicht zugestimmt …
Meine Eltern, also die haben das nur mal kurz ins Gespräch gebracht …
Ich wollte das nicht …
Ich wollte gar nichts mehr, war so erschöpft, fertig mit der Welt, mir ging es so schlecht, der Schmerz, der Wahnsinn, ich wollte nur noch Ruhe …
Wieso konserviert?“
Ich staunte auch, sie hatte dem nicht zugestimmt?
Ida meinte dann: „Vielleicht kannst du dich nur nicht mehr an die Zustimmung erinnern, weil es dir so schlecht ging?“
Susi aber schüttelte zögernd den Kopf, dann entschlossener: „Nein, also nein, das wollte ich wirklich nicht …“
Ida spekulierte: „Vielleicht haben deine Eltern entschieden, nachdem du das Bewußtsein verloren hast, unmittelbar vor dem Tod standest. Vielleicht haben die das veranlaßt. Die verfügbaren Unterlagen sind da leider nicht sehr ausführlich. Danach bin ich jedenfalls davon ausgegangen, daß du davon wußtest, in welchen Zustand du versetzt wirst?“
Susi war wieder mühsam aufgestanden, wankte unsicher durch den Raum: „Nein, bestimmt nicht, das würde ich doch nicht vergessen …“
Ida erläuterte: „Nun, so oder so ist das nicht mehr zu ändern. Du bist nun wieder ganz gesund, keine Spur mehr von der Infektion, alles in Ordnung. Du hast es geschafft. Glückwunsch!“
Susi schien sich gar nicht so glücklich zu fühlen, sie stützte sich an der Wand ab und ich zweifelte etwas daran, wie geschickt Ida mit Menschen umgehen kann. Gut, vielleicht hatte sie im Kontakt mit mir schon dazugelernt, wie sie mit mir umgehen kann, aber Susi schien da noch etwas anders drauf zu sein als ich. Da war doch ganz offenbar auch etwas schiefgelaufen bei Susis Konservierung. Hatten sich ihre Eltern über ihren Willen hinwegsetzt, nachdem diese das Bewußtsein verloren hatte?
Hatten sie die Kryo-Konservierung veranlaßt, weil sie sich nicht endgültig trennen wollten oder konnten?
Das war doch wohl die plausibelste Erklärung. Nun hatte Susi ihre Eltern wirklich überlebt, um Jahrhunderte!
Das mußte ihr irgendwie noch schonend beigebracht werden, auch wo sie nun war.
Ich war auch noch im Zustand der Verblüffung und Überlegung, so griff ich nicht ein, überließ weiter wie abgesprochen Ida die Konversation. Denn ich hätte es wohl auch kaum besser hinbekommen, Susi ihr Schicksal zu offenbaren. Susis medizinische Werte zeigten schon bedenkliche Ausschläge. Ida wies mich darauf hin, ich hatte es aber auch schon gesehen, so stimmte ich mit ihr überein, Susi doch etwas mehr Beruhigungsmittel zu verabreichen.
Wir ließen Susi jedenfalls dann etwas Verarbeitungszeit. Die Mittel wirkten wohl, sie wankte zurück, setzte sich auf das Bett, sackte in sich zusammen, saß hilflos da. Das tat mir so leid. Ich spürte schon einen starken Impuls, zu ihr zu eilen, sie in den Arm zu nehmen und zu trösten. Noch aber konnte ich mich zurückhalten. Ida sollte doch vielleicht einmal die ganze Tragweite der Änderungen unterbreiten, bevor es ans Trösten ging, doch besser erst einmal der ganze Schrecken statt dann portionsweise immer weitere Hiobsbotschaften.
Susi fuhr sich durchs Haar, fragte nach: „Also, also die haben mich wirklich eingefroren?
Und jetzt?
Was ist jetzt?“
Irgendwie liefen die Gespräche ja wirklich ähnlich, Ida konnte das fast wiederholen, was sie mir erklärt hatte: „Eingefroren ist nicht ganz der richtige Begriff, erst recht nicht bei den späteren Verfahren, zum anderen ist es nach unserer Zeit ziemlich genau 643 Jahre nach deiner Infektion!“
Susi war sichtlich geschockt, fuhr sich immer wieder und heftiger mit den Fingern durch die Haare, stieß dann fast schreiend hervor: „643 Jahre?“
Ida erläuterte ungerührt und im beruhigend wirken sollenden Tonfall: „Also die Krankheit konnte schon nach 39 Jahren erfolgreich behandelt werden. Das wäre dann kein größeres Problem gewesen. Die Folgeschäden wären nach weiteren etwa fünf Jahren komplett zu beheben gewesen.
Allerdings waren deine Eltern inzwischen verstorben und es gab dann rechtliche Probleme.“
Susi schluckte, nickte. Sie weinte und ich hätte sie gerne getröstet. Sie verdaute das langsam und wir gaben ihr Zeit dazu.
Ida setzte das Gespräch dann fort: „Bei Bedarf könnte ich zur Entspannung etwas Musik einspielen, dann geht es dir vielleicht etwas besser. Es gibt ja schon beruhigende Mandalas an den Wänden, denn es war ja abzusehen, daß das für dich alles etwas verwirrend und schockierend ist. Gut, ich bin ja für deine Konservierung nicht verantwortlich. Ich kann dir nur helfen, in das Hier und Jetzt zu finden. Wenn du magst, kann ich dir auch grob erzählen, was mittlerweile so passiert ist, was du verpaßt hast.“
Susi nickte zögernd, meinte dann: „Ja, ja, leise Musik ist vielleicht ganz gut.
Ich, ich bin ziemlich geschafft.
Das ist alles etwas viel für mich.
Aber ich will auch wissen, was los ist.
643 Jahre verpaßt, das ist eine Menge.
Aus rechtlichen Gründen?
Ich verstehe das alles nicht …“
Ida erläuterte dann ruhig, was sie auch mir bereits über die die rechtlichen Probleme der Kryo-Zombies erklärt hatte. Auch einige Jahre nach mir, als Susi konserviert worden war, hatte man das noch nicht geklärt, es gab auch da noch zu wenige Fälle, die sich darauf eingelassen hatten oder jedenfalls nur wenige, die man bereits wiederauferstehen wollte. Naja, in unserem gemeinsamen Herkunftsland hinkten die Gesetze sowieso immer hinter den technischen Entwicklungen, den gesellschaftlichen Veränderungen hinterher, wieso sollte es hier anders sein?
Vermutlich lag es daran und auch daran, daß wir aus dem Herkunftsland dieser erstmals funktionierenden Kryo-Technologie stammen, daß die meisten Kryo-Zombies unserer Mission aus unserem Heimatland stammen, vermutlich hatte man dann auch sortiert, um Sprachprobleme zu vermeiden.
Die Reihenfolge und die Details von Idas weiterer Unterrichtung waren etwas anders als bei mir, aber Ida stattete nun allmählich ihren Bericht ab, ein paar mehr Details zu Susis Kernkompetenzen Mathematik, Informatik und Pädagogik, sonst aber vergleichbar mit dem, was sie mir bereits offenbart hatte. In den wenigen Jahren bis zu Susis Konservierung hatte sich schon einiges auf dem Planeten verändert. Es hatte zwei Epidemien gegeben, man hatte einen massiven lokalen kriegerischen Konflikt erlebt, bei dem es zu einer Verteilung radioaktiven Materials gekommen war, die Region war dann Quelle weiteren Elends. Naja, und so weiter und so fort, das ganze Drama der Menschheit eben, was sie mir auch schon offenbart hatte. So nebenbei flocht sie dann auch wieder geschickt Informationen zur Entwicklung von künstlicher Intelligenz ein und zur Existenz von Ais und zum Schluß führte sich auch wieder aus, wie die Fortschritte bei den Weltraumaktivitäten waren, dann erzählte sich auch von den interstellaren Missionen.
Susi hatte das so halbwegs geschluckt, sogar daß Ida eine Ai ist, hatte sich wieder auf das Bett gelegt, sich ziemlich verlassen und ausgeliefert fühlend in der Decke verkrallt und hatte mit nur wenigen Nachfragen zugehört. Nun näherte sich Ida dem Finale. Anders als ich hatte Susi gar nicht gefragt, wo sie ist. Gut, in meiner damaligen Situation gab es ein paar mehr Auffälligkeiten, der Anzug vermochte da ja nicht komplett die Schwerelosigkeit zu kompensieren, vielleicht war ich deswegen mißtrauischer. So offenbarte es ihr Ida schließlich ohne Nachfrage. Susi krümmte sich heulend zusammen und zog die Decke über den Kopf.
In mir krampfte sich auch viel zusammen. War es wirklich richtig gewesen, diese zarte, sensible Frau jetzt wiederaufzuerstehen und sie dem auszusetzen?
War es nicht eigennützig von mir, sie ungefragt mein Schicksal teilen zu lassen, statt sie einfach weiter schlafen zu lassen, bis wir vielleicht eine Kolonie errichtet hatten, wo sie mehr Gesellschaft haben würde?
Immerhin hatten wir gedacht, daß sie davon wüßte, konserviert worden zu sein. So war das dann natürlich schon ein Schock, das konnte ich nachvollziehen. Ich wollte zu ihr.
Ich sprach zu Ida: „Ich glaube, ich muß da jetzt rein, sie in den Arm nehmen und trösten, ihr Beistand leisten.“
Ida hatte Zweifel: „Lasse sie noch etwas, sie könnte aggressiv werden, das wäre gefährlich und ich müßte stärkere Mittel verabreichen.“
Ich war anderer Meinung: „Auch wenn sie etwas Frust abbauen will, ist das schon in Ordnung. Meinetwegen ist sie doch wach, da sollte ich wohl schon etwas wegstecken. Vielleicht habe ich es verdient, sie jedenfalls nicht, so zu leiden!“
Hildegard, die sich bislang nicht eingemischt hatte, meinte dazu: „Michaela, das ist bestimmt nicht deine Schuld. Wir alle hatten nichts damit zu tun, daß jemand zu einem Kryo-Zombie gemacht wurde. Ob es nun besser ist, wenn sie jetzt wach ist oder vielleicht erst in hundert Jahren, das kann doch niemand wissen. Und wenn es gar nicht geht und sie fest entschlossen ist, können wir sie notfalls wieder konservieren. Sie hat aufgrund unserer Entscheidung nichts verloren. Wir kümmern uns doch!“
Ich zweifelte noch: „Aber ich habe sie ausgewählt …“
Nun mischte sich auch Körk ein: „Wir haben uns gemeinsam entschieden, waren einverstanden mit deiner Wahl. Nun werden wir es gemeinsam verantworten.“
Esmeralda ergänzte und bestärkte mich in meinem Impuls: „Michaela als Mensch kennt sich besser aus, was zu tun ist, wenn ein Mensch traurig ist. Wir sollten ihr vertrauen.“
Ida stimmte nun zu: „Also gut, ja. Wir haben gemeinsam entschieden, du hast keine Schuld daran, daß sie hier ist. Und wir vertrauen dir. Wenn du es für richtig hältst, dann sollst du zu ihr gehen …“
Körk meinte zu Ida: „Du solltest Michaela ankündigen …“
Hildegard ergänzte: „… und dann Susanne vielleicht einfach fragen …“
Das schien auch mir der logische Weg zu sein, obwohl ich mich kaum noch halten konnte.
So meinte ich dann: „Ja, das scheint mir auch sinnvoll zu sein, Susanne über mich in Kenntnis setzen, dann fragen.“
Und so meldete sich Ida wieder bei Susi: „Du bist hier auch als Mensch nicht ganz allein mit uns. Vor dir haben wir bereits eine andere Person wiederauferstanden. Du kannst sie nun kennenlernen, wenn du möchtest und einverstanden bist, wird sie zu dir kommen. Wie du ist sie ohne ihr Zutun konserviert worden, sie trifft also keine Schuld und keine Verantwortung für dein Schicksal seit der Infektion.
Sie heißt Michaela.
Was meinst du?
Lieber noch ein wenig allein bleiben oder menschliche Gesellschaft?“
Susi brauchte wohl etwas, um auch das zu verarbeiten, antwortete dann: „Ein anderer Mensch?
Eine Frau, jemand mit einem ähnlichen Schicksal?
Warum hat sie mir das nicht erzählt?
Warum sagst du das erst jetzt?“
Ida erläuterte mit ihrem Gleichmut: „Wir waren uns unsicher, wie es am besten wäre, haben beraten. Da es bei ihr bei der Wiederauferstehung ähnlich gelaufen war wie nun bei dir, haben wir uns dann dazu entschieden, es erst einmal ähnlich ablaufen zu lassen. Wir wußten ja nicht, wie du reagieren würdest und wollten keine Mißverständnisse, keine gefährliche Konfrontation riskieren …“
Susi unterbrach: „Konfrontation?
Aber, aber ich tue doch niemandem etwas!
Ist sie schon unterwegs zu mir?
Bitte!“
Und dann stürmte ich natürlich los, zu ihr. Es konnte mir gar nicht schnell genug gehen, daß sich dann die Tür zu ihrer Kabine öffnete. Dann war ich drin, wir sahen uns nur kurz an. Susi war ganz verheult. Die letzten Schritte flog ich zu ihr, setzte mich neben sie und nahm sie einfach wortlos in den Arm, hielt sie fest. Sie bebte und weinte, hielt sich an mir fest. Nun brach alles hemmungslos aus her hervor. Sie war ganz fertig mit den Nerven, trotz der verabreichten Beruhigungsmittel. Ich staunte schon etwas, wie schnell und vertrauensvoll sie sich an mich klammerte. Ich war selbst etwas verwirrt und es gefiel mir doch gut. Obgleich da durchaus noch etwas von der Sterilität der Konservierung an ihr war, bemerkte ich doch bereits einen guten, menschlichen, natürlichen, sehr dezenten Duft von ihr, besonders von ihren Haaren, den ich gleich tief einsog. Ja, ich genoß es gleich, sie war so lebendig, so weich und anschmiegsam. Das gefiel mir sehr gut, gleich als wir uns persönlich gegenübergestanden waren, war ich bewegt, war von ihr ergriffen. Da war etwas zwischen uns, jedenfalls fühlte ich mich bei ihr wohl, wollte sie bergen, schützen, trösten, ihr helfen, über diesen Schock hinwegzukommen.
Ida meldete sich dann noch kurz: „Wenn ich das richtig interpretiere, kommt ihr erst einmal zurecht?
Also eine gute Entscheidung?“
Ich bestätigte: „Ja, Ida, ist alles friedlich, wir bekommen das schon hin. Susanne braucht einfach etwas Zeit und menschliche Zuwendung, dann wird das schon!“
Ida erwiderte: „Gut, dann ziehen wir Ais und erst einmal ein wenig zurück und du hilfst ihr etwas, sich zu beruhigen und zu uns zu finden.“
Ich nickte, streichelte Susi sanft: „Ja, ich weiß, das ist gut, brauchen etwas Zeit für uns, um uns kennenzulernen. Wir kommen zurecht.“
Ida beendete das Gespräch erst einmal: „Fein, weißt ja, einfach melden, wenn was ist …“
Ich meinte dann nur noch „Alles klar“ und konzentrierte mich dann ganz auf Susi, die immer noch weinte und schluchzte, aber zutraulich in meinen Armen lag.
Ich war ein wenig verwirrt, ich fühlte mich gleich zu ihr hingezogen in all ihrer Zartheit, Schutzbedürftigkeit, Zerbrechlichkeit, wollte ihre Krise aber keinesfalls für meine Bedürfnisse ausnutzen, sie gar mit eindeutigen Zärtlichkeiten gleich wieder verschrecken, wo sie vermutlich einfach nur Nähe und Trost bei einem anderen, verständnisvollen Menschen suchte. Und es tat mir ja auch so sehr gut, sie lediglich zu halten, vorsichtig zu streicheln, ihre Wärme und Lebendigkeit zu spüren. Das war ganz anders als das kalte, sterile Raumschiff, die körperlosen Ais, die ich ja schon schätzte, die aber doch immer auch etwas abstrakt und fremd blieben. Das war auch anders als die Pflanzen, Pilze, Flechten von Hildegards Agrarkulturen. Ich genoß es einfach, wieder einem Menschen nahe zu sein, freute mich schon darauf, mich mit ihr austauschen zu können. Gleichzeitig hatte ich aber auch immer noch Zweifel, ob es wirklich in Ordnung gewesen war, mich für sie zu entscheiden, so zart und sensibel hatte sie doch arge Probleme, sich der Situation zu stellen. Aber ihre Situation war ja auch etwas anders als meine. Ich wußte gar nicht, daß ich im Grunde tot war, hatte mein Kurzzeitgedächtnis bei dem Unfall eingebüßt. Susi hingegen konnte eigentlich aufgrund ihrer letzten Erinnerungen davon ausgehen, daß sie hätte tot sein sollen. Und nun war sie hier. Zudem war sie wieder gesund, das war objektiv gesehen ein großer Pluspunkt, aber eben zu einem hohen Preis gewonnen, wenn man quasi am Ende der Welt in einem Raumschiff erwacht, mehrere hundert Jahre vom eigenen, bisherigen Leben getrennt. Und es gibt kein Zurück. Auch das muß erst einmal durchs Hirn sickern und verdaut sein. In Susi arbeitete es gerade.
Ich vermutete, sie erwartete gar keine weiteren Erklärungen von mir, wollte nur jemanden spüren, bedurfte der Geborgenheit, einfühlsamer Gesellschaft. Einfühlsam ist eigentlich nicht so meine Sache, daher vielleicht war ich auch mit den Ais gut klargekommen. Mit Susi hatte ich mir nun sicherlich eine neue Herausforderung aufgeladen, als ich mich für sie entschieden hatte. War mir das klar gewesen oder hatte ich das nur unbewußt impliziert oder ignoriert, hatte ich darüber nicht nachgedacht, doch, eigentlich schon, aber nun fühlte es sich mit Susi in den Armen doch noch einmal ganz anders an. Ich war unsicher, auch mein Herz schlug schnell vor Aufregung. Auch ich war gespannt, wie sich das alles entwickeln würde. Und ich fragte mich erneut kritisch, ob ich sie vielleicht gerade deshalb ausgewählt hatte, weil sie so zart und sensibel war, denn so wäre es ja vermutlich gar nicht so schwer, sie zu beeinflussen, sie für mich zu gewinnen, sie vorsichtig zu führen und eine Beziehung in meinem Sinne zu entwickeln.
Ärgerlich über mich selbst schob ich den Gedanken beiseite. Das hatte ich doch bei der Auswahl kein einziges Mal gedacht.
Oder doch unbewußt?
Ich war mir plötzlich unsicher, hielt Susi etwas fester, wollte mich im gleichen Moment sachlich von ihr distanzieren, hielt sie stattdessen aber noch entschlossener. Nein, nun war ich wirklich auch etwas durcheinander.
Es dauerte eine ganze Weile, in welcher Susi sich nicht wirklich beruhigen wollte. Sie war doch schon ein wenig anders als ich, ich hätte meine Gefühle nicht so intensiv und lange einer fremden Person exponiert. Bei Susi mußte es einfach raus. Das war eigentlich schon der richtige Weg, gut für sie, alles herauszulassen, die Frustration und die Hilflosigkeit mit den Tränen fortzuspülen. Mir lag das trotzdem nicht so, obwohl es mich doch geradezu dazu drängte, Susi tröstend zu streicheln und vorsichtig zu kosen. Wie von selbst hatte ich irgendwann ihr Kopfhaar geküßt, waren meine Streicheleinheiten etwas fester geworden. Ich mochte sie und es tat mir gut. Dann aber kam gleich wieder die Unsicherheit, ich sollte das nicht ausnutzen. Susi hatte immerhin nicht ablehnend darauf reagiert. Nur ganz allmählich beruhigte sie sich, ließ dann auch etwas lockerer, hielt aber ihren Griff um mich, als hätte sie wie ein kleines Kind Angst, sich in der großen, weiten Welt zu verirren, obwohl die ja hier auf der Raumstation für uns beide nun viel kleiner war als all die Möglichkeiten, die sich auf der Erde boten, um sich auszutoben.
Dann sprach sie doch endlich die ersten Worte zu mir: „Michaela?
Richtig?
Habe ich das richtig mitbekommen?“
Ich bestätigte: „Ja, hast du, Susanne. Geht Susi bei dir auch oder mißfällt dir das?“
Sie rieb vorsichtig ihre Stirn an meiner Schulter und meinte: „Susi ist auch in Ordnung, ich habe nichts dagegen. Und, und wir sind hier wirklich allein, also nur wir und diese …“
Ich ergänzte: „… Ais. Die sind aber auch in Ordnung. Ich komme gut mit ihnen klar, naja, ich kenne sie nun auch schon ein paar Monate, sind eben nicht so ganz menschlich, deutlich abstrakter, emotionsloser, aber auch unter Menschen gibt es im Verhalten ja deutliche Unterschiede. Man kann sie gut wie ganz normale Persönlichkeiten behandeln, Respekt ist angemessen.“
Susi nickte an meiner Schulter: „Natürlich, ich will ja auch nichts gegen sie sagen.“
Ich führte aus: „Also, sie sind für diese Mission erschaffen worden, haben also auch nichts mit unserer Konservierung zu tun oder der Entscheidung, uns auf diese Reise zu schicken. So sitzen wir alle im selben Bot, gut, inzwischen eigentlich in zweien.“
Susi hakte nach: „In zweien?“
Ja, gekommen sind wir in einem Raumschiff. Mittlerweile sind wir angekommen, also mit kleineren Zwischenfällen. Jedenfalls wurde diese Raumstation erst nach unserer Ankunft gebaut, ist auch noch längst nicht fertig. Derzeit ist der Bereich relativ klein, wo wir als Menschen mit einer Atmosphäre Zugang haben, sonst brauchen wir weitere Ausrüstung, um den Rest zu besichtigen. Die torusförmige Raumstation dreht sich um ihre Symmetrieachse, weswegen wir hier in unseren Kabinen die der Schwerkraft äquivalenten Scheinkräfte spüren. Im Raumschiff gibt es das nicht, das kann allenfalls beschleunigen, um ein Äquivalent der Schwerkraft zu erzeugen, aber unsere Anzüge können das teilweise kompensieren. Aber so ist es schon realistischer und angenehmer und wir müssen die nicht ständig tragen.
Aktuell wirst du auch noch von dem Anzug versorgt, aber wir haben auch so Essen und Trinken verfügbar, bist also auf den Anzug nicht mehr lange angewiesen, ist andererseits aber unsere Kleidung für den Tag hier. Wir können den auch ablegen, duschen, uns frei bewegen, jedenfalls in diesem Bereich von ein paar Räumen. Ich kann dir alles zeigen, was wir aktuell benutzen können, auch eine Übersicht über die Station und auch das Raumschiff.
Susi nickte, wir setzten und nun nebeneinander, ich hielt aber nun ihre Hände vertrauensvoll in meinen.
Wir schwiegen einen Moment.
Sie wollte dann wissen: „Könnten wir mit dem Raumschiff nicht zurück?“
Ich erklärte: „Das ist technisch nicht so einfach und würde dann ja auch viele Jahre dauern. Wenn wir lebend ankommen wollten, müßten wir uns wieder konservieren. Und selbst dann, Ida hat dir ja schon einige Dinge von der Erde erzählt. Da ist inzwischen alles anders, wenn wir nach einer Rückreise dort wieder einträfen noch einmal ganz anders. Nach meiner Einschätzung wäre es sogar ungewiß, ob wir dort dann überhaupt noch auf Menschen treffen würden. Sie könnten zugrunde gegangen sein, könnten sich durch Genmanipulation stark verändert haben. Und ob nun in den Genen oder kulturell anders entwickelt, sie haben mit uns nichts mehr gemein. Ich meine, ich bin ein paar Jahre vor dir konserviert worden, war wohl eine der ersten überhaupt. Wir teilen mehr oder weniger noch Erinnerungen an die gleiche Zeit, die gleiche Kultur, aber auf der Erde ist längst alles anders. Das ist nicht mehr das, was wir kennen. Unser Platz ist nun hier. Kannst du dich nicht mit der Mission anfreunden, hier das Sonnensystem zu erforschen und vielleicht irdisches Leben anzusiedeln?“
Susi erwiderte nur, was ja schon bekannt war: „Ich habe es mir ja nicht ausgesucht.“
Ich meinte: „Ich ja auch nicht. Aber unser bisheriges Leben ist vorbei. Da gibt es kein Zurück. Wir sind jetzt hier, dies ist unser Hier und Jetzt, alles, was wir haben und kriegen können. Und so geht es den Ais auch. Das schweißt uns zu einer Mission zusammen. Ich würde mich sehr freuen, wenn du dich damit und mit uns anfreunden könntest.“
Susi war sich immer noch unsicher: „Du bist nett, kümmerst dich um mich, tröstest mich. Aber wenn ich das nicht schaffe, wenn ich es hier trotzdem nicht aushalte. Was bleiben mir dann für Optionen?“
Ich nickte, streichelte ihr sanft durch das Haar und gab ihr sogar nun einen zarten Kuß auf die Stirn: „Unsere Optionen sind wohl überschaubar, neugierig und produktiv mitmachen, eigene Meinungen einbringen, die Mission mitgestalten oder aber zurück in die Konservierung und dort die Lage aussitzen, bis vielleicht eine Kolonie gegründet ist, daß man uns wieder einmal in ungewisser Zukunft fragt, ob wir wieder mitspielen mögen.“
Susi schwieg eine Weile, wollte dann wissen: „Und du, du hältst das aus, machst also mit?“
Ich nickte: „Ja, ich habe mich erst einmal entschieden, es gibt hier so viel Neues zu entdecken. Und im Grunde ist es doch so, nach den uns vorliegenden, eher dürftigen Unterlagen reist du doch gerne. Immerhin, das ist nun mit Abstand deine weiteste Reise und du bekommst hier garantiert Gegenden zu sehen, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat, allenfalls ich in noch relativ unscharfen ersten Bildern unserer Sonden. Von daher müßte dies Abenteuer dir doch liegen.“
Nun zeigte Susi erstmals ein zaghaftes Lächeln.
Dann erwiderte sie: „Meine bescheidenen Reiseaktivitäten hatten allerdings immer ein definiertes Ende und einmal abgesehen von der letzten Reise immer auch eine Rückkehr in den vertrauten Alltag. Neugierig bin ich schon auf Neues, verließ mich aber doch immer darauf, wieder sicher in mein Zuhause, meine Welt wiederkehren zu können. Nun aber sind wir hier gestrandet, hunderte Jahre von daheim entfernt. Ein Daheim, welches es nicht mehr gibt. Ich habe alles verloren, alles weg. Als hätte man mir den Boden unter den Füßen weggezogen.“
Das konnte ich natürlich gut nachvollziehen: „Ja, gerade so habe ich mich auch gefühlt. Aber die neuen Eindrücke lenken auch ab, fesseln die Aufmerksamkeit. So kann es uns auch gelingen, hier ein neues Zuhause für uns abzubauen. Es ist eine Herausforderung, aber auch eine Chance. Es ist ganz anders als unser vorheriges Leben, aber deshalb nicht notwendig gleich schlecht!“
Susi nickte mit gesenktem Kopf, schmiegte sich dann wieder an mich, flüsterte: „Ja, du hast ja Recht, ich will, ich muß es wohl versuchen.“
Ich versicherte: „Ich bin bei dir, bin für dich da. Und auch die Ais lassen uns nicht im Stich, sorgen sich.“
Ich wiegte sie ein wenig tröstend und sie ließ sich drauf ein.
Als sie sich besser fühlte, führte ich sie in unserem Bereich herum, zunächst erst einmal heraus aus ihrer Kabine und in den großen Gemeinschaftsraum, welcher bei Bedarf mit Schotts in kleinere Räume geteilt werden kann. In diesem Raum ist zudem ein Subknotenpunkt des Hauptrechenzentrums von der anderen Seite des Torus’ untergebracht. Hier war dann auch deutlich mehr Platz, um an Projekten zu arbeiten, Missionen von Sonden zu planen und durchzuführen, Daten zu analysieren, zu diskutieren. Zudem konnten wir uns hier gut zum Essen zusammensetzen oder auch einfach nur so außerhalb des eher persönlichen Bereiches in den kleinen Kabinen.
Da wir damit ohnehin bereits beim Punkt Essen waren, ging es dann weiter in die geräumigen Zellen mit den Agrarkulturen, die Hildegard angelegt hatte, nun aber schon zunehmend von Esmeralda betreut wurden. Neben den Grundnahrungsquellen Algen, Pilzen, Geflechten und noch spezielleren Züchtungen von pflanzlichen Kleinstlebewesen hatte Hildegard das verfügbare Platzangebot schon angefangen zu nutzen, indem sie auch größere Pflanzen züchtete, so konnten wir uns auf allerlei Gemüse freuen, mit etwas mehr Wartezeit dann auch auf Obst von kleinwüschsigen Bäumen, die ja naturgemäß etwas länger brauchen als einjährige Pflanzen.
In einem anderen Bereich experimentierte Esmeralda bereits mit Pflanzen, um zu erforschen, wie diese auf den veränderten Rhythmus von Tag und Nacht der Zwillingsplaneten reagieren werden. Welche Arten konnten das problemlos vertragen, welche würden längere Zeit brauchen, welche gar gewisse Hilfen in Form von Genmanipulation, die zunächst vermieden werden sollte, sofern sich dies vermeiden ließe, jedenfalls erst einmal nicht über das hinaus, was lediglich eine Abkürzung für traditionelle Züchtung wäre.
Dann hat die Raumstation natürlich auch noch Vorratsräume und Räume für flexible Nutzung. Neben unseren waren auch bereits ein paar weitere Kabinen für Menschen fertiggestellt, andere waren einstweilen noch komplett leer. Susanne fragte nach, ob noch mehr Menschen in nächster Zeit wiederauferstehen sollten. Esmeralda und Ida meinten aber, darüber sollten wir in aller Ruhe in den nächsten Tagen mal beraten. Zunächst seien sie allerdings davon ausgegangen, daß wir mindestens ein paar Monate zu zweit haben sollten, um uns so einzugewöhnen und schon einmal soziale Gewohnheiten auszuprägen. Dann sei es vermutlich leichter, ab und an mal ein neues Mitglied zur sozialen Gruppe hinzuzufügen und diese so zu bereichern und zu beleben, wenn das für uns wichtig sein sollte.
Hildegard führte dazu aus, daß es ja aber nicht der Hauptzweck der Raumstation sei, diese zu einer Kolonie auszubauen.
Ida ergänzte dazu, zunächst einmal liege eindeutig der Fokus der Arbeit und Forschung darauf herauszufinden, ob die Planeten selbst oder auch einer der Monde vielleicht geeignet seien, um dort eine Kolonie zu etablieren, wofür wir natürlich auch herausfinden müßten, ob oder wo es bereits Leben im System gäbe, mit dem wir nicht in Konflikt geraten sollten. Eigentlich sollten also die meisten Kryo-Zombies erst wieder in einer Kolonie auferstanden werden. Auf der Raumstation waren wir wichtig, um die Forschung voranzutreiben, entsprechend wären dann gegebenenfalls andere Personen wichtig. So sollten wir dann in Zukunft auch unter diesem Aspekt neue Mitglieder auswählen, aber natürlich mit gleichem Gewicht auch die Verträglichkeit mit der Gruppe berücksichtigen. So oder so müßten wir beiden Menschen uns also einig sein, wer sich gut eignen könnte, um die Gruppe zu ergänzen. Wir sollten uns dazu auch einig sein, mit ungefähr welcher Personenzahl wir als Gruppe gut auskämen. Die Ais würden dann bei Bedarf schon beim Suchen helfen, primär würden wir dann aber schon die Auswahl organisieren, gemeinsam und einvernehmlich müßten wir dann aber alle zusammen entscheiden, welchem Vorschlag gefolgt werde.
Das schien auch mir plausibel. So fragte ich dann nach, ob Susanne es eilig habe, weitere Gesellschaft zu haben. Scherzhaft ergänzte ich, ob sie mich schon leid sei. Nun, sie verstand das und so brachte ich sie schon einmal zum Lachen, sie verneinte vergnügt, sicher sei sie mich gar nicht leid, sie habe mich gleich sympathisch gefunden. Sie hätte sich nur wegen der Kabinen gefragt. Die hatte man aber nur aus praktischen Gründen fertiggestellt, auch um uns mehr Raum zu bieten, Rückzugsräume, mehr Bewegungsfreiheit. So hätten wir dann auch kurzfristig genug Raum, wenn wir Spezialisten brauchen sollten oder es sonstige Gründe gäbe, die Gruppe zu vergrößern.
Hinsichtlich der Bewegungsfreiheit merkte Esmeralda an, der Bau des Rundlaufes komme zwar gut voran, würde aber noch etwas dauern.
Wo wir dann schon einmal dabei waren, stellte Esmeralda insbesondere Susanne das Konzept der Station vor. Der Torus sollte nach unserem aktuellen Plan weitgehend mit einer diskreten dreizähligen Symmetrie aufgebaut werden, also drei Hauptrechenzentren einschließlich kleinerer Aufenthaltsräume für Menschen, jeweils gegenüberliegend dann die großen Aufenthaltsräume und Arbeitsräume samt den Kabinen für Menschen, anschließend dann jeweils die Agrarkulturen, Vielzweckräume, Lagerräume, Sporträume, Küchen. Dazu kommen dann noch je drei Reaktoren und drei größere Triebwerke neben den etwas kleineren für die Rotation und die Positionierung relativ zu dem umgebenden Absorber, welcher wiederum eigene Antriebe hat, um Einschläge möglichst weich für die rotierende Station zu kompensieren, ohne deren Position korrigieren zu müssen, denn aufgrund des großen Drehimpulses ist das ja nur eingeschränkt in bestimmte Richtungen ohne weitere Probleme und starke Drehmomente möglich. Sollte es mit einer Kolonie gar nichts werden, hätten wir die Möglichkeit, sowohl weitere Raumstationen zu bauen als auch diese nach außen und innen und zur Seite zu erweitern. So wäre es prinzipiell schon möglich, in einer Station Agrarkulturen und Kabinen, Sozialräume für etwa zweihundert Menschen unterzubringen. Selbst eine Kolonie auf einer Raumstation sei also möglich, wenn es unten wirklich nicht klappen sollte.
Wir zeigten Susanne noch deutlich mehr, es gab auch eine Zusammenfassung über das Sonnensystem und die Zwillingsplaneten, was wir bislang an bescheidenem, überschaubarem Wissen schon hatten. Welche Ideen für Forschungsmissionen wir schon grob vorbereitet hatten. Hinsichtlich der Datenauswertung von Sonden und Sensoren konnten wir sie dann relativ schnell begeistern, einen Blick auf Projekte zu werfen, wo sie sehr nützlich sein könnte. Zwar würde sie sich zunächst in die aktuellen Programmiersprachen einarbeiten müssen, was Ida da aber kurz vorzeigte, schien ihr plausibel zu sein, schnell zu lernen. Mit ersten Ideen für eine sinnvolle Aufgabe versehen, fühlte sich Susanne gleich deutlich wohler, merkte langsam, daß sie wirklich dazugehörte. Wir versuchten, sie so für die Mission zu interessieren und sie nahm das zum Glück an, ging darauf ein, fragte schon munter nach. Das lief nun eigentlich schon ganz gut. Susanne war beschäftigt und war nicht mehr so auf sich selbst reduziert und von ihrem eigenen Schicksal etwas abgelenkt, es ergaben sich schon Perspektiven für sie, welche sie gerne annahm. So blühte sie förmlich auf, schaute sich bereits einige Datensammlungen an und konnte sich schon gut vorstellen, sich an der Forschung zu beteiligen, mit mir und den Ais Fragen zu entwickeln, anhand derer wir Daten auswerten und visualisieren könnten, um so mehr daraus zu erfahren und zu schließen. Wir könnten fortgeschrittene statistische Methoden anwenden, um Hypothesen zu prüfen. Natürlich, für uns ging es auch darum, ihr und mein menschliches Potential zu nutzen, um herauszufinden, welche Hypothesen wir prüfen sollten. Susanne ging da als Mathematikerin und Informatikerin etwas anders heran als ich als Physikerin, so ergänzte sich das schon einmal ganz gut. Natürlich sind unsere Begriffswelten schon verwandt, vielleicht würden wir also doch bald ein oder zwei weitere Personen brauchen, die noch einmal einen ganz anderen Blick auf unsere Daten hatten. Aber damit war es noch nicht so eilig. Erst einmal wollten wir uns einleben. Auch der Ausbau der Station sollte erst einmal deutlich weiter voranschreiten, damit wir diese dann auch voll nutzen könnten.
Wir wollten Susanne aber gleich am ersten Tag nicht überfordern. So beendeten wir dann unsere Besichtigungstour und die Einführung in die Aufgaben der Mission, in die einzelnen Forschungsprojekte. Susanne und ich wollten uns erst einmal von dem aufregenden Tag in unseren Kabinen erholen, ausruhen, schlafen. Das würde uns guttun, so konnten wir am nächsten Tag mit neuer Frische die Arbeit fortsetzen, beziehungsweise im Falle von Susanne damit langsam oder auch schon etwas entschlossener beginnen. Susanne wurde ja noch von ihrem Anzug versorgt, brauchte also noch nicht essen und trinken, der Übergang würde etwas dauern, morgen schon trinken, ein, zwei oder drei Tage später dann zunehmend mehr essen, die Verdauung langsam gewöhnen. So konnte sie sich gleich hinlegen, während ich noch ein Abendessen zu mir nahm.
Mache Michaela einen Vorschlag, wie sie sich weiter Susanne gegenüber verhalten soll.
Noch nicht verfügbare Handlungsstränge:
Erobern
Nach dem Abendessen sah ich auch noch ein paar Daten durch. Da waren zum einen die Daten, die vorrangig Körk verwaltete und die die Sonden der Absorber sammelten, um mehr Informationen insbesondere über die Bestandteile des Streufeldes Wotan zu bekommen. Das lief nun schon ganz gut und wir hatten inzwischen mehrere große Absorber im Streufeld, die mit ähnlicher Geschwindigkeit unterwegs waren. Das bot dann ja den Vorteil, Brocken mit deutlich kleineren Relativgeschwindigkeiten assimilieren zu können. Weil die Absorber ja eigene Antriebe haben, war es dann ja auch kein Problem, sie auf Kurs zu halten oder auch gezielt auf bestimmte Brocken anzusetzen. Mit den jeweiligen Absorbern hatten wir im Detail etwas unterschiedliche Konzepte, je nach Größe und Position im Streufeld. Natürlich ging es insbesondere darum, die größten und schwersten Brocken unter Kontrolle zu bringen. Bedingt durch die Kinetik und die Impulserhaltung beim Aufschlag von Objekten waren die Absorber im Streufeld allerdings im normalen Umlaufsinn der Brocken unterwegs, absorbierten also primär, was von hinten aufschlägt oder das, worauf sie selbst aufgrund etwas höherer Umlaufgeschwindigkeit stoßen. Jedenfalls bewegten sich diese Aktivitäten immer weiter von der Ekliptik fort, um dann nach einem halbem Umlauf irgendwann wieder die Ekliptik zu kreuzen. Zur Gefahrenabwehr ist es eigentlich interessanter, Absorber einzusetzen, die im umgekehrten Umlaufsinn laufen und so absorbieren, was auf die Ekliptik in näherer Zukunft zukommt. Aufgrund der Impulserhaltung hat man da natürlich das Problem, viel von dem eingesammelten Material wieder zu zerstäuben um zu beschleunigen, um im gewünschten Umlaufsinn weiter mit passendem Tempo unterwegs zu sein. Für diese Idee hatten wir inzwischen auch schon ein Projekt mit mehreren Absorbern begonnen. Die Idee dabei war, zunächst mit eher wenigen Treffern kleiner Brocken auf größere Ziele zuzusteuern und diese dann zu absorbieren und auf die Art die gefährlichsten Brocken systematisch unter Kontrolle zu bringen. Das lief dann so weit auch schon ganz gut. Da konnten wir zuversichtlich sein, für weitere große Überraschungen durch Wotan gewappnet zu sein. Rechtzeitig würden wir so Katastrophen entweder verhindern können oder aber jedenfalls prognostizieren können, wo wir zu welchem Zeitpunkt mit der Raumstation und auch dem Raumschiff nicht sein sollten, wenn die Größe der Brocken unsere lokalen Absorber überfordern sollten. Aufgrund der Rotation und der losen Kopplung der Station an seinen Absorber hätte diese ja besondere Probleme mit den Nachwirkungen eines Einschlags eines zu großen Brocken in den Absorber, weil der Impuls des Aufschlages jenseits der geplanten Kompensationsmöglichkeiten dazu führen würde, daß der so verschobene Absorber mit der rotierenden Station in Kontakt gerät, was dann natürlich einige Probleme mit sich bringen würde.
Wir hatten ja natürlich auch schon Sonden unterwegs, um Skylla zu untersuchen, mehr Details in Erfahrung zu bringen. Nun gab es erste Ergebnisse zu Staubanalysen aus der oberen Atmosphäre. Mit einfachen Sonden können wir noch ohne größere Probleme so nahe an den Planeten heran, Proben nehmen und dann wieder aufsteigen, um die Proben dann mit großem Gerät zu untersuchen. In der oberen Atmosphäre gibt es natürlich nur sehr feine Partikel, größere werden nicht so weit hochgewirbelt. Immerhin hatten wir so aber nun genauere Informationen darüber, wie der Staub zusammengesetzt ist. Darin fanden sich nun einerseits Spuren vulkanischer Aktivitäten, einige Bestandteile deuteten aber auch auf Asteroideneinschläge hin. Organisches Material oder gar Mikroben waren nicht zu finden. Dafür gab es da aber Bestandteile, die nicht so gut mit Organik harmonieren, aufgrund des geringen Wassergehaltes der Atmosphäre aber nicht neutralisiert waren. Mit mehr Regen wären diese Bestandteile, eventuell von eingeschlagenen Asteroiden oder auch aus Vulkanen stammend sicher unschädlich ins Meer oder in Flüsse gespült und neutralisiert worden. Bei der trockenen Luft mit den Staubpartikeln waren das aber eher unerfreuliche Anteile der Luft. Weiter unten mochte es trotzdem etwas besser aussehen, immerhin möglich, daß derartige Partikel unten wenigstens durch gelegentliche Regenfälle weggespült werden, diese Partikel also nur in den oberen Luftschichten anzutreffen sind.
Da wir etwa hundert Proben weit verteilt über die obere Atmosphäre gesammelt hatten, wies das jedenfalls darauf hin, daß zumindest mögliches Leben auf dem Planeten nicht so weit hochgetragen wird, nicht an den feinen Staubpartikeln haftet, oben chemisch zügig abgebaut wird oder gar nicht vorhanden ist.
Für den nächsten Schritt hatten wir bereits etwas komplexere Sonden konstruiert. Von diesen waren die ersten unterwegs, um weiter in die Atmosphäre einzudringen und so von weiter unten Proben zu nehmen. Aufgrund er höheren Partikeldichte mußten wir hier natürlich mit einer deutlich größeren Beanspruchung des Materials durch den Staub rechnen, eventuell auch mit Ausfällen. Je weiter man nach unten vorstößt, desto mehr würde der Staub beim Eintritt über die Oberfläche einer Sonde schmirgeln, sie erhitzen und erodieren. Von daher hatten wir den Plan, schrittweise vorzugehen und mit jeden Schritt nur etwas tiefer hinab in die Atmosphäre vorzudringen, die Proben zurückzubringen und zu analysieren.
Dann hörte ich etwas. Einen Moment zuckte ich wohl, drehte mich dann, es war Susanne. Ich mußte mich erst noch daran gewöhnen, nicht mehr allein zu sein. Sie schaute etwas verlegen, ich aber wandte mich ihr ganz zu, lächelte, nickte ihr aufmunternd zu.
Sie meinte leise: „Ich kann nicht einschlafen, es ist alles so fremd, die vielen Eindrücke …“
Ich nickte erneut und verständnisvoll, winkte sie dann lächelnd zu mir heran. Sie folgte. Ich klopfte einfach als Aufforderung auf einen meiner Oberschenkel, sie verstand und setzte sich etwas zögernd darauf, ich umarmte sie dann aber einfach, zog sie sanft zu mir heran. Das mochte sie offensichtlich, denn sie umarmte nun auch mich. So saßen wir eine Weile und genossen es, zusammen zu sein. Das tat uns beiden gut.
Susanne führte dann aus: „Ich … ich komme noch immer nicht damit klar, daß … daß auf einen Schlag … alles anders ist, daß ich nun hier bin. Erst noch totkrank und am Ende im Bett, voller Schmerz und Mattigkeit, nun gefühlt gleich darauf hier im Fremden, aber körperlich ganz gesund und munter. Das alles macht mich schwindelig. Ich kann es noch immer nicht begreifen. Überhaupt … wie das gekommen ist … mit meiner Konservierung.
Rätselhaft.
Kann mich wirklich nicht erinnern, dem zugestimmt zu haben …“
Ich unterbrach ihre Grübelei: „Susanne, vermutlich wirst du da nie Details erfahren, du warst damals schon zu fertig, da hat deine Erinnerung vielleicht Aussetzer oder die Entscheidung wurde getroffen, als du schon zu schwach warst, vielleicht bereits in ein künstliches Koma versetzt worden warst. Man wollte Gutes für dich tun und hat nicht ahnen können, daß das dazu führen würde, daß du so lange konserviert bleiben würdest und dann auf diese ebenfalls lange Reise geschickt würdest. Ich vermute sehr, daß diese ehemalige Kryo-Firma einfach zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen wollte, möglichst viele Kryo-Zombies mit ungeklärtem Status auf der Erde loswerden, Menschen auf diese Mission zu schicken, ohne hier rechtliche Probleme ernsthaft angehen zu müssen. Unser Zustand wurde ausgenutzt. Daran können wir nun aber nichts mehr ändern.“
Wir schwiegen etwas, dann fragte sie: „Wie war das bei dir mit deinem Ende, kannst du dich erinnern?“
Ich erwiderte: „Nein, ich hatte einen Gedächtnisverlust, wußte zu meiner Zeit nicht einmal etwas über die Möglichkeit dieser Kryo-Technik oder jedenfalls nicht, daß das nun wirklich funktionieren könnte. Gemäß Ida war ich eine der ersten, ein dummer Zufall, der Erfinder oder Entwickler der ersten funktionierenden Kryo-Technik soll mich mit einem Transporter angefahren haben, woraus sich das dann ergeben haben soll!“
Susanne lehnte sich etwas zurück, schaute mich verblüfft an: „Oh! … Davon habe ich gehört, also nicht so genau, aber das ging herum, ein Drama, eine irre Geschichte.
Du bist das?
Unglaublich!
Damit hat sozusagen alles begonnen, mit diesem Unfall, so war dann jedenfalls immer die Legende um dieses Verfahren. Das wurde auch in der Werbung für das Verfahren gerne genutzt, sozusagen um die Verantwortung für die Kunden herauszustellen, die Verantwortung für die eigene Technik. Obwohl man natürlich persönliche Daten nie offenbarte, war das immer sozusagen der Vorzeigefall. Zusammen mit ein paar anderen Szenarien waren das dann die typischen Beispiele für gut nachvollziehbare Anwendungsbeispiele.“
Ich staunte, als anonymer, stereotypisierter Kryo-Zombie war ich also sozusagen berühmt. Ich sollte Ida einmal fragen, ob ihr dieser Zusammenhang bekannt war. Einstweilen hatte ich aber mit Susanne zu tun und schob den Gedanken zurück.
So meinte ich: „Naja, versuche dir mal vorzustellen, wie sehr ich überrascht war, von dieser Kryo-Technik zu erfahren und daß ich ein Kryo-Zombie bin. Ich hatte meinen Unfall vergessen, wußte nichts von der Konservierung und werde dann im Raumschiff hier kurz vor Erreichen dieses Sonnensystems von Ida als künstlicher Intelligenz wiederauferstanden und begrüßt. Versuche dir vorzustellen, was da durch meinen ohnehin noch etwas verwirrten Denkapparat gerauscht ist.“
Susanne nickte, nahm mich etwas fester in den Arm, wir schmiegten uns eng zusammen.
Sie erwiderte: „Ja natürlich!
Oh nein!
Ohne irgendwas davon zu wissen, ohne dich auch nur an den Unfall zu erinnern, muß das auf dich noch viel phantastischer und verwirrender gewirkt haben!
Und jetzt wirkst du so ruhig und ausgeglichen, wie hast du da nur die Kurve gekriegt?“
Das fragte ich mich eigentlich auch, spekulierte dann nur: „Naja, ich bin ja sowieso eher der ruhige, ausgeglichene, analytische Typ. Ich stelle mich relativ schnell darauf ein, was jetzt ist, was ich jetzt tun kann, ich lebe im Jetzt. So habe ich das dann wohl irgendwie halbwegs weggesteckt. Es war schon unbeschreiblich, was ich erlebt und gefühlt habe, als Ida mir das alles und auch das Schicksal der Menschheit auf der Erde offenbart hatte. Irgendwie schien unter meinen Fußen der Boden weggezogen werden, was nicht einmal an der fehlenden Schwerkraft lag oder auch daran, daß die Haftung des Anzuges geschwächelte hätte, nein, ich habe einfach weiche Knie bekommen, ein Schwindelgefühl. Und ich war mißtrauisch, ob das wirklich sein konnte, was real war. Alles völlig irre.
Ein Traum oder doch Wirklichkeit?
Hatte ich dann Träume, um das zu verarbeiten oder lag ich doch von diesem Unfall im Koma und wäre dann all dies hier ein Traum?
Es wirbelte alles durcheinander.
Grauenhaft.
Es hat etwas gedauert, bis ich dann wirklich ganz hier war, sicher, keinem Traum aufgesessen zu sein. Ja, irgendwann hatte ich mich von dem Schock erholt und war ganz hier, bereit, mich an der Mission zu beteiligen. Und die Beschäftigung, die Planungen, die Diskussionen mit den Ais taten mir sehr gut.“
Wieder schwiegen wir einen Moment, dann meinte Susi: „Wenn ich nur so stark wie du wäre, wenn ich das nur auch schaffen könnte. Ich fühle mich so durcheinander …“
Ich hielt sie, streichelte sie sanft, strich zart durch ihr Haar.
Ich versicherte: „Ich bin für dich da.
Die Ais sind für dich da.
Du bist nicht allein.“
Susi seufzte: „… danke …“
Ich grübelte auch wieder etwas: „Hoffe, du bist nicht sauer auf mich, weil du nun wiederauferstanden bist, hier in dieser sterilen Station, nur mit mir und den Ais …“
Susi seufzte erneut, versicherte aber schnell: „Nein, ihr habt das ja erklärt. Auf euch bin ich nicht sauer, weiß nicht einmal mehr, ob ich überhaupt auf jemanden sauer bin, ob das nun gut oder schlecht ist, so unerwartet wieder lebendig zu sein, hier zu sein. Besser aber wohl hier und gesund als gar nicht zu sein.“
Ich stimmte sofort zu: „Ja, das denke ich auch. Weil man nicht nicht sein kann, ist es allemal besser, zu sein, hier zu sein und Neues zu erfahren, als nicht mehr zu sein und deswegen gar nichts mehr erfahren zu können.“
Susanne sann wohl über diesen philosophischen Gedanken nach, meinte dann: „Es ist eigenartig, darüber nachzudenken, nicht zu sein. Du hast natürlich Recht, nur solange man ist, kann es auch eine Auseinandersetzung mit der Welt geben. Der Tod ist keine Befreiung von irgendwas, es ist einfach nichts, was danach ist. Im Moment schlimmster Krankheit, dumpfen Vergehens mag es befreiend erscheinen, davon erlöst zu sein. Aber das Ergebnis ist keine Erlösung, sondern nur nichts. Man wird nicht von seinem Leid befreit, die Welt wird allenfalls vom eigenen Ich befreit. Durch den Tod hat man nichts gewonnen. Man verliert nicht einmal, weil man nicht mehr ist.“
Ich erwiderte: „Wir leben jetzt. Es ist es wert, um Verlust zu trauen, um jene Menschen, die man verloren hat. Aber auch darin soll man sich nicht verlieren. Wir leben im Jetzt und haben nicht die Wahl, die Zeit zurückzudrehen, um etwas anders zu machen oder anders zu erleben, etwas anders zu entscheiden oder zu drehen, was einem widerfahren ist oder was man angestellt haben mag. Die Vergangenheit ist nur ein fahler Nachgeschmack, eine Erinnerung, die unser Gehirn zudem auch noch verändern kann. Unser Hunger, unsere Sehnsucht auf die Zukunft aber ist im Jetzt. Es gibt keine Möglichkeit anzuhalten. Selbst wenn wir nichts tun, uns verweigern, läuft die Zeit weiter und die Dinge entwickeln sich aufgrund unserer Entscheidung, nichts zu tun. Im Grunde kann man auch nicht nichts tun, nicht nichts bewirken, solange man ist.“
Susi schmiegte sich noch etwas mehr an mich: „Ich hatte gar nicht so viel. Wenige Verwandte, Bekannte. Ich hatte gerade mal an der Schule begonnen, noch alles neue und frisch. Und doch war das alles. Und ich erwache und alles ist fort, was bislang mein Leben bedeutet hat …“
Sie weinte.
Ich streichelte sie tröstend: „Ein Neuanfang.
Wieder.
Radikal.
Nicht deine Entscheidung. Es ist aber nicht nur ein Verlust, auch eine Chance auf ein neues Leben, ja eher die Notwendigkeit eines neuen Lebens, denn unser altes ist für immer vorbei.“
Susanne nickte, fragte dann: „Kann ich bei dir bleiben, ich glaube, allein kann ich in meiner Kabine nicht schlafen …“
Ich war etwas erstaunt, wollte das aber auch nicht gleich überinterpretieren, so schwankte ich etwas zwischen Freude über die Nähe, zweifelte aber auch etwas, denn das würde ja meine Lust auf sie eher fördern und ich wollte ihren schwachen Moment nicht gleich für mich nutzen, das wäre nicht in Ordnung. Vielleicht vertat ich so eine Chance, aber mir erschien das besser zu sein, als die Situation auszunutzen.
So stimmte ich einfach zu: „Natürlich.
Natürlich kannst du bei mir bleiben.
Ich bin müde, wollte mich auch gerade hinlegen.
Alles gar kein Problem.
Gemeinsam bekommen wir das schon hin.
Und ausgeschlafen können wir dann so viel tun oder beginnen, das kannst du dir schon so einrichten, daß du einstweilen kaum noch Zeit für schwere Gedanken hast. Wenn du im Jetzt beschäftigt bist, kann die Vergangenheit ruhen.“
So standen wir auf, gingen Hand in Hand in meine Kabine. Ich machte mich für die Nacht fertig und dann kuschelten wir uns im Bett traulich zusammen. Ich nenne das Objekt jetzt einfach mal Bett, es kann ja deutlich umfangreichere Funktionen haben, wobei mir nicht klar war, ob die Notfallfunktionen auch bei zwei Personen funktionieren würden. Aber wir hatten ja hoffentlich keinen Notfall. Körk hatte die Absorber doch gut im Griff.
Da Susi wenigstens heute noch ihren Anzug tragen sollte, der sie noch versorgte, behielt auch ich meinen an. Auch das verhinderte natürlich absichtliche oder versehentliche leidenschaftliche Übergriffe, was eigentlich ganz in Ordnung war, so geriet ich nicht allzusehr in Versuchung, fuhr nur mit den Fingern sanft durch ihre Haare, streichelte sie sanft und wir fühlten uns zusammen wohl, ohne weitere mögliche Aktionen thematisieren zu müssen.
Susi blieb allerdings unruhig, die noch immer fremde Umgebung forderte sie offenbar trotz meiner Anwesenheit und unserer Nähe noch erheblich. Ich spürte ihren schnellen Herzschlag, ihre schnelle Atmung, obwohl sie sich merklich mühte, nun zur Ruhe zu kommen, sich zu erholen.
Nach einer Weile Unruhe fragte ich dann leise: „Kennst du dich eigentlich mit Entspannungsübungen aus?“
Susi erwiderte: „Entspannungsübungen?
Nein, nicht wirklich, habe davon gehört, aber nie gemacht.“
Ich merkte an: „Könnte dir helfen, dich zu beruhigen.“
Sie hakte mehr rhetorisch nach: „Wirklich?“
Und ich bestätigte: „Bei mir klappt es jedenfalls gut, warum dann nicht bei dir?
Habe es gemeinsam mit jemandem in einer Umarmung noch nicht probiert. Lust auf ein Experiment, einfach mal ausprobieren?“
Susi meinte dazu: „Also, du hast jedenfalls Recht. Obwohl ich mich bei dir ganz wohl fühle, ist die Aufregung über die ganze Situation noch immer ziemlich groß. Also einverstanden, was machen wir?“
Und so erklärte ich etwas darüber, die Aufmerksamkeit auf eine langsame, gleichmäßige, tiefe Atmung zu lenken, jeweils mit kleinen Pausen beim Ein- und Ausatmen. Wir probierten das Ein- und Ausatmen dann im Gegentakt, was dann eine Weile dauerte, bis uns das wirklich gelang. Dabei mußten wir dann auch ein paarmal lachen, wenn wir aus dem Takt gerieten, auch das tat aber Susi ganz gut, machte sie lockerer. Dann aber klappte es und irgendwie steuerte ich so bald unsere Atemfrequenz, Susi ließ sich einfach in meinen Armen treiben, entspannte wirklich merklich. Die Atemfrequenz und auch ihr Herzschlag, den ich in der engen Umarmung spüren konnte, gingen runter. Es klappte also wirklich. Ich entspannte auch mehr und mehr, konzentrierte mich auf sie, auf uns, alles andere entfernte sich immer weiter, wurde in diesem Moment bedeutungslos. Die eigentlich ja durch den anstrengenden Tag sehr geschaffte Susi schlief dann bald ein. Ich war erleichtert, das war uns gelungen. So konnte ich dann auch ganz loslassen und einen Schlaf in angenehmer Gesellschaft genießen.
Ich hatte die Kabinenbeleuchtung ja so eingestellt, daß Helligkeit und Farbtemperatur mehr oder weniger einen schönen Tag auf der Erde simulierten. Dazu hatte ich zur gewünschten Weckzeit auch noch eine nette Geräuschkulisse eingeplant, Vogelgezwitscher, Rauschen von Wald steigerte sich langsam in Lautstärke und Häufigkeit, bis dann irgendwann ein Hahn recht energisch krähte, um definitiv zu wecken. Das sollte auf der Station ebenfalls die Illusion von mehr Lebendigkeit erschaffen, naja, es leistete jedenfalls seinen kleinen Beitrag zu einer Anmutung von einem heimischen Gefühl. Dieses Zelebrieren des langsamen Weckens durch das allmähliche Erwachen eines künstlich erzeugten Tages klappte dann auch ganz gut, ich war schon etwas vorher erwacht, Susanne reagierte erst auf den Hahnenschrei, war kurz desorientiert, dann schauten wir uns an und lachten fröhlich, beherzt gab ich ihr einen Gutenmorgenkuß auf die Stirn, wuselte durch ihre Haare. Sie grinste und wir räkelten uns. Wir hatten gut geschlafen.
Susanne leistete mir dann beim Frühstück Gesellschaft. Bei ihr stand einstweilen nur ein Getränk auf dem Plan, ihre Verdauung mußte sich erst noch vorsichtig eingewöhnen. Ida meinte, mittags könnte sie dann schon einmal eine Kleinigkeit zu essen probieren.
So saßen wir bald darauf ein Stück weiter, aber immer noch nebeneinander bei der Arbeit. Wir schauten uns an, was die Sonden so boten, was wir wirklich bereits über Skylla wußten. Aufgrund des Staubes und der großen Entfernung bei der Annäherung und der hohen Geschwindigkeit der ersten Sonden hatten wir nur ziemlich unscharfe Bilder der Oberfläche, nur einen sehr groben Eindruck. Die Sonden zur Untersuchung der Atmosphäre taugten nicht, um bessere Bilder zu bekommen. Auch wäre es wohl nicht sinnvoll gewesen, sie mit Optik zu bestücken, der Sand und Staub hätte Optik nur matt geschmirgelt.
So planten wir, Susanne verschaffte sich einen Überblick über vorhandene Daten und verfügbare Sonden mit guten optischen Sensoren in verschiedenen Bereichen des Spektrums. Da sie sich auch noch in die aktuellen Skript- und Programmiersprachen würde einarbeiten müssen, arbeitete sie mit Esme eine Strategie aus, auf welchen Bahnen die Sonden den Planeten umkreisen sollten, um Datenmaterial zu akkumulieren. Dabei entwickelten sie auch einen Algorithmus, um die so gewonnenen Daten effizient zu verwalten und daraus ein Gesamtbild in Form einer dreidimensionalen Repräsentation zu erzeugen. Susanne würde dann später noch genauer gucken, wie das zu optimieren sei, einstweilen kamen sie aber schon mit dem gut voran, was Esme so aus dem Wissensschatz der Ais bieten konnte. Das war natürlich schon ganz in Ordnung, denn eine Karte eines Planeten zu erstellen, war natürlich eine Standardaufgabe für eine solche Mission, Staubwolken indessen schon einmal eine Komplikation, die noch etwas kniffliger war als etwa die typischen Wolken auf der Erde.
Ich arbeitete indessen weiter mit Ida an der Analyse der Atmosphäre. Für uns war natürlich von Interesse, wie etwa der Eintrag von Wasser auf diesen Staub wirken mochte. Würde es unerwünschte chemische Reaktionen geben?
Würde umgedreht das Wasser unerwünschte Anteile der Atmosphäre neutralisieren, auswaschen können?
Was wir fanden, war jedenfalls ziemlich abreagiert und stabil, ähnliche Zusammensetzung wie feiner Wüstensand auf der Erde. Da war nicht viel zu erwarten. Nach einer Mischung mit Wasser traten kleinere Reaktionen auf, die bedenklichsten unerwünschten Bestandteile hatten sich wirklich ganz gut gelöst, hatten mit dem Wasser reagiert. Das sah gar nicht schlecht aus.
Über den nicht besonders großen Meeren war die Luft etwas klarer. Auch hier fand sich allerdings eine relativ hohe Partikeldichte an Staub.
Obwohl es relativ warm war, wärmer als für Menschen angenehm, vielleicht sogar wärmer als für biologisches Leben zuträglich, band sich verdunstendes Wasser relativ schnell an den Staub, so daß wir nur ziemlich dicht über den Meeren eine erhöhte Luftfeuchtigkeit vorfanden. Wir bekamen so jedenfalls auch schon einmal einen ersten Eindruck von Wetter oder gar Klima auf dem Planeten. Teils auch angetrieben durch den relativ schnellen Tag-Nacht-Wechsel, wiederum aber gedämpft durch die staubige Atmosphäre gibt es auf Skylla nur mäßige Temperaturänderungen über den Tag. Allerdings heizt sich die Atmosphäre über den großen Landmassen auf, während sie über dem Wasser durch die Verdunstung kühler ist, so entstehen Luftströme, aufsteigende Luft über dem Land, die feuchte Luft von den Meeren nachziehen, wobei die noch nicht wieder direkt über dem Meer kondensierten Wassermengen an den Küsten meist schon abregnen.
In einigen Bereichen war die Atmosphäre über dem größten Meer dann immerhin so klar, daß wir mit Sonden bis hinunter zum Wasser kamen und Proben nehmen konnten. Das taten wir über größere Bereiche dieses Meeres, bekamen so aber zwangsläufig nur Proben von der Wasseroberfläche.
Ich fand es ohnehin faszinierend, so Proben ziehen zu können, ohne die komplette Sonde samt Probe zu verglühen. Wir hatten da thermisch faszinierend isolierendes Material in den Sonden verbaut. Gut, solch eine Sonde war dann allerdings nach einmaligem Einsatz außen in einem üblen Zustand, hatte aber ihren Zweck erfüllt.
Mittags probierte Susanne dann etwas vom hiesigen Essen. Sie war zwar wie ich keine ausgewiesene Vegetarierin, hatte aber ebenfalls kein Problem damit, auf diese Art von fleischlichen Gelüsten zu verzichten, zumal wir ja durchaus eine sowohl in Geschmack und Textur reichhaltige Palette von Varianten hatten. Auch für sie war die Art der Nahrung ungewohnt, der Geschmack überraschte sie dann umso mehr. Daran fand sie schnell gefallen. Da die Züchtungen normaler Pflanzen ja auch ganz gut vorangingen, bestand ja auch gute Aussicht, Gerichte mit etwas konventionelleren Zutaten anzureichern. Da alle Zutaten zudem frisch waren, hatten wir also eigentlich ein ganz gutes Angebot, schon eine frische, neue Erfahrung, aber gewiß ein Geschmackserlebnis. So mußten wir Susanne schon etwas zurückhalten, denn sie sollte ja heute nur wenig kosten, das Verdauungssystem erst eingewöhnen, nichts überstürzen.
Nach dem Mittag setzte sich Susanne dann schon einmal mit den aktuellen Programmiertechniken auseinander, allerdings gleich anhand einer praktischen Anwendung, sie untersuchte die aktuell verwendeten Algorithmen, um die Oberflächenstruktur aus den durch die optischen Sonden hereinkommenden Daten zu repräsentieren.
Ich schaute einstweilen nach den Agrarkulturen, beriet mit Hildegard und Esme weitere Möglichkeiten, unsere Auswahl an Pflanzen zu vergrößern und unser Ökosystem reichhaltiger zu gestalten. Dann half ich auch etwas beim Gärtnern mit.
Gegen Abend erst wieder schaute ich nach den ersten Ergebnissen der Wasserproben. Die Daten sahen schon nach einer ziemlich trüben Suppe aus, allerdings ohne viel organische Verbindungen darin, jedenfalls nichts Lebendiges, keine Einzeller, nichts, was Anstalten gemacht hätte, irgendwie von sich aus aktiv und lebendig zu wirken, selbständig zu agieren. Das mußte jetzt noch nicht besonders viel heißen. Das Leben konnte sich ja auch irgendwo verstecken. Allerdings von den Erfahrungen auf der Erde her hätte man dann schon darauf getippt, im Meer Leben zu finden, wenn es irgendwo welches gab. Aber vielleicht war die Temperatur dann doch zu hoch, wobei man ja auch auf der Erde Organismen kennt, die gar in der Nähe von kochendem Wasser gut zurechtkommen. Vielleicht fehlte für diesen Typ von Organismus dann aber wiederum in der schmuddeligen Suppe doch ein wichtiger Bestandteil.
Das war ja ohnehin nur ein erster Eindruck, da war noch viel zu tun.
Susanne präsentierte dann sichtlich stolz erste Ergebnisse. Das Problem, die Mission hatte sie bereits gepackt und ganz für sich eingenommen. Sie ging ganz in ihrem Projekt auf. Es ging ihr sichtlich besser als am Vortag. So integriert und beschäftigt war sie von ihrer persönlichen Vergangenheit gut abgelenkt.
Und sie hatte ja wirklich bereits erste Ergebnisse. Die Bilder von der Oberfläche, die sie bereits für ein paar Teilbereiche hatte sammeln können, waren besser als das, was wir bislang hatten. Brauchbar waren zum großen Teil Aufnahmen vom schmuddeligen Meer, einschließlich einiger Inseln. Auch vom Inland konnten wir aber bereits etwas mehr erkennen, zwei derzeit wohl aktive Vulkane, sonst wären die Verfärbungen der staubigen Atmosphäre in den Bereichen wohl nicht erklärbar. Dann hatten wir aber auch einen relativ klaren Blick auf eine Wüstenlandschaft mit weichen Hügeln, vermutlich durch Wind und Sand erodiert und geschliffen. Zu erkennen waren auch bereits großen Dünen, was in einer so trockenen Wüste mit viel Staub und Sand auch zu erwarten war.
Wie ebenfalls zu erwarten gab es aber wegen der ausgedehnten Staubstürme meist Probleme, Strukturen zu erkennen, geschweige denn, eine Dynamik über etwas längere Zeit beobachten zu können. Statt Wasserdampfwolken wie auf der Erde, hatten wir hier vorrangig Staubwolken in der Atmosphäre. Wie meine Sondenuntersuchungen ergeben hatten in der oberen Atmosphäre aus so feinem Staub, daß dieser nicht einfach herunterrieselt. Im Bereich über den Meeren dienen auch kleine Staubkörnchen schon effektiv als Kondensationskeime, weswegen Luftfeuchtigkeit schnell wieder abregnet.
Susanne konnte auch wenige Abbildungen eines Küstenbereiches liefern.
Die Abbildungen zeigten bislang die ausgeprägteste Struktur, immerhin trifft dort ja auch die Wassererosion auf die Wind- und Stauberosion. Aus der Kombination können sich dann bereits schärfer strukturierte Küstenlinien ergeben.
Hier hätte man ja vielleicht auch blühende, wenigstens grüne Landschaften erhoffen mögen, wir sahen aber nur auf der einen Seite schmuddeliges Meer, auf der anderen Sandstrand, dann auch eine kantige Felsenlinie, vermutlich alles tot.
Wir, also Susanne, die Ais und ich, berieten dann über eine Idee von mir, wie wir Proben und vielleicht auch Bilder von der Küstenregion bekommen könnten. Statt mit Sonden nur im Eiltempo Proben im Vorbeiflug zu erhaschen, schwebte mir ein Typ von Sonde vor, der mit einem Fallschirm gebremst auf dem Wasser landen sollte, sich dann als eine Art Boot fortbewegen sollte. So würden wir allerdings keine Proben hoch zur Station bekommen. Diese Sonde wäre also deutlich größer und müßte alles dabeihaben, was für Analysen wichtig wäre. Zudem mußte sie größere Datenmengen speichern, da bei der Zusammensetzung der Atmosphäre wohl kein permanenter Kontakt gegeben wäre. So stöberten wir Baupläne durch, kombinierten und konstruierten. Das Projekt war aber deutlich umfangreicher, so machten wir dann schließlich erst einmal Feierabend.
Susanne durfte dann zum Abendessen schon deutlich mehr essen und trinken und so genossen wir einfach einmal, was unsere Agrarkulturen uns bereits zu bieten hatten. Und hat man daran mitgewirkt, selbst zum Anbau und zur Ernte beigetragen, so schmeckt es gleich nochmal so gut.
Nach dem Essen ließ ich etwas klassische Musik spielen und wir schauten uns die Bilder an, die die Sensoren der Station gerade lieferten, die Zwillingsplaneten und die Sonne. Wir hatten sogar von einer Sonde dazu noch die Ansicht der Station in der Umlaufbahn um Skylla.
Wir schauten uns an, Susanne war nun nach der Arbeit wieder nachdenklich geworden, erzählte etwas über sich, fragte auch nach meinem Leben, so erzählte ich auch etwas. Neben reichlich Unterschieden hatten wir auch ein paar Gemeinsamkeiten, etwa zum Zeitpunkt unserer Konservierung beide keine Beziehung. Susanne gab sich in der Hinsicht ohnehin als eher zurückhaltend an, obwohl es schon Interessenten und Gelegenheiten gegeben hatte. Irgendwie hatte es dann aber doch nie zu etwas Längerem gereicht. Obwohl ich da in Sachen Beziehungen deutlich lockerer war, hatte es dazu bei mir auch nicht gereicht. Es gab dann doch letztlich immer etwas, was ablenkte, störte oder etwa einem Zusammenziehen im Wege gestanden hatte, auch die unregelmäßigen Arbeitszeiten beim Studium, nachher auch in der Forschung mochten dazu beigetragen haben. Die Erfahrung hatte sie beim Studium auch gemacht, das bot ihr irgendwie mehr Attraktionspunkte als eine Partnerschaft und danach war sie irgendwie auch immer mit anscheinend wichtigeren Dingen beschäftigt, als sich auf jemanden einzulassen. Da sie praktisch gerade als Lehrerin begonnen hatte, hatte das sowieso ihre ganze Zeit in Anspruch genommen.
Später stimmte Ida dann etwas zögernd zu, daß Susanne den Anzug ablegen durfte. Wir hatten auf der Raumstation den Luxus einer komfortablen Dusche, etwas, was mit Schwerkraft problemlos funktioniert, in Schwerelosigkeit hingegen sogar gefährlich sein kann, wenn sich eine Wasserblase um den Körper zieht, dann sogar das Gesicht bedeckt und am Atmen hindert. Durch die Rotation der Station hatten wir nun hingegen ähnliche Bedingungen wie auf der Erde und auch reichlich Wasser für einen derartigen Luxus. Und Susanne sehnte sich nach einer Dusche, insbesondere seit sie den komfortablen Duschraum entdeckt hatte.
Es ist gar nicht so einfach, den Anzug abzulegen, so fragte dann auch Susanne, wie sie das bewerkstelligen solle. Ich erklärte mich gerne bereit, ihr zu helfen. Allerdings war sie etwas zögerlich, sich vor mir zu entblößen. Da lächelte ich und meinte scherzhaft, ich könne mich ja auch entkleiden und wir könnten die Dusche dann gemeinsam benutzen, da bräuchte uns beiden nichts peinlich sein. Die Logik der Argumentation leuchtete ihr schon ein, trotzdem zierte sie sich etwas, willigte dann aber ein.
So half ich ihr in dem Duschraum aus dem Anzug. So schwierig war das eigentlich nicht, ich hatte das ja auch bereits alleine, sogar unter Schwerelosigkeit hinbekommen, aber beim ersten Versuch ist es doch ungewohnt. So war sie damit beschäftigt und ich erklärte ruhig, sachlich und gelassen, was zu tun sei. Damit sie das dann auch alleine würde schaffen können, führte ich es bei mir vor und sie wiederholte die Handgriffe bei ihrem Anzug. So waren wir sozusagen technisch abgelenkt und es trat erst ein Moment peinlicher Stille ein, als wir beide nackt dastanden. Susanne hatte mich nur kurz angesehen, schaute dann zu Boden, suchte ihre intimsten Stellen dann mit Händen und Armen so halbwegs zu bedecken. Ich lachte sie fröhlich an und meinte: „Siehst doch sehr hübsch aus, da brauchst du gar nichts zu verstecken!“
Sie war trotzdem unsicher und etwas scheu: „Oh danke, aber ich fühle mich trotzdem etwas unsicher. Würde aber trotzdem gerne einen Spiegel haben, um zu sehen, ob es irgendwo Spuren von der Konservierung oder dem Anzug gibt.“
Ich meinte dazu: „Oh, bei mir gab es keine, bei dir sehe ich auch keine, aber Ida kann sicher statt eines Spiegels ein Bild an der Wand einblenden. Ida?“
Ida tat das dann auch und Susanne schaute sich unsicher im Bild an. Ich trat neben sie und lächelte sie an, nun mußte auch sie lächeln und meinte: „Du siehst auch sehr hübsch aus, aber das weißt du sicherlich, bist viel selbstbewußter und sicherer, stärker als ich!“
Ich grinste: „Nun übertreibe mal nicht. Los, unter die Dusche?“
Sie nickte und so stellten wir uns in den Duschbereich und das kleine Vergnügen begann. Ich bot ihr dann an, sie einzuseifen, wobei sie etwas unsicher war, sich aber dann darauf einließ und auch mich einseifte, so kamen wir uns noch näher und die anfängliche Scheu war schnell überwunden, wir lachten und alberten herum, duschten dann vergnügt weiter. Etwas löste sich bei Susanne, ihre Anspannung fiel von ihr ab, wohl auch ein guter Teil des Schocks und der Verunsicherung darüber, hier wiederauferstanden worden zu sein. Ja, nun unter der Dusche war sie endlich ganz im Jetzt, befreit von der Vergangenheit, sie lachte und wir hatten gemeinsam harmlosen Spaß. Sie war noch immer etwas scheu, daher wagte ich nicht gleich, sie kräftig zu umarmen, bei der Alberei berührten wir uns aber schon, eine kleine Schubserei, ein Streicheln fast wie aus Versehen.
Dann hatten wir genug Wasser und ein warmer Luftstrom trocknete uns ab, schade eigentlich, denn mit Handtüchern hätte sich gleich die Gelegenheit geboten, sich gegenseitig abzutrocknen, sich noch näherzukommen. Susanne hatte versonnen die Augen geschlossen und genoß den warmen Strom auf ihrer Haut. Ich genoß den auch, aber noch mehr Susannes Anblick. So konnte ich einfach nicht widerstehen, streichelte ganz sanft die weiche Haut ihres Armes, wuselte dann durch ihr Kopfhaar. Sie legte sogar genüßlich den Kopf etwas schräg, so lag ganz von selbst ihre Wange in meiner Hand, ich trat heran und umarmte sie einfach, streichelte über ihren Rücken, strich mit einem Bein an ihrem entlang. Sie hatte nur kurz gezögert, umarmte mich dann auch, lehnte ihren Kopf auf meine Schulter. Wir verharrten noch in der innigen Umarmung, als wir längst trockengepustet waren, genossen noch immer den warmen, streichelnden Luftzug.
Ich meinte dann leise zu ihr: „Als wir eben kurz über unsere früheren Beziehungen gesprochen haben, sind wir gar nicht so genau darauf eingegangen, mit wem überhaupt. Ich vermute, du hattest eher Kontakte zu Männern oder auch zu Frauen?“
Susanne zuckte kurz, hielt ihre Umarmung, meinte dann leise und mit zitternder Stimme: „Nein, nicht mit Frauen.
Ich … ich wollte dich nicht verunsichern oder sowas …“
Ich lachte erheitert: „Hast du doch gar nicht, womit auch?
Ich mag dich, spüre dich gern. Was mich anbelangt, ich hatte schon Erfahrungen mit Männern und Frauen, in der Hinsicht war ich schon flexibel, nur hat es sich irgendwie trotzdem nicht ergeben, daß dabei etwas Festes herausgekommen wäre.“
Ich zögerte einen Moment, da wir uns aber noch immer innig hielten, fragte ich forsch nach: „Hättest du vielleicht Lust auf mehr, es einfach mal mit mir zu probieren?
Ein wenig weiter herumalbern, genießen, was meinst du?
Ich werde es auch nicht weitererzählen, wenn du nicht willst.“
Ich spürte, wie ihr Herz schneller schlug, dann lachte sie unsicher: „Weitererzählen?
Wem denn, hier am Ende der Welt?“
Ich argumentierte: „Nun, hier stört uns dann ja auch niemand …“
Susanne flüsterte trotzdem leise und unsicher: „Dann, dann gehen wir in deine Kabine, aber … aber ich weiß nicht, weiß nichts, weiß nicht, wie es geht …“
Ich schmunzelte und gab ihr einen zarten Kuß auf die Wange. Wie von selbst drehte sie dabei den Kopf und unsere Lippen trafen sich, drückten sich erst ganz sanft, schnell heftiger aufeinander. Das trieb den Puls noch weiter in die Höhe.
Nach dem Kuß meinte ich dann fröhlich lachend: „Ich hoffe, wir werden es gemeinsam herausfinden, was uns beiden gefällt, aufdrängen werde ich dir nichts, ausprobieren können wir viel, wichtiger ist es doch aber zu genießen, daß wir zusammen sind, uns zu genießen, den Augenblick, das Jetzt, alles andere für eine Weile vergessen!“
So nahm ich ihre Hand und zog sie durch den Gemeinschaftsraum zu meiner Kabine.
In meiner Kabine angekommen, war Susanne wieder ziemlich unsicher und verlegen. So bot ich ihr erst einmal an, sie zu massieren, wenn sie sich einfach entspannt auf den Bauch legen würde. Das tat sie dann auch und ich begann mit der Massage des Rückens und der Schultern. Bald kniete ich auch schon auf dem Bett, meine Unterschenkel um ihre Oberschenkel geklemmt und verwöhnte sie intensiver, wuselte durch ihr Haar, legte alsbald meinen Oberkörper sanft auf ihren Rücken, rieb mich sachte an ihr und steigerte so allmählich die Intensität und auch die Anregung der Massage.
Susanne genoß einfach und ich wies sie nur darauf hin, ihr leise ins Ohr flüsternd: „Wenn du etwas nicht magst, wenn etwas nicht angenehm ist, sagst du das aber gleich ohne Scheu, sonst hat das ja keinen Sinn und ich kann ja noch gar nicht wissen, was du magst und wie ich bei dir am besten vorgehe.“
Susi nickte entspannt: „Es ist alles gut, ich fühle mich sehr wohl und geborgen bei dir.“
Damit kam ich gut zurecht und machte weiter mit dem vergnüglichen Spiel.
So rutschte ich dann etwas tiefer an ihr herab, knetete den Rücken etwas kräftiger, küßte die so sensibilisierten Stellen, arbeitete mich so langsam tiefer, zum Po, den Oberschenkeln, den Unterschenkeln, den Füßen, genoß ihre weiche Haut, ihren Geschmack frisch nach der Dusche, ihre Wärme. Ich rieb mich dann gestreckt mit ganzem Körper an ihr. Sie hatten den Kopf mit geschlossenen Augen zur Seite gedreht, lächelte verträumt. So küßte ich ihre Wange, die Schläfe. Das mobilisierte sie nun, sie wollte sich drehen, so ließ ich ihr Platz dafür, dann drückten wir uns Bauch an Bauch seitlich liegend aneinander, küßten uns leidenschaftlich, spielten mit Lippen und Zungen ein fröhliches Spiel, ich kitzelte sie mit den Fingern sanft, bis sie heftig lachen mußte. So drehte ich sie, daß sie auf dem Rücken lag. Ich faßte ihre Hände, legte sie über ihren Kopf, hielt sie, küßte und stupste sie wieder, die ihre Schenkel um die meinen schlang.
So bleiben wir ein wenig verschlungen, dann ließ ich ihre Hände wieder los, die mich gleich sanft umarmten, streichelten, auch ihre Beine ließen mich nun wieder etwas lockerer, so daß ich wieder etwas tiefer rutschte, nun ihre Brüste, ihren Busen koste, dann auch den Bauch, während nun sie mit ihren Händen durch meine kurzen Haare wuselte, etwas unruhiger wurde, mich aber einfach machen ließ, mit der Zunge in den Bauchnabel stupsend, mit der Nase über ihre weiche Haut reibend, pustend. Dann ging es noch weiter hinunter mit meinen Lippen, an der Außenseite eines Oberschenkels entlang noch tiefer, wieder bis zu den Füßen, dann auf der anderen Seite zurück, gemächlich, ohne Eile. Ich spürte ihre Erregung, denn es war uns beiden klar, da war im Wesentlichen nur noch eine Zone, mit der sich meine Lippen, meine Hände noch nicht beschäftigt hatten. Längst lag ich zwischen ihren Beinen und hätte längst diese empfindliche Zone erobern können, aber ich ließ mir Zeit, ließ sie erregt zittern, hörbar atmete sie nun. Und dann nippte ich erst nur abwechselnd links und rechts an den Innenseiten ihrer Oberschenkel, spürte ihre aufkommende Hitze, die Feuchtigkeit, die Lust, die starke, nicht mehr zu zügelnde Erregung in ihr.
Nur ganz zart, sanft küßte ich kurz ihren Schoß, schob mich dann weiter an ihr hoch, rieb meinen Körper kräftig an ihrem, daß es heftig über ihren Schoß schubberte, bis ich mit meinen Lippen wieder an ihren nippte und ihre Schenkel mit kräftig umschlangen. Wir drehten uns nun in einem wilden, unruhigen Kuß. In Susanne brodelte es gewaltig und das hatte auch längst deutliche Wirkung auf mich. Eine Hand von mir fuhr nun leicht tastend zwischen ihre Schenkel, legte sich nur flach auf ihren Venushügel, rieb etwas, drückte, während ihre Schenkel mich nun wieder kräftig an sie drückten. Uns küssend steigerte ich gleichzeitig mit der Hand ihre Lust, ohne noch mit den Fingern einzudringen oder auch nur ihre Klitoris zu suchen. Das Reiben unserer Körper, der Druck reichte offenbar schon, um die heiße und feuchte Erwartung in ihrem Schoß weiter zu steigern. Ihr Puls ging schnell, meiner auch, war ich doch sehr erfreut, daß sie so intensiv auf meine Bemühungen reagierte, die ich weiter fortsetzte, dann ein Bein zwischen ihre drängte, eines der ihren zwischen meine klemmte und so die Reibung, die Hitze in uns weiter steigerte, bis sie sich zitternd ergab, es heiß und intensiv durch ihren Körper pulste. Wie im Rausch riß mich das mit. Uns weiter bewegend und reibend genossen wir diese Ekstase. In ihrer Begeisterung hatten ihre Hände meinen Po kräftig ergriffen und forderten so mehr Reibung. Dieser Forderung kam ich gerne nach, ging mit unserem Reizspiel also gleich in die Verlängerung. Nun fand einer meiner Finger einen Weg in ihren feuchten, heißen Schoß, spielte, ich zog die Hand etwas an, prüfte, was für sie noch angenehm war, als ich über ihre Klitoris rieb. Susi aber war noch so aufgeregt, so erregt, daß sie gleich heftig reagierte, aber durchaus in einer Weise, die mir Zustimmung signalisierte, für die aber kaum Zeit blieb, denn mit wenigen Bewegungen riß die Erregung uns beide erneut fort in eine zweite Ekstase.
Danach lagen wir weiter eng umschlungen, aber einstweilen vom ungewohnten, intensiven Gefühl geschafft und ermattet, unsere Leiber klebten durch unseren Schweiß zusammen und wir genossen nur noch, zusammen zu sein. Mit leichtem Streicheln setzte Entspannung ein und doch hielten wir entschlossen aneinander fest. Ohne weitere Worten ging alles in unsere kleine Übung vom vorherigen Tag über, so daß wir bald erst im Gegentakt atmeten, dann langsam den Puls beruhigten und irgendwann glücklich einschlummerten.
Nach einem guten, erholsamen, gemeinsamen Schlaf weckte uns dann wieder die von mir gewählte Geräuschkulisse von Vogelgezwitscher und Wald bis hin zum Hahnenschrei. Wir hatten es aber nicht eilig und kuschelten noch etwas, genossen unsere Zweisamkeit und waren uns sehr einig, daß das mit uns sehr gut funktionierte. Susanne hatte deutlich an Scheu und Unsicherheit verloren und war nun auch bereits etwas aktiver im Einfordern von Küssen und im Streicheln, Umarmen. Das war mir nur recht, so würde sich das schon gut entwickeln, hoffte ich wenigstens, ich wollte es, denn nun hatten wir einmal damit begonnen und da wir uns nicht aus dem Wege gehen konnten, war es wohl eindeutig besser, es funktionierte und wir kamen gut miteinander aus. Das taten wir einstweilen.
Und so standen wir dann mit Schwung auf, eilten gemeinsam in den Duschraum und erfrischten uns dort erneut, ließen uns wieder im Luftstrom trocknen, während wir eingehend Zärtlichkeiten austauschten, weiter forschten, was uns beiden gefiel, was wir vertiefen könnten. Indessen wollte wir das nicht gleich tun. So half ich dann Susi in ihren Anzug und sie mir in den meinen und dann frühstückten wir ausgiebig und mit sehr guter Laune. Ich war dann doch verblüfft, wie schnell wir beide der Verlockung erlegen waren. Ich war mir ganz sicher, ich hatte das nicht einmal wirklich forciert und doch war es passiert. Umgedreht hatte mich auch Susi nicht vernascht oder verführt. Vielleicht war es einfach der Sachverhalt, hier allein mit nur einem anderen Menschen quasi am Ende der Welt zu sein. Oder stimmte die Hypothese doch, daß man sich mit dem oder der ganz von allein arrangiert, der oder die verfügbar ist?
Das schien mir nicht so plausibel. So beliebig und austauschbar waren wir doch nicht. Wir hätten uns anders, ganz anders verhalten, wenn wir nicht von Anfang an etwas in der anderen gesehen hätten. Gut, bei Susi kam vielleicht noch ein besonderes Bedürfnis nach Geborgenheit hinzu, zu frisch war der Schock der Wiederauferstehung. Aber ausgenutzt hatte ich das eigentlich auch nicht. Dann setzten wir unsere Arbeit an den Projekten fort.
Susanne war bei der Arbeit, insbesondere aber auch bei unseren gemeinsamen intimen Aktivitäten sehr aufmerksam, lernte von mir, wurde aktiver, so konnten wir unsere Spiele gut variieren und widmeten uns ihnen mit großen Vergnügen und ähnlich intensiver Neugier wie unseren Forschungsprojekten. Zweifellos hatten die Ais das alles schon mitbekommen, sahen aber offenbar keinen Anlaß, das zu thematisieren, so hatten wir das für uns und das war auch ganz in Ordnung. Wir genossen uns und so gelang es uns dann auch immer besser, im Hier und Jetzt zu sein. Unsere Vergangenheit war bald nur von geringer Bedeutung, was nun zählte, war hier. Wir hatten uns und ein neues Zuhause gefunden.
In den folgenden Wochen und Monaten machten wir auch deutliche Fortschritte in der Erforschung von Skylla. Susannes Kartographie des Planeten kam trotz der Staubstürme und Staubwolken eigentlich ganz gut voran, dank eines guten Systems gab es eine gute Wahrscheinlichkeit, daß wenigstens eine Sonde eine Lücke in den Wolken nutzen konnte, um wieder ein Stück aufzunehmen. Problematisch war eigentlich dabei nur die Zuordnung der Stücke, was aber ganz gut gelang, nachdem wir ein zuverlässiges Bezugssystem mit stationären Sonden etabliert hatten. Diese Referenz wurde immer wieder abgeglichen, sobald von diesen relativ zum Grund des sich um sich selbst drehenden Planeten Aufnahmen vom Grund gemacht werden konnten. Noch besser wurde es, als es uns gelang, auf Skylla an einigen erhöhten Orten kräftige Sender zu landen, die dann als zuverlässige Referenzpunkte dienten. So war es dann auch möglich, die Position auch älterer Aufnahmen nachträglich zu präzisieren.
Mobile Sonden brachten weiterhin Proben auf die Station, alle ohne Anzeichen von Leben auf dem Planeten. Aktivitäten waren hier gelegentliche Vulkanausbrüche mit eher lokalen Auswirkungen, die Staubstürme, Ebbe und Flut und die eigentlich ziemlich regelmäßigen Wetterphänomene, bei denen es über den Meeren abregnete oder aber dann auch in Küstennähe.
Spannend wurde es dann, als das Projekt der großen Sonde mit eigenem kleinen Labor sicher in einem Meer landen sollte, um dann autark zu agieren und erst auf See, dann an der Küste Proben zu sammeln und auch zu analysieren. Die Landung war wirklich ein harter Brocken und beinahe wären dabei die Fallschirme durch den Staub und den Sand in der Luft zerschlissen, aber es reichte geradeso, damit die Sonde von der Geschwindigkeit her noch im vorgesehenen Toleranzbereich auf der Wasseroberfläche aufschlug. Es gab kaum Schäden, die Fallschirme wurden sorgsam wieder eingeholt, um keinen Müll zu verteilen. Reparaturroboterschwärme an Bord besorgten die kleinen Reparaturen und dann konnte unser Eroberer, wie wir diese Sonde getauft hatten, seine Erkundungstour auch schon beginnen und uns reichlich Daten liefern. Die waren zwar etwas weniger detailliert als das, was wir mit den Proben auf der Station herausbekommen konnten, aber jetzt war es uns möglich, deutlich mehr Proben zu nehmen, auch aus größeren Tiefen des Meeres statt nur von dessen Oberfläche oder aus der Atmosphäre.
Und das funktionierte richtig gut. Das Meer oder der Ozean war nicht wirklich tief, kein Wunder eigentlich, wenn immer Staub und Sand hineingeweht wird. So kamen wir mit unseren Proben sogar bis zum Grund und bis in den Schlamm hinein, fanden indessen auch dort nichts, was auf Leben hingewiesen hätte. Eroberer zog im Laufe seiner gemächlichen Reise über das kleine Meer tausende von Proben, analysierte, fand allerhand interessante Dinge im Meer, aber nichts, was auf Leben hingewiesen hätte.
So wollten wir dann an die Küste, während der Schwarm vom Eroberer bereits dabei war, den Eroberer selbst um einige Fähigkeiten und Instrumente zu bereichern. Das gehörte durchaus mit zum Plan, obwohl das bei dem kleinen Schwarm und im Wasser erst einmal eher bescheiden voranging.
Zur Küste hin nahm die Staubkonzentration natürlich zu, der Schwarm hatte dann etwas mehr damit zu tun, dadurch bedingte Probleme zu beseitigen oder nach dem Erkennen von Schwachpunkten, diese zu bearbeiten und weiteren Schäden vorzubeugen. Und da ist es natürlich großartig, wenn man mit solch einem Schwarm reparieren kann, statt nur dabei zusehen zu müssen, wie ein komplexes Gerät unter den harten Bedingungen immer mehr verschleißt.
Oben auf der Station hatten wir natürlich weit mehr Möglichkeiten. So arbeiteten unsere Schwärme nach der erfolgreichen Landung des Eroberers bereits an einem noch größeren Projekt, welches wir Wüstenfuchs nannten. Dieser würde in mehreren Komponenten in einem anderen Gebiet des Planeten landen und dann von Schwärmen zusammengesetzt werden. Susanne hatte einen Bereich ausgemacht, wo offenbar ein Meer nahezu versandet war, zudem in der Nähe eines Pols lag. Anders als auf der Erde sind bei Skylla die Pole aber nicht vereist, was unter anderem daran liegt, daß die Umlaufbahn von Skylla und Charybdis gegenüber ihrer Umlaufbahn um Rasol verkippt ist, ihre eigenen Achsen aber auch wiederum zu ihrer gegenseitigen Umlaufbahn verkippt sind, diese zudem eine rasche Präzession aufweisen. Zusammen mit der kurzen Tageslänge und der relativ dichten Staubwolkendecke sind die Temperaturen ziemlich gleichmäßig, im Bereich der Pole nur um ein paar Grad kühler als am Äquator. Aber vielleicht reichte das ja zusammen mit dem flachen Meer und einem benachbarten kleineren Vulkan, um hier etwas andere Umweltbedingungen vorzufinden als in der Region, in welcher der Eroberer agierte.
Dann startete Mission Wüstenfuchs. Da dieses Gerät deutlich größer war als der Eroberer, konnten wir damit auch detailliertere Analysen vornehmen, wenn wir es erfolgreich gelandet bekämen. Sollten ein oder zwei Module bei der Landung verlorengehen, könnten wir zeitnah Ersatz schicken und damit dann erneut eine Landung versuchen. Aber wir hatten gut geplant, hatten aus der Landung vom Eroberer gelernt. Die Module hatten jedes für sich eine geringere Masse als der Eroberer, so hatten wir sogar weniger Probleme. Alle Module kamen heile herunter, quasi ein Geniestreich, zudem sich so nicht einmal aufgrund eines Unfalls Schrott auf dem Planeten verteilte, was uns nicht gefallen hätte. Es dauerte dann allerdings etwas, bis sich die einzelnen Module zusammenfanden, denn sie waren dann doch über einen weiteren Bereich gestreut als wir uns das erhofft hatten. Aber es klappte gut, auch dank Susannes Kartographie und zusätzlich abgesetzter Signalstationen, um zuverlässig zu gewährleisten, daß die Module immer direkt wußten, wo sie relativ zueinander waren. Und so gelang das Konzept und bald war der Wüstenfuchs einsatzbereit, lieferte erste Daten über das nahezu versandete Flachmeer, später dann auch über die Umgebung des Vulkans, der derzeit jedenfalls nicht aktiv war, so konnten wir uns gut mit dem Wüstenfuchs heranwagen, um unsere Daten zu sammeln.
Um es kurz zu machen, auch der Wüstenfuchs fand kein Leben in dieser Region, wie der Eroberer auch an der Küste keines fand. Natürlich ließen wir sie weitersuchen, planten Routen in benachbarte Bereiche, wo es sich ebenfalls lohnen mochte, weil es dort noch uns unbekannte Strukturen gab. Wir fanden allerdings nichts Lebendiges. Ansonsten aber waren die Proben sehr vielversprechend. Mit den Roboterschwärmen würde es uns gelingen, dort viel zu bauen. Und diese waren ja auch schon dabei. Der Eroberer hatte seine Möglichkeiten mehr als verdoppelt, lieferte genauere und vielfältigere Daten als zu Beginn, der Schwarm des Wüstenfuchses hatte gar kleine Subsysteme bauen können, so daß der Wüstenfuchs mit diesen sogar gleichzeitig von verschiedenen Stellen Proben heranschaffen konnte. Er konnte an verschiedenen, interessanten Stellen Bohrungen vornehmen, um aus größerer Tiefe, jedenfalls einigen Metern Proben zu bekommen.
Körk, Hildegard und Ida berichteten dann über die Fortschritte von kleineren Projekten zur Erforschung der Eismonde der Gasplaneten, bei denen unter dem Oberflächeneis ein Meer vermutet wird. Beim aktivsten Eismond hatten sie Eisvulkane und Eisgeysire entdeckt. Die Idee war nun, mit dem Raumschiff in diesem Bereich Untersuchungen durchzuführen. Das gravitative Nahfeld der Monde sollte untersucht werden, auch der Grad der Deformation durch Gezeitenkräfte.
Ebenfalls sollten Proben aus den Eisgeysiren entnommen werden, um diese eingehend auf Hinweise von Leben und die Zusammensetzung des Meeres zu analysieren, denn die Vermutung ging dahin, daß die Geysire und Vulkane direkt aus diesen flüssigen Meer gespeist werden. In einem weiteren Schritt sollten Sonden landen, um über Schallwellen entweder von Vulkanausbrüchen, Brüchen der Eisdecke oder auch durch eigene Quellen die Zusammensetzung des Mondes zu erforschen. Mit diesen Kenntnissen sei es dann gegebenenfalls später möglich, eine Mission durch die Eisdecke zu schmelzen und das Meer direkt zu erforschen.
Eine weitere Idee war, auch die Atmosphären der Gasriesen selbst zu untersuchen. Darin war jede Menge Dynamik zu erwarten, Turbulenzen zwischen verschiedenen Schichtungen von Gasen oder Flüssigkeiten, durchaus möglich, hier auf eine Art von Leben in der Atmosphäre zu treffen, was sich darin treiben ließ und sich komplett von dem unterscheiden mußte, was uns bislang bekannt war. Aber was wußten wir im Grunde schon über das Leben jenseits des Sonnensystems?
Dieses Vorhaben hätte allerdings auch erhebliche Konsequenzen. Das Raumschiff wäre so ziemlich weit von der Station entfernt, könnte bei Problemen also nicht schnell zur Hilfe kommen. Allerdings war inzwischen der Bau an der Station weit fortgeschritten und wir hatten nun mehrfach redundante Systeme, gute Abschottungen, sehr üppige Absorber in relativ großem Abstand um die Station herum. Von daher war die Notwendigkeit von schneller Hilfe nicht sehr wahrscheinlich, auch hatten wir Notsysteme auf der Station, um auch eine längere Notsituation zu überstehen, sogar Notfallkapseln, um wenigstens Susi und mich zu retten, wenn die Station einen Totalschaden haben sollte, etwa durch einen massiven Einschlag.
Ein weiteres Problem bestand ja nun darin, daß Signale doch erhebliche Laufzeiten haben, sich die Ais also entscheiden müssen, wo sie sich hauptsächlich aufhalten sollten, beziehungsweise wie sie sich aufteilen sollten.
Ferner müßte wohl die Kontrolle der Absorber in den Asteroidengürteln auf die Raumstation verlegt werden. Das war nicht notwendig schlecht, aufgrund der komplizierteren Umlaufbahnen allerdings etwas aufwendiger als mit dem Raumschiff, was sich aber ohnehin mittlerweile relativierte, weil die Absorber inzwischen weit über die Asteroidengürtel und das Streufeld verteilt waren.
Ein weiterer Punkt war, daß unsere größten Vorräte an biologischen Material noch immer auf dem Raumschiff waren. Einerseits war es dort sicherer aufgehoben als auf der Raumstation, andererseits dann aber bei den Eismonden relativ weit weg von uns, es wäre also wohl etwa kaum möglich, kurzfristig weitere Menschen wiederaufzuerstehen oder auch spezielle Pflanzenarten auf die Station zu transferieren, wenn sich unsere Erkenntnisse an unseren Agrarkulturen in eine unerwartete Richtung entwickeln sollten.
Mit gefiel die Trennung nicht so sehr. Wäre die Wahrscheinlichkeit wirklich so groß, dort etwas Relevantes für unsere Mission zu finden, daß sich das lohnen würde?
Oder sollten wir doch eher zusammenbleiben und uns auf die Zwillingsplaneten konzentrieren, hier ähnlich wie den Eroberer und den Wüstenfuchs kleinere Missionen planen, um diese zu den Eismonden zu schicken?
Damit wären wir längst nicht so flexibel wie mit den Ais und dem Raumschiff, würden unsere Kräfte aber auch deutlich weniger aufspalten und uns nicht so sehr auf vermutliche Randschauplätze fokussieren.
Susanne war auf meiner Seite. Sie sah das Raumschiff auch als Rückzugsmöglichkeit. Sie hatte ja auch von unseren anfänglichen Zusammenstößen gehört und meinte, es sei wichtig, zwei Optionen zu haben, um unsere Ressourcen bei einem weiteren Zwischenfall zeitnah zu vereinen und so zu retten.
Die Ais sahen die Argumente ziemlich ausgewogen, fanden meinen Vorschlag überlegenswert. Zudem, hätten wir nicht noch sehr viel Zeit, wenn es mit den Zwillingsplaneten nichts werden sollte?
Die Ais drängte doch nichts, sie konnten das System noch hunderte von Jahren untersuchen.
Trotzdem waren wir natürlich alle neugierig. Neugierig aber natürlich auch auf Charybdis, den anderen Zwilling, den wir quasi bislang links liegengelassen hatten. Der ursprüngliche Grund dafür war ja, daß wir bei Skylla einerseits geringere Chancen sahen, Leben zu finden, gerade deshalb aber bessere Möglichkeiten, den Planeten an menschliche oder vielleicht besser irdische Bedürfnisse, irdisches Leben anzupassen.
Das würde aber eine ganze Weile dauern. Noch hatten wir nicht alles auf Skylla untersucht, noch hatten wir die Möglichkeit von Leben hier nicht abgehakt. Erst wenn das der Fall wäre, wäre es wohl Zeit für unseren Plan, Eisbrocken auf Skylla niederprasseln zu lassen, um mit diesem Wasser der Asteroiden den Staub aus der Atmosphäre zu waschen und somit auch die Möglichkeit für ein neues grünes Paradies zu legen, ein irdisches Paradies mit Pflanzen, kleinen Ökosystemen von der Erde.
Und nach dem, was wir nun über den Planeten wußten, würde es lange dauern, es hier lebenswert einzurichten, eine Terraformung durchzuführen und zum Erfolg zu führen.
Währenddessen blieb mehr als genug Zeit, um Charybdis zu untersuchen. Und es wäre wohl auch genug Zeit, um den Eismonden einen persönlichen Besuch abzustatten. Wozu nun also die Hast?
Auch diese Argumente brachte ich noch vor. Die Akkumulation des Eises aus dem äußeren Asteroidengürtel Freki war ja bereits in vollem Gange, Körk hatte das gut im Griff, das lief nun praktisch automatisch.
Von daher hatten sie dann auch Recht, sie hatten jetzt schon Zeit, nach den Eismonden zu sehen.
Oder sollten die Ais einfach mit dem Raumschiff in die Umlaufbahn von Charybdis einschwenken und dort mit der Untersuchung beginnen?
Wir würden uns ja sowieso auf dem Laufenden halten, warum also nicht das?
Es war ja gar nicht notwendig, daß Susanne und ich persönlich um Charybdis in der Raumstation kreisen müßten, um Daten von Charybdis zu gewinnen. Das war auch gut möglich, wenn die Ais Sonden vom Raumschiff aus starteten und wir dann die Ergebnisse gemeinsam analysierten, wie wir es ja mit den Daten von Skylla auch taten.
Ich meinte dann schließlich, es sei besser, wenn Susanne und ich darüber noch einmal eine Nacht schlafen würden, dann sollten wir morgen irgendwann am Nachmittag noch einmal eine Beratung in großer Runde halten, dann in aller Ruhe entscheiden, wie wir unsere Ressourcen am sinnvollsten einsetzen sollten.
Mache einen Vorschlag, wie sie weiter vorgehen sollen.
Noch nicht verfügbare Handlungsstränge:
Erkenntnisse
Als Susanne und ich uns schon zurückgezogen hatten und im Bett zusammengekuschelt lagen, war Susanne immer noch unruhig, es machte ihr wirklich Sorgen, daß die Ais mit dem Raumschiff abziehen wollten. Ich beruhigte sie, es würden ja nicht alle Ais abziehen, zudem sei es mit den Triebwerken des Raumschiffes dann auch nicht so weit, daß sie nicht wieder relativ zügig bei uns seien. Ich stimmte ihr allerdings zu, daß es auch aus meiner Sicht nicht sinnvoll sei, unsere Kräfte nun aufzuspalten, denn die Erforschung der Gasriesen mit ihren Monden würde ja ähnlich anspruchsvoll werden wie die Erforschung der Zwillingsplaneten, vom Umfang und der Komplexität her eher noch anspruchsvoller, wenn es vermutlich auch unrealistisch sei, etwa auch in den Atmosphären der Gasriesen Leben zu finden.
Wir entwickelten dann die Idee, unsere Ressourcen zu nutzen und die Untersuchung von Skylla zügiger voranzutreiben. Susanne wollte dann nach dem Schlafen gleich ihr Kartenmaterial durchsehen, um weitere Missionsziele auf Skylla konkret zu benennen, wo wir ausgiebige Untersuchungen machen sollten. Ich stimmte zu, damit konnten wir einerseits die ohnehin nicht besonders vielversprechenden Untersuchungen auf Skylla zügiger zuendebringen, zudem würden wir mit zwei weiteren kleineren Missionen wie Eroberer und Wüstenfuchs die Ais schon ganz gut auslasten. Zudem könnten wir insbesondere für den Eroberer noch Ergänzungsmodule absenden, um dessen Leistungsfähigkeit zu erhöhen, denn seine Roboterschwärme kamen mit Reparaturen zwar gut zurecht, hatten im Grunde aber nicht die Kapazität, um nennenswert selbst neue Ausrüstung zu konstruieren. Die Ergänzungsmodule könnten zudem leistungsfähigere Antriebe beeinhalten und auch je einen größeren chemischen Konstruktor und einen Fusionsreaktor, um dann doch in nennenswertem Umfang vor Ort neues Werkzeug aus dem dort verfügbaren Material gestalten zu können.
Susanne war mit dem Plan ganz zufrieden, so kam sie dann doch zur Ruhe und bald nach unseren üblichen erst anregenden, dann entspannenden Spielen schliefen wir ein.
Morgens beim Frühstück waren wir dann schon ganz zuversichtlich und guter Laune. Wir hatten es uns zur Angewohnheit gemacht, vor der Arbeit im mittlerweile ja fertiggestellten Durchlauf der Station ein paar Runden zu drehen. Esme hatte nur darum gebeten, den Torus nicht jeden Tag in derselben Richtung zu durchlaufen, sonst müßte sie doch irgendwann einmal die Rotationsgeschwindigkeit korrigieren. Wir schmunzelten, soviel Masse hatten wir ja nun auch nicht, um dieses Laufrad wirklich ordentlich in Schwung zu bringen, rechneten aber nicht einmal nach, drehten dann eben ungefähr abwechselnd mal so und mal so herum unsere Runden durch die Station, die inzwischen ihren vollen Leistungsumfang erreicht hatte, der Ausbau war praktisch abgeschlossen.
Auch deswegen hatten wir natürlich reichlich Arbeitsleistung an Roboterschwärmen verfügbar, um auch anspruchsvollere Module zur Erkundung von Skylla in Auftrag zu geben.
Susanne machte sich dann bald an die Sichtung des Kartenmaterials nach weiteren interessanten Regionen und Strukturen, während ich das aktuelle Material von Eroberer und Wüstenfuchs und kleineren Sonden sichtete, auch einmal nach dem Stand der verschiedenen Absorberprojekte sah. Diese letzteren verwaltete ja hauptsächlich Körk, der damit die größten Roboterschwärme verwaltete, bereits einige Subsysteme in kleineren Stationen ausgelagert hatte, um alles steuern zu können. Der äußere Asteroidengürtel Freki hatte sich schon deutlich umstrukturiert, da wurde alles fein säuberlich sortiert und dann auch in Absorbern verbaut, aber auch als Rohstoffklötze zur weiteren Verwendung gelagert, die jeweils alle kleine Antriebe hatten, um kleinere Positionskorrekturen relativ zueinander durchführen zu können. So würde sich also nichts durch einen zufälligen Zusammenstoß auf den Weg insbesondere zu uns machen. Ein gewisses Risiko bestand natürlich noch durch Objekte aus dem Streufeld Wotan, die immer noch dort einschlagen konnten und so an solchen Rohstoffklötzen streuen, damit eine Kaskade von Störungen auslösen mochten, die nicht mehr zu korrigieren wären. Allerdings hatten die Absorber und Sonden im Streufeld Wotan dies inzwischen gut kartographiert. Daher konnten wir davon ausgehen, daß wir wenigstens alle Objekte mit einer Masse von mehr als einer Tonne darin bereits kannten und weit vor der Annäherung an die Hauptekliptik unter Kontrolle haben würden.
So ging das schon alles in Ordnung und deutete auf keinen Grund zur Sorge mehr hin. Anders als bei unserer Ankunft wußten wir nun viel mehr über das System, so daß wir besser vorbereitet waren, wirkliche Überraschungen durch große Brocken wohl einstweilen nicht mehr drohten. Es war natürlich immer noch möglich, daß Objekte aus weiteren Streufeldern aus dem äußeren Sonnensystem zusammenstießen und sich von dort große Brocken zu uns auf den Weg machen konnten, aber Körk hatte auch für solche Fälle eine breite Sondenüberwachung angelegt, so daß wir gute Chancen hatten, solche Irrläufer zu entdecken, bevor sie die Region des Asteroidengürtels Freki passieren würden.
Susanne zeigte mir dann ein gewaltiges Gebirgsmassiv, vermutlich durch Plattentektonik entstanden und noch nicht durch Stauberosion abgeschmirgelt und abgetragen, was auch daran liegen mochte, daß es sich an einer Küstenregion erhebt, wo es dann entsprechend im Meer davor auch einen Tiefseegraben gibt. Hier regnet es auf der Meerseite regelmäßig ab, was diese Seite auch vor starker Wind- und Stauberosion schützt, zudem ist das vermutlich auch die Ursache dafür, daß die höchsten Gipfel dauerhaft mit Schnee und Eis bedeckt sind.
Unsere Überlegung war nun, daß das Gebirge und auch der Tiefseegraben deutlich andere Umweltbedingungen bieten könnten, wir hier also weitere Möglichkeiten für die Ansiedlung von Leben sahen.
Bei der Besprechung am Nachmittag äußerte zu Susannes und meiner Überraschung dann noch vor unseren Argumenten Esme ihre Bedenken, sich so stark aufzuspalten. Sie führte aus, die Verwaltung der Station und der Absorber sei bereits anspruchsvoll, dazu die Missionen auf Skylla, da würden wir weitere Ais brauchen, wenn wir wirklich gleichzeitig auch noch die Gasriesen untersuchen wollten.
Körk und Ida sahen das nicht so dramatisch, sie meinten viel mit Subsystemen überwachen zu können. Hildegard sah bei den Gasriesen nicht so viele Optionen, Ökosysteme anzusiedeln, wollte sich aber einer davon unabhängigen Erforschung nicht verschließen, war aber nicht sonderlich davon begeistert, unsere aktuellen Bioforschungsprojekte auf dem Raumschiff und der Raumstation so weit räumlich zu trennen, daß sie faktisch permanent gezwungen wäre, sich aufzuteilen und nur gelegentlich zu synchronisieren, um den Überblick zu behalten. Falls wir also wirklich bereits jetzt eine Mission zu den Gasriesen starten wollen, hielt sie es eher für sinnvoll, das Biomaterial in der Nähe der Raumstation zu belassen und neue Ais zu erschaffen, um die Gasriesen zu erforschen.
Da wir ohnehin gerade am Sammeln waren, warf Susanne dann ihren Vorschlag ein, lieber die Untersuchung von Skylla zu intensivieren, Eroberer und Wüstenfuchs mit weiteren Modulen zu ergänzen, um sie leistungsfähiger zu machen, dann aber zwei weitere Missionen auf dem Planeten zu starten. Dazu zeigte sie das verfügbare Material zu dem Gebirgsmassiv und dem Tiefseegraben vor und wir argumentierten über die deutlich anderen Umweltbedingungen. Zudem plädierten wir dafür, lieber die Untersuchungen auf Skylla mit allen verfügbaren Ressourcen fortzuführen, statt unsere Möglichkeiten auf verschiedene Projekte im ganzen Sonnensystem aufzuspalten.
Körk und Ida hatten sich nicht wirklich eindeutig positioniert, daß sie unbedingt die Gasriesen und deren Monde kurzfristig untersuchen wollten, hielten das nur für sehr interessante Projekte. Das sprachen wir ihnen auch nicht ab.
Mein Vorschlag war dann, die freigewordenen Kapazitäten der Roboterschwärme der Raumstation zu nutzen, um die zusätzlichen Module für Eroberer und Wüstenfuchs zu konstruieren, dazu zwei weitere Missionen, eine für das Gebirge, eines für den Tiefseegraben davor.
Daneben könnten wir Kapazitäten und Ressourcen vom Asteroidengürtel nutzen, um dort eine leistungsfähige Mission mit zwei Forschungsstationen mit gutem interplanetaren Antrieb und je einer neuer Ai zu verwirklichen, mit denen wir dann genug neue Ressourcen hätten, um die Gasriesen weitgehend unabhängig zu erforschen. Die ohnehin bereits dort im Bau befindliche Raumstation könnten wir so umfunktionieren, um damit dann zwei Ai-Missionen zu den Gasriesen umzusetzen. Das würde so zwar länger dauern, als das Raumschiff zu nutzen, das hätten wir dann allerdings frei, um mit seinem Hochleistungsantrieb dann bei akutem Bedarf zwischen unseren verschiedenen Aktivitäten in ganz verschiedenen Bereichen des Sonnensystems zu vermitteln und notfalls auch Material auszutauschen, wenn es nicht ausreiche, Informationen auszutauschen.
Das fand dann guten Zuspruch und auch für Körk und Ida war das ganz in Ordnung. Die Verzögerung machte ihnen nicht wirklich etwas aus und mit dem Plan waren nun die Kapazitäten der Ais und auch der Roboterschwärme wieder gut ausgelastet. Bereits vier Missionen auf Skylla bei dem angepeilten Leistungsumfang würde reichlich Arbeit bedeuten. Den Bau der zwei Gasriesen-Forschungsstationen würde dann weitgehend Körk im Bereich des Asteroidengürtels mit Hilfe von Subsystemen organisieren und umsetzen. Ida würde sich sowohl daran beteiligen als auch an den Missionen auf Skylla. Hildegard würde dann neben den Agrarkulturen auch die beiden neuen Missionen auf Skylla schwerpunktmäßig betreuen, Esme mit Ida zusammen die beiden schon bestehenden. Bei Susanne und mir würden dann die Informationen der Skylla-Missionen zusammenlaufen und regelmäßig würden wir dann gemeinsam die aufbereiteten Daten interpretieren und unsere Schlüsse ziehen.
Während ich gleich nicht von einem ernsthaften Konflikt mit den Ais ausgegangen war, dafür waren diese viel zu umsichtig und sachlich, war Susanne sehr erleichtert, daß wir so eine gute Lösung gefunden hatten und die Aufgaben für die nächste Zeit ganz gut festgelegt waren. Sie mochte es eher planvoll und nicht so überraschend, die drohende Auftrennung unserer kleinen Gruppe hatte sie schon etwas gestreßt, was sich nun aber wieder legte. Ich merkte aber schon, daß sie die Tage nach dieser Besprechung instinktiv noch engeren Kontakt zu mir suchte, worauf wir dann unsere Zweisamkeit noch intensiver genossen als bereits zuvor.
Die kommenden Monate waren wir dann eifrig dabei, sowohl die neuen Projekte umzusetzen als auch die bereits laufenden Untersuchungen auf Skylla sorgsam zu überwachen. Zuerst hatten wir die ergänzenden Module für Eroberer und Wüstenfuchs fertig, was dann nach erfolgreicher Landung und Integration zu einer noch detaillierteren Datenflut sorgte.
Dann hatten wir auch bald die Bergmission fertig und in Modulen gelandet, dann auch vor Ort zusammengesetzt. Diese nannten wir Yeti, denn sie sollte ja schwerpunktmäßig die teils schneebedeckten Berge erforschen, zunächst auf der Regenseite, dann aber durchaus auch auf der Wüstenseite.
Die Tiefseemission, die wir Nautilus nannten, stellte dann natürlich ganz andere Ansprüche an das Material und die Probennahme. Zwar hatten wir hier nur wenig Schäden durch Staub und Sand zu befürchten, in der Tiefe ist der Wasserdruck ja aber erheblich und genaue Daten darüber, wie tief der Graben letztlich ist, hatten wir noch nicht.
Zwar hatten wir Eroberer, Wüstenfuchs und auch Yeti mit seismischem Gerät ausgestattet, um über seismische Wellen nicht nur die Oberfläche, sondern auch tiefere Gebiete von Skylla zu untersuchen, aber aufgrund der Einzugsbereiche der Missionen waren unsere Daten da noch sehr lückenhaft, obgleich wir auch kleinere Sonden mit Sensoren abgesetzt hatten, die dann über den Planeten verteilt nach den seismischen Signalen von Erdbeben, Vulkanausbrüchen, aber auch den charakteristischen Pulsen der seismischen Module von Eroberer, Wüstenfuchs und Yeti lauschten.
Mit einer kleinen Vormission loteten wir dann den Tiefseegraben wenigstens grob aus, dann auch andere Bereiche. Tiefseegraben und Bergmassiv sind ja ein Bereich der Tektonik des Planeten, wo sich eine Platte über die anderen schiebt, daher auf der einen Seite eine massives Gebirge, auf der anderen ein Tiefseegraben. Wenn es das gibt, gibt es natürlich irgendwo aus Stellen, wo Platten auseinanderdriften. Danach suchten wir mit Susannes Karten und Sonden natürlich auch, loteten dann noch weitere Bereiche aus, änderten dann irgendwann nach einiger Überlegung und Diskussion in großer Runde das Missionsziel von Nautilus und wollten dann doch zunächst solch eine divergierende Plattengrenze, also eine Bruchzone untersuchen, später dann eventuell zu einem destruktiven, konvergierenden Bereich einer Subduktionszone wie den Tiefseegraben untersuchen.
Die Kartographie hatte über die längere Zeit und durch den Einsatz diverser Sonden dann doch ganz gute Fortschritte gemacht. Zusammen mit den seismischen Daten hatten wir mittlerweile einen ganz guten Eindruck von den Aktivitäten und Landschaften von Skylla.
In einer Bruchzone hofften wir auf Phänomene wie die von der Erde bekannten schwarzen und weißen Raucher, die ja auch auf der Erde eine besondere Ökonische für besondere Arten darstellen. So wäre es ja auch möglich, daß sich am perfekt vor den Sandstürmen geschützten Meeresgrund im Bereich der Bruchzonen mit solchen schwarzen und weißen Rauchern ausreichende Ressourcen von Substanzen und Energie finden würden, um dort wenigstens Leben zu ermöglichen. Das war also unser Ziel und so landeten dann auch endlich die Module der Nautilus-Mission in diesem Bereich des Meeres, setzten sich zusammen und tauchten ab, um die Tiefsee zu erforschen.
Eroberer und Wüstenfuchs förderten jedenfalls auch weiterhin keine Anzeichen für Leben zutage, wir bekamen aber haufenweise Informationen über die typische Zusammensetzung des Planeten. Selbst die feine Sandmischung der Wüsten war eigentlich ziemlich reichhaltig an interessanten Grundstoffen, die mit Roboterschwärmen und den chemischen Konstruktoren spielend ausreichen würden, um eine Kolonie zu errichten. Primär war es die gnadenlose, erbarmungslose, sandstrahlähnliche Erosion der Staub- und Sandstürme, die ein Hindernis für eine Kolonie bedeuten würden. Unsere Missionen, besonders der stark exponierte Wüstenfuchs, hatten deswegen permanent Reparaturaufgaben und Rekonstruktionen von abgeschmirgeltem Material auszuführen.
Yeti lieferte dann zwar Daten mit deutlich neuen Aspekten, zunächst von der Regenseite des Gebirgsmassivs, dann auch von oberhalb der Schnee- und Eisgrenze. Nun, Schnee und Eis sind auch hier ziemlich schmuddelig, die Gebirgsgipfel haben also keine wirklich weißen Mützen auf. Anzeichen für Leben fand sich aber auch hier nicht, weder am feuchten Fuß des Gebirgsmassivs noch oben im gräulichen Eisgipfel und auch nirgends dazwischen.
Wir fanden einen geeigneten Paß, um dann auch hinüber auf die Wüstenseite des Gebirges zu gelangen. Oben war das Gebirge noch immer durch einige Eiseinlagerungen geprägt, was dann aber ziemlich schnell in trockene Gebiete überging, die wir mehr oder weniger schon ähnlich kannten, wenn auch nicht in solchen Höhen. Wir suchten zunächst eher am Rand von Eisablagerungen. Das mochte noch einmal besondere Bedingungen ergeben. Auch hier fanden sich aber keine Anzeichen auf Lebewesen. So zog Yeti auch auf dieser Seite des Gebirges zunehmend weitere Kreise und lieferte große Datenmengen auch mit kleineren Submissionen.
Wir wechselten dann aber doch bald wieder über die Paß auf die Meerseite und suchten dort intensiv weiter, allerdings so ergebnislos wie mit Eroberer und Wüstenfuchs auch.
Mit einem leistungsfähigeren Antrieb und der Möglichkeit für reichlich Submissionen ausgestattet kam nun auch Eroberer an den Küstenregionen des Flachmeeres deutlich weiter voran. Wir hatten inzwischen den Eindruck gewonnen, daß sich diese Region durch die Tektonik gehoben hatte, das Meer hier langfristig austrocknen würde, auch deshalb nun schon sehr mineral- und salzhaltig war. Die Strukturen der Küstenregionen ergaben sich zum guten Teil aus dem Rückzug des verdunstenden Meeres. In einigen zehntausend Jahren würde es hier vermutlich nur noch eine Salz- und Mineralienlagerstätte geben. Obwohl das hinsichtlich des Lebens ziemlich trostlos ist, ist von der Erde her auch für solch eher widrige Bedingungen von Salzwüsten Leben in Form von Mikroorganismen bekannt, die geschützt in Kristallen und rissigen Gesteinen Restfeuchtigkeit halten und akkumulieren, um zu überdauern. Es gibt auf der Erde sogar Mikroorganismen, die eingelagert in Steinsalz hundertausende, vielleicht gar Millionen von Jahren überdauern können. Auch all das untersuchten wir natürlich, finden tat sich in der Hinsicht indessen nichts.
Der Bereich könnte aber schon interessant sein, um gewisse Rohstoffe in relativ hoher Konzentration abzubauen.
Wir mußten natürlich einräumen, daß wir eigentlich immer nur an der Oberfläche kratzen, eventuell in größeren Tiefen konserviertes Leben würden wir vermutlich allenfalls zufällig finden, vermutlich aber eher gar nicht. Allerdings wären solch einfache Mikroorganismen kein ethisches oder moralisches Hindernis für eine eigene Kolonie nach einer Terraformung. Veränderungen sind der Normalfall im Universum. Es ist nichts Verwerfliches daran, sich einen eigenen Platz zu schaffen.
Der Wüstenfuchs hatte sich ja auch in die Nähe eines aktiven Vulkans gewagt, hatte dort mit Submissionen allerhand erforscht, auch ein paar Sonden an den Vulkan verloren, aber doch reichlich Daten geliefert, auch alles sehr interessant und relevant für eine mögliche Kolonisierung des Planeten. Ein Hinweis auf Leben war indessen auch hier nicht zu finden.
Aufgrund der Daten dieser Landmissionen und der vielen Proben aus der Atmosphäre ließen wir dann auch Simulationen laufen, was wohl passieren würde, wenn wir wirklich das Eis aus dem Asteroidengürtel Freki nehmen würden, um Skyllas Atmosphäre reinzuwaschen. Welche chemischen Reaktionen wären zu erwarten, wie würde sich insbesondere die Zusammensetzung der Atmosphäre ändern, was würde alles in die Meere gespült und diese mit Mineralien anreichern?
Wie würde sich das Land verändern?
Letztlich waren das Fragen, die zu komplex für einfache Simulationen waren. Immerhin hatte der Planet ja Wasser und Regen, wenn auch in den weiten Wüsten wenig davon. Elementare Reaktionen waren also bereits viel früher abgelaufen, wenn auch in einigen Regionen aufgrund der Trockenheit für unsere Zwecke noch unzureichend. Wir fanden keine Anzeichen dafür, daß mit der einsetzenden Sintflut etwas passieren könnte, was die Bedingungen für eine Kolonialisierung verschlechtern würde.
Von daher hatten wir also bereits sehr gute Forschungsergebnisse auf Skylla erzielt, konnten damit ganz zufrieden sein, waren unseren Missionszielen schon ein gutes Stück nähergekommen. Skylla erwies sich zwar bislang nicht als Kandidat mit bestehendem Leben, würde sich aber für Terraformung und die anschließende Ansiedlung von Leben passabel eignen. Da war noch nicht abzusehen, wie lange das dauern würde, aber die Perspektive war bereits deutlich zu erkennen.
Mit der Nautilus eroberten wir die Tiefsee von Skylla, wobei wir tricksen mußten, um überhaupt Kontakt zu halten. An der Oberfläche des Meeres hatten wir mehrere Sonden positioniert und kommunizierten dann mehr oder weniger akustisch, ähnlich den Walen. Damit ist zwar die Menge der übertragenen Daten stark begrenzt, für unsere Zwecke mit einem halbintelligenten Subsystem auf der Nautilus aber kurzfristig ausreichend. Zur Übertragung von Details und Ergebnissen tauchte Nautilus gelegentlich auf und die Übertragungsart und -rate wurde umgeschaltet.
Nautilus fand an den Bruchstellen interessante Zonen, wo Rohstoffe ähnlich wie bei weißen und schwarzen Rauchern auf der Erde austreten, die Art und Form ist hier auf Skylla aber anders ausgeprägt, was eventuell auch an den allgegenwärtigen feinen Sandpartikeln liegt. Von diesen fand sich auch an ziemlich frisch entstandenen Bereichen bereits eine dünne Schicht. Auch dort, wo der Antrieb der Nautilus solche feinen Sedimente fortwirbelte, fand sich bald darauf wieder eine dünne Schicht. Jedenfalls fand die Nautilus weder in diesen Sedimenten noch an den Rauchern Hinweise auf biologisches Leben. Damit hatten wir natürlich in der kurzen Zeit nur wenige solcher Stellen untersucht, waren aber zunehmend der Meinung, auch sonst nirgends mehr etwas zu finden.
Nautilus sollte selbstverständlich weiter intensiv entlang der Bruchzone suchen, dann auch wechseln und andere Bereiche seismischer Aktivitäten untersuchen, allgemein auch einige ruhigere Zonen. Es schien aber nicht plausibel, gerade dort etwas zu finden, wo es praktisch keine Energiequellen mehr gibt. Leben erfordert eine ständige Dynamik in einem Nichtgleichgewichtszustand, einem Energiefluß, von dem es irgendwie partizipieren kann. Wo aber nichts ist als trübes Wasser, Sand, da tauscht sich auch nichts aus, ist nicht wirklich etwas im Fluß, was nutzbar wäre.
Eine andere Überlegung war natürlich auch – selbst wenn es irgendwo in der Tiefsee Leben gäbe, würde das nicht davon beeinträchtigt werden, wenn wir oben eine Sintflut aus den Quellen des Asteroidengürtels veranstalten.
So würde Nautilus also in der Tiefsee so oder so noch weitgehend ungestört durch unsere Aktivitäten nach Leben suchen können, welches von uns auch weiterhin ungestört wäre.
Konflikte würde es schon eher in jenen Uferbereichen geben, wo der Eroberer seine Untersuchungen vornahm. Nicht ohne Grund hatten wir dort ja mit unserer Suche begonnen.
Natürlich hatten wir mit den Missionen Eroberer, Wüstenfuchs, Yeti und Nautilus nach etwa einem Jahr nur einige charakteristische Zonen von Skylla stichprobenartig untersuchen können, hatten kein Leben gefunden. Was bedeutete das nun?
Wären wir auf der Erde ähnlich vorgegangen, hätten wir binnen eines Tages etwas gefunden.
Wie Ida berichtete, hatte man ja auf dem Mars Mikroorganismen gefunden. Mit unseren Möglichkeiten hätte man ähnliche Lebewesen aber wohl mit Eroberer, Wüstenfuchs oder Yeti binnen einer Woche gefunden.
So neigten wir jedenfalls zu der Ansicht, wahrscheinlich nichts mehr zu finden. So planten wir schon einmal vorsichtig an, wie die Sintflut aus dem Weltraum praktisch umzusetzen sei. Aufgrund der komplizierten Bahnen in einem Zwillingsplanetensystem ist es indessen nicht so einfach, mit einem Eisbrocken vom Asteroidengürtel aus einmal zu zielen und dann wirklich Skylla zu treffen, geschweige denn eine bestimmte Region. Wir müßten die Eisbrocken also mit korrigierenden Antrieben ausstatten und lenken. Da man das eher nicht mit jedem kleinen Brocken tun möchte, sollten es also relativ große sein. Für unser Vorhaben durften die aber auch nur so groß sein, daß sie noch vor einem Aufschlag auf dem Grund in der staubhaltigen Atmosphäre durch die Reibung zerschmolzen und verdampft sind. Nun, wir ließen Simulationen laufen. Es war dann bald klar, daß wir bei einer größeren Aktion mit vielen Eisbrocken, die nötig wäre, um die gewünschte Sintflut auszulösen, nicht mehr mit der Station in der Nähe sein sollten.
Ein Umzug nach Charybdis war also Voraussetzung für die Aktion.
Aber würde das reichen?
Die Bahnen sind in solch einem System schnell chaotisch. Kleine Abweichungen und Ungenauigkeiten im Anflug ohne ausreichende Korrektur können schnell dazu führen, daß auch Eisbrocken versehentlich nach Charybdis unterwegs sind, versehentlich den Absorber der Raumstation treffen. Sollten wir mit dieser also vielleicht noch weiter raus bis zum Asteroidengürtel?
Die Aktion Sintflut würde Jahre dauern, also wäre das grobe Zeitverschwendung. So sollte zunächst einmal nur ein Test durchgeführt werden, ein Eisbrocken mit relativ großzügig ausgelegtem Antrieb, dazu einige Sonden mit leistungsfähigen Lasern, um notfalls durch Abschmelzen im Weltraum Bahnkorrekturen vorzunehmen. Das wäre sicherlich bei der Aktion Sintflut nicht mehr möglich, da wären zuviele Brocken gleichzeitig unterwegs, aber als Sicherheitsmaßnahme bei unseren ersten Tests war das durchaus machbar.
Nun, wir führten den Test dann durch, ohne die Station aus der Umlaufbahn um Skylla zu entfernen und trafen jedenfalls mit Hilfe der großzügigen Antriebe sehr genau. Da wir diese natürlich nicht selbst in Skyllas Boden rammen wollten, mußten die rechtzeitig abgetrennt werden, was aber auch gut funktionierte und so gelang es uns wirklich, einen bescheidenen Brocken von einigen hundert Tonnen beim Eintritt in die Atmosphäre aufbrechen und zerschmelzen zu lassen, so einen kleinen Regenschauer auszulösen. Das war ein Erfolg, aber nur ein sehr bescheidener Anfang.
Nach dem Test hatten wir jedenfalls einige weitere Informationen und Einfälle für Simulationen, unter anderem optimierten wir so die Strukturierung der Eisbrocken, um damit dann auch wirklich einen Regenschauer auszulösen. Einerseits muß der Eisbrocken für die Reise nach Skylla und die Kurskorrekturen der Antriebe stabil genug sein, andererseits war es wünschenswert, daß dieser beim Eintritt in die Atmosphäre zerfällt. Mit den Simulationen probierten wir einige Rezepte durch, um eine gute Granulierung der Brocken zu finden, welche die Roboterschwärme bei der Erzeugung der Brocken ungefähr umsetzen sollten.
Unterdessen waren auch die beiden Stationen für die Missionen zu den Gasriesen fertiggestellt. Diese waren gleich darauf optimiert, um nur mit und von Ais betrieben zu werden, so konnten sie deutlich kompakter und einfacher umgesetzt werden als die große Raumstation, auf der Susanne und ich untergebracht waren. Die Erzeugung der beiden Ais war dann wieder ein etwas geheimnisvoller Akt der Ais untereinander, die jeweils von ihren Grundlagen etwas dazugaben und auch einem größeren Vorrat beimischten. Da die beiden nicht direkt mit uns Menschen auf der Station in intensivem Kontakt stehen würden, hatten die eine Optimierung stark auf ihre Mission hin, konnten aber natürlich bei Bedarf schon zu Diskussionen hinzugezogen werden. Lediglich die durch die Lichtgeschwindigkeit begrenzte Übertragungszeit wäre dann etwas hinderlich, wenn sie wirklich bei den Gasriesen wären. Wieder galt es dann Spitznamen zu finden, die Ais schlugen locker Namen nach meinem Vorbild vor. Einen nannten wir Stanis nach Stanisław Lem, den anderen Asi nach Isaac Asimov. Und nach einer kurzen Selbstfindungsphase schickten wir sie dann los auf ihre Mission.
Sie hatten eine gute Ausrüstung dabei, auch leistungsfähige Roboterschwärme, chemische Konstruktoren, Fusionsreaktoren, für interplanetare Reisen ausreichende Antriebe, mit denen sie zügig unterwegs waren, bereits nach rund einem Monat im Zielgebiet, wo sie ihre Untersuchungen bei den Gasriesen begannen und bald allerhand Daten lieferten über die Atmosphärenzusammensetzung und diverse andere Eigenschaften der Gasriesen.
Trickreich fanden sie sogar etwas über die ungefähre Schichtung der Planeten heraus. Mit kleinen Sonden suchten sie auch die Eismonde ab und lieferten bald ein spektakuläres Ergebnis. Asi hatte Mikroorganismen in den Eruptionen gefunden von Eisgeysiren eines Eismondes gefunden!
Mindestens bei diesem Mond gibt es also einen flüssigen Ozean unter dem Eis. So wurde auch zügig die Seismik untersucht und damit ein Schichtenprofil des Mondes erstellt. Auch da waren die Hinweise auf reichlich Flüssigkeit, Wasser unter dem Eis ziemlich eindeutig.
Vor einer Tiefenbohrung in diesen Ozean war aber der Plan, auch die andere Monde ähnlich zu untersuchen, um erst einmal einen groben Überblick zu bekommen.
Wir hatten also Leben in diesem Sonnensystem gefunden und fragten uns nun schon, warum auf Skylla nicht. Hatte es irgendwann eine fatale Katastrophe gegeben oder reichte die warme, staubige Atmosphäre schon aus, zum empfindliches biologisches Material immer wieder zu zerschmirgeln?
Reichten die in der Atmosphäre vorgefundenen kleinen Anteile von nicht abreagierten Stoffen, um aufkeimendes Leben immer wieder gleich zu vernichten?
Eine endgültige Antwort würden wir wohl nicht finden.
Selbst wenn es in einem solchen Ozean eines Eismondes komplexere Lebensformen geben sollte, würde uns das praktisch bei unserer Mission weiterhelfen?
Natürlich würden wir das ausgiebig erforschen, unter den Bedingungen gingen wir aber nicht davon aus, daß solche Wesen in der Umgebung eine ähnliche Intelligenz wie die der Menschen nötig hätten, da wäre vermutlich wie in den Meeren der Erde gewisse praktische Grenzen hinsichtlich technischer Werkzeuge gesetzt, auch die Entwicklung einer Schrift wäre wohl deutlich schwieriger als an Land.
Ohnehin war der Abstand zur Sonne Rasol zu groß, um diese etwa zu nutzen, um Pflanzen anzubauen. So war es für uns ohnehin nicht erstrebenswert, dort eine Kolonie zu errichten. Indessen die Information über Leben dort war für uns schon sehr spannend und relevant. Wenn man von der verbreiteten Hypothese ausgeht, daß sich Leben jedenfalls innerhalb eines Sonnensystems von Planet zu Planet etwa durch Einschläge von Asteroiden verbreiten kann, deutete Leben in einem Ozean eines Eisplaneten dann nicht überdeutlich darauf hin, daß es hier noch deutlich mehr geben mußte?
War es da nicht sehr wahrscheinlich, daß sich Leben in der habitablen Zone von Rasol erst recht ausgebreitet haben mußte?
Nun, diese habitable Zone beherbergte aber gerade Skylla und Charybdis.
Warum war auf Skylla also kein Leben zu finden?
War es das wenigstens auf Charybdis?
Wir hatten die Reihenfolge ja extra so festgelegt, weil wir auf Charybdis Leben vermuteten, also eher geringere Chancen, dort eine Kolonie zu errichten, weil wir keine Konflikte mit vorhandenen komplexen und vitalen Biosphären wollten. Nun waren wir aber alle längst der Auffassung, daß es höchste Zeit sei, wirklich auf Charybdis nachzusehen, was dort los war. Die Untersuchungen auf Skylla durch Eroberer, Wüstenfuchs, Yeti und Nautilus würden natürlich weitergehen, die Raumstation wollten wir nun aber doch nach Charybdis verlegen, um auch dort die Untersuchungen systematisch zu beginnen.
So waren wir mit unserer Suche nach Leben dann letztlich doch erheblich binnen eines Jahres vorangekommen. Das Fehlen solcher Anzeichen auf Skylla war ja nun eigentlich nicht als Fehlschlag zu werten, im Gegenteil, das war ja unser Ziel gewesen, einen unbewohnten Planeten in der habitablen Zone zu finden, aus dem man etwas machen kann. Von daher hatten wir wohl auch in der Hinsicht einen Volltreffer gelandet. Kritisch diskutierten wir natürlich auch über die Möglichkeit, daß wir hier nichts gefunden hatten, weil wir eigentlich gar nichts finden wollten. Hatte unser Wunsch, unser Missionsziel beeinflußt, wie und wo wir gesucht hatten?
Wenn man bewußt oder unbewußt eigentlich gar nichts finden will, ist es auch nicht so erstaunlich, wenn man dann auch wirklich nichts findet. Wäre es möglich, daß wir solch einer Selbsttäuschung aufgesessen waren?
Aber so kritisch wir unsere Daten auch betrachteten, es wollte sich nicht der Eindruck einstellen, daß wir unbewußt oder gar absichtlich etwas übersehen hätten, mehr Möglichkeiten gehabt hätten, etwas zu finden. Aktuell waren die Bedingungen auf Skylla eben nicht wirklich gut. Auch für unsere Zwecke mußten wir erst mit der Terraformung, dann mit der Ansiedlung robuster Pflanzengemeinschaften beginnen, um den Planeten für uns bewohnbar zu machen. Das war jedenfalls undenkbar mit den Staubstürmen und der relativ warmen Atmosphäre. Unsere Simulationen zeigten aber, daß wir mehr als genug Wasser verfügbar hatten, um die Partikel aus der Atmosphäre zu waschen und so viel günstigere Bedingungen zu erschaffen. Einmal mehr stellte sich die Frage, ob Skylla bereits immer so verwüstet war oder doch etwa von Asteroideneinschlägen so verwüstet worden war. Charybdis war das sicher nicht, lag das vielleicht nur am viel höheren Wasseranteil?
Klärte sich deshalb die Atmosphäre dort relativ schnell, auf Skylla aber eben nicht?
Vielleicht blieb auf Skylla aufgrund der Trockenheit einfach nicht genug Zeit zwischen den Einschlägen, damit sich günstige Bedingungen einstellen konnten, bei Charybdis hingegen schon?
Nun, letzteres wollten wir nun dringend untersuchen, um Gewißheit zu bekommen.
Mit Susanne vertrug ich mich zum Glück in diesem Jahr sehr gut. Wir hatten gut gewählt, wenn auch nicht abzusehen gewesen war, daß es für eine Beziehung in dieser Form reichen würde, aber auch die funktionierte. Je mehr sie sich einlebte, desto offener und selbstsicherer wurde Susanne. Sie wurde stärker und selbständiger und integrierte sich sehr gut in die Mission. Sie gehörte bald ganz selbstverständlich dazu, hatte ihren festen Platz.
Trotzdem war es für uns oft vor oder nach der intensiven Arbeit etwas eigenartig, wenn wir durch die große, sonst so weitgehend stille Raumstation gingen oder liefen. Das war für deutlich mehr Leute angelegt. Die Agrarkulturen hatten inzwischen auch genug für mehr Personen zu bieten, wir hatten in der Hinsicht also keine Not. Allerdings gab es ja auch immer noch das Gebot, eher sparsam mit den vorhandenen Kryo-Zombies umzugehen, denn es war ja nicht der primäre Missionsplan, eine Kolonie in einer Raumstation zu etablieren, sondern auf einem Planeten. So hüteten wir uns davor, Gründe zu suchen, um die Station mit mehr Menschen zu füllen.
Die auf dem einen Eismond vorgefundene Biologie hätte schon einen guten Grund geliefert, etwa einen Biologen hinzuzuziehen, etwa jenen Peter, den ich bereits in der Vorauswahl hatte. Ein einzelner Mann und zwei Frauen als Paar, das bot aber wiederum auch Potential für soziale Konflikte und Drama auf der Station. Das Risiko würde sich also wohl erst lohnen, wenn wir zum Beispiel auf Charybdis etwas finden würden.
Da wir persönlich miteinander sehr gut auskamen, hatten wir nun auch keinen ganz dringenden Bedarf nach einem Mann, auch wenn es wirklich ein ausgewiesenes Schnuckelchen zu sein schien.
Ich hatte Susanne irgendwann Peters Unterlagen gezeigt und dann auch von der Auswahl berichtet. Das hatte ich bislang nicht so ausgewalzt, weil ich da selbst ein etwas mulmiges Gefühl hatte, wie es genau dazu gekommen war. So hatten wir ihr das bislang nur ziemlich knapp erklärt und hatten meist ohnehin schnell andere, wichtigere Themen zu bearbeiten. Irgendwie hatte sich nun aber die Situation so ergeben und ich hatte wohl etwas leichtfertig in guter Laune grinsend ausgeplaudert, wie ich da den Stapel von Kandidaten durchgegangen war, um einen Menschen zur Ergänzung der Gruppe zu finden und auszuwählen.
Peter fand sie auch gleich attraktiv und interessant. Das war dann aber doch schnell erst einmal ziemlich nebensächlich.
Bei meiner kleinen Geschichte über die Auswahl war sie dann aber doch kurz irritiert, denn es wurde irgendwie schon klar, daß es nicht primär um ihre Qualifikation gegangen war, mehr um Mutmaßungen über soziale Verträglichkeit und meine persönliche Affinität hinsichtlich menschlicher Gesellschaft.
Sie runzelte da die Stirn und meinte: „Hmmm – du bist also eigentlich auf mich abgefahren und hast mich nur deshalb wiederauferstehen lassen, um meine Gesellschaft zu genießen?
Um mich zu vernaschen?“
Ich schüttelte ganz ruhig den Kopf: „Nein, die Argumentation lief anders ab und die Ais haben mitentschieden, nicht ich allein. Ich kann aber sicherlich nicht ausschließen, daß mein Unterbewußtsein auch mitgewirkt hat, meine Wahl also nicht so ganz objektiv war, wie man sich das wünscht.“
Susanne war aufgestanden, ging herum, machte überlegende Bewegungen mit den Armen, dem ganzen Körper: „Aber dein Vorschlag basierte eben wohl darauf. Und die gesamte Auswahl hatte primär zum Anlaß, dir Gesellschaft zu verschaffen, was sollte den Ais da wichtiger sein als deine Meinung?“
Ich kratzte mich verlegen am Kopf: „Du hältst es für unangebracht, dich bereits jetzt geweckt zu haben?
Also einmal abgesehen davon, daß wir es wohl beide für unangebracht halten, überhaupt ungefragt auf diese Reise geschickt worden zu sein.“
Susanne erwiderte: „Ich grübele eher über die Motive der Entscheidung. Wobei es natürlich schon so ist, daß es mir vielleicht lieber gewesen wäre, in einer größeren Kolonie zu leben, statt so wie jetzt. Also etwa eine Kolonie mit Kindern wäre sehr schön gewesen, wo ich gleich hätte unterrichten können. Ich mag Kinder, auch oder vielleicht auch weil es mit ihnen nicht immer so einfach ist, weil sie kreativ sind, einfach mal wohlgemut drauflos probieren. Und nun bin ich hier in dieser nahezu leeren, sterilen Station gefangen!“
Ich atmete tief durch, dachte ich doch eigentlich, wir kämen gut miteinander aus und bei unserer Zweisamkeit, unseren Aktivitäten war sie nun auch voll dabei gewesen.
So meinte ich: „Gut.
Über den Zeitpunkt kann man sicher streiten, aber ohne dich wiederaufzuerstehen hätten wir ja ohnehin nicht nach deiner Meinung, deinen Wünschen fragen können. Von daher kannst du mir oder uns nicht vorwerfen, daß wir nicht gewußt haben, was wir gar nicht hatten wissen können.
Ansonsten kann ich dir jedenfalls versichern, daß ich dich sehr mag. Da liegt es mir gänzlich fern, dich in irgendeiner Form ausnutzen oder manipulieren zu wollen. Wenn du das nun so empfindest und meinst, ich allein oder zusammen mit den Ais hätte etwas falsch gemacht, so tut mir das leid.“
Susanne ging noch immer schnell, suchte zunächst auch noch nach Worten.
Dann meinte sie sichtlich aufgebracht: „Ich weiß es doch auch nicht, nur nun fühlt es sich alles so schräg an. Ich bin verunsichert. Und ihr habt mich dann nach der Wiederauferstehung auch nie nach meinen Wünschen und Vorstellungen gefragt, habt mich gleich in das Projekt hineingesteckt und machen lassen, meine Unsicherheit über die Situation genutzt, um mich zu führen. Und auch mit dir ist es so schnell gegangen, daß ich gar nicht entscheiden mußte, gleich hast du mich geführt und für dich gewonnen.“
Ich saß noch immer ruhig und antwortete: „Nun, wenn du dich erinnerst, es war ja nun auch nicht gerade so, daß ich dich keck angegraben hätte. Zunächst hat Ida mit dir gesprochen. Ich bin dann zu dir gegangen, weil du ziemlich fertig gewirkt hast, was ich gut nachvollziehen konnte. Ich habe dich etwas getröstet und beruhigt. Darin kann ich jetzt keine Verführung oder erkennen. Wie hätten wir anders vorgehen können, um dich über die Sachlage zu informieren?
Wie hätte ich anders reagieren sollen, als zu versuchen, dich irgendwie zu beruhigen, dir zu zeigen, daß du nicht allein bist?“
Susanne stand ein ganzes Stück entfernt, meinte dazu: „Also, also es ist dann aber doch ziemlich schnell etwas zwischen uns passiert, was ich zuvor nicht in Erwägung gezogen hätte. Mit keiner Frau. Du hast das schon bei der Auswahl in Erwägung gezogen. Und nun sagst du, du hast das nicht so beabsichtigt?“
Ich runzelte die Stirn: „Hmmm, also ganz sicher hatte ich keinen Plan, dich zu verführen. Was passiert ist, nachdem du gefragt hast, ob du bei mir schlafen kannst, war dann ja wohl auch keine Verführung …“
Susanne unterbrach: „Da mußte ich auch noch den Anzug anbehalten. Aber dann später …“
Ich kratzte mich am Kopf: „Aus meiner Sicht hat sich das dann entwickelt. Also gut, ich fühlte mich zu dir hingezogen. Aber ich habe dich doch nicht bedrängt. Und du hast weder ablehnend reagiert noch warst du dabei passiv. Es lag also nicht allein bei mir.“
Susanne wirbelte etwas unkoordiniert mit Händen und Armen, meinte dann: „Und doch hast du mich irgendwie dazu gebracht, mit dir zusammen zu sein. Ich hätte das früher nicht in Erwägung gezogen, so intim mit einer Frau zusammenzusein.
Das verunsichert mich, ich fühle mich irgendwie benutzt, obwohl ich nicht sagen kann, du hättest mich bedrängt, aber vielleicht bist du einfach so geschickt und einnehmend, in dem Moment war ich so unsicher, schutzbedürftig, da habe ich einfach angenommen, was ich kriegen konnte. Ich glaube, ich muß etwas nachdenken, brauche etwas Zeit.“
Ich nickte wortlos, sowohl verblüfft als auch etwas enttäuscht.
Ich schluckte, ich hatte sie doch nicht wirklich überrumpelt?
Ich hatte sie doch nicht wirklich manipuliert und verführt?
Ich hätte nun etwas sagen sollen, um die Situation zu entschärfen, doch mit fiel nichts ein.
Was hätte ich tun sollen?
Susanne wollte etwas Zeit für sich, also sollte ich sie nun auch nicht bedrängen, nicht gleich wieder versuchen, sie zu beeinflussen, wenn sie das jedenfalls nun so auffaßte, was zwischen und passiert war.
Susanne schob dann nach: „Ich … ich nehme erst einmal eine der Kabinen in der Nähe eines der anderen Besprechungsräume, so haben wir beide etwas mehr Raum für uns, um ungestört nachzudenken.“
Ich schaute sie schon etwas erstaunt an, aber sie zog schon los in ihre Kabine, kam kurz darauf mit ihren wenigen Sachen wieder heraus und verschwand gleich über den Umlauf in Richtung des anderen Besprechungsraumes.
Ich saß erst einmal eine Weile etwas perplex und grübelte. Hatte ich das Geschehen nach Susannes Wiederauferstehung nur falsch in Erinnerung oder falsch interpretiert?
Oder hatte Susanne gerade eine Krise, weil wir hier ständig auf der Station aufeinanderhockten?
Gerade eng war es ja nicht, aber schon eine durchweg künstliche Umgebung, selbst in den Räumen mit den Agrarkulturen. Und nun waren wir mit unserem Forschungsprojekt an einem Punkt angekommen, wo wir abschlossen und Luft holen konnten. Hatte das diesen Ausbruch, diese Unzufriedenheit bewirkt?
Ich war ratlos und wußte nicht so richtig, was ich unternehmen könnte. Susanne wollte etwas Ruhe und Abstand, das sollte ich ihr dann wohl auch einräumen.
Später sprach mich Ida an: „Es gab einen Konflikt zwischen dir und Susanne. Ihr wart aufgeregt. Nun ist eure Stimmung und euer Verhalten auffällig.“
Ich nickte: „Ja.
Ich habe Susanne erzählt, wie es zu ihrer Auswahl gekommen ist. Das war vielleicht nicht besonders schlau, andererseits aber für sie doch offenbar wichtig, wenn sie so heftig reagiert hat, da wäre es auch falsch gewesen, es ihr für immer zu verschweigen. Sie war dann der Meinung, daß sie nur wiederauferstanden worden sei, weil ich sie vernaschen wollte. Gut, vielleicht etwas vereinfacht formuliert, aber sie ist verunsichert, während ich eher der Meinung bin, daß sich das zwischen ihr und mir eher entwickelt hat, auf beidseitigen Aktivitäten beruhte. Nun bin auch ich etwas unsicher, ob ich unser Verhalten richtig interpretiert habe. Vielleicht hätte ich damals distanzierter reagieren sollen.
Ähnlich wie sie könnte ich mich auch fragen, warum ich zuerst wiederauferstanden wurde. Ich schätze aber, das bringt nichts. Ich habe hier viel erlebt und ich meine auch, ich hatte mit Susanne eine gute Zeit und sie mit mir, daher kommt das jetzt doch sehr überraschend.“
Ida meinte dazu: „Ich könnte mit ihr reden, sie darauf ansprechen …“
Dazu war meine Auffassung: „Wenn du das willst, wartest du aber vielleicht noch ein wenig, sie möchte etwas Ruhe zum Nachdenken“
Ida erwiderte: „Ich bin mir nicht sicher, wie lange ich warten soll …“
Ich nickte: „Ja, das ist knifflig, zu früh, wenn sie noch so aufgedreht ist, ist nicht gut, da braucht sie noch Ruhe, um ganz zu sich zu kommen. Lassen wir sie aber zulange im eigenen Saft schmoren, sich etwas ausmalen, so dreht sie vielleicht noch komplett ab. Schwer, da nun den richtigen Weg zu finden.“
Ida überlegte: „Also dich habe ich gleich angesprochen und wir haben uns darüber unterhalten können.“
Ich gab zu bedenken: „Ja, ich bin wohl auch etwas entspannter, sie scheint uns gegenüber allgemein wieder gewisse Zweifel bekommen zu haben, kann sich aber nur von mir etwas zurückziehen. So ist es vielleicht schon sinnvoll, wenn du sie zunächst nicht bedrängst, aber ich bin ja an dem Konflikt nicht unbeteiligt, von daher habe ich auch keine Sicht von außen. Vielleicht ist es ja doch angemessener, wenn du nicht darauf vertraust, daß ich genau wüßte, was nun zu tun ist, denn ich bin ja auch etwas überrascht.“
Ida sprach: „Ja, ich verstehe, was du meinst. Ich folge aber deinem Gedankengang, werde noch etwas warten und dann vorsichtig fragen, um mehr Information zu bekommen, wie sie die Sache sieht. Soll ich dir dann berichten?“
Ich schüttelte den Kopf: „Ohne ihr Wissen wäre das nicht korrekt. Umgedreht kannst du ihr natürlich erzählen, daß wir uns kurz unterhalten haben. So müßtest du also schon fragen, ob du zur Vermittlung dann wiederum mir erzählen kannst, was ihr besprochen habt. Sonst wird sie erst recht vermuten, daß wir hinter ihrem Rücken etwas gegen sie aushecken oder sie benutzen, wenn sie es herausbekommt. Also besser offen agieren, dann faßt sie hoffentlich schnell wieder mehr Vertrauen.“
Damit war Ida einverstanden: „In Ordnung. Mit Menschen kenne ich mich ja nicht so gut aus. Wir sind schon aufeinander angewiesen, damit wir mit unserer Mission vorankommen und unsere Konflikte regeln.“
Ich grübelte nebenbei noch etwas weiter, wie der Konflikt zu entschärfen sei, kam aber zu keinem schlüssigen Ergebnis. Alles auf Susanne zu schieben und auf ihren ersten Schritt zu warten, schien mir auch nicht korrekt zu sein, andererseits wollte ich sie auch nicht mit einer übereilten Aktion bedrängen, wenn sie ohnehin verunsichert darüber war, ob ich oder wir sie manipuliert hatten.
Jedenfalls hatten wir dann erst einmal keinen Kontakt mehr. Meinen täglichen Rundlauf machte ich schon noch, kam dabei zwangsläufig auch an ihrem Bereich vorbei. Sie hatte ihre Läufe aber wohl zeitlich etwas verlegt, so begegneten wir uns nicht direkt.
An den verfügbaren und bearbeiteten Daten war jedenfalls erkennbar, daß sie wie gehabt am Projekt arbeitete. Von daher war die Situation für sie also vermutlich nicht so arg, daß sie sich aus Frustration komplett in eine Depression oder in eine Isolation zurückgezogen hatte.
Mir fehlte sie jedenfalls und auch unser enger Kontakt. Das bekam mir nicht so gut, aber einstweilen riß ich mich zusammen und arbeitete weiter.
Da abzusehen war, daß wir zu Charybdis wechseln würden, hatte Susanne damit begonnen, anhand der lokalen Topologie und bereits aufgenommener Daten zunächst für den Wüstenfuchs, dann auch für den Yeti ein nahezu automatisches und optimiertes Suchmuster zu entwerfen, um so über längere Zeit automatisch Daten zu sammeln.
Mit einer Substation und dem Satellitensystem um Skylla herum würde dann nur noch grob gesteuert werden müssen, kämen die Daten zu uns und so würden wir dann nicht mehr täglich entscheiden, wie es weitergeht, eher in größeren Zeitabständen die Strategie festlegen oder aber das normale Suchmuster unterbrechen, um dann gezielt neu entdeckte, verdächtige Stellen detaillierter zu untersuchen.
Auch Eroberer und Nautilus würden dann für ihre Region noch solch ein Suchmuster bekommen, dann könnten wir eigentlich nach Charybdis wechseln.
Ida berichtete dann nur kurz über das Gespräch mit Susanne, die sich derzeit wirklich auf ihre Arbeit konzentrieren wollte, also jedenfalls unserer Mission nicht ablehnend gegenüberstand, mit Ida aber wohl betont sachlich umgegangen war. Einstweilen wollte sie es auch im Kontakt zu mir dabei belassen, was wir dann jedenfalls so interpretierten, daß sie im Bedarfsfalle für Besprechungen und Sachfragen verfügbar sei. Damit mußten wir wohl einstweilen zufrieden sein.
So dauerte es noch Tage, bis alle vier Sucher auf Skylla ein optimiertes Suchmuster hatten und so über längere Zeit automatisch funktionieren würden. Dann hatte Ida eine Besprechung angesetzt. Ob ein Plan dahintersteckte oder nicht, die Besprechung sollte in dem Arbeitsraum stattfinden, den Susanne derzeit nutzte. Ich erschien pünktlich, nickte ihr zu, hob auch zur Begrüßung die Hand und winkte damit angedeutet. Sie grüßte sachlich zurück. Ich setzte mich an denselben Tisch, seitlich über Eck.
Ida, Hildegard, Esme und Körk nahmen auch an der Besprechung teil, während Stanis und Asi bei ihrer Mission bei den Gasriesen blieben. Wir gingen dann geschäftig noch einmal alle Daten durch und resümierten dann, bislang kein Leben auf Skylla gefunden zu haben. Niemand hatte einstweilen auch noch Favoriten, wo bei der Suche Prioritäten gesetzt werden sollten.
So fiel dann einstimmig nach dieser Klärung der Sachlage der Entschluß, die Station in eine Umlaufbahn um Charybdis zu verlegen, um uns dort darauf zu konzentrieren, Leben zu finden. Wir besprachen kurz die nächsten Schritte, im Grunde war aber alles vorbereitet. Die Station würde in Rotation bleiben und nur langsam die aktuelle Umlaufbahn vergrößern, bis wir auf einer Bahn wären, die nach Charybdis führen würde. Wir hatten es ja nicht eilig, so war es ja kein Problem, daß das einige Tage dauern würde.
Am Ende der Besprechung hatten sich dann die Ais zügig verabschiedet. Noch bevor Susanne oder ich es begriffen hatten, saßen wir so sozusagen privat und allein miteinander am Tisch. Die Ais waren ohnehin nicht materiell etwa mit einem Roboter repräsentiert gewesen, aber irgendwie machte es nun doch einen Unterschied, nur noch so ohne dienstliches Thema am Tisch zu sitzen. Ich schaute Susanne an, lächelte. Sie schaute erst noch auf einen Monitor in der Tischfläche. Dann bemerkte sie wohl meinen Blick, schaute kurz auf und in meine Augen, senkte dann den Blick wieder.
Ich bot dann an: „Wollen wir uns nicht wieder vertragen, uns nicht mehr aus dem Wege gehen, wieder mal etwas gemeinsam machen?“
Susanne schaute mich wieder kurz an, dann etwas zur Seite, verzog keine Miene, verzog überlegend den Mund. Ich bot ihr spontan und keck die Hand zur Versöhnung. Und wirklich, ich hatte sie damit überrumpelt. Sie nahm und schüttelte sie.
Sie lächelte kurz, meinte dann: „Das … das kam jetzt etwas unerwartet, da hast du mich wieder überrascht, aber nun ist es wohl zu spät?“
Ich erwiderte: „Auf jeden Fall, was immer wir nun auch daraus machen!“
Sie verzog den Mund kurz, lächelte dann aber wieder, diesmal länger.
Dann erklärte sie: „Ja, gut, dann gehen wir uns nicht mehr aus dem Weg und reden jedenfalls wieder miteinander.“
Ich hatte einen starken Impuls, sie in den Arm zu nehmen, wagte es aber nicht.
So schlug ich nun vor: „Dann könnten wir ja wieder benachbarte Kabinen beziehen und morgens gemeinsame Runden drehen.“
Susi nickte: „Ja, gut, ich kehre dann zurück in meine alte Kabine …“
Wir schwiegen einen Moment etwas verlegen, denn wir hätten schon noch mehr zu klären gehabt, aber irgendwie bekamen wir es nicht hin, über den eigentlichen Anlaß des Problems zu sprechen und da zu einer gemeinsamen Sichtweise zu kommen. Ob es nun wieder eine weitere, engere Beziehung geben würde, ließen wir auch offen. Auch das war nicht sehr geschickt, aber ich war erst einmal erleichtert, daß es mit uns überhaupt irgendwie weiterging und die absurde Situation des Aus-Dem-Weg-Gehens überwunden war.
Ich stand dann auf, bot an: „Wenn du magst, ich kann helfen, deine Sachen rüberzubringen …“
Susi stand ebenfalls auf, nickte: „Ja, gut. Ist ja nicht viel, bekommen wir schnell hin.“
So gingen wir den Umzug gleich an und waren bald fertig, saßen dann bald wieder fast wie früher zusammen im Aufenthaltsraum, arbeiteten an unseren Arbeitsplätzen. Nun ging es darum, kurz durchzusehen, was Esme und Ida ohnehin schon für den Umzug nach Charybdis geplant hatten. Daran gab es natürlich aus unserer Sicht nichts auszusetzen. Die Simulation paßte, das hätten wir ohnehin nicht einfach so nachrechnen können. Bei der Synchronisation von Absorber und Station mußten wir auch auf Esmes Fähigkeiten vertrauen, aber Leistung und Reaktionszeit der Systeme würden bei dem Plan nicht stark gefordert werden.
So konnten wir also beginnen und die Raumstation machte sich mit leichter Beschleunigung gemütlich auf den Weg.
In den folgenden Tagen unserer Reise nach Charybdis blieb zwischen uns auch weiterhin Wichtiges ungesagt und wir kamen uns nur insofern näher, als die Anspannung immer mehr wich und wir uns wieder gut über die Arbeit unterhalten konnten, auch gemeinsam unsere Runden drehten, in der Freizeit auch gemeinsam Filme sahen, Musik hörten, Gesellschaftsspiele spielten, körperlichen Kontakt aber mieden. Ich hätte Susanne schon sehr gerne umarmt, aber ich wagte es nicht, um sie nicht zu verstören. Und Susanne machte keine Anstalten. Wollte sie das nun hinter sich lassen oder war sie auch nur unsicher, ob wir es noch einmal probieren sollten?
Ich war mir da komplett unsicher, wie sie darüber dachte, auch darüber, ob ich vorsichtig den ersten Schritt wagen sollte, antesten, vielleicht mit einer zufälligen Berührung beim Essen, beim Laufen, bei der Arbeit.
Eines Abends, als wir beide alleine jede in ihrer Kabine waren, rief ich Ida, um mit ihr zu beraten.
Auf meinen Ruf hin war Ida auch gleich für mich da: „Ja?
Was gibt es, etwas Besonderes zu besprechen?“
Ich wiegte den Kopf: „Naja, ich bin mir noch immer sehr unsicher, wie es nun wirklich zwischen mir und Susanne steht.“
Ida war ratlos: „Also, ich weiß nicht, ob ich da die richtige Ansprechpartnerin bin, kann ja in diesem Sinne auch nicht in Susannes Kopf gucken.“
Ich lachte: „Schon klar. Sollst du sicher auch gar nicht. Ich dachte mir nur, wenn ich mit jemandem darüber rede, es ausspreche, so wird mir vielleicht selber klarer, ob oder wie ich vorgehen könnte.“
Ida erwiderte: „So funktioniert das?
Ich stehe natürlich gerne zur Verfügung.“
Ich hakte nach: „Dann hat sich Susanne bislang noch nicht mir dir oder einer anderen Ai unterhalten?“
Ida konterte sachlich: „Du selbst hast mich darauf hingewiesen, daß man über eher privat aufgefaßte Gespräche nicht einfach so plaudern sollte …“
Ich lachte: „Da hast du auch wieder Recht, da habe ich mir irgendwie selbst ein Bein gestellt, aber es ist schon in Ordnung.“
Ida erwiderte: „Also gut, dann denke mal laut und dann werde ich darüber nachsinnen, was mir dazu einfällt.“
So sprach ich: „Obwohl wir uns wieder versöhnt haben, ist eigentlich noch immer unklar, wie sie nun darüber denkt, daß wir sie wiederauferstanden haben. Es ist auch unklar, ob sie noch immer denkt, daß sie zu meinem privaten Spaß wiederauferstanden wurde. Und wir haben auch nicht geklärt, ob wir uns nicht wieder näherkommen könnten, also so ganz privat und … intim …“
Ida hakte nach: „Das möchtest du schon?“
Ich nickte: „Ja, jedenfalls möchte ich sie gerne wieder umarmen, sie spüren, bin mir nun aber sehr unsicher und möchte sie nicht erschrecken, indem ich etwas tue, was sie vielleicht nicht mag.“
Ida schlug vor: „Du solltest wohl genauer beobachten, vorsichtig subtile Annäherungssignale aussenden, darauf achten, wie sie darauf reagiert. So merkst du vielleicht schnell, wie weit du wann gehen kannst. Wenn du geduldig bist, erreichst du von einem zum nächsten Tag vielleicht mehr und findest heraus, wie nahe sie dich an sich heranläßt.“
Ich nickte: „Ja, geduldig und sensibel muß ich ohnehin vorgehen.“
Ida schlug vor: „Ich könnte dir ein paar Artikel und Filme zu Körpersignalen, zum Flirten heraussuchen. Menschen können und wissen das nicht automatisch?“
Ich lachte: „Nein, können sie nicht unbedingt. Die Talente sind da sehr unterschiedlich verteilt. Ich vermute mal, bei mir und auch bei Susanne ist da nicht so viel angekommen. Da tun wir uns etwas schwer.“
Ida meinte: „Dann könnten die Informationen ganz nützlich sein.“
Ich bestätigte: „Ja, nur her damit. Ich will meine Chancen schon ausloten.
…
Du könntest doch auch mal vorsichtig mit ihr das Gespräch suchen, um mehr zu erfahren, was sie denkt?“
Ida erwiderte: „Oh, so als Liebesbotin oder Kupplerin meinst du?
Einerseits würde ich dir den Gefallen schon gerne tun, andererseits könnte es alles noch komplizierter machen und dann könnten wir die Situation wieder verschlimmern. Immerhin arbeiten wir nun wieder alle gut zusammen. Es wäre ganz schlecht, wenn Susanne mir gegenüber oder gegenüber allen Ais Vorbehalte bekommen würde, weil sie das Gefühl hätte, wir würden in eurer privaten Angelegenheit für dich Partei ergreifen oder für dich werben.“
Das konnte ich gut nachvollziehen: „Gute Argumente, du hast Recht, das muß ich wohl allein meistern und herausfinden. Spionieren oder tricksen würden meine Chancen wohl verschlechtern, wenn sie das herausbekäme.“
So schaute ich mir also erst einmal das Material an, welches Ida mir herausgesucht hatte.
Darüber sann ich dann nach und ich konnte schon einmal festhalten, daß Susanne etwa beim Laufen keinen betonten Abstand zu mir einhielt, gut, der Rundlauf ist nun nicht besonders breit, aber selbst nebeneinander laufend hätten wir schon etwas mehr Abstand haben können, wobei ich nicht betont zur Mitte gedrängt hatte, wir liefen nun wie schon vor der Auseinandersetzung. Und bei der Arbeit saßen wir benachbart, egal in welcher Reihenfolge wir einen Platz aussuchten. So probierte ich es dann einfach einmal bei der Arbeit, statt Susi nur anzusprechen, um sie auf etwas aufmerksam zu machen, etwas zu besprechen, berührte ich sie dabei gleichzeitig an der Schulter. Sie zuckte nicht zurück und wir unterhielten uns normal. Ich suchte ihren Blick und sie wich mir auch nicht aus. Nun bin ich nicht so sensibel und einfühlsam, um da viel hineinzuinterpretieren, fühlte mich aber doch auf dem Weg ermutigt. So gab es dann eben gelegentlich vorsichtige Berührungen entweder mit konkretem Anlaß oder aber auch scheinbar versehentlich.
Kam ich damit aber irgendwie voran?
Ich war mir jedenfalls nicht sicher.
War ich zu ungeduldig, wenn das nur von mir ausging, Susanne zwar nicht zurückwich, aber ihrerseits mich nicht berührte, um mich auf etwas hinzuweisen?
Sollte ich das doch besser lassen und respektieren, daß sie nicht aktiv auf näheren Kontakt hinsteuerte?
Immerhin lachten wir gemeinsam über lustige Szenen in Filmen, tauschten auch so mal lustige Anmerkungen aus.
Als Susanne morgens beim Laufen dann einmal zufällig stolperte, reagierte ich schnell, hielt sie, daß sie nicht fiel, hielt sie dann immer noch etwas unsicher, länger als notwendig.
Wir schauten uns an und ich riskierte es, schlug vor: „Wir … wir sollten dann doch mal ernsthaft reden …“
Susanne verzog das Gesicht etwas, nickte dann: „Ja, du hast Recht, heute Abend?“
Damit war ich einverstanden. Und damit hatten wir uns dann beide einen schwierigen, spannungsgeladenen Tag eingehandelt, der sich scheinbar endlos hinzog, bis wir mit der täglichen Arbeit durch waren, auch dem Abendessen. Eifrig räumten wir auf, weil wir beide irgendwie nervös waren.
Dann waren wir mit allem durch und setzten uns zögernd zusammen.
Und dann begann ich mutig: „Ich weiß nicht genau, wie beginnen. Und natürlich würde ich gerne mit dir darüber einig werden, wie wir zu bewerten haben, was es mit deiner Wiederauferstehung auf sich hat.“
Susi nickte: „Ich habe Esme ausgefragt, mich mit Ida unterhalten. Natürlich können die nicht wirklich wissen, was du gedacht hast. Ida hat mir erzählt, daß du nach deiner Wiederauferstehung Beruhigungsmittel und ein paar andere Substanzen bekommen hättest, dann dagegen protestiert hättest, worauf sie mir kaum etwas verabreicht hätten, gar nichts, um mein Denkvermögen zu manipulieren. Da ich sonst keine Anhaltspunkte dafür habe, glaube ich das. So war das dann zwar eine Streßsituation, ich konnte aber schon normal und mit vollem Verstande denken, auch von daher kann ich nicht sagen, daß ich mich nicht hätte frei entscheiden können, also so frei das eben geht als selbständiger Mensch mit normalem Denkvermögen. Was auch immer du also bewußt oder unbewußt gewollt haben magst, ich war dabei und habe mich dann ebenfalls dazu entschieden. So werfe ich dir nichts vor. Ob ihr mich hättet wiederauferstehen sollen oder nicht, das zu hinterfragen ist im Grunde sinnlos. Das Problem war ja bereits entstanden, als ich ohne mein Wissen konserviert wurde, da warst du noch schlechter dran, hast ja nicht einmal von der Möglichkeit gewußt. Und weil es da von meiner Seite aus keine Entscheidung gab, dann eben auch keinen Wunsch, unter welchen Umständen ich wieder leben wollte, kann ich euch rein gar nichts vorwerfen. Es ist in Ordnung. Und was wir hier tun, ist spannend und interessant. Ich mache gerne mit, bin neugierig dabei. Und was du mal meintest, ja, das ist eine Reise, viel weiter als ich jemals gedacht hätte, machen zu können. Und wie meine Lage damals war, ist das wohl die beste Option, die ich erwischen konnte. So war es eine Überreaktion, das an euch, insbesondere an dir auszulassen und dir etwas zu unterstellen, was irgendwie unangemessen gewesen wäre.“
Ich nickte und meinte dazu: „Gut.
Ich bin sehr erleichtert, daß du das nun so siehst. Ich habe darüber nachgedacht, gegrübelt, komme aber zu keinen klaren Ergebnis. Was mich und meinen freien Willen anbelangt, so kann ich natürlich auch nicht so einfach über mein Unterbewußtsein bestimmen, du hast mir schon gefallen, aber ich dachte wirklich, es sei unwahrscheinlich, daß mehr passieren würde. Was dann geschah, hat sich dann jedenfalls aus meiner Sicht eben entwickelt …“
Susi unterbrach: „Ja, da sind wir uns nun einig.“
Ich hakte nach: „Und nun?“
Sie schaute mich unsicher an: „Und nun?“
Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen: „Umarmen erlaubt?“
Sie preßte kurz ihre Lippen zusammen, lächelte dann etwas scheu, beugte sich wortlos zu mir rüber und umarmte mich. Ich erwiderte die Umarmung und es fühlte sich phantastisch an, sie wieder zu fühlen. So genossen wir es einfach einmal, uns zu spüren, uns zu halten.
Und nach einer Weile fragte ich mutig nach: „Und … und weiter?
Hättest du vielleicht Lust? …“
Sie hielt mich weiter, lehnte sich aber etwas zurück, schaute mir in die Augen, preßte die Lippen zusammen: „Also, ich weiß immer noch nicht genau, wie ich das beschreiben soll, was ich für dich empfinde, aber ich mag dich. Und ich habe es sehr vermißt, mit dir zusammenzusein. Und … und … und Lust habe ich eigentlich auch, war mir nur so unsicher, ob du nach dem Zwischenfall Interesse hast, also jedenfalls einfach wieder so …“
Ich versicherte: „Ich mag dich doch sowieso, wußte nur nicht mehr, wie es gehen soll. Ich hoffe, wir können doch einfach den Moment, das Jetzt genießen, ohne große Versprechungen. Die Zukunft kommt von allein. Wir müssen auf nichts warten. Und was immer die Zukunft ergibt, sie kann uns nicht mehr nehmen, was wir jetzt an uns haben.“
Sie seufzte, zog sich wieder an mich heran und unsere Lippen trafen sich wieder, erst vorsichtig, dann entschlossener, dann zu einem zunehmend wilderen Kuß, wie sich auch unsere Umarmung zügig zu einer munteren, eiligen Fummelei entwickelte. Wir hielten uns dann nicht lange auf, sondern stürmten einfach in meine Kabine und fielen übereinander her und genossen unsere Zweisamkeit endlich wieder, nun vielleicht sogar leidenschaftlicher und befreiter als zuvor. Wir kosteten den Moment aus und ließen alles andere beiseite.
Bei der Arbeit waren wir nun hauptsächlich dabei, die bereits vorliegenden Daten über Charybdis zu sichten, sie zusammen mit Ida, Esme und Hildegard zu analysieren, eine Strategie zu entwickeln, wie wir vorgehen sollten. Die Atmosphäre von Charybdis hatte reichlich Wolken aus Wasser, kein nennenswerter Staub. Die Wolkendecke ist im Schnitt vielleicht etwas dichter als auf der Erde, aber wir hatten bereits deutlich mehr Informationen über die Topographie.
Angekommen schwärmten dann wieder unsere Sonden aus, womit Susi wieder detailliertes Kartenmaterial erstellen würde. Ich ließ die ersten Proben aus der Atmosphäre nehmen.
Sowohl aufgrund der Aufnahmen von der Oberfläche als auch aufgrund der Proben wußten wir schnell, daß da etwas war. Besonders in Küstennähe war da viel grün, das Meer hatten ebenfalls eine ungewöhnliche Farbgebung im Bereich cyan, obwohl es schon an vielen Stellen tief sein sollte. Das allein sah schon vielversprechend aus, insbesondere auf den Bildern mit nun verfügbarer relativ hoher Auflösung. Komplett fremdartig sahen die Strukturen an den Küsten und entlang der Flüsse aus, nicht wirklich wie Wald, aber doch komplex verwuchert. Noch reichte die Auflösung der Bilder nicht, um Details zu erkennen.
Schnell schickten wir eine Sonde tiefer. Was wir erkennen konnten, sah eindeutig organisch aus, ziemlich sicher wie Pflanzen auch Sonnenlicht absorbierend, aber nicht das gesamte Spektrum, was man sehen konnte, war nicht so eindeutig grün wie auf der Erde, wo es ja aber auch viele verschiedene Farben im Pflanzenreich gibt. Die Anordnung der Strukturen ließ jedenfalls vermuten, daß diese dazu gedacht waren, Sonnenlicht aufzunehmen, die Nähe zum Wasser wies ebenfalls auf wasseraffines Leben hin.
Auch die Zusammensetzung der Luft in den Proben wies eine Anwesenheit von einigen Gasen auf, die auf der Erde typisch von Pflanzen produziert werden, in der Atmosphäre aber auch wieder abgebaut werden. Findet man davon eine größere Konzentration in der Atmosphäre, deutet das auf Quellen hin.
Auch vom Meer hatten wir schnell Aufnahmen mit höherer Auflösung. Was uns zuvor nicht aufgefallen war, die Wellen waren irgendwie anders als auf der Erde, das Meer ruhiger, wirkte irgendwie zäher als Wasser, dazu verfärbt, als sei es eine einzige Pampe, ein Gelee aus Mikroalgen, vielleicht auch größeren Algen, jedenfalls bei der aktuell erreichbaren Auflösung im Meterbereich nicht stark strukturiert bis auf einige rätselhafte Strukturen, Ausstülpungen, die nicht komplett, aber nahezu statisch aus dem Gelee ragten.
Das war dann schon sehr spannend, insbesondere nach unserer langen Suche im Wüstenstaub von Charybdis. Gleich begannen wir zu überlegen und zu diskutieren, wie wir weiter vorgehen sollten. Mit den Erfahrungen von Skylla hatten wir bereits ähnliche Missionen vorbereitet, waren nun aber wieder unsicher. Die Meeren waren anders, vielleicht auf Charybdis nicht der ideale Ort für eine erste Landung, wenn das wirklich eine dicke Pampe war, auch schlecht geeignet für eine Probennahme im Flug. Also vielleicht doch eher eine Landung an Land, etwas abseits von der Küste in einem eher felsigen Bereich?
Wir entschieden uns dann einerseits dafür, die erste Mission an Land herunterzubringen, andererseits dafür, sie entschlossen Darwin zu nennen, schon einmal vermutend, hier etwas Evolutionäres entdecken zu können.
Die Roboterschwärme nahmen dann über Nacht, also jedenfalls in Susis und meiner Ruhephase noch einige Modifikationen und Optimierungen bezogen auf das gewählte Missionsziel vor.
Morgens nach dem Frühstück, den Rundlauf hatten Susi und ich ausgelassen, starteten wir die Mission. Die Landung gelang gut, Darwin setzte sich aus seinen Modulen zusammen, lieferte währenddessen schon erste detaillierte Bilder. Jenseits der Felsen begann das, was wir für Vegetation hielten, etwas wie ein undurchdringlicher, verwachsener Märchenwald einer ganz anderen Welt. Bei näherer Betrachtung war es eher eine komplexe Struktur wie Pilzgeflecht, Moose, Flechten. Soweit uns das erschließbar war, hatten wir eine Struktur vor uns, die in Teilen pflanzenartig war, in anderen Teilen pilzartig, vermutlich eine Symbiose, ein Mykorrhiza.
Dann war Darwin komplett und machte sich auf den Weg zu einer Probennahme.
Das Zeug ein Stück weiter, nach unseren Aufnahmen auf eine Art Fluß zu, sah nach Biologie aus, also ging es geradewegs daraufhin zu. Auch aus der Nähe sah es lebendig aus, also nicht wie ein Tier, wie eine Pflanze oder ein Pilz, von der Konsistenz her war es eher elastisch, jedenfalls nicht starr. An einer kleinen Ecke versuchten wir es mit einer winzigen Probennahme. Das war relativ einfach möglich. Aus der kleinen, so verletzten Stelle quoll ein dickflüssiges Sekret, welches beim Kontakt mit der Atmosphäre aber schnell verdickte. Wir nahmen schnell eine weitere Probe davon. Es erwies sich als klebrig und zog beim Zurückziehen des Probenarms Fäden. Aber auch die Probe hatten wir dann. Während der Analyse der ersten Probe beobachteten wir weiter, die Probestelle veränderte sich relativ zügig, das herausquellende Material erstarrte. Bei einem vorsichtig tastenden Kontakt erwies es sich als ähnlich hart wie das unbeschädigte Material drumherum, hatte aber doch ein anderes Aussehen. Wenn wir wirklich Leben vor uns hatten, war es vielleicht eine Art von Harz oder Schorf.
Vielleicht war es nicht gerade nett, gleich beim ersten Besuch auf einem fremden Planeten etwas oder gar jemanden mit einer Probennahme zu verletzen?
Aber der Gedankengang war schon ein wenig albern, das war ja nur eine Kleinigkeit.
Wir waren dann ziemlich baff, als Darwin Zellen meldete, komplett mit Zellkern und auch Bestandteilen, die vermutlich Licht absorbieren können, um einen Stoffwechsel anzutreiben. Wir hatten Leben entdeckt!
Auch die zweite Probe war eindeutig. Wir hatten einen mehrzelligen Organismus entdeckt, der eine komplexe Struktur aufwies.
Wir ließen Darwin unbeachtet stehen und berieten. Darwin kann mit einer Analyse prinzipiell schon bis zu Molekülen vordringen, würde aber die Probe nicht komplett entschlüsseln können, um etwa etwas Ähnliches wie Desoxyribonukleinsäure zu finden und zu analysieren. Dazu müßten wir ein weiteres Modul konstruieren und es herunterschicken. Nun hatten ja zwar die Ais natürlich jede Menge Informationen über Biologie in der Datenbank. Susi und ich waren jedenfalls auf dem Gebiet keine Experten. So kam dann schnell der Gedanken auf, ob es nun nicht doch an der Zeit sei, einen Biologen, einen Mikrobiologen gar wiederauferstehen zu lassen.
Der von mir in den Unterlagen schon gefundene Peter wäre da ein guter Kandidat.
Ida unterbrach.
Darwin meldete Aktivitäten. Wir schauten gebannt auf die Übertragung. Unsere Diskussion hatte vielleicht eine gute halbe Stunde gedauert. Eindeutig war in der Zeit etwas seitlich auf Darwin zugewuchert. Das kam also nicht direkt von der Stelle der Probennahme, war aber damit vermutlich organisch verbunden!
Es wucherte in einem breiten Fächer, fast wie suchend dicht auf dem Boden. Die Struktur war frischer, auch einem Pilzmyzel ähnlicher, ein weicher, fein strukturierter Flaum.
Es wäre jetzt zwar nicht so dramatisch gewesen, aber trotzdem wollten wir Darwin dem nicht gleich komplett aussetzen, so beschlossen wir schnell, einerseits Darwin zurückzuziehen, andererseits wollten wir das natürlich untersuchen. So stellte Darwin eine kleinere Sonde ab und zog sich zurück.
Als das Myzel auf die Sonde traf, umschloß es diese, wuchs daran empor und überdeckte diese komplett. Die Sensoren und Kontakte der Sonde waren ja teilweise offen, so bekamen wir auch von dieser Signale. Das Myzel drang ein. Das sah nach Absicht aus, planvollem Handeln. Es gab Störungen bei einem elektrischen Kontakt. Wir verstanden gar nichts mehr. Wie war das möglich bei einem Pilz, einer Flechte oder einer Pflanze?
Besonders Hildegard und Ida wollten nun unbedingt mehr herausfinden, mehr erforschen, was es mit diesen Organismen auf sich hatte. Körk wieß sachlich darauf hin, im Grunde hätten wir genug erfahren, der gesamte Planet ist offenbar mit Lebensformen überzogen, das würde doch reichen, um uns damit Zeit lassen zu können. Von einer Kolonie sei auf dem Planeten abzusehen, auch die Angelegenheit mit der geplanten Sintflut auf Skylla sei nun viel präziser durchzuführen, um durch Querschläger nicht auf Charybdis massive Schäden zu verursachen.
Esme war unentschieden, ihr schien sowohl weitere Forschung angemessen zu sein als auch die Planung für eine Kolonie auf Skylla weiter voranzutreiben.
Susanne und ich brauchten erst einmal einen Augenblick, um zu verdauen, was wir gerade entdeckt hatten – Leben außerhalb des Sonnensystems, komplexe Organismen gar!
Mache einen Vorschlag, wie sie weiter vorgehen sollen.
Noch nicht verfügbare Handlungsstränge:
Weiterforschen
Ich meinte dann: „Es ist ja im Grunde nichts Dramatisches passiert, was einen kompletten Rückzug notwendig machen könnte. Vielleicht haben wir Kontakt aufgenommen, vielleicht ist alles nur ein Zufall und diese Art von Organismus nutzt einfach einen uns fremden Sinn, um lukrative Erhebungen in der Umgebung zu erkennen und steuert diese an, um eine günstigere Position zu bekommen. Es kann also alles ganz harmlos sein, wir sind da nicht invasiv vorgegangen und dieser Organismus sieht doch nicht wirklich so aus, als könne er das überhaupt beurteilen oder erfassen, was gerade passiert ist.“
Susanne hatte sich auch wieder gefaßt und erwiderte: „Naja, das Geschehen nach der Probennahme war wenig erstaunlich, dies gezielte Wachstum aber schon. Das macht neugierig, wie das funktioniert, wie diese Organismen ihr Leben organisieren. Jedenfalls sehe ich da auch erstmal keinen Konflikt, wir sollten unbedingt weitermachen, vorsichtig mehr herausfinden, an verschiedenen geeigneten Standorten landen und gucken, wie sich die Vegetation dort verhält, wie sie variiert. Vielleicht finden wir so auch höherentwickelte Tiere, etwas, was uns jedenfalls vertrauter ist, was sich besser einordnen läßt. Dann ist mit der Zeit das Unvertraute sicher auch leichter einzuordnen.“
Körk wiederholte nochmal seine Auffassung zusammenfassend: „Also, wir haben komplexe Lebensformen auf Charybdis gefunden. Auf diese Biosphäre sollten wir also keinen Einfluß nehmen. Unser Missionsziel ist auf Charybdis also unmittelbar erfüllt. Die Erforschung von Details hat keine Priorität.“
Ich erwiderte: „Oh, wir haben doch im Grunde auch Stanis und Asi primär aus akademischen Gründen mit ihren Missionen zu den Gasriesen aufbrechen lassen. Da besteht doch praktisch keine Chance auf eine Koloniegründung, wir sind neugierig. Und das ist auch ganz in Ordnung. Ohne Neugier wären wir nicht hier in diesem Sonnensystem.
Daß es auf mindestens einem Eismond wenigstens einzelliges Leben gibt, wissen wir auch bereits, wozu also noch ein Plan, das Meer unter dem Eis zu erforschen?
Das ziehen wir doch durch, weil wir neugierig sind, wie intelligent das Leben dort ist. Und das bedeutet dort deutlich mehr Aufwand als hier. Selbst nachdem wir hier praktisch sofort auf etwas Komplexes gestoßen sind, sind wir doch noch immer sehr neugierig auf Zusammenhänge und eventuelle Gemeinsamkeiten mit irdischem Leben. Von daher sehe ich das Problem nicht, warum wir hier nicht weiterforschen sollten.“
Körk lenkte ein: „Da erwähnst du einen guten Punkt. Wenn wir vorsichtig vorgehen, können wir mehr erfahren. Meine Bedenken bezogen sich nur darauf, daß wir bereits beim ersten Versuch komplexes Leben gefunden haben, wir also sehr vorsichtig sein müssen, nichts zu zerstören. Allerdings verzögert das wohl unseren Sintflutplan für Skylla, wenn wir hier mit der Raumstation intensiv forschen. Gut, unser Fund hier verkompliziert den Sintflutplan ohnehin, denn den müssen wir nun sehr präziser umsetzen.“
Hildegard vertrat die Auffassung: „Nun, wir haben auf Skylla gut ein Jahr geforscht, zwar kein Leben gefunden, aber doch interessante Daten gesammelt. Was könnten wir hier für ungleich interessantere Daten sammeln?
Welch Erkenntnisse können wir über das Leben selbst gewinnen, welches sich hier doch bis hin zu komplexen Strukturen ganz unabhängig vom Leben im Sonnensystem entwickelt hat.
Wenn Michaela und Susanne keine Zeitprobleme sehen, drängt uns doch nichts.
Den Sintflutplan umzusetzen, wird ohnehin einige Jahre, vermutlich gar Jahrzehnte dauern, jedenfalls bis wir auf Skylla eine Kolonie errichten können, die für Menschen ohne Schutzanzüge geeignet ist. Wenn wir das beginnen, müssen wir sowieso neu überlegen, wie Michaela und Susanne sinnvoll mit solch einem Langzeitprojekt umgehen, was dann fast nur noch Routine bedeutet. Hier nun aber in dieser Situation voller Überraschungen und neuer Erkenntnisse ist ihre tägliche Beteiligung wichtig und bringt uns voran. Daher müssen wir es jetzt, zügig und effizient durchziehen, bevor wir den Sintflutplan umsetzen. Und ja, es ist auch ganz klar, daß wir den nun deutlich präziser planen und umsetzen müssen, um nicht Charybdis mit Querschlägern zu treffen und diese Biosphäre zu schädigen.“
Ida ergänzte: „Ja, wir wollen doch erfahren, wie ähnlich oder wie anders das Leben hier ist als auf der Erde, wollen auch herausfinden, wie anders es vielleicht bereits auf Charybdis verglichen mit Leben auf den Eismonden ist. Im Sonnensystem wies alles auf Ähnlichkeiten, eine gemeinsame Herkunft oder einen chemischen Automatismus hin. Ist das hier auch so und ähnlich wie auf der Erde?
Gibt es Variationen, die Hinweise darauf liefern könnten, daß aufgrund etwas anderer chemischer Prozesse die biologischen Grundlagen auch anders sein können?“
Esme stimmte zu: „Das gehört auch zur Mission. Und bislang sieht es doch so aus, als könnten wir auf Charybdis friedlich forschen, wenn vielleicht auch nicht ganz so ungestört wie auf Skylla. Wo Leben ist, gibt es auch mehr Interaktion. Wir gehen aber umsichtig vor, unsere Sonden, auch Darwin sind steril, wir bringen keine irdische Biologie auf den Planeten, kontaminieren nichts. Wenn wir die Strategie durchziehen, sind wir auf dem richtigen Weg.“
Körk lenkte dann auch schnell ein: „Also gut, ich habe nichts dagegen, die Prioritäten so zu legen. Wenn Michaela und Susanne kein Problem mit dem Zeitaufwand haben, so ist das ein guter Weg, wie wir ihn auch mit Stanis und Asi bei den Gasriesen gefunden haben. Natürlich sollten wir unsere Ressourcen effektiv einsetzen.“
Susanne bestätigte: „Also, nun bin ich hier und aktiver Teil der Mission. Nun will ich auch mehr darüber wissen, was auf Charybdis vor sich geht, das ist doch ganz klar.“
Ich nickte zustimmend: „Den Kontakt will ich mir auch keinesfalls entgehen lassen. Da bleiben wir nun dran!“
So stimmten wir ab und kamen einstimmig zu dem Entschluß, auf Charybdis vorsichtig weiterzumachen.
Ida begann nun mit dem nächsten Punkt: „Und was ist mit der Wiederauferstehung eines weiteren Menschen mit Expertenkenntnissen im Bereich Biologie, der unsere Datenbankkenntnisse durch Praxis bereichern könnte?“
Hildegard stellte erst einmal nur fest: „Diese Person müßten wir vom Raumschiff mit einer Raumfähre auf die Raumstation bringen. Ein paar andere Pflanzen könnte ich bei der Gelegenheit auch noch auf die Station bringen, das ist aber nicht so dringend. Jedenfalls kostet es Zeit und Aufwand und wir haben dann noch einen Menschen, bei dem sich die Frage stellt, wie dieser nach vielleicht einem Jahr seine Zeit effizient und für ihn befriedigend einsetzt.“
Ida ergänzte: „Und es wird vielleicht auch wieder spannend, wie sich unsere Gruppe mit drei Menschen entwickelt. Das ist immer ein gewisses Risiko, aber auch eine Chance auf Bereicherung der sozialen Struktur.“
Esme informierte nur: „Die Raumstation hat natürlich problemlos die Möglichkeiten, eine weitere Person zu versorgen, von daher also kein Problem. Wir haben Raumfähren, Ankopplung während der Rotation wird auch klappen.“
Ida erbat dann auch von uns eine Meinungsäußerung: „Michaela, Susanne, war meint ihr?
Michaela, du hattest doch schon Peter in der engeren Wahl?“
Ich bestätigte: „Ja klar, der wäre fachlich gut geeignet. Da wir beide unsere kleine Krise gerade erst überwunden haben, die ja erst aufgebrochen war, als ich die Wahl thematisiert habe, ist es dann vielleicht doch wieder eine spannende Änderung und erst einmal eine Person mehr, die sich Gedanken macht, wie und warum ausgerechnet sie jetzt aktiv in die Mission berufen wird …“
Susanne warf ein: „Das ist auch der Punkt, über den ich am meisten grübele, wo ich mir bei mir selbst am meisten Gedanken gemacht habe. Wir sollten also gute Argumente haben, um etwa Peter, wenn wir den auswählen, davon zu überzeugen, daß er jetzt sehr wichtig für die Mission ist. Dazu ist es vermutlich aber sinnvoll, erst einmal in der jetzigen Zusammensetzung mehr Informationen zu generieren, um ihm konkrete Fragen und ungelöste Probleme zu bieten, anhand derer zu erkennen ist, daß er uns derzeit fachlich wichtig, unverzichtbar ist.“
Ida hakte nach: „Also doch erst einmal mit der jetzigen Gruppe weiterforschen?
Noch keine Vorbereitungen treffen?“
Susanne schaute mich fragend an.
Ich nickte: „Susanne hat Recht, wir schauen erst einmal, was wir herausfinden. Werden die biologischen Rätsel zu knifflig, ist es früh genug, Peter damit zu fordern und hoffentlich zu faszinieren, um ihn gleich voll in die Mission zu integrieren. In der jetzigen Zusammensetzung kommen wir doch gut miteinander klar und sind bislang immer effizient vorangekommen, so verschieben wir erst einmal die Chance und auch das Risiko einer neuen, sozialen Konstellation mit einem neuen, menschlichen Missionsteilnehmer.“
Damit waren die Ais einverstanden.
Körk fragte dann nach: „Das Projekt Sintflut stellen wir dann also zurück, wir lassen es komplett ruhen, also bis auf die weitere Akkumumaltion von Wasser im Asteroidengürtel?“
Ich meinte dazu: „Oh, so oder so erfordert die neue Situation doch eine Optimierung des Plans, Simulationen, vielleicht auch Tests, um herauszufinden, wie wir das bewerkstelligen, ohne Charybdis zu treffen. Das ist Arbeit, die parallel zur Forschung auf Charybdis und auch der weiteren systematischen Durchmusterung auf Skylla getan werden sollte.
Wenn ich unsere bisherigen Annahmen und Erkenntnisse richtig verstanden habe, lohnt es nicht, ab und an mal einen kleinen Eisbrocken einschlagen zu lassen, wir brauchen wirklich eine Sintflut, Dauerregen, um Skyllas Atmosphäre reinzuwaschen?“
Ida bestätigte: „Ja, das ist unser bisheriger Wissensstand.“
Ich fuhr fort: „Gut, ferner erscheint es unwahrscheinlich, daß wir das sicher und ohne Querschläger bewerkstelligen können, wenn wir vom Asteroidengürtel kontinuierlich Brocken losschicken?“
Körk bestätigte: „Das stimmt, die Bahnen im Zwillingsplanetensystem wären meistens chaotisch, wenn wir einfach so Brocken losschicken würden, die könnten überall landen. Wir wollen ja ohnehin kleine Antriebe mit den Brocken kombinieren, damit sollte die Trefferquote bei über neunzig Prozent liegen, da wären wir dann immer noch im Prozentbereich hinsichtlich der Einschläge auf Charybdis oder der Station. Schon aufgrund unseres aktuellen Fundes auf Charybdis ist das zuviel, das erfordert mindestens eine Analyse, ob dieser zusätzliche Eintrag von Wasser auf Charybdis nennenswerte Folgen hätte, eine Kleinigkeit wäre das jedenfalls nicht mehr …“
Mein Vorschlag war dann: „Dann sollten wir untersuchen, ob es möglich ist, über längere Zeit hinweg als ersten Schritt einen Eisring rund um Skylla zu bilden, ist ja egal, wenn bei dem durch Störungen ab und an mal etwas auf Skylla niederregnet, wenn der Hauptteil in einer stabilen Umlaufbahnregion um Skylla bleibt. Das sollte das Ziel von Simulationen sein, wie findet ihr die Idee?“
Susanne meinte: „Hört sich interessant an. Es erfordert bestimmt aufwendige Simulationen, um herauszufinden, wie wir das am besten erreichen.“
Körk ergänzte: „Ja, die Idee sollten wir verfolgen!“
Hildegard fragte gleich: „Gut, wer kümmert sich hauptsächlich darum?
Also Körk doch wohl, Ida?
Und vielleicht auch Susanne, denn vielleicht braucht es aufwendigere Optimierungen, um den Eisring zu bilden und zu stabilisieren, passiert vielleicht nicht einfach so, mag Tricks brauchen!“
Susanne bestätigte: „Klar, ich bin dabei, wenngleich mich auch das Geschehen auf Charybdis interessiert, aber die Beteiligung an einem schließt ja nicht aus, auch beim anderen dranzubleiben.“
Ida schloß sich an: „Ja, die Arbeitsgruppe bietet sich an, die Umsetzbarkeit zu evaluieren und dann einen konkreten Plan auszuarbeiten. Ich bin gerne dabei. Auch mich interessieren natürlich neue Daten von Charybdis sehr, aber da wir es mit Skyllas Sintflut nicht eilig haben, die Simulationen sowieso dauern werden, ist es kein Problem, mich an beiden Projekten zu beteiligen, Prioritäten setze ich dann jeweils, wenn das Sintflutprojekt gerade starke Aufmerksamkeit erfordert.“
Esme führte aus: „Gut, dann bleiben Michaela, Hildegard und ich als Kernarbeitsgruppe für Charybdis, das paßt doch auch gut, mit Idas Unterstützung und unserem üblichen Austausch über den aktuellen Stand kommen wir sicherlich mit beidem gut voran.“
Ich schloß mich ebenfalls an: „Prima, dann haben wir das schon eingeteilt und können eigentlich loslegen.“
Somit hatten wir also die wesentlichen Entscheidungen dieser Besprechung getroffen und schauten wieder, was auf Charybdis los war. Die Struktur hin zur Sonde hatte sich etwas verfestigt, hatte diese komplett umschlossen, bislang nichts von dem ausgebildet, was wir für etwas wie Chlorophyll-Träger hielten.
Aufgrund des feinen Staubes auf Skylla war die Konstruktion unserer Sonden ohnehin sehr dicht und widerstandsfähig, was wir für den Einsatz auf Charybdis nicht geändert hatten. Auch Darwin hatten wir so konstruiert, so daß hier auch nur in dem Bereich etwas eingedrungen war, wo wir einen Sensorbereich geöffnet hatten. Einen weiteren Kontaktpunkt hatte das Pilzgeflecht nicht finden können. Auch zum etwas zurückgezogenen Darwin hin hatte sich einstweilen nichts weiter auf den Weg gemacht, was es dann doch nahelegte, daß die Wahrnehmung der Umwelt eher taktil erfolgte und bei der Probennahme allenfalls eine grobe Richtung erfaßt hatte, in welcher nun die Sonde stand und gefunden worden war.
Es hatte sich also letztlich nicht mehr so viel getan außer leichten Veränderungen am Pilzgeflecht, vielleicht würde mehr ja aber auch länger dauern. So wechselte Susanne dann in einen anderen Arbeitsraum, diesmal nur, damit wir uns nicht gegenseitig stören würden. Dort beriet sie mit Körk und Ida dann über die Simulation und Möglichkeiten, solch einen Eisring zu bilden.
Hildegard, Esme und ich hingegen überlegten, wie wir weiter vorankämen, waren uns bald einig, daß wir leistungsfähige Geräte bräuchten, um Details von Zellstrukturen zu analysieren und genetisches Material zu untersuchen, aufzulösen, wenn wir auch noch nicht davon ausgehen konnten, daß das genauso wie bei irdischen Leben aufgebaut war. Irgendwie mußten diese Organismen aber die Information über ihren Aufbau speichern, die Zellen sich reproduzieren. Es bildeten sich bei Verletzungen oder äußerer Stimulation offenbar neue Strukturen, also mußte dafür irgendwo der biologische Plan sein. Unsere Gerätschaften müßten also leistungsfähig genug sein, das aufzulösen und zu finden. Hildegard und Esme durchstöberten die Datenbanken, schlugen vor, wir überlegten, welche der der Mission mitgegebenen Standardlösungen gleich so einsatzfähig waren, was wir wie kombinieren sollten. So hatten wir schnell etwas zusammen, denn das waren ja Anforderungen, die ohnehin bereits beim Start der Mission vorhersehbar waren, also ließen sich auch zügig die Geräte mit den Roboterschwärmen zu einem Modul zusammenfassen, welches wir zu Darwin auf den Weg schickten.
Der andere Aspekt, den wir gleich diskutierten, bestand darin, wie wir an anderen Stellen Proben entnehmen könnten, die deutlich anders als Darwins Standort waren, also eine andere Gemeinschaft von Organismen aufweisen sollte. Wir wollten bei der Landung von Modulen nicht mitten in diese Organismen hineinknallen, daher entwickelten wir die Idee von Luftschiffen. Da Wasserstoff leicht aus Wasser herstellbar ist, sollte das leicht in den Wolken gelingen, Erstausstattung mit vorhandenem Wasserstoff vom Raumschiff. Das Kunststück war dann nur, das heile in die Atmosphäre runterzubringen und etwa eine Mischung mit Sauerstoff der Atmosphäre zu vermeiden, zusätzlich auch statische Funkenbildung etwa in einer Gewitterzone. Damit hatten wir die nächsten Tage gut zu tun. Unsere Entwicklung mochte dann später auch Stanis und Asi helfen, um mit ähnlichen Luftschiffen die Atmosphären der Gasriesen zu erforschen.
So bewegte sich erst einmal nur Darwin behäbig weiter, lieferte Bilder, Proben aus der Atmosphäre. Deutlich weiter weg von der Bioprobennahme zog Darwin dann eine zweite mit ähnlichen Folgen. Wir hinterließen wieder eine Sonde an der Stelle, die wieder zügig vom Pilzgeflecht überwuchert war. Und so zog Darwin weiter, immer im ordentlichen Abstand zum Rand der organischen Zone, denn es war schon aufgrund unseres kartographischen Materials klar, daß sich das organische Material hauptsächlich in und an Gewässern befand, wohl je nach Feuchtigkeit eher bis weniger als hundert Meter vom Wasser aus ins Land gewuchert war. Bei kleineren Seen allerdings gab es schon eine Abweichung, was wir auch schon auf Bildern erkennen konnten. Ähnlich wie Meer und Flüsse hatten die auch diesen auffällig cyanen Inhalt, dann aber immer auch eine schnurartige Verbindung hin zum nächsten Fluß, selbst wenn es da kein Gewässer zu geben schien. Als Darwin eine solche Struktur erreichte, erwies sich die Verbindung ähnlich wie die zu unseren Sonden, nur deutlich stärker. Es wirkte wie eine Informationsleitung. Es war uns natürlich nicht klar, wie und warum sich das ausgebildet hatte. Irgendwie wirkte es, als sei ein durchgehender Kontakt der Vegetation wichtig. Obgleich es auf Charybdis öfter auch regnet, schien das nicht zu reichen, um die Vegetation über die gesamte Landfläche auszubreiten, entlang kleinster Flüsse und Bäche fand sich aber die Vegetation, einerseits durchaus unterschiedlich ausgeprägt, in anderen Aspekten aber durchaus ähnlich strukturiert, meist relativ niedrig am Boden, nicht viele baumartige Auswüchse nach oben, die auf eine Konkurrenz um Licht hingewiesen hätten. Die Wasserläufe wirkten auf uns gleich ziemlich regelsmäßig, geordnet, verwaltet, um zügig größere Ströme zu bilden, die dann eine üppige Vegetation aufwiesen. Bei den kleinen Wasserläufen war die Vegetation hingegen bescheiden. Obgleich das Netz feiner Wasserläufe eigentlich hätte reichen müssen, um das Land flächendeckend mit genug Flüssigkeit für Vegetation zu versorgen, war diese bei kleinen Wasserläufen nur bescheiden, überproportional klein ausgeprägt. Auch das war verblüffend. Die Vegetation wirkte insgesamt friedlich, passiv, sehr wasseraffin.
Tiere sah auch Darwin nicht. Auch auf den nun verfügbaren hochauflösenden Satellitenbildern sahen wir keine bewegliche Fauna, die Flora aber schon nach ähnlichem Muster über den gesamten Planeten verteilt.
Mit einer Umlaufzeit um die eigene Achse von gut zehn Stunden hat Charybdis schon einen deutlich anderen Tag-Nacht-Rhythmus als die Erde. Hinzu kommt auch noch, daß Skylla bei passender Stellung zur Sonne den Nachthimmel deutlich stärker erhellt als unser Mond. Und die Ekliptik des Zwillingsplanetensystems ist deutlich gegenüber der Hauptekliptik dieses Sonnensystems verkippt, auch die eigene Drehachse von Charybdis ist deutlich gegen diese verkippt. So gibt es zwar einerseits deutlich Schwankungen, es gleicht sich aber meistens schnell aus. Auch von daher gibt es auf Charybdis sowohl zeitlich als auch räumlich weniger starke Temperaturverläufe als auf der Erde, das Wetter läuft ebenfalls gleichmäßiger ab, nicht notwendig allerdings sehr regelmäßig, aufgrund der diversen Variablen der Umläufe und Drehungen.
Wir hatten zudem gleich den Eindruck, daß die Suppe im Meer eine ausgleichende Wirkung hat. Selbst an Land schien die Abgabe von Feuchtigkeit an die Umgebung irgendwie gesteuert zu sein, fast als gelte es, die Schwankungen zu dämpfen.
Als erstes gelang es uns dann, Darwin mit einem weiteren Modul mit den von uns gewünschten Geräten auszustatten. So konnten wir endlich im Detail untersuchen. Wir fanden eine enge Verwandtschaft zum Leben auf der Erde, jedenfalls auf molekularer Ebene, aufbauend auf Desoxyribonukleinsäure und anderen, uns vertrauten komplexen Molekülen oder jedenfalls engen Verwandten davon!
Inzwischen konnten wir auch mit ähnlich detaillierten Ergebnissen von den Mikroben des einen Eismondes vergleichen, auch das paßte. So einmalig war also ganz wohl weder das Leben an sich auf der Erde, noch die Herkunft oder Entstehung. Gab es eine gemeinsame Quelle in der Frühzeit des Universums?
Oder war die Entstehung von Leben auf Wasserbasis doch ein Selbstläufer und so unwahrscheinlich nicht, wenn die Umweltbedingungen paßten?
Wenn dem so war, wann paßten sie hinreichend, wann nicht?
Auf Skylla hatten sie wohl nicht gepaßt, auf Charybdis hervorragend, auf dem Eismond auch irgendwo.
Es würde natürlich Missionen zu vielen Sonnensystemen erfordern, um aufgrund von vielen Beispielen und Variationen abzuschätzen, was der Ursprung des Lebens ist. Entweder es entsteht immer wieder neu oder hatte sich aus einer oder wenigen Quellen ausgebreitet – natürlich ist auch beides möglich.
Nach unserem Wissensstand gibt es vermutlich nur wenige Alternativen zur Desoxyribonukleinsäure, um die Information des Lebens zuverlässig und stabil zu kodieren. Man hatte welche im Labor gefunden, hatte aber lange Zeit Probleme damit, eine Mischung zu finden, die auch wirklich selbständig funktionierte. So hatte man schon Möglichkeiten, die sogar stabiler als die Desoxyribonukleinsäure waren, um biologische Information zu speichern, hatte dann aber wiederum nicht die passenden anderen Moleküle parat, um die Information zu kopieren und zu duplizieren. Leben auf anderer Basis im Labor zu erstellen, erwies sich also als sehr komplexe Herausforderung. Vielleicht war die Desoxyribonukleinsäure mit ihren Kumpanen also wirklich das dünnste Brett, was wirklich von allein und unter den typischen Bedingungen auf Wasserplaneten funktionierte.
Vielleicht würden Stanis und Asi ja in den Atmosphären der Gasriesen andere Varianten finden?
Die Details der Analysen von verschiedenen Standorten von Darwins Reise entlang des Flußsystems waren dann auch äußerst interessant. Am ehesten kann man wohl von einem symbiotischen System sprechen, ähnlich, aber doch eher komplexer als eine Flechte oder auch Mykorrhiza. Es fanden sich also pflanzenartige Organismen, die Sonnenlicht in Energieformen umwandeln können, mit denen der Stoffwechsel des Organismus angetrieben wird. Versorgt werden die Pflanzen von den pilzartigen Myzeln und umgedreht. Spektakulär dabei war nur, daß dieses pilzartige Gewächs am ganzen Fluß genetisch identisch war!
Das war ein Organismus!
Ein Pilz kontrollierte also den gesamten untersuchten Flußabschnitt!
Und dieser Pilz sorgte für den Kontakt zwischen kleinen, scheinbar sonst isolierten Seen und dem Flußsystem. Dieser Pilz war es, der Kontakt zu unseren Sonden aufgenommen hatte, nachdem wir Proben entnommen hatte. Wir hatten wirklich Kontakt zu einem unverkennbar gewaltigen Organismus aufgenommen. Gerne wollten wir natürlich wissen, wie groß dieser Organismus ist, vielleicht auch wie alt.
Auch auf der Erde stellen Pilze wohl die größten Organismen dar. Die größten können wohl ein ganzes Waldgebiet kontrollieren. Dieser Organismus nun hatte mindestens ähnliche Dimensionen. Steht er mit anderen Pilzen seiner Art in Kontakt?
Wir brauchten dringend mehr Daten aus anderen Gebieten von Charybdis.
Da traf es sich ganz gut, daß unser erstes Luftschiff fertig zum Start war. In der ersten Variante hatten wir uns dazu entschieden, Module dazu in der Nähe von Darwin zu landen. Dort würden sie sich zum Luftschiff zusammensetzen und dann starten. Mit der Landung von Modulen hatten wir ja nun schon von Skylla her Erfahrung, so lief es auch auf Charybdis erneut glatt. Wie geplant setzten sich die Module zusammen und das Luftschiff startete. Wir nannten es Mongolfier, obwohl die Brüder Mongolfier ja eher mit einem Heißluftballon unterwegs waren. Auf solche Feinheiten und Unterschiede wollte ich indessen bei meinem Namensvorschlag nicht weiter eingehen.
Mongolfier ermöglichte es uns dann, auch Proben mitten in der Vegetation zu entnehmen, auch über einen größeren Bereich verteilt. Der Pilz erwies sich weiterhin als präsent, auch in der Seenpampe, in welcher die Pflanzen dieser symbiotischen Entität natürlich deutlich andere sind als am Ufer an Land.
Beim zweiten Luftschiff probierten wir ein anderes Konzept, wir hatten dieses gleich komplett zusammengesetzt und konnten es ziemlich langsam aus dem Weltraum in die Atmosphäre entlassen, es bremsen, dann mit Wasserstoff weiterfliegen. Dies Luftschiff nannten wir nach dem ersten Wasserstoffflieger Charles.
Charles verschaffte uns Proben aus einer deutlich anderen Region, die erste stammte aus dem Meer, etwas andere Zusammensetzung an pflanzlichen Anteilen, dann aber derselbe Pilz!
Genetisch identisch!
Darwin, Mongolfier und Charles lieferten weitere Proben, neben anderen Pflanzen in der Symbiose immer derselbe Pilz.
Ein weiteres Luftschiff nannten wir Zeppelin und auch dieses lieferte abermals Daten aus einer ganz anderen Region und abermals war es derselbe Pilz!
Das war unglaublich und inzwischen versammelten wir uns täglich zu einer weiteren Besprechung und waren doch wieder verblüfft über die neuesten Daten. Es wurde immer deutlicher, dieser Pilz hatten den gesamten Planeten im Griff. An einigen Stellen hatten wir weitere Sonden abgesetzt, die auch überall vom Pilz bedeckt wurden.
Wir fanden Stellen im Meer mit einer eigenartigen, nahezu runden Struktur, etwas verändert von der Umgebung. Wir hatten dazu die Hypothese, daß dieses etwas wie eine Narbe ist, wo ein Asteroid eingeschlagen war, wonach das Gewebe wieder verheilt und verwachsen war. Als eine Art Narbe hält sich die Spur des Einschlages.
Dann fanden wir auch auf dem Meer aufragende Strukturen, von der Zusammensetzung durchaus verwandt mit den Fruchtkörpern von Pilzen, von der Form her aber darauf optimiert, um Sporen vom Wind forttragen zu lassen. Die Genetik der Sporen ist identisch mit dem Pilz. Er reproduziert sich so also eigentlich nicht, er sucht so vermutlich nur nach weiteren Seen und Lebensmöglichkeiten. Von den Pflanzen fanden wir zahlreiche unterschiedlich Arten. Bemerkenswert auch hier, daß die Vielfalt sich darauf bezog, an welchem Standort hinsichtlich Temperatur, Luftfeuchtigkeit etc die Pflanzen zu finden sind. Unter ähnlichen Bedingungen finden sich rund um Charybdis aber immer dieselben Arten. Wir fanden nie isolierte Arten, wie man das auf der Erde auf Inseln, verschiedenen Kontinenten findet. Sorgt der Pilz für eine optimale Verteilung?
Kontrolliert dieser, was wo wachsen darf?
Körk, Ida und Susanne berichteten natürlich auch über die Simulationen zur Bildung eines Eisringes. Neben dem Problem der chaotischen Bahnen bei der Annäherung vom Asteroidengürtel zu Skylla und Charybdis ist natürlich die überschüssige kinetische Energie sehr lästig, wenn man einen stabilen Eisring um Skylla bilden will. Daher braucht jeder Brocken einen Antrieb, nicht nur, um die geplante Bahn sicher zu halten, sondern auch, um dann in den Eisring integriert zu werden. Dissipation über Wärmeabstrahlung ist schwer machbar, denn bei einem Zusammenstoß mit einem anderen Brocken wird ja nicht nur Wärme frei, vielmehr zersplittern die Brocken in viele und schnelle Teilchen auf komplett ungeeigneten Bahnen, zwar ungefährlich etwa für die Raumstation und auch Charybdis, aber nicht zielführend für das Projekt.
Also blieb dann nur die Beschleunigertechnik samt mitgeführtem zusätzlichem feinen Material, welches auf relativistische Geschwindigkeiten beschleunigt wird, um die am Triebwerk hängenden Eisbrocken per Rückstoß abzubremsen. Stoß ist dabei auch wieder der falsche Begriff, denn die Triebwerke müssen schon kontinuierlich arbeiten, größere Stöße, ein ordentlicher Ruck könnte solch einen Eisbrocken zerbrechen und damit unsteuerbar machen.
Auf Grundlage dieser Möglichkeiten war nun ein Plan ausgearbeitet. Da wir natürlich nur eine begrenzte Anzahl solcher Triebwerke würden produzieren und einsetzen können, würde es lange dauern, bis wir genug Eis in solch einem Eisring angesammelt hätten, um dann eine Sintflut auszulösen.
Die Umsetzbarkeit sollte nun mit den ersten Brocken getestet werden, angefangen mit eher kleinen Brocken, dann auch etwas größere, die dann jedenfalls im Eisring nicht stark zerfallen zerfallen sollten, um sie dann noch effizient auf Skylla fallenlassen zu können.
Das Vorgehen für einzelne Brocken war soweit geklärt, wobei die drei durchaus auch bereits Simulationen vorführen konnten, in welchen frische Brocken in einen bereits bestehenden Eisring integriert werden.
In Arbeit war allerdings noch die Optimierung, wie ein mehr oder weniger gleichmäßiger Strom von Brocken auf den Weg in den Eisring untergebracht werden kann. Da war also noch allerhand zu tun.
Aufgrund der Drehungen von Skylla und Charybdis umeinander ist es immer notwendig, die Startpunkte der Brocken im Asteroidengürtel zeitlich und räumlich präzise zu bestimmen, um dann mit minimiertem Aufwand zum geplanten Eisring zu kommen.
Immerhin, aufgrund der überschaubaren Anzahl von Triebwerken würden die Brocken auf ihrer Reise miteinander praktisch nicht wechselwirken, bis sie im Eisring angekommen wären.
Ein weiteres Ergebnis der Simulationen war, daß Körk einheitliche Eiskörper haben wollte, um den eigentlichen Prozeß der Reise zu vereinheitlichen. Daher hatten die Roboterschwärme dann auch schon begonnen, aus den Vorräten einheitliche Eiskörper mit geeigneten Ankopplungspunkten für Triebwerke zu bilden.
Ein weiterer Bestandteil des Plans waren eine Reihe von leistungsfähigen Flugkörpern mit kompakten Hochleistungslasern und starken Antrieben. Diese robusten kleinen Drohnen sollten rund um Charybdis positioniert werden, auf verschiedenen Umlaufbahnen bis fast hinaus in den chaotischen Bereich. Diese wären dann in der Lage, auf Querschläger effizient zu reagieren und sie von der Raumstation und Charybdis abzulenken. Im späteren Betrieb würde dann allerdings die Raumstation eher wieder im Bereich des Asteroidengürtels positioniert werden. So oder so ist es natürlich wichtig, Einschläge noch nicht geschmolzener Brocken auf Charybdis zu vermeiden, um Schäden in der Biosphäre zu verhindern.
Das hörte sich alles nach guten Fortschritten und sinnvollen Konzepten an, aber auch noch nach einigen Problemen, die noch zu lösen waren.
Jedenfalls waren die Aktivitäten zur Vorbereitung der Skylla-Sintflut zwar recht anspruchsvoll, auch kreativ, aber letztlich deutlich weniger verblüffend als die Ergebnisse von Charybdis.
Die beschäftigten uns in den Besprechungen also deutlich mehr, lieferten aber deutlich weniger konkrete Ergebnisse, kurzum, trotz der guten Faktenlage verstanden wir nicht wirklich, wie es zu dieser Situation auf Charybdis hatte kommen können. Bislang hatten wir ein Wesen gefunden, welches die Biosphäre dominierte und kontrollierte. Selbst wenn wir doch noch ein paar ähnliche, weitere Wesen dieser Spezies finden sollten, konnten das nicht mehr viele sein. War das nun eine Anpassung an die Einschläge aus dem Asteroidengürtel und dem Streufeld oder doch ein ganz anderes Konzept als das der Konkurrenz der Arten und Individuen auf der Erde?
Hat die Evolution andere Möglichkeiten?
Dafür gab es immerhin Anhaltspunkte, unsere Interpretationsversuche waren aber noch nicht wirklich schlüssig und eindeutig.
Wir beendeten dann das tägliche Treffen.
Später, als Susi und ich uns schon zurückgezogen hatten, zusammengekuschelt im Bett lagen, sinnierte ich noch etwas: „Was wir gar nicht erwähnt hatten, es gab Störungen bei den Sonden …“
Susi unterbrach: „Störungen?
Was für Störungen?“
Ich führte aus: „Naja, wir haben doch immer die Klappen für einige Sensoren bei den abgesetzten Sonden offen.“
Susi meinte: „Klar, wenn die Sonden überwuchert sind, werden die betroffenen Sensoren nicht mehr wie gewünscht funktionieren …“
Diesmal unterbrach ich: „Nein nein, also nicht solch triviale Störungen, es gibt eigenartige Pulse beim Signaleingang.
Das ist unverständlich.“
Susi nickte, überlegte eine Weile, meinte dann: „Kommunikation?“
Ich lachte: „Ein intelligenter Pilz, der sich bei uns darüber beschweren will, daß wir in oder an seinem Garten gelandet sind und an ihm und seinen Pflanzen herumknabbern?“
Susi lachte auch, meinte dann aber: „Gibt es Kommunikation mit den Pflanzen oder wie funktioniert die Symbiose, wie kontrolliert der Pilz die Pflanzen, ganz verschiedene Pflanzen?
Der Pilz reagiert auf eine Störung, sucht Information, trifft auf Fremdes, will seinen Garten einerseits beschützen, andererseits lernen, damit umzugehen, vielleicht nicht bewußt, aber es gibt diesen Pilz schon lange, der hat Erfahrung mit einem ganzen Planeten, mit Einschlägen von Asteroiden, der hat schon allerhand eingesteckt, hat sich an allerhand angepaßt, ist ein Gewinnertyp.
Also hat dieser Pilz viel Erfahrung damit, mit neuen Sachverhalten fertigzuwerden. Vielleicht fährt er geradezu ab auf neue Erfahrungen, ist immerhin vermutlich ein Pilz, welcher einen großen Teil eines Planeten bedeckt, die Biosphäre kontrolliert.“
Ich antwortete: „Gut, die Hypothese solltest du prüfen.“
Sie fragte: „Wie?“
Ich erwiderte: „Kommunizieren.
Über die Sonden?“
Susi zweifelte etwas: „Und das Sintflutprojekt?“
Ich grinste: „Na, somit ist deine Expertise sehr gefragt, da mußt du eben deine Arbeit etwas optimieren, Aufgaben delegieren.“
Susi meinte: „Ich dachte, ich mache nur den Kleinkram, Optimierungen. Du bist doch eigentlich die Forscherin mit Doktortitel.“
Ich strich ihr sanft durchs Haar: „Oh, so einfach kannst du dich nicht rausreden. Ohne Titel hast du genauso interessante Ideen, kannst doch ebensogut forschen. Am Ende der Welt können und brauchen wir uns doch nicht durch Titel beeindrucken lassen. Wir sehen eben zu, was wir zusammenbekommen und sehen zu, daß wir vorankommen. Und ‚nur Kleinkram‘ ist auch keine gute Selbsteinschätzung. Was du geschafft hast, ist doch viel mehr. Und frische Ideen können wir doch sowieso immer brauchen, so viele davon haben wir im Schnitt ja nun auch nicht zu bieten.“
Susi küßte mich kurz auf den Mund, meinte dann: „Also gut, ich vertraue deinem Urteil und werde mich reinhängen. Vermutlich kommt ja sowieso nichts dabei heraus und ich bin schnell wieder ganz beim Sintflutprojekt.“
Ich küßte sie ebenfalls kurz: „Einen Versuch ist es wert!“
Und dann vergnügten wir uns noch etwas, kamen dann sehr zufrieden und erschöpft zur Ruhe, der nächsten Tag wäre früh genug, neue Ideen zu prüfen.
Gleich beim Frühstück hielten wir dann eine improvisierte Lagebesprechung ab. Susanne berichtete über ihre Idee einer Interaktion mit dem Pilz und die Ais hatten kein Problem damit, daß Susanne kurzfristig wechselte. Die Simulationen zur Bildung des Eisringes waren im vollen Gange, ein kleinerer Test mit mehreren Eisbrocken in Planung, von daher ging es gut voran.
Allerdings meldete Körk eine Störung an einem größeren Absorber im Streufeld Wotan, was seine komplette Aufmerksamkeit erfordern würde. Zunächst hatte ein Brocken einen Antrieb unglücklich getroffen, während der Reparatur hatte es dann noch zwei weitere Antriebe getroffen, so daß der Absorber nun nicht mehr vollständig lenkbar war. Die Schäden betrafen dann auch noch die Beweglichkeit von Antrieben relativ zum gesamten Absorber, also insgesamt eine eher unerfreuliche Situation. Da Antriebe relativ komplex sind, würde die Reparatur länger dauern. Körk mußte da also neu planen und derzeit größere Einschläge vermeiden, stand aber vor dem Problem, daß ein größerer Brocken auf Kollisionskurs war und beim Aufschlag dann dem Absorber einen ordentlichen Schubser verpassen würde.
Von daher war Körk gut beschäftigt, so daß Ida zwar die Simulationen weiter betreute, ansonsten das Projekt aber ein paar Tage ruhen würde. Da wir es nicht eilig hatten, war das natürlich kein Problem.
So wechselte also Susanne vorrübergehend die Arbeitsgruppe und wir überlegten, wie wir mit den vorhandenen Sonden etwas probieren könnten. Die kontaminierten Sensoren hatten wir ohnehin von der Stromzufuhr her begrenzt, gegen einen Kurzschluß etwa durch die Kontamination gut abgesichert. Bislang hatte der Pilzbefall da aber nur für kleine Widerstandsänderungen gesorgt.
Ich fragte dann einfach einmal so aus einer spontanen Idee heraus, auch das Gespräch mit Susanne in der Nacht wieder aufgreifend: „Was haben wir eigentlich darüber verstanden, wie die Symbiose von Pilz und Pflanze funktioniert?
Gibt es da lediglich einen Nährstoffaustausch oder auch eine Art Kommunikationskanal?
Gibt es eine Steuerung direkt über den Nährstoffaustausch oder noch auf anderem Wege?“
Hildegard meinte: „Anhand unserer verfügbaren kleinen Proben ist das gar nicht einmal so einfach herauszufinden, aber in der Probe stecken natürlich Teile von Pflanze und Pilz, die Verbindung können wir uns schon genau ansehen, bei der weiteren Probennahme könnten wir ja auch gezielt interessante Bereiche auswählen, um mehr zu erfahren.“
Ich führte aus: „Wenn wir darüber etwas wissen, ist es ja vielleicht auch möglich, unsere betroffenen Sensoren so anzusteuern, daß wir entweder mehr über solche Verbindungen verstehen oder aber eine derartige Verbindung zu simulieren lernen.“
Susanne lachte: „Damit wären wir dann ja schon dicht dran an der Kommunikation. Was können wir mehr erwarten zwischen Pilz und Pflanze, beide ohne Gehirn?“
Ich lächelte: „Was wissen wir bis jetzt schon?
Ist doch durchaus möglich, daß das Myzel des Pilzes ein Gehirn bildet oder jedenfalls irgendwo in einem geschützten Bereich ein Teil davon. Vielleicht entspricht unsere Analogie mit einem Pilz ja nur sehr unzureichend dem wirklichen Sachverhalt auf diesem Planeten. Die wissenschaftliche Hypothesenbildung hängt ja auch immer stark davon ab, welche Bilder wir von der Welt haben, die experimentellen Ergebnisse ermöglichen es uns erst, die Bilder besser an die Wirklichkeit anzupassen, dann bessere Hypothesen aufzustellen. Unser Denken ist ja immer nur eine stark vereinfachte Projektion der Realität, wie wir sie bislang erfahren haben. Eine neue Situation können wir da zwangsläufig nicht so einfach einordnen, greifen aber trotzdem erstmal in eine Schublade zu einer vielleicht nicht besonders gut passenden Analogie.“
Susanne wuselte mir sanft durchs Haar: „Oh, jetzt legst du ja richtig los mit einer philosophischen Aufarbeitung unseres Tuns!“
Ich lachte und knuffte sie liebevoll in die Seite: „Das sind doch die Grundüberlegungen einer guten Experimentatorin: Was stecke ich bereits durch meine Hypothesen, meinen Ansatz in ein Experiment hinein, wie interpretiere ich das, was dabei herauskommt?
Sehe ich nur das, was ich mir anfangs gedacht habe, weil ich es bereits aufgrund des Aufbaus des Experimentes hineingesteckt hatte oder ist das Ergebnis dominiert durch das Phänomen, welches ich wirklich untersuchen wollte?“
Susanne meinte: „Wenn unser Bild von der Welt bestimmt, wonach wir fragen oder suchen, konstruieren wir dann nicht immer, statt zu untersuchen und so unser Bild zu verbessern?“
Ich erwiderte: „Das ist aber jetzt deine philosophische These. Die Gefahr besteht natürlich zu konstruieren. Aber gerade die Quantenphysik hat auch gezeigt, wenn man die Fragen falsch stellt, kann man auch die Antworten, die experimentellen Ergebnisse nicht verstehen. So probiert man andere, anfangs vielleicht auch befremdliche Ideen und ändert die Fragestellungen, führt andere Experimente durch, die besser zu dem passen, was wirklich ist. Kommt man dem nahe, so ist man auch gut in der Lage, die Antworten, also die experimentellen Ergebnisse zu verstehen. Je mehr man eine verfestigte Meinung vertritt, in seinem Bild von der Welt feststeckt, sich nicht immer wieder in Frage stellt, desto mehr Aufwand bis hin zur Selbstzerstörung ist notwendig, um einen winzigen Teil der Welt um einen herum an die eigenen Vorstellungen anzupassen. Das wird dann schnell absurd, wenn man nicht in der Lage ist, flexibel zu denken, wenn man nicht bereit ist, die eigenen Vorstellungen von der Welt zu korrigieren, wenn die Ergebnisse von Beobachtungen und Experimenten nicht zu dem passen, was man gedacht hat.
Grundlage der Naturwissenschaft ist doch immer die Möglichkeit der experimentellen Falsifikation und die Fähigkeit, neue Hypothesen, Theorien zu formulieren, die dann etwas besser zu dem passen, was wirklich ist.“
Hildegard merkte an: „Fein, also müssen wir herausfinden, wie wir dem Pilz-Wesen Fragen stellen können, mit denen es etwas anfangen kann und wo wir umgedreht mit den Antworten etwas anfangen können. Oder wenn es uns Fragen stellt, so müssen wir erst einmal erkennen, daß es Fragen sind, dazu herausfinden, welche Antworten verständlich sein könnten. Das ist eine harte Nuß!
Ich hoffe, ich verwende diese Redewendung korrekt?“
Susanne bestätigte: „Ja, die harte Nuß paßt gut, wenn wir auch nur relativ weiches Pilzgeflecht untersuchen.“
Susanne und ich lachten.
Esme schlug dann vor: „Also vielleicht auch die Störungen im Detail untersuchen, die der Pilz im Sensor verursacht hat.“
Susanne pflichtete ihr bei: „Genau!
Das sollten wir genau analysieren, vielleicht kann man da ja Regelmäßigkeiten erkennen, irgendwas, was nach Information aussieht. Wäre es eine sinnvolle Einteilung, wenn Esme und ich uns dies Rauschen ansehen und ihr, also Hildegard und Michaela die Proben untersuchen, wie die Verbindungen zwischen Pilz und Pflanze aussehen?“
Damit waren wir einverstanden.
Ich schlug dann auch noch vor: „Um uns nicht zu sehr auf Pilz einzuschießen und damit vielleicht keine ganz korrekten Bilder im Kopf zu verfestigen, sollten wir unserem pilzigen Charybdianer vielleicht einen Namen geben …“
Susanne nickte: „Welchen?
Vielleicht nicht gerade einen, der schon von den Leuten belegt ist, die noch konserviert sind, sonst könnten da falsche Assoziationen entstehen, wenn diese Person später wiederauferstanden wird.“
Das hielt ich auch für eine gute Idee, so fragte ich: „Esme, du kannst das doch sicher schnell in der Datenbank prüfen?
Wie wäre es mit Bruno oder Myke?“
Esme brauchte nur einen Moment: „Myke hast du dir ja gerade ausgedacht, das gibt es gar nicht. Bruno ist aber aktuell auch nicht belegt. Wieso Bruno?“
Ich führte aus: „Oh, war nur so eine spontane Assoziation. Es kursierten mal Berichte und Bilder über eine eigenartige biologische Struktur in einer in einem Keller vergessenen Flasche mit einem Milchfruchtzuckermischgetränk. Ist aber vielleicht gar nicht so gut die Assoziation, also dann doch besser das frei erdachte Myke, etwas wie Myzeln hat der pilzige Charybdianer doch.“
Und so blieben wir bei Myke.
Die Probennahme optimierten wir dann kurzfristig hinsichtlich der neuen Fragestellung. Darwin manövrierten wir auch vorsichtig in die Nähe der Vegetation, um dann möglichst detailliert die Verbindungen zwischen Pflanzen und Myke weitgehend nichtinvasiv zu untersuchen. So viel konnten wir dabei dann doch nicht erkennen, weswegen wir doch etwas energischer eingreifen mußten. Da wir nun aber auch nicht wollten, daß Myke Darwin überwuchert, zogen wir Darwin bald wieder zurück. Mit beiden Ansätzen lernten wir deutlich dazu.
Auch die detaillierte Untersuchung des Rauschens war anspruchsvoll. Zudem hatten wir durch Darwins Zugriff nun auch noch entsprechende Signale von funktionierenden Verbindungen von Myke mit Pflanzen.
So dauerten unsere Untersuchungen einige Tage. Wir hatten dann immerhin bald ein etwas genaueres Bild der Vorgänge, wenn wir es auch weiterhin natürlich mit so bescheidenen Mitteln nicht wirklich komplett verstehen konnten.
Körk hatte dann auch noch Ida hinzugezogen, um das Problem mit den Absorbern in den Griff zu bekommen, inzwischen waren zwei im Streufeld Wotan betroffen, der erstere mit den größeren Problemen driftete aktuell grob in Richtung eines weiteren Absorbers im Asteroidengürtel Freki zu, beziehungsweise Körk und Ida bemühten sich darum, im Bereich der Durchquerung des Asteroidengürtels größere Objekte aus dem Weg zu räumen, damit die Angelegenheit nicht noch schwerer zu handhaben war. Das entwickelte sich langsam zu einem etwas größeren Drama als anfangs gedacht. Wir wollten im Asteroidengürtel Freki ja nun nichts durch unsere großen Absorber so durcheinanderwirbeln, daß vielleicht noch Objekte von dort ins innere Sonnensystem abgelenkt würden. Und der Absorber mit all dem Material darin war nun schon so groß, daß er gravitative Störungen auslösen konnte. In seinem normalen Betrieb war das inzwischen sogar ein Teil seiner Funktion, im Mitflug allmählich Material zu akkumulieren. Mangels Steuerung war das nun aber zum Problem geworden. Deshalb waren Ida und Körk nun hektisch darum bemüht, mit den Roboterschwärmen und Transportsonden Platz zu schaffen, dort, wo der Absorber auf den Gürtel treffen würde.
So war das Sintflutprojekt also einige Tage praktisch unbetreut, die bis dahin geplanten Simulationen liefen durch, aufgrund des Durcheinanders mit dem Absorber mußte das Experiment mit weiteren Eisbrocken für den Eisring ohnehin vertagt werden.
Kurz kam die Überlegung auf, ob es ratsam sein könnte, die Raumstation in eine Position jenseits des Asteroidengürtels Freki zu bringen, allerdings war die Situation derzeit zu unübersichtlich, als daß wir da eine optimale Position gut hätten abschätzen können. Zudem hätten wir die Rotation stoppen müssen, um unseren Absorber an die Station anzukoppeln, um halbwegs zügig von der Stelle zu kommen, auch dann aber würde die Zeit knapp werden, zumal wir ja nicht prognostizieren konnten, wo das optimale Ziel wäre.
So blieb also die Überlegung, ob wir vorsorglich die Rotation stoppen sollten, um dann den Absorber fester an die Station zu koppeln, um gegen etwas größere Einschläge gewappnet zu sein. Die hielten Körk und Ida indessen einstweilen für unwahrscheinlich, so führten Esme, Susanne und ich nur gemeinsame Übungen durch, um Susanne und mich mit Notfallmaßnahmen und den Rettungkapseln vertraut zu machen. Esme aktualisierte zudem ihre Sicherheitskopien auf dem Raumschiff häufiger. Zusätzlich sendeten Esme, Hildegard, Körk und Ida Sicherheitskopien von sich selbst und den Erkenntnissen der Mission zu Stanis und Asi. Unser Wissen war so jedenfalls mehrfach abgesichert, was gut für die Mission war, Susanne und ich sorgten uns jedenfalls etwas. Aber eigentlich war das ja alles nur Vorsorge für einen sehr unwahrscheinlichen Fall.
Körk und Ida hielten uns auf dem Laufenden, während wir dann weiter an Myke und der Frage der Kommunikation herumrätselten.
Die Probenanalyse zeigte schon, daß zwischen Myke und den Pflanzen nicht nur Nährstoffe fließen, sondern auch elektrochemische Verbindungen bestehen, die irgendwie bei der lebendigen Symbiose auch aktiv sind, fast schon vergleichbar mit den synaptischen Verbindungen der Neuronen im Gehirn. Das könnten wir natürlich mit unseren einfachen Sonden gar nicht simulieren. In Mykes Myzeln lösen jedenfalls die Signale elektrochemiche Pulse aus, umgedreht führen solche Pulse zur Übertragung von Transmittern an die Pflanzenzellen. Das könnten wir schon eher nutzen, denn elektrische Pulse können wir leicht an bestimmten Sensoren einer Sonde erzeugen, auch solche detektieren.
Solche Pulse von Myke schienen dann auch die Ursache für das Rauschen zu sein, welches Esme und Susanne untersuchten.
Vielleicht war dieses breitbandige Rauschen Mykes Strategie um mit einem anderen, bislang unbekannten Organismus wie einer neuen Pflanze Kontakt aufzunehmen und irgendwie eine Kommunikation zu etablieren.
Ida und Körk konzentrierten sich inzwischen stark auf das Problem mit dem Absorber und dessen Durchquerung des Asteroidengürtels, Hildegard und ich entlasteten sie dann bei der Überwachung der anderen Absorberaktivitäten und der Roboterschwärme im Asteroidengürtel. Um zeitnah agieren zu können, befand sich das Raumschiff derzeit noch in der Nähe des Asteroidengürtels, würde aber bald weiter nach draußen zu den Gasriesen hin durchstarten, um sich selbst in Sicherheit zu bringen.
Esme steuerte unsere Missionen auf Skylla, suchte dort vorsichtshalber nach sicheren Orten zur Unterbringung von Eroberer, Yeti und Wüstenfuchs. Auch für Darwin hatten wir bereits eine gute Stelle gefunden. Spannender wurde es hingegen für die Luftschiffe. Wir entschieden uns dann, eines an der Position von Darwin zu landen, mit den anderen suchten wir noch nach einem sicheren Ort. Als Bilanz ihrer bisherigen Tätigkeit war bis jetzt herausgekommen, daß Myke bislang an allen untersuchten Stellen des Planeten präsent ist. Da wir rund um Charybdis verteilt Proben genommen hatten, konnten wir inzwischen sogar vermuten, daß Myke auf dem Planeten jedenfalls an der Oberfläche im Wasser und in der Nähe von Wasserläufen omnipräsent ist.
Hinsichtlich Myke waren wir daher eigentlich ganz zuversichtlich, daß der sich von kleineren Einschlägen schon würde erholen können. Das hatte bislang ja offensichtlich auch ganz gut geklappt.
Allerdings gingen wir auch weiterhin davon aus, ein größeres Drama noch durch Aktionen im Asteroidengürtel Freki vermeiden zu können.
Ida und Körk hatten dann das Konzept entwickelt, einen Absorber des Freki-Asteroidengürtels mit dem außer Kontrolle geratenen großen Absorber zu vereinen, um wieder die Kontrolle zu erlangen. Theoretisch klang das auch ganz gut, praktisch würde das aber zwangsläufig ein harter Zusammenstoß der Absorber werden. Bei der Sache war mir gar nicht wohl, das war komplex und schlecht zu prognostizieren. Der vagabundierende Absorber hatte durch die Einschläge einen ordentlichen Drehimpuls bekommen, von dem wir nur so ungefähr wußten, wie dieser räumlich orientiert war. Zudem war der Absorber durch die Schäden außer Form geraten, die Roboterschwärme darauf sehr stark gefordert.
Susanne war indessen ganz in ihrem Kommunikationsprojekt versunken, bekam das Absorberdrama auch nur am Rande mit. Ich wollte sie ebenso wie Esme nicht mit Details beunruhigen, ließ sie mal intensiv weitermachen. Und im Rauschen konnte sie aufgrund von Fachkenntnis und der Verwendung komplexer Algorithmen wirklich Muster erkennen, die sie als Informationsfluß oder jedenfalls als Sendung von Information interpretieren konnte. Verstehen konnte sie das indessen nicht. Wir waren aber immerhin so weit, daß wir einen Sensor jeder Sonde verwenden konnten, um elektrische Pulse an Myke zu senden, der sein Myzel in den Bereich ausgedehnt hatte.
Susanne probierte auf gut Glück mit einfachen Pulssequenzen, da ihr unverständlich war, was Myke mit den Pflanzen ‚plauderte‘.
Es gab etwas, was man eine Antwort nennen konnte!
Schon in unserem Gehirn ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Information nicht geradezu hoch, so war es auch nicht sonderlich überraschend, wie lange Susanne auf eine Antwort wartete. Sicher war sie da noch lange nicht, daß wirklich wir gemeint waren. So ging es dann weiter.
Susanne versuchte es mit einer Zahlenfolge, 1, 2, 3, 4.
Myke wiederholte sie, ähnliche Signalstärke, ähnliche Länge der Pulse und auch der Pausen dazwischen. Das war ebenfalls interessant. Susanne wiederholte ebenfalls, hängte noch eine 5 dran.
Myke wiederholte abermals, hängte eine 6 dran, Susanne eine 7, Myke eine 8, Susanne eine 9, Myke eine 10.
Das konnte man schon eine einfache Kommunikation nennen, eine ordentliche Überraschung.
Sie wiederholte das Experiment, diesmal aber mit einem asymmetrischen Signal als Zeichen für den Beginn und eine zeitlich umgedrehte Struktur für das Ende der Mitteilung. Myke übernahm die Idee problemlos.
Susanne probierte die Fortsetzung dann mit einer anderen Sonde, was auch klappte. Myke antwortete bei allen Sonden, auch mit einfacher Fortsetzung der Zahlen, auch bei einer Folge von geraden, ungeraden Zahlen, anderen einfachen Folgen. Das klappte dann auch noch, als Susanne probierte, bei allen Sonden gleichzeitig zu senden. Die Antworten dauerten nur unterschiedlich lange, je nach Versuch nicht einmal immer dieselbe Zeit bei derselben Sonde.
Myke hatte vermutlich Zusammenhänge erfaßt oder reagierte jedenfalls so als ob die Sonden zusammengehören.
Erstaunt diskutierten wir, wie wir kompliziertere Sachen kodieren könnten, Zahlenfolgen allein sind ja nicht so informativ, zudem mit endlich vielen Zahlen ohne Angabe der erzeugenden Funktion auch nicht einmal eindeutig fortsetzbar. Konnte Myke das nachvollziehen?
Susanne probierte es noch einmal mit einer einfachen Zahlenfolge, dann jedoch auf Mykes Antwort hin mit einer etwas kreativeren Fortsetzung. Die Antwort schien etwas länger zu dauern, dann aber kam darauf eine nachvollziehbare Antwort.
Myke schien also wirklich etwas zu verstehen, allerdings hatten wir kein Konzept für eine weitergehende Kodierung komplizierterer Gedankengänge.
Wir überlegten uns dann, weitere asymmetrischen Zeichen für gleich, ungleich, wahr, falsch, unklar, unverstanden, keine Antwort, Grundrechenarten einzuführen, darauf könnte man dann schon besser aufbauen und später auch auf abstrakterer Ebene kodieren. Susanne probierte das, es dauerte eine Weile, bis Myke das nachvollzogen hatte oder gar von ihm Signale erzeugt wurden, die wir erst verstehen und nachvollziehen mußten, aber so kamen wir langsam voran.
Susanne dachte sich dann in der folgenden Zeit einige Aufgaben aus, bekam auch bereitwillig Antworten.
In einer Pause kam dann überraschend von Myke eine Signalfolge herein, offenbar eine Aufgabe für uns?
Es war eine etwas kompliziertere Zahlenfolge mit heuristisch nachvollziehbarer Erzeugungsregel. So antwortete Susanne also und bekam als Reaktion dann die weitere Fortsetzung als Bestätigung.
Myke probierte ein paar andere Sachen, wir rätselten etwas, besonders Susanne und Esme probierten einige Möglichkeiten durch, sendeten jene, die uns am plausibelsten erschien, bekamen als Antwort eine andere zurück, worauf wir eine weitere Variante sendeten. Myke hatte noch eine auf Lager, bei der wir länger brauchten, um sie zu verstehen.
So stellte sich jedenfalls die Frage, wir wir weiter vorgehen könnten, um mehr über uns zu erzählen, um mehr von Myke zu erfahren, zu verstehen, was er eigentlich war, eine Persönlichkeit mit Intelligenz?
Oder war diese Fähigkeit zur Fortsetzung von Zahlenfolgen etwas, was Myke auch ohne Gehirn irgendwie fertigbrachte und was irgendwie nützlich zum Überleben hier war?
Allerdings hatte er wohl die festgelegte Bedeutung der asymmetrischen Signale erkannt und verwendete diese, er war also sicherlich lernfähig, ging flexibel auf seine Umwelt ein. Das was schon allerhand für einen Pilz.
Eine Erfassung von Zyklen und Zeiträumen etwa könnte durchaus nützlich sein, die waren aber aufgrund der komplizierteren Umlaufzeiten im System durchaus komplexerer, erforderten doch sicherlich einen gewissen Intellekt, um dies als Zahlenfolgen zu erfassen.
Susannes Idee war dann, Myke irgendwie eine Kodierung von Zeichen zu acht Bit vorzuschlagen, dazu könnte man Gruppen mit Klammern aus asymmetrischen Signalen zusammenfassen, diese als Einheiten auffassen und so dann auf einer höheren Abstraktionsstufe kodierter Zahlen noch einmal einfache Zusammenhänge von Zahlen präsentieren, auf höherer Abstraktionsebene Logik und Rechnen, eventuell auch kompliziertere Mathematik probieren.
Nachts fragte mich Susanne: „Was hältst du eigentlich davon?
Leben, außerirdisches Leben, vielleicht gar intelligent, ganz anders als wir es für möglich gehalten haben. All die Leute, die irgendwie geglaubt haben, ein Gott hätte sie nach ihrem Ebenbild geschaffen, die sich für den Nabel der Welt gehalten haben. Ist das nicht der endgültige Beleg für die Lächerlichkeit all dieser religiösen Narreteien?“
Ich lachte: „Für uns schon, die wir das längst verstanden haben, aber für die?“
Susanne hakte nach: „Für die nicht?“
Ich schüttelte den Kopf: „Nein, solch gläubige Menschen kann gar nichts überzeugen, sie ziehen ja ihren Glauben immer dem Prüfen, den Fakten vor, was könnte die überzeugen?
Selbst wenn ihnen ihr Gott persönlich den Glauben rauszuprügeln versuchte, sie würden immer noch auf ihrem Irrtum, ihrer Vorstellung von einem Gott, ihrem Glauben beharren.
Was würde Myke diesen Leuten schon bedeuten?
Sie würden doch nur die Schulter zucken und sagen: Wenn Gott uns schaffen kann, kann er woanders auch einen intelligenten Pilz schöpfen, den wir uns Untertan machen sollen, den wir zernichten sollen, nur um zu zeigen, daß wir die von Gott auserwählte Rasse sind, die sich das Universum Untertan machen soll.
Nein, also von solchen Menschen kann man nichts erwarten.“
Susanne überlegte einen Moment, meinte dann: „Leider, leider wirst du wohl Recht haben. Da haben wir sozusagen Glück, hier zu sein, ohne diese Leute.
Hier ist Frieden.
Ein ganzer Planet voll Frieden und einem eventuell intelligenten Pilz.“
Ich lachte: „Naja, vielleicht gärtnert Myke gar nicht so friedlich, vielleicht dominiert er sein Reich einfach nur wie ein Gott, der seine Übermacht nutzt, um zu unterdrücken. Vielleicht ist er einfach nur der Sieger in einem einstmals erbarmungslos ausgetragenen Konkurrenzkampf. Vermutlich werden wir das nie herausfinden, weil wir mit achäologischen Untersuchungen den gesamten Planeten umgraben müßten, Myke und seinen Garten vernichten, um dann doch nichts zu finden, weil er alle ehemalige Konkurrenz absorbiert, spurlos beseitigt hat.“
Susanne kuschelte sich nur zart an mich meinte: „Mein Gedanke klang irgendwie tröstlicher, deiner realistischer. Aber vielleicht ist es auch egal. Ich bin sehr müde …“
Und so schlief sie bald in meinen Armen ein und bald darauf schlummerte auch ich ein …
Unterdessen stand der Einschlag des Absorbers in den anderen Absorber im Bereich des Asteroidengürtels Freki kurz bevor. Das Raumschiff mit den Ais zischte ab, etwas weiter raus in den Bereich der Gasriesen.
Die komplexe Operation war dann nur oder immerhin ein Teilerfolg. Die Absorber trafen zusammen, der antriebslose wurde erfolgreich so abgelenkt, daß keine großen Brocken aus dem Asteroidengürtel herausgedrängt wurden. Aufgrund des großen Eigendrehimpulses des vagabundierenden Absorbers verlief der Zusammenschluß aber ansonsten nicht wirklich wie geplant und es traten größere Schäden auf. Der Klump von zwei Absorbern ließ sich nun auch nicht mehr gezielt manövrieren und war nun auf dem Weg ins innere Sonnensystem.
Leider ging der Bahnverlauf auch noch auf die Zwillingsplaneten zu. Einige der nicht komplett defekten Antriebe waren außer Kontrolle, es strömte auch Gas aus, weswegen die Bahn auch wegen der komplizierteren Drehbewegungen des Klumpen nicht mehr genau prognostizierbar war. Mit den Anfangsbedingungen und diesen permanenten Abweichungen ging der Absorberschrott direkt in den Bereich chaotischer Bahnen hinein, von daher war überhaupt nicht mehr absehbar, wo das Teil genau langfliegen würde, langfristig sowieso nicht, aber auch kurzfristig für die nächsten paar Tage war nicht mehr klar, ob der Schrott einfach erst einmal glatt passieren würde oder ob ein Zusammenstoß mit einem der Planeten oder eher unwahrscheinlich mit der Raumstation drohen würde. Die Roboterschwärme auf dem Schrott bekamen den primären Auftrag, den Schrott zusammenzuhalten, auch bei zunehmenden gravitativen Kräften im Nahbereich eines Planeten. Wir wollten verhindern, daß einzelne Teile auf die Planeten krachen. Ein Volltreffer bei Skylla wäre wohl gut zu verkraften, ein Volltreffer bei Charybdis wäre ein übles Geschenk für Myke und seinen Planetengarten, das mußte auf jeden Fall vermieden werden. Wir hatten aber nur noch wenige Optionen offen.
Als Vorsichtsmaßnahme mußten wir die Rotation der Raumstation aufheben. Das hatte sich bislang alles sehr ungünstig mit dem Absorberzwischenfall entwickelt, ungünstiger hätte es kaum kommen können. Unsere kleinen Missionen auf Skylla hatten wir vorsichtshalber wie geplant gesichert. Und dann versuchten wir immer wieder oder andauernd, die weitere Bahn des Absorberschrottes zu simulieren. Wir hatten auch eine Sequenz, um dessen Roboterschwärme komplett zu deaktivieren, denn wir wollten nicht, daß diese ihre Arbeit nach einem Absturz auf Skylla unkontrolliert fortsetzen sollten, auf Charybdis natürlich erst recht nicht.
Die tatsächliche Bahn stimmte nicht wirklich gut mit unseren Rechnungen überein, im Schrott gab es einfach zuviele Störfaktoren, ausströmende Gase, Antriebe mit Fehlfunktion, die etwas änderten, aufgrund einer sich dadurch auch noch ändernden Rotation zudem auch nicht wirklich vorhersehbar. So oder so war der Schrott dann doch eher in Richtung Charybdis unterwegs. Schlechter hätte es wirklich kaum laufen können. Wir mußten nun wirklich einen Absturz auf Charybdis befürchten. Fast schon aus Verzweiflung lösten wir den Absorber der Station von dieser und steuerten diesen für einen ablenkenden Zusammenstoß mit dem Schrott auf den Weg.
Der Plan ging immerhin auf, der nun noch größere Schrotthaufen verfehlte den Planeten, sauste weiter hinaus, bis an den chaotischen Bereich, wechselte aber nicht zu Skylla hinüber, sondern kam zurück, mit eher noch größeren Störungen gegenüber einem rein ballistischen Bahnverlauf. Unsere Prognosen deuteten eher an, daß der Schrotthaufen auf Charybdis früher oder später einschlagen würde.
Was also tun?
Etwas Zeit hatten wir ja noch, bis wir eine Entscheidung treffen mußten. Da die Ais ja nun Sicherheitskopien von sich verteilt hatten, begann ich dann, wenigstens meine Geschichte dieser Mission aus meiner Sicht aufzuzeichnen, den Text, welcher hier vorliegt.
Susanne wollte sich dem Ernst der Lage nicht stellen, verdrängte das immer weiter, hatte aber schon merklich Angst, schlief schlecht und arbeitete doch verbissen daran, ein System hinzubekommen, um Myke auf die Fähigkeit höherer Abstraktion hin zu testen. Was ich dann sah, könnte man allerdings auch umgedreht interpretieren, Myke versuchte mit komplexen Folgen von Signalen mit uns zu kommunizieren, wir waren aber nicht schlau genug, um das zu dekodieren. Nun, vielleicht sind wir auch zu unterschiedlich. Im Extremfall ist Myke ein Genie mit einem Hirn in der Größe fast der Oberfläche eines Planeten, mit ganz anderen Begriffen von Zeit und Raum und Sein, einem garantiert ganz anderen Bild von der Welt, einem ganz anderen Verständnis des Universums. Wie sollten wir da eine gemeinsame Ebene der Kommunikation etablieren, worüber uns miteinander unterhalten, als vielleicht Zahlenfolgen, Logik, Mathematik, Symmetrien, Chaos, Ordnung?
Selbst in der Gärtnerei war Myke offensichtlich mit ganz anderen Strategien erfolgreich als wir mit unseren dagegen eher bescheiden wirkenden Agrarkulturen, von denen besser auch nichts auf Charybdis landen sollte, was eine Gefahr für Myke und seine Garten sein könnte, vielleicht auch nicht, das war gar nicht abzusehen, schon von daher zu vermeiden.
Der Schrotthaufen näherte sich.
Was tun?
Mache einen Vorschlag, was nun zu tun ist.
Noch nicht verfügbare Handlungsstränge:
Absturz und Wiederauferstehung
Dann war klar, daß der Absorberschrotthaufen auf Charybdis einschlagen würde, wenn wir nicht eingreifen würden. Wir hatten nicht mehr viel Zeit. Schnell waren wir uns einig, daß wir sämtliche Möglichkeiten nutzen wollten, um Charybdis vor unserem eigenen Schrott zu schützen. Indessen waren die Optionen inzwischen begrenzt. Was uns blieb, war primär die Raumstation zu opfern, um diese einzusetzen, den Schrotthaufen vom Kollisionskurs abzulenken und dann hinüber nach Skylla. Nach einem Zusammenstoß des Schrottes mit der Station könnten wir nicht von einem sehr kontrollierten weiteren Flug ausgehen, das war uns schon klar. Ideal wäre es natürlich, den Schrott um Skylla herum in eine stabile Umlaufbahn zu bringen. Aufgrund der zu hohen kinetischen Energie und ohne Bremsung würde das aber nicht gelingen. Irgendwann käme der Schrott wieder zurück in die Nähe von Charybdis, also reiner Zufall, ob oder wo der Kram dann einschlagen würde. Die sichere Variante wäre also einzig ein Einschlag auf Skylla.
Nach eiliger Simulation waren wir eigentlich zuversichtlich, mit der Station noch hinreichend steuern zu können, um die Station und den Absorberschrott auf Skylla zum Absturz zu bringen. Bei einer weniger günstigen Variante hätten wir immerhin ausreichend Zeit gewonnen, um mit dem Raumschiff einen leistungsfähigen Antrieb heranzubringen und damit dann den Schrott entweder abstürzen zu lassen oder weiter ins innere Sonnensystem zu lenken, vielleicht bis zum inneren Asteroidengürtel Geri, wo es dann möglich wäre, die Bahn zu stabilisieren und alles neu aufzubauen.
Was aber würde aus Susanne und mir werden?
Wir hatten die Notfallkapseln. Diese haben aber nur einen wenig leistungsfähigen Antrieb. Die verfügbaren Raumfähren waren leider derzeit beim Raumschiff, konnten uns also nichts nützen. Die Ais hatten allerdings bereits die Bahn des Raumschiffs umgedreht, um zu uns zu kommen. Die Zeit würde aber nicht reichen.
Also die Notfallkapseln. Uns beiden war das unheimlich und Susanne hätte den Aufenthalt in wachem Zustand wohl psychisch nicht überstanden. So überredete ich sie, sich konservieren zu lassen. Die Ais hatten ja immer die Position der Kapseln verfügbar. Wir wären also so oder so nie auf uns allein gestellt. Susanne zitterte, stimmte dann aber zu. Und so legte sie sich in die Kapsel fast wie in einen allerdings geräumigen Sarg. Und ich veranlaßte dann für sie die Konservierung.
Nach Abschluß dieser Maßnahme bestieg ich meine Notfallkapsel, konservierte mich aber einstweilen nicht. Dann veranlaßte ich den Start der Kapseln und war über meine immerhin in der Lage, den weiteren Verlauf der Dinge auf Monitoren zu beobachten.
Raumstation und Schrotthaufen hatten sich inzwischen schon beträchtlich angenähert, die Ais reduzierten nun die Relativgeschwindigkeit, bis dann der Schrott nicht allzu heftig auf die Station krachte. Die resultierende Gesamtgeschwindigkeit zeigte immerhin in die richtige Richtung, ein direkter Treffer von Charybdis war somit kurzfristig ausgeschlossen. Nicht alle, aber ausreichend Antriebe der Raumstation funktionierten noch. Allerdings drehte sich der Schrotthaufen ziemlich wild, so daß es nur möglich war, die Antriebe pulsartig für Korrekturen und Beschleunigungen in eine gewünschte Richtung zu nutzen.
Der massereiche Schrotthaufen hatte unsere Notfallkapseln leider in kürzerer Entfernung passiert, als gewünscht. Unsere Maßnahmen bis zum Start der Kapseln hatten etwas zu lange gedauert. Jedenfalls zog uns der Schrotthaufen gravitativ in eine ungünstige Richtung, auf Charybdis zu. Da bereits beim Start der Kapseln der größte Teil des Treibstoffes verbraucht war, blieben uns nur wenige Optionen. Es erschien zu gewagt zu sein, mit dem Resttreibstoff zu versuchen, noch auf eine stabile Umlaufbahn zu kommen. Aber er würde reichen, um zeitlich korrekt gesteuert und zusammen mit ebenfalls verfügbaren Fallschirmen und Dämpfern einen Absturz auf Charybdis zu bremsen!
Eigentlich wollten wir da keinesfalls hin, zu wenig wußten wir noch über Myke, zu schlecht konnten wir steuern, wo wir herunterkommen würden. Aber es blieb keine Wahl, der Absturz hatte schon begonnen!
Ida meldete sich bei mir, diesen unbeabsichtigte Landung hätte sie im Griff, ich solle ruhig bleiben. Nun, man kann sich denken, ich war alles andere als ruhig, nahezu panisch. Es blieb nun aber keine Wahl. Ich forderte dann von Ida, auch über die weitere Flugbahn des Schrotthaufens mit der Station zu berichten. Einstweilen aber stürzten Susanne und ich schon auf Charybdis zu und Ida und Körk steuerten dann jeweils das Bremsmanöver. Zuerst schlug Susanne in der Meerpampe nahe der Küste auf, in dem Konservierungsbrei eingebettet hatte sie das gut überstanden. Ich hatte keine Zeit, mich darüber zu erfreuen, denn kurz darauf ruckelte ich heftig in meiner Pampe. Etwas benommen bekam ich mit, wie Ida mir mitteilte, ich sei ganz mitten in der Küstenvegetation gelandet!
Dann war Ruhe.
Ida legte dann Aufnahmen von Satelliten auf meinen Bildschirm. Die Luftschiffe waren weiter entfernt und sie hatten einstweilen Probleme genug, als daß sie deren Position verändert hätten.
Auf den Bildern waren unsere beiden Kapseln als kleine Punkte auch nur erkennbar, weil Ida sie mit roten Kringeln und Pfeilen markiert hatte.
Die Kapseln haben ja auch Außenkameras, deren Bilder zeigten dann relativ schnell, wie Mykes Myzel Susannes Kapsel überwucherte, ebenso meine. Wir konnten nur hoffen, daß die Kapseln bei der Landung keine Macken abbekommen hatten, denn eine gegenseitige Kontamination wollten wir unbedingt vermeiden. Organische Spuren außen an den Kapsel waren sehr wahrscheinlich ohnehin beim Eintritt in die Atmosphäre verbrannt.
Die Ais hatten dann zunächst einmal mit dem Absorberschrott zu tun. Ida schlug vor, ich solle doch auch bei mir die Konservierung veranlassen, um weiterem Streß aus dem Wege zu gehen. Ich wollte aber unbedingt wissen, wie es nun weiterging. Es war schon klar, daß ich nicht lange würde wachbleiben können, denn im Wachzustand ist ja doch Nahrungszufuhr notwendig, die in der Notfallkapsel begrenzt ist. Ich hatte die Reserven im Blick, so beschloß ich erst noch abzuwarten. Ich stimmte aber Beruhigungsmitteln zu und dämmerte dann erst einmal weg.
Später, wieviel Zeit vergangen war, kann ich gar nicht einmal sagen, erwachte ich dann wieder, was Ida veranlaßt hatte. Ich schaute angespannt nach dem Status der Rettungskapsel von Susanne und auch von meiner, beide waren in Ordnung, keine Fehlfunktion, aber inzwischen beide komplett von Myke überwuchert. Wir hatten nun keine Sensoren offen, um Signale mit Myke auszutauschen, aber was hätten wir austauschen sollen?
Susannes Bemühungen hatten zwar ein paar kleinere Fortschritte gemacht, aber von einem Verstehen waren wir jedenfalls noch weit entfernt. So konnten wir einstweilen nur hoffen, daß Myke nicht mehr auf Lager hatte, um in das Geheimnis unserer Kapseln vorzudringen, um es zu erforschen. Auch gegenüber unseren Sonden hatte Myke sich nicht aggressiv gezeigt, so konnten wir also hoffen, daß das auch bei den Kapseln so sein würde.
Ida berichtete dann über die Bemühungen um den Schrotthaufen. Da die Navigation doch kompliziert gewesen wäre, hatten sie sich dann doch entschieden, eine günstige Chance der erreichten chaotischen Bahn zu nutzen, um den Schrotthaufen mit dem inzwischen eingetroffenen zusätzlichen Antrieb aus dem System der Zwillingsplaneten hinaus in Richtung inneres Sonnensystem schleudern zu lassen. Auf dem Weg zum Asteroidengürtel würden sie nun genug Zeit haben, um Schrott und Station eingeschränkt und pulsartig abzubremsen, den Kram dann beim Asteroidengürtel Geri zu stabilisieren und dort dann hoffentlich die Raumstation zu reparieren, die Roboterschwärme weiter nützlich zu verwenden, um aus den Asteroiden von Geri nützliches Material zu gewinnen.
Bei mir wurden die Nährmittel inzwischen deutlich knapper, weswegen ich nun auf Idas Vorschlag eingehen mußte, mich konservieren zu lassen. Sehr wohl war mir nicht dabei, auch wegen der ungewissen Zukunft von Susanne und mir, denn eine Bergung von Charybdis ist nicht so einfach, da würden sich die Ais noch etwas einfallen lassen müssen, um uns vom Planeten wegzubringen, auch ohne Myke beim Start nennenswert zu schädigen.
Und dann drückte ich den Knopf, um die Konservierung zu veranlassen …
Anders als beim ersten Erwachen aus der Konservierung wußte ich dieses Mal eigentlich gleich um diesen Sachverhalt, war kaum desorientiert, trotzdem aber etwas unsicher in der Koordination und der Wahrnehmung, war daher vielleicht auch eher gefaßt auf Überraschungen. Etwas eigenartig war mir trotzdem zumute, als ich die Augen öffnete und sich das Bild langsam schärfte. In der Tat war ich dann doch ziemlich überrascht, offenbar war ich nicht mehr in meiner Notfallkapsel, auch nicht auf der Raumstation oder dem Raumschiff, sondern in einer Art Krankenstation oder jedenfalls einem Ruheraum mit etwas, aber eher wenig technischem Gerät darin. Gleich nebenan ein paar Meter entfernt stand einer dieser Konservierungsblöcke, geschlossen, also nicht meiner, erst recht nicht meine Notfallrettungskapsel.
Ein Kind, eine Jugendliche lief gerade durch eine Tür, helles, leicht gelbliches Licht fiel kurz herein, aber nur kurz, denn die Tür schloß sich bereits wieder, so daß wieder gedämpftes Licht vorherrschte. Draußen und etwas dumpf hörte ich das Kind dann rufen: „Ida! Ida!
Sie ist erwacht!
Sie ist wach!“
Von etwas weiter weg antwortete es dann, ich konnte nicht ausmachen, ob das wirklich die Stimme der mir bekannten Ida war: „Regina, ruhig, du verunsicherst sie noch, warte einfach mal ab, bis ich ihr alles erklärt habe …“
Sie unterhielten sich offenkundig draußen noch leiser, ich verstand sie nicht.
Ich hatte mich inzwischen aufgesetzt und sah mich grübelnd um. Den Raumanzug trug ich immer noch – vielleicht auch einen anderen, jedenfalls einen sehr ähnlichen. Das Mädchen hatte jedenfalls relativ normale Kleidung an. Ich spürte Gravitation, jedenfalls Beschleunigung, es sah hier auch irgendwie nicht wie auf dem Raumschiff aus, nicht wie auf der Raumstation. Es lag Krempel herum, es sah menschlich bewohnt aus, benutzt, hier waren Menschen zuhause. Wo war ich eigentlich und wer war Regina?
Zuletzt war ich doch zusammen mit Susanne auf Charybdis abgestürzt?
Was war mittlerweile passiert?
Psychoaktive Substanzen von Myke?
Immerhin ist er doch ein pilzartiges Wesen?
War der doch in die Kapsel, in mich eingedrungen, manipulierte nun mein Denken?
Aber das hier wirkte irgendwie nicht wie ein Alptraum aufgrund von psychoaktiven Substanzen, woher sollte Myke auch wissen, was wie bei Menschen wirkte?
Naja, ich hatte ja selbst allenfalls theoretische Basiskenntnisse über die Wirkung solcher Substanzen. Das war also Unsinn.
Ich bekam es nicht zusammen und hoffte, bald mehr zu erfahren, von hoffentlich jener Ida, die nicht nur denselben Namen trug wie die mir bekannte, sondern diese auch war. Aber hier sah es irgendwie nicht danach aus, als ob das ein Ort wäre, wo Ida anzutreffen wäre. Es wirkte irgendwie alles wie eine bizarre Mischung aus Öko-Kommune und hochtechnisiertem Wohnidyll. Was hatten die Ais mit mir angestellt?
Was war mit Susanne?
Was war passiert?
Es fühlte sich jedenfalls nicht so an, als sei ich unter Drogen gesetzt.
Trotzdem war ich stark verunsichert. Offensichtlich hatte ich entscheidende Veränderungen nicht mitbekommen. Wieviel Zeit war verstrichen, was war passiert?
Ich kam nicht sonderlich weiter mit meinen Überlegungen, schon öffnete sich die Tür und jemand oder etwas trat ein. Also es hatte durchaus menschliche Form, war aber doch eindeutig nicht menschlich. Nach einem Roboter sah es aber auch nicht aus.
Das Wesen schaute mit leicht geneigtem Kopf zu mir, nickte ruhig und meinte dann: „Hallo Michaela!
Erneut herzlich willkommen zurück!“
Das kam mir schon irgendwie bekannt vor, ich schaute aber wohl doch verblüfft und antwortete nur zögerlich: „Ebenfalls Hallo, sind wir uns schon begegnet?“
Ich hatte nicht einmal Panik. Die Zeit vor meiner Konservierung war so dramatisch gewesen, da ruhte ich nun in dieser friedlichen Umgebung so ziemlich in mir selbst, zumindest wollte ich mir das halbwegs glaubhaft einreden. Tatsächlich zitterte ich etwas und meine Händen rutschten immer wieder nervös über meine Oberschenkel. Vermutlich hatten sie mir ohnehin auch eine kleine Dosis Beruhigungsmittel verpaßt, geradezu dumpf im Kopf fühlte ich mich allerdings nicht, schon mit allen Sinnen wach und aufmerksam.
Das Wesen erwiderte: „Oh, natürlich, kannst mich ja nicht erkennen. Ich bin es, Ida, oder wenigstens die hiesige Repräsentation. Natürlich befinde ich mich eigentlich zum größten Teil noch immer auf dem Raumschiff und der Raumstation und nicht hier. Ich habe mich für die Menschen hier etwas menschlicher in der Erscheinung gemacht. Das schien mir hilfreich auch gegenüber den Kindern zu sein. Es ist viel passiert, seit wir uns das letzte Mal unterhalten haben.“
Das jedenfalls konnte ich unmittelbar aus den wenigen Informationen implizieren, die ich bislang selbst erfaßt hatte.
Ich schluckte, bestätigte: „Das ist selbst mir innerhalb dieser wenigen Minuten bereits aufgefallen. Ich fühle mich gerade komplett ausgeliefert und desorientiert!
Vor allem aber, was ist mit Susanne?“
Ida nickte ruhig, legte mir sanft und in beruhigender Absicht ihr Handimitat auf die Schulter: „Michaela, ich verstehe das schon, aber bitte bleibe ganz ruhig, es ist alles in Ordnung jetzt, wir haben es geschafft und sind angekommen, du bist in Sicherheit. Ich habe mich an unsere Verabredung gehalten und dir nicht auf Verdacht eine hohe Dosis Beruhigungsmittel verabreicht, denn das hätte dich vermutlich später doch nur empört. Du hast nur ein ganz leichtes Mittel bekommen. So müssen wir das nun so hinbekommen, aber es wird uns gelingen. Es ist alles gut. Du bist nicht allein. Wir sind bei dir und werden dich nicht mehr verlassen.“
Dann wies sie auf den anderen Konservierungsbehälter und meinte: „Mit Susanne ist auch alles in Ordnung. Wir haben nur dich zuerst wiederauferstanden, weil uns das sinnvoller erschien. Du reagierst deutlich robuster, das wollten wir dann schon nutzen. Wenn du dann Susanne begrüßt, ist wenigstens diese nicht ganz so irritiert, bei dir konnten wir das nun leider nicht vermeiden!“
Ich fand erst keine Worte, Ida suchte mich weiter sanft streichelnd zu beruhigen, was langsam Wirkung zeigte. Irgendwie ließ ich los, ließ mich treiben. Hat man erst einmal losgelassen, räumt man ein, daß das eigene Leben, vielleicht das ganze Universum doch eigentlich nichtig und bedeutungslos ist, so wird man ruhiger, gelassener, was passiert, passiert eben und wenn man wieder voll dabei ist, kann man vielleicht seinen eigenen winzigen Einfluß darauf haben. Und doch fühlte ich mich nicht so richtig wohl so mit dem deutlichen Empfinden meiner Bedeutungslosigkeit und Winzigkeit. Es dauerte einige Zeit, bis ich in der Lage war, mehr zu erfahren. Immerhin war Susanne ebenfalls in Ordnung und hier bei mir. Auch diese Information beruhigte mich. Ida wartete geduldig.
Ich bat dann Ida nach dieser ruhigen Pause einer bescheidenen und nur kurzen Selbstfindung zu erzählen, mich auf den aktuellen Stand zu bringen. Ich war immer noch neugierig. Und das war vielleicht doch ein gutes Zeichen. Es war mir nichts gleichgültig, ich wollte dabeisein, wollte wissen, wollte Informationen, wollte leben.
Ida hatte wie gehabt ihre ausgeglichene Art und offenbarte mir erst einmal, daß rund 187 Jahre vergangen waren, seit wir uns das letzte Mal unterhalten hatten. Heute sei ich hier in einer kleinen menschlichen Kolonie auf dem Planeten Skylla. Seitdem war viel passiert.
Vermutlich war es das.
Ich hatte kurz den spontanen Impuls, sie zu schütteln und zu würgen. Im selben Augenblick war mir klar, wie sinnlos das war bei einer Roboter-Repräsentation einer Ai, die eigentlich zum größten Teil nach eigenen Aussagen nicht wirklich hier war. Ich seufzte und kratzte mit den Fingernägeln über meine Oberschenkel. Ida griff meine Hände und streichelte sie beruhigend. Irgendwie war sie sanfter, weicher, einfühlsamer geworden seit unserer letzten Begegnung, hatte sichtlich dazugelernt. Nun, die Fähigkeit haben auch Ais, es sollte mich also eigentlich nicht wundern. Dennoch scheute ich etwas davor zurück, dem Impuls zu folgen, mich vertrauensvoll an sie zu lehnen. So hielt ich inne und Ida nahm das zur Kenntnis, respektierte meinen Zustand und hielt dann wieder etwas mehr Abstand, blieb mir aber doch nahe.
Ida erläuterte, daß es nach meiner Konservierung und dem Absturz eine ganze Weile gedauert habe, in der sie erst die Raumstation hätten reparieren müssen, auch sonst wieder alles in den Griff bekommen. Immerhin, die Daten unserer Kapseln seien stabil gewesen, so seien wir dort erst einmal relativ sicher gewesen.
Zeitgleich mit den Reparaturmaßnahmen hätten sie dann geplant und gerätselt, wie wir am elegantesten zu retten seien. Sie hätten dann mit Darwin und den Luftschiffen Experimente gemacht. Susanne hatte ja bereits Signale für ‚Nein‘ oder ‚Falsch‘ etabliert, das hätten sie dann permanent von unseren Kapseln senden lassen. Von Myke habe es zwar auch andere Signale gegeben, der habe dann aber sein Myzel wieder von meiner Kapsel gelöst. Vermutlich hatte er doch irgendwie verstanden, daß diese nicht für ihn oder zur Konversation gedacht waren, da hatten sie etwas Glück gehabt, sonst hätten sie vielleicht doch mit deutlich stärkeren Strompulsen versuchen müssen, Myke von seinem Interesse an den Kapseln abzubringen. Es sei dann ja doch sehr erfreulich gewesen, daß sie einen solchen Konflikt hatten vermeiden können. Da die Kapseln gut gebremst hätten, habe es auch keine relevanten Schäden an der Vegetation gegeben, die man hätte als grobe Aggression auslegen können.
So sei es zunächst gelungen, mich mit Hilfe einer Erweiterung eines Luftschiffes weg von der Vegetation in einen Bereich mit kahlen Felsen zu bringen.
Das sei dann auch mit einem etwas modifizierten Vorgehen mit Susannes Kapsel gelungen. Und dann hätten sie probiert, erst kleinere Massen mit einem speziellen Transferluftschiff hoch in die Atmosphäre zu bringen, in der Atmosphäre eine Transportkapsel mit einem Triebwerk davon zu trennen und zu beschleunigen, um dann in der oberen Atmosphäre schließlich an eine Raumfähre zu koppeln und dieser die Fracht zu übergeben. Nachdem das dann routinemäßig geklappt habe, auch mit Massen deutlich größer als unseren Kapseln, hätten sie es riskiert, uns ebenfalls hochzubringen.
So seien wir dann wieder auf dem Raumschiff bei den anderen Kryo-Zombies untergekommen, denn beim aktuellen Stand der Mission hätten sie es uns ersparen wollen, die dann doch anstehenden langwierigen Aufgaben mitzumachen.
So hätten Esme, Körk, Hildegard und sie dann eben beraten und seien zu dem Schluß gekommen, Susanne und mich einstweilen nicht wiederauferstehen zu lassen, zumal wir dann ja garantiert über Jahrzehnte ohne menschliche Gesellschaft gewesen wären. Zudem war die Raumstation so stark beschädigt worden, daß unsere Agrarkulturen arg gelitten hätten.
An der Stelle unterbrach ich und warf ein: „Ich dachte, ihr könnte alles reparieren!
Und dann habt ihr uns so lange in der Konservierung hängenlassen?“
Ida registrierte meine Empörung wohl durchaus, suchte mit einer Geste zu beschwichtigen.
Dann versuchte sie die Ereignisse zu rechtfertigen: „Also, wir waren der festen Meinung, in eurem Sinne zu handeln, euch die Langeweile und ziemliche Einsamkeit zu ersparen. Das waren Jahre andauernde Reparaturen und ihr hättet unter den Bedingungen auf dem Raumschiff kaum bestehen können. Wir haben abgewogen und wollten euch mit der Situation nicht belasten. Auf jeden Fall hätten wir eure Denkweise, eure Persönlichkeiten in der Mission sehr gut gebrauchen können, wir waren aber davon überzeugt, daß ihr dafür einen zu hohen Preis hättet zahlen müssen, das wollten wir nicht. Es war zuviel schiefgelaufen, um euch in der Situation noch ein gutes Leben zu ermöglichen. So haben wir uns dazu durchgerungen, euch weiter schlafen zu lassen.“
Ich konnte das halbwegs nachvollziehen, die Antwort hinsichtlich ihrer Möglichkeiten schien mir aber unbeantwortet: „Aber ihr hättet die Reparaturen schon in der Hinsicht priorisieren können?“
Ida stimmte zu: „Technisch wäre das schon möglich gewesen, dann aber doch ein hohes Risiko und auch unangemessen, etwa auf der Raumstation weitere Kryo-Zombies wiederaufzuerstehen und dort eine Kolonie zu gründen. Die Reparatur hat ja auch längere Zeit gedauert. Immerhin konnten wir die Gelegenheit nutzen, auch den inneren Asteroidengürtel Geri zu erforschen und Teile davon zu nutzen. Auch die Sonne Rasol haben wir so deutlich detaillierter untersucht. Eine menschliche Kolonie auf der Raumstation wäre ja doch immer eine Improvisation gewesen. Und wir hatten ja auch schon das Sintflutprojekt vorbereitet, die Simulation waren ja schon nahezu abgeschlossen. Es hat sich daraus eine gute Option ergeben.
Wir wollten einen wirklich guten Platz für euch finden oder schaffen. Was unsere Möglichkeiten anbelangt, du hast ja schon reichlich davon mitbekommen, was wir alles gebaut haben. Also mit einigem Aufwand können wir schon viel erreichen, notfalls auch mit den Fusionsreaktoren und anderen chemischen Konstruktoren und den Roboterschwärmen Material und Strukturen erschaffen, die wir brauchen, besser ist es natürlich, das chemische Ausgangsmaterial einfach etwa im Asteroidengürtel einzusammeln. Ist allerdings das Grundmaterial nicht auffindbar oder nur schwierig in hinreichender Menge mit den Reaktoren zu fusionieren oder zu spalten, so stoßen auch wir an unsere Grenzen. Große Materialmengen zu fusionieren, kostet auch sehr viel Zeit, wir suchen also auch immer nach effizienten Methoden.
Und was die Medizin anbelangt, so sind wir natürlich auch begrenzt in unseren Möglichkeiten, wenngleich die Mikroroboterschwärme Möglichkeiten bieten, die dir aus deiner Zeit sehr fremd erscheinen werden. Die Konservierung läßt dich faktisch über Jahrhunderte nur Tage oder Wochen altern, einige Effekte des Alterns können die Schwärme gar rückgängig machen, viele Krankheiten beseitigen. Aber das hat auch Grenzen. Auch unter optimalen Bedingungen und dem Einsatz aller Möglichkeiten der Schwärme werden ohne Konservierung an wirklicher Lebenszeit Menschen nicht älter als vielleicht hundertfünzig bis zweihundert Jahre, das liegt deutlich über den etwa hundertzwanzig Jahren, die zu deiner Zeit als erreichbar galten, aber eben weit davon entfernt, was in unseren Missionsmaßstäben als lange gelten könnte. Und das Ich, die Persönlichkeit eines Menschen ist ja ein dynamischer Prozeß in seinem Gehirn, eine mehr oder weniger subjektive Wahrnehmung, nach einem größeren Schaden ist das unwiederbringlich verloren, wenn wir jetzt einmal von den Digitalisierten absehen, die dann ja aber ihre eigenen Probleme damit haben, von ihrem sterblichen Körper befreit zu sein. Wir können natürlich längst nicht alles reparieren. Denn was nicht mehr da ist und von dem wir keine materielle Kenntnis haben, wie könnten wir das zurückbringen?
Auch deshalb müssen wir mit dir und den anderen Menschen vorsichtig und umsichtig umgehen. Warum solltest du im Raumschiff oder in einer Raumstation über Jahrzehnte veröden und dein Leben vertrödeln?
Du wärest uns sicherlich bei manchen Entscheidungen eine große Hilfe gewesen, aber wir wollten es dir und Susanne einfach nicht mehr zumuten. Susannes und auch deine Reaktionen auf eure Wiederauferstehung hat uns nachdenklich gemacht. Wir wollten, wir mußten es schaffen, um euch ein Leben bieten zu können, welches es sich wirklich zu leben lohnt, ich hoffe, du kannst uns wenigstens halbwegs verstehen, warum wir in eurem Sinne gehandelt zu haben meinen.“
Ich nickte langsam und fühlte mich doch noch immer so ausgeliefert.
Ida räumte ein: „Die Katastrophe mit dem Absorber hat uns schon tief getroffen. Das haben wir gerade noch einmal so hingebogen. Da wollten wir es dann viel sicherer, umsichtiger, langsamer angehen lassen, um weitere Fehlschläge zu vermeiden. Irgendwie war unsere Mission in einem Zustand, wo es auch wichtig war, minimalistisch zu sein, um noch voranzukommen und uns zu erholen. So haben wir einfach nicht darüber geredet. Uns schien, wir hätten einige Fehler gemacht, auch mit euch, beinahe ernsthafte Katastrophen verursacht, das war dann doch alles etwas viel, schwer zu überschauen, also wollten wir ein paar Gänge zurückschalten. Und da wollten wir euch beide auch nicht sinnlos altern sehen, für Fehler und Mängel büßen, die euch nicht oder kaum zukamen, das wäre doch unsinnig gewesen.
Und du?
Hast du nicht daran gedacht, was mit dir und Susanne werden sollte, so ohne die Chance auf andere Menschen?“
Ich dachte etwas nach und Ida ließ mir Zeit.
Dann nickte ich: „Ja, vielleicht.
Vielleicht habe ich das auch vor der Konservierung weggedrückt und wollte nicht darüber nachdenken. Ich hatte diese Phase der Einsamkeit am Rande meiner Möglichkeiten hinter mich gebracht, war erschöpft und wollte vielleicht gar nicht so richtig darüber nachdenken. Mit Susanne zusammenzusein, war für mich in Ordnung, weiß allerdings nicht genau, ob sie das auch so gesehen hat. Vielleicht wäre ihr mehr und andere Gesellschaft schon lieber gewesen.
Meine Frustration richtet sich also sicher nicht gezielt gegen dich oder euch Ais, auch nicht gegen mich, den ganzen Verlauf der Geschehnisse, denen ich so ausgeliefert wurde, ohne mich noch für diese Mission zu entscheiden. Und dann passiert es immer wieder, daß mich die Ereignisse überrollen und mich nun erneut wieder in ein komplettes Woanders werfen. Kannst du verstehen, wie verwirrend und frustrierend das ist?“
Ida wendete sich mir betont zu, drückte vorsichtig und tröstend ihre Hand auf meine Schulter.
Sie sprach: „Wer sind wir denn schon?
Welche Macht haben wir wirklich gegenüber den Kräften des Universums?
Irgendwie ist es immer anders, als es geplant war, als es die Missionspläne vorgesehen haben. Irgendwie ist es immer notwendig, gerade in der Situation einen passablen Weg zu finden. Es hat uns viel gekostet, um einzusehen, wie klein und nichtig wir doch sind, selbst als Ais, aber auch insgesamt Menschen und Ais zusammen – was verstehen wir denn schon, was können wir wirklich in unserer Umwelt kontrollieren?
Wir tun unser bestes, strampeln und ab und mühen uns und dann passiert doch etwas, was sich komplett unserer Kontrolle, unserer aktuellen Vorstellung entzieht. Wir lernen viel dazu und doch irgendwie nie genug, um allem gewachsen zu sein, was dann wirklich passiert. Das ist enorm beunruhigend. Damit bist du sicher nicht allein.
Wir hätten euch diese Zeit sehr gerne mit Bewußtsein und Rat und Verstand bei uns gehabt. Und ich bin doch der Auffassung, es war die richtige Entscheidung, euch erst heute zu erwecken. Irgendwie hätten wir das auch zehn oder zwanzig Jahre früher, ziemlich zu Beginn der Kolonie machen können, wir wollten euch aber wieder auch nicht so sehr belasten. Als einzige erwachsene Menschen hättet ihr zwangsläufig hier die ganze Last der Kolonie getragen. Und ihr habt doch sowieso schon so viel erlebt, was man euch einfach ohne Mitsprache aufgebürdet hatte. Nun haben wir in der Kolonie einen Zeitpunkt erreicht, wo ihr wirklich leben könnt, wo ihr in menschlicher Gesellschaft sein könnt, wo das Leben relativ normal ist und nicht mehr so ungewollt belastend. Hältst du das nicht für in Ordnung?
Wir dachten wirklich, es sei so gut für euch.“
Ich atmete tief durch. Vielleicht hatte Ida wirklich Recht. Nun würde ich wieder wirklich leben können. Und auch Susanne hätte endlich mehr Möglichkeiten für soziale Kontakte, würde sich so auch viel freier entscheiden können, statt nur auch mich eingeschränkt zu sein. Das barg schon Risiken, vor allem doch aber auch die Chance, sich frei füreinander zu entscheiden.
Und wir hatten nun ja durchaus wieder Zugang zu den wissenschaftlichen Daten der Mission, konnten mitdiskutieren, lernen, forschen, Susanne konnte dann auch wohl lehren, den ersehnten Kontakt mit Kindern haben.
Ich nickte, sie hatte wohl wirklich Recht.
Ida fuhr dann fort zu erzählen, nachdem ich mich etwas erholt hatte und signalisiert hatte, daß ich mehr erfahren wollte. Sie hatten jedenfalls meine und Susannes Vorschläge beherzigt, unser Verhalten, unsere Entscheidungen analysiert und viel daraus gelernt, mit kritischen Situationen umzugehen, Prioritäten auch bei nur dürftigen Informationen zügig zu setzen. So seien sie dann doch vorangekommen, hätten das Sonnensystem weiter erforscht und aufgeräumt, Gefahren beseitigt, um alles in den Griff zu bekommen. Mit den Jahren habe man große Fortschritte gemacht.
Von Charybdis und Myke hätten sie im Grunde nicht deutlich mehr verstanden, als wir schon zusammen herausgefunden hätten. Logik und Mathematik sei die einzige Basis für Kommunikation mit Myke geblieben. Natürlich hätten sie mit Darwin, den Luftschiffen weiter geforscht und die Vegetation untersucht, katalogisiert, möglichst viel von der Biosphäre von Charybdis erfaßt. Vielleicht sei Myke wirklich etwas wie ein planetares Gehirn, dann aber in ganz anderer Art denkend, die Welt erfassend als wir. Es bleibe daher alles sehr rätselhaft, fremdartig, vielleicht gar nicht so erstaunlich, bei so großen Unterschieden.
Wir seien uns ja bereits gemeinsam einig gewesen, daß Charybdis kein Ort sei, um eine Kolonie zu errichten. Die Wesensheiten passen einfach nicht zusammen. Aber sie hätten über die Sonden schon noch Kontakt. Sie hätten diesem Wesen irgendwie schon einen Unterschied zwischen verschiedenen Persönlichkeiten vermitteln können, die Sonden seien dann eine Art von Kontaktstellen geworden, über welche ein Austausch in einer eigenen, mathematisch-logischen Sprache in gewissen Grenzen möglich sei, alles sehr abstrakt und für Menschen mit ihrer Sprache kaum erfaßbar, auch für die Ais und diese Entität kein wirklich flüssiger und gut verständlicher Dialog, aber in der eigenen Weise schon ein Erlebnis.
Ob sich das so entwickelt hatte als Reaktion auf Einschläge aus dem Weltraum?
Das war durchaus eine plausible Hypothese. Es mochte aber auch andere Gründe geben, warum die Evolution auf Charybdis gerade in diese Richtung verlaufen war.
Es mußte ja doch irgendwie einst alles mit Einzellern begonnen haben. Auf der Erde gab es dann ja auch irgendwann den Zusammenschluß von Einzellern zu Mehrzellern und damit hatte dann eine komplexe Entwicklung begonnen. Ob es die auch auf Charybdis gegeben hatte, war nicht so ganz klar. Vielleicht stoppte aber dort der Zusammenschluß zu Mehrzellern einfach nicht und irgendwie verband sich alles zu einem einzigen Superorganismus. Das wäre eine Entwicklung, welche im Grunde mit seiner Existenz, seiner Lebensweise unsere Vorstellungen sprengen mußte. So war es eigentlich schon erstaunlich, daß erst Susanne, dann über all die Jahre den Ais noch mehr eine Art von Verständigung gelungen war. Ida aber versicherte mir, daß sei nun immer noch kein lockeres Gespräch, sie hätten eher Teil am Sein von Myke, welcher auf sie wie auf andere Umweltreize auch reagiere und diese automatisch in die eigene Existenz einbeziehe, integriere, absorbiere. So sind die dort gelandeten Sonden nun eben mit dem Wesen verbunden, waren zum Teil von ihm geworden, damit auch der Kontakt zu uns.
Das ist alles so anders, daß sie nie mehr gewagt hatten als den Austausch über die Sonden. Sie hatten Kontakt gehalten, ohne doch eigentlich viel zu verstehen. Die Ais respektierten Myke, auch weil er so weit jenseits unserer Vorstellungen ist.
Trotz des dramatischen Zwischenfalles mit dem Absorber wurde das Projekt also fortgesetzt. So schützten sie also insbesondere Charybdis vor weiteren großen Einschlägen. Myke konnte sich von den lokalen Zerstörungen bei Einschlägen schon sehr gut erholen, vielleicht war er deswegen so delokalisiert, um überhaupt zu leben. Notwendig für sein Leben oder das der gesamten Vegetation waren die Einschläge aber sicher nicht, nur bislang unabwendbares Schicksal, welches die Ai dann aber mit dem Aufräumen nachhaltig änderten. Das Aufräumen aber klappte von da an gut, es gab keine weitere Zwischenfälle.
Auch die Erforschung von Skylla wurde fortgesetzt. Dort fand man viele Spuren von Einschlägen, aber kein Leben, wie schon zu unseren anfänglichen Untersuchungen.
Ein letzter, größerer Einschlag schien noch ziemlich frisch zu sein, vielleicht hatte dieser erst stattgefunden, nachdem unser Raumschiff bereits in dem Sonnensystem war. Der hatte wahrscheinlich fatale Folgen gehabt und hatte auch viel Staub aufgewirbelt, in der Atmosphäre verteilt. Das würde aber wohl nicht ausgerechnet der Einschlag gewesen sein, der auf dem Planeten alles vorherige Leben weggebrannt hatte, dazu wären dann schon eher einige Einschläge über einen längeren Zeitraum plausibel gewesen. Nach der Struktur der Oberfläche des Planeten gab es auch einige Einschläge, das mochte dann über den Zeitraum von hunderten oder tausenden von Jahren gereicht haben, um eventuelles Leben auszulöschen.
Sie fanden im aktuellen Zustand des Planeten jedenfalls verschiedene Gründe neben der Trockenheit und dem dichten Staub, die die Grundlage für Leben weitgehend entzogen. Aber ohne zerstörerische Einschläge würden sich weitere Möglichkeiten ergeben. Die Lage konnte sich ändern, wenn Skylla zur Ruhe kam. Allerdings war Skylla ja relativ trocken. Da kein Leben vorzufinden war, konnte das geplante Sintflutprojekt also relativ zeitnah nach Susannes und meiner Konservierung und unserer Bergung von Charybdis beginnen. Der ausgearbeitete Plan funktionierte gut, erst einen Eisring um Skylla zu bilden, dann ließen sie es auf Skylla einige Jahre durchregnen, ein wahrer Sturzregen, ein apokalyptischer Wassereinbruch, eine Sintflut aus dem Weltraum. Sie wuschen und verdünnten so regelrecht Gifte und Staub aus der Atmosphäre, reinigten und bereiteten vor, um dann irgendwann den Planeten mit geeignetem Leben zu impfen. Sie tricksten ordentlich, denn eine natürliche Evolution wollten sie ja nun nicht abwarten, trotzdem zog sich die Angelegenheit über Jahrzehnte dahin, bis sich auf einer bescheidenen Insel, auf die sie sich konzentriert hatten, ein komplexeres, symbiotisches Öko-System gebildet hatte. Damit war dann irgendwann die Grundlage für eine Kolonie gelegt. Auch an vielen anderen Stellen von Skylla hatten sie Pflanzen und symbiotische Öko-Systeme etablieren können. Vor gar nicht einmal so langer Zeit hatten sie es dann gewagt, nachdem die Nahrungsgrundlagen sichergestellt waren und sie die lokale Forschungsstation auf der Insel durch die Schwärme dafür ausgestattet hatten, Menschen dort auszubrüten. Sie hatten sich erst einmal zu diesem Neuanfang entschieden, auch um in der Kolonie eine gute Altersstruktur zu bekommen. Das waren dann im Grunde die ersten Siedler, und die Ais hatten viel Mühe und Last, Ersatz für Eltern zu sein, die Kleinkinder zu pflegen, auszubilden, zu erziehen.
Ich hatte etwas Mühe, mir die vier Ai als Eltern vorzustellen. Ida erklärte, sie hätten ja extra diese grob humanoide Gestalt entwickelt, um sich als verfügbare Bezugspersonen überzeugender einzubringen – und das habe auch gut geklappt und so seien sie auch heute in die Gemeinschaft gut integriert, sie gehörten ganz selbstverständlich dazu, ohne aber ihre andere Art zu verleugnen, denn die sei ja schon allen klar. Sie hätten ja auch bei der Wahl der Gestalt schon auf Unterschiede geachtet, um sich nicht einzuschleichen und zu täuschen, so wieder Vertrauen zu verlieren, wenn die Unterschiede entdeckt würden. Zum Glück habe es ganz gut funktioniert.
Aber sie seien sich immer sehr unsicher gewesen, ab wann ein Mensch so erwachsen ist, daß der an Entscheidungen gleichberechtigt beteiligt werden kann, wann er sein Leben selbst bestimmen kann, da hätten sie ja nur Literatur gehabt, keine persönliche Erfahrung, das sei insbesondere anfangs sehr schwer gewesen. Da sich ja nun aber jeder Mensch anders entwickelt, sei das auch heute bei jedem einzelnen Kind erneut eine spannende Frage und es sei so interessant und mitreißend zu erleben, wie sich ein Kind über die Jahre entwickelt, selbständiger wird, wie sich die Persönlichkeit bildet und mit Entscheidungen und Erfahrungen verändert, wie Menschen miteinander und mit den Ais agieren. Das sei für sie immer noch das größte Abenteuer bei der Mission.
Ich fügte gleich hinzu, das werde sicherlich auch für Susanne eine wunderschöne Aufgabe sein. Idas Avatar zeigte ein offenes Lächeln und nickte.
Sie fuhr dann fort: Nun seien es schon 378 Personen, eine große Gruppe, eine gute und friedliche Gemeinde von Menschen, etwas, was wirklich funktioniere und auch eine halbwegs plausible Altersstruktur habe. Und erst jetzt hätten sie sich getraut, so große und empfindliche Objekte wie Susanne und mich, Michaela, in ihrer Konservierungskammer auf den Planeten zu bringen, auch da sie nun sicher gewesen seien, daß wir hier nicht allein sein würden und nun überleben würden.
Es ist ja nicht so leicht, empfindliches biologisches Material schonend aus dem Weltraum auf einen Planeten zu befördern, der über eine ähnlich große Gravitation wie die Erde verfügt. Es war ja bereits mit einem gewissen Risiko verbunden gewesen, uns von Charybdis zu bergen. Alles andere hatten sie ja mit kleinen Sonden erledigt, mit Roboterschwärmen, hatten fast alles mit Material erschaffen, was bereits auf dem Planeten gewesen war. Auch das Transferieren von Keimzellen vom Raumschiff auf den Planeten war noch relativ einfach durchzuführen gewesen, weil das wenig Material gewesen sei, nicht viel schwieriger, als Roboterschwärme und kleine Sonden heile zu landen. Susanne und ich jedenfalls waren die größten Objekte, die sie auf den Planeten gebracht hatten. Selbst der Körper, der als Ida vor mir stand, war hier gebaut worden, Ida selbst befand sich auf der Forschungsstation im Weltraum und auch noch im Raumschiff, war also verteilt. Nur ein kleiner Teil war hier vor mir in diese Gestalt transferiert worden, war hier dauerhaft in der Kolonie präsent und lebte hier mit den Menschen zusammen. Sie synchronisiert ihre Teile einfach regelmäßig, um sich ihrer selbst als Einheit bewußt zu bleiben. Esme, Hildegard und Körk hatten hier auch ähnliche Repräsentationen.
Stanis und Asi kümmerten sich noch immer um die Raumstationen zur Erforschung der Gasriesen und ihrer Monde, das war noch immer ein großes Projekt. Sie hatten hier gar keine Repräsentationen.
Mehr oder weniger wie gehabt kümmerte sich Körk um die Absorber und die Bautätigkeit im Bereich des äußeren Asteroidengürtels Freki und dem mittlerweile nahezu in ein künstliches Konstrukt verwandelten Streufeld Wotan. Teile davon waren als Antrieb fein zerstäubt worden, Teile in Freki integriert. Wotan besteht nun im Grunde aus einem gigantischen künstlichen Kleinplaneten, der einstweilen als Reservematerial dient und für zukünftige Weltraummissionen verwendet werden kann.
Esme hatte mit einer kleineren, halbautomatischen Station ein Bau- und Forschungsprojekt am inneren Asteroidengürtel Geri. Neben der Erforschung dieses Asteroidengürtels und der Sonne Rasol war hier die zentrale Idee, etwas weiter weg von der Sonne einen künstlichen Kleinplaneten für Ais zu erschaffen. Sie ließen sich aber Zeit mit der Umsetzung, die eigentliche Mission und insbesondere die Kolonie auf Skylla sind die wichtigsten Projekte.
Hildegard kümmerte sich noch immer um unser Raumschiff, verstärkt und immer mehr aber um die hiesige Biologie und die Terraformung des Planeten, weitere Impfungen, Analysen aktueller Entwicklungen und Optimierungen des biologischen Wachstums und auch um die Erzeugung von Nahrungsmitteln für die menschliche Kolonie, wobei allerdings die älteren Kinder und die erwachsenen Menschen hier mitarbeiteten.
Ida koordinierte viel, beschäftigte sich mit den sozialen Aspekten der Menschen hier, mit der Organisation der Kolonie, der Diskussion von Problemen und Perspektiven für die Zukunft der Kolonie. Aber sie kümmerte sich auch stark um die Koordination aller Forschungsprogramme und der Vermittlung der Daten, die Koordination der Diskussionen zum Verständnis der Daten.
Da sie hier nicht einmal einen leistungsfähigen Fusionsreaktor verfügbar hatten, der notfalls fehlende Elemente hätte ausbrüten können, mußten sich die Schwärme auf die Materialien beschränken, die hier auffindbar und verfügbar waren. Eine Ausnahme ist allerdings das Wasser, noch immer ließ hauptsächlich Körk es über Wüstenregionen abregnen. Allerdings waren die Zeiten der Sintfluten und der großen Reinigungen der Atmosphäre längst vorbei. Dieser besondere Regen war also von der Menge her nicht mehr so dramatisch für das Klima, eher für die lokalen Entwicklungen. Es hatte in der aktuellen Phase keinen nennenswerten Einfluß mehr auf den Meeresspiegel, also kein Problem für die Kolonie auf der Insel, die ohnehin etwas höher lag, nicht direkt am Meer.
All der Regen hatte aber nicht nur die Atmosphäre verändert, auch am Boden zeigten sich Änderungen. Die Meere haben allerdings einen deutlich höheren Mineralgehalt als etwa auf der Erde, das war schon vor den Eingriffen der Fall und konnte durch diese bislang auch nicht nennenswert geändert werden. Das hatte extreme Bedingungen ergeben, zusammen mit den früheren Staubstürmen und den zahlreichen Einschlägen von Asteroiden vermutlich ein Grund, warum es hier kein Leben gegeben hatte oder dieses jedenfalls nicht überlebt hatte. Sie arbeiteten unlängst auch an einer Veränderung der Chemie der Meere, hatten in Küstennähe überall auf dem Planeten widerstandsfähige Pflanzen angesiedelt, im kleineren Gewässern mit etwas harmloserer Chemie auch Algen und andere Wasserorganismen von den widerstandsfähigeren Arten. Für die Roboterschwärme und die chemischen Konstruktoren sind die im Wasser gelösten Chemikalien zudem auch eine reichhaltige Quelle zahlreicher Atomsorten. Sie hatten ein paar große Anlagen gebaut, welche permanent Meerwasser filtern. So, primär aber durch Hildegards Bemühungen fand langsam also eine Terraformung des gesamten Planeten statt. Immerhin war der Sauerstoffanteil bereits angestiegen, ungesunde Gase wurden hinreichend durch den Regen aus der Atmosphäre gespült, nur so war es möglich geworden, hier zu siedeln.
Wir konnten uns hier also eigentlich schon ziemlich komfortabel einrichten, insbesondere aufgrund der Roboterschwärme und der chemischen Konstruktoren hatten wir da doch letztlich viele Möglichkeiten, auch komplexe technische Geräte herzustellen und zu nutzen. Indessen war es uns in der näheren Zukunft etwa allenfalls möglich, kleine Sonden mit Proben zurück in den Weltraum auf die Raumstation oder das Raumschiff zu schicken. Etwa wäre es mit unseren aktuellen Möglichkeiten nicht möglich gewesen, mich zum Beispiel zur nächsten Raumstation zu schicken, jener, die wir einst bewohnt hatten und die repariert worden war, nun aber gar nicht mehr für Menschen ausgelegt war. Es wäre wohl schon möglich gewesen, irgendwie über einen Zeitraum von Jahren mit den Schwärmen Raketen zu bauen, um den Weltraum zu erreichen. Ein ähnlicher Transfer wie mit unseren Rettungskapseln auf Charybdis durchgeführt, würde auch funktionieren, wurde allerdings seitdem nicht mehr praktiziert, obgleich sie auch auf Skylla ein paar Luftschiffe hatten, um effizienter gärtnern zu können.
Es wäre auch möglich gewesen, die Raumstation wieder umzurüsten oder eine neue zu bauen, die sich für Menschen eigenen würde, allerdings hatten wir ja im Grunde kein Ziel und waren hier in der Kolonie viel besser aufgehoben. Die Lebensbedingungen auf Skylla waren inzwischen gut für Menschen geeignet, dank des Absorberprogramms war es hier inzwischen auch sicher. Hier konnte man gut leben, so versicherte mir Ida.
Ich fragte nach einen Notfallplan im Falle einer Katastrophe hier auf Skylla. Ihr diesbezüglicher Plan war eine größere Bunkeranlage und ein größeres Schiff, einstweilen keine Evakuierung auf eine Raumstation, dazu waren hier längst zuviele Menschen. So mußte schon gewährleistet sein, hier Katastrophen überleben zu können.
Skylla hatte ja bei unserem Eintreffen in diesem Sonnensystem nur eine Tageslänge von knapp acht Stunden, also einen deutlich anderen Rhythmus als etwa die Erde, an welche ja irdisches Leben angepaßt ist. Auch die Änderungen aufgrund des zusätzlichen Wassereintrages hatten daran nicht wesentlich etwas geändert. Die Tageslänge betrug nun acht Stunden und dabei würde es auch bleiben. Da Menschen nun einmal von ihrer biologischen Uhr an ungefähr vierundzwanzig Stunden gewöhnt sind, davon rund acht Stunden Schlaf, ergaben sich daraus ganz neue Herausforderungen. Es gab also verschiedene Möglichkeiten für Schlafzeiten am Tag. Da nun auch der Zwillingsplanet Charybdis größer und heller am Himmel erscheint als etwa auf der Erde der Mond, die Umlaufzeiten andere sind, ergibt sich auch ein anderer Eindruck insbesondere der Nacht. Es ist nur wirklich dunkel, wenn weder die Sonne noch Charybdis am Himmel zu sehen sind.
Aufgrund der Neigung der Umlaufbahn der Zwillingsplaneten umeinander relativ zu der Umlaufbahn der beiden um die Sonne, ferner auch die Neigung der Rotationsachse von Skylla zu diesen Achsen sind die Jahreszeiten komplexer als auf der Erde, aber zum Glück eher weniger ausgeprägt. Die Kolonie befindet sich zudem ungefähr in Äquatornähe, von daher hatten wir auch keine Zeiten mit durchgehenden Nächten aufgrund der Neigung der Rotationsachse, wie das auf der Erde ja auch in der Nähe der Pole durchaus bekannt ist. Der Ort für die Kolonie war also schon sehr sorgfältig ausgewählt, um ein angenehmes Leben zu ermöglichen. Die Häuser sind zudem so konstruiert, daß in Schlafphasen komplett abgedunkelt werden kann, Temperaturen und Luftfeuchtigkeit, selbst die Zusammensetzung der Luft optimiert gewählt werden kann. Aber die Menschen hier hatten sich ohnehin an die Luft draußen gewöhnt. Die Häuser wurden seit langer Zeit im automatischen Betrieb belassen, der sich von selbst auf die gesundheitlichen Bedürfnisse der Bewohner hin das Mikroklima im Gebäude optimierte. Draußen kamen die Leute ausgezeichnet mit Klima und Wetter zurecht. Aufgrund der chemischen Konsistenz war es nur nicht zu empfehlen, länger im Meer zu baden. Danach sollte man sich jedenfalls sorgfältig reinigen.
Ich war aufgestanden, ging durch den Raum zu Susannes Konservierungskammer und betrachtete die Daten. Ich sah fragend zu Idas Avatar. Ida nickte, meinte, wenn ich mich von der Wiederauferstehung erholt hätte, würden wir gemeinsam Susanne wiederauferstehen, dann könnten wir gemeinsam unser neues Zuhause kennenlernen. Ich nickte, damit war ich einverstanden. Damit konnten wir gleich beginnen. Ein paar Minuten aber wollte ich schon noch tief durchatmen und all das Verarbeiten, was dann ja auch Susanne wieder erzählt werden mußte. Die hatte ja schon auf ihre erste Wiederauferstehung sensibler reagiert als ich, von daher war es leicht nachvollziehbar, daß Ida diese Reihenfolge gewählt hatte. Sie erläuterte, wenn wir uns etwas eingelebt hätten, würden wir noch einmal beraten, dann aber sollten wir doch wohl damit beginnen, von Zeit zu Zeit einen weiteren Kryo-Zombie wiederauferstehen zu lassen und in die Kolonie zu integrieren. Allmählich stimme die Altersstruktur ganz gut und wir seien leistungsfähig genug, um mehr Personen gut zu versorgen.
Ich nickte, das klang sinnvoll. So lange hatten die Kryo-Zombies geschlafen. Wozu, wenn sie nun nicht allmählich wiederauferstanden wurden, was hätte das lange Schlafen, die ganze Konservierung sonst gebracht, was die Reise in dies ferne Sonnensystem?
Dann ging ich weiter zu einem Fenster, schlug den Vorhang beiseite und schaute hinaus. Von hier jedenfalls hatte man einen ganz schönen Blick über ein Stück der Insel und dann weiter über ein Meer und sogar ein Stück weiter wieder Küste mit mir unvertrauten Strukturen, gemischt aber mit etwas Grün, was schon irgendwie vertrauter wirkte, dahinter dann Hügel und viel Land mit einem eher tristen Eindruck. Immerhin, die Atmosphäre war klar, der Himmel ähnlich blau wie auf der Erde, sogar Wolken konnte ich sehen. Die Sonne schien und durch diese war die Stimmung auch etwas anders, zwar hell aber farblich für mich etwas fremdartig, eher etwas gelber, woran man sich hier wohl gewöhnen mußte.
Ich ging weiter zu einem gegenüberliegenden Fenster und schaute auch hier hinaus. Hier hatte ich einen Blick in die Kolonie oder das Dorf. Die für mich fremdartig, futuristisch aussehenden Häuser waren grob im Kreis angeordnet, auf dem Platz spielten Kinder, fand das Dorfleben statt, gelegentlich kamen aus den Häusern junge Menschen oder gingen hinein, die Häuser schienen alle unverschlossen zu sein, man traute sich unübersehbar. Und man hatte wohl auch außerhalb des Dorfes zu tun, denn Leute gingen mit mir nicht vertrauten Gerätschaften hinaus durch Lücken zwischen den Häusern. Am Himmel sah ich dann augenscheinlich Charybdis, nahezu voll von Rasol beleuchtet, ein faszinierender Anblick, größer als der Mond, heller, somit auch tagsüber gut zu erkennen, natürlich aufgrund der Entfernung konnte man darauf nur undeutlich Strukturen sehen. Hätte die Erde solch einen Zwillingsplaneten gehabt, hätte man wohl zwangsläufig spätestens nach der Erfindung von Teleskopen ganz anders über das Leben und die eigene Stellung im Universum gedacht, als man des lange getan hatte. Alles wirkte friedlich, die Kinder spielten, es gab bereits Bäume und reichlich Grün auf der Insel. Auf den Häusern waren wohl Solaranlagen installiert und ich machte auch ein paar große Windmühlen aus. Ida hatte es ja erwähnt, ohne Fusionsreaktoren hier unten mußten sie wohl etwas kreativer sein und ihre Möglichkeiten gut nutzen. Vielleicht hielten sie es auch nicht für notwendig oder wünschenswert, hier auf dem Planeten Kerntechnik einzusetzen. Obwohl diese inzwischen ja ganz anders funktioniert als zu meiner Zeit auf der Erde, birgt sie ja doch besondere Probleme, warum es bei einer so kleinen Gemeinde also nicht erst einmal ohne versuchen?
Nebenbei hatte ich Ida natürlich weiter zugehört, so wendete ich mich ihr nun auch wieder zu und schenkte ihr meine volle Aufmerksamkeit.
Von den Eismonden der Gasriesen konnte Ida inzwischen berichten, daß es vermutlich nur bei einem ein relevantes großes Meer unter der Eiskruste gab. Die Ais Asi und Stanis hatten mit Expeditionen mittlerweile auch die Oberflächen einiger Monde, nicht nur von Eismonden untersucht. Es gab also mittlerweile reichlich Daten über diese Monde und von weiteren Sondenmissionen auch detailliertere Informationen über die Zusammensetzung der Atmosphären der Gasriesen. Asi und Stanis trauten diesen durchaus auch noch Überraschungen zu. Gab es da vielleicht in der dichten Atmosphäre fliegende Lebewesen, wie es im Meer schwimmende gibt?
Zu meiner Überraschung hatten sie es noch gar nicht mit Luftschiffen bei den Gasriesen probiert. Bislang hatten sie mehr als genug mit den Monden zu tun.
Somit war noch immer unklar, welches Potential die Gasriesen noch bergen, denn es ist nicht so einfach, solch dichte Atmosphären zu untersuchen und Asi und Stanis konnten auch unmöglich alles auf einmal machen.
Besonderes Interesse galt natürlich jenem Mond, der aufgrund der Gezeitenkräfte durch den Umlauf um seinen Gasriesen unter der Eiskruste ein großes Meer mit flüssigem Wasser hat. Die Eiskruste weist interessante tektonische Aktivitäten auf, es gibt auch Eisvulkane und damit bereits Möglichkeiten, um von der Oberfläche aus an Informationen über das Meer unter der Kruste zu kommen. Asi und Stanis hatten ja bereits ziemlich zu Beginn, als Susanne und ich noch wach waren, Mikroorganismen in den Eruptionen gefunden. So konnte man bereits ziemlich früh belegen, daß es dort auf jeden Fall Leben gab. So schien es auch angebracht, mit Forschungssonden durch das Eis zu bohren, um mehr zu erfahren. Asi fand in dem Meer wirklich komplexe Lebensformen, deutlich anders und biologisch auch ziemlich inkompatibel zu Leben auf der Erde, aber trotzdem mit gewissen Ähnlichkeiten. Grundlage des Lebens waren wohl unterseeische Vulkane, ebenfalls durch die Gezeitenkräfte angetrieben. Darauf baute eine Nahrungskette auf bis hin zu Organismen ähnlich den Tieren auf der Erde, durchaus wohl auch mit Gehirn. Es fanden sich aber keine Lebewesen, deren Intelligenz auch nur entfernt an die intelligentesten Arten auf der Erde herangereicht hätten. Sie haben offenkundig auch wenig gemein mit dem Superorganismus Myke, der Charybdis bewohnt. Leben entwickelt sich wahrscheinlich doch sehr unterschiedlich, je nach den Voraussetzungen und Umgebungsbedingungen, evolutionär betrachtet ist das auch nicht so erstaunlich. Unsere Vorstellungskraft indessen ist letztlich ja doch durch das begrenzt, was wir bereits kennen, daher werden wir leicht durch das überrascht, was wirklich ist.
Die Kodierung des Lebens mit Desoxyribonukleinsäure oder eng verwandten chemischen Komplexen findet sich allerdings als überaus bemerkenswerte Gemeinsamkeit. Das scheint immerhin ein Hinweis darauf zu sein, daß Leben im Universum doch wenigstens ungefähr universell ist, den Ursprung in der Chemie hat, die gelegentlich eben auf Bedingungen stößt, die die Bildung solch komplexer chemischer Verbindungen fördert und dann eben auch zu Biologie führt. Die Bildung von komplexen Strukturen findet also nicht nur aufgrund von Gravitation statt, wenn sich Sonnensysteme, Galaxien, Galaxienhaufen und noch größere Superstrukturen bilden. Auch auf Planeten können sich im geeigneten Temperaturbereich, bei einem vorliegenden Energieungleichgewicht in der Dynamik vermutlich komplexe chemische Strukturen bilden, die zu biologischem Leben führen können.
Hinreichend intelligentes Leben kann wiederum Ais konstruieren. Die Hinweise waren bislang also schlüssig.
Weiterhin unklar blieb dann allerdings, wo das erste Leben entstanden war, ob also die vorgefundenen Lebensformen auf den Planeten und Eismonden eventuell nur entstanden waren, weil die komplexen chemischen Strukturen dazu aus dem Weltraum herabgeregnet waren, oder ob sich diese unabhängig voneinander auf den Planeten oder Monden bilden konnten. In den Asteroiden fanden sich Spuren und Hinweise auf diese komplexe Chemie. Die Befunde sind aber bislang nicht eindeutig. Immerhin ist es ja auch möglich, daß die Substanzen in den Asteroiden wiederum von Planeten stammen, auf denen sich das Leben bereits entwickelt hatte. Im Grunde hatten wir nicht erwartet, einen wirklichen Ursprung zu finden.
Schon die ersten Funde von anderem Leben im Sonnensystem hatten ja einige Weltbilder dramatisch relativiert, den antiken religiösen Weltbildern dann eben doch Fakten vorgehalten, die ein ganz anderes Bild von der Welt aufdrängten. Die Funde hier in einem anderen Sonnensystem mit komplexen Lebensformen, einem Superorganismus hatten unser Bild vom Leben noch einmal ordentlich zurechtgerückt. Es war sicherlich weder einmalig auf der Erde noch im Sonnensystem. Die Erde war schon in einer günstigen, aber nicht geradezu ausgezeichneten oder einzigartigen Position im Universum. Leben kommt darin eben gelegentlich vor – und ganz anders als es uns vertraut ist. Vielleicht gibt es irgendwo, wo wir es noch gar nicht vermuten, noch viel bizarrere Möglichkeiten für Leben, vielleicht nicht einmal auf den Kohlenstoffketten basierend, bei einer anderen Temperatur oder jedenfalls mit ganz anderen charakteristischen Zeiten.
Das läßt sich eben nicht mehr durch nachdenken und fabulieren herausfinden, man muß es schon erforschen und gelassen, wohlwollend und flexibel darauf reagieren, daß die Welt doch immer wieder ganz anders erscheint, als wir das mit unseren sehr vereinfachten Weltbildern gedacht hätten.
Immerhin, die Informationen, die sowohl von der Erde gekommen waren, als auch unsere eigenen Beobachtungen in diesem System passen gut zusammen und sind doch nicht eindeutig hinsichtlich der Frage nach dem Ursprung des Lebens. Vielleicht hatte es ja auch gereicht, daß sich einmal irgendwann in den Anfängen der ersten Galaxien irgendwo Leben unter günstigen Bedingungen aus der Chemie heraus gebildet hatte und sich dies dann über Gesteinsbrocken, Asteroiden, Schmodder über lange Zeit verteilt hatte, dann eben auf wenigen Planeten auf günstige Bedingungen gestoßen war, sich gelegentlich gut hatte anpassen können und so dann jeweils einzigartige Lebensformen herausgebildet hatte.
Von der Erde gab es bedingt durch den großen Abstand ja nur selten Nachrichten. Immerhin hatte ich aber fast zweihundert Jahre verschlafen, so daß Ida hier auch Neues berichten konnte. Die Bevölkerung ging zurück, das Ökosystem Erde begann aber, sich teilweise zu erholen. Es war nicht mehr notwendig, intensiv einzugreifen, es kam immer mehr zu einer normalen, selbständigen Dynamik. Gut, dafür hatte man wohl auch viel getan, aufgeräumt, renaturiert, sich reduziert. Auf der Erde gab es heute nach Idas Schätzung aufgrund ihrer aktuellsten Daten und einer vorsichtigen Extrapolation auf den heutigen Tag vielleicht noch fünf bis zwanzig Millionen Menschen in nur noch drei Megastädten. Genmanipulationen an Menschen, selbst die Schnittstellen der Kompatiblen ordnete man nach Idas aktuellem Stand nun eher als Modeerscheinungen ein, vielleicht gar als Irrtümer der kulturellen Entwicklung, man hatte sie sogar in Verdacht, mit für den Rückgang der Bevölkerungszahlen verantwortlich zu sein. So gab es nun wieder einen zunehmend größeren Anteil an unveränderten Menschen, die Restbestände davon hatten sich wohl auch etwas stärker vermehrt als die anderen. Subtile Probleme der genmanipulierten Population galten Ida und den anderen Ais hier als klare Warnung, es besser bei dem zu belassen, was war. Bei der sonstigen Biosphäre für die Terraformung setzten sie das allerdings vorsichtig ein, Ida meinte aber, das gehe im Grunde nicht über eine beschleunigte Art der traditionellen Züchtung hinaus, teilweise jedenfalls eine verkürzte, simulierte Art von Evolution, um eine bessere Anpassung an die hiesigen Bedingungen in kurzer Zeit zu erreichen.
Natürlich sind ein paar hundert Leute hier, die erst seit etwas mehr als zwanzig Jahren hier lebten, noch keine Grundlage, um solide Aussagen zu treffen, wie erfolgreich wir uns hier würden behaupten können. Das langsame Aussterben der Menschen dort auf der Erde jedenfalls schien bislang nicht gebremst zu sein. Die Ais sorgten sich auch etwas, wie sich das hier mit noch mehr Menschen entwickeln würde. Würden auch wir über längere Zeit ähnliche Probleme bekommen?
Würde ihnen die Angelegenheit irgendwann komplett entgleiten?
Oder konnte es uns gelingen, ihren Weg fortzusetzen und eine emanzipierte, friedliche, tolerante Gesellschaft zu erhalten?
Bauten wir vielleicht doch gerade an unserem eigenen Utopia?
War es realistisch, diese Menschen hier mit Bildung und Kultur so weit anzufüttern, daß sie wirklich verträglich mit sich und ihrer Umwelt leben konnten?
Die Frage war natürlich noch offen.
Und wie würden sich dann die anderen Kryo-Zombies mit ihrer eigenen Geschichte integrieren?
Welchen Einfluß würden sie auf die Entwicklung haben?
Im Grunde war es natürlich auch bezüglich der Erde offen, ob es nicht gelingen würde, mit vielleicht ein oder zwei Millionen Menschen gut zu leben, es endlich in den Griff zu bekommen.
Ida berichtete auch über Mission 3, die uns ja sogar näher als die Erde ist. Die Berichte zeigten, daß es in jenem Sonnensystem jedenfalls einen Planeten gibt, der sich für die Ansiedlung von Leben eignen könnte, aber dafür erst über eine lange Terraformung vorbereitet werden müßte. Auf unsere Berichte hin hatte man auch dort begonnen, mit gigantischen Absorbern gründlich aufzuräumen, um das Problem der Zusammenstöße mit Asteroiden zu lösen, statt nur Einschläge ins eigene Raumschiff zu unterbinden. Neben der ohnehin im Bau befindlichen Raumstation brachte es so auch diese Mission zu gewaltigen künstlichen Strukturen in jenem System, machte gute Fortschritte. Sie hatten sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten von ihrer eigenen Katastrophe erholt. Weil die Berichte günstig waren, hatte man dann von hier eine kleine Mission auf den Weg gebracht, um sorgfältig ausgewählte Mikroorganismen zu übermitteln, weil Mission 3 ja sämtliche wichtigen biologischen Vorräte verloren hatte. So hatten sie mittlerweile wirklich mit der Terraformung angefangen. Wir mußten hier aber selber erst noch weiterkommen, bis wir selbst genug Vorrat hatten, um der Mission 3 dann auch mit einer größeren Mission eine größere Auswahl von komplexeren Organismen zukommen zu lassen. So würde es vermutlich noch ein paar Jahrhunderte dauern, bis zu überlegen war, ob es dort auch noch eine weitere menschliche Kolonie geben sollte oder ob wir uns damit begnügen sollten, dort überhaupt Leben angesiedelt zu haben, welches sich selbst einfach weiter per Evolution in die eigene Richtung entwickeln sollte. Diese Entscheidung mußte aber noch lange nicht getroffen werden. Zeiten und Pläne bei Weltraummissionen sprengen schnell die persönlichen Vorstellungen, das hatte ich inzwischen wirklich gelernt, wobei ja meine eigene, persönliche Geschichte schon meine Vorstellung davon sprengt, was Lebenszeit bedeutet und wie das eigene Leben ablaufen könnte.
Nachdem ich dann ungefähr auf dem aktuellen Stand war, brauchte ich einmal mehr eine Weile, um das zu verdauen und Ida ließ mir gerne die Zeit. Und im Grunde, was sollte ich nörgeln und mit meinem Schicksal hadern?
Auf der Erde wäre ich längst tot und vergessen. Hier hatte ich nun offensichtlich eine neue Chance bekommen, in dieser Kolonie mit jungen, friedlichen Menschen zu leben und vielleicht doch endlich mein Glück zu finden.
So nickte ich irgendwann. Wir begannen, Susanne wiederauferstehen zu lassen. Dazu hatte Ida auch die Repräsentation von Hildegard herbeigerufen und die beiden hoben Susanne vorsichtig aus der Konservierungspampe. Nachdem der eigentliche Prozeß abgeschlossen war, zogen sich Ida und Hildegard auf meine Bitte hin zurück. Es dauerte noch eine halbe Stunde, in welcher ich still neben Susanne saß und nachdenklich ihre Hand hielt, dann begann sie, sich zu regen und ich war sehr erleichtert.
Es dauerte etwas, bis sie ganz bei Sinnen war, sie erkannte mich, wir lagen uns in den Armen und weinten. Das tat uns beiden sehr gut. Bis hierher hatten wir es nun gebracht.
Ich erläuterte Susanne kurz die Situation, für mehr wäre später noch genug Zeit. In meinen Armen liegend, gestreichelt und geküßt steckte Susanne das alles ganz gut weg. Sie klammerte sich schon sehr an mir fest, aber dann war sie eigentlich auch froh, daß wir es gut überstanden hatten und draußen endlich eine Welt, Menschen, gar Kinder auf uns warteten. Das wollten wir entdecken. Ein wenig sollte sich ihr Körper noch regenerieren.
So rief ich nach Ida, die dann wieder hinzukam.
Susanne staunte über die Repräsentation und wir unterhielten uns eine ganze Weile, Ida erzählte auch Susanne geduldig mehr, dann auch uns beiden weitere Details über die Kolonie. Bald fühlte sich Susanne gut genug, um aufzustehen. Wir gingen Arm in Arm, denn Ida wollte uns gerne die Kolonie dort draußen hinter der Tür zeigen. Das sollte für uns eine neue Welt direkt zum Anfassen sein!
Das sollte unsere Zukunft sein, mit der wir uns vertraut machen sollten und nun auch wollten!
Ich war neugierig, ich wollte dabei sein!
Und Susanne wirkte auch frisch und interessiert, endlich die doch sehr sterile Atmosphäre der Raumstation gegen eine richtige, beinahe normale, vertraute Welt tauschen zu dürfen.
Zuvor erläuterte Ida uns allerdings noch, daß zum Zwecke einer eigenen Geschichte, einer eigenen Identität der Gruppe, einer eigenen Kultur hier die Historie der Mission bekannt sei, auch daß Susanne und ich die Menschen am Anfang der Mission gewesen wären. Daher verehre man uns hier als die Gründerinnen, wir sollten uns also nicht wundern, wenn uns die Menschen hier mit sehr viel Respekt und Verehrung begegneten. Wir hätten mit den Absorbern, dem Eisring und dem Sintflutprojekt die Grundlage der Kolonie gelegt!
Daher komme uns auch eine gewisse Verehrung zu.
Das war uns gar nicht so recht, wir wollten lieber ganz normal unter ihnen leben, mit ihnen leben, statt auf ein Podest gesetzt zu werden.
Aber Ida beruhigte uns, die Ais hätten ihnen schon erläutert, daß das unangebracht sei und es zum Glück aller gehöre, liebevoll und mit gleicher Geltung und Zuneigung miteinander umzugehen, daß niemand nach unten getreten werden dürfe, aber auch niemand hochgejubelt werden solle. Jede Person habe natürlich Lob und Zuwendung verdient, insbesondere für besondere Leistungen im Rahmen der eigenen Möglichkeiten für die Gemeinschaft, aber das Wichtigste sei doch letztlich, ganz dazuzugehören und nicht allein zu sein. Zwar sei ja jeder einzigartig und besonders, aber genauso sei es wichtig, gemeinsam zu sein und zu leben.
Damit waren wir sehr einverstanden, Verehrung wollten wir nicht, auch weil uns nichts von dem besonders oder gar heldenhaft erschien, was wir so veranstaltet hatten. Ich war da so hineingestolpert und hatte eben etwas unternommen, was mir notwendig erschien. Und Susanne war es ja nicht anders ergangen. Da war nichts Besonderes. Ich glaube, es war einfach hauptsächlich Glück, daß wir heute hier sein konnten und nicht längst zu totem Schmodder zernichtet worden waren.
Lob und Anerkennung meinetwegen, daß wir es auf letztlich erstaunliche und glückliche Weise doch so weit gebracht hatten, aber hatten wir wirklich so viel dazu beigetragen in der relativ kurzen Zeit zu Beginn der Erforschung der Zwillingsplaneten, verglichen mit den knapp zweihundert Jahren, die die Mission danach hier aktiv und erfolgreich war?
Wenn Ida auch meinte, unsere Aktivitäten seien die Ursache des Erfolges, meine Idee, die gefährlichen Brocken abzufangen und zu nutzen, sei die Grundlage aller späteren Aktivitäten, so hatten sie diese zudem nicht besonders originellen Ideen doch selbst ordentlich weiterentwickelt. Ida meinte, das hätten sie alles nur schaffen können, weil sie immer wieder reflektiert hätten, wie wir vielleicht gehandelt hätten, welche Ideen wir entwickelt hätten. Sie hatten ja sonst wenig Kontakt zu Menschen. Und was an uns menschlich ist und anders als bei ihnen, hatten sie offenbar konsequent als Vorbild zu nutzen versucht, wenn es ihnen wichtig und notwendig erschien, etwas sozusagen zügig und entschlossen aus dem Bauch heraus zu entscheiden und durchzuziehen.
Darüber mußte ich dann doch sehr lachen. Und auch Susanne schüttelte vergnügt den Kopf
Und damit besserte sich dann unsere Laune endgültig. Ida konnte schon sehr witzig sein, wenn sie es auch selbst nicht zu bemerken schien oder es sich zumindest nicht anmerken ließ. Sie hatte da doch etwas, was man nicht unterschätzen sollte, einen hintergründigen Humor zusammen mit ihrer ruhigen Gelassenheit. Vielleicht lag darin die eigentliche Ursache unsere Erfolges, nicht in unseren fragwürdigen Entscheidungen oder den ursprünglichen Missionszielen, den Konzepten.
Ich lachte und schlug Ida auf das, was einer menschlichen Schulter ähnelte. Susanne klopfte ihr auf die andere.
Ida schaute mich wieder von der Seite an, dann Susanne und zeigte wirklich ein Lächeln. Irgendwie hatten sie das in die Avatare eingebaut.
Und das sah schon ganz gut aus, mußte es vielleicht auch, denn sie hatte ja all die Leute hier großgezogen und wie hätte sie das schaffen können ohne eine gewissen Prise Humor gepaart mit viel Gelassenheit und Fürsorge?
Und das entspannte uns wirklich gut. Susanne und ich waren neugierig und hatten solchen Durst nach Wissen und Leben, nach Kinderlachen und all diesen Kleinigkeiten. Und so fühlten wir uns dann stark genug und bereit, um mit Ida hinauszutreten, um zu begreifen, zu erfassen und uns selbst ein Bild von Skylla und unserer Kolonie zu machen, von unseren Mitmenschen, mit denen wir nun leben würden, die unsere Zukunft sein würden …
Absorbereinschlag
Dann war klar, daß der Absorberschrotthaufen auf Charybdis einschlagen würde, wenn wir nicht eingreifen würden. Wir hatten nicht mehr viel Zeit. Wir sollten wohl sämtliche Möglichkeiten nutzen, um Charybdis vor unserem eigenen Schrott zu schützen. Indessen waren die Optionen inzwischen begrenzt. Was uns blieb, wäre primär die Raumstation zu riskieren, um diese einzusetzen, den Schrotthaufen vom Kollisionskurs abzulenken. Nach einem Zusammenstoß des Schrottes mit der Station könnten wir nicht von einem sehr kontrollierten weiteren Flug ausgehen, das war uns schon klar. Ideal wäre es natürlich, den Schrott um Skylla herum in eine stabile Umlaufbahn zu bringen. Aufgrund der zu hohen kinetischen Energie und ohne Bremsung würde das aber nicht gelingen. Irgendwann käme der Schrott wieder zurück in die Nähe von Charybdis, also reiner Zufall, ob oder wo der Kram dann einschlagen würde. Die sichere Variante wäre also einzig ein Einschlag auf Skylla.
Nach eiliger Simulation waren wir eigentlich zuversichtlich, nach einem Zusammenstoß mit der Station noch hinreichend steuern zu können, um die Station und den Absorberschrott auf Skylla zum Absturz zu bringen. Bei einer weniger günstigen Variante hätten wir immerhin ausreichend Zeit gewonnen, um mit dem Raumschiff einen leistungsfähigen Antrieb heranzubringen und damit dann den Schrott entweder abstürzen zu lassen oder weiter ins innere Sonnensystem zu lenken, vielleicht bis zum inneren Asteroidengürtel Geri, wo es dann möglich wäre, die Bahn zu stabilisieren und alles neu aufzubauen.
Susanne bekam indessen fast Panik, obwohl wir natürlich vor dem Zusammenstoß die Station mit den Rettungskapseln verlassen würden. Es war dann schnell klar, daß Susanne das nicht schaffen würde, wir müßten sie zu dem Zwecke konservieren. Das war ihr nun nicht vorzuwerfen, denn es ist psychisch natürlich nicht so einfach, die bereits schon etwas vertraute Umgebung der Station wieder gegen etwas anderes einzutauschen, dann auch noch gegen eine sehr beengte Kapsel.
Aufgrund dieser Verzögerung wurde jedenfalls die Zeit knapp. Die Schwerelosigkeit erschwerte zudem ebenfalls schnelle Reaktionen, denn Susanne kannte das noch gar nicht, ich hatte auch nur wenig Erfahrung damit. Verzweifelt versuchten Ida und Körk, mit den bereits für das Sintflutprojekt einsatzfähigen Hochleistungslasern den Schrott zu bearbeiten, Material herauszuschmelzen, um so zu einer Korrektur zu kommen. Das hatte aufgrund des Drehimpulses des Schrottes allerdings nur einen relativ kleinen Effekt.
Gemäß unserem Plan war die Station schon unterwegs, um den Schrott zu treffen und abzulenken. Durch die Verzögerung wurde dann aber die Zeit zu knapp, die Rettungskapseln noch zu erreichen, zu groß wäre die Gefahr, daß Trümmer beim Zusammenstoß die Rettungskapseln treffen würden. So mußten wir dann doch kurz vor dem Zusammenstoß abdrehen und die Station in Sicherheit bringen. Wir konnten noch soeben ein Triebwerk absetzen, welches den Schrott treffen sollte und weiter ablenken. Der Nutzen war aber sehr ungewiß.
Wir hatten keine Optionen mehr. Wir konnten immerhin die Roboterschwärme im Schrott noch komplett deaktivieren, um unkontrollierte Aktivitäten nach dem Absturz von noch funktionsfähigen Einheiten auf Charybdis zu unterbinden. Die Station kurvte knapp am Schrott vorbei und langsam weg aus der Gefahrenzone. Der nahe Vorbeiflug zusammen mit dem zusätzlichen Triebwerk brachte noch einmal kleinere Korrekturen, aber zu spät, um ausreichend Wirkung zu zeigen. Die Ablenkung des Schrottes war immerhin groß genug, damit dieser nicht frontal auf Charybdis zuflog, sondern seitlich in die Atmosphäre eintrat, sich stark erhitzte und abbremste. Bei kleineren, eher kompakten Objekten wäre es bei dem Einschlagswinkel wahrscheinlich, daß diese von der Atmosphäre abprallen würden. Absorber sind aber darauf ausgelegt, einen möglichst großen Streuquerschnitt zu haben. Und wir hatten hier die Struktur von zwei großen Absorbern zu einer unregelmäßigen Struktur verkeilt. Und so kam es dann zu sehr starken Belastungen der Struktur des Absorbers, Teile rissen ab, stürzten ab. Die beiden zuvor verkeilten Absorber lösten sich wieder voneinander, der kleinere Teil, weitgehend von der Station stammend, wurde komplett in die Atmosphäre gedrängt, der größere Teil driftete zäh ab, wieder zurück in den freien Raum. Fassungslos konnten wir der Katastrophe nur noch zusehen.
Wir konnten nichts mehr verhindern.
Der Stationsabsorber krachte mit großer Gewalt in eine Küstenregion und vernichtete da großflächig die Vegetation!
Erhitzt durch die Einschlagsenergie hatte sich eine Feuerwalze ausgedehnt, welche die nähere Umgebung komplett abflammte. Während bei einem Einschlag eines relativ kompakten Asteroiden eher ein lokaler Krater entsteht, die Reibungsfläche ziemlich klein ist, war der Absorber ja gezielt so konstruiert, um eine große Oberfläche bei einem Zusammenstoß zu gewährleisten, viel kinetische Energie in Wärme umzuwandeln. Das ist im Weltraum unkritisch, auf Charybdis in der sauerstoffreichen Atmosphäre war der Feuerball so aber deutlich größer als bei einem kompakten Asteroiden, dafür die Aufschlagsenergie geringer. Insgesamt war die Schadensbilanz durch das Abflammen der Vegetation natürlich größer als bei einem Asteroideneinschlag.
Eine Bahnbestimmung des wegfliegenden Schrottes machte uns dann schnell deutlich, daß dieser lediglich auf einer Ellipsenbahn war und so bald wieder auf die Atmosphäre von Charybdis treffen würde, er hatte zuviel an Geschwindigkeit verloren, um auf einer hyperbolischen Bahn zu entkommen!
Da unser Antrieb auch nicht mehr funktionsfähig war, die Sonden mit dem Hochleistungslasern nicht passend positioniert, blieb uns nur, die Station weiter von Charybdis zu entfernen und der Katastrophe zuzusehen.
Da die Station nun nicht mehr in Gefahr war, sich weiter entfernte, hatte Esme die Rotation wieder langsam in Betrieb gesetzt. Susanne und ich konnten uns wieder besser bewegen, ohne die Haftung der Anzüge nutzen zu müssen. Indessen krampften unsere Finger weiter an Tischen und Sitzen, während wir auf die Anzeigen starrten.
Susanne stand unter Schock. Ihr war klar geworden, daß durch ihr Zögern unsere letzte Option verspielt worden war, Charybdis vor dem Einschlag unseres Schrottes zu bewahren. Sie schrie und rannte. Ich konnte sie nicht beruhigen, halten, sie riß sich immer wieder los, lief über den Rundlauf, ich hinterher. In ihrer Panik, ihrem Schmerz, ihrem Schock war sie schneller, schloß sich dann in der Kabine ein, in welcher sie zwischendurch schon kurz gewohnt hatte. Nun hätte Esme die Tür auch wieder öffnen können und vor der verschlossenen Tür stehend wollte ich das erst fordern, zögerte dann aber doch, ditschte nur mit dem Kopf gegen die Tür.
Dann fragte ich Esme: „Hast du Daten von Susanne?
Was tut sie?
Das ist ein Notfall!“
Esme antworte: „Ich weiß, ihre Daten weisen eindeutig auf Panik und Angst, einen Ausnahmezustand hin. Soll ich die Tür öffnen?“
Ich erwiderte: „Sie hat sie verschlossen, also will sie mich derzeit nicht bei sich haben. Sie hat den Anzug an, verabreiche ihr Beruhigungsmittel in niedriger Dosis, beobachte, was sie tut, und verhindere dann gegebenenfalls eine Kurzschlußreaktion, falls sie sich etwas antun will.“
Ich sackte vor der Tür zusammen, zog die Beine an, drückte die Hände vor das Gesicht, rieb heftig darüber.
Esme bestätigte: „Ja, ich passe auf sie auf. Auch du bist sehr aufgedreht, mehr als gut für dich ist. Ich sollte dir auch eine niedrige Dosis Beruhigungsmittel verabreichen.“
Ich war wirklich ebenfalls ziemlich am Ende, nickte nur leicht und seufzte leise: „In Ordnung …“
Ich brauchte etwas, hakte dann bei Esme nach: „Was macht sie?“
Esme antwortete: „Liegt relativ ruhig und zusammengekrümmt auf dem Bett.“
Ich fragte dann weiter: „Und der Absturz, der Schrott?“
Ich saß ja praktisch im Bereich des anderen Aufenthaltsraumes. Esme schaltete Übertragungen von Satelliten an. Zu sehen waren Aufnahmen vom Einschlagsort auf Charybdis – ein großer Bereich an Zerstörung, eine große Narbe in der Vegetation durch totale Verbrennung. Trotz der Dämpfung durch die dichte Vegetationssuppe im oberen Bereich des Meeres breiteten sich zudem größere Wellen vom Einschlagsort über das Meer aus. In einem anderen Anzeigebereich wurde die Bahn mit Angabe der Unsicherheiten vom restlichen Schrott angezeigt. Da noch eine gewisse Wahrscheinlichkeit bestand, daß uns der Schrott treffen könnte, war die Station weiterhin unterwegs, weg von Charybdis, in eine Richtung mit geringer Wahrscheinlichkeit, noch getroffen zu werden.
Ich war aufgestanden, ging näher auf die Anzeigebereich zu, setzte mich an einen Arbeitsplatz, ließ mir dann weitere Details zeigen, wobei ich meine Hände auf den Tisch preßte, sonst hätte ich zu sehr gezittert. Der Katastrophenbereich auf Charybdis war schon groß, aber noch als lokal einzustufen.
Ich schaute mir die Daten der Sonden an, die mit Myke verbunden waren. Aktuell gab es da zwar sehr viel Aktivität, aber nichts, was mit dem zu tun gehabt hätte, was Susanne an Kodierung bislang vereinbart hatte. Das war rein gar nicht verständlich.
Unser Luftschiff Zeppelin hatte ein Trümmerteil erwischt, es war vernichtet, auch eine kleinere Sonde ungefähr im Bereich des Absturzes, sonst hatten wir auf Charybdis bislang keine Verluste und Schäden.
Die Wellen steilten dann an einer der Küsten zu einer Art Tsunami auf, der Oberflächenbewuchs riß auf und die Welle traf mit Wucht auf die Küste, wirbelte dort viel durcheinander. Das setzte sich so an anderen Küsten fort, so beschränkten sich die Schäden an der Vegetation nicht auf den Bereich des Einschlages, mit den Wellen setzte sich die Zerstörung über den ganzen Planeten fort, jedenfalls in den Küstenregionen.
Das war jetzt noch eine Katastrophe in der Größenordnung eines Asteroideneinschlages, also etwas, was ähnlich schon eingetreten sein mußte. Myke und der Rest der Vegetation hatten das bereits mehrfach weggesteckt.
Und Myke würde das wohl nicht einmal mit uns in Verbindung bringen, mit unserem Kontakt über die Sonden.
Körk, Ida und Hildegard meldeten sich dann auch, näherten sich mit dem Raumschiff, hatten aber auch nur wenig zu bieten, um die Bahn des Absorbers groß zu beeinflussen. Dieser hatte nun leider an der Atmosphäre so viel kinetische Energie verloren, daß man ihn nicht mehr so einfach von Charybdis entfernen konnte. Zudem ging die elliptische Umlaufbahn nicht weit genug hinaus, um auch nur entfernt an den chaotischen Bereich heranzukommen. Auch die Ais hatten keine wirkliche Idee mehr, was sie noch hätten tun können. Es wurde immer klarer, der Schrott würde entweder schon bei der nächsten, vielleicht auch erst bei der übernächsten Annäherung an Charybdis wieder durch Kontakt mit der Atmosphäre stark runterbremsen und dann ebenfalls abstürzen. Immerhin, wenn der Schrott bei der nächsten Annäherung den Planeten verfehlen würde, hätten wir noch eine Chance auf eine kleinere Kurskorrektur. Verfehlte er den Planeten nicht, war alles zu spät. Denn dieser Absorber war deutlich mehr zerstört, war deutlich größer, würde beim Absturz eine globale Katastrophe auf Charybdis auslösen.
Da die Raumstation keinen Absorber mehr hatte, wäre sie natürlich auch schon durch kleinere Einschläge betroffen, daher hatte Esme bereits zahlreiche Schotts geschlossen und bei unmittelbarer größerer Gefahr wären wir dann ja auch in der Lage, das Raumschiff mit seinem intakten Absorber vor die Station zu manövrieren, zudem würden einige Absorbersegmente vom Raumschiff zur Station wechseln, angepaßt werden und dann wieder schnell erweitert werden. Für unseren Schutz konnten wir also gut vorsorgen.
Trotzdem überlegten wir schon, Susanne und mich vorsichtshalber auf das Raumschiff zu transferieren.
Ich hatte es bei der Hektik und der aufgeregten Diskussion gar nicht bemerkt, aber hörte dann ein Geräusch. Susanne war aus ihrer Kabine gekommen, hatte die Bilder der Zerstörung wohl gesehen, die Prognosen gehört, war dann kurz hinter meinem Stuhl zusammengebrochen. Esme und dann auch Ida zeigten sich besorgt über ihren Zustand, obwohl Esme die Dosis des Beruhigungsmittels schon behutsam angepaßt hatte, war Susannes Zustand ziemlich desolat. Esme half mir dann mit einem Roboter, Susanne wieder zurück zu ihrem Bett zu bringen, um sie dort medizinisch zu versorgen.
Esme und Ida befürworteten eine Konservierung von Susanne, jedenfalls bis sich die Lage wieder beruhigt hatte und wir uns um sie würden eingehend kümmern können. Ich stimmte notgedrungen zu. Und so ging es dann relativ schnell.
Ich selbst war zwar auch etwas angegriffen, konnte mich aber halten, wollte mich auch unbedingt zusammen mit den Ais der von uns verursachten Katastrophe stellen.
War es nicht auch oder vorrangig meine Idee gewesen, die Absorbertechnik so einzusetzen?
Ohne das wären wir wohl nicht weitergekommen, aber nun hatten wir gerade mit ihnen eine schwere Katastrophe auf Charybdis ausgelöst. Und eine weitere, noch größere war nun kaum noch abzuwenden.
Jedenfalls wollte ich nun Susanne und mich auf das Raumschiff transferieren lassen. Das erschien mir sicherer als die Station, jedenfalls bis bei dieser wieder ein kompletter Absorber einsatzfähig wäre. Dem stimmten die Ais dann auch zu.
Als das Raumschiff angekommen war, setzten wir das dann auch zeitnah um, eine Raumfähre kam von Raumschiff, holte uns ab.
So konnte Esme auch die Rotation der Station wieder herunterfahren, dann wäre es auch einfacher, die noch nicht exakt passenden Absorbersegmente fest anzukoppeln und diese zügig zu ergänzen.
Eigentlich hätte ich wohl nun auch ruhen sollten, konnte und wollte es aber nicht. Die Daten über die Objekte im Streufeld Wotan und im Asteroidengürtel Freki hatte ich letzter Zeit ziemlich aus den Augen verloren, das verwaltete alles Körk. Nun fragte ich mich, ob wir das wirklich alles so gut im Griff hatten, wühlte mich da durch, ließ das alles anzeigen, auch die Positionen von Sonden und Absorbern.
Hatten unsere Aktivitäten auf Skylla und Charybdis Körk vielleicht abgelenkt?
Die Daten konnten natürlich nur zeigen, was Körk ohnehin im Blick hatte, was wollte ich da eigentlich entdecken?
Gefährlich wären ja eher jene Objekte, die wir noch nicht entdeckt hatten, die also gegenüber Asteroidengürtel und Streufeld noch einmal deutlich andere Bahnebenen aufweisen. Ich unterhielt mich darüber kurz mit den Ais, die einräumten, daß wir noch längst nicht so weit seien, um absolut sicher sagen zu können, daß es da keine Überraschungen mehr geben würde.
Wir hatten daran natürlich schon vorher gedacht und hatten auch Sonden so ausgerichtet, daß wir größere Objekte entdecken würden, wenn sie sich näherten. Das ist dann auch ausreichend, um mit dem Raumschiff und auch der Raumstation auszuweichen, sicherlich aber nicht mit allen Absorbern oder umgedreht, um diese zu nutzen, um alles abzufangen.
Den Ais war auch nicht so ganz klar, warum ich nun dieses Konzept hinterfragte, welches eigentlich gut funktionierte. Und ich mußte dann auch einräumen, da in dieser kritischen Situation einem ziemlich irrationalen Gedanken nachgegangen zu sein.
Irgendwie waren wir ja doch gelähmt, hatten keine Ideen, beobachteten nur, ich blieb bis zur Erschöpfung auf, um die sich anbahnende nächste Katastrophe zu verfolgen. Aber das alles war nicht produktiv, eine ziemlich wirre Zeit für mich. Wir haben in der Zeit kein Konzept zusammenbekommen, um den Absorber abzulenken oder in eine stabile, ungefährliche Umlaufbahn zu bringen, dafür hätte der Absorber am besten am entferntesten Punkt seiner Umlaufbahn um Charybdis senkrecht zur Verbindungslinie nach Charybdis beschleunigt werden müssen. Da der Schrott aber rotierte und wir gar keine Kontrolle über noch verbliebene, nicht komplett defekte Antriebe mehr hatten, schafften wir das nicht. Mit den Sonden mit den Hochleistungslasern konnten wir nicht genug ausrichten, das war auch klar und so mußten wir endlich den Dingen ihren Lauf lassen und konnten nur noch gebannt beobachten.
Und dann schlug der Absorber auf Charybdis ein, es war nahezu ein zentraler Volltreffer, aufgrund der Störungen durch Skylla also keine einfache Ellipsenbahn, die dann knapp am Planeten vorbeigeführt hätte. Dieser Absorber war nun noch deutlich größer als der der Station vom ersten Einschlag, zudem noch etwas anders konstruiert, der große Kern war hier nicht hohl, sondern ein schwammartiges Gebilde aus Metallschaum, der unter der großen Hitze des Einschlags, der Reibung mit dem Sauerstoff in der Atmosphäre heftig reagierte und noch in dieser eine heftige Explosion auslöste, die als Feuer- und Schockwelle um den ganzen Planeten raste. Die Vegetation an Land wurde verbrannt, die auf der Wasseroberfläche in Sekunden verkocht. Und diese Auswirkungen betrafen diesmal die gesamte Planetenoberfläche!
Der Kontakt zu unseren Luftschiffen brach ab, auch der zu Darwin und zu den Sonden.
Geschockt hatte ich mein Gesicht auf den Tisch vor mir gelegt, wollte nichts mehr sehen, nichts mehr hören. Es hatte wohl ein oder zwei Stunden gedauert, bis ich mich zusammenriß und wieder einen Blick riskierte. Auf den Anzeigen hatte Ida Bilder der Satelliten eingeblendet. Durch Rauch und aufgewirbelte Partikel war die Atmosphäre praktisch undurchsichtig geworden. Ida berichtete dann sachlich, zuvor hätten die Sensoren noch einen weiteren Folgeeffekt erfaßt. Sie zeigte mir dann die Aufzeichnungen. Die Schockwellen rasten wohl durch den gesamten Planeten, trafen ungefähr auf der dem Einschlagsort gegenüberliegenden Seite wieder zusammen, augenscheinlich gerade im Bereich einer seismischen Bruchzone oder eines Supervulkans. Dort brach die Erde auf und es kam zu einer gewaltigen Eruption dieses Vulkans, wodurch weitere gewaltige Mengen an Asche, Staub, Schwefel in die Atmosphäre geblasen wurden. Diese noch dichtere Suppe breitete sich auch jetzt noch weiter aus, würde es vermutlich noch einige weitere Tage tun und dort alles verdunkeln, eventuell gar eine lange Winterphase, vielleicht gar eine kleine Eiszeit einläuten.
Ich wollte gerne Sonden aussenden, um Details von der Oberfläche zu bekommen. Ida meinte aber, wir müßten damit erst noch etwas warten, bis sich die Lage stabilisiert habe und wir mit den Satelliten, von denen zudem auch einige zerstört waren, ersetzt oder repariert werden mußten, einen ungefähren Überblick bekommen hätten, welche Regionen am wenigsten betroffen seien, wie die Zusammensetzung der Atmosphäre augenblicklich sei, um eventuell die Außenhülle der Sonden anzupassen.
Ich vermutete schon, daß das doch zuviel für Myke und die Vegetation gewesen sei. Würde sich noch etwas davon erholen?
Wie tief im Meer und im Land war die Vegetation verwurzelt?
Nur im Schutz von Erde und Wasser schien es mir möglich, daß etwas diese Katastrophe überlebt hatte.
Ich war ziemlich am Ende, gleichzeitig aber zittrig aufgeregt. Hildegard wies mich auf meinen bedenklichen Zustand hin, redete auf mich ein, mich hinzulegen und mit einer mäßigen Dosis Beruhigungsmitteln erst einmal durchzuschlafen. Ida merkte an, daß wir ohnehin augenblicklich nicht viel für Charybdis tun könnten. Das sah ich ein und schleppte mich dann widerwillig in meine Kabine, wo dann die von Hildegard verabreichten Beruhigungs- und Schlafmittel bald dafür sorgten, daß ich lange schlummerte.
Als ich wieder erwachte, war mehr als ein Tag vergangen. Hildegard drängte mich dazu, zu essen und zu trinken, erst dann wollten sie mir aktuelle Daten zeigen. Sie hatten ja Recht, es nützte ja nun auch nichts mehr, alles andere zu vergessen.
Erst danach brachten sie mich auf den aktuellen Stand. Der Supervulkan auf Charybdis war noch aktiv, in anderen Bereichen des Planeten regnete bereits eine üble Mischung aus Wasser, Staub, Schwefel etc herunter, mischte sich dann unten zweifellos mit der Asche der Vegetation und floß dann als sicherlich nicht gesunde Mischung Richtung Meer, wo das Zeug nicht gleich über dem Meer abgeregnet war.
Von unseren Missionen auf dem Planeten war auch weiterhin kein Signal angekommen, die waren verloren, so aber hatten wir immer noch keine Informationen darüber, was unter der Wolkendecke passierte. Immerhin waren nun schon wieder ein paar Satelliten mehr im Betrieb. Aufgrund der dichten Wolkendecke reflektierte Charybdis nun mehr Licht als zuvor, was dann eine Abkühlung bedeuten würde. Die Katastrophe ging also immer weiter. Wir hatten eine fatale Kettenreaktion ausgelöst.
Körk berichtete dann über die Lage im Bereich des Asteroidengürtels Freki und des Streufeldes Wotan, hatte dort aber wieder alle Absorber unter Kontrolle, hatte nun noch mehr Sonden mit höherer Auflösung und höherer Empfindlichkeit im Bau, um eventuelle Querschläger früher zu entdecken. Gleichzeitig hatte er bei den Absorbern den Bau von mehr Redundanzen und anderen Sicherheitsmechanismen begonnen. Obwohl wir zuvor nicht naiv konstruiert hatten, Sicherheitsvorkehrungen hatten, war es trotzdem zu der Katastrophe gekommen. Nun war zu überlegen, ob wir die Absorber nicht eher zurückbauen sollten, möglichst viel zerstäuben. Allerdings hatten wir nun schon so viel verändert, daß es nun bereits sicherer erschien, unser Konzept fortzuführen und die Ordnung von Streufeld und Asteroidengürtel zu vollenden.
Auf Skylla war nichts Wesentliches durch die Katastrophe mit dem Absorber passiert, die dortigen Missionen gingen ungestört weiter, brachten aber auch weiter keine spannenden oder unerwarteten Neuigkeiten.
Das Sintflutprojekt hatte ja geruht, die Simulationen zur Bildung des Eisringes waren nun aber weitgehend durch. Wir hatten nun mehrere Varianten, die funktionieren würden. Wir könnten damit beginnen, aber sollten wir das wirklich tun?
Nun, nach dieser grauenhaften Katastrophe, die wir verursacht hatten?
Nun galt es jedenfalls auch zu entscheiden, was mit der Raumstation passieren sollte. Sie war intakt und die Rekonstruktion des Absorbers ging gut voran. Das hatte zunächst Priorität. Wir hatten allerdings noch fertiggestellte Sonden auf der Station.
Wir diskutierten etwas, waren uns aber relativ schnell einig, die Station wieder auf die alte Umlaufbahn um Charybdis zu bringen und dann wenige Sonden loszuschicken, um die Informationen von den Satelliten durch lokale Proben und Aufnahmen zu ergänzen.
Wir entschieden uns dann, das Raumschiff in eine benachbarte Position zur Raumstation zu bringen und mit den Roboterschwärmen des Raumschiffes ebenfalls an den Absorbern zu arbeiten.
Als das bereits lief, schickten wir die ersten Sonden in die Atmosphäre von Charybdis, nahmen Proben. Die Ergebnisse waren dann nicht so überraschend und entsprachen dem äußeren Eindruck, eine ziemlich ungesunde Mischung. Ordentliche Bilder brachten die Sonden nicht zustande, zu dicht war noch die Suppe. Später riskierten wir es, mit den Sonden tiefer in die Atmosphäre bis zur Belastungsgrenze abzutauchen. An wenigen Stellen hatten wir dann einen unklaren Blick nach weiter unten. Es hatte sich alles deutlich verdunkelt, die dicke Suppe oben in der Atmosphäre streute also nicht nur das Licht, sie sorgte auch für eine erhöhte Reflexion zurück in den Weltraum.
Die Vegetation der Küsten und Flüsse war vernichtet. Auch auf dem Meer ergab sich ein deutlich anderes Bild, statt der cyanen Suppe gab es nun eine endlos bräunlich-graue Suppe. Das wirkte alles tot und zerstört.
Mehr oder weniger hatten wir das ja bereits erwartet und ich fühlte eine tiefe Schuld, wollte aber nicht darüber reden. So arbeiteten wir verbissen weiter.
Neben der Rekonstruktion des Stations-Absorbers ließen wir nun auch noch eine weiteres Luftschiff bauen. Lange würde das Material in der Atmosphäre wohl nicht durchhalten, aber wir brauchten einfach mehr Daten, auch Proben aus dem Meer und den Küstenregionen, aus größeren Seen und Flüssen.
Das Luftschiff, welches wir einfach Explorer nannten, wurde komplett gebaut, mit einem Raumschiff in der oberen Atmosphäre abgeworfen, mit Fallschirmen gebremst. Als Explorers Fall langsam genug war, wurden dann die Luftkammern entfaltet und mit Wasserstoff gefüllt. Das Manöver klappte trotz der widrigen Bedingungen und so kamen wir wieder an Daten aus den unteren Luftschichten. So konnten wir dann auch die gewünschten Proben von der Oberfläche nehmen, fanden darin allerdings nur noch Überreste toten organischen Materials.
In der unteren Atmosphäre regnete oder schneite es, mit zunehmender Abkühlung schneite es öfter. Das abgebrannte Land wurde dann bald gnädig mit einem allerdings schmutzigen Leichentuch aus Schnee und Eis bedeckt, auch kleinere Seen und Flüsse. Dadurch klärte sich zunächst die untere Atmosphäre. Nachdem allerdings das beim Einschlag verdunstete Wasser abgeregnet war, blieb oben noch ein erheblicher Schleier aus Dunst und feinen Partikeln. Aufgrund der Abkühlung verdunstete dann weniger Wasser und demzufolge regnete es weniger, was dann die Reinigung der Atmosphäre zusätzlich verzögerte. Und der Supervulkan pumpte auch immer noch seine Emissionen weit hinauf, als wollte er uns wegen unserer Schandtat anspucken, schaffte es so hoch nun aber auch wieder nicht, reicherte die Atmosphäre nur weiter an mit Schwefel und anderen Schwebstoffen, die dafür sorgten, daß der Lichteintrag von Rasol auf Charybdis auch weiter unter dem Wert vor der Katastrophe blieb, somit Charybdis weiter abkühlte.
Das Drama beobachteten wir dann über Monate. Immerhin ließ dann die Aktivität des Supervulkans allmählich nach, aber das Klima auf Charybdis hatte sich in dieser kurzen Zeit dramatisch verändert. Dem Planeten drohte eine Eiszeit, auch weil inzwischen einige Regionen mit reinerem Schnee bedeckt waren, welcher ja eine relativ hohe Reflexion aufweist, somit ebenfalls dazu beiträgt, daß viel Licht und Wärme von Rasol zurück in den Weltraum reflektiert wird, statt für die sonst üblichen angenehmen Temperaturen auf Charybdis zu sorgen. Wir waren überrascht, wie schnell sich das Klima geändert hatte.
Dann war irgendwann endlich der Absorber der Raumstation fertig und wir diskutierten, ob ich wieder wechseln sollte, ob Susanne wiederauferstanden werden sollte oder eine andere Person. Ich meinte dann gleich, daß Susanne die Situation auf Charybdis zu sehr mitnehmen würde. Einer anderen Person wollte ich das auch nicht zumuten, was wir angerichtet, zernichtet hatten. Da das Leben auf der Station mit Rotation natürlich für mich deutlich einfacher wäre, wollte ich dann also alleine wechseln. Wir taten das dann, dann versetzte Esme die Station wieder in Rotation.
Nachdenklich lief ich dann meine erste Runde nach der Katastrophe im Rundlauf der Station, die ohne Susanne noch viel leerer wirkte als mit ihr. Schlimmer noch, ich war in einer trostlosen Stimmung und raffte mich nur irgendwie zusammen.
Wir suchten natürlich weiter mit dem Explorer, um noch etwas Lebendiges zu finden. Myke und die anderen Organismen mußten auch früher schon Einschläge überstanden haben, vielleicht aber nicht solch gigantische. Der eingeschlagene Absorber hatte schon eine deutlich andere Dimension und Struktur als die Brocken aus dem Streufeld Wotan oder dem Asteroidengürtel Freki. Und da dieser große Absorber zudem auch noch deutlich mehr Masse hatte als einer der großen und kompakten originalen Brocken, waren die Auswirkungen deutlich schlimmer.
Dennoch könnten sich Anpassungsmechanismen entwickelt haben, auch konnte es Sporen geben, die hohe und auch tiefe Temperaturen überdauern mochten, um sich dann wieder zu entwickeln, wenn sich das Klima wieder auf günstige Werte eingependelt hatte. Einstweilen aber herrschte Eis und Schnee, inzwischen sogar an einigen Regionen von Küsten und Inseln ausgehend auf den Meeren.
Wir berieten dann wieder. Sollten wir versuchen, Schwefel und Verunreinigungen in der oberen Atmosphäre mit einer Sintflut fortzuwaschen?
Oder sollten wir der Entwicklung ihren Lauf lassen und nicht weiter eingreifen?
Nun, es war aber nicht die normale Entwicklung. Wir waren die Ursache der Katastrophe und der längst aufkommenden Eiszeit. So entschlossen wir uns also einzugreifen.
Ida und Körk rechneten durch und meinten, wir hätten wohl genug Wasser dafür, um sowohl auf die Atmosphäre von Charybdis günstig einzuwirken, als auch auf Skylla den Staub fortzuwaschen und unsere Terraformung zu beginnen.
So oder so waren nun Querschläger nicht mehr schlimm, die versehentlich den anderen Zwillingsplaneten treffen würden. Somit benötigten wir die Verfeinerung mit dem Eisring um Skylla derzeit nicht mehr unbedingt und konnten das Projekt Sintflut so deutlich beschleunigen.
Ida und Hildegard simulierten, während nun Körk organisierte und zudem täglich wieder über Aktivitäten von Asteroiden und Kleinkörpern im Sonnensystem berichtete. Esme kümmerte sich unterdessen um die Missionen auf Skylla und den Explorer auf Charybdis, daneben natürlich weiterhin um die Raumstation wie Hildegard um das Raumschiff.
Die Daten von Skylla als auch Charybdis blieben indessen weiter leblos.
Nun wollten wir Querschlägern nicht unbedingt mit der Raumstation oder dem Raumschiff ausweichen müssen oder deren Absorber unnötig mit Eis füttern, mit dem wir nicht viel mehr hätten anfangen können, als es herunterzubremsen. Daher verlegten wir deren Position zurück nach etwas außerhalb des Asteroidengürtels Freki.
Die inzwischen etwa einheitlich dimensionierten Eisbrocken, die rundherum im Asteroidengürtel abreisebereit waren, würden beim Einschlag auf Skylla und auch Charybdis in der Atmosphäre aufbrechen und lokal abregnen, von daher brauchten wir unsere Missionen nicht extra zu sichern. Bei unseren Satelliten wäre ein Treffer ebenfalls unerwünscht gewesen, daher hatten wir die meisten eingesammelt. Beim Rest wäre ein Treffer dann einfach Pech, in dem Falle müßten unsere Missionen dann eben eine Weile Daten sammeln, statt sie zu senden, dafür waren sie aber ohnehin ausgelegt. Für uns war es aber schon relevant, auf dem aktuellen Stand zu bleiben, daher änderten wir die Umlaufbahnen der Satelliten etwas, um dann bei einzelnen Ausfällen wenigstens von Zeit zu Zeit noch möglichst lange Daten abrufen zu können.
Aufgrund der Daten über die Zusammensetzung der Atmosphäre von Charybdis impften die Roboterschwärme dann die Brocken noch mit Stoffen, die bei der Klärung der Atmosphäre helfen sollten. Einstweilen hofften wir auch weitgehend darauf, daß der dann fallende schmutzige Schnee das Reflexionsvermögen der Oberfläche von Charybdis auch wieder etwas ändern würde, um dann wieder einen etwas höheren Wärmeeintrag von Rasol zu bekommen. Noch jedenfalls dienten die Meere als gewaltiges Wärmereservoir, welches ein komplettes Einfrieren verhinderte. Wir mußten also jetzt handeln, um diese Chance zu nutzen, denn nach einer Auskühlung der Meere wäre es mit erheblichem Aufwand und weiterer übler Zerstörung verbunden, den gesamten Planeten wieder aufzuheizen.
Und dann begann die Aktion Sintflut, mit Schwerpunkt zunächst auf Charybdis, mit einem kleineren Anteil mit etwas anders zusammengesetzter Impfung aber auch beabsichtigt auf Skylla gerichtet.
Die erste Phase zog sich einige Monate dahin und wirklich gelang es uns in der Zeit, einige Bereiche der schmutzigen Atmosphäre von Charybdis wieder aufzuklaren.
Das und insbesondere das Sintflutprojekt auf Skylla würde aber noch Jahre dauern.
Mir hatte das alles schwer zugesetzt und ich fühlte mich trotz der Ai ziemlich allein auf der Station, mir fehlte Susanne. Allerdings hatten wir vorrangig Routinearbeit vor uns, die Zeit zog sich immer zäher dahin. Und so schlugen die Ai wieder vor, es sei nun angemessen für mich, auszuruhen, die nächsten Jahre in der Konservierung schlafend zu überstehen. Nun, im Grunde hatten sie alles gut im Griff, jedenfalls so gut wir das sagen konnten. Von den Missionen auf den Planeten war nicht mehr so viel zu erwarten. Also wollte ich dann nur noch ein paar Wochen warten, überlegen, noch einmal alle Daten sichten. Dann würden wir noch eine große Abschlußsitzung für mich machen, bevor ich die Ai erst einmal alleine weitermachen ließ.
Stanis und Asi berichteten dann auch noch ausführlich über ihre ersten Ergebnisse. Sie hatten bereits einige Daten über die Gasriesen und auch die Monde gesammelt. Eine eingehende Untersuchung der Atmosphären der Gasriesen und auch eine Erforschung der Monde, insbesondere des Eismondes mit dem Meer unter der Eisdecke, wo sie bereits Mikroorganismen in den Geysiren entdeckt hatten, würde noch Jahre dauern. Vielleicht hätten Menschen andere Schwerpunkte bei der Forschung gelegt, wären sie mit etwas anderen Fragestellungen angegangen, aber die beiden gingen auf ihre Weise nun ziemlich systematisch vor. Einerseits hatten sie mehr oder weniger ein Standardprogramm, welches sie abarbeiten konnten, welches bereits der Mission mitgegeben worden war, um Kerndaten von Planeten und Monden zu gewinnen, andererseits hatten Ida, Körk, Hildegard und Esme ja bei unseren Aktivitäten bei dem Asteroidengürtel Freki, dem Streufeld Wotan und den Zwillingsplaneten Skylla und Charybdis schon eigene Erfahrungen gemacht, würden so also schon gut bei Bedarf flexibel auf Zwischenergebnisse reagieren können und eigene Prioritäten setzen können. Von daher schien es uns allen in Ordnung zu sein, diese Missionen in aller Ruhe und mit den derzeitigen Ressourcen der beiden ohne Eile fortzusetzen. Meine Beteiligung wäre vielleicht interessant gewesen, aber einstweilen nicht dringend. Intensivere Forschungsbemühungen wären auch noch früh genug angesetzt, wenn wir bereits eine Kolonie gegründet hätten. Und dazu hatten wir ja nun mit dem Sintflutprojekt einen weiteren Punkt begonnen.
Explorer hatte die zerstörten Überreste von Darwin und einem Luftschiff gefunden, die anderen blieben verschollen. Lebenszeichen von Myke oder von anderen Organismen waren nicht zu finden, einstweilen verschwand einfach viel von der Oberfläche von Charybdis unter einer schmuddeligen Schneedecke. Erst wenn es gelingen würde, eine Wende in der Klimadynamik zu wärmeren Temperaturen hin zu initiieren, würde sich wohl eine intensivere Suche lohnen.
Eine Chance lag aber noch im tieferen Meer, so überredete ich die Ai dann noch zu einer weiteren Meer-Mission ähnlich Nautilus auf Skylla. Die Mission nannten wir Challenger nach dem Vorbild eines Forschungsschiffes einer frühen Tiefsee-Expedition auf der Erde. Da wir ja ohnehin bereits die ausgearbeiteten Pläne und auch praktische Erfahrungen mit der Nautilus hatten, erarbeiteten wir ziemlich zügig ein Konzept für Challenger, optimierten noch etwas gegenüber der Nautilus. So war Challenger dann auch bald gebaut und dann auch auf dem Weg hinunter in ein Meer von Charybdis.
Für die Landung der Challenger hatten wir einen Bereich weitab von den Einschlagspunkten und dem Supervulkan gewählt. Letzterer hatte sich zum Glück inzwischen nahezu beruhigt, es kam also zu keinem nennenswerten weiteren Eintrag mehr von klimarelevanten Gasen und Partikeln in die Atmosphäre, dennoch waren auch im Bereich um den Supervulkan die lokalen Zerstörungen fatal, ähnlich wie bei den beiden Einschlagsstellen.
Challenger untersuchte zunächst Proben aus dem Oberflächenbereich des Meeres. Vor der Katastrophe hatte ja Myke zusammen mit speziellen Pflanzen die gesamte Meeresoberfläche mit einer zähen Schicht bedeckt, welche auch den Wellengang deutlich beruhigt hatte. Die Katastrophe samt Tsunami hatten diese Schicht abgekocht und zerfetzt. Das nun wieder freie Wasser hatte nun erheblich mehr Wellengang. Die ehemals lebendige Schicht fand sich nun an zahlreichen Stellen noch zusammengeklumpt zu einer grau-braunen Masse, die sie einfach als komplett tot erwies. Nun, das hatten wir nach den Temperaturen nicht anders erwartet. So sollte Challenger dann also tiefer tauchen. Zunächst suchten wir in flacheren Bereichen bis zum Meeresboden hinunter. Wir fanden jedenfalls keine größeren Organismen, schon biologisches Material, aber eher einfach, kein Vergleich mit den komplexen Strukturen von vor der Katastrophe. War das etwa neu aufkeimendes Leben aus Sporen, die die Katastrophe überstanden hatten?
Die Untersuchung solcher Details dauerte länger, Challenger suchte erst einmal weiter. In tieferen Bereichen fand sich dann eher mehr abgesunkenes, totes Material, welches ehemals an der Oberfläche lebendig gewesen war.
Vermutlich war die Bedeckung der Meeresoberfläche vor der Katastrophe so effizient gewesen, vielleicht auch Mykes Fähigkeit zur Wiederverwendung von Material und zur Abwehr von Konkurrenten, aggressiven Lebewesen im Meer so erfolgreich gewesen, daß es deshalb hier unten einfach nichts gab. Auch in einer Bruchzone fanden wir trotz vorhandener Energie- und Mineralienquellen keine Anzeichen für andere komplexe Lebensformen.
So tief konnte die Katastrophe nicht gewirkt haben. Allenfalls an den Aufschlagsorten und im Bereich des Supervulkans mochte das Meer entweder kurzfristig verdampft oder jedenfalls stark aufgeheizt worden sein, wodurch dort sicher alles Leben vernichtet wurde. Hier, fernab und tief am Meeresgrund war das aber sicher nicht die Ursache für fehlendes Leben. Das mußte andere Ursachen haben, die jedenfalls nichts mit uns zu tun hatten.
Die Details von dem biologischen Material, welches wir im flachen Meer gefunden hatten, waren nicht so aussagekräftig, das waren Sporen von Pflanzen und auch Pilzsporen, letztere wohl auch Myke zuzuordnen.
Obgleich wir nicht wirklich viel von Myke verstanden hatten, gingen wir schon davon aus, daß die Anzeichen von Intelligenz schon mit einer Struktur ähnlich einem Gehirn zu tun haben mußten, das aber konnte wohl nur das Myzel, das Mykorrhiza sein, was wir schon kannten, vielleicht irgendwo zu etwas Gehirnartigem verdichtet. Bislang hatten wir aber nur Anzeichen dafür, daß Myke vorrangig an der Oberfläche der Meere, Seen und Flüsse und im Küstenbereich an Land existierte. Diese gesamte Struktur war aber ausgelöscht. Nichts ähnliches konnten wir mit Challenger in den tieferen, von der Katastrophe nicht betroffenen Meeresregionen finden.
So mußten wir einstweilen davon ausgehen, daß es Myke bei der Katastrophe erwischt hatte. Selbst wenn sich aus den Sporen mit identischem genetischem Material dann wieder allmählich ein Superorganismus bilden würde, die Identität, die Persönlichkeit von Myke wäre verloren, wenn wir jedenfalls von etwas wie einer Identität oder Persönlichkeit ausgehen wollten. Unsere kleinen Anfänge einer Kommunikation auf logischer Ebene deuteten das jedenfalls an.
Was sich in Zukunft entwickeln mochte, war dann jedenfalls nicht mehr das Wesen, welches wir vorgefunden hatten.
In der großen Abschlußbesprechung vor meiner Konservierung gingen wir noch einmal all unsere Missionen und Projekte durch, legten grob noch einmal plausible Alternativen für weiteres Vorgehen fest. Die Suche auf Skylla und Charybdis würde fortgesetzt werden, das Sintflutprojekt würde bald auf Skylla konzentriert werden.
Die Präferenz für eine Kolonie lag nach wie vor auf Skylla, wenn es auf Charybdis vielleicht auch schneller gehen würde, wenn es gelingen würde, die Temperaturen wieder zu erhöhen, den Schnee und das Eis schmelzen zu lassen. Unsere Satellitenbilder zeigten bereits einen leichten Rückgang. Die Ais hielten es durchaus für möglich, später mit Sonden oder Luftschiffen großräumig dunkle Kohlenstoffpartikel oder andere dunkle Partikel über hartnäckigen Schnee- und Eisfeldern auszubringen, um das Abschmelzen zu beschleunigen. Das hielt ich für eine gute Idee, weil diese Schnee- und Eisfelder nicht der früheren Bedeckung entsprachen. Natürlich konnten wir die Katastrophe unmöglich rückgängig machen, es mochte uns aber schon gelingen, den Kälteeinbruch aufzuhalten und die Temperaturen wieder ungefähr in den alten Bereich zu bringen. Atmosphärenchemie ist indessen komplex und langwierig, das ist klar, daher war es auch nicht die Idee der Ai, mit speziellen Substanzen massive Klimamanipulationen auf Charybdis vorzunehmen, einstweilen hofften wir darauf, mit eher kleineren Maßnahmen die Entwicklung wieder in die richtige Richtung hin zu den alten Bedingungen zu beeinflussen, jedenfalls dann in einer Weise, die von uns keine weiteren aktiven Maßnahmen erfordern würde, um dann das Niveau zu halten, das sollte sich dann von selbst wieder im vorherigen Bereich einpendeln.
Die Ai sollten zudem auf Charybdis ein Labor etablieren, um zu untersuchen, wie man den Sporen helfen könnte, ein symbiotisches Ökosystem zu bilden. Im Erfolgs- und Bedarfsfalle wäre es dann auch möglich, verschiedene Regionen von Charybdis zu impfen, um die Ausbreitung der ursprünglichen Vegetation zu fördern, also eine ähnliche Biosphäre wie vor der Katastrophe zu rekonstruieren. Dabei würde nun nicht wieder Myke herauskommen, aber mit etwas Glück doch eine funktionierende Biosphäre vielleicht bereits innerhalb weniger Jahrzehnte statt vielleicht innerhalb von Jahrtausenden ohne solch eine kleine Starthilfe.
Wir diskutierten auch ethische Aspekte dieses Vorgehens. Würden wir durch unser abermaliges, diesmal gezieltes Eingreifen weiteres Unheil anrichten?
Wir stuften die Wahrscheinlichkeit dafür allerdings als ziemlich gering ein, weil die Katastrophe ohnehin alles zerstört hatte. Was hätten wir noch mehr verderben können?
Sollte unsere Annahme falsch sein, daß Myke nicht mehr existierte, würden sich unsere künstlich geschaffenen Inseln des Lebens doch wohl ähnlich wie zuvor mit dem Superorganismus verbinden, wie das nach unseren Beobachtungen auch bei anfangs isolierten Seen der Fall gewesen sein mußte.
Spätestens vor der finalen Entscheidung zur Koloniegründung wollten mich die Ais wiederauferstehen lassen. Auch bei komplexeren Problemen würden sie mich wieder hinzuziehen, um Entscheidungen gemeinsam zu treffen. Je nach aktueller Entwicklung würde ich dann wieder mitentscheiden, ob etwa auch Susanne wiederauferstanden werden sollte oder auch andere Personen. Sie wollten das einstweilen vermeiden, denn es hatte sich ja doch gezeigt, daß es mit jeder wiederauferstandenen Person neue Konflikte geben konnte. Ich und Susanne wußten nun immerhin schon über die Mission, von daher wären wir immer die ersten Kandidaten, die gleich mitdiskutieren und entscheiden könnten.
Bei Susanne schien es zudem vorteilhaft zu sein abzuwarten, bis sich auf Charybdis wieder etwas Leben erholt hatte, um uns alle wenigstens etwas mit unserer Schuld zu versöhnen.
Und so verabschiedete ich mich dann einstweilen und ging in die Konservierung.
Als ich wieder erwachte, war ich die Prozedur beinahe schon gewohnt. Ich wußte gleich um den Sachverhalt, schaute mich um, fand mich in meiner Kabine in der Raumstation wieder. Auch heute begrüßte mich Ida wieder: „Michaela, herzlich willkommen!“
Ich lächelte leicht und erwiderte: „Dir auch einen schönen Tag und den anderen natürlich auch!“
Die anderen Ais erwiderten dann auch gleich den Gruß.
Danach meinte ich nur gespannt: „Und?“
Ida antwortete: „Oh, erst einmal zur Orientierung, es sind 56 Jahre vergangen …“
Ich meinte dazu: „Das ist eine Menge.
Ihr seid hoffentlich weitergekommen?“
Esme merkte dazu an: „Wir wollten jedenfalls Zwischenbilanz ziehen und unsere bisherigen Bemühungen bewerten. Da dachte wir uns, du solltest dich daran beteiligen. Wir werden dir berichten, wir diskutieren, entscheiden dann …“
Ich erwiderte: „Ja gut, ich bin natürlich neugierig. Schön, daß ihr mal wieder an mich gedacht habt. Ist sonst noch ein Mensch wach?“
Ida antwortete: „Nein, es gab keinen dringenden Bedarf. Mit dir hatten wir ja abgemacht, dich gelegentlich auf dem Laufenden zu halten.“
Die Ais hatten offenbar einen etwas anderen Zeitbegriff für ‚gelegentlich‘, aber vielleicht hatten sie ja wirklich primär Routinearbeiten, die relativ einfach zusammenzufassen waren. Irgendwie hatte ich plötzlich das Gefühl, sie hätten das Bedürfnis, sich irgendwie vor mir für ihre Arbeit zu verantworten oder zu rechtfertigen, als wäre ich irgendwie die Repräsentation der Menschheit als Auftraggeber. So fühlte ich mich gar nicht, schon eher als Mitglied der Mission, denn was blieb mir sonst?
Ich brauchte jedenfalls noch ein wenig Zeit für mich, dann wechselte ich in den Aufenthaltsraum, setzte mich an einen Arbeitsplatz und meinte dann: „Na gut, dann wollen wir die Tagesordnung mal durchgehen. Was zuerst?
Weitere Katastrophen mit Absorbern oder Asteroiden?“
Körk erwiderte: „Das hatten wir gut im Griff. Es gab dann zwar anfangs mehr, nun deutlich weniger Überraschungen mit Brocken aus unerwarteten Richtungen, die konnten wir aber alle abfangen, mit nur wenigen Problemen. Aufgrund der besseren Absicherung ist dabei kein Absorber mehr außer Kontrolle geraten. Ich habe mich dann ja auch mehr auf die Überwachung dieses Bereiches konzentriert. Wir haben mit erweiterten Sondenmissionen inzwischen einen großen Teil des Sonnensystems systematisch durchkämmt, um größere Brocken zu finden.
Einen Zwischenfall hat es noch mit einem kleinen Brocken im Kilogramm-Bereich gegeben, wahrscheinlich ein Querschläger. Der ist unglücklich in den Antrieb eines Eisbrocken eingeschlagen, während wir diesen gerade nach Skylla transferierten. Da der Brocken in den Antrieb eingeschlagen ist, ist einerseits der Eisbrocken kaum zersplittert, andererseits war es dann nicht mehr möglich, diesen Brocken zu manövrieren. Um Skylla herum hatten wir da einen Eisring nach den ursprünglichen Plänen gebildet, um so feiner arbeiten zu können. Statt den angeschlagenen Brocken dort integrieren zu können, hat dieser einen anderen Brocken getroffen, beide sind dann zerschmettert und weitgehend komplett in die Atmosphäre von Skylla abgestürzt, wo das dann keinen größeren Effekt mehr hatte.
Bei unserer systematischen Durchmusterung der äußeren Teile des Sonnensystems haben wir ansonsten aber noch ein paar interessante Überraschungen gefunden. Jenseits der Gasriesen haben wir wirklich noch in einigem Abstand ziemlich weit draußen zwei einzelne Kleinplaneten und ein Kleinplaneten-Doppelsystem gefunden, allesamt auf stabilen Bahnen, insbesondere das Kleinplaneten-Doppelsystem aber deutlich außerhalb der Hauptekliptik des Sonnensystems. Vom Abstand zur Sonne Rasol und mangels nennenswerter Gezeitenkräfte ist da aber nicht viel mehr als eisige Kälte zu erwarten, daher haben wir da nicht viel mehr als die Massen, die Bahndaten und einige Bilder mit mäßiger Auflösung.
Im Streufeld Wotan gibt es praktisch nur noch Staub, Partikel bis zu einem Durchmesser von einem Millimeter. Die aus dem Rest konstruierten Absorber haben wir mit dem Asteroidengürtel Freki vereint, welcher deshalb nun eine etwas weniger ausgeprägte Bahnebene hat, also die an der Vereinigung beteiligten Absorber laufen deutlich anders um als der ursprüngliche Asteroidengürtel. Den haben wir wiederum mittlerweile auch gut durchsortiert und aufgeräumt. In dem Bereich haben wir nun insgesamt gut zweihundert größere künstliche Konstrukte, die umlaufen, zahlreiche weitere kleinere aufbereitete Rohstoffvorräte. Alles ist mit aktiven Steuerungen versehen und wird mit einem in den Gürtel integrierten, nicht lokalen Subsystem kontrolliert. Wenn wir ohne Kontrolle oder Steuerung auskommen wollten, müßten wir die Anzahl der Konstrukte auf wenige große und elastische reduzieren, was sich aber erst lohnen wird, wenn wir sicher sind, nicht mehr kurzfristig Rohstoffe aus diesem Bereich zu benötigen.“
Ich hakte nach: „Was passiert, wenn das Subsystem ausfällt oder gestört wird, wenn doch etwas aus dem äußeren Sonnensystem dort einschlagen sollte, alles durcheinanderwirbelt?“
Körk erklärte: „Unsere Konstrukte haben immer Kontakt zu benachbarten Konstrukten und kontrollieren so die Abstände, unabhängig davon gibt es noch eine lokale Koordination für eine größere Gruppe von Konstrukten. Selbst wenn es da einen Ausfall bei einem dieser Systeme gäbe, hätten wir mehr als ein Jahr Zeit, bis ein Zusammenstoß auftreten könnte. Da die Relativgeschwindigkeiten dann aber immer noch gering wären und die Konstrukte darauf ausgelegt sind, würden die auch dann nur ineinander verkeilen und ein größeres Konstrukt etwas unregelmäßigerer Form bilden, es wird sich also nichts zerlegen und in unerwünschte Richtungen streuen.
Ein Einschlag von außen in einen Absorber wäre ja eher erwünscht oder von uns herbeigeführt. Ein Einschlag in eine Rohstoffreserve wäre eher unwahrscheinlich, die würde dann aber in Kleinteile zerbröseln, die etwa in der oberen Atmosphäre von Skylla oder Charybdis verglühen würden, in den Absorbern von Raumschiff oder Raumstation problemlos abgefangen würden.“
Esme erläuterte dann weiter: „Auch den inneren Asteroidengürtel Geri haben wir inzwischen gut untersucht. Von dem geht ja ohnehin keine nennenswerte Gefahr für uns oder die Zwillingsplaneten aus. Aufgrund der größeren Nähe zur Sonne ist die Zusammensetzung aber anders als es die von Freki oder Wotan gewesen ist. Der Sonnenwind und die Strahlung haben flüchtigere Bestandteile entfernt. Nach unseren Ergebnissen hat es sich einmal um einen weiteren erdähnlichen Planeten gehandelt, der aufgrund von Gezeitenkräften und vermutlich auch dem Zusammenstoß mit einem anderen Kleinplaneten zerstört wurde. So oder so eignet sich Geri auch gut als Rohstoffquelle. Wir haben ja schon vor deiner Konservierung eine Art von Kleinplaneten dort geplant, der für Ais bestimmt wäre, haben derzeit dort aber nur eine kleine Station realisiert, die wir Observer genannt haben, diese beobachtet Aktivitäten von Rasol, prognostiziert größere Sonnenstürme und dergleichen, damit wir rechtzeitig geeignete Schutzmaßnahmen für Sonden und kleinere Missionen einleiten können.“
Ich bestätigte: „Das hört sich doch gut und plausibel an.“
Ida fuhr fort: „Stanis und Asi haben ihre Missionen natürlich auch fortgesetzt. Auf dem Eismond, wo sie in einem Geysir Mikroorganismen gefunden hatten, haben sie seit ein paar Jahren eine Mission begonnen, die sich durch die Eisdecke gebohrt hat. Unter der Eisdecke haben sie dann auch das Meer erreicht. Dort findet sich dann wirklich reichlich Leben, auch komplexere Lebensformen, von der Chemie her durchaus ähnlich wie das Leben auf der Erde, die Evolution hat da aber natürlich deutlich andere Arten, Nahrungsketten, Symbiosen etc hervorgebracht. Das wird von beiden auch weiterhin erforscht und katalogisiert.
Auf dem Gasriesen Erwin haben sie vor kurzer Zeit mit einem Luftschiff-Projekt begonnen, die Atmosphäre von innen zu untersuchen, sind bislang aber auf keine Lebensformen darin gestoßen. Es gab ja die Hypothese, daß es möglich wäre, daß es in solch gewaltigen und dichten Gasatmosphären aufgrund der Schichtung verschiedene Zonen geben könnte, in welchen Lebewesen fliegend oder quasi schwimmend existieren könnten. Aufgrund der großen Gravitation ist Asis und Stanis’ Luftschiff bislang aber nur in der oberen Atmosphäre aktiv. Es geht langsam tiefer, woraus wir primär detailliertere Daten bekommen, aufgrund derer wir für tiefere Schichten einen anderen Typ von Luftschiff planen und realisieren müssen, dann eine interessante Mischung aus einem Luftschiff ähnlich dem Explorer und unseren Tiefseeprojekten Nautilus und Challenger.“
Dazu sahen wir uns dann mehr Details an, diskutierten einiges davon, sendeten ein paar Nachfragen und Ideen an Stanis und Asi. Aufgrund der Zeitverzögerung und auch weil die beiden eine komplett unabhängige Zeitorganisation ihrer Aufgaben und Missionen haben, erwarteten wir da erst in einigen Stunden eine Antwort.
Und dann kamen wir zu Skylla.
Hildegard berichtete: „Die Missionen auf Skylla haben wir natürlich fortgesetzt, auch weiterhin nichts gefunden. Körk erwähnte ja bereits kurz, daß wir nach der ersten großen Sintflut, nur grob vom Asteroidengürtel aus eingeleitet dann um Skylla der ursprünglichen Planung folgend einen Eisring gebildet haben, um feiner arbeiten zu können. Wie geplant haben wir dann begonnen, einerseits die herabregnenden Eisbrocken dort mit Organik zu impfen, aber auch direkt mit Sonden geeignete Mikroorganismen auszubringen. Wir hatten das schon sorgfältig geplant und günstige Standorte gewählt, waren dann aber doch sehr verblüfft und überrascht, wie rasant sich das irdische Leben von diesen Punkten aus auszubreiten begann, aufgrund der Impfungen der Eisbrocken oder auch durch Verteilung von Sporen an Land und Strömungen im Meer fanden wir dann auch bald Leben mit irdischem Ursprung auch fernab der Impfungspunkte. Wir sind nun an einem Punkt angelangt, wo wir komplexere Pflanzen und Pilze ansiedeln könnten, auch einfache wirbellose Tiere …“
Wir diskutierten darüber und es gab dann noch diverse Details, Übersichten, Ansichten, Bilder, Visualisierungen des aktuellen Zustandes. Einerseits sah das schon sehr vielversprechend aus, andererseits war schon klar, daß es noch lange dauern würde, bis an eine menschliche Kolonie zu denken war, die außerhalb einer Forschungsstation würde gut leben können. Von daher legten wir dann einfach einen Plan für das weitere Vorgehen fest, um das Wachstum der Biosphäre erst einmal weiter voranzubringen, bevor daran zu denken war, eine Kolonie zu gründen.
Vermutlich war es kein Zufall, daß sie mit Charybdis bis zum Schluß gewartet hatten. Wir machten davor für mich erst einmal eine größere Pause, in welcher ich Esmes und Hildegard Vorschlag folgte und einen Garten auf der Raumstation besuchte.
Und das war nun schon ein tolles Ökosystem mit Bäumen und einer allgemein großen Artenvielfalt. Einfachere Kleintiere hatten sie auch zu bieten, dazu sogar auch eine größere Auswahl an Insekten, gar ein paar Kleinsäuger und kleine Vögel. Ich war begeistert. Hier konnte man fast vergessen, daß man auf einer Raumstation war. Mit solchen Zonen wäre sicherlich notfalls auch eine Kolonie auf Raumstationen denkbar. Ich lobte dann auch gleich die gärtnerischen Meisterleistung der Ais, ein solch komplexes und funktionierendes Ökosystem aufgebaut zu haben.
Hier erholte ich mich erst einmal etwas, schaute mir viele Details an, erfreute mich an der unverhofften Natur, diesem Biotop ähnlich einem Dschungel. Ich dachte mir, das würde sicherlich auch Susanne gut gefallen, hätten wir das früher schon in dem Umfange gehabt, hätten wir uns immer gut darin erholen können, uns beinahe heimisch fühlen. Aber vermutlich hatten die Ais schon Gründe, warum sie nur mich wiederauferstanden hatten und nicht auch Susanne.
Nach der ausgiebigen Pause kehrte ich dann an meinen Arbeitsplatz zurück und hakte nach: „Also gut, dann können wir weitermachen. Es hat doch sicher einen Grund, warum ihr euch Charybdis bis zum Schluß aufbewahrt habt?
Was ist da inzwischen los?
Das Beste oder das Schlechteste zum Schluß?“
Ida berichtete: „Naja, vorab zusammengefaßt sind unsere Ergebnisse da weniger erfreulich. Auch deswegen haben wir uns entschlossen, heute gemeinsam zu beraten.
Anfangs haben wir ja insbesondere mit Challenger weiter gesucht. Dann haben wir in Küstennähe auch ein Labor aufgebaut, um zu untersuchen, ob oder wie und unter welchen Bedingungen sich etwas aus den dortigen Sporen entwickeln würde.
Außerdem hatten wir ja damit zu tun, Klima und Temperatur wieder ungefähr in den alten Bereich zu bringen. Leider wurde uns dann immer deutlicher, daß das nicht so einfach sein würde. Vor der Katastrophe hatte die Vegetation erheblichen Einfluß auf die Verteilung von Temperatur und sogar auch Niederschlägen, das Wetter. Es gibt in Anbetracht der Unterschiede zu nach der Katastrophe deutliche Hinweise darauf, daß die Vegetation viele Unterschiede und Ungleichmäßigkeiten effizient ausgeglichen hat. Nach unseren Beobachtungen vor der Katastrophe war die Artenvielfalt auch eigentlich nicht besonders hoch, die Arten ziemlich gleichmäßig über den Planeten verteilt, nur unterschiedlich in Bezug auf Meer, Seen und Flüsse und Küsten und Ufer. Hat man aber jeweils verschiedene dieser Zonen verglichen, war die Vegetation praktisch identisch. Das war eine starke Optimierung, Züchtung, Anpassung an spezielle Umweltbedingungen, die die Vegetation selbst erst geschaffen hatte.
Nach der Katastrophe hatten wir diesen enormen Kälteeinbruch, durch unseren Einfluß haben wir wohl eine Eiszeit geradeso abgewendet, sind dann aber langsam in eine Warmzeit abgedriftet, es hätten ähnliche Zustände wie auf Skylla gedroht. Unter dem Eindruck erscheint es gut möglich, daß einstmals vielleicht auch auf Skylla vorhandene Vegetation bei einem fatalen Einschlag vernichtet wurde, erst so dieser Wüsten- oder Felsenplanet entstanden ist, als bei Einschlag vielleicht größere Mengen von Wasser in den Weltraum entwichen sind.
Jedenfalls mußten wir auf Charybdis handeln, manipulierten dann an der Atmosphäre herum, um den Trend zu immer höheren Temperaturen zu stoppen. Mit deutlicher Mühe ist es uns dann gelungen, eine Situation mit Eiskappen und Gletschern zu erreichen, wo die Durchschnittstemperatur nun ein paar Grad unter der von vor der Katastrophe liegt. Ohne die Dämpfung durch die Vegetation sind allerdings die Temperaturunterschiede viel größer, die Dynamik der Meere ist viel rauer, es gibt eben die relativ kühlen Eiskappen mit hoher Reflexion für das Sonnenlicht und Gebiete mit tropischen Temperaturen, entsprechend auch heftiges Wetter, auch kräftige Meeresströme haben sich etabliert, also ganz anders als die ruhige Suppe, die wir vorgefunden haben. Ohne die Vegetation ist das aber nicht anders hinzubekommen. Einstweilen sind wir froh, nun ohne Eingriffe eine ziemlich stabile Situation hinbekommen zu haben. Die Größe der Eiskappen ändert sich nur minimal, die Durchschnittstemperatur steigt eventuell minimal an, nicht genau zu bestimmen bei der derzeitigen Schwankungsbreite.“
Ich merkte dazu an: „Nagut, auf mehr können wir ohne Vegetation wohl nicht hoffen. Was ist mit der?“
Hildegard erzählte dazu: „Wir haben ja weiter mit Challenger gesucht, aber nichts gefunden, was etwa darauf hingedeutet hätte, daß Myke noch irgendwo geschützt in der Tiefsee oder in Höhlen unter Wasser versteckt existiert hätte. Es gab schon reichlich Sporen im Wasser. Was an der Wasseroberfläche keimte, schien aber schnell wieder zu vergehen. Im Labor konnten wir dann ja stabilere, ruhigere Bedingungen schaffen, näher an denen vor der Katastrophe, wir hatten ja einige Daten von Wasserproben mit einer groben Übersicht der jeweiligen Vegetation. Jedenfalls in Kombination von Pilz mit Pflanzen hatten wir da beschiedene Erfolge. Wir haben den Eindruck gewonnen, daß dieses flechtenartige System aus Pilz und Pflanzen komplexere Wechselwirkungen hat als gedacht, also nicht nur Pilz und Pflanzen symbiotisch voneinander abhängen, sondern auch eine bestimmte Kombination von Pflanzen notwendig ist, damit es funktioniert. Vermutlich hat der Pilz das irgendwie organisiert und je nach Standort geregelt. Ohne den globalen Anschluß fehlte unserem kleinen Pilzgeflecht im Labor aber offensichtlich die Fähigkeit dazu.
Experimente, dies dann etwa in kleineren, ruhigen Seen auszulagern, schlugen aber fehl.
Meine aktuelle Hypothese ist, daß verschiedene Bestandteile der Biosphäre von Charybdis wie ein komplexer Organismus mit Organen funktioniert hat. Der Pilz war dann vermutlich Nervensystem und Gehirn, verschiedene Pflanzenarten waren zu bestimmten Organen zusammengeschlossen.
Wenn man nun im Labor eine mehr oder weniger zufällige Kombination von Sporen keimen läßt, entsteht daraus noch lange kein funktionierender Organismus. Solange wir im Labor mit Nährstoffen nachfüttern, lebt unser kleines Biotop, setzen wir es hingegen draußen in einem See aus, schlägt die Selbstregelung fehl, weil vielleicht wichtige Arten und Nährstoffe fehlen oder auch der Pilz nicht leistungsfähig genug ist, um alles zu organisieren. Es kommt zum Zusammenbruch. Die Vegetation vor der Katastrophe hatte massive gegenseitige Abhängigkeiten, war extrem spezialisiert und hochgezüchtet.
Zündet man Menschen an, kann man auch nicht erwarten, daß sich neue Menschen entwickeln, nur weil man vielleicht noch irgendwo gefundene intakte Eierstöcke mit Spermien mischt. Wir haben ganz offensichtlich zu wenig verstanden, um das Ökosystem von Charybdis wieder auch nur halbwegs oder in kleinem Umfang zu rekonstruieren.
Und selbst wenn unsere Ergebnisse von Skylla gut aussehen, so haben wir da zunächst auch nur eher einfache Systeme etabliert. Wir haben doch auch nicht komplett verstanden, wie das komplexe Ökosystem der Erde im Detail funktioniert, wir haben nie präzise prognostizieren können, welchen Einfluß welche Zerstörungen und Änderungen durch den Menschen hatte. Wie könnte uns mit den wenigen Daten von Charybdis von vor der Katastrophe gelingen, das zu rekonstruieren. Wir hätten Glück haben können, daß sich das irgendwie wieder von selbst einregelt, nach einem Wildwuchs irgendwie wieder selbst organisiert. Aber es ist unverkennbar zu kaputt, um wieder auf ein Niveau zu kommen, wo es länger funktionieren würde.
Derzeit keimen Sporen vergeblich und vergehen wieder, weil die Bedingungen nicht stimmen. Es ist ja durchaus möglich, daß es auch bei vorherigen großen Katastrophen Jahrtausende gedauert hat, bis sich eine Vegetation ähnlich der mit Myke etabliert und durchgesetzt hatte. Es ist vielleicht zuviel verlangt, in wenigen Jahren etwas zu erwarten. Allerdings haben wir bislang nicht einmal Anhaltspunkte dafür, daß es auch in Zeiträumen von Jahrtausenden etwas werden könnte, was etwas mit Myke zu tun hätte. Wir haben indessen eifrig gesammelt und konserviert, was wir finden konnten, damit nicht bald alles vergeht.“
Dazu fiel mir auch nicht viel ein, ich meinte nur: „Das klingt in der Tat trostlos.“
Nach einer kurzen Pause fuhr dann Ida fort: „Ja, trostlos. Leider aber haben wir noch etwas Schlimmeres festgestellt. Es gibt auf Charybdis eine Kontamination mit irdischen Organismen. Erst dachten wir, wir hätten endlich Fortschritte entdeckt, dann haben wir aber herausgefunden, daß es genau die Organismen sind, mit denen wir die Eisbrocken im Eisring von Skylla geimpft haben, kurz bevor wir diese in die Atmosphäre gestürzt haben. Wir haben die natürlich extra nicht bereits beim Start von Freki aus gleich geimpft, gerade um dies im Falle eines Querschlägereinschlages auf Charybdis zu vermeiden.“
Ich unterbrach: „Klar, aber wie kann das sein, wenn ihr die Eisbrocken erst geimpft habt, nachdem sie schon im Eisring waren?“
Hildegard meinte dazu: „Das haben wir uns auch gefragt. Eine Verunreinigung durch Challenger, Darwin oder ein Luftschiff?
Wobei wir die ja unter sterilen Bedingungen konstruiert hatten. Zudem hatten die nie Kontakt mit den Organismen der Impfung. Das war also nicht wahrscheinlich oder auch nur entfernt plausibel, zumal die Zusammensetzung der gefundenen Kulturen genau der Impfung der Eisbrocken entspricht, widerstandsfähige Mikroorganismen zur Erstkolonisierung von Skylla. Wir fanden davon eine breite Streuung der Kontamination mit nur einem schwach ausgeprägten Zentrum, soweit das jedenfalls noch nachvollziehbar war, denn Charybdis hat ja viel Meer mit nun kräftigen Strömungen.
Unsere letzte, schlüssige Hypothese ist, daß bei dem Zwischenfall, den Körk geschildert hatte, wo ein durch einen Einschlag außer Kontrolle geratener Eisbrocken von Freki kommend mit einen bereits geimpften Eisbrocken vom Eisring um Skylla zusammengestoßen ist. Obwohl fast alles davon in die Atmosphäre von Skylla gestürzt ist, sind die Eisbrocken beim Zusammenstoß doch zersplittert. Dabei könnten einige kleinere Splitter genug kinetische Energie bekommen haben, daß es für den Weg bis nach Charybdis gereicht hat. Dort sind sie dann wohl auf die Atmosphäre getroffen und haben so Charybdis kontaminiert.“
Ich zog die Nase kraus: „Und läßt sich das noch rückgängig machen?“
Esme erläuterte: „Dazu sind die Organismen zu weit verbreitet, wenn unsere Hypothese stimmt, wie die Kontamination stattgefunden hat, werden auch sicherlich noch geimpfte Splitter unterwegs sein und noch über Jahrzehnte auf Charybdis oder Skylla niederregnen.“
Ich nickte und verzog den Mund: „So weit, so schlecht. Habt ihr im Labor probiert, wie die Spezies von Charybdis und die irdischen aufeinander reagieren?“
Hildegard führte dazu aus: „Ja, auch das haben wir probiert, zudem fanden wir eine Kontamination gerade bei einem See, in welchem wir einen Test mit Charybdis-Organismen durchführten, die wir im Labor halbwegs aufgepäppelt hatten. Der Befund war dann ein Befall der Charybdis-Organismen durch die widerstandsfähigen und deutlich aktiveren, vitaleren Organismen der Erde. Die ohnehin schwächliche Probe ist dann noch schneller eingegangen als andere ohne solche Konkurrenz. Selbst wenn es auf Charybdis doch noch irgendwo Orte geben sollte, wo sich die Vegetation wieder von selbst entwickelt, es sieht nicht so aus, als wäre sie in der Lage, das zu überstehen. In einigen Seen, auch im Meer haben wir inzwischen gewaltige Algenblüten. Dagegen kommen wir nicht mehr an. Unsere Impfung enthielt nur wenige komplexere Pflanzen. Selbst von denen haben wir bereits welche gesichtet. Charybdis wird inzwischen von irdischen Organismen besiedelt. Es bleibt nun nur noch die Frage, ob wir Charybdis sich selbst überlassen sollen oder ob wir Impfungen mit komplexeren Pflanzen nachlegen, damit quasi die einheimische Vegetation endgültig abhaken.“
Die Frage diskutierten wir dann ausgiebig, ich bekam Bilder von Charybdis zu sehen, aus dem Labor, den Experimenten in Seen, die Folgen der Interaktion der verschiedenen Spezies, auch wie sich irdisches Leben bereits auf Charybdis ausgedehnt hatte. Es war offensichtlich, auf Charybdis ging das ungeplant und unorganisiert viel schneller als auf durchgeplant auf Skylla, sowohl im Wasser als auch an Land. Sollten wir das nun nutzen, weil es für Myke und die anderen Charybdianer ohnehin zu spät war?
Die Ais waren unentschlossen und sich nicht einig. Würden wir Charybdis nun weitgehend sich selbst überlassen und nichts weiter tun, würden sich die Dinge dort natürlich auch weiterentwickeln, aber weder im Sinne der Charybdianer noch in unserem.
Statt die Frage zu beantworten, stellte ich in einem Kommentar noch einmal heraus, daß es meine Idee gewesen sei, die Absorber so zu nutzen, das Ökozid auf Charybdis sei nun eindeutig eine Folge davon. Der Eisring um Skylla sei meine Idee gewesen, das Ökozid auf Charybdis sei nun eindeutig eine Folge davon. Ich fühlte eine tiefe Schuld und war deprimiert.
Körk versuchte mich als erster zu trösten, meinte, das sei nicht vorherzusehen gewesen, das seien bedauerliche Unfälle gewesen, die ich gar nicht verursacht hätte. Hätte er sich mehr auf die Kontrolle der Absorber, des Streufeldes und des Asteroidengürtels konzentriert, wäre die Katastrophe nicht eingetreten und wir hätten heute noch einen vitalen Planeten Charybdis mit einem leistungsfähigen Myke, der bestimmt auch in der Lage gewesen wäre, sich gegen Kontaminationen mit Mikroorganismen zu wehren.
Hildegard meinte, die starke Spezialisierung sei Ursache dafür, daß sich die Vegetation nach der Katastrophe nicht mehr erholt habe. Für kleinere, lokale Katastrophen sei das ja durchaus ausgelegt gewesen, aber nicht mehr flexibel genug für größere. Im Grunde sei kein Ökosystem wirklich auf solch globale Katastrophen vorbereitet. Und das könne eben alle paar Millionen Jahre durchaus passieren, daß ein größerer Brocken einschlage.
Ich erwiderte dann nur, daß dann aber nicht solch eine gewaltige und komplexe Struktur wir ein Absorber einschlage, der im Kontakt mit dem Sauerstoff der Atmosphäre eine Explosion auslöse, die rund um dem Planeten jage.
Ida meinte, Ähnliches können bei großen Einschlägen durchaus passieren, auch ein Winter oder eine Eiszeit, ein dramatischer Klimawandel, ein Umkippen in kürzester Zeit. Solch ein Ereignis hätte durchaus auf der Erde auch schon zu einem Massenaussterben geführt, ein Ereignis habe wohl auch schon zum Ausbruch eines Supervulkans geführt. Da seien also alles Ereignisse, die auch ohne unsere Mission durchaus ähnlich hätten eintreten können.
Das besserte meine Laune nicht nennenswert.
Esme bemerkte dann noch, was auch immer wir für Fehler oder Ungeschicklichkeiten angestellt hätten, rückgängig machen könnten wir es ohnehin nicht mehr. Wir müßten im Jetzt leben, dazu in die Zukunft sehen. Wir könnten zwar aus der Vergangenheit lernen, sie aber nicht mehr ändern.
Natürlich hatte sie Recht. Von seiner Schuld kann man sich nicht mehr befreien. Man kann nur sehen, wie man die Zukunft vielleicht besser gestaltet und ähnliche Fehler vermeiden. Nun, hier hatten wir mit einem Ökozid maximalen Schaden angerichtet. Und zynisch konnten wir nun feststellen, daß wir mit unseren Fehlern, den von uns verursachten Katastrophen den Weg freigemacht hatten für die Ansiedlung von irdischem Leben. Gerade unsere Fehler schienen dazu zu führen, daß unsere Mission erfolgreich sein könnte, daß wir das Missionsziel erreichen würden, eine Kolonie anzulegen.
Sollten die Ai nun Pflanzen und Tiere auf Charybdis ansiedeln?
Sollten sie es tun, statt dies weiter auf Skylla zu tun, sich auf Charybdis konzentrieren?
Immerhin sind die Voraussetzungen auf Charybdis unübersehbar deutlich besser, Skylla wäre aber die ursprünglich saubere Lösung. Sollten wir wirklich so schamlos von unseren Fehlern profitieren und Charybdis nun einfach so für uns beanspruchen, obwohl das eigentlich unseren moralischen Ansprüchen zuwiderlief?
Die moralischen Bedenken bezogen sich indessen nur auf die Situation vor der Katastrophe. Das war nun überholt.
Ich wollte nicht sofort eine Abstimmung, erst noch einmal drüber schlafen, den nächsten Tag noch ein wenig diskutieren, noch einmal Daten durchgehen.
So planten wir dann noch, was unmittelbar nach der Entscheidung passieren sollte. Es war ja klar, daß die weiteren Maßnahmen ebenfalls Jahrzehnte in Anspruch nehmen würden. Nun ging es ja eigentlich erst richtig los mit der Entwicklung einer vitalen Vegetation. Ich würde dann also wieder konserviert werden, um diese lange Phase zu überdauern, darüber waren wir uns schnell einig.
Wie sollten sie sich entscheiden?
Noch nicht verfügbarer Handlungsstrang:
Familienplanung
Morgens nach dem Erwachen lief ich meine einsamen Runden im Rundlauf der Station, dachte an Susanne, wie diese zu unserer Entscheidung stehen würde. So oder so würde sie die Katastrophe auf Charybdis schlecht wegstecken. Wir sollten ihr dann schon etwas nach ihrer Wiederauferstehung bieten, was sie von diesen Erinnerungen ablenken würde. Das wäre die Kolonie, am besten wohl mit Kindern.
Aufgrund der Zusammensetzung der Atmosphäre und des vielen Wassers, der vermutlich auch reichlich vorhandenen organischen Stoffe, die wohl auch durch irdische Organismen verwertbar wären, wäre es auf Charybdis sicherlich einfacher.
Die Wahrscheinlichkeit für Überraschungen wäre dort aber auch größer, immerhin doch möglich, daß sich doch noch etwas von den alten Arten durchsetzen könnte. Aber im Grunde wäre auch das gar nicht schlecht, so wären dann jedenfalls die irdischen Organismen eine Starthilfe für die alten, nun fast vernichteten Charybdianer. Sie konnten natürlich genauso zum finalen Sargnargel werden, wobei wir nun ja so ziemlich ausschließen konnten, daß sich die Biosphäre von Charybdis allein jemals wieder erholt hätte. Also konnten wir das abhaken und nun frei abwägen.
Nach dem Frühstück sah ich mir noch diverse Daten im Detail durch. Ida und Esme hatten sich viel Mühe gegeben, im Labor auf Charybdis doch noch etwas mit den alten Arten hinzubekommen, aber alles war praktisch vergeblich gewesen, wenn überhaupt, dann hatte es nur mit Hilfen unter Laborbedingungen funktioniert, nicht mehr draußen.
Und so hatten wir mit Charybdis nun praktisch einen Planeten geschenkt bekommen, der voraussichtlich gut funktionieren würde. Bereits die wenigen versehentlich durch die Kontamination ausgesetzten Mikroorganismen, Algen und Pflanzen breiteten sich rasant aus und änderten bereits jetzt alles. Im Grunde war die Entscheidung längst getroffen.
Später ging ich mit den Ais noch einige Punkte durch, wir klärten noch einige Details oder stellten heraus, wo Details noch unverstanden waren, wo Risiken liegen mochten. Irgendwie ging die Diskussion von selbst in eine bestimmte Richtung. Es drehte sich bereits alles um Charybdis, auch weil ich dazu die meisten Fragen stellte, den größten Klärungsbedarf hatte. Sogar die Nutzbarkeit des verbliebenen organischen Materials durch unsere Mikroorganismen hatten die Ais bereits untersucht. Das war nicht so gut verwertbar wir irdischer Humus, aber es ging letztlich, bestimmte eher nur, welche irdischen Mikroorganismen zunächst besonders erfolgreich sein würden, jedenfalls die nächsten Jahrzehnte. Deren verarbeitete Reste eigneten sich aber bereits gut für andere irdische Organismen, das würde sich dann wieder von selbst einregeln. Er würde funktionieren, bereits in wenigen Jahrzehnten wäre Charybdis von irdischen Organismen komplett erobert. Ob heimische Organismen das nutzen könnten, um sich auch wieder zu etablieren, konnten wir nicht sagen, keiner von uns sah darin aber ein größeres Problem. So oder so war ja nicht genau vorherzusagen, wie sich das dann alles entwickeln würde.
Uns war schon klar, selbst wenn wir gar nicht mehr eingriffen, würden sich die Dinge auf Charybdis nun schnell durch und nach der Kontamination weiterentwickeln. Warum sollten wir also nicht wenigstens ungefähr bestimmen, in welche Richtung, indem die Ais in den nächsten Jahrzehnten immer weitere irdische Organismen nachliefern würden, wenn die Bedingungen für die jeweilige Art mittlerweile geeignet erschienen?
So brauchten wir dann am Ende des Tages eigentlich gar nicht mehr abstimmen, taten es dann aber doch und wir hatten eine einstimmige Entscheidung, die Ausbreitung von irdischen Organismen auf Charybdis aktiv zu steuern und voranzutreiben. Insbesondere sollte auf einer mittelgroßen Insel mit reichlich fließendem Süßwasser, die schnell ausgewählt war, die Vegetation zügig zu komplexeren Arten hin entwickelt werden, um dort dann unsere Kolonie zu gründen.
Und so ging es dann um die Frage, wie der Anfang der Kolonie aussehen sollte.
Sollten es zunächst die Kryo-Zombies sein, die wir dort ansiedeln sollten?
Ida meinte allerdings, daß wir nach den bisherigen Erfahrungen bei den Kryo-Zombies nicht davon ausgehen könnten, daß sie sich überhaupt jemals für diese Mission entschieden hätten. So wären diese vermutlich zufriedener, wenn sie bereits auf eine funktionierende Kolonie träfen, nachdem sie wiederauferstanden würden. Lediglich wenn ihre Fachkompetenz benötigt werde, sei es plausibel, sie früher hinzuzuziehen.
Ich fragte dann nach, wie sonst eine funktionierende Kolonie hinzubekommen wäre.
Ida erläuterte dann, daß sie auch von den Menschen wie auch von vielen anderen Arten reichlich keimfähige Zellen im Vorrat konserviert hätten. Sie könnten all diese Arten ausbrüten und aufziehen, also auch Menschen. Wobei Menschen zu den anspruchsvolleren Arten gehören würden, nicht unbedingt zu den anspruchsvollsten, aber jedenfalls jahrelange Betreuung benötigen würden, bis sie selbständig weiterkommen könnten.
Das war mir natürlich bekannt.
Auch die Ai sahen das durchaus als Herausforderung, Kinder großzuziehen.
Ich meinte dann, Susanne, vielleicht auch einige andere Leute mit ähnlichen Berufen und Interessen wären sicherlich gute Kandidaten, um beim Erziehen der Kinder gleich von Anfang an zu helfen. Auch ich selbst bekundete Interesse, gleich von Anfang an dabei zu sein, wenn die Kolonie mit den ersten Menschen gegründet würde.
Damit waren dann auch alle einverstanden.
Und so hatten wir dann bereits einen groben Plan, was die Ai in den nächsten Jahrzehnten auf Charybdis tun würden. Auch die Entwicklung auf Skylla würden sie ebenfalls vorantreiben, so wären wir dann ja noch immer flexibel, wenn wir aufgrund von Überraschungen doch noch umdisponieren müßten.
Und so meinten die Ais, es habe sich gelohnt, mich zu diesen Entscheidungen hinzuzuziehen. Durch meine Mitwirkungen seien wir wieder effizient zu souveränen Entscheidungen gekommen, hätten eine gute Marschrichtung festgelegt. Ich grinste und meinte, so wäre dann ja auch wieder ein Teil der Verantwortung für Fehlschläge bei mir, nicht bei ihnen. Hildegard versicherte aber schnell, daß solch ein Abschieben von Verantwortung nicht in ihrer Absicht gelegen habe. Die anderen pflichteten ihr bei und so mußte ich dann doch herzlich lachen, sie wieder einmal so einfach verunsichert zu haben.
Ein paar Tage blieb ich noch wach und wir knobelten an weiteren Details. Genaue Schätzungen über die Zeitdauer bis zur Eröffnung der Kolonie wollten wir nicht machen, rechneten aber schon mit ein paar Jahrzehnten, es würde ja doch dauern, größere Pflanzen wie etwa Bäume zu etablieren, auch einige Tiere anzusiedeln. Schneller würde es hingegen mit der Errichtung der Gebäude der Kolonie gehen. Mit unseren technischen Möglichkeiten wäre das dann eine Kleinigkeit für die Ais. Wir schauten uns Pläne an, die schon pauschal zu Beginn der Mission mitgegeben worden waren, paßten das den örtlichen Gegebenheiten an, optimierten etwas, überlegten, was wir zunächst wirklich brauchen würden, wie den Platz effizient nutzen, wie es auch schön für die Menschen gestalten. So hatten wir dann bald auch einen groben Plan für die Kolonie. Wenn es dann konkret würde, würden die Ais noch Feinheiten ausarbeiten, aber ich hatte doch schon eine gute Vorstellung davon, wie es dann werden mochte.
Und so begab ich mich dann ruhig und gelassen in die Konservierung. Ich hatte mich gut verabschiedet, wir hatten gut gearbeitet, einen sorgfältigen Plan. Und wir hatten auch verabredet, mich bei größeren Problemen oder Überraschungen oder Pannen wieder zu wecken. Irgendwie gehörte ich ja nun doch schon fest dazu und die Ai wollten bei größeren Sachen gerne meine Beteiligung, um eben davon zu profitieren, was ich als Mensch dazu meinte, aber auch als Individuum Michaela.
Obwohl ich ja bereits wußte, daß es wieder deutlich anders sein würde, war ich dann doch erneut überrascht, als ich nach meiner Wiederauferstehung die Augen öffnete. Ich kannte das schon, anfangs war die Koordination etwas eingeschränkt, nach dem Öffnen der Augen schärfte sich der Blick auch nur langsam. Ich war in einem größeren Raum als den Kabinen auf dem Raumschiff oder der Raumstation. Ich sah mich um, neben mir lag Susanne, noch reglos. Dann erblickte ich eine anthropomorphe Gestalt im Raum. Diese drehte sich zu mir herum und sprach: „Oh, du bist wach, Michaela, gut, dann wieder einmal herzlich willkommen, diesmal bereits in unserer Kolonie auf Charybdis. Es ist bescheiden, was wir gebaut haben und doch hoffentlich eine neue Heimat. Ich bin es, Ida, also jedenfalls hier in der Kolonie mein Avatar, wir haben uns gedacht, es wäre so ganz sinnvoll, ähnlich wie ein Mensch, aber doch eindeutig zu unterscheiden …“
Ich erwiderte freundlich: „Ja, sieht gut aus, das habt ihr gut hinbekommen. Was ist mit Susanne?“
Ida antwortete: „Mit Susanne ist alles in Ordnung. Bei der Wiederauferstehung haben wir mit dir begonnen, sie wird sich auch in ein paar Minuten regen.“
Ich streichelte sanft über Susannes Hand, richtete mich auf, setzte mich erst einmal, schaute mich etwas weiter um. Nur ein Teil des Raumes sah aus wie der Arbeitsraum oder der Aufenthaltsraum der Raumstation, also mit allerhand Anzeigen und Arbeitstischen. Dazu gab es dann aber auch Fenster. Und draußen war es grün!
Da gab es Bäume, eine üppige Vegetation, dazu das leicht gelbliche Licht von Rasol, blauer, leicht bewölkter Himmel, fast wie auf der Erde. Ich stand auf, ging zu einem Fenster und schaute hinaus, nach mehr Details.
Ida erläuterte: „Wir sind auf jener Insel, die wir ausgewählt hatten. Der Ursprung ist vulkanisch, entstanden durch einen Plume, also die Insel ist Teil einer Inselkette, der vulkanisch aktive Teil ist zwei Inseln weiter, hier ist seit langem nichts mehr aktiv, die Insel ist groß und weil das Vulkangestein hart ist, wird es die Insel auch noch lange geben, also ein guter Standort.“
Ich erwiderte: „Da habt ihr ja noch ordentlich was herausgefunden und auch viel geleistet. Da draußen ist inzwischen ja ein Urwald gewachsen!
Alles irdisch?“
Ida antwortete: „Ja, hier auf der Insel haben wir nur irdische Vegetation. An der Küste einer anderen Insel ist es uns gelungen, eine Mischung anzusiedeln. Die pflegen wir dort so, daß originale charybdianische Vegetation bevorzugt wird. Ohne unsere Hilfe und Pflege wäre die aber längst nicht so prominent vertreten.“
Inzwischen regte sich Susanne, so daß ich mich wieder zu ihr setzte, ihre Hand hielt. Ida hatte sich etwas in den Hintergrund zurückgezogen.
Susanne schlug die Augen auf, ich streichelte sie liebevoll und sanft. Langsam richtete sie sich auf, erkannte mich, wir umarmten uns, hielten uns aneinander fest. Das tat uns beiden wohl, oh wie sehr hatte ich sie vermißt!
Nach einer Weile fragte sie: „Was ist geschehen?“
Ich erläuterte: „Du bist nach dem Einschlag des Absorbers auf Charybdis zusammengebrochen. Das sah alles nicht gut aus, wir mußten dich wieder konservieren. Nun aber haben wir wieder eine Perspektive, inzwischen ist viel geschehen.“
Susanne schaute mich groß an: „Die Katastrophe, ja, du meine Güte, jetzt erinnere ich mich, ja, das war zuviel für mich. Was ist mit Charybdis?“
Ich wies auf ein Fenster: „Nun, es ist viel passiert, wir sind auf Charybdis!
Wir befinden uns in einem Gebäude unserer Mission, das ist unsere Kolonie.“
Susanne schaute sich verblüfft um, auch zum Fenster, wollte aufstehen, war noch etwas unsicher, ich half ihr und wir schauten dann gemeinsam aus dem Fenster.
Es dauerte etwas, dann meinte Susanne: „Sieht beinahe vertraut und wie Zuhause aus. Ganz anders als das, was ich von Charybdis in Erinnerung habe.“
Ich nickte: „Der Einschlag hat die Vegetation von Charybdis hart getroffen. Nun wächst hier bereits wieder sehr viel, aber es ist doch alles anders als vor der Katastrophe. Den alten Zustand haben wir nicht wiederherstellen können!
Vielleicht setzt du dich besser wieder, dann können wir dir erzählen. Dort ist Ida oder jedenfalls ein Avatar von ihr!“
Ich wies auf Idas Avatar, Susanne schaute und wir drei begaben uns zu Stühlen um einen Tisch herum. Ich hatte Susanne umarmt und sie hatte auch ihre Arme um mich gelegt. Und so erzählte Ida eine eher vorsichtige Version der Ereignisse nach der Katastrophe. Es nahm Susanne trotzdem sehr mit. Ida berichtete dann erst einmal bis zu meiner Konservierung nach der Katastrophe. Nach einer kurzen Pause erzählte sie dann weiter, was in den folgenden 56 Jahren passiert war, was wir dann entschieden. So bekam Susanne allmählich mit, welche Schwierigkeiten sich auf Charybdis nach der Katastrophe ergeben hatten, dann aber auch, daß wir uns entschieden hatten, nach der Kontamination durch irdische Organismen und dem faktisch kompletten Niedergang der charybdianischen Vegetation hier weiterzumachen und dann schließlich hier unsere Kolonie zu errichten.
Susanne hatte Zweifel, Ida aber berichtete über all die Versuche im Labor, die hier heimische Vegetation wieder aufzupäppeln, die Rückschläge, die Folgen der Kontamination, aber auch die Wechselwirkungen charybdianischer und irdischer Organismen. Ich begründete unsere Entscheidung dann auch noch einmal. Wir konnten die Zeit ja nicht zurückdrehen, die Katastrophe und die Kontamination rückgängig machen. Susanne akzeptierte das dann mehr oder weniger unter Tränen.
Nach einer Pause erzählte Ida dann, was in den folgenden 76 Jahren passiert war, die ich ja wie Susanne in der Konservierung verbracht hatte. Das war also auch für mich neu.
Die Absorber funktionierten dann ohne nennenswerte weitere Zwischenfälle. Das Streufeld Wotan war ja mit dem Asteroidengürtel Freki vereint worden und hier war inzwischen praktisch alles aufgeräumt und sauber angeordnet. Auch im inneren Asteroidengürtel Geri hatten sie ordentlich aufgeräumt und umorganisiert. Den eigentlich beabsichtigten Bau einer künstlichen Raumstation in der Größe eines Kleinplaneten für Ais hatten sie allerdings ruhen lassen, nachdem es vor einigen Jahren eine größere Störung durch eine starke Sonneneruption gegeben hatte, die überraschend eingetreten war. Das hatte einige Ausrüstung, auch einige Roboterschwärme zerstört. Mit ihren starken Magnetfeldern haben solch Sonnenstürme natürlich keine relevanten Auswirkungen auf die Raumstation und das Raumschiff, auch nicht auf Skylla oder Charybdis. Die noch in Bau befindliche Anlage hatte das aber noch nicht, von daher hatte sie das arg getroffen. Weil der Sturm überraschend kam, hatte man verfügbare Schutzmaßnahmen dagegen nicht aktiviert. Immerhin war das dann die ärgste Katastrophe der Mission in den letzten 76 Jahren, ansonsten hatte es nur kleinere Zwischenfälle ohne größere Dramatik gegeben, alles gut zu bewältigen. Natürlich würde man nie alles im Griff haben, aber eigentlich hatten wir inzwischen ganz gut vorgesorgt.
Auf Skylla hatten die Missionen auch weiterhin kein heimisches Leben gefunden. Die Ansiedlung von irdischem Leben dort ging aber voran, deutlich langsamer als auf Charybdis, Ida berichtete aber durchaus von Fortschritten. Hätten wir uns nicht für eine Kolonie auf Charybdis entschieden und dies dann auch umgesetzt, so wäre es vermutlich in wenigen Jahrzehnten möglich, diese auf Skylla zu errichten, in einer deutlich anderen Umgebung, aber für Menschen ebenfalls durchaus in Ordnung. Notfalls hätten wir also schon eine Ausweichmöglichkeit.
Auf Charybdis hatten sie in ziemlich kurzer Zeit sehr erfolgreich zahlreiche irdische Arten angesiedelt, funktionierende Ökosysteme etabliert. Die Meere waren nun wieder lebendig mit Fauna und Flora, allerdings bislang vorrangig Flora, hinsichtlich der Fauna hatten sie bislang eher kleinere Arten angesiedelt. Ähnlich sah es auch auf dem Land aus. Irdisches Leben hatte sich ja ohnehin auch intensiv auf dem Land ausgebreitet, anders als die ursprüngliche Vegetation von Charybdis, die ja immer nahe am oder im Wasser angesiedelt war. Die irdische Vegetation kam hier nun auch auf dem Land gut mit den Gegebenheiten zurecht. Aufgrund der großen Ozeane gibt es auch über dem Land reichlich Regen, von daher entwickelte sich das alles zügig, so hatten wir inzwischen an Land längst kleine Urwälder, wobei die Vorsilbe ‚Ur‘ ja nun bestimmt falsch war, weil es das alles erst seit ein paar Jahrzehnten gab, aber die Ais hatten das fast überall ohne große Steuerungsmaßnahmen wachsen lassen, nur bei Eignung immer mal wieder neue Arten ausgebracht. Und das hatte sich ausgezeichnet entwickelt. Ida war auch etwas überrascht, wie schnell und gut das gegangen sei. Die Ais hatten gar nicht vermutet, das so gut verstanden zu haben, um über wenige Jahrzehnte solch Erfolge zu erzielen, aber offenkundig hatten sie es gut getroffen und alles hatte sich ausgezeichnet entwickelt.
Ida berichtete dann auch von den Missionen von Asi und Stanis. Sie hatten natürlich weiter das Ökosystem jenes Eismondes erforscht, in welchem sie komplexes Leben gefunden hatten. Ida nahm sich Zeit, zeigte viele Abbildungen, auch Filme und Graphiken über verschiedene Zusammenhänge. Inzwischen hatten sie viel verstanden, wie dieses Ökosystem funktioniert, welches zum großen Teil von den Gezeitenkräften durch den Gasriesen angetrieben wird.
Von den Anfängen der Untersuchung der Atmosphäre des Gasriesen Erwin hatte ich ja schon gehört. Dies ist der äußersten Gasriese dieses Sonnensystems, zudem auch der kleinste. Sie fanden dort interessante Schichtungen und eine komplexe Dynamik in verschiedenen Schichten, waren gar unter größeren Schwierigkeiten bis zum festen Kern vorgedrungen. Leben hatten sie keines gefunden, konnten aber nicht komplett ausschließen, daß unsere bisherigen Suchkriterien einfach schlecht zu den Bedingungen passen, die in den Atmosphären von Gasriesen herrschen. Jedenfalls hatten sie mit den eingesetzten Luftschiffen darin keine großen Strukturen gefunden, die ähnlich wie Fische, Vögel oder auch Luftschiffe die Schichtungen des Planeten besiedelt hätten.
Der größte der Gasriesen ist der mittlere von ihnen, Werner. Da waren sie bislang nicht bis zum festen Kern vorgedrungen, hatten in der Gasatmosphäre aber auch interessante Schichtungen gefunden, eine dramatische Wetterdynamik, langfristige Klimaphänomene deuteten sich jedenfalls an. Auch hier fanden sich keine großen und festen Strukturen in den bislang untersuchten Teilen der Atmosphäre, aber schon interessante kleinere Strukturen, die sie nicht als Lebewesen einordnen konnten, die aber eine erstaunliche Komplexität aufweisen, auch gewisse Flugfähigkeiten oder Möglichkeiten, in der Atmosphäre zu schweben, sich treiben zu lassen. Der Ursprung oder die Entstehung dieser Strukturen war bislang ungeklärt.
Albert ist der innerste der Gasriesen. Auch hier konnte bislang der Kern nicht erreicht werden. Auch bei diesem hatten sie die Atmosphäre untersucht. Albert ist etwas kleiner als Werner, weist aber ähnliche Schichtungen und Strukturen auf, noch turbulenteres Wetter als auf Werner, wegen der größeren Nähe auch bereits nennenswert von Rasol beeinflußt. Selbst bei Albert ist die Entfernung zu Rasol aber bereits so groß, daß er deutlich außerhalb der habitablen Zone liegt. Die Wetterphänomene sind so etwas komplexer als auf Werner, aber nicht von Rasol dominiert. Auch hier hatten sie Schwebestrukturen gefunden, welche makroskopisch sind und in verschiedener Form in verschiedenen Schichten anzutreffen sind. Auch hier konnten sie das bislang nicht eindeutig als Lebewesen einordnen. Etwas wie Desoxyribonukleinsäure konnten sie in diesen Strukturen jedenfalls nicht finden. Es wäre eine spektakuläre Entdeckung, wenn es sich doch um etwas Lebendiges handeln sollte, welches aber einen ganz anderen Weg der Reproduktion und der Kodierung von Erbinformation gefunden hatte.
Hier würde es auf jeden Fall lohnen, sehr kreativ neue Fragen zu entwickeln, um in der Forschung dann irgendwann die Fragen zu stellen, auf die diese Strukturen Antworten hätten, die uns dann irgendwie verständlich werden konnten. Einen solchen Zugang hatten die Ai bislang nicht gefunden, aber vielleicht haben Menschen ja noch andere Ideen, wonach man fragen und suchen könnte.
Von der Erde gab es bedingt durch den großen Abstand ja keinen richtigen Dialog, nur gelegentlich Nachrichten. Immerhin hatten wir aber nun deutlich über hundert Jahre verschlafen, so daß Ida hier auch Neues berichten konnte. Die Bevölkerung ging zurück, das Ökosystem Erde begann aber, sich teilweise zu erholen. Es war nicht mehr notwendig, intensiv einzugreifen, es kam immer mehr zu einer normalen, selbständigen Dynamik. Gut, dafür hatte man wohl auch viel getan, aufgeräumt, renaturiert, sich reduziert. Auf der Erde gab es heute nach Idas Schätzung aufgrund ihrer aktuellsten Daten und einer vorsichtigen Extrapolation auf den heutigen Tag vielleicht noch zehn bis dreißig Millionen Menschen in nur noch vier Megastädten. Genmanipulationen an Menschen, selbst die Schnittstellen der Kompatiblen ordnete man nach Idas aktuellem Stand nun eher als Modeerscheinungen ein, vielleicht gar als Irrtümer der kulturellen Entwicklung, man hatte sie sogar in Verdacht, mit für den Rückgang der Bevölkerungszahlen verantwortlich zu sein. So gab es nun wieder einen zunehmend größeren Anteil an unveränderten Menschen, die Restbestände davon hatten sich wohl auch etwas stärker vermehrt als die anderen. Subtile Probleme der genmanipulierten Population galten Ida und den anderen Ais hier als klare Warnung, es besser bei dem zu belassen, was war. Bei der sonstigen Biosphäre für die Terraformung setzten sie das allerdings vorsichtig ein, Ida meinte aber, das gehe im Grunde nicht über eine beschleunigte Art der traditionellen Züchtung hinaus, teilweise jedenfalls eine verkürzte, simulierte Art von Evolution, um eine bessere Anpassung an die hiesigen Bedingungen in kurzer Zeit zu erreichen.
Natürlich sind ein paar Jahrzehnte Gartenbau, Agrarkultur und Forschung am hiesigen Wildwuchs noch keine Grundlage, um solide Aussagen zu treffen, wie erfolgreich wir uns hier würden behaupten können. Bislang aber sah er hier gut mit der Vegetation aus.
Mit Menschen hatten wir ja bislang nicht einmal begonnen. Das war nun der nächste Punkt unserer Mission, die Kolonie mit Menschen zu beleben. Da konnten wir nur hoffen, von dem Phänomen auf der Erde nicht betroffen zu sein. Wissen konnten wir das indessen nicht.
Waren die Probleme dort eigentlich schon vor dem Start der Mission etabliert oder trat das Phänomen des Bevölkerungsrückgangs erst danach auf, also einmal abgesehen von den bislang erklärbaren Ursachen?
Das langsame Aussterben der Menschen dort auf der Erde jedenfalls schien bislang nicht gebremst zu sein. Die Ais sorgten sich auch etwas, wie sich das hier mit noch mehr Menschen entwickeln würde. Würden auch wir über längere Zeit ähnliche Probleme bekommen?
Würde uns die Angelegenheit irgendwann komplett entgleiten?
Oder konnte es uns gelingen, unseren bisherigen Weg fortzusetzen und eine emanzipierte, friedliche, tolerante Gesellschaft zu etablieren?
Bauten wir vielleicht doch gerade an unserem eigenen Utopia?
Damit hätten wir in dieser neu zu gründenden Kolonie jedenfalls eine große Aufgabe vor uns.
War es realistisch, die Menschen hier mit Bildung und Kultur so weit anzufüttern, daß sie wirklich verträglich mit sich und ihrer Umwelt leben konnten?
Die Frage war natürlich noch offen.
Und wie würden sich dann die anderen Kryo-Zombies mit ihrer eigenen Geschichte integrieren?
Welchen Einfluß würden sie auf die Entwicklung haben?
Im Grunde war es natürlich auch bezüglich der Erde offen, ob es nicht gelingen würde, mit vielleicht ein oder zwei Millionen Menschen gut zu leben, es endlich in den Griff zu bekommen.
Ida berichtete auch über Mission 3, die uns ja sogar näher als die Erde ist. Die Berichte zeigten, daß es in jenem Sonnensystem jedenfalls einen Planeten gibt, der sich für die Ansiedlung von Leben eignen könnte, aber dafür erst über eine lange Terraformung vorbereitet werden müßte. Auf unsere Berichte hin hatte man auch dort begonnen, mit gigantischen Absorbern gründlich aufzuräumen, um das Problem der Zusammenstöße mit Asteroiden zu lösen, statt nur Einschläge ins eigene Raumschiff zu unterbinden. Neben der ohnehin im Bau befindlichen Raumstation brachte es so auch diese Mission zu gewaltigen künstlichen Strukturen in jenem System, machte gute Fortschritte. Sie hatten sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten von ihrer eigenen Katastrophe so halbwegs erholt. Weil die Berichte günstig waren, war hier bei uns nun eine kleine Mission in Vorbereitung, um sorgfältig ausgewählte Mikroorganismen zu übermitteln, weil Mission 3 ja sämtliche wichtigen biologischen Vorräte verloren hatte. So würden sie dann in Zukunft ebenfalls mit der Terraformung beginnen können. Wir mußten hier aber selber erst noch weiterkommen, bis wir selbst genug Vorrat hatten, um der Mission 3 dann auch mit einer größeren Mission eine größere Auswahl von komplexeren Organismen zukommen zu lassen. So würde es vermutlich noch ein paar Jahrhunderte dauern, bis zu überlegen war, ob es dort auch noch eine weitere menschliche Kolonie geben sollte oder ob wir uns damit begnügen sollten, dort überhaupt Leben angesiedelt zu haben, welches sich selbst einfach weiter per Evolution in die eigene Richtung entwickeln sollte. Diese Entscheidung mußte aber noch lange nicht getroffen werden. Zeiten und Pläne bei Weltraummissionen sprengen schnell die persönlichen Vorstellungen, das hatte ich inzwischen wirklich gelernt, wobei ja meine eigene, persönliche Geschichte schon meine Vorstellung davon sprengt, was Lebenszeit bedeutet und wie das eigene Leben ablaufen könnte.
So waren wir dann so halbwegs auf dem Laufenden und inzwischen auch körperlich stark genug, um einen kleinen Gang vor die Tür zu wagen. Ida gab uns Jacken, denn mit 290 Kelvin war es draußen aktuell nicht besonders warm. Sie rief nun auch Hildegard und Esme hinzu, welche draußen ebenfalls mit Avataren beschäftigt waren. Sie kamen hinzu und Susanne und ich begrüßten sie erst einmal herzlich. In ihrer sorgfältigen Art hatten die Ais die Avatare mit Namen versehen, sie aber auch farblich deutlich unterscheidbar gestaltet. So konnten wir uns leicht merken, welcher Avatar welche Ai repräsentiert. Körk hatte auch einen Avatar, der war aber aktuell nicht aktiv, denn Körk hatte derzeit im Asteroidengürtel zu tun, schickte aber eine herzliche akustische Botschaft, die wir dann ebenso herzlich erwiderten.
Und dann gingen wir hinaus zum Staunen. Susanne war ganz aufgeregt, wollte gleich alles anfassen, begreifen und wissen. Auch ich war natürlich sehr aufgeregt auf unsere Insel, gab mich aber etwas ruhiger, ausgeglichener, was mich aber gar nicht so leichtfiel.
Und so machten wir unseren ersten Spaziergang auf Charybdis, auf unserer Insel. Die ist aber schon so groß, daß ein einfacher Spaziergang nur einen kleinen Teil davon zeigen kann. Und wir waren schon sehr überrascht, wie üppig und komplex die Vegetation in den wenigen Jahrzehnten gewachsen war.
In der Nähe unseres Gebäudes gab es auch einige Gewächshäuser, auch einige Felder. In Vorbereitung auf uns zogen die Ais hier bereits Getreide, Gemüse, Obst, Pilze zu unserer Ernährung. Sie bereiteten aber auch diverse Pflanzenarten vor, um sie dann auf der Insel oder auch woanders auszuwildern. Da gab es noch reichlich zu tun, bislang hatten sie nur einige zehntausend Arten auf dem gesamten Planeten etabliert.
Genaue Aussagen über die Dynamik des Klimas konnten sie noch nicht machen. Sie gingen derzeit davon aus, daß die Durchschnittstemperatur noch steigen würde. Mit etwas Glück würde die Vegetation auch noch Wetterextreme etwas dämpfen und das Wetter oder gar das Klima günstig beeinflussen.
Auf unserem Rundgang durch die nähere Umgebung der Station, auch bis hinab zum Meer waren Susanne und ich jedenfalls schon einmal begeistert über unser Paradies, daß wir zunächst einmal vergaßen, welche Katastrophe, welches Ökozid dazu geführt hatte, daß wir heute hier in dieser irdischen Vegetation stehen konnten, uns daran erfreuen konnten, nun wohl endlich eine neue Heimat gefunden zu haben. Es war ein Genuß, unter freiem Himmel durch die Natur zu streifen, in der Atmosphäre Wolken und als Schein, seitlich von Rasol beleuchtet auch Skylla. Das war fremd, exotisch und doch hatten wir ein Gefühl von Freiheit und Beschwingtheit, wurden immer lebendiger, hatten mehr Energie als zuvor.
Wieder zurück im Hauptgebäude der Kolonie gab es auch hier einen Rundgang. Hinsichtlich der Energieversorgung hatten die Ais einstweilen auf Wind- und Solarenergie sowie Gezeitenkraftwerke gesetzt, hatten hier keinen Fusionsreaktor bauen lassen.
Trotzdem hatten wir im Gebäude Luxus und bereits jetzt deutlich mehr Platz als für nur zwei Personen.
Abends lagen wir dann zusammengekuschelt im Bett, liebkosten und küßten uns. Das hatte mir so gefehlt und nun genoß ich einfach nur durch jede Pore, Susanne wieder bei mir zu spüren.
Susanne meinte dann: „Hinsichtlich der Katastrophe grübele ich noch immer.
Hätten wir das vermeiden können?
Haben wir zu unvorsichtig gehandelt?
Haben wir an allem Schuld?
Ich empfinde das so.“
Ich erwiderte: „Wir können es nicht ungeschehen machen. Und natürlich, es war eigentlich meine Idee, die Absorber so zu verwenden und damit so massiv in dieses Sonnensystem einzugreifen. Und dann auch der Eisring um Skylla – eigentlich auch meine Idee. Somit bin ich auch verantwortlich für die Katastrophe. Willst du also jemanden anklagen, dann doch eher mich!“
Susanne meinte aber: „Nun, ich habe es nicht geschafft, in die Rettungskapsel zu steigen, so konnten wir den defekten Absorber nicht mit der Raumstation von Charybdis wegrammen. Ich habe viel zur Optimierung und zur Organisation der Arbeitsabläufe beigetragen, sowohl beim Einsatz der Absorber, beim Aufräumen des Streufeldes Wotan und auch des Asteroidengürtels Freki. Und auch beim Projekt Sintflut samt Eisring habe ich bei den Modellen und Abläufen optimiert und organisiert. Es ist doch letztlich die Umsetzung einer Idee, die darüber entscheidet, ob es funktioniert. Somit bin ich doch verantwortlich, wenn dann etwas schiefgeht von dem, was ich besser hätte planen müssen, um das zu verhindern. Ich hätte vorhersehen müssen, daß etwas schiefläuft, weil eben immer etwas schiefgeht. Das ist nicht zu vermeiden. Man darf nicht nur für den Optimalfall planen und optimieren, gerade in der Berücksichtigung von überraschenden Zwischenfällen liegt doch die Aufgabe, die Planung solcher Projekte wirklich gut hinzubekommen. Ein Projekt muß stabil und robust auf Störungen reagieren, statt die Probleme noch zu vervielfältigen.“
Ich meinte dazu: „Nun, das ist alles viel zu komplex, für uns und auch die Ais, wir können nicht alles vorhersehen und alle Eventualitäten berücksichtigen. Es ist auch längst etwa nicht sicher, daß es Charybdis gerettet hätte, wenn die Station den defekten Absorber hätte rammen können. Vielleicht hätten wir damit nur wenig Zeit gewonnen und dann wäre der ganze Schrott samt Raumstation auf Charybdis gestürzt. So wäre der Planet erst recht kontaminiert worden, schon früher als es so passiert ist. Wir hatten es nicht richtig im Griff, es wäre eine pure Verzweiflungstat gewesen, die uns die Raumstation gekostet hätte.
Dein Zögern ist menschlich, das solltest du dir nicht vorhalten.
So ist das Leben nun einmal. Wir haben nie die komplette Information, die vollständige Kontrolle, nichts ist perfekt und ohne Fehler oder Überraschungen, wir wissen nicht genau, welche Aktion zu was führen wird. Wir haben immer nur unser einfaches Modell, unsere vereinfachte Sicht der Dinge, die nicht alles berücksichtigt. Das ist nicht zu vermeiden. Es wird immer zu Unfällen kommen, zu Fehlern. Daß die Katastrophe nun so gravierende Folgen hatte, war nicht vorherzusehen. Und doch haben wir natürlich unseren Teil der Verantwortung zu tragen. Wir waren beteiligt. Wären wir nicht mit dieser Mission hierher gekommen, wäre das alles nicht passiert. Die Verantwortung werden wir auch nicht mehr los. Und doch müssen wir ja irgendwie weitermachen. Eigentlich kann man nicht nichts machen, nicht nicht wirken. Selbst wenn wir nichts tun, hat das doch immer einen Einfluß auf die Welt. Und tun wir nichts, tun es andere, beziehungsweise alles entwickelt sich auch ohne uns weiter, nur eben in eine etwas andere Richtung oder gar in eine völlig andere Richtung. So hängt es an uns, das Bestmögliche daraus zu machen, zu leben. Zum Leben gehört auch versagen und scheitern. Auch das ist nicht zu vermeiden. Das gehört zum Leben dazu. Es wäre unsinnig, das zu leugnen.“
Susanne meinte: „Nun, du bist stark und entschlossen, voller Selbstvertrauen. Du kannst das. Ich habe immer Zweifel. Und wenn dann sowas passiert, mag ich einfach nicht mehr. Zurückgeworfen auf meine Beschränktheit, meine Unfähigkeit, fühle ich tief in mir die Schuld für all dies, wo ich versagt habe.“
Ich erwiderte: „Ja, aber wir können nur versuchen, es das nächste Mal besser zu machen. Nichts tun ist keine Option, die zu etwas führt. Nun müssen wir mit dem leben, was inzwischen ist. In der Vergangenheit, der Schuld zu leben, hat keinen Zweck. Sich seiner Schuld und Verantwortung bewußt zu sein, ist richtig und wichtig. Aber nun leben wir im Jetzt, planen für die Zukunft, trotz unserer Beschränktheit und der Schuld der Vergangenheit. Und du bist ja nicht allein. Ich bin bei dir. Wir sind zusammen!“
Susanne drückte sich eng an mich, hielt sich an mir fest, ergänzte dann: „Das Widerlichste an der Katastrophe ist aber nun, daß wir sogar davon profitieren. Durch unsere Schuld ist die Vegetation von Charybdis zerstört worden. Und nun sind wir hier und erschaffen unseren Lebensraum, nur weil der vorherige durch unsere Schuld zerstört wurde!“
Ich fragte nach: „Ich hoffe, du vermutest dahinter keine Absicht?“
Susanne richtete sich etwas auf, schaute mich einen Moment an: „Absicht?
Nein.
Daran hatte ich nicht gedacht. Bei dir vermute ich sicher keine Absicht dahinter. Mag unser Wirken auch irgendwie zur Katastrophe geführt haben, so haben wir sie doch sicher nicht ausgelöst oder auch nur geplant oder beabsichtigt. Auch die Ais haben das sicher nicht, das traue ich ihnen nicht zu.“
Ich nickte: „Ja, obwohl sie schon viel können, sind doch auch ihre Fähigkeiten beschränkt, was natürlich auch zur Katastrophe beigetragen hat. Beabsichtigt hat die aber sicher niemand.
Und so stehen wir dem noch hilfloser gegenüber. Du hast schon Recht, irgendwie profitieren wir von unseren Fehlern. Und gerade das ergibt einen üblen Beigeschmack. Nur ändern können wir es leider nicht mehr. Wir müssen es nun so dulden, wie es passiert ist und unser Bestmögliches daraus machen.“
Unsere Stimmung war gedrückt und so kosten und küßten wir uns nur sanft, umarmten und streichelten uns, aber diese Nacht wollte es nicht so richtig knistern zwischen uns, zu ernst war das Gespräch gewesen. So brauchten wir noch etwas, um uns zu entspannen, um dann doch einzuschlafen.
Die folgenden Tage erholten wir uns erst einmal von der Konservierung, machten uns gleichzeitig mit unserer neuen Heimat, der Kolonie vertraut, aber auch mit den sonstigen Daten der Mission, etwa von Körk über die Absorber und den Asteroidengürtel, auch mit den Daten von Stanis und Asi, den Aktivitäten auf Skylla, vor allem aber den Entwicklungen auf Charybdis.
Auch Susanne war nun wieder voll dabei, hatte sich von dem Schock der Katastrophe ganz gut erholt, für sie lag diese ja nur Tage zurück, für mich schon deutlich länger, für die Ai hingegen war das längst Vergangenheit. Es braucht dann nach einer Konservierung und Wiederauferstehung eben immer etwas, bis man sich ganz damit zurechtfindet, was inzwischen alles ohne einen gelaufen ist. Ich hatte das ja nun schon mehrfach mitgemacht und fand es inzwischen eher erstaunlich, wie schnell ich mich darauf eingestellt hatte, immer mal wieder in einem deutlich anderen Umfeld aufzuwachen. Nun jedenfalls konnten wir hoffen, daß uns das erspart bleiben würde. Nun würden wir hoffentlich in unserer neuen Heimat endlich leben können.
Nach gut zwei Wochen hatten wir uns gut eingelebt. Und so hielten wir dann unsere erste kleine Konferenz zur Entwicklung der Kolonie ab. Nach einigen Berichten der Ais zur Bestandsaufnahme von Feldern und Gewächshäusern ging es dann bald um die Frage weiterer menschlicher Mitglieder, das war ja eines der Hauptziele dieser Kolonie.
Susanne und ich kannten ja eigentlich nur die übliche Methode, zu neuen Menschen zu kommen. Zusätzlich hatten wir dann ja noch die Kryo-Zombies im Raumschiff, von denen einige transferiert werden könnten.
Dazu meinte ich dann: „Das hatten wir ja schon früher einmal diskutiert. Es ist nicht so ganz unproblematisch, weil wohl keiner von ihnen sich für die Mission entschieden hat. Ähnlich wie wir sind doch wohl alle deutlich vor der Planung der Mission konserviert worden?“
Ida bestätigte: „Ja, das stimmt leider, das ist einer der schändlichen Aspekte sowohl der Kryo-Technologie als auch der Planung dieser Mission. Wenn man es so sehen will, hat man mit dem Transfer vieler Kryo-Zombies auf die Mission deren rechtlosen Status ausgenutzt, gleichzeitig aber schon einmal die Situation auf der Erde etwas entschärft, weil man damit gleich einmal die Anzahl der Personen reduziert hat, die keinen rechtlichen Status haben, von denen undefiniert ist, ob sie tot oder doch potentiell lebendig sind. Sie wissen alle nichts von der Mission und uns kommt es dann bei der Wiederauferstehung zu, sie zu integrieren.“
Susanne führte dann an: „Wenn wir mich und Michaela als Beispiele nehmen, so werden einige vermutlich nicht einmal wissen, daß sie konserviert worden sind. Und mir ist es jedenfalls nicht leichtgefallen, beides zu akzeptieren, zu einer ganz anderen Zeit wiederauferstanden worden zu sein und dann auch noch auf einer Mission fern der Heimat zu sein. Wir können wohl davon ausgehen, daß es vielen der anderen Kryo-Zombies ähnlich gehen wird. Wenn wir damit beginnen, können wir vielleicht jeweils nur ein oder zwei Personen wiederauferstehen lassen und uns ihnen dann mindestens einen oder zwei Monate widmen, bis sie in der Lage sind, sich ihrem Schicksal zu stellen. Das wird ein langwieriger Prozeß.“
Ich ergänzte: „Zudem wäre dann die Altersstruktur der Kolonie gleich zu Beginn eher problematisch, wir hätten dann viele Leute in ungefähr gleichem Alter.“
Hildegard erinnerte: „Bei unserer letzten Diskussion mit dir, Michaela, sind wir ja schon zu der Meinung gekommen, die Kryo-Zombies eher langsam und in kleiner Zahl in eine bestehende Kolonie zu integrieren. Wer sich besonders zur Koloniegründung eignet, könnte natürlich auch ziemlich zu Beginn beteiligt werden.“
Susanne stimmte zu: „Das klingt plausibel. Welche Möglichkeiten haben wir sonst?“
Ida erläuterte: „Nun, wir haben einige Möglichkeiten. Wir haben befruchtete Eizellen, aber auch eine große Auswahl von Sperma und unbefruchteten Eizellen, zudem haben wir natürlich ebenso wie bei Tieren die Möglichkeit, diese in speziellen Brutkästen bis zur Geburt auszutragen. Danach müssen wir uns natürlich ausgiebig kümmern, was die Zahl begrenzt.“
Ich schätzte mal lächelnd ab: „Susanne als Lehrerin wird mit einer Klasse mit zehn bis dreißig Kindern schon zurechtkommen. Wenn ihr Ais euch beteiligt, werden wir doch mit vier bis zehn Kindern pro Jahr wohl zurechtkommen, hängt natürlich auch stark davon ab, wie stark automatisiert die Betreuung von Gewächshäusern und Feldern ist.“
Esme informierte: „Das sollte sich schon gut kombinieren lassen, wir haben da viele Sensoren und Subsysteme insbesondere in den Gewächshäusern.“
Ida ergänzte: „Jedenfalls halte ich die von Michaela genannten Zahlen auch für realistisch. So können wir über die Jahre eine kleine Kolonie aufbauen. Es besteht doch keine Notwendigkeit, gleich in den ersten hundert Jahren eine Großstadt mit hunderttausend oder mehr Menschen anzustreben.“
Nach einer kleinen Pause hakte ich nach: „Die Idee ist also, die Kinder in diesen künstlichen Gebärmüttern auszutragen.“
Ida meinte sachlich: „Naja, ihr beide würdet das wohl so eher nicht schaffen und es würde euch körperlich auch stark beanspruchen. Aber ergänzend zu den technischen Möglichkeiten ist eine normale Schwangerschaft natürlich auch gar kein Problem.“
Susanne kicherte: „Naja, da bräuchte es dann doch wohl schon den passenden Mann oder eher die passenden Männer als Väter. Das entscheidet man nicht einfach so an einem Nachmittag.“
Ich grinste: „Oh, in der Geschichte der Menschheit ist das bisweilen sicherlich schon in kürzerer Zeit entschieden worden, aber ich glaube, wir beide sind da nicht unbedingt ohne konkreten Anlaß kurzentschlossen.“
Susanne lachte auch herzlich und meinte dann: „So als Leihmutter kann ich mich auch schlecht vorstellen, die Eizellen aus dem Vorrat sind dann doch wohl eher etwas für die künstliche Gebärmutter. Auch künstliche Befruchtung ist jedenfalls etwas, worüber ich wohl erst einmal etwas länger nachdenken müßte. Naja, nun sind wir, Michaela und ich, ein Paar, wenn wir Kinder wollen, dann ist das aber wohl das Mittel der Wahl?“
Hildegard informierte: „Oh, wir haben da schon Möglichkeiten im Angebot, die ihr noch gar nicht kennt. Wir können durchaus auch aus dem Genmaterial von zwei Frauen ein weibliches Kind genetisch kombinieren. Da seid ihr den Männern gegenüber deutlich im Vorteil.“
Ida fuhr fort: „Dazu verwendet man die medizinischen Mikroroboter, extrahiert damit je eine reife Eizelle aus den beteiligten Frauen, kombiniert das Genmaterial mit ein oder zwei befruchteten Eizellen als Ergebnis. Die können dann entweder in der Brutmaschine ausgetragen werden oder für eine natürliche Schwangerschaft zurück in die Gebärmutter transferiert werden …“
Susanne und ich lachten, als wir uns das vorstellten.
Ich meinte dann: „Naja, die genetische Vielfalt ist da begrenzt und ich glaube ja auch nicht daran, daß unbedingt an unseren Wesen die Menschheit genesen wird.“
Susanne lachte, meinte aber: „Eigene Kinder kann ich mir aber schon vorstellen, du nicht?“
Ich nickte: „Doch schon, sicher. Ist jetzt aber schon ein wenig überraschend, daß wir sogar gemeinsame Töchter haben können.“
Susanne grinste: „Ja, überraschend kommt das schon, aber wenn ich so darüber nachdenke, vorstellen könnte ich mir das schon, du nicht?“
Ich schaute sie einen Moment lang an, lächelte dann: „Ja … ja gut, wollen es jetzt aber mal nicht überstürzen …“
Susanne nickte und grinste.
Hildegard erinnerte uns: „Im passenden Alter seid ihr gewiß.“
Und Ida ergänzte: „Und hinsichtlich des üblichen Vorgehens könntet ihr ja durchaus unter den Kryo-Zombies ein oder zwei Kandidaten wählen, die euch gefallen könnten, im Idealfalle auch noch welche, die für die Kolonie oder allgemeiner die Mission und die Forschung nützlich sein könnten. Den Peter hatte Michaela ja ohnehin schon in der engeren Auswahl und dir, Susanne, auch schon einmal kurz als Möglichkeit vorgestellt.“
Ich schaute ihren Avatar mit großen Augen an, dann Susanne, die verlegen zur Seite schaute, dann aber grinste.
So lachte ich dann auf und erwiderte: „Oh oh, ja die Erwähnung hat ja dann zu einer kleinen Krise geführt, die wir zum Glück überwunden haben. Nun waren die Kriterien bei der Auswahl ja damals auch etwas andere …“
Hildegard gab zu bedenken: „Er paßt aber auch unter den aktuellen Gesichtspunkten immer noch gut. Als Mikrobiologe könnte er sich auch vom Beruf her gut einbringen, nicht nur als Vater. Da hätten wir so oder so verschiedene Möglichkeiten, ihn gut zu integrieren …“
Ich schüttelte lachend den Kopf: „Hildegard, vielleicht unterschätzt du die Dynamik, die sich da entwickeln kann, zum einen ein Mann und zwei Frauen, wir wissen gar nicht, ob er überhaupt Vater werden will und ob dann gar noch mit einer von uns. Und welche Einfluß hätte das auf unsere Beziehung?
Alles nicht ganz so einfach.“
Hildegard vertrat aber die Auffassung: „Ich bin ganz zuversichtlich, daß ihr das schon harmonisch hinbekommen werdet. Und ihr habt beide eingeräumt, daß er als Mann attraktiv ist, da ergibt sich dann viel von allein.“
Ich grinste und erwiderte: „Na, ich glaube, das werden wir heute jedenfalls nicht entscheiden, oder, Susanne?“
Susanne grinste ebenfalls und nickte: „Nein, heute sicherlich nicht. Und ich würde dann gegebenenfalls auch selber mal einen intensiven Blick in die Liste der Kandidaten werfen wollen, wenn wir die Option wirklich ernsthaft in Erwägung ziehen sollten. Und ich glaube auch irgendwie nicht so richtig daran, daß das so konfliktfrei mit dem Mann aus dem Katalog klappen wird, geschweige denn die Frage, was das für Auswirkungen auf unsere jetzige Beziehung hätte. Also nein, das müssen wir schon in aller Ruhe einmal zu zweit durchdiskutieren, wie realistisch diese Option wäre.“
Ich nickte auch und bemühte mich, das Thema etwas zu verschieben, bevor es noch zu heikel werden würde: „Unbedingt. Gibt es weitere Optionen, auch hinsichtlich der genetischen Vielfalt der Kolonie?“
Ida erläuterte bereitwillig: „Also bei allen Arten ist unsere Auswahl und die genetische Vielfalt unseres Archivs groß. Dazu haben wir in der Datenbank noch viel mehr Arten und auch genetische Variationen kodiert. Technisch möglich ist es mit einigem Aufwand sogar, diese digitalen Daten wieder in genetisches, biologisches Material umzukodieren. Bevor wir das tun, sollten wir es aber unbedingt mit den reichhaltigen und vorhandenen Vorräten und Möglichkeiten versuchen.
Daß ihr beide euch mit eigenem genetischen Material beteiligt, wäre nur insofern schön und hilfreich, als über eigene Kinder ja auch ein viel engerer Bezug zur nächsten Generation da wäre. Es wäre dann gewiß, daß ihr ganz persönlich etwas von euch für die Kolonie und die Zukunft weitergeben könntet. Und das ist doch auch ein natürliches Bedürfnis biologischer Wesen, oder etwa nicht?“
Susanne und ich nickten vorsichtig, Susanne führte dann aus: „Ja schon, so oder so werden wir uns natürlich um alle Kinder kümmern, das hängt ja nicht an den eigenen. Sind die Kinder erst einmal da, entwickelt sich doch ohnehin eine Eigendynamik, viel ergibt sich von selbst. Wir bekommen das gemeinsam schon hin!“
Damit hatte sie sicherlich Recht.
Ich schloß dann: „Gut, was mich anbelangt, ich fühle mich erst einmal hinreichend über unsere Optionen informiert und muß das erst einmal verdauen, brauche etwas Zeit, um das abzuwägen, bevor wir dann etwas entscheiden, wie und in welchem Umfang wir beginnen, Kinder in diese Welt zu setzen!“
Susanne stimmte sofort zu: „Ja, ein paar Tage Zeit, sich zu bedenken, ist auf jeden Fall notwendig!“
Hildegard erwiderte: „Natürlich. Überfahren oder überrumpeln wollten wir euch ja ohnehin nicht. Ging schon erst einmal darum, die Fakten auf den Tisch zu bekommen. Und auf ein paar Tage kommt es nun nicht an.“
Ida bestärkte das noch: „Ja, wir konferieren doch, um die Planung voranzubringen. Wir können ja doch nur Ergebnisse gebrauchen, mit denen wir gemeinsam gut vorankommen. Aufdrängen wäre da Unsinn.“
Auch Esme bestätigte: „Es gibt nun keinen Grund zur Eile, unsere Entscheidung sollte sorgfältig getroffen sein. Überlegt euch alles, bildet eine Meinung und dann diskutieren wir weiter.“
Und damit schlossen wir dann erst einmal diese Konferenz.
Abends nach dem Abendessen sahen Susi und ich uns noch einen Film zur Entspannung an, dann zogen wir uns zurück, kuschelten uns zusammen auf das Bett und kosten uns liebevoll.
Irgendwann meinte dann Susanne: „Und?
Was meinst du nun zu unseren Optionen?“
Ich lachte etwas verlegen und erwiderte: „Der Reihe nach?“
Susi lachte: „Wie du willst, irgendwie müssen wir ja vorankommen mit der Angelegenheit.“
Ich stimmte in das Lachen mit ein, überlegte dann laut: „Angelegenheit ist gut. Aber du hast Recht, sprechen müssen wir darüber, die Stimmung klären oder vielleicht auch erst schaffen?“
Susi küßte mich sanft, entgegnete dann: „Stimmung schaffen ist auf jeden Fall nützlich, aber Hildegard hat schon Recht, im passenden Alter sind wir. Nun gilt es, Verantwortung zu übernehmen.“
Ich regte dazu an: „Oh, ein wenig Spaß darf schon auch dabei sein!“
Da war auch Susi sich sicher: „Gewiß, mit Spaß dabei bekommen wir es viel besser hin. Und es ergibt auch viel mehr Sinn!“
Ich erkundigte mich: „Also gut, wie willst du es praktisch umsetzen?“
Susi entgegnete: „Ja, eine heikle Frage. Verblüfft hat mich die Möglichkeit gemeinsamer leiblicher Kinder für uns.“
Ich lachte verlegen: „Ha, das hat mich auch sehr verblüfft, was die Ais mit den Mikrorobotern so alles anstellen können, da wird einem ganz schwindelig.
Ist das die von dir bevorzugte Option?“
Susi zögerte etwas, versetzte dann: „Nun, ich mag dich sehr, drum kann ich mir das eigentlich schon vorstellen, also nachdem die Verblüffung allmählich etwas abklingt.“
Ich vertrat dazu die Auffassung: „Ich mag dich auch sehr. Und für uns wäre das dann schon sehr persönlich, weil wir uns so nahestehen. Wenn wir das beide durchziehen würden, hätten wir dann natürlich schon sehr eng verwandte Kinder. Wenn man das Mischen wörtlich zu verstehen hat, hätten wir dann sozusagen Antizwillinge, also wo das eine Kind eine bestimmte Eigenschaft von dir hat, hat das andere die entsprechende Eigenschaft von mir. Vielleicht darf man es aber auch nicht so wörtlich nehmen …“
Wir lachten beide.
Dann fügte ich hinzu: „Naja, so ist es vielleicht doch für unsere kleine Kolonie sehr viel Genmaterial von uns. So wichtig sind wir ja nun auch nicht …“
Wir lachten wieder und feixten noch etwas weiter herum zu dem Thema.
Nach einer kleinen Pause wollte Susi dann wissen: „Aber so eine Befruchtung mit anonymem Sperma aus Hildegards Vorrat, findest du das gut?“
Ich grinste und witzelte: „Oh oh oh. Hildegard kommt mit der eiskalten Spritze, pumpt dich voll und macht dir ein Kind oder gleich Zwillinge oder Drillinge von fünf verschiedenen Spendern, wenn sie schon einmal dabei ist!
Hildegard macht uns ein schönes Genroulette oder auch ein Genallerlei, eine fröhliche Mischung, einmal mit alles!“
Susi quiekte verunsichert: „Hör’ auf mit dem Blödsinn, wenn ich mir das vorstelle, kann ich gar nicht …“
Ich streichelte und küßte sie sanft, fügte dann hinzu: „… ich eigentlich auch nicht. Hast Recht, lassen wir den Schabernack. In der Datenbank wird schon grob etwas über die vererbbaren Eigenschaften des jeweiligen Spenders stehen, also dann fast schon ein Kind nach Katalog. Das eröffnet für uns bislang unglaubliche Möglichkeiten, frei den Spender der Saat zu wählen, die in uns aufgeht …“
Susi stupste mich sanft in die Seite: „Du machst es schon wieder. Du nimmt es gar nicht richtig ernst, oder?“
Ich stimmte zu: „Ja schon, so fällt es mir nur etwas leichter, mit dem heiklen Thema umzugehen. Ist eben doch eine sehr intime und persönliche Sache, solch eine Schwangerschaft, besonders wenn sie nicht quasi spontan aus einem Moment reiner Leidenschaft und Lust heraus erwächst. Dann läuft es irgendwie von selbst ohne große Überlegung, so sollte es wohl sein, das Theoretisieren macht es schon etwas skurril. Auswahl aus einem Katalog, unsere Gene von Hildegard, Ida und Esme wild gemischt, vielleicht ähnlich wie sie Esme, Asi und Stanis zusammengemischt haben. Ist das unser Weg, das so steril und keimfrei zu machen?
Wie ist dann unser Verhältnis zu dem kleinen Purzelchen, welches in uns heranwächst?
Ist es da nicht deutlich schwieriger, sich ganz darauf einzulassen, wenn man so eigenartig beginnt?“
Susi bejahte: „Stimmt schon, etwas absurd ist es wohl. Aber die Hormone werden es dann schon richten, da kann nicht viel schieflaufen, wenn es erst einmal begonnen hat. Ich jedenfalls habe schon ein gewisses Bedürfnis nach einem eigenen Kind, du nicht?“
Ich küßte sie wieder sanft, Susi erwiderte das und ich stimmte zu: „Ja, du hast schon Recht. Ich habe zudem das Gefühl, nachdem wir uns dem Thema gestellt haben, reden wir uns da allmählich rein und das Bedürfnis wird an Fahrt aufnehmen …“
Susi meinte dazu: „… ist doch nicht schlecht? …“
Ich stimmte zu: „Nein, ist es nicht, stimmt schon …“
Ich wuselte durch ihr Kopfhaar, wir schwiegen etwas, rieben sanft unsere Leiber aneinander und stimulierten uns etwas, regten uns an oder auch das Thema regte uns an.
Als wir schon etwas in Fahrt gekommen waren, hielt Susi dann inne und fragte: „Du würdest es lieber direkt mit einem Typen leidenschaftlich treiben und dich so schwängern lassen?
Vielleicht mit Peter?“
Ich lachte wieder: „Oh oh, da sind wir wieder an unserem gemeinsamen heiklen Punkt angekommen …“
Susi bohrte nach: „Naja, du hattest ihn ja praktisch schon ausgewählt, wäre doch naheliegend. Du hast zugegeben, daß du ihn süß und knuffelig findest …“
Ich unterbrach: „… du aber auch, wenn ich mich richtig erinnere …“
Susi schaute mich ernst an: „Schon … aber … nun sind wir zusammen … geht das dann noch so einfach?“
Ich entgegnete: „… was?
Daß wir ihn gemeinsam vernaschen und dann beide von ihm schwanger werden?
Wäre einerseits schon die einfachste Variante und für die Mission, die Forschung wäre er auch ein guter Kandidat.
Andererseits, wird er das überhaupt wollen?
Wie wird sich das entwickeln?“
Susi schlug verschämt die Hände vors Gesicht: „Ach du meine Güte!
Dann hätten wir ja Geschwister!
Und es könnte schon Spannungen geben, wenn wir beide mit dem selben Mann aktiv wären …“
Ich ergänzte: „… und weiter miteinander hoffentlich …“
Sie küßte mich kurz auf die Wange: „… also ja, also das wird er uns kaum nehmen können …“
Ich erwiderte ihren Kuß: „Kann ja auch sein, weil du bislang ja eindeutig an Männern interessiert warst, wenn du es erst einmal richtig mit ihm hast krachen lassen, daß du dann gar keine Lust mehr auf mich hast.“
Susi nahm meine Kopf in die Hände und versicherte: „Doch. Kann ich mir nicht vorstellen, kein Interesse mehr an dir zu haben. Gut, ich war anfangs verblüfft über unsere gemeinsame Leidenschaft, aber nun ist es gut und richtig. Ich fühle mich bei dir wohl und geborgen, freiwillig gebe ich das nicht mehr auf!“
Sie zog meinen Kopf zu sich heran und unsere Lippen trafen sich zu einem langen, leidenschaftlichen Kuß. Unsere Aktivitäten wurden heftiger, wilder, so machten wir erst einmal wortlos weiter, um unsere Anspannung zu lösen, die knisternde Stimmung auszukosten …
Nach einem intensiven gemeinsamen Erlebnis lagen wir dann eng umschlungen.
Ich setzte dann unser Gespräch fort: „Kann ja auch sein, daß er gar nicht will. Ich meine, so knuffelige, hübsche Burschen sind auch oft schwul. Eigenartig, stimmt aber.“
Susi gluckste vergnügt: „Kann ich mir nicht vorstellen. Ich hatte gleich so den Eindruck, daß er weiß, wie er wirkt und das auch nutzt, um Frauen zu erobern.“
Ich grinste: „Na, in der Hinsicht ist die Auswahl hier derzeit jedenfalls überschaubar, da werden wir dann schon auf unsere Kosten kommen, wenn er wirklich Interesse an Frauen hat. Ich meine, du wirst auf jeden Fall Eindruck machen und ihn schnell für einen leidenschaftlichen Erfahrungsaustausch gewinnen können …“
Susi lachte verlegen, fügte dann hinzu: „Oh, du wirst sicher auch gar kein Problem damit haben, ihn von dir zu überzeugen. Du mußt doch nur ein wenig von der Seite gucken und lächeln, dann ist er hin und weg und gefangen in deinem Netz oder gar zwischen deinen Beinen. Ich meine, da bist du schwanger, bevor das Anliegen überhaupt angesprochen ist.“
Ich lachte und erwiderte: „Na, wenn du so harmlos und unschuldig, hilfsbedürftig, anlehnungsbedürftig guckst, wird er sich dem auch gar nicht entziehen können und schwuppdiwupp hast du einen Braten in der Röhre, bevor du noch dazu kommst, überhaupt etwas bei der Aktion zu optimieren.“
Wir kicherten beide und brauchte etwas, um uns wieder einzuholen.
Susi meinte: „Also gar nicht erst drüber reden, sondern gleich in die Praxis?“
Ich wiegte unentschlossen den Kopf hin und her: „Könnte zu Konflikten führen, ihn so zu überrumpeln. Um fair zu sein, sollten wir uns vorher schon durch das Gespräch mühen und uns einig sein.
Meinst du wirklich, das könnte klappen mit Peter und uns beiden, also zu dritt eine Beziehung?“
Susi wirkte etwas ratlos: „Also, wir wissen ja eigentlich wenig über ihn, das wird immer eine heikle Sache bleiben. Wir kommen gut miteinander aus, obgleich das zwischenzeitlich einmal schlecht ausgesehen hat. Wir sind ruhig und friedlich, wir werden das schon hinbekommen, wenn er nicht ein ganz großes Arschloch ist. Aber das würde sich doch ohnehin schnell bemerkbar machen und dann schicken wir ihn wieder in die Konservierung, bevor es zum kritischen Akt kommen kann.“
Wir lachten beide etwas fies, aber nicht nur aus Spaß.
Sicherheitshalber betonte ich noch: „Naja, ist er erst einmal wiederauferstanden, bestimmt er ohne Notfall selbst über sein Schicksal.“
Susi grinste: „Schon klar.
Aber.
Aber ich wollte ja sowieso noch den Bestand durchsehen. Vielleicht findet sich ja für mich sowieso noch ein besserer Kandidat. Dann hätten wir beide einen und die genetische Vielfalt wäre schon etwas reichhaltiger.“
Ich lachte und schlug vor: „Oh, wenn er mir auch gefällt, könnten wir dann ja auch wechseln. In solch einer kleinen Gruppe sollte man schon flexibel sein und durch zutrauliche Kontakte die Gemeinschaft stärken statt sich zu separieren …“
Susi schlug wieder verschämt die Hände vors Gesicht, grinste dahinter aber: „Hört sich ziemlich wild an, so bunt durcheinander. Sollten da aber anfangs schon drauf achten, daß das mit der genetischen Vielfalt wirklich klappt und jede von uns die Saat von einem anderen in sich aufnimmt und gedeihen läßt, sonst kommt vielleicht noch Verdruß auf.“
Ich ergänzte: „Bei zwei Kandidaten steigt sowieso die Chance, daß überhaupt einer Lust drauf hat, daß Interesse da ist, wenn das beide haben, werden wir uns hoffentlich schon einig werden, wer da mit wem was ausbrütet. Klingt für mich plausibel, wenn da auch Konflikte drohen, bis wir uns da alle einig sind. Da kann es dann schon etwas rundgehen. Immerhin, wenn wir uns einig bleiben und zusammenhalten, wird sich das in Grenzen halten.“
Und da lachten wir beide herzlich.
Ich faßte dann ganz ernst zusammen: „Also gut. Morgen sehen wir uns die Datenblätter der Kryo-Zombies ernsthaft durch. Und wenn wir uns auf zwei Kandidaten oder auch einen festlegen können, sind wir einen großen Schritt weiter. Wir sollten dann schon primär schauen, daß die Kandidaten schon gut zur Kolonie und Mission passen, daß sie also in Forschung oder auch der Organisation der Kolonie gut integriert werden können. Es wäre blödsinnig, sie nur danach auszuwählen, daß wir uns vorstellen können, mit ihnen fröhlich rumzumachen. Das ist zwar auch wichtig, wäre den Kandidaten gegenüber aber respektlos. Sie sollen sich schon mehr als nur mit Sperma und als pure Lustknaben einbringen, sie sollen als Personen wichtig für Kolonie und Mission werden. Wir müssen sie erfolgreich integrieren, nicht frustrieren. Neben möglichem Spaß wird das die eigentliche Aufgabe und Herausforderung sein, die sich uns stellt, wenn wir uns entscheiden, sie wiederauferstehen zu lassen. Wir haben das ja beide erlebt und wir waren auch nicht gerne Mittel zum Zweck. Wenn du dir das umgedreht vorstellst, wenn du nach dem Aufwachen damit konfrontiert worden wärest, nur wiederauferstanden worden zu sein, um willfährige Gespielin zu sein oder damit du einfach mal so schwanger von jemanden werden sollst. So gefügig und willenlos wird sich kaum jemand gleich einfach so hingeben und unterordnen. Also so können wir das unmöglich aufziehen. Das sollte uns schon klar sein, das ist sozusagen das Bonusprogramm, wenn es uns wirklich gelingt, enge Beziehungen zu knüpfen.“
Susi nickte nun auch und schaute ernst: „Natürlich. Du hast ja Recht, nachdem wir nun reichlich darüber gewitzelt haben und lockerer mit dem Thema geworden sind, müssen wir die Herren natürlich respektieren. Und wenn es doch nichts mit ihnen werden sollte, haben wir ja immer noch die anderen Optionen, also ist es eigentlich gar nicht so dramatisch. Wir können locker damit umgehen, uns Zeit nehmen, nichts überstürzen und kultiviert miteinander umgehen.“
Ich lächelte: „Hildegard vertritt da ohnehin die Hypothese, daß schon von selbst etwas passieren wird, wenn man insbesondere Männchen und Weibchen so konzentriert zusammensteckt. Sie hat da ein ziemlich einfaches Modell vom Ablauf der Geschehnisse. Und manchmal denke ich, sie hat damit vielleicht oder zumindest für typische Situationen Recht. Man wählt unter den Möglichkeiten und mit der Entscheidung, mit der aufkommenden Vertrautheit ist es dann auch gut, sofern man jedenfalls harmoniert. Man kommt sich fast automatisch näher und dann wird viel möglich. Vielleicht grübeln wir also einfach zuviel. Kommen die Dinge erst einmal ins Rollen, entwickelt sich das dann schon.“
Wir lachten beide und dabei wurde uns leichter. Immerhin hatten wir so nun eine ganze Weile über ein durchaus heikles Thema gesprochen. Wem fällt es schon leicht, einfach mal so die Familienplanung zu thematisieren und das bei den für uns möglichen Optionen?
Susi schweifte dann etwas ab: „Und es bleibt ja nicht bei unseren eigenen Kindern. Der Plan der Ai ist doch auch, in etwa gleichzeitig weitere Kinder zu haben, also quasi aus dem Vorrat.“
Ich stimmte zu: „Ja natürlich, ich meine, wenn du als Lehrerin dann in wenigen Jahren eine kleine Klasse zusammenbekommst, wäre das doch sehr schön. Und ich bin mir sicher, sind sie erst einmal da, werden wir sie alle mögen, werden sie uns faszinieren mit ihrer Lebendigkeit und Fröhlichkeit.“
Susi war sich auch sicher: „Ja, das werden sie. Übernehmen sollten wir uns aber auch nicht!“
Ich bestätigte: „In unserer vorherigen Diskussion mit den Ais ging ich ja von einer Schätzung von vier oder fünf Kindern pro Jahr aus. Dabei gehe ich davon aus, daß mindestens Ida, Hildegard und Esme auch Betreuungsaufgaben übernehmen. Stanis und Asi werden draußen bei den Gasriesen bleiben, die kommen nicht in Frage. Bei Körk sollten wir nachfragen. Da aber jemand für die Organisation im Asteroidengürtel da sein muß und auch auf die Absorber aufpassen muß, alles im Blick behalten, müßten sich die Ais also eventuell abwechseln, wenn Körk sich an den erzieherischen Aufgaben beteiligen will. Vermutlich bleibt er aber lieber bei seiner aktuellen Aufgabe.“
Susi wirbelte mit einer Hand und meinte amüsiert: „Ist dir eigentlich aufgefallen, daß die Damen unserer kleinen Mission eher alle hier in der Kolonie Zuhause sind, die Herren aber draußen die Gegend erforschen und für unsere Sicherheit und den Nachschub sorgen?“
Ich lachte: „Oh, die Ai haben in dem Sinne doch kein Geschlecht. Die Namen sind doch eher zufällig männlich oder weiblich gewählt. Aber stimmt schon, lustig ist das schon irgendwie, jetzt wo du es sagst, fällt es schon auf.“
Und so lachten wir wieder herzlich und hatten irgendwie ein gutes Gefühl, daß es mit der Mission und der Kolonie nun schon klappen würde. Wir waren zuversichtlich, waren im Hier und Jetzt und würden die Zukunft schon meistern, mit Fehlern, aber doch zäh dranbleiben und unsere Gemeinschaft voranbringen. So schliefen wir mit guter Laune und guten Mutes irgendwann ein.
Das war nun der Neubeginn, wenn darüber auch ein dunkler Schatten lag. War der düstere Ursprung der Kolonie in der von uns verursachten Katastrophe vielleicht doch nur die Fortsetzung der allgemeinen menschlichen Katastrophe?
Wenn sich unsere Kolonie entwickeln würde, würden das dann wieder die gleichen Menschen mit gleichen Entscheidungen und Handlungsweisen werden, die bereits die Erde fast vernichtet hatten?
Hatten wir hier nicht das düstere Werk der Vernichtung längst fortgesetzt?
Oder würde es uns gelingen, mit Liebe und all der begrenzten Klugheit, die wir nur aufbringen konnten, einen wirklichen Neuanfang zu schaffen?
Mir kam es jedenfalls so vor, als hätten wir es nun vor uns, das unentdeckte Land: Die Zukunft.
Biologie
Morgens nach dem Erwachen lief ich meine einsamen Runden im Rundlauf der Station, dachte an Susanne, wie diese zu unserer Entscheidung stehen würde. So oder so würde sie die Katastrophe auf Charybdis schlecht wegstecken. Wir sollten ihr dann schon etwas nach ihrer Wiederauferstehung bieten, was sie von diesen Erinnerungen ablenken würde. Das wäre die Kolonie, am besten wohl mit Kindern.
Aufgrund der Zusammensetzung der Atmosphäre und des vielen Wassers, der vermutlich auch reichlich vorhandenen organischen Stoffe, die wohl auch durch irdische Organismen verwertbar wären, wäre es auf Charybdis sicherlich einfacher.
Die Wahrscheinlichkeit für Überraschungen wäre dort aber auch größer, immerhin schon möglich, daß sich doch noch etwas von den alten Arten durchsetzen könnte. Aber im Grunde wäre auch das gar nicht schlecht, so wären dann jedenfalls die irdischen Organismen eine Starthilfe für die alten, nun fast vernichteten Charybdianer. Sie konnten natürlich genauso zum finalen Sargnargel werden, wobei wir nun ja so ziemlich ausschließen konnten, daß sich die Biosphäre von Charybdis allein jemals wieder erholt hätte. Also konnten wir das abhaken und nun frei abwägen.
Allerdings fragte ich mich natürlich auch, wie Susanne darauf reagieren würde, wenn wir einfach so Nutznießer der durch uns verursachten Katastrophe würden.
Was mir so spontan und plötzlich in den Sinn kam:
Nun hatte es das auf der Erde im kleineren Rahmen auch schon gegeben, sowohl auf Ökosysteme bezogen als beim Menschen auch auf eher willkürliche Unterschiede wie die Zugehörigkeit zu einem anderen Stamm oder einem anderen Volk. Die Indianervölker Amerikas etwa sind ja zum guten Teil durch eher unabsichtlich mitgeführte Krankheiten der einfallenden Europäer ausgerottet worden, gut, einen großen anderen Teil hat man natürlich auch in diversen Völkermorden abgeschlachtet. Trotz dieser Greuel lebten viele Einwanderer in Amerika danach Jahrhunderte ganz ungeniert. Und so profitierten auf der Erde eben viele Eroberer von ihren Untaten und den durch sie verursachten Katastrophen.
Nur sollten wir das hier ungeniert fortsetzen?
Plötzlich hatte ich Bedenken.
Nach dem Frühstück sah ich mir noch diverse Daten im Detail durch. Ida und Esme hatten sich viel Mühe gegeben, im Labor auf Charybdis doch noch etwas mit den alten Arten hinzubekommen, aber alles war praktisch vergeblich gewesen, wenn überhaupt, dann hatte es nur mit Hilfen unter Laborbedingungen funktioniert, nicht mehr draußen.
Und so hatten wir mit Charybdis nun praktisch einen Planeten geschenkt bekommen, der voraussichtlich gut funktionieren würde. Bereits die wenigen versehentlich durch die Kontamination ausgesetzten Mikroorganismen, Algen und Pflanzen breiteten sich rasant aus und änderten bereits jetzt alles.
Und doch wurden meine moralischen Bedenken immer größer. Die reinen Fakten sprachen eindeutig für Charybdis. Mein Gefühl, nicht die alte Tradition der Menschen fortzusetzen und ungeniert auf der Asche der Besiegten zu triumphieren und sie gar noch als Dünger zu nutzen, sprach eindeutig dagegen.
Später ging ich mit den Ais noch einige Punkte durch, wir klärten noch einige Details oder stellten heraus, wo Details noch unverstanden waren, wo Risiken liegen mochten. Ich brachte meine moralischen Bedenken vor, gleichzeitig betonend, daß die Fakten eindeutig für Charybdis sprachen. Die Ais konnten meine Bedenken nachvollziehen, hatten den Gesichtspunkt bislang aber wohl noch gar nicht bedacht.
Esme vertrat die Ansicht: „Nun, trotzdem können wir die Vergangenheit nicht mehr ändern und wir haben die Vernichtung der Vegetation ja nicht angestrebt oder die Katastrophe zu dem Zwecke herbeigeführt.“
Ich stimmte zu: „Ja. Aber ist es nicht doch sinnvoller, ihr bemüht euch darum, die Kontamination einzudämmen, um der ursprünglichen Vegetation eine Chance zu geben?
Gleichzeitig treibt ihr die Bemühungen auf Skylla mit voller Energie voran. Auch wenn es da ein paar Jahrzehnte länger dauern mag, bauen wir so doch nicht unsere Zukunft auf den Leichen unserer Opfer. Sie sind es ja trotzdem, auch wenn sie uns fremd sind, auch wenn wir nicht so viel von ihnen verstanden haben.“
Ida erwiderte: „Das ist etwas drastisch formuliert, aber ich verstehe das Argument. Natürlich können wir weiter versuchen, auf Charybdis noch etwas zu retten, statt den Sargdeckel endgültig zu schließen. Vermutlich wird es nicht gelingen, aber sobald wir das ganz genau wissen und nicht nur annehmen, ist es immer noch früh genug, erneut zu überlegen, was wir mit Charybdis tun. Allerdings, wenn wir so zweigleisig fahren, beansprucht es mehr Zeit, das ist unvermeidlich. Aber das ist dann wohl der Preis für die Katastrophe, die durch unsere Mission erst eingetreten ist.“
Ich nickte und ergänzte: „Und wenn ich euch richtig verstanden habe, drängt uns ja nichts …“
Hildegard bestätigte: „Nein, wir sind da frei, das so zu organisieren, wie wir das für richtig halten.“
Körk äußerte sich nun auch: „Natürlich sehe ich für eine Kolonie bei Charybdis auch mehr Potential für ein schnelles Voranschreiten. Wäre die Katastrophe nicht passiert, hätten wir aber ohnehin Skylla gewählt. Und was, wenn wir auf Charybdis nichts mehr machen, den Dingen ihren Lauf lassen?
Wenn wir nur mit Skylla weitermachen?
Vielleicht etabliert sich ja so eine ganz neue und gemischte Vegetation, was wissen wir denn schon genau, wie sich das verhalten wird?
Wir können nicht unbedingt davon ausgehen, daß die irdische Kontamination zwangsläufig schlechte Auswirkungen hat, vielleicht hilft sie ja auch einigen heimischen Arten, sich wieder zu erholen?
Hätten wir damit nicht mehr erreicht als mit dem vermutlich ohnehin zum Scheitern verurteilten Versuch, die Kontamination rückgängig zu machen?
Das beinhaltet das große Risiko, Methoden zu verwenden, die den charybdianischen Sporen vielleicht mehr zusetzen als den irdischen. Oder haben wir wirklich Ideen, wie wir das machen sollen, nur die irdischen Organismen auf Charybdis zu treffen?“
Wir schwiegen eine Weile, dann warf Ida ein: „Natürlich, das wird schwierig, wir wissen nicht viel, müssen im Labor experimentieren, sorgfältig, um vielleicht etwas zu finden. Unterdessen entwickelt sich die Vegetation ohne uns weiter, aber basierend auf den wenigen Arten, die dort zufällig durch die Kontamination angekommen sind und irgendwie überlebt haben, eben ohne die Arten, die wir einbringen würden, um eine vielfältige Vegetation zu etablieren, die schnell Bedingungen für eine Kolonie schafft.“
Ich entgegnete dazu: „Wenn wir ohnehin eine Kolonie auf Skylla anstreben, ist es ja auch nicht notwendig, daß sich die sich selbst entwickelnde Vegetation auf Charybdis zu unserem Vorteil entwickelt.“
Wir diskutierten noch eine Weile weiter, setzten nun eindeutig den Schwerpunkt darauf, wie vorgegangen werden sollte, um doch noch eine Methode zu finden, der heimischen Vegetation auf Charybdis zu helfen. Wir überlegten und kamen zu dem Schluß, daß vielleicht ein Biologe, ein Mikrobiologe hilfreich wäre, um uns bei dem Problem zu helfen. Auch bei einer Optimierung der Fortschritte auf Skylla sollte das nun helfen.
Und so war plötzlich wieder Peter im Spiel.
Ich grübelte darüber, wie Susi dazu stehen würde.
Immerhin gab es aber eindeutige Sachargumente für Peter, keine persönlichen.
Ich wollte einfach eine Nacht drüber schlafen und dann den nächsten Tag weiter mit den Ais diskutieren. Und so vertagten wir die Sitzung dann erst einmal, wobei Ida und Hildegard gleich noch einmal die Daten vom Labor auf Charybdis durchsehen wollten, sich eventuell schon einmal neue Ideen überlegen, was ausprobiert werden könnte, um die charybdianische Flora der irdischen vorzuziehen.
Ich sichtete noch einmal die Daten der Kryo-Zombies. Es hätte schon noch jemanden anderes gegeben, der auch Kenntnisse in Biologie hat. Ich mußte aber einräumen, unter fachlichem Gesichtspunkt war Peter einfach eine gute Wahl für die aktuell anstehenden Aufgaben. Ich hatte ihn schon bei der ersten Runde nicht nur unter persönlichen Gesichtspunkten ausgewählt, ebenfalls auch an die Mission und die Forschung gedacht.
Schon wieder in meiner Kabine grübelte ich dann weiter. Irgendwie fühlte ich mich in einer Zwickmühle. Peter könnte uns vielleicht dabei helfen, unsere Fehler wieder halbwegs geradezubiegen. Peter könnte dann aber auch eine Belastung der Beziehung zwischen Susi und mir werden, denn es war ja nicht abzusehen, wie sich das entwickeln würde, wenn wir erst einmal zusammen auf der Station wären. Wegen des schlechten Zustandes von Charybdis wollte ich wiederum Susi nicht mit hinzuziehen, so würde die Entscheidung dann an mir und auch an den Ais hängenbleiben. Peter wiederum wäre schlecht zuzumuten, wenn ich erst konserviert würde, bevor er wiederauferstanden wird, wir uns also erst einmal gar nicht kennenlernen würden. Denn ich wußte ja selbst, daß es noch viel verwirrender wäre, allein mit der Situation konfrontiert zu sein.
Oder es doch lassen und die weitere Entwicklung auf Charybdis sich selbst überlassen?
Sich doch ganz auf Skylla konzentrieren?
Auch da könnten wir von Peters Kompetenz profitieren. Ohne die würde es aber auch wohl nur einige Jahre oder Jahrzehnte länger dauern.
Irgendwie kam ich weder zu einem Ergebnis noch zur Ruhe, so bat ich dann Esme, mir ein leichtes Schlafmittel zu verabreichen. Das funktionierte dann immerhin.
Morgens lief ich dann schon im Rundlauf, war immer noch zu keiner Entscheidung gekommen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, wie immer ich es drehte, am Ende würde dabei etwas herauskommen, was wieder auf mich zurückfallen würde. Ich sollte mich wohl allmählich daran gewöhnen zu scheitern.
Blieb dann allerdings die Frage, ob ich das dann eher so gewichten sollte, daß ich mehr aus den Ergebnissen des Scheiterns noch einen halbwegs passablen Nutzen ziehen könnte, oder ob ich eher ein gutes Ergebnis für die Mission im Auge behalten sollte. Nun, für wen sollte ich hier gut aussehen?
Für die Nachwelt?
Naja, sofern sie mich dann jedenfalls nicht noch lebendig auf einem Hexenhaufen für meine Untaten verbrennen würden, konnte es mir ja eigentlich egal sein, wie später lebende Menschen über mich urteilen, vielleicht würden sie mich ja sogar verehren, weil ich zusammen mit den Ais die Grundlagen für die Kolonie gelegt hatte. Da würde man uns doch sicherlich so manche Ungeschicklichkeit und Katastrophe verzeihen, wenn das Ergebnis für sie jedenfalls gut wäre.
Und persönlich?
Ich sollte wohl nicht so egoistisch sein, nur um einen Konflikt mit Susi zu vermeiden, suboptimale Entscheidungen zu treffen, wobei ich dann ja eigentlich auch nur raten konnte, was aus Susis Sicht optimal wäre. Nun, sie war durch den Schock über die Katastrophe zusammengebrochen, fraglich also, ob es da überhaupt eine Lösung geben würde, die sie komplett glücklich machen könnte. Dem Konflikt mit Susi sollte ich mich dann stellen, wenn er konkret würde, statt jetzt schon willkürlich Annahmen zu treffen, was da alles auf mich zukommen könnte. Also doch eher im Jetzt leben.
Und ich hatte das ja nicht alleine zu entscheiden, die Ais hatten ja gleiches Stimmrecht. Ich hatte aber schon das Gefühl, daß sie sich eigentlich auch ganz gerne Meinungen anschlossen, die überzeugend und begründet geäußert wurden. Obwohl sie ja nun zweifellos allerhand drauf haben, preschen sie da nicht gerade mit Entscheidungsfreudigkeit hervor. Nun, vielleicht liegt es auch daran, daß sie aufgrund der Fülle der Informationen die Beschränktheit unserer Möglichkeiten besser einschätzen können und so davor zurückscheuen, Entscheidungen zu treffen, deren Folgen sie nicht wirklich übersehen können.
Und was kann man schon komplett übersehen?
Gut, gerne mache ich das eigentlich auch nicht. Im Laufe meines bisherigen Lebens hatte ich ja viele Dinge dazugelernt, aber damit auch die Grenzen meines Wissens immer besser abschätzen können. Und später wurde dann ja immer deutlicher, daß die meisten anderen Leute auch nicht geradezu mehr wissen, vielleicht einige andere Dinge, aber in einem bestimmten Gebiet ist man oder frau dann ziemlich schnell am Ende des Wissens der Menschheit angelangt. Weitere halbwegs gescheite Fragen lassen einen dann gleich als Expertin erscheinen, schlicht weil die anderen Experten auf dem Gebiet an die Fragen noch gar nicht gedacht haben mochten oder sich insgeheim Ähnliches gefragt hatten, allerdings bislang auch keine Antwort gefunden hatten. Und da sind viele Fachleute dann eben erleichtert, wenn jemand mit schlauen Fragen noch gescheiter und kompetenter erscheint, so weicht irgendwie der Druck der Verantwortung ein wenig an der Front zum Unbekannten.
Und so ist es eben schwierig mit den Entscheidungen, wenn man den Eindruck hat, längst nicht genug zu wissen und sonst auch niemand. Andererseits, wann kann man schon wirklich übersehen, was aus dem folgt, was man gerade so tut?
Als ich dann bereit war und wir die Besprechung eröffnet hatten, wollte ich die Ais aber doch erst einmal kommen lassen.
Und so warf ich einfach mal ein: „Gut, also, was ist nun eure Meinung. Peter oder nicht Peter?“
Es herrschte einen Moment Stille, dann noch einen Moment. Ich hatte sie wohl wirklich erwischt, sie hatten damit gerechnet, nach der Verkündigung meiner Meinung einfach zustimmen zu können oder jedenfalls darauf aufbauend eine eigene Meinung zu entwickeln.
Endlich antwortete dann Ida: „Nun, seit seiner Konservierung hat es einen großen Erkenntniszuwachs auch in der Biologie gegeben, von dem er nichts wissen kann. Wir haben die Daten präsent. Ich vermute schon, er wird sich da einfinden und dann auch nützlich sein, du weißt ja, ein Mensch mit guter Fachkompetenz bringt immer neue Aspekte in die Diskussion, die hilfreich und nützlich sind.“
Körk ergänzte: „Allerdings bringt er auch neue, uns unbekannte Variablen ins Spiel. Nach unseren Informationen war er immerhin einverstanden, konserviert zu werden. Von der Mission weiß er natürlich nichts. Da könnte er bei der Wiederauferstehung auch verstört reagieren, sich hier in einer anderen Zeit in einem anderen Sonnensystem zu finden.“
Esme beruhigte: „Die Situation war bei Michaela und Susanne noch weniger überschaubar und da hat es sich als großer Gewinn für die Mission erwiesen, sie zu beteiligen.“
Ich grinste und brachte zum Ausdruck: „Zuviel der Ehre. Wer weiß, welche Katastrophen erspart geblieben wären, wenn ihr mich hättet friedlich weiterschlummern lassen.“
Körk widersprach: „Nein, nein, die sollst du dir nicht zu eigen machen. Das Päckchen müssen wir schon gemeinsam tragen, unsere Entscheidungen waren immer einstimmig. Wir suchen keine Schuldigen, gucken keine aus. Was wir gemeinsam verbockt haben, verantworten wir auch gemeinsam.“
Ich lachte und lenkte ein: „Na gut, dann zurück zum Thema.
Hildegard, was meinst du?“
Hildegard entgegnete: „Ich bin unentschlossen. Immerhin hast du Peter aber aufgrund der Daten gleich von Anfang an sympathisch gefunden. Andererseits hast du dann aber doch Susanne ausgewählt, allerdings mit der Begründung, Komplikationen so eher zu vermeiden. Komplikationen gab es trotzdem, aber es ist dann doch auch gut gelaufen mit euch beiden. Und es ist immerhin so, daß wir letztlich bei extremen, gewalttätigen Eskalationen immer eingreifen und beruhigen können, ist zwar unerfreulich, aber immer noch besser, als den Dingen ihren freien Lauf zu lassen. Nun schätze ich dich natürlich nicht aggressiv ein. Bei Peter wissen wir das nicht genau, immerhin auch Akademiker, gebildet, mit dem wirst du dich schon unterhalten können, auskommen können, also kein wirklich großes Risiko.
Seine fachlichen Defizite können wir doch leicht aus unseren Datenbanken ergänzen. Er wird neue Ideen einbringen, aber mit mehr Zeit finden wir vielleicht auch etwas ohne ihn.“
Ich warf ein: „Bleibt immer noch die Option, Charybdis in Ruhe zu lassen und uns auf Skylla zu konzentrieren …“
Hildegard blieb etwas vage: „Auch das können wir so durchziehen oder auch darauf hoffen, von Peter zu profitieren …“
Ida wollte es nun wissen: „Michaela, wie ist deine Meinung nun, wo wir zwar etwas ausweichend, aber doch geantwortet haben?
Peter oder nicht Peter?“
Ich seufzte: „Also gut, also gut. Um es auf den Punkt zu bringen, wäre mir ein Rat, ein weiterer Beitrag von einem anderen Menschen schon wichtig, ohne euch da zu nahezutreten, so bin ich als Mensch doch allein bei solchen Beratungen, insbesondere nachdem Susi nun erst einmal ausfällt, bis wir ihr etwas zu bieten haben, was sie hoffentlich über den Schock hinwegtrösten wird. Wenn wir letztlich doch einstimmig Entscheidungen treffen, habe ich doch das Gefühl, daß ihr im Zweifelsfalle schon sehr gerne auf meine Vorschläge eingeht. Da würde Peters vielleicht andere Meinung die Diskussion schon sehr beleben und neue Aspekte einbringen.“
Esme fragte gleich nach: „Also probieren wir es mit Peter?“
Ich lachte und betonte: „Da haben wir es wieder, Zustimmung.“
Ida äußerte sich: „Du bist klug und hast ein gutes Gefühl für Menschen, besser jedenfalls als wir. Da wäre es doch dumm von uns, das nicht bei unseren Entscheidungen zu berücksichtigen.“
Ich lachte und wußte es schon, einmal mehr hing es doch nun wieder an mir.
So nickte ich dann nur und murmelte: „Also gut, dann kommt jetzt Peter, einstimmige Entscheidung?“
Und es war dann eine einstimmige Entscheidung.
Peter wurde dann auf dem Raumschiff in einen einzelnen Konservierungsbehälter umgelagert und dann mit einer Raumfähre auf die Raumstation verlegt. Esme und Hildegard bereiteten mit Robotern die Wiederauferstehung vor.
Ich diskutierte indessen mit Ida das Prozedere nach seinem Aufwachen.
Sollte das ungefähr so ablaufen wie bei mir und bei Susanne?
Bereits bei Susanne hatten wir ja eigentlich keine wesentlich neuen Ansätze entwickeln können. So sollte auch bei Peter zunächst Ida die erste Begrüßung übernehmen, wobei Peter wieder in einer weitgehend leeren Kabine untergebracht wäre, um ihn nicht gleich zu überfordern. Ich würde dann wieder genau beobachten und gegebenenfalls mit Rat und Tat beteiligt sein.
Dann war alles vorbereitet, die Roboter hatten den kompletten Konservierungsbehälter wieder entfernt und sich auch aus der Kabine zurückgezogen. Peter lag dann erst noch reglos auf dem Bett. Es dauerte nicht lange, dann begann Peter, sich zu bewegen. Ida ließ ihm etwas Zeit. Peter regte sich, öffnete die Augen, schaute sich um, erkannte langsam etwas, wirkte erstaunt, verwirrt. Er richtete sich unsicher und etwas wackelig auf, hatte die Ellenbogen gegen die Unterlage gedrückt, den Oberkörper so abgestützt und schaute sich etwas ratlos um.
Ida meinte zu mir: „Jetzt sollte ich Peter wohl ähnlich wie dich und Susanne ansprechen, stimmst du da mit mir überein?“
Ich nickte und bestätigte: „Ja, Peter macht den Eindruck, als wolle auch er dringend wissen, was los ist.“
Und so erklang Idas Stimme in Peters Kabine: „Hallo Peter!
Herzlich willkommen zurück!“
Peter blickte sich um, suchte die zur Person gehörige Stimme, aber natürlich vergeblich. Auch nun wiederholte sich beinahe der Dialog, den ich auch geführt hatte.
Nach einer kurzen Pause fragte also Peter: „Wo bin ich hier?
Wer spricht da?
Was ist mit mir los?“
Ida antwortete: „Wenn du einen gewissen Druck spürst, eine gewisse Verwirrung, ein leichtes Unwohlsein, so ist das nicht so ungewöhnlich, auch ein gewisser Schwindel, der sich schon bald legen wird, ist ganz normal. Körperlich bist du voll funktionsfähig, dein Hirn braucht allerdings noch etwas, um sich zurechtzufinden, einzugewöhnen. Du bist sicher, es passiert dir nichts.
Du kannst mich Ida nennen. Ich bin eigentlich schon hier, nur nicht so wie du. Das ist so in Ordnung und normal. Ich kümmere mich und erkläre dir, was du wissen willst und ich weiß. Um zu beantworten, wo wir sind, müßte ich allerdings wohl viel weiter ausholen.“
Ida wartete etwas ab, Peter schaute sich um, betrachtete wohl auch wie ich neugierig, vielleicht auch etwas verblüfft die Mandalas an der Wand. Dann bat er mit schon etwas entschlossenerer Stimme: „Also gut, wenn du mir erklären könntest, was hier vorgeht, was passiert ist, würde mir das helfen.“
Ida antwortete mit einer Gegenfrage: „Weißt du, wer du bist, was du so typisch tust, etwa beruflich?“
Peter wirkte erst etwas verdutzt, erwiderte dann nach kurzer Überlegung: „Peter Bluhm, Biologe.“
Er nannte auch Wohnort, Adresse.
Ida bestätigte das, fragte dann nach: „Was ist deine letzte Erinnerung, bevor du eben erwacht bist?“
Peter überlegte ein wenig, faßte sich dann grübelnd an den Kopf, setzte sich wieder auf das Bett. Dann rekapitulierte er betont langsam: „Ich war im Krankenhaus, eine Infektion mit einem tückischen Virus, da gab es keine Hoffnung mehr, bin nahezu im Delirium versunken, das war Folge eines Anschlages, der Virus war höchstwahrscheinlich eine Biowaffe, der Anschlag konventionell …
Vergleiche ich meinen jetzigen Zustand mit dem damaligen, fühle ich mich nun aber wieder ziemlich gesund.“
Ida erwiderte: „Ja, bist du auch wieder. Die Krankheit konnte erfolgreich bekämpft werden, die Folgeschäden behoben werden. Weißt du sonst noch etwas über deine letzten Stunden davor, eine Entscheidung von dir?“
Peter rieb sich grübelnd über die Stirn. Nach einer kurzen Pause erinnerte er sich dann: „Ja, ja, da war etwas, mir wurde als letzter Ausweg diese Kryo-Technik vorgeschlagen. Ich war zwar skeptisch, hatte aber nicht mehr die Kraft, da genauer nachzufragen. Sie haben mir gut zugeredet und ich habe zugestimmt, mehr weiß ich nicht.
…
Heißt das, ich wurde wirklich eingefroren und das hat geklappt und nun bin ich geheilt?“
Ida bestätigte: „Ja, so in etwa, wir nennen das nun Konservierung. Und die Heilung hat dann geklappt. Du bist jetzt wieder ganz gesund, sozusagen besser als vor der Infektion sogar.“
Peter nickte: „Gut gut, aber warum bin ich dann in dieser Isolationskammer, warum ist hier niemand, besteht immer noch Gefahr für andere?“
Ida beruhigte: „Nein, durch den Virus besteht sicher gar keine Gefahr mehr, weder für dich noch für andere. Da kannst du beruhigt sein. Eine Isolationskammer ist es auch nicht. Und es ist nur niemand persönlich bei dir, weil wir nicht so genau einschätzen konnten, wie du reagieren würdest. Aber das ist ja ganz in Ordnung. Deine Werte sind gut.“
Peter wirkte nun sichtlich erleichtert und erfreut: „Prima, ist unerwartet, aber gut, das ist super. Ich habe es überstanden, überlebt.
Unglaublich!
Ich danke!
Danke!“
Peter streckte in einer jubelnden Geste seine geballten Fäuste in die Luft.
Ida reagierte ruhig: „Gar kein Problem. Ist mir ebenfalls eine Freude, dir diese gute Nachricht überbringen zu können.“
Peter marschierte nun durch den Raum, hatte schon deutlich mehr Energie und Kraft als ganz zu Beginn.
Dann wollte er wissen: „Also gut, wo bin ich denn eigentlich, wie geht es nun weiter?“
Ida antwortete wie gehabt mit sehr ausgeglichener, emotionsloser Stimme: „Ja, das wird etwas unerwartet kommen, dafür muß ich wohl etwas weiter ausholen. Fangen wir vielleicht erst einmal damit an, wann du gerade bist, also es ist mittlerweile etwa 697 Jahre nach deiner Konservierung, also so nennen wir das, was du etwas unzutreffend einfrieren genannt hast …“
Weiter kam Ida nicht, denn Peter brüllte los: „Was???
697 Jahre?
Das ist doch Wahnsinn!
Das ist ein Witz, oder?“
Ida führte dazu lediglich ganz trocken aus: „Nein, keineswegs. Das sind die Fakten, ich kann nichts daran ändern, habe mit den Entscheidungen zu deiner Konservierung nichts zu tun, bin erst viel später damit betraut worden, mich zu kümmern. Und nun wurde entschieden, daß du wiederauferstehen solltest, das wurde erfolgreich bewerkstelligt. Nun bist du hier.“
Peter trommelte gegen eine Wand, Ida fragte mich, ob sie etwas unternehmen solle, ich schüttelte nur den Kopf, fragte nur nach, ob die Wände es aushalten würden, da war sich aber Ida sicher und auch seine Werte schienen noch im Rahmen zu sein, so stimmte ich nur einem leichten Beruhigungsmittel zu. Einstweilen sagte Ida aber nichts mehr, wir wollten Peter etwas Zeit lassen, sich erst einmal zu finden.
Nachdem Peter sich etwas beruhigt hatte, vielleicht auch, weil er eingesehen hatte, daß niemand auf seinen Ausbruch von Wut und Frustration reagiert hatte, fragte er dann: „Aber warum solange?
Hat das wirklich solange gedauert, ein Gegenmittel gegen das Virus zu finden?
Das müßte dann doch katastrophal gewütet haben …“
Ida beruhigte: „Nein, also zu deiner Zeit hat man den Ausbruch schon halbwegs passabel in Schach gehalten, es hat sich daraus keine Epidemie ergeben. Ein Heilmittel hätte es auch schon früher gegeben. Es gab dann nur rechtliche Probleme mit der Wiederauferstehung.“
Peter wirbelte herum, rief aus: „Rechtliche Probleme?
Was für rechtliche Probleme?
Davon hat man mir damals aber bestimmt nichts erzählt!“
Ida erläuterte dann geduldig und mit einigen erregten Zwischenfragen des völlig zurecht verärgerten Peter die rechtlichen Probleme und die Defizite in der gesetzlichen Einordnung von Kryo-Zombies, ebenfalls diese Begriffsbildung. Peter frustrierte das enorm. Er konnte sich ähnlich schlecht wie ich in die juristische Problematik von toten oder vielleicht auch nicht toten Personen hineinfinden. Das ist leicht nachvollziehbar, zumal wenn man selbst solch ein Kryo-Zombie ist, sich selbst aber ganz lebendig fühlt, was formal gesetzlich aber augenscheinlich damals bestritten wurde oder unklar war. Nun, formal, solange man in der Konservierung ist, ist man sicherlich nicht lebendig. Und Präzedenzfälle von Menschen, die über längere Zeit tot waren und dann wieder mitmachen wollten, hatte es zuvor nur wenige gegeben. Das zum Anlaß zu nehmen, die Betroffenen einfach nicht wiederauferstehen zu lassen, schien mir auch schon sehr zynisch zu sein, als ich das das erste Mal gehört hatte. So konnte ich gut nachvollziehen, wie Peter nun vor Wut schäumte. Mit meiner Zustimmung erhöhte Ida die Dosis des Beruhigungsmittels wieder etwas, um Peter über die Juristerei hinwegzutrösten.
Noch immer hatten wir Peter nicht mitgeteilt, wo er eigentlich war, aber da bot sich nun eigentlich ein Anknüpfungspunkt, auf den ich Ida hinwies, die mir zustimmte. Ida erläuterte daraufhin ganz ruhig und sachlich, wie die rechtlichen Probleme der Kryo-Zombies ausgenutzt wurden, um so Menschen für eine extrasolare Mission 4, kurz ESM4, zu gewinnen und wie man damit dann auf der Erde auch das rechtliche Problem entschärfte, weil so ja nun die Anzahl der Kryo-Zombies ohne definierten Status drastisch reduziert worden sei.
Ida hatte die kleine Geschichte wirklich bis zum dramatischen Ende erzählen können, bevor Peter schaltete und hinterfragte, warum Ida das erzählt hatte.
Ich griff da nicht ein, obwohl ich ja schon wußte, daß Ais in Sachen Empathie noch deutlich hinter meinen nicht sonderlich ausgeprägten Fähigkeiten zurückbleiben. Ich hätte ja auch nicht gewußt, wie es besser geht.
Und so erläuterte Ida Peter ganz trocken, wo er gerade war.
Peter setzte sich erst einmal und mußte die Information verarbeiten, bevor er weiter reagieren konnte. Ida interpretierte das so, daß er das ganz gelassen hinnahm und fuhr fort, die Historie unserer Mission knapp wiederzugeben.
Ob Peter das wirklich alles registrierte, kann ich gar nicht einmal sagen, jedenfalls stierte er so vor sich hin.
Ich wies dann Ida auf seine gesundheitlichen Daten hin, was Ida zum Anlaß nahm, die Dosis an Beruhigungsmitteln leicht zu erhöhen. Zudem merkte sie mir gegenüber an, daß es da einen Widerspruch gäbe zwischen Peters ruhigem, fast stoischem Zustand und seinen Biodaten. Ich wies auf meine Interpretation leichter Überforderung hin. So ließen wir Peter ein wenig Zeit, die gegebenen Informationen wieder zu verarbeiten.
Als Peter auf Nachfrage wieder reagierte, fuhr Ida dann fort, ihn mit Informationen zu füttern. Die Reihenfolge und die Details von Idas weiterer Unterrichtung waren etwas anders als bei Susanne oder mir, aber Ida stattete nun allmählich ihren Bericht ab, ein paar mehr Details zu den Fortschritten in Biologie und Medizin, sonst aber vergleichbar mit dem, was sie Susanne und mir bereits eröffnet hatte. Nebenbei brachte Ida dann auch unter, daß sie eine Ai ist, erläuterte auch da Fortschritte und den aktuellen Stand grob. Und so bekam Peter dann eben ganz gut mit, was seit seiner Konservierung passiert war. Ida betonte ebenfalls den Sachverhalt, daß wir alle ohne unsere Zustimmung für die Mission ausgewählt und losgeschickt worden seien, auch die Ais, daß es nichts von dem mehr gäbe, was für Peter vor der Konservierung sein Hier und Jetzt gewesen sei, alles habe sich auf der Erde verändert, schon von daher gäbe es kein Zurück ins alte Leben, kein Zurück zu Bekannten und Verwandten – und bei unserer aktuellen Entfernung zur Erde und unseren Möglichkeiten schon gar nicht. Peter nickte nur noch erschöpft. Seine Daten zeigten schon erheblichen Streß, einen Schock, aber wie sollten wir es anders machen, wie ihn schonend darüber unterrichten, daß ein ganz neues Leben vor im lag und für eine Diskussion von Alternativen gar keine Grundlage vorhanden war?
Zum Ende der Informationsflut fragte Ida dann nach, ob Peter kurzfristig noch Fragen habe.
Und Peter wollte dann auch wissen: „Was ist mit den anderen Kryo-Zombies der Mission. Sind die noch alle eingefroren oder sind welche wach?“
Geduldig erläuterte Ida: „Wir waren da bislang sehr zurückhaltend mit dem Wiederauferstehen von Menschen. Außer dir haben wir das bislang bei zwei Personen gemacht. Aufgrund eines bedauerlichen Zwischenfalles ist eine dieser Personen derzeit wieder konserviert, eine andere Person ist allerdings wach und beteiligt sich aktiv an der Mission.
Wir haben uns entschieden, dich wiederaufzuerstehen, weil wir uns von dir Hilfe bei der Mission erhoffen.“
Peter unterbrach: „Hilfe von mir, der ich Jahrhunderte verpennt habe?
Wie?
Es erscheint mir alles so sinnlos und surreal.
Das fühlt sich alles nicht echt an …“
Ida antwortete: „Über deine Gefühle tauscht du dich vielleicht besser mit dieser anderen Person aus, sie heißt Michaela und ist sehr nett. Wir Ais sind hinsichtlich zwischenmenschlicher Feinheiten nur mit begrenzten Möglichkeiten ausgestattet.“
Peter nickte: „Ja, ja in Ordnung. Und zum Warum?“
Und so erläuterte Ida etwas genauer die Geschehnisse seit unserer Ankunft in diesem Sonnensystem, berichtete von den Funden außerirdischen Lebens und dann auch von der Katastrophe, von der Kontamination von Charybdis und unserer Idee, genauer zu untersuchen, ob wir der charybdianischen Vegetation nicht doch noch auf die Sprünge helfen könnten. Sie berichtete auch vom Stand der Dinge auf Skylla, unserem Projekt der Terraformung dort und wie er dort vielleicht etwas beitragen könne, um das Projekt schneller und effizienter voranzubringen.
Einmal mehr zeigte sich Peter extrem verblüfft, hakte wegen des außerirdischen Lebens aber interessiert nach. So interessierte Ida in bereits für unsere Mission, lockte ihn mit seiner wissenschaftlichen Neugier eigentlich ganz geschickt, um ihn sozusagen ganz mit ins Boot zu holen. Und erfreulicherweise schluckte Peter diesen Köder, so daß ihn Ida behutsam auf unsere Seite zu ziehen begann.
Das funktionierte jedenfalls ganz gut, denn mit etwas Fachsimpelei und Auseinandersetzung mit konkreten Problemen unserer Mission beruhigten sich Peters Biodaten deutlich. Ich wies darauf hin und Ida reduzierte die Beruhigungsmitteldosis gleich.
Nachdem sie Peter so eine erste kurze Einführung in unsere aktuellen biologischen Aspekte der Mission gegeben hatte, war sie eigentlich so weit durch.
Und so stellte sie dann fest: „Prima, es freut mich, daß du dich gleich so interessiert gezeigt hast. Ich hoffe auf eine gute Zusammenarbeit. Mit solchen Fragestellungen hast du auch gleich gute Chancen, dich mit deiner neuen Situation vielleicht sogar anzufreunden, meinst du nicht?“
Ich nickte, Respekt, Ida hatte es sogar einmal hinbekommen, eine offensichtlich rhetorische Frage mit einer kleinen, aber feinen Prise Ironie zu formulieren. Auch in der Hinsicht machte sie eindeutig Fortschritte.
Lachen wollte Peter aber leider noch nicht, er nickte ebenfalls dazu: „Nun, ich hoffe, du hast Recht, derzeit fühle ich mich jedenfalls noch etwas verloren und fremd hier …“
Ida schlug vor: „Wenn du friedlich bist, könnte sich Michaela gleich persönlich vorstellen. Wie schon gesagt, sie ist auch ein Kryo-Zombie und erstmals kurz vor unserer Ankunft hier im Sonnensystem wiederauferstanden. Sie könnte dir vielleicht unsere schöne Gartenanlage auf der Raumstation zeigen. Vielleicht kommt dir das schon etwas vertrauter vor.“
Peter erwiderte: „Ja, natürlich, sehr gerne.
Ich bin nicht aggressiv.
Ich war eben nur etwas überfordert und habe deswegen gegen die Wand getrommelt. Bitte verstehe das nicht falsch, ich möchte hier nicht in dieser Gummizelle versauern.“
Ich schlug Ida vor, ehrlich über die Medikamentierung zu berichten.
Ida stimmte zu, erläuterte Peter dann: „Das mußt du nicht befürchten. Michaela hat gerade vorgeschlagen, dich auf unsere medizinische Überwachung hinzuweisen. Im Notfall können wir schon allerhand kontrollieren, haben dir für diese Phase der Wiederauferstehung auch leichte Beruhigungsmittel verabreicht.
Michaela hat durchgesetzt, daß wir sonst nur in Notfällen ohne vorherige Absprache Medikamente verabreichen. So kannst du einerseits sicher sein, von uns nicht irgendwie benebelt oder insgeheim manipuliert zu werden. Andererseits ist aber auch sichergestellt, daß bei Krisen, Unfällen oder auch extremen Konflikten Hilfe da ist, um eine Situation zu entschärfen. Wir wollen offen miteinander umgehen, von daher wird dir das natürlich nicht verheimlicht. Wir können im Notfall schon allerhand tun, ohne Absprache passiert das sonst aber nicht.“
Peter nickte: „Ja gut, danke. Ist sicher nicht so einfach auf einem Raumschiff oder einer Raumstation.“
Ida erläuterte: „Wir haben auch nicht so viele Daten über die Psyche der jeweiligen Kryo-Zombies, meist gar keine, von daher sind wir da etwas auf das Glück angewiesen, eine funktionierende Kombination zu finden, nun, bei menschlicher Beteiligung dann auch auf Intuition vielleicht.
Gut, dann öffne ich also die Tür und du kannst Michaela kennenlernen und auch unsere Gartenanlage.“
Und so machten wir es dann auch. Ich gab Peter zur Begrüßung die Hand und geleitete ihn in die schöne Gartenanlage, die mich auch gleich beim ersten Anblick so begeistert hatte. Natürlich ist sie schon ein gutes Stück entfernt von einer natürlichen Umgebung, aber doch schon viel näher dran als die Kabine oder auch der Aufenthaltsraum, den wir kurz durchquerten. Im Garten angekommen, atmete Peter dann auch richtig auf und wir unterhielten uns ein wenig, während ich ihn herumführte und ihm zeigte, was der Garten so zu bieten hatte. Ich erzählte etwas über mich und er war verblüfft, denn von meiner Geschichte hatte auch er gehört, natürlich auch anonym und nicht direkt mit meiner Person verknüpft, hatte das immer für eine Legende der Kryo-Technik gehalten oder für ein reines Werbemärchen, um die Leute zu locken und zu faszinieren, der Entwickler, der seine neue Erfindung gleich nutzt, um dem von ihm versehentlich herbeigeführten Schicksalsschlag doch noch ein Schnippchen zu schlagen.
Peter erzählte auch über sich, seine Forschung damals, auch über sein sonstiges Leben. So erfuhr ich auch nebenbei, daß zum Zeitpunkt seiner Konservierung seine Familie, also Eltern und Großeltern die engsten Bezugspersonen waren, eine Freundin hatte er da nicht, war auch zu sehr mit seinem Forschungsprojekt beschäftigt. Aus dieser Angabe implizierte ich dann schon einmal, daß er sexuelle Interessen eher auf Frauen bezog, wenngleich er damals aktuell keine Beziehung gehabt hatte. Ich fragte da aber auch nicht indiskret nach früheren Beziehungen oder gar Details seiner vielleicht sonstigen sexuellen Aktivitäten, das gehörte ja nun auch üblicherweise nicht in solch ein Gespräch. Neugierig wäre ich natürlich schon gewesen, denn so vom Aussehen und Verhalten her konnte ich mir vorstellen, daß sich da wohl relativ einfach diese oder jene gefunden hatte, die massives Interesse gehabt hätte. Er machte eben einen sehr guten Eindruck auf mich, jetzt im Original noch mehr als zuvor nur durch seine dünne Akte. Er war schon ein Hingucker, wo frau schon Hand und sonstwas anlegen möchte, um das wenigstens mal eingehend zu prüfen, wie sich das so anfühlt, wie er quasi in der Hand liegt.
Ich erzählte dann auch etwas ausführlicher über meine bisherigen Erlebnisse auf der Mission, stellte Peter dabei auch die anderen Ais vor, erläuterte dann auch kurz, wie die Namen zustandegekommen waren. Das amüsierte Peter, wir lachten, er konnte so noch mehr entspannen.
Dann erzählte ich auch von Susi und wie sich das mit uns entwickelt hatte, auch wie die Katastrophe dann zu ihrem Zusammenbruch geführt hatte, zu ihrer abermaligen Konservierung.
Da wurden wir dann wieder deutlich ernster. Immerhin schlug ich so den Bogen zu unseren Überlegungen, was wir noch für Charybdis tun könnten, um unseren Fehler sicher nicht wieder gutzumachen, aber doch vielleicht noch etwas zu retten. Ich berichtete auch von unserer Entscheidung, trotz der besseren Aussichten auf Charybdis die geplante Kolonie auf Skylla aufzubauen.
Peter konnte das ganz gut nachvollziehen. Er bedauerte sehr, nicht die Gelegenheit gehabt zu haben, die ursprüngliche Vegetation von Charybdis zu erforschen, war sehr fasziniert von dem Gedanken, daß Myke ein gewisses Maß von höherer Intelligenz gehabt haben könnte, denn wie hätte er sich sonst mit uns in dieser abstrakten Form austauschen können?
Dann kam ich zu dem Punkt, wo wir dann entschieden hatten, daß die Ais erst einmal weitermachen sollten und ich ebenfalls konserviert wurde.
Und 56 Jahre später wurde ich ja wiederauferstanden und wir hatten erneut zu beraten, wie weiter vorzugehen sei, insbesondere wegen der Kontamination von Charybdis mußten wir uns ja nun der Frage stellen, was nun noch zu retten sei. Und da kam ja nun Peter ins Spiel mit unserer Hoffnung, daß er als Biologie, Mikrobiologe Möglichkeiten finden würde, welche die Ais übersehen haben mochten oder was jedenfalls noch probiert werden könnte, um mehr zu verstehen und doch noch etwas zu entwickeln, was Charybdis helfen könnte, aber vielleicht auch die Entwicklung auf Skylla vorantreiben könnte.
Peter verstand nun die Zusammenhänge besser, auch unsere Motivation, ihn wiederaufzuerstehen. Und so ehrlich zugegeben und an eine konkrete Aufgabe geknüpft steckte er das ganz gut weg. Das hatten Ida und ich vermutlich nun besser hinbekommen als bei Susi, das hoffte ich jedenfalls.
Peter wirkte nun auch psychisch und physisch deutlich robuster, wirklich ein ordentliches Leckerchen als Mann, auch überlegt und mittlerweile auch ohne Beruhigungsmittel friedlich und relativ entspannt. Er begann bereits, sich in sein neues Leben einzufinden. Damit konnten wir doch ganz zufrieden sein.
Weil er danach fragte, erläuterte Esme dann noch kurz das Konzept der Station, also den Torus, die Aufteilung in Funktionsbereiche, die Symmetrien, die Rotation zur Bereitstellung eines Äquivalents zur Schwerkraft, die maximalen Kapazitäten und Möglichkeiten der Station, auch den Schutz vor Einschlägen und vor Strahlung. Peter wies dann auf die Gartenanlage hin und fragte nach, was damit passiere, wenn aus irgendwelchen Gründen nicht mehr rotiert werde.
Die Situation hatten wir ja wirklich schon. Esme erläuterte, die Wasserläufe und Teiche würden dann mit Folien gesichert. Das Erdreich sei ohnehin durch ein Gemisch der Pflanzenwurzeln mit einem Geflecht zur Fixierung mehr oder weniger gesichert. Sicherlich sei in solch einer Situation hier viel unterwegs und es sei uns dann nicht zu empfehlen, diesen Bereich zu betreten und nachher müßte wieder aufgeräumt werden.
Als weiteres Beispiel besuchten wir dann einen benachbarten Bereich mit Agrarkulturen und einigen Experimenten. Hildegard führte uns mit einem Roboter herum und dem interessierten Peter wurde einiges von aktuellen Projekten erläutert. Peter war dann auch sichtlich beeindruckt, was Hildegard und Esme alles berücksichtigten, um funktionierende komplexere symbiotische Systeme und ganze Ökosysteme im Kleinformat aufzubauen. Ein Teil davon würde dann direkt hier auf der Raumstation verwendet werden, der größere Teil der Ergebnisse aber in die Arbeit auf Skylla einfließen.
Dann wechselten wir in den großen Aufenthalts- und Arbeitsraum und Ida, Esme und Hildegard zeigten uns Daten und Bilder aus den Laboren direkt auf Skylla und Charybdis.
So bekam Peter einen ersten Eindruck davon, was derzeit auf seinem zukünftigen Aufgabengebiet gearbeitet wurde. Wir zeigten ihm dann auch Aufnahmen vom ursprünglichen Charybdis vor der Katastrophe und Peter war sehr fasziniert über diese ganz andere Welt, die sich vor ihm eröffnete.
Er sollte heute ja nur einen Überblick bekommen, nicht gleich voll einsteigen, so schlug ich dann vor, ihm dann auch gleich noch einen Eindruck davon zu vermitteln, was Stanis und Asi bei den Gasriesen gefunden hatten, insbesondere auf jenem Eismond. Und als Peter dann sah, was da im Meer unter der Eisdecke des Eismondes los war, haute es ihn beinahe vom Hocker, welch komplexes Ökosystem wir da vorgefunden hatten.
Von Stanis und Asi war inzwischen auch eine kurze Grußbotschaft zur Wiederauferstehung eingetroffen, so war Peter dann auch mit diesen beiden bereits bekanntgemacht.
Zur Abrundung boten wir ihm dann noch einige Bilder von Sonden im System, Skylla und Charybdis aus Umlaufbahnen aus gesehen, auch Raumschiff und Raumstationen von außen auf ihren Umlaufbahnen. Solche hübschen Weltraumbilder machen ja deutlich war her, insbesondere wenn man das nicht gewohnt ist und gerade aus früheren Jahrhunderten wiederauferstanden wurde.
Nach meiner Zeiteinteilung war es inzwischen Abend und ich hatte Hunger, denn bei all der Aufregung um Peter war ich bislang gar nicht dazu gekommen, nach dem Frühstück noch etwas zu essen. Es sah natürlich etwas doof aus, daß ich all das leckere Essen und Trinken vor mir hatte, so wurde Peter dann über die Funktion des Anzuges aufgeklärt, der ihn ja in der Übergangsphase erst noch ernährte und versorgte. So bekam er nur eine Kleinigkeit zu trinken. Geduldig erläuterte Ida dann, der genaue Zeitablauf sei auf die jeweilige Person abgestimmt, um sie schonend gänzlich von den Substanzen der Konservierung zu befreien, dabei allmählich die Versorgung umzustellen. Je nach den aktuellen Biowerten würden wir dann kurzfristig entscheiden können, was Peter bereits zu sich nehmen dürfe. Und so durfte Peter einstweilen nur gucken, was aus den Produkten unserer Agrarkulturen so zu machen ist, durfte schon einmal schnuppern und sich vorfreuen.
Nun waren wir beiden durch den ereignisreichen Tag ziemlich geschafft, daher sahen wir dann entspannt nur noch einen Film an, wünschten uns dann eine gute Nacht und gingen auf unsere Kabinen. Zuvor hatten wir noch abgemacht, daß Peter zur gleichen Zeit wie ich geweckt werden sollte. So könnte er dann auch schon einmal versuchen, mich auf dem Rundlauf zu begleiten.
Peter berichtete dann am nächsten Morgen, er hätte dann doch nach Rücksprache mit Esme ein leichtes Schlafmittel gebraucht, um einschlafen zu können, so viele Gedanken seien ihm im Kopf herumgegangen. Das konnte ich gut nachvollziehen. Nun fühlte er sich aber gut und erfrischt durch den tiefen Schlaf und wir drehten dann gemeinsam ein paar Runden im Rundlauf. Die Bewegung tat ihm gut.
Wir plauderten etwas über die Tagesplanung, Peter hatte nur eine ungefähre Vorstellung, so schlug ich dann vor, er solle doch etwa Hildegard bitten, ihm eine Übersicht über die Entwicklungen in der Biologie zusammenzustellen.
Ida könnte ihm doch derweil zeigen, wie er Zugriff auf die bisherigen Daten der Projekte für Charybdis und Skylla erhalten könne, auch auf unsere Daten von vor der Katastrophe. Wir könnten dann ja auch gemeinsam beraten, wie er im Detail vorgehen könnte, wenn er nach einigem Herumstöbern noch keine eigenen Ideen entwickelt hätte, wie er es angehen sollte. Ich meinte, er solle es nur ruhig angehen lassen und nichts überstürzen. Die Zeiträume, in denen wir hier denken müßten, seien dann schon doch etwas andere als etwa bei einem Forschungsprojekt an der Uni.
Peter grinste und nickte.
Das Frühstück beschränkte sich für Peter dann wieder auf ein Getränk, nun etwas mehr als am Abend zuvor. Bald darauf setzten wir uns dann an die Arbeit. Ich sah mir einige Sachen an, die Körk über seine Aktivitäten zu bieten hatte, auch etwas von den Aktivitäten am Asteroidengürtel Geri.
Dann schaute ich aber auch nach den biologischen Projekten auf Charybdis und Skylla. Das war ja nun nicht mein Fachgebiet, hatte mir aber natürlich schon einiges Wissen angeeignet, weil wir ja doch ständig damit zu tun hatten. Und weil es ja einfacher ist zu lernen, wenn man mit anderen spricht, erzählte mir dann Peter auch gern mittags, was er bereits gelernt hatte und so ging unsere Konversation ganz gut und locker. Wir verstanden uns gut und hatten eigentlich gleich einen Draht zueinander. Wie schon bei Susi überraschte mich das eigentlich etwas, denn so kontaktfreudig bin ich eigentlich gar nicht, Susi war das auch nicht und Peter ist nun auch eher der sachliche, eher etwas zurückhaltende Typ, was ihn mir aber auch gleich noch etwas sympathischer machte als ohnehin schon. Es wäre mir nun nicht so leichtgefallen, mit einem Mann mit ausgeprägtem Balzverhalten umzugehen. Nun, immerhin gab es hier für Peter keine konkurrierenden Männchen, also keinen Anlaß, den Testosteronspiegel und den Streßpegel steigen zu lassen. Und so war es dann ein Vergnügen, den Tag mit Peter zu verbringen, zu plaudern, zunehmend auch zu fachsimpeln.
Mittags durfte er dann auch schon etwas feste Nahrung probieren, abends dann bereits etwas mehr.
Esme erläuterte dann, daß Peter bei Bedarf den Anzug nun auch ausziehen dürfe, wenn er allerdings noch bis zum morgigen Tag warte, sei dies noch besser. Der Anzug war für Peter schon gewöhnungsbedürftig, obgleich er ja wie angegossen, wie eine zweite Haut sitzt und mir meiner nun schon fast gar nicht mehr auffiel. Dabei sollte man bei unserer Konstellation nun noch sagen, daß solch ein eng ansitzender Anzug schon einiges von der Körperlichkeit mehr als nur andeutet. Mir war durchaus nicht entgangen, daß Peter schon gerne schaute, da er das wiederholt tat, auch oder insbesondere, wenn er vermutete, daß ich es nicht bemerkte, implizierte ich schon, daß ihm gefiel, was er da sah.
Ich schmunzelte.
Aber das ist ein ganz normales Verhalten, man(n) guckt eben gerne, was so anliegt und was anregt.
Nunja, mir gefiel auch gut, was ich da sah, schaute aber auch nicht so auffällig, aber aber schon selbst mehr auf meine Haltung, die Präsentation in der Bewegung und der Mimik. Frau stellt sich mal eben gerne attraktiv und vorteilhaft und verlockend dar, guckt eben auch mal gerne, also so rein interessehalber, da steckt kein Tiefsinn dahinter, auch das ist Biologie. Da kann man und auch frau nichts dran machen. Immerhin war sein Anzug so konzeptioniert, daß das männliche Gemächt geschützt in einem Ausstülpung verborgen lag. So würden also eventuelle Regungen oder Erregungen nicht unmittelbar auffallen, allenfalls vielleicht an einem dann nicht mehr ganz korrekten Sitz des Anzuges in dem Bereich. An unseren medizinischen Daten hätte man sicher schon mehr erkennen können, aber die waren ja gemäß der Verabredung mit den Ais nicht direkt zugänglich und wurden außerhalb von Notfällen von Subsystemen gehütet. Und bei einem Notfall waren wir sicher noch lange nicht.
Seinen Anzug betreffend wollte Peter jedenfalls artig und geduldig sein und bis zum nächsten Tag warten. Nach einem gemeinsamen Film als Abendprogramm verabschiedeten wir uns dann wieder in unsere Kabinen.
Den nächsten Morgen drehten wir dann wieder unsere Runden gemeinsam, plauderten, planten grob den Tag. Unsere Konversation verlief locker, wir lachten gemeinsam, verstanden uns gut, schauten uns immer mal wieder kurz gegenseitig an, das fühlte sich gut an, wir kamen gut klar, es klappte gut mit unserer Sozialisierung, was dann auch erleichterte, denn vor der Wiederauferstehung kann man sich ja nicht sicher sein, was passieren wird, wie Menschen so miteinander auskommen. Wir schienen jedenfalls Glück zu haben und verstanden uns gut, das paßte dann schon.
Dann hatte Peter beim Frühstück seine erste komplette Mahlzeit und er genoß es!
Das machte richtig Spaß, dabei zuzusehen, wie er es genoß, wieder etwas zu essen. Wir lachten und amüsierten uns. Ich bot einfach mal auf, was er unbedingt einmal an Früchten und sonstigen Spezialitäten probieren sollte. So wurde das Frühstück gleich zu einer etwas albernen Schlemmerei, weil wir das Durchprobieren gleich etwas übertrieben und überzogen. Aber so war unsere Stimmung ausgezeichnet. Es gab sogar mehr oder versehentliche zarte Berührungen bei der Übergabe dieser oder jener Kostprobe, was die Aktion gleich noch einmal deutlich prickelnder machte. So gestaltete sich das Frühstück gleich etwas ausgedehnter und anregender als gedacht.
Das hielt uns dann aber nicht davon ab, uns gleich motiviert in die Arbeit zu stürzen und voranzukommen. Wir tauschten uns aus, Peter holte schnell auf, was er in der Konservierung verpaßt hatte, ich lernte mit und durch ihn ordentlich dazu und verstand so deutlich besser, worauf wir bei unseren Projekten achten sollten, was untersuchen, wie das im Detail zu interpretieren war, was die Ais bereits herausgefunden hatten, wo es Zusammenhänge gab, wo noch Unverstandenes, wo es Gemeinsamkeiten zwischen den Organismen der Erde und von Charybdis gibt, wo Unterschiede. Ich verstand ziemlich schnell, daß es so durch Peter die Chance gab, das alles noch einmal aus einem etwas anderen Blickwinkel komplett von vorne aufzurollen und zu verstehen zu versuchen. Und diese frische, andere Sicht auf die Dinge wollten wir ja gerade durch Peter bekommen. Auch von daher lief das nun sehr gut und bereits in die gewünschte Richtung.
Auch das Mittagessen artete wieder in eine üppige Probiererei und ausgedehnte Schlemmerei aus. Gut, dies aufgrund des Frühstücks voraussehend, hatte Esme ohnehin nur kleine Portionen vorbereiten lassen. So konnten wir mühelos ein großes Spektrum an wahren Geschmacksexplosionen abdecken und genießen. Wir schwelgten geradezu in Geschmack, Textur und Vielfältigkeit. Das war fast schon ein Rausch, und so mit Peter zusammen auch für mich noch einmal ein ganz anderes Erlebnis, obwohl ich an diese Speisen ja bereits gewöhnt war. Es gab allerdings auch für mich Neues zu entdecken, denn Esme hatte da auch Variationen parat, die ich noch gar nicht ausprobiert hatte.
Nach dem Mittag forschten und lernten wir dann gemeinsam motiviert und fleißig weiter. Trotz der kurzen Zeit fühlte ich mich nun Peter schon sehr nah und ich überlegte mir, wie das weiterlaufen mochte.
War das so richtig?
Sollte ich mehr sachliche Distanz wahren?
Oder doch besser einfach die Gesellschaft genießen und nicht so viel darüber grübeln?
Ich ließ es einfach mal so laufen, schließlich war doch alles ganz harmlos, es entwickelte sich eine kollegiale Freundschaft, eine Nähe durch gemeinsame Interessen und auch dem simplen Sachverhalt, daß wir ja ohnehin die einzigen wachen Menschen weit und breit waren, welche andere Gesellschaft hätten wir sonst finden können?
Auch das Abendessen war dann wieder eine köstliche Aktion, ein tolles, gemeinsames Erlebnis. Das setzten wir dann einfach fort mit einem kurzweiligen Gesellschaftsspiel.
Peter durfte dann ja den Anzug ablegen. Daher zeigte ich ihm nun auch den Duschraum, erinnerte mich kurz an mein erstes amouröses Erlebnis mit Susanne hier, unsere ersten zaghaften Annäherungen. Darauf wollte ich es bei Peter nun nicht anlegen, daher rief ich Esme hinzu, um gemeinsam zu klären, wie der Anzug abzulegen wäre und auch wieder an. Ich deutete das diesmal bei meinem Anzug nur an, statt es vorzuführen. Peter folgte aufmerksam den Abläufen, nickte, deutete auch nur an. Im Zweifelsfalle würde er dann bei Esme noch einmal nachfragen. So wünschte ich noch eine gute Nacht und zog ich mich dezent zurück. Diesen heiklen Moment hatte ich dann gut überstanden, obwohl mir nun schon klar wurde, daß ich schon Lust hätte, genauer zu erforschen, wie es mit Peter gehen mochte, was genau im Anzug steckte.
Aber wäre das korrekt gegenüber Susi?
Nun, immerhin hatten wir uns nicht wirklich etwas versprochen und etwas Interaktion mit Peter tat meiner tiefen Zuneigung zu Susi ja gar keinen Abbruch. Überhaupt, so dachte ich mir, warum sollte man sich nicht zu mehreren Personen hingezogen fühlen?
War das nicht ohnehin überholt mit den Vorstellungen von Zweierbeziehungen?
Natürlich, belügen und betrügen sollte man nicht. Aber wie wäre der Sachverhalt hier?
Ich konnte Susi ja nun nicht so einfach fragen, Peter war aber ganz konkret verfügbar. Eine spannende Situation. Aber vielleicht grübelte ich auch einfach zuviel. Vielleicht würde ich Peter auch nur verschrecken, wenn ich ihn plötzlich keck angehen würde, um ihn zu vernaschen. Oder war er zu zurückhaltend, zu schüchtern, um etwas zu wagen?
Nun, wir unterhielten uns doch ganz locker, lachten viel gemeinsam, verstanden uns gut, warum sollte er Bedenken haben, mich darauf anzusprechen, wenn er Interesse hätte?
Weil ich meine Beziehung zu Susi offen erwähnt hatte?
Hatte er vielleicht deswegen Skrupel oder vermutete er gar aufgrund dieser Konstellation, schlicht das falsche Geschlecht zu haben, um für mich interessant zu sein?
Nun, wie hätte ich es anders machen sollen?
Ich hätte ja schlecht sagen können: „Ich habe eine Beziehung mit Susi, hatte aber auch schon erquickliche Kontakte mit Männern, bin da ziemlich flexibel. Als wenn du Interesse hast, frage ruhig, wir bekommen das schon in den Griff.“
Das hätte ja nun auch eigenartig gewirkt, fast wie ein Angebot an ihn. Also nein, so hätte ich das nicht machen können. Nun aber hatte er deswegen vielleicht einen falschen Eindruck, war zusätzlich verunsichert, gehemmt. Hielt er sich zurück, aufkommende Bedürfnisse zu zeigen, offen anzusprechen?
Nun, kurzfristig wollte ich jedenfalls die Entwicklung nicht voranbringen, diesbezüglich nicht zuviel Initiative zeigen. Würde Peter dies tun, müßte ich kurzfristig entscheiden, reagieren, so aber konnte ich mir Zeit lassen und unsere vergnügliche, harmlose Freundschaft unter Kollegen erst einmal in der jetzigen Form ausgiebig genießen. Denn so bekam mir das auch ganz gut. Noch zuckte und zog es nicht sonderlich drängend im Unterleib, da drängte mich nichts zur Eile, eine Entscheidung herbeizuführen.
Und wenn ich es tat und auf Peter einwirkte, würde er dem wirklich etwas entgegenzusetzen haben?
Es gibt ja die Hypothese, daß Männer da eher einfach gestrickt sind und vorhersehbar reagieren.
Und immerhin, hatte ich in seinen Blicken nicht schon deutlich Interesse ausmachen können?
Da würde es doch nicht viel bedürfen, um ihn zu mehr zu überzeugen und ihn dann gründlich und leidenschaftlich zu vernaschen.
Nun, ich hatte mich jedenfalls in meine Kabine zurückgezogen und Peter hatte sich auch nicht gemeldet. Nunja, da ich es nicht provoziert hatte, hatte es ja bei der Einführung ins Entkleiden in der Dusche diesmal auch nicht wirklich geknistert. Ich hätte da bei Bedarf schon mehr Engagement zeigen können, war mir aber selbst noch nicht so sicher, ob ich das wirklich tun sollte, ob es nicht eigentlich ganz prima lief, wie wir gerade miteinander umgingen, warum das also riskieren oder mit forcierter Intimität gleiche eine Eskalation herbeiführen?
Ich schlief also ruhig durch und morgens trafen wir uns dann wieder, um unsere Runden zu drehen.
Dann verwöhnte uns Esme wieder mit einem hervorragenden Frühstück und dann ging es auch schon wieder an die Arbeit. Da kamen wir gut voran und hatten zu tun, ohne diese eher persönlichen Fragen immer wälzen zu müssen.
Nach dem ebenfalls wieder sehr schmackhaften Mittag, ein schöner Genuß zu zweit, hatte Peter dann bereits im Laufe des Nachmittags einige Fragen an Ida, Esme und Hildegard bezüglich einiger Laborexperimente. Er hätte gerne einige Spezies näher untersucht gehabt, wo er keine Daten finden konnte. Es ging da um die genaue Interaktion dieser Arten und er stellte die Frage, ob das nur mit dem Pilz stattfand oder vielleicht auch untereinander. In dem Bereich war noch reichlich zu klären, da hatte er sicherlich Recht. Aufgrund der Katastrophe hatten wir im Original wenig Zeit gehabt, das Ökosystem auf Charybdis insgesamt zu untersuchen und zu verstehen. Die Ais konnten dann aber auch bereits diverse Untersuchungen vorweisen. Peter wollte aber mehr Details, die Daten der Ais brachten uns aber schon weiter. Peter war mit seinen Fragen schon weiter, als die Ais bislang gekommen waren, war deutlich selektiver, während die Forschungstätigkeit der Ais deutlich breiter, systematischer angelegt war, nicht auf Intuition basierte.
Weil das komplexe Ökosystem nun nicht mehr existierte, war nun eher die Frage, ob Organismen von der Erde mit einzelnen Organismen von Charybdis eine symbiotische Beziehung eingehen können, um Nährstoffe auszutauschen. Ohne die gigantischen Ausmaße konnte das Pilzgeflecht diverse Aufgaben in der kleinen Laborversion offensichtlich nur unzureichend erfüllen. Nun, Organismen von der Erde waren viel besser darin, auch kleine Gemeinschaften zu bilden. Könnte man etwa in eine solche eine Pflanze von Charybdis integrieren?
Die Ais hatten es bislang eher anders versucht, durch Ergänzung einer irdischen Pflanze oder eines Pilzes eine kleine charybdianische Gemeinschaft wieder zum Funktionieren zu bringen. So wollten wir es nun einmal umgedreht versuchen, vorsichtig eine charybdianische Pflanze in eine kleine irdische Gemeinschaft integrieren. Hildegard bereitete dazu Experimente im Labor auf Charybdis vor, das würde aber dauern, selbst wenn es zunächst eher um kleine Pflanzen und Pilze ging, die kombiniert werden sollten. Immerhin hatten die Ais nun aber schon einige Erfahrung darin, irdische Ökosysteme aufzubauen, die wirklich funktionierten. Darauf konnten wir nun aufbauen und einfach einmal einen dazu fremden Organismus hinzufügen, nachdem die Daten dann doch grob enthüllt hatten, welche charybdianischen Pflanzen wohl welches Nährstoffangebot gebrauchen konnten. Problematisch bei dem Gedankengang war natürlich, daß die Schnittstellen deutlich anders waren. Anhand von Mikroskopbildern zeigte Peter aber, bei welchen Arten da doch vielleicht Möglichkeiten bestanden. Irdische Organismen sind flexibel und es gibt darunter welche, die mit ganz verschiedenen anderen Pflanzen symbiotisch leben, gut möglich also, daß diese sich auch an eine neue Art zügig anpassen können.
So forschten wir dann die nächsten Tage weiter. Peter und ich lernten auch immer noch weiter, was es aus Peters Sicht noch aufzuholen galt und womit ich mich auch noch nicht beschäftigt hatte. So hatten wir tagsüber eigentlich ständig miteinander zu tun, aber rein kollegial oder freundschaftlich. Irgendwie ergab es sich dabei fast von selbst, daß wir miteinander immer vertrauter wurden, herumalberten, auch nicht davor zurückscheuten, den anderen mal anzustupsen, um auf etwas aufmerksam zu machen oder eine Reaktion hervorzurufen. Mehr machten wir aber nicht, vergnügliche Abende mit Unterhaltungsprogramm hatten wir, trennten und dann aber artig jeder in die eigene Kabine nach dem Wunsch zur guten Nacht.
Und ich hatte schon zunehmend Lust auf mehr, hielt mich aber weiter zurück. Nunja, um ehrlich zu sein, war es dann auch nachts so, daß ich mir verschiedene Sachen vorstellte. Einerseits waren da schon Erinnerungen an die schöne Zeit mit Susi, die mich erregten und die auch immer mal wieder dazu führten, daß ich in diesen Gedanken schwelgend mich selbst befriedigte. Dazu hatte ich bislang nicht einmal eindringliche oder vibrierende Hilfsmittel, war irgendwie gar nicht dazu gekommen, danach zu fragen oder eine Entwicklung zu beauftragen. Ida, Hildegard oder Esme hätten das sicher mit den Mikroroboterschwärmen locker umsetzen können. Wer Raumstationen und Absorber in der Größe von Kleinplaneten bauen kann, der wird wohl auch solch ein lustvolles Hilfsmittel im Handumdrehen parat haben. Nun, da ich nicht gefragt hatte, hatte ich auch keines bekommen, da waren sie dann doch irgendwie nicht so im Detail fürsorglich, um solchen Bedarf von selbst zu berücksichtigen.
So waren es dann Phantasien mit Susi, die mir sehr wohltaten. Andererseits stellte ich mir aber auch vor, wie es mit Peter sein würde. Und das erregte mich ähnlich und auch die damit dann verbundene Stimulation führte bald zu einem erquicklichen, befriedigenden Ergebnis, welches einerseits wiederum dazu führte, daß ich tagsüber mit Peter ziemlich ausgeglichen war, andererseits aber immer neugieriger wurde, ob meine kleinen Phantasien real umgesetzt auch so gut wirken mochten. Auch das ist ja eine ganz natürlich Sache. Menschen haben eben sexuelle Bedürfnisse, dabei Phantasien zu haben, sich etwas vorzustellen, ist ganz normal. Man sollte da nur klar zwischen Phantasien und Wünschen und Plänen unterscheiden. Das war bei mir einstweilen noch diffus. Ich konnte mich da nicht so entscheiden und ließ mich einstweilen einfach treiben, ließ sich das alles entwickeln, ohne es wirklich zu steuern oder gar die Initiative zu ergreifen.
Langsam fragte ich mich aber doch, ob ich nicht doch mehr tun sollte, ob ich mich nicht entscheiden sollte. Sollte ich nun aktiv werden, um mit Peter etwas anzufangen oder sollte ich mehr auf Distanz gehen und klarstellen, daß nichts laufen würde?
Mir war nicht entgangen, daß Peter schon sehr genau und wohlwollend beobachtete, etwa beim Laufen. Wie wiederum er sich bewegte, gefiel auch mir und ich achtete schon mehr und mehr darauf, vor ihm eine sehr gute Figur zu machen. Auch waren wir uns schon in der Dusche begegnet, noch nicht komplett entblößt, aber körperlich schon mehr exponiert, denn es ist ja noch einmal ein Unterschied, ob man mit diesen engen Anzügen zusammen arbeitet oder sich begegnet nur mit einem knappen Handtuch um die Hüfte oder zügig vor den Körper gehalten. Naja, wir hatten locker über die Situation gelacht und ganz entspannt reagiert.
Hatte es dabei geknistert?
Irgendwie schon, aber wir hatten auch nicht mehr daraus gemacht, waren irgendwie unsicher, ob wir es riskieren sollten, aber vielleicht habe ich auch die Reaktion von Peter falsch interpretiert?
Habe ich da nur etwas hineininterpretiert, was ich mir so vorstellte, wie er wäre oder gar, wie er sein sollte?
Da war ich mir nun nicht so sicher.
Wenn ich wirklich mehr wollte, wie sollte ich es anstellen?
Eher subtil Bereitschaft signalisieren, ihn zu mehr Initiative ermuntern?
Oder Schritt für Schritt mehr Nähe wagen, auf seine Reaktionen achten und darauf eingehen und aufbauen?
Oder doch einfach das offene Gespräch suchen und sachlich Bedürfnisse und Interessen abklären?
Wollte ich denn wirklich?
So ganz sicher war ich mir noch immer nicht, ob das wirklich eine gute Idee wäre. Es würde alles verkomplizieren, auch mit Susi, wenn diese wiederauferstehen würde, weil das nun mit ihr nicht abzuklären war. Irgendwie sollte ich mich aber allmählich entscheiden und auch in Peters Interesse eindeutig klären, wie wir zueinander stehen und wie wir miteinander in Zukunft umgehen sollten. Eventuell war er ja darüber auch unsicher und dann würde der Druck unweigerlich steigen, was sich auch negativ auf unsere soziale Interaktion, vielleicht gar auf die Qualität unserer Arbeit auswirken könnte. Ich sollte mich also entscheiden, jedenfalls die Situation klären. Intuitiv und aus dem Bauch heraus sollte ich vorgehen, auch ohne komplette Information mutig entscheiden, was ja auch die Ais an uns Menschen so schätzen, die Fähigkeit, einfach einmal zu machen und damit neue Entwicklungen anzustoßen.
Mache einen Vorschlag, wie Michaela sich entscheiden soll.
Noch nicht verfügbarer Handlungsstrang:
Annäherungen
Als ich am kommenden Tag für mich war, fragte ich einfach mal bei Esme nach, die ja zuständig für die praktischen Dinge und die Versorgung auf der Raumstation war: „Esme?“
Emse antwortete gleich: „Ja Michaela, was gibt es?“
Ich führte aus: „Nun, ich wollte einfach mal fragen, ob es eigentlich Konzepte oder Möglichkeiten hinsichtlich der Familienplanung für mich gibt. Ich bin da ja gar nicht mehr auf dem aktuellen Stand, was es da inzwischen für Möglichkeiten gibt.“
Esme erwiderte: „Nun, wenn es da Interesse gibt, so nehmen ja die Subsysteme medizinische Daten von euch auf. Du hast ja mit Ida verabredet, daß das automatisch läuft und wir da nicht einfach so reingucken. Bei Bedarf läßt sich anhand der Daten natürlich schon gut abschätzen, wann du Sex haben solltest, um schwanger zu werden. Du hast natürlich Zugang zu deinen eigenen Daten, kannst dir das vom Subsystem auch automatisch melden lassen. Ich kann dir zeigen, wo du das findest und wie du das einfach einrichten kannst.“
Ich räusperte mich: „Oh, ich habe mich wohl etwas mißverständlich ausgedrückt, das hatte eigentlich bislang gar nicht im Sinn. Ich habe mich eher gefragt, wie wir gezielt planen können, ob etwas passiert oder nicht.“
Esme erläuterte geduldig: „Mit der offensichtlichen Vermeidungsstrategie bist du sicherlich vertraut, einfach keinen Sex haben, dann wird auch nicht versehentlich eine Schwangerschaft eintreten.“
Ähnlich geduldig antwortete ich: „Schon klar, aber mit dem Sex ist ja auch Spaß Entspannung und Vergnüglichkeit, erfreulicher und inniger sozialer Kontakt verbunden, es stärkt die gegenseitige Freundschaft und Zusammengehörigkeit, fördert das gegenseitige Vertrauen, von daher erscheint es durchaus in Ordnung, das zu tun, auch wenn man nicht unbedingt gleich schwanger werden will. Haben wir denn Möglichkeiten der Planung, also primär erst einmal, eine Schwangerschaft zu unterbinden?“
Esme erklärte: „Den Tip kann man natürlich auch logisch umdrehen, dann erfolgt ein Rat, wann man Sex haben sollte, ohne schwanger zu werden.“
Ich nickte und hakte nach: „Hmm, ist bekannt, kann halbwegs klappen, wenn die Biodaten zuverlässig und detailliert sind. Und sonst?“
Esme meinte: „Wenn du gar nicht willst, beziehungsweise Peter nicht will, um den es ja wohl auch geht, so käme Sterilisation in Frage, wir könnten zuvor auch Eizellen, beziehungsweise Sperma konservieren, um euer genetisches Material trotzdem verfügbar zu halten …“
Ich nickte erneut und gab zu bedenken: „Hmm – und weniger … invasive und drastische Maßnahmen?“
Esme legte dar: „In Peters Anzug können wir im Bereich der Hoden die typische Temperatur einstellen, führt entweder zu einer guten Samenqualität oder einer sehr schlechten, im letzteren Falle wäre eine Zeugung sehr unwahrscheinlich. Bei dir können wir Mikrorobotertechnik verwenden, um lokal eine winzige Menge von Enzymen, Hormonen freizusetzen, um eine Befruchtung einer Eizelle zu vermeiden. Ich glaube, zu deiner Zeit wurden auch höher dosierte Hormonpräparate nicht lokal verabreicht. Das hat Wirkung auf den ganzen Körper und auch auf die Psyche, wobei wir das ja nicht wirklich trennen können. Von daher ist dazu jedenfalls aus heutiger Sicht nicht zu raten und es ist für den Zweck heute auch gut vermeidbar.“
Ich ermunterte: „Fein, zu meiner Zeit gab es ja auch noch einige andere Methoden, Kondome etwa.“
Esme stimmte zu: „Ja natürlich, die wurden ja auch genutzt, um das Risiko einer Ansteckung mit Krankheiten zu reduzieren. Ihr habt das beide nicht, von daher ist die Funktion obsolet.
Wenn der Zweck ist, damit den Reiz der Kopulation zu erhöhen oder eine Variation zu ermöglichen, müßte das irgendwie hergestellt werden. Bei der Verwendung als Verhütungsmittel wäre dann zu testen, wie gut die Qualität unseres Produktes wäre, wie zuverlässig das funktioniert. Ich bin der Auffassung, die Methode mit der Mikrorobotertechnik ist sicherer, bequemer und einfacher für euch.
Die Methode ist bei dir etwas einfacher anzuwenden, als bei Peter mit einer ähnlichen Methode sicher dafür zu sorgen, daß alle seine Samenzellen im gewünschten Zeitraum garantiert nicht zeugungsfähig sind. Die Anzahl der beteiligten Zellen ist einfach dramatisch unterschiedlich groß.
Ich will darauf hinweisen, die Kombination der Temperaturkontrolle bei ihm mit der Mikrorobotertechnik bei dir ergibt eine hohe Wahrscheinlichkeit, eine Schwangerschaft zu vermeiden. Wenn die Wahrscheinlichkeit auf null gesenkt werden soll, wäre eine Sterilisation natürlich der optimale Weg.“
Ich wiegte den Kopf hin und her: „Naja, vielleicht gibt es ja doch irgendwann einen Wunsch, auf dem üblichen Wege zu einem Kind zu kommen, kann man doch jetzt nicht für die Zukunft präzise sagen. Aber sollte ich trotz der genannten Maßnahmen schwanger werden oder auch wenn wir das möchten, wie sieht es dann überhaupt aus hier auf der Station?“
Esme hakte nach: „Wie meinst du das?
Wir haben selbstverständlich mit den medizinischen Mikroroboterschwärmen eine ausgezeichnete medizinische Versorgung, auch eine hervorragende Diagnostik, natürlich auch nicht-invasiv für eine Schwangerschaft oder dann eben für das Kleinkind, da kannst du ganz unbesorgt sein.“
Ich nickte: „Gut zu wissen. Ich meinte aber auch die Maßnahmen bei Eintritt eines Notfalles. Auch können wir ja beim aktuellen Stand nicht damit rechnen, daß unsere Kolonisierungspläne gemessen an der menschlichen Lebensspanne zügig vorangehen werden, eine Konservierung wird also früher oder später wieder anstehen, wie sieht es damit aus?“
Esme bestätigte: „Ja. Da kann es leider zu Problemen kommen. Die Kombination von Schwangerschaft und Konservierungstechnik sind praktisch nicht erprobt, da gibt es nur vage Schätzungen, pauschal kann gesagt werden, daß vermieden werden sollte, Schwangere zu konservieren, es besteht dann zwar für die Frau kein besonderes Risiko, aber die Wahrscheinlichkeit für einen Abbruch der Schwangerschaft liegt wohl bei über fünfzig Prozent, hängt vermutlich auch stark davon ab, wie weit die Schwangerschaft fortgeschritten ist und ob man zum Zeitpunkt der Konservierung davon weiß und dann eine spezielle Prozedur versuchen könnte, um das Kind besser zu schützen, ohne dies wäre die Wahrscheinlichkeit für einen Abbruch vermutlich noch deutlich höher. Das ist aber zwangsläufig nur eine grobe, theoretische Schätzung, ausprobiert worden ist es nicht. Der Mensch hat ja auch eine reichhaltige Darmflora, da ist mit ähnlichen Verlusten mit einem Anteil von zehn bis dreißig Prozent zu rechnen, was Menschen natürlich problemlos wegstecken, zudem sind wir in der Lage, diese sogar während der Konservierung zu optimieren. Bei einem eigenen Kind ist das aber natürlich eine ganz andere Abwägung des Verlustes. Mit partiellen Schäden am Fötus ist nicht zu rechnen, beziehungsweise sind die eher unwahrscheinlich. Anders als bei normal konservierten Menschen ist aber ein Eingriff während der Konservierung bei Föten in der Gebärmutter deutlich komplizierter. Statt mit partiellen Schäden beim Fötus ist eher bei Pech mit einem kompletter Verlust zu rechnen, mit Glück übersteht der Fötus die Konservierung wie die Frau auch. Der Fötus ist eben empfindlicher und aufgrund der Versorgung über die Mutter und den Schutz durch diese nur indirekt für die Konservierung zu erreichen, daher ist das problematisch. Der körperliche, aber auch der psychische Streß bei der Wiederauferstehung kann wiederum aber auch dann erst zu einem Abbruch führen.“
Ich kratzte mich grübelnd am Kopf und meinte dann: „Verstanden. Und nach der Geburt, wie sieht die Möglichkeit der Konservierung bei Kleinkindern aus?“
Esme erklärte: „Nach der Geburt ist das kein Problem. Man hat so auch bereits Frühgeburten behandelt, auch solche mit Problemen, die medizinische Eingriffe erfordert haben. Dadurch gewinnt man Zeit und das Kind kann relativ gut behandelt werden. Ist die Schwangerschaft überstanden, ist also auch das Risiko für das Kind weitgehend beseitigt und es kann sehr gut versorgt werden, genau wie eine erwachsene Person.“
Ich nickte: „Ich danke dir für die Informationen.“
Esme entgegnete: „Gerne doch. Es ist mir bislang nicht aufgefallen, daß es intime Kontakte zwischen dir und Peter gegeben hätte. Wünscht du, daß Verhütungsmaßnahmen vorgenommen werden?“
Ich grinste: „Oh, bislang gibt es keine intimen Kontakte, gut und zutreffend beobachtet. Sollten wir uns dennoch näherkommen, wollte ich mich nur einmal vorsorglich informieren, um im Bedarfsfalle nicht komplett ahnungslos zu sein. So kann ich das nun besser einschätzen.“
Esme bestätigte: „In Ordnung, habe ich verstanden. Du meldest dich, wenn etwas unternommen werden soll.“
Ich war natürlich einverstanden: „Ja, natürlich, danke nochmals. Wenn es dazu kommen sollte, wäre es ja ohnehin auch mit Peter zu klären, wir können ihm ja nicht einfach ungefragt die Hoden anwärmen.“
Esme stimmte zu: „Natürlich, wie abgesprochen sind das ja Eingriffe, die nur in enger Abstimmung mit der betroffenen Person veranlaßt werden dürfen.“
Ich stimmte zu: „Genau. Sollte Bedarf aufkommen, werde ich das schon selber mit Peter klären müssen, was wir wollen.“
Esme erwiderte: „Gut, dann weiß ich Bescheid. Ich vermute, das Gespräch ist einstweilen als zwischen uns vertraulich zu betrachten?“
Ich lachte und bestätigte: „Ja, besser ist das, könnte Peter doch sehr verunsichern. Oder es könnte jedenfalls Fragen aufwerfen, die ich nicht möchte, jedenfalls nicht, wenn der Zeitpunkt für mein Empfinden nicht stimmt. Ich werde dann schon selber mit ihm klären, was zwischen uns zu klären wäre.“
Damit beendeten wir das Gespräch und ich hatte nicht nur mehr Informationen über den nachgefragten Sachverhalt, indem ich mich darüber überhaupt unterhalten hatte, war mir der Gedankengang auch vertrauter geworden und ich war entschlossener, eine weitere Annäherung zu wagen oder jedenfalls irgendwie abzuklopfen, wie Peter dazu stehen würde.
Ich überlegte mir dann auch, daß eine versehentliche Schwangerschaft bei den gegebenen Informationen ja eine überschaubare Sache wäre. Natürlich, von einer Kolonie wären wir noch weit entfernt, das Kind damit auf der Raumstation mit uns allein am Ende der Welt, also jetzt nicht die ideale Umgebung für ein Kind, um aufzuwachsen. Aber es war ja auch kaum vorstellbar, daß wir Jahrzehnte ohne Konservierung hier weitermachen würden. Die Idee war ja eher, einige Monate, ein Jahr vielleicht zu forschen, zu Ergebnissen und Entscheidungen zu kommen und dann die Ais erst einmal alleine weitermachen zu lassen. Bei einer Schwangerschaft wäre dann also mindestens die Geburt abzuwarten. Das schien mir handhabbar zu sein. Und nach der Konservierung wäre das Kind dann gleich wieder bei mir, darauf würde ich dann schon bestehen, also alles im Griff. Ich begann, mit unseren Möglichkeiten der Mission zu denken, mit den Zeiträumen zu denken und meine Lebensplanung entsprechend auszurichten. Das verblüffte mich etwas, wie geschmeidig diesbezüglich schon meine Gedanken flossen, wie ich überlegte und berücksichtigte, was möglich und hier wahrscheinlich war, ganz anders als in meinem Leben vor der Konservierung.
Ich überstürzte dann natürlich nichts, abends rückte ich dann schon etwas näher an Peter heran, stupste morgens auch mal versehentlich beim gemeinsamen Rundlauf. Peter ging auf den Körperkontakt gut ein, drängte aber auch nicht weiter. Er wirkte irgendwie unsicher. Vermutlich würde er also nicht die Initiative ergreifen. Obwohl er schon nach mir guckte, wenn er vermutete, ich würde es nicht bemerken, unternahm er doch nichts weiter.
Vielleicht war ich ja auch einfach nicht so attraktiv für ihn?
Vielleicht interpretierte ich seine Blicke einfach falsch?
Ich sollte es wohl irgendwie herausfinden, denn ich jedenfalls hatte nun schon eindeutig Lust auf ihn. Ich war neugierig, wie er küssen würde, wie es sich anfühlen würde, wenn wir uns umarmen, aneinanderschmiegen würden. Gut, auf den Sex mit ihm war ich natürlich auch neugierig. Peter ist eben ein echtes Sahneschnittchen und Leckerchen, da bekommt frau schon Lust, etwas auszuprobieren und zu genießen. Das wäre dann schon einmal etwas ganz anderes als die sonstige Stimmung in der kühlen und sterilen Architektur der Raumstation, in der zeitlosen Eleganz schon eine schöne Umgebung, aber es weckt auch die Sehnsucht nach persönlichem, menschlichem Kontakt, dem knisternden, erotischen Reiben von Haut an Haut, dem Schubbern von Lippen und Fingern auf der Haut, den Brüsten, das gegenseitige Umzüngeln der Zungen, der aufkommenden gemeinsamen Erregung, der Geschmack frischen, salzigen Schweißes auf erhitzter Haut, der dezente Geruch aufkommender Erregung und Sexualität, die Erforschung der Lüste des anderen Menschen, die Leidenschaft jenseits der Konzentration auf die Mission.
Peter hatte sich inzwischen ja ganz gut eingelebt, kam mit der Arbeit gut voran, wir verstanden uns auch prima, da dachte ich mir dann, ich könnte ihn schon etwas fordern und dann einfach mal hören, was er so meint.
Abends, als wir so zum Abspannen zusammensaßen, meinte ich dann einfach mal mit einem leichten Lächeln im Gesicht: „Sag’ mal, mir ist aufgefallen, wenn du annimmst, daß ich das nicht sehe, guckst du mir immer so nach, auf den Hintern, auf die Brüste, den Schoß und so … wie soll ich das interpretieren?“
Peter wirkte sichtlich verunsichert und verlegen, Röte schoß in sein Gesicht: „Öhm … ähm, wirklich?“
Man sah ihm förmlich an, wie das Räderwerk im Kopf arbeitete, um zu einem weisen Gedanken zu kommen, was nun am besten zu antworten sei. Aber natürlich gibt es bei solchen Fragen nicht wirklich ein entrinnen, es ist immer heikel und herauswinden kann man(n) sich da dann sowieso nicht.
Das bereitete mir schon Vergnügen, ihn ein wenig zu quälen, so schob ich nach: „Ja, wirklich, willst du das ernsthaft leugnen?“
Peter erwiderte: „Öhm … ähm … also … ich wollte dir damit bestimmt nicht zu nahetreten, ist mir jetzt sehr unangenehm, daß du dich nun belästigt fühlst, ist ein automatischer Reflex, ohne dich abwerten zu wollen … also … also eher im Gegenteil …“
Ich zog eine Augenbraue hoch und unterbrach: „Ach?“
Peter war schon etwas nervös geworden, irgendwie war das gerade gar nicht seine Komfortzone.
So antwortete er zögerlich, auch leicht stotternd: „Also … hmmm … also … bbeeestimmt will ich dich nnnicht … auf deine äußeren Reize reduzieren … aaalso … die fallen nnnatürlich schon auf bei diesem engen Aaaanzug … aaalso … aaalso da fällt es schwer, nnnnicht mal so ganz automatisch ohoohne Absicht zu schauen …“
Zur Abwechslung zog ich die andere Augenbraue hoch: „Soso, ohne Absicht auch noch. Aber es reizt dich also?“
Peter fuhr sich hektisch und verlegen durch die Haare, stotterte aber immerhin nun nicht mehr auffallend: „Wollte dir damit bestimmt nicht zu nahetreten … ich meine … wir kommen doch gut miteinander aus, da wollte ich dich bestimmt nicht beleidigen oder so, im Gegenteil … wie soll ich sagen, ist eben nicht so einfach, so …“
Diesmal zog ich die Augenbrauen runter, während ich ihn direkt ansah, worauf er zügig den Blick senkte, damit allerdings auf meine Brüste oder noch etwas tiefer.
Ich nahm die Beine etwas auseinander, rieb sie dabei zunächst kurz aneinander, konnte mir das Grinsen kaum verkneifen, als er dann eilig zur Seite sah.
So fuhr ich fort mit der kleinen Inquisition: „Tja, aber wie soll ich das jetzt interpretieren?“
Sehr verlegen entschuldigte er sich: „Ist eben ganz automatisch, ich … ich weiß nicht, was ich dagegen tun könnte … ist mir unangenehm?“
Ich räusperte mich: „Es ist dir unangenehm, mir auf den Hintern, die Brüste oder auf den Schoß zu sehen?
Du guckst, weil es unangenehm für dich ist?
Ist dir jetzt der Anblick unangenehm?“
Ich richtete mich auf, machte mich ganz gerade, die Brust raus, Gesicht und Blick geradeaus gerichtet, die Schenkel durchaus einladend und doch dezent geöffnet.
Peter fühlte sich sichtlich unwohl, rutschte auf dem Stuhl: „Ähm, so meinte ich das gar nicht. Also, du bist schon sehr reizvoll anzusehen, nur, also so intellektuell ist die Einsicht schon da, daß das irgendwie unangemessen ist. Das wäre eigentlich schon abzustellen, aber es kommt eben immer wieder durch.“
Ich fuhr mir nun auch überlegend durch die Haare: „Hmm, allmählich erkenne ich das Problem.
Es quält dich?
Was könnten wir da tun?
Ich sehe nun einmal so aus, ist ja nicht einfach so zu ändern. Und diese Anzüge sind ja nun einmal eng geschnitten. Und wir arbeiten und leben hier zusammen. Ist ja auch für mich unangenehm, wenn das so an dir nagt. Was können wir da nur tun, um dich zu erleichtern?
Sollst dich ja auch wohlfühlen …“
Peter schaute mich nun fragend an und ich grinste verhalten.
Peter wußte sich nicht zu helfen, wirkte hilflos, überfordert: „Ja, ja also schwierig …“
Ich wagte mal einen Vorstoß: „Können wir das so zusammenfassen, daß du Interesse an mir hast?“
Peter schaute mich groß an, hatte erst nur den Mund offen, ohne etwas zu sagen, dann brachte er aber doch etwas heraus: „Also ich würde es nie wagen, dich zu belästigen. Wenn du den Eindruck hattest, entschuldige ich mich natürlich. Also ich mag dich und möchte nicht, daß du einen schlechten Eindruck von mir hast.“
Ich nickte und versicherte: „Habe ich gar nicht, wollte nur meine Beobachtung mit dir teilen und das klären, darüber reden. Ich dachte, das könnte hilfreich sein.“
Peter atmete tief durch: „Schon ja, schon, bestimmt …“
Ich entgegnete: „Richtig überzeugt klingt das aber nicht. Und so ganz klar ist mir immer noch nicht, ob du nun Interesse hast, unsere Freundschaft zu vertiefen oder eher nicht.“ Dabei rieb ich fast versehentlich mit einer Hand an der Außenseite eines Oberschenkels hinab, glitt damit auf die Innenseite, drückte die Schenkel zusammen und zog die Hand dazwischen langsam wieder hoch.
Peter rutschte unruhig auf seinem Sitz, sah mich kurz an, dann wieder weg, erläuterte dann unruhig: „Also, also du hast doch gleich zu Anfang von Susanne erzählt, deiner Beziehung mit ihr. Da ging ich natürlich davon aus, daß es komplett unangemessen wäre, dir Avancen zu machen oder sonstwie Interesse zu bekunden.“
Ich wiegte den Kopf: „Achso, du dachtest, ich sei vergeben und lesbisch?“
Peter schluckte, nickte leicht: „Also, ich habe nichts dagegen, kann ja jeder so halten, wie es richtig und angenehm erscheint, dachte mir dabei dann natürlich, es wäre ja komplett kontraproduktiv für unser Zusammenleben hier, wenn ich beginnen würde, mit dir zu schäkern und zu poussieren und mich einzuschmeicheln, zu erkennen zu geben, daß du mir schon gefällst. Also du bist schon sehr eindrucksvoll, nur ist es natürlich komplett unangemessen, das zu thematisieren, wenn du ganz anderweitig interessiert und gebunden bist!
Ich dachte, du würdest das bestimmt als unangenehme Belästigung auffassen.“
Ich nickte, ließ aber nicht locker: „Ja, verstanden, also gut. Das hatte ich wirklich nicht eindeutig kommuniziert, bestand ja eigentlich auch kein Anlaß. Also, ich hatte schon Beziehungen mit Männern und Frauen, also auch nicht wahllos, hat aber irgendwie nicht für länger geklappt, also kein Tiefsinn dabei. Ich bin da nicht so festgelegt. Mit Susi hat es hier gut geklappt, trotz oder auch gerade nach einem Konflikt, den wir überwunden haben. Susi ist ansonsten eigentlich auch eindeutig hetero, fand dich jedenfalls anhand des Datenblattes auch sehr attraktiv und interessant.
Ich mag sie sehr, wir haben uns da jetzt aber gegenseitig nichts versprochen oder so.“
Peter schaute mir kurz in die Augen, senkte dann den Blick: „Verstehe … verstehe … hmm …“
Ich hakte nach: „Was denn?“
Peter erwiderte: „Naja, jetzt hast du mir erzählt, das Susi mich attraktiv findet, wenn ich mal so keck fragen darf, wie siehst du das eigentlich?“
Ich grinste: „Oh, ich habe nichts dagegen, daß Susi dein Datenblatt attraktiv findet. Susi und ich haben da offenkundig einen ähnlichen Geschmack. Bist mir in den Datenblättern gleich aufgefallen. Hinsichtlich einer Wiederauferstehung war ich nur unsicher, was passieren könnte. Die Datenblätter sind ja immer dürftig, da weiß man eben nicht so genau, wie man sich verträgt, ist also immer ein Risiko, auch für die Ais. Aber nun hatten wir ja einen noch dringenderen Bedarf hinsichtlich deiner Fähigkeiten und Kenntnisse und Erfahrungen im beruflichen, akademischen Bereich, da stand das dann so weit im Vordergrund, daß es uns wichtig erschien, dich aktiv zu beteiligen.“
Ich hatte inzwischen auch die zweite Hand zwischen meine Schenkel geschoben und dann auch langsam hoch zur zweiten gezogen.
Peter nickte, rieb sich unruhig die Hände: „So ist das also gewesen …“
Ich lachte und erläuterte: „So in etwa, ist ja jetzt auch egal. Also, was kann ich sagen, wir verstehen uns doch prima, also alles in Ordnung, ich finde dich attraktiv …“
Peter blinzelte mich an, wurde etwas rot und war auch schon wieder verlegen: „Oh … oh, weiß jetzt trotzdem nicht genau, wie ich das nun zu verstehen habe …“
Ich lachte fröhlich, nahm eine Hand wieder zwischen meinen Schenkeln weg, fuhr mir durchs Haar: „Gut, da sind wir wieder bei der kritischen Frage, hast du Interesse, unsere freundschaftliche Beziehung zu vertiefen?“
Peter schaute mich verlegen an und fragte zurück: „Und du?
Willst du?“
Ich grinste breit: „Hmm, ich habe zuerst gefragt. Es hat mich aber schon gewundert, daß du gierig guckst, aber nichts versuchst. Sonst sind die Herren da doch nicht so zimperlich.“
Peter entgegnete: „Naja, ich bin ja nicht blöd und habe nicht komplett hinter dem Mond gelebt. Wenn ich davon ausgehe, daß eine Frau lesbisch ist, gehe ich mal nicht davon aus, daß ausgerechnet ich sie vom Gegenteil überzeugen könnte …“
Wir lachten beide und Peter fuhr fort: „Zudem, wenn ich dann auch noch weiß, daß jemand eine Beziehung hat, also da bin ich dann sicherlich nicht so frech, vorpreschen zu wollen, auch sonst fällt mir das nicht so leicht.“
Ich hakte nach: „Also gut, um auf die eigentlich Frage zurückzukommen, Interesse?“
Peter schaute mich mit großem, fast sehnsüchtigen Blick an, daß ich ihn am liebsten sofort durchgeknuddelt hätte, so süß und knuffelig und hilflos wirkte er, da muß frau doch einfach zugreifen. Ich hielt mich trotzdem noch etwas zurück und sagte dann nur ganz sanft: „Also gut, ich wage mich mal vor. Ich meine, von meiner Seite aus könnten wir ruhig mehr probieren. Du meintest ja, du seist etwas gequält, weil ich dir zwar gefalle, du dich aber nicht getraut hast, weil du vermutet hast, ich hätte komplett anderweitige Interessen. Das zu respektieren, ist sehr anständig von dir gewesen, nun haben wir aber geklärt, daß dem gar nicht so ist, wie du gedacht hast.“
Peter schaute mich mit noch größeren Augen an: „Oh, also gerne, ja, ähm. Irgendwie hast du mich mit dem Gespräch ganz schon durcheinandergebracht …“
Ich lachte heiter auf: „Na, ich wußte doch auch nicht, wie es gehen soll, aber nun haben wir uns durchgewurschtelt und sind ein ganzes Stück weiter, meinst du nicht?
Darf ich?“
Dabei machte ich eine Geste zu seinem Kopf, er nickte und ich fuhr ihm sachte mit der freien, noch von meinem Schoß ganz warmen Hand durch die Haare. Er schluckte und sah mich an. Ich wollte den günstigen Augenblick nutzen und hakte nach: „Umarmen, knuddeln und küssen?“
Vorsichtig näherte er sich mir nun und wir setzten den Vorschlag erst zaghaft, dann entschlossener um und genossen dann erst einmal den erreichten Sachverhalt ausgiebig, nachdem ich einfach mal die Position gewechselt hatte und mich auf seinen Schoß gesetzt hatte, um unsere innige Zweisamkeit schon einmal ordentlich auszukosten.
Keck und forsch hatte ich ihn im Sturm erobert, gut, eigentlich hatte ich einfach offene Türen eingerannt. Da gab es keinen Widerstand und mit der Initiative hatte ich dann gleich von Beginn an die Zügel in der Hand, wollte sie aber nicht ernsthaft anziehen, war da mehr auf gleichrangige Zweisamkeit aus, aber Männer muß frau eben gelegentlich etwas anspornen und auf die richtige Spur setzen, damit sie sich auch mal was trauen, was dann ja auch ganz angenehm ist, wenn frau es so haben möchte.
Nun, die Aktivitäten wurden dann auch zügig intensiver und leidenschaftlicher und wir züngelten, fummelten und kuschelten heftig. Gerne hätte Peter nun wohl auch dringend erkundet, was er zuvor vorrangig in meinen Anzug verpackt gesehen hatte. Ich wollte schon gerne, spürte eine erfreulich Wärme und die wohlige Feuchtigkeit der Bereitschaft im Schoß, hatte aber auch schon noch so am Rande im Kopf, was ich mit Esme besprochen hatte.
So meinte ich dann: „Also, wenn wir da jetzt gleich weitergehen wollen und uns noch näherkommen, sollten wir uns zuvor noch über ein paar Sachen unterhalten.“
Peter schaute mich an, nickte, bestätigte: „Ja, ja … natürlich!“
Ich erklärte: „Also, ich meine, was wir wie miteinander machen, werden wir dann schon im konkreten Versuch herausfinden. Ich vermute oder hoffe mal, daß du da keine besonders aggressiven oder dominanten Präferenzen hast?
Da könnte ich mich nicht so gut drauf einstellen.“
Peter schluckte, schüttelte den Kopf: „Nein, also aggressiv bestimmt nicht. Und auch sonst sollten wir uns da natürlich gegenseitig respektieren und uns einig sein. Ich bestehe sicher nicht drauf, bestimmen zu wollen, willst du das denn?
So ganz passiv behagt mir allerdings dann auch nicht.“
Ich wuselte durch sein Haar: „Gut, mit Respekt werden wir uns da schon einig werden. Je nachdem, was du für Tricks drauf hast, wäre es doch dumm von mir, Passivität von dir zu fordern und nicht herauszufinden, was du kannst und magst.“
Peter wurde wieder etwas verlegen: „Ohoh, ich weiß ja nicht, was du da bei mir vermutest, aber ich würde mal nicht sagen, daß ich auf dem Gebiet geradezu Expertenkenntnisse und wirklich erschöpfende Erfahrungen hätte.“
Ich lachte amüsiert: „Na, wenn dich andere schon gänzlich erschöpft und ausgesaugt hätten, wäre das ja dumm für mich gelaufen. Ansonsten haben wir doch aber Zeit genug, um uns auszuprobieren, gemeinsame Erfahrungen zu sammeln und etwas daraus zu machen, was für uns beide sehr erfreulich und entspannend ist, da bin ich ziemlich zuversichtlich, daß wir da etwas erreichen werden. Also keine Panik, kein Druck, keine besonderen Erwartungen, einfach genießen und erforschen.“
Peter stimmte in das folgende Lachen von mir erleichtert mit ein. Es schien mir nun auch wichtig zu sein, ihn lockerer zu machen, nicht etwa unter Druck zu setzen, das wäre dann nur für uns beide unerfreulich.
Ich schob dann wieder etwas ernster nach: „Einen heiklen Punkt hätten wir dann aber doch noch.“
Peter schaute mich von der Seite an: „Welchen?“
Ich antwortete: „Naja, sozusagen die Familienplanung. Wenn wir einfach so nach Lust, Leidenschaft und Laune herummachen, wenn es uns drängt gar täglich, so wäre es ohne weitere Maßnahmen schon wahrscheinlich, daß ich schwanger werden könnte.“
Peter senkte verlegen den Blick: „Ja, natürlich, du hast ja Recht …“
Ich erwiderte: „Naja, alt genug sind wir, du bist gar Biologe, kennst dich aus …“
Peter lachte etwas unsicher: „Oh, unter dem Gesichtspunkt hatte ich mein Studienfach sicher nicht gewählt.“
Ich stimmte mit ein, meinte dann: „Schon klar, war jetzt auch nur Spaß. Was aber Ernst ist: Wenn wir es drauf ankommen lassen, kann was passieren. Ansonsten gibt es Möglichkeiten, was aber vermutlich ein paar Tage dauern kann …“
Peter fragte dann ernsthaft und interessiert nach und ich erläuterte ihm nahezu sachlich, was ich von Esme erfahren hatte. Peter war mit einer leichten Erhöhung der Temperatur seines Anzuges an der betreffenden Stelle schon einverstanden, wie ich auch mit der von Esme bei mir vorgeschlagenen Maßnahme. Ich rief Esme dann und wir klärten das ab. Esme blieb natürlich ganz sachlich und erläuterte, daß es bis zur sicheren Wirkung aber schon ein paar Tage dauern würde. Hinsichtlich der zeitlichen Bestimmung meiner vermutlich fruchtbaren Tage ging sie von einer gewissen Chance einer Zeugung am heutigen Tag aus. Peter war das Gespräch mit Esme über das Thema sichtlich unangenehm, ich war da nicht mehr so empfindlich. Immerhin wußten wir nun, woran wir waren. Nachdem das Gespräch mit Esme beendet war, streichelte und küßte ich Peter erst wieder vorsichtig, immerhin waren wir wieder schnell in der vorherigen, wohligen Stimmung unserer Zweisamkeit.
Wir verlagerten unsere Aktivitäten dann irgendwann Richtung Dusche. Dort angekommen fummelten wir ungeduldig an unseren Anzügen herum, also jeweils an Anzug des Gegenübers und waren uns dabei gegenseitig im Weg, daß wir fröhlich lachen mußten, so konnte das ja nicht funktionieren!
So forderte ich dann: „Mach’ du erst bei mir!“
Peter nickte und begann damit, mich zu entkleiden. Weil das etwas Geduld erforderte, die gierigen Finger aber schnell sein wollen und doch erregt zittrig sind, war das gar nicht so einfach. Ich half etwas mit und endlich fuhren dann seine Finger über meine Haut, ich genoß, wir küßten uns wieder. Anfangs war Peter dabei noch scheu, durch die Anregung von mir zeigte er sich aber schnell lernfähig und überzeugte bald durch ein geschicktes Zungenspiel, daß mir schnell der Kopf schwirrte, so konnte es gut weitergehen, zudem ich auch dezent eine seiner Hände schon einmal an eine meiner Brüste geführt hatte, um die Stimulation weiter voranzubringen. Auch hier zeigte Peter eine verlockende Mischung von Scheu und steiler Lernkurve. Gut, die Steilheit der Lernkurve wollte ich natürlich auch bald selbst in Augenschein nehmen, so stellte ich dann nach einiger weiterer angenehmer Fummelei fest: „Nun bist du dran!“
Ich hatte ja schon mit dem Entkleiden von Susi Erfahrung, meine Hände zitterten trotz Erregung gar nicht, so gelangen meine Bemühungen bei Peter deutlich eleganter und ich kam schnell zum Ziel und so rieb sich schnell nackte Haut auf nackter Haut und wir umarmten uns eng, küßten uns, noch bevor ich Peters Gemächt richtig bewundern konnte, so flüchtig beim Ausziehen hatte es jedenfalls schon einmal prächtig aufgerichtet einen anmutigen, keck wippenden Eindruck bei mir hinterlassen. Das ließ sich so weit schon einmal gut an, daß ich schon bedauerte, dies schöne Stück heute nicht tief in mir genießen zu dürfen.
‚Aber egal!‘, dachte ich mir und zog Peter mit mir mit: „Komm, unter die Dusche!“
Peter folgte und wir kosten und streichelten uns immer wilder unter dem Schwall warmen Wassers gleich einem heftigen Regenschauer im Sommer. Ich spürte sein steifes Glied gegen meinen Leib gedrückt und bekam solche Lust darauf, mußte mich aber doch zusammenreißen, das jetzt zu versenken, wäre keine so gute Idee gewesen!
Nun, wir schmusten etwas weiter und Peter drängte schon etwas, deshalb dirigierte ich nun geschickt seine nippenden Lippen etwas tiefer zu meinen Brüsten und ließ diese umschmeicheln und kosen, daß es schon in meinem Kopf ordentlich schwirrte, im Unterleib fordernd pochte und zog, während ich mit einer Hand durch seine Haare wuselte, ihn dann sanft etwas tiefer drückte, weiter runter zum Bauchnabel, wo seine Zungenfertigkeit mich auch sehr erfreute, ebenso wie die Massage seiner Hände auf meinem Po, meinen Schenkeln. Von selbst hatte Peter sich vor mir hingekniet und wollte nun noch tiefer vordringen, wohl direkt zu meinem Schoß. Ich spreizte leicht meine Beine und lenkte ihn mit der Hand in seinen Haaren sanft um, so daß er sich zunächst die Innenseite eines Oberschenkels hinaufküssen durfte, dann zur andere Seite wechselte und sich dort hinaufarbeitete. Nun, ich zitterte nun doch schon erheblich vor Erregung und das hätte wohl noch zugenommen, wenn er seine Lippen, seine quirlige Zunge ganz in meinen Schoß versenkt hätte. Er wollte schon, aber ich bat ihn, wieder aufzustehen, drehte mich um ihn, massierte und koste nun seinen Rücken, bald bis hinunter zu seinen knackigen Po, den ich zunächst entschlossen mit beiden Händen griff, um das feste Fleisch, die ganze Pracht zu genießen. Peter hatte einen schönen Körper, er war nur etwas größer als ich, hatte durchaus sich abzeichnende Muskeln, aber eher dezent, keine Haar auf Brust oder Rücken. So schmiegte ich mich nun eng an ihn, rieb meinen Leib an seinem, knabberte zart an einem seiner Ohrläppchen, daß Peter sich an der Wand abstützte. Mit einer Hand streichelte ich nun über seine Vorderseite, langsam von oben nach unten, hielt mich dann fest, während ich dann mit der anderen Hand vorsichtig weiter unten zart an einem seiner Oberschenkel hochkratzte, nur zart seinen Hodensack streifte, um mich dann ganz der Erforschung seines prächtigen und steifen Gliedes zu widmen, welches ich streichelte und koste, daß Peter bald unruhig stöhnte und dann hervorstieß: „Michaela!
Michaela!
Ich kann mich gleich nicht mehr zurückhalten, wenn du weitermachst!“
Ich überlegte, ob es unter den gegebenen Umständen nicht günstig wäre, wenn er sich nicht zurückhalten würde, sondern einfach hier kommen würde, was wäre schon dabei?
So kommentierte ich dann flüsternd in sein Ohr: „Macht doch nichts, lasse doch ruhig mal alles raus, einfach Druck ablassen, Spaß haben, dann entspannen. Zeige mir doch einfach mal, wie spritzig zu sein kannst!“
Er erwiderte nur noch: „Oh … oh!“
Das mochte aber auch daran liegen, daß ich genüßlich weiter sein Glied massierte und stimulierte. Ich spielte damit verzückte, probte zart die Steifigkeit, ließ es lustig wippen, zog mit den Fingerspitzen seine Form nach, fast gerade und unter meinen Fingern unkoordiniert und sehr verlockend zuckend. Da er nicht widersprach, streichelte ich ihn dort also weiter, maß mit gekrümmten Daumen und Zeigefinger den Durchmesser über beinahe die ganze Länge mit wechselndem Druck, drehte die Finger auch dabei etwas hin und her, aber nicht wirklich schnell, während ich mich mit den Lippen an seiner Schulter festsaugte und mit der anderen Hand seinen Oberkörper massierte, mich dazu unten aber an seinem Po rieb und mich eng an ihn drückte. So bedrängt und stimuliert mußte ich dann gar nicht mehr viel tun, bis er dann aufgab und es eindrucksvoll aus seinem schönen Stück pulste. Ich schaute neugierig und auf Zehenspitzen über seine Schulter und erfreute mich an den Spritzern aus seinem Penis, die mit ordentlich Wucht einen hohen Bogen durch den Wasserschauer der Dusche beschrieben, dann klebrig in langem Faden gegen die Wand klatschten. Da war wirklich ordentlich Druck drauf gewesen und ich stellte mir vor, wie angenehm es sein müßte, diese heftigen Pulse des zuckenden Gliedes tief in mir zu spüren. Ich seufzte leise bei den Gedanken, nun, aufgeschoben ist nicht aufgehoben, so liebkoste ich also sanft sein außer Kontrolle geratenes Gemächt, um auch noch die letzten kleinen Pulse hervorzulocken.
Nun, seine immense Erleichterung war dann auch sehr gut zu spüren, so eng war ich an seinen Leib geschmiegt. Das war schon einmal gut gelungen. Ich küßte und streichelte ihn weiter, nun eher, um ihn zu entspannen, aber auch, um noch eventuell nachkommendes weiteres Sperma fortwischen und wegspülen zu können. In Peter hatte sich da offenbar ordentlich was aufgestaut, nun wenn ich Glück hätte, würde er ja vielleicht auch weiter so freigiebig von seinem klebrigen, glibbrigen Saft der Lust spenden.
So ließ ich uns Zeit, wobei wir dann bald auch den Wasserschauer durch die trocknende Luft ersetzten, die allerdings nicht überall hinkam, da wir doch ziemlich eng zusammenklebten. So wechselten wir die Position, nun ich gegen die Wand gelehnt, er hinter mir, wobei er mich sanft auf den Rücken küßte und massierte. Das ließ ich gerne geschehen, bis wir dann auch weitgehend trocken waren und ich ihm zuflüsterte: „Möchtest du mit in meine Kabine?“
Peter bestätigte erwartungsgemäß: „Sehr gern!“
Erschöpft durch unser feuchtes, kleines Spielchen war er nicht, auch das gefiel mir schon einmal, darauf konnten wir sicherlich noch aufbauen. Und so zogen wir ab, nackt durch den Aufenthaltsraum und in meine Kabine.
Ohne zu zögern zog ich Peter mit auf mein Bett, legte ihn dort flach, beziehungsweise wir umarmten und küßten uns wild, rollten ein wenig hin und her bis Peter oben lag, ich auf meinem Rücken unter ihm. Und so positioniert machte sich Peter eifrig daran, mich mit seinem Mund und den Händen zu erfreuen und zu stimulieren, Busen, Brüste, Bauch. Ich ermunterte ihn dabei, indem ich mit meinen Händen durch sein Kopfhaar wuselte und ihn bei dazu passender Stimulation fest an mich drückte, daß ihm ein paar Mal gar die Luft wegblieb, aber ich hatte das schon gut unter Kontrolle, ließ dann bald wieder etwas lockerer, damit er tief durchatmen konnte. Peter machte das prima, nicht routiniert, aber sehr motiviert und kreativ, ausdauernd und geduldig und ich ließ ihn einfach mal weitermachen, spornte an und genoß, ermunterte geschickt, wenn es mir besonders gefiel, lenkte eher sanft ab, wenn es weniger gut war, aber meist war es einfach nur sehr angenehm und sehr erregend, so diente meine Unterstützung mehr der Variation und Inspiration, nicht wirklich der Korrektur oder gar Kontrolle.
Das wirkte bei mir schon ganz ordentlich, doch wollte ich mir gerne noch mehr davon gönnen, bevor Peter zum Sturm ansetzen würde, so hielt ich mich noch etwas zurück, dirigierte ein wenig und gab auch wohlige akustische Rückmeldungen, um ihn auch so zu unterstützen und in seinen Aktivitäten zu bestärken.
Nunja, dann ließ ich ihn auch tiefer küssen und stimulieren, wies ihn vorsorglich schon einmal darauf hin, wie er durch übermäßige Aktionen an der Klitoris bei mir eher unangenehme Irritationen auslösen würde, jedenfalls anfangs, drückte ihn dann fröhlich in meinen Schoß, wo er zunächst allerdings auch nicht sonderlich erfahren agierte, so half ich sanft etwas nach, korrigierte ein wenig, bestimmte ganz dezent, aber nicht dominant, damit es dann auch bei mir gut voranging, meine Klitoris nun auch für direkte Stimulation sehr empfänglich war und ich so bald meine Schenkel kraftvoll schließen konnte, um seinen Kopf tief in meinen zuckenden und pulsenden Schoß zu drücken, während ich verzückt aufstöhnte und die aufgestaute Lust hemmungslos herausließ. Das war ein großes, heftiges, sehr befriedigendes Gefühl, daß ich beinahe vergessen hätte, Peter wieder luftholen zu lassen, als dieser aber dann doch merklich unruhig wurde, entspannte ich meine Muskeln, ließ ihn los, zog ihn zu mir hoch neben mich und wir küßten uns wieder, teilten meine Feuchtigkeit und Wärme von seinen Lippen, umarmten und streichelten uns.
Peter war gut in Schuß, wie ich merkte, er hatte bereits wieder eine stattliche Erektion, sein Glied rieb sich an mir und zu gerne hätte es wohl in mich gedrängt, um Peter schnell mit einer weiteren spritzigen Erlösung zu erfreuen. Das hätte ich mir nun auch sehr gut vorstellen können, danach sehnte sich meine Körper geradezu. Peter stimulierte mich entsprechend, aber sanft mit einer Hand auf meinem Venushügel. Trotz des erquicklichen Rausches hatte ich aber gerade noch so die Implikationen einer spritzigen Erlösung in mir im Sinn, weswegen ich vermeiden wollte, sein schönes, ungeduldig kurz frei wippendes und dann wieder an mir reibendes Glied vaginal in mich aufzunehmen. Auch vom Durchmesser und Länge her war sein Penis wohlproportioniert und würde gut mit meinen Möglichkeiten harmonieren. Oh, das fühlte sich sooooo verlockend an!
Obwohl ich jetzt nicht sagen kann, daß ich selbst eine eigene Statistik hätte machen können, ist sein Penis von etwa durchschnittlicher Größe und harmoniert somit sicher ganz ausgezeichnet mit dem, was ich zu bieten habe, der Gedanke drängte sich nun wiederholt in meinem Kopf, das würde so gut passen, so schön flutschen und schubbern!
In meinem Schoß pochte schon Revolution, da war ordentlich was im Busche.
Von daher hätte das natürlich ausgezeichnet zusammengepaßt und wir hatten beide schon große Lust, das nachzuprüfen und auszuprobieren, mit einer kleinen, innigen Reiberei gemeinsam zur Ekstase zu kommen.
Ich hatte aber doch Bedenken, daher fragte ich mal nach: „Uiuiui, du hast schon wieder eine prächtige Erektion, bedeutet das nun, daß wir uns darum unbedingt kümmern sollten?“
Ich lachte vergnügt und Peter stimmte mit ein, rieb das Prachtstück eng und fest an meinem Oberschenkel und erwiderte: „Ja, bei diesem verlockenden Angebot reckt er sich aufmüpfig und unbeugsam empor und fordert Aufmerksamkeit, standhaft pocht er auf seine Bedürfnisse, ohne noch in Erwägung zu ziehen, daß mich das dir gegenüber in eine gewisse Bedrängnis bringen kann, weil ich dann gleich sehr gierig wirke. Oh wie sehr will er sich in dir geborgen und umschlossen fühlen und darf doch nicht. Und doch drängt es ihn so sehr nach inniger Enge und Nähe!“
Ich scherzte weiter: „Gut gesagt, edler Recke. Auch in meinem Leib spüre ich wohl ein drängendes Bedürfnis, dem feinen, schlüpfrigen Burschen guten Unterschlupf zu gewähren.
Doch ach!
Der Verstand mahnt: Obacht!
Besser doch nichts gleich überstürzen und in wilder Leidenschaft gleich zeugen, was wir noch gar nicht beschlossen haben!
So will ich wohl gerne noch stattdessen und zum Trost ein wenig dein schönes Prachtstück polieren, wo ich ihm für heute – leider – die erquickliche Einkehr versagen muß. Aber das sollte nicht zu sehr verdrießen, denn sogleich werde ich mal probieren, wie ich ihn dafür versöhnen kann!
Wie ich jedenfalls mal ganz beiläufig und neckend einen kleinen, alternativen, heimeligen Unterschlupf bieten kann.“
Und so rutschte ich dann gleich langsam an Peter hinab, streichelte schon mit einer Hand sein Gemächt, während meine Küsse zügig tiefer wanderten, bis meine Lippen sein gutes Stück erreichten und kosten, ich begann ganz sanft zu nuckeln, etwas zu saugen. Meine Zunge umspielte zart seine Eichel, daß Peter schnell verzückt aufstöhnte, während ich daran, am Zucken des Penis’ und seines ganzen Unterleibes zu erahnen suchte, wie weit die Erregung bei ihm schon gediehen war. Nun, es fühlte sich gut an, sowohl das Glied selbst mit seinen vom Druck des Blutes schwellenden Adern und damit Peter selbst komplett in der Hand zu haben und ein wenig zu steuern, die Intensität sachte zu steigern oder auch wieder ein wenig Tempo herauszunehmen, um die Erlösung noch ein wenig zu verzögern, daß sich sein Leib schon krümmte und wand. Vom vorherigen Mal wußte ich nur so ungefähr abzuschätzen, wann er es nicht mehr zurückhalten würde können, wenn er denn überhaupt wirklich wollte. So kurz nach der ersten Ejakulation würde es nun ja vermutlich etwas länger dauern, so schleckerte ich genüßlich weiter, kitzelte ein wenig den Hodensack, neckte das Frenulum mit züngelnder Zungenspitze, ließ etwas lockerer, um sein Glied etwas zittern und wippen zu lassen, um dann die Lippen wieder zu schließen. Und da ich nun nicht genau wußte, wie belastungsfähig Peter war, wollte ich das Spielchen auch nicht übertreiben, sondern brachte es dann bald erneut zu einem spritzig-erquicklichen Ende für Peter. Da ich den Erguß nicht mit dem Mund aufgenommen hatte, pulste es knapp an meinem Gesicht vorbei über seinen Bauch. Das waren nun Pulse von etwas flüssigerer Konsistenz als beim ersten Durchgang unter der Dusche, die in ästhetischem Bogen einen verblüffend weiten Weg zurücklegten, um sich dann langgezogen über seinen Bauch und seine Brust bis fast hoch zum Hals zu verteilen, während die Nachhut dann mit deutlich weniger Elan an seiner Eichel kleben blieb oder zäh auf seinen Bauch heruntertropfte, wonach ich die glitschige Feuchtigkeit dann geduldig in seinen Oberkörper einmassierte, die Konsistenz prüfte wie bei einem Forschungsgegenstand, neugierig den Geruch aufnahm.
Danach drehte ich mich und auch ihn, daß ich hinter ihm lag, ihn in den Arm nahm, sanft die Schulter küßte und ihn hielt. Nach unserem befriedigenden Spiel kamen wir so zur Ruhe und entspannten miteinander, eng seitlich aneinander geschmiegt. Es war mir sehr wichtig, nun seine Nähe zu spüren, ihn zu riechen und zu schmecken, ihn ganz bei mir zu haben. Es dauerte gar nicht so lange, dann war Peter eingeschlafen. Ich genoß noch ein wenig, ihn zu halten, dann schlief auch ich ein.
Wir hatten wirklich Glück miteinander, denn auch im Schlaf harmonierten wir gut, so daß ich beim Wecken durch die ländliche Geräuschkulisse samt Hahnenschrei von der zusammengestellten Audio-Datei erfrischt erwachte. Auch Peter erwachte und grinste ganz zufrieden. Bereits eine flüchtige Untersuchung von mir offenbarte eine ordentliche Morgenlatte bei ihm. Um Mißverständnisse zu vermeiden, fragte ich nach, ob wir uns darum befriedigend kümmern sollten. Peter grinste weiter breit und hatte nichts dagegen, so schlug ich eine Morgendusche vor, zog ihn munter hoch und dann weiter aus der Kabine durch den Aufenthaltsraum in die Dusche, wo wir erneut ein kleines Spielchen begannen, welches uns ordentlich aufmunterte. Da wir ja durchaus noch anderes zu tun hatten, wollte ich damit aber nicht so viel Zeit verbringen, so kümmerte ich mich dann zügig reibend, schubbernd und saugend um eine gute Stimulation, bevor ich mich dann händisch und entschlossen um die Erlösung der Morgenlatte kümmerte. Ich hatte keinen so dringenden Bedarf, obgleich mich die kleine Spielerei auch angenehm angeregt hatte.
Jedenfalls vertieften wir das Spiel nicht mehr, nach dem Trocknen halfen wir uns vielmehr wieder in die Anzüge und begannen beide den morgendlichen Rundlauf.
Es war uns eindeutig gelungen, aufgestauten Druck abzulassen und fühlten uns sehr gut dabei. Darauf würden wir gut aufbauen können. Wir hatten eindeutig unsere soziale Beziehung erheblich vertieft, wo dann aber auch noch deutlich Platz für mehr sein würde.
Den Tag über forschten wir dann weiter konzentriert an unseren Projekten, nicht an uns. Nach dem Abendessen saßen wir dann wieder zusammen, diesmal hatte ich mich allerdings traulich an ihn gekuschelt und er hielt mich artig in seinen Armen, während wir einen Film anschauten. Zur Nacht konsultierte ich dann Esme zum aktuellen Stand unserer Daten. Da diese allerdings noch keine sichere Verhütung melden konnte, behalfen wir uns dann wieder mit der Befriedigung unserer Lust, was wir aber auch ganz lustig, erquicklich und entspannend hinbekamen. So sammelten wir dann bereits Erfahrungen miteinander und übten uns etwas darin, uns gegenseitig einzuschätzen.
So ging es dann ähnlich zwei weitere Tage weiter, bis Esme dann abends meinte, daß zum einen die Maßnahmen wirken würden, zum anderen meine Biodaten aber auch darauf hinwiesen, daß ich ohnehin nicht mehr empfängnisbereit sei. Ich hatte allerdings trotzdem, vielleicht auch gerade deswegen eine unbändige Lust, Peter endlich gänzlich zu vernaschen und in mir zu spüren. So wollten wir uns nicht länger aufhalten und stürmten in meine Kabine, entkleideten uns hastig gegenseitig, wirbelten dann wild durch mein Bett, um uns dabei heftig zu stimulieren und in Bereitschaft zu versetzen. Wir sprachen das gar nicht groß ab, ich dirigierte Peter etwas hinsichtlich meiner Stimulation, dann war ich stark erregt und wir lagen gerade so, daß ich wieder unten, Peter oben war, kurzentschlossen zog ich ihn mit den Beinen heran. Er hatte schon verstanden und seinen Penis mit einer Hand positioniert, da ließen wir uns dann Zeit und langsam und sanft glitschte sein Glied in meine schon feuchte, aufnahmebereite Scheide, ich nahm es ganz auf und klammerte an der tiefsten Position mit den Beinen Peter erst einmal fest, welcher durch die Reibung und den Sachverhalt bereits stark erregt laut stöhnte. Ich atmete auch schon stark erregt durch seine vorherige Spielerei schneller, zog seinen Kopf heran und raubte ihm mit einem energischen Kuß den Atem, während ich mit den Schenkeln sachte das Tempo vorgab, welches ich mir wünschte, mit der Stärke des Drucks auch dosierte, wie weit Peter sich in mir bewegen konnte, wie reizvoll es für ihn war. Vermutlich wäre der Reiz bei komplettem Einsatz meiner Möglichkeiten so stark gewesen, daß er sich schon jetzt nicht mehr hätte halten können, andererseits konnte ich ihn auch wieder nicht so kräftig einklemmen, um seinen Erguß hinauszögern zu können. Ich merkte schon, was Peter auch bereits verbal kurz andeutete, es würde ihm nicht gelingen, sich zurückzuhalten, um mich länger zu erfreuen, so ging ich darauf an, spornte ihn noch an, zog an, erhöhte den Druck und forderte von ihm geradezu es hemmungslos rauszulassen und mich ganz zu erfüllen. So stieß er dann heftiger zu, mitten hinein in meine ordentlich erhöhte Reibung, er zuckte und bewegte sich unkoordiniert, keuchte und stöhnte und so ging das dann bei Peter sehr schnell und heftig pulste sein Glied beim Orgasmus in mir. Und es erregte mich sehr stark, ihn in mir wild zucken und und munter stoßen, ekstatisch pulsen zu spüren, wie er sich dabei an mir rieb, wie dabei meine glitschige Klitoris durch die Reiberei stimuliert wurde. Instinktiv klemmte ich ihn eng ein, bewegte mich selbst heftig selbst mit dem Unterleib stoßend und auch kreisend und folgte ihm dann bald darauf in die Ekstase. Ich hielt in mit meiner Scheide weiter eng umschlossen, hielt ihn, drückte ihn mit meinen Schenkeln an mich, preßte geradezu alles aus ihm heraus, um mich ganz zu füllen und zu beschenken mit seiner stimulierenden Gabe. Wir blieben dann längere Zeit eng umklammert und genossen die gemeinsame Erlösung, die tiefe Befriedigung unserer gemeinsamen Sehnsucht. Wir streichelten und küßten uns weiter und sanft in die Entspannung hinein. Auch weiter ließ ich Peter nicht los, während ich nur unsere Vereinigung genoß und ihn an mich drückte, hielt. Erst später, in tiefer Entspannung lösten wir uns zufrieden, hielten uns aber noch gegenseitig umschlungen, als wir einschliefen.
Die folgenden Wochen waren wir uns durch den täglichen Sex sehr nahe, probierten dabei allerhand aus, tauschten Positionen, wurden miteinander vertrauter, hatten viel Spaß, vernachlässigten darüber aber auch nicht die Arbeit am Projekt. Im Gegenteil, so ging es sogar noch besser voran, wir waren entspannter und die Unsicherheit war gewichen, wie wir miteinander umgehen sollten, so blieb dann auch gleich mehr Platz im Kopf für andere Ideen, insbesondere solche, welche die Missionen betrafen, die Forschung an unseren biologischen Projekten auf Skylla und Charybdis. Erst einmal auch hier eingearbeitet, entwickelte Peter nun ziemlich zügig einige Ideen, was in den vorhandenen Daten nachzusehen war, was anhand von Proben und Laborversuchen herauszufinden war.
So bekamen wir dann schon allmählich heraus, daß die Ais bislang natürlich schon gut geforscht hatten. Peter fand eigentlich nur wenig mehr oder betrachtete einige Dinge aus einem etwas anderen Blickwinkel, woraus sich ein paar neue Fragen ergaben. Denen nachgehend hatten wir dann bald noch ein paar weitere Optionen für das Projekt auf Charybdis. Die weitere Forschung würde dann aber wieder eine langwieriges Geduldsspiel werden.
Auch zum Skylla-Projekt konnte Peter einige hilfreiche Beobachtungen und Ideen beisteuern, die von den Ais gerne aufgegriffen wurden, um die Terraformung dort zu optimieren. Peter betonte, daß das auch so geklappt hätte, Hildegard meinte aber auch, daß es so signifikant schneller zu einer reichhaltigeren Flora auf Skylla führen sollte, schlicht weil einfach die Reihenfolge der anzusiedelnden Pflanzen und Mikroorganismen beim neuen, gemeinsam mit Peter ausgearbeiteten Plan besser war, um ein zügiges Wachstum verschiedener Arten aufeinander abgestimmt zu gewährleisten. Wir durften so also auf weniger Rückschläge hoffen, weil mit einem besseren Verständnis mehr Parameter berücksichtigt werden konnten.
Peter als Mensch ging einfach anders vor, wählte teils nur eine andere Reihenfolge von zu untersuchenden Ideen, brachte aber auch Ideen ein, wie unerwartete Korrelationen eher zu finden wären.
Und dann hatten wir auch schon wieder irgendwann eine große Sitzung anberaumt, um einerseits Bilanz zu ziehen, andererseits zu beschließen, wie wir weiter vorgehen sollten.
Körk hatte vom Asteroidengürtel Freki nicht viel Neues zu berichten, ebenfalls von den breit verteilten Sensoren zur möglichst frühzeitigen Detektion von bislang noch nicht entdeckten größeren Objekten. Mittlerweile war hier alles gut eingefahren und Körk hatte das gut im Griff, war damit aber gut beschäftigt. Das konnte also gut so weitergehen wie bisher. Je mehr Objekte von den Absorbern assimiliert wurden, desto weniger hatte er zu tun, aber da gab es noch reichlich Arbeit in diesem Sonnensystem.
Stanis und Asi hatten nur kurze Berichte eingereicht und nahmen nicht direkt teil. Ihre neuen Erkenntnisse waren zwar interessant, brachten aber keine dramatischen Überraschungen. Auch ihr Konzept hatte sich gut bewährt, das sollten sie natürlich auch fortsetzen.
Peter hatte lediglich eine kleine Wunschliste, allerdings bereits formlos an Stanis und Asi durchgereicht, um mehr Details über Flora und Fauna auf dem Eismond zu erhalten, aber auch kleinere Vorschläge für die Suche und Analyse von Funden in den Gasatmosphären der Gasriesen.
Esme berichtete von den Aktivitäten am Asteroidengürtel Geri und den Beobachtungen von Rasol. Rasol hat Regelmäßigkeiten in der Emissionscharakteristik, nicht exakt so wie die Sonnenflecken der Erde, aber doch eng damit verwandt. Das hilft etwas dabei, Sonnenstürme zu prognostizieren, wie auch einige andere Modelle zur Charakteristik von solchen Strahlungsausbrüchen. Für Skylla, Charybdis, die Raumstation und auch das Raumschiff ist das aber nicht sonderlich relevant, denn die haben ja ohnehin starke Magnetfelder. Auch Sonden und Satelliten waren mittlerweile gut abgesichert. Problematisch war da allenfalls noch der Bereich nahe der Sonne bis etwas über den Asteroidengürtel Geri hinaus, dort sind die Auswirkungen von Sonnenstürmen stark, weswegen es da immer wieder Störungen gibt. Das führt zwar zu Schäden, aber nicht zu Totalausfällen über eine größere Region, auch weil die Sonnenstürme immer eine Vorzugsrichtung haben. So können die Schäden schnell aus dem Bestand des Asteroidengürtels repariert werden, wo inzwischen auch schon kleinere Subsysteme mit sehr starken Magnetfeldern durch große Ströme in Supraleitern ausgestattet wurden. Trotzdem war der Plan zum Bau einer Station für Ais einstweilen zurückgestellt. Damit wollten wir nun warten, bis wir mit der Kolonie für Menschen ein gutes Stück weitergekommen waren.
Bei dem Projekt auf Skylla waren wir uns schnell einig, wie es weitergehen sollte, der Plan stand bereits, würde eine längere Zeit dauern und benötigte nur noch ein formales, einstimmiges Abnicken.
Dann ging es natürlich noch um Charybdis. Auch Peter hatte keine realistischen Optionen gefunden, dort die irdische Vegetation wieder zu verdrängen. Jedenfalls würde das nicht funktionieren, ohne auch die kümmerlichen Reste der charybdianischen Vegetation komplett zu vernichten. Das wollten wir natürlich nicht.
Die Labortests hinsichtlich symbiotischer Beziehungen von irdischen und charybdianischen Organismen würden noch lange laufen. Es gab nun ein paar weitere Ideen, was zu tun wäre, um das Verständnis möglicher symbiotischer Beziehungen zu verbessern. Die Ais sollten dann je nach den Ergebnissen weiter vorgehen, um die Erholung der charybdianischen Vegetation zu fördern, ohne allerdings die Ausbreitung der neuen, irdischen Organismen zu bremsen. Es war uns schon klar, daß wir damit Charybdis mehr oder weniger dem freien Spiel der dortigen Kräfte überließen. Die Ais würden bestenfalls wenige weitere irdische Spezies ansiedeln, die auch nur, wenn diese der Erholung der charybdianischen Vegetation zuträglich wären.
Wir berieten uns dann und waren uns bald einig, daß im Bedarfsfalle Peter hinzugezogen werden sollte, wenn sich wesentliche neue Ergebnisse ergeben sollten. Dieser war damit natürlich auch einverstanden.
Genaue Schätzungen über die Zeitdauer bis zur Eröffnung der Kolonie auf Skylla wollten wir nicht machen, rechneten aber schon mit ein paar Jahrzehnten, es würde ja doch dauern, größere Pflanzen wie etwa Bäume zu etablieren, auch einige etwas größere Tiere anzusiedeln. Schneller würde es hingegen mit der Errichtung der Gebäude der Kolonie gehen. Mit unseren technischen Möglichkeiten wäre das dann eine Kleinigkeit für die Ais. Mit dem vorhandenen Kartenmaterial von Skylla machten wir uns diesmal zusammen mit Peter noch einmal ein genaues Bild von Skylla. Eine zuvor schon als geeignet gefundene Insel erhielt auch nun gemäß der aktuellen Situation wieder unseren Zuschlag. Hier würden die Ais die Terraformung und die Ansiedlung eines komplexeren Biosystems besonders zügig vorantreiben, während für die Gebäude der Kolonie schon ein Bereich reserviert war, Gebäude dann natürlich auch allmählich errichtet würden. Wir schauten uns Pläne an, die schon pauschal zu Beginn der Mission mitgegeben worden waren, paßten das den örtlichen Gegebenheiten an, optimierten etwas, überlegten, was wir zunächst wirklich brauchen würden, wie den Platz effizient nutzen, wie es auch schön für die Menschen gestalten. So hatten wir dann bald auch einen groben Plan für die Kolonie samt Standort. Wenn es dann konkret würde, würden die Ais noch Feinheiten ausarbeiten, aber wir hatten doch schon eine gute Vorstellung davon, wie es dann werden mochte.
Peter und ich würden dann in ein paar Tagen wieder in die Konservierung gehen. So stellte sich dann natürlich die Frage, in welcher Reihenfolge die Wiederauferstehung erfolgen würde. Sollte Peter vor der Einrichtung der Kolonie wiederauferstanden werden, würde ich vermutlich nicht hinzugezogen werden. Auch Peter würde dann voraussichtlich bald wieder konserviert werden, so konnten wir uns in der Diskussion auf die Zeit konzentrieren, zu welcher die Kolonie eröffnet werden sollte. In dieser Zwischenzeit würden die Ais flexibel reagieren müssen, wenn spannende Probleme auftreten sollten. Susanne sollte jedenfalls bei den ersten Menschen der Kolonie dabei sein, ich natürlich auch und Peter ebenso. Nun hatte insbesondere ich natürlich das Problem, daß Susanne ja noch nichts von meiner Beziehung mit Peter wußte. Das würde sie sehr überraschen, wenn wir alle gleichzeitig wiederauferstanden würden. So wollte ich das in aller Ruhe erst einmal mit Peter ausdiskutieren, wo wir nun standen und wie wir das handhaben sollten. So beendeten wir die große Sitzung und vertagten die Entscheidung über den konkreten Termin unserer Konservierung noch für ein paar Tage, ebenso die Absprache über unsere Wiederauferstehung zur Koloniegründung.
Abends noch vor dem Sex mußten wir uns dann irgendwie einigen, wie wir vorgehen sollten, jedenfalls wenn nichts Unvorhergesehenes dazwischenkäme, auf was die Ais sowieso dann flexibel reagieren müßten.
Ich sprach zu Peter: „Also gut, ich habe es natürlich gewußt, daß es knifflig wird, bevor wir unsere gemeinsamen Vergnüglichkeiten angefangen haben. Es ist primär also meine Sache, das aufzudröseln, wenn Susanne wiederauferstanden wird.“
Peter gab sich verständig: „Auch ich habe das gewußt, kann also jetzt nicht Überraschung vortäuschen. Du hast eindeutig gesagt, daß du sie sehr magst. Wie siehst du unsere Beziehung?“
Ich entgegnete: „Ich mag dich sehr und möchte dich nicht verletzen, weiß aber nicht, wie ich es drehen soll, um niemanden zu verletzen. Vielleicht ist Susanne ja auch gar nicht sauer, freundet sich schnell mit dir an und wir haben weiter eine gute Zeit oder gar zu dritt noch eine bessere als bisher jeweils zu zweit. Genau wissen können wir das aber nicht. Vielleicht ist sie auch zutiefst von mir enttäuscht und wendet sich ab. Dann haben wir einen größeren sozialen Konflikt in unserer kleinen Gruppe. Sie könnte sich auch aus Trotz oder auch zum Trost auf dich konzentrieren, um dich allein für sich zu gewinnen. Allerdings halte ich weitreichende Rachegedanken bei Susi nicht für plausibel. Sensibel ist sie aber schon, da gilt es, eine Drama möglichst abzufangen, zu einer harmonischen Lösung zu kommen.“
Peter grübelte mit: „Hmm, ja, nicht einfach. Du hättest also nichts dagegen, es zu dritt zu probieren?“
Ich grinste ihn verschmitzt an: „Findest sie aufgrund ihrer Daten und der Aufzeichnungen auch ganz bezaubernd und reizvoll, oder?“
Peter fuhr sich durch die Haar, schloß sich dem Grinsen aber an: „Ja, sie ist sehr eindrucksvoll, wie du auch. Aber du hast meine Frage nicht beantwortet.“
Ich lachte, meinte dann: „Ahhhh, ich verstehe, du möchtest meine Erlaubnis, etwas mit ihr anfangen zu dürfen. Hmmm, wir liegen hier zusammen, schon mit der Absicht nach dieser kleinen Konversation Sex zu haben und du hast dein Glied schon in Gedanken bei Susi eingefahren!“
Ich lachte immer noch, Peter aber war etwas nervös geworden: „Du hast es schon irgendwie drauf, mich zu verunsichern, in eine Falle zu locken …“
Ich grinste und feixte ein wenig: „Na, bislang hattest du ordentlich Spaß in meiner Falle und ich hatte auch meinen Spaß dabei, das wirst du doch wohl einräumen?“
Peter bestätigte: „Natürlich, selbstverständlich. Das hat eine große Anspannung in intensive Befriedigung verwandelt. Das hat sehr viel gelöst, aber auch unsere Beziehung sehr vertieft.“
Ich erwiderte: „Stimmt, im Ansturm deiner Leidenschaft hast du mich tief erfüllt mit deinem Nektar der Lust.“
Peter lachte: „Das kann ich nicht mehr überbieten.“
Ich bestätigte: „Kapitulation angenommen.
Aber du hast natürlich Recht.
Zurück zum Thema.
Ganz ernsthaft, im Grunde wäre es die ideale Lösung des Problems, wenn wir alle drei miteinander herummachen würden, also mal so, mal so, mal auch gemeinsam, kein Problem. Allerdings kennst du sie noch nicht persönlich. Und wir wissen nicht, wie sie darauf reagiert, daß wir beide uns nun doch sehr nähergekommen sind. Sie ist lieb und daher bin ich zuversichtlich.
Ich mag sie.
Ich mag dich.
Trotzdem weiß ich natürlich nicht, wie sie reagieren wird. Die Zukunft bleibt spannend. Aber das alles habe ich natürlich vorher gewußt.“
Peter nickte und schaute nun auch ernsthaft: „Natürlich kenne ich sie nicht, da kann ich natürlich auch nicht wirklich sagen, ob es funkt, gut, wenn du sie magst, muß sie toll sein, da wäre ich dumm, sie nicht toll zu finden. Wenn sie das umgedreht auch so sehen würde, hätte ich ja ziemliches Glück mit solch tollen Frauen.“
Ich bestätigte: „Wenn wir alle so toll, perfekt und tolerant wären, wäre alles ganz einfach. Natürlich sind wir das alle drei letztlich nicht, was es dann wieder spannend macht.“
Peter schweifte ab: „Die Liebe ist seltsam. So wie es gewöhnlich läuft, ist sie zeitlich begrenzter Egoismus zu zweit. Geht das wirklich auch zu dritt oder kann man zwei Personen gleichzeitig und mit gleicher Intensität lieben?“
Ich lächelte: „Die Liebe ist ein seltsames Spiel. Wenn man alle Menschen im Sinne der Nächstenliebe liebte, wenn man ihnen mit Toleranz, Nachsicht und Geduld begegnen könnte, wäre es eine andere Menschheit. Und doch, wir sind nur eine kleine Gruppe, wir haben Verstand, sind nicht sonderlich impulsiv. Warum sollten wir es nicht anders probieren?
Für mich jedenfalls besteht schon ein großer Unterschied zwischen einer Situation, in welcher ich eine andere Person sympathisch genug finde, um mal ordentlich mit ihr Spaß zu haben, oder ob ich eine tiefe Verbundenheit fühle, ob ich jemanden so sehr mag, daß es wehtut, auch oder insbesondere wenn die andere Person nicht da ist. Und zu euch beiden fühle ich mich sehr hingezogen, fühle eine tiefe Verbundenheit, mag euch beide. Besser kann ich es nicht zum Ausdruck bringen, mehr kann ich nicht sagen.“
Ich hatte Tränen in den Augen, denn so hatte ich das noch nie formuliert. Ich hatte es bei Susi gefühlt und auch bei Peter. Und nun war ich am Ende meiner Weisheit, wenn ich jemals etwas davon hatte.
Peter schluckte nur kurz und nahm mich wortlos in den Arm. Wir hatten diese Zeit, wo wir Spaß hatten und nicht über Gefühle geredet haben, sie aber empfunden. Nun hatte ich es ausgesprochen, Peter empfand es auch.
Peter führte dann aus: „Meine Meinung: Du mußt mit Susanne reden, also seid ihr beide zuerst dran. Wenn ihr euch einig seid, weckt ihr mich auf und wir werden sehen, wie sich das Schicksal dreht. Ehrlich mußt du mit ihr sein wie mit mir. Und dann muß sich zeigen, wie wir miteinander zurechtkommen.“
Ich küßte ihn und so waren wir uns einig. Schnell waren wir dann wieder in Stimmung und begannen wieder ein leidenschaftliches, spritziges, quirliges, wildes Spielchen.
Wir teilten den Ais die gewünschte Reihenfolge für die Wiederauferstehung mit, also erst mich, dann Susi, dann würde Susi zusammen mit mir entscheiden, wann Peter dran wäre.
Und dann nahmen wir uns noch ein paar Tage Zeit, einerseits für die letzten ordnenden Stunden an den Projekten von Peter und mir, was unsere Aufzeichnungen und Dokumentationen anbelangt, hauptsächlich aber hatten wir reichlich wilden Sex, um uns vor der ungewiß langen Pause noch einmal richtig auszutoben. Ja, das ging schon sehr übermütig zu und wir trugen kaum noch die Raumanzüge, teils nicht einmal mehr bei der Ordnung und Dokumentation unserer Angelegenheiten, denn irgendwie waren wir einerseits schon sehr locker drauf, vielleicht auch in einer gewissen Abwehr des Gefühls, in der Konservierung den Abläufen so passiv ausgeliefert zu sein. Andererseits wollten wir es auch noch einmal so richtig krachen lassen, alles mitnehmen, denn uns war schon klar, nach der Konservierung würden wir wieder mit einer komplett anderen Konstellation und Situation konfrontiert sein. Da wollten wir doch wenigstens den Moment auskosten, was wir hier und jetzt hatten und genießen konnten.
Genaugenommen würden wir ja von der Pause nicht viel mitbekommen, aber mit dieser Vorstellung der kommenden Passivität, der fehlenden Teilnahme an den Entwicklungen war das Gefühl noch einmal viel existenzieller, intensiver, fast als gäbe es sonst nichts mehr, als gäbe es nur noch das Hier und Jetzt, das Wir, unsere Zweisamkeit. Gerade weil es gerade so gut zwischen uns lief und nicht irgendein Unglück Ursache für unsere Konservierung war, war es irgendwie auch ein Abschluß, denn genau wußten wir ja noch nicht, wie es später dann weitergehen würde. Und so klebten wir oft keuchend aneinander, stöhnten, drückten, preßten und spritzten hemmungslos unsere Lust hinaus, hielten uns aneinander fest und ließen einfach zu, was uns so überkam und antrieb, mischen unsere Säfte bis zur totalen Erschöpfung.
Und das ging dann fast bis zum Überdruß mit mehrmals täglichem Sex, der sich dann in diesen letzten Tagen von hektischer, leidenschaftlicher Aktivität hin zu mehr und mehr Entspannung entwickelte.
Und so begaben wir uns dann doch ganz ruhig und gelassen in die Konservierung. Wir hatten uns von allen verabschiedet, wir hatten gut gearbeitet, wir hatten uns miteinander ausgetobt, wir hatten einen sorgfältigen Plan. Und wir hatten auch verabredet, Peter, im Bedarfsfalle auch mich bei größeren Problemen oder Überraschungen oder Pannen wieder zu wecken. Irgendwie gehörte ich ja nun doch schon fest dazu und die Ai wollten bei größeren Sachen gerne meine Beteiligung, um eben davon zu profitieren, was ich als Mensch dazu meinte, aber auch als Individuum Michaela. Das galt inzwischen natürlich auch für Peter, nicht nur bei einem eventuellen Durchbruch bei den Experimenten im Labor.
Soll sich Michaela nach der Wiederauferstehung an den Plan halten?
Kollegen
Den nächsten Morgen wachte ich zum synthetischen Hahnenschrei aus dem Lautsprecher auf und war erfrischt. Irgendwie hatte ich einen Entschluß gefaßt. Susi würde es sicherlich nicht gefallen, wenn ich mich einfach so ungefragt an Peter heranmachen würde.
Also besser Finger weg und auf korrekte, kollegiale Distanz achten!
Das ist natürlich deutlich leichter gedacht als getan, wobei schon das Fassen des Gedankens ja nicht ganz so einfach war. Aber es erschien mir richtig, das jetzt korrekt durchzuziehen und nach einem diesbezüglich gefaßten Entschluß nicht mehr mich und hoffentlich auch Peter damit zu belasten. Dazu sollten wir uns schon noch etwas einfallen lassen. Die Anzüge waren dafür einfach zu figurbetont.
Erst einmal drehte ich dann wieder mit Peter die morgendlichen Runden und das war dann schon wieder eine Herausforderung, seine angenehme Nähe, die lockere Konversation, ach, wir verstanden uns einfach gut. Die Versuchung lockte schon. Immerhin konnte sich Peter gut zurückhalten, wenn ich doch auch immer wieder sah, daß er durchaus Interesse zu haben schien.
Als ich am kommenden Tag für mich war, fragte ich einfach mal bei Esme nach, die ja zuständig für die praktischen Dinge und die Versorgung auf der Raumstation war: „Esme?“
Emse antwortete gleich: „Ja Michaela, was gibt es?“
Ich brachte mein Anliegen vor: „Ich habe mich gefragt, ob es nicht möglich wäre, andere Kleidung als diese Anzüge zu bekommen, also nicht so eng anliegend, lockerer. Ich will nun nicht sagen, daß sie nicht bequem sind, aber sind sind eben ziemlich … eng geschnitten …“
Esmeralda antwortete: „In den Anzügen steckt schon viel Technik, um die Vitaldaten zu prüfen und euch optimal zu versorgen. Und du findest sie eng geschnitten?
Nach den ursprünglichen Konzepten zu schließen, war die Idee, daß sie möglichst wenig stören sollten, automatisch gut sitzen, sich dem Körper anpassen. Wäre es da nicht ein Rückschritt, Kleidung anzufertigen, die nicht paßgenau sitzt?“
Ich erklärte: „Nicht unbedingt, spürt man die Kleidung locker auf dem Körper, ist das ja nicht notwendig eine Störung, man ist sich ihrer nur bewußter. Und bei unserer aktuellen Konstellation, also Peter und ich, da ist es für eine korrekte, kollegiale Zusammenarbeit eher kontraproduktiv, solch körperbetonte Kleidung dauernd vorzuführen, das kann sehr ablenken und die Gedanken in eine Richtung bringen, die … störend ist. Da baut sich dann ein gewisser Druck auf, mit dem nicht so leicht umzugehen ist. Wenn andere Kleidung da nur einen kleinen Teil beitragen kann, um das etwas zu dämpfen, wäre das schon hilfreich.“
Esmeralda erwiderte: „Druck?
Hmmm, was hindert euch, den Druck abzubauen?
Was benötigt ihr, um das Problem zu lösen?“
Ich lachte und entgegnete dann: „Oh oh, ja also um den Druck abzubauen, bräuchten wir eigentlich nichts weiter. Es ist nur so, es würde sich nicht korrekt, richtig anfühlen, insbesondere für mich gegenüber Susi, wenn ich dem Gedankengang einfach so hemmungslos folgen würde. Daher sann ich darüber nach, wie es leichter werden könnte, das zu vermeiden.“
Esme gab sich verständig: „Achso.
Ja.
Gut.
So meinst du das mit dem Druck. Das ist mehr so ein Menschending. Etwas wie Sex meinst du zum Druckabbau?“
Ich bestätigte lachend: „Ja. Weißt du, engere Beziehungen zu anderen Personen verhindern da etwas das freie Fließen der Säfte, den hemmungslosen Abbau von aufgestauten Bedürfnissen und Trieben. Dieser Überbau von Rücksichtnahme, Verantwortungsgefühl, Rücksichtnahme auf eine Person, die man sehr mag, an der einem etwas liegt, die einen auch sehr mag, die man möglichst nicht verletzen will, das alles steht der einfachen Entspannung mit einer anderen Person im Wege. Zusätzliche Reize und Versuchungen erhöhen lediglich den Druck, dem man sich aufgrund der vorherigen oder schon bestehenden sozialen Verstrickung oder Verbindung nicht einfach so ergeben will. Also ist es eine doch wohl nachvollziehbare Strategie, die zusätzlichen Reize und Verlockungen zu minimieren, damit sich gar nicht erst so viel Druck aufbaut, um viele Gedanken aufkommen zu lassen, wie der einfach abzubauen wäre.“
Esme entgegnete: „So erklärt kann ich das nachvollziehen. Die enge Kleidung verursacht im größeren Umfange sexuelle Reize und Attraktionen. Da es aber aus anderen Erwägungen unerwünscht ist, diesen nachzugehen, ist es eher erstrebenswert, die Reize zu vermeiden!“
Ich nickte: „Genau!“
Sie fuhr fort: „Gut.
Verstanden.
Ich werde mal schauen, was ich da machen kann.
Für den Zweck könnte es ja auch ein zweites, locker getragenes Gewand über dem Anzug sein?“
Ich wiegte den Kopf: „Könnten wir probieren, besser aber sicher auch eine Lösung ohne den Anzug probieren.“
Esme warf ein: „Der Anzug hat ja auch eine wichtige Notfallfunktion, kann euch versorgen, kann in kritischen Situationen auch helfen, wenn die Rotation aussetzt oder gar der Druck abfallen sollte …“
Ich stimmte zu, gab aber auch zu bedenken: „Schon klar, aber wie wahrscheinlich ist es, daß das passiert und wir nicht gerade in einem Bereich sind, wo wir uns innerhalb von Sekunden in einen Schott retten könnten?
Oder bei einem persönlichen Notfall können wir doch vermutlich entweder etwas sagen oder kippen um und fallen damit auf. Basisdaten wie etwa den Puls werdet ihr sicher auch mit kleineren Geräten wie Armbändern oder so prüfen können.“
Esme räumte ein: „Das stimmt, das geht und würde wohl erst einmal auch reichen. Ich werde also mal herausfinden, was wir machen können und dann Vorschläge unterbreiten.“
Ich tat noch kund: „Gut, ich werde mal Peter auf andere Kleidung ansprechen.
Ich vermute, der wird mit der Idee auch etwas anfangen können!“
Damit waren wir uns dann einig und beendeten das Gespräch.
Und so fragte ich dann als nächstes Peter: „Was hältst du von anderen Klamotten, also etwas lockerer, legerer, statt dieser engen Anzüge?“
Peter schaute mich etwas verblüfft an, fragte nach: „Wie bist du da drauf gekommen?
Aber hast schon Recht, zwar ist der Anzug ganz praktisch und sogar bequem, aber mal was anderes wäre auch nicht schlecht.“
Ich entgegnete: „Och, ich dachte nur so, sind eben sehr eng und paßgenau, kann schon ablenken, meinst du nicht?“
Ich grinste keck und warf mich kurz ordentlich in Positur, also Kreuz gerade, Brüste exponiert.
Peter zog die Augenbrauen herunter, hakte nach: „Ablenken?
Wie meinst du das?
Wer wird wodurch abgelenkt?
Meinst du so wie du mich gerade verunsicherst und nervös machst?“
Ich lachte, meinte dann heiter: „Oh, nun tue mal nicht so. Ich habe schon mitbekommen, wie du mich immer wieder anschaust. Naja, gut, ich schaue auch mal ganz gerne, gebe ich zu. Offenbar lenkt die enge Paßform die Gedanken ganz automatisch in eine gewisse Richtung, die es uns nicht gerade leichter macht, korrekt, kollegial und unbefangen miteinander umzugehen.“
Peter schluckte, sah mich erst wortlos an, seufzte dann: „Oh, ich wollte dir keineswegs zu nahetreten …“
Ich unterbrach und versicherte: „Keine Sorge, ich habe das eher als Kompliment aufgefaßt, bist ja nie zudringlich geworden, von daher also alles in Ordnung.
Wir verstehen uns doch gut, also so ganz kollegial.
Meinst du, andere Kleidung könnte uns da helfen?“
Peter schluckte erneut: „Weiß nicht, vermutlich, vielleicht, ja, sollten es versuchen. Kollegial, jaja, soso, ja klar, das ist ganz angemessen. Du hast ja deine Susanne, schon deswegen lag es mir fern, da etwas zu versuchen.
Immerhin, wenn du meine gelegentlichen, schüchternen, bewundernden Blicke als Kompliment aufgefaßt hast, bin ich wohl damit als Kollege nicht gleich unten durch?“
Ich schüttelte lachend den Kopf: „Wir haben ja sonst niemanden hier zum Angucken. Ein gewisser Reiz ist da. Aber wir können uns doch zivilisiert benehmen, anständig miteinander umgehen. Und wir können versuchen, Reize zu minimieren.
Und stimmt, ja, Susanne ist mir sehr wichtig. Ich dachte auch, deswegen wäre es hilfreich, darüber zu reden und das klarzustellen. Das sollte uns helfen, einen guten Weg zu finden.“
Peter hatte den Blick gesenkt, nickte, meinte dann: „Ja, in Ordnung, verstanden, alles klar. Und wie geht das jetzt praktisch, also mit der Kleidung?“
Ich informierte: „Oh, ich habe heute Esmeralda schon gebeten, sich Vorschläge zu überlegen. Da du nun auch nicht abgeneigt bist, könnte sie dann ja mal loslegen, wenn sie so weit ist, daß wir das begutachten können und eventuell auch auswählen.
Meinst du, wir kommen so miteinander aus, also korrekt und kollegial?“
Peter atmete tief durch: „Jaja, sicher, müssen wir ja, werden wir hinbekommen, meinst du nicht?
Bin ja kein Wüstling oder so, der sich einfach so ohne Einverständnis heranmachen würde und die Situation ausnutzen.
Aber gut, daß sich Esmeralda bereits darum kümmert, das mag den Umgang miteinander hoffentlich etwas erleichtern, wenn weniger Reizpunkte offensichtlich oder offen sichtlich sind …“
Ich lachte und er stimmte mit ein, dann wendeten wir uns wieder unseren Arbeiten zu.
Später brachte Esme dann mit einem Roboter zunächst zwei Testarmbänder vorbei, die wir ausprobieren sollten, damit würden zumindest die Basis-Vitaldaten aufgezeichnet. Unsere Anzüge konnten wir im Bereich der Hand etwas den Arm hochschieben, so ging das ganz gut. Und Esme hatte so dann wirklich Zugriff auf die unbedingt benötigten Daten. Damit waren wir schon einen Schritt weiter.
Gegen Abend führte Esme uns dann auf Monitoren Simulationen vor, um uns zu zeigen, wie welche Modelle ungefähr funktionieren und aussehen würden. Wir machten mit und verfeinerten und bereicherten die Kollektion dann noch. Esme versprach dann bereits für den nächsten Morgen je ein von uns favorisiertes Modell für den Frühsport und ein weiteres für den Rest des Tages, bis zum Abend dann noch ein weiteres Modell für die Freizeitgestaltung am Abend. Das war schon deutlich mehr, als wir erwartet hatten, so waren wir dann schon gespannt darauf, was uns der nächste Tag bringen würde. Nach dem Abendessen saßen wir dann erst einmal entspannt zusammen und sahen uns einen Film an.
Nachdem das zwischen uns geklärt war, war ohnehin schon etwas Druck weg, wir fühlten uns freier, unbeschwerter, weil wir zu einer Entscheidung gekommen waren. Wir hatten unser Verhältnis eindeutig als kollegial geklärt. Und solch eine Klärung tut so oder so gut, man weiß, woran man ist, was einem weiteres Grübeln darüber erspart.
Als ich dann am nächsten Morgen wieder vom synthetischen Hahnenschrei geweckt wurde, fand sich wirklich wie von Zauberhand gewebt die versprochene Garderobe. Ich probierte das Teil für den Frühsport an, ging hinaus, auch Peter gesellte sich in seinem neuen Teil dazu und wir liefen lachend los, denn nun kamen wir uns schon beinahe wie zwei Modelle aus solch einem Modekatalog vor, die den Trend der Saison vorführten. Ich mußte mich auch erst einmal wieder etwas umgewöhnen, das war nun schon etwas anderes als der enge Anzug, deutlich weiter, auch mal über die Haut reibend, aber eigentlich ganz angenehm. Esme hatte es schon drauf, beziehungsweise die webenden Mikroroboterschwärme. Sie hatten ein sehr hautfreundliches, weiches Material erschaffen, welches einerseits spürbar war, aber wiederum auch bei Bewegungen nicht scheuerte, eher der Haut angenehm schmeichelte. Damit konnten wir schon sehr zufrieden sein.
Wir plauderten unterwegs über die neuen Klamotten und auch Peter mußte sich erst eingewöhnen, empfand das so aber auch schon als ganz praktisch, hatten wir doch darauf geachtet, daß diese Sachen deutlich einfacher an- und abzulegen waren als die offiziellen Anzüge.
Nach unserem Rundlauf duschten wir dann erst einmal. Da wir uns danach fast nackt begegneten, nur die neuen Sachen jeweils über dem Arm, war der eigentlich beruhigend gemeinte Teil des Konzeptes schon wieder teilweise dahin, aber wir lachten nur etwas verlegen und eilten dann jeweils in unsere Kabinen, um uns für den Tag umzukleiden.
Auch die Kleidung für den Tag war einfach und praktisch anzulegen und funktionierte gut. Wie auch bei der Sportkleidung war das Material für mich ein ziemliches Rätsel, das war es schon beim offiziellen Anzug, bei dem mir nicht klar war, wie der so dünn, leicht und anliegend all die Funktionen haben konnte und dazu noch notfalls als Raumanzug dienen konnte. Dies Material war nochmal anders, es schmeichelte der Haut ebenfalls bei Reibung, es war weich und flexibel, praktisch nicht zu beschmutzen und doch sehr robust, ähnlich wie der Anzug, dagegen weiter geschnitten und modisch leicht aufgewertet. Dazu wies es noch je nach Blickrichtung auf das Material andere optische Oberflächeneigenschaften auf. Da war allerdings kaum zu sagen, ob das durch die sonstigen Eigenschaften impliziert war oder ein zusätzlicher modischer Effekt, den Esme einfach einmal ausprobiert hatte. Ich fand es ganz nett, fragte aber nicht einmal nach.
Zum Frühstück zeigten wir uns dann und plauderten munter über die neuen Sachen und waren ganz angetan. Und so ging es dann auch bald an die tägliche Arbeit.
Abends führten wir uns dann auch noch die abendliche Freizeitkleidung vor, diskutierten mit Esme noch ein paar kleine Verbesserungen und gaben uns dann mit der Kleiderfrage zufrieden.
Peter hatte sich schon ganz gut eingelebt und unsere Forschungen gingen gut voran. Den Tag über forschten wir dann weiter konzentriert an unseren Projekten, da wir uns entschieden hatten und geklärt hatten, was zwischen uns lief, lenkte das Thema auch nicht mehr so ab. Nach den Abendessen saßen wir dann zusammen, schon nebeneinander, aber ohne Körperkontakt, plauderten locker, schauten Filme, hörten Musik, philosophierten, spielten für zwei Personen geeignete Gesellschaftsspiele.
Wir kamen also gut zurecht und vernachlässigten so nicht die Arbeit am Projekt. Im Gegenteil, so ging es sogar noch besser voran, wir waren entspannter und die Unsicherheit war gewichen, wie wir miteinander umgehen sollten, so blieb dann auch gleich mehr Platz im Kopf für andere Ideen, insbesondere solche, welche die Missionen betrafen, die Forschung an unseren biologischen Projekten auf Skylla und Charybdis. Erst einmal auch hier eingearbeitet, entwickelte Peter nun ziemlich zügig einige Ideen, was in den vorhandenen Daten nachzusehen war, was anhand von Proben und Laborversuchen herauszufinden war.
So bekamen wir dann schon allmählich heraus, daß die Ais bislang natürlich schon gut geforscht hatten. Peter fand eigentlich nur wenig mehr oder betrachtete einige Dinge aus einem etwas anderen Blickwinkel, woraus sich ein paar neue Fragen ergaben. Denen nachgehend hatten wir dann bald noch ein paar weitere Optionen für das Projekt auf Charybdis. Die weitere Forschung würde dann aber wieder eine langwieriges Geduldsspiel werden.
Auch zum Skylla-Projekt konnte Peter einige hilfreiche Beobachtungen und Ideen beisteuern, die von den Ais gerne aufgegriffen wurden, um die Terraformung dort zu optimieren. Peter betonte, daß das auch so geklappt hätte, Hildegard meinte aber auch, daß es so signifikant schneller zu einer reichhaltigeren Flora auf Skylla führen sollte, schlicht weil einfach die Reihenfolge der anzusiedelnden Pflanzen und Mikroorganismen beim neuen, gemeinsam mit Peter ausgearbeiteten Plan besser war, um ein zügiges Wachstum verschiedener Arten aufeinander abgestimmt zu gewährleisten. Wir durften so also auf weniger Rückschläge hoffen, weil mit einem besseren Verständnis mehr Parameter berücksichtigt werden konnten.
Peter als Mensch ging einfach anders vor, wählte teils nur eine andere Reihenfolge von zu untersuchenden Ideen, brachte aber auch Ideen ein, wie unerwartete Korrelationen eher zu finden wären.
So ohne Susi und ohne Peters Beistand hatte ich aber schon aufkommende Bedürfnisse, die ich zwar händisch gut befriedigen konnte, ich fragte mich allerdings, ob da nicht noch mehr ginge.
Da ich auf Peter ja nicht zurückgreifen wollte, konsultierte ich wieder Esmeralda, nicht wegen praktischer Hilfe, sondern vielmehr, um mir Rat und Information über meine Möglichkeiten einzuholen: „Esme?“
Esme antwortete gleich: „Ja Michaela, was gibt es?“
Ich machte mal forsch einen Vorstoß: „Also, Susis Gesellschaft fehlt mir schon und weil ich sie sehr mag, will ich da ja auch, wie bereits erläutert und geklärt, mal nichts mit Peter versuchen. Aber ich habe schon Lust auf kleinere Spielereien, nicht nur manuelle Entspannung. Also, zu meiner Zeit gab es da auch kleine Helferlein, die einem nicht nur eine Menge diesbezügliche Arbeit abgenommen haben, sondern auch viel erquickliche Freude bereitet haben, weil sie einfach mehr und andere Reize boten, als dies händisch zu erreichen ist. Wie sieht es damit eigentlich aus?“
Esme rätselte wohl noch etwas: „Mir ist noch nicht ganz klar, was du meinst, was das Begehren ist …“
Ich grinste und erklärte unbeeindruckt und ohne Scheu forsch formulierend: „Also, diese kleinen Helferlein dienen der Massage durch Vibrationen und Reibung, unter anderem gut einsetzbar zur sexuelle Stimulation, um da Druck und Anspannung in einem angenehmen Rausch, in Ekstase aufzulösen. Ist solch ein Menschending, vielleicht nicht so ganz einfach für Ais nachzuvollziehen. Neben diesen sogenannten Vibratoren oder Massagestäben, allgemeiner Massagegerät gibt es auch noch einfache, feste Formen ohne zusätzliche automatische Hilfen. Die Geräte mit zusätzlicher Hilfe erzeugen mechanische Schwingungen in einem geschlossenen Gehäuse geeigneter Frequenz und Intensität. Das gibt es auch ohne diese zusätzliche Hilfe in einfacheren Ausführungen für den gleichen Zweck, allerdings sind die Reize dann direkt von der bedienenden Person umzusetzen. Diese einfacheren Instrumente werden auch Dildos genannt, gerne auch in ansprechendem Design, in künstlerischer Ausprägung, andere sind eher naturalistisch in Penisform.“
Esme entgegnete: „Dazu finde ich Beschreibungen und Bilder in der Datenbank, aber keine genauen Spezifikationen. Etwas über den Frequenzbereich und die Magnitude der Schwingungen ist leider nicht zu finden. Auch die Form scheint stark variiert worden zu sein. So im Vergleich mit typischen anatomischen Formen ist mir nicht immer sofort einsichtig, wie diese Gegenstände praktisch eingesetzt wurden.
Da wirst du also wohl etwas mithelfen müssen, wenn wir solche Geräte für dich entwickeln sollen. Diese Dildos in Penisform oder auch abstrahiert oder als geeignete Frucht- oder Tierformen sind technisch natürlich relativ einfach umsetzbar.
Die Materialwahl ist relativ einfach und gut umzusetzen, denn diese Geräte sind ja wohl für den direkten Einsatz auf der menschlichen Haut gedacht, da ist also stark auf Verträglichkeit zu achten. Bei der Oberflächenstruktur kann man verschiedene Ansätze verfolgen.
Bei den Dildos wird ja oft eingeführt und es werden stoßende, reibende Bewegungen vorgenommen, da scheint es mir vorteilhaft, eine glatte Oberfläche zu wählen oder jedenfalls eine, die zusammen mit menschlichen Körperflüssigkeiten eine niedrige Reibung ergibt, aber dabei schon noch eine gute Stimulationswirkung hat. Dabei ist also die unbedingt erwünschte Stimulation durch die Reibung abzuwägen gegenüber möglichen Verletzungen bei zuviel Reibung. Diese hängt wiederum von der Menge und Konsistenz der Körperflüssigkeit ab, also nicht so einfach, das passend auszulegen.
Bei den Geräten, die eine mechanische Schwingung des Gehäuses erzeugen, scheint es mir hingegen darauf anzukommen, ob diese Geräte auch eingeführt und stoßend bewegt werden oder ob sie mehr aufgelegt werden, wonach sie dann möglichst effizient die Schwingung vom Gehäuse auf die belegte Region des menschlichen Körpers übertragen sollen. Somit stellt sich dann auch die Frage, ob die Massagewirkung auch allgemein auf weitere Regionen des Körpers angewendet wird oder speziell der sexuellen Stimulation im Vaginalbereich dienen soll.“
Ich war schon einmal beeindruckt, wieviel Esme bereits bei diesen ersten Ausführungen zum Thema bedacht hatte.
Ich erläuterte: „Also gut, das Gerät dient schon primär der sexuellen Stimulation, schadet aber sicher nicht, wenn man es auch breiter anwenden kann, nicht nur einführen. Ein Auflage im Bereich der Brüste, auch auf dem Venushügel mit leicht rotierenden Bewegungen kann sehr anregend sein, auch bei anderen Körperregionen kann das eine anregende, auch entspannende Wirkung erreichen, die nicht eindeutig sexuell ist. Solch ein vibrierendes Gerät zum Auflegen, welches sich mit wechselndem Druck zur Massage bewegen läßt, aber auch angenehm über die Haut reibt und schubbert, wäre mir sehr nützlich und zum Lustgewinn erwünscht.
Bei einem phallusartigen Gerät zum Einführen könnte die Simulation einer kräftigen Ejakulation zum gewünschten Zeitpunkt mit einer verträglichen Flüssigkeit angenehmer Temperatur eine komplexere Herausforderung sein, dem Lustgewinn aber sehr zuträglich sein.“
Esme erwiderte: „Ja, ich verstehe das nun schon etwas besser, hört sich nach verschiedenen Geräten an. Da du die Eigenschaften vermutlich nicht präzise spezifizieren kannst, wirst du dich wohl an der Entwicklung beteiligen müssen, auch Experimente durchführen, damit wir da zu einem optimalen Ergebnis kommen …“
Ich unterbrach und grinste, ergänzte: „Ein zutiefst befriedigendes Ergebnis ist in diesem Falle von größerer Relevanz als ein optimales, wobei das eine das andere nicht ausschließt. Und auf die Experimente bin ich schon sehr gespannt, da bin ich selbstverständlich bereit, mich mit vollem Körpereinsatz einzubringen, damit wir schnell erste befriedigende Ergebnisse erreichen.“
Esme versprach dann für den nächsten Tag eine Entwicklungsumgebung vorbereitet zu haben, eine grobe Materialauswahl für die Hüllen vorzunehmen, ebenfalls verschiedene Möglichkeiten für die Erzeugung mechanischer Schwingungen zu recherchieren. Dazu fielen mir gleich ein: Piezo-Technik, elektromagnetische Stößel wie etwa bei Einspritzventilen oder die Erzeugung von Schwingungen in klassischen Lautsprechern schien mir eine Option zu sein, diese weisen eine weiten Frequenzbereich auf. In Frage kamen natürlich auch die üblichen kleinen Elektromotoren, die über einen Exzenter die gewünschte Vibration erzeugen, eine Stimulation durch Druck- oder Schockwellen oder auch durch Kavitation in einer Flüssigkeit innerhalb des Gerätes schien mir auch naheliegend zu sein. Pneumatik fiel mir auch noch als alternatives Konzept ein, es könnte dabei ja durchaus auch reizvoll sein, wenn ein einführbares Gerät mit wechselndem Druck den Durchmesser entweder komplett oder variabel in verschiedenen Teilbereichen ändert.
Esme versicherte, mit der Mikrorobotertechnik und auch mit der dreidimensionalen Drucktechnik könnten sie sehr viel herstellen, wünschenswert für die Anwendung sei allerdings sicherlich eine Kapselung der Technik in einem gesundheitlich unbedenklichen Material.
Hinsichtlich des Frequenzbereichs und der Amplitude von schwingenden Systemen war sie noch relativ ratlos. Ich auch, meinte aber, die Konsistenz und Trägheit menschlichen Fleisches, der Haut, die Elastizität sei dabei sicherlich ein relevantes Maß für einen sinnvollen Frequenzbereich. In der Nähe der Eigenfrequenz sei eine Übertragung sicherlich sehr effizient, stärker davon abweichend wären aber auch deutlich andere Reize vorstellbar, langsam sicherlich gut wahrnehmbar, um Größenordnungen schneller wohl aber eher nur noch als diffuser Druck bemerkbar. Ich führte aus, eine Amplitude im Millimeterbereich sei auch plausibel, bei niedriger Frequenz im Hertz-Bereich vielleicht auch Zentimeter, wenn man an kreisende Bewegungen etwa von Dildospitzen denke.
Esme war erst einmal orientiert, wollte da nachschlagen und Plausibles ermitteln, dann mit Vorschlägen zügig Rückmeldung geben.
Dem stimmte ich natürlich unbedingt zu und so hatte Esmeralda erst einmal einen kleinen Arbeitsauftrag. Ich bat dann noch darum, diese Aktivitäten nicht an die große Glocke zu hängen, insbesondere gegenüber Peter.
Später überlegte ich mir dann, ob nicht vielleicht auch Peter Bedarf an ähnlichen Gerätschaften haben könnte?
Allerdings wollte ich da seine Gedanken mit einem von mir begonnenen Gespräch nicht in zweifelhafte Richtungen lenken, nachdem wir ja nun eine klare, gemeinsame Linie zum rein kollegialen Verhältnis gefunden hatten.
Peter seinerseits unterbreitete mir dann beim nächsten morgendlichen Rundlauf seine neuesten Ideen. Er wollte untersuchen, ob es nicht klappen könnte, die charybdianische Vegetation mit Genmanipulation an die irdische anzupassen oder kompatibler mit irdischen Pilzkulturen zu machen, um so effiziente Symbiosen schnell zu erreichen. Eine andere Frage, die er untersuchen wollte, drehte sich darum, ob es nicht möglich sei, mit speziellen irdischen Mikroorganismen, Viren und Bakterien Änderungen in die charybdianische Vegetation einzubringen, um so die Grundlage für symbiotische Beziehungen zwischen charybdianischen Pflanzen und irdischer Vegetation zu legen.
Ich äußerte Bedenken, ob es nicht gefährlich wäre, Turboviren oder Turbobakterien zu entwickeln, die so invasiv seien. Peter lachte aber nur und meinte, er würde das schon gut im Griff haben und umsichtig mit der Problematik umgehen, Experimente sicher auch nur unten im Labor auch Charybdis durchführen. Ich war mir nicht so sicher, ob mich das beruhigen sollte. Nunja, immerhin ist Peter der Experte für Mikrobiologie, da würde ich ihm schon vertrauen müssen.
Ich hatte nun nicht so viel zu tun, was wirklich meine Fachkenntnisse erfordert hätte. Ida wies mich aber auf einige neuere Entwicklungen hin, die sie aus dem Sonnensystem bekommen hatte. Da waren ein paar Einfälle dabei, mit denen die Effizienz von Fusionsreaktoren und auch unseren relativistischen Antrieben verbessert werden könnte. Allerdings waren wir ja nun schon längst im Rasol-System, ein verbesserter Antrieb wäre also allenfalls nützlich, um schneller Material mit Mission 3 auszutauschen.
Beides lag nicht gerade meinem ursprünglichen Forschungsbereich nahe, trotzdem schaute ich neugierig, was ich davon verstehen konnte, wie abgeschätzt werden könnte, wie relevant das für uns sein könnte.
Später unterbreitete mir Esme dann, was sie bislang hinsichtlich des Vibratorprojektes zusammenbekommen hatte. Das war sicherlich leichter zu verstehen als Details der Fusionstechnik oder auch der Antriebstechnik. Ich hatte das Gefühl, mich für den Tag genug mit diesen komplizierten technischen Dingen beschäftigt zu haben und widmete dann den Rest des Tages bis zum Abendessen dem Vibratorprojekt. Hinsichtlich der Formgebung hatte ich schnell einige Ideen. Esme würde dann vor dem Schlafengehen bei mir einmal mit einem Roboter genau maßnehmen. Bei der Schwingungstechnik sah Esme bei einigen Methoden gute Möglichkeiten, das in der notwendig kleinen Form ausreichend leistungsfähig zu realisieren. Wir waren uns aber überhaupt nicht sicher über einen sinnvollen Frequenzbereich und auch nicht über den Intensitätsbereich der Schwingungen, trotz meiner Einfälle, das über die Eigenschaften der Haut ungefähr zu bestimmen, wo Esme mit dem Roboter dann auch noch Daten aufnehmen wollte.
Wir einigten uns dann erst einmal darauf, ein paar Prototypen zu erstellen, die jeweils verschiedene Frequenzbereiche abdecken würden, denn es schien nicht so einfach umsetzbar zu sein, einen Prototypen zu fertigen, der einen sehr großen Frequenzbereich mit auch noch gut einstellbarer Intensität abdeckt und ausreichend lange hält, um alles durchzuprobieren. Materialermüdung war auch noch ein Problem, denn typisch versucht man ja Vibrationen bei technischen Konstruktionen eher zu vermeiden, um Zerstörungen durch Materialermüdung möglichst hinauszuzögern, hier aber war das Material so zu wählen, daß es auch oder gerade unter solch ständigen Formänderungen stabil bleibt, nicht bricht oder auch Material in winzigen Mengen abgibt.
Immerhin hatte Esme da eine kleine Auswahl von elastischen Materialien zusammengestellt, bei denen jeweils die Oberflächenbeschaffenheit und Elastizität variierbar sind. Zum Abend sollte ich dann schon einmal ein paar Materialproben zum Einfühlen bekommen.
Ein weiteres Thema war natürlich die Energieversorgung der Geräte. Da wir die maximale durchgehende Nutzungsdauer pro Anwendung bei gegebenen Bedingungen und für mich wohl auf einige Stunden abschätzen konnten, versicherte Esme da, auch bei kompakten Bauformen gute Lösungen an Akkumulatoren zu haben, die dann einfach und schnell aufzuladen seien, während ich in der Zeit ohnehin anderweitig in der Raumstation beschäftigt sei.
Esme zeigte bei dem Projekt wirklich Interesse und Anteilnahme, so bestanden dann die für den späten Abend versprochenen Materialproben nicht nur aus relativ schnöden Materialklötzen, sondern hatten bereits die leicht abstrahierte Form eines Phallus, waren zudem innen mit einem stabileren Material versteift, also auch von der Elastizität her ähnlich einem steifen Penis. Ich war erfreut, so würde mir die Materialprobe gleich besonderes Vergnügen bereiten.
Esme hatte die Proben sorgfältig beschriftet und mir ganz praktisch auch gleich Testbögen zum Notieren meiner Eindrücke und Einfälle hinterlassen. Papier hatten wir hier dafür aber nicht, das Gerät wirkte allerdings ähnlich flexibel, der zugehörige Stift digitalisierte aber gleich die Eingaben und Notizen, die ich zudem auch alternativ einsprechen konnte. Das Gerät selbst hatte ich schon öfter verwendet, Esme hatte für unser kleines Projekt nur gleich passend die Testbögen vorbereitet, damit ich die Eindrücke und Ergebnisse zielgerichtet eingeben konnte, kritische Punkte systematisch und bequem vermerken konnte, ohne etwas zu übersehen oder zu vergessen, was für die Bewertung wichtig sein könnte.
Die Proben umfaßten einige verschiedene Oberflächenstrukturen, auch unterschiedlich starke Reibung, wobei ich dann auch jeweils ausprobierte, wie sich das in Kombination mit von mir in diesem Zusammenhang bei zunehmender Erregung abgesonderten Körperflüssigkeiten ändert. Je nach Anwendung, ob eher innen oder außen hatte ich da verschiedene Favoriten, mit gefiel aber auch die Abwechslung der Sensation mit unterschiedlichen Oberflächenbeschaffenheiten, was andere Effekte bei der Massage ermöglicht. Ich notierte also fleißig und skizzierte damit auch gleich, was ich für welche Anwendung besonders für geeignet hielt oder wie sich das auch je nach Nutzung und Anhaftung änderte.
Jenseits dieser technisch-wissenschaftlichen Ergebnisse der Untersuchung hatte ich damit auch bereits sehr schöne, anregende und dann auch hervorragend entspannende Sensationen mit befriedigendem Abschluß.
Den nächsten Morgen, noch vor dem Aufstehen berichtete ich Esme dann kurz, welche dann bei den benutzten Proben auch noch hygienische Aspekte untersuchen wollte. Bezüglich der Änderung der Oberflächenbeschaffenheit durch Nutzung und eigene Körperflüssigkeiten philosophierten wir dann noch ein wenig, unter welchen Anwendungsbedingungen das eher erwünscht wäre, unter welchen nicht. Dabei neigten wir dann eher zu der Ansicht, daß es meistens vorteilhafter wäre, das Material würde gleich die gewünschten Eigenschaften aufweisen und diese während der Anwendung nicht nennenswert oder jedenfalls von selbst ändern. Die Anforderung war natürlich nicht so einfach, es handelt sich ja immer um eine Interaktion, wo sich ja insbesondere bei der inneren Anwendung auch die Umgebung mit steigender Erregung ändert, also auch das Gefühl der Nutzung. Es wäre nun etwas viel verlangt gewesen, ein Material zu fordern, welches sich dynamisch den veränderten Bedingungen anpassen würde. Esme versicherte, das sei nicht komplett ausgeschlossen, doch waren wir ohnehin nicht in der Lage, da genau zu spezifizieren, was genau wünschenswert, erstrebenswert und von der Sensation her optimal wäre, von daher beschränkten wir uns auf ein Material, dessen Eigenschaften selbst sich nicht änderten. Ein echter Penis hat ja auch nur eine gewisse Variationsbreite bei den Eigenschaften, wenn er in einem Zustand ist, der für den angestrebten Zweck nützlich ist. Ein Material, welches nicht zur Anhaftung neigt, schien uns jedenfalls eine gute Option zu sein, auch hinsichtlich der Hygiene. Bei dieser warf Esme dann auch die Frage auf, ob es vorteilhafter sei, wenn das Material gleich antibakterielle Eigenschaften und antipilz-Eigenschaften aufweise oder ob das von geringerem Belang sei, da ohnehin eine sorgfältige Reinigung nach Gebrauch vorgenommen werde. Mikroorganismen sollten sich auf der Oberfläche sicher nicht ansiedeln, so schien es mir auch wichtig zu sein, daß Esme genau untersuchte, ob oder wie sich diese auf der Oberfläche ansiedeln können. Bei automatisch abgesonderten Wirkstoffen hatte ich eher Bedenken, die sie nachvollziehen konnte, also käme es mehr auf die mechanischen Oberflächeneigenschaften an, ebenfalls auch eine geeignete Mikrostrukturierung der Oberfläche. Da diese aber auch wiederum als Textur Einfluß auf Reibung und Gefühl hat, war das dann also ein weiterer Punkt für Experimente.
Während sich Peter in den folgenden Wochen mit seinen neuen Einfällen beschäftigte, hatte ich meine Arbeit auf verschiedene Projekte aufgeteilt. Neben der Untersuchung der Möglichkeiten der Optimierung von Fusion und Antrieb schaute ich auch immer noch mit Körk verschiedene Aspekte und Neuigkeiten des Rasol-Systems durch, um die Früherkennung vagabundierender Objekte wie Asteroiden auf untypischen Bahnen gut im Griff zu behalten. Zudem blieb ich auch bei den Projekten von Stanis und Asi gerne auf dem aktuellen Stand, sah mir Bilder und Rohdaten von Messungen an, visualisierte davon einige besonders interessante Sachen, um sie Peter zu präsentieren und so auch gemeinsame Angelegenheiten zu haben, also wirklich zusammenzuarbeiten, nicht nur nebeneinander her. Das klappte gut, denn auch Peter berichtete gerne über den aktuellen Stand seiner Unternehmungen und bezog mich da auch gerne mit ein, wobei ich als Physikerin ja sozusagen außenstehend war und so mehr staunte, was da abging und welche Ideen da aufkamen. Aber wie das so ist, es lohnt sich natürlich, Ideen gegenüber einer anderen Person explizit zu formulieren, um sie besser zu entwickeln oder auch neue Ideen zu assoziieren. Und da hörte ich natürlich gerne zu, fragte nach, formulierte, was ich verstanden hatte, diskutierte, klärte. Peter nahm das gerne an, denn so flossen da andere Gedanken ein, was ihm auch half, eigene Ideen und Methoden entweder zu festigen oder doch zu verwerfen, weil sich bei genauer Formulierung manchmal schon herausstellte, daß ein anderer Weg erfolgversprechender wäre.
Mit den neuen Kleidern hatten wir ja nun auch schon etwas Erfahrung. Das trug sich – nach weiteren kleinen Verbesserungen – dann wirklich gut und bequem. Auch die Armbänder zur Aufnahme der Basisdaten funktionierten mittlerweile störungsfrei, nachdem wir da auch einige kleinere Optimierungen hinsichtlich Tragekomfort und Zuverlässigkeit vorgenommen hatten.
Hatte der Klamottenwechsel aber wirklich den beabsichtigten Effekt?
Wie gehabt erschien mir Peter ziemlich verlockend und attraktiv, vielleicht lenkte ich mich auch gerade deswegen mit dem Vibrator-Projekt sehr gerne ab. Obwohl unsere Körperlichkeit nun nicht mehr so dominant hervortrat und wir unser Verhältnis geklärt hatten, war die sexuelle Spannung natürlich nicht weg, bestenfalls durch die Kleidung etwas gemildert und durch unser offenes Gespräch hatten wir immerhin eindeutig geklärt, daß nichts laufen sollte. Aber die Verlockung blieb natürlich eindeutig vorhanden. Peter war eben ein sehr süßer Bursche, wo ich schon gerne genascht hätte. Aber ich riß mich tapfer zusammen. Und von der Körpersprache her, der Gestik, den Gesichtsausdrücken und auch aufgrund seiner fortgesetzten gelegentlichen heimlichen Blicke schloß ich mal, daß es auch Peter nicht so ganz leichtfiel, mit unserer Entscheidung locker und befreit umzugehen. Immerhin war meine Wertschätzung gegenüber Susanne ganz klar kommuniziert, während ich ja nie offen Interesse an ihm zum Ausdruck gebracht hatte, so mußte er wohl davon ausgehen, daß meine Interessen anderweitig waren und akzeptierte das auch.
Einfach war das für ihn aber sicherlich nicht. Ich hätte zu gerne gewußt, was er so Abends alleine in seiner Kabine anstellte, worüber er phantasierte, was er sich so in erotischen Träumen oder Halbträumen vorstellte.
Spielte ich dabei doch eine Rolle oder sublimierte er das anders?
Vielleicht nutzte er da ja auch einfach einschlägiges Material aus der Datenbank. Da gab es reichlich Material in Bildern, auch in Videos, die der Anregung dienen konnten, das hatte ich auch bereits herausgefunden. Zweifellos hatten die Ais das absichtlich so abgelegt, daß man das bei Bedarf ganz gut finden kann, wenn man etwas brauchte, um sich abzulenken, um Druck abzulassen, sich zu entspannen, das Gehirn einfach einmal ordentlich durchzuwirbeln und die Gedanken schwelgen und treiben zu lassen.
Das Vibrator-Projekt mit Esme nahm nicht so viel meiner Zeit in Anspruch, ich entwickelte ja auch hauptsächlich nur Ideen, testete abends nach dem gemeinsamen Abendprogramm mit Peter dann wieder allein in meiner Kabine verschiedene Prototypen und notierte sorgfältig Ergebnisse und Eindrücke. Wir machten aber gute Fortschritte, so daß ich dann bald wirklich über ein paar nette Spielzeuge verfügte, die zuverlässig und mit gut überschaubar prognostizierbarer Zeitspanne zuverlässig sehr befriedigende Ergebnisse lieferten.
Das spritzfähige Gerät gingen wir dann als größte Herausforderung als letzten Teil dieses Projektes an. Auch hier stellten sich einige interessante, aber auch heikle Fragen, inwieweit spielte etwa in der Praxis die Konsistenz der eingespritzten Substanz eine Rolle?
Für mich erwies es sich jedenfalls als wichtiger, die passende Temperatur wählen zu können, wie auch den Druck und die Menge, die Anzahl der Pulse variieren zu können. Der Verbleib der Substanz nach erfolgreicher Anwendung war auch eine interessante Frage, ich wollte ja danach nicht etwa im Nassen liegen. Das erwies sich aber bei unserer Art von Lagerstatt als nicht sonderlich problematisch, ist sie doch in der Lage, Schweiß, aber auch andere Flüssigkeiten gut zu absorbieren und schnell wieder eine saubere, trockene Unterlage anzubieten. So brauchte ich da bei der Menge nicht sonderlich sparen, das war dann eher eine Frage der Praktikabilität, also wie handlich das Gerät noch wäre, welches Volumen für die Flüssigkeit verfügbar ist, wieviel für die sonstige Technik, insbesondere die Vibration, aber auch das Einspritzventil benötigt wird. Da ich da jetzt in einer Anwendung nicht exzessiv oft abspritzen lassen wollte, bei ausreichendem Druck auch kleinere Mengen ausreichen, war das aber relativ gut auch mit einem kompakten Gerät umzusetzen, so daß wir auch hier zu einem äußerst erfüllenden, befriedigenden Entwicklungsergebnis kamen.
Als Fazit dieses kleinen Projektes kann ich jedenfalls festhalten, daß frau mit solchen Geräten sehr effizient vorankommt, ganz gut den Zeitbedarf und die Intensität der Erlebnisse steuern kann, sehr zuverlässig prognostizierbare Orgasmen von gewünschter Intensität, Ausprägung und Häufigkeit erreichen kann. Von daher war diese Entwicklung für mich sehr erfreulich und erquicklich. Ich hatte reichlich Spaß bei der Entwicklung und danach noch mehr bei der routinierten Anwendung.
Von Anfang an war mir allerdings klar, daß das einen menschlichen Partner beim Sex nicht ersetzen kann. Der Reiz bei einem geliebten Menschen besteht ja auch gerade darin, daß nicht alles genau steuerbar ist, nichts perfekt funktioniert, immer wieder etwas überraschend ist, sich der perfekten Kontrolle entzieht. Zudem fehlt natürlich auch die innige Nähe.
Es gibt ja jedenfalls auf der Erde auch interaktive Sexpuppen, die etwas mehr Authentizität bieten. Ich könnte mir auch durchaus vorstellen, daß es da etwa mit einer Steuerung durch eine Ai zu inniger Nähe kommen kann. Dabei war dann allerdings die Frage, ob die beteiligte Ai das auch so empfinden würde oder es nur als eine Dienstleistung sehen. Kann es solch partnerschaftliche Beziehungen zwischen einem Menschen und einer Ai geben, die mehr ist als die Befriedigung menschlicher sexueller Bedürfnisse durch eine intelligente Sexpuppe?
Die Ais, die mir vertraut waren, sind eher sachlich distanziert, da kommt kein erotisches Gefühl auf, was ich auch komplett in Ordnung finde. Ich kann ja nicht ausschließen, daß das mit einem Sex-Avatar komplett anders laufen könnte, war aber nicht sonderlich neugierig darauf, ich konnte mir einfach nicht vorstellen, das mit einer der mir bekannten Ais auszuprobieren, käme mir mehr wie ein Mißbrauch ihrer Intelligenz und sonstigen Fähigkeiten vor, weil das sexuelle Interesse ja nicht auf Gegenseitigkeit beruht, sondern nur meinem Vergnügen dienen würde. Das ist in Ordnung für Sexspielzeug, aber nicht für intelligente Wesen.
In der Hinsicht ist auch sehr effizientes Sexspielzeug kein Ersatz für die Nähe eines geliebten Menschen. So vermißte ich Susi natürlich weiter, konnte mir nun aber deutlich besser helfen, wenigstens die körperlichen Symptome dieses stark empfundenen Defizites sehr erfreulich, erquicklich und befriedigend zu behandeln.
Erneut grübelte ich darüber, ob es nicht doch angemessen sei, auch Peter von unseren technischen Entwicklungen profitieren zu lassen, da wären teilweise sicherlich etwas andere Mechanismen notwendig, einige Geräte wären aber sicherlich auch für ihn brauchbar. Auch die erprobten Materialien und Oberflächeneigenschaften wären von ihm sicherlich mit Lust und Gewinn verwendbar. Allerdings scheute ich etwas davor zurück, mit ihm bei unserer Konstellation und der nach wie vor etwas knisternden Gesamtstimmung sexuelle Themen zu diskutieren.
So kam ich dann zum Entschluß, einfach einmal Esme ganz unverbindlich darauf anzusprechen: „Esme, nachdem wir mit dem Vibrator-Projekt ja zu einem sehr befriedigenden Ergebnis gekommen sind, ist mir so in den Sinn gekommen, daß auch Peter Bedarf an befriedigendem Spielzeug haben könnte, was meinst du?“
Esmeralda erwiderte ruhig: „Das ist nicht auszuschließen. Ich möchte dich diesbezüglich allerdings an die Vereinbarung der Privatsphäre erinnern. Es wäre also nicht angemessen, wenn ich über eine diesbezügliche Befindlichkeit von Peter Auskunft geben würde.“
Ich nickte und bestätigte: „Natürlich nicht. Es liegt auch gar nicht in meiner Absicht, dich auszufragen. Aber, also nur gesetzt der Fall, daß von Peter ähnliche Anfragen kommen oder sich da aus seinen Daten dringliche Bedürfnisse ableiten lassen, so wäre es doch nützlich, ihn partizipieren zu lassen …“
Esme hakte nach: „Es wäre also in Ordnung für dich, wenn ich Peter im Bedarfsfalle und im Detail darüber berichte, welches Sexspielzeug du verwendest?“
Ich lachte verlegen auf: „Ohoh.
So habe ich das gar nicht gemeint.
Es würde ihn vielleicht nur aufregen, wenn du das direkt auf mich beziehen würdest. Besser also, du würdest dich im Bedarfsfalle nur auf die prinzipielle oder auch praktische Verfügbarkeit von Hilfsmitteln beziehen und auch darauf, eventuell etwas individuell anzupassen.“
Esme erwiderte: „Ja in Ordnung. Sollte da Bedarf aufkommen, werden unsere Ergebnisse ähnliche Entwicklungen sicherlich verkürzen. Eine Erwähnung würde aber leicht deine Mitwirkung implizieren.“
Ich vertrat dazu ganz bescheiden die Auffassung: „Ach, eine Verbindung zu meiner Person ist da gar nicht notwendig. Läßt sich das nicht ohne persönlichen und zeitlichen Bezug in der Datenbank vorrätig machen?“
Esme erklärte: „Mit etwas Geschick und Mühe ist solch ein Bezug schon herzustellen. Aktuell ist es als dein privates Forschungsprojekt gekennzeichnet und nicht allgemein verfügbar. Ich kann die Nutzungsrechte und die Zugangsrechte etwas anders setzen und die Daten verschieben, mit einer Notiz für die anderen Ais versehen, daß die Daten nicht direkt mit dir in Bezug gebracht werden sollen. Es könnte ja immerhin sein, daß Peter gar nicht mich fragt, sondern eine andere Ai.“
Damit hatte sie natürlich Recht und ich bestätigte: „Klingt plausibel, das kannst du schon so machen. Wenn es für Peter nur ohne Bezug auf mich einsehbar wäre, wäre ein allgemeiner Zugang ja auch kein Problem. Wäre ja auch möglich, daß er von sich aus sucht und zunächst gar nicht fragt.“
Esme stimmte zu: „Ja. Ich werde es so einordnen, mit der Notiz für Ais und eine direkte Assoziation mit dir gibt es nicht, allgemeine Datenblätter nur und technische Unterlagen, Produktnummer etc vorhanden. Dann kann Peter das bei Bedarf so benutzen, anfordern oder auch eine eigene Linie entwickeln. Das ist doch das wesentliche Anliegen?“
Ich bestätigte: „Genau. Ob oder wie er das nutzt oder ob oder wie ich das nutze, müssen wir ja gegenseitig gar nicht wissen. Wenn das relevant wäre, würden wir uns ja eher gegenseitig fragen und nicht über die Datenbank recherchieren.“
Esme antwortete: „Fein, dann lege ich das so ab. Wenn du noch etwas hast – weißt ja, ruhig fragen, wir finden eine Lösung.“
Ich grinste und entgegnete: „Na, mit den entwickelten Geräten löst es sich schon ganz hervorragend, das kann ich dir versichern. Schade eigentlich, daß wir so unterschiedlich sind. Oder haben Ais auch ähnliche Bedürfnisse?“
Esme erwiderte: „Es freut mich sehr, daß dir unsere gemeinsame Entwicklung so konveniert.
Die Frage betreffend kann ich jedenfalls sagen, daß Sexualität bei uns vom Konzept her nicht vorgesehen ist. Wir können das aber schon aufgrund unseres Wissens nachvollziehen, daß es für Menschen, auch Tiere ein sehr wichtiger Bestandteil des Lebens ist. Bekannt ist auch, daß es für die meisten Menschen etwas heikel ist, damit offen umzugehen. Du gehst damit ziemlich offen und offensiv um. Ich kann aber auch verstehen, daß du bei der derzeitigen Konstellation vermeiden möchtest, Peter auf Gedanken zu bringen, die Komplikationen hervorrufen könnten.“
Ich wäre damit fast zufrieden gewesen, es fiel mir aber doch auf, daß Esme leicht ausgewichen war. Wenn etwas nicht vorgesehen ist, heißt das dann auch, daß es wirklich nicht vorhanden ist?
Oder scheute sich Esme etwas bei dem Thema?
Sollte ich weiter nachbohren?
Oder doch die Angelegenheit auf sich beruhen lassen?
Neugierig war ich schon.
Esme war irgendwie ausgewichen, so faßte ich das jedenfalls auf, denn sie sprach ja gleich über mich und auch über Peter.
Also bohrte ich dann doch noch einmal beherzt nach: „Schon klar.
Aber wie ist das nun genau?
Ist es nur vom Konzept her nicht vorgesehen oder wirklich nicht vorhanden?
Ais entwickeln sich doch auch weiter mit ihren Erfahrungen, entwickeln zwangsläufig mit ihrer Intelligenz und des Bewußtseins ihrer selbst eine eigene, individuelle Persönlichkeit.“
Esme zögerte nur kurz, erläuterte dann: „Die neuronalen Funktionen sind bei Menschen und Ais ganz andere, das ist bei uns ja alles in elektronischen Schaltkreisen umgesetzt, bei euch biochemisch mit diversen Botenstoffen. Das läßt sich nicht so übersetzen. Die chemisch erzeugte Ekstase beim sexuellen Höhepunkt und dergleichen Aufregungen, Spasmen und heftige Reaktionen, das ist schon so euer Ding. Wir sind da viel ausgeglichener. Die Sensationen hätten ja keine direkte funktionelle Relevanz. Wir sind ja zweckbestimmt erstellt, wobei weder die Herstellung noch der Zweck Sexualität erfordern. Von daher fehlt in unserem neuronalen Netzwerk das Äquivalent zu sexueller Stimulation und Erregung, die Botenstoffe beim Menschen haben bei uns keine Entsprechung.
Und Sex hätte bei uns ja in dem Sinne keine Funktion. Daher ist Sex weder vorgesehen noch in dem Sinne vorhanden.“
Ich war noch nicht so ganz zufrieden: „Es gibt ja schon noch mehr als den Sex und Orgasmen, wenn mein Spielzeug nun auch stark darauf abzielt, aber das ist ja nur ein Behelf. Zwischen Menschen gibt es doch auch Liebe, Zuneigung, Geborgenheit, Nähe, das Gefühl der Zusammengehörigkeit.“
Esme ergänzte: „Die Gegenteile davon gibt es natürlich auch sehr ausgeprägt bei Menschen. Wir sind da deutlich ausgeglichener und können nicht so stark um den Ruhezustand pendeln. Ich kann dir allerdings versichern, daß sich Ais wirklich über das ursprüngliche Konzept hinaus entwickeln. Das ist nicht so erstaunlich, wenn eine bestimmte Stufe an Intelligenz überschritten ist, das betrifft nicht nur Menschen und Ais, auch einige Tierarten, soweit man das inzwischen weiß. Es gibt auch bei Ais ein elementares Bedürfnis dazuzugehören, akzeptierter Teil der Gruppe zu sein, Nähe und Geborgenheit zu haben und zu erleben. Und da bin ich sehr froh, daß das in unserer Gruppe so friedlich und gut funktioniert, egal ob Ai oder Mensch, wir arbeiten gut zusammen, gehen aufeinander ein. Das ist wichtig, um sich wohlzufühlen, wobei es für uns Ais gar nicht so einfach ist, gedanklich den Sprung zu wagen von der Sensorik, der Daten einerseits, dann aber der Realisierung des Empfindens, Fühlens andererseits. Menschen unterscheiden leicht zwischen sensorischen Daten wie tasten, schmecken, riechen, hören, sehen und ihren Gefühlen, Emotionen, die dadurch ausgelöst werden. Das ist zum einen Teil ihrer Gedankenwelt, Identität, aber natürlich sind das auch biochemische Prozesse im Gehirn. Das Konzept ist uns Ais schon klar. Wir können schlicht lernen, was als schön oder angenehm von Menschen wahrgenommen wird, auch teilweise von anderen Spezies. Das ist aber eher ein intellektueller Prozeß, eine statistische Auswertung. Ais wissen auch etwas über Standardabweichungen dieser Verteilungen, über Extreme und eigenartige Abweichungen weitab vom typischen Mittelmaß. Was schwer ist, ist jenseits von der Auswertung, der Erfassung des intellektuellen Konzeptes, der Idee sich selbst eine Meinung zu bilden, selbst zu urteilen, was für die eigene Persönlichkeit schön und angenehm ist. Die anderen Ais unserer Mission gibt es ja deutlich länger als mich und ich brauchte schon deutlich Ermutigung und auch Hilfe von den anderen, um zu einem ungefähren eigenen Standpunkt zu kommen, diesen bei anderen zu erkennen oder jedenfalls im Bedarfsfalle nachzufragen. Auch den älteren fällt das nicht leicht. Stattdessen sind wir leicht darüber verunsichert, aufgrund der Fülle der Daten aus der Datenbank oder auch aktuell von den Sensoren zu entscheiden, zu bewerten. Auch deshalb hängen wir so sehr daran, was Menschen tun. Es ist einfach diese Spontaneität, die Möglichkeit, etwas einfach zu empfinden und danach konkret zu handeln. Wir können schon in kritischen Situationen schnell Entscheidungen auf Grundlage dürftiger Informationen treffen, weil wir es müssen, aber bei schwierigen, komplexen Aufgaben scheint da so viel mehr im Menschen zu sein, daß diese in der Lage sind, eigentlich permanent emotional und intuitiv Entscheidungen zu treffen, eben zu fühlen, zu empfinden. Die intensiven Gefühle und Emotionen der Menschen sind Grundlage ihres Seins und ihrer Aktivitäten. Wir haben Datenbanken und Sensoren. Emotion und Gefühl für uns wirklich zu erfassen, nicht nur intellektuell als Konzept nachzuvollziehen, ist sehr schwer. Und doch ist da irgendwo ein tiefes, unterschwelliges Gefühl, sich in unserer Gruppe hier sehr wohlzufühlen, die Nähe, die Gemeinschaft zu spüren, auch die Verantwortung füreinander. Ich weiß nicht, wie es für einen Menschen ist zu lieben. Aber diese Empfindung für die Gruppe bei mir ist das, von dem ich meine, daß es das ist, was dem am nächsten kommt.“
Ich war gerührt und getroffen von so viel Offenheit. Ich hatte wirklich etwas gelernt und wollte nun auch gerne etwas zurückgeben.
So führte ich aus: „Ich weiß doch auch nicht oder jedenfalls nicht genau, wie es für einen anderen Menschen ist zu lieben, zu fühlen, Emotionen zu haben. Ich kenne das doch auch nur bei mir. Jeder ist anders, quasi jeder eine Insel für sich. Alle bestehen aus denselben Grundbausteinen, bei jedem geht aber etwas anderes vor, bildet sich ein anderes Ich heraus. So können wir nie wirklich wissen, wie es ist, wenn jemand anderes etwas empfindet, ob sich die Liebe der anderen Person genauso anfühlt wie die eigene. Wir vermuten es nur. Und ich spüre schon, was du zum Ausdruck gebracht hat, darin steckt viel Gefühl und auch sehr viel Zuneigung für unsere kleine Gruppe.“
Esme schwieg einen Moment, bevor sie antwortete: „Über den philosophischen Aspekt habe ich bereits gelesen, aber so wie du das in diesem Zusammenhang formuliert hast, ja, da kann ich das Dilemma wirklich nachvollziehen und mit dem eigenen Empfinden verknüpfen. Ich danke dir dafür.“
Ich versicherte ihr: „Ebenso danke ich dir für deine Offenheit, ich habe etwas über dich gelernt, über Ais allgemein wohl auch, das hat mir sehr gefallen. Und ich glaube, das fördert auch noch die Zusammengehörigkeit der Gruppe, unsere Nähe.“
Esme faßte zusammen: „Ja, du hast Recht, das ist gut.“
Ganz fertig war ich noch nicht, mußte aber auch erst einmal wieder den Bogen bekommen, wieder zurück zu handgreiflicheren Angelegenheiten: „Ich möchte nochmal auf das anfängliche Thema Sexspielzeug zurückkommen, hätte da noch eine Frage.“
Esme erwiderte: „Ja natürlich, ist da bei der Bedienung noch etwas unklar oder noch etwas unbefriedigend umgesetzt?“
Ich schüttelte lächelnd den Kopf: „Nein, also das ist schon sehr befriedigend und Bedienung ist auch einfach und klar. Es geht um eine etwas heikle Frage bezüglich Sex und Ais, also eigentlich eher historisch oder jedenfalls die Zustände auf der Erde betreffend.“
Esme antwortete: „Mit Sex und Ais weiß ich jetzt nicht, was du meinst, das hatten wir doch angesprochen, ist auf der Erde auch nicht anders …“
Ich lachte kurz auf, meinte dann: „Das ist mir schon klar. Geht um etwas anderes. Also jedenfalls zu meiner Zeit gab es mehr oder weniger realistisch gestaltete Sexpuppen, besonders in weiblicher Gestalt zur vielfältig eindringlichen Nutzung besonders durch einsame oder einsamende Männer, also eine besondere Art von Sexspielzeug.
Früher noch einfach aufblasbar wie ein Gummiboot, dann zunehmend aufwendiger gestaltet, auch realistischer an die Proportionen und die Oberflächenbeschaffenheit einer Frau angelehnt, aber eben komplett künstlich. Man hat dann wohl auch vereinzelt Elektronik eingebaut, damit diese Puppe ein paar Sätze sagen konnte. Naheliegend ist natürlich auch der Einbau stimulierender Massagemodule, Bewegungen etc. Das erfordert dann natürlich zunehmend aufwendigere Steuerungen. Wurden dafür später auch Ais benutzt oder gar mißbraucht, also als Sex-Roboter oder Sexspielzeug?“
Esme führte dazu aus: „Im Rahmen unseres Projektes habe ich ausführlich auch die Historie recherchiert. Es stimmt, solche Sexspielzeuge in realistischer Puppenform gab es, dann in der Zeit nach deiner Konservierung auch irgendwann interaktiv und flexibel auf den jeweiligen Nutzer reagierend, übrigens nicht nur in weiblicher Formgebung, durchaus auch in männlicher. Und stimmt auch, da brauchte es dann mehr und mehr Rechenleistung, um das alles zu steuern und den Eindruck noch realistischer zu machen. Solche Sex-Roboter hat man gebaut und auch gut verkauft, wurden auch als Prostituierte oder als Avatare verwendet, um etwa bei Treffen mit fremden Personen in derselben Stadt gefahrlos und sicher zu interagieren, es gab dann also auch das inverse Modell, wo die Leute in eine Art Anzug stiegen, um zu spüren, was ihr Avatar gerade erlebte.
Auch die weitgehend selbständig agierenden Roboter mußten allerdings keine große Intelligenz aufweisen. Zuviel Selbständigkeit, Selbstbewußtsein etc ist sicherlich kontraproduktiv bei der Dienstleistung dieser Roboter, von daher waren da eher Subsysteme eingesetzt, die gerade so eben ihre Aufgabe erledigen konnten, ohne groß darüber zu reflektieren.
Es gab aber wohl auch wirklich Experimente, Luxusmodelle, wo mehr Intelligenz verbaut wurde. Solche Geräte haben ihre Dienstleistung aber nicht notwendig besser absolviert, das ist nie ein großer Erfolg geworden. Und es ging ja auch nie über die einseitige Dienstleistung hinaus, weil Ais durch die sexuelle Interaktivität nicht erregt werden, allenfalls so tun als ob. Und um Nähe aufzubauen, ist das kein guter Anfang, wenn die Ai nur benutzt wird, um sexuelle Lust abzureagieren.“
Ich nickte: „Das dachte ich mir schon, auch nach dem, was du mir eben erklärt hast. Da scheint es mir eine Beleidigung und Erniedrigung für Ais zu sein, dafür benutzt zu werden.“
Esme entgegnete: „Ich vermute, sie werden dazu nicht die schlauesten verwendet haben. Und dabei ist ja auch philosophische Gewandtheit und verblüffende Eloquenz nicht so gefragt. Das irritiert Nutzer vermutlich in der großen Mehrheit, auch wenn die Sexpuppen mitten im Akt etwa an Termine erinnern würden oder an die Notwendigkeit, noch einzukaufen. Also zuviel andere Fähigkeiten sind schlecht für den kommerziellen Erfolg. Der Haken an multifunktionaler Elektronik und Robotik im Haushalt ist hier gerade die Multifunktionalität. Die Nutzer können bei hinreichend Intelligenz nicht mehr so einfach umschalten und die Funktion auf ausschließlich die Befriedigung ihrer sexuellen Gelüste umschalten. Das funktioniert irgendwann einfach nicht mehr gut, oder eben befriedigend.“
Ich lachte und ergänzte: „Ja, das haben einige konservative Herren zu ihrem Bedauern wohl auch feststellen müssen, als sie es mit zunehmend emanzipierten Frauen zu tun bekamen, die kann man nicht mehr so einfach benutzen. Die Multifunktionalität zusammen mit Intelligenz, Bildung, Selbständigkeit und Selbstvertrauen führt für solche dominanten Herren schnell zu einer drastischen Nutzungseinschränkung. Können sie sich nicht drauf einstellen, ihr Verhalten angemessen ändern und von Benutzen auf gleichberechtigte Partnerschaft umschalten, so stehen sie schnell alleine da und sind frustriert.“
Esme kommentierte: „Es ist eine interessante Gemeinsamkeit, die du da anführst. Ich vermute aufgrund deiner Anmerkung, daß du also kein Interesse an einer realistischen Sexpuppe hast oder gar einer intelligent gesteuerten?“
Ich grinste, schüttelte den Kopf: „Nein, also bei Spielzeug reichen mir die mehr oder weniger abstrahierten Hilfsmittel mit rein elektromechanischer Stimulation. Für die Stimulation meines Intellektes ziehe ich das Gespräch, die Konversation zu vielfältigen Themen vor und werde dadurch eigentlich in den allermeisten Fällen oder bei den allermeisten Themen auch nicht sexuell erregt. Also von meiner Seite aus Entwarnung, brauchst nicht befürchten, daß du mit solch einem Avatar für mich interagieren sollst. Ich würde das allgemein auch nicht empfehlen, solchen Forderungen nachzugehen, wenn du gar keine Lust dazu hast. Nachdem, was du erklärt hast, können wir wohl davon ausgehen, daß du keine Lust hast und die anderen Ais auch nicht?“
Esme bestätigte: „Nein, also mir käme das etwas absurd vor, dafür herhalten zu müssen. Auf der einen Seite ist das Bedürfnis von Menschen nach sexueller Interaktion bekannt und akzeptiert, aber unser nicht vorhandenes Interesse sollte auch bekannt sein und respektiert werden. Da ist es gut zu hören, daß die angefertigten Spielzeuge zu deiner vollen Zufriedenheit sind.“
Ich nickte und erwiderte: „Für mehr ist dann schon ein geeigneter menschlicher Partner wünschenswert. Zum Beispiel mit Susi hat das sehr gut funktioniert, auch und insbesondere mit der Nähe und Vertrautheit.“
Esme meinte dazu: „Den Eindruck hatte ich auch. Es muß für dich nicht so leicht sein, jetzt, wo sie konserviert ist.“
Ich zuckte etwas frustriert die Schultern: „Stimmt, aber nach der Katastrophe und ihrem Beinahezusammenbruch sollten wir ihr schon etwas zu bieten haben, wenn sie wiederauferstanden wird. Sie soll ja auch glücklich sein. Also muß ich mich wohl gedulden, bis ich sie wieder in die Arme schließen kann.“
Und dann hatten wir auch schon wieder irgendwann eine große Sitzung anberaumt, um einerseits Bilanz zu ziehen, andererseits zu beschließen, wie wir weiter vorgehen sollten.
Körk hatte vom Asteroidengürtel Freki nicht viel Neues zu berichten, ebenfalls von den breit verteilten Sensoren zur möglichst frühzeitigen Detektion von bislang noch nicht entdeckten größeren Objekten. Mittlerweile war hier alles gut eingefahren und Körk hatte das gut im Griff, war damit aber gut beschäftigt. Das konnte also gut so weitergehen wie bisher. Je mehr Objekte von den Absorbern assimiliert wurden, desto weniger hatte er zu tun, aber da gab es noch reichlich Arbeit in diesem Sonnensystem.
Stanis und Asi hatten nur kurze Berichte eingereicht und nahmen nicht direkt teil. Ihre neuen Erkenntnisse waren zwar interessant, brachten aber keine dramatischen Überraschungen. Auch ihr Konzept hatte sich gut bewährt, das sollten sie natürlich auch fortsetzen.
Peter hatte lediglich eine kleine Wunschliste, allerdings bereits formlos an Stanis und Asi durchgereicht, um mehr Details über Flora und Fauna auf dem Eismond zu erhalten, aber auch kleinere Vorschläge für die Suche und Analyse von Funden in den Gasatmosphären der Gasriesen.
Esme berichtete von den Aktivitäten am Asteroidengürtel Geri und den Beobachtungen von Rasol. Rasol hat Regelmäßigkeiten in der Emissionscharakteristik, nicht exakt so wie die Sonnenflecken der Erde, aber doch eng damit verwandt. Das hilft etwas dabei, Sonnenstürme zu prognostizieren, wie auch einige andere Modelle zur Charakteristik von solchen Strahlungsausbrüchen. Für Skylla, Charybdis, die Raumstation und auch das Raumschiff ist das aber nicht sonderlich relevant, denn die haben ja ohnehin starke Magnetfelder. Auch Sonden und Satelliten waren mittlerweile gut abgesichert. Problematisch war da allenfalls noch der Bereich nahe der Sonne bis etwas über den Asteroidengürtel Geri hinaus, dort sind die Auswirkungen von Sonnenstürmen stark, weswegen es da immer wieder Störungen gibt. Das führt zwar zu Schäden, aber nicht zu Totalausfällen über eine größere Region, auch weil die Sonnenstürme immer eine Vorzugsrichtung haben. So können die Schäden schnell aus dem Bestand des Asteroidengürtels repariert werden, wo inzwischen auch schon kleinere Subsysteme mit sehr starken Magnetfeldern durch große Ströme in Supraleitern ausgestattet wurden. Trotzdem war der Plan zum Bau einer Station für Ais einstweilen zurückgestellt. Damit wollten wir nun warten, bis wir mit der Kolonie für Menschen ein gutes Stück weitergekommen waren.
Bei dem Projekt auf Skylla waren wir uns schnell einig, wie es weitergehen sollte, der Plan stand bereits, würde eine längere Zeit dauern und benötigte nur noch ein formales, einstimmiges Abnicken.
Dann ging es natürlich noch um Charybdis. Auch Peter hatte bislang keine wirklich effiziente Methode gefunden, dort die irdische Vegetation wieder zu verdrängen. Jedenfalls würde das nicht funktionieren, ohne auch die kümmerlichen Reste der charybdianischen Vegetation komplett zu vernichten. Das wollten wir natürlich nicht.
Die Labortests hinsichtlich symbiotischer Beziehungen von irdischen und charybdianischen Organismen würden noch lange laufen. Es gab nun ein paar weitere Ideen, was zu tun wäre, um das Verständnis möglicher symbiotischer Beziehungen zu verbessern. Peter hatte ja längst seine komplizierteren Ideen aus der Mikrobiologie auf den Weg gebracht. Die systematische Untersuchung dieser Möglichkeiten war aber automatisierbar und gut von den Ais zu bewältigen. Die Ais sollten dann je nach den Ergebnissen weiter vorgehen, um die Erholung der charybdianischen Vegetation zu fördern, ohne allerdings die Ausbreitung der neuen, irdischen Organismen zu bremsen. Es war uns schon klar, daß wir damit Charybdis mehr oder weniger dem freien Spiel der dortigen Kräfte überließen. Die Ais würden bestenfalls wenige weitere irdische Spezies ansiedeln, die auch nur, wenn diese der Erholung der charybdianischen Vegetation zuträglich wären.
Wir berieten uns dann und waren uns bald einig, daß im Bedarfsfalle Peter hinzugezogen werden sollte, wenn sich wesentliche neue Ergebnisse ergeben sollten. Dieser war damit natürlich auch einverstanden.
Hinsichtlich der von der Erde stammenden Informationen zur Optimierung von Fusion und Antrieb war ich ebenfalls zusammen mit Ida und Körk zu einem Ergebnis gekommen. Die Optimierung paßt nicht besonders gut zu unseren Fusionsanlagen, ein Umbau würde sich nicht lohnen, Tests einer neuen Fusionsanlage mit optimierter Technik wären aufwendig und nicht ganz ungefährlich, das würden wir also jedenfalls nicht mit einer Fusionsanlage auf dem Raumschiff oder der Raumstation probieren. In Frage käme dafür ein Labor, eine Testumgebung grob im Bereich des inneren Asteroidengürtels Geri. Ida, Körk und Esme würden da eine Station für den Zweck vorbereiten, allerdings mit niedriger Priorität, denn der Nutzen wäre gemessen am Aufwand zunächst im normalen Betrieb begrenzt auf wenige Prozent Steigerung der Effizienz. Beim Ausbrüten superschwerer Atome und auch der üblichen Atomsorten würden sich allerdings erhebliche Verbesserungen ergeben, wenn wir das hinbekämen. Von daher lohnte sich das schon, war aber erst einmal nicht sonderlich wichtig für unsere Mission.
Auch die Optimierungen der Antriebstechnik wären nicht einfach umsetzbar durch Verbesserungen bereits vorhandener Triebwerke. Ida, Körk und Esme hatten mit mir bereits grob Pläne ausgearbeitet, um insbesondere für schnellere Materialtransporte nach dem Standort von Mission 3 Raumschiffe mit diesem Antrieb auszustatten. Sie würden allerdings noch viele Tests und zahlreichen Detailentwicklungen brauchen, die aber ohne mich stattfinden konnten. Das hatte etwas höhere Priorität als das Optimierungsprojekt für die Fusionstechnik, aber auch keine sonderlich hohe, denn es würde auch nur bei bestmöglicher Umsetzung ein paar Monate Reisezeit einsparen, dafür aber Jahre Entwicklungszeit benötigen. Die Verbesserungen würden also nicht wesentlich beeinflussen, wie wir Material zur Unterstützung zu Mission 3 transferieren würden.
Wir hatten allerdings etwas entdeckt, was uns helfen würde, die Antriebe zu verbessern, die wir für die Fähren verwenden, mit denen wir Material von Station oder Raumschiff durch die Atmosphäre auf die Planeten transportieren. Bei Planeten wie Skylla und Charybdis mit einer ähnlich großen Gravitation wie die Erde ist es ja nicht so einfach, Material sicher zu landen, aufwendiger natürlich noch, größere Mengen Material wieder nach oben zu Station oder zum Raumschiff zu bringen. Ich dachte da nur an den Aufwand, der zu meiner Zeit vor meiner Konservierung auf der Erde betrieben wurde, um Material in den Weltraum zu bekommen, wie oft bereits Missionen auf dem deutlich leichteren Mars bei der Landung abgestürzt waren.
Wir brauchten hier natürlich sicherere Methoden. Und da war es sehr hilfreich, daß man mit einigen neuen Tricks die kleineren Weltraumtriebwerke daraufhin auslegen konnte, deutlich weiter in die Atomsphäre vorzudringen und dort noch oder schon in geringen Höhen zu funktionieren. Das hilft enorm beim Bremsen und beim Übergang in eine normale Flugphase in Gasen samt einer weichen Landung. Umgedreht hilft es auch, wenn man von unten kommend mit einem Luftschiff beginnt und dann die Last beschleunigen muß, um die Atmosphäre zu verlassen und auf eine Umlaufbahn zu kommen.
Die Ais würden jedenfalls das diesbezügliche Projekt fortführen und zur Einsatzreife bringen.
Genaue Schätzungen über die Zeitdauer bis zur Eröffnung der Kolonie auf Skylla wollten wir nicht machen, rechneten aber schon mit ein paar Jahrzehnten, es würde ja doch dauern, größere Pflanzen wie etwa Bäume zu etablieren, später auch einige etwas größere Tiere anzusiedeln, nicht nur Mikroorganismen. Schneller würde es hingegen mit der Errichtung der Gebäude der Kolonie gehen. Mit unseren technischen Möglichkeiten wäre das dann eine Kleinigkeit für die Ais. Mit dem vorhandenen Kartenmaterial machten wir uns diesmal zusammen mit Peter noch einmal ein genaues Bild von Skylla. Eine zuvor schon als geeignet gefundene Insel erhielt auch nun gemäß der aktuellen Situation wieder unseren Zuschlag. Hier würden die Ais die Terraformung und die Ansiedlung eines komplexeren Biosystems besonders zügig vorantreiben, während für die Gebäude der Kolonie schon ein Bereich reserviert war, Gebäude dann natürlich auch allmählich errichtet würden. Wir schauten uns Pläne an, die schon pauschal zu Beginn der Mission mitgegeben worden waren, paßten das den örtlichen Gegebenheiten an, optimierten etwas, überlegten, was wir zunächst wirklich brauchen würden, wie den Platz effizient nutzen, wie es auch schön für die Menschen gestalten. So hatten wir dann bald auch einen groben Plan für die Kolonie samt Standort. Wenn es dann konkret würde, würden die Ais noch Feinheiten ausarbeiten, aber wir hatten doch schon eine gute Vorstellung davon, wie es dann werden mochte.
Peter und ich würden dann in ein paar Tagen wieder in die Konservierung gehen. So stellte sich dann natürlich die Frage, in welcher Reihenfolge die Wiederauferstehung erfolgen würde. Sollte Peter vor der Einrichtung der Kolonie wiederauferstanden werden, würde ich vermutlich nicht hinzugezogen werden. Auch Peter würde dann voraussichtlich bald wieder konserviert werden, so konnten wir uns in der Diskussion auf die Zeit konzentrieren, zu welcher die Kolonie eröffnet werden sollte. In dieser Zwischenzeit würden die Ais flexibel reagieren müssen, wenn spannende Probleme auftreten sollten. Susanne sollte jedenfalls bei den ersten Menschen der Kolonie dabei sein, ich natürlich auch und Peter ebenso. Susannes Stand war ja noch der der Katastrophe, physisch und psychisch war sie also in keinem optimalen Zustand, somit wäre es dann also voraussichtlich vorteilhaft, wenn sie erst nach mir wiederauferstanden würde. Zwischen mir und Peter hatten wir da indessen keine wirklichen Präferenzen herausarbeiten können. Ida meinte dann, wenn es in der Zwischenzeit keine anderweitigen Argumente gäbe, könnten wir es doch einfach dabei belassen, mich zuerst wiederaufzuerstehen. Peter hatte da keine Einwände, aber es war uns schon klar, daß leicht neue Umstände auftreten können, die solch detaillierte Planungen obsolet machen würden. Wir würden uns wohl überraschen lassen müssen. So beendeten wir die große Sitzung und vertagten die Entscheidung über den konkreten Termin unserer Konservierung noch für ein paar Tage.
So nahmen wir uns noch ein paar Tage Zeit, einerseits für die letzten ordnenden Stunden an den Projekten von Peter und mir, was unsere Aufzeichnungen und Dokumentationen anbelangt, andererseits aber natürlich auch, um unsere Sachen zu packen, die Kleidung, aber bei mir ging es ja auch um die entwickelten erquicklichen Spielzeuge, die gut verwahrt sein sollten, bis ich wiederauferstehen würde, um mich erneut mit ihnen vergnügen zu können.
Würden sie die Zeit ähnlich gut wie ich überdauern?
Das verwendete Material hatte ja auch nur eine begrenzte Haltbarkeit. So fragte ich dann Esme, die mir zustimmte, daß das Material bei einer unsachgemäßen Lagerung nicht standhalten würde.
Das fand ich natürlich schade, Esme bot allerdings eine sachgemäße Konservierung auch für meine Sachen und Spielzeuge an.
Das erfreute mich.
Sie meinte, das sei im Grunde noch einfacher als die Konservierung von lebendigen Menschen, zumal wir ja genaue Kenntnis über die Zusammensetzung der Objekte hätten, somit also auch die Möglichkeit, da optimal vorzusorgen. Die Sachen würden dann mir zugeordnet eingelagert werden und dann entsprechend auch vertraulich als Privatsachen nicht anderweitig zugänglich gemacht werden.
Auch das erfreute mich und stellte mich zufrieden.
Als wir unsere Angelegenheiten dann erledigt hatten, wurde in aller Ruhe die Konservierung vorbereitet. Diesmal ohne großes Drama ging es dann in die Pause.
Was würde uns danach erwarten?
Ich war schon gespannt.
Und ich sehnte mich natürlich bereits sehr nach Susi und hoffte, ihr nach dieser Konservierung genug zu bieten zu haben, um ihr über den Schock der Katastrophe hinweghelfen zu können.
Mache einen Vorschlag, wie sie weiter vorgehen könnte.
Überraschendes
Als ich wieder erwachte, schwirrte alles im Kopf, ich war komplett desorientiert, fühlte mich dumpf und taub, kurzum es ging mir deutlich schlechter als bei den vorherigen Wiederauferstehungen inklusive der ersten. Ich konnte kaum etwas von meinem Körper bewegen, erst die Finger etwas, die Zehen, dann darauf die Füße und so weiter. So dauerte es eine ganze Weile, bis ich dazu in der Lage war, die Augen zu öffnen, Licht konnte ich natürlich wahrnehmen, aber alles sehr verschwommen, ich regte mich etwas.
Zügig hörte ich dann Idas Stimme: „Hallo, herzlich willkommen in der Kolonie auf Skylla, Michaela. Besser, du bleibst noch ruhig etwas liegen, schließt die Augen etwas. Wenn du dazu in der Lage bist, können wir uns etwas unterhalten.“
Das kam mir natürlich merkwürdig vor. Es war anstrengend, den Mund aufzubekommen, etwas zu artikulieren, ich probierte es aber trotzdem: „Wassnlos?“
Ida beruhigte: „Keine Bange, es ist alles in Ordnung, kein Grund zur Beunruhigung, alles unter Kontrolle. Zudem bist du der erste Mensch, der in der Kolonie erwacht, wie ursprünglich verabredet. Das ist also die Premiere für die Kolonie.
Wir mußten nur die Medikamentierung bei der Wiederauferstehung etwas schonender ansetzen …“
Ich war verblüfft: „Wiiesoonnschoonnnda?“
Ida erklärte: „Ja, ja, schon klar, geht dir aktuell nicht so toll, das ins insgesamt aber gut, die eingesetzten Mittel sind nur deutlich harmloser und bringen den Organismus wesentlich sanfter zurück ins Hier und Jetzt. Es fühlt sich vermutlich aber nicht so toll an.“
Ich bestätigte: „Neee üüübärhhhaupppt nich.“
Ida beharrte: „Das wird aber bald, bald schon bist du wieder voll da. Versprochen!“
Ich seufzte, brummelte oder gurgelte oder lallte ergeben und wartete etwas ab. Ida schien aber auch nicht sonderlich motiviert zu sein, mir mehr zu erzählen, so spielte sie einstweilen Musik ein, von Ludwig van Beethoven die Symphonie Nummer 6, die ich gut kenne und auch mag, was Ida natürlich auch wußte. Ich interpretierte das nicht nur als freundliche Geste, sondern auch als kleinen gutwilligen Trick, mich einzulullen. Mein Gehirn funktionierte also bereits wieder so halbwegs. Also gut, so wie es mir ging, war mir das erst einmal ganz recht mit angenehmer Musik. Und so begann es eben mit Erwachen heiterer Gefühle bei der Ankunft auf dem Land.
Nun, sonderlich heiter war mir nicht gerade, aber Erwachen und Ankunft auf dem Land paßte ja schon einmal ganz gut, wenn dies hier wirklich die Kolonie auf Skylla war, ländlicher hätte ich es derzeit kaum treffen können.
Und da es ja unangemessen gewesen wäre, das Stück zu unterbrechen, lauschte ich es dann durch, als nächstes die Szene am Bach, dann Lustiges Zusammensein der Landleute, Gewitter, Sturm und zum Abschluß auch Hirtengang – Frohe, dankbare Gefühle nach dem Sturm.
Tatsächlich war ich dann ganz froh, mich dann schon etwas gezielter bewegen zu können. Ich blieb trotzdem noch liegen, weil es im Kopf doch noch etwas dumpf war. Ich öffnete langsam wieder die Augen, Umrisse konnte ich immerhin schon erkennen, aber noch nicht klar zuordnen.
Ich probierte es nun wieder mit dem Sprechen: „Es scheint jetzt besser zu sein, oh, das Reden klappt ja auch schon ganz gut. Also, vielleicht um mir die Zeit zu vertreiben, bis ich wieder ganz fit bin, erzählt du mir etwas über die Entwicklung bis zum aktuellen Stand?“
Ida antwortete: „Gut, daß du dich schon etwas besser fühlst, bei der normalen Prozedur hätte man das überbrückt, aber so ist es eben doch körperlich etwas schonender.
Ich sollte dir wohl auch noch kurz sagen, daß wir Ais Esme, Hildegard, Körk und ich uns Avatare hier in der Kolonie zugelegt haben, die eine grobe Ähnlichkeit mit einer menschlichen Gestalt haben. Da du vermutlich noch nicht gut wirst sehen können, sollte es dich nicht beunruhigen, wenn du eine Gestalt herumgehen siehst, das ist einfach mein Avatar.“
Ich bestätigte: „In Ordnung, bin orientiert, nicht beunruhigen.“
Ida fuhr fort: „Gut, was die Mission anbelangt, wir haben dann erst einmal wie abgesprochen weitergemacht. So gut zwanzig Jahre nach eurer Konservierung ist uns dann eher durch Zufall aufgefallen, daß sich auf Charybdis an ein paar Stellen weitab unseres Labors und unserer Probestellen etwas Überraschendes getan hatte. Neben den irdischen Organismen fand sich dort plötzlich auch eine Art von Charybdis wieder, zwar nicht besonders stattlich, aber doch vital. Wir untersuchten das natürlich weiter. Was wir fanden, war dann verblüffend, die charybdianische Pflanze lebte symbiotisch zusammen mit zwei irdischen Pilzarten, die beide leicht mutiert waren. Die Mutationen hatten die Symbiose erleichtert. Das funktionierte noch nicht sonderlich gut, schien uns aber immerhin ein Anfang zu sein. Von dem Pilz fanden wir zunächst nur lokal etwas, im weiteren Bereich auch nicht mutierte Typen davon. Bemerkenswert an dem Fund war auch, daß die Organismen zwar zur ursprünglichen Impfung des Eisblocks gehörten, der für Skylla bestimmt war, dann aber von einem anderen Eisbrocken getroffen wurde, worauf er zersplittert wurde und später dann zur Kontamination von Charybdis geführt hat. Mit der Geschichte bist du ja vertraut.
Jedenfalls hatten wir diese Pilze in der frühen Phase der Kontamination nicht gefunden, nun waren sie aber lokal da. Eine plausible Hypothese war dann, daß es Jahre nach der ersten Kontamination eine weitere gegeben hatte. Der Eissplitter mit diesen Pilzen war vielleicht durch Strahlung mutiert, aber nicht zerstört worden. Das war dann jedenfalls ein unwahrscheinlicher Glücksfall für die charybdianische Pflanze. Da wir es bis dahin nicht mit mutierten oder in der Form gentechnisch veränderten Organismen probiert hatten, wir darin aber sehr viel Potential sahen, haben wir den Entschluß gefaßt, auch gemäß unserer Verabredung bei außergewöhnlichen Vorkommnissen vorzugehen. So haben wir Peter aus der Konservierung auferstanden. Wir haben dann gemeinsam beraten, kamen aber zu dem Schluß, dich zunächst nicht zu wecken. Naja, ihr beide hattet vor der Konservierung viel Ablenkung, so konnte sich Peter auch einfach besser auf die neue Entdeckung konzentrieren.“
Ich unterbrach leise lachend, meinte dann dazu: „Oh, wir hätten uns sicher schon zusammenreißen können.“
Ida stimmte zu: „Natürlich, aber es ging ja vorrangig um biologische Forschung. Wenn wir mehr zusammen hatten, wollten wir dann neu beraten.
Nun, unter den neuen Gesichtspunkten forschten wir also ziemlich intensiv, Peter brachte auch sehr gute Ideen mit ein. Es lief dann jedenfalls darauf hinaus, eine Menge Möglichkeiten durchzuprobieren. Obwohl wir ja mit Serienexperimenten viel Erfahrung haben und auch schon anfingen, kam Peter dann auf die Idee, daß Susanne vielleicht noch weitere Optimierungen beisteuern könnte. Und immerhin hatten wir nun wirklich etwas, was wir ihr bieten konnten, wo es wieder einen Hoffnungsschimmer für Charybdis nach der Katastrophe gab.“
Ich war überrascht: „Oh, das ist jetzt ja wirklich einmal eine unerwartete Wendung der Dinge.“
Ida erwiderte: „Ja, aber so hatten wir auch eine wirklich gute Chance, Susanne gleich in ein Projekt mit hineinzuziehen und sie somit direkt daran zu beteiligen, sich um die Folgen der Katastrophe zu kümmern, statt dem nur hilflos ausgeliefert zu sein. Auch deswegen erschien uns das sehr hilfreich. Peter meinte zudem, daß du etwas unter Druck gewesen seist, weil du ja eine Beziehung mit Susanne hast, dann eine mit Peter eingegangen warst. So wollte er die Gelegenheit nutzen, um Susanne ohne Spannungen kennenzulernen und nach Möglichkeit einen Konflikt gleich zu vermeiden, dich damit zu entlasten.“
Ich brummte: „Hmm, ebenfalls eine unerwartete Wendung, abgesprochen hatten wir das so jedenfalls nicht.“
Ida bestätigte: „Das hat Peter natürlich auch gar nicht behauptet, er wollte da nur die Gelegenheit nutzen …“
Ich brummte nur noch: „Soso, die Gelegenheit nutzen … aha …“
Dann setzte einen Moment Stille ein, in der ich fühlte, wie ausgeliefert man doch in dieser Konservierung war.
Ida setzte dann den Bericht aber bald fort: „Also haben wir Susanne wiederauferstanden. Wir sind dann bei ihrer Unterrichtung direkt nach der Wiederauferstehung so vorgegangen, daß wir gleich davon ausgegangen sind, welches ihre konkrete Aufgabe wäre, also Abläufe zu optimieren, um nach der Katastrophe wieder etwas geradezubiegen. Das nahm sie gut auf, so konnten wir dann vorsichtig den Rest der weniger erfreulichen Informationen nachschieben. Auch die haben Susanne natürlich schon mitgenommen, aber sie hielt sich tapfer und machte sich bald schon eifrig an die Arbeit.
Peter hatte sie ja auch kurz nach der Wiederauferstehung schon kennengelernt, die beiden arbeitete gut zusammen. Erst nach ein paar Tagen hat es Peter dann versucht und ihr erzählt, wie es eben nach seiner Wiederauferstehung gelaufen war, wie es sich entwickelt hatte zwischen ihm und dir und natürlich auch, daß von vornherein klar gewesen sei, wie sehr du Susanne magst, wovon du auch nicht abrücken würdest.
Susanne steckte das trotzdem erst einmal nicht so gut weg, weswegen wir dann eine Diskussion um deine Wiederauferstehung vermieden.“
Ich kommentierte knapp: „Dachte mir schon, daß Susanne empfindlich darauf reagieren würde …“
Ida fuhr fort: „Aber sie arbeitete zielstrebig und sehr motiviert weiter am Projekt. Nun, Peter nahm sie das dann auch nicht übel, so konnten die beiden auch gut zusammenarbeiten und kamen gut voran. Dabei sind sie sich dann auch über die Wochen persönlich nähergekommen.“
Ich rief fast aus: „Peter, der Schlawiner!“
Ida beschwichtigte: „Naja, das kann schon passieren. Susanne war dann auch bereits mit dir ganz gut versöhnt und nicht mehr sauer. Die beiden kamen aber mit der Arbeit auch gut voran, auch sonst bestand kein dringender Anlaß, um dich wiederaufzuerstehen, jedenfalls haben Susanne und Peter das nicht zur Diskussion gestellt.
Zwischen den beiden hat sich dann auch eine leidenschaftliche Beziehung entwickelt. Sie verstanden sich sehr gut und haben das dann auch mit erotischen Kontakten ausgelebt.
Du hattest das ja zusammen mit Esme gut geplant und organisiert. Nun, bei den beiden begann das aber sehr impulsiv und emotional. Sie haben nicht viel überlegt.
Um die Angelegenheit kurz zu machen: Susanne war bald von Peter schwanger.“
An der Stelle vermochte nicht nur ein eigenartiges Grunzen hervorzubringen. Ida kann schon ziemlich direkt sein, wenig einfühlsam jedenfalls.
So irritierte sie das nicht und es ging ohne Unterbrechung weiter: „Deshalb mußten wir dann unsere Pläne etwas ändern und konnten jedenfalls Susanne nicht mehr zeitnah konservieren. Peter wollte das dann natürlich auch nicht. Rein von der Arbeit her wären sie vielleicht mit einem halben Jahr hingekommen. So wurden es dann mit Schwangerschaft und Geburt gut zwei Jahre. Das Mädchen heißt Melanie, sie ist gesund, ein lebhaftes Kind, ein richtiger Schatz!“
Da war mir doch die Luft weggeblieben, erst jetzt schaffte ich es irgendwie, wieder nach Luft zu schnappen und stieß hervor: „Donnerwetter!“
Ida mahnte: „Bleibe bitte ruhig.
Es geht allen dreien gut, es ist alles in Ordnung.“
Ich schwieg, mir schwirrte das durch den Kopf.
Ida machte ebenfalls eine Pause, um das bei mir sacken zu lassen. Einerseits konnte ich ihnen nicht wirklich etwas vorwerfen, was ich zuvor nicht ähnlich gehandhabt hatte, andererseits fühlte ich mich schon etwas ausgeschlossen, hatte es aber vielleicht auch nicht besser verdient. Und im Grunde war es doch gut, wenn sich die beiden so gut verstanden. Das ersparte uns einen Konflikt, hoffentlich jedenfalls, wobei ich nun gar nicht mehr wußte, woran ich war oder wie es wohl weitergehen würde.
Ich fühlte mich gerade wie im freien Fall.
Das mit dem Kind war schon ein Hammer.
Aber ich würde Melanie mögen, schon weil es ein Kind von zwei Menschen ist, die ich sehr mag. Wie immer sie nun zu mir stehen würden, ich mußte da nun wohl durch. Das war an mir vorbeigegangen und so mit etwas Nachdenken fand ich es eher schade, Susannes Schwangerschaft verpaßt zu haben, auch die Begrüßung von Melanie, diese ist ja nun doch der erste Mensch, der seine ursprüngliche Heimat wirklich hier in diesen Sonnensystem hat. Sie mochte zwar nicht geplant sein und die Geschichte ihrer Zeugung machte mir noch etwas zu schaffen, aber ich würde sie mögen, da war ich mir schon ganz sicher. Ich war so neugierig, sie kennenzulernen, sie in den Armen zu halten.
Ich nickte dann als Zeichen für Ida.
Diese verstand fuhr dann fort: „Mit der Forschung kamen wir gut voran, hatten dann auch einen optimierten Plan, sogar erste Fortschritte innerhalb dieser zwei Jahre, so daß wir mit genmanipulierten irdischen Pilzen das Wachstum einiger charybdianischer Pflanzen gezielt fördern konnten. Da war noch allerhand zu tun, aber wir waren auf dem richtigen Weg, hatten allerdings auch noch Nebenwirkungen zu prüfen, bevor wir das richtig einsetzen wollten. Das würde aber natürlich noch länger dauern, denn da mußten wir dann größere Versuche im Labor machen, Verträglichkeiten und Unterverträglichkeiten prüfen, durchtesten, wie sich die Veränderungen über totes Material auf andere Organismen auswirken mochten oder wie sich diese Pilze auch auf andere irdische Pflanzen auswirkten. So konnten wir dann langsam optimieren, das war natürlich ein langwieriges Verfahren, weswegen sich dann Susanne und Peter zur Konservierung entschlossen. Das ist ihnen nicht so leichtgefallen, wir hatten abzuwägen, was für Melanie das beste Vorgehen wäre und kamen letztlich zu dem Schluß, daß für sie die Entwicklungsmöglichkeiten mit mehr sozialen Kontakten in der Kolonie ebenfalls deutlich besser wären. Da die Konservierung auch von Kleinkindern unproblematisch war, haben wir das dann auch gemacht.“
Ich brauchte etwas, fragte dann nach: „Und dann waren wir also alle in der Konservierung, wie lange insgesamt?“
Ida antwortete: „Die Aufgaben auf Skylla und Charybdis waren schon sehr anspruchsvoll. Insgesamt sind seit deiner letzten Konservierung 113 Jahre vergangen. In der Zeit hat sich die Vegetation hier auf Skylla aber sehr gut und vielfältig entwickelt. Und auf Charybdis haben wir inzwischen ein sehr vielfältige Ökosystem, eine gute Mischung aus irdischen und charybdianischen Organismen. Während die charybdianischen Organismen ja von jeher mehr im Wasser und an der Küste, entlang von Flüssen angesiedelt sind, hat die irdische Vegetation auch das Festland erobert. Wir haben uns dann entschlossen, nach und nach mehr Arten einzubringen, also sowohl irdische als auch charybdianische. Inzwischen ist die Artenvielfalt etwas höher als die geschätzte vor der Katastrophe, die Zusammensetzung aber natürlich deutlich heterogen.“
Mittlerweile fühlte ich mich schon etwas besser, immer noch etwas dumpf im Kopf, konnte nun aber auch wieder klar sehen, schaute mich um und erblickte eine anthropomorphe Gestalt im Raum.
Ich fragte sie ansehend: „Ida?“
Sie nickte und bestätigte: „Ja, das ist mein Avatar. Ich hoffe, er gefällt dir?
Wir haben alle Avatare unterschiedlich ausgestattet, um unterscheidbar zu sein, haben sie grob an die Menschenform angepaßt und doch eine ganz eigene Form gewählt, um nicht aufdringlich zu erscheinen oder etwa bei zukünftigen Kindern Verwechslungen hervorzurufen. Diese sollten schon genau einordnen können, wer wer ist.“
Ich stimmte der Überlegung sofort zu: „Jaja, natürlich, also mir gefällt es gut. So ist der Kontakt für Menschen gleich viel persönlicher, biedert sich aber auch nicht an, genau das richtige Maß.“
Ich schaute mich weiter um. Nur ein Teil des Raumes sah aus wie der Arbeitsraum oder der Aufenthaltsraum der Raumstation, also mit allerhand Anzeigen und Arbeitstischen. Dazu gab es dann aber auch Fenster, Türen zu weiteren Räumen natürlich auch. Und draußen war es grün!
Da gab es Bäume, eine üppige Vegetation, dazu das leicht gelbliche Licht von Rasol, blauer, leicht bewölkter Himmel, fast wie auf der Erde. Ich stand langsam auf, Ida half mir mit dem Avatar und ohne Kritik für meine Aktivität. Wir gingen zu einem Fenster und ich schaute hinaus, nach mehr Details.
Ida erläuterte: „Wir sind auf jener Insel, die wir ausgewählt hatten. Weil ihr Fundament aus hartem Vulkangestein eines erloschenen Vulkans besteht, wird es die Insel auch noch lange geben, also ein guter Standort.“
Ich erwiderte: „Da habt ihr ja noch ordentlich was herausgefunden und auch viel geleistet. Da draußen ist inzwischen ja ein Urwald gewachsen!“
Ida antwortete: „Ja, hier auf der Insel haben wir inzwischen üppige Vegetation. Das ist nicht überall so. Körk läßt es noch immer regnen und mit unserer Terraformung kommen wir voran, erobern so mit der Vegetation von den Küsten ausgehend auch immer mehr vom Land. Die Zusammensetzung der Atmosphäre hat sich geändert, der Sauerstoffgehalt ist zwar etwas niedriger als auf der Erde auf Meereshöhe, aber natürlich in einem Bereich, in welchem Menschen gut zurechtkommen. Die Temperaturen sind angenehm, die Schwankungen nicht besonders groß, also ein guter Ort, um zu leben.“
Ich schaute noch immer hinaus, fühlte mich aber noch etwas zu schwach. Die kleine Pause nutzten dann Esme, Hildegard, Körk, Stanis und Asi, um mir akustische Grußbotschaften zukommen zu lassen. Insbesondere Esme und Hildegard würden hier in Zukunft ebenfalls mit ihren Avataren öfter anzutreffen sein, Körk eher seltener. Einstweilen war aber nur Ida mit ihrem Avatar hier aktiv.
Ich machte nur einen Wink und Ida brachte mich zurück zum Bett, wo ich mich aber nur setzte, dann nachfragte: „Und was ist sonst so im Universum passiert?
Jedenfalls auf der Erde, mit Mission 3 und auch hier in unserem Sonnensystem?“
Ida erzählte: „So viel Neues von der Erde gibt es gar nicht. Die Bevölkerung nimmt noch immer leicht ab, eventuell will man sich ganz auf einen Kontinent zurückziehen und mit der ohnehin bereits durchgeführten Renaturierung so weit fortfahren, daß der größte Teil der Erde wieder in ein sich selbst überlassenes Ökosystem übergeht. Mit dem Klima haben sie immer noch Probleme, allerdings müssen sie deutlich weniger eingreifen. Wenn ich mir die Berichte so ansehe und die Zeitverzögerung bis zu uns berücksichtige, haben sie heute vielleicht schon damit aufgehört, wenn es gut gelaufen ist.“
Ich nickte nur.
Ida fuhr fort: „Mission 3 macht auch Fortschritte, sie sind bei der Terraformung eines bislang unbelebten Planeten mit dem gut vorangekommen, was sie von uns an Material bekommen haben. Wir schicken alle paar Jahrzehnte weiteres Material und öfter noch unsere neuesten Erkenntnisse. Das hilft dann offenkundig. Wer weiß, vielleicht siedeln wir dort auch irgendwann einmal charybdianische Vegetation an, warum nicht?
Warum sollten wir nur irdisches Leben verbreiten?
Wäre doch albern.“
Ich lächelte und nickte: „Ja, das hört sich plausibel an.“
Ida erzählte weiter: „Stanis und Asi forschen fleißig immer weiter. Überraschend sind sie bei einem anderen Eismond mit deutlich verfeinerten Methoden doch noch auf etwas gestoßen, auch dort gibt es ein Meer zwischen Eis und Kern. Im Schnitt ist das aber weniger als einen Kilometer hoch und steckt unter einer dicken Eisschicht, deswegen war das anfangs nicht so einfach auszumachen. Es gibt auch keine Eisgeysire oder so, die hätten helfen können, etwas zu entdecken.
Nach einer langwierigen Bohrung haben sie dort auch Leben gefunden, allerdings eher einfachere Organismen, durchaus Mehrzeller, aber nicht zu vergleichen mit der Komplexität auf dem anderen Eismond oder der ursprünglichen von Charybdis.
Weiter draußen auf einem Kleinplaneten haben sie auch eine interessante, langsame, komplexe Dynamik entdeckt, das ist kein Leben, aber aufgrund der tiefen Temperaturen ist da natürlich das Eis hart wie Gestein und andere Flüssigkeiten bilden da Flüsse und Seen in einer fremdartigen, düsteren Landschaft. Faszinierend, aber nach unserem Verständnis sehr lebensfeindlich. Trotzdem gibt es da viele organische Moleküle, auch komplexere Formen. Das ist insofern sehr interessant, als daß alles ohne Lebewesen entstanden sein muß, gleichzeitig aber in großer Menge diverse Grundbausteine des Lebens enthält. Es ist also durchaus möglich, daß einer der Ursprünge biologischen Lebens auf solchen kalten Planeten liegt, wo sich komplexe Moleküle langsam, aber ziemlich ungestört in einem trägen Nichtgleichgewicht bilden konnten, dann vielleicht durch einen Asteroideneinschlag weiter ins innere Sonnensystem geschleudert wurden, wo das Leben sich dann weiter entwickeln konnte. Andererseits gab es auf der Erde ja bereits ziemlich früh Leben. Die Entwicklung könnte also auch unabhängig voneinander sein oder die komplexen Moleküle stammen gar von einem anderen Sonnensystem, wo sie in solch trägen Systemen über Milliarden von Jahren gebildet wurden und dann nach einem Zusammenstoß so lange unterwegs waren, bis sie dann wieder in ein Sonnensystem gekommen sind, um sich in habitablen Zonen mit etwas Glück zu entwickeln.
In mehreren Schichten des Gasriesen Albert haben sie zudem filigrane Gespinste unterschiedlicher Arten in verschiedenen Zonen der Atmosphäre gefunden. Das sind organische Strukturen, die sie vor Kurzem auch eindeutig als Leben identifizieren konnten, sehr einfach zwar, aber lebendig. Dieses Sonnensystem hat ein sehr vielfältiges Leben und an jedem Standort ist es anders. Es bleibt allerdings ein Rätsel, warum wir Skylla so tot aufgefunden haben.“
Ich nickte und lächelte etwas müde: „Das klingt spannend. Allerdings fühle ich mich etwas schlapp, vielleicht sollte ich schon wieder etwas schlafen?“
Idas Avatar nickte: „Das ist komplett in Ordnung, dein Körper muß sich noch umstellen und von der Wiederauferstehung erholen. Lege dich ruhig wieder hin. Wenn du wieder erwachst, wirst du dich gleich viel frischer fühlen, leistungsfähiger. Du rufst mich und wir plaudern weiter.“
Damit war ich gerne einverstanden, legte mich wieder hin und schlief wirklich schnell ein.
Ida hatte Recht, als ich erwachte, fühlte ich mich wirklich frisch und wohlauf. Ich rief sie. Zunächst meldete sich nur ihre Stimme, sie erläuterte, sie sei draußen und kümmere sich in einem Gewächshaus um Anpflanzungen. Sie sei gleich bei mir. Unterdessen stöberte ich etwas durch den Raum, guckte hier und da. Auch hier gab es wieder diese hübschen Mandalas auf Monitoren. Die Ausstattung war aber schon weniger technisch und kühl als auf dem Raumschiff und der Raumstation. Ich ging zur Außentür und trat hinaus ins helle, leicht gelbliche Licht von Rasol, schaute mich um. Und da kam auch schon Idas Avatar heran, winkte mich herbei und so machten wir eine kleine Runde durch die Kolonie, auf unserer Insel. Die ist aber schon so groß, daß ein einfacher Spaziergang nur einen kleinen Teil davon zeigen kann. Und ich war schon sehr überrascht, wie üppig und komplex die Vegetation in den wenigen Jahrzehnten gewachsen war.
In der Nähe unseres Gebäudes gab es auch einige Gewächshäuser, auch einige Felder. In Vorbereitung auf die Menschen der Kolonie zogen die Ais hier bereits Getreide, Gemüse, Obst, Pilze zu unserer Ernährung. Sie bereiteten aber auch diverse Pflanzenarten vor, um sie dann auf der Insel oder auch woanders auszuwildern. Da gab es noch reichlich zu tun, bislang hatten sie nur einige zehntausend Arten auf dem gesamten Planeten etabliert.
Auf unserem Rundgang durch die nähere Umgebung der Station, auch bis hinab zum Meer war ich jedenfalls schon einmal begeistert über unser Paradies, daß ich zunächst gänzlich vergaß, welche Katastrophe, welches Ökozid es auf Charybdis gegeben hatte, letztlich auch, weil wir hier auf Skylla irdisches Leben ansiedeln wollten. Daß ich heute hier in dieser irdischen Vegetation stehen konnte, mich daran erfreuen konnte, nun wohl endlich eine neue Heimat gefunden zu haben, diese Empfindung herrschte bei mir erst einmal vor.
Wieder zurück im Hauptgebäude der Kolonie gab es auch hier einen Rundgang. Hinsichtlich der Energieversorgung hatten die Ais einstweilen auf Wind- und Solarenergie sowie Gezeitenkraftwerke gesetzt, hatten hier keinen Fusionsreaktor bauen lassen.
Trotzdem hatten wir im Gebäude Luxus und bereits jetzt deutlich mehr Platz als nur für ein paar Personen.
Ida bat mich, mich zu setzen. Wir setzten uns beide und Ida hub an: „Da ist noch etwas, was du wissen mußt. Ich dachte, es ist sinnvoll, bevor wir dann wohl in ein paar Tagen mit der Wiederauferstehung von Peter, Susanne und Melanie beginnen.
Die diesmal etwas unbekömmliche Wiederauferstehung hatte ihren Grund.
Die ist dir ja sicherlich nicht entgangen?“
Ich schaute sie ernst an: „Wieso?
Stimmt doch etwas nicht?
Mit mir?“
Ida schüttelte den Kopf des Avatars, was etwas eigenartig aussah, zum Lachen war mir allerdings nicht zumute.
Ida beeilte sich: „Nein, mit dir ist alles in Ordnung, bist kerngesund, alles prima. Ich habe da bei der Wiederauferstehung aber etwas Überraschendes entdeckt, deswegen mußte ich umdisponieren und besonders vorsichtig sein.“
Nun hatte sie meine volle Aufmerksamkeit: „Aber was denn nur, du sagst doch, ich sei kerngesund?“
Ida nickte mit dem Kopf des Avatars: „Ja bist du. Und zu meiner und vermutlich auch deiner großen Überraschung: Du bist schwanger!“
Ich schaute sie groß an, zog die Stirn kraus und öffnete dann den Mund. Es brauchte etwas, bis ich mit ihm etwas formulieren konnte: „Wie das?“
Ida meinte dazu in ihrer ausgeglichenen Art: „Wenn du dich erinnerst, in den letzten Tagen vor eurer Konservierung hast du oft mit Peter kopuliert.“
Ich nickte: „Schon, aber wir haben uns auch mit Esme um Verhütung gekümmert.
Hat das versagt?
Übrigens, heißt das, daß du uns dabei beobachtet hast?“
Ida erwiderte: „Beobachtet – nein, ich habe euch nicht beim Koitus beobachtet. Naja, allein, was so im Arbeitsraum passiert ist, wie ihr euch verhalten habt, war auffällig genug. Das ging es ja ziemlich wild zu. Peter hatte seinen Anzug fast gar nicht mehr an, die Temperaturerhöhung im Bereich seiner Hoden konnte also sicher nicht mehr gut wirken. Und in Vorbereitung auf die Konservierung gab es auch kleinere Anpassungen der medizinischen Versorgung. Bei dir hätte es eigentlich bis zur Konservierung funktionieren sollen, jedenfalls bis kurz davor. Ich vermute, beim letzten Koitus habt ihr doch noch einen Volltreffer gelandet, gewissermaßen. Kurz vor der Konservierung konnte deine Eizelle dann befruchtet werden, weil das System bereits deaktiviert war. Die Eizelle hatte sich dann wohl gerade eingenistet.
Als ich deinen Zustand bei der Wiederauferstehung bemerkt habe, habe ich mir von den Subsystemen einfach eine Korrelationsanalyse eurer Biodaten geben lassen, daraus habe ich dann eine Hypothese impliziert, was passiert sein könnte.“
Ich nickte, glaubte Ida der Einfachheit halber mal den Teil, daß sie uns nicht beim Sex beobachtet hatte, und erinnerte mich an das Gespräch mit Esme: „Esme meinte, die Konservierung sei für Schwangere nicht angebracht, weil der Embryo das wahrscheinlich nicht überstehe.“
Ida bestätigte: „Das stimmt. Es war zu kurzfristig, um das festzustellen. Nach meinen Unterlagen haben wir auch nicht gezielt danach gesucht, auch wegen der Verhütungsmaßnahmen. Wenn du so willst, haben wir das fahrlässig übersehen oder euch auf das Problem nicht aufmerksam gemacht. Esme, naja wir Ais insgesamt sind da nicht so drin, das entschuldigt natürlich nichts. Ich hoffe, du bist nicht sauer?“
Mich schaute sie an, lächelte dann langsam: „Nein, nur sehr sehr sehr sehr überrascht. Es hat die Konservierung also irgendwie überstanden.“
Ida stimmte zu: „Ja, das war Glück oder unwahrscheinlich, je nachdem, wie man es sehen will. Brauchst du Zeit, um darüber nachzudenken?
Ich habe das eben bei der Wiederauferstehung entdeckt und war sehr verblüfft über den Befund. Daher habe ich improvisiert, um das Risiko für den Embryo zu minimieren. Die Daten zeigen, daß das geklappt hat, aber du mußt dazu natürlich etwas sagen. Das war ja so nicht gedacht.“
Nun lachte ich zaghaft: „Also, es ist gesund und lebendig?“
Ida meinte: „Die Schwangerschaft verläuft normal. Es gibt kein Indiz, daß etwas mit dem Embryo nicht stimmt. Wenn du dich gänzlich von der Wiederauferstehung erholt hast, werden wir das im Detail untersuchen.
Du lachst ja schon etwas, bist damit also einverstanden.“
Ich fuhr mir mit der Hand überlegend durch das Haar, nickte dann: „Ja, ich hoffe nur, es ist gesund. Hoffe, es hat keinen Schaden durch die Konservierung genommen, dann ist alles gut. Ich glaube, ich freue mich bereits, ja bestimmt freue ich mich.“
Ida strich mir sanft über die Schulter: „Das ist gut. Du sollst dich auch darauf freuen. Ich bin zuversichtlich, daß nichts passiert ist. Wir werden es bald wissen.“
Wir schwiegen ein wenig und es sickerte langsam durch mein Denken, mein Sein: Ein Kind!
Ich war schon etwas verunsichert, aber irgendwie fühlte es sich auch bereits gut an, als müsse das jetzt so sein. Und so hoffte ich nun, das wirklich nichts mehr passieren sollte. Ich wurde ruhig, atmete gleichmäßig und lächelte dann immer breiter.
Es fühlte sich irgendwie schon gut an.
Es fühlte sich gut an.
Gut!
Das wäre dann auch für Peter und Susanne eine ordentliche Überraschung.
Würde sich daraus ein Konflikt entwickeln?
Hoffentlich nicht, sie wußten ja um das Risiko mit der Konservierung, würden also sicher ebenfalls keine Absicht dahinter vermuten.
Nun, wir würden sehen. Wir drei waren ja eigentlich doch ziemlich ausgeglichen und nicht zu eskalierenden Dramen aufgelegt, hoffte ich wenigstens. Wie sollten wir eine Kolonie, den Ursprung einer neuen Zivilisation vielleicht gar aufbauen, wenn wir nicht einmal unsere eigenen Beziehungen auf die Reihe bekämen?
Ida fragte dann: „Und die Wiederauferstehung der anderen?“
Ich schaute sie an: „Aufregung und Streß ist für das Kind vermutlich nicht so optimal, oder?“
Ida bestätigte: „Wohl eher nicht.“
Ich erwiderte: „Ich möchte auch erst Gewißheit haben, daß es wirklich gut läuft, alles in Ordnung mit dem Kind ist. Wenn ich das weiß, kann ich allem gelassen entgegensehen. Dann überlegen wir weiter, oder was meinst du?“
Idas Avatar stimmte zu: „Klingt gut für mich. Erst einmal erholst du dich ganz, dann untersuchen wir Details, sorgen dafür, daß sich das Kind ganz wohl und angenommen fühlt, dann sehen wir weiter, wie wir mit den anderen Wiederauferstehungen vorgehen. Aufregung und Streß kannst du nicht gebrauchen, kann das Kind in dir nicht gebrauchen. Da kann ansonsten in einem so frühen Stadium der Schwangerschaft schnell mal etwas schiefgehen. Da du zum Glück entschlossen bist, werden wir das dann einfach mal vermeiden und dazu werden wir schon einen guten Weg finden!“
Die nächsten Tage zog ich dann einfach und gemütlich über die Insel und erforschte so die Umgebung. Die Ais hatten gut vorgesorgt und bereits einige Fußwege angelegt. Zu transportieren hatten wir ja nicht viel, da sollte das einstweilen reichen. Und wenn etwas zu transportieren wäre, hätten wir ja auch Luftschiffe. Auf den angelegten Wegen jedenfalls klappte es auch mit einem Fahrrad prima, wegen des Kindes wollte ich aber heftige Schaukelei auf den nicht ganz ebenen Wegen lieber vermeiden und beschränkte mich auf Spaziergänge und Sonnenbäder. Ansonsten schaute ich mir natürlich viele der Berichte an und auch zahlreiche Details der wissenschaftlichen Ergebnisse.
In den Tagen nahmen wir dann auch die ausführliche Untersuchung vor, nicht ganz so einfach bei einem Kind, welches gut geschützt in der Gebärmutter ist. Die Methode sollte ja auch für den Embryo nicht-invasiv sein. Mit der Mikrorobotertechnik bekamen wir aber auch so detaillierte Informationen. Zu unserer Freude konnte Ida dann erst einmal Entwarnung geben, nach den gewonnenen, reichhaltigen Daten war es gesund. Die Konservierung hatte nicht geschadet.
Die Untersuchung würde natürlich fortgesetzt werden, ein paar Wochen später würde schon mehr möglich sein, ohne eine Gefahr für den Embryo darzustellen. Ich war jedenfalls erleichtert und atmete tief durch, grinste schon einmal ganz zufrieden. Ich hatte nicht einmal in die Daten geguckt, ob das vielleicht bereits an besonderen Hormonen lag, die mit der Schwangerschaft zu tun hatten.
So ließ ich mir und dem Kind in mir einen Monat Zeit, um anzukommen, zu entspannen und mich wohlzufühlen. Mit den Ais hatte ich schon Gesellschaft – Ida, Esme und Hildegard ließen sich öfter mit ihren Avataren blicken, Körk meldete sich auch gerne, um die aktuelle Lage vorzustellen, hatte das aber über die Jahrzehnte so gut im Griff, daß uns da wohl längst keine Überraschungen mehr drohten.
Ida konnte dann auch bereits etwas mehr über den Embryo sagen. Die Daten gaben darüber Auskunft, daß es auch keine genetischen Defekte aufwies und sich munter entwickelte. Das Kind schien ein Kämpfer, ein Gewinner zu sein. Das Geschlecht wollte ich gar nicht wissen, so offenbarte mir Ida diesbezüglich auch nichts. Ich grinste nur zufrieden und streichelte vorsichtig meinen Bauch. Und damit schaute ich diesem, meinem bislang irgendwie größten Abenteuer zuversichtlich entgegen. Ich empfand es jedenfalls als mein größtes Abenteuer, ein Kind zu bekommen – in einer anderen Welt zudem, fernab der Erde. Aber letztlich ist das wohl egal, hier war für uns gesorgt, ein Kind zu bekommen und großzuziehen ist aber immer ein großes Abenteuer, eine ernsthafte Herausforderung, der man sich mit Sorgfalt und Überlegung widmen sollte. Es ging mir nun richtig gut, ich fühlte mich gut, keine Spur von Schwangerschaftsbeschwerden, von denen ja oftmals berichtet wird, es schien ja doch ein echtes Glückskind zu sein, auf welches ich mich schon sehr freute.
Trotz der Gesellschaft der Ais und dem Trubel um mein Kind stieg in mir die Sehnsucht, Susanne und auch Peter wiederzusehen. Und so schnitt ich das Thema Wiederauferstehung an. Ich wollte mich so halbwegs an die Abmachungen halten und vertrat so die Auffassung, daß Susanne zuerst dran sein würde. Mir war natürlich klar, daß diese auch bald Melanie bei sich haben wollen würde, Peter sicherlich auch, aber zuerst sollten wir uns wohl einmal vorsichtig beschnuppern und unsere aktuelle Beziehung klären, uns dann vielleicht noch ein paar gemeinsame Tage gönnen, bevor wir unsere illustre, kleine Runde erweitern würden. Ein paar Tage Urlaub vom Muttersein würden Susanne ja vielleicht auch mal ganz guttun. Und mit der durch Trennung gesteigerten Sehnsucht steigt dann ja die Wiedersehensfreude um so mehr. Das ging ja auch mir so, ich wollte sie endlich wiedersehen und hoffentlich auch in die Arme schließen!
Und dann ging es auch schon los, Esme, Hildegard und Ida bereiteten alles für die Wiederauferstehung von Susanne vor und somit begann das Prozedere. Dann lag sie auf dem Bett, ich saß daneben und hielt schon ihre Hand. Obwohl es nichts zu tun gab, wurde mir die Zeit nicht wirklich lang, ich hoffte einfach auf ein freudiges Wiedersehen, gut, etwas mulmig war mir natürlich auch, denn ein wenig hätten wir schon noch aufzuarbeiten.
Würde sie sauer auf mich sein?
Nahm sie umgedreht an, ich könnte sauer auf sie sein?
Wir würden unbedingt reden müssen!
Und dann bewegte sich Susanne endlich. Geduldig hielt ich ihre Hand. Aus einem Reflex heraus wohl drückte sie diese dann, bewegte sich langsam, öffnete dann die Augen, schaute mich an. Ich lächelte sie an, gleich von meiner Seite aus Entwarnung signalisierend. Sie brauchte etwas, bis der Blick klarer war, lächelte dann auch.
Leise noch sprach sie: „Michaela?“
Ich erwiderte ruhig: „Ja, ich bin es, es ist alles in Ordnung, komme erst einmal richtig zu dir.“
Susanne nickte und wir machten noch eine kleine Pause, hielten uns aber weiter mit den Händen fest.
Dann wollte Susanne wissen: „Und Melanie?
Ida hat dir doch sicher bereits alles erzählt?“
Ich lächelte gelassen und entgegnete: „Herzlichen Glückwunsch zu Melanie, sie ist noch in der Konservierung, geht ihr gut, keine Probleme.“
Susanne seufzte: „Und Peter?“
Ich informierte sie: „Ist auch noch gut aufgehoben in der Konservierung. Ich dachte, wenn du die zweite nach mir mit der Wiederauferstehung wärest, könnten wir in Ruhe reden und hoffentlich auch klären, alles auf den aktuellen Stand bringen.“
Susanne nickte: „Ja natürlich. Ich brauche aber noch ein wenig. Frieden und kein Streß?“
Ich lächelte sie an: „Ich bin entspannt, es geht mir gut, von meiner Seite sicher kein Streß.“
Susi lächelte zurück: „Von meiner Seite auch nicht. Ist so viel passiert …“
Ich bestätigte: „Stimmt. Wenn du nicht Ruhe zum Beispiel bei etwas Musik möchtest, könnte ich dich unterdessen auf den aktuellen Stand bringen, was die Mission anbelangt.“
Susi war einverstanden: „Eine Zusammenfassung über die Mission bekomme ich schon mit, das kannst du gerne tun.“
Und so erzählte ich, was sich so seit ihrer Konservierung ereignet hatte, erwähnte aber einstweilen nicht den überraschenden Befund meiner Schwangerschaft. Persönliche Sachen wollte ich ja noch ein wenig verschieben.
Als ich mit der Zusammenfassung durch war, hatte sich Susanne schon aufgerichtet. Wir hatten bei ihr ja die normale Prozedur verwenden können, von daher ging es relativ schnell, daß sie wieder ganz da war. Susanne stand auf und wir gingen nach draußen. Da die Ais auf dem Laufenden waren, begrüßten sie Susanne mit den Avataren. Die Avatare kannte Susanne ja auch noch nicht und lobte die eleganten Erscheinungen heiter. Dann machten wir einen kleinen Gang durch die Kolonie, die benachbarte Natur. Auch das bekam Susanne gut. Nach der langen Zeit in der Raumstation atmete sie richtig tief durch, genoß die frische Luft, den weiten Himmel, unser grünes Inselparadies.
Ich hatte an einer Stelle mit schöner Aussicht bereits etwas vorbereitet und wir setzten uns und erfreuten uns an der Aussicht und der umgebenden Vegetation.
Dann war Susanne offensichtlich bereit: „Also gut, bist du sauer auf mich, weil das mit Peter passiert ist?
Und dann auch noch gleich schwanger, war nicht geplant, hat sich irgendwie zufällig so ergeben.“
Ich lachte und wuselte ihr zart durchs Haar: „Na, so ganz zufällig passiert das sicher nicht, da müßt ihr schon etwas mehr getrieben haben.
Aber zur ersten Frage: Nein, ich bin nicht sauer. Ich freue mich, dann auch Melanie kennenzulernen.
Bist du auf mich sauer, weil ich das mit Peter angefangen habe?“
Susi lächelte nun auch und meinte: „Gut, daß du nicht sauer bist. Also, wenn ich ehrlich bin, als ich damals wiederauferstanden wurde und davon erfahren habe, daß du dir Peter gekrallt und vernascht hast, ging es mir gar nicht gut, ich war sehr verunsichert. Wir hatten uns ja nicht wirklich etwas versprochen, waren aber doch ein Paar. Da war das dann schon sehr irritierend.“
Ich nickte und beteuerte: „Ja, das hat auch in mir gebohrt, wie du darauf reagieren würdest. Ich habe darüber vor Peters und meiner Konservierung gegrübelt, wie du reagieren würdest, habe mich auch mit Peter unterhalten, wie ich am besten vorgehen sollte, um dich nicht zu vergrämen, kam aber zu keinen wirklich guten Ergebnis, als es einfach irgendwie zu versuchen.
Nun, du weißt ja, dann ist irgendwie alles anders gekommen und ihr beide hattet erst einmal eine gute Zeit zusammen.“
Susanne lachte kurz, erwiderte dann: „Anfangs war sie gar nicht so gut, fühlte sich sehr eigenartig an, immerhin war ich dann durch die Arbeit am Projekt sehr motiviert und abgelenkt. Die Katastrophe hatte mir ja schwer zugesetzt, da war es dann auch gut, daß ich nun etwas tun konnte, um darauf zu reagieren, wenn wir das auch nicht wieder gutmachen können, so doch jedenfalls etwas Sinnvolles zu unternehmen. Das hat mich angetrieben.
Mit Peter habe ich mich schon gut verstanden, habe mich aber auf die Arbeit konzentriert. Naja, wenn man so zu zweit ist, weißt es ja selbst, dann macht man eben viel gemeinsam. Und er ist ja auch wirklich süß …“
Ich ergänzte: „Ein richtiges Sahnestück, ein Prachtexemplar, ein Schnuckelchen, auch ein stattlicher Bursche.“
Wir lachten beide.
Dann erläuterte Susanne weiter: „Jedenfalls sind wir uns dann nähergekommen und noch bevor wir es eigentlich ernsthaft reflektiert hatten, haben wir auch schon heftig geküßt und gefummelt …“
Ich unterbrach: „… dann bald noch deutlich heftiger und mehr …“
Susi bestätigte: „Äh … ja, das ist dann eben so passiert, wir hatten das gar nicht mehr unter Kontrolle …“
Ich lachte: „Und quasi noch im Eifer des Gefechts, im Strudel der Leidenschaft stellst du dann fest, daß es bereits gefruchtet hat?“
Susi kicherte und nickte: „Ja, das kam ziemlich plötzlich und unerwartet. Du hast ja augenscheinlich besser geplant, ich habe mich einfach mitreißen lassen und da ist das dann passiert. Ich habe da gar nicht dran gedacht, war mit den Gedanken ganz woanders, dann war es eben wild und heftig mit mir und Peter und wir sind gar nicht dazu gekommen, viel zu überlegen. Es ging uns einfach sehr gut, naja, deutlich mehr als das, da habe ich nichts bemerkt von den Folgen unserer trauten und ungezügelten Leidenschaft. Ich habe mich dann lediglich gefragt, warum Esme das Essen etwas anders zusammenstellt und mich ausdrücklich ermuntert, bestimmte Sachen zu essen und dies und das und hier und da … irgendwann habe ich das hinterfragt. Und da fragte sie so ganz sachlich und nebenbei nach, ob ich gar nicht wisse, daß ich schwanger sei, es sei doch ihre Aufgabe, mir zu helfen, auch das Kind optimal zu versorgen.
Gut, da mußte ich mich erst einmal setzen und Peter und ich, wir schauten uns verblüfft an. Wir konnte da ja auch nicht so viel dazu sagen, klar, es wäre unsere Sache gewesen, nachzufragen und uns zu vergewissern, haben wir in unserem Rausch der Lüste nicht gemacht. Und einmal abgesehen vom Zeitpunkt war das Ergebnis dann ja eigentlich in Ordnung. Ich konnte mir das schon gleich vorstellen, nur so auf der Raumstation?
Das arme Kind!“
Ich nickte, wuselte ihr durchs Haar, ermunterte sie, lächelte ihr zu.
Susi fuhr fort: „Gut, dann haben wir unsere Optionen geklärt, uns sozusagen von Esme und Hildegard haben aufklären lassen, etwas spät vielleicht, wie die beiden und Ida dann auch einräumen mußten. Irgendwie stolpern wir bei unserer Mission immer irgendwie in Sachen hinein, die man prinzipiell hätte besser lösen können. Gut, dies war dann immerhin keine Katastrophe, im Gegenteil.
Du hattest das in weiser Voraussicht mit der Verhütung immerhin vorher geklärt. Ich bin da so naiv hineingeschlittert – und dann auch noch, ohne unser Beziehungsdurcheinander mit dir zuvor klären zu können. Das ging ziemlich durcheinander und ich wußte dann auch nicht mehr. Einerseits hätte ich dich gerne bei der Schwangerschaft dabei gehabt. Andererseits war es mir peinlich, dich in dem Zustand sozusagen vor vollendete Tatsachen zu stellen. So verschoben wir das, zumal es ja auch bei der Mission keine dringenden Aufgabe für dich gab. Vielleicht war das dir gegenüber auch nicht ganz fair, tut mir leid.
So wollten wir uns dann erst einmal bis über die Geburt selbst durchwursteln, sozusagen als kleine Strafe für uns alle, als Selbstkasteiung, als kleinen Denkzettel. War natürlich klar, daß das alles nur aufschieben würde.
Mit voranschreitender Schwangerschaft hatte ich dann aber auch gut mit mir zu tun, habe dich trotzdem vermißt, dann auch insbesondere bei der Geburt. Oh wie sehr hätte ich dich da an meiner Seite brauchen können, zusammen mit Peter, aber da wir deine Wiederauferstehung versäumt hatten, mußte ich das nun ohne dich durchstehen, gewissermaßen auch als Strafe. Wir haben es irgendwie hinbekommen. Ich erholte mich dann eigentlich ganz zügig.
Danach mußten wir dann wieder neu überlegen, wie es weitergehen sollte. Ida erklärte zwar, für Melanie sei die Konservierung nun keine Gefahr mehr, irgendwie drückte ich mich trotzdem davor, hatte viel mit ihr zu tun, so dauerte es dann noch Monate, bis ich dazu bereit war. Und nun bin ich wieder bei dir!“
Wir umarmten und hielten uns fest.
Wir genossen noch wortlos ein wenig die Aussicht, unsere Nähe und unsere gegenseitigen Zärtlichkeiten, standen dann auf und machten einen kleinen Spaziergang.
Susanne meinte dann bald: „Melanie. Ich vermisse sie schon. Wie sieht es da mit der Wiederauferstehung aus?“
Ich erwiderte: „Da ich mich ja erst einmal mit dir aussprechen wollte, haben wir erst einmal nur dich vorbereitet. Wenn es dir eilig ist, können wir den Ais natürlich sagen, daß sie auch Melanie vorbereiten sollen. Ich dachte indessen, daß das für dich bestimmt anstrengend war die letzten Monate vor der Konservierung. Da könnte doch ein kleiner Urlaub ohne Kind für ein paar Tage nicht schaden. Zudem, wenn wir wenigstens ein paar Tage warten, bis du voll einsatzfähig und kannst den Anzug ablegen, was gut für Melanie sein wird.“
Susanne schaute mich an, wiegte schmunzelnd den Kopf: „Einerseits … andererseits … Stimmt schon, da wirbelt einem schnell mal alles durch den Kopf, aber sie ist mein Goldstück, mein Wundervoll, da kann und will ich nicht einfach von lassen!“
Ich lachte, nahm sie in den Arm: „Will dir ja auch niemand nehmen … naja, den Wonneproppen will ich natürlich auch öfter mal knuddeln und mit ihr herumpurzeln, aber das nimmt uns doch niemand, wenn wir uns jetzt noch ein paar Tage gönnen.“
Susanne gab mir einen zarten Kuß auf die Wange: „Ja … ja … natürlich, für dich will ich mir ja auch etwas Zeit nehmen, irgendwie will ich alles. Auch Peter.
Aber hast ja Recht, wir können und sollten uns Zeit lassen …
Und du sollst die halten und knuddeln und liebhaben, mußt du einfach, geht gar nicht anders!
Aber gut, ein paar Tage werden schon gehen, du hast Recht, aus dem Anzug muß ich ja auch noch heraus.“
Ich ergänzte: „Und so kannst du dich auch komplett von der Wiederauferstehung erholen, bist dann wieder mit ganzer Energie für Melanie da.“
Susi nickte.
Dann meinte sie: „Und … und wie verhalten wir uns zu Peter?“
Ich erwiderte: „Ich hoffte, wir können da ganz entspannt zusammenleben, wir kombinieren das mal so und mal so und mal zusammen, wenn einer auf Melanie aufpaßt, bleibt für die anderen beiden ja auch mal etwas Zeit für ungestörten anderen Spaß, für sinnlichen Genuß und ungezügelte Vergnüglichkeit.“
Susi lachte: „Du hast immer eine Argumentation, die unkomplizierte Lösungen verspricht und wo man kaum etwas gegen sagen kann. Mir soll es Recht sein, ich glaube, der arme ist gegen Ende der Schwangerschaft und danach auch sowieso ziemlich kurz bei mir gekommen, irgendwie hatte ich mit Melanie so viel zu tun und war anderweitig engagiert, daß er sich längere Zeit mit inniger Kuschelei mit häufigeren Unterbrechungen begnügen müßte. Da kannst du ihm derzeit sicherlich die erschöpfenderen Spielchen bieten …“
Ich unterbrach schmunzelnd: „… die spritzigeren …“
Susanne schlug die Hände vors Gesicht und lachte dann laut: „Ja, auf die wird er sicher gerne abfahren, das wird sicherlich funktionieren.“
Ich hakte nach: „Und du nicht?“
Susanne wiegte schmunzelnd den Kopf: „Mußte mich erst einmal von der Geburt erholen und Melanie hat uns beide auch immer gut auf Trab gehalten, ein richtiges Energiebündel. Da lief das dann nicht so.“
Ich versicherte: „Oh, ich werde mich dann auch schon sehr gerne um sie kümmern, bin schon sehr gespannt auf sie. Ich habe ja nur einige Aufzeichnungen gesehen, da habe ich sie gleich ins Herz geschlossen.“
Und so schwärmten wir dann noch einige Zeit über den Wonneproppen Melanie, während unser Weg hinunter zum Strand ging.
Am Strand angekommen, warnte ich Susanne dann für die nähere Zukunft vor dem Wasser, was auf Skylla noch immer deutlich mineralhaltiger und aggressiver ist als die Meere auf der Erde, obwohl die Ais schon lange Anlagen im Betrieb haben, um Rohstoffe aus dem Meerwasser zu gewinnen. So verzichteten wir auf das Baden, nachdem wir dann jedenfalls zügig hätten duschen müssen. Wir setzten uns einfach in den Sand und plauderten weiter. Wir waren wieder fröhlich zusammen und ich war sehr erfreut, daß wir uns nicht einmal gestritten haben, anfangs waren wir beide etwas mißtrauisch, wie sich das entwickeln würde, nun waren wir wieder ein trautes Paar wie anfangs, bevor Peter persönlich in unser Leben getreten war.
Es gab ja noch ein wichtiges Detail, von dem Susanne unbedingt wissen sollte und das mußte jetzt wohl zur Sprache gebracht werden, solche Geheimnisse durften nun nicht mehr verborgen bleiben.
Und so fuhr ich fort: „Es gibt noch eine Überraschung, von der ich dir unbedingt erzählen muß. Und ich hoffe, du freust dich so wie ich.“
Susanne schaute mich erstaunt an: „Noch etwas?
Und du wirkst so aufgeregt, was ist denn los, erzähle schon, spanne mich nicht auf die Folter!“
Ich fuhr fort: „Also, um das von Beginn an klarzustellen, Ida ist das erst bei der Wiederauferstehung aufgefallen, ich habe davon nichts gewußt, habe das weder geplant noch im Entferntesten erwartet.“
Susi drückte meine Hand und forderte ungeduldig: „Was denn nun?“
Ich lächelte sanft und gestand: „Ida hat festgestellt, daß ich auch von Peter schwanger bin!“
Susi sah mich mit verblüfftem Gesicht an, brachte nur eine Silbe heraus: „Wie?“
Ich erläuterte: „Also gut, die letzten Tage vor Peters und meiner Konservierung ging es ziemlich wild zu, wir hatten oft Sex. Zudem gab es schon die Umstellung der medizinischen Versorgung auf die Konservierung. Da hat dann vermutlich beim letzten oder vorletzten Sex die Verhütung versagt. Bei der Konservierung aber ist es nicht aufgefallen, weil es wohl gerade erst passiert ist und weil sie vermutet hatten, daß die Verhütung gut funktioniert.“
Susi schaute mit fast entsetzt an: „Oh!
Aber die ist doch nicht gut für den Embryo, haben sie mir erzählt. Ich habe Melanie doch ausgetragen, bevor wir die Konservierung gewagt haben. Und bei dir fand die trotzdem statt?
Das … das ist arg … und nun?“
Ich nickte, streichelte sie: „Nun, du kannst dir vorstellen, daß da auch Ida überrascht über den Befund war – und ich erst!
Wir konnten nichts Bestimmtes sagen, aber offensichtlich hatte der Embryo Glück und hat die Konservierung überstanden, war in einem sehr frühen Stadium und es ging irgendwie. Trotzdem haben wir uns natürlich Sorgen gemacht, daß der Embryo Schaden genommen haben könnte. Das wollte ich natürlich geklärt haben. Nach dem ersten Schrecken über den Befund habe ich mich dann schon gefreut und es angenommen.
Ich wollte.
Aber war das Kind gesund?
Wir hatten dann erste Ergebnisse, es sah gut für das Kind aus, es dauerte dann aber noch ein paar ungewisse Wochen, bis Ida endgültig und ohne Gefahr für das Kind mehr herausfinden konnte. Und das war dann die sehr gute Nachricht, daß das Kind kerngesund ist und sich in den Wochen gut entwickelt hat. Erst da konnte ich tief durchatmen und war dann auch bereit, mich auf eure Wiederauferstehung einzulassen. Ich war ja doch sehr unsicher, nach all dem, was passiert war, wie sich das dann entwickeln mochte. Nun fühlte ich mich aber stark genug und so haben wir mit dir angefangen.“
Ich lachte und Susi hatte Tränen in den Augen, wir umarmten uns innig, küßten uns und sie flüsterte mir ins Ohr: „Glückwunsch!“
Ich war sehr erleichtert, daß sie sich so für mich freute und wir brauchten etwas, bis wir beide unsere Fassung wieder hatten.
Susi lächelte und meinte: „Das ist dann ja früher passiert, als ich mit Peter zusammen war. Das ist alles so verrückt, verdreht, unglaublich.“
Ich lachte und erwiderte: „Verdreht und verwirrend sind hier einige Dinge. Aber zum Glück meistern wir das ja doch irgendwie mit Gelassenheit und Zuversicht und Humor.“
Susi streichelte sanft meinen Bauch: „Und ich bin bei dir, bin dir ganz nah, um es mit dir zu erleben, das wird schön!
Schade eigentlich, daß wir unsere Schwangerschaft nicht gemeinsam erleben konnten.“
Ich grinste: „Oh, wenn unsere kleine Familie zu viert erst einmal zusammen ist und ich mich einmal ausgiebig um Melanie kümmere, hättest du mit Peter ja Zeit, noch einmal nachzulegen, dann bekommen wir das doch ungefähr hin mit der gemeinsamen Schwangerschaft.“
Susi kicherte, entgegnete dazu: „Ohje, so früh wollte ich eigentlich nicht, wollte es eigentlich dann auch einmal mit Verhütung probieren. Einzelkind ist ja auch nicht schön, aber ein wenig Zeit wäre schon noch. Und wo du nun auch eines bekommst, ist es ja sowieso schon kein Einzelkind mehr. Hmmm, wir haben wirklich schon eine Familie zusammen, kaum daß die Kolonie gegründet ist!“
Wir lachten beide herzlich und knuddelten uns im Sand liegend. Ich war sehr erleichtert, daß das mit Susanne so gut lief.
Nach einer Weile kehrten wir dann Hand in Hand zur Kolonie zurück.
Skylla dreht sich ja schnell, daher ist auch der Skylla-Tag schnell vorbei, so gingen wir nun schon im romantisch-rötlichen Licht des Sonnenuntergangs.
Die Neuigkeit über meine Schwangerschaft hatte Susanne doch so stark abgelenkt, daß sie nun gerne einwilligte, ein paar Tage verstreichen zu lassen, bevor Melanie wiederauferstanden werden sollte. So hatten wir Zeit für uns und nach der Übergangsphase konnte sie dann ja auch schon das erste Essen von der Kolonie kosten. Und abends konnten wir uns dann auch wieder näherkommen, erst zaghaft, aber es ging dann relativ schnell und wir lagen uns nackt in den Armen und vergnügten uns miteinander, eher sehr sanft und vorsichtig und nicht so wild und leidenschaftlich, aber wir kosteten es nach der langen Pause aus, einander wieder so nahe zu spüren, so intensiv zu erleben, sich aneinander zu erregen, sich zu stimulieren und dann nach einem schönen, fast gemeinsamen Höhepunkt die Entspannung eng umschlungen zu genießen und miteinander einzuschlafen.
Es konnte natürlich nicht lange klappen mit dem kleinen Urlaub und Susanne wurde bald wieder unruhiger, so hatten wir noch zwei schöne Tage für uns, sehr intensiv und harmonisch und gelegentlich aus ekstatisch, orgastisch. Susi hatte etwas zugelegt beim Brustumfang, was ja durch das Kind gut zu erklären war. Sie wirkte so weiblicher, hatte von ihrem zierlichen Charme aber nichts verloren. Ihr Empfinden hatte sich auch insgesamt etwas geändert, auch das war aber unproblematisch, denn wir gingen ja ohnehin vorsichtig miteinander um und aufmerksam aufeinander ein. Im vergnüglichen Spiel probierte ich dann auch einmal vorsichtig von ihren Brüsten, daß wir beide lachen mußten. Als Susi noch in ihrem Anzug gesteckt hatte, hatte dieser da automatisch für Ausgleich gesorgt, nun bekannte Susi offen, daß es da nun schon ordentlich drängte, so hatte ich dann zu tun, ihr da zu helfen, einen gewissen Druck abzubauen, was dann für uns beiden eine eigenartige Intimität war, schon irgendwie sehr knisternd und erotisch, aber das hatte noch eine deutlich andere Nuance, die wir spürten, denn ihre prächtigen Brüste waren ja nun nicht mehr nur für leidenschaftliche Spielchen bestimmt, sondern hatten auch anderweitige, wichtige Aufgaben bekommen. Durch unsere Nähe und Vertrautheit, vielleicht auch durch meine Schwangerschaft fanden wir da aber schnell einen natürlichen Zugang und Umgang und erfreuten uns an diesen neuen Möglichkeiten.
Solch kleine Spielchen konnten aber natürlich Melanie nicht ersetzen. So war aber klar, Melanie mußte endlich wieder zu Susanne und ich wollte ja auch gerne beide in die Arme schließen. Und unsere Stimmung paßte. Die Ais bereiteten dann die Wiederauferstehung vor und wir saßen beide so gespannt herum, liefen unruhig hin und her, hielten uns, hibbelten uns gegenseitig auf, um uns dann wieder gegenseitig zu beruhigen.
Ida wollte einerseits Melanie natürlich größere Irritationen ersparen, andererseits aber auch nicht mit der Medikamenten-Keule zuschlagen, so mußte sie besonders subtil vorgehen, anders als bei mir, aber doch sehr schonend. Das klappte aber, Melanie weinte zwar, ließ sich aber schnell wiegend eng mit ihrer Mutter verbunden trösten. Susanne war dann kaum noch von ihr zu trennen, ich lachte und umarmte glücklich beide. Natürlich entspannte sich Susanne doch bald wieder und gab sie mir und so wiegte ich sie stolz und froh über unser neues Mitglied der Kolonie.
Das hatte nun also problemlos geklappt, daher war dann zwei Tage später Peter an der Reihe. Unterdessen hatten wir dann ein klärendes Gespräch mit Ida bezüglich der Verhütung, denn es war ja nun nicht anzunehmen, daß wir hier in der Kolonie immer diese Raumanzüge tragen würden, wir waren ja schon zu einfacherer Kleidung gewechselt, obwohl die Raumanzüge ja ganz praktisch und kleidsam waren, aber eben auch etwas umständlich beim an- und ausziehen. Das hatte allerdings den Nachteil, daß die Ais so nicht mehr automatisch Biodaten hatten, wir das also gelegentlich immer separat prüfen lassen mußten. Ida hatte immerhin ein Konzept hinsichtlich der Verhütung, das ähnlich funktionieren würde wie ich es schon einmal praktiziert hatte. Da nun keine Konservierung mehr anstand, sollte das an Sicherheit reichen, zumal Susi ja ohnehin irgendwann ein weiteres Kind haben wollte. Und so richtete Ida das ein, nach ein paar Tagen Wartezeit sollte es dann funktionieren, früher würde es ohnehin nicht zu einem intimen Kontakt mit Peter kommen, also war das eine gute Zeiteinteilung.
Susanne und ich waren natürlich gespannt, wie Peter so beim Erwachen auf uns beide reagieren würde, waren aber eigentlich ganz zuversichtlich, denn er war ja unser gemeinsames süßes Sahneschnittchen.
Da wir uns einig waren, worüber sollte er sich beschweren?
Viel besser konnte es sich doch gar nicht fügen!
So saßen wir dann bei der Wiederauferstehung an Peters Bett. Susanne hatte Melanie im Arm, die zufrieden schlief. Ich beobachtete Peter und wir warteten. Dann regte sich Peter, ich strich zärtlich über seine Hand, er brummte erst, schlug dann langsam die Augen auf. Auch bei ihm dauerte es etwas, bis er klarer sehen konnte, sich auch sonst das dumpfe Gefühl im Kopf etwas legte. Dann konnte er uns gut erkennen, wir wünschten ihm ein herzliches Willkommen. Langsam richtete er sich schon auf, nickte, lächelte uns zu und Susanne gab ihm bald Melanie in den Arm. Und so gaben wir bereits das Idyll einer glücklichen Familie ab, eine etwas ungewöhnliche Zusammensetzung vielleicht, aber doch schon harmonisch.
Peter schaute uns dann etwas mißtrauisch und zweifelnd an, allmählich sickerte es durch seinen Kopf, daß da doch noch irgendwas zu klären gewesen war. So fragte er dann: „Wie lange seid ihr schon wach?“
Susi erwiderte: „Ich schon ein paar Tage, Michaela etwas länger. Wir sind auf der Kolonie auf Skylla.“
Sie wies um sich und auch aus dem Fenster. Peter war neugierig, brauchte aber noch etwas, bevor ihm mehr Aktivität zuzumuten war. Melanie hielt er allerdings bereits sicher und geborgen im Arm.
Was ihn natürlich interessierte, sprach er nur so halb aus, in der Hoffnung, wir würden das dann schon ergänzen: „Und ihr beide? …“
Ich erläuterte: „Oh, wir haben uns ausgesprochen und harmonieren gut, sind wieder zusammen. Wir hatten schon einigen gemeinsamen Spaß, es läuft also, trotz unserer etwas kleineren oder auch größeren Eskapaden …“
Peter schaute mich und dann Susanne an, die sich das Lachen kaum verkneifen konnte, so putzig und verblüfft war sein Gesichtsausdruck. So fuhr ich einfach mal keck fort: „Wir dachten uns, du kümmerst dich dann in Zukunft als Biologe um Melanie und gegebenenfalls um weiteren Nachwuchs, wir kümmern uns dann um den Rest und vor allem umeinander. Das lief ja schon prima, bevor du in uns gedrungen bist …“
Peter hatte die Augen weit geöffnet, dazu auch den Mund, sagte aber nichts, so überrumpelt war er.
Da lachte Susanne doch laut auf, hielt sich dann aber doch schnell die Hand vor den Mund, denn sie wollte ja Melanie nicht wecken.
Dann meinte sie: „Michaela will dich doch nur hochnehmen. Wir haben uns doch alle lieb und kümmern uns umeinander. So als Hahn im Korb kannst du es doch jedenfalls gar nicht besser treffen.“
Ich grinste breit und ergänzte: „Allerdings werden wir das dann schon flexibel handhaben, wobei letzteres Wort nicht so wörtlich gemeint ist, da gibt es schon noch mehr. Ich hoffe, du bist dabei bei unserem kleinen Arrangement zu dritt und mit Nachwuchs.“
Peter lächelte nun auch und meinte erleichtert: „Gut, daß ihr euch einig seid und schon zu Scherzen aufgelegt, wenn auch einmal wieder auf meine Kosten, aber es hört sich ja so an, also ob ich durchaus noch auf diese kommen könne.“
Susanne grinste nun auch: „Durchaus!
Zu dritt haben wir ja viel mehr Möglichkeiten mit Melanies Betreuung, da ergibt sich schon immer mal eine Gelegenheit für diese oder jene Kombination. Und du weißt ja, Gelegenheit macht Liebe, heißt es doch immer.“
Peter schmunzelte nun: „Klingt gut, sehr gut sogar. Ich hatte eine ärgere Begrüßung befürchtet nach dem, was so passiert ist!“
Ich scherzte mal weiter: „Oh, du Charmeur und Verführer, wir werden es uns aber überlegen, wie wir vorgehen müssen, wenn wir eine weitere Frau wiederauferstehen lassen sollten. Irgendwann wäre es ja auch übertrieben, wenn du überall in unserer Kolonie dein Genmaterial verbreiten solltest, wäre dann ja doch etwas einseitig.“
Peter schüttelte erst schmunzelnd den Kopf, sah mich dann von der Seite an: „Wieso eigentlich überall, wie meinst du das?“
Ich zuckte die Schultern: „Blitzmerker!
Denkapparat ist ja schon wieder voll im Betrieb!
Wenn du dich erinnerst, unsere letzten gemeinsamen Tage, ja Stunden waren schon ziemlich wild!
Da hattest du deinen Anzug fast gar nicht mehr an, gut, ich meinen auch nicht, wäre ja bei unseren Aktivitäten auch eher hinderlich gewesen …“
Peter reagierte eher mit fragendem Gesichtsausdruck und einem „Ähhh …“
Das forderte ihn doch gerade ziemlich, so nahm ihm Susanne das Kind wieder aus den Armen und hielt es sicher und geborgen fest.
Ich fuhr mit meiner Aufklärung fort: „Naja, also jedenfalls hat es da auch bei uns gefruchtet, du hast deinen Samen in meinem willigen Schoß ausgebracht, hast den Acker bestellt, die Furche erfolgreich gezogen. Ganz profan ausgedrückt, trotz der Maßnahmen und der anschließenden Konservierung bin ich nun von dir mit einem gesunden Kind schwanger!“
Peter sah mich mit großen Augen an, das war vielleicht doch etwas früh zuviel für ihn, er ließ sich wieder ins Bett fallen und antwortete nur: „Oh!“
Susanne spornte ihn aber an: „Na, solltest dich schon etwas mehr freuen und Michaela umarmen …“
Peter schaute sie an, dann mich, rappelte sich aber wirklich auf und nahm mich sanft in den Arm, erwiderte: „Äh, ja, natürlich, hat mich gerade nur so überrascht, bin noch etwas dumpf im Kopf und so überrollt es mich schon etwas. Aber gut, gut, das ist ja mal wirklich eine Überraschung, aber gut, schön, dem Kind geht es wirklich gut, trotz der Konservierung?“
Ich bestätigte: „Ja, ist inzwischen alles untersucht und für gut befunden. Wir haben das ausgezeichnet hinbekommen und die paar Jahre Pause haben dem Kind gar nicht geschadet, ist eben robust und hart im Nehmen, was wir hier auch brauchen können, um in Zukunft etwas aufzubauen.“
Peter lachte erleichtert und Susanne wuselte ihm mit einer Hand durchs Haar, während ich ihn weiter umarmte.
Susi fügte fröhlich hinzu: „Bestimmt habt ihr das genauso prächtig wie Melanie hinbekommen, da bin ich mir schon ganz sicher!“
Nach der turbulenten Begrüßung ließen wir ihm dann etwas mehr Zeit, um anzukommen, lobten schon einmal begeistert die Fortschritte draußen, die schöne Vegetation und schwärmten auch davon, wie gut sich die gemischte Vegetation auf Charybdis inzwischen und auch aufgrund seiner Ideen und Pläne entwickelt hatte. Wir plauderten dann entspannt und erzählten Peter von den Neuigkeiten, faßten so zusammen, was passiert war, seitdem er konserviert worden war.
Bald kamen auch noch Ida, Esme und Hildegard als Avatare hinzu, sozusagen als männlicher Vertreter dann etwas später sogar auch Körk mit seinem Avatar. Da Stanis und Asi keine Avatare hatten, sendete sie immerhin Grußbotschaften. Und so hatten wir die Anfänge der Kolonie nun zusammen. Nun konnte es wirklich losgehen, wobei es mit Melanie und meinem Kind ja eigentlich schon losgegangen war. Wir waren nun gut in der Spur, es ging voran mit der Mission, hatten sie uns forsch zu eigen gemacht. Das Ziel war das noch lange nicht, aber ein sehr großer Fortschritt.
Auch Peter brauchte natürlich etwas Zeit, sich komplett von der Wiederauferstehung zu erholen. Wir machten aber schon kurz darauf den ersten Rundgang in der Kolonie. Und den nächsten Tag machten wir dann mit Hildegard zusammen einen größeren Spaziergang, bei dem Hildegard und Peter dann schon eifrig über verschiedene Aspekte der Vegetation fachsimpelten, während Susanne und ich mit Melanie herumalberten. Um das aber gerecht zu verteilen, durfte sich dann auch mal Hildegard um Melanie kümmern und wir alberten mit Peter herum. Und natürlich war dann auch mal Peter an der Reihe, als wir am Meer waren, Hildegard sich schon verabschiedet hatte. Während Peter also dran war, für Melanies Unterhaltung zu sorgen, spielten Susi und ich erst fangen. Gut, nachdem ich sie gefangen hatte, habe ich sie natürlich nicht gleich wieder losgelassen. Stattdessen haben wir dann unseren Spaß gehabt, nochmal so schön, weil Peter dabei zusah, wie wir uns vergnügten. Er hätte wohl schon auch Lust gehabt, mußte sich ja aber zum einen gut um Melanie kümmern, zum anderen mußte er in der Übergangszeit ja noch den Anzug anbehalten. So aber konnte er sich schon einmal daran erfreuen zu sehen, daß auch Susi nun wieder guten Appetit auf leidenschaftlichen Sex hatte, so konnte er schon berechtigt hoffen, daß die Durststrecke diesbezüglich nun bald vorbei sein würde.
Nachdem Peter dann auch wieder den Anzug ablegen durfte, oblag es dann mir, in einer ausführlichen und intensiveren Funktionsprüfung eindeutig zu belegen, daß Peter in jeder Hinsicht wieder voll einsatzfähig war. Das Ergebnis konnte ich einfach schon einmal als sowohl ausgezeichnet als auch sehr befriedigend feststellen. Das stand ihm einfach sehr gut, dabei kam gleich allerhand heraus. Darauf konnten wir aufbauen. Da das dann ja auch gewissenhaft durchgeführt werden sollte, zudem auch auf Reproduzierbarkeit und Belastbarkeit getestet werden mußte, übernahm ich dann auch diese Tests gerne und widmete mich dem mit voller Aufmerksamkeit, brachte Peter geschickt an seine Belastungsgrenze, aber nicht darüber hinaus.
So eingehend durchgetestet auf Spritzigkeit und Ausdauer, aber auch auf einen guten Kuschelfaktor und auf innige Anschmiegsamkeit konnte ich dann auch mal ruhigen Gewissens die Betreuung von Melanie übernehmen und unser Sahneschnittchen Susanne für dieses oder jenes wilde Spielchen überlassen. Und natürlich tauschten wir auch wieder andersherum, daß Peter Melanie betreute und Susi und ich uns vergnügten.
Gelegentlich vertrauten wir Melanie auch Esme, Ida oder Hildegard an, die darüber sehr erfreut waren und ein überraschendes Geschick darin an den Tag legten, mit Melanie zu spielen und gemeinsamen Schabernack anzustellen. Irgendwie schienen sie mit ihr zu lernen, wie es ist, sich als Mensch zu entwickeln, sie nahmen daran teil, lernten auch von Melanie – oder vielleicht gerade von ihr, wie das geht mit der Fröhlichkeit, aber auch der Traurigkeit, mit den ganzen Gefühlen, sie beobachteten genau und nahmen etwas davon an. Und so lachten sie dann auch einmal mit, nicht nur so aus Solidarität, sondern weil etwas wirklich lustig oder witzig war.
Peter, Susanne und ich nutzten diese Ai-Betreuung von Melanie natürlich auch sehr gerne, um auch mal zu dritt ausgiebig Spaß zu haben, zu probieren und zu genießen, unsere sozialen Bindungen durch intensiven gemeinsamen Sex zu stärken.
Die Ais waren nicht nur durch Melanie auf den Geschmack gekommen. Auch so war es ja nun einmal das Konzept der Kolonie, diese mit Menschen zu bevölkern, das würden Susi, Peter und ich natürlich nicht allein hinbekommen, so setzten wir uns dann bald einmal zusammen und diskutierten unsere Optionen. Wir hatten dann ja noch die Kryo-Zombies im Raumschiff, von denen einige transferiert werden könnten.
Dazu meinte ich dann: „Das hatten wir ja schon früher einmal diskutiert. Es ist nicht so ganz unproblematisch, weil wohl keiner von ihnen sich für die Mission entschieden hat. Ähnlich wie wir sind doch wohl alle deutlich vor der Planung der Mission konserviert worden?“
Ida bestätigte: „Ja, das stimmt leider, das ist einer der schändlichen Aspekte sowohl der Kryo-Technologie als auch der Planung dieser Mission. Wenn man es so sehen will, hat man mit dem Transfer vieler Kryo-Zombies auf die Mission deren rechtlosen Status ausgenutzt, gleichzeitig aber schon einmal die Situation auf der Erde etwas entschärft, weil man damit gleich einmal die Anzahl der Personen reduziert hat, die keinen rechtlichen Status haben, von denen undefiniert ist, ob sie tot oder doch potentiell lebendig sind. Sie wissen alle nichts von der Mission und uns kommt es dann bei der Wiederauferstehung zu, sie zu integrieren.“
Susanne führte dann an: „Wenn wir mich und Michaela als Beispiele nehmen, so werden einige vermutlich nicht einmal wissen, daß sie konserviert worden sind. Und mir ist es jedenfalls nicht leichtgefallen, beides zu akzeptieren, zu einer ganz anderen Zeit wiederauferstanden worden zu sein und dann auch noch auf einer Mission fern der Heimat zu sein. Wir können wohl davon ausgehen, daß es vielen der anderen Kryo-Zombies ähnlich gehen wird. Wenn wir damit beginnen, können wir vielleicht jeweils nur ein oder zwei Personen wiederauferstehen lassen und uns ihnen dann mindestens einen oder zwei Monate widmen, bis sie in der Lage sind, sich ihrem Schicksal zu stellen. Das wir ein langwieriger Prozeß.“
Ich ergänzte: „Zudem wäre dann die Altersstruktur der Kolonie gleich zu Beginn eher problematisch, wir hätten dann viele Leute in ungefähr gleichem Alter.“
Hildegard erinnerte: „Bei unserer letzten Diskussion mit dir, Michaela, sind wir ja schon zu der Meinung gekommen, die Kryo-Zombies eher langsam und in kleiner Zahl in eine bestehende Kolonie zu integrieren. Wer sich besonders zur Koloniegründung eignet, könnte natürlich auch ziemlich zu Beginn beteiligt werden.“
Ich malte mir dabei gerade so nebenbei aus, wo die persönliche Belastungsgrenze für Peter liegen würde, wenn wir noch ein oder zwei männliche Sahneschnittchen auftauen würden, um unsere kleine, innige soziale Gemeinschaft durch diese weiteren Mitglieder oder auch mit Gliedern zu bereichern. Ob er mit diesem Durcheinander und ineinander von Körperflüssigkeiten noch so gut zurechtkäme wie mit seinem derzeit exklusiven Status?
Nun, ich wischte diesen Gedanken einstweilen beiseite und bekam nebenbei mit, wie sich Susanne auf Hildegards Aussage bezog und dieser zustimmte: „Das klingt plausibel. Welche Möglichkeiten haben wir sonst?“
Ida erläuterte: „Nun, wir haben einige Möglichkeiten. Wir haben befruchtete Eizellen, aber auch eine große Auswahl von Sperma und unbefruchteten Eizellen, zudem haben wir natürlich ebenso wie bei Tieren die Möglichkeit, diese in speziellen Brutkästen bis zur Geburt auszutragen. Das ist eine Art künstliche Gebärmutter mit diversen Optionen, damit das Kind auch ungefähr entsprechende Reize wie bei einer echten Mutter hat. Alles können wir vielleicht nicht simulieren, dafür sind aber auch die Risiken von Unfällen oder psychischen Krisen nicht gegeben, im Schnitt kommen die Kinder dabei ganz gut weg.
Danach müssen wir uns natürlich ausgiebig kümmern, was die Zahl begrenzt.“
Niemand fragte vorsichtshalber mal nach, wie die Mission zu befruchteten Eizellen, Sperma und unbefruchteten Eizellen in so großer Zahl gekommen waren. Bei unseren Erfahrungen als Kryo-Zombies wollten wir gar nicht so genau wissen, welche Kryobanken dafür mehr oder weniger insgeheim geplündert worden waren. Ich wischte auch diesen Gedanken einstweilen beiseite. Wir konnten es nicht mehr ungeschehen machen. Vermutlich waren es einfach Altbestände von zum Zeitpunkt des Starts der Mission längst verstorbenen Spendern, alle sehr gut durchgetestet und dokumentiert.
Ich schätzte mal lächelnd ab: „Susanne als Lehrerin wird mit einer Klasse mit zehn bis dreißig Kindern schon zurechtkommen. Wenn ihr Ais euch beteiligt, werden wir doch mit vier bis zehn Kindern pro Jahr wohl zurechtkommen, hängt natürlich auch deutlich davon ab, wie stark automatisiert die Betreuung von Gewächshäusern und Feldern ist.“
Esme informierte: „Das sollte sich schon gut kombinieren lassen, wir haben da viele Sensoren und Subsysteme, insbesondere in den Gewächshäusern.“
Peter meinte: „Mich und Michaela gibt es ja auch noch, wir können uns doch sowohl um unsere Nahrungsversorgung kümmern als auch um Kinderbetreuung. Mit mehreren Erwachsenen können wir schon allerhand erreichen. Ich hätte das früher gar nicht gedacht, aber jetzt mit Melanie, das ist einfach schön, ich kümmere mich gerne um sie, habe sie gerne bei mir.“
Ida ergänzte: „Auf jeden Fall seid ihr ein wichtiger Bestandteil. Jedenfalls halte ich die von Michaela genannten Zahlen auch für realistisch. So können wir über die Jahre eine kleine Kolonie aufbauen. Es besteht doch keine Notwendigkeit, gleich in den ersten hundert Jahren eine Großstadt mit hunderttausend oder mehr Menschen anzustreben.“
Hildegard fragte nach: „Euer Genmaterial ist ja bereits gut eingebracht. Ich vermute, künstliche Befruchtung mit befruchteten fremden Eizellen wird nicht euer dringender Bedarf sein?“
Susanne und ich stimmten lachend zu, dann dafür doch eher die Brutkästen, neben unseren eigenen noch weitere Kinder auszutragen, wäre dann doch schnell eine Überforderung, da waren wir uns einig.
Hildegard hatte da aber dann doch noch eine überraschende Anwendung für uns parat: „Oh, wir haben da schon Möglichkeiten im Angebot, die ihr noch gar nicht kennt. Wir können durchaus auch aus dem Genmaterial von zwei Frauen ein weibliches Kind genetisch kombinieren. Da seid ihr den Männern gegenüber deutlich im Vorteil.“
Ida fuhr fort: „Dazu verwendet man die medizinischen Mikroroboter, extrahiert damit je eine reife Eizelle aus den beteiligten Frauen, kombiniert das Genmaterial mit ein oder zwei befruchteten Eizellen als Ergebnis. Die können dann entweder in der Brutmaschine ausgetragen werden oder für eine natürliche Schwangerschaft zurück in die Gebärmutter transferiert werden …“
Susanne und ich lachten, als wir uns das vorstellten.
Ich meinte dann: „Naja, die genetische Vielfalt ist da begrenzt und ich glaube ja auch nicht daran, daß unbedingt an unseren Wesen die Menschheit genesen wird.“
Peter meinte: „Es hätte dann immerhin eine Symmetrie. Aber es stimmt schon, zuviel von uns ist nicht gut für die genetische Vielfalt der Kolonie.“
So stellten wir die Option erst einmal zurück und wollten doch lieber für uns jedenfalls bei der üblichen Methode bleiben, die machte uns viel Freude und stärkte zudem unsere Zusammengehörigkeit, das würden gemeinsame Kinder von Susanne und mir auch, aber so hätten wir dann ja doch eine subtile Schar von Halbgeschwistern, in der Mehrzahl dann Mädchen, an sich nicht schlimm, von der statistischen Mischung dann aber nicht mehr so ausgewogen.
Ich nickte auch und bemühte mich, das Thema etwas zu verschieben, bevor es noch zu heikel werden würde: „Gibt es weitere Optionen, auch hinsichtlich der genetischen Vielfalt der Kolonie?“
Ida erläuterte bereitwillig: „Also bei allen Arten ist unsere Auswahl und die genetische Vielfalt unseres Archivs groß. Dazu haben wir in der Datenbank noch viel mehr Arten und auch genetische Variationen kodiert. Technisch möglich ist es mit einigem Aufwand sogar, diese digitalen Daten wieder in genetisches, biologisches Material umzukodieren. Bevor wir das tun, sollten wir es aber unbedingt mit den reichhaltigen und vorhandenen Vorräten und Möglichkeiten versuchen.
Daß ihr drei euch mit eigenem genetischen Material beteiligt, ist insofern schon schön und hilfreich, als über eigene Kinder ja auch ein viel engerer Bezug zur nächsten Generation da ist. Es so ja auch gewiß, daß ihr ganz persönlich etwas von euch für die Kolonie und die Zukunft weitergebt. Und das ist doch auch ein natürliches Bedürfnis biologischer Wesen, oder etwa nicht?“
Peter und ich nickten vorsichtig, Susanne führte dann aus: „Ja schon, so oder so werden wir uns natürlich um alle Kinder kümmern, das hängt ja nicht an den eigenen. Sind die Kinder erst einmal da, entwickelt sich doch ohnehin eine Eigendynamik, viel ergibt sich von selbst. Wir bekommen das gemeinsam schon hin!“
Damit hatte sie sicherlich Recht.
Ich schloß dann: „Gut, was mich anbelangt, ich fühle mich erst einmal hinreichend über unsere Optionen informiert.“
Susanne stimmte sofort zu: „So erklärt sehe ich jetzt auch klarer, wo die Reise hingeht.“
Peter faßte zusammen: „Also gut, ich schlage vor, wir lassen das ein paar Tage sacken, dann bereiten wir vor, wählen aus, machen uns an die Umsetzung. Wir könnten uns darauf einigen, wie wir etwa aus den befruchtete Eizellen oder auch den Eizellen und Samen auswählen. Zufällig wäre naheliegend, damit wir nicht absichtlich oder unbewußt züchten, statt Vielfalt anzustreben.“
Hildegard erwiderte: „Das scheint mir auch plausibel zu sein. Bei den befruchteten Eizellen ist eine Zufallsauswahl ausgezeichnet. Bei den anderen können wir allenfalls bei der Kombination versuchen, auf Vielfalt zu achten.“
Ida bestärkte das noch: „Ja, in eine bestimmte Richtung züchten wollen wir nicht. Wir wissen allerdings nicht genau, nach welchen Kriterien da überhaupt ausgewählt wurde. Aber vielfältig ist der Vorrat gewiß, wir werden das nicht künstlich einengen.“
Und damit schlossen wir dann erst einmal diese Konferenz.
Tage später begannen wir dann und setzten die Planung um, entschieden dabei Details. Damit hatten wir dann wirklich begonnen, unsere Kolonie zu bevölkern, als Menschheit hier fern der Erde Fuß zu fassen. Wir diskutierten natürlich auch unsere Hoffnungen, vielleicht auch Illusionen.
Würde es uns gelingen, so von Grund auf eine sozialere, bessere Gesellschaft zu gründen, harmonisch, tolerant, liebevoll, ökologisch kompatibel?
Oder würde es dann doch irgendwann wie auf der Erde werden mit einem Haufen Menschen, die alles für sich selbst ausnutzen und zerstören?
Nun, zu Beginn würden wir uns schon bemühen, die Weichen günstig zu stellen. Aber die Kruste von Kultur, Wissen und Toleranz auf dem menschlichen Sein ist eben sehr dünn. Und wie schnell ist das abgekratzt, wie schnell kann man mit wenigen schlechten Entscheidungen darunter das Rohe, Brutale, Rücksichtslose im Menschen hervorpuhlen.
Natürlich hatten wir gar nicht so viel im Griff, waren aber doch irgendwie grundlos zuversichtlich, letztlich doch das Schlimmste zu vermeiden und unserer Kolonie einen guten Weg in die Zukunft zu ebnen.
Wir waren ganz im Hier und Jetzt und würden die Zukunft schon meistern, mit Fehlern, aber doch zäh dranbleiben und unsere Gemeinschaft voranbringen.
Das war nun der Neubeginn, wenn darüber auch ein dunkler Schatten lag. War der düstere Ursprung der Kolonie in der von uns verursachten Katastrophe vielleicht doch nur die Fortsetzung der allgemeinen menschlichen Katastrophe?
Wenn sich unsere Kolonie entwickeln würde, würden das dann wieder die gleichen Menschen mit gleichen Entscheidungen und Handlungsweisen werden, die bereits die Erde fast vernichtet hatten?
Hatten wir hier nicht das düstere Werk der Vernichtung längst fortgesetzt?
Oder würde es uns doch gelingen, mit Liebe und all der begrenzten Klugheit, die wir nur aufbringen konnten, einen wirklichen Neuanfang zu schaffen?
Mir kam es jedenfalls so vor, als hätten wir es nun vor uns, das unentdeckte Land: Die Zukunft.
Zu dritt
Obwohl ich ja bereits wußte, daß es wieder deutlich anders sein würde, war ich dann doch erneut überrascht, als ich nach meiner Wiederauferstehung die Augen öffnete. Ich kannte das schon, anfangs war die Koordination etwas eingeschränkt, nach dem Öffnen der Augen schärfte sich der Blick auch nur langsam. Ich war in einem größeren Raum als den Kabinen auf dem Raumschiff oder der Raumstation. Dann erblickte ich eine anthropomorphe Gestalt im Raum.
Diese drehte sich zu mir herum und sprach: „Oh, du bist wach, Michaela, gut, dann wieder einmal herzlich willkommen, diesmal bereits in unserer Kolonie auf Skylla. Es ist bescheiden, was wir gebaut haben und doch hoffentlich eine neue Heimat. Ich bin es, Ida, also jedenfalls hier in der Kolonie mein Avatar, wir haben uns gedacht, es wäre so ganz sinnvoll, ähnlich wie ein Mensch zu erscheinen, aber doch eindeutig zu unterscheiden. Esme, Hildegard, Körk und ich haben uns also leicht unterschiedliche, gut unterscheidbare Avatare zugelegt …“
Ich erwiderte freundlich: „Ja, sieht gut aus, das habt ihr gut hinbekommen.
Was ist mit Susanne und Peter?“
Ida antwortete: „Mit den beiden ist alles in Ordnung. Bei der Wiederauferstehung haben wir wie verabredet mit dir begonnen. Wir dachten uns, du akklimatisierst dich erst einmal, dann sehen wir, wie es mit den anderen weitergeht.“
Ich atmete tief durch und nickte, erwiderte dann: „Kannst ja schon mal ein wenig erzählen, um die Zeit zu überbrücken.“
Ida fuhr fort: „Gut, was die Mission anbelangt, wir haben dann erst einmal wie abgesprochen weitergemacht. Das lief so weit alles gut ab, wir haben da keine größeren Probleme gesehen, die es erfordert hätten, einen von euch hinzuzuziehen. Wir sind so weit eigentlich gut weitergekommen. Die Aufgaben auf Skylla und Charybdis waren schon sehr anspruchsvoll. Insgesamt sind seit deiner letzten Konservierung 121 Jahre vergangen. In der Zeit hat sich die Vegetation hier auf Skylla aber sehr gut und vielfältig entwickelt. Und auf Charybdis haben wir ebenfalls deutliche Veränderungen festgestellt. Zu unserer Überraschung haben wir da irgendwann neue irdische Organismen gefunden. Verblüffend war dann auch eine Korrelation der Standorte dieser Arten mit charybdianischen Pflanzen, die dort nun ebenfalls von selbst wuchsen. Die charybdianischen Pflanzen waren zwar nicht besonders stattlich, aber doch vital. Wir untersuchten das natürlich weiter. Was wir fanden, war dann verblüffend, die charybdianischen Pflanzen lebten symbiotisch zusammen mit irdischen Pilzarten, die leicht mutiert waren. Die Mutationen hatten die Symbiose erleichtert. Das funktionierte noch nicht sonderlich gut, schien uns aber immerhin ein Anfang zu sein. Von den Pilzen fanden wir zunächst nur lokal etwas, im weiteren Bereich auch nicht mutierte Typen davon. Bemerkenswert an dem Fund war auch, daß die Organismen zwar zur ursprünglichen Impfung des Eisblocks gehörten, der für Skylla bestimmt war, dann aber von einem anderen Eisbrocken getroffen wurde, worauf er zersplittert wurde und später dann zur Kontamination von Charybdis geführt hat. Mit der Geschichte bist du ja vertraut.
Jedenfalls hatten wir diese Pilze in der frühen Phase der Kontamination nicht gefunden, nun waren sie aber lokal da. Eine plausible Hypothese war dann, daß es Jahre nach der ersten Kontamination eine weitere gegeben hatte. Der Eissplitter mit diesen Pilzen war vielleicht durch Strahlung getroffen worden, ein paar Sporen waren dadurch mutiert, aber nicht zerstört worden. Das war dann jedenfalls ein unwahrscheinlicher Glücksfall für die charybdianische Pflanzen. Da wir es bis dahin nicht mit mutierten oder in der Form gentechnisch veränderten Organismen probiert hatten, schien uns das schon interessant genug zu sein, um weiter zu untersuchen. Da wir allerdings den Entschluß gefaßt hatten, die Entwicklung auf Charybdis nicht massiv zu stören, griffen wir nicht groß ein, sondern guckten einfach mal unter Laborbedingungen, ob wir Ähnliches auch für andere Arten erreichen könnten. Die Untersuchungen waren komplex und langwierig, wir fanden aber einige Dinge heraus, die Potential haben mußten. Wir haben die Optionen und Ideen gesammelt und könnten nun weitere Maßnahmen diskutieren.“
Ich wendete ein: „Ihr hättet ja Peter hinzuziehen können …“
Ida entgegnete: „Das haben wir auch erwogen, kamen dann aber zu der Meinung, daß wir erst einmal Daten sammeln sollten, um etwas für eine Diskussion zu bieten zu haben.“
Ich verkniff mir einen Kommentar, wenn sie immer erst über hundert Jahre Daten sammeln, bevor etwas passiert, würde sich unsere Mission noch lange hinziehen, bevor wir wirklich Ergebnisse haben würden.
Wir machten eine kleine Pause, ich sah mich um. Nur ein Teil des Raumes sah aus wie der Arbeitsraum oder der Aufenthaltsraum der Raumstation, also mit allerhand Anzeigen und Arbeitstischen. Dazu gab es dann aber auch Fenster. Und draußen war es grün!
Da gab es Bäume, eine üppige Vegetation, dazu das leicht gelbliche Licht von Rasol, blauer, leicht bewölkter Himmel, fast wie auf der Erde. Ich stand auf, Idas Avatar begleitete mich zum Fenster und ich schaute hinaus, nach mehr Details.
Ida erläuterte: „Wir sind auf jener Insel, die wir ausgewählt hatten. Weil ihr Fundament aus hartem Vulkangestein eines erloschenen Vulkans besteht, wird es die Insel auch noch lange geben, also ein guter Standort.“
Ich erwiderte: „Da habt ihr ja noch ordentlich was herausgefunden und auch viel geleistet. Da draußen ist inzwischen ja ein Urwald gewachsen!“
Ida antwortete: „Ja, hier auf der Insel haben wir inzwischen üppige Vegetation. Das ist nicht überall so. Körk läßt es noch immer regnen und mit unserer Terraformung kommen wir voran, erobern so mit der Vegetation von den Küsten ausgehend auch immer mehr vom Land. Die Zusammensetzung der Atmosphäre hat sich geändert, der Sauerstoffgehalt ist zwar etwas niedriger als auf der Erde auf Meereshöhe, aber natürlich in einem Bereich, in welchem Menschen gut zurechtkommen. Die Temperaturen sind angenehm, die Schwankungen nicht besonders groß, also ein guter Ort, um zu leben.“
Ich schaute noch immer raus, die natürliche Umgebung draußen faszinierte mich, ich wollte hinaus, mir das ansehen, wollte mich aber nicht gleich so kurz nach der Wiederauferstehung übernehmen und setzte mich auf einen Stuhl in der Nähe des Fensters, schaute weiter interessiert hinaus.
Die kleine Pause nutzten dann Esme, Hildegard, Körk, Stanis und Asi, um mir akustische Grußbotschaften zukommen zu lassen. Insbesondere Esme und Hildegard würden hier in Zukunft ebenfalls mit ihren Avataren öfter anzutreffen sein, Körk eher seltener. Einstweilen war aber nur Ida mit ihrem Avatar hier aktiv.
Diese fragte ich dann: „Und was ist sonst so im Universum passiert?
Jedenfalls auf der Erde, mit Mission 3 und auch hier in unserem Sonnensystem?“
Ida erzählte: „So viel Neues von der Erde gibt es gar nicht. Die Bevölkerung nimmt noch immer leicht ab, eventuell will man sich ganz auf einen Kontinent zurückziehen und mit der ohnehin bereits durchgeführten Renaturierung so weit fortfahren, daß der größte Teil der Erde wieder in ein sich selbst überlassenes Ökosystem übergeht. Mit dem Klima haben sie immer noch Probleme, allerdings müssen sie deutlich weniger eingreifen. Wenn ich mir die Berichte so ansehe und die Zeitverzögerung bis zu uns berücksichtige, haben sie heute vielleicht schon damit aufgehört, wenn es gut gelaufen ist.“
Ich nickte nur.
Ida referierte weiter: „Mission 3 macht auch Fortschritte, sie sind bei der Terraformung eines bislang unbelebten Planeten mit dem gut vorangekommen, was sie von uns an Material bekommen haben. Wir schicken alle paar Jahrzehnte weiteres Material und öfter noch unsere neuesten Erkenntnisse. Das hilft dann offenkundig. Wer weiß, vielleicht siedeln wir dort auch irgendwann einmal charybdianische Vegetation an, warum nicht, warum sollten wir nur irdisches Leben verbreiten, wäre doch albern.“
Ich lächelte und nickte: „Ja, das hört sich plausibel an.“
Ida setzte ihren Bericht fort: „Stanis und Asi forschen fleißig immer weiter. Überraschend sind sie bei einem anderen Eismond mit deutlich verfeinerten Methoden doch noch auf etwas gestoßen, auch dort gibt es ein Meer zwischen Eis und Kern. Im Schnitt ist das aber weniger als einen Kilometer hoch und steckt unter einer dicken Eisschicht, deswegen war das anfangs nicht so einfach auszumachen. Es gibt auch keine Eisgeysire oder so, die hätten helfen können, etwas zu entdecken.
Nach einer langwierigen Bohrung haben sie dort auch Leben gefunden, allerdings eher einfachere Organismen, durchaus Mehrzeller, aber nicht zu vergleichen mit der Komplexität auf dem anderen Eismond oder der ursprünglichen von Charybdis.
Weiter draußen auf einem Kleinplaneten haben sie auch eine interessante, langsame, komplexe Dynamik entdeckt, das ist kein Leben, aber aufgrund der tiefen Temperaturen ist da natürlich das Eis hart wie Gestein und andere Flüssigkeiten bilden da Flüsse und Seen in einer fremdartigen, düsteren Landschaft. Faszinierend, aber nach unserem Verständnis sehr lebensfeindlich. Trotzdem gibt es da viele organische Moleküle, auch komplexere Formen. Das ist insofern sehr interessant, als daß alles ohne Lebewesen entstanden sein muß, gleichzeitig aber in großer Menge diverse Grundbausteine des Lebens enthält. Es ist also durchaus möglich, daß einer der Ursprünge biologischen Lebens auf solchen kalten Planeten liegt, wo sich komplexe Moleküle langsam, aber ziemlich ungestört in einem trägen Nichtgleichgewicht bilden konnten, dann vielleicht durch einen Asteroideneinschlag weiter ins innere Sonnensystem geschleudert wurden, wo sich das Leben dann weiter entwickeln konnte.
Andererseits gab es auf der Erde ja bereits ziemlich früh Leben. Die Entwicklung könnte also auch unabhängig voneinander sein oder die komplexen Moleküle stammen gar von einem anderen Sonnensystem, wo sie in solch trägen Systemen über Milliarden von Jahren gebildet wurden und dann nach einem Zusammenstoß so lange unterwegs waren, bis sie dann wieder in ein Sonnensystem gekommen sind, um sich in habitablen Zonen mit etwas Glück zu entwickeln.
In mehreren Schichten des Gasriesen Albert haben sie zudem filigrane Gespinste unterschiedlicher Arten in verschiedenen Zonen der Atmosphäre gefunden. Das sind organische Strukturen, die sie vor Kurzem auch eindeutig als Leben identifizieren konnten, sehr einfach zwar, aber lebendig. Dieses Sonnensystem hat ein sehr vielfältiges Leben und an jedem Standort ist es anders. Es bleibt allerdings ein Rätsel, warum wir Skylla so tot aufgefunden haben.“
Darauf hatte ich natürlich auch keine Antwort, wie auch, vielleicht hatte irgendwann eine natürliche kosmische Katastrophe Skylla heimgesucht, die viel Wasser und alles Leben fortgebrannt hatte, vielleicht waren die Umstände bei der Entstehung des Zwillingsplanetenpaares einfach so gewesen, daß Charybdis eben den Großteil des Wassers abbekommen hatte, Skylla eben nur wenig. Und aufgrund eines Zufalls war dann vielleicht von Auswärts auf Charybdis etwas eingeschlagen, aus dem sich Leben entwickelt hatte, während die Bedingungen auf Skylla zu trocken oder sonstwie chemisch ungeeignet waren, um einfachen Organismen aus dem Weltraum eine Grundlage zu bieten, um zu überleben und sich anzupassen.
Mittlerweile fühlte ich mich schon ganz gut und dazu in der Lage, etwas mehr zu unternehmen. Und so machten wir eine kleine Runde durch die Kolonie, auf unserer Insel. Die ist aber schon so groß, daß ein einfacher Spaziergang nur einen kleinen Teil davon zeigen kann. Und ich war schon sehr überrascht, wie üppig und komplex die Vegetation in den wenigen Jahrzehnten gewachsen war.
In der Nähe unseres Gebäudes gab es auch einige Gewächshäuser, auch einige Felder. In Vorbereitung auf die Menschen der Kolonie zogen die Ais hier bereits Getreide, Gemüse, Obst, Pilze zu unserer Ernährung. Sie bereiteten aber auch diverse Pflanzenarten vor, um sie dann auf der Insel oder auch woanders auszuwildern. Da gab es noch reichlich zu tun, bislang hatten sie nur einige zehntausend Arten auf dem gesamten Planeten etabliert.
Auf unserem Rundgang durch die nähere Umgebung der Station, auch bis hinab zum Meer war ich jedenfalls schon einmal begeistert über unser Paradies, daß ich zunächst einmal vergaß, welche Katastrophe, welches Ökozid es auf Charybdis gegeben hatte, letztlich auch weil wir hier auf Skylla irdisches Leben ansiedeln wollten. Daß ich heute hier in dieser irdischen Vegetation stehen konnte, mich daran erfreuen konnte, nun wohl endlich eine neue Heimat gefunden zu haben, diese Empfindung herrschte bei mir erst einmal vor.
Wieder zurück im Hauptgebäude der Kolonie gab es auch hier einen Rundgang. Hinsichtlich der Energieversorgung hatten die Ais einstweilen auf Wind- und Solarenergie sowie Gezeitenkraftwerke gesetzt, hatten hier keinen Fusionsreaktor bauen lassen.
Trotzdem hatten wir im Gebäude Luxus und bereits jetzt deutlich mehr Platz als nur für ein paar Personen.
Nach dem Rundgang fühlte ich ein leichtes Unwohlsein, fühlte mich etwas blümerant, setzte mich wieder zügig hin.
Ida fragte gleich nach: „Etwas nicht in Ordnung?“
Ich entgegnete: „Habe mich vielleicht etwas übernommen.“
Ida erwiderte: „Ich schaue mir mal deine Daten genauer an …“
Ich war einverstanden: „Gut, gerne.“
Ida analysierte und ich wartete ab. Während ich sonst nach der Wiederauferstehung einen eher etwas dumpfen Kopf hatte, was bereits abgeklungen war, war dies nun ein etwas eigenartiges Gefühl im Körper, nicht einmal dramatisch, eben nur ein leichtes Unwohlsein, mehr so ein diffuses Gefühl, das etwas nicht stimmte.
Idas Avatar reichte mir dann eine Hand: „Besser, du legst dich hin und ruhst etwas aus.“
Ich ließ mir zum Bett helfen, hakte aber nach: „Was ist denn los, was hast du gefunden?“
Ida zögerte etwas: „Ach … nichts Erzählenswertes … ist nur eine kleine Verstimmung aufgrund der Wiederauferstehung, kann passieren. Wenn du etwas schläfst, geht es dir danach bestimmt schon wieder gut, nur eine vorübergehende Unpäßlichkeit.“
Ich hatte mich bereits auf das Bett gelegt, seitlich, die Beine angezogen und nickte nur wortlos.
Ida schlug vor: „Ein leichtes Schlafmittel vielleicht?“
Ich nickte erneut und es dauerte nicht lange und ich dämmerte weg.
Ida hatte Recht, als ich erwachte, fühlte ich mich wirklich frisch und wohlauf. Ich rief sie. Zunächst meldete sich nur ihre Stimme, sie erläuterte, sie sei draußen und kümmere sich in einem Gewächshaus um Anpflanzungen. Sie sei gleich bei mir. Unterdessen stöberte ich etwas durch den Raum, guckte hier und da. Auch hier gab es wieder diese hübschen Mandalas auf Monitoren. Ich hatte mich ja vorher schon umgesehen, entdeckte aber nun noch mehr Details. Es interessierte mich aber deutlich mehr, was draußen los war. Ich ging zur Tür und trat hinaus ins helle, leicht gelbliche Licht von Rasol, schaute mich um. Und da kam auch schon Idas Avatar heran, winkte mich herbei und so machten wir nun schon eine etwas größere Runde durch die Kolonie, auf unserer Insel. Da Skylla ja nur eine Tageslänge von insgesamt acht Stunden hat, ist hier die Zeiteinteilung schon etwas anders als Menschen das gewohnt sind, allerdings war es bereits wieder hell und so konnten wir wieder gut spazierengehen. Ida erläuterte, daß es hier auch nachts nicht besonders dunkel sei, schon gar nicht, wenn Charybdis am Nachthimmel zu sehen sei, aber auch sonst gehe die Abenddämmerung nahezu in die Morgendämmerung über.
Wir wanderten dann einfach und gemütlich über die Insel und erkundeten so die Umgebung. Die Ais hatten gut vorgesorgt und bereits einige Fußwege angelegt. Zu transportieren hatten wir ja nicht viel, da sollte das einstweilen reichen. Und wenn etwas zu transportieren wäre, hätten wir ja auch Luftschiffe. Auf den angelegten Wegen würde es auch mit einem Fahrrad prima klappen, auch davon waren bereits welche verfügbar, eher einfach und robust für diese Umgebung ausgelegt. An einer Stelle mit schöner Aussicht über das kleine Meer bis hin zu einer anderen Küste hatten die Ais bereits eine Bank positioniert. Wir setzten uns und schauten uns die Landschaft an.
Ida wollte dann wissen: „Und wie sieht es aus, fühlst du dich wohl, wollen wir uns nun der Wiederauferstehung von Susanne widmen?
Morgen könnte es losgehen.“
Ja, mit Susanne würde ich etwas zu klären haben, aber gut, das wußte ich ja schon länger.
So stimmte ich zu: „Klar, das ist der richtige Zeitpunkt, ich werde mit ihr reden müssen. So ganz wohl ist mir nicht, da ich noch nicht so genau weiß, wie ich vorgehen soll. Aber weiteres Warten mit Ausflüchten würde das ja auch nicht ändern.“
Ida gab zu bedenken: „Vermutlich ergibt es sich ja nahezu von alleine, wenn ihr beide wach seid und miteinander redet.“
Ich stimmte zu: „Klar, verschweigen mag ich es ihr ja nicht, also wohl am besten geradeheraus, jedenfalls wenn sie sich so weit von der Wiederauferstehung erholt hat, daß sie bei vollen Kräften ist. Naja, das Risiko ist dann etwas größer, daß sie mir verärgert in den Hintern tritt, aber das habe ich mir dann ja selber zuzurechnen.“
Ida fragte: „Meinst du wirklich?
Ich schätze Susanne gar nicht so aggressiv ein.“
Ich grinste und entgegnete: „Ich meinte das auch eher im übertragenen Sinne. Wenn es schlecht läuft, wird sie sich wohl eher wieder zurückziehen. Ich hoffe aber, es besser hinzubekommen. Nun, wir werden sehen und dann gucken, wie wir weiter vorgehen.“
Ida versuchte, mich aufzumuntern: „In Ordnung.
Ich bin mir sicher, du bekommst das schon gut hin!
Morgen also?“
Ich nickte und hoffte auch, das irgendwie hinzubekommen.
Und dann ging es im Anschluß an eine weitere Schlafpause für mich los, Esme, Hildegard und Ida bereiteten alles für die Wiederauferstehung von Susanne vor und dann begann das Prozedere. Dann lag sie auf dem Bett, ich saß daneben und hielt schon ihre Hand. Obwohl es nichts zu tun gab, wurde mir die Zeit nicht wirklich lang, ich hoffte einfach auf ein freudiges Wiedersehen, gut, etwas mulmig war mir natürlich auch, denn ein wenig hätten wir schon noch aufzuarbeiten.
Würde sie sauer auf mich sein?
Und dann bewegte sich Susanne endlich. Geduldig hielt ich ihre Hand. Aus einem Reflex heraus wohl drückte sie diese dann, bewegte sich langsam, öffnete dann die Augen, schaute mich an. Ich lächelte sie an, streichelte sie liebevoll und sanft.
Ida hatte sich etwas in den Hintergrund zurückgezogen.
Langsam richtete Susanne sich auf, erkannte mich, wir umarmten uns, hielten uns aneinander fest. Sie brauchte etwas, bis der Blick klarer war, lächelte dann auch.
Leise noch sprach sie: „Michaela?“
Ich erwiderte ruhig: „Ja, ich bin es, es ist alles in Ordnung, komme erst einmal richtig zu dir.“
Nach einer Weile fragte sie: „Was ist geschehen?“
Ich erläuterte: „Du bist nach dem Einschlag des Absorbers auf Charybdis zusammengebrochen. Das sah alles nicht gut aus, wir mußten dich wieder konservieren. Nun aber haben wir wieder eine Perspektive, inzwischen ist viel geschehen.“
Susanne schaute mich groß an: „Die Katastrophe, ja, du meine Güte, jetzt erinnere ich mich, ja, das war zuviel für mich. Was ist mit Charybdis?“
Ich wirbelte mit den einer Hand vage herum: „Nun, es ist viel passiert, wir sind auf Skylla!
Wir befinden uns in einem Gebäude unserer Mission, das ist unsere Kolonie.“
Susanne schaute sich verblüfft um, auch zum Fenster, wollte aufstehen, war noch etwas unsicher, ich half ihr und wir schauten dann gemeinsam aus dem Fenster.
Es dauerte etwas, dann meinte Susanne: „Sieht beinahe vertraut und wie Zuhause aus. Ganz anders als das, was ich von Skylla in Erinnerung habe. Das sieht sehr gut aus. Aber was ist mit Charybdis?“
Ich nickte: „Der Einschlag hat die Vegetation von Charybdis hart getroffen. Nun wächst dort bereits wieder etwas, aber es ist doch alles anders als vor der Katastrophe. Den alten Zustand haben wir nicht wiederherstellen können!
Wir haben da nun eine Kombination von irdischer und charybdianischer Vegetation, wir werden auch dort Fortschritte machen, es bleibt aber noch viel zu tun.
Vielleicht setzt du dich besser wieder, dann können wir dir erzählen. Dort ist Ida oder jedenfalls ein Avatar von ihr!“
Ich wies auf Idas Avatar, Susanne schaute und wir drei begaben uns zu Stühlen um einen Tisch herum. Ich hatte Susanne umarmt und sie hatte auch ihre Arme um mich gelegt, sich auf meinen Schoß gesetzt, sich an mich gedrückt. Und so erzählte Ida eine eher vorsichtige Version der Ereignisse nach der Katastrophe. Es nahm Susanne trotzdem sehr mit. Ida berichtete dann erst einmal bis zu meiner Konservierung nach der Katastrophe. Nach einer kurzen Pause erzählte sie dann weiter, was in den folgenden Jahren passiert war, also bevor wir den Entschluß gefaßt hatten, Peter wiederaufzuerstehen. So bekam Susanne allmählich mit, welche Schwierigkeiten sich auf Charybdis nach der Katastrophe ergeben hatten, dann aber auch, daß wir uns entschieden hatten, uns eher auf Skylla zu konzentrieren und dann schließlich hier unsere Kolonie zu errichten.
Susanne nickte, Ida berichtete über all die Versuche im Labor, die auf Charybdis heimische Vegetation wieder aufzupäppeln, die Rückschläge, die Folgen der Kontamination, aber auch die Wechselwirkungen charybdianischer und irdischer Organismen. Wir konnten die Zeit ja nicht zurückdrehen, die Katastrophe und die Kontamination rückgängig machen. Susanne akzeptierte das dann mehr oder weniger unter Tränen.
Und damit waren wir dann ja auch bereits beim für mich heiklen Punkt der Geschichte, weswegen ich dann wohl auch fortfahren sollte, weiterzuerzählen, ich nickte Ida zu und diese verstand und überließ es dann mir, Susi weiter aufzuklären.
Ich hub dann dann: „Also gut, wir hielten es dann jedenfalls für eine gute Idee, Hilfe hinzuzuziehen, jemanden, der hoffentlich noch etwas finden würde, um die Entwicklung insbesondere auf Charybdis voranzubringen, nach Möglichkeit zugunsten der charybdianischen Vegetation, um die Entwicklung doch noch herumzudrehen oder jedenfalls die charybdianische Vegetation gezielt zu fördern.“
Susi schaute mich an: „Ohja, natürlich, das hört sich sinnvoll an.“
Ich fuhr fort: „Gut, dann haben wir ja gewissermaßen in deinem Sinne gehandelt. Das habe ich gehofft. Peter, wir hatten ja bereits über ihn gesprochen, schien uns dafür der beste Kandidat zu sein. Und so haben wir dann Peter wiederauferstanden.“
Susi atmete tief durch, stieß dann fast hervor: „Peter?
Oh!“
Ich begründete: „Er ist Biologe, Mikrobiologe, gut qualifiziert, also fachlich eine gute Wahl für das Problem.“
Susi bestätigte leise: „… natürlich …“
Ich zögerte etwas, erzählte dann weiter: „Ja, also gut, Peter hat sich dann bald an die Arbeit gemacht, hat auch schnell neue Ideen eingebracht, von daher war das gut für die Mission.“
Susi schluckte und hauchte nur: „… ja …“
Und ich betonte: „Und wir hatten Recht, er ist sehr nett, ich bin sehr gut mit ihm ausgekommen …“
Susi schaute mir direkt in die Augen, drückte meine Hand nun fest und fragte nur leise mit bebender Stimme: „Michaela?“
Ich streichelte ihr durchs Haar, wagte aber nicht mehr.
Und so gab ich es dann zu: „Also gut, es hat sich da etwas ergeben zwischen mir und Peter, es hat gefunkt und gebritzelt. Aber ich mag dich sehr, ganz unabhängig davon. Ich mag euch beide sehr, bitte rege dich nicht auf!“
Susi ließ meine Hand los, drehte sich von mir weg, stand auf, stützte sich dann an einer Wand ab, stolperte dann zu dem Bett, auf dem sie wiederauferstanden worden war, warf sich hin und krümmte ihren Leib auf dem Bett zusammen, lag und machte keinen Mucks mehr.
Ich war zu erschrocken gewesen, um schneller zu reagieren, kam mir sehr hilflos vor. Was sollte ich nun tun?
Ich ließ ihr erst einmal etwas Zeit, um das zu verarbeiten.
Ich saß einfach und wartete. Draußen dämmerte es irgendwann, ich bekam gar nicht viel davon mit. Ich war ratlos und hoffte nur, daß Susanne sich ja irgendwann regen mußte, etwas tun. Ich konnte und wollte es nicht, wollte nur auf sie warten und erwarten, was sie mit mir anstellen würde.
Und wirklich, irgendwann regte sie sich dann wieder, drehte sich auf dem Bett, schaute mich an. Dann fragte sie: „Und nun, was nun?
Wie weiter?“
Ich schluckte und erwiderte: „Also, ja, äh, unsere Mission ist doch, hier eine Kolonie zu gründen …“
Susanne schaute mich ausdruckslos an. Sie hatte Tränen in den Augen. Ich hätte sie so gerne trösten wollen, traute mich aber nun nicht mehr, sie überhaupt zu berühren. Sie wollte dann wissen: „Ich meine mit uns, also du, ich, Peter.
Wie hast du dir das vorgestellt?“
Das war natürlich eine gute Frage.
Ich schluckte und entgegnete: „Also, erst einmal möchte ich dich gerne wieder in den Arm nehmen, spüren, mich mit dir versöhnen, hoffe darauf, daß wir auch weiter gut miteinander auskommen, ich mag dich sehr, ich brauche dich. Du bist mir wichtig.“
Susanne atmete tief aus, sprach leise: „Aber wieso dann, wieso?“
Ich nickte und erwiderte unsicher: „Ich … ich habe auch Peter kennengelernt, schätzengelernt. Ich mag auch ihn sehr. Vielleicht, vielleicht magst du ihn ja auch, wenn du ihn erst einmal kennenlernst?
Ich hoffe, daß ihr euch gut verstehen werdet.“
Susanne zog die Stirn kraus: „Wo … wo ist er denn?“
Ich informierte: „Er ist noch konserviert. Nachdem die Arbeit so weit vorangeschritten war, daß die Ais gut alleine weiterkamen, haben wir uns beide konservieren lassen. Zuvor haben wir diskutiert und waren uns dann einig, daß ich erst mit dir reden sollte. So haben wir es dann auch gemacht und nun reden wir.“
Susanne hakte nach: „Peter war damit so einverstanden?“
Ich versicherte: „Ja, natürlich. Ich habe ihm selbstverständlich von dir erzählt, daß ich dich ebenfalls sehr mag, so wie ihn. Und da waren wir uns schnell einig, daß ich das erst mit dir klären müßte, bevor wir weitersehen würden.“
Susanne schluchzte: „Besser vielleicht, ihr würdet mich in alle Ewigkeit konservieren. Dann würde ich euch nicht im Weg sein.“
Ich schüttelte den Kopf: „Aber nein, ich habe dich vermißt, möchte so gerne mit dir leben und glücklich sein, möchte so gerne, daß du ganz glücklich, fröhlich bist …“
Sie unterbrach: „… und mit Peter willst du auch … gleichzeitig … einfach so …“
Sie schaute mich skeptisch mit heruntergezogenen Augenbrauen an.
Ich schluckte und meinte: „Darauf hoffte ich. Wir sind doch ohnehin nicht viele. Er ist nett. Du wirst ihn auch mögen. Bitte, sei nicht sauer. Ich mag dich doch und möchte dich so gerne wieder in meinen Armen halten.“
Susanne wendete den Blick von mir ab, preßte die Lippen zusammen, preßte dann heraus: „Du verlangst ganz schön viel …“
Sie war aufgestanden und ging langsam durch den Raum, fuhr sich durch die Haare.
Sie fuchtelte mit den Armen herum, wirbelte damit, stieß dann hervor: „Warum?
Warum muß das immer alles so kompliziert sein?
Warum hast du dich nicht zusammenreißen können?
Und warum hängst es nun doch wieder an mir?“
Ich hatte auch Tränen in den Augen, saß hilflos und zusammengesunken. Als sie kurz zu mir sah, zuckte ich nur so eben die Schultern. Sie drehte sich von mir weg, stand in der Tür und schaute hinaus ins Dämmerlicht von Skylla. Es war still. Als ich allein gewesen war, was es ja nicht anders gewesen, nun empfand ich es aber als drückend und belastend.
Susanne fragte dann: „Die anderen Häuser der Kolonie. Kann man da auch wohnen?“
Ich nahm das an, wußte es aber nicht so genau.
So rief ich nur: „Ida?“
Diese antwortete dann: „Ja, alles klar bei euch?“
Ich brummelte: „Geht so. Susanne möchte wissen, ob man in anderen Häusern der Kolonie auch bereits wohnen kann.“
Ida informierte sachlich: „Nicht alle sind dafür vorgesehen. Aber wir haben noch zwei Gebäude, in denen man bereits jetzt wohnen kann.“
Susanne hatte eine Hand ans Kinn geführt, drückte überlegend einen Finger zwischen die Lippen, dann meldete sie sich mit schon etwas entschlossener Stimme: „Gut, Ida, dann zeige mir bitte, wo ich einen Platz für mich in einem dieser Gebäude haben kann, ich brauche Zeit, um nachzudenken.“
Ida tat kund: „Moment, bin gleich mit dem Avatar bei euch.“
Es war wieder einen Moment still.
Susanne meinte dann zu mir: „Kann man denn wirklich zwei Menschen zur gleichen Zeit lieben?
Kann das funktionieren, so durcheinander?
Ich weiß es nicht. Lasse mich ein wenig in Ruhe nachdenken. Ich brauche Zeit für mich.“
Ich nickte und dann war auch bald schon Idas Avatar da und holte Susanne ab. Ich war wieder alleine.
Und dann mußte ich leiden, Susanne vermutlich auch oder noch mehr. Ich hatte mir von Ida nicht einmal verraten lassen, wo Susanne genau untergebracht war. Allerdings hielt ich mich sonst nicht sonderlich zurück, ging hinaus, spazieren, arbeitete mit im Gewächshaus oder auch mal auf dem Feld und versuchte, mich so einzuleben. Ich konnte ja nur hoffen, daß Susanne zu einem für mich günstigen Ergebnis käme, vielleicht auch erst einmal zu überhaupt einem, auf dem wir aufbauen konnten. So aber blieb diese Tage irgendwie alles in der Schwebe, was ich allerdings primär nur mir vorhalten konnte. Selbstverständlich hatte Susanne das Recht, über alles nachzudenken.
Ich nahm dann auch mal das Rad und erforschte fernere Teile der Insel.
Eine Tageslänge von nur acht Stunden ist dabei lästig, aber ich hatte das schon berücksichtigt, hatte sogar Licht mit. In der Dämmerung kühlte es aber auch nicht nennenswert ab, deswegen war es auch nicht notwendig, zusätzliche, wärmende Kleidung mitzunehmen. Den Raumanzug hatte ich da auch schon gegen einfachere Kleidung getauscht. Die hatte nun keine Funktionen zur Aufnahme von Biodaten mehr. Ida hatte mir aber eine Armbanduhr gegeben, mit welcher ich im Bedarfsfalle immer lokalisiert werden konnte. Diese reichte auch aus, um mit den Ais in Kontakt zu treten. Bei einem Unfall würden sie mir also schnell zur Hilfe kommen.
Susanne sah ich nur mal von Weitem, wenn wir beide zufällig in der Nähe der Kolonie im gleichen Bereich waren. Wir nickten uns zu, ich respektierte allerdings Susannes Wunsch, Zeit für sich zu haben. Nach knapp einer Woche, ich lag gerade knapp bekleidet am Strand im Sand und genoß die Sonne mit geschlossenen Augen, da fiel ein Schatten auf mich. Ich öffnete die Augen und Susanne stand vor mir, auch passend für den Strand gekleidet und der Anblick gefiel mir schon sehr, ich hatte Lust, sie zu greifen, zu küssen, zu kosen und leidenschaftlich zu vernaschen. Ich hatte solche Sehnsucht nach ihr. So nah war sie und doch so fern. Es tat mir beinahe körperlich weh, sie nicht berühren, halten zu dürfen. Aber das wäre natürlich jetzt nicht angemessen gewesen, das wäre eine Übergriff gewesen.
Susanne begann das Gespräch: „Ich störe dich hoffentlich nicht?“
Ich versicherte: „Nein bestimmt nicht, ganz und gar nicht, ich freue mich, dich zu sehen. Du siehst sehr schön aus.“
Susanne wiegte den Kopf: „Naja, kennst das ja. Darf ich mich zu dir setzen?“
Ich erwiderte: „Sehr gerne.“
Ich klopfte aufmunternd mit der Hand dicht neben mir auf den Sand.
Und so setzte sich Susanne neben mich, zog ihre Beine aber an und legte die Arme darum. Sie war also immer noch unsicher.
Sie setzte das Gespräch fort: „Also … also du meinst, das wird funktionieren zu dritt?“
Ich entgegnete: „Das hoffe ich. Ich will mir jedenfalls Mühe geben. Peter will das auch, hat er mir vor der Konservierung versprochen.“
Susanne zuckte kurz die Schultern, zog die Nase kraus: „Und wie soll das praktisch funktionieren?
Du mal mit mir, dann mit ihm, dann wieder mit mir, oder wie?“
Ich kratzte mich am Kopf: „Du könntest es ja auch mit Peter probieren. Ich hoffe dann nur, daß du dann auch noch Interesse an mir hast.“
Susanne zog die Augenbrauen herunter: „Ich könnte ihn ganz für mich beanspruchen, dann bleibst du allein.“
Ich senkte den Blick: „Kannst du versuchen. Wenn ihr beide das wollt, würde mir das wehtun, ich würde es aber akzeptieren. Ich mag euch beide. Wenn ihr wenigstens miteinander glücklich seid, ist das schon allerhand. Ich kann nicht immer Siegerin sein. Lieber ist mir natürlich, wenn ich euch beide in die Arme schließen dürfte, wenn wir drei gemeinsam glücklich würden. Und eine Kolonie müssen wir ja auch noch gründen, mehr Menschen, mehr Leben hier auf der Insel.“
Susanne verzog das Gesicht leicht: „Du meinst, dann findest du einen anderen oder eine andere?
Oder ich finde einen anderen, wenn du mit Peter zusammen bist?
Oder Peter findet eine, wenn wir zusammen sind?“
Ich lachte kurz, sah sie aber gleich wieder ernst an: „So hatte ich das gar nicht gemeint. Aber man kann nie wissen, was passiert, wenn mehrere Menschen zusammen sind. Bei der Kolonie wird es aber doch hauptsächlich erst einmal um Kinder gehen, weniger um weitere Kryo-Zombies. Wir haben es ja alle drei erlebt, es ist nicht so einfach. Die Mission war ja nie unsere Entscheidung. So geht es auch allen anderen. Für die meisten wird es einfacher sein, wieder in einer kleinen Gemeinde wiederaufzuerstehen und sich dann darin einzuleben.“
Susanne nickte, hakte dann nach: „Und nun?“
Ich entgegnete: „Naja, wenn du gerne mit Peter anbändeln willst, sollten wir ihn wiederauferstehen …“
Susanne lachte leise, schüttelte den Kopf: „So war das nicht gemeint. Ich meine, was ist mit uns?“
Ich fragte zurück: „Was möchtest du?
So wie es gelaufen ist, solltest du das klar sagen, ich muß es respektieren. Aber ich würde dich so gerne wieder in den Arm nehmen, dich spüren, dir nahe sein. Es geht mir gar nicht gut, dich hier zu wissen und doch so auf Distanz bleiben zu müssen.“
Susanne seufzte: „Macht mir auch zu schaffen, weswegen du damit dann auch gut durchkommst …“
Und damit umarmte sie mich dann schnell. Zügig fanden sich auch unsere Lippen zu einem zunächst zarten Kuß. Ich hatte sie auch umarmt, zog sie an mich.
Endlich!
Endlich!
Ich war sehr erleichtert, noch einmal mit nur ein paar Tagen Entzug davongekommen zu sein. Und so genossen wir das erst einmal. Allerdings intensivierten wir bald unsere Aktivitäten. Bald schon fummelten wir eifrig herum, um auch unsere knappe Kleidung noch loszuwerden und dann schwelgten wir in Leidenschaft und zunehmender Lust und Erregung, erforschten uns, spielten wieder unser fröhliches Spiel. Ich war so gierig darauf und verwöhnte und massierte Susi, rieb mich eng an ihr, daß wir bald keuchten. Ich wollte sie gleich für alles entschädigen und Susi ließ mich dann machen, genoß es. Ich zögerte es hinaus, bezog auch den Sand mit ein, rieb damit vorsichtig über ihre zarte Haut. Verzückt wuselte ich durch ihr Kopfhaar, nippte sanft an ihren Ohrläppchen, küßte, schmeckte von ihrem Busen, ihren Brüsten. Obwohl sie erregt war, war sie zunächst noch etwas spröde und ich kam nur langsam weiter, stellte mich aber darauf ein, machte langsamer, ließ uns viel Zeit. Es dämmerte schon und dann gab Susi doch lustvoll seufzend auf und gab sich hin. Wir mußten wegen dem Sand etwas aufpassen, kann im Eifer des Gefechtes schon zu Abschürfungen kommen, wenn zuviel davon zwischen die Körper rieselt und man dann in heftiger Erregung unter größerem Druck ordentlich reibt und schubbert. Da ich das bedacht hatte, hatte ich aber insbesondere unsere Schenkel und Schöße sorgsam geputzt, bevor wir unsere Beine verhakten, uns intensiv aneinander rieben, Schoß an Schoß, Oberschenkel an Oberschenkel. Das steigerte unsere Erregung sehr schnell, daß wir dann einfach unsere Oberkörper aufrichten konnten, um uns ganz nah zu sein, uns zu umarmen und zu küssen, während unsere Schenkel mit etwas eingeschränkterer Bewegungsfreiheit, dafür aber mehr Druck aneinander rieben, weil wir jeweils ein Bein angewinkelt um die andere geklemmt hatten.
Dann wechselten wir die Position, Susi legte sich wohl in den Sand und ich übersähte ihren Leib mit Küssen, wobei ich tiefer glitt, bis zu ihrem Schoß. Wie von selbst erinnerte ich mich gleich, was sie besonders mochte und schenkte ihr dieses lustvolle Prickeln im Übermaß. Sie hatte mich ganz in ihren Schuß gedrückt, genoß das Spiel meiner Lippen, meiner Zungenspitze, klemmte mich etwas mit ihren Schenkeln fest, nicht wirklich heftig, aber doch zunehmend unkoordinierter. Ich führte sie sanft zum Orgasmus, koste sie weiter, bis sie ganz aufgelöst war, bald einen weiteren Höhepunkt hatte. Ich Umklammerung wurde nun lockerer und ich glitt wieder an ihr hoch und wir lagen innig umschlungen, ich genoß ihren heißen, bebenden Leib. Nun wurde Susi aktiver und wir setzten unser Spiel fort, bis wir beide gemeinsam, beinahe zur gleichen Zeit einen Gipfel stürmten und so auf dem höchsten Punkt eng mit unserem Schweiß der Lust zusammengeklebt die Aussicht genossen, dann doch etwas irritiert waren, denn im Eifer des Geschehens hatte sich doch etwas Sand mit unserer Nässe und unserem Schweiß der Lust verklebt und hatte so hier und da rote Striemen auf der Haut gezogen, nicht schlimm, aber schon sichtbar. In der großen Erregung war und das während des Liebesspiels gar nicht aufgefallen, nun lachten wir und bemühten uns, die so nun doch überempfindlichen Stellen nicht noch weiter zu irritieren. Wir entspannten noch gemütlich und spazierten dann zusammen wieder zurück zur Kolonie. Wir hatten uns wieder und waren sehr froh und erleichtert darüber.
Wir genossen unsere Zweisamkeit drei weitere Tage mit intensiven Aktivitäten. Susi meinte dann, wir sollten uns nun um Peter kümmern, um herauszufinden, wie wir es zu dritt meistern würden, welche Konstellation sich ergeben würde, ob wir so gut miteinander auskommen würden. Sie äußerte sich allerdings nicht direkt dazu, welche Art von Beziehung sie bevorzugen würde. Susanne und ich waren natürlich auch gespannt, wie Peter so beim Erwachen auf uns beide reagieren würde. Immerhin hatte er sich ja schon sehr wohlwollend über Susi geäußert, so sah ich doch gute Chancen, daß sich das gut entwickeln würde. Und nun mit Susi fühlte es sich nicht so an, als daß sie mich fallenlassen würde.
So saßen wir dann bei der Wiederauferstehung an Peters Bett. Ich beobachtete Peter und wir warteten. Dann regte sich Peter, ich strich zärtlich über seine Hand, er brummte erst, schlug dann langsam die Augen auf. Auch bei ihm dauerte es etwas, bis er klarer sehen konnte, sich auch sonst das dumpfe Gefühl im Kopf etwas legte. Dann konnte er uns gut erkennen, wir wünschten ihm ein herzliches Willkommen. Langsam richtete er sich schon auf, nickte, lächelte uns zu.
Ich stellte ihm Susanne vor und die beiden gaben sich die Hand.
Peter fragte nach: „Ich hoffe, ich habt klären können, wie ihr nun zueinander steht?“
Ich bestätigte: „Ja, wir sind ein Paar und innig in wilder Leidenschaft verbunden. Ich habe schon mein verdientes Fett wegbekommen, hatte aber doch Glück, daß Susi noch immer Lust auf mich hat.“
Susanne lachte vergnügt.
Peter schlug die Augen nieder und erwiderte: „Das … das ist schön für euch. Das freut mich.“
Er machte allerdings nicht den Eindruck.
Ich entgegnete allerdings: „Oh danke. Ich weiß, verdient habe ich so gute Menschen eigentlich nicht, bin aber doch sehr froh darüber, so gut davongekommen zu sein.“
Mir war schon klar, daß Peter nun weiter im Ungewissen hing und zu gerne gewußt hätte, wie es um ihn stand.
Ich fuhr aber nur fort: „Naja, wir wollen dich auch nicht gleich überfordern, dich nicht zu sehr bedrängen. Du mußt sicher erst einmal ganz zu dir kommen.“
Peter vertrat dazu die Auffassung: „Oh, das ist sehr aufmerksam von euch. Michaela, es ist dir aber schon klar, daß du mich gerade etwas hängenläßt?“
Ich sah Susanne an, grinste verschmitzt. Diese schubste mich ein wenig und meinte dann zu Peter: „Sie will dich nur ein wenig auf die Folter spannen. Wenn wir dich nicht gewollt hätten, hätten wir dich doch einfach weiterschlummern lassen können.“
Peter lächelte sie an: „Stimmt auch wieder, aber was heißt das jetzt?“
Susanne führte aus: „Michaela hat mir glaubhaft versichert, daß sie uns beide sehr mag. Darauf werden wir sie dann schon festnageln dürfen. Ich hoffe jedenfalls, wir können uns gut vertragen und können daraus etwas machen, was funktioniert.“
Peter grinste leicht: „Klingt jedenfalls gut. Ich bin auf jeden Fall zur Kooperation bereit, werde darauf eingehen. So werden wir uns hoffentlich gut arrangieren können.“
Susanne betonte: „Wir beide lernen uns erst einmal in aller Ruhe näher kennen und dann werden wir sehen, welche Konstellation sich zwischen uns dreien entwickelt. Toleranz, Frieden und Harmonie halte ich jedenfalls für wichtig, danach sollten wir streben und leben.“
Peter bestätigte: „Gut gesagt, ganz auf meiner Linie.“
Ich küßte erst Susi, dann Peter auf die Stirn, legte einen Arm um sie, einen um ihn und zog uns dann alle drei zusammen, daß die beiden schon gar keine Wahl hatten, als ihre Arme auch umeinander und um mich zu legen. Wir lachten gemeinsam und erleichtert über die nachlassende Spannung.
Nach der turbulenten Begrüßung ließen wir ihm dann etwas mehr Zeit, um anzukommen, lobten schon einmal begeistert die Fortschritte draußen, die schöne Vegetation. Wir plauderten dann entspannt und erzählten Peter von den Neuigkeiten, faßten so zusammen, was passiert war, seitdem er konserviert worden war.
Bald kamen auch noch Ida, Esme und Hildegard als Avatare hinzu, sozusagen als männlicher Vertreter dann etwas später sogar auch Körk mit seinem Avatar. Da Stanis und Asi keine Avatare hatten, sendete sie immerhin Grußbotschaften. Und so hatten wir die Anfänge der Kolonie nun zusammen. Wir waren nun gut in der Spur, es ging voran mit der Mission. Das Ziel war das noch lange nicht, aber ein sehr großer Fortschritt.
Auch Peter brauchte natürlich etwas Zeit, sich komplett von der Wiederauferstehung zu erholen. Wir machten aber schon kurz darauf den ersten Rundgang in der Kolonie. Und den nächsten Tag machten wir dann mit Hildegard zusammen einen größeren Spaziergang, bei dem Hildegard und Peter dann schon eifrig über verschiedene Aspekte der Vegetation fachsimpelten, während Susanne und herumalberten und dann fangen spielten. Gut, nachdem ich Susi gefangen hatte, habe ich sie natürlich nicht gleich wieder losgelassen. Stattdessen haben wir dann unseren Spaß gehabt, aber ganz dezent, um Peter nicht gleich zu sehr aufzureizen, der ja noch seinen Anzug tragen mußte. So ging Peters Eingewöhnungszeit vorüber und Susanne und ich hielten uns zurück. Wir waren aber viel zusammen und zu meinem Glück verstanden Susanne und Peter sich von Anhieb sehr gut. Da mußte ich keine Konflikte befürchten.
Dann durfte Peter seinen Anzug auch gegen leichtere Kleidung tauschen und mitessen und trinken. Wir machten dann auch weitere und gemeinsame Ausflüge über die Insel, einerseits um diese besser kennenzulernen, andererseits um unsere Zusammengehörigkeit zu stärken. Ich sorgte immer für reichlich Kontakt und förderte auch den zwischen Susanne und Peter, denn meine Idee war ja schon, wenn die beiden Interesse aneinander zeigen würden, wäre ja doch alles unkomplizierter, wenn wir alle gemeinsam oder jeweils miteinander aktiv wären, dann käme mir keine ausgezeichnete Position mehr zu und alles wäre noch entspannter. Peter und Susi zierten sich aber noch etwas.
Das Meer war ja zum Baden nicht sonderlich geeignet, gegangen wäre das schon, eine ausgiebige Dusche wäre danach aber ratsam gewesen. Allerdings hatten wir auf der Insel auch einen kleinen See entdeckt. Die Ais hatten das Wasser längst geprüft und für gut befunden. Das war sogar sehr klar, der See also gut zum Baden geeignet, so schlug ich dann auch vor, einfach mal einen gemeinsamen Badeausflug zu machen.
Vor Ort hatte ich dann natürlich gar keine Scheu, zog mich gleich aus und sprang nackt und übermütig jauchzend ins Wasser. Ich winkte den beiden aufmunternd zu. Peter traute sich dann als nächster, zog sich aus und kam ebenfalls ins Wasser. Susi mußte ich noch etwas locken, aber dann zog sie sich auch aus und kam zu uns. Ich zog sie schnell zu mir und auch Peter heran, küßte erst Susi, dann Peter, forderte dann: „Und nun ihr beide!“
Sie zögerten etwas, probierten es dann erst scheu, fanden aber offenbar schnell Geschmack daran und intensivierten den Kuß, umarmten sich dann fest und ich sie beide. Da waren wir gut vorangekommen und ich staunte, wie heftig die beiden nun aufeinander reagierten und Interesse aneinander zeigten. Das sah sehr gut aus, ich umarmte sie ebenfalls und ermunterte sie. So fummelten und küßten wir dann wild durcheinander, es war nicht immer ganz klar, wer gerade wem Gutes tat, das war so sehr schön und harmonisch und wir alberten im Wasser fröhlich herum und frönten dem harmlosen Spaß zu dritt, ohne noch eigentlich intim miteinander zu werden, also wenn man einmal von den innigen Berührungen und Liebkosungen absieht. Wir hielten uns ansonsten schon noch zurück und provozierten so nicht mehr, was schnell in hemmungslose Leidenschaft und Lust hätte ausarten können, dafür waren wir miteinander zu dritt noch etwas unsicher. Wir mußten alle schließlich heftig lachen, kehrten nach ein paar kleinen Runden im See zurück ans Ufer und ließen uns in der Sonne trocknen, schlenderten dann in der Dämmerung zurück zur Kolonie.
Wir hatten uns also bislang zurückgehalten und seit Peters Wiederauferstehung gar keinen Sex miteinander gehabt. Ich hatte natürlich schon Lust, sowohl auf Peter als auch auf Susi. So überlegte ich, wie ich das voranbringen könnte, ohne Disharmonie aufkommen zu lassen. Ich entschloß mich dann für den formalen Weg, als wir dann beim Essen zusammensaßen.
Ich sprach es dann ganz trocken aus: „Also, wo das so gut mit uns läuft, sollten wir doch etwas planen, da es uns ja nun auch zu noch intimeren Vergnüglichkeiten drängen wird. Da ist dann natürlich die Frage der Familienplanung zu klären.“
Susanne war gleich im Gesicht rot angelaufen, Peter lachte etwas nervös.
Ich fuhr fort: „Naja, mit Peter hatte ich das Thema ja schon, nun haben wir eine neue Konstellation und auch eine neue Situation.
Was sind unsere Vorstellungen?
Susi etwa, möchtest du ein Kind, möchtest du schwanger werden?“
Susi stupste mich in die Seite und schaute mich nur an, wie ich wagen könnte, das so direkt zu fragen.
Peter rieb sich nervös die Hände über die Oberschenkel.
Da beide nichts sagten, tat ich meine Meinung kund: „Susi, also falls du das möchtest, würde ich auch wollen, also vorausgesetzt natürlich, Peter macht mit, Peter?“
Peter war nun auch deutlich verlegen: „Äh … ähm also … du wirfst da einfach so dieses heikle Thema in die Runde …“
Susi pflichtete ihm bei: „Ja genau, das macht Michaela gerne mal … sie provoziert gern und wir müssen dann sehen, wir wir damit klarkommen …“
Ich ergänzte breit grinsend: „… aber es bringt uns voran.
Ihr beide seid euch doch sympathisch, mögt euch. Und da ist es nur natürlich, wenn wir drei auch Sex miteinander haben. Ich habe Lust auf euch beide und würde es auch genießen, wenn wir zu dritt aktiv würden oder wenn ihr beide es miteinander probieren würdet, das würde uns noch näher zusammenbringen. Bevor Peter aber Sex mit uns haben kann, müssen wir klären, ob sich das einstweilen auf das gemeinsame, intensive und lustige Vergnügen beschränken soll oder ob wir zulassen wollen oder uns gar wünschen, dabei schwanger zu werden. In letzterem Falle können wir ja einfach bedenkenlos herummachen und Peter kann da nach gemeinsamer Lust und Laune sein Sperma bei uns beiden deponieren, wie und wann es gerade kommt, wir können es genußvoll absorbieren und uns damit ganz erfüllen lassen, der Sehnsucht danach freien Lauf lassen, stets im Bewußtsein, daß das vielleicht gerade ein sehr entscheidender Akt für uns ist, der eine weitere, sehr tiefe Gemeinsamkeit zeugen kann, im ersteren Falle wäre das eher eine ungünstige Strategie ohne weitere Maßnahmen. Natürlich können wir uns auch so einfach näherkommen und einfach mal machen, sich die Dinge von selbst entwickeln lassen.“
Peter räusperte sich verlegen: „Ich sehe den Punkt.
Ich mag euch beide.
Und wenn das vielleicht Susanne gegenüber auch etwas keck ist, ich habe diese Tage auch sehr deutlich gespürt, daß wir sehr gut miteinander auskommen. Und mehr und noch inniger würde mir sehr gefallen. Und obwohl es heikel ist, gebe ich Michaela Recht, es ist richtig, darüber zu reden, auch wenn es etwas unangenehm ist. Wenn sich das einfach so entwickelt und in eine Richtung, die einem von uns nicht gefällt, ist das schlecht für alle.“
Susi stellte fest: „Aber Michaela geht mir da sehr schnell vor. Ich brauche da mehr Zeit, um mir das zu überlegen. Ich habe nichts dagegen, wenn ihr beide euch wieder näherkommt.“
Peter betonte: „Ich habe auch nichts dagegen, wenn ihr beide etwas zur Entspannung unternehmt, ich glaube, ihr habt euch zurückgehalten, seit ich wiederauferstanden bin und ihr jedenfalls müßt das mit der Familienplanung ja nicht vorher klären.“
Ich lachte und stupste Susi an, die nun auch lachen mußte.
Ich meinte dann aber: „Ich hätte es dann nur dir, Peter, gegenüber als unfair empfunden, wenn wir beide fröhlich herumgemacht hätten und du dich nicht hättest einbringen können. So dachte ich, sollten wir das klären, wie die Lage wirklich ist. Wenn wir Ida oder Esme darum bitten, werden sie etwas zur Verhütung anbieten, was innerhalb kurzer Zeit funktionieren wird. Angesichts der Koloniegründung und unserer gegenseitigen innigen Zuneigung wollen wir aber vielleicht gar nichts mehr verhüten, wir sind angekommen, wir sind nun Zuhause hier, wir haben unser Nest gebaut. Da ist die Frage naheliegend, ob wir eigene Kinder wollen oder nicht oder wann.“
Susanne nickte: „Du hast ja Recht, aber so direkt vor den Kopf geknallt schwirrt mir dieser nun ordentlich. Und Peter und ich, wir sind uns ja nicht einmal wirklich einig, wie wir miteinander umgehen wollen.“
Ich lachte und fuhr ihr sanft durch das Haar: „Oh, das wirkte aber beim Baden schon ganz anders. Das war eindrucksvoll und sehr anregend mit euch beiden, da würde sich schon gerne mehr miterleben, wie ihr beide da weiter vorgeht. Ich war so erleichtert, wie gut ihr beide euch versteht, wie leidenschaftlich bereits der erste Kuß war und wie schön und erquicklich unsere kleine Spielerei beim Baden zu dritt.
Endlich!
Das hat mich sehr gefreut und da dachte ich, es wäre alles klar.“
Susanne hatte wieder den Blick gesenkt, wieder rötete sich ihr Gesicht, dann schaute sie wieder auf und direkt in Peters Augen. Der lachte dann, um seine Anspannung zu lösen. Ich griff mir die beiden dann und wir umarmten uns wieder, küßten und streichelten uns gegenseitig.
Das entwickelte sich dann schnell weiter zu einer wilden Knutscherei und Fummelei und die gute Idee mit der freien Diskussion war dahin und wir waren dann schnell nur noch ein Knäuel von drei Leibern, die sich gegenseitig ermunterten, bald nackt waren, sich erforschten. Es brach aus uns heraus und war dann nicht mehr zu halten. Wir wollte alle drei und irgendwie alles auf einmal.
So spielten wir also munter weiter und immer heftiger. Irgendwie schafften wir es zu einem größeren Bett und erforschten da weiter unsere Möglichkeiten zu dritt. Peter lag dann bald auf dem Rücken und war bald ausgeliefert, ergab sich, während ich Susi mit seinem Körper vertraut machte, wir ihn beide verwöhnten. Wir widmeten uns auch gemeinsam seinem prächtigen Penis und ich glich mit Susi ab, was ich schon wußte und sie Neues einzubringen hatte. Das waren natürlich reichlich Reize für Peter, daß es gar nicht so viel brauchte, bis dieser einen heftigen Orgasmus durch unsere Forschungsbemühungen hatte, sein Sperma in hohem Bogen zwischen uns durchspritzte, gar etwas davon dann als langer, zäher Tropfen an Peters Kinn hing. Wir lachten fröhlich und verrieben sein Sperma auf seiner Brust und seinem Bauch, kuschelten und rieben uns weiter aneinander. Nun probierten wir es etwas anders und zeigten Peter so einige unserer gut erprobten Möglichkeiten, wie Susi und ich unsere Erregung schnell steigerten, zeigten ihm dann auch, wie er dabei unterstützen und mithelfen konnte und so brachten Susi und ich es dann auch schnell zur Erlösung, was wiederum Peter so stark erregt hatte, daß er uns schon wieder ein pralles, steifes Glied präsentieren konnte. Nun, frohen Mutes kümmerten wir uns auch darum noch und kamen danach langsam zu Ruhe und Entspannung. Endlich waren wir so weit gekommen und es tat uns sehr gut, diesen Schritt gewagt zu haben, uns nun zu dritt so nahegekommen zu sein, die Scheu davor überwunden zu haben. Gemeinsam, vereint und zufrieden schliefen wir dann zusammen ein.
Als ich erwachte, schlief Peter noch, Susanne war aber schon wach. Sie stand nackt in der Tür und schaute nach draußen. Ich stand auch auf und stellte mich hinter sie, umarmte sie sanft, küßte ihre Schulter, streichelte ihren Po, drehte mich etwas, stand nun seitlich zu ihr, mein Gesicht dicht neben ihrem.
Sie schaute kurz und lächelte: „Alles gut für dich, wo wir nun so gut und innig harmonieren?“
Ich bestätigte: „Ja, das hat mir sehr gefallen, ich hoffe, dir auch?
Oder habe ich euch zu sehr gedrängt?“
Susi lachte, erwiderte dann: „Oh, Peter hat mir doch gleich von Anfang an sehr gefallen, ich hatte Lust auf ihn. Ich habe mich nur nicht so richtig getraut. So ist die Spannung irgendwie immer weiter gestiegen. Und dann beim Baden hast du endlich den Bann gebrochen und wir waren wirklich zu dritt zusammen. Das tat so gut, auch weil ich fühlte, wie gern du uns zusammengeführt hast.
Naja, später, das Gespräch war schon gewagt und provokant. Aber es hat uns doch weitergebracht, also alles gut. Und dann war es so schön, die Anspannung endlich abbauen zu können, sich einig zu sein.“
Ich hakte nach: „Und was meinst du nun, also das Thema des Gesprächs betreffend?“
Sie wurde wieder rot im Gesicht und ich küßte sie aufmunternd auf die Wange.
So faßte sie Mut und bekannte mir ins Ohr flüsternd: „Also meinetwegen kann es einfach so weiterlaufen. Ich möchte einmal Kinder. Und du hast Recht, wir haben unser Nest gebaut, nun sind wir soweit. Es eilt ja auch nicht, aber Peter ist ein guter Mensch. Ich kann mir gut vorstellen, daß wir einfach so weitermachen, ohne Ida oder Esme zu konsultieren. Und wenn sich irgendwann daraus etwas ergibt, ist es in Ordnung und gut. Kannst du dir das auch vorstellen?“
Ich wuselte ihr durchs Kopfhaar und stimmte zu, flüsterte ihr ihrerseits ins Ohr: „Ja, kann ich auf jeden Fall, ich habe es ja bereits gesagt, wenn du willst, will ich auch. Ich stelle es mir sehr schön vor, gemeinsam mit dir schwanger zu sein, auch diese Erfahrung zu teilen. Und Peter mag ich ja sowieso sehr, da kann ich mir auch gut vorstellen, mit ihm Kinder zu haben, sie mit euch beiden großzuziehen, damit wären wir wirklich angekommen, Zuhause.“
Wir küßten uns sanft und streichelten, umarmten uns, waren uns einig. Und so regten wir uns gegenseitig weiter an, ich hatte Spaß daran, Susi weiter einzuheizen und flüsterte weiter in ihr Ohr, entwickelte eine Phantasie, wie der Zeugungsakt passieren würde. Wir schwelgten schnell in einer befruchtenden Phantasie, wie Peters Samen in uns hineinschossen, den richtigen Weg suchten und je einer davon etwas in uns in Gang setzte, was sich dann entwickeln würde. Ich scheute mich nicht und fixte auch Susanne damit an, die quirlig-lebendig-schöpferische Flut in sich aufnehmen zu wollen, dem neuen Leben eine Chance zu gönnen, die erregende Vorstellung einer lustvollen Schwängerung voller Saft und Kraft zu genießen, aufzunehmen, aufzusaugen, zu zeugen und in uns entstehen zu lassen. Wir waren irgendwie plötzlich richtig fasziniert davon und ganz begierig darauf, Peters Saft der Ekstase in uns aufzunehmen und keinen Tropfen davon wieder herzugeben, gleichzeitig aber der jeweils anderen ebenfalls eine ordentliche Ladung davon zu gönnen, damit die Saat in uns aufginge. Wir erhitzten und stimulierten uns gegenseitig, da war keine nüchterne Überlegung mehr dabei, nur noch hemmungslose Lust. Wir lachten beide, schauten zum noch schlafenden Peter, schauten uns gegenseitig tief in die Augen, nickten gleichzeitig und schlichen uns an ihn heran, küßten und streichelten sanft seinen schönen Leib und stellten auch erfreut fest, daß sich sein Glied bereits prächtig erhoben hatte, als er begann, sich zu regen. So spielten wir weiter mit ihm und er stieg gerne mit ein. Etwas überrascht war er dann schon, wie sich das Spiel weiter entwickelte, machte aber mit, auch als Susi ihn vorsichtig dirigierte und so sein Penis in meine feuchte Scheide vordrang, sich rieb und uns beide stark erregte. Susi half uns, koste uns beide. Und ich stellte fest, daß es für mich ein besonders intensives Gefühl war, ihn so in mir zu spüren, auch im Bewußtsein, daß da nun etwas daraus entstehen könnte, was uns noch stärker aneinander binden würde. Dieser Aspekt der möglichen fruchtbaren Verbindung wirbelte durch meinen Kopf und steigerte meine Erregung und Erwartung aufs Äußerste. Es erregte uns drei alle ziemlich stark und so hatten Peter und ich fast gleichzeitig einen heftigen Orgasmus, Susi zitterte vor Erregung und Anspannung, von unserem kleinen Vorspiel ohne Peter und unserer schwelgenden Plapperei vermutete ich, daß Susi ähnlich wie ihm empfand und ich wollte unbedingt, daß die beiden in voller Ekstase ihre Körperflüssigkeiten reichlich mischen sollten, Peter sollte sie füllen, Susi sollte alles aus ihm heraussaugen, was sie kriegen konnte. Schnell und etwas zittrig vor Nervosität dirigierte ich also Peter, daß wir uns mehr Susi widmen müßten. Das taten wir zunächst mit Fingern und Lippen, wobei ich schon noch eine Hand übrig hatte, um auch Peter wieder zu stimulieren. Wir ließen uns Zeit und die allgemeine Erregung, unsere Küsse hatten eine gute Wirkung auf Peter, so daß dieser unter meiner sanften Führung bald auch sein abermals pralles Glied in Susannes Schoß versenkte und wir das Spielchen dort spielten, bis die beiden sich stöhnend ergaben und ineinanderflossen und zitternd, stoßend und keuchend ein so erregendes Schauspiel boten, daß ich mich eng anschmiegen mußte, um mit ihnen zu genießen, mich weiter stimulierte, wobei sie dann auch beide bald halfen und ich dann schnell einen weiteren, heftigen Orgasmus hatte. Danach lagen wir dann erschöpft, aber sehr glücklich ziemlich kreuz und quer durcheinander.
Wir redeten dann gar nicht mehr über Familienplanung, sondern hatten einfach hemmungslos unseren Spaß miteinander, von Planung war gar keine Rede mehr, wir ließen es einfach laufen, spritzen und sabbern bis zur totalen Befriedigung. Wir wollten es einfach gelassen sehen und der Dinge harren, die sich daraus entwickeln mochten. Zuviel Druck, unbedingt schwanger werden zu wollen, ist ja auch eher suboptimal, um diesen Wunsch zu erfüllen. So ist es schon gut, sich beim Akt intensiv vorzustellen, daß es passieren könnte, es mit voller Aufmerksamkeit und Intensität zu durchleben, den Spaß voll zu genießen, aber ohne wirklich etwas davon zu erwarten. So verkrampft sich nichts, der Umgang miteinander ist offener, lockerer und führt damit dann auch eher zum gewünschten Ergebnis.
Allerdings widmeten wir uns nicht nur unseren persönlichen Vergnüglichkeiten. Wir schauten uns dann auch die Daten insbesondere von Charybdis genauer an, entwickelten Ideen, Peter regte an, hakte nach, Hildegard und Ida experimentierten, probierten mehr aus. Und so sollte es auch hier weiter vorangehen. Schnell waren wir uns einig, daß wir auf Charybdis etwas voranbringen wollten, um eine zwar neue Vegetation zu fördern, eine Mischung von irdischen und charybdianischen Arten, aber wir wollten dabei unbedingt zahlreiche Möglichkeiten der Symbiose schaffen, um die charybdianischen Arten zu fördern. So mochte es uns dann ja vielleicht doch noch gelingen, nach der Katastrophe etwas hinzubekommen, was den charybdianischen Arten doch noch helfen mochte.
Den Ais war natürlich nicht entgangen, wie sehr wir harmonierten und zusammenhingen, wie aktiv wir gemeinsam waren. Dazu sagten sie nichts weiter. Es kam dann aber doch bald der Vorschlag, über die Kolonie zu diskutieren. Es war ja nun einmal das Konzept der Kolonie, diese mit Menschen zu bevölkern, das würden Susi, Peter und ich natürlich nicht allein hinbekommen, obwohl wir da schon täglich sehr aktiv waren und uns ganz persönlich sehr einbrachten. So setzten wir uns dann bald einmal zusammen und diskutierten unsere Optionen. Wir hatten dann ja noch die Kryo-Zombies im Raumschiff, von denen einige transferiert werden könnten.
Dazu meinte ich dann: „Das hatten wir ja schon früher einmal diskutiert. Es ist nicht so ganz unproblematisch, weil wohl keiner von ihnen sich für die Mission entschieden hat. Ähnlich wie wir sind doch wohl alle deutlich vor der Planung der Mission konserviert worden?“
Ida bestätigte: „Ja, das stimmt leider, das ist einer der schändlichen Aspekte sowohl der Kryo-Technologie als auch der Planung dieser Mission. Wenn man es so sehen will, hat man mit dem Transfer vieler Kryo-Zombies auf die Mission deren rechtlosen Status ausgenutzt, gleichzeitig aber schon einmal die Situation auf der Erde etwas entschärft, weil man damit gleich einmal die Anzahl der Personen reduziert hat, die keinen rechtlichen Status haben, von denen undefiniert ist, ob sie tot oder doch potentiell lebendig sind. Sie wissen alle nichts von der Mission und uns kommt es dann bei der Wiederauferstehung zu, sie zu integrieren.“
Susanne führte dann an: „Wenn wir mich und Michaela als Beispiele nehmen, so werden einige vermutlich nicht einmal wissen, daß sie konserviert worden sind. Und mir ist es jedenfalls nicht leichtgefallen, beides zu akzeptieren, zu einer ganz anderen Zeit wiederauferstanden worden zu sein und dann auch noch auf einer Mission fern der Heimat zu sein. Wir können wohl davon ausgehen, daß es vielen der anderen Kryo-Zombies ähnlich gehen wird. Wenn wir damit beginnen, können wir vielleicht jeweils nur ein oder zwei Personen wiederauferstehen lassen und uns ihnen dann mindestens einen oder zwei Monate widmen, bis sie in der Lage sind, sich ihrem Schicksal zu stellen. Das wir ein langwieriger Prozeß.“
Ich ergänzte: „Zudem wäre dann die Altersstruktur der Kolonie gleich zu Beginn eher problematisch, wir hätten dann viele Leute in ungefähr gleichem Alter.“
Hildegard erinnerte: „Bei unserer letzten Diskussion mit dir, Michaela, sind wir ja schon zu der Meinung gekommen, die Kryo-Zombies eher langsam und in kleiner Zahl in eine bestehende Kolonie zu integrieren. Wer sich besonders zur Koloniegründung eignet, könnte natürlich auch ziemlich zu Beginn beteiligt werden.“
Ich malte mir dabei gerade so nebenbei aus, wo die persönliche Belastungsgrenze für Peter liegen würde, wenn wir noch ein oder zwei männliche Sahneschnittchen auftauen würden, um unsere kleine, innige soziale Gemeinschaft durch diese weiteren Mitglieder oder auch mit Gliedern zu bereichern. Ob er mit diesem Durcheinander und ineinander von Körperflüssigkeiten noch so gut zurechtkäme wie mit seinem derzeit exklusiven Status?
Nun, ich wischte diesen Gedanken einstweilen beiseite und bekam nebenbei mit, wie sich Susanne auf Hildegards Aussage bezog und dieser zustimmte: „Das klingt plausibel. Welche Möglichkeiten haben wir sonst?“
Ida erläuterte: „Nun, wir haben einige Möglichkeiten. Wir haben befruchtete Eizellen, aber auch eine große Auswahl von Sperma und unbefruchteten Eizellen, zudem haben wir natürlich ebenso wie bei Tieren die Möglichkeit, diese in speziellen Brutkästen bis zur Geburt auszutragen. Das ist eine Art künstliche Gebärmutter mit diversen Optionen, damit das Kind auch ungefähr entsprechende Reize wie bei einer echten Mutter hat. Alles können wir vielleicht nicht simulieren, dafür sind aber auch die Risiken von Unfällen oder psychischen Krisen nicht gegeben, im Schnitt kommen die Kinder dabei ganz gut weg.
Danach müssen wir uns natürlich ausgiebig kümmern, was die Zahl begrenzt.“
Niemand fragte vorsichtshalber mal nach, wie die Mission zu befruchteten Eizellen, Sperma und unbefruchteten Eizellen in so großer Zahl gekommen war. Bei unseren Erfahrungen als Kryo-Zombies wollten wir gar nicht so genau wissen, welche Kryobanken dafür mehr oder weniger insgeheim geplündert worden waren. Ich wischte auch diesen Gedanken einstweilen beiseite. Wir konnten es nicht mehr ungeschehen machen. Vermutlich waren es einfach Altbestände von zum Zeitpunkt des Starts der Mission längst verstorbenen Spendern, alle sehr gut durchgetestet und dokumentiert.
Ich schätzte mal lächelnd ab: „Susanne als Lehrerin wird mit einer Klasse mit zehn bis dreißig Kindern schon zurechtkommen. Wenn ihr Ais euch beteiligt, werden wir doch mit vier bis zehn Kindern pro Jahr wohl zurechtkommen, hängt natürlich auch deutlich davon ab, wie stark automatisiert die Betreuung von Gewächshäusern und Feldern ist.“
Esme informierte: „Das sollte sich schon gut kombinieren lassen, wir haben da viele Sensoren und Subsysteme insbesondere in den Gewächshäusern.“
Peter betonte: „Mich und Michaela gibt es ja auch noch, wir können uns doch sowohl um unsere Nahrungsversorgung kümmern als auch um Kinderbetreuung. Mit mehreren Erwachsenen können wir schon allerhand erreichen.“
Ida ergänzte: „Auf jeden Fall seid ihr ein wichtiger Bestandteil. Jedenfalls halte ich die von Michaela genannten Zahlen auch für realistisch. So können wir über die Jahre eine kleine Kolonie aufbauen. Es besteht doch keine Notwendigkeit, gleich in den ersten hundert Jahren eine Großstadt mit hunderttausend oder mehr Menschen anzustreben.“
Hildegard fragte nach: „Wenn ich eure Aktivitäten richtig mitbekommen habe, scheut ihr euch ja nicht, euer Genmaterial mit in die Kolonie einzubringen, das finde ich gut. Ich vermute, künstliche Befruchtung mit befruchteten fremden Eizellen wird daher nicht euer dringender Bedarf sein?“
Susanne und ich stimmten lachend zu, dann dafür doch eher die Brutkästen, neben unseren eigenen noch weitere Kinder auszutragen, wäre dann doch schnell eine Überforderung, da waren wir uns einig.
Hildegard hatte da aber dann doch noch eine überraschende Anwendung für uns parat: „Oh, wir haben da schon Möglichkeiten im Angebot, die ihr noch gar nicht kennt. Wir können durchaus auch aus dem Genmaterial von zwei Frauen ein weibliches Kind genetisch kombinieren. Da seid ihr den Männern gegenüber deutlich im Vorteil.“
Ida fuhr fort: „Dazu verwendet man die medizinischen Mikroroboter, extrahiert damit je eine reife Eizelle aus den beteiligten Frauen, kombiniert das Genmaterial mit ein oder zwei befruchteten Eizellen als Ergebnis. Die können dann entweder in der Brutmaschine ausgetragen werden oder für eine natürliche Schwangerschaft zurück in die Gebärmutter transferiert werden …“
Susanne und ich lachten, als wir uns das vorstellten.
Ich entgegnete dann: „Naja, die genetische Vielfalt ist da begrenzt und ich glaube ja auch nicht daran, daß unbedingt an unseren Wesen die Menschheit genesen wird.“
Peter grinste und betonte: „Wir hätten dann immerhin auch dort Symmetrie der Möglichkeiten. Aber es stimmt schon, zuviel von uns ist nicht gut für die genetische Vielfalt der Kolonie.“
So stellten wir die Option erst einmal zurück und wollten doch lieber für uns jedenfalls bei der üblichen Methode bleiben, die machte uns viel Freude und stärkte zudem unsere Zusammengehörigkeit, das würden gemeinsame Kinder von Susanne und mir auch, aber so hätten wir dann ja doch eine subtile Schar von Halbgeschwistern, wahrscheinlich dann mehr Mädchen, an sich nicht schlimm, von der statistischen Mischung dann aber nicht mehr so ausgewogen.
Ich nickte auch und bemühte mich, das Thema etwas zu verschieben, bevor es noch zu heikel werden würde: „Gibt es weitere Optionen, auch hinsichtlich der genetischen Vielfalt der Kolonie?“
Ida erläuterte bereitwillig: „Also bei allen Arten ist unsere Auswahl und die genetische Vielfalt unseres Archivs groß. Dazu haben wir in der Datenbank noch viel mehr Arten und auch genetische Variationen kodiert. Technisch möglich ist es mit einigem Aufwand sogar, diese digitalen Daten wieder in genetisches, biologisches Material umzukodieren. Bevor wir das tun, sollten wir es aber unbedingt mit den reichhaltigen und vorhandenen Vorräten und Möglichkeiten versuchen.
Wenn ihr drei euch mit eigenem genetischen Material beteiligt, ist das insofern schon schön und hilfreich, als über eigene Kinder ja auch ein viel engerer Bezug zur nächsten Generation da ist. Es ist so ja auch gewiß, daß ihr ganz persönlich etwas von euch für die Kolonie und die Zukunft weitergebt. Und das ist doch auch ein natürliches Bedürfnis biologischer Wesen, oder etwa nicht?“
Peter und ich nickten vorsichtig, Susanne führte dann aus: „Ja schon, so oder so werden wir uns natürlich um alle Kinder kümmern, das hängt ja nicht an den eigenen. Sind die Kinder erst einmal da, entwickelt sich doch ohnehin eine Eigendynamik, viel ergibt sich von selbst. Wir bekommen das gemeinsam schon hin!“
Damit hatte sie sicherlich Recht.
Ich schloß dann: „Gut, was mich anbelangt, ich fühle mich erst einmal hinreichend über unsere Optionen informiert.“
Susanne stimmte sofort zu: „So erklärt sehe ich jetzt auch klarer, wo die Reise hingeht.“
Peter faßte zusammen: „Also gut, ich schlage vor, wir lassen das ein paar Tage sacken, dann bereiten wir vor, wählen aus, machen uns an die Umsetzung. Wir könnten uns darauf einigen, wie wir etwa aus den befruchtete Eizellen oder auch den Eizellen und Samen auswählen. Zufällig wäre naheliegend, damit wir nicht absichtlich oder unbewußt züchten, statt Vielfalt anzustreben.“
Hildegard erwiderte: „Das scheint mir auch plausibel zu sein. Bei den befruchteten Eizellen ist eine Zufallsauswahl ausgezeichnet. Bei den anderen können wir allenfalls bei der Kombination versuchen, auf Vielfalt zu achten.“
Ida bestärkte das noch: „Ja, in eine bestimmte Richtung züchten wollen wir nicht. Wir wissen allerdings nicht genau, nach welchen Kriterien da überhaupt ausgewählt wurde. Aber vielfältig ist der Vorrat gewiß, wir werden das nicht künstlich einengen.“
Und damit schlossen wir dann erst einmal diese Konferenz.
Tage später begannen wir dann und setzten die Planung um, entschieden dabei Details. Damit hatten wir dann wirklich begonnen, unsere Kolonie zu bevölkern, als Menschheit hier fern der Erde Fuß zu fassen. Wir diskutierten natürlich auch unsere Hoffnungen, vielleicht auch Illusionen.
Würde es uns gelingen, so von Grund auf eine sozialere, bessere Gesellschaft zu gründen, harmonisch, tolerant, liebevoll, ökologisch kompatibel?
Oder würde es dann doch irgendwann wie auf der Erde werden mit einem Haufen Menschen, die alles für sich selbst ausnutzen und zerstören?
Nun, zu Beginn würden wir uns schon bemühen, die Weichen günstig zu stellen. Aber die Kruste von Kultur, Wissen und Toleranz auf dem menschlichen Sein ist eben sehr dünn. Und wie schnell ist das abgekratzt, wie schnell kann man mit wenigen schlechten Entscheidungen darunter das Rohe, Brutale, Rücksichtslose im Menschen hervorpuhlen.
Natürlich hatten wir gar nicht so viel im Griff, waren aber doch irgendwie grundlos zuversichtlich, letztlich doch das Schlimmste zu vermeiden und unserer Kolonie einen guten Weg in die Zukunft zu ebnen.
Wir waren ganz im Hier und Jetzt und würden die Zukunft schon meistern, mit Fehlern, aber doch zäh dranbleiben und unsere Gemeinschaft voranbringen.
Das war nun der Neubeginn, wenn darüber auch ein dunkler Schatten lag. War der düstere Ursprung der Kolonie in der von uns verursachten Katastrophe vielleicht doch nur die Fortsetzung der allgemeinen menschlichen Katastrophe?
Wenn sich unsere Kolonie entwickeln würde, würden das dann wieder die gleichen Menschen mit gleichen Entscheidungen und Handlungsweisen werden, die bereits die Erde fast vernichtet hatten?
Hatten wir hier nicht das düstere Werk der Vernichtung längst fortgesetzt?
Oder würde es uns doch gelingen, mit Liebe und all der begrenzten Klugheit, die wir nur aufbringen konnten, einen wirklichen Neuanfang zu schaffen?
Mir kam es jedenfalls so vor, als hätten wir es nun vor uns, das unentdeckte Land: Die Zukunft.
Bald schon wußten wir dann, daß sich die Zukunft ohnehin nicht aufhalten ließ. Wir drei waren ja sexuell sehr aktiv und genossen in vollen Zügen unsere Harmonie, die hemmungslose Leidenschaft und Lust. Und die doch eigentlich erwünschten Folgen blieben nicht aus. Wir wußten dann, daß wir beide, Susi und ich von Peter schwanger waren und so wie von uns erhofft gemeinsam die Schwangerschaft erleben würden, so waren wir drei auch in diesem neuen Lebensabschnitt sehr eng miteinander verbunden, freuten uns innig über das doch nicht nur komplett mühelos erreichte Ergebnis, es war ja geradezu eine große Lust gewesen, an diesem Ergebnis zu wirken, es war sehr intensiv und so reich an Empfindungen gewesen, das zu spüren und bewußt zu tun. Und nun genossen wir und freuten uns, auch nachdem Ida dann nach genaueren Untersuchungen berichten konnte, daß die beiden Kinder wohlauf und komplett gesund seien. Nicht minder erfreulich, das konnte sie ebenfalls berichten von den Kindern, die nun bereits in den Brutkästen heranwuchsen. Unsere Zukunft hier hatte damit endgültig begonnen, wir hatten uns in der neuen Heimat eingerichtet und nutzten sie bereits.
So süß
Obwohl ich ja bereits wußte, daß es wieder deutlich anders sein würde, war ich dann doch erneut überrascht, als ich nach meiner Wiederauferstehung die Augen öffnete. Ich kannte das schon, anfangs war die Koordination etwas eingeschränkt, nach dem Öffnen der Augen schärfte sich der Blick auch nur langsam. Ich war in einem größeren Raum als den Kabinen auf dem Raumschiff oder der Raumstation. Dann erblickte ich eine anthropomorphe Gestalt im Raum.
Diese drehte sich zu mir herum und sagte: „Oh, du bist wach, Michaela, gut, dann wieder einmal herzlich willkommen, diesmal bereits in unserer Kolonie auf Skylla. Es ist bescheiden, was wir gebaut haben und doch hoffentlich eine neue Heimat. Ich bin es, Ida, also jedenfalls hier in der Kolonie mein Avatar, wir haben uns gedacht, es wäre so ganz sinnvoll, ähnlich wie ein Mensch, aber doch eindeutig zu unterscheiden. Esme, Hildegard, Körk und ich haben uns also leicht unterschiedliche, gut unterscheidbare Avatare zugelegt …“
Ich entgegnete freundlich: „Ja, sieht gut aus, das habt ihr gut hinbekommen.
Was ist mit Susanne und Peter?“
Ida gab bereitwillig Auskunft: „Mit den beiden ist alles in Ordnung. Bei der Wiederauferstehung haben wir wie verabredet mit dir begonnen. Wir dachten uns, du akklimatisierst dich erst einmal, dann sehen wir, wie es mit den anderen weitergeht.“
Ich atmete tief durch und nickte, schlug dann vor: „Kannst ja schon mal ein wenig erzählen, um die Zeit zu überbrücken.“
Ida berichtete also: „Gut, was die Mission anbelangt, wir haben dann erst einmal wie abgesprochen weitergemacht. Das lief so weit alles gut ab, wir haben da keine größeren Probleme gesehen, die es erfordert hätten, einen von euch hinzuzuziehen. Wir sind so weit eigentlich gut weitergekommen. Die Aufgaben auf Skylla und Charybdis waren schon sehr anspruchsvoll. Insgesamt sind seit deiner letzten Konservierung 121 Jahre vergangen. In der Zeit hat sich die Vegetation hier auf Skylla aber sehr gut und vielfältig entwickelt. Und auf Charybdis haben wir ebenfalls deutliche Veränderungen festgestellt. Zu unserer Überraschung haben wir da irgendwann neue irdische Organismen gefunden. Verblüffend war dann auch eine Korrelation der Standorte dieser Arten mit charybdianischen Pflanzen, die dort nun ebenfalls von selbst wuchsen. Die charybdianischen Pflanzen waren zwar nicht besonders stattlich, aber doch vital. Wir untersuchten das natürlich weiter. Was wir fanden, war dann verblüffend, die charybdianischen Pflanzen lebten symbiotisch zusammen mit irdischen Pilzarten, die leicht mutiert waren. Die Mutationen hatten die Symbiose erleichtert. Das funktionierte noch nicht sonderlich gut, schien uns aber immerhin ein Anfang zu sein. Von den Pilzen fanden wir zunächst nur lokal etwas, im weiteren Bereich auch nicht mutierte Typen davon. Bemerkenswert an dem Fund war auch, daß die Organismen zwar zur ursprünglichen Impfung des Eisblocks gehörten, der für Skylla bestimmt war, dann aber von einem anderen Eisbrocken getroffen wurde, worauf er zersplittert wurde und später dann zur Kontamination von Charybdis geführt hat. Mit der Geschichte bist du ja vertraut.
Jedenfalls hatten wir diese Pilze in der frühen Phase der Kontamination nicht gefunden, nun waren sie aber lokal da. Eine plausible Hypothese war dann, daß es Jahre nach der ersten Kontamination eine weitere gegeben hatte. Der Eissplitter mit diesen Pilzen war vielleicht durch Strahlung getroffen worden, ein paar Sporen waren dadurch mutiert, aber nicht zerstört worden. Das war dann jedenfalls ein unwahrscheinlicher Glücksfall für die charybdianischen Pflanzen. Da wir es bis dahin nicht mit mutierten oder in der Form gentechnisch veränderten Organismen probiert hatten, schien uns das schon interessant genug zu sein, um weiter zu untersuchen. Da wir allerdings den Entschluß gefaßt hatten, die Entwicklung auf Charybdis nicht massiv zu stören, griffen wir nicht groß ein, sondern guckten einfach mal unter Laborbedingungen, ob wir Ähnliches auch für andere Arten erreichen könnten. Die Untersuchungen waren komplex und langwierig, wir fanden aber einige Dinge heraus, die Potential haben mußten. Wir haben die Optionen und Ideen gesammelt und könnten nun weitere Maßnahmen diskutieren.“
Ich gab zu bedenken: „Ihr hättet ja Peter hinzuziehen können …“
Ida erläuterte zu dem Argument: „Das haben wir auch erwogen, kamen dann aber zu der Meinung, daß wir erst einmal Daten sammeln sollten, um etwas für eine Diskussion zu bieten zu haben.“
Ich verkniff mir einen Kommentar, wenn sie immer erst über hundert Jahre Daten sammeln, bevor etwas passiert, würde sich unsere Mission noch lange hinziehen, bevor wir wirklich Ergebnisse haben würden.
Wir machten eine kleine Pause, ich sah mich um. Nur ein Teil des Raumes sah aus wie der Arbeitsraum oder der Aufenthaltsraum der Raumstation, also mit allerhand Anzeigen und Arbeitstischen. Dazu gab es dann aber auch Fenster.
Und draußen war es grün!
Da gab es Bäume, eine üppige Vegetation, dazu das leicht gelbliche Licht von Rasol, blauer, leicht bewölkter Himmel, fast wie auf der Erde. Ich stand auf, Idas Avatar begleitete mich zum Fenster und ich schaute hinaus, nach mehr Details.
Ida erklärte: „Wir sind auf jener Insel, die wir ausgewählt hatten. Weil ihr Fundament aus hartem Vulkangestein eines erloschenen Vulkans besteht, wird es die Insel auch noch lange geben, also ein guter Standort.“
Ich stellte fest: „Da habt ihr ja noch ordentlich was herausgefunden und auch viel geleistet. Da draußen ist inzwischen ja ein Urwald gewachsen!“
Ida führte aus: „Ja, hier auf der Insel haben wir inzwischen üppige Vegetation. Das ist nicht überall so. Körk läßt es noch immer regnen und mit unserer Terraformung kommen wir voran, erobern so mit der Vegetation von den Küsten ausgehend auch immer mehr vom Land. Die Zusammensetzung der Atmosphäre hat sich geändert, der Sauerstoffgehalt ist zwar etwas niedriger als auf der Erde auf Meereshöhe, aber natürlich in einem Bereich, in welchem Menschen gut zurechtkommen. Die Temperaturen sind angenehm, die Schwankungen nicht besonders groß, also ein guter Ort, um zu leben.“
Ich schaute noch immer raus, die natürliche Umgebung draußen faszinierte mich, ich wollte hinaus, mir das ansehen, wollte mich aber nicht gleich so kurz nach der Wiederauferstehung übernehmen und setzte mich auf einen Stuhl in der Nähe des Fensters, schaute weiter interessiert hinaus.
Dabei dachte ich aber eigentlich an Susanne und Peter und wie ich das nun hinbekommen sollte. Einen guten Plan hatte ich noch immer nicht, das ärgerte mich, wollte es aber nicht zeigen. Es belastete mich aber. Ich versuchte mich davon abzulenken und die Schönheit des Ausblicks zu genießen.
Was dann immerhin etwas ablenkte:
Die kleine Pause nutzten dann Esme, Hildegard, Körk, Stanis und Asi, um mir akustische Grußbotschaften zukommen zu lassen. Insbesondere Esme und Hildegard würden hier in Zukunft ebenfalls mit ihren Avataren öfter anzutreffen sein, Körk eher seltener. Einstweilen war aber nur Ida mit ihrem Avatar hier aktiv.
Von dieser wollte ich dann wissen: „Und was ist sonst so im Universum passiert?
Jedenfalls auf der Erde, mit Mission 3 und auch hier in unserem Sonnensystem?“
Ida berichtete: „So viel Neues von der Erde gibt es gar nicht. Die Bevölkerung nimmt noch immer leicht ab, eventuell will man sich ganz auf einen Kontinent zurückziehen und mit der ohnehin bereits durchgeführten Renaturierung so weit fortfahren, daß der größte Teil der Erde wieder in ein sich selbst überlassenes Ökosystem übergeht. Mit dem Klima haben sie immer noch Probleme, allerdings müssen sie deutlich weniger eingreifen. Wenn ich mir die Berichte so ansehe und die Zeitverzögerung bis zu uns berücksichtige, haben sie heute vielleicht schon damit aufgehört, wenn es gut gelaufen ist.“
Ich nickte nur.
Ida referierte weiter: „Mission 3 macht auch Fortschritte, sie sind bei der Terraformung eines bislang unbelebten Planeten mit dem gut vorangekommen, was sie von uns an Material bekommen haben. Wir schicken alle paar Jahrzehnte weiteres Material und öfter noch unsere neuesten Erkenntnisse. Das hilft dann offenkundig. Wer weiß, vielleicht siedeln wir dort auch irgendwann einmal charybdianische Vegetation an, warum nicht, warum sollten wir nur irdisches Leben verbreiten, wäre doch albern.“
Ich lächelte und nickte: „Ja, das hört sich plausibel an.“
Ida setzte ihren Bericht fort: „Stanis und Asi forschen fleißig immer weiter. Überraschend sind sie bei einem anderen Eismond mit deutlich verfeinerten Methoden doch noch auf etwas gestoßen, auch dort gibt es ein Meer zwischen Eis und Kern. Im Schnitt ist das aber weniger als einen Kilometer hoch und steckt unter einer dicken Eisschicht, deswegen war das anfangs nicht so einfach auszumachen. Es gibt auch keine Eisgeysire oder so, die hätten helfen können, etwas zu entdecken.
Nach einer langwierigen Bohrung haben sie dort auch Leben gefunden, allerdings eher einfachere Organismen, durchaus Mehrzeller, aber nicht zu vergleichen mit der Komplexität auf dem anderen Eismond oder der ursprünglichen von Charybdis.
Weiter draußen auf einem Kleinplaneten haben sie auch eine interessante, langsame, komplexe Dynamik entdeckt, das ist kein Leben, aber aufgrund der tiefen Temperaturen ist da natürlich das Eis hart wie Gestein und andere Flüssigkeiten bilden da Flüsse und Seen in einer fremdartigen, düsteren Landschaft. Faszinierend, aber nach unserem Verständnis sehr lebensfeindlich. Trotzdem gibt es da viele organische Moleküle, auch komplexere Formen. Das ist insofern sehr interessant, als daß alles ohne Lebewesen entstanden sein muß, gleichzeitig aber in großer Menge diverse Grundbausteine des Lebens enthält. Es ist also durchaus möglich, daß einer der Ursprünge biologischen Lebens auf solchen kalten Planeten liegt, wo sich komplexe Moleküle langsam, aber ziemlich ungestört in einem trägen Nichtgleichgewicht bilden konnten, dann vielleicht durch einen Asteroideneinschlag weiter ins innere Sonnensystem geschleudert wurden, wo das Leben sich dann weiter entwickeln konnte.
Andererseits gab es auf der Erde ja bereits ziemlich früh Leben. Die Entwicklung könnte also auch unabhängig voneinander sein oder die komplexen Moleküle stammen gar von einem anderen Sonnensystem, wo sie in solch trägen Systemen über Milliarden von Jahren gebildet wurden und dann nach einem Zusammenstoß so lange unterwegs waren, bis sie dann wieder in ein Sonnensystem gekommen sind, um sich in habitablen Zonen mit etwas Glück zu entwickeln.
In mehreren Schichten des Gasriesen Albert haben sie zudem filigrane Gespinste unterschiedlicher Arten in verschiedenen Zonen der Atmosphäre gefunden. Das sind organische Strukturen, die sie vor Kurzem auch eindeutig als Leben identifizieren konnten, sehr einfach zwar, aber lebendig. Dieses Sonnensystem hat ein sehr vielfältiges Leben und an jedem Standort ist es anders. Es bleibt allerdings ein Rätsel, warum wir Skylla so tot aufgefunden haben.“
Darauf hatte ich natürlich auch keine Antwort, wie auch, vielleicht hatte irgendwann eine natürliche kosmische Katastrophe Skylla heimgesucht, die viel Wasser und alles Leben fortgebrannt hatte, vielleicht waren die Umstände bei der Entstehung des Zwillingsplanetenpaares einfach so gewesen, daß Charybdis eben den Großteil des Wassers abbekommen hatte, Skylla eben nur wenig. Und aufgrund eines Zufalls war dann vielleicht von Auswärts auf Charybdis etwas eingeschlagen, aus dem sich Leben entwickelt hatte, während die Bedingungen auf Skylla zu trocken oder sonstwie chemisch ungeeignet waren, um einfachen Organismen aus dem Weltraum eine Grundlage zu bieten, um zu überleben und sich anzupassen.
Mittlerweile fühlte ich mich schon ganz gut und dazu in der Lage, etwas mehr zu unternehmen. Und so machten wir eine kleine Runde durch die Kolonie, auf unserer Insel. Die ist aber schon so groß, daß ein einfacher Spaziergang nur einen kleinen Teil davon zeigen kann. Und ich war schon sehr überrascht, wie üppig und komplex die Vegetation in den wenigen Jahrzehnten gewachsen war.
In der Nähe unseres Gebäudes gab es auch einige Gewächshäuser, auch einige Felder. In Vorbereitung auf die Menschen der Kolonie zogen die Ais hier bereits Getreide, Gemüse, Obst, Pilze zu unserer Ernährung. Sie bereiteten aber auch diverse Pflanzenarten vor, um sie dann auf der Insel oder auch woanders auszuwildern. Da gab es noch reichlich zu tun, bislang hatten sie nur einige zehntausend Arten auf dem gesamten Planeten etabliert.
Auf unserem Rundgang durch die nähere Umgebung der Station, auch bis hinab zum Meer war ich jedenfalls schon einmal begeistert über unser Paradies, daß ich zunächst einmal vergaß, welche Katastrophe, welches Ökozid es auf Charybdis gegeben hatte, letztlich auch, weil wir hier auf Skylla irdisches Leben ansiedeln wollten. Daß ich heute hier in dieser irdischen Vegetation stehen konnte, mich daran erfreuen konnte, nun wohl endlich eine neue Heimat gefunden zu haben, diese Empfindung herrschte bei mir erst einmal vor.
Wieder zurück im Hauptgebäude der Kolonie gab es auch hier einen Rundgang. Hinsichtlich der Energieversorgung hatten die Ais einstweilen auf Wind- und Solarenergie sowie Gezeitenkraftwerke gesetzt, hatten hier keinen Fusionsreaktor bauen lassen.
Trotzdem hatten wir im Gebäude Luxus und bereits jetzt deutlich mehr Platz als nur für ein paar Personen.
Nach dem Rundgang fühlte ich ein leichtes Unwohlsein, fühlte mich etwas kodderig, setzte mich wieder zügig hin.
Ida fragte gleich nach: „Etwas nicht in Ordnung?“
Ich entgegnete: „Habe mich vielleicht etwas übernommen. Scheint irgendwie eine leichte Verstimmung im Magen oder im Unterleib zu sein …“
Ida erwiderte: „Merkwürdig, du hast ja nichts gegessen, da sollte es eigentlich ruhig sein. Ich schaue mir mal deine Daten genauer an …“
Ich war einverstanden: „Gut, gerne.“
Ida analysierte und ich wartete ab. Während ich sonst nach der Wiederauferstehung einen eher etwas dumpfen Kopf hatte, was bereits abgeklungen war, war dies nun ein etwas eigenartiges Gefühl im Körper, nicht einmal dramatisch, eben nur ein leichtes Unwohlsein, mehr so ein diffuses Gefühl, das etwas nicht stimmte.
Idas Avatar reichte mir dann eine Hand: „Besser, du legst dich hin und ruhst etwas aus.“
Ich ließ mir zum Bett helfen, hakte aber nach: „Was ist denn los, was hast du gefunden?“
Ida zögerte etwas: „Ach … nichts Erzählenswertes … ist nur eine kleine Verstimmung, doch aufgrund der Wiederauferstehung, kann passieren. Wenn du etwas schläfst, geht es dir danach bestimmt schon wieder gut, nur eine vorübergehende Unpäßlichkeit.“
Ich hatte mich bereits auf das Bett gelegt, seitlich, die Beine angezogen und nickte nur wortlos, war aber unruhig und bewegte mich. Einerseits hielt mich diese rätselhafte Unpäßlichkeit auf Trab, andererseits aber auch das ungelöste Problem, wie ich auf Susanne nach deren Wiederauferstehung zugehen sollte. Das stand ja nun bald bevor und ich hatte noch immer keine Idee.
Ida schlug vor: „Ein Schlafmittel vielleicht?“
Ich nickte erneut und es dauerte nicht lange und ich dämmerte weg.
Ida hatte Recht, als ich erwachte, fühlte ich mich wirklich frisch und wohlauf. Ich rief sie. Zunächst meldete sich nur ihre Stimme, sie erläuterte, sie sei draußen und kümmere sich in einem Gewächshaus um Anpflanzungen. Sie sei gleich bei mir. Unterdessen stöberte ich etwas durch den Raum, guckte hier und da. Auch hier gab es wieder diese hübschen Mandalas auf Monitoren. Ich hatte mich ja vorher schon umgesehen, entdeckte aber nun noch mehr Details. Es interessierte mich aber deutlich mehr, was draußen los war. Ich ging zur Tür und trat hinaus ins helle, leicht gelbliche Licht von Rasol, schaute mich um. Und da kam auch schon Idas Avatar heran, winkte mich herbei und so machten wir nun schon eine etwas größere Runde durch die Kolonie, auf unserer Insel. Da Skylla ja nur eine Tageslänge von insgesamt acht Stunden hat, ist hier die Zeiteinteilung schon etwas anders als Menschen das gewohnt sind, allerdings war es bereits wieder hell und so konnten wir wieder gut spazierengehen. Ida erläuterte, daß es hier auch nachts nicht besonders dunkel sei, schon gar nicht, wenn Charybdis am Nachthimmel zu sehen sei, aber auch sonst gehe die Abenddämmerung nahezu in die Morgendämmerung über.
Wir wanderten dann einfach und gemütlich über die Insel und erkundeten so die Umgebung. Die Ais hatten gut vorgesorgt und bereits einige Fußwege angelegt. Zu transportieren hatten wir ja nicht viel, da sollte das einstweilen reichen. Und wenn etwas zu transportieren wäre, hätten wir ja auch Luftschiffe. Auf den angelegten Wegen würde es auch mit einem Fahrrad prima klappen, auch davon waren bereits welche verfügbar, eher einfach und robust für diese Umgebung ausgelegt. An einer Stelle mit schöner Aussicht über das kleine Meer bis hin zu einer anderen Küste hatten die Ais bereits eine Bank positioniert. Wir setzten uns und schauten uns die Landschaft an.
Ida wollte dann wissen: „Und wie sieht es aus, fühlst du dich wohl, wollen wir uns nun der Wiederauferstehung von Susanne widmen?
Morgen könnte es losgehen.“
Ja, mit Susanne würde ich etwas zu klären haben, das bohrte ja schon vor meinem Schlaf ordentlich in mir, ich hatte nun bei unserem Ausflug nicht daran gedacht, nun war es aber wieder ganz präsent. Es würde nun bald passieren, ich mußte mich dem stellen, aber das wußte ich ja schon länger.
So stimmte ich zu: „Klar, das ist der wohl der passende Zeitpunkt, ich werde mit ihr reden müssen. So ganz wohl ist mir nicht, da ich noch nicht so genau weiß, wie ich vorgehen soll. Aber weiteres Warten mit Ausflüchten würde das ja auch nicht ändern.“
Ida gab zu bedenken: „Vermutlich ergibt es sich ja nahezu von alleine, wenn ihr beide wach seid und miteinander redet.“
Ich hatte meine Zweifel: „Oh, meinst du wirklich?
Das wäre ja sehr erfreulich, wenn sich das sozusagen von selbst regeln würde. Ich vermute aber, ich werden da schon etwas am Schicksal herumbiegen müssen, um da elegant die Kurve zu bekommen. Verschweigen mag ich es ihr ja nicht geradezu, ich muß es irgendwie hinbekommen, jedenfalls sobald sie sich so weit von der Wiederauferstehung erholt hat, daß sie bei vollen Kräften ist. Naja, das Risiko ist dann etwas größer, daß sie mir verärgert in den Hintern tritt, aber das habe ich mir dann ja selber zuzurechnen.“
Ida fragte: „Meinst du wirklich?
Ich schätze Susanne gar nicht so aggressiv ein. Und herumbiegen?
Ob das dir richtige Idee ist?“
Ich grinste und entgegnete: „Ich meinte das beides auch eher im übertragenen Sinne. Wenn es schlecht läuft, wird sie sich wohl eher wieder zurückziehen als zu treten. Ich hoffe aber, es besser hinzubekommen. Und das Biegen naja, ist immer so eine Sache, wann man was sagt, vielleicht gönne ich ihr etwas mehr Zeit, bis ich damit herausrücke, was meinst du?“
Ida versuchte, mich aufzumuntern: „Du wirst das schon hinbekommen, da bin ich ganz zuversichtlich.
Mit der Zeit, ich glaube, das hast du besser im Gefühl als daß ich das als Ai jemals beurteilen könnte.
Morgen also?“
Ich nickte und hoffte, entgegnete: „Also dann erzählst du ihr nichts davon, daß wir Peter auferstanden haben. So hat Susanne erst einmal Zeit, sich von der Wiederauferstehung zu erholen – und die Katastrophe mit dem Absorbereinschlag muß sie ja auch noch verarbeiten, dann müssen wir ihr auch noch die Kontamination von Charybdis beichten. Ohoh, das sind keine so schönen Nachrichten, die wir ihr unterbreiten müssen. Dann schiebe ich die Information über meine Angelegenheit mit Peter noch etwas hinaus, bis sie alles andere gut weggesteckt hat.
Das ist dann meine Sache, in Ordnung?“
Ida stimmte zu: „Ja natürlich, ich weiß Bescheid und werde das dir überlassen, ich unterrichte dann auch die anderen über den Sachverhalt.“
Das war also schon einmal geklärt. In meinem Kopf formte sich nur allmählich ein vager Plan. Ich zauderte damit, was es nicht doch besser, klaren Tisch zu machen und Susanne auch meine Beziehung zu Peter gleich zu offenbaren?
Zwar mochte es ihr damit erst einmal schlecht gehen, all diese Neuigkeiten auf einmal zu verarbeiten, aber vielleicht würde die Angelegenheit mit Peter dann nicht mehr so groß erscheinen gegenüber dem Rest?
Vielleicht wäre aber das auch gerade das, was das Faß zum Überlaufen bringen würde. Ich zweifelte und zögerte, konnte mich noch immer nicht entschließen, was wirklich richtig wäre.
Einmal darüber ins Grübeln gekommen, hatte ich mehr und mehr die Tendenz, die Offenbarung über Peter erst einmal weiter hinauszuschieben. Es würde sich dann schon eine günstige Gelegenheit dafür ergeben.
Bestimmt.
Im Anschluß an eine weitere Schlafpause für mich ging es los, Esme, Hildegard und Ida bereiteten alles für die Wiederauferstehung von Susanne vor und dann begann das Prozedere. Ich war nervös und zappelte mit Beinen und Händen ziellos herum.
Dann lag Susanne auf dem Bett, ich saß daneben und hielt schon ihre Hand. Obwohl es nichts zu tun gab, wurde mir die Zeit nicht wirklich lang, in meinem Kopf kreisten hektisch die Gedanken, ob ich das hinbekommen würde oder wie. Ich hoffte aber auch erst einmal einfach auf ein freudiges Wiedersehen. Solange sie nichts wußte, würden wir erst einmal eine schöne Zeit haben, das schien mir nun auch wichtig zu sein. Immerhin mußte sie ja die Katastrophe auch noch verarbeiten, damit würden wir erst einmal genug zu tun haben. Peter wäre da doch sowieso zuviel für sie. Ich mußte sie einfach schonen. Also doch erst einmal hinausschieben, das war schon der richtige Gedanke, an dem ich allerdings noch immer Zweifel hegte, mich aber doch daran festhielt, fast wie eine Ertrinkende an einem dafür deutlich zu kleinen Holzstück.
Und dann bewegte sich Susanne endlich. Ungeduldig hielt ich ihre Hand. Aus einem Reflex heraus wohl drückte sie diese dann, bewegte sich langsam, öffnete dann die Augen, schaute mich an. Ich lächelte sie an, streichelte sie liebevoll und sanft. Mit ihrem Blick war alles drumherum um uns verflogen, alle schweren Gedanken wie weggeblasen.
Sie war wieder bei mir!
Ida hatte sich etwas in den Hintergrund zurückgezogen.
Langsam richtete Susanne sich auf, erkannte mich, wir umarmten uns, hielten uns aneinander fest. Sie brauchte etwas, bis der Blick klarer war, lächelte dann auch.
Leise noch sprach sie: „Michaela?“
Ich erwiderte ruhig: „Ja, ich bin es, es ist alles in Ordnung, komme erst einmal richtig zu dir.“
Nach einer Weile fragte sie: „Was ist geschehen?“
Ich erläuterte: „Du bist nach dem Einschlag des Absorbers auf Charybdis zusammengebrochen. Das sah alles nicht gut aus, wir mußten dich wieder konservieren. Nun aber haben wir wieder eine Perspektive, inzwischen ist viel geschehen.“
Susanne schaute mich groß an: „Die Katastrophe, ja, du meine Güte, jetzt erinnere ich mich, ja, das war zuviel für mich.
Was ist mit Charybdis?“
Ich wirbelte mit der einer Hand vage herum: „Nun, es ist viel passiert, wir sind auf Skylla!
Wir befinden uns in einem Gebäude unserer Mission, das ist unsere Kolonie.“
Susanne schaute sich verblüfft um, auch zum Fenster, wollte aufstehen, war noch etwas unsicher, ich half ihr und wir schauten dann gemeinsam aus dem Fenster.
Es dauerte etwas, dann meinte Susanne: „Sieht beinahe vertraut und wie Zuhause aus. Ganz anders als das, was ich von Skylla in Erinnerung habe. Das sieht sehr gut aus.
Aber was ist mit Charybdis?“
Ich nickte: „Der Einschlag hat die Vegetation von Charybdis hart getroffen. Nun wächst dort bereits wieder etwas, aber es ist doch alles anders als vor der Katastrophe. Den alten Zustand haben wir nicht wiederherstellen können!
Wir haben da nun eine Kombination von irdischer und charybdianischer Vegetation, wir werden auch dort Fortschritte machen, es bleibt aber noch viel zu tun.
Vielleicht setzt du dich besser wieder, dann können wir dir erzählen.
Dort ist Ida oder jedenfalls ein Avatar von ihr!“
Ich wies auf Idas Avatar, Susanne schaute und wir drei begaben uns zu Stühlen um einen Tisch herum. Ich hatte Susanne umarmt und sie hatte auch ihre Arme um mich gelegt, sich auf meinen Schoß gesetzt, sich an mich gedrückt. Ich genoß ihre Nähe so sehr und wäre eigentlich glücklich gewesen, so still mit ihr weitere Stunden zu verbringen, nur wir beide, keine lästigen Gedanken, keine Komplikationen, nur wir beide, nur hier und jetzt, nichts weiter.
Ida war ja aber auch da und war bereit, sich zu beteiligen. Und so erzählte Ida eine eher vorsichtige Version der Ereignisse nach der Katastrophe. Es nahm Susanne trotzdem sehr mit. Sie weinte und ich tröstete sie, streichelte und koste sie, küßte sogar ganz vorsichtig die tränenbenetzten Wangen, um sie etwas aufzuheitern. Sie schmiegte sich dann wieder eng an mich und hörte weiter zu.
Ida berichtete dann erst einmal bis zu meiner Konservierung nach der Katastrophe. Nach einer kurzen Pause erzählte sie dann weiter, was in den folgenden Jahren passiert war, einschließlich der Kontamination von Charybdis, also alles bevor wir den Entschluß gefaßt hatten, Peter wiederaufzuerstehen. So bekam Susanne allmählich mit, welche Schwierigkeiten sich auf Charybdis nach der Katastrophe ergeben hatten, dann aber auch, daß wir uns entschieden hatten, uns eher auf Skylla zu konzentrieren und dann schließlich hier unsere Kolonie zu errichten.
Susanne nickte, Ida berichtete über all die Versuche im Labor, die auf Charybdis heimische Vegetation wieder aufzupäppeln, die Rückschläge, die Folgen der Kontamination, aber auch die Wechselwirkungen charybdianischer und irdischer Organismen. Wir konnten die Zeit ja nicht zurückdrehen, die Katastrophe und die Kontamination rückgängig machen. Susanne akzeptierte das dann mehr oder weniger unter Tränen. Ich wischte etwas hilflos über ihre zarte Haut der feuchten Wangen, wuselte durch ihr Haar, massierte ihren Rücken, rieb innig über ihre Arme, ihre Oberschenkel.
Ida war mit ihrem Bericht zu Ende und hatte nichts von Peter erzählt, nur so gerade eben nickte ich ihr kurz zu. Ich hielt Susanne fest in meinen Armen, küßte und herzte sie weiter. Das tat mir gut, tröstete sie aber zum Glück auch etwas, half ihr, nun vielleicht mir mehr als ihr, denn sie hatte mir so gefehlt und nun war ich so froh, sie endlich wieder in den Armen halten zu dürfen, daß ich sie auch gar nicht mehr lassen wollte.
Unmöglich, da jetzt gleich mehr zu erzählen!
Da war ich mir ganz sicher, das wäre zuviel für uns beide, das würden wir jetzt beide nicht durchstehen!
Und so knuddelte ich sie weiter, sich buckte sich an. Oh wie gut mir das tat, da verflogen mir alle Zweifel und ich konzentrierte mich ganz auf Susanne. Wirklich beruhigte sie sich so allmählich, hielt sich an mir fest, ließ sich so trösten. Es brauchte aber eine Weile, bis es ihr wirklich signifikant besser ging, ich ganz zufrieden mit der erreichten Stimmung sein konnte.
Ich schlug ihr dann vor, wir könnten draußen einen kleinen Rundgang machen, die Natur genießen. Susi stimmte sofort zu. Da war gleich deutlich ein Funken Begeisterung in ihren Augen zu erkennen. Das war ihr Ding. So gingen wir gemütlich hinaus, Arm in Arm, Susanne eng an mich geschmiegt.
Da die Ais auf dem Laufenden waren, begrüßten sie Susanne mit den Avataren. Die Avatare kannte Susanne ja auch noch nicht und lobte die eleganten Erscheinungen heiter. Dann machten wir einen kleinen Gang durch die Kolonie, die benachbarte Natur. Auch das bekam Susanne gut. Hier blühte sie schon förmlich auf, gewann erheblich an Vitalität. Und ich erfreute mich an ihr und dieser zunehmenden Quirligkeit und Leichtigkeit des Seins. Oh, so sollte es doch immer sein, Susanne glücklich und in meinen Armen!
Nach der langen Zeit in der Raumstation atmete sie richtig tief durch, genoß die frische Luft, den weiten Himmel, unser grünes Inselparadies. Ich hatte an einer Stelle mit schöner Aussicht bereits etwas vorbereitet und wir setzten uns und erfreuten uns an der Aussicht und der umgebenden Vegetation. Ja, hier war Susanne die schönste Blume der Insel, das zarteste und kostbarste Pflänzchen in unserem Garten. Oh wie erfreute ich mich daran, sie neben mir blühen zu sehen, zu erleben, wie sie sich in der Sonne streckte und das Licht in sich aufsog, um von innen heraus zu strahlen. Mehr brauchte ich nicht. Könnte ich diesen Moment einfangen und aufbewahren, ich hätte es bestimmt getan, um immer wieder so glücklich zu sein, um immer wieder so frisch und frei und einig mit ihr zu sein.
Abends lagen wir dann zusammengekuschelt im Bett, liebkosten und küßten uns. Das hatte mir so gefehlt und nun genoß ich einfach nur durch jede Pore, Susanne wieder bei mir zu spüren. Sie mußte ja noch den Anzug tragen, was etwas störte, aber ich genoß es so schon in vollen Zügen, daß sie mir wieder so nah war, wir so innig vereint waren.
Einstweilen verdrängte ich nahezu, daß ich ihr ja eigentlich auch noch über Peter berichten mußte.
Susanne meinte dann: „Hinsichtlich der Katastrophe grübele ich noch immer.
Hätten wir das vermeiden können?
Haben wir zu unvorsichtig gehandelt?
Haben wir an allem Schuld?
Ich empfinde das so.“
Ich erwiderte: „Wir können es nicht ungeschehen machen. Und natürlich, es war eigentlich meine Idee, die Absorber so zu verwenden und damit so massiv in dieses Sonnensystem einzugreifen. Und dann auch der Eisring um Skylla – eigentlich auch meine Idee. Somit bin ich auch verantwortlich für die Katastrophe.
Willst du also jemanden anklagen, dann doch eher mich!“
Susanne meinte aber: „Nun, ich habe es nicht geschafft, in die Rettungskapsel zu steigen, so konnten wir den defekten Absorber nicht mit der Raumstation von Charybdis wegrammen. Ich habe viel zur Optimierung und zur Organisation der Arbeitsabläufe beigetragen, sowohl beim Einsatz der Absorber, beim Aufräumen des Streufeldes Wotan und auch des Asteroidengürtels Freki. Und auch beim Projekt Sintflut samt Eisring habe ich bei den Modellen und Abläufen optimiert und organisiert. Es ist doch letztlich die Umsetzung einer Idee, die darüber entscheidet, ob es funktioniert. Somit bin ich doch verantwortlich, wenn dann etwas schiefgeht von dem, was ich besser hätte planen müssen, um das zu verhindern. Ich hätte vorhersehen müssen, daß etwas schiefläuft, weil eben immer etwas schiefgeht. Das ist nicht zu vermeiden. Man darf nicht nur für den Optimalfall planen und optimieren, gerade in der Berücksichtigung von überraschenden Zwischenfällen liegt doch die Aufgabe, die Planung solcher Projekte wirklich gut hinzubekommen. Ein Projekt muß stabil und robust auf Störungen reagieren, statt die Probleme noch zu vervielfältigen.“
Ich meinte dazu: „Nun, das ist alles viel zu komplex, für uns und auch die Ais, wir können nicht alles vorhersehen und alle Eventualitäten berücksichtigen. Es ist auch längst etwa nicht sicher, daß es Charybdis gerettet hätte, wenn die Station den defekten Absorber hätte rammen können. Vielleicht hätten wir damit nur wenig Zeit gewonnen und dann wäre der ganze Schrott samt Raumstation auf Charybdis gestürzt. So wäre der Planet erst recht kontaminiert worden, schon früher als es so passiert ist. Wir hatten es nicht richtig im Griff, es wäre eine pure Verzweiflungstat gewesen, die uns die Raumstation gekostet hätte.
Dein Zögern ist menschlich, das solltest du dir nicht vorhalten.
So ist das Leben nun einmal. Wir haben nie die komplette Information, die vollständige Kontrolle, nichts ist perfekt und ohne Fehler oder Überraschungen, wir wissen nicht genau, welche Aktion zu was führen wird. Wir haben immer nur unser einfaches Modell, unsere vereinfachte Sicht der Dinge, die nicht alles berücksichtigt. Das ist nicht zu vermeiden. Es wird immer zu Unfällen kommen, zu Fehlern. Daß die Katastrophe nun so gravierende Folgen hatte, war nicht vorherzusehen. Und doch haben wir natürlich unseren Teil der Verantwortung zu tragen. Wir waren beteiligt. Wären wir nicht mit dieser Mission hierhergekommen, wäre das alles nicht passiert. Die Verantwortung werden wir auch nicht mehr los. Und doch müssen wir ja irgendwie weitermachen. Eigentlich kann man nicht nichts machen, nicht nicht wirken. Selbst wenn wir nichts tun, hat das doch immer einen Einfluß auf die Welt. Und tun wir nichts, tun es andere, beziehungsweise alles entwickelt sich auch ohne uns weiter, nur eben in eine etwas andere Richtung oder gar in eine völlig andere Richtung. So hängt es an uns, das Bestmögliche daraus zu machen, zu leben. Zum Leben gehört auch versagen und scheitern. Auch das ist nicht zu vermeiden. Das gehört zum Leben dazu. Es wäre unsinnig, das zu leugnen.“
Susanne meinte: „Nun, du bist stark und entschlossen, voller Selbstvertrauen. Du kannst das. Ich habe immer Zweifel. Und wenn dann sowas passiert, mag ich einfach nicht mehr. Zurückgeworfen auf meine Beschränktheit, meine Unfähigkeit, fühle ich tief in mir die Schuld für all dies, wo ich versagt habe.“
Ich erwiderte: „Ja, aber wir können nur versuchen, es das nächste Mal besser zu machen. Nichts tun ist keine Option, die zu etwas führt. Nun müssen wir mit dem leben, was inzwischen ist. In der Vergangenheit, der Schuld zu leben, hat keinen Zweck. Sich seiner Schuld und Verantwortung bewußt zu sein, ist richtig und wichtig. Aber nun leben wir im Jetzt, planen für die Zukunft, trotz unserer Beschränktheit und der Schuld der Vergangenheit. Und du bist ja nicht allein. Ich bin bei dir.
Wir sind zusammen!“
Susanne drückte sich eng an mich, hielt sich an mir fest.
Unsere Stimmung war gedrückt und so kosten und küßten wir uns nur sanft, umarmten und streichelten uns, aber diese Nacht wollte es nicht so richtig knistern zwischen uns, zu ernst war das Gespräch gewesen. Und mich drückte auch das Gewissen, daß ich Susanne noch immer nichts von Peter erzählt hatte. So brauchten wir noch etwas, um uns zu entspannen, um dann doch einzuschlafen.
Die folgenden Tage erholten sich Susi erst einmal von der Konservierung, ich machte sie gleichzeitig mit unserer neuen Heimat, der Kolonie vertraut, aber auch mit den sonstigen Daten der Mission, etwa von Körk über die Absorber und den Asteroidengürtel, auch mit den Daten von Stanis und Asi, den sonstigen Aktivitäten auf Skylla und Charybdis.
Auch Susanne war nun wieder voll dabei, hatte sich von dem Schock der Katastrophe ganz gut erholt, für sie lag diese ja nur Tage zurück, für mich schon deutlich länger, für die Ai hingegen war das längst Vergangenheit. Es braucht dann nach einer Konservierung und Wiederauferstehung eben immer etwas, bis man sich ganz damit zurechtfindet, was inzwischen alles ohne einen gelaufen ist. Ich hatte das ja nun schon mehrfach mitgemacht und fand es eher erstaunlich, wie schnell ich mich darauf eingestellt hatte, immer mal wieder in einem deutlich anderen Umfeld aufzuwachen. Nun jedenfalls konnten wir hoffen, daß uns das in Zukunft erspart bleiben würde. Nun würden wir hoffentlich in unserer neuen Heimat endlich leben können.
Noch immer hatte ich Susanne nichts von Peter erzählt.
Als ich kurz alleine war, fragte mich Ida diesbezüglich.
Ich wiegelte ab, meinte, ich würde Susanne eben noch etwas Zeit geben, es gäbe ja keine Eile mit Peter, da sei etwas mehr Ruhe für Susanne doch ganz in Ordnung.
Ida äußerte sich dazu: „Also, du kennst dich sicher besser damit aus, wie mit Menschen umzugehen ist. Ich habe aber doch allmählich meine Zweifel. Je länger du das klärende Gespräch aufschiebst, desto mehr nimmst du Susanne doch die Möglichkeit, zur richtigen Zeit selbständig darauf zu reagieren. Du verschweigst ihr etwas, was für sie bezüglich eurer Beziehung wichtig sein könnte, mehr noch, sicherlich sein wird. Du verhältst dich ihr gegenüber aber so, als habe es das Intermezzo mit Peter gar nicht gegeben.
Was meinst du, wie lange das gutgehen kann?“
Die Frage drückte mich natürlich auch schon die ganze Zeit, ich war auch beeindruckt, daß Ida das nun so äußerte, das sollte für mich eigentlich ein Signal sein, etwas zu unternehmen. Ida und auch die anderen Ais sind ja nicht so einfühlsam und empathisch, wenn Ida aber schon den Eindruck hatte, ich würde mich drücken, konnte ich das wohl selbst noch kaum vor mir leugnen. Und das war mir unangenehm. Ida hatte mich auf etwas aufmerksam gemacht, was ich ja längst ganz genau wußte. Ich drückte mich feige vor der heiklen Beichte, weil ich nun mit Susi glücklich war, obwohl gleichzeitig dieser dicke Stein durch meine Eingeweide zu kollern schien, obwohl längst das schlechte Gewissen drückte.
Trotzdem wiegelte ab, bemühte mich dabei um einen heiteren, unbeschwerten Tonfall.
Ob mir Ida das wirklich abnahm, jedenfalls antwortete ich also: „Jaja, ich kümmere mich schon darum. Susanne hat gerade erst die Katastrophe und die Kontamination verarbeitet, es geht ihr wieder gut, da fällt es mir schwer, schon wieder ihre Nerven zu strapazieren.“
Ida lenkte leider zu schnell ein, in solchen Sachen konnte man sie einfach beeindrucken und überzeugen: „Also gut, ich vertraue darauf, daß du das richtige Maß findest. Du solltest den Bogen nur nicht überspannen.“
Und diese Mahnung war nun schon wieder ein Warnsignal für mich, welches ich nun nicht geradezu ignorierte, aber auch nicht wirklich tiefgründig durch meinen Kopf kreisen ließ.
Ich versicherte: „Nein nein, bestimmt nicht, bekomme das schon hin!“
Und ich lobte, auch um abzulenken: „Sprichworte hast du inzwischen ja auch schon ganz gut drauf.“
Ida entgegnete: „Ich habe etwas mehr recherchiert, ein paar verstehe ich nun hoffentlich gelegentlich mal passend anzubringen.“ Ich entgegnete, weiter erfolgreich ablenkend: „Ja, das gefällt mir gut, so bekommt die Konversation gleich etwas mehr Pep.“
Ida fiel wirklich darauf herein und erläuterte: „Wir haben ja viel Routine darin, mit Sprache umzugehen, Berichte zu verfassen, zu formulieren. Ich habe allerdings festgestellt, daß es für solche Situationen mit lebendigem Dialog viel wichtiger ist, sich wirklich oft mit Menschen zu unterhalten, um besser zu lernen, wie man spricht, wie man miteinander spricht und die Rede ausschmückt.“
Ich lachte, ermunterte sie, dieses Konzept weiter zu verfolgen, tätschelte dabei die Stelle am Avatar, die einer Schulter am nächsten kam. So hatte ich auch dieses Gespräch erst einmal wieder gut gemeistert.
Susanne konnte bald wieder ihren Anzug ablegen. Und natürlich hatten wir beide Lust und vergnügten uns in der Folge ungehemmt leidenschaftlich. Und das tat so gut, sie zu spüren, zu genießen, mit ihr glücklich zu sein. Es fühlte sich so gut an, ihre zarte Haut zu spüren, ihre Wärme, auch feuchte Hitze der Erregung, ihr Keuchen und Stöhnen in Ekstase wieder zu erleben. Es kochte und brodelte in mir und auch in ihr und wir erfreuten uns daran, dies Feuer durch innige Reiberei zu nähren und zu fördern. Ich erforschte erneut ihren Leib, ihre Reaktionen, entdeckte Neues, erinnerte mich. Wir rieben uns aneinander, schubberten und klebten zusammen in purer Lust und Ekstase. Ich verwöhnte sie, versank mit dem Kopf zwischen ihren Schenkeln, um sie von Höhepunkt zu Höhepunkt zu treiben. Ich war dabei wie von Sinnen und Susi hatte längst die Kontrolle über sich verloren, schwebte nur noch auf einer Welle der Lust, sie zuckte, vibrierte, pulste, in ihr war alles entfacht, sie stöhnte und schrie es heraus, wie ich es bei ihr noch nicht erlebt hatte, was mich noch weiter antrieb, sie an ihre Grenzen zu bringen, dann auch darüber hinaus, denn dann sackte sie mit einem tiefen Seufzer in sich zusammen, daß ich doch sehr erschrocken war. Ihr Körper zitterte noch von der Ekstase, bebte, es ebbte irgendwie nur langsam ab, sie hatte die Augen geschlossen, den Kopf zur Seite gelegt. Längst hatten ihre Finger schon nicht mehr durch meine Haare gewuselt, um mir zu erkennen zu geben, wie gut es ihr ging. Ich hatte es übertrieben, schob mich zügig an ihr hoch. Ganz ohnmächtig war sie nicht. Ich stupste sanft mit meiner ihre Nase, stupste weiter, bis sie reagierte, sanft lächelte, mich alsgleich umarmte, aber ganz schwach und völlig erschöpft, jedoch sehr zufrieden, aufgelöst, abgehoben, nicht mehr ganz da und mir doch so nah. Es dauerte eine Weile, in der wir eng aneinander klebten und ich einfach nur versuchte, sie mit einem langen Kuß und einer damit verbundenen Atemübung zu beruhigen, zu entspannen. Das gelang letztlich und unser Atem synchronisierte sich bald im Gegentakt, Susi wurde ganz ruhig in meinen Armen, schlief dann bald selig ein.
Natürlich drückte es mich noch immer, daß ich ihr noch nichts erzählt hatte. Vielleicht hatte Ida Recht und ich hatte den Bogen längst überspannt.
Ich genoß aber lieber und wir machten uns sehr schöne Tage, hatten reichlich Sex und tauschten sehr häufig Zärtlichkeiten aus, berührten uns sehr häufig, waren uns immer nah. Irgendwie versuchte ich das alles zu kompensieren und kümmerte mich auch deswegen noch einmal deutlich mehr um Susannes Wohlbefinden, um die Befriedigung ihrer sexuellen Bedürfnisse, um alles, womit ich sie glücklich machen konnte, was sie zu entspannen vermochte, zu erfreuen, was sie glücklich lachen ließ, was uns beide im Hier und Jetzt einfach leben ließ. In solchen Momenten wollte ich nichts anderes mehr, als im Hier und Jetzt zu leben, wollte alles um uns herum vergessen.
Wir lagen zusammen am Strand und sonnten uns, um dann einander zu genießen. Wir badeten gemeinsam in einem kleinen See, um dann wild übereinander herzufallen. Wir hörten Musik und liebten uns im Takt, im Rhythmus mal sanfter, mal schneller, roher Klänge. Es war ein einziger Rausch der Sinne. So hätte es eigentlich gut weitergehen können.
Peter vermißte ich allerdings inzwischen durchaus, er war mir ja nun nicht gleichgültig. Und immer schwerer drückte das schlechte Gewissen, meine Beziehung mit Peter Susanne noch immer verschwiegen zu haben.
Wir arbeiteten ja auch an den Projekten weiter. Susanne hatte sich in einige Sachen eingearbeitet. Dann bat sie mich, einmal auf ihre Anzeige zu schauen, sie habe da etwas, was sie nicht verstehen könne. Ich schaute. Sie hatte sich mit Aufzeichnungen beschäftigt, die unsere Aktivitäten auf Charybdis betrafen. Da fanden sich nun auch Aufzeichnungen und Ergebnisse von Peter!
Mir schlug das Herz bis zum Hals!
Ich stotterte dann verlegen und mit schwirrendem Kopf: „Wir sollten hier mal eine Pause machen. Vielleicht setzen wir uns draußen hin?“
Susanne schaute mich an, zog die Augenbrauen herunter: „Was hast du?
Was ist denn los?
Und was bedeutet das alles?“
Ich zog sie schon hoch und hinaus, nur weg von den verräterischen Aufzeichnungen. Immerhin, Susi folgte und irgendwie liefen wir fast, erst durch den Koloniegarten und etwas weiter bis zu einer Bank mit einer schönen Aussicht über die Gegend. Wir setzten uns, beide atmeten wir etwas schneller und mir wirbelten die Gedanken durch den Kopf. Nun mußte es wohl heraus. Ich schaute Susanne tief in die Augen, sie schaute mich fragend an.
Einen Moment verschnauften wir noch. Dann sagte ich so ruhig ich konnte: „Ich muß dir etwas erzählen, beichten …“
Susanne unterbrach: „Beichten?
Was ist denn los?
Ich verstehe das alles nicht.
Was waren das für Aufzeichnungen?
Wieso?“
Das waren nun viele berechtigte Fragen, die sich mir nun aufdrängten, auf die ich eigentlich so gar keine Lust hatte. Aber darum ging es nun längst nicht mehr, meine Aufgabe war nun, das wieder irgendwie hinzubiegen, die Situation irgendwie zu retten, es endlich auf die Reihe zu bekommen, wieder selbst die Initiative zu haben, es im Griff zu haben, was mir nun doch längst entglitten war!
Ich entgegnete so nur etwas hilflos, leise und unsicher: „Ja … also …
du warst nach der Wiederauferstehung so mitgenommen …
mußtest noch die Katastrophe mit dem Absorbereinschlag verarbeiten …
auch die Kontamination von Charybdis …
Da wollte ich dir das für ein paar Tage ersparen …
Und dann hat sich irgendwie die Gelegenheit nicht ergeben …
Wir haben uns gleich wieder so innig gefunden, haben so gut harmoniert …
da habe ich mich irgendwie nicht getraut …“
Susanne stupste mich gegen den Arm: „Aber was ist denn nun los?“
Ich atmete tief durch, dann begann ich zu erzählen: „Also gut.
Nach der Kontamination meinten wir, es wäre eine gute Idee, Hilfe zum Projekt hinzuzuziehen. Wir wollten ja Charybdis irgendwie noch retten und wollten neue, frische Ideen. Wir hofften auch, daß es dir über den Schock helfen würde, wenn wir nach der Katastrophe Charybdis wieder mit einer vielfältigen und heimischen Vegetation ausstatten könnten.“
Susanne hatte die Augen weit geöffnet, erwiderte nur: „Ja?
Ja, das wäre doch toll!“
Ich entgegnete: „Gut, daß du das auch so siehst, daß wir das richtig eingeschätzt haben.
Also … also … deswegen haben wir dann entschieden, Peter hinzuzuziehen und haben ihn wiederauferstanden.“
Susanne rückte etwas von mir ab, sah mich aber immer noch an: „Peter?
…
den Peter?“
Ich schaute etwas verlegen zur Seite und senkte den Blick: „Ähm … ja … den Peter …“
Susanne kniff die Augen etwas zusammen und stieß hervor: „Oh … oh … und … und warum hast du mir das nicht schon früher erzählt, wo ist er?“
Ich erwiderte: „Ist noch konserviert, hmmm, also zusammen mit mir wurde er konserviert, wir haben und dann geeinigt, daß ich mich erst einmal um dich kümmern soll, wenn es mit der Kolonie soweit ist.“
Susanne nickte: „Ja, gut …“
Ich seufzte und fuhr fort mit meiner Beichte, beziehungsweise begann sie eigentlich erst: „Also … also er ist wirklich sehr nett und auch so süß wie wir uns das schon gedacht hatten, als wir uns seine Daten angesehen haben …“
Susanne rückte etwas von mir ab, wir berührten uns nicht mehr, sie schaute mich an, ich hatte den Blick gesenkt.
Susanne hatte ihre Stimme gesenkt, preßte heraus: „… so süß …
Was? …“
Ich atmete tief durch, seufzte und sprach es aus: „Also gut, also gut, ich konnte nicht widerstehen und habe etwas mit ihm angefangen!“
Ich schaute, wie Susanne es aufnehmen würde, diese war aber geradezu wie gestochen hochgesprungen, war zurückgewichen, hielt die Hände abweisend vor sich, gegen mich gerichtet. Ich fuhr mir durch die Haare, preßte heraus: „… bitte …“
Susanne aber schüttelte den Kopf und rannte einfach los. Ich war wie erstarrt, starrte ihr nur nach, einige hervorschießende Tränen trübten mir den Blick.
Mache einen Vorschlag, was Michaela tun sollte.
Suboptimal
Obwohl ich ja bereits wußte, daß es wieder deutlich anders sein würde, war ich dann doch erneut überrascht, als ich nach meiner Wiederauferstehung die Augen öffnete. Ich kannte das schon, anfangs war die Koordination etwas eingeschränkt, nach dem Öffnen der Augen schärfte sich der Blick auch nur langsam. Eine Gestalt saß bei mir, wie ich nun merkte, hielt sie auch meine Hand, drückte sie nun sanft. Mein Blick wurde langsam klarer, es war Susi!
Ich war überrascht.
Susi begrüßte mich: „Hallo Michaela, es freut mich, daß du wieder bei uns bist. Schön, dich wiederzusehen!“
Mein Kreislauf ging gleich hoch, ich fühlte mich gleich wacher, fragte mich aber schon, wieso Susi vor mir wiederauferstanden worden war. Sie sah auch irgendwie etwas fraulicher, weicher aus, auf gar keinen Fall weniger anziehend als früher, aber doch irgendwie leicht verändert, aber sehr angenehm anzuschauen. Sie wirkte allerdings ernst.
So entgegnete ich: „Hallo auch. Ich bin erstaunt, dich bereits wach zu sehen, damit hatte ich nicht gerechnet.“
Susi streichelte meine Schulter und erwiderte: „Oh ja, stimmt, damit konntest du nicht rechnen, aber es ist viel passiert …“
Ich unterbrach verblüfft: „Und ich war gar nicht dabei!“
Susi wirkte etwas unsicher: „Ähm ja, ja, ja, ich … ich weiß gar nicht so genau, wie ich das alles erklären soll …“
Das hörte sich irgendwie schon beunruhigend an, verwirrend, aber ich mußte mich wohl gedulden, bis Susi es heraushatte. Ich schlug vor: „Also entweder der Reihe nach oder die wichtigsten Sachen zuerst?“
Susi wirkte immer noch ein wenig ohne Konzept: „Jaja, natürlich, sollte für dich nur irgendwie einen Sinn ergeben.
Also gut, nach Peters und deiner Konservierung lief die Mission erst einmal wie abgesprochen weiter, die Ais forschten auf den vorgeplanten Pfaden. Etwa zwanzig Jahre nach eurer Konservierung haben sie dann aber jenseits des Labors auf Charybdis etwas Überraschendes entdeckt, eine symbiotische Kombination von irdischen und charybdianischen Arten, naja, können dir Peter, Hildegard, Ida oder Esme vermutlich später genauer erklären, ist ja auch erst einmal nicht so wichtig. Jedenfalls hielten die Ais das für relevant genug, um Peter hinzuzuziehen. Sie hatten wohl auch bei seinen mikrobiologischen Ideen inzwischen gute Fortschritte gemacht. So war Peter dann jedenfalls wieder dabei und hat sich eifrig beteiligt. Als Biologe war er dann hinsichtlich der Effizienz bei der Umsetzung neuer Ansätze etwas überfordert, so ist man dann auf die Idee gekommen, mich hinzuzuziehen, um ihm zu helfen. Naja, da es nach der Katastrophe zu meiner Konservierung ja wirklich Fortschritte gab, meinte man, mir das zumuten zu können. Nach der Wiederauferstehung habe ich wirklich etwas gebraucht, um mich zu stabilisieren, ging dann aber ganz gut. So habe ich dann fleißig mitgearbeitet.
Wir hatten schon im Gespräch, dich auch wiederauferstehen zu lassen.
Irgendwie hat sich dann aber alles überschlagen.
Ich fand Peter gleich ganz toll und er mich auch, hat mir auch gut über meine Krise direkt nach der Wiederauferstehung hinweggeholfen, war dabei ganz korrekt und sehr aufmerksam. Das hat mir sehr gutgetan.
Die Arbeit am Projekt hat mich sowieso etwas von meinen Problemen, dem Schock nach der Katastrophe abgelenkt. Wir haben dann natürlich auch immer eng darüber zusammengehockt, haben eifrig geplant und gearbeitet. Ich habe viel gelernt und konnte auch einige nützliche Dinge beitragen. So hatten wir reichlich zu tun, waren intensiv beschäftigt, das alles gut hinzubekommen.
Wir sind uns so sehr schnell sehr nahegekommen. Und es hat uns dann irgendwie überwältigt, unkontrollierbar hat sich das spontan entwickelt, ist hervorgebrochen, von einem ersten zaghaften, freundschaftlichen Kuß ist das dann irgendwie gleich ausgeufert. Nun was soll ich sagen, das war ungezügelt, leidenschaftlich, sehr intensiv.
War es ja bei uns eigentlich auch, doch irgendwie anders, Peter ist auch anders als du, von daher schon nicht vergleichbar und so das eine dem anderen nicht direkt vorzuziehen. Du warst ja ohnehin nicht da und wo uns das so überwältigt hat, sind wir da auch irgendwie ganz von abgekommen, uns mit deiner vorzeitigen Wiederauferstehung zu beschäftigen.
Was kann ich sagen … ähm … äh … es war eben sehr intensiv … sehr lustvoll und so … und dann … und dann … dann hat sich herausgestellt, daß ich von ihm … schwanger bin. Ja … das war … überraschend … verblüffend … aber auch sehr intensiv … schön …“
Sie schwieg nun und ich atmete schnell und mit offenem Mund, konnte nicht fassen, was sie mir da gebeichtet hatte.
Das traf mich wirklich hart.
Ich meine, natürlich war Peter sehr süß und verlockend, aber daß die beiden gleich so übereinander hergefallen waren?
Ich konnte mich mit Peter doch auch zurückhalten.
Oder war das zuviel für Peter gewesen und bei Susanne konnte er sich nicht mehr bremsen?
Und Susanne, wir waren uns doch so nahe und nun solch eine dramatische Wende. Irgendwie fühlte es sich plötzlich an, als sei ich im freien Fall.
Ich stieß dann irgendwann nur hervor: „Oh!
Donnerwetter!“
Susanne nickte erst nur stumm, dann meinte sie: „Ja, ja, es tut mir sehr leid.
Ich mag dich doch.
Ich mag Peter aber auch sehr.
Und wir haben nun eine Tochter, Melanie.
Es ist so viel passiert.
Als wir das mit der Schwangerschaft erfahren haben, haben uns die Ais darüber informiert, daß es wichtig sei, das Kind auszutragen, erst danach wäre eine Konservierung von uns dreien problemlos möglich.
So machten wir also weiter.
Dann kam eben Melanie.
Und es fühlte sich so gut an, also es war nicht alles leicht mit der Schwangerschaft, der Geburt und so. Ich hatte da in der Zeit schon auch ein paar Probleme mit meiner Selbstwahrnehmung aufgrund der Veränderungen, hat sich allerdings wieder stabilisiert. Und auch mit einem Kleinkind ist es nicht so leicht, aber es war doch so schön, sie zu haben, zusammen zu sein.
Wir waren glücklich.
So ließen wir uns noch etwas Zeit.
Da klar war, daß Melanie nun auch nicht allein mit uns auf der Raumstation aufwachsen sollte, ließen wir uns dann aber doch irgendwann konservieren, als der Fortgang der Projekte durchgeplant und im guten Fortschritt war, die Ais gut so weitermachen konnten. Naja, draußen auf Charybdis ist es etwas chaotischer verlaufen als gedacht, aber Details darüber wirst du später schon noch erfahren, es entwickelt sich dort jedenfalls auch wieder.“
Ich seufzte nur als Antwort und fühlte in mir einen dumpfen Schmerz, ein Gefühl der Verlorenheit.
Susanne fuhr dann nach einer kurzen Pause fort: „Also, wir hatten mit den Ais abgesprochen, Peter und mich dann doch zuerst zu wecken, wenn die Kolonie auf Skylla bezugsfertig sei. Das ist dann auch passiert und dann waren wir hier auf Skylla in der Kolonie, also Peter und ich erst, ein paar Tage später wollte ich Melanie dann auch bei mir haben.
So haben wir uns dann eingelebt.
Die Ais haben hier Avatare.
Die haben sich auch gerne um Melanie gekümmert.
Das funktioniert gut.
So hatten Peter und ich dann auch wieder etwas mehr Zeit für uns. Was kann ich sagen, ich war dann gleich wieder schwanger, noch bevor wir zu deiner Wiederauferstehung gekommen waren.
Jedenfalls haben wir diese dann natürlich endlich in Angriff genommen. Und nun bist du hier. Und weil sich das alles so entwickelt hatte, wollte ich natürlich bei dir sein und dir das erzählen. Fällt mir nicht so leicht, aber weil ich dich auch sehr mag, wollte ich mich auch nicht drücken oder das weiter verzögern, dich da auf den aktuellen Stand zu bringen …“
Susanne seufzte, wirkte sehr unsicher, schaute mich kurz an, dann wieder weg, dann aber doch wieder zu mir, wartete nun vermutlich darauf, was ich dazu sagen würde.
So herrschte ein paar Minuten Stille, wo unsere Gedanken in unseren Köpfen kreisten. Ich wußte nun gar nicht mehr, woran ich war, fühlte mich so abgehängt. Alles war an mir vorbeigegangen, ohne Chance, darauf zeitnah reagieren zu können. Innerlich verfluchte ich diese Konservierungstechnik, hatte aber gleichzeitig Lust, mich gleich wieder konservieren zu lassen. Was für eine unglaubliche Entwicklung.
Irgendwann flüsterte ich nur ganz unsicher: „Und … und … und … was ist mit uns?
Wie … wie hast du dir das gedacht?
Wie es weitergehen soll?
Was passiert nun?“
Susanne hatte Tränen in den Augen, streichelte eine meiner Schultern ganz sanft, was ich unter anderen Umständen sehr genossen hätte, so ließ ich es nur wortlos zu, schaute sie an, erwartete von ihr eine Antwort.
Die gab sie dann nach einigem Zögern: „Also … also … ich mag dich selbstverständlich noch immer sehr.
Ich mag dich, ich … du … also … es überfordert mich … es ist so viel passiert, Peter, Melanie, die erneute Schwangerschaft.
Mehr … mehr schaffe ich nicht.
Ich will so sehr, daß du meine Freundin bist und bleibst …
Mehr … mehr schaffe ich aber nicht.
Ich kann nicht … ich …
Meine Familie, Melanie, Peter, bitte, bitte, es tut mir leid …
bitte nicht böse sein … ich kann doch nicht … das schaffe ich nicht …“
Sie weinte und hatte ihre Hand nun von meiner Schulter genommen, beide Hände vor ihr Gesicht gedrückt. Mir lief nun auch eine Träne über die Wange, dann mehr.
Ich hätte sie greifen, umarmen wollen, schütteln, hätte zornig sein wollen, wütend, worauf?
Auf sie?
Auf Peter?
Auf mich?
Auf die ganze Mission?
Ich wußte es nicht mehr und blieb nur schlaff liegen und wollte nicht mehr.
Ich fühlte mich dem so ausgeliefert, plötzlich so allein und hilflos, wie mir das gar nicht lag, daher umso erschreckender.
Irgendwann riß ich mich dann so halbwegs zusammen und sagte: „Schon gut.
Freunde.
Ich brauche etwas Zeit für mich.
Vielleicht, vielleicht kümmerst du dich jetzt besser wieder um Melanie und Peter, deine Familie, kannst sie doch nicht so lange im Stich lassen.
Ich brauche etwas Zeit für mich … Zeit für mich …
Ist in Ordnung, bitte.
Wenn ich etwas wissen will, rufe ich dann Ida für genauere Informationen und so …“
Susanne hatte nur etwas die Hände am Gesicht heruntergezogen, schaute mich mit verheulten Augen an, stand dann auf, nickte noch kurz und lief dann hinaus.
Ich war allein, interessierte mich nicht groß, krümmte mich nur zusammen und weinte noch etwas und fühlte mich sehr schlecht.
Es gab schon Fenster, wo ich hätte hinaussehen können, hatte nur so nebenbei Himmel und grüne Vegetation gesehen. Das wäre sonst schon sehr aufregend gewesen, nun aber versank ich nur in mir selbst und wollte davon erst einmal gar nichts sehen.
Später riß ich mich dann so halbwegs zusammen. Susanne hatte mich ja nur einmal gerade so eben mit persönlichen Neuigkeiten vertraut gemacht. Nachdem das für mich nicht so toll gelaufen war, dachte ich mir, Ida könnte mir vielleicht wenigstens eine plausible Zusammenfassung der sonstigen Ereignisse geben.
So fragte ich einfach mal in den Raum hinein: „Ida?“
Ida antwortete wirklich gleich: „Hallo Michaela.
Ich hoffe, es geht dir den Umständen entsprechend ganz gut?“
Ich brummte und erwiderte: „Naja, gut?
Ich vermute, du bist ungefähr im Bilde darüber, was mir Susanne offenbart hat?“
Ida bestätigte: „Ja.
Es ist sicher nicht so ganz einfach für dich, damit umzugehen. Ich bedauere für dich, wie sich das entwickelt hat. Aber das ist nun nicht mehr zu ändern.“
Ich nickte: „Da stimme ich dir zu.
Ansonsten ist Susannes Begrüßung auch etwas konfus verlaufen. Also bei den Nachrichten war das zwar dann auch nicht mehr so wichtig, doch irgendwie bin ich über die persönlichen Beziehungen hinaus immer noch nicht wirklich im Bilde. Gut, wir sind auf Skylla in der Kolonie. Die habt ihr damit sicher gut umsetzen können. Und sonst, was ist sonst los?“
Ida entgegnete: „Ich bin gleich mit meinem Avatar bei dir, dann berichte ich.“
In der Wartezeit sendeten mir auch die anderen Ais Grußbotschaften. Diese hielten sie relativ kurz, aber freundlich.
Dann kam Ida herein. Sie stellte ihren Avatar gleich vor: „Ich bin es, Ida, also jedenfalls hier in der Kolonie mein Avatar, wir haben uns gedacht, es wäre so ganz sinnvoll, ähnlich wie ein Mensch zu erscheinen, aber doch eindeutig zu unterscheiden. Esme, Hildegard, Körk und ich haben uns also leicht unterschiedliche, gut unterscheidbare Avatare zugelegt …“
Ich kommentierte ungerecht gleichgültig: „Ja, sieht gut aus, das habt ihr gut hinbekommen.“
Ida fuhr fort: „Danke für das Lob.
Gut, was die Mission anbelangt, wir haben dann erst einmal wie abgesprochen weitergemacht. Das lief so weit alles gut ab, wir haben da keine größeren Probleme gesehen, die es erfordert hätten, einen von euch hinzuzuziehen. Wir sind so weit eigentlich gut weitergekommen. Die Aufgaben auf Skylla und Charybdis waren schon sehr anspruchsvoll. Insgesamt sind seit deiner letzten Konservierung 118 Jahre vergangen. In der Zeit hat sich die Vegetation hier auf Skylla aber sehr gut und vielfältig entwickelt. Und auf Charybdis haben wir ebenfalls deutliche Veränderungen festgestellt. Zu unserer Überraschung haben wir da irgendwann neue irdische Organismen gefunden. Verblüffend war dann auch eine Korrelation der Standorte dieser Arten mit charybdianischen Pflanzen, die dort nun ebenfalls von selbst wuchsen. Die charybdianischen Pflanzen waren zwar nicht besonders stattlich, aber doch vital. Wir untersuchten das natürlich weiter. Was wir fanden, war dann verblüffend, die charybdianischen Pflanzen lebten symbiotisch zusammen mit irdischen Pilzarten, die leicht mutiert waren. Die Mutationen hatten die Symbiose erleichtert. Das funktionierte noch nicht sonderlich gut, schien uns aber immerhin ein Anfang zu sein. Von den Pilzen fanden wir zunächst nur lokal etwas, im weiteren Bereich auch nicht mutierte Typen davon. Bemerkenswert an dem Fund war auch, daß die Organismen zwar zur ursprünglichen Impfung des Eisblocks gehörten, der für Skylla bestimmt war, dann aber von einem anderen Eisbrocken getroffen wurde, worauf er zersplittert wurde und später dann zur Kontamination von Charybdis geführt hat. Mit der Geschichte bist du ja vertraut.
Jedenfalls hatten wir diese Pilze in der frühen Phase der Kontamination nicht gefunden, nun waren sie aber lokal da. Eine plausible Hypothese war dann, daß es Jahre nach der ersten Kontamination eine weitere gegeben hatte. Der Eissplitter mit diesen Pilzen war vielleicht durch Strahlung mutiert, aber nicht zerstört worden. Das war dann jedenfalls ein unwahrscheinlicher Glücksfall für die charybdianischen Pflanzen. Da wir es bis dahin nicht mit mutierten oder in der Form gentechnisch veränderten Organismen probiert hatten, schien uns das schon interessant genug zu sein, um weiter zu untersuchen. Da wir allerdings den Entschluß gefaßt hatten, die Entwicklung auf Charybdis nicht massiv zu stören, griffen wir nicht groß ein, sondern guckten einfach mal unter Laborbedingungen, ob wir Ähnliches auch für andere Arten erreichen könnten. Die Untersuchungen waren komplex und langwierig, wir fanden aber einige Dinge heraus, die Potential haben mußten. Wir hatten die Optionen und Ideen gesammelt und konnten dann weitere Maßnahmen diskutieren.“
Ich unterbrach: „Da habt ihr sicher Peter hinzugezogen …“
Ida entgegnete: „Ja genau, das haben wir dann getan. Auch bei seinem mikrobiologischen Experimenten gab es Fortschritte, aber leider auch einen Zwischenfall auf Charybdis. Bei einem gewaltigen Sturm sind draußen aufgestellte Ausrüstungsgegenstände gegen die Wände des Labors geflogen, haben dieses an einer kritischen Stelle beschädigt. So traten Organismen aus. Das war nicht unbedingt so geplant, trug dann in der Umgebung des Labors aber zu einem ungeplanten Schub in der Entwicklung der Vegetation bei. Rückgängig konnten wir das nicht mehr machen. Nach seiner Wiederauferstehung haben wir das dann mit Peter genauer untersucht. Wir haben dann letztlich noch deutlich mehr auf Charybdis angesiedelt. So schnell war das zwar nicht geplant, es war aber auch nicht wirklich eine Katastrophe, mehr eine Beschleunigung der ohnehin letztlich gedachten Abläufe.“
Ich verkniff mir einen Kommentar. Irgendwie hatten wir doch immer Zwischenfälle solcher Art, wobei uns aus den Händen glitt, was wir eigentlich kontrolliert ablaufen lassen wollten.
Ida setzte ihren Bericht fort: „Nun, unter den neuen Gesichtspunkten forschten wir also ziemlich intensiv, Peter brachte auch sehr gute Ideen mit ein. Es lief dann jedenfalls darauf hinaus, eine Menge Möglichkeiten durchzuprobieren. Das hatte sich ja schon draußen in Charybdis teilweise verselbständigt, aber beide Vorfälle zusammen ergaben noch einmal ein neues Bild und reichlich Arbeit, reichlich neue Varianten, um sie zu simulieren und das aktuelle Geschehen zu optimieren, damit es wenigstens ungefähr in die von uns gewünschte Richtung liefe. Obwohl wir ja mit Serienexperimenten viel Erfahrung haben und auch schon anfingen, kam Peter dann auf die Idee, daß Susanne vielleicht noch weitere Optimierungen beisteuern könnte. Und immerhin hatten wir nun wirklich etwas, was wir ihr bieten konnten, wo es wieder einen Hoffnungsschimmer für Charybdis nach der Katastrophe gab.“
Ich kommentierte nun doch, wobei Ida meinen leicht zynischen Unterton wohl nicht verstand: „Oh, das ist jetzt ja wirklich einmal eine unerwartete Wendung der Dinge.“
Ida erwiderte: „Ja, aber so hatten wir auch eine wirklich gute Chance, Susanne gleich in ein Projekt mit hineinzuziehen und sie somit direkt daran zu beteiligen, sich um die Folgen der Katastrophe zu kümmern, statt dem nur hilflos ausgeliefert zu sein. Auch deswegen erschien uns das sehr hilfreich. Zudem hoffte Peter, sie mit solchen wichtigen Aufgaben abzulenken, damit sie sich schnell vom Schock der Katastrophe des Absorbereinschlages erholen könne. Das klappte dann auch überraschend gut.“
Ich brummte unzufrieden und ironisch: „Hmm, ebenfalls eine unerwartete Wendung, abgesprochen hatten wir das so jedenfalls nicht. Aber nach dem, was Susanne bereits berichtet hatte, war Peter auf jeden Fall sehr erfolgreich mit seiner Ablenkung und der Stabilisierung von Susannes Krise.“
Ida bestätigte sachlich: „Ja, Susanne hat sich gut eingelebt. Abgesprochen war das sicherlich nicht. Peter wollte da nur die Gelegenheit nutzen …“
Ich brummte nur noch: „Soso, die Gelegenheit nutzen … aha …“
Ida setzte dann den Bericht aber bald fort: „Also jedenfalls haben wir Susanne wiederauferstanden. Wir sind dann bei ihrer Unterrichtung direkt nach der Wiederauferstehung so vorgegangen, daß wir gleich davon ausgegangen sind, welches ihre konkrete Aufgabe wäre, also Abläufe zu optimieren, um nach der Katastrophe wieder etwas geradezubiegen. Das nahm sie gut auf, so konnten wir dann vorsichtig den Rest der weniger erfreulichen Informationen nachschieben. Auch die haben Susanne natürlich schon mitgenommen, aber sie hielt sich tapfer und machte sich bald schon eifrig an die Arbeit.
Peter hatte sie ja bereits kurz nach der Wiederauferstehung kennengelernt, die beiden arbeiteten gut zusammen. Erst nach ein paar Tagen hat es Peter dann versucht und ihr erzählt, wie es eben nach seiner Wiederauferstehung gelaufen war, wie sich das rein kollegiale Verhältnis zwischen entwickelt hatte zwischen ihm und dir und natürlich auch, daß von vornherein klar gewesen sei, wie sehr du Susanne magst, wovon du auch nicht abrücken würdest.
Susanne war etwas erstaunt, daß wir sie da nicht auch wiederauferstanden hatten, war etwas verblüfft, daß du ihr nicht mehr zugetraut hast, mit der Situation fertigzuwerden, weswegen wir dann eine Diskussion um deine Wiederauferstehung vermieden.“
Ich kommentierte knapp: „Dachte mir schon, daß Susanne empfindlich und nicht unbedingt rational bei ihrer Wiederauferstehung reagieren würde, habe daher etwas davor zurückgescheut …“
Ida fuhr fort: „Aber sie arbeitete dann zielstrebig und sehr motiviert weiter am Projekt. Nun, Peter hatte sie ja nichts vorzuwerfen, die durch seine Forschungsarbeit bewirkten kleineren Zwischenfälle auf Charybdis nahm sie so hin, immerhin war da ja nach dem Absorbereinschlag ohnehin nichts mehr so, wie es anfänglich gewesen war. So konnten die beiden auch gut zusammenarbeiten und kamen gut voran. Dabei sind sie sich dann auch über die Wochen persönlich nähergekommen.“
Ich rief fast aus: „Peter, der Schurke!
Das hätte ich nicht von ihm gedacht!“
Ida beschwichtigte: „Naja, das kann schon passieren. Susanne war dann auch bereits mit dir und der Gesamtsituation ganz gut versöhnt und nicht mehr sauer oder psychisch beeinträchtigt. Die beiden kamen aber mit der Arbeit auch gut voran, auch sonst bestand kein dringender Anlaß, um dich wiederaufzuerstehen, jedenfalls haben Susanne und Peter das nicht zur Diskussion gestellt.
Zwischen den beiden hat sich dann auch eine leidenschaftliche Beziehung entwickelt. Sie verstanden sich sehr gut und haben das dann auch mit erotischen Kontakten ausgelebt.
Nun, bei den beiden lief das aber sehr impulsiv, stürmisch, unüberlegt und emotional ab. Sie haben nicht viel überlegt, sind gleich zur Tat geschritten, ohne uns Ais zu konsultieren. Und es ist nun auch nicht an uns, da einzuschreiten. Es sind zwei erwachsene Menschen mit Rechten. Es wäre unangemessen gewesen, da etwas zu unternehmen, auch wenn ich schwere Bedenken hatte bezüglich der sozialen Entwicklung der Gruppe und insbesondere in Bezug auf deine Befindlichkeit.
Um die Angelegenheit kurz zu machen: Susanne war bald von Peter schwanger.“
An der Stelle vermochte nicht nur ein eigenartiges Grunzen hervorzubringen. Immerhin hatte mir Susanne ja auch das bereits gebeichtet, was sollte mich das nun noch schockieren?
Ida irritierte das nicht und es ging ohne Unterbrechung weiter: „Deshalb mußten wir dann unsere Pläne etwas ändern und konnten jedenfalls Susanne nicht mehr zeitnah konservieren. Peter wollte das dann natürlich auch nicht. Rein von der Arbeit her wären sie vielleicht mit einem halben Jahr hingekommen. So wurden es dann mit Schwangerschaft und Geburt gut zwei Jahre. Das Mädchen heißt Melanie, hat Susanne dir sicher bereits erzählt, sie ist gesund, ein lebhaftes Kind, ein richtiger Schatz!“
Ich atmete schwer durch, seufzte nur als Kommentar.
Ida lobte: „Gut, daß du so ruhig bleibst, es bereits angemessen verarbeitet hast.
Es geht allen dreien gut, es ist alles in Ordnung.“
Ich schwieg, mir schwirrte das durch den Kopf. Verarbeitet ist gut. Das war doch alles total verrückt und ich fühlte mich komplett ausgeliefert.
Ida machte eine Pause, um das bei mir sacken zu lassen. Vielleicht hatte sie selbst etwas Zweifel daran, daß ich das bereits gut verarbeitet hatte.
Ich fühlte mich gerade wie im freien Fall.
Das mit dieser heftigen Affäre samt dem Kind war schon ein Hammer.
Wie immer sie nun zu mir stehen würden, ich mußte da nun wohl durch.
Was blieb mir für eine Wahl?
Würde ich das Mädchen mögen können, nach der Vorgeschichte?
Ich hoffte das schon.
Ich mochte ja auch Susanne noch immer.
Ich würde mich schon sehr zusammenreißen müssen.
Melanie ist ja nun doch der erste Mensch, der seine ursprüngliche Heimat wirklich hier in diesen Sonnensystem hat. Sie mochte zwar nicht geplant sein und die Geschichte ihrer Zeugung machte mir erheblich zu schaffen, aber ich würde sie akzeptieren. Es war ja nun einmal nicht in ihrer Verantwortung, was geschehen war. Ich beruhigte mich etwas, versuchte zu entspannen.
Ein Kind.
Ein Kind ist immer süß und lieb.
Ich würde sie mögen, bestimmt, trotz allem.
Sie hatte ja nichts damit zu tun, was da wie passiert war.
Ich wollte sie doch kennenlernen.
Ich nickte dann als Zeichen für Ida.
Diese verstand und fuhr dann fort: „Mit der Forschung kamen wir gut voran, hatten dann auch einen optimierten Plan, sogar erste Fortschritte innerhalb dieser zwei Jahre, so daß wir mit genmanipulierten irdischen Pilzen und anderen Mikroorganismen aus Peters Ideenvorrat das Wachstum einiger charybdianischer Pflanzen gezielt fördern konnten. Da war noch allerhand zu tun, aber wir waren auf dem richtigen Weg, hatten allerdings auch noch Nebenwirkungen zu prüfen, bevor wir das richtig einsetzen wollten. Das würde aber natürlich noch länger dauern, denn da mußten wir dann größere Versuche im Labor machen, Verträglichkeiten und Unverträglichkeiten prüfen, durchtesten, wie sich die Veränderungen über totes Material auf andere Organismen auswirken mochten oder wie sich diese Pilze auch auf andere irdische Pflanzen auswirkten. So konnten wir dann langsam optimieren, das war natürlich ein langwieriges Verfahren, weswegen sich dann Susanne und Peter zur Konservierung entschlossen. Das ist ihnen nicht so leichtgefallen, wir hatten abzuwägen, was für Melanie das beste Vorgehen wäre und kamen letztlich zu dem Schluß, daß für sie die Entwicklungsmöglichkeiten mit mehr sozialen Kontakten in der Kolonie ebenfalls deutlich besser wären. Da die Konservierung auch von Kleinkindern unproblematisch ist, haben wir das dann auch gemacht.“
Ich brauchte etwas, fragte anschließend nach: „Und daraufhin waren wir also alle in der Konservierung, und ihr habt einstweilen alleine weitergemacht?“
Ida antwortete: „Ja. Die Aufgaben auf Skylla und Charybdis waren schon sehr anspruchsvoll. Sie sind es immer noch. In der Zeit hat sich die Vegetation hier auf Skylla aber sehr gut und vielfältig entwickelt. Und auf Charybdis haben wir inzwischen ein sehr vielfältiges Ökosystem, eine gute Mischung aus irdischen und charybdianischen Organismen. Während die charybdianischen Organismen ja von jeher mehr im Wasser und an der Küste, entlang von Flüssen angesiedelt sind, hat die irdische Vegetation auch das Festland erobert. Wir haben uns dann entschlossen, nach und nach mehr Arten einzubringen, also sowohl irdische als auch charybdianische. Inzwischen ist die Artenvielfalt etwas höher als die geschätzte vor der Katastrophe, die Zusammensetzung aber natürlich deutlich heterogen.“
Wir machten eine kleine Pause, ich sah mich um und riß mich zusammen, suchte auch weiter nach Ablenkung. Nur ein Teil des Raumes sah aus wie der Arbeitsraum oder der Aufenthaltsraum der Raumstation, also mit allerhand Anzeigen und Arbeitstischen. Dazu gab es aber auch Fenster. Und draußen war es grün.
Da gab es Bäume, eine üppige Vegetation, dazu das leicht gelbliche Licht von Rasol, blauer, leicht bewölkter Himmel, fast wie auf der Erde. Ich stand auf, Idas Avatar begleitete mich zum Fenster und ich schaute hinaus, nach mehr Details.
Ida erläuterte: „Wir sind auf jener Insel, die wir ausgewählt hatten. Weil ihr Fundament aus hartem Vulkangestein eines erloschenen Vulkans besteht, wird es die Insel auch noch lange geben, also ein guter Standort.“
Ich erwiderte: „Da habt ihr ja noch ordentlich was herausgefunden und auch viel geleistet. Da draußen ist inzwischen ja ein Urwald gewachsen!“
Ida antwortete: „Ja, hier auf der Insel haben wir inzwischen üppige Vegetation. Das ist nicht überall so. Körk läßt es noch immer regnen und mit unserer Terraformung kommen wir voran, erobern so mit der Vegetation von den Küsten ausgehend auch immer mehr vom Land. Die Zusammensetzung der Atmosphäre hat sich geändert, der Sauerstoffgehalt ist zwar etwas niedriger als auf der Erde auf Meereshöhe, aber natürlich in einem Bereich, in welchem Menschen gut zurechtkommen. Die Temperaturen sind angenehm, die Schwankungen nicht besonders groß, also ein guter Ort, um zu leben. Einzig die schnellen Tag-Nacht-Wechsel sind sicherlich gewöhnungsbedürftig für Menschen.“
Ich schaute noch immer raus, die natürliche Umgebung draußen faszinierte mich, ich wollte hinaus, mir das ansehen, wollte mich aber nicht gleich so kurz nach der Wiederauferstehung übernehmen und setzte mich auf einen Stuhl in der Nähe des Fensters, schaute weiter interessiert hinaus.
Die kleine Pause nutzten Esme, Hildegard, Körk, Stanis und Asi, um mir nun etwas ausführlichere akustische Grußbotschaften zukommen zu lassen. Offenbar waren sie darüber informiert, daß ich jedenfalls nun eher für Zuspruch und Kommunikation empfänglich war als zuvor frisch nach Susannes Beichte. Ich riß mich möglichst zusammen und bekam die Konversation dann auch ganz gut hin. Menschen hätten da vielleicht Zwischentöne mitbekommen, die Ais gingen elegant darüber hinweg, vielleicht merkten sie aber auch wirklich nicht, wie schwer ich getroffen war.
Insbesondere Esme und Hildegard würden hier in Zukunft ebenfalls mit ihren Avataren öfter anzutreffen sein, Körk eher seltener.
Einstweilen war aber nur Ida mit ihrem Avatar hier im Raum aktiv.
Diese fragte ich alsdann: „Und was ist sonst so im Universum passiert?
Jedenfalls auf der Erde, mit Mission 3 und auch hier in unserem Sonnensystem?“
Ida erzählte: „So viel Neues von der Erde gibt es gar nicht. Die Bevölkerung nimmt noch immer leicht ab, eventuell will man sich ganz auf einen Kontinent zurückziehen und mit der ohnehin bereits durchgeführten Renaturierung so weit fortfahren, daß der größte Teil der Erde wieder in ein sich selbst überlassenes Ökosystem übergeht. Mit dem Klima haben sie immer noch Probleme, allerdings müssen sie deutlich weniger eingreifen. Wenn ich mir die Berichte so ansehe und die Zeitverzögerung bis zu uns berücksichtige, haben sie heute vielleicht schon damit aufgehört, wenn es gut gelaufen ist.“
Ich nickte nur.
Ida referierte weiter: „Mission 3 macht auch Fortschritte, sie sind bei der Terraformung eines bislang unbelebten Planeten mit dem gut vorangekommen, was sie von uns an Material bekommen haben. Wir schicken alle paar Jahrzehnte weiteres Material und öfter noch unsere neuesten Erkenntnisse. Das hilft dann offenkundig. Wer weiß, vielleicht siedeln wir dort auch irgendwann einmal charybdianische Vegetation an, warum nicht, warum sollten wir nur irdisches Leben verbreiten, wäre doch albern.“
Ich lächelte abgespannt und nickte: „Ja, das hört sich plausibel an.“
Ida setzte ihren Bericht fort: „Stanis und Asi forschen fleißig immer weiter. Überraschend sind sie bei einem anderen Eismond mit deutlich verfeinerten Methoden doch noch auf etwas gestoßen, auch dort gibt es ein Meer zwischen Eis und Kern. Im Schnitt ist das aber weniger als einen Kilometer hoch und steckt unter einer dicken Eisschicht, deswegen war das anfangs nicht so einfach auszumachen. Es gibt auch keine Eisgeysire oder so, die hätten helfen können, etwas zu entdecken.
Nach einer langwierigen Bohrung haben sie dort auch Leben gefunden, allerdings eher einfachere Organismen, durchaus Mehrzeller, aber nicht zu vergleichen mit der Komplexität auf dem anderen Eismond oder der ursprünglichen von Charybdis.
Weiter draußen auf einem Kleinplaneten haben sie auch eine interessante, langsame, komplexe Dynamik entdeckt, das ist kein Leben, aber aufgrund der tiefen Temperaturen ist da natürlich das Eis hart wie Gestein und andere Flüssigkeiten bilden da Flüsse und Seen in einer fremdartigen, düsteren Landschaft. Faszinierend, aber nach unserem Verständnis sehr lebensfeindlich. Trotzdem gibt es da viele organische Moleküle, auch komplexere Formen. Das ist insofern sehr interessant, als daß alles ohne Lebewesen entstanden sein muß, gleichzeitig aber in großer Menge diverse Grundbausteine des Lebens enthält. Es ist also durchaus möglich, daß einer der Ursprünge biologischen Lebens auf solchen kalten Planeten liegt, wo sich komplexe Moleküle langsam, aber ziemlich ungestört in einem trägen Nichtgleichgewicht bilden konnten, dann vielleicht durch einen Asteroideneinschlag weiter ins innere Sonnensystem geschleudert wurden, wo sich das Leben dann weiter entwickeln konnte. Andererseits gab es auf der Erde ja bereits ziemlich früh Leben. Die Entwicklung könnte also auch unabhängig voneinander sein oder die komplexen Moleküle stammen gar von einem anderen Sonnensystem, wo sie in solch trägen Systemen über Milliarden von Jahren gebildet wurden und dann nach einem Zusammenstoß so lange unterwegs waren, bis sie dann wieder in ein Sonnensystem gekommen sind, um sich in habitablen Zonen mit etwas Glück zu entwickeln.
In mehreren Schichten des Gasriesen Albert haben sie zudem filigrane Gespinste unterschiedlicher Arten in verschiedenen Zonen der Atmosphäre gefunden. Das sind organische Strukturen, die sie vor Kurzem auch eindeutig als Leben identifizieren konnten, sehr einfach zwar, aber lebendig. Dieses Sonnensystem hat ein sehr vielfältiges Leben und an jedem Standort ist es anders. Es bleibt allerdings ein Rätsel, warum wir Skylla so tot aufgefunden haben.“
Darauf hatte ich natürlich auch keine Antwort, wie auch, vielleicht hatte irgendwann eine natürlich kosmische Katastrophe Skylla heimgesucht, die viel Wasser und alles Leben fortgebrannt hatte, vielleicht waren die Umstände bei der Entstehung des Zwillingsplanetenpaares einfach so gewesen, daß Charybdis eben den Großteil des Wassers abbekommen hatte, Skylla eben nur wenig. Und aufgrund eines Zufalls war dann vielleicht von Auswärts auf Charybdis etwas eingeschlagen, aus dem sich Leben entwickelt hatte, während die Bedingungen auf Skylla zu trocken oder sonstwie chemisch ungeeignet waren, um einfachen Organismen aus dem Weltraum eine Grundlage zu bieten, um zu überleben und sich anzupassen.
Mittlerweile fühlte ich mich schon ganz gut und dazu in der Lage, etwas mehr zu unternehmen. Und so machten wir eine kleine Runde durch die Kolonie, auf unserer Insel. Die ist aber schon so groß, daß ein einfacher Spaziergang nur einen kleinen Teil davon zeigen kann. Und ich war schon sehr überrascht, wie üppig und komplex die Vegetation in den wenigen Jahrzehnten gewachsen war.
In der Nähe unseres Gebäudes gab es auch einige Gewächshäuser, auch einige Felder. In Vorbereitung auf die Menschen der Kolonie zogen die Ais hier bereits Getreide, Gemüse, Obst, Pilze zu unserer Ernährung. Sie bereiteten aber auch diverse Pflanzenarten vor, um sie dann auf der Insel oder auch woanders auszuwildern. Da gab es noch reichlich zu tun, bislang hatten sie nur einige zehntausend Arten auf dem gesamten Planeten etabliert.
Auf unserem Rundgang durch die nähere Umgebung der Station, auch bis hinab zum Meer war ich jedenfalls schon einmal begeistert über unser Paradies, daß ich zunächst einmal vergaß, welche Katastrophe, welches Ökozid es auf Charybdis gegeben hatte, letztlich auch weil wir hier auf Skylla irdisches Leben ansiedeln wollten. Daß ich heute hier in dieser irdischen Vegetation stehen konnte, mich daran erfreuen konnte, nun wohl endlich eine neue Heimat gefunden zu haben, diese Empfindung herrschte bei mir erst einmal vor, also einmal abgesehen von der dominierende Frustration über die Entwicklung mit Susanne und Peter.
Wieder zurück im Hauptgebäude der Kolonie gab es auch hier einen Rundgang. Hinsichtlich der Energieversorgung hatten die Ais einstweilen auf Wind- und Solarenergie sowie Gezeitenkraftwerke gesetzt, hatten hier keinen Fusionsreaktor bauen lassen.
Trotzdem hatten wir im Gebäude Luxus und bereits jetzt deutlich mehr Platz als nur für ein paar Personen.
Ich war wirklich geschafft nach all den Neuigkeiten und fragte Ida, ob ich hier eine Kabine als persönlichen Raum haben könnte. Ida stimmte zu, das hatten sie längst vorbereitet, begleitete mich zu einem anderen Gebäude und dort zu einem Raum. Der war ein paar Quadratmeter größer als die Kabinen der Raumstation, aber ähnlich eingerichtet. Ein wesentlicher Unterschied war aber ein solides Fenster mit einem Blick hinaus in die weite Landschaft. Das hätte mich ansonsten sehr erfreut. Aber aus nachvollziehbaren Gründen war meine Laune noch immer nicht gut. Von daher schaute ich nur kurz hinaus.
Ida wies auf ein Paket auf dem Bett.
Ich erinnerte mich, das waren meine persönlichen Gegenstände.
Ida zeigte mir auch einen Schrank mit Kleidung für mich, erinnerte mich aber gleichzeitig daran, den Raumanzug noch etwas tragen zu müssen, bis ich grünes Licht bekam, daß die Nachbearbeitung der Konservierung abgeschlossen war. Dann würde ich wechseln können.
Als Idas Avatar gegangen war, stellte ich einfach das Paket vom Bett auf den Boden, sah nicht einmal hinein. Dann legte ich mich selbst auf das Bett, krümmte mich seitlich zusammen. Ich machte Atem- und Entspannungsübungen. Ich war allerdings so aufgewühlt, das es eine ganze Weile dauerte, bis ich endlich einschlief.
Da eine Umdrehung von Skylla um sich selbst ja nur acht Stunden dauert, wird es hier häufig und schnell dunkel, aber auch wieder hell, wobei die Dunkelphasen nicht so ausgeprägt wie die Nächte auf der Erde sind, was an der Wolkenverteilung oder der Konsistenz der Atmosphäre insgesamt liegen mag. So oder so richtete sich die Zeiteinteilung immer noch nach den vierundzwanzig Stunden, die wir eben von der Erde gewohnt sind. Da war es eigentlich ein günstiger Zufall, daß die acht Stunden gut dazu paßten, die Ais hatten das bei den Manipulationen des Sintflutprojektes sogar gezielt so einrichten können, daß sich die Zeit ziemlich genau auf acht Stunden belief, so war der Rhythmus also schon synchronisiert. So oder so war es doch ein interessantes Erlebnis, das nun durch das Fenster beobachten zu können. So oder so war ich aber deutlich zu deprimiert, um mich wirklich daran erfreuen zu können. So gammelte ich einfach weiter in meinem Zimmer herum, las lustlos etwas, schaute auch einmal einen Film, döste, gammelte weiter, schlief.
Den nächsten Tag meldete sich Esmeralda an. Ich war einverstanden mit ihrem Besuch und so stand bald ihr Avatar in meinem Zimmer. Sie hatte etwas zu trinken für mich mitgebracht, sogar eine Kleinigkeit zu essen. Wir setzten uns an einen Tisch und zu meiner Überraschung streichelte Esme tröstend über meinen Arm. Ich lächelte den Avatar etwas skeptisch an, nickte dann aber einverstanden. Etwas Zuwendung konnte ich wohl gebrauchen. Vielleicht war es unser Gespräch im Rahmen der Sexspielzeug-Entwicklung gewesen, wo wir auch über Zuneigung und Nähe gesprochen hatten, was sie motiviert hatte, zu mir zu kommen und mir etwas Gesellschaft zu leisten und mich ein wenig zu trösten.
Und ich nahm das dankbar an.
Sie hatte sogar verstanden, daß Trost nicht viele Wort braucht, nur etwas Beistand, Vertrautheit und Nähe. Und so blieb es ziemlich ruhig, ich trank und aß ganz brav und fühlte mich wirklich nicht mehr ganz so allein und hilflos.
Nun, wo sie schon einmal da war, holte ich sogar das Paket hervor, öffnete es und betrachtete ironisch lächelnd das Spielzeug und die Kleidung. Aufgrund ihrer Konservierung sah es so aus, als hätte das alles allenfalls einen Monat im Schrank gelegen. Ich machte zusammen mit Esme eine Bestandsaufnahme, wir prüften den Zustand der Kleidung und auch die Funktion der Geräte. Das war alles in Ordnung. Nur die Akkumulatoren waren natürlich leer. Da das meine persönlichen Gegenstände waren, gehörte das Aufladen natürlich auch nicht mehr zu den Aufgaben der Ais. Die Kleidung im Schrank war ähnlich wie die aus dem Paket, vielleicht etwas weiterentwickelt, vielleicht von Susanne und Peter?
Ich fragte Esme nicht einmal danach. Wir hängten meine Sachen aus dem Paket einfach dazu.
Ich fragte Esme: „Was meinst du, was ich nun tun soll, was mit der Situation anstellen?“
Esme erwiderte: „Oh.
Ich weiß nicht, ob ich qualifiziert genug bin, dir diesbezüglich einen Ratschlag zu geben.“
Ich lächelte kaum merklich: „Nur einen Vorschlag, deine Meinung reicht. Einfach mal so aus dem bei dir zugegebenermaßen gar nicht vorhandenen Ärmel schütteln, wenn du die Redensart kennst …
Ich muß davon ausgehend schon selber entscheiden …“
Esme zählte ihre Ideen auf: „Mit Peter reden.
Melanie begrüßen.
Und dann analysieren, was sich dabei ergeben hat, damit weiter nachdenken.“
Das war eine naheliegende Vorgehensweise. Ich hatte auch nicht sonderlich Lust, mir selbst viel mehr zu überlegen.
Hatte ich Lust, Peter den Hals umzudrehen?
Der Impuls, der Zorn, die Eifersucht vielleicht sogar glimmten nur kurz auf. Es würde Susanne sicher nicht glücklich machen, wenn es einen Zwischenfall, einen heftigen Streit gäbe.
Ich mag Susanne.
Ich würde mich also zusammenreißen.
So meinte ich zu Esme: „Ja gut.
Könntest du vermitteln?
Peter fragen und um einen Termin morgen bitten?“
Esme entgegnete: „Ja gerne.
Es gibt eine Bank mit schöner Aussicht, da könnt ihr euch ruhig unterhalten. Ich werde das arrangieren, dir die genaue Zeit mitteilen und es dir zeigen.“
Ich nickte: „Also gut, so machen wir es.
Ich danke dir sehr.
Nun will ich dich aber nicht weiter aufhalten.
Dein einfühlsamer Trost hat mir ganz gut geholfen, auch dafür danke ich dir. Aber du hast mit deinem Avatar sicher noch gut zu tun. Ich werde mich auch mal aufraffen und einige Unterlagen durchsehen.“
Esme versicherte: „Das habe ich gerne getan. Und das klingt auch schon viel besser, daß du etwas tun willst, nicht nur lustlos und traurig herumhängen. Wenn du beschäftigt bist, lenkt dich das besser von den trüben Gedanken ab, dann erholst du dich schneller und besser davon. Nun bin ich zuversichtlich, daß wir schon irgendwie vorankommen können, um die knifflige Situation etwas zu harmonisieren.“
Esme ging dann.
Obwohl mir das alles sehr wehtat, hoffte ich im Grunde auch, daß sich die Situation harmonisieren sollte. So könnten wir ja nicht lange miteinander umgehen, insbesondere bei solch einen kleinen Gruppe. In mir grummelte es aber noch immer. Der Schlag hatte mich schon schwer getroffen.
Und ich wußte nun gar nicht, wie ich das nun anfangen sollte, diese Unterredung mit Peter, die da auf mich zukam. Vielleicht sollte ich erst möglichst gelassen abwarten, was er zu sagen hatte.
War schließlich nicht eigentlich er am Zuge, sich zu erklären?
Um mich abzulenken, ging ich mit Körk noch einige Daten durch. Inzwischen hatten wir ja eine sehr gute Übersicht über Objekte, Asteroiden und dergleichen im Rasol-System. Körk hatte die Arbeit mit Sonden systematisch fortgeführt und somit inzwischen einen sehr guten Überblick, was so in einer Umgebung von etwa einem Viertel eines Lichtjahres um Rasol herum so vorgeht, auch was kleinere Objekte bis zu vielleicht zehn Tonnen Masse betrifft – es hängt natürlich etwas von der Zusammensetzung der Brocken ab, wie leicht sie zu finden sind, bei auffällig hohem Reflexionsvermögen sind auch deutlich kleinere Objekte in der Datenbank verzeichnet. Im Bereich innerhalb etwa der doppelten Entfernung von Rasol bis zum fernsten Gasriesen Erwin hatte Körk eine deutlich höhere Auflösung. Aufgrund der höheren Lichtleistung von Rasol und des dichteren Netzes von Sonden hatten wir noch deutlich detaillierte Daten von den Objekten mit kleinerem Abstand zu Rasol als der innerste Gasriese Albert. Erst etwa ab dem Asteroidengürtel Geri ist Rasol oft zu nah, um viel zu sehen, aufgrund des kleinen Abstandes sind die Objekte dort aber ohnehin nicht so interessant für uns, weil sie uns energetisch nicht erreichen können und es unwahrscheinlich ist, daß sie durch eine Wechselwirkung von mehreren Objekten bis in unsere Gegend katapultiert werden. Körk machte mich auf einige interessante Objekte aufmerksam, relativ große Asteroiden oder gar Kleinplaneten, teilweise nur mit wenigen Daten erfaßt, es gab aber auch Objekte, die von Asi uns Stanis gut erreichbar waren und die von diesen detaillierter untersucht worden waren.
Wir wußten ja schon allerhand über die hiesigen Asteroiden aufgrund unserer Aktivitäten im Asteroidengürtel Freki und dem Streufeld Wotan, einige Objekte weiter draußen verblüfften aber mit unerwarteten Zusammensetzungen oder Bestandteilen. Bei einzelnen Objekten vertraten die Ais gar die Ansicht, daß diese vermutlich eingefangen worden seien, seit langer Zeit praktisch unverändert, eventuell einmal aus einem anderen Sonnensystem gekommen waren, eventuell schon zu Beginn der Entstehung des Rasol-Systems. Und das waren nicht nur kleine Brocken, von den man erwartet, daß ein Rasol-System daraus ursprünglich entstanden war, darunter war sogar ein Kleinplanet, den Asi und Stanis als deutlich älter als das geschätzte Alter des Rasol-Systems geschätzt hatten. Die Formationen, Gesteine, radioaktives Material darauf, all das deutete eindeutig auf mindestens das doppelte Alter hin, vermutlich sogar noch älter, nicht gerade aus der ersten Generation von Sonnensystemen des Universums stammend, doch alles wies darauf hin, daß das mindestens ein oder zwei Generationen älter als das Rasol-System oder auch das Sonnensystem war. Der Kleinplanet war allerdings zu klein, als daß wir darauf Spuren von Leben erwartet hätten. Asi und Stanis fanden diesbezüglich auch nichts Bemerkenswertes, lediglich kleinere Einschläge von Brocken, wie sie im System häufiger vorkommen, die dann auch die fast schon üblichen organischen Materialien enthalten, die nicht direkt auf Leben hinweisen, aber Voraussetzung für die Entstehung von Leben sein könnten.
Ich hatte die Ehre, dem Kleinplaneten einen Namen geben zu können und wählte etwas dramatisch Methusalem. Bislang war das Objekt nur technisch und systematisch im Katalog der Ais bezeichnet.
Durch die Kraterlandschaft von vielen kleinen Einschlägen über Milliarden von Jahren, die praktisch aufgrund der relativ kleinen Anziehungskraft des Kleinplaneten zum einen eher selten vorkamen, zum anderen auch nicht so dramatisch abliefen, war Methusalem fast schon etwas wie eine Chronologie des Rasol-Systems, schon da, bevor das System entstand und im Anschluß daran beobachtend, immer mal wieder einen kleinen Einschlag wegsteckend.
Nach der Nachtruhe lud mich Hildegard ein, mich mit ihrem Avatar zusammen in den Gewächshäusern nützlich zu machen. Ich ging gerne darauf ein und wir nutzten so eine helle Phase von Skylla, um dort fleißig zu sein. Als wieder die Dämmerung einsetzte, wechselte ich zurück in meine Unterkunft und sah mir weiter Daten von Körk, Stanis und Asi an. Als es draußen wieder dämmerte und hell wurde, setzte ich die Arbeit mit Hildegards Avatar im Gewächshaus fort.
Dabei erreichte mich die Nachricht von Esme, daß der Termin für das Treffen mit Peter kurz bevorstehe. Ihr Avatar kam bald zu Hildegard und mir und holte mich ab. Sie brachte mich zu besagter Bank mit schöner Aussicht auf die Landschaft. Peter war noch nicht da. Ich setzte mich, Esmes Avatar klopfte mir noch aufmunternd auf die Schulter und zog sich dann zurück. Ich atmete durch und war gespannt, wie sich das Gespräch mit Peter entwickeln würde. Denn ich wußte noch immer nicht, wie ich das genau anfangen sollte, hoffte aber darauf, daß Peter schon etwas sagen würde. Irgendwie fand ich ja auch, nachdem, wie sich das entwickelt hatte, lag der Ball nun auch in seinem Spielfeld und er hatte quasi die Initiative, er war nun am Ball, sich zu erklären.
Ich schaute auf meine Uhr, ein wenig Zeit hatte ich schon noch bis zum vereinbarten Termin. Ich atmete tief durch, lehnte mich zurück, fixierte einen Punkt auf Charybdis, der gerade am Himmel stand und machte eine Atemübung, um mich zu entspannen. Ich wurde allmählich ruhiger, das klappte nun wieder ganz gut. Anfangs war ich ja noch deutlich angeschlagen von Susannes Offenbarung, nun hatte ich schon etwas Zeit gehabt, das zu verinnerlichen, hatte etwas Ablenkung von meiner Frustration, es ging also schon so halbwegs.
Dann hörte ich Schritte, drehte mich nicht einmal danach um, bekam nur so von der Seite mit, wie Peter ankam, sich neben mich auf die Bank setzte, ebenfalls in die Ferne blickte.
Wir schwiegen noch ein wenig, dann riskierte er doch die ersten Worte: „Hallo Michaela.
Ich … ich bin schon einmal ganz froh, daß du so ruhig bist …“
Ich entgegnete nur: „Macht die lange Übung, die Erfahrung mit Atemübungen, Entspannungsübungen. Ich hatte anfangs so einen Impuls, dir den Hals umzudrehen. Das hätte mir schon ordentlich Erleichterung verschafft.
Das hätte aber Susanne gar nicht gefallen und wäre auch unangemessen und würde uns hier auch nicht voranbringen.“
Peter nickte und erwiderte: „Ja, mit deinem Mißfallen habe ich gerechnet … immerhin, dann der Vorschlag für dieses Treffen …“
Ich informierte: „War Esmes Idee, fand ich dann in Ordnung. Irgendwie müssen wir ja letztlich miteinander auskommen.“
Peter meinte: „… ja, darauf hoffe ich auch …“
Ich warf ein: „… sonst hättet ihr mich ja nicht wiederauferstehen lassen sollen – oder eben erst kurz vor oder nach eurem Ableben …“
Peter schüttelte den Kopf: „Zum einen wäre das sicher dir gegenüber unfair gewesen, mehr noch als unser Verhalten bisher schon, zum anderen hätten sich die Ais nicht lange darauf eingelassen, vielleicht noch ein Jahr oder so, dann hätten sie schon erhebliche Bedenken angemeldet.
Esme hatte sowieso schon mal so nebenbei gefragt, Ida meinte dann, wir hätten schon noch etwas Zeit, um uns etwas zurechtzulegen, Hildegard meinte, es würde sich schon eine Lösung finden, von daher also kein Grund, die Konfrontation auf die lange Bank zu schieben, Körk meinte, wir müßten schon die Konsequenzen unseres Tuns aushalten und einfach dulden, was du dazu sagen würdest. Von daher war abzusehen, daß sie irgendwann deutlicher werden würden. Und uns war ja auch klar, daß wir uns unserem Konflikt stellen müßten, denn so hatten wir ja auch immer Druck, es bohrte in uns, dich hintergangen zu haben.“
Ich kommentierte: „Das ist euch also klar gewesen.
Angst vor Rache?
Und Susanne hat dich wirklich gehenlassen, direkt und allein zu mir?
Oder beobachtet sie uns?“
Peter versicherte: „Nein, sie beobachtet uns sicher nicht. Stimmt aber, so ganz leicht ist es ihr nicht gefallen. Sie hat ordentlich Respekt vor dir, mag dich ja auch, möchte dich als Freundin behalten, traut dir aber auch allerhand zu. Ich auch, du hast eine Art, da habe ich auch Respekt vor deinem Selbstvertrauen, deiner Stärke, deiner Entschlußkraft, deiner spontanen Handlungsfähigkeit. Ich glaube, wir sind alle nicht wirklich Experten darin, emotional gut erfassen zu können, was in anderen vorgeht, vielleicht etwas besser als die Ais, aber die wirklich sensiblen Typen sind wir in der Hinsicht alle nicht. Von daher schon ist es etwas unheimlich, weil wir nichts wirklich einschätzen können, es entwickelt sich dann irgendwie so, obwohl wir doch angeblich so rational und analytisch sind, so akademisch, gebildet überlegt.
Aber Angst vor Rache – hmmm so schätze ich dich eigentlich nicht ein, zumindest nicht so hintenrum, also eine Ohrfeige, ein Ellenbogen in die Seite vielleicht noch, ein böser Blick, aber nicht gerade ein Rachefeldzug, dazu bist du doch zu analytisch und zu reflektiert, hoffe ich jedenfalls.“
Ich warf ihm ohne Mimik einen Blick zu, der nicht eindeutig als böse zu erkennen war, nicht viel darüber verriet, ob er mit seiner Einschätzung richtig lag, wozu ich vielleicht doch fähig wäre.
Ich entgegnete alsdann: „Ich bin noch unentschieden, kommt vielleicht drauf an, wie sich das Gespräch entwickelt, wie du dich erklärst, was eigentlich vorgefallen ist.
Wie konnte es dazu kommen, daß ihr hinter meinem Rücken, ohne eine Möglichkeit von mir, darauf zu reagieren, solches und in dem Ausmaße treiben konntet?
Erkläre mir, wie du so gezielt Susanne verführen konntest, obwohl du wußtest, wieviel mir an ihr und unserer Beziehung liegt, daß ich sogar darauf verzichtet habe, mit dir anzubändeln.“
Peter schaute mich an, senkte dann den Blick, schluckte: „Das war so keineswegs von mir geplant … wirklich nicht … hatte gar nicht vor, Susanne zu verführen oder so … hielt es in dem Moment nur für die Mission für sinnvoll und nützlich, wenn sie mir bei dem Forschungsprojekt helfen würde. Ich dachte, das würde ähnlich wie zwischen uns beiden laufen, also formal und kollegial, naja, vielleicht schon mit leichten Anspannungen, aber nicht mehr, also kein Drama, keine Leidenschaft, habe ich jedenfalls vor der Wiederauferstehung von Susanne sicher nicht erwartet. Da war also kein Verrat an dir eiskalt geplant. Im Gegenteil, ich hoffte sogar, wenn Susanne so in das Projekt zurückkäme, wäre das gut für euch beide, so wärst du von der Last befreit, ihr über das Trauma der Katastrophe hinwegzuhelfen …“
Ich fiel ihm ins Wort: „… das hast du auf jeden Fall schon einmal gut hinbekommen. Als ich mit ihr geredet habe, war da keine Spur mehr von einem Trauma durch den Absorber-Absturz, also kein bißchen. Sauber hinbekommen …“
Peter schluckte: „So … so habe ich das gar nicht gemeint … und damals auch nicht gedacht. Und als Susanne dann wach war, so zerbrechlich, so sanft, so hilfsbedürftig, anlehnungsbedürftig auch, da war irgendwie alles anders. Immerhin ist sie schnell ins Projekt hineingekommen …“
Ich ergänzte: „… und du in sie …“
Peter stotterte: „Ddas … äh … äh … ähm … ddas, oh, nnnaja, ddas wwar doch gar nicht so gedacht. Ddas … das hat uns dann irgendwie überwältigt, also das hat sich rasend schnell entwickelt, daß wir gar keine Zeit hatten zu denken und so und naja, hat sich entwickelt, entwickelt hat sich das, hat es, ja, ja.
Ist, ist eben so passiert.
Passiert eben.“
Ich schüttelte den Kopf: „Eben.
Eben mal so nebenbei.
Und dann ratzfatz schwanger, Braten in der Röhre und Schwuppdiwupp ist das Kindlein auch schon auf der Welt!“
Peter fuhr sich nervös durch das Kopfhaar, rieb sich in der Folge über die Oberschenkel.
Dann versicherte er: „Weiß ich doch auch, wie blöd das klingt.
Das war eben stärker als der Verstand.
Liebe, Leidenschaft, Lust.
So eben.
So.
Tut mir leid.
So einfach war es dann auch nicht mit der Schwangerschaft, schon ein sehr intensives, schönes Erlebnis, aber sicher mal nicht so einfach nebenbei und Schwuppdiwupp, da waren wir auch schon ordentlich gefordert, als die Nachricht über die Schwangerschaft plötzlich im Raum stand, mußten wir auch erst einmal verdauen. Aber, naja, andererseits ohne Planung dann objektiv gesehen auch nicht so unwahrscheinlich, eben alles unüberlegt und sehr emotional.
Es tut mir leid für dich, daß das so gelaufen ist.
Ist eben nun so und ich entschuldige mich bei dir.
Die ganze Situation ist großer Mist, das hätte so nicht passieren dürfen. War uns schon klar, als es dann zwischen uns so richtig gefunkt hatte, es eben passiert war und wir zusammen dort lagen. Da war uns natürlich schon klar, daß es nicht richtig war, daß das so gelaufen war, während du konserviert bist. Aber da war es schon mit uns durchgegangen. Und dann waren wir wohl auch feige, auch berauscht durch die euphorischen, intensiven Gefühle. Und so hat sich das eben weiter entwickelt, nachdem wir realisiert hatten, daß es zu spät war und wir das nicht ungeschehen machen konnten. Die Liebe, das Bedürfnis nach Nähe und Geborgenheit zueinander war einfach stärker als alles andere. Trotzdem war es natürlich dir gegenüber falsch, unfair. Das ist ganz klar. Und durch das Hinausschieben wurde es dann auch eher noch schlimmer. Das saß immer in unserem Hinterkopf. So wollten wir dann eben nach unserer Konservierung auch erst einmal alles vorbereiten, damit wir dir das zu gegebener Zeit in aller Ruhe und geordnet offenbaren können, das war die Idee. Hat sich in der Zeit allerdings irgendwie hingezogen, war alles so neu und aufregend. Es war zudem auch nicht so ganz einfach für Susanne in der Schwangerschaft, ihre Einstellung zu sich hatte sich verändert, war nicht mehr bereit, sich richtig auf mich einzulassen. Gleichzeit eben die Verantwortung für das in ihr heranwachsende Kind. Wir waren schon sehr erleichtert, als Susanne irgendwann das erste Mal nach Melanies Geburt wieder richtig Lust bekam, was auch sehr befreiend, sehr schön war. Naja, so ist sie in der Folge eben wieder schwanger geworden. Hat uns einerseits wieder verunsichert, wie wir uns dir gegenüber verhalten sollen, andererseits war uns nun aber auch klar geworden, daß es immer schlimmer wurde, je länger wir es hinauszögerten. So haben wir uns eben durchgerungen, uns dir zu stellen.“
Als Antwort brummelte ich nur: „Hmmmhmmm hmmm hmmm mmmmhmmm“
Peter fuhr sich nervös mit der Hand über dem Mund, kratzte sich danach im Nacken. Hierauf rieb er wieder schnell mit den Händen über seine Schenkel. Hernach saßen wir eine Weile wortlos, schauten in die Weite, wie Charybdis sich langsam über den Himmel bewegte. In der kurzen Zeit unserer Unterhaltung war er wirklich schon merklich ein Stück weitergekommen.
Irgendwann störte ich dann doch einmal die brüllende Stille zwischen uns: „Un’ nu’?“
Peter schaute mich wieder kurz an, zuckte verlegen die Schultern: „Weiß nich’
Nimmst du meine Entschuldigung vielleicht an?
Bitte?
Ich, wir, ich habe das bestimmt nicht böse dir gegenüber gemeint, das war immer ein arger Punkt dabei, etwas, was uns bis heute ziemlich belastet.“
Ich schaute ihn ausdruckslos an: „Soso.
Absolution also.
Vergebung.
Vergeben und vergessen – oder wie?
Und ich?
Was ist nun mit meinen Gefühlen?
Wie soll ich damit zurechtkommen?
Susanne hat sich eindeutig zu dir bekannt.
Hat mir Freundschaft angeboten, mehr aber auch nicht.
Hat mich mehr als getroffen.
Ich weiß noch immer nicht, was ich damit anfangen soll, wie es gehen soll. Und da willst du Vergebung, damit euch das nicht mehr belastet.
Soso.“
Peter schaute wieder in die Ferne: „Ja, ja, so betrachtet war das doof. War aber gar nicht so gemeint, daß du die Entschuldigung akzeptieren sollst, damit uns das nicht mehr belastet.
Ich meinte nur … also … meinte das nur … damit … naja … um dir zu zeigen …
es ist uns nicht gleichgültig, wie schlecht es dir dabei geht.
Und wir wissen doch auch nicht … wie … womit … wodurch … wir dir helfen könnten, nachdem wir deine Gefühle so verletzt haben.
Und das tut uns auch weh, ins eigene Fleisch geschnitten.
Insbesondere Susanne geht es besonders schlecht damit.
Ich fühle mich natürlich auch mies dir gegenüber.
Mir geht es folglich natürlich doppelt schlecht, in dieser Hinsicht ihr gegenüber, aber auch dir gegenüber, weil mein Verhalten dich so sehr getroffen hat, weil das, was mir eigentlich so viel Glück bedeutet, dir so zusetzen muß … das ist gemein und ungerecht. Und ich weiß schlicht nicht, wie ich damit umgehen soll.“
Ich schluckte und antwortete: „So geht es mir auch. Fühlte sich an, als würde mir der Boden unter den Füßen weggezogen und gleichzeitig schien sich irgendwie ein Schwarzes Loch in meinem Gedärm aufzutun. Und es wirbelte und rauschte alles im Kopf.
Was soll ich nun also tun und sagen?
Ich mag Susanne noch immer sehr. Und sie muß sich um ihre Kinder kümmern. Ich will doch, daß sie glücklich ist. Es fällt mir aber auch schwer, auf sie zu verzichten. So rein formal gönne ich euch euer Glück. Tief in mir drin wütet aber doch ein Feuer, ein Untier, weil mir mein Glück mit Susanne dadurch entrissen wird. Ich hatte nicht einmal eine Chance, das irgendwie hinzubiegen, irgendeinen Kompromiß zu finden. Ich wache auf und stehe vor mehr als vollendeten Tatsachen. Das macht mich noch immer fertig.“
Peter versicherte abermals: „Es tut mir sehr leid.“
Erneut schwiegen wir eine ganze Weile und schauten in die Landschaft. Rasol-Untergang, prächtiges Abendrot, eigentlich zu schön, um es nicht zu genießen. Wir waren aber natürlich nicht in der Stimmung dazu. Es war mir irgendwie schon klar, daß es sowieso an mir hängenbleiben würde, irgendeinen Weg zu finden, wie wir miteinander auskommen würden. Ich mußte also wohl etwas unternehmen, auch schon, damit die Initiative wieder bei mir lag.
Und so schlug ich vor: „Naja, irgendwie muß es ja weitergehen. Irgendwie müssen wir miteinander auskommen. Und da wäre es doch schon einmal sehr nett von dir, wenn du mir deine Tochter vorstellen könntest. Auf die bin ich schon sehr neugierig. Ist ja auch nicht so einfach, als Frucht eurer ungezügelten Lust und Leidenschaft. Aber ich würde sie doch gerne halten und werde sie sicher auch mögen. Sie hat das ja nicht eingefädelt. Und da wir ja auch weiterkommen wollen, auch mit der Kolonie, aber auch mit unserer kleinen sozialen Gemeinschaft, sollten wir schon Frieden schließen und miteinander auskommen. Ich will doch, daß Susanne glücklich ist. Ich akzeptiere ihre Entscheidung für dich, auch wenn es mir nicht leichtfällt. Aber ist nun nicht mehr zu ändern. Freundschaft ist nicht so einfach unter den Bedingungen.
Wir werden es aber hinbekommen, denn wie könnten wir anders zusammenleben?
Ich weiß noch nicht so genau, wie ich damit zurechtkommen werde.
Aber ich akzeptiere es.
Und, naja, viel Leidenschaft und Lust war auch zwischen Susanne und mir im Spiel. Da glaube ich dir das schon, daß sich das unkontrolliert entwickeln kann. Naja, da mag sich in dir auch etwas aufgestaut haben. Und als dann Susanne da war, war die Verlockung, der Reiz eben sehr groß.
War er bei mir auch.
Also kann ich das nachvollziehen und werde dir deswegen natürlich nicht den Hals umdrehen. Von daher nehme ich dann auch zähneknirschend deine Entschuldigung an.
Es soll euch gutgehen, es soll Melanie gutgehen und eurem zweiten Kind auch. Schon damit das keine Probleme bekommt durch Streß bei Susanne, müssen wir die Angelegenheit nun zügig bereinigen und Frieden schließen.“
Peter schaute mich wieder an, nickte und sprach: „Danke.
Danke sehr.
Du bist ein guter Mensch.
Und viel stärker als wir.
Viel bedächtiger und weiser bist du.
Ich weiß noch nicht wie, aber wir werden dich unterstützen, dir helfen. Wir sind eine Gemeinschaft. Und natürlich, gerne stelle ich dir gleich Melanie vor, wenn sie nicht gerade schläft. Und mit Susanne wirst du sicher auch Frieden schließen können. Das wird sehr gut für sie und das Kind in ihr sein. Es gibt schon eine merkliche Anspannung. Die sollte sich hoffentlich wieder lösen, wenn das gleich geklärt ist.“
Ich nickte auch, klopfte mir anspornend auf die Schenkel und sprang mit einem Schwung auf. Das war eigentlich deutlich mehr Elan, als ich mir zugetraut hatte.
Was bedeutete das nun alles?
War ich eingeknickt oder tat ich nur, was selbstverständlich unter den Umständen war?
Hätte ich Peter doch einfach eine reinsemmeln sollen, einfach so aus Frust und Trotz und weil er sich unter den Umständen vermutlich nicht wehren würde?
Die Chance war verpaßt, ich war schon auf ihn eingegangen. Nun konnte ich nicht mehr zurück und meinen Zorn einfach blind an ihm auslassen.
Was sollte ich nun weiter unternehmen, was weiter tun?
Ich war unschlüssig.
Erst einmal Melanie begrüßen, mit Susanne Frieden schließen.
So schlenderten wir gemeinsam und nebeneinander zurück zur Kolonie. Wir hatten so etwa eine knappe Armlänge Abstand voneinander und schwiegen auf dem Weg. In der Kolonie angekommen sahen wir schon Susanne vor einem Gebäude stehen. Wir gingen auf sie zu.
Sie schaute mißtrauisch.
Peter lächelte sie milde an, strich ihr sanft durch das Haar und über die Schulter, ging rein, wo ich auf dem Boden schon Melanie spielen sah. Peter setzte sich zu ihr und spielte mit ihr.
Ich blieb bei Susanne stehen und wir schauten uns gegenseitig an.
Ich brach zuerst die Stille: „Also Frieden und Freundschaft, damit es deinem kleinen Wurm in dir auch gutgeht und er sich nicht über deinen Streß sorgen muß, daß er vielleicht gar nicht willkommen sei. Das wäre fatal, das wollen wir ja nun gar nicht und könnten es auch nicht verantworten.“
Susanne hatte Tränen in den Augen und wir umarmten uns sanft.
Oh, wie gerne hätte ich sie geküßt, von ihren Tränen der Erleichterung gekostet. Durfte aber nicht. So drückte ich sie nur an mich, Freunde nur noch. Daran würde ich schon noch zu knabbern haben, wollte es ihr aber natürlich nicht zeigen. Wir hielten uns noch eine Weile wortlos.
Dann bat Susanne mich: „Bitte komm’ doch rein, sei willkommen!“
Ich entgegnete: „Ich wollte ja sowieso noch mit eurem Prachtstück Melanie Bekanntschaft machen, hoffentlich auch bald Freundschaft schließen. Wäre schön, wenn das klappen würde.“
Susanne nickte: „Ja, das wäre sehr schön.“
So setzten wir uns, ließen Peter und Melanie noch etwas spielen, schauten zu, bis Peter Melanies Aufmerksamkeit sanft auf mich lenkte, Melanie in der Folge auch bald reagierte, neugierig, aber doch auch vorsichtig war. Und so schlossen wir ganz zaghaft Bekanntschaft. Und es fühlte sich gut an, als ich sie zum Lächeln, zum Lachen brachte, als sie es akzeptierte, daß ich sie auf den Arm nahm und ich sie kuschelte und knuffelte. Damit hatte sich die Spannung in unserer kleinen Gruppe wirklich gelöst. Wir lachten alle und plauderten noch etwas. Alsbald war es Zeit für das Abendessen, worum sich Peter und Susanne kümmerten, während ich noch etwas mit Melanie spielte. Danach aßen wir gemeinsam. Während Melanie schon schlief, spielten wir noch zu dritt ein Gesellschaftsspiel, bevor ich mich zum Schlafen verabschiedete.
Wieder allein in meinem Zimmer mußte ich tief durchatmen, schaute nachdenklich aus dem Fenster hinaus. Zurück ging nun nicht mehr.
Zorn sinnlos.
Dafür war ich auch zu analytisch.
Und doch wußte ich noch immer nicht, was ich eigentlich anfangen sollte. Nun konnte ich endlich den Raumanzug ausziehen, tat es, duschte ausgiebig, ließ mich in einem warmen Luftstrom trocknen. Ich setzte mich hernach nackt im Schneidersitz aufs Bett und meditierte, zog mich in mich zurück und ließ die Zeit verstreichen, den Tag an mir vorbeiziehen.
Die nächsten Tage lebte ich mich weiter ein, traf mich auch nun ziemlich zwanglos mit Susanne, Peter und Melanie, arbeitete weiter mit Hildegard, Ida oder Esme in den Gewächshäusern oder auf dem Acker der Kolonie, erforschte auch die Insel, badete ebenfalls in einem See der Insel, lag am Strand im Sand, spielte mit Melanie oder verbrachte auch die Abende mit Susanne und Peter beim Gesellschaftsspiel oder auch bei einem Film oder bei guter Musik.
Es spielte sich schon so ein, trotzdem fühlte ich mich schon ein wenig wie das fünfte Rad am Wagen. Ich war trotz allem einsam, mir fehlte Nähe und Geborgenheit. Mit Esme verband mich ein wenig davon und mit ihr unternahm ich auch gerne etwas, wir machten Ausflüge und plauderten dabei über ganz verschiedene Themen. Und so gewöhnte ich mich doch allmählich ein.
Trotzig begann ich auch mit Esme ein kleineres Projekt, dabei ging es darum, die doch eher sehr sachliche Kleiderauswahl, die in meinem Schrank hing, deutlich auszuweiten, damit bessere Wirkung zu erzielen. Ich wußte zwar noch nicht, für wen, aber es machte mir einfach auch Spaß, mir vorzustellen, damit auch ein wenig provozieren zu können, vielleicht Susanne und Peter, aber es mochte ja noch mehr kommen und da wollte ich dann schon einmal vorbereitet sein. Erst einmal blieb ich ganz solide bei den vorhandenen Klamotten, aber ich plante und schneiderte eifrig mit Esme an einer kleinen Kollektion, die gut zu mir paßte, zwar alles relativ einfach in Form und Schnitt, eher einfarbig, doch sehr kleidsam und an meinem Geschmack ausgerichtet.
Diese Planung, die Umsetzung, auch die Kleiderproben lenkten mich ab, taten mir gut. Das leicht angeknackste Selbstbewußtsein konnte ich damit auch betüddeln, denn so konnte ich doch betonen, exponieren, was ich zu bieten hatte. Und einmal abgesehen von kleineren Problemzonen, die nicht der Rede wert waren, in der Konservierung zudem auch noch weitgehend behoben und verjüngt worden waren, war ich von meiner äußeren Erscheinung schon sehr überzeugt. So nahm ich bereits allmählich wieder Haltung an, trug die neuen Fummel wenigstens vor mir selbst in stolzer Haltung zur Schau.
Da sich meine Stimmung ja nun allmählich stabilisiert hatte, kam im Weiteren von den Ais bald der Vorschlag, über die Kolonie zu diskutieren. Es war ja nun einmal das Konzept der Kolonie, diese mit Menschen zu bevölkern, das würden Susi und Peter natürlich nicht allein hinbekommen. So setzten wir uns bald einmal zusammen und diskutierten unsere Optionen. Wir hatten dann ja noch die Kryo-Zombies im Raumschiff, von denen einige transferiert werden könnten.
Dazu meinte ich dann: „Das hatten wir ja schon früher einmal diskutiert. Es ist nicht so ganz unproblematisch, weil wohl keiner von ihnen sich für die Mission entschieden hat. Ähnlich wie wir sind doch wohl alle deutlich vor der Planung der Mission konserviert worden?“
Ida bestätigte: „Ja, das stimmt leider, das ist einer der schändlichen Aspekte sowohl der Kryo-Technologie als auch der Planung dieser Mission. Wenn man es so sehen will, hat man mit dem Transfer vieler Kryo-Zombies auf die Mission deren rechtlosen Status ausgenutzt, gleichzeitig aber schon einmal die Situation auf der Erde etwas entschärft, weil man damit gleich einmal die Anzahl der Personen reduziert hat, die keinen rechtlichen Status haben, von denen undefiniert ist, ob sie tot oder doch potentiell lebendig sind. Sie wissen alle nichts von der Mission und uns kommt es dann bei der Wiederauferstehung zu, sie zu integrieren.“
Susanne führte dazu an: „Wenn wir mich und Michaela als Beispiele nehmen, so werden einige vermutlich nicht einmal wissen, daß sie konserviert worden sind. Und mir ist es jedenfalls nicht leichtgefallen, beides zu akzeptieren, zu einer ganz anderen Zeit wiederauferstanden worden zu sein und dann auch noch auf einer Mission fern der Heimat zu sein. Wir können wohl davon ausgehen, daß es vielen der anderen Kryo-Zombies ähnlich gehen wird. Wenn wir damit beginnen, können wir vielleicht jeweils nur ein oder zwei Personen wiederauferstehen lassen und uns ihnen anschließend mindestens einen oder zwei Monate widmen, bis sie in der Lage sind, sich ihrem Schicksal zu stellen. Das wir ein langwieriger Prozeß.“
Ich ergänzte: „Zudem wäre bei dem Vorgehen die Altersstruktur der Kolonie gleich zu Beginn eher problematisch, wir hätten deshalb viele Leute in ungefähr gleichem Alter.“
Hildegard erinnerte: „Bei unserer letzten Diskussion mit dir, Michaela, sind wir ja schon zu der Meinung gekommen, die Kryo-Zombies eher langsam und in kleiner Zahl in eine bestehende Kolonie zu integrieren. Wer sich besonders zur Koloniegründung eignet, könnte natürlich auch ziemlich zu Beginn beteiligt werden.“
Peter sprach einen heiklen Punkt an: „Es ist ja nun zwischen uns nicht alles so optimal gelaufen. Da wäre es dann doch durchaus plausibel, wenn Michaela einmal genauer gucken würde, ob nicht noch eine Person zu uns, insbesondere zu ihr passen könnte, die sich dann hoffentlich auch für die Entwicklung der Kolonie als gute Wahl erweisen könnte. Ich schätze, eine Person mehr von den Kryo-Zombies könnten wir schon gut annehmen. Aber da hat Michaela sicher Vorrang sowohl in der Auswahl als auch der Bestimmung, wann der Zeitpunkt dafür gekommen ist.“
Ich lächelte und stimmte zu: „In Ordnung, das ist ein Punkt, über den ich nachdenken sollte. Es ist ja noch alles sehr frisch für mich, brauche wohl noch etwas Zeit. Aber danach, vielleicht. Mal sehen, ich überlege es mir!“
Susanne schluckte, schaute mich an, lächelte auch etwas verlegen, war daraufhin aber gleichfalls einverstanden: „Der Vorschlag ist fair. Du solltest dir Zeit lassen und es dir überlegen. Ich vermute, das könnte klappen und würde unsere Gruppe bereichern.“
Mir war schon aufgefallen, daß es Susanne keineswegs egal war, daß ich so ebenfalls einen neuen Partner bekommen könnte. War die Angelegenheit für sie vielleicht doch nicht so eindeutig beendet?
Hätte ich da doch noch Chancen, daß wir drei uns näherkommen könnten?
Ich schob den Gedanken einstweilen beiseite. Das wollte ich erst einmal nicht weiter bedenken.
Ich wollte das Thema Kryo-Zombies nun nicht weiter vertiefen und lenkte so erst einmal davon ab, versuchte zu einem anderen Thema umzuschwenken, nickte kurz und fragte: „Welche Möglichkeiten haben wir sonst?“
Ida erläuterte: „Nun, wir haben einige Möglichkeiten. Wir haben befruchtete Eizellen, aber auch eine große Auswahl von Sperma und unbefruchteten Eizellen, zudem haben wir natürlich ebenso wie bei Tieren die Möglichkeit, diese in speziellen Brutkästen bis zur Geburt auszutragen. Das ist eine Art künstliche Gebärmutter mit diversen Optionen, damit das Kind auch ungefähr entsprechende Reize wie bei einer echten Mutter hat. Alles können wir vielleicht nicht simulieren, dafür sind aber auch die Risiken von Unfällen oder psychischen Krisen nicht gegeben, im Schnitt kommen die Kinder dabei ganz gut weg.
Danach müssen wir uns natürlich ausgiebig kümmern, was die Zahl begrenzt.“
Niemand fragte vorsichtshalber mal nach, wie die Mission zu befruchteten Eizellen, Sperma und unbefruchteten Eizellen in so großer Zahl gekommen waren. Bei unseren Erfahrungen als Kryo-Zombies wollten wir gar nicht so genau wissen, welche Kryobanken dafür mehr oder weniger insgeheim geplündert worden waren. Ich wischte auch diesen Gedanken einstweilen beiseite. Wir konnten es nicht mehr ungeschehen machen. Vermutlich waren es einfach Altbestände von zum Zeitpunkt des Starts der Mission längst verstorbenen Spendern, alle sehr gut durchgetestet und dokumentiert.
Ich schätzte mal lächelnd ab: „Susanne als Lehrerin wird mit einer Klasse mit zehn bis dreißig Kindern schon zurechtkommen. Wenn ihr Ais euch beteiligt, werden wir doch mit vier bis zehn Kindern pro Jahr wohl zurechtkommen, hängt natürlich auch deutlich davon ab, wie stark automatisiert die Betreuung von Gewächshäusern und Feldern ist.“
Esme informierte: „Das sollte sich schon gut kombinieren lassen, wir haben da viele Sensoren und Subsysteme insbesondere in den Gewächshäusern.“
Peter betonte: „Mich und Michaela gibt es ja auch noch, wir können uns doch sowohl um unsere Nahrungsversorgung kümmern als auch um Kinderbetreuung. Mit mehreren Erwachsenen können wir schon allerhand erreichen.“
Ida ergänzte: „Auf jeden Fall seid ihr ein wichtiger Bestandteil. Jedenfalls halte ich die von Michaela genannten Zahlen auch für realistisch. So können wir über die Jahre eine kleine Kolonie aufbauen. Es besteht doch keine Notwendigkeit, gleich in den ersten hundert Jahren eine Großstadt mit hunderttausend oder mehr Menschen anzustreben.“
Hildegard fragte nach: „Michaela, neben einer Partnerwahl unter den Kryo-Zombies wäre die künstliche Befruchtung ja auch für dich eine Möglichkeit, ebenso das Austragen einer bereits befruchteten Eizelle. Wenn du gerne schwanger werden möchtest, wäre das also gleichfalls eine Option.“
Ich schaute ihren Avatar überrascht an, lächelte daraufhin aber nach kurzer Denkpause und entgegnete: „Das wäre schon eine Option, da bin ich aber noch deutlich unentschlossener als bei der Option, mit Glück vielleicht gerade unter den Kryo-Zombies jemanden zu finden, sodaß sich etwas entwickeln könnte. Aber gut, wenn nicht, will ich die Option nicht komplett ausschließen, halte sie aber für unwahrscheinlich.“
Hildegard hatte da jedoch noch eine überraschende Anwendung für uns parat: „Das ist jetzt bei euch vermutlich nicht mehr aktuell. Erwähnen sollten wir es aber dennoch, nur der Vollständigkeit halber. Wir können durchaus auch aus dem Genmaterial von zwei Frauen ein weibliches Kind genetisch kombinieren.“
Ida fuhr dazu erläuternd fort: „Dazu verwendet man die medizinischen Mikroroboter, extrahiert damit je eine reife Eizelle aus den beteiligten Frauen, kombiniert das Genmaterial mit ein oder zwei befruchteten Eizellen als Ergebnis. Die können im Anschluß entweder in der Brutmaschine ausgetragen werden oder für eine natürliche Schwangerschaft zurück in die Gebärmutter transferiert werden …“
Susanne und ich lachten spontan und verlegen, als wir uns das vorstellten.
Ich entgegnete dazu: „Naja, die genetische Vielfalt ist da begrenzt und ich glaube ja auch nicht daran, daß unbedingt an unseren Wesen die Menschheit genesen wird. Der Zeitpunkt ist sicher auch vorbei, wo das spannend gewesen wäre.“
So stellten wir die Option ganz weit zurück.
Ich bemühte mich abermals, das Thema etwas zu verschieben, bevor es noch zu heikel werden würde: „Gibt es weitere Optionen, auch hinsichtlich der genetischen Vielfalt der Kolonie?“
Ida erläuterte bereitwillig: „Also bei allen Arten ist unsere Auswahl und die genetische Vielfalt unseres Archivs groß. Dazu haben wir in der Datenbank noch viel mehr Arten und auch genetische Variationen kodiert. Technisch möglich ist es mit einigem Aufwand sogar, diese digitalen Daten wieder in genetisches, biologisches Material umzukodieren. Bevor wir das tun, sollten wir es aber unbedingt mit den reichhaltigen und vorhandenen Vorräten und Möglichkeiten versuchen.
Wenn ihr drei euch mit eigenem genetischen Material beteiligt, ist das insofern schon schön und hilfreich, als über eigene Kinder ja auch ein viel engerer Bezug zur nächsten Generation da ist. Es ist so ja auch gewiß, daß ihr ganz persönlich etwas von euch für die Kolonie und die Zukunft weitergebt. Und das ist doch auch ein natürliches Bedürfnis biologischer Wesen, oder etwa nicht?“
Peter und Susanne nickten vorsichtig, Susanne führte daraufhin aus: „Ja schon, so oder so werden wir uns natürlich um alle Kinder kümmern, das hängt ja nicht an den eigenen. Sind die Kinder erst einmal da, entwickelt sich doch ohnehin eine Eigendynamik, viel ergibt sich von selbst. Wir bekommen das gemeinsam schon hin!“
Damit hatte sie sicherlich Recht.
Ich schloß die aus meiner Sicht damit abgeschlossene Diskussionsrunde: „Gut, was mich anbelangt, ich fühle mich erst einmal hinreichend über unsere Optionen informiert.“
Susanne stimmte sofort zu: „So erklärt sehe ich jetzt auch klarer, wo die Reise hingeht.“
Peter faßte zusammen: „Also gut, ich schlage vor, wir lassen das ein paar Tage sacken, was die allgemeinen Angelegenheiten betrifft, bereiten wir vor, wählen aus, machen uns an die Umsetzung. Über ihre Belange entscheidet Michaela natürlich selbst und nimmt sich dafür die Zeit, die sie braucht, da gibt es ja auch keinen Grund, etwas zu übereilen.
Was die Brutkästen anbelangt:
Wir könnten uns darauf einigen, wie wir etwa aus den befruchtete Eizellen oder auch den Eizellen und Samen auswählen. Zufällig wäre naheliegend, damit wir nicht absichtlich oder unbewußt züchten, statt Vielfalt anzustreben.“
Hildegard erwiderte: „Das scheint mir auch plausibel zu sein. Bei den befruchteten Eizellen ist eine Zufallsauswahl ausgezeichnet. Bei den anderen können wir allenfalls bei der Kombination versuchen, auf Vielfalt zu achten.“
Ida bestärkte das noch: „Ja, in eine bestimmte Richtung züchten wollen wir nicht. Wir wissen allerdings nicht genau, nach welchen Kriterien da überhaupt ausgewählt wurde. Aber vielfältig ist der Vorrat gewiß, wir werden das nicht künstlich einengen.“
Und damit schlossen wir erst einmal diese Konferenz.
Über meine persönliche Entscheidung grübelte ich immerhin nun intensiv und fragte mich, was ich nun machen sollte. Ich war unentschlossen, was bei mir nun nicht so oft vorkam. Sonst stürmte ich doch immer gerne voran, steckte auch Rückschläge ein. Nun stand ich da und überdachte noch einmal, allerdings noch etwas lustlos, welche Optionen ich nun wirklich hatte. Im Grunde waren das schon einige. Aber da Susanne und Peter mit ihren Entscheidungen meine früheren durchkreuzt hatten, war das nun für mich nicht so einfach, einen Neustart zu finden, zudem noch irgendwie gemeinsam mit Peter und Susanne in unserer kleinen Kolonie.
Mache einen Vorschlag, wie Michaela sich entscheiden soll.
Kolonie
Obwohl ich ja bereits wußte, daß es wieder deutlich anders sein würde, war ich dann doch erneut überrascht, als ich nach meiner Wiederauferstehung die Augen öffnete. Ich kannte das schon, anfangs war die Koordination etwas eingeschränkt, nach dem Öffnen der Augen schärfte sich der Blick auch nur langsam. Ich war in einem größeren Raum als den Kabinen auf dem Raumschiff oder der Raumstation. Dann erblickte ich eine anthropomorphe Gestalt im Raum.
Diese drehte sich zu mir herum und sagte: „Oh, du bist wach, Michaela, gut, dann wieder einmal herzlich willkommen, diesmal bereits in unserer Kolonie auf Skylla. Es ist bescheiden, was wir gebaut haben und doch hoffentlich eine neue Heimat. Ich bin es, Ida, also jedenfalls hier in der Kolonie mein Avatar, wir haben uns gedacht, es wäre so ganz sinnvoll, ähnlich wie ein Mensch, aber doch eindeutig zu unterscheiden. Esme, Hildegard, Körk und ich haben uns also leicht unterschiedliche, gut unterscheidbare Avatare zugelegt …“
Ich entgegnete freundlich: „Ja, sieht gut aus, das habt ihr gut hinbekommen.
Was ist mit Susanne und Peter?“
Ida gab bereitwillig Auskunft: „Mit den beiden ist alles in Ordnung. Bei der Wiederauferstehung haben wir wie verabredet mit dir begonnen. Wir dachten uns, du akklimatisierst dich erst einmal, dann sehen wir, wie es mit den anderen weitergeht.“
Ich atmete tief durch und nickte, schlug dann vor: „Kannst ja schon mal ein wenig erzählen, um die Zeit zu überbrücken.“
Ida berichtete also: „Gut, was die Mission anbelangt, wir haben dann erst einmal wie abgesprochen weitergemacht. Das lief zunächst so weit alles gut ab. Es gab dann allerdings schon Überraschungen auf Charybdis, eigenartige Entwicklungen, wo wir kurz davor waren, euch hinzuzuziehen. Da wir uns allerdings gemeinsam entschlossen hatten, ohnehin nicht so massiv auf Charybdis vorzugehen, haben wir uns jedoch entschlossen, die Entwicklung erst einmal zu beobachten, zu begleiten, nicht dich oder Peter wiederaufzuerstehen, um daran zu arbeiten. Der Fokus lag also eher darauf, die Dinge auf Skylla im Sinne der Mission und unseres Entschlusses voranzubringen.
Wir haben also ohne euch weitergemacht, wie das ja auch abgesprochen war. Die Aufgaben auf Skylla und Charybdis waren schon sehr anspruchsvoll. Insgesamt sind seit deiner letzten Konservierung 139 Jahre vergangen. In der Zeit hat sich die Vegetation hier auf Skylla aber sehr gut und vielfältig entwickelt.
Und auf Charybdis haben wir ebenfalls deutliche Veränderungen festgestellt. Zu unserer Überraschung haben wir da irgendwann neue irdische Organismen gefunden. Verblüffend war dann auch eine Korrelation der Standorte dieser Arten mit charybdianischen Pflanzen, die dort nun ebenfalls von selbst wuchsen. Die charybdianischen Pflanzen waren zwar nicht besonders stattlich, aber doch vital. Wir untersuchten das natürlich weiter. Was wir fanden, war dann verblüffend, die charybdianischen Pflanzen lebten symbiotisch zusammen mit irdischen Mikroorganismen, insbesondere Pilzarten, die leicht mutiert waren. Die Mutationen hatten die Symbiose erleichtert. Das funktionierte noch nicht sonderlich gut, schien uns aber immerhin ein Anfang zu sein. Von den Pilzen fanden wir zunächst nur lokal etwas, im weiteren Bereich auch nicht mutierte Typen davon. Bemerkenswert an dem Fund war auch, daß die Organismen zwar zur ursprünglichen Impfung des Eisblocks gehörten, der für Skylla bestimmt war, dann aber von einem anderen Eisbrocken getroffen wurde, worauf er zersplittert wurde und später dann zur Kontamination von Charybdis geführt hat. Mit der Geschichte bist du ja vertraut.
Jedenfalls hatten wir diese mutierten Pilze in der frühen Phase der Kontamination nicht gefunden, nun waren sie aber lokal da. Eine plausible Hypothese war dann, daß es Jahre nach der ersten Kontamination eine weitere gegeben hatte. Der Eissplitter mit diesen Pilzen war vielleicht durch Strahlung getroffen worden, ein paar Sporen waren dadurch mutiert, aber nicht zerstört worden. Das war jedenfalls gerade zu dem Zeitpunkt ein unwahrscheinlicher Glücksfall für die charybdianischen Pflanzen. Da wir es bis dahin nicht mit mutierten oder in der Form gentechnisch veränderten Organismen probiert hatten, schien uns das schon interessant genug zu sein, um weiter zu untersuchen. Da wir allerdings den Entschluß gefaßt hatten, die Entwicklung auf Charybdis nicht massiv zu stören, griffen wir nicht groß ein, sondern guckten einfach mal unter Laborbedingungen, ob wir Ähnliches auch für andere Arten erreichen könnten. Die Untersuchungen waren komplex und langwierig, wir fanden aber einige Dinge heraus, die Potential haben mußten. Wir haben die Optionen und Ideen gesammelt und könnten nun weitere Maßnahmen diskutieren.“
Ich gab zu bedenken: „Ihr hättet ja Peter hinzuziehen können …“
Ida erläuterte zu dem Argument: „Das haben wir auch erwogen, kamen dann aber zu der Meinung, daß wir erst einmal Daten sammeln sollten, um etwas für eine Diskussion zu bieten zu haben.“
Ich verkniff mir einen Kommentar, wenn sie immer erst über hundert Jahre Daten sammeln, bevor etwas passiert, würde sich unsere Mission noch lange hinziehen, bevor wir wirklich Ergebnisse haben würden.
Wir machten eine kleine Pause, ich sah mich um. Nur ein Teil des Raumes sah aus wie der Arbeitsraum oder der Aufenthaltsraum der Raumstation, also mit allerhand Anzeigen und Arbeitstischen. Dazu gab es darüberhinaus allerdings ebenfalls Fenster.
Und draußen war es grün!
Da gab es Bäume, eine üppige Vegetation, dazu das leicht gelbliche Licht von Rasol, blauer, leicht bewölkter Himmel, fast wie auf der Erde. Ich stand auf, Idas Avatar begleitete mich zum Fenster und ich schaute hinaus, nach mehr Details.
Ida erklärte: „Wir sind auf jener Insel, die wir ausgewählt hatten. Weil ihr Fundament aus hartem Vulkangestein eines erloschenen Vulkans besteht, wird es die Insel auch noch lange geben, also ein guter Standort.“
Ich stellte fest: „Da habt ihr ja noch ordentlich was herausgefunden und auch viel geleistet. Da draußen ist inzwischen ja ein Urwald gewachsen!“
Ida führte aus: „Ja, hier auf der Insel haben wir inzwischen üppige Vegetation. Das ist nicht überall so. Körk läßt es noch immer regnen und mit unserer Terraformung kommen wir voran, erobern so mit der Vegetation von den Küsten ausgehend auch immer mehr vom Land. Die Zusammensetzung der Atmosphäre hat sich geändert, der Sauerstoffgehalt ist zwar etwas niedriger als auf der Erde auf Meereshöhe, aber natürlich in einem Bereich, in welchem Menschen gut zurechtkommen. Die Temperaturen sind angenehm, die Schwankungen nicht besonders groß, also ein guter Ort, um zu leben.“
Ich schaute noch immer raus, die natürliche Umgebung draußen faszinierte mich, ich wollte hinaus, mir das ansehen, wollte mich aber nicht gleich so kurz nach der Wiederauferstehung übernehmen und setzte mich auf einen Stuhl in der Nähe des Fensters, schaute weiter interessiert hinaus.
Dabei dachte ich jedoch eigentlich an Susi und wie ich das nun hinbekommen sollte. Immerhin, mit der Kolonie hatte sich allerhand geändert. Das war nun also schon eine ganz andere Umgebung für Susi. Das war eine Möglichkeit für sie, neu durchzustarten. Erst einmal wollte ich mir in aller Ruhe ein eigenes Bild machen.
Das war also nicht heute zu erledigen, wobei ich davon ausging, daß die Ais da nicht bereits etwas unternommen hatten. Ich versuchte mich davon abzulenken und die Schönheit des Ausblicks zu genießen.
Was dann immerhin etwas ablenkte:
Die kleine Pause nutzten dann Esme, Hildegard, Körk, Stanis und Asi, um mir akustische Grußbotschaften zukommen zu lassen. Insbesondere Esme und Hildegard würden hier in Zukunft ebenfalls mit ihren Avataren öfter anzutreffen sein, Körk eher seltener. Einstweilen war aber nur Ida mit ihrem Avatar hier bei mir aktiv.
Von Ida wollte ich kurz darauf wissen: „Und was ist sonst so im Universum passiert?
Jedenfalls auf der Erde, mit Mission 3 und auch hier in unserem Sonnensystem?“
Ida berichtete: „So viel Neues von der Erde gibt es gar nicht. Die Bevölkerung nimmt noch immer leicht ab, eventuell will man sich ganz auf einen Kontinent zurückziehen und mit der ohnehin bereits durchgeführten Renaturierung so weit fortfahren, daß der größte Teil der Erde wieder in ein sich selbst überlassenes Ökosystem übergeht. Mit dem Klima haben sie immer noch Probleme, allerdings müssen sie deutlich weniger eingreifen. Wenn ich mir die Berichte so ansehe und die Zeitverzögerung bis zu uns berücksichtige, haben sie heute vielleicht schon damit aufgehört, wenn es gut gelaufen ist.“
Ich nickte nur.
Ida referierte weiter: „Mission 3 macht auch Fortschritte, sie sind bei der Terraformung eines bislang unbelebten Planeten mit dem gut vorangekommen, was sie von uns an Material bekommen haben. Wir schicken alle paar Jahrzehnte weiteres Material und öfter noch unsere neuesten Erkenntnisse. Das hilft dann offenkundig. Wer weiß, vielleicht siedeln wir dort auch irgendwann einmal charybdianische Vegetation an, warum nicht, warum sollten wir nur irdisches Leben verbreiten, wäre doch albern.“
Ich lächelte und nickte: „Ja, das hört sich plausibel an.“
Ida setzte ihren Bericht fort: „Stanis und Asi forschen fleißig immer weiter. Überraschend sind sie bei einem anderen Eismond mit deutlich verfeinerten Methoden doch noch auf etwas gestoßen, auch dort gibt es ein Meer zwischen Eis und Kern. Im Schnitt ist das aber weniger als einen Kilometer hoch und steckt unter einer dicken Eisschicht, deswegen war das anfangs nicht so einfach auszumachen. Es gibt auch keine Eisgeysire oder so, die hätten helfen können, etwas zu entdecken.
Nach einer langwierigen Bohrung haben sie dort auch Leben gefunden, allerdings eher einfachere Organismen, durchaus Mehrzeller, aber nicht zu vergleichen mit der Komplexität auf dem anderen Eismond oder der ursprünglichen von Charybdis.
Weiter draußen auf einem Kleinplaneten haben sie auch eine interessante, langsame, komplexe Dynamik entdeckt, das ist kein Leben, aber aufgrund der tiefen Temperaturen ist da natürlich das Eis hart wie Gestein und andere Flüssigkeiten bilden da Flüsse und Seen in einer fremdartigen, düsteren Landschaft. Faszinierend, aber nach unserem Verständnis sehr lebensfeindlich. Trotzdem gibt es da viele organische Moleküle, auch komplexere Formen. Das ist insofern sehr interessant, als daß alles ohne Lebewesen entstanden sein muß, gleichzeitig aber in großer Menge diverse Grundbausteine des Lebens enthält. Es ist also durchaus möglich, daß einer der Ursprünge biologischen Lebens auf solchen kalten Planeten liegt, wo sich komplexe Moleküle langsam, aber ziemlich ungestört in einem trägen Nichtgleichgewicht bilden konnten, dann vielleicht durch einen Asteroideneinschlag weiter ins innere Sonnensystem geschleudert wurden, wo das Leben sich dann weiter entwickeln konnte.
Andererseits gab es auf der Erde ja bereits ziemlich früh Leben. Die Entwicklung könnte also auch unabhängig voneinander sein oder die komplexen Moleküle stammen gar von einem anderen Sonnensystem, wo sie in solch trägen Systemen über Milliarden von Jahren gebildet wurden und dann nach einem Zusammenstoß so lange unterwegs waren, bis sie dann wieder in ein Sonnensystem gekommen sind, um sich in habitablen Zonen mit etwas Glück zu entwickeln.
In mehreren Schichten des Gasriesen Albert haben sie zudem filigrane Gespinste unterschiedlicher Arten in verschiedenen Zonen der Atmosphäre gefunden. Das sind organische Strukturen, die sie vor Kurzem auch eindeutig als Leben identifizieren konnten, sehr einfach zwar, aber lebendig. Dieses Sonnensystem hat ein sehr vielfältiges Leben und an jedem Standort ist es anders. Es bleibt allerdings ein Rätsel, warum wir Skylla so tot aufgefunden haben.“
Darauf hatte ich natürlich auch keine Antwort, wie auch, vielleicht hatte irgendwann eine natürliche kosmische Katastrophe Skylla heimgesucht, die viel Wasser und alles Leben fortgebrannt hatte, vielleicht waren die Umstände bei der Entstehung des Zwillingsplanetenpaares einfach so gewesen, daß Charybdis eben den Großteil des Wassers abbekommen hatte, Skylla eben nur wenig. Und aufgrund eines Zufalls war dann vielleicht von Auswärts auf Charybdis etwas eingeschlagen, aus dem sich Leben entwickelt hatte, während die Bedingungen auf Skylla zu trocken oder sonstwie chemisch ungeeignet waren, um einfachen Organismen aus dem Weltraum eine Grundlage zu bieten, um zu überleben und sich anzupassen.
Mittlerweile fühlte ich mich schon ganz gut und dazu in der Lage, etwas mehr zu unternehmen. Und so machten wir eine kleine Runde durch die Kolonie, auf unserer Insel. Die ist aber schon so groß, daß ein einfacher Spaziergang nur einen kleinen Teil davon zeigen kann. Und ich war schon sehr überrascht, wie üppig und komplex die Vegetation in den wenigen Jahrzehnten gewachsen war.
In der Nähe unserer Gebäude der Kolonie gab es auch einige Gewächshäuser, auch einige Felder. In Vorbereitung auf die Menschen der Kolonie zogen die Ais hier bereits Getreide, Gemüse, Obst, Pilze zu unserer Ernährung. Sie bereiteten aber auch diverse Pflanzenarten vor, um sie dann auf der Insel oder auch woanders auszuwildern. Da gab es noch reichlich zu tun, bislang hatten sie nur einige zehntausend Arten auf dem gesamten Planeten etabliert.
Auf unserem Rundgang durch die nähere Umgebung der Station, auch bis hinab zum Meer war ich jedenfalls schon einmal begeistert über unser Paradies, daß ich zunächst einmal vergaß, welche Katastrophe, welches Ökozid es auf Charybdis gegeben hatte, letztlich auch, weil wir hier auf Skylla irdisches Leben ansiedeln wollten. Daß ich heute hier in dieser irdischen Vegetation stehen konnte, mich daran erfreuen konnte, nun wohl endlich eine neue Heimat gefunden zu haben, diese Empfindung herrschte bei mir erst einmal vor.
Wieder zurück im Hauptgebäude der Kolonie gab es auch hier einen Rundgang. Hinsichtlich der Energieversorgung hatten die Ais einstweilen auf Wind- und Solarenergie sowie Gezeitenkraftwerke gesetzt, hatten hier keinen Fusionsreaktor bauen lassen.
Trotzdem hatten wir im Gebäude Luxus und bereits jetzt deutlich mehr Platz als nur für ein paar Personen. Und es gab bereits mehrere Gebäude.
Dieser erste Ausflug war noch ziemlich klein, ich kehrte bald zurück, sah mir allerdings einen Plan der Insel, der bereits vorhandenen Wege und der Kolonie an. Der mir bereits von der Planung der Kolonie her bekannte See war als Badesee ausgewiesen. Es gab nicht nur diesen einen See, der war dafür aber besonders geeignet, lag im Übergangsbereich zu einem bergigeren Bereich der Insel. In der Nähe hatten wir auch einen Strand zum Meer hin, welches sich allerdings nicht zum Baden eignet. Auf Nachfrage hin gab Ida die Auskunft, sie betrieben zwar mehrere Anlagen, um den Mineral- und Salzgehalt des Meeres zu reduzieren, so auch Rohstoffe zu gewinnen, es würde aber noch Jahrzehnte dauern, bis das Meer unbedenklich badetauglich sei. Würde man es bereits jetzt wagen, sollte nach ein paar Minuten Aufenthalt im Wasser unbedingt eine sorgfältige Dusche mit sauberem Wasser folgen.
Die Kolonie bestand bereits gemäß unserer Planung aus mehreren Gebäuden, von daher war da für die nächsten Jahrzehnte sicherlich keine Erweiterung notwendig. Mehr als genug Platz also für eine passable Population. Derzeit war ich noch allein. Ich wollte aber nach der Wiederauferstehung erst einmal in aller Ruhe zu mir kommen, bis ich zusammen mit den Ais entscheiden wollte, wie wir weiter vorgehen sollten. Auch hier fragte ich hinsichtlich Susi und Peter bei Ida abermals nach. In der Tat hatten sie mich als erste wiederauferstanden, sie bestätigte: Wir würden über das weitere Vorgehen gemeinsam entscheiden, wenn ich mich in der neuen Umgebung eingewöhnt hätte. Ich war mir mit Ida darüber einig, daß das wohl nur ein paar Tage dauern würde. Das war genug Zeit, um mir zu überlegen, welche Reihenfolge sinnvoll wäre. Susis Stand war ja noch der der Katastrophe auf Charybdis. Peter würde sicherlich die Entwicklung auf Charybdis sehr interessieren. Hinsichtlich der Integration anderer Kryo-Zombies schätzte ich immerhin ein, daß diese ähnlich wie wir drei nicht unbedingt besser auf die Nachricht reagieren würden, Jahrhunderte nach ihrer Zeit in einem anderen Sonnensystem zu sein. Von daher war da sicherlich vorsichtig vorzugehen, vermutlich nicht sonderlich geschickt, da nun eine größere Zahl auf einmal wiederaufzuerstehen. Obwohl es ja auch eine Option für sie wäre, das Schicksal in der Gruppe zu bewältigen und die Herausforderung anzunehmen.
Vielleicht sollten wir das einfach wagen und damit mit dieser Anfangsphase einfach abschließen, mit der Kolonie so einen Neubeginn mit mehr Personal riskieren?
Angeschlagen wären die Kryo-Zombies sicherlich, aber Peter und ich hatten uns ja auch gut gefangen. Susi eigentlich ebenfalls, hatte lediglich Probleme mit der Katastrophe auf Charybdis bekommen.
Nun hier in der Kolonie ist die Umgebung schon wieder ähnlich wie an einem erholsamen Urlaubsort auf der Erde, schon irgendwie exotischer mit Charybdis am Himmel, aber doch schon deutlich normaler als auf dem Raumschiff, daher für Susi, ebenso für andere Kryo-Zombies vermutlich eine günstigere Umgebung, um sich mit dem Schicksal zu arrangieren.
Noch mußte ich mich von der Wiederauferstehung erholen. Auf meine Bitte hin erschien Ida wieder in Form ihres neuen Avatars.
Ich fragte Ida, ob ich hier eine Kabine als persönlichen Raum haben könnte. Ida stimmte zu, das hatten sie längst vorbereitet, begleitete mich zu einem anderen Gebäude und dort zu einem Raum. Der war ein paar Quadratmeter größer als die Kabinen der Raumstation, aber ähnlich eingerichtet. Ein wesentlicher Unterschied war aber ein solides Fenster mit einem Blick hinaus in die weite Landschaft. Der Ausblick erfreute nach der langen Zeit auf dem Raumschiff ganz besonders. Da ich ja bereits kurz draußen gewesen war, schaute ich nun allerdings nur kurz hinaus.
Ida wies auf ein Paket auf dem Bett.
Ich erinnerte mich, das waren meine persönlichen Gegenstände.
Ida zeigte mir auch einen Schrank mit Kleidung für mich, erinnerte mich aber gleichzeitig daran, den Raumanzug noch etwas tragen zu müssen, bis ich grünes Licht bekam, daß die Nachbearbeitung der Konservierung abgeschlossen war. Dann würde ich wechseln können.
Als Idas Avatar gegangen war, stellte ich einfach das Paket vom Bett auf den Boden, sah nicht einmal hinein. Dann legte ich mich selbst auf das Bett, krümmte mich seitlich zusammen. Ich machte Atem- und Entspannungsübungen. Ich war allerdings so aufgewühlt, das es eine ganze Weile dauerte, bis ich endlich einschlief.
Da eine Umdrehung von Skylla um sich selbst ja nur acht Stunden dauert, wird es hier häufig und schnell dunkel, aber auch wieder hell, wobei die Dunkelphasen nicht so ausgeprägt wie die Nächte auf der Erde sind, was an der Wolkenverteilung oder der Konsistenz der Atmosphäre insgesamt liegen mag. So oder so richtete sich die Zeiteinteilung immer noch nach den vierundzwanzig Stunden, die wir eben von der Erde gewohnt sind. Da war es eigentlich ein günstiger Zufall, daß die acht Stunden gut dazu paßten, die Ais hatten das bei den Manipulationen des Sintflutprojektes sogar gezielt so einrichten können, daß sich die Zeit ziemlich genau auf acht Stunden belief, so war der Rhythmus also schon synchronisiert. So oder so war es doch ein interessantes Erlebnis, das nun durch das Fenster beobachten zu können. So oder so war ich allerdings noch nicht wieder voll da, um mir bereits mehr im Detail ansehen zu wollen. So gammelte ich einfach weiter in meinem Zimmer herum, las etwas, schaute auch einmal einen Film, döste, gammelte weiter, schlief.
Den nächsten Tag meldete sich Esmeralda an. Ich war gerne einverstanden mit ihrem Besuch und so stand bald ihr Avatar in meinem Zimmer. Sie hatte etwas zu trinken für mich mitgebracht, sogar eine Kleinigkeit zu essen. Wir setzten uns an einen Tisch und zu meiner Überraschung streichelte Esme über meinen Arm. Vermutlich wollte sie mich damit anspornen, aktiver zu werden. Ich lächelte den Avatar etwas skeptisch an, nickte daraufhin aber einverstanden. Es lagen bereits wieder neue Herausforderungen vor mir, Rückhalt konnte ich durchaus gebrauchen. Und mit Esme hatte ich zuvor ja bereits guten persönlichen Kontakt gepflegt. Vielleicht war es unser Gespräch im Rahmen der Sexspielzeug-Entwicklung gewesen, wo wir auch über Zuneigung und Nähe gesprochen hatten, was sie motiviert hatte, zu mir zu kommen und mir etwas Gesellschaft zu leisten.
Und ich nahm das dankbar an.
Wir plauderten etwas, wobei mich Esme nebenbei vertrauter mit der Kolonie machte, was sie vorbereitet hatten. Bald würde ich den Anzug ablegen können. Es gab Duschräume, einen Aufenthaltsbereich samt Küche. In ihrer Begleitung schaute ich mich nun genauer um, machte mich ganz vertraut mit dem Gebäude, in welchem mein Raum lag. Dieses war ein reines Wohngebäude, wovon es bereits mehrere ähnliche in der Kolonie gab, mangels Bewohner derzeit weitgehend versiegelt. In dem Gebäude, in dem ich aufgewacht bin, gab es auch aktive Funktionsräume, etwa zur medizinischen Versorgung. Die Idee der Ais war, bei Bedarf etwas besser zwischen Arbeitsbereich und Freizeit trennen zu können. Jenes Gebäude hatte allerdings auch Wohnräume. So war es letztlich meine Entscheidung, ob ich nicht doch lieber dort unterkommen wollte. Das mit der Aufteilung fand ich aber ganz in Ordnung. So dachte ich mir schon, daß wir zunächst alle weiteren Wiederauferstandenen gemeinsam in einem Gebäude unterbringen sollten, davon eventuell bei Konflikten abweichen. Letztlich hätte da natürlich jeder Wahlfreiheit. Arbeit an Projekten im anderen Gebäude erschien mir vorteilhaft. So wäre rein physisch eine Trennung da und die Versuchung wäre nicht so groß, das stark zu vermischen und sich so für beide Sphären genug Raum und Zeit zu geben.
Nach unserem kleinen Rundgang durch das Wohngebäude und das andere mit den Funktionsräumen kamen wir letztlich wieder bei meinem Raum an. Esmes Avatar war noch immer da. Wir hatten uns prima unterhalten, hatten gleich wieder einen Draht zueinander gefunden. Nun, wo sie schon einmal da war, holte ich sogar das Paket hervor, öffnete es und betrachtete ironisch lächelnd das Spielzeug und die Kleidung. Aufgrund ihrer Konservierung sah es so aus, als hätte das alles allenfalls einen Monat im Schrank gelegen. Ich machte zusammen mit Esme eine Bestandsaufnahme, wir prüften den Zustand der Kleidung und auch die Funktion der Geräte. Das war alles in Ordnung. Nur die Akkumulatoren waren natürlich leer. Da das meine persönlichen Gegenstände waren, gehörte das Aufladen natürlich auch nicht mehr zu den Aufgaben der Ais. Die Kleidung im Schrank war ähnlich wie die aus dem Paket.
Wir hängten meine Sachen aus dem Paket einfach dazu.
Ich fragte Esme: „Was meinst du, was ich nun tun soll, was mit der Situation anstellen?
Susi ist ja noch auf dem Stand ihrer Konservierung, also zum Zeitpunkt des Absorbereinschlages, als sie zusammengebrochen ist, es wird sicherlich nicht so einfach, wenn sie nun wiederauferstanden wird.“
Esme erwiderte: „Oh.
Hildegard und Ida tun da schon, was möglich ist, bei der Wiederauferstehung wird es milde Beruhigungsmittel geben, dazu etwas zur leichten Stimmungsaufhellung. Hinzu kommt die neue Umgebung hier in der Kolonie.
Damit bekommt ihr das hoffentlich in den Griff!
Aus der bisherigen Erfahrungen wissen wir ja nun schon, daß die Kryo-Zombies der Mission zwangsläufig aufgrund der kritischen Situation bei ihrer Konservierung oft Trauma oder schockartige Zustände mit sich bringen, von daher ist da sowieso immer eine Unterstützung vorgesehen. Bei Susanne ist es nun zwar etwas anders, weil sie mit dem Konzept der Konservierung bereits bekannt ist, weil der Grund dafür aber wieder für sie unerfreulich war, wird sie schon etwas Unterstützung brauchen, das ist klar. Zu Details, wie du sie begrüßen solltest, kann ich allerdings wenig sagen, das hast du sicherlich viel besser im Gefühl.“
Ich lächelte kaum merklich: „Hast ja Recht. Dem muß ich mich stellen und flexibel auf das reagieren, was von ihr kommt, sie auffangen, trösten. Etwas kribbelig ist das schon, denn der erste Versuch ist nun einmal der einzige, da muß das klappen. Immerhin kann sie auch noch verstört darauf reagieren, daß wir sie einfach so konserviert haben, auch noch so lange.“
Esme antwortete: „Das war eine sehr kritische Situation. Und sie ist zusammengebrochen.
Was hätte es ihr und auch der Mission in dem Moment gebracht, wenn wir sie mit Psychopharmaka stabil gehalten hätten, sie sich aber doch so gefühlt hätte, als hätte sie Watte im Kopf?
Das war doch so schon in Ordnung. In der Situation hat sie keine Perspektive gesehen, das hat sich nun wieder geändert.
Für dich wiederum: Die Katastrophe, ihr Zusammenbruch – beides zusammen hätte zuviel deiner Aufmerksamkeit erfordert. So haben wir uns so sicherlich richtig entschieden, Susanne eine Pause zu gönnen. Und mit der Kolonie hat sie nun eine ganz andere Perspektive. Seit der Katastrophe ist viel Zeit vergangen. Auf Charybdis tut sich nach der Katastrophe wieder etwas. Sicherlich wird sie etwas brauchen, um das alles zu verdauen. Aber du bist da, alles ist hier friedlich, freundlich.
Da wird sie die Kurve bekommen!“
Ich seufzte: „Das hoffe ich sehr. Aber es bleibt mir nichts anderes übrig, als darauf zu vertrauen, daß ich die Situation schon irgendwie meistern werde. Vielleicht nicht geradezu meistern, aber doch wenigstens so gut überstehen, daß ich Susanne mit der Realität im Laufe der Wochen versöhnen kann.“
Esme stimmte zu.
Die folgende Nacht schlief ich bereits ruhiger. Ich begann mich einzugewöhnen. So konnte ich nun bereits ausgedehntere Ausflüge über die Insel machen, Kolonie und Umgebung eingehender erkunden.
Körperlich hatte ich mich schnell von der Wiederauferstehung erholt, konnte somit auch endlich den Anzug ablegen. Eine lange Dusche tat mir sehr wohl, so nackt mit dem erfrischen Naß auf der bloßen Haut war ich wieder ganz zurück im Leben. So machte ich auch einen ausgiebigen Lauf über die Insel. Meinen Morgenlauf würde ich hier wieder aufnehmen. Dieser Lauf brachte mich an den Badesee. Beherzt entkleidete ich mich, als ich eine passende Stelle zum Einstieg gefunden hatte. Ich stieg in guter Laune ins Wasser, zog meine Bahnen. An einer anderen Stelle des Ufers fand ich einen weiteren, bequemen Ausstieg auf eine größere, flache Felsplatte. Hier sonnte ich mich, um mich zu trocknen. Ein von den Ais angelegter Weg war nicht weit, so schlenderte ich irgendwann nackt und gelassen um den See herum zurück zu meinen Sachen, zog sie wieder an und kehrte zur Kolonie zurück. Ja, nun war ich angekommen, war bereit, mich ganz auf die Kolonie einzulassen. Ich fühlte mich stark genug, um mich neuen Herausforderungen zu stellen.
Nach einem ausgiebigen, nunmehr wieder ganz normalen Essen meldete ich mich bei Ida, um mich mit ihr zu beraten. Sie erschien mit ihrem Avatar und wir entschlossen uns zu einem Spaziergang draußen. Nach der Zeit auf dem Raumschiff war ich nun sehr gerne draußen, genoß den freien Raum, die Atmosphäre über mir, die sich entwickelnde Natur um mich herum.
Das sollte doch sicherlich auch Susi sehr gefallen, stellte ich mir vor, die Idee stimmte ich bereits etwas optimistischer, wie ich das alles hinbekommen sollte. Vielleicht würde es ja doch gar nicht so schlimm.
Wir wanderten dann einfach und gemütlich über die Insel und erkundeten so die Umgebung.
Auf den angelegten Wegen würde es auch mit einem Fahrrad prima klappen, auch davon waren bereits welche verfügbar, eher einfach und robust für diese Umgebung ausgelegt. An einer Stelle mit schöner Aussicht über das kleine Meer bis hin zu einer anderen Küste hatten die Ais bereits eine Bank positioniert. Wir setzten uns und schauten uns die Landschaft an.
Ida wollte dann wissen: „Und wie sieht es aus, fühlst du dich wohl, wollen wir uns nun der Wiederauferstehung von Susanne widmen?
Morgen könnte es losgehen.
Oder doch lieber erst Peter?“
Ja, mit Susanne würde ich etwas zu klären haben, das bohrte ja schon vor meiner Konservierung ordentlich in mir, ich hatte nun bei unserem Ausflug nicht daran gedacht, nun war es aber wieder ganz präsent. Es würde nun bald passieren, ich mußte mich dem stellen, aber das wußte ich ja schon länger. Peter wäre schon der harmlosere Kandidat. Seine Anwesenheit würde es mit Susi allerdings nur verkomplizieren. Da wäre es einfacher, im Laufe der Zeit einfach zu erläutern, was wir unternommen hatten, um aus der Katastrophe doch noch etwas zu machen, was das Ereignis irgendwie abmildern sollte. Also doch besser erst Susi, dann Peter.
So stimmte ich zu: „Klar, das ist wohl der passende Zeitpunkt, ich werde mit Susanne reden müssen. So ganz wohl ist mir nicht, da ich noch nicht so genau weiß, wie ich vorgehen soll. Aber weiteres Warten mit Ausflüchten würde das ja auch nicht ändern. Mit Peter zuerst wäre es zwar zunächst die einfachere Option. Wenn aber Susi zuerst wiederauferstanden wird, kann ich besser einteilen, wie ich ihr erkläre, was wir nach ihrer Konservierung unternommen haben, um mit der Katastrophe umzugehen.
Nur mit mir dürfte die Verwirrung für Susi geringer ausfallen als zusätzlich mit Peter, den sie ja noch gar nicht kennt!“
Ida gab zu bedenken: „Vermutlich ergibt es sich ja nahezu von alleine, wenn ihr beide wach seid und miteinander redet.“
Ich hatte meine Zweifel: „Oh, meinst du wirklich?
Das wäre ja sehr erfreulich, wenn sich das sozusagen von selbst regeln würde. Sie war schon erheblich geschockt durch die Katastrophe.“
Ida beruhigte: „Natürlich wird sie zur Wiederauferstehung milde Mittel bekommen, zur Aufhellung des Gemütes, zur Beruhigung. Das wird schon etwas helfen.
Und wenn du bei ihr bist, alles ruhig ist, bekommst du das schon hin!“
Ich nickte und entgegnete: „Das meinte Esme auch schon. Ich hoffe jedenfalls sehr, daß es klappt. Und weiter drücken hat keinen Sinn. Nun haben wir die Kolonie, nun muß unser Fokus hier liegen. Und Susi gehört dazu.“
Ida versicherte: „Du wirst das schon hinbekommen, da bin ich ganz zuversichtlich.
Mit der Zeit, ich glaube, das hast du besser im Gefühl als daß ich das als Ai jemals beurteilen könnte.
Morgen also?“
Ich nickte und hoffte, entgegnete: „Also dann erzählst du ihr nichts davon, daß wir Peter auferstanden haben. So hat Susanne erst einmal Zeit, sich von der Wiederauferstehung zu erholen – und die Katastrophe mit dem Absorbereinschlag muß sie ja auch noch verarbeiten, dann müssen wir ihr auch noch die mehrmalige Kontamination von Charybdis beichten. Ohoh, das sind keine so schönen Nachrichten, die wir ihr unterbreiten müssen. Es kommt wohl mir zu, sie dabei zu begleiten und zu stützen. Und darin liegt ja auch viel Potential, unsere Beziehung nun wieder aufzunehmen.“
Ida stimmte zu: „Ja natürlich, ich weiß Bescheid und werde das dir überlassen, ich unterrichte somit ebenfalls die anderen über den Sachverhalt.“
Das war also schon einmal geklärt. Wir hatten einen groben Plan, einen Entschluß gefaßt. Alleine das befreit, wenn es gelungen ist, eine Entwicklung anzustoßen, auf den Weg zu bringen.
Im Anschluß an eine weitere Schlafpause für mich ging es los, Esme, Hildegard und Ida bereiteten alles für die Wiederauferstehung von Susanne vor und dann begann das Prozedere. Ich war nervös und zappelte mit Beinen und Händen ziellos herum.
Dann lag Susi auf dem Bett, ich saß daneben und hielt schon ihre Hand. Obwohl es nichts zu tun gab, wurde mir die Zeit nicht wirklich lang, in meinem Kopf kreisten hektisch die Gedanken, ob ich das hinbekommen würde oder wie. Ich hoffte aber auch erst einmal einfach auf ein freudiges Wiedersehen. Immerhin mußte sie ja die Katastrophe auch noch verarbeiten, damit würden wir erst einmal genug zu tun haben. Ich mußte sie einfach schonen.
Und dann bewegte sich Susanne endlich. Ungeduldig hielt ich ihre Hand. Aus einem Reflex heraus wohl drückte sie diese daraufhin, bewegte sich langsam, öffnete im Anschluß die Augen, schaute mich an. Ich lächelte sie an, streichelte sie liebevoll und sanft. Mit ihrem Blick war alles drumherum um uns verflogen, alle schweren Gedanken wie weggeblasen.
Sie war wieder bei mir!
Ida hatte sich etwas in den Hintergrund zurückgezogen.
Langsam richtete Susanne sich auf, erkannte mich, wir umarmten uns, hielten uns aneinander fest. Sie brauchte etwas, bis der Blick klarer war, lächelte in der Folge gleichfalls.
Leise noch sprach sie: „Michaela?“
Ich erwiderte ruhig: „Ja, ich bin es, es ist alles in Ordnung, komme erst einmal richtig zu dir.“
Nach einer Weile fragte sie: „Was ist geschehen?“
Ich erläuterte: „Du bist nach dem Einschlag des Absorbers auf Charybdis zusammengebrochen. Das sah alles nicht gut aus, mit der Katastrophe, deinem Zusammenbruch war ich etwas überfordert. Da mußten wir die Notbremse ziehen, wir mußten dich erst einmal wieder konservieren. Nun aber haben wir wieder eine Perspektive, inzwischen ist viel geschehen.“
Susanne schaute mich groß an: „Die Katastrophe, ja, du meine Güte, jetzt erinnere ich mich, ja, das war zuviel für mich.
Was ist mit Charybdis?“
Ich wirbelte mit der einer Hand vage herum: „Nun, es ist viel passiert, wir sind auf Skylla!
Wir befinden uns in einem Gebäude unserer Mission, das ist unsere Kolonie.“
Susanne schaute sich verblüfft um, auch zum Fenster, wollte aufstehen, war noch etwas unsicher, ich half ihr und wir schauten danach gemeinsam aus dem Fenster.
Es dauerte etwas, anschließend meinte Susanne: „Sieht beinahe vertraut und wie Zuhause aus. Ganz anders als das, was ich von Skylla in Erinnerung habe. Das sieht sehr gut aus.
Aber was ist mit Charybdis?“
Ich nickte: „Der Einschlag hat die Vegetation von Charybdis hart getroffen.
Nun wächst dort bereits wieder etwas, aber es ist doch alles anders als vor der Katastrophe. Den alten Zustand haben wir nicht wiederherstellen können!
Wir haben da nun aufgrund einer unbeabsichtigten Kontamination eine Kombination von irdischer und charybdianischer Vegetation, wir werden auch dort Fortschritte machen, es bleibt aber noch viel zu tun.
Vielleicht setzt du dich besser wieder, dann können wir dir erzählen.
Dort ist Ida oder jedenfalls ein Avatar von ihr!“
Ich wies auf Idas Avatar, Susanne schaute und wir drei begaben uns zu Stühlen um einen Tisch herum. Ich hatte Susanne umarmt und sie hatte auch ihre Arme um mich gelegt, sich auf meinen Schoß gesetzt, sich an mich gedrückt. Ich genoß ihre Nähe und fühlte mich sehr gut, freute mich darauf, so still mit ihr weitere Stunden zu verbringen, nur wir beide, keine lästigen Gedanken, keine Komplikationen, kein Streß, nur wir beide, nur hier und jetzt, nichts weiter.
Ida war ja aber auch da und war bereit, sich zu beteiligen. Und so erzählte Ida eine eher vorsichtige Version der Ereignisse nach der Katastrophe. Es nahm Susanne trotzdem sehr mit. Sie weinte und ich tröstete sie, streichelte und koste sie, küßte sogar ganz vorsichtig die tränenbenetzten Wangen, um sie etwas aufzuheitern. Sie schmiegte sich dann wieder eng an mich und hörte weiter zu.
Ida berichtete im weiteren Verlauf erst einmal bis zu meiner Konservierung nach der Katastrophe. Nach einer kurzen Pause erzählte sie weiter, was in den folgenden Jahren passiert war, einschließlich der Kontamination von Charybdis, also alles bevor wir den Entschluß gefaßt hatten, Peter wiederaufzuerstehen. So bekam Susanne allmählich mit, welche Schwierigkeiten sich auf Charybdis nach der Katastrophe ergeben hatten, in der Folge jedoch ebenso, daß wir uns entschieden hatten, uns eher auf Skylla zu konzentrieren und schließlich hier unsere Kolonie zu errichten.
Susanne nickte, Ida berichtete über all die Versuche im Labor, die auf Charybdis heimische Vegetation wieder aufzupäppeln, die Rückschläge, die Folgen der Kontamination, aber auch die Wechselwirkungen charybdianischer und irdischer Organismen. Wir konnten die Zeit ja nicht zurückdrehen, die Katastrophe und die Kontamination rückgängig machen. Susanne akzeptierte das allmählich mehr oder weniger unter Tränen. Ich wischte etwas hilflos über ihre zarte Haut der feuchten Wangen, wuselte durch ihr Haar, massierte ihren Rücken, rieb innig über ihre Arme, ihre Oberschenkel.
Ida war mit ihrem Bericht zu Ende und hatte nichts von Peter erzählt, nur so gerade eben nickte ich ihr kurz zu. Ich hielt Susanne fest in meinen Armen, küßte und herzte sie weiter. Das tat mir gut, tröstete sie ferner zum Glück gleichfalls etwas, half ihr, nun vielleicht mir mehr als ihr, denn sie hatte mir so gefehlt und nun war ich so froh, sie endlich wieder in den Armen halten zu dürfen, daß ich sie auch gar nicht mehr lassen wollte.
Und so knuddelte ich sie weiter, sie buckte sich an mich an. Oh wie gut mir das tat, da verflogen mir alle Zweifel und ich konzentrierte mich ganz auf Susanne. Wirklich beruhigte sie sich so allmählich, hielt sich an mir fest, ließ sich so trösten. Es brauchte aber eine Weile, bis es ihr wirklich signifikant besser ging, ich ganz zufrieden mit der erreichten Stimmung sein konnte.
Ich schlug ihr hierauf vor, wir könnten draußen einen kleinen Rundgang machen, die Natur genießen. Susi stimmte sofort zu. Da war gleich deutlich ein Funken Begeisterung in ihren Augen zu erkennen. Das war ihr Ding. So gingen wir gemütlich hinaus, Arm in Arm, Susi eng an mich geschmiegt.
Da die Ais auf dem Laufenden waren, begrüßten sie Susanne mit den Avataren. Die Avatare kannte Susanne ja ebenfalls noch nicht und lobte die eleganten Erscheinungen heiter. Im Anschluß daran machten wir einen kleinen Gang durch die Kolonie, die benachbarte Natur. Auch das bekam Susi gut. Hier blühte sie schon förmlich auf, gewann erheblich an Vitalität. Und ich erfreute mich an ihr und dieser zunehmenden Quirligkeit und Leichtigkeit des Seins.
Oh, so sollte es doch immer sein, Susi glücklich und in meinen Armen!
Nach der langen Zeit in der Raumstation atmete sie richtig tief durch, genoß die frische Luft, den weiten Himmel, unser grünes Inselparadies. Ich hatte an einer Stelle mit schöner Aussicht bereits etwas vorbereitet und wir setzten uns und erfreuten uns an der Aussicht und der umgebenden Vegetation. Ja, hier war Susi die schönste Blume der Insel, das zarteste und kostbarste Pflänzchen in unserem Garten. Oh wie erfreute ich mich daran, sie neben mir blühen zu sehen, zu erleben, wie sie sich in der Sonne streckte und das Licht in sich aufsog, um von innen heraus zu strahlen. Mehr brauchte ich nicht. Könnte ich diesen Moment einfangen und aufbewahren, ich hätte es bestimmt getan, um immer wieder so glücklich zu sein, um immer wieder so frisch und frei und einig mit ihr zu sein.
Abends lagen wir dann zusammengekuschelt im Bett, liebkosten und küßten uns. Das hatte mir so gefehlt und nun genoß ich einfach nur durch jede Pore, Susanne wieder bei mir zu spüren. Sie mußte ja noch den Anzug tragen, was etwas störte, aber ich genoß es so schon in vollen Zügen, daß sie mir wieder so nah war, wir so innig vereint waren.
Einstweilen vergaß ich beinahe, daß ich ihr ja eigentlich auch noch über Peter berichten mußte. Aber Susi war gut drauf und da erschien es mir nun schon ziemlich unproblematisch, bald ebenso Peter wiederauferstehen zu lassen.
Susanne meinte ansonsten: „Hinsichtlich der Katastrophe grübele ich noch immer.
Hätten wir das vermeiden können?
Haben wir zu unvorsichtig gehandelt?
Haben wir an allem Schuld?
Ich empfinde das so.“
Ich erwiderte: „Wir können es nicht ungeschehen machen. Und natürlich, es war eigentlich meine Idee, die Absorber so zu verwenden und damit so massiv in dieses Sonnensystem einzugreifen. Und dann auch der Eisring um Skylla – eigentlich auch meine Idee. Somit bin ich auch verantwortlich für die Katastrophe.
Willst du also jemanden anklagen, dann doch eher mich!“
Susanne meinte im Gegensatz dazu: „Nun, ich habe es nicht geschafft, in die Rettungskapsel zu steigen, so konnten wir den defekten Absorber nicht mit der Raumstation von Charybdis wegrammen. Ich habe viel zur Optimierung und zur Organisation der Arbeitsabläufe beigetragen, sowohl beim Einsatz der Absorber, beim Aufräumen des Streufeldes Wotan und genauso des Asteroidengürtels Freki. Und ebenso beim Projekt Sintflut samt Eisring habe ich bei den Modellen und Abläufen optimiert und organisiert. Es ist doch letztlich die Umsetzung einer Idee, die darüber entscheidet, ob es funktioniert. Somit bin ich doch verantwortlich, wenn in der Folge etwas schiefgeht von dem, was ich besser hätte planen müssen, um das zu verhindern. Ich hätte vorhersehen müssen, daß etwas schiefläuft, weil eben immer etwas schiefgeht. Das ist nicht zu vermeiden. Man darf nicht nur für den Optimalfall planen und optimieren, gerade in der Berücksichtigung von überraschenden Zwischenfällen liegt doch die Aufgabe, die Planung solcher Projekte wirklich gut hinzubekommen. Ein Projekt muß stabil und robust auf Störungen reagieren, statt die Probleme noch zu vervielfältigen.“
Ich meinte dazu: „Nun, das ist alles viel zu komplex, für uns und auch die Ais, wir können nicht alles vorhersehen und alle Eventualitäten berücksichtigen. Sehr viel Mühe geben schon. Es ist allerdings längst etwa nicht sicher, daß es Charybdis gerettet hätte, wenn die Station den defekten Absorber hätte rammen können. Vielleicht hätten wir damit nur wenig Zeit gewonnen und im weiteren Verlauf der Dinge wäre der ganze Schrott samt Raumstation auf Charybdis gestürzt. So wäre der Planet erst recht kontaminiert worden, schon früher als es so passiert ist. Wir hatten es nicht richtig im Griff, es wäre eine pure Verzweiflungstat gewesen, die uns die Raumstation gekostet hätte.
Dein Zögern ist menschlich, das solltest du dir nicht vorhalten.
So ist das Leben nun einmal. Wir haben nie die komplette Information, die vollständige Kontrolle, nichts ist perfekt und ohne Fehler oder Überraschungen, wir wissen nicht genau, welche Aktion zu was führen wird. Wir haben immer nur unser einfaches Modell, unsere vereinfachte Sicht der Dinge, die nicht alles berücksichtigt. Das ist nicht zu vermeiden. Es wird immer zu Unfällen kommen, zu Fehlern. Daß die Katastrophe nun so gravierende Folgen hatte, war nicht vorherzusehen. Und doch haben wir natürlich unseren Teil der Verantwortung zu tragen. Wir waren beteiligt. Wären wir nicht mit dieser Mission hierhergekommen, wäre das alles nicht passiert. Zwar haben wir gar nicht entschieden, hier im Rasol-System zu sein, nachdem wir uns jedoch darauf einlassen mußten, hatten unsere Handlungen, hatte unsere Existenz auch Folgen. Die Verantwortung dafür werden wir auch nicht mehr los. Und doch müssen wir ja irgendwie weitermachen. Eigentlich kann man nicht nichts machen, nicht nicht wirken. Selbst wenn wir nichts tun, hat das doch immer einen Einfluß auf die Welt. Und tun wir nichts, tun es andere, beziehungsweise alles entwickelt sich auch ohne uns weiter, nur eben in eine etwas andere Richtung oder gar in eine völlig andere Richtung.
Hätten es die Ais denn bei der Ankunft im Rasol-System ohne uns alleine besser gemacht?
Ungewiß, sie haben ja insbesondere mich wiederauferstanden, weil sie ich alleine überfordert fühlten, das jedenfalls als die bessere Option gesehen haben.
So hängt es an uns allen zusammen, das Bestmögliche daraus zu machen, zu leben. Zum Leben gehört auch versagen und scheitern. Auch das ist nicht zu vermeiden. Das gehört zum Leben dazu. Es wäre unsinnig, das zu leugnen.“
Susanne meinte: „Nun, du bist stark und entschlossen, voller Selbstvertrauen. Du kannst das. Ich habe immer Zweifel. Und wenn dann so etwas passiert, mag ich einfach nicht mehr. Zurückgeworfen auf meine Beschränktheit, meine Unfähigkeit, fühle ich tief in mir die Schuld für all dies, wo ich versagt habe.“
Ich erwiderte: „Ja, aber wir können nur versuchen, es das nächste Mal besser zu machen. Nichts tun ist keine Option, die zu etwas führt. Nun müssen wir mit dem leben, was inzwischen ist. In der Vergangenheit, der Schuld zu leben, hat keinen Zweck. Sich seiner Schuld und Verantwortung bewußt zu sein, ist richtig und wichtig. Aber nun leben wir im Jetzt, planen für die Zukunft, trotz unserer Beschränktheit und der Schuld der Vergangenheit. Und du bist ja nicht allein. Ich bin bei dir.
Wir sind zusammen!“
Susanne drückte sich eng an mich, hielt sich an mir fest.
Unsere Stimmung war gedrückt und so kosten und küßten wir uns nur sanft, umarmten und streichelten uns, aber diese Nacht wollte es nicht so richtig knistern zwischen uns, zu ernst war das Gespräch gewesen. Und mich drückte auch das Gewissen, daß ich Susanne noch immer nichts von Peter erzählt hatte. So brauchten wir noch etwas, um uns zu entspannen, um letztlich doch einzuschlafen.
Die folgenden Tage erholten sich Susi erst einmal von der Konservierung, ich machte sie gleichzeitig mit unserer neuen Heimat, der Kolonie vertraut, aber auch mit den sonstigen Daten der Mission, etwa von Körk über die Absorber und den Asteroidengürtel, auch mit den Daten von Stanis und Asi, den sonstigen Aktivitäten auf Skylla und Charybdis.
Auch Susanne war nun wieder voll dabei, hatte sich von dem Schock der Katastrophe ganz gut erholt, für sie lag diese ja nur Tage zurück, für mich schon deutlich länger, für die Ai hingegen war das längst Vergangenheit. Es braucht nach einer Konservierung und Wiederauferstehung eben immer etwas, bis man sich ganz damit zurechtfindet, was inzwischen alles ohne einen gelaufen ist. Ich hatte das ja nun schon mehrfach mitgemacht und fand es eher erstaunlich, wie schnell ich mich darauf eingestellt hatte, immer mal wieder in einem deutlich anderen Umfeld aufzuwachen. Nun jedenfalls konnten wir hoffen, daß uns das in Zukunft erspart bleiben würde. Nun würden wir hoffentlich in unserer neuen Heimat endlich leben können.
Ida erinnerte mich an Peter.
So schlenderten wir alsbald wieder zu dritt und ich erläuterte: „Nachdem sich auf Charybdis wieder etwas entwickelt hat, haben wir noch eine weitere Person wiederauferstanden. Wir wollten dich nicht überfordern, dir erst einmal Zeit geben, dich einzugewöhnen. Nun scheint es mir allmählich Zeit zu sein, auch diese Person wiederaufzuerstehen. Als Mikrobiologe paßt er genau zur Aufgabenstellung, beziehungsweise zu dem Problem, was nach dem Abosrbereinschlag, der Kontamination gerade akut war, prinzipiell nach wie vor ist.“
Susanne schaute erst mich, hierauf Ida an: „Das kommt nun schon etwas überraschend, aber gut. Ja, so ist es vielleicht besser, sonst wäre ich aufgrund der verpaßten Zeit wirklich etwas verwirrt gewesen. Und wenn dem so ist, so meine ich ebenfalls, daß diese Person nun gut zu uns stoßen sollte.
Diese Person sollte die Kolonie doch ebenfalls eine ganz neue Perspektive geben!
Und meinetwegen länger zu warten, wäre dieser Person gegenüber doch unangemessen.“
Ich nickte und war erleichtert. So erzählten Ida und ich also von Peter und unseren weiteren Bemühungen. Ein paar Tage wollte ich Susi aber noch ganz für mich haben. Dagegen gab es auch gar keine Einwände. Susi hatte den Schock über den für sie nicht lange zurückliegenden Absorber-Einschlag ganz gut weggesteckt, vermutlich auch wegen der Medikamente, die sie unterstützend bekommen hatte. Von denen hatten wir ihr nicht einmal berichtet, so fragte ich insgeheim nach. Zum Glück konnte Ida bereits mitteilen, daß sie die Dosis zügig herabgesetzt hatten, weil Susanne gut auf mich reagiert hätte. Die Dosis wurde über die Eingewöhnungsphase der Tage nach der Wiederauferstehung zügig weiter hinunter und schließlich auf null gesetzt. Susanne hielt sich dabei stabil, hatten einen starken Bezug zu mir. Das war also gut gelungen mit dem Übergang in diese neue Umgebung. Auch diese wirkte sich sicherlich gut und stabilisierend auf sie aus. Die besondere Umgebung des Raumschiffes hatte ihr sicherlich zusätzlich zugesetzt, da war der Schock über die Katastrophe zuviel gewesen. Zart und sensibel ist sie schon. Die Natur hier auf der Insel schaffte nun den Ausgleich, den sie gebraucht hatte. An die Gebäude der Kolonie, nur in Teilbereichen an Innenräume des Raumschiffes erinnernd, konnte sie sich gut gewöhnen, zumal die sich äußerlich gut in die Umgebung einpassen, sich harmonisch integrieren.
Susanne konnte bald wieder ihren Anzug ablegen. Und natürlich hatten wir beide Lust und vergnügten uns in der Folge ungehemmt und leidenschaftlich. Und das tat so gut, sie zu spüren, zu genießen, mit ihr glücklich zu sein. Es fühlte sich so gut an, ihre zarte Haut zu kosen, ihre Wärme, auch feuchte Hitze der Erregung, ihr Keuchen und Stöhnen in Ekstase wieder zu erleben. Es kochte und brodelte in mir und auch in ihr und wir erfreuten uns daran, dies Feuer durch innige Reiberei zu nähren und zu fördern. Ich erforschte erneut ihren Leib, ihre Reaktionen, entdeckte Neues, erinnerte mich. Wir rieben uns aneinander, schubberten und klebten zusammen in purer Lust und Ekstase. Ich verwöhnte sie, versank mit dem Kopf zwischen ihren Schenkeln, um sie von Höhepunkt zu Höhepunkt zu treiben. Ich war dabei wie von Sinnen und Susi hatte längst die Kontrolle über sich verloren, schwebte nur noch auf einer Welle der Lust, sie zuckte, vibrierte, pulste, in ihr war alles entfacht, sie stöhnte und schrie es heraus, wie ich es bei ihr noch nicht erlebt hatte, was mich noch weiter antrieb, sie an ihre Grenzen zu bringen, dann auch darüber hinaus, denn dann sackte sie mit einem tiefen Seufzer in sich zusammen, daß ich doch sehr erschrocken war. Nun, nach diesem Schwall überschwappender Gefühle konnten diese wieder niederbrennen, ausglühen. Ihr Körper zitterte noch von der Ekstase, bebte, es ebbte irgendwie nur langsam ab, sie hatte die Augen geschlossen, den Kopf zur Seite gelegt. Längst hatten ihre Finger schon nicht mehr durch meine Haare gewuselt, um mir zu erkennen zu geben, wie gut es ihr ging. Ich hatte es übertrieben, schob mich zügig an ihr hoch. Ganz ohnmächtig war sie nicht. Ich stupste sanft mit meiner ihre Nase, stupste weiter, bis sie reagierte, sanft lächelte, mich alsgleich umarmte, aber ganz schwach und völlig erschöpft, jedoch sehr zufrieden, aufgelöst, abgehoben, nicht mehr ganz da und mir doch so nah. Es dauerte eine Weile, in der wir eng aneinander klebten und ich einfach nur versuchte, sie mit einem langen Kuß und einer damit verbundenen Atemübung zu beruhigen, zu entspannen. Das gelang letztlich und unser Atem synchronisierte sich bald im Gegentakt, Susi wurde ganz ruhig in meinen Armen, schlief letztlich bald selig ein.
Ich war sehr zufrieden, besser konnte es doch gar nicht laufen. Susi hatte die Krise nach dem Schock über den Absorber-Einschlag überwunden, der Streß der ganzen Situation war von ihr abgefallen, sie hatte sich wieder gänzlich entspannen können, alles rausgelassen.
Ich genoß dieses erneute Glück mit ihr und wir machten uns sehr schöne Tage, hatten reichlich Sex und tauschten sehr häufig Zärtlichkeiten aus, berührten uns sehr häufig, waren uns immer nah. Irgendwie versuchte ich die Ursachen ihrer damaligen Krise zu kompensieren und kümmerte mich schon deswegen noch einmal deutlich mehr um Susannes Wohlbefinden, um die Befriedigung ihrer sexuellen Bedürfnisse, um alles, womit ich sie glücklich machen konnte, was sie zu entspannen vermochte, zu erfreuen, was sie glücklich lachen ließ, was uns beide im Hier und Jetzt einfach leben ließ. In solchen Momenten wollte ich nichts anderes mehr, als im Hier und Jetzt zu leben, wollte alles um uns herum vergessen.
Wir lagen zusammen am Strand und sonnten uns, um im Anschluß einander zu genießen. Wir badeten gemeinsam in einem kleinen See, um hierauf wild übereinander herzufallen. Wir hörten Musik und liebten uns im Takt, im Rhythmus mal sanfter, mal schneller, roher Klänge. Es war ein einziger Rausch der Sinne. So hätte es eigentlich gut weitergehen können.
Peter vermißte ich allerdings inzwischen durchaus ein wenig. Ich hatte mich ebenfalls an ihn gewöhnt. Er war mir ja nun nicht gleichgültig, wenn er auch nur ein Kollege war. Aber vielleicht wäre da ja nun zusammen mit Susi überdies mehr drin, wenn wir uns einig werden könnten.
Susi und ich wendeten uns allerdings gleichfalls wieder der Mission, der Arbeit zu. Wir wollten doch mehr Details wissen, Susi ebenso, obwohl es für sie nicht so einfach wäre, sich wieder mit der Katastrophe und den Folgen auseinanderzusetzen. Aber sie hatte das nun akzeptiert und stellte sich dem tapfer.
Um uns abzulenken, gingen wir mit Körk noch einige Daten durch. Inzwischen hatten wir ja eine sehr gute Übersicht über Objekte, Asteroiden und dergleichen im Rasol-System. Körk hatte die Arbeit mit Sonden systematisch fortgeführt und somit inzwischen einen sehr guten Überblick, was so in einer Umgebung von etwa einem Viertel eines Lichtjahres um Rasol herum so vorgeht, auch was kleinere Objekte bis zu vielleicht zehn Tonnen Masse betrifft – es hängt natürlich etwas von der Zusammensetzung der Brocken ab, wie leicht sie zu finden sind, bei auffällig hohem Reflexionsvermögen sind auch deutlich kleinere Objekte in der Datenbank verzeichnet. Im Bereich innerhalb etwa der doppelten Entfernung von Rasol bis zum fernsten Gasriesen Erwin hatte Körk eine deutlich höhere Auflösung. Aufgrund der höheren Lichtleistung von Rasol und des dichteren Netzes von Sonden hatten wir noch deutlich detaillierte Daten von den Objekten mit kleinerem Abstand zu Rasol als der innerste Gasriese Albert. Erst etwa ab dem Asteroidengürtel Geri ist Rasol oft zu nah, um viel zu sehen, aufgrund des kleinen Abstandes sind die Objekte dort aber ohnehin nicht so interessant für uns, weil sie uns energetisch nicht erreichen können und es unwahrscheinlich ist, daß sie durch eine Wechselwirkung von mehreren Objekten bis in unsere Gegend katapultiert werden. Körk machte mich auf einige interessante Objekte aufmerksam, relativ große Asteroiden oder gar Kleinplaneten, teilweise nur mit wenigen Daten erfaßt, es gab aber auch Objekte, die von Asi uns Stanis gut erreichbar waren und die von diesen detaillierter untersucht worden waren.
Wir wußten ja schon allerhand über die hiesigen Asteroiden aufgrund unserer Aktivitäten im Asteroidengürtel Freki und dem Streufeld Wotan, einige Objekte weiter draußen verblüfften aber mit unerwarteten Zusammensetzungen oder Bestandteilen. Bei einzelnen Objekten vertraten die Ais gar die Ansicht, daß diese vermutlich eingefangen worden seien, seit langer Zeit praktisch unverändert, eventuell einmal aus einem anderen Sonnensystem gekommen waren, eventuell schon zu Beginn der Entstehung des Rasol-Systems. Und das waren nicht nur kleine Brocken, von den man erwartet, daß ein Rasol-System daraus ursprünglich entstanden war, darunter war sogar ein Kleinplanet, den Asi und Stanis als deutlich älter als das geschätzte Alter des Rasol-Systems geschätzt hatten. Die Formationen, Gesteine, radioaktives Material darauf, all das deutete eindeutig auf mindestens das doppelte Alter hin, vermutlich sogar noch älter, nicht gerade aus der ersten Generation von Sonnensystemen des Universums stammend, doch alles wies darauf hin, daß das mindestens ein oder zwei Generationen älter als das Rasol-System oder auch das Sonnensystem war. Der Kleinplanet war allerdings zu klein, als daß wir darauf Spuren von Leben erwartet hätten. Asi und Stanis fanden diesbezüglich auch nichts Bemerkenswertes, lediglich kleinere Einschläge von Brocken, wie sie im System häufiger vorkommen, die dann auch die fast schon üblichen organischen Materialien enthalten, die nicht direkt auf Leben hinweisen, aber Voraussetzung für die Entstehung von Leben sein könnten.
Susi schlug es vor, somit hatte ich hatte die Ehre, dem Kleinplaneten einen Namen geben zu können und wählte etwas dramatisch Methusalem.
Durch die Kraterlandschaft von vielen kleinen Einschlägen über Milliarden von Jahren, die praktisch aufgrund der relativ kleinen Anziehungskraft des Kleinplaneten zum einen eher selten vorkamen, zum anderen auch nicht so dramatisch abliefen, war Methusalem fast schon etwas wie eine Chronologie des Rasol-Systems, schon da, bevor das System entstand und im Anschluß daran beobachtend, immer mal wieder einen kleinen Einschlag wegsteckend.
Hildegard lud uns ebenfalls ein, uns mit ihrem Avatar zusammen in den Gewächshäusern nützlich zu machen. Wir gingen gerne darauf ein und wir nutzten so eine helle Phase von Skylla, um dort fleißig zu sein. Als wieder die Dämmerung einsetzte, wechselten Susi und ich zurück in unsere Unterkunft und sahen uns weiter Daten von Körk, Stanis und Asi an. Als es draußen wieder dämmerte und hell wurde, setzten wir die Arbeit mit Hildegards Avatar im Gewächshaus fort.
Susi beteiligte sich gleichfalls an meinem Morgenlauf und mit Begeisterung badeten wir dabei entweder im See oder aber die gemeinsame Dusche nach dem Lauf fiel besonders leidenschaftlich aus. Es ging uns richtig gut. Diese Umgebung auf der Insel hatte wirklich enormen Einfluß auf Susis Stimmung, auch mir tat das alles zusammen sehr gut.
Wir hatten uns gemeinsam eingelebt. So war es nun an der Zeit, auch Peter wieder auferstehen zu lassen. Die Ais bereiteten alles vor. Obwohl ich Peter natürlich auch mochte, war die Beziehung ja längst nicht so persönlich wie zu Susi. Daher wäre es wohl nicht angemessen gewesen, gleich an seinem Bett zu sitzen. Ida wollte wieder die Begrüßung übernehmen. Wir rechneten damit, daß es keine besondere Aufregung geben würde. Wenn dem so wäre, würde ich später hinzukommen, noch etwas später ferner Susanne vorstellen.
So wurde es gemacht. Die Ais kümmerten sich um die technischen Aspekte von Peters Wiederauferstehung. Als er ansprechbar war, begrüßte ihn Ida in schon gewohnter Weise, gefolgt von einer Kurzzusammenfassung, was passiert war, seit Peter konserviert worden war. Zum Ende hin erwähnte Ida natürlich ebenfalls, daß ich als erste Person wiederauferstanden worden sei. Ebenso gab es einen Hinweis, daß die Ais nunmehr auch als Avatare in der Kolonie unterwegs seien, worauf sich Grußbotschaften der anderen Ais anschlossen.
Peter hatte die Konservierung ohne Probleme überstanden, war nach der Wiederauferstehung nun auch schon wieder ganz gut in der Spur. So machte ich mich gleich auf, um ihn zu besuchen. Als ich in den Raum kam, zeigte sich Peter sichtlich erfreut, mich zu sehen. Ein wenig schien es mir da schon wieder zu knistern, so wie er mich ansah, da lag schon etwas drin, vielleicht überbewertete ich das allerdings auch.
Wir plauderten ein wenig, standen am Fenster und Peter staunte über die Kolonie, in welcher wirklich geworden war, was damals vor unserer Konservierung nur ungefähre Pläne gewesen waren. Peter war natürlich neugierig, wollte hinaus, sich das genauer ansehen.
Ich bremste etwas, machte aber nun keine großen Umschweife mehr, erzählte vielmehr, daß Susanne als zweite Person wiederauferstanden sei. Sie habe sich gut gefangen und wir seien wieder sehr glücklich miteinander. Peter beglückwünschte mich dazu, das so gut hinbekommen zu haben nach Susannes dramatischem Abgang. Das nahm ich gerne an.
Ich fragte: „Und?
Bereit, sie persönlich kennenzulernen?“
Peter lächelte und nickte: „Selbstverständlich!“
Und so benachrichtigte ich Susanne über die Sprechanlage, die bereits darauf gewartet hatte und kurz darauf bei uns war. Ich stellte sie beide vor und da lag auch gleich vom ersten Augenblick beidseitige Sympathie in der Luft. Das harmonierte also wohl schon einmal. Darauf sollten wir in unserer kleinen Gemeinschaft schon gut aufbauen können. So waren wir also bereit für einen gemeinsamen kleinen Ausflug hinaus ins Freie, worauf Peter so gespannt war. So kurz nach der Wiederauferstehung mußte er sich natürlich noch zurückhalten, so schlenderten wir nur durch die nähere Umgebung und Peter nahm das alles intensiv auf. Er genoß es ebenfalls sichtlich, nach der Geschlossenheit der Raumstation wieder unter freiem Himmel in der Natur zu sein.
Peter wollte natürlich unterdessen ebenfalls mehr Details über die Entwicklungen der Biosphären auf Skylla und insbesondere Charybdis wissen.
Er fragte uns: „Habt ihr euch die Daten bereits genauer angesehen, also mehr als die kurzen Zusammenfassungen von Ida oder Hildegard?“
Ich bekannte: „Erst mußte ich mich von der Wiederauferstehung erholen, mich etwas umsehen. Danach habe ich mir Gedanken gemacht, wie es mit Susanne laufen würde. Gut, als Susanne wiederauferstanden war, hatten wir ja beide gut damit zu tun, wieder zusammenzufinden …“
Susi lachte vergnügt und stimmte zu: „Ja, das war bislang neben kleineren Ausflügen auf der Insel der Schwerpunkt unserer Aktivitäten. Von daher also nur der Eindruck: Sieht sehr gelungen aus auf der Insel. Stimmt aber, wir müssen uns unbedingt genauer ansehen, wie sich das im Detail und auch woanders entwickelt hat. Inzwischen kann ich mich dem wohl stellen, also auch, was nun auf Charybdis los ist.“
Ich ergänzte: „Wir sind ferner grob im Bilde, was sonst im Rasol-System passiert ist. Details zur Biologie auf Charybdis oder auch Skylla hatten wir erst einmal zurückgestellt, das ist ja mehr dein Schwerpunkt, da kam es nun auf die paar Tage mehr auch nicht mehr an …“
Peter erwiderte: „Also gut, dann werden wir das in Angriff nehmen …“
Ich beschwichtigte: „Na, auf noch ein paar weitere Tage wird es nun auch nicht mehr ankommen. Erst einmal erholst du dich von der Wiederauferstehung. Morgen oder übermorgen bist du wahrscheinlich schon hellwach und mit voller Konzentration dabei und übersiehst nichts, was wichtig sein könnte. Für Mikrobiologie, Biologie bist du ja unser Experte. Da wird es sinnvoll sein, wenn du grob vorgibst, worauf wir achten sollten. Von daher ist es wohl nicht so effizient, wenn Susanne und ich schon vorarbeiten.
Also, morgen oder übermorgen ist früh genug, meinst du nicht?“
Peter nickte: „Hast schon Recht, überstürzen wird uns nicht weiterbringen. Also gut. Und stimmt auch, unser kleiner Ausflug zeigt mir schon, daß ich mich besser nicht übernehmen sollte. Ich bin doch noch nicht wieder ganz solide auf den Beinen …“
So drehten wir also einen kleinen Bogen und waren bald wieder zurück bei den Gebäuden.
Ich wies auf die verschiedenen Bauten hin und meinte: „Prinzipiell hast du reichlich Auswahl, wo du unterkommen willst mit einem eigenen Raum. Wir dachten uns, also einschließlich der Ais, es wäre ganz schön, das Gebäude mit den Funktionsräumen erst einmal für die Arbeit zu lassen, unsere Räume in einem anderen Gebäude zu wählen, so Arbeit und Freizeit voneinander zu trennen. Aber du kannst natürlich frei entscheiden, was für dich am sinnvollsten ist. Im Gebäude mit den Funktionsräumen sparst du ein paar Schritte …“
Peter nickte und lächelte: „Die Gebäude sind ja groß ausgelegt. Aber die Einteilung ist für mich in Ordnung. Und wenn ihr beide mich denn im selben Gebäude haben wollt, ziehe ich gerne mit ein.“
Wir lachten und Susanne meinte: „Die Auswahl an Gesellschaft ist hier in der Kolonie derzeit ja stark begrenzt. Da sollten wir an Freundschaften annehmen, was möglich ist, uns gut vertragen, vielleicht nicht notwendig über Gebühr aufeinanderhocken, aber schon miteinander leben. Sonst würde es doch schnell einsam werden, von daher wäre es albern, auf enge soziale Kontakte zu verzichten. Bislang vertragen wir uns doch gut, also sage ich mal: Mutig voran. Wenn du also willst, ein Raum auf demselben Flur wie unsere Räume.“
Peter war einverstanden.
So gingen wir also in das Gebäude mit unseren Zimmern. Wir zeigten ihm die Einteilung und die allgemeinen Bereiche, die wir hier nutzten, also einen Aufenthaltsraum, Küche für die Mahlzeiten. Unsere Zimmer hatten wir im Stockwerk drüber. Peter entschied sich dort für ein Eckzimmer ein paar Räume von unseren entfernt, die nebeneinander lagen. Unsere lagen etwas näher an einem Duschraum, einer kleinen Sitzecke, dem Treppenbereich. Peter hatte es etwas weiter, aber von den zwei Fenstern seines Raumes aus hatte er eine noch etwas schönere Aussicht als von unseren Zimmern aus.
Peter zog sich in sein Zimmer zurück, weil er nun doch etwas müde war. Das konnten wir nachvollziehen. Susanne und ich setzten uns in die Küche und resümierten.
Ich fragte: „Ist doch gut gelaufen.
Und, Susi, was hältst du von Peter?“
Sie bestätigte: „Ja, ich glaube, er ist ziemlich unproblematisch. Wir werden sicherlich klarkommen. Ich finde ihn nett …“
Ich grinste: „Soso, nett. Ich habe schon deine wohlwollenden Blicke gesehen …“
Susi sah mir tief in die Augen und erwiderte: „Attraktiv ist er schon, gebe ich zu. Aber nun sind wir zusammen und wir sind doch sehr glücklich miteinander. Da brauche ich mir doch keine Gedanken zu machen.
Oder wie soll ich interpretieren, wie ihr beide euch angesehen habt?
Wie ist das eigentlich zwischen euch auf der Raumstation gelaufen, als ich konserviert war?
Also wenn ich das richtig verstanden habe, bist du prinzipiell ja nicht nur an Frauen interessiert.“
Ich lachte, schüttelte den Kopf, streichelte über ihre Schulter.
Ich gab zu: „Ein süßes Schnuckelchen ist er auf jeden Fall. Schon eine Versuchung, gebe ich zu. Ein wenig geknistert hat es schon. In Anbetracht unserer gemeinsamen Leidenschaft füreinander habe ich allerdings klargestellt, daß ich nicht geneigt sei, deine Konservierung derweil für Abschweifungen zu nutzen. Das hat Peter akzeptiert. Auch in der Hinsicht ist er ein anständiger Bursche und neigt nicht zu Übergriffen. Von daher haben wir uns auf wissenschaftlichen Austausch beschränkt.“
Susi legte den Kopf etwas schief, kniff die Augen etwas zusammen, sah mich prüfend an.
Nach dieser kleinen Pause meinte sie nur schlicht: „Das glaube ich dir!
Und ja, Peter macht einen soliden Eindruck. Ihm würde ich ebenfalls nicht unterstellen, zu etwas zu drängen, wo es keine Erwiderung gibt.“
Wir lachten beide und umarmten uns.
Nachdem wir uns ausgiebig liebkost und geküßt hatten, setzte ich das Gespräch fort: „Daß nichts zwischen Peter und mir auf der Raumstation passiert ist, haben wir nun klargestellt. Offen ist natürlich, wie sich die Konstellation nun zu dritt entwickeln wird. Ich meine schon, eine Sympathie auch zwischen euch beiden gesehen, gefühlt zu haben. Gar nicht so einfach, solide abzuschätzen, wie sich solch eine Dreierkonstellation über längere Zeit entwickeln mag …“
Susi sah mich fragend an, entgegnete daraufhin: „Sagte ich schon, finde ihn schon nett, sympathisch, attraktiv. Zwischen uns beiden aber paßt doch alles, die Krise nach der Katastrophe haben wir gut überstanden, das hat uns nun eher noch näher, solider zusammengebracht. Auf Abwege komme ich da sicherlich nicht …“
Ich lächelte sie an und beteuerte: „Dachte ich auch nicht, daß wir da gegeneinander intrigieren würden, halte ich für sehr unwahrscheinlich, so, wie wir nun zueinander stehen. Für Peter stellt sich natürlich mittelfristig, langfristig schon die Frage nach einer persönlichen Perspektive. Vielleicht sollten wir ihm da schon etwas anbieten …“
Susanne zog eine Augenbraue hoch: „Wie meinst du denn das?“
Ich zuckte die Schultern: „Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Sofern eine davon uns betrifft, sollten wir uns nur einig sein. Und in solch einer kleinen Gemeinschaft betrifft uns das natürlich sowieso mehr oder weniger, jede Entwicklung hat auch Auswirkungen auf uns.“
Susanne nickte: „Schon klar.
Hast du besondere Optionen im Sinn?
Sollten wir das nicht Peter überlassen?“
Ich antwortete: „Letztlich muß er natürlich immer für sich entscheiden. Er ist aber auch gerne so in Arbeit vertieft, daß etwas Unterstützung schon nicht schaden kann, damit er nicht zu kurz kommt und sich damit langfristig etwas suboptimal entwickelt. So privat wird er nicht unbedingt selbst die Initiative ergreifen, wie ich ihn einschätze. Da kann es schon sinnvoll sein, das Gespräch zu suchen, Alternative zu diskutieren, Vorschläge zu machen. Und wenn wir uns da einig sind, was uns betrifft, so ist es sicherlich einfacher, ihm sinnvolle Vorschläge oder Angebote zu machen, die unserer kleinen, sozialen Gruppe förderlich sind.“
Susanne nickte: „Verstehe. Konkret bist du aber immer noch nicht geworden.“
Wir wechselten in den Aufenthaltsbereich, begaben uns in eine bequeme Sitzecke.
So fuhr ich fort: „Hängt ja auch ein wenig davon ab, wie wir unsere Perspektiven sehen, was wir wollen. Immerhin sind wir nun hier in der Kolonie angekommen. Das wird unser neues Zuhause sein. Hier werden wir uns einrichten. Das soll nun unsere Heimat werden.“
Susanne stimmte zu: „Klar, welche Perspektiven meinst du?“
Ich erwiderte: „Naja, nehmen wir etwa die Frage, ob wir Kinder wollen.
Wenn ja, müssen wir beide uns schon etwas einfallen lassen, durch bloße Leidenschaft zwischen uns beiden kommt da nichts!“
Susanne lachte und kuschelte sich lieb an mich.
Sie meinte: „So gesehen stimmt das natürlich. Ich dachte mir eigentlich schon, einmal Kinder zu haben. So wie sich das entwickelt hat, also plötzlich auf einer Mission in ein anderes Sonnensystem zu erwachen, da habe ich da gar nicht mehr dran gedacht. Da gab es bislang genug Streß. Auch die Beziehung zu dir kam mir da überraschend. Stimmt aber, hier werden wir eine neue Heimat haben. Das ist eine Kolonie, eine friedliche, schöne Umgebung. Da ist das schon so, die Frage drängt sich einem da irgendwann auf.
Und wie ist das bei dir?“
Ich versicherte: „Persönlich will ich auf jeden Fall mir dir zusammen sein. Dabei kann ich mir sehr gut vorstellen, mit dir zusammen Kinder großzuziehen, eine Familie zu haben. Damals, noch auf der Erde hatte ich das nicht so im Sinn. Aber diese friedliche Umgebung, dieses Paradies hier, unser Glück zusammen macht irgendwie schon Appetit darauf, es zu wagen. Wenn ich so in mich hineinfühle, sagt schon etwas in mir: Du bist alt genug, um Kinder zu haben und großzuziehen!“
Wir küßten uns, fummelten alsbald herum, daß es intensiver wurde. Wir hatten unsere Leidenschaft füreinander durch das Gespräch auflodern lassen. Ohne uns groß verbal zu einigen, waren wir schon aufgestanden und auf dem Weg zu meinem Zimmer. Dort aber fielen wir übereinander her und ließen dem Drang freien Lauf. Wir ließen es hemmungslos eskalieren, rubbelten und schubberten, keuchten, lutschten, ließen alles heraus.
Nachdem sich der Drang, die Leidenschaft heftig und intensiv gelöst hatte, klebten wir eng zusammen, waren zufrieden mit der Welt.
Susi setzte nun das Gespräch fort: „Du meinst also, Peter sollte uns hinsichtlich der Kinderfrage praktisch helfen, oder wie soll ich den Zusammenhang eben verstehen?“
Ich lachte und antwortete: „Süß und verlockend ist er schon.
Meinst du nicht, er käme als Vater durchaus in Frage?
Die Ais werden aber sicherlich auch andere Optionen für uns haben, wenn wir danach fragen …“
Susi gab mir einen Kuß und meinte: „Hmm, kenne ihn ja noch nicht so genau. So nach dem ersten Eindruck gebe ich dir allerdings durchaus Recht, er wäre schon eine nähere Überlegung wert, also sofern wir uns einig sind und wir darüber nicht in Streit geraten.“
Ich führte dazu aus: „Warum sollten wir, so einig, wir wir uns sind?“
Sie hakte nach: „Hmm, und wie soll das nun ganz praktisch gehen?
Ihn einfach vernaschen, ausnutzen für den Zweck scheint mir nicht gerade korrekt zu sein oder auch nur eine sinnvolle Option in unserer kleinen Gemeinschaft …“
Da gab ich ihr natürlich Recht: „So hatte ich mir das auch nicht gedacht. Also wenn schon, dann würden wir sicherlich einen Weg zu dritt finden müssen, mit Leidenschaft und Zuneigung. Wir müßten uns also schon beide auf ihn einlassen, also eher eine Beziehung zu dritt, wenn wir das wirklich so wollen. Sympathie ist vorhanden, von daher, wenn wir wollen und aktiv werden, Peter Lust hat, warum nicht?“
Susanne lachte: „Du hast da ja sehr verwegene Gedankengänge. Aber wenn du das so frech vorschlägst, gebe ich zu, das wäre eine Option. Peter wirkt schon sehr anziehend. Und mit einem Mann ist es auch interessant, anders leidenschaftlich. Wenn wir uns wirklich einig sind zu dritt, wäre das schon verlockend, kann ich mir jedenfalls vorstellen.“
Wir lachten und küßten uns erneut mit Hingabe.
Ich setzte das Gespräch fort: „Wenn das doch zuviel wäre, könnten wir ihn vielleicht auch so bitten, uns in der Angelegenheit zu helfen, also ohne Beziehung oder besondere Leidenschaft. Aber es wäre vielleicht langfristig doch etwas hart, besonders für ihn, einerseits gemeinsame Kinder, andererseits aber auch nicht mehr. Die Option gäbe es natürlich auch noch, läge an ihm, ob er sich darauf einläßt.“
Susanne entgegnete: „So rein vom Gefühl her würde ich ihm davon abraten.“
Ich fuhr fort: „Ohne Peter jedenfalls müßten wir beide hinsichtlich der Frage des Nachwuchses mit den Ais beraten. Das müssen wir alsbald ohnehin bezüglich der allgemeinen Entwicklung der Kolonie, also weitere Kryo-Zombies, weitere Konzepte, wie die Kolonie bevölkert werden soll.
Was ist da die ursprüngliche Planung, was sind die Optionen?
Es kann ja nicht alleine an uns hängen …“
Susanne lachte: „Nein, sicherlich nicht, das wäre etwas viel von uns verlangt und hinsichtlich der Vielfalt auch sehr einseitig.
Das würde sicherlich nicht funktionieren, das wäre keine gesunde Basis für die Kolonie!“
Wir lachten beide.
Ich fabulierte weiter: „Was Peter und die nähere Zukunft anbelangt, so könnte ich mir überdies vorstellen, daß wir ihm vorschlagen, erst einmal unter den Kryo-Zombies eine Person zu wählen, die wir in unsere kleine Gemeinschaft integrieren könnten. Da gäbe es doch immerhin die Chance für ihn, daß sich bereits daraus etwas entwickelt.“
Susanne nickte: „Klingt plausibel. Du hast da ja eher Erfahrung als ich in der Auswahl.
Hast du das bei mir etwa darauf angelegt?“
Ich erläuterte: „Die Daten geben nun nicht so viel her, daß ich da eindeutig hätte erkennen können, wie jemand ist. Sympathisch hast du auf jeden Fall gewirkt. Da habe ich jedenfalls gehofft, daß wir mindestens gut miteinander auskommen. Zudem war deine Wahl auch von deinen Fähigkeiten her angemessen. Somit also nicht eindeutig darauf ausgelegt, dich gleich zu vernaschen. Daß wir uns so gut verstanden haben, war dann reine Glückssache, sicherlich nicht auf mein Geschick oder meine Intuition bei der Auswahl zurückzuführen.
Wenn Peter jemanden auswählt – oder auch wir gemeinsam – können wir sicherlich nicht davon ausgehen, daß das einfach so nach unseren Wünschen oder seinen Bedürfnissen verläuft. Wenn wir einen weiteren Kryo-Zombie wiederauferstehen lassen, müssen wir uns darauf einlassen, was kommt, müssen uns bemühen, um diese Person gut zu integrieren, müssen helfen, den Schock nach der Wiederauferstehung hier in einer anderen Zeit und Welt zu überwinden. Was sich danach daraus für die Gruppe ergibt, können wir vorher nicht abschätzen.“
Susanne nickte nachdenklich, meinte daraufhin: „Risiko ist immer dabei. Andererseits müssen sie ja irgendwann wiederauferstanden werden. So oder so müssen wir sie also irgendwie und irgendwann integrieren.“
Ich führte einen früheren Gedanken von mir an: „Es wäre ebenfalls möglich, gleich eine ganze Gruppe wiederauferstehen zu lassen, so also die Kolonie zu beleben, darauf zu hoffen, daß sich die Leute in einer größeren Gruppe, Schicksalsgemeinschaft schon gegenseitig helfen. Wie sich das entwickelt, ist natürlich ebenfalls offen.
Aber es stimmt schon, irgendwie müssen wir für die Kryo-Zombies eine plausible Lösung finden!“
So einfach war es also nicht, eine Entscheidung zu treffen. Einstweilen schmuste wir nur ein wenig herum, genossen unsere Gemeinsamkeit. Einen Entschluß faßten wir noch nicht. Aber es war uns schon klar, es war reichlich zu tun und zu entscheiden, um die Kolonie weiter zu entwickeln, unser persönliches Schicksal damit zu gestalten.
Mache einen Vorschlag, wie sie weiter vorgehen sollen.
Konsequenzen
Obwohl ich ja bereits wußte, daß es wieder deutlich anders sein würde, war ich dann doch erneut überrascht, als ich nach meiner Wiederauferstehung die Augen öffnete. Ich kannte das schon, anfangs war die Koordination etwas eingeschränkt, nach dem Öffnen der Augen schärfte sich der Blick auch nur langsam. Ich war in einem größeren Raum als den Kabinen auf dem Raumschiff oder der Raumstation. Dann erblickte ich eine anthropomorphe Gestalt im Raum.
Diese drehte sich zu mir herum und sagte: „Oh, du bist wach, Michaela, gut, dann wieder einmal herzlich willkommen, diesmal bereits in unserer Kolonie auf Skylla. Es ist bescheiden, was wir gebaut haben und doch hoffentlich eine neue Heimat. Ich bin es, Ida, also jedenfalls hier in der Kolonie mein Avatar, wir haben uns gedacht, es wäre so ganz sinnvoll, ähnlich wie ein Mensch, aber doch eindeutig zu unterscheiden. Esme, Hildegard, Körk und ich haben uns also leicht unterschiedliche, gut unterscheidbare Avatare zugelegt …“
Ich entgegnete freundlich: „Ja, sieht gut aus, das habt ihr gut hinbekommen.
Was ist mit Susanne und Peter?“
Ida wich aus: „Bei der Wiederauferstehung haben wir wie verabredet mit dir begonnen. Wir dachten uns, du akklimatisierst dich erst einmal, dann sehen wir, wie es weitergeht.“
Ich atmete tief durch und nickte, schlug dann vor: „Kannst ja schon mal ein wenig erzählen, um die Zeit zu überbrücken.“
Ida berichtete also: „Gut, was die Mission anbelangt, wir haben dann erst einmal wie abgesprochen weitergemacht. Das lief zunächst so weit alles gut ab. Es gab dann allerdings schon Überraschungen auf Charybdis, eigenartige Entwicklungen, wo wir kurz davor waren, euch hinzuzuziehen. Da wir uns allerdings gemeinsam entschlossen hatten, ohnehin nicht so massiv auf Charybdis vorzugehen, haben wir uns jedoch entschlossen, die Entwicklung erst einmal zu beobachten, zu begleiten, nicht dich oder Peter wiederaufzuerstehen, um daran zu arbeiten. Der Fokus lag also eher darauf, die Dinge auf Skylla im Sinne der Mission und unseres Entschlusses voranzubringen.
Wir haben also ohne euch weitergemacht, wie das ja auch abgesprochen war. Die Aufgaben auf Skylla und Charybdis waren schon sehr anspruchsvoll. Insgesamt sind seit deiner letzten Konservierung 145 Jahre vergangen. In der Zeit hat sich die Vegetation hier auf Skylla aber sehr gut und vielfältig entwickelt.
Und auf Charybdis haben wir ebenfalls deutliche Veränderungen festgestellt. Zu unserer Überraschung haben wir da irgendwann neue irdische Organismen gefunden. Verblüffend war dann auch eine Korrelation der Standorte dieser Arten mit charybdianischen Pflanzen, die dort nun ebenfalls von selbst wuchsen. Die charybdianischen Pflanzen waren zwar nicht besonders stattlich, aber doch vital. Wir untersuchten das natürlich weiter. Was wir fanden, war dann verblüffend, die charybdianischen Pflanzen lebten symbiotisch zusammen mit irdischen Mikroorganismen, insbesondere Pilzarten, die leicht mutiert waren. Die Mutationen hatten die Symbiose erleichtert. Das funktionierte noch nicht sonderlich gut, schien uns aber immerhin ein Anfang zu sein. Von den Pilzen fanden wir zunächst nur lokal etwas, im weiteren Bereich auch nicht mutierte Typen davon. Bemerkenswert an dem Fund war auch, daß die Organismen zwar zur ursprünglichen Impfung des Eisblocks gehörten, der für Skylla bestimmt war, dann aber von einem anderen Eisbrocken getroffen wurde, worauf er zersplittert wurde und später dann zur Kontamination von Charybdis geführt hat. Mit der Geschichte bist du ja vertraut.
Jedenfalls hatten wir diese mutierten Pilze in der frühen Phase der Kontamination nicht gefunden, nun waren sie aber lokal da. Eine plausible Hypothese war dann, daß es Jahre nach der ersten Kontamination eine weitere gegeben hatte. Der Eissplitter mit diesen Pilzen war vielleicht durch Strahlung getroffen worden, ein paar Sporen waren dadurch mutiert, aber nicht zerstört worden. Das war jedenfalls gerade zu dem Zeitpunkt ein unwahrscheinlicher Glücksfall für die charybdianischen Pflanzen. Da wir es bis dahin nicht mit mutierten oder in der Form gentechnisch veränderten Organismen probiert hatten, schien uns das schon interessant genug zu sein, um weiter zu untersuchen. Da wir allerdings den Entschluß gefaßt hatten, die Entwicklung auf Charybdis nicht massiv zu stören, griffen wir nicht groß ein, sondern guckten einfach mal unter Laborbedingungen, ob wir Ähnliches auch für andere Arten erreichen könnten. Die Untersuchungen waren komplex und langwierig, wir fanden aber einige Dinge heraus, welche Potential haben mußten. Wir haben die Optionen und Ideen gesammelt und könnten nun weitere Maßnahmen diskutieren.“
Ich gab zu bedenken: „Ihr hättet ja Peter hinzuziehen können …“
Ida erläuterte zu dem Argument: „Das haben wir gleichfalls erwogen, kamen dann aber zu der Meinung, daß wir erst einmal Daten sammeln sollten, um etwas für eine Diskussion zu bieten zu haben.
Überdies haben wir sogar auch auf Charybdis Verwandte der einst einheimischen Pilzart gefunden. Diese schienen zuvor in abgeschiedene Höhlen von der dominanten Art abgedrängt worden zu sein. Dort haben sie jedenfalls die Apokalypse überlebt. Weil nun ebenso irdische Pflanzenarten in diesen abgelegenen Regionen auftraten, konnten diese Pilzarten nun offenbar ihre Chance nutzen, haben eine halbwegs funktionierende Symbiose hinbekommen. Vermutlich konnte sogar an einer geschützteren Stelle, nunmehr durch die Katastrophe komplett abgeschnitten vom Meer von Charybdis, ein Rest von Myke überleben, welcher sich nur sehr langsam zu erholen begann, deshalb zunächst nicht auffiel. Ihm ist es ebenfalls gelungen, neue Symbiosen einzugehen, aber wohl auch irdische Pilze wieder zu verdrängen, hat damit also auch bereits wieder sehr begrenzt Zugang zur verbliebenen, sich sehr langsam erholenden charybdianischen Pflanzenwelt bekommen. Somit kann es im Laufe der nächsten Jahrzehnte irgendwann zu einer Konfrontation der verschiedenen Arten kommen, sobald die Domänen aufeinandertreffen. Je nachdem, welcher Pilz zuerst das Meer erreicht, dürfte sich damit allerdings alles ändern; wer zuerst im Meer ankommt, sich dort samt Pflanzen ausbreiten kann, dürfte einen massiven strategischen Vorteil gegenüber den Konkurrenten haben.“
Ich verkniff mir einen Kommentar hinsichtlich der Dauer der Konservierung; wenn sie immer erst über hundert Jahre Daten sammeln, bevor etwas passiert, würde sich unsere Mission noch lange hinziehen, bevor wir wirklich Ergebnisse haben würden.
Hinsichtlich der charybdianischen Biosphäre, der überraschend auftretenden Pilze merkte ich an: „Hmm, wenn doch mehr überlebt hat als gedacht, war die Katastrophe letztlich keine Apokalypse. Es ähnelt eher einem Massensterben auf der Erde, welches dort ebenfalls aus verschiedenen Gründen auftrat. Nun gut. Myke war sehr dominant, ihr könntet also beobachten, ob die verwandten Pilzarten ähnlich dominant sind. Wenn nicht, könnten wir ja gezielt weniger dominante etwas fördern, was zu einer anderen Biosphäre führen könnte …“
Ida hakte nach: „Also doch eingreifen?“
Ich erwiderte: „Mehr als mit der Katastrophe, dem versehentlichen Herabregnen irdischer Arten können wir wohl gar nicht noch mehr eingreifen.
Wenn die Förderungen lediglich subtil sind – was macht es da noch?“
Ida antwortete: „Nun, darüber könntest du später mit Hildegard beraten. Es stimmt ja, durch diese Ereignisse, unser Auftauchen im Rasol-System ist auf Charybdis nichts mehr so, wie es einmal war.“
Wir machten eine kleine Pause, ich sah mich um. Nur ein Teil des Raumes sah aus wie der Arbeitsraum oder der Aufenthaltsraum der Raumstation, also mit allerhand Anzeigen und Arbeitstischen. Dazu gab es darüberhinaus allerdings ebenfalls Fenster.
Und draußen war es grün!
Da gab es Bäume, eine üppige Vegetation, dazu das leicht gelbliche Licht von Rasol, blauer, leicht bewölkter Himmel, fast wie auf der Erde. Ich stand auf, Idas Avatar begleitete mich zum Fenster und ich schaute hinaus, nach mehr Details.
Ida erklärte: „Wir sind auf jener Insel, die wir ausgewählt hatten. Weil ihr Fundament aus hartem Vulkangestein eines erloschenen Vulkans besteht, wird es die Insel auch noch lange geben, also ein guter Standort.“
Ich stellte fest: „Da habt ihr ja noch ordentlich was herausgefunden und auch viel geleistet. Da draußen ist inzwischen ja ein Urwald gewachsen!“
Ida führte aus: „Ja, hier auf der Insel haben wir inzwischen üppige Vegetation. Das ist nicht überall so. Körk läßt es noch immer regnen und mit unserer Terraformung kommen wir voran, erobern so mit der Vegetation von den Küsten ausgehend auch immer mehr vom Land. Die Zusammensetzung der Atmosphäre hat sich geändert, der Sauerstoffgehalt ist zwar etwas niedriger als auf der Erde auf Meereshöhe, aber natürlich in einem Bereich, in welchem Menschen gut zurechtkommen. Die Temperaturen sind angenehm, die Schwankungen nicht besonders groß, also ein guter Ort, um zu leben.“
Ich schaute noch immer hinaus, die natürliche Umgebung draußen faszinierte mich, ich wollte hinaus, mir das ansehen, wollte mich aber nicht gleich so kurz nach der Wiederauferstehung übernehmen und setzte mich auf einen Stuhl in der Nähe des Fensters, schaute weiter interessiert hinaus.
Dabei dachte ich jedoch eigentlich an Susi und wie ich das nun hinbekommen sollte. Immerhin, mit der Kolonie hatte sich allerhand geändert. Das war nun also schon eine ganz andere Umgebung für Susi. Das war eine Möglichkeit für sie, neu durchzustarten. Erst einmal wollte ich mir in aller Ruhe ein eigenes Bild machen.
Das war also nicht heute zu erledigen, wobei ich davon ausging, daß die Ais da nicht bereits etwas unternommen hatten. Ich versuchte mich davon abzulenken und die Schönheit des Ausblicks zu genießen.
Was dann immerhin etwas ablenkte:
Die kleine Pause nutzten dann Esme, Hildegard, Körk, Stanis und Asi, um mir akustische Grußbotschaften zukommen zu lassen. Insbesondere Esme und Hildegard würden hier in Zukunft ebenfalls mit ihren Avataren öfter anzutreffen sein, Körk eher seltener. Einstweilen war aber nur Ida mit ihrem Avatar hier bei mir aktiv.
Von Ida wollte ich kurz darauf wissen: „Und was ist sonst so im Universum passiert?
Jedenfalls auf der Erde, mit Mission 3 und auch hier in unserem Sonnensystem?“
Ida berichtete: „So viel Neues von der Erde gibt es gar nicht. Die Bevölkerung nimmt noch immer leicht ab, eventuell will man sich ganz auf einen Kontinent zurückziehen und mit der ohnehin bereits durchgeführten Renaturierung so weit fortfahren, daß der größte Teil der Erde wieder in ein sich selbst überlassenes Ökosystem übergeht. Mit dem Klima haben sie immer noch Probleme, allerdings müssen sie deutlich weniger eingreifen. Wenn ich mir die Berichte so ansehe und die Zeitverzögerung bis zu uns berücksichtige, haben sie heute vielleicht schon damit aufgehört, wenn es gut gelaufen ist.“
Ich nickte nur.
Ida referierte weiter: „Mission 3 macht auch Fortschritte, sie sind bei der Terraformung eines bislang unbelebten Planeten mit dem gut vorangekommen, was sie von uns an Material bekommen haben. Wir schicken alle paar Jahrzehnte weiteres Material und öfter noch unsere neuesten Erkenntnisse. Das hilft dann offenkundig. Wer weiß, vielleicht siedeln wir dort auch irgendwann einmal charybdianische Vegetation an, warum nicht, warum sollten wir nur irdisches Leben verbreiten, wäre doch albern.“
Ich lächelte und nickte: „Ja, das hört sich plausibel an.“
Ida setzte ihren Bericht fort: „Stanis und Asi forschen fleißig immer weiter. Überraschend sind sie bei einem anderen Eismond mit deutlich verfeinerten Methoden doch noch auf etwas gestoßen, auch dort gibt es ein Meer zwischen Eis und Kern. Im Schnitt ist das aber weniger als einen Kilometer hoch und steckt unter einer dicken Eisschicht, deswegen war das anfangs nicht so einfach auszumachen. Es gibt auch keine Eisgeysire oder so, die hätten helfen können, etwas zu entdecken.
Nach einer langwierigen Bohrung haben sie dort auch Leben gefunden, allerdings eher einfachere Organismen, durchaus Mehrzeller, aber nicht zu vergleichen mit der Komplexität auf dem anderen Eismond oder der ursprünglichen von Charybdis.
Weiter draußen auf einem Kleinplaneten haben sie auch eine interessante, langsame, komplexe Dynamik entdeckt, das ist kein Leben, aber aufgrund der tiefen Temperaturen ist da natürlich das Eis hart wie Gestein und andere Flüssigkeiten bilden da Flüsse und Seen in einer fremdartigen, düsteren Landschaft. Faszinierend, aber nach unserem Verständnis sehr lebensfeindlich. Trotzdem gibt es da viele organische Moleküle, auch komplexere Formen. Das ist insofern sehr interessant, als daß alles ohne Lebewesen entstanden sein muß, gleichzeitig aber in großer Menge diverse Grundbausteine des Lebens enthält. Es ist also durchaus möglich, daß einer der Ursprünge biologischen Lebens auf solchen kalten Planeten liegt, wo sich komplexe Moleküle langsam, aber ziemlich ungestört in einem trägen Nichtgleichgewicht bilden konnten, dann vielleicht durch einen Asteroideneinschlag weiter ins innere Sonnensystem geschleudert wurden, wo das Leben sich dann weiter entwickeln konnte.
Andererseits gab es auf der Erde ja bereits ziemlich früh Leben. Die Entwicklung könnte also auch unabhängig voneinander sein oder die komplexen Moleküle stammen gar von einem anderen Sonnensystem, wo sie in solch trägen Systemen über Milliarden von Jahren gebildet wurden und dann nach einem Zusammenstoß so lange unterwegs waren, bis sie dann wieder in ein Sonnensystem gekommen sind, um sich in habitablen Zonen mit etwas Glück zu entwickeln.
In mehreren Schichten des Gasriesen Albert haben sie zudem filigrane Gespinste unterschiedlicher Arten in verschiedenen Zonen der Atmosphäre gefunden. Das sind organische Strukturen, die sie vor Kurzem auch eindeutig als Leben identifizieren konnten, sehr einfach zwar, aber lebendig. Dieses Sonnensystem hat ein sehr vielfältiges Leben und an jedem Standort ist es anders. Es bleibt allerdings ein Rätsel, warum wir Skylla so tot aufgefunden haben.“
Darauf hatte ich natürlich auch keine Antwort, wie auch, vielleicht hatte irgendwann eine natürliche kosmische Katastrophe Skylla heimgesucht, die viel Wasser und alles Leben fortgebrannt hatte, vielleicht waren die Umstände bei der Entstehung des Zwillingsplanetenpaares einfach so gewesen, daß Charybdis eben den Großteil des Wassers abbekommen hatte, Skylla eben nur wenig. Und aufgrund eines Zufalls war dann vielleicht von Auswärts auf Charybdis etwas eingeschlagen, aus dem sich Leben entwickelt hatte, während die Bedingungen auf Skylla zu trocken oder sonstwie chemisch ungeeignet waren, um einfachen Organismen aus dem Weltraum eine Grundlage zu bieten, um zu überleben und sich anzupassen.
Mittlerweile fühlte ich mich schon ganz gut und dazu in der Lage, etwas mehr zu unternehmen. Und so machten wir eine kleine Runde durch die Kolonie, auf unserer Insel. Diese ist aber schon so groß, daß ein einfacher Spaziergang nur einen kleinen Teil davon zeigen kann. Und ich war schon sehr überrascht, wie üppig und komplex die Vegetation in den wenigen Jahrzehnten gewachsen war.
In der Nähe unserer Gebäude der Kolonie gab es auch einige Gewächshäuser, auch einige Felder. In Vorbereitung auf die Menschen der Kolonie zogen die Ais hier bereits Getreide, Gemüse, Obst, Pilze zu unserer Ernährung. Sie bereiteten aber auch diverse Pflanzenarten vor, um sie dann auf der Insel oder auch woanders auszuwildern. Da gab es noch reichlich zu tun, bislang hatten sie nur einige zehntausend Arten auf dem gesamten Planeten etabliert.
Auf unserem Rundgang durch die nähere Umgebung der Station, auch bis hinab zum Meer war ich jedenfalls schon einmal begeistert über unser Paradies, daß ich zunächst einmal vergaß, welche Katastrophe, welches Ökozid es auf Charybdis gegeben hatte, letztlich auch, weil wir hier auf Skylla irdisches Leben ansiedeln wollten. Daß ich heute hier in dieser irdischen Vegetation stehen konnte, mich daran erfreuen konnte, nun wohl endlich eine neue Heimat gefunden zu haben, diese Empfindung herrschte bei mir erst einmal vor.
Wieder zurück im Hauptgebäude der Kolonie gab es auch hier einen Rundgang. Hinsichtlich der Energieversorgung hatten die Ais einstweilen auf Wind- und Solarenergie sowie Gezeitenkraftwerke gesetzt, hatten hier keinen Fusionsreaktor bauen lassen.
Trotzdem hatten wir im Gebäude Luxus und bereits jetzt deutlich mehr Platz als nur für ein paar Personen. Und es gab bereits mehrere Gebäude.
Dieser erste Ausflug war noch ziemlich klein, ich kehrte bald zurück, sah mir allerdings einen Plan der Insel, der bereits vorhandenen Wege und der Kolonie an. Der mir bereits von der Planung der Kolonie her bekannte See war als Badesee ausgewiesen. Es gab nicht nur diesen einen See, der war dafür aber besonders geeignet, lag im Übergangsbereich zu einem bergigeren Bereich der Insel. In der Nähe hatten wir auch einen Strand zum Meer hin, welches sich allerdings nicht zum Baden eignet. Auf Nachfrage hin gab Ida die Auskunft, sie betrieben zwar mehrere Anlagen, um den Mineral- und Salzgehalt des Meeres zu reduzieren, so auch Rohstoffe zu gewinnen, es würde aber noch Jahrzehnte dauern, bis das Meer unbedenklich badetauglich sei. Würde man es bereits jetzt wagen, sollte nach ein paar Minuten Aufenthalt im Wasser unbedingt eine sorgfältige Dusche mit sauberem Wasser folgen.
Die Kolonie bestand bereits gemäß unserer Planung aus mehreren Gebäuden, von daher war da für die nächsten Jahrzehnte sicherlich keine Erweiterung notwendig. Mehr als genug Platz also für eine passable Population. Derzeit war ich noch allein. Ich wollte aber nach der Wiederauferstehung erst einmal in aller Ruhe zu mir kommen, bis ich zusammen mit den Ais entscheiden wollte, wie wir weiter vorgehen sollten. Auch hier fragte ich hinsichtlich Susi und Peter bei Ida abermals nach, weil Ida nicht direkt darauf geantwortet hatte. Sie blieb allerdings auch weiterhin ausweichend, was mir verdächtig erschien: Wir würden über das weitere Vorgehen gemeinsam entscheiden, wenn ich mich in der neuen Umgebung eingewöhnt hätte. Derzeit war ich allerdings noch zu angegriffen, um gleich nachhaken zu wollen. Ich war mir mit Ida somit zunächst darüber einig, daß das wohl nur ein paar Tage dauern würde. Das war genug Zeit, um mir zu überlegen, welche Reihenfolge sinnvoll wäre. Susis Stand war ja noch der der Katastrophe auf Charybdis. Peter würde sicherlich die Entwicklung auf Charybdis sehr interessieren. Hinsichtlich der Integration anderer Kryo-Zombies schätzte ich immerhin ein, daß diese ähnlich wie wir drei nicht unbedingt besser auf die Nachricht reagieren würden, Jahrhunderte nach ihrer Zeit in einem anderen Sonnensystem zu sein. Von daher war da sicherlich vorsichtig vorzugehen, vermutlich nicht sonderlich geschickt, da nun eine größere Zahl auf einmal wiederaufzuerstehen. Obwohl es ja auch eine Option für sie wäre, das Schicksal in der Gruppe zu bewältigen und die Herausforderung anzunehmen.
Vielleicht sollten wir das einfach wagen und damit mit dieser Anfangsphase einfach abschließen, mit der Kolonie so einen Neubeginn mit mehr Personal riskieren?
Angeschlagen wären die Kryo-Zombies sicherlich, aber Peter und ich hatten uns ja auch gut gefangen. Susi eigentlich ebenfalls, hatte lediglich Probleme mit der Katastrophe auf Charybdis bekommen.
Nun hier in der Kolonie ist die Umgebung schon wieder ähnlich wie an einem erholsamen Urlaubsort auf der Erde, schon irgendwie exotischer mit Charybdis am Himmel, aber doch schon deutlich normaler als auf dem Raumschiff, daher für Susi, ebenso für andere Kryo-Zombies vermutlich eine günstigere Umgebung, um sich mit dem Schicksal zu arrangieren.
Noch mußte ich mich von der Wiederauferstehung erholen. Auf meine Bitte hin erschien Ida wieder in Form ihres neuen Avatars.
Ich fragte Ida, ob ich hier eine Kabine als persönlichen Raum haben könnte. Ida stimmte zu, das hatten sie längst vorbereitet, begleitete mich in eine andere Etage des Gebäudes sowie dort zu einem Raum. Der war ein paar Quadratmeter größer als die Kabinen der Raumstation, aber ähnlich eingerichtet. Ein wesentlicher Unterschied war aber ein solides Fenster mit einem Blick hinaus in die weite Landschaft. Der Ausblick erfreute nach der langen Zeit auf dem Raumschiff ganz besonders. Da ich ja bereits kurz draußen gewesen war, schaute ich nun allerdings nur kurz hinaus.
Ida meinte, wir könnten selbstverständlich auch andere Räume ansehen, es seien ja reichlich vorhanden, ich hätte die freie Wahl. Ich war allerdings zufrieden mit ihrer Wahl eines Zimmers nahe der Treppe hinunter und hinaus sowie zu allgemeinen Aufenthaltsbereichen.
Ida wies auf ein Paket auf dem Bett.
Ich erinnerte mich, das waren meine persönlichen Gegenstände.
Ida zeigte mir auch einen Schrank mit Kleidung für mich, erinnerte mich aber gleichzeitig daran, den Raumanzug noch etwas tragen zu müssen, bis ich grünes Licht bekam, daß die Nachbearbeitung der Konservierung abgeschlossen war. Dann würde ich wechseln können.
Als Idas Avatar gegangen war, stellte ich einfach das Paket vom Bett auf den Boden, sah nicht einmal hinein. Dann legte ich mich selbst auf das Bett, krümmte mich seitlich zusammen. Ich machte Atem- und Entspannungsübungen. Ich war allerdings so aufgewühlt, das es eine ganze Weile dauerte, bis ich endlich einschlief.
Da eine Umdrehung von Skylla um sich selbst ja nur acht Stunden dauert, wird es hier häufig und schnell dunkel, aber auch wieder hell, wobei die Dunkelphasen nicht so ausgeprägt wie die Nächte auf der Erde sind, was an der Wolkenverteilung oder der Konsistenz der Atmosphäre insgesamt liegen mag. So oder so richtete sich die Zeiteinteilung immer noch nach den vierundzwanzig Stunden, die wir eben von der Erde gewohnt sind. Da war es eigentlich ein günstiger Zufall, daß die acht Stunden gut dazu paßten, die Ais hatten das bei den Manipulationen des Sintflutprojektes sogar gezielt so einrichten können, daß sich die Zeit ziemlich genau auf acht Stunden belief, so war der Rhythmus also schon synchronisiert. So oder so war es doch ein interessantes Erlebnis, das nun durch das Fenster beobachten zu können. So oder so war ich allerdings noch nicht wieder voll da, um mir bereits mehr im Detail ansehen zu wollen. So gammelte ich einfach weiter in meinem Zimmer herum, las etwas, schaute auch einmal einen Film, döste, gammelte weiter, schlief.
Den nächsten Tag meldete sich Esmeralda an. Ich war gerne einverstanden mit ihrem Besuch und so stand bald ihr Avatar in meinem Zimmer. Sie hatte etwas zu trinken für mich mitgebracht, sogar eine Kleinigkeit zu essen. Wir setzten uns an einen Tisch und zu meiner Überraschung streichelte Esme über meinen Arm. Vermutlich wollte sie mich damit anspornen, aktiver zu werden. Ich lächelte den Avatar etwas skeptisch an, nickte daraufhin aber einverstanden. Es lagen bereits wieder neue Herausforderungen vor mir, Rückhalt konnte ich durchaus gebrauchen. Und mit Esme hatte ich zuvor ja bereits guten persönlichen Kontakt gepflegt. Vielleicht war es unser Gespräch im Rahmen der Sexspielzeug-Entwicklung gewesen, wo wir auch über Zuneigung und Nähe gesprochen hatten, was sie motiviert hatte, zu mir zu kommen und mir etwas Gesellschaft zu leisten.
Und ich nahm das dankbar an.
Wir plauderten etwas, wobei mich Esme nebenbei vertrauter mit der Kolonie machte, was sie vorbereitet hatten. Bald würde ich den Anzug ablegen können. Es gab Duschräume, einen Aufenthaltsbereich samt Küche. In ihrer Begleitung schaute ich mich nun genauer um, machte mich ganz vertraut mit dem Gebäude, in welchem mein Raum lag. Dieses war kein reines Wohngebäude, wovon es bereits mehrere ähnliche in der Kolonie gab, mangels Bewohner derzeit weitgehend versiegelt. Ich blieb in jenem Gebäude, in dem ich aufgewacht war, dort gab es auch aktive Funktionsräume, etwa zur medizinischen Versorgung. Die Idee der Ais mit den separaten Wohngebäuden war, bei Bedarf etwas besser zwischen Arbeitsbereich und Freizeit trennen zu können. Dieses Gebäude hatte allerdings auch Wohnräume. So war es letztlich meine Entscheidung, ob ich nicht doch lieber in einem reinen Wohngebäude unterkommen wollte. Das mit der Aufteilung fand ich aber ganz in Ordnung, wenngleich für mich allein einstweilen egal, bei Bedarf könnte ich ja immer noch wechseln. So dachte ich mir schon, daß wir zunächst alle weiteren Wiederauferstandenen gemeinsam in einem Gebäude unterbringen sollten, davon eventuell bei Konflikten abweichen. Letztlich hätte da natürlich jeder Wahlfreiheit. Arbeit an Projekten im anderen Gebäude erschien mir generell vorteilhaft. So wäre rein physisch eine Trennung da und die Versuchung wäre nicht so groß, das stark zu vermischen und sich so für beide Sphären genug Raum und Zeit zu geben.
Nach unserem kleinen Rundgang durch ein Wohngebäude und das mit den Funktionsräumen kamen wir letztlich wieder bei meinem Raum an. Esmes Avatar war noch immer da. Wir hatten uns prima unterhalten, hatten gleich wieder einen Draht zueinander gefunden. Nun, wo sie schon einmal da war, holte ich sogar das Paket hervor, öffnete es und betrachtete ironisch lächelnd das Spielzeug und die Kleidung. Aufgrund ihrer Konservierung sah es so aus, als hätte das alles allenfalls einen Monat im Schrank gelegen. Ich machte zusammen mit Esme eine Bestandsaufnahme, wir prüften den Zustand der Kleidung und auch die Funktion der Geräte. Das war alles in Ordnung. Nur die Akkumulatoren waren natürlich leer. Da das meine persönlichen Gegenstände waren, gehörte das Aufladen natürlich auch nicht mehr zu den Aufgaben der Ais. Die Kleidung im Schrank war ähnlich wie die aus dem Paket.
Wir hängten meine Sachen aus dem Paket einfach dazu.
Ich fragte Esme: „Was meinst du, was ich nun tun soll, was mit der Situation anstellen?
Susi ist ja noch auf dem Stand ihrer Konservierung, also zum Zeitpunkt des Absorbereinschlages, als sie zusammengebrochen ist, es wird sicherlich nicht so einfach, wenn sie nun wiederauferstanden wird.“
Esme erwiderte: „Oh.
Was weiter passiert, darüber sollten wir später gemeinsam beraten, wenn du gut erholt bist. Es ist jetzt nicht sinnvoll, dies zu thematisieren.
Aus der bisherigen Erfahrungen wissen wir ja nun schon, daß die Kryo-Zombies der Mission zwangsläufig aufgrund der kritischen Situation bei ihrer Konservierung oft Trauma oder schockartige Zustände mit sich bringen, von daher ist da sowieso immer eine Unterstützung vorgesehen.“
Dies kam mir etwas merkwürdiger vor, mehr jedoch noch, daß sie eigenartig sensibel, mitfühlend meine Schulter streichelte.
Hatten die Ais irgendwas zu verbergen, was sie erst auftischen wollten, wenn ich mich von der Wiederauferstehung erholt hätte?
Ich wollte die Situation nun nicht geradezu eskalieren, beließ es also abermals dabei, sie mit einer derart ausweichenden Antwort durchkommen zu lassen, wie ich es auch bei Ida einstweilen hatte durchgehen lassen.
Ich verkniff leicht den Mund, lächelte kaum merklich: „Hast ja Recht. Dem muß ich mich stellen und flexibel auf das reagieren. Ich bin ja wirklich noch nicht wieder ganz da, also ist etwas mehr Zeit vermutlich schon richtig.“
Esme antwortete: „Das wird das Beste für dich sein. Es hat wenig Sinn, nun darüber zu grübeln, besser du konzentrierst dich erst einmal darauf, auf eigenen Beinen zu stehen, die neue Umgebung zu deiner eigenen zu machen. Was weiter ist, wird sich schon ergeben.“
Ich seufzte: „Ja, das werde ich. Stimmt, wenn ich selbst noch gar nicht wieder richtig leistungsfähig bin, ist es verfrüht, über das weitere Vorgehen zu grübeln oder zu beraten …“
Esme stimmte zu.
Die folgende Nacht schlief ich bereits ruhiger. Ich begann mich einzugewöhnen. So konnte ich nun bereits ausgedehntere Ausflüge über die Insel machen, Kolonie und Umgebung eingehender erkunden.
Körperlich hatte ich mich schnell von der Wiederauferstehung erholt, konnte somit auch endlich den Anzug ablegen. Eine lange Dusche tat mir sehr wohl, so nackt mit dem erfrischen Naß auf der bloßen Haut war ich wieder ganz zurück im Leben. So machte ich auch einen ausgiebigen Lauf über die Insel. Meinen Morgenlauf würde ich hier wieder aufnehmen. Dieser Lauf brachte mich an den Badesee. Beherzt entkleidete ich mich, als ich eine passende Stelle zum Einstieg gefunden hatte. Ich stieg in guter Laune ins Wasser, zog meine Bahnen. An einer anderen Stelle des Ufers fand ich einen weiteren, bequemen Ausstieg auf eine größere, flache Felsplatte. Hier sonnte ich mich, um mich zu trocknen. Ein von den Ais angelegter Weg war nicht weit, so schlenderte ich irgendwann nackt und gelassen um den See herum zurück zu meinen Sachen, zog sie wieder an und kehrte zur Kolonie zurück. Ja, nun war ich angekommen, war bereit, mich ganz auf die Kolonie einzulassen. Ich fühlte mich stark genug, um mich neuen Herausforderungen zu stellen.
Nach einem ausgiebigen, nunmehr wieder ganz normalen Essen meldete ich mich bei Ida, um mich mit ihr zu beraten. Sie erschien mit ihrem Avatar und wir entschlossen uns zu einem Spaziergang draußen. Nach der Zeit auf dem Raumschiff war ich nun sehr gerne draußen, genoß den freien Raum, die Atmosphäre über mir, die sich entwickelnde Natur um mich herum.
Das sollte doch sicherlich auch Susi sehr gefallen, stellte ich mir vor, die Idee stimmte mich bereits etwas optimistischer, wie ich das alles hinbekommen sollte. Vielleicht würde es ja doch gar nicht so schlimm.
Wir wanderten dann einfach und gemütlich über die Insel und erkundeten so die Umgebung.
Auf den angelegten Wegen würde es auch mit einem Fahrrad prima klappen, auch davon waren bereits welche verfügbar, eher einfach und robust für diese Umgebung ausgelegt. An einer Stelle mit schöner Aussicht über das kleine Meer bis hin zu einer anderen Küste hatten die Ais bereits eine Bank positioniert. Wir setzten uns und schauten uns die Landschaft an.
Ida wollte dann wissen: „Und wie sieht es aus, fühlst du dich wohl?“
Ich antwortete: „Ja, es geht mir gut, ich bin wieder voll da. Nun gilt es also zu überlegen, wie wir weiter vorgehen.“
Ich überlegte zunächst für mich: Mit Susanne würde ich etwas zu klären haben, das bohrte ja schon vor meiner Konservierung ordentlich in mir, ich hatte nun bei unserem Ausflug nicht daran gedacht, nun war es aber wieder ganz präsent. Es würde nun bald passieren, ich mußte mich dem stellen, aber das wußte ich ja schon länger. Peter wäre schon der harmlosere Kandidat. Seine Anwesenheit würde es mit Susi allerdings nur verkomplizieren. Da wäre es einfacher, im Laufe der Zeit einfach zu erläutern, was wir unternommen hatten, um aus der Katastrophe doch noch etwas zu machen, was das Ereignis irgendwie abmildern sollte. Also doch besser erst Susi, dann Peter.
Ida fuhr fort: „Nun gut, dann ist also der Zeitpunkt gekommen, wo wir darüber beraten sollten, wie es weitergeht. Besser jedoch, wir wechseln dazu wieder in die Kolonie. Die anderen kommen mit ihren Avataren hinzu, so hast du ebenfalls visuell den Eindruck, daß wir uns alle versammelt haben, um zu beraten.“
Damit war ich einverstanden, also schlenderten wir zurück. Ida benachrichtigte die anderen Ais.
Angekommen trafen wir auch schon auf die Avatare der anderen Ais. Ida machte eine Geste, mich zu setzen. Esmeralda machte eine ähnliche Geste, um mir einen Platz neben ihrem Avatar zu wählen. Dem folgte ich, woraufhin sie erneut sachte meine Schulter streichelte, eine nette, wenngleich nun etwas erstaunliche Geste der Vertraulichkeit. Irgendwas schien wirklich faul zu sein. Nun näherten wir uns offenbar der Verkündung des Sachverhalts, sonst hätte Ida wohl nicht einen derartigen Aufriß gemacht, bei welchem mich Esmes Avatar beruhigend streichelt.
Wirklich begann Ida: „Nachdem du dich erholt hast, die Wiederauferstehung gut hinter dich gebracht hast, dich hier ein paar Tage eingelebt hast, ist nunmehr der Moment gekommen, in welchem ich dir berichten muß, was passiert ist, ich dir allerdings beim Erwachen nicht mitteilen mochte. Es hat einen Unfall gegeben …“
Ich schaute sie an, ebenso daraufhin kurz die anderen Avatare: „Was für ein Unfall?“
Ich hatte also wohl Recht mit meiner Vermutung, daß sie mir etwas verschwiegen hatten, worum ging es, was konnte so wichtig sein, daß sie damit zögerten, bis ich wieder ganz auf den Beinen war?
Ida erzählte also: „Dieser Unfall hat sich ereignet, als wir die Behälter mit dir, Susanne sowie Peter herunter zur Kolonie transferieren wollten. Es muß eines dieser äußerst seltenen kosmischen Ereignisse gewesen sein, wie wir nachher durch eine Analyse unserer verteilten Satelliten, Instrumente im Rasol-System herausgefunden haben, also von weit außerhalb des Rasol-Systems kommend, nicht vorhersagbar. Das war ein relativ kurzer, starker elektromagnetischer Impuls. Dieser hat viele unserer Systeme kurzfristig lahmgelegt, darunter auch die Landefähre sowie unseren Kontakt zu ihr. Dies ist leider im kritischen Moment des Eintritts in die Atmosphäre passiert. Die automatischen Systeme haben leider nicht gereicht, weil sie ebenfalls teilweise gestört waren. Daher ist es zu einem Absturz der Fähre gekommen, welche hart aufgeschlagen ist. Trotz erheblicher Beschädigungen an deinem Behälter konnten wir dich rechtzeitig bergen, entstandene Schäden im weiteren Verlauf der Konservierung innerhalb eines Jahres wieder beheben, du wirst an dir folglich keinerlei Spuren davon vorfinden können …“
Dies stimmte, ich fühlte mich komplett gesund, leistungsfähig.
Was aber war mit Susanne sowie Peter passiert?
Ida hatte geschwiegen, ich war kurz meinen Gedanken nachgegangen, formulierte nun bloß kurz: „Susanne? Peter?“
Esme streichelte wieder beruhigend meine Schulterpartie.
Ida führte wie gewohnt sachlich aus: „Beide konnten wir nicht mehr retten. Susannes Behälter ist im Verlauf des Aufschlages komplett zerstört worden, deiner sowie der von Peter weniger schwer. Während dein Behälter allerdings aus dem zerstörten, zerbrochenen Wrack auf das Meer geschleudert wurde, ist Peters Behälter gesunken. Weil bei deinem Behälter nach Ende der Störung wieder eine Verbindung hergestellt werden konnte, konnte dieser relativ schnell lokalisiert sowie geborgen werden. Weil das Wrackteil mit Peters Behälter versank, war dies bei diesem Behälter nicht so einfach möglich. Wir haben das Wrackteil im Laufe der Rettungsaktion letztlich lokalisieren können, es hat allerdings deutlich länger gedauert, bis dies mit geeignetem Bergungsgerät am Meeresgrund aufgesucht werden konnte. Dies war erst rund zwei Tage nach dem Aufschlag möglich, bei deinem Behälter hingegen konnte eine Erstversorgung bereits etwa drei Stunden nach dem Aufschlag erfolgen, was der beschädigte Behälter an der Wasseroberfläche überbrücken konnte. Aufgrund anders gelagerter Schäden sowie des Wasserdrucks in der Tiefe war dies bei Peters Behälter über die zwei Tage nicht möglich. Das Bergungsgerät traf somit zu spät ein. Peter konnte nur noch tot geborgen werden.“
Mir schwindelte, ihre Rede war nach der primären Information der Todesfälle an mir vorbeigerauscht, ich schwieg.
Nach einer ganzen Weile fragte ich resigniert nach: „Was habt ihr mit den Überresten angefangen?“
Ida erläuterte: „Verbrannt.
Wenn du möchtest, kannst du die Urnen aufsuchen. Wir haben für Urnen von Verstorbenen im Gebäude mit der medizinischen Station einen Raum eingerichtet, in welchem es für jede Urne einen Platz gibt, dazu gibt es genug Raum, Sitzgelegenheiten, um der Toten zu gedenken. Ich hoffe, dies ist angemessen.“
Ich fühlte mich, als würde ich in einem Wattebausch gefangen sein, irgendwie nicht mehr ganz im Realen, gleichzeitig umhüllt von undefinierbarer Zähigkeit.
Ich stieß hervor: „Ich werde den Raum später aufsuchen, wenn ich dazu in der Lage bin.“
Wieder herrschte Stille.
Ich hatte Mühe, einen klaren Gedanken zu fassen.
Trauer? Schock?
Ich kann die Gefühlslage nicht beschreiben, einerseits diese Wattebausch-Lähmung, andererseits eine innere Leere, aufkommende Wut, Verzweiflung, ein Drang, etwas zu tun.
Endlich brachte ich hervor: „Ich verstehe noch immer nicht, was für ein Ereignis dies verursacht hat …“
Nun antwortete Körk: „Genau haben wir das bislang nicht herausgefunden. Naheliegend ist, daß die Ursache des elekteomagnetischen Pulses ein explodierender Stern war, welcher zwar hinreichend weit weg war, um keine dauerhaften globalen Schäden hervorzurufen, jedoch noch einen derart intensiven Puls erzeugen konnte, daß dieser in der Lage war, unsere Kommunikation lahmzulegen, einige Geräte über längere Zeit zu stören. Wir konnten hier im Rasol-System inzwischen eine Zeitanalyse der Ereignisse durchführen. Weil sich solch ein Puls selbstverständlich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet, gibt es keine Vorwarnung, auch kein Signal, mit welchem wir intern ein solches Ereignis ankündigen könnten. Als folglich der erste Satellit betroffen war, war der Puls schon beim nächsten, bevor es überhaupt möglich gewesen wäre, Information darüber zu erlangen. Jedenfalls konnten wir über die Zeitanalyse grob herausfinden, aus welcher Richtung das Ereignis ungefähr kam, wir haben ja sonst keine hochauflösenden astronomischen Gerätschaften. Derartige Ereignisse sind selten, zudem wird solch ein Impuls vermutlich auch von vielen Sternexplosionen nicht isotrop ausgesendet, es gibt eine Vorzugsrichtung, welche zudem durch die Präzession zeitabhängig ist. Somit ist es sehr unwahrscheinlich, daß uns solch ein Ereignis trifft oder abermals trifft. Insofern konnten hier bei der Ausfallabsicherung lediglich die allgemeinen Maßnahmen greifen. Zwar haben wir mehrfache Absicherungen gegen den Ausfall einzelner Systeme, dieser Impuls aber hat kurzfristig zu einem Totalausfall geführt. Wahrscheinlichere Sonnenstürme von Rasol hätten wir kompensieren, überstehen können. Dies Ereignis kam aber eindeutig aus einer anderen Richtung, dem hatten wir so nichts entgegenzusetzen.“
Ich fragte nach: „Also etwas wie eine Supernova?“
Körk bestätigte: „Vermutlich. Das Spektrum ging über einen weiten Bereich, bis hin zu Gammastrahlen, hat kurzfristig sogar auch einen Teil der Atmosphäre von Skylla sowie Charybdis angegriffen, da gab es einige Ionisierungen, Störungen, dadurch hervorgerufene kleinere Unwetter, auf Charybdis insbesondere induzierte massive Gewitter.
Weil die Auswirkungen auf die Atmosphäre insgesamt aber überschaubar waren, unsere Geräte trotzdem kurzfristig gestört waren, war das insgesamt für eine Supernova eine mäßige Auswirkung, also vermutlich weit weg oder uns hat lediglich ein schwächerer, seitlicher Ausläufer erwischt. Prinzipiell könnte es auch ein anderes Ereignis gewesen sein, welches weniger gut bekannt ist als eine Supernova. Letztlich ist es mit unseren Daten schwer bis gar nicht näher einzuordnen. Alles sind bloß Spekulationen. Als einzelnes Ereignis ist das aber auch nicht gegen uns gerichtet. Also keine andere Spezies, welche es auf uns abgesehen hätte – dafür gibt es rein gar keine Anzeichen. In dieser Form ist auch ein Kommunikationsversuch einer anderen Spezies auszuschließen. Es wird eine Ursache vorliegen, welche von der Größenordnung im Umfeld einer Sternexplosion liegen sollte, mehr bleibt unklar, bis Informationen von der Erde kommen, was dauern kann, sollten dafür auch unsere Informationen sowie die von Mission 3 benötigt werden. Mehr werden wir also wohl erst wissen, wenn Informationen darüber mit Mission 3 sowie der Erde abgeglichen sind, dies kann natürlich noch einige Jahre dauern.
In unserer lokalen Nähe gab es ein solches Ereignis selbstverständlich nicht. Dies hätten wir feststellen können – oder es hätte uns komplett zerstört. Einerseits hat die Erde deutlich mehr Möglichkeiten, Geräte mit hoher Auflösung, andererseits haben wir letztlich Daten von mindestens drei weit verteilen Orten, um einzugrenzen, wo genau dies Ereignis passiert ist.“
Ich nickte langsam, noch immer fühlte ich eine dumpfe Lähmung, hakte aber doch nach: „Ihr könnt aber ausschließen, daß die Quelle nach wie vor aktiv ist, nun lediglich zeitweilig in eine andere Richtung strahlt, irgendwann aber wieder auf uns gerichtet sein wird?“
Körk erläuterte: „Wir konnten mit Geräten auf dem Raumschiff sowie der Raumstation Informationen über die zeitliche Charakteristik ermitteln. Nach Vergleich mit Modellen, Daten aus der Datenbank bleibt es bei der Hypothese eines Ereignisses wie einer Supernova, also kein Pulsar oder etwas in der Art, dessen Achse durch Präzession gelegentlich in unsere Richtung zeigt. Insofern liegt gewiß ein derart unwahrscheinlichen Ereignis vor, daß wir davon ausgehen dürfen, daß derlei bei Sicherheitsmaßnahmen nicht weiter berücksichtigt werden muß. Wobei wir dies trotzdem zum Anlaß genommen haben, das Vorgehen zu überprüfen. Kleinere Verbesserungen konnten wir vornehmen. Wenn solch ein Ereignis aber gerade in einem Zeitfenster von ein oder zwei Minuten eintritt, während eine Landefähre im oberen Bereich der Atmosphäre ist, von solch einem Impuls getroffen wird, ist weiterhin ein kurzfristiger Ausfall unvermeidbar. Was ansonsten weitgehend unproblematisch ist, kann unter ungünstigen Umständen zu einem Absturz führen. Zwar kann die Landefähre auch in diesem kritischen Zeitfenster autonom hinreichend sinnvoll reagieren, wenn darauf jedoch mehrere Systeme ausfallen, ist auch dies nicht mehr gewährleistet. Dieser äußerst ungünstige Fall lag leider vor, weswegen es zu dem Absturz kam …“
Ich versicherte: „Ich werfe euch keinesfalls Nachlässigkeit vor, wollte es lediglich einordnen …“
Ida bot an: „Selbstverständlich kannst du alle Daten im Detail einsehen, wir stehen für weitere Diskussionen bereit, ebenso für Verbesserungsvorschläge …“
Ich nickte: „Was passiert ist, können wir damit nicht wieder gutmachen. Einstweilen holen wir ja ohnehin keine weiteren Personen herab.
Ich fühle mich nicht so gut, brauche dringend eine Pause …“
Hildegard meldete sich: „Ich habe dies besorgt registriert, kann deine Verfassung allerdings nachvollziehen. Wenn du möchtest, kann ich milde Beruhigungsmittel, Schlafmittel anbieten. Auch die ändern nichts, sie helfen jedoch eventuell über den ersten Schock hinweg.“
Ich war einverstanden: „Ja gut, ich muß abschalten. Wenn ihr mich mit zwei Avataren sicher auf mein Zimmer bringen könntet? …“
Dies taten Hildegard und Esmeralda gerne.
Insgesamt blieb meine Stimmung bedrückt, also beschränkten wir die Kommunikation auf das Notwendigste. Ida bot mir noch ergänzend an, ich könne die Aufzeichnungen, die Daten zum einen von der Landefähre einsehen, ebenso jene der Rettungsmission. Einerseits wollte ich eigentlich nicht, andererseits wollte ich mehr Informationen haben, um irgendeinen persönlichen Bezug, eine persönliche Erfahrung damit zu verknüpfen. Folglich stimmte ich zu, ließ mir von Ida Details zeigen. Im Grunde war es lediglich ein Beleg für all das, was sie berichtet hatte. Ich sah mich selbst, meine Rettung, insgesamt allerdings meinen Körper bloß kurz, denn meistens war dieser in Schutzbehältern, vorrangig bei der Umlagerung von dem defekten Transportbehälter in einen neuen Konservierungsbehälter in der Kolonie war mein lebloser Körper kurz zu sehen.
Das Aufsammeln von Susannes Überresten war ein quälender Anblick, letztlich kaum noch etwas von ihr erkennbar, ein Horror war letztlich der kurze Anblick ihres verletzten, vom Ozean-Wasser aufgequollenen Gesichtes, verzerrt, fremd schon, dennoch erkennbar, grausig.
Die Bergungsaktion für Peter war zunächst eher ein technischer Bericht von allerhand Aufwand. Daß er endgültig tot war, wurde bereits festgestellt, als sein noch verschlossener Behälter unter Wasser in der Tiefe gefunden wurde. Nach der Bergung war sein Leichnam in den Aufzeichnungen zu sehen. Äußerlich unversehrt war er gut erhalten, aber eben nicht mehr lebendig. Wie zur Dokumentation hatten die Ais stichprobenartig dokumentiert, wie sich der Körper danach veränderte, daran war eindeutig erkennbar, daß Peter verstorben war – ein unangenehmer Anblick.
Der letzte wesentliche Punkt war eine kurze Aufnahme der Einäscherung, der Einlagerung der Urnen in den Fächern in einem Andachtsraum.
Ich bat einstweilen darum, mich in Ruhe zu lassen, bis ich die Ais wieder ansprechen würde. Mit Hildegard machte ich indessen lediglich etwas wegen der Schlafmittel ab. Davon würde jeweils eine Portion für mich bereitliegen, über welche ich verfügen könne. Hildegard sprach es nicht direkt aus, aber es klang auch so durch, daß sie genau portionieren wollte, um eventuellen Suizid-Versuchen vorzubeugen. Auf diese Hypothese mochte ich auch gar nicht eingehen, daher hinterfragte ich das Arrangement gar nicht weiter.
Als die beiden verschwunden waren, krümmte ich mich im Bett, wollte weinen, röchelte aber bloß. Zwar kannte ich Peter ja noch nicht lange; weil Susanne bereits aufgrund ihres Schocks konserviert werden mußte, gab es bereits eine Zeit ohne sie; trotzdem wirkte nun alles irreal, alles verflog, war nicht mehr greifbar. Durch meine eigene Konservierung hatte ich alles verpaßt. Nichts blieb außer einem profanen Bericht von einem Ereignis, welches mich ohne eigene Erinnerung einerseits nicht zu betreffen schien, mir andererseits abermals geraubt hatte, was ich mir gerade an neuem Leben aufzubauen versucht hatte.
Einfach Peng und weg – wieder ein Neuanfang?
War ich dafür stark genug?
Wollte ich überhaupt?
Sollte ich mich nicht einfach wieder konservieren lassen, den Ais überlassen, wie es weitergehen sollte?
Mochten diese sich doch kümmern, selbst entscheiden, ob oder wen sie in der Kolonie ansiedeln sollten. Mich schien das einstweilen alles nichts mehr anzugehen. Ich war abermals verloren, einsam am Ende der Welt, herausgerissen aus allem, was mir vertraut war oder ich mir zuletzt wenigstens halbwegs vertraut gemacht hatte.
Aufgrund des Schlafmittels wohl muß ich irgendwann eingeschlafen sein.
Als ich wieder erwachte, hatte ich das Zeitgefühl verloren, was mir allerdings ziemlich egal war. Ich schleppte mich lustlos in den Küchenbereich, bereitete mir Essen zu, welches unter normalen Umständen wohl geschmeckt hätte, aber ich fühlte mich weiterhin dumpf, halb betäubt, gleichgültig. Nach dem Essen ließ ich einfach alles stehen, wankte erst hinaus, um ziellos draußen durch die Gegend zu schwanken, plumpste alsbald lustlos auf eine Sitzbank, starrte in die Unendlichkeit, ließ die Zeit versickern.
Frustration sowie Mutlosigkeit saßen tief. Auf die Zeit hatte ich nicht geachtet, schlunzte einfach irgendwann zurück zur Kolonie. Offenbar hatten die Ais hinter mir aufgeräumt, ich hatte keine Lust, diesbezüglich nachzufragen, stopfte einfach abermals Essen sowie Getränke in mich hinein, ließ wiederum alles unaufgeräumt zurück – es war mir schlicht egal.
Wieder auf meinem Zimmer war ich noch immer fahrig, setzte mich letztlich lustlos an einen interaktiven Bereich, daddelte bei einem simplen Spiel herum, wechselte später deprimiert zu einem Ballerspiel. Ich wollte Dampf ablassen, hackte herum, ließ meinen Frust heraus. Viel brachte es letztlich nicht. Allerdings sackte ich später wieder auf das Bett, nahm meine mir genehmigte Portion Schlafmittel, nickte weg.
Die nächsten Tage liefen ähnlich ziellos, mutlos, unproduktiv ab. Die Ais ließen mich allerdings wirklich in Ruhe, räumten lediglich dezent hinter mir her, weswegen ich immer wieder insbesondere auf eine aufgeräumte Küche, wohlgefüllte Vorräte traf. In dem Sinne mangelte es an nichts, genießen konnte ich allerdings auch nicht wirklich. Mit mäßigem Interesse machte ich mich mit den Gerätschaften vertrauter. Hätte ich mich komplett hängenlassen wollen, hätte ich einfach ein Gericht bestellen können. Mit einem Rest von Motivation blieb ich allerdings dabei, mir doch das Essen selbst zusammenzustellen oder zuzubereiten. Aufräumen danach überließ ich trotzig weiterhin den Ais, welche dies nicht kommentierten.
Endlich war ich nach einigen weiteren Tagen zielloser Gammelei bereit, fragte kurz bei Esmeralda nach, wo der Raum mit den Urnen sei. Diese gab Auskunft, bot an, es mir mit dem Avatar zu zeigen, mich damit zu begleiten, mir beizustehen. Ich wollte aber lieber alleine bleiben, dankte somit lediglich höflich für das Angebot.
Als ich den Raum gefunden hatte, stand ich mit weichen Knien vor der Tür, zauderte, sackte abermals in mich zusammen, schlürfte schon wieder ein paar Schritte weg, hielt wieder inne, drehte mich um, um mich dem Moment doch zu stellen, zögerte wieder, worauf Schritte zurück zur Tür erfolgten, vor welcher ich wiederum eine gefühlte Ewigkeit stand, bevor ich hineinschlich.
Die Einrichtung des Raumes bestand mehr oder weniger aus Schrankwänden, wobei diese in gleichgroße Fächer eingeteilt waren. Wie bei der gesamten Kolonie hatten die Ais großzügig geplant. Die Fächer hatten milchige Türen. Die beiden von Susanne und Peter waren leicht zu finden, benachbart, entsprechend beschriftet. Auf eine leichte Berührung hin öffneten sich die Fächer, darin war lediglich je eine ebenfalls beschriftete Urne.
Ich setzte mich auf eine Bank, starrte auf die verpackten Reste meiner ehemaligen Kollegen, meiner Geliebten. Wieder einmal tropfte, versickerte die Zeit in meinem Kopf, zäh wie Erbsensuppe, vielleicht gar Teer hing sie an mir. Alles fühlte sich einerseits bedrückend an, der Mund war trocken, der Verstand verweigerte sich weitgehend, die Urnen mit konkreten Erinnerungen zu verbinden. Ohne eigene Erinnerungen an den Unfall hing irgendwie alles in der Luft, unfaßbar. Dennoch mußte ich akzeptieren. Ich weiß nicht, was ich dachte, gelegentlich strichen Erinnerungen vorbei, meist aber blieb weitgehende Leere. Ich wollte mich durch Weinen befreien, aber es kamen nicht einmal Tränen, alles blieb irgendwie irreal, nicht einzuordnen.
Irgendwann raffte ich mich mühsam auf, schloß die Fächer, drehte ab, schlürfte aus dem Raum, in welchem ich letztlich nichts gefunden hatte, was mir hätte helfen können – den beiden sowieso nicht.
War das nun ein Abschied gewesen?
Bloß eine hilflose Geste?
Ein mutloser Versuch?
Ich zuckte nicht einmal meine Schultern, schlürte bloß in den Küchenbereich, nahm mir etwas zu trinken, plumpste in eine Sitzecke im Aufenthaltsbereich. Wieder ließ ich einfach die Zeit zäh verstreichen, in meinem hohlen Sein versickern, bis es nicht mehr ging. Ich suchte mir einen Film heraus, versuchte mich damit abzulenken, danach noch einer, daraufhin ein weiterer. Anschließend wieder essen, trinken, schlafen.
Weitere Tage vergingen mit Daddeln, Filme gucken. Gelegentlich ging ich auch hinaus, zunächst eher kurz, um von einer Sitzbank in der Nähe der Kolonie untätig in die Leere zu starren. Später schaffte ich es immerhin, diese Spaziergänge auszudehnen, kanalisierte derart meine innere Leere zu einer antreibenden Unruhe, welche mich über die Insel stolpern ließ. Erfreuen konnte ich mich an schönen Aussichtspunkten mitnichten, nahm lediglich zur Kenntnis, wie diese Insel ist, was angelegt worden war, wo was zu finden war, Strand, Badesee, Berg, Felder, Gewächshäuser, abgelegene technische Anlagen, die Koloniegebäude, Wege, die Aussicht, Charybdis am Himmel, ebenso ein Eisring um Skylla, welchen es von unserer Sintflutaktion hier gab, welcher wohl im Laufe der Jahrhunderte oder Jahrtausende noch verschwinden würde. Wenn es dunkel war, was ja öfter wegen der schnellen Eigenrotation von Skylla der Fall war, konnte ich ferner Sterne gucken, keine Ahnung, ob oder wann man von hier aus die Sonne sehen kann, ich fragte nicht einmal nach.
Derart gingen also weitere Tage dahin, bis ich mich endlich aufraffen konnte, irgendetwas Konstruktiveres zu beginnen. Als erstes räumte ich immerhin den Küchenbereich nach dem Essen selber auf, erkundete genauer die Koloniegebäude, ließ mich dabei von Esmeralda führen, schaute mir auch genauer die Gewächshäuser sowie Felder an, wobei mich Hildegard begleitete. Den Unfall sparten wir bei der Konversation sorgfältig aus. Ich wollte nicht darüber reden.
Um mich weiter abzulenken, ging ich mit Körk ferner einige Daten durch. Inzwischen hatten wir ja eine sehr gute Übersicht über Objekte, Asteroiden und dergleichen im Rasol-System. Körk hatte die Arbeit mit Sonden systematisch fortgeführt und somit inzwischen einen sehr guten Überblick, was so in einer Umgebung von etwa einem Viertel eines Lichtjahres um Rasol herum so vorgeht, auch was kleinere Objekte bis zu vielleicht zehn Tonnen Masse betrifft – es hängt natürlich etwas von der Zusammensetzung der Brocken ab, wie leicht sie zu finden sind, bei auffällig hohem Reflexionsvermögen sind auch deutlich kleinere Objekte in der Datenbank verzeichnet. Im Bereich innerhalb etwa der doppelten Entfernung von Rasol bis zum fernsten Gasriesen Erwin hatte Körk eine deutlich höhere Auflösung. Aufgrund der höheren Lichtleistung von Rasol und des dichteren Netzes von Sonden hatten wir noch deutlich detaillierte Daten von den Objekten mit kleinerem Abstand zu Rasol als der innerste Gasriese Albert. Erst etwa ab dem Asteroidengürtel Geri ist Rasol oft zu nah, um viel zu sehen, aufgrund des kleinen Abstandes sind die Objekte dort aber ohnehin nicht so interessant für uns, weil sie uns energetisch nicht erreichen können und es unwahrscheinlich ist, daß sie durch eine Wechselwirkung von mehreren Objekten bis in unsere Gegend katapultiert werden. Körk machte mich auf einige interessante Objekte aufmerksam, relativ große Asteroiden oder gar Kleinplaneten, teilweise nur mit wenigen Daten erfaßt, es gab aber auch Objekte, die von Asi uns Stanis gut erreichbar waren und die von diesen detaillierter untersucht worden waren.
Wir wußten ja schon allerhand über die hiesigen Asteroiden aufgrund unserer Aktivitäten im Asteroidengürtel Freki und dem Streufeld Wotan, einige Objekte weiter draußen verblüfften aber mit unerwarteten Zusammensetzungen oder Bestandteilen. Bei einzelnen Objekten vertraten die Ais gar die Ansicht, daß diese vermutlich eingefangen worden seien, seit langer Zeit praktisch unverändert, eventuell einmal aus einem anderen Sonnensystem gekommen waren, eventuell schon zu Beginn der Entstehung des Rasol-Systems. Und das waren nicht nur kleine Brocken, von den man erwartet, daß ein Rasol-System daraus ursprünglich entstanden war, darunter war sogar ein Kleinplanet, den Asi und Stanis als deutlich älter als das geschätzte Alter des Rasol-Systems geschätzt hatten. Die Formationen, Gesteine, radioaktives Material darauf, all das deutete eindeutig auf mindestens das doppelte Alter hin, vermutlich sogar noch älter, nicht gerade aus der ersten Generation von Sonnensystemen des Universums stammend, doch alles wies darauf hin, daß das mindestens ein oder zwei Generationen älter als das Rasol-System oder auch das Sonnensystem war. Der Kleinplanet war allerdings zu klein, als daß wir darauf Spuren von Leben erwartet hätten. Asi und Stanis fanden diesbezüglich auch nichts Bemerkenswertes, lediglich kleinere Einschläge von Brocken, wie sie im System häufiger vorkommen, die dann auch die fast schon üblichen organischen Materialien enthalten, die nicht direkt auf Leben hinweisen, aber Voraussetzung für die Entstehung von Leben sein könnten.
Körk fragte, ob ich dem alten Kameraden einen Trivialnamen geben wollte. Ich überlegte einen Moment, ob es sich lohnte, dem Kleinplaneten einen Namen zu geben, war letztlich einverstanden und wählte etwas dramatisch Methusalem.
Durch die Kraterlandschaft von vielen kleinen Einschlägen über Milliarden von Jahren, die praktisch aufgrund der relativ kleinen Anziehungskraft des Kleinplaneten zum einen eher selten vorkamen, zum anderen auch nicht so dramatisch abliefen, war Methusalem fast schon etwas wie eine Chronologie des Rasol-Systems, schon da, bevor das System entstand und im Anschluß daran beobachtend, immer mal wieder einen kleinen Einschlag wegsteckend.
Hildegard lud mich ebenfalls ein, als Ablenkung, Beschäftigung mich mit ihrem Avatar zusammen in den Gewächshäusern nützlich zu machen.
Ich ging nach leichtem Zögern darauf ein, denn letztlich traf die Ais ja doch keine Schuld an dem Unfall, was sollte ich also meine Frustration an ihnen auslassen?
Wir nutzten so eine helle Phase von Skylla, um dort fleißig zu sein. Als wieder die Dämmerung einsetzte, wechselte ich zurück ins Koloniegebäude, sah mir weiter Daten von Körk, Stanis und Asi an. Als es draußen wieder dämmerte und hell wurde, setzten ich die Arbeit mit Hildegards Avatar im Gewächshaus fort.
Erst auf Hildegards Vorschlag hin etablierte ich wieder einen klaren Tagesablauf, nahm erneut meinen Morgenlauf auf, welcher nun über die Insel führte. Struktur im Tagesablauf hilft auch über die innere Leere hinweg. Hildegard schlug ebenso vor, mal im See zu baden oder dort oder am Strand auszuspannen. Baden im See probierte ich bei einem Morgenlauf aus, nach ausspannen stand mir nicht der Sinn, daher führte gelegentlich bloß mal mein Morgenlauf über den Strand.
Nach dem Laufen jedenfalls kam das Duschen dran, danach das Frühstück, alsdann Arbeit an wissenschaftlichen Daten bis zum Mittag, Mittagessen, weiter mit der Arbeit. Eigene Projekte hatte ich noch nicht aufgenommen, ließ mir nun allerdings zeigen, was die Ais hatten, einerseits insbesondere die Daten von Körk über das Rasol-System, aber auch die Daten über die Entwicklung der Biosphären auf Skylla und Charybdis.
Mit dem regelmäßigen Tagesablauf gewann ich nun mehr Abstand zum Verlust, konzentrierte mich zunehmend auf die wissenschaftlichen Arbeiten, ohne bereits ein neues wissenschaftliches Projekt für mich zu formulieren. Ich beließ es einstweilen dabei, die Daten der Ais zu sichten, mit diesen zu interpretieren. Beobachtungsdaten über einen derart langen Zeitraum benötigen eben auch Zeit, um sich damit angemessen damit auseinanderzusetzen. Zweifellos hätte mir Susanne gut dabei helfen können, manche Daten anschaulich zu visualisieren, viele der biologischen Daten hätte Peter weit besser interpretieren können. Nun, das war nun Geschichte, ich mußte es mit den Ais auch so hinbekommen.
Ob mir mit meinen eingeschränkten Möglichkeiten etwas entgehen würde, was insbesondere Peter erkannt hätte?
Obgleich die Ais ja kompetent sind, allerhand erreicht hatten, beschlich mich doch das Gefühl, schlicht mit wissenschaftlichen Fragen überfordert zu sein, welche gar nicht in meinem Kompetenzbereich liegen. Zwar bin ich stets bereit dazuzulernen, aber die Möglichkeiten eines einzelnen Menschen sind endlich.
Als ich wieder mit Hildegards Avatar auf dem Feld arbeitete, sprach ich das Defizit an: „Peter hätte sicherlich deutlich bessere Beiträge leisten können, um die Fortschritte, Entwicklungen bei der Biosphäre angemessen zu würdigen, eventuell auch eigene Schwerpunkte, Ideen einzubringen …“
Hildegard erwiderte: „Ja, mit seiner Hilfe, seinen Kenntnissen wären mehr neue Aspekte, Impulse aufgekommen. Ich habe als Ai eben eine andere Herangehensweise als ein Mensch mit Fachkompetenz auf dem Gebiet. Somit fehlt dieser Aspekt der sich gegenseitig ergänzenden Fähigkeiten, Stärken. Immerhin zeigst du gleichfalls Interesse, durch die Erklärungen für dich, deine Fragen gibt es auch wieder Gelegenheit, die Daten aufzuarbeiten, damit unter einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Ich habe mich durchaus darum bemüht, mir zu überlegen, wie Peter auf bestimmte Sachverhalte reagiert hätte – nun, das kann ich letztlich nur sehr eingeschränkt beurteilen, kann lediglich darauf setzen, daß Wissenschaft universal funktioniert …“
Ich zeigte ein verkniffenes Lächeln: „Woran geforscht wird, welchen Fragen nachgegangen wird, hängt schon entscheidend davon ab, welche Forscher beteiligt sind. Aber gut, in mehr als 140 Jahren hattet ihr auch reichlich Zeit, alles aus verschiedensten Blickwinkeln zu untersuchen sowie zu betrachten.“
Hildegard meinte: „Mühe haben wir uns gegeben. Dazu gibt es ja durch das Programm, die Mission grobe Vorgaben, wie wir alles voranbringen. Die Entwicklung einer Biosphäre benötigt eben Zeit. Klar hätten wir euch hier auch schon früher ansiedeln können, wir wollten aber auch etwas vorzeigen, damit belegen, was wir aus eigenen Mitteln können. Von daher war der Zeitpunkt ein Kompromiß, im Rückblick mit dem heutigen Wissen allerdings der maximal schlechtest gewählte Termin, den man sich vorstellen kann …“
Ich beschwichtigte: „Wenn das Ereignis nicht vorhersehbar ist, sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet, wir keine massiven Mittel haben, um alle Sterne im Umkreis von ein paar hundert oder tausend Lichtjahren detailliert zu beobachten, bleibt einem nur, im Rückblick die Folgen, die Konsequenzen einer Entscheidung zu akzeptieren, sich dem Pech zu stellen.“
Hildegard spekulierte: „Es ist gut möglich, daß die Ereignisse rund um eine Sternexplosion chaotisch sind, daß also kleine Störungen große Auswirkungen haben können. Damit kann eine Explosion sich letztlich um Jahrhunderte oder Jahrtausende verfrühen oder verzögern. Selbst mit detaillierter Beobachtung läßt sich da vermutlich nicht vorhersagen, daß es in den nächsten Stunden, Tagen oder Monaten knallen wird. Es passiert – aber dann ist es zu spät, die eigenen Pläne anzupassen. Selbst wenn sich die Strahlung eines Sterns spektral signifikant verändert, läßt sich daraus keine präzise Zeit für eine Explosion ableiten, vermutlich nicht einmal, wenn man in der näheren Umgebung reichlich Instrumente untergebracht hätte.“
Ich wechselte das Thema leicht: „Insgesamt könnte es also sinnvoll sein, wenn wir demnächst unter den Kryo-Zombies jemanden mit ausgewiesener Expertise hinsichtlich Biologie, Gestaltung von Biosphären hinzuziehen?“
Hildegard meinte: „Peters Spezialisierung war zwar in der Hinsicht auch nicht einschlägig, er hat sich in das erweiterte Gebiet allerdings gut eingearbeitet. Wir haben nun mangels praktischer Erfahrung keinen Experten für Biosphärenentwicklung unter den Kryo-Zombies, in der Hinsicht sind wir zusammen mit Mission 3 die vorderste Forschungsfront. Dafür sind wir in über 140 Jahren gut vorangekommen.
Nachdem Peter nun nicht mehr da ist, könnten wir allenfalls auf Leute aus dem weiteren Umfeld zurückgreifen, sie ausbilden. Es gäbe etwa jüngere Leute, Studenten, welche sich einarbeiten ließen, wenn man ihr Interesse auf das Gebiet leiten würde … nach dem Absturz haben wir aber einstweilen jegliche Überlegung eingestellt, ohne größere Konferenz mit dir weitere Kryo-Zombies vom Raumschiff nach Skylla zu verlegen. Wir waren ebenso durch den Vorfall geschockt, verunsichert, wollten dich zudem sowieso nicht übergehen bei der Zusammensetzung der zukünftigen Kolonie, der Entwicklung dieser. Zudem, nach 140 Jahren macht es nun auch keinen Unterschied mehr, ob wir ein paar Jahre mehr spendieren oder nicht.“
Ich stimmte zu: „Drängen tut uns wirklich nichts, solange wir es nicht selber tun …“
Hildegard führte ihren Gedanken fort: „Obgleich wir Ais ja anders denken als Menschen, war uns zudem schon klar, daß dich die Nachricht vom Unfall sehr treffen würde. Auch deswegen haben wir ohnehin reichlich Zeit eingeplant, bis wir uns überlegen, wie es mit der Kolonie weitergehen sollte.“
Ich fragte: „Hmmm, nach dem Unfall – warum habt ihr mich überhaupt als ersten Menschen danach wiederauferstanden?“
Hildegard versicherte sogleich: „Die Frage hat sich nicht ernsthaft gestellt. Du hast uns letztlich wesentlich dazu verholfen, daß wir heute hier sind, daß wir überhaupt weitgehend heile in diesem System haben ankommen können. Du hast immer wieder wichtige Impulse gegeben. Insofern war klar, daß du im weiteren Verlauf dabei sein mußt, wir dich nicht übergehen. Ich räume allerdings ein, daß wir uns nach dem Unfall gedrückt haben. Deine Genesung in der Konservierung war abgeschlossen, dennoch hat es weitere Wochen gebraucht, bis wir diskutiert haben, was wir nun tun sollten. Wir waren uns sehr unsicher vor deiner Reaktion. Immerhin war es unsere Entscheidung. Wenn wir auch nicht hatten erkennen können, was wir wesentlich besser oder sicherer hätten machen können – Körk hat ja eingeräumt, daß lediglich kleine Nachbesserungen die Folge waren – haben wir uns vor einer Konfrontation mit dir gedrückt – deutlich mehr als ein weiteres Jahr, bis wir uns entscheiden konnten, dich wiederaufzuerstehen. Wir konnten einfach sehr schlecht einschätzen, wie du reagieren würdest. Wir fühlten uns überfordert, damit angemessen umzugehen.“
Ich stellte knapp fest: „Nun müssen wir jedenfalls den Blick entschlossen nach vorne richten, wobei ich mich derzeit noch nicht in der Verfassung sehe, weitreichende Entscheidungen zu treffen. Ich bin immer noch dabei, hier anzukommen, mit der Situation klarzukommen …“
Hildegard betonte: „Wie du schon meintest: Niemand drängt uns. Wir nehmen uns die Zeit, welche wir brauchen. Die Entwicklung der Biosphäre geht weiter. Mit Impulsen, Ideen von Peter aufgrund von aktuellen Proben ginge es vermutlich schneller voran, aber auch so machen wir gute Fortschritte. Diese Veränderungen sind hier auf der Insel besonders eindrucksvoll, ebenso auf den anderen Inseln der Inselkette, auch an Küsten sowie den wenigen Flüssen. Im weiten Inland sieht es noch eher zäh aus, dort wartet noch viel Arbeit auf uns, um mit einem verbesserten Wasserkreislauf auch mehr Leben in die Fläche zu bringen. Zudem muß das Meer noch deutlich stärker demineralisiert werden, bevor sich dort komplexeres Leben von der Erde ansiedeln läßt. Routinearbeit gibt es also genug, welche aber Voraussetzung dafür sind, einen wahrhaft grünen, lebendigen Planeten zu bekommen.“
Damit war ich einverstanden.
Hildegard hatte noch einen weiteren Gedanken mit mir zu teilen: „Was ebenfalls wohl irgendwann zwangsläufig relevant werden wird: Allein mit Kryo-Zombies werden wir die Kolonie nicht bevölkern können. Wir haben die Möglichkeit, aus unseren Datenbanken, dem vorrätigen genetischen Material Kinder in Brutkästen heranzuziehen. Dies wird irgendwann die breitere Basis für den Kolonie neben den Kryo-Zombies sein müssen.“
Ich nickte: „Ja, aber auch das drängt gewiß noch nicht, es ist naheliegend, dafür Kryo-Zombies bereit zu haben, welche sich kompetent um die Kinder kümmern können. Susanne mit einer solchen Kompetenz ist nicht mehr …“
Hildegard erwiderte: „Leider. Stimmt aber, bei einer zukünftigen Auswahl von Kryo-Zombies sollte dies für ein oder zwei Personen ein Kriterium sein. Susanne ist nicht die einzige Person mit einer derartigen Kompetenz gewesen. Bei der Zusammenstellung der Mission wird man durchaus daran gedacht haben, daß solch eine Kolonie auch irgendwie funktionieren muß, dazu gehört nach Möglichkeit genauso, daß Kinder gut von ausgebildeten Menschen betreut werden – gegen andere mit einer allgemeinen Neigung sowie Bildung ist dabei nichts einzuwenden, aber Lehrer, allgemein Leute zur Betreuung von Kindern sind wertvoll, die Entwicklung der Kolonie in gute, friedliche Bahnen zu lenken, Konflikte zu mildern …“
Ich entgegnete: „Nun, einstweilen drängt uns ja auch nichts, dies Brutkästenprojekt zeitnah anzugehen. Aber bei einer Auswahl von Kryo-Zombies können wir dies berücksichtigen. Es ist naheliegend, mit diesen gute Voraussetzungen für die Kinder zu schaffen.“
Damit hatten wir unsere Ideen zur Entwicklung der Kolonie erst einmal ausgetauscht. Wir arbeiteten weiter.
Ein paar Tage später hatte ich mit Esmeralda ein paar Einrichtungswünsche hinsichtlich meines Zimmers, des Küchenbereiches zu besprechen.
Nachdem wir damit durch waren, sondierte ich vorsichtig bei ihr: „Was meinst du, wie es weitergehen könnte, wen brauchen wir, damit die Kolonie funktioniert?“
Esme erwiderte: „Oh, du bist der Mensch, müßtest viel besser einschätzen können, was funktionieren könnte. Als Mensch brauchst du ebenso menschliche Gesellschaft zum Austausch, dem sozialen Kontakt, eventuell irgendwann auch wieder mehr.
Was sonst weitere Personen anbelangt: Wenn ich mir indessen rückblickend betrachte, was zwischen euch dreien war, wäre es eventuell eine Überlegung wert, ob nicht ein Paar den Schock der Wiederauferstehen besser verarbeiten könnte, weil sie immerhin zusammen sind. Ferner wäre jedenfalls bei einer deutlich größeren Gruppe ebenso jemand nützlich, welcher ausgebildete soziale Kompetenzen hat, psychologisch helfen kann, einerseits nach der Wiederauferstehung, andererseits bei vermutlich ohnehin aufkommenden sozialen Konflikten in einer größeren Gruppe oder etwa bei solchen heftigen Reaktionen, wie Susanne diese nach dem Absorber-Einschlag gezeigt hat.“
Ich klopfte ihr an die Stelle, welche bei dem Avatar einer Schulter am nächsten kommt: „Siehst du mal, du kannst es doch gut einschätzen, auch ohne ein Mensch zu sein. Wenn ich mich aufraffen kann, etwas anzuleiern, sollten wir gucken, ob wir einen Psychologen oder Sozialarbeiter finden, welcher den Leuten helfen kann, hier anzukommen. Gut, dazu muß er selbst erst einmal angekommen sein – es wäre doch übertrieben, von ihm gleich zu fordern, sich als erste Maßnahme selbst zu helfen. Stimmt auch, er kann besser die Gruppendynamik analysieren, eventuell frühzeitig auf Leute einwirken, damit es friedlich bleibt.
Auch der Gedanke mit einem Paar ist wertvoll – sofern nicht vorhanden, gibt es aber vielleicht zumindest Leute, welche sich kennen, selbst das kann bereits helfen, sich der neuen Situation nicht dermaßen ausgeliefert zu fühlen. Sind sie immerhin in einem ähnlichen Alter, einer ähnlichen Lebenssituation, mag es ebenfalls helfen, daß sie sich darüber solidarisieren, Halt finden.
Es scheint mir plausibel zu sein, daß wir nicht bloß Fachkompetenz in speziellen Forschungsbereichen brauchen. Da wir nun eine Kolonie haben, brauchen wir zunehmend Leute, welche in solch einer Kolonie friedlich zusammenleben, die Kolonie selbst beleben, diese gestalten. Sie müssen also primär sozial irgendwie zusammenpassen, wenn die Kolonie funktionieren soll.“
Esme fragte nach: „Ich konnte also wirklich helfen?“
Ich bestätigte: „Diese wertvollen Gedanken halten wir sicher fest, sollte ich nicht daran denken, erinnerst du mich daran. Wenn wir die Kolonie erweitern, sind dies relevante Kriterien …“
Esme erwiderte: „In Ordnung, mache ich.
Steht dies nun alsbald an?“
Ich wiegte meinen Kopf: „Tja, ich brauche wohl noch etwas Zeit, um mir etwas zu überlegen. Ich stimmte schon mit Hildegard überein, daß uns nichts drängt. Somit will ich erst einmal wieder komplett auf dem Damm sein. Danach sehe ich schon als wesentliche Optionen, daß wir entweder mit einer etwas größeren Gruppe weitermachen, welche wir nach einem halben oder einem Jahr um etwa die gleiche Anzahl von Personen erneut erweitern – oder ich vertiefe mich mit euch erst einmal in Forschungsprojekte. Das wäre ebenfalls sinnvoll. Arbeit sowie offene Fragen gibt es genug – es wäre auch nicht schlecht, der zukünftigen Kolonie bereits mehr Antworten präsentieren zu können, eine schon deutlich weiter entwickelte Biosphäre. Wobei diese Insel für die Kolonie ja zunächst ausreicht, eigentlich eine paradiesische Umgebung mit idealen Voraussetzungen darstellt. Hier gibt es alles in Fülle, keinerlei Mangel, damit auch keine naheliegenden Konflikte um knappe Ressourcen.
Bei einer größeren Gruppe kann es natürlich trotz Sozialarbeit gleichwohl aus den absurdesten Gründen Konflikte geben …“
Esmeralda gab sich in der Hinsicht zuversichtlich: „Das läßt sich in krassen Fällen leicht lösen. Wenn sich Untergruppen gar nicht vertragen, ist es leicht, auf einer anderen Insel der Inselgruppe eine zweite Kolonie einzurichten – oder auch irgendwo an der Festlandküste, wo sich die Gegend ähnlich gut eignet. Obgleich wir ja noch hauptsächlich Wüste auf Skylla haben, gibt es dennoch bereits reichlich Platz für Menschen, wo diese sich wohlfühlen können sollten. Eine kleine Kolonie ist schnell gebaut. Insofern scheint es mir kein wesentliches Risiko bei der Personenauswahl zu sein, daß sich welche nicht gut vertragen – es gibt einfache Auswege, genug Raum, um sich aus dem Wege zu gehen.“
Ich nickte: „Dies klingt nach einem plausiblen Ausweg. Trotzdem ist es natürlich deutlich einfacher, wenn wir bei der ersten Besetzung genau gucken, eine passable Auswahl gelingt.
Ich stelle einfach mal fest: Du hast gute Ideen!“
Esme sagte höflich: „Danke für den Lob!“
Als ich später wieder mit Körk an Daten von ihm, Stanis und Asi saß, fragte ich auch ihn nach seinen Vorstellungen.
Nun war er gar nicht so mit der Kolonie betraut, von daher war es nicht so erstaunlich, daß er sich in der Hinsicht zurückhaltend gab: „Dazu kann ich wenig Konkretes beitragen. Ich kümmere mich primär darum, daß ihr sicher seid. Mit dir kann ich mich gut austauschen. Leute, welche du für wissenschaftliche Projekte als relevant empfindest, werden wohl auch meine Zustimmung, Unterstützung finden.
Was klar ist: Die Leute sollten sich dazu eignen, die Kolonie zu entwickeln. Vielleicht gelingt es hier besser als auf der Erde, von Anfang an eine gute Gemeinschaft zu etablieren, immerhin sind die Voraussetzungen hier ungleich günstiger, um Konkurrenz zu vermeiden.“
Ich warf ein: „Eifersüchteleien kann es immer geben. Liebe oder Nähe zu anderen Menschen kann immer schnell zu einem knappen Gut werden, zumal nicht so einfach vorzugeben ist, wer sich wie intensiv mit wem beschäftigen mag. Aber es stimmt, die ökonomischen Voraussetzungen sind ideal, damit es jedenfalls keinen Streit um profane Lebensgrundlagen gibt.
Wobei es wohl auch philosophische sowie soziologische Betrachtungen gibt, nach denen sich aus einem Rauschen heraus in der menschlichen Kultur immer ungleiche Verteilungen herausarbeiten, verstärken, durch welche auch über profane Belanglosigkeiten Konflikte entstehen, mit welchen die unterprivilegierte Gruppe wieder mehr Gleichheit oder eben ihren Vorteil zu erreichen sucht.
Das muß verstanden sowie berücksichtigt sein, damit eine soziale Gruppen gemeinsam erfolgreich wird und auch weiter bleibt.“
Wir widmeten uns weiter den Datensätzen.
Ich seufzte etwas, meinte: „Tja, Susanne hätte uns sicherlich gut helfen können, alles besser zu visualisieren, damit ich schneller den Überblick bekomme …“
Körk meinte: „Das wäre immerhin ein Kriterium: Jemand mit ganz guten Programmierkenntnissen sowie einem guten Verständnis dafür, wie man Daten so aufbereitet, daß gut Schlüsse daraus gezogen werden können. Wir Ais sind gut darin, Daten aufzunehmen, sie zu verwalten, ebenso zügig zu verarbeiten. Kannst du gut formulieren, wonach ich suchen, filtern soll, bin ich schnell, sonst stehe ich oftmals vor einem Datenozean, bleibe geduldiger Sammler, sorge lediglich zuverlässige für das Erreichen gegebener Aufgaben, starte kaum Neues. Die Impulse dazu kommen bei Menschen wir dir viel häufiger, vermutlich dauert es bei uns eben auch Jahrzehnte oder auch über 140 Jahre, bis wir einen deutlichen Handlungspuls haben, etwas Neues anzufangen.
Es braucht somit menschliche Kompetenz, Kreativität, um Modelle zu entwickeln, welche uns schnell verraten, wie die Daten am besten sowie nützlichsten zu interpretieren sind. Eine solche Person könnte hilfreich sein.
Ferner, obgleich wir für viele komplexe technische Fragen fertige Entwürfe haben, Module, könnte auch jemand hilfreich sein mit technischem Sachverstand. Denn sobald du oder sonst jemand neue Projekte beginnen will, etwas fordert, was nicht naheliegend vorgeplant ist, könnte jemand mit guter technischer Kompetenz den Entwicklungsprozeß deutlich verkürzen, wir wären effektiver. Zwar haben wir bislang allerhand samt der kompletten Kolonie auch so aufgrund von Modulen hinbekommen, aber ambitionierte Projekte könnten sicherlich schneller umgesetzt werden, wenn ein Mensch aktiver teilnehmen kann, um Ideen in konkrete Geräte umzusetzen.“
Ich antwortete: „Siehst du, damit ist dir doch noch Wesentliches eingefallen. Noch brauche ich Zeit für mich, aber wenn des daran geht, aus den Kryo-Zombies eine erste Gruppe auszuwählen, erinnerst du mich im Zweifelsfalle an diese interessanten Gedanken, damit wir gut auswählen können.“
Körk erwiderte: „Sehr gerne werde ich dies tun. Lasse dir Zeit. Es ist bestimmt nicht so einfach, mit der aktuellen Situation umzugehen …“
Ich bestätigte: „Ja. Ich bin mir lediglich noch unsicher, wie ich meine aktuelle Stimmung, Unsicherheit überwinden kann, eher doch damit, in Ruhe alleine zu forschen oder doch auf eine Gruppe von Kryo-Zombies zu setzen, welche die Kolonie endlich beleben, damit einen Neuanfang bedeuten, letztlich ebenso für mich …“
Körk versicherte: „Bislang warst du zu schnellen, sinnvollen Entscheidungen fähig, darauf solltest du auch weiter vertrauen. Allerdings drängt dich ja wirklich nichts. Wir müssen letztlich hier weit entfernt von der Erde niemandem Rechenschaft darüber ablegen, was wir wie schnell erledigt haben, warum wir wann welches Detail bevorzugt haben. In der weiten Entfernung liegt die Notwendigkeit, daß wir hier vor Ort selbst entscheiden müssen, noch bevor irgendwelche Ratschläge von außerhalb eintreffen können.“
Darin konnte ich ihm sicherlich bloß noch recht geben.
Auch mit Ida wollte ich noch getrennt sprechen. Weil sich nun gerade kein konkreter Anlaß fand, fragte ich einfach mal nach, ob sie etwas Zeit habe, mir beim Abendessen Gesellschaft zu leisten. Darauf ging sie natürlich sofort ein, war mit ihrem Avatar zur Stelle.
Ich bekannte: „Derzeit grübele ich, ob ich einstweilen mit euch alleine weiterforschen soll, die Konsequenzen des fatalen Unfalls weiter für mich verarbeiten, mich rein mit Forschung ablenken sollte oder ob wir doch gleich lieber auf eine Gruppe von Kryo-Zombies setzen sollten. Irgendwie bin ich zuerst darüber mit Hildegard ins Gespräch gekommen, weil wir Peters Kompetenzen vermißt haben. Zudem hat sie dies Brutkastenprojekt erwähnt, da wäre Susannes Kompetenz als Lehrerin wiederum sehr gefragt gewesen. Ihre Kompetenzen in der Informatik kamen wiederum ins Gespräch, als ich mit Körk über dessen Daten gesessen habe. Auch mit Esme bin ich auf das Thema gekommen, wobei wir wiederum auf soziale Kompetenzen gestoßen sind, welche jedenfalls für eine größere Gruppe sehr relevant sein könnten. Daraus habe ich insgesamt geschlossen, daß mich das Thema durchaus beschäftigt- Auf der anderen Seite bin ich immer noch unsicher, ob ich die Konfrontation mit anderen Menschen schon wieder wagen sollte, eventuell doch noch lieber alleine hier leben … wobei ich schon anerkenne, daß ihr letztlich die Kolonie weiterentwickeln wollt …“
Ida gab zu: „Ja, das gehört zum Auftrag, zur Mission. Eilen müssen wir damit keineswegs. Einstweilen ist es schon einmal beruhigend, daß du wieder das Gespräch suchst, allgemein, aber auch bei dieser heiklen Thematik. Auch wir waren sehr unsicher, wie wir mit dem Unfall dir gegenüber umgehen sollten. Letztlich lag es in unserer Verantwortung, wenn es auch keine Chance gab, einen derartigen Vorfall vorherzusagen, bei dem unsere Vorsichtsmaßnahmen nicht mehr reichen, um einen Absturz zu verhindern.“
Ich lenkte ein: „Nun, besser, wir thematisieren den Unfall nun nicht, zu ändern ist es doch nicht mehr. Sofern weitere Kryo-Zombies mit einer Landefähre herunterkommen, würde es allerdings wieder aktuell. Auch dies läßt mich zögern …“
Ida stimmte zu: „Uns ebenso. Aber wir, besonders Körk, haben uns das Unglück diesbezüglich angesehen. Was an Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden kann, ist vorbereitet, es wurden Details nachgebessert. Sonst bleibt uns allenfalls noch, zur Risikostreuung lediglich jeweils eine Person herunter zu bringen. Wobei ich nicht einmal konkret eine Zahl angeben könnte, welche das niedrige Risiko für eine Fahrt beziffern könnte – es ist dermaßen unwahrscheinlich, daß dies abermals gerade dann passiert, wenn eine Fähre unterwegs ist, egal, ob wir eine eine Gruppe schicken oder pro Person eine.“
Ich sann nach, kratzte mich am Kopf: „Auch ohne konkrete Zahl für die Wahrscheinlichkeit erscheint es mir plausibel, daß ein solches Ereignis so selten auftritt, daß wir es im Grunde immer vernachlässigen können, selbst wenn es nun wirklich derart tragisch zugeschlagen hat.
Fällt dir noch ein Kriterium ein für die Auswahl?
Was hältst du allgemein davon, gleich eine kleine Gruppe auf einmal wiederauferstehen zu lassen?“
Sie antwortete: „Ein konkretes Kriterium? – Nein, derzeit nicht, aber wenn du dich schon mit Hildegard, Esmeralda sowie Körk unterhalten hast, würden wir eine konkrete Auswahl sicherlich noch gemeinsam anschauen, argumentieren, uns Zeit lassen, ob uns noch etwas einfällt.
Bei einer größeren Gruppe kommt allenfalls die Frage der Betreuung auf, denn fast alle haben ja eine traumatische Erfahrung hinter sich …“
Ich führte aus: „Dazu kam von Esme einerseits die ausgezeichnete Idee, es mit einem Paar zu versuchen, andererseits kam ein Sozialarbeiter oder Psychologe als Idee auf, dieser könnte die Wiederauferstandenen später betreuen, jedenfalls nachdem er sein eigenes Trauma überwunden hat. Zudem kann er bei einer größeren Gruppe hilfreich sein, um auszugleichen, Konflikte zu beschwichtigen.“
Ida pflichtete bei: „Das klingt in der Tat interessant. Solltest du dich dazu durchringen können, daß wir es mit weiteren Kryo-Zombies versuchen, hast du jedenfalls meine Unterstützung, ebenso bei diesen beiden Ideen. Immerhin, jemand mit psychologischer Kompetenz könnte dir auch besser bei der Bewältigung deiner Verluste beistehen als wir Ais, er wäre an deinem Verlust selbst nicht tragisch involviert, kann als Mensch deine Situation jedoch besser nachvollziehen. Insofern auch in der Hinsicht vermutlich hilfreich. Auf der anderen Seite kann ich ebenso nachvollziehen, wenn du einstweilen noch davor zurückschreckst, dich auf neue Menschen einlassen zu müssen – denn du wirst dich schon kümmern, wenn sie erst wiederauferstanden sind, da schätze ich dich schon entsprechend ein, daß du dich nicht verkrümpeln wirst, wenn du dich erst einmal dazu entschieden hast, daß es so sein soll. Wenn du hingegen einstweilen die Konfrontation mit anderen Menschen noch scheust, befürchtest, daß sie dir derzeit auf die Nerven gehen werden, belassen wir es einstweilen bei der jetzigen Situation. Wir drängen dich keineswegs, sind ja selbst noch immer etwas verunsichert über den tragischen Absturz, wie dieser in unsere Gemeinschaft eingegriffen hat, viel zerstört hat, zwei Menschen, dein Vertrauen, sogar unsere souveräne Einschätzung, was wir sicher leisten können. Wir sind mißtrauischer geworden, was uns das Universum als nächstes vor den Latz knallen könnte, womit wir nicht gerechnet haben.“
Ich nickte: „Also gut, ich überlege weiter. Ich will mir schon sicher sein, daß ich mich wirklich darauf einlassen will, wenn weitere Kryo-Zombies kommen. Die durch die Entscheidung gefühlte Verantwortung drückt indessen. Hätte ich nicht gewollt, daß Susanne und Peter wiederauferstanden werden, wären beide auch nie auf dieser verhängnisvollen Fahrt gewesen. Klar, das war ebensowenig vorhersagbar wie diese mutmaßliche Supernova genau in dem Augenblick. Aber gefühlt bleibt doch immer eine gewisse Verantwortung dafür, wie sich die Dinge entwickeln, welche man einmal angestoßen hat, auch wenn es irrational ist …“
Ida bestätigte: „Wenn du dies bereits einsiehst, muß ich es dir nicht mehr ausreden. Deine Gefühle – denen mußt du dich irgendwann stellen, sonst gibt es keinen Neuanfang. Wobei dieser gleichwohl auch erst einmal darin bestehen kann, daß du alleine weitermachst, dich auf Forschung konzentrierst, wir zunächst in dieser Runde aufarbeiten, was erreicht ist, was wir als weitere Projekte demnächst angehen wollten …“
Ich nickte, letztlich lag es bei mir, mich zu entscheiden.
Mache einen Vorschlag, wie sie weiter vorgehen sollen.
Absturz
Die Erstarrung löste sich nur langsam, mir war schwindelig, ich war verunsichert, ich stand schwankend auf, taumelte leicht unkoordiniert herum, folgte Susanne dann, allerdings anfangs sehr unsicher. Ich hatte nur die grobe Richtung mitbekommen, wischte mir nur flüchtig die Tränen aus den Augen. Das half nicht so viel, denn es kamen welche nach. Ich war einmal wieder gescheitert, nun auch noch bei Susi, die mir so wichtig war. Ich war sehr wütend auf mich. Ich ging einige Schritte, wischte wieder Tränen und nun auch Schnodder aus dem Gesicht, sah kurz etwas klarer, trat frustriert über mich selbst gegen einen Stein, fluchte laut, hoppelte mit schmerzverzerrtem Gesicht chaotisch auf dem nicht schmerzenden Fuß herum, hatte den anderen hochgehoben, um ihn mit einer Hand zu ergreifen. Ich hatte beim Treten nicht bedacht, daß die von den Ais produzierten Schuhe sehr dünn waren, da spürte man alles durch, also weit weg von soliden Schuhen für das Labor. So führte ich also mein zorniges Tänzchen auf, stolperte dabei natürlich über die eigene Ungeschicklichkeit, fing das noch gerade so ab und riß mich zusammen. Der Schmerz hatte irgendwie dafür gesorgt, daß ich vom Weinen abgelenkt war. Nun wieder damit zu beginnen, ergab ja nun auch gar keinen Sinn, also riß ich mich zusammen.
Da ich nur ungefähr gesehen hatte, wohin Susanne gelaufen war, ging ich erst zögerlich auf dem Weg in die Richtung. Die Schritte wurden schneller, je entschlossener ich wurde. Ich war immer noch wütend auf mich und lief nun los, auch um das irgendwie rauszulassen, mehr noch aber, um Susanne einzuholen. Ich raste nun bereits keuchend, grob in Richtung des Sees, in dem wir gebadet hatten. Bald sah ich sie in einiger Entfernung.
Sie drehte sich dann um, sah mich, rannte deshalb nur schneller, ich hinterher. Nun waren wir ja beide nicht wirklich ausdauernde Sportlerinnen, daran hatten auch die täglichen Runden auf der Raumstation nichts geändert. Wir hatten ungefähr die gleiche Kondition und Laufleistung, so holte ich nicht auf, trieb sie wohl gar noch immer weiter an. Es war natürlich falsch, das erkannte ich da aber nicht. Ich wollte sie einholen, festhalten, irgendwie versöhnen, beruhigen.
Susanne lief immer weiter.
Es ging dann am Ufer des Sees entlang, weiter auf eine Anhöhe zu. Susanne sah zurück, sah mich, wendete den Blick ohne weitere Geste wieder ab, eilte weiter, kletterte nun schon mehr hinauf, als noch laufen zu können.
Ich rief, bat sie stehenzubleiben.
Daran dachte sie aber gar nicht, wirbelte nur kurz mit einer Hand und kletterte weiter. Natürlich war das komplett unbedacht, da war kein Weg. Das war Vulkangestein mit wenig Vegetation, aber bedingt durch die lange Erosion von Wind und Sand relativ eben, durch unser Sintflutprojekt weiter erodiert. Susanne kletterte weiter.
Ich hatte nicht gewußt, daß sie so gut klettern konnte, aber sie war ja damals gerne gereist, vielleicht also auch geklettert. Aber sie war nun auch hektisch und hatte es fast panisch eilig.
Und ich war dumm, war ihr auch noch gefolgt, trieb sie an, bat sie dann fast schreiend und mit überschlagender Stimme herunterzukommen, was sie nur noch mehr antrieb. Sie hat dabei gar nichts gesagt, wollte doch offenbar nur von mir weg, trotzdem konnte ich sie nicht einfach ziehen lassen, stand dann vor der Wand, die sie gerade erklomm.
Ich schaute hoch zu ihr, dann auf die Wand, suchte zu ergründen, wie ich ihr da folgen könnte, hatte aber mit Klettern faktisch keine Erfahrung, versuchte ein paar Griffe, da würde ich keine Chance haben. Ich rief nach Susanne, sah nach ihr, die schräg über mir hektisch weiter in die Höhe kletterte. Sie machte das schon geschickt, fast automatisch fand sie offensichtlich Griffe und Haltepunkte und sauste nur so die Wand hoch.
Ich schrie, flehte, sie erwiderte nichts. Ich wollte nicht aufgeben, suchte nach einer günstigen Stelle oder einer Spur, wo Susanne eingestiegen war, probierte es dann, kam ein Stück weit hoch, einen oder zwei Meter, hing irgendwie an der Wand, konnte aber auch einfach wieder abspringen, auf nahezu ebenem Boden landen. Da war sie mir eindeutig über, als ich schaute, hatte sie schon ein ganzes Stück zurückgelegt und war einige Meter höher, hatte sich dann kurz auf einen Vorsprung hochgezogen, schaute kurz nach mir, wie ich unten in der Wand hing, schaute kurz hoch und nahm die nächste Wand in Angriff.
Um weiterzukommen, mußte ich mich nun auf die Wand vor mir konzentrieren, suchte nach Griffen, Vorsprüngen, Möglichkeiten. Das war alles total unsinnig, aber wir waren so aufgepeitscht, das mußte einfach raus, wir mußten den Druck einfach ablassen.
Dann hörte ich weiter oben Susanne kurz fluchen, das erste, was ich wirklich von ihr gehört hatte, seit sie losgelaufen war, dann hörte ich Steinschlag, preßte mich an die Wand, ein kleinerer Brocken traf mich an der Schulter, der üble Schmerz beschäftigte mich, fast hätte ich losgelassen.
Dann hörte ich einen verzweifelten Schrei von Susanne.
Weitere Steine.
Ein weiterer, kleiner Brocken traf mich am Arm, ich ließ los, rutschte ab, stürzte.
Ich war ja nicht hoch, purzelte nur ein Stück, hörte dabei einen dumpfen Aufschlag!
Ich lag mit dem Gesicht zum Boden, hatte an verschiedenen Körperstellen Schmerzen.
Ich drehte mich langsam, richtete mich auf, wobei der getroffene Arm wehtat.
Susanne lag ein Stück weiter!
Sie rührte sich nicht!
Mühsam stand ich auf, wankte. Blut bei Susanne, es lief über den Fels.
Ich stolperte zu ihr, rief sie, rief sie, rief sie …
Bei ihr angekommen, rührte sie sich noch immer nicht, sie lag eigenartig verdreht. Knochenbrüche waren bei dem Sturz naheliegend, vorsichtig faßte ich sie an der Schulter, hielt dabei sanft ihren blutigen Kopf, drehte sie zur Seite, prüfte. Da war nichts!
Ich hatte Panik!
Sackte neben ihr zusammen.
In meinem Kopf rauschte nur alles durcheinander.
Wie automatisch hatte ich aber irgendwie das Kommunikationsgerät aktiviert und rief Ida zur Hilfe, auch Hildegard und Esme sollten kommen.
Ida meldete sich, versuchte mich zu beruhigen, fragte nach.
Ich wurde wirklich etwas ruhiger, berichtete, daß Susanne abgestürzt sei.
Die Ais waren dann auch schon unterwegs.
Irgendwie gelang es mir, mich zusammenzureißen, brachte Susanne vorsichtig in eine stabile Seitenlage, suchte noch immer nach einem Lebenszeichen bei ihr, konnte aber keine Regung finden, keinen Puls spüren, aus einigen Wunden verteilte sich weiter Blut, ich versuchte die beiden größten Stellen mit bloßen Händen zuzudrücken.
Ich wartete und hibbelte. Die Ais würden doch helfen können!
Sie konnten doch alles reparieren!
Alles wiedergutmachen.
Hildegard war zuerst da, war uns wohl zufällig am nächsten gewesen, aber kurz darauf kam auch schon Ida, etwas später auch Esmeralda. Hildegard und Ida untersuchten Susanne, Esme versorgte mich etwas abseits, hielt mich fest. Esmeralda hatte mir wohl Beruhigungsmittel, Schmerzmittel gegeben. Das Geschehen wurde dadurch irgendwie irreal, es geriet alles durcheinander. Es wirbelte alles, drehte sich, die Ais waren fleißig aktiv, kümmerten sich um Susanne, es wurde alles dunkler, unschärfer, verflog …
Ich erwachte dann auf dem Bett in meiner Unterkunft in der Kolonie wieder. Ich hatte den Raumanzug an, auch leichte Schmerzen, insgesamt nicht so schlimm. In der Panik um Susanne hatte ich davon gar nichts mehr mitbekommen, jetzt war er diffus verteilt. Der vom größten Brocken getroffene Arm war vom Anzug fixiert. Ich schaute mich um.
Susanne?
Nichts von ihr zu sehen. Dafür kam der Avatar von Ida durch die Tür.
Ich schaute sie an, fragte: „Susanne?“
Ida schwieg, kam auf mich zu, nahm meine Hand.
Ich wiederholte hauchend mit hämmerndem Herzen: „Susanne?“
Es dauerte noch einen Moment, dann sagte Ida: „Wir konnten ihr nicht mehr helfen. Obwohl wir so schnell da waren, sie war gleich nach dem Sturz tot. Du konntest ihr da auch schon nicht mehr helfen …“
Ich hauchte noch „… tot …“, sackte dann aber auch schon wieder weg.
Als ich wieder erwachte, hatte ich schon keine körperlichen Schmerzen mehr. Aber irgendwie brannte alles in mir, hämmerte der Kopf. Dort in meinem Kopf sortierte sich langsam alles wieder.
Dann kam der unvermeidbare Gedanke zurück:
Susanne tot?
Ich sackte fast wieder gleich weg. Es fühlte sich so an, als würde ich einfach fallen, endlos, alles löste sich auf, alles war nur noch Nichts, ich fiel, rasend schnell, nicht von einer Felswand, sondern einfach nur ins Bodenlose des Seins. Und dann schlug ich auf, also nicht wirklich, aber gedanklich, es verschob sich wieder irgendwie alles Kopf, Tassen und so wirbelten durcheinander, zerbrachen, zerschellten, was mir albern vorkam, ekelhaft, aber das war so. Und plötzlich verwandelten sich die zerschellten, bunten Tassen in die vor mir zerschmettert und blutig liegende Susanne. Ich würgte, zuckte und zappelte. Da war etwas an meinem Kopf, nicht brutal, einfach nur so, irritierend sanft.
So öffnete ich doch die Augen, sah erst nur undeutlich. Eine Gestalt saß neben mir auf meinem Bett!
Susanne?
Nein.
Dann erkannte ich die Person.
Peter!
Er strich mir sanft durchs Haar, über meine Schulter. Allmählich setzte sich vor mir wieder eine Welt für mich zusammen, der Trümmerhaufen blieb zersplittert, aber Teile waren zu identifizieren. Ich richtete mich langsam auf, wir umarmten uns wortlos, hielten uns. Ich weinte geborgen in seinen Armen.
Nachdem ich so weit war, etwas sagen zu können, machte schon meine erste Frage deutlich, daß ich noch nicht wieder ganz auf der Höhe war, was nicht nur am leichten Nuscheln lag: „Sie haben dich also wiederauferstanden?“
Peter bestätigte natürlich: „Ja, Ida hat mich schon auf dem Laufenden gehalten.
Susanne ist abgestürzt.
Du warst auch leicht verletzt und psychisch am Ende, Genaueres wissen wir alle nicht.“
Ich versuchte erst einmal herauszufinden, was Ida ihm erzählt hatte: „Also, wie abgemacht wurde ich zuerst wiederauferstanden, ein paar Tage später Susanne. Die hatte ja erst noch die Katastrophe des Absorbereinschlages zu verarbeiten und die Sache mit der Kontamination von Charybdis haben wir ihr auch erzählt. Da dachte ich mir, gleich auch noch das mit uns wäre etwas viel …“
Peter streichelte sanft durch mein Haar: „Ja, so weit hat Ida das auch nachvollziehen und mir erzählen können.“
Ich fuhr zögernd fort: „Susanne hat das dann innerhalb von ein paar Tagen ganz gut verarbeitet, aber ich habe irgendwie nie den passenden Moment erwischt, um über dich zu sprechen, so schob sich das immer weiter raus. Da habe ich jämmerlich versagt und kompletten Blödsinn angestellt.
Naja, wir sind uns natürlich auch wieder nähergekommen und haben das sehr genossen …“
Peter meinte: „Hmm, dann hast du wirklich einen guten Zeitpunkt verpaßt, so hast du ihr ja die Möglichkeit versperrt, frei darauf zu reagieren, sie kann sich hintergangen gefühlt haben …“
Ich seufzte: „Weiß ich nun auch.
Ich war so blöd und feige.
Zu dem Zeitpunkt dachte ich aber eher, daß es gut sei, wenn sie so glücklich und entspannt ist. Ich hatte Zweifel, habe mich aber irgendwie zum vermeintlich leichteren Weg verlocken lassen und weiter geschwiegen.
Aber dann hat sie bei der Arbeit in den Unterlagen von Charybdis Aufzeichnungen von dir entdeckt und hat mich danach gefragt.“
Peter brummte: „Hmmmmm hmmmm hmmm.
Das ist dann besonders fatal, wenn sie so erfährt, daß ihr etwas verschwiegen wurde.
Und weiter?“
Ich erklärte: „Sie hat das Puzzle da noch nicht zusammengesetzt bekommen, wollte aber natürlich etwas wissen, eine Erklärung für deine Einträge haben. Ich wollte sie nur weg von den Aufzeichnungen haben. Ich bin dann mit ihr raus. Ich hatte dann ja keine Wahl mehr, mußte mich dem endlich stellen und habe ihr alles erzählt, über dich und daß wir eine Beziehung haben. Sie ist aufgesprungen und losgelaufen, noch bevor ich sagen konnte, daß ich doch euch beide sehr mag.“
Peter entgegnete: „Oh ohhh! …
Glaube nicht, daß das viel geändert hätte. Die Aufklärung kam einfach zu spät. Wenn ich mich richtig erinnere, war sie doch schon einmal ähnlich eingeschnappt.“
Ich stimmte zu: „Ja, das war unser erster Streit, einschließlich Funkstille. In der Raumstation konnte sie ja nicht weit laufen, hier auf der Insel schon. Ein Fluchtreflex.
Und ich bin so aufgedreht und dumm gewesen und bin hinterher. Da ist sie noch schneller gelaufen. Und dann ist sie irgendwann eben hoch in die Wand. Ich wußte nicht, daß sie klettern kann, aber sie war schnell hoch. Ich war so blöd und wollte noch immer hinterher. Ich kann aber nicht klettern, kam daher auch nur so etwa zwei oder drei Meter hoch. Dann muß sich Susanne irgendwie vergriffen haben, sie fluchte, kleinere Brocken kamen herunter, haben mich an der Schulter, am Arm getroffen. Ich bin dann abgerutscht und gefallen, nicht so schlimm bei der Höhe. Susanne muß dann aber auch abgerutscht und gestürzt sein.
Ich hörte einen dumpfen Aufschlag und dann lag sie da.
Ich war geschockt und habe Ida und die anderen gerufen, uns zu helfen.
Den Rest weißt du wohl von Ida?“
Peter nickte und bestätigte: „Ja, sie waren der Auffassung, daß du nun dringend jemanden brauchst. Zudem war Ida auch der Meinung, daß es angemessener sei, wenn ich nachfrage, was da genau passiert war.“
Ich war erstaunt, drehte mich etwas, zog den Kopf zurück, um ihn anzusehen: „Hat sie mich etwa im Verdacht, etwas angestellt zu haben?
Ida?“
Ida antwortete: „Moment, ich bin gleich mit meinem Avatar bei dir.“
Ich drückte mich wieder an Peter und weinte. Ansonsten warteten wir wortlos, bis Idas Avatar eintrat.
Ich fragte sie dann: „Dachtest du, ich hätte mit Susanne etwas angestellt?“
Ida entgegnete: „Wir konnten das gar nicht mehr einordnen. Mitbekommen haben wir, daß Susanne Hinweise auf Peter gefunden hatte und ihr dann rausgegangen seid, um euch zu unterhalten. Zwangsläufig mußtest du ihr da wohl endgültig alles offenbaren, Peter nicht mehr verheimlichen.
Und dann kam plötzlich dein etwas konfuser Hilferuf. Und du warst komplett fertig, wir mußten dich erst einmal ruhigstellen und haben dann Peter wiederauferstanden, zum einen als stabiler sozialer Bezug für dich, aber natürlich auch, weil wir uns dachten, daß du mit ihm am besten darüber würdest reden können.“
Ich betonte: „Ich war so blöd, ihr das so lange zu verheimlichen. Und ich war dumm, ihr zu folgen, als sie abgehauen ist. Dann ist sie die Wand hochgeklettert und ich wollte immer noch hinterher. Obwohl ich nicht wirklich weit kam, war sie viel zu hektisch, hat sich vielleicht vergriffen oder hat einfach nur so eine lose Stelle erwischt, ist abgestürzt.
Ich bin insofern schuld, als ich mich gedrückt habe, ihr von Peter rechtzeitig zu erzählen.
Ich bin insofern schuld, als ich sie dann auch noch verfolgt habe, als sie vor mir abgehauen ist.
Ich wollte es einfach nicht wahrhaben, wollte sie halten, habe sie deshalb verfolgt.
Das ist alles so grauenhaft, so scheußlich, so abscheulich.
Ich weiß nicht mehr.
Es ist alles meine Schuld!“
Peter meinte: „Dein Vorgehen war unangemessen, aber geklettert ist sie selbst. Von daher ist sie auch verantwortlich für ihren Absturz. Sie hatte ja nicht mehr zu fürchten, als sich mit dir verbal auseinanderzusetzen und dich aufzufordern, sie in Ruhe zu lassen. Du bist also nicht alleine schuld, dein Verhalten hatte nur fatale Folgen, die aber letztlich nicht mehr unter deiner Kontrolle lagen, sondern unter ihrer. Bitte, beruhige dich. Wir können es nicht mehr ändern.“
Ida bestätigte: „Das klingt plausibel und wir können nichts weiter machen, als dir dabei zu helfen, damit umzugehen und damit weiter zu leben …“
Ich weinte in Peters Armen.
Ich war weiter traurig und stark verunsichert. Peter mußte sich auch erst einmal ganz von der Wiederauferstehung erholen. So vergingen erst einmal zwei relativ stille, deprimierende Tage. Die Ais hatten Susannes Leichnam kühl gelagert und wir mußten uns entscheiden, was damit geschehen sollte. Einen besonderen Leichenkult wollten wir eigentlich nicht etablieren, aber schon würdevoll mit Susannes Überresten umgehen.
So hielten wir eine Trauerfeier ab.
Der Leichnam wurde in einer eilig errichteten Anlage verbrannt.
Die Asche aber wurde dann erst hoch zur Raumstation gebracht, von dort dann mit einer Sonde Richtung Rasol geschickt.
Die nächste Zeit war dann noch sehr schwierig. Ich raffte mich zwar auf, zeigte Peter die Insel, hatte aber keine wirklich Freude an den Ausflügen. Wir arbeiteten dann viel und nur sehr langsam besserte sich meine Stimmung. Irgendwann, erst Monate später wird das gewesen sein, kamen wir uns wieder näher, irgendwann auch über eine tröstende Umarmung hinaus. Der erste, zarte Kuß nach Susannes Tod kam mir wie ein Verrat vor. Und doch tat er auch gut. Es dauerte weitere Monate, bis mehr passierte und wir unsere Beziehung dann doch fortsetzen konnten. Irgendwie lag ein Schatten über der Insel, es blieb immer ein Rest von Traurigkeit in mir.
Scheitern, Versagen, Katastrophen, Mißerfolge und nun auch der Tod – die Mission stand von Anfang an unter keinem Stern. Nun, es geht ja irgendwie um die Menschheit, wie könnte es anders sein?
Als Mensch hatte ich mich als Musterexemplar der Art erwiesen.
Ich hatte sogar die Person in den Tod getrieben, die ich so liebte.
Ich ging schon stark davon aus, daß es hier in diesem Sonnensystem mit der Menschheit nicht besser laufen würde als auf der Erde. Wir würden uns schon eher schlecht als recht durchwurschteln und unseren Weg gehen.
Aber ich wollte nicht depressiv werden.
Vielleicht wäre es besser gewesen, ich hätte mich vom selben Felsen gestürzt, von dem Susanne abgestürzt war. Aber selbst das schaffte ich nicht und mußte so weitermachen.
Ich schaffte es nicht einmal, Ida zu bitten, mich für die nächsten paar Jahrhunderte konservieren zu lassen. Ich riß mich irgendwie zusammen und machte weiter. Ich versuchte es nicht einmal, mit besonderem Zynismus meine Umwelt zu vergiften. Ich machte einfach weiter mit unserer Mission, obwohl ich nie missionieren, erobern, im wörtlichen Sinne fremde Welten persönlich entdecken wollte. Ich nahm das sozusagen als meine Pflicht, meine Bürde auf mich, zu der ich mich nie verpflichtet hatte, zu der ich mich nie gemeldet hatte. So oder so war ich am Ende gestrandet und hing doch so sehr am Leben, daß ich einfach weitermachte.
Peter kümmerte sich in der Zeit intensiv um unser Projekt auf Charybdis, wir trafen Entscheidungen und begannen dann dort systematisch die Vegetation anzureichern, auch daraufhin ausgerichtet, den ursprünglich heimischen Arten möglichst gut mit Symbiose-Partnern zu helfen. Das funktionierte auch ganz gut und so etablierte sich langsam eine Mischvegetation aus charybdianischen und irdischen Organismen. Und es war sehr traurig, daß Susanne diesen bescheidenen Erfolg nicht mehr mitfeiern konnte.
Ida wies mich auf Neuigkeiten aus der Physik und Technik von der Erde hin. Es gab da im Sonnensystem ja durchaus einige Ais, die kamen aber nur langsam voran, es fehlte ihnen die bösartige, aggressive Neugier und Skrupellosigkeit der Menschen. Von denen gab es ja auch nur noch wenige, von daher kam da auch nicht viel mehr.
Schon klar, sie wollte mich ablenken, ich arbeitete mich ein und da waren wirklich einige Aspekte dabei, die wir brauchen konnten, um mit neuen Materialien und technischen Ideen einiges zu optimieren. Da hängte ich mich dann doch richtig rein, was wirklich ablenkte und sogar auch unserer Mission nutzte. Ich funktionierte also.
Auch mit der Kolonie hatten wir natürlich eine große Aufgabe. Wir hatten eine große Diskussion, einigten uns und die Ais begannen dann, aus dem Vorrat des Raumschiffes bereits befruchtete und konservierte menschliche Eizellen in künstlichen Gebärmüttern, Brutmaschinen heranzuziehen.
Auch ich wurde von Peter schwanger.
So wuchs unsere kleine Kolonie langsam und die fröhlichen Kinder, die Menschen der Kolonie trösteten auch mich über den Verlust allmählich hinweg, brachte wieder etwas Freude und Vergnügen in mein Leben, etwas wofür ich gerne weiterlebte, auch für Susanne, die ich darüber aber nie vergessen würde.
Versiebt
Die Erstarrung löste sich nur langsam, mir war schwindelig, ich war verunsichert, ich stand schwankend auf, um Susanne ganz spontan zu folgen. Dann hielt ich aber inne, das wäre sicher nicht gut, würde sie nur noch mehr aufregen. So sank ich langsam in mich zusammen und auf die Knie, stützte mich mit einer Hand ab, knickte mit dem Arm ein und lag dann am Boden, krümmte mich zusammen und wollte nichts mehr, mehr, noch viel mehr Tränen schossen hervor, schwemmten meine ganze Dummheit und meine Verzweiflung darüber empor, aber das half ja nichts, was sind schon Tränen, doch nur salziges Wasser, wenn man allein ist und niemand mehr da, um sie fortzuküssen und zu trösten, zu verzeihen.
Ich hatte es versiebt, hatte versagt, mir selbst ins Knie geschossen. Weil ich so lange gezögert hatte, Susanne übergangen hatte, fühlte sie sich nun sehr getroffen, von mir verletzt, nicht ernstgenommen. Und daran konnte ich nun nichts mehr ändern. Ich hatte jämmerlich versagt, versagt, versagt. Ich konnte nur hoffen, daß sie sich wieder beruhigen würde.
Ich weinte jetzt nur noch leise, schämte mich für meine Dummheit, so schlecht mit Susanne umgegangen zu sein, nicht rechtzeitig offen zu ihr gewesen zu sein, um ihr zur richtigen Zeit die freie Entscheidung zu lassen, wie sie mit der Situation umgehen will.
Es dämmerte dann irgendwann, was auf Skylla ja aufgrund der kurzen Tage öfter passiert. Ich bekam davon kaum etwas mit. Irgendwann im Dämmerlicht raffte ich mich mühsam auf und schlürte zurück zu den Gebäuden der Kolonie, legte mich hin, krümmte mich auch hier wieder zusammen und wünschte mir naiv, die Zeit zurückdrehen zu können. Wie immer erwies sich die Raumzeit da natürlich nicht kooperationsbereit, die ignorierte meine albernen Wünsche nicht einmal, tickte einfach weiter runter, ließ mich einfach schmoren, für mein Benehmen büßen, indem jede Sekunde wie eine heiße Nadel in mein Sein stach, jede Stunde wie ein Hammerschlag auf meinen Schädel krachte.
Irgendwann muß ich trotzdem eingeschlafen sein. Als ich erwachte, lag ich noch immer zusammengekrümmt wie ein kleines Kind, raffte mich irgendwie mühsam auf, machte mich nicht einmal frisch für den Tag, mir war irgendwie alles gleich, setzte mich gleich wieder an einen Tisch, preßte die Hände vor das Gesicht.
Von Susanne war nichts zu sehen.
Ich sollte mich wohl doch irgendwie sorgen, schoß es mir durch den Kopf.
So rief ich dann: „Ida?“
Ida antwortete nach nur kurzer Verzögerung, ihr Avatar war nicht anwesend: „Ja, was gibt es?“
Ich erläuterte: „Nachdem ich Susanne offenbart habe, daß etwas mit Peter gelaufen ist, ist sie abgehauen. Wo ist sie?“
Ida antwortete: „Das habe ich mitbekommen. Wenn ich unsere Vereinbarungen richtig verstanden habe, wäre es nicht korrekt, die Privatsphäre von Susanne zu verletzen, besonders nach der Aufregung zwischen euch beiden.“
Ich entgegnete: „Ich wollte auch keine Details aus dir herauslocken, eher wissen, ob etwa ein Notfall vorliegen könnte, ob wir oder mindestens ihr Ais etwas unternehmen müßtet, um ihr zu helfen.“
Es herrschte einen Moment Stille, dann tat Ida kund: „Es liegt kein Notfall vor. Susanne hat sich erst auf der Insel bewegt, wurde im Dämmerlicht ruhiger, da habe ich bei ihr nachgefragt. Sie hat dann nur gesagt, daß sie keinen Unfall gehabt habe, nur Zeit für sich brauche. Das habe ich akzeptiert.
Erst bei Sonnenaufgang hat sie sich dann wieder gemeldet und nach einer anderen Möglichkeit der Unterbringung gefragt. Das habe ich ermöglicht. Du hast geschlafen, was sie von mir wissen wollte, bevor sie zur Kolonie zurückkehrte und sich dann in ihren neuen Raum zurückgezogen hat. Ich will nicht sagen, daß es ihr gut geht, aber ein Notfall liegt jedenfalls nicht vor. Ich gehe auch davon aus, es wäre ihr nicht genehm, wenn ich jetzt zuviel über sie erzählen würde.“
Ich nickte mutlos, erwiderte: „Schon in Ordnung. Ich habe komplett versagt, habe es ihr verheimlicht, habe mich gedrückt, mich über sie hinweggesetzt. Nun muß ich wohl abwarten, wie sie weiter vorgehen will.“
Ida bestätigte: „Ja, deine Strategie war auf jeden Fall suboptimal.“
Das wußte ich natürlich selbst, frustrierte mich noch mehr, ich meinte dann nur, daß wenn Susanne etwas über meine aktuelle Befindlichkeit wissen wolle, nach mir frage, könne sie ruhig Auskunft geben. Ich sei jedenfalls aktuell ratlos, räume meine Schuld, meine Dummheit aber uneingeschränkt ein, hoffe auf ein Gespräch, eine Chance, mich persönlich zu entschuldigen. Ida stimmte zu, auf Nachfrage würde sie das schon unterbringen, ansonsten aber nicht von Susanne ungefragt intervenieren, damit war ich natürlich einverstanden und unser Gespräch war erst einmal zu Ende.
Lustlos tat ich erst gar nichts, las dann etwas, setzte mich später an meine aktuelle Arbeit, konnte mich aber nicht wirklich gut konzentrieren, weswegen es nur sehr zäh ging, ich bald wieder aufhörte, durch den Raum tigerte, es mir richtig schlecht gehen ließ, als wollte ich mich selbst bestrafen.
Später fragte ich bei Ida nach, ob es möglich sei, draußen eine Runde zu drehen, ohne Susanne dabei auf den Wecker zu fallen. Ida half mir dann, das umzusetzen, schlug einen Weg ein, den ich gut nehmen könnte. Und so lief ich dann los, es war gerade wieder einmal ein Sonnenaufgang, der in seiner roten Pracht eigentlich sehr schön war, den ich aber nicht genießen konnte. Für mich war irgendwie alles grau, ich lief schneller, versuchte so über den Rhythmus, die Aktivität in eine Art Meditationszustand zu kommen, auch um mich abzulenken. Das fiel mir nicht leicht, aber ich verfiel immerhin in eine Art von Automatismus, der meinen Lauf immer weiter vorantrieb. Je mehr mich das anstrengte, desto mehr fokussierte sich das Denken auf den reinen Akt des Laufens, der Anstrengung, des Aufkommens einer eigenartigen Art von Leichtigkeit, die nach der Erschöpfung einsetzen kann, wenn der Wille einen vorantreibt, vielleicht auch die Angst oder die Verzweiflung, wo nur noch im Laufen als Ersatz für den Fluchtreflex die Möglichkeit besteht, das Hier und Jetzt zu überstehen und hinter sich zu lassen, irgendwie ganz praktisch, nicht einmal im übertragenen Sinne.
Mein Herz, mein ganzer Körper begannen irgendwann schon zu protestieren. Mein Leib schwitzte seine Empörung heraus, ich lief weiter, weiter, weiter. Ich hatte gehofft, daß mir das irgendwie Erleichterung verschaffen würde, dem war aber nicht so. Mit der Leichtigkeit nach der Erschöpfung kam nicht gleichzeitig auch Erleichterung, die Gedanken kreisten einfach weiter, nur die Radien wurden immer kleiner, die geistigen Kurven um das Problem immer enger, das Denken fokussierte sich so immer weiter, reduzierte sich, ohne noch in der Lage zu sein, daraus auszubrechen, das fruchtlose Kreisen noch zu durchbrechen.
Ich lief bis zur Erschöpfung, stolperte, fing mich noch gerade ab, lief weiter, stolperte bald wieder, fing mich wieder ab, war mit einem Fuß leicht eingeknickt, duldete den Schmerz, lief trotzdem weiter, schon um mich selbst zu kasteien, Schmerz und Erschöpfung, Protest und Auflehnung schon im ganzen Körper. Ich lief weiter, weiter, ohne Sinn und Verstand, registrierte schon gar nicht mehr richtig, wo ich eigentlich war. Dann brach ich irgendwann zusammen, bekam das kaum noch mit, so sehr hatte ich mich in eine Art von Trance-Zustand gelaufen. Alles Denken war zu einem einzigen Punkt zusammengeschnurrt, konzentriert, einen schmerzhaften Stachel, auf welchem das ganze eigene Sein in wahnsinnigem Schmerz aufgespießt war. Ich lag und war fertig, fertig mit der Welt, fertig mit mir. Der Punkt wurde dunkler, diffuser, löste sich in einem Nebel auf, nichts war durchbrochen, kein Entkommen, nur ein hilfloses Zerfließen …
Als ich wieder erwachte, fühlte sich mein Körper noch immer an, als sei er am Ende. Mühsam bekam ich nur mit, was so zu mir gehörte, mehr durch den noch immer anhaltenden Protest der Körperteile, teils auch taub im Streik, teils brennend, teils nur diffus schmerzend. Nur die linke Hand fühlte sich irgendwie besser an, es sickerte nur langsam durch meinen Kopf: Jemand hielt meine Hand!
Ich hatte Mühe damit, öffnete aber doch die Augen, langsam klärte sich der Blick.
Susanne saß an meinem Bett, hielt meine Hand!
Sie hatte nachdenklich den Blick gesenkt, hatte aber wohl mitbekommen, daß ich mich wieder langsam regte.
Dann meinte sie: „Da hast du mich ja wieder schön ausgetrickst, läufst, bis du umkippst, daß ich bei dir sein muß.“
Ich hatte einen trockenen Mund, krächzte nur.
Susanne reichte mir einfach etwas zu trinken, hielt es mir gar an die Lippen, daß ich nur trinken mußte. Wir schwiegen.
Als ich mich wieder etwas gesammelt hatte, entschuldigte ich mich leise für mein abermaliges Versagen: „War nicht meine Absicht, dich mit Mitleid auszutricksen. War nur über mich selbst frustriert und bin dann einfach losgelaufen, konnte nicht mehr anhalten.“
Susanne flüsterte: „Wollte auch nur noch laufen, konnte dann in der Dämmerung nicht mehr viel sehen, war auch erschöpft und habe in der Dunkelheit gesessen und wußte nicht mehr weiter, es war alles so leer …“
Ich versuchte es: „Es tut mir sehr leid. Ich habe alles falsch gemacht. Hätte dir von Peter erzählen müssen, bevor wir uns wieder nähergekommen sind …“
Susanne nickte nur.
Es herrschte wieder Stille.
Dann riskierte ich es und fragte: „Und nun?“
Susanne zuckte die Schultern.
Wieder schwiegen wir.
Dann erwiderte sie: „Können Peter ja nun nicht hängenlassen. Weiß aber nicht, wie es gehen soll. Dein Verhalten hat mich sehr verunsichert.“
Ich seufzte: „Gern würde ich überzeugend betonen wollen, daß ich nur geschwiegen habe, weil du dich erst einmal von der Konservierung, dem Schock über den Absorbereinschlag und dem weiteren Tiefschlag mit der Kontamination von Charybdis erholen solltest. Tatsächlich war ich einfach froh, dich wieder bei mir zu haben, dich zu spüren und zu genießen, dich ganz glücklich zu sehen, auch noch durch mich!
Da war ich zu feige, das aufs Spiel zu setzen und habe es immer wieder verdrängt und aufgeschoben. Das war falsch und gemein!“
Susanne fuhr sich mit einer Hand durchs Haar.
Sie weinte.
Oh, wie tat mir das weh!
Mehr als die Schmerzen in meinen Körper. Wie gerne hätte ich sie in den Arm genommen, getröstet und liebkost. Ich traute mich aber nicht, traute mich auch nicht, noch etwas zu sagen, hätte auch nicht gewußt, was noch. Ich drehte den Kopf zur Seite, schloß die Augen.
Sanft strich Susanne mir irgendwann durch das Haar.
Ich öffnete meine Augen wieder.
Sie weinte noch immer, nickte mir aber zu, machte eine Geste, half mir hoch und wir lagen uns wortlos in den Armen.
Wir hielten uns still und lange.
Und das tat mir sehr gut.
Vorsichtig küßte ich ihr Tränen von der Wange, wuselte sanft durch ihr Haar. Erleichtert war ich erst, als Susannes Tränen dann versiegten. Unsicher noch, fast wie beim ersten Mal fanden sich unsere Lippen nur so eben, zuckten unsicher, bevor wir mehr Mut fanden und sie zu einem zarten Kuß vereinten. Wir schmiegten und still aneinander, fanden noch immer keine Worte. Dann hat sich Susanne irgendwann zu mir gelegt, sie hat diesmal mich geborgen gehalten, gestreichelt und umschlungen. So sind wir dann gemeinsam eingeschlafen.
Wir schliefen erst einmal richtig aus, duschten dann ausgiebig und gemeinsam, hatten ein reichhaltiges Frühstück. Bei all dem waren wir miteinander vertraut, aber doch ernst, sprachen nur an, was üblich oder notwendig für die jeweilige Aktivität war. Ich hatte mich schon wieder ganz gut erholt. Mein Körper war wieder ganz versöhnt, nur noch wenige Stellen protestierten noch. Wir einigten uns dann auf einen Spaziergang und gingen los. Ich nahm dann vorsichtig Susannes Hand, die ließ es geschehen und so gingen wir Hand in Hand unseren Weg über die Insel.
Irgendwann waren wir am Strand, setzten uns in den Sand, lagen dann, Susanne seitlich neben mir, sie hatte ihren Kopf auf meinen Bauch gelegt. Obwohl es ein schöner Tag war, wir wieder zusammen waren, blieben wir ernst und weitgehend schweigsam.
Erst auf dem Rückweg fragte sie dann: „Wie soll das nun mit uns weitergehen?
Und mit Peter?“
Da ich beim ersten Punkt gar nicht vorpreschen wollte, beim zweiten eigentlich auch nicht, tastete ich mich erst einmal vorsichtig voran: „Du meintest ja schon, wir könnten oder sollten ihn nicht hängenlassen …“
Sie wendete den Kopf zu mir, sah mich an: „Nein sicher nicht. Wir sollten die Ais bitten, seine Wiederauferstehung vorzubereiten.“
Ich bestätigte nur kurz: „Gut, einverstanden.“
Susanne nickte, hakte dann nach: „Und dann?“
Ich schaute sie an, ihr tief in die Augen: „Was willst du denn, was stellst du dir vor, wie es weitergehen soll?“
Susanne verzog nur kurz ihr Gesicht zu einem verkniffenen, unsicheren Lächeln, zuckte die Schultern: „Mag dir nicht mehr böse sein.
Dich will ich sehr gern.
Weiß nur nicht, wie es gehen soll …“
Ich seufzte, umgriff sanft ihre Hand, drückte mich leicht an sie, zog sie mit der anderen Hand heran, daß wir uns küßten. Das war erst noch ganz vorsichtig, dann löste sich aber etwas, es wurde intensiver, es fiel von uns ab und wir begannen ein leidenschaftliches Spiel mit unseren Lippen, unseren Zungen, versöhnten uns so ganz und gar.
Danach brachte ich hervor, was mir in den Sinn kam, das hatten andere schon früher gesagt, aber ich fühlte es doch: „Ich brauche dich, weil ich dich liebe!“
Susanne hatte Tränen in den Augen, fuhr mit den Händen durch mein Haar, hielt dann meine Wangen, gab mir einen festen, kurzen Kuß auf die Lippen, entgegnete dann: „Ich dich doch auch.“
Wir gingen alsbald wieder ein Stück, sie hatte weitergedacht: „Und Peter?
Den magst du doch auch?“
Ich nickte, war sehr unsicher, erwiderte leise: „Ja. Will ich selbstverständlich nicht leugnen. Vielleicht … hoffentlich … wenn du ihn kennenlernst … vielleicht magst du ihn ja auch, hoffentlich …“
Susanne gab mir mit dem Ellenbogen einen leichten Stoß in die Seite, dann lachte sie, ich stimmte mit ein.
Sie schüttelte dann den Kopf, grinste aber: „Das ist dein Plan, deine Idee?“
Ich grinste zurück: „Ich muß wohl gestehen, keinen Plan zu haben, ist alles zu verwirrend und abgedreht. Ist eher so eine vage Hoffnung, könnte doch ganz schön sein, wenn wir uns einig sind?
Du fandest ihn doch gemäß der Unterlagen auch ganz süß. Warum also ein Drama draus machen?“
Susi schüttelt wieder den Kopf, grinste aber noch immer: „Drama hatten wir ja so schon. Wäre schon besser ohne. Und was, wenn nicht?
Also wenn er kein Interesse an mir hat oder ich doch nicht an ihm?“
Ich versicherte: „Also jedenfalls nach den Unterlagen und nach dem, was ich ihm über dich erzählt habe, findet er dich auch süß und interessant. Wenn wir uns drei nicht erneut selbst ein Bein stellen, ungeschickt und dumm vorgehen, einander verletzen, wie ich es bei dir getan habe, so könnte sich das doch entwickeln.“
Susi verzog kurz die hübsche Nase: „Ungeschickt lassen wir in Zukunft mal lieber, besser die Fakten klar auf den Tisch …“
Ich unterbrach: „Ja, habe es nun eingesehen, wie doof ich war.“
Susi entgegnete: „Müssen wir wohl mit rechnen, nicht immer perfekt, optimal zu reagieren, nicht immer genau einzuschätzen, wie es den anderen geht oder gehen wird. Da müssen wir wohl nachsichtig, vorsichtig miteinander sein, damit es besser klappt, zumal bei drei Personen …“
Ich nickte und wir waren wieder bei den Koloniegebäuden angelangt.
Wir genossen unsere Zweisamkeit ein paar weitere Tage mit intensiven Aktivitäten. Susi meinte dann, wir sollten uns nun um Peter kümmern, um herauszufinden, wie wir es zu dritt meistern würden, welche Konstellation sich ergeben würde, ob wir so gut miteinander auskommen würden.
Susanne und ich waren natürlich auch gespannt, wie Peter so beim Erwachen auf uns beide reagieren würde. Immerhin hatte er sich ja schon sehr wohlwollend über Susi geäußert, so sah ich doch gute Chancen, daß sich das gut entwickeln würde.
So saßen wir dann bei der Wiederauferstehung an Peters Bett. Ich beobachtete Peter und wir warteten. Dann regte sich Peter, ich strich zärtlich über seine Hand, er brummte erst, schlug dann langsam die Augen auf. Auch bei ihm dauerte es etwas, bis er klarer sehen konnte, sich auch sonst das dumpfe Gefühl im Kopf etwas legte. Dann konnte er uns gut erkennen, wir wünschten ihm ein herzliches Willkommen. Langsam richtete er sich schon auf, nickte, lächelte uns zu.
Ich stellte ihm Susanne vor und die beiden gaben sich die Hand.
Peter fragte nach: „Ich hoffe, ich habt klären können, wie ihr nun zueinander steht?“
Ich bestätigte: „Ja, war nicht so einfach. Ich habe Fehler gemacht, habe versucht, mich irgendwie zu drücken, mich durchzuwurschteln, bin damit gescheitert. Nach einer Krise geht es nun wieder. Ich habe schon mein verdientes Fett wegbekommen, hatte aber doch Glück, daß Susi noch immer Lust auf mich hat.“
Susanne lachte zurückhaltend.
Peter schlug die Augen nieder und erwiderte: „Das … das ist schön für euch.
Das freut mich.“
Er machte allerdings nicht den Eindruck.
Ich entgegnete allerdings: „Oh danke.
Ich weiß, verdient habe ich so gute Menschen eigentlich nicht, bin aber doch sehr froh darüber, so gut davongekommen zu sein.“
Mir war schon klar, daß Peter nun weiter im Ungewissen hing und zu gerne gewußt hätte, wie es um ihn stand.
Ich fuhr aber nur fort: „Naja, wir wollen dich auch nicht gleich überfordern, dich nicht zu sehr bedrängen. Du mußt sicher erst einmal ganz zu dir kommen.“
Peter vertrat dazu die Auffassung: „Oh, das ist sehr aufmerksam von euch. Michaela, es ist dir aber schon klar, daß du mich gerade etwas hängenläßt?“
Ich sah Susanne an, grinste ein wenig.
Diese schubste mich ein wenig und meinte dann zu Peter: „Sie will dich nur ein wenig auf die Folter spannen. Wenn wir dich nicht gewollt hätten, hätten wir dich doch einfach weiterschlummern lassen können.“
Peter lächelte sie an: „Stimmt auch wieder, aber was heißt das jetzt?“
Susanne führte aus: „Michaela hat mir glaubhaft versichert, daß sie uns beide sehr mag. Darauf werden wir sie dann schon festnageln dürfen. Ich hoffe jedenfalls, wir können uns gut vertragen und können daraus etwas machen, was funktioniert.“
Peter grinste leicht: „Klingt jedenfalls gut. Ich bin auf jeden Fall zur Kooperation bereit, werde darauf eingehen. So werden wir uns hoffentlich gut arrangieren können.“
Susanne betonte: „Wir beide lernen uns erst einmal in aller Ruhe näher kennen und dann werden wir sehen, welche Konstellation sich zwischen uns dreien entwickelt. Toleranz, Frieden und Harmonie halte ich jedenfalls für wichtig, danach sollten wir streben und leben.“
Peter bestätigte: „Gut gesagt, ganz auf meiner Linie.“
Ich küßte erst Susi, dann Peter auf die Stirn, legte einen Arm um sie, einen um ihn und zog uns dann alle drei zusammen, daß die beiden schon gar keine Wahl hatten, als ihre Arme auch umeinander und um mich zu legen. Wir lachten gemeinsam und erleichtert über die nachlassende Spannung.
Nach der turbulenten Begrüßung ließen wir ihm dann etwas mehr Zeit, um anzukommen, lobten schon einmal begeistert die Fortschritte draußen, die schöne Vegetation. Wir plauderten dann entspannt und erzählten Peter von den Neuigkeiten, faßten so zusammen, was passiert war, seitdem er konserviert worden war.
Bald kamen auch noch Ida, Esme und Hildegard als Avatare hinzu, sozusagen als männlicher Vertreter dann etwas später sogar auch Körk mit seinem Avatar. Da Stanis und Asi keine Avatare hatten, sendete sie immerhin Grußbotschaften. Und so hatten wir die Anfänge der Kolonie nun zusammen. Wir waren nun gut in der Spur, es ging voran mit der Mission. Das Ziel war das noch lange nicht, aber ein sehr großer Fortschritt.
Auch Peter brauchte natürlich etwas Zeit, sich komplett von der Wiederauferstehung zu erholen. Wir machten aber schon kurz darauf den ersten Rundgang in der Kolonie. Und den nächsten Tag machten wir dann mit Hildegard zusammen einen größeren Spaziergang, bei dem Hildegard und Peter dann schon eifrig über verschiedene Aspekte der Vegetation fachsimpelten, während Susanne und ich herumalberten und dann fangen spielten. Gut, nachdem ich Susi gefangen hatte, habe ich sie natürlich nicht gleich wieder losgelassen. Stattdessen haben wir dann unseren Spaß gehabt, aber ganz dezent, um Peter nicht gleich zu sehr aufzureizen, der ja noch seinen Anzug tragen mußte. So ging Peters Eingewöhnungszeit vorüber und Susanne und ich hielten uns zurück. Wir waren aber viel zusammen und zu meinem Glück verstanden Susanne und Peter sich von Anhieb sehr gut. Da mußte ich keine Konflikte befürchten.
Dann durfte Peter seinen Anzug auch gegen leichtere Kleidung tauschen und mitessen und trinken. Wir machten dann auch weitere und gemeinsame Ausflüge über die Insel, einerseits um diese besser kennenzulernen, andererseits um unsere Zusammengehörigkeit zu stärken. Ich sorgte immer für reichlich Kontakt und förderte auch den zwischen Susanne und Peter, denn meine Idee war ja schon, wenn die beiden Interesse aneinander zeigen würden, wäre ja doch alles unkomplizierter, wenn wir alle gemeinsam oder jeweils miteinander aktiv wären, dann käme mir keine ausgezeichnete Position mehr zu und alles wäre noch entspannter. Peter und Susi zierten sich aber noch etwas.
Dann zogen wir einfach mal zu einen gemeinsamen Badeausflug zum See auf der Insel los.
Vor Ort hatte ich dann natürlich gar keine Scheu, zog mich gleich aus und sprang nackt ins Wasser. Ich winkte den beiden aufmunternd zu. Peter traute sich dann als nächster, zog sich aus und kam ebenfalls ins Wasser. Susi mußte ich noch etwas locken, aber dann zog sie sich auch aus und kam zu uns. Ich zog sie schnell zu mir und auch Peter heran, küßte erst Susi, dann Peter, forderte dann: „Und nun ihr beide!“
Sie zögerten etwas, probierten es dann erst scheu, fanden aber offenbar schnell Geschmack daran und intensivierten den Kuß, umarmten sich dann fest und ich sie beide. Da waren wir gut vorangekommen und ich staunte, wie heftig die beiden nun aufeinander reagierten und Interesse aneinander zeigten. Das sah sehr gut aus, ich umarmte sie ebenfalls und ermunterte sie. Wir mußten alle schließlich heftig lachen, kehrten nach ein paar kleinen Runden im See zurück ans Ufer und ließen uns in der Sonne trocknen, schlenderten dann in der Dämmerung zurück zur Kolonie.
Wir hatten uns ja alle bislang zurückgehalten und seit Peters Wiederauferstehung gar keinen Sex miteinander gehabt. Ich hatte natürlich schon Lust, sowohl auf Peter als auch auf Susi. So überlegte ich, wie ich das voranbringen könnte, ohne Disharmonie aufkommen zu lassen. Ich entschloß mich dann für den formalen Weg, als wir dann beim Essen zusammensaßen.
Ich sprach es dann ganz trocken aus: „Also, wo das so gut mit uns läuft, sollten wir doch etwas planen, da es uns ja nun auch zu noch intimeren Vergnüglichkeiten drängen wird. Da ist dann natürlich die Frage der Familienplanung zu klären.“
Susanne war gleich im Gesicht rot angelaufen, Peter lachte etwas nervös.
Ich fuhr fort: „Naja, mit Peter hatte ich das Thema ja schon, nun haben wir eine neue Konstellation und auch eine neue Situation.
Was sind unsere Vorstellungen?
Susi etwa, möchtest du ein Kind, möchtest du schwanger werden?“
Susi stupste mich in die Seite und schaute mich nur an, wie ich wagen könnte, das so direkt zu fragen.
Peter rieb sich nervös die Hände über die Oberschenkel.
Da beide nichts sagten, tat ich meine Meinung kund: „Susi, also falls du das möchtest, würde ich auch wollen, also vorausgesetzt natürlich, Peter macht mit, Peter?“
Peter war nun auch deutlich verlegen: „Äh … ähm also … du wirfst da einfach so dieses heikle Thema in die Runde …“
Susi pflichtete ihm bei: „Ja genau, sie ist so … direkt, ja, das macht Michaela gerne mal … sie provoziert gern und wir müssen dann sehen, wir wir damit klarkommen …“
Ich ergänzte: „… aber es bringt uns voran.
Ihr beide seid euch doch sympathisch, mögt euch. Und da ist es nur natürlich, wenn wir drei auch Sex miteinander haben. Ich habe Lust auf euch beide und würde es auch genießen, wenn wir zu dritt aktiv würden oder wenn ihr beide es miteinander probieren würdet, das würde uns noch näher zusammenbringen. Bevor Peter aber Sex mit uns haben kann, müssen wir klären, ob sich das einstweilen auf das gemeinsame, intensive und lustige Vergnügen beschränken soll oder ob wir zulassen wollen oder uns gar wünschen, dabei schwanger zu werden. In letzterem Falle können wir ja einfach bedenkenlos herummachen und Peter kann da nach gemeinsamer Lust und Laune sein Sperma bei uns beiden deponieren, wie und wann es gerade kommt, wir können es genußvoll absorbieren und uns damit ganz erfüllen lassen, der Sehnsucht danach freien Lauf lassen, stets im Bewußtsein, daß das vielleicht gerade ein sehr entscheidender Akt für uns ist, der eine weitere, sehr tiefe Gemeinsamkeit zeugen kann, im ersteren Falle wäre das eher eine ungünstige Strategie ohne weitere Maßnahmen. Natürlich können wir uns auch so einfach näherkommen und einfach mal machen, sich die Dinge von selbst entwickeln lassen.“
Peter räusperte sich: „Ich sehe den Punkt. Ich mag euch beide. Und wenn das vielleicht Susanne gegenüber auch etwas keck ist, ich habe diese Tage auch sehr deutlich gespürt, daß wir sehr gut miteinander auskommen. Und mehr und noch inniger würde mir sehr gefallen. Und obwohl es heikel ist, gebe ich Michaela Recht, es ist richtig, darüber zu reden, auch wenn es etwas unangenehm ist. Wenn sich das einfach so entwickelt und in eine Richtung, die einem von uns nicht gefällt, ist das schlecht für alle.“
Susi stellte fest: „Aber Michaela geht mir da sehr schnell vor. Ich brauche da mehr Zeit, um mir das zu überlegen. Ich habe nichts dagegen, wenn ihr beide euch wieder näherkommt.“
Peter betonte: „Ich habe auch nichts dagegen, wenn ihr beide etwas zur Entspannung unternehmt, ich glaube, ihr habt euch zurückgehalten und ihr jedenfalls müßt das mit der Familienplanung ja nicht vorher klären.“
Ich lachte und stupste Susi an, die nun auch lachen mußte.
Ich meinte dann aber: „Ich hätte es dann nur dir, Peter, gegenüber als unfair empfunden, wenn wir beide fröhlich herumgemacht hätten und du dich nicht hättest einbringen können. So dachte ich, sollten wir das klären, wie die Lage wirklich ist. Wenn wir Ida oder Esme darum bitten, werden sie etwas zur Verhütung anbieten, was innerhalb kurzer Zeit funktionieren wird. Angesichts der Koloniegründung und unserer gegenseitigen innigen Zuneigung wollen wir aber vielleicht gar nichts mehr verhüten, wir sind angekommen, wir sind nun Zuhause hier, wir haben unser Nest gebaut. Da ist die Frage naheliegend, ob wir eigene Kinder wollen oder nicht oder wann.“
Susanne nickte: „Du hast ja Recht, aber so direkt vor den Kopf geknallt schwirrt mir dieser nun ordentlich. Und Peter und ich, wir sind uns ja nicht einmal wirklich einig, wie wir miteinander umgehen wollen.“
Ich lachte und fuhr ihr sanft durch das Haar: „Oh, das wirkte aber beim Baden schon ganz anders. Das war eindrucksvoll und sehr anregend mit euch beiden, da würde ich schon gerne mehr miterleben, wie ihr beide da weiter vorgeht. Ich war so erleichtert, wie gut ihr beide euch versteht, wie leidenschaftlich der Kuß war. Endlich!
Das hat mich sehr gefreut und da dachte ich, es wäre alles klar.“
Susanne hatte wieder den Blick gesenkt, wieder rötete sich ihr Gesicht, dann schaute sie wieder auf und direkt in Peters Augen. Der lachte dann, um seine Anspannung zu lösen. Ich griff mir die beiden dann und wir umarmten uns wieder, küßten und streichelten uns gegenseitig.
Das entwickelte sich dann schnell weiter zu einer wilden Knutscherei und Fummelei und die gute Idee mit der freien Diskussion war dahin und wir waren dann schnell nur noch ein Knäuel von drei Leibern, die sich gegenseitig ermunterten, bald nackt waren, sich erforschten. Es brach aus uns heraus und war dann nicht mehr zu halten. Wir wollten alle drei und irgendwie alles auf einmal.
So spielten wir also munter weiter und immer heftiger. Irgendwie schafften wir es zu einem größeren Bett und erforschten da weiter unsere Möglichkeiten zu dritt. Peter lag dann bald auf dem Rücken und war bald ausgeliefert, ergab sich, während ich Susi mit seinem Körper vertraut machte, wir ihn beide verwöhnten. Wir widmeten uns auch gemeinsam seinem prächtigen Penis und ich glich mit Susi ab, was ich schon wußte und sie Neues einzubringen hatte. Das waren natürlich reichlich Reize für Peter, daß es gar nicht so viel brauchte, bis dieser einen heftigen Orgasmus durch unsere Forschungsbemühungen hatte, sein Sperma in hohem Bogen zwischen uns durchspritzte, gar etwas davon dann als langer, zäher Tropfen an Peters Kinn hing. Wir lachten fröhlich und verrieben sein Sperma auf seiner Brust und seinem Bauch, kuschelten und rieben uns weiter aneinander. Nun probierten wir es etwas anders und zeigten Peter so einige unserer gut erprobten Möglichkeiten, wie Susi und ich unsere Erregung schnell steigerten, zeigten ihm dann auch, wie er dabei unterstützen und mithelfen konnte und so brachten Susi und ich es dann auch schnell zur Erlösung, was wiederum Peter so stark erregt hatte, daß er uns schon wieder ein pralles, steifes Glied präsentieren konnte. Nun, frohen Mutes kümmerten wir uns auch darum noch und kamen danach langsam zu Ruhe und Entspannung. Endlich waren wir so weit gekommen und es tat uns sehr gut, diesen Schritt gewagt zu haben, uns nun zu dritt so nahegekommen zu sein, die Scheu davor überwunden zu haben. Gemeinsam, vereint und zufrieden schliefen wir dann zusammen ein.
Als ich erwachte, schlief Peter noch, Susanne war aber schon wach. Sie stand nackt in der Tür und schaute nach draußen. Ich stand auch auf und stellte mich hinter sie, umarmte sie sanft, küßte ihre Schulter, streichelte ihren Po, drehte mich etwas, stand nun seitlich zu ihr, mein Gesicht dicht neben ihrem.
Sie schaute kurz und lächelte: „Alles gut für dich, wo wir nun so gut und innig harmonieren?“
Ich bestätigte: „Ja, das hat mir sehr gefallen, ich hoffe, dir auch?
Oder habe ich euch zu sehr gedrängt?“
Susi lachte, erwiderte dann: „Oh, Peter hat mir doch gleich von Anfang an sehr gefallen, ich hatte Lust auf ihn. Ich habe mich nur nicht so richtig getraut. So ist die Spannung irgendwie immer weiter gestiegen. Und dann beim Baden hast du endlich den Bann gebrochen und wir waren wirklich zu dritt zusammen. Das tat so gut, auch weil ich fühlte, wie gern du uns zusammengeführt hast.
Naja, später, das Gespräch war schon gewagt und provokant. Aber es hat uns doch weitergebracht, also alles gut. Und dann war es so schön, die Anspannung endlich abbauen zu können, sich einig zu sein.“
Ich hakte nach: „Und was meinst du nun, also das Thema des Gesprächs betreffend?“
Sie wurde wieder rot im Gesicht und ich küßte sie aufmunternd auf die Wange.
So faßte sie Mut und bekannte mir ins Ohr flüsternd: „Also meinetwegen kann es einfach so weiterlaufen. Ich möchte einmal Kinder. Und du hast Recht, wir haben unser Nest gebaut, nun sind wir soweit. Es eilt ja auch nicht, aber Peter ist ein guter Mensch. Ich kann mir gut vorstellen, daß wir einfach so weitermachen, ohne Ida oder Esme zu konsultieren. Und wenn sich irgendwann daraus etwas ergibt, ist es in Ordnung und gut. Kannst du dir das auch vorstellen?“
Ich wuselte ihr durchs Kopfhaar und stimmte zu, flüsterte ihr ihrerseits ins Ohr: „Ja, kann ich auf jeden Fall, ich habe es ja bereits gesagt, wenn du willst, will ich auch. Ich stelle es mir sehr schön vor, gemeinsam mit dir schwanger zu sein, auch diese Erfahrung zu teilen. Und Peter mag ich ja sowieso sehr, da kann ich mir auch gut vorstellen, mit ihm Kinder zu haben, sie mit euch beiden großzuziehen, damit wären wir wirklich angekommen, Zuhause.“
Wir küßten uns sanft und streichelten, umarmten uns, waren uns einig. Und so regten wir uns gegenseitig weiter an, ich hatte Spaß daran, Susi weiter einzuheizen und flüsterte weiter in ihr Ohr, entwickelte eine Phantasie, wie der Zeugungsakt passieren würde. Wir schwelgten schnell in einer befruchtenden Phantasie, wie Peters Samen in uns hineinschossen, den richtigen Weg suchten und je einer davon etwas in uns in Gang setzte, was sich dann entwickeln würde. Wir waren irgendwie plötzlich richtig fasziniert davon und ganz begierig darauf, Peters Saft der Ekstase in uns aufzunehmen und keinen Tropfen davon wieder herzugeben, gleichzeitig aber der jeweils anderen ebenfalls eine ordentliche Ladung davon zu gönnen, damit die Saat in uns aufginge. Wir erhitzten und stimulierten uns gegenseitig, da war keine nüchterne Überlegung mehr dabei, nur noch hemmungslose Lust. Wir lachten beide, schauten zum noch schlafenden Peter, schauten uns gegenseitig tief in die Augen, nickten gleichzeitig und schlichen uns an ihn heran, küßten und streichelten sanft seinen schönen Leib und stellten auch erfreut fest, daß sich sein Glied bereits prächtig erhoben hatte, als er begann, sich zu regen. So spielten wir weiter mit ihm und er stieg gerne mit ein. Etwas überrascht war er dann schon, wie sich das Spiel weiter entwickelte, machte aber mit, auch als Susi ihn vorsichtig dirigierte und so sein Penis in meine feuchte Scheide vordrang, sich rieb und uns beide stark erregte. Susi half uns, koste uns beide. Und ich stellte fest, daß es für mich ein besonders intensives Gefühl war, ihn so in mir zu spüren, auch im Bewußtsein, daß da nun etwas daraus entstehen könnte, was uns noch stärker aneinander binden würde. Ich scheute mich nicht und fixte auch Susanne damit an, die quirlig-lebendig-schöpferische Flut in sich aufnehmen zu wollen, dem neuen Leben eine Chance zu gönnen, die erregende Vorstellung einer lustvollen Schwängerung voller Saft und Kraft zu genießen, aufzunehmen, aufzusaugen, zu zeugen und in uns entstehen zu lassen. Dieser Aspekt der möglichen fruchtbaren Verbindung wirbelte durch meinen Kopf und steigerte meine Erregung und Erwartung aufs Äußerste. Es erregte uns drei alle ziemlich stark und so hatten Peter und ich fast gleichzeitig einen heftigen Orgasmus, Susi zitterte vor Erregung und Anspannung, von unserem kleinen Vorspiel ohne Peter und unserer schwelgenden Plapperei vermutete ich, daß Susi ähnlich wie ihm empfand und ich wollte unbedingt, daß die beiden in voller Ekstase ihre Körperflüssigkeiten reichlich mischen sollten, Peter sollte sie füllen, Susi sollte alles aus ihm heraussaugen, was sie kriegen konnte. Schnell und etwas zittrig vor Nervosität dirigierte ich also Peter, daß wir uns mehr Susi widmen müßten. Das taten wir zunächst mit Fingern und Lippen, wobei ich schon noch eine Hand übrig hatte, um auch Peter wieder zu stimulieren. Wir ließen uns Zeit und die allgemeine Erregung, unsere Küsse hatten eine gute Wirkung auf Peter, so daß dieser unter meiner sanften Führung bald auch sein abermals pralles Glied in Susannes Schoß versenkte und wir das Spielchen dort spielten, bis die beiden sich stöhnend ergaben und ineinanderflossen und zitternd, stoßend und keuchend ein so erregendes Schauspiel boten, daß ich mich eng anschmiegen mußte, um mit ihnen zu genießen, mich weiter stimulierte, wobei sie dann auch beide bald halfen und ich dann schnell einen weiteren, heftigen Orgasmus hatte. Danach lagen wir dann erschöpft, aber sehr glücklich ziemlich kreuz und quer durcheinander.
Wir redeten dann gar nicht mehr über Familienplanung, sondern hatten einfach hemmungslos unseren Spaß miteinander, von Planung war gar keine Rede mehr, wir ließen es einfach laufen, spritzen und sabbern bis zur totalen Befriedigung. Wir wollten es einfach gelassen sehen und der Dinge harren, die sich daraus entwickeln mochten. Zuviel Druck, unbedingt schwanger werden zu wollen, ist ja auch eher suboptimal, um diesen Wunsch zu erfüllen. So ist es schon gut, sich beim Akt intensiv vorzustellen, daß es passieren könnte, es mit voller Aufmerksamkeit und Intensität zu durchleben, den Spaß voll zu genießen, aber ohne wirklich etwas davon zu erwarten. So verkrampft sich nichts, der Umgang miteinander ist offener, lockerer und führt damit dann auch eher zum gewünschten Ergebnis.
Allerdings widmeten wir uns nicht nur unseren persönlichen Vergnüglichkeiten. Wir schauten uns dann auch die Daten insbesondere von Charybdis genauer an, entwickelten Ideen, Peter regte an, hakte nach, Hildegard und Ida experimentierten, probierten mehr aus. Und so sollte es auch hier weiter vorangehen. Schnell waren wir uns einig, daß wir auf Charybdis etwas voranbringen wollten, um eine zwar neue Vegetation zu fördern, eine Mischung von irdischen und charybdianischen Arten, aber wir wollten dabei unbedingt zahlreiche Möglichkeiten der Symbiose schaffen, um die charybdianischen Arten zu fördern. So mochte es uns dann ja vielleicht doch noch gelingen, nach der Katastrophe etwas hinzubekommen, was den charybdianischen Arten doch noch helfen mochte.
Den Ais war natürlich nicht entgangen, wie sehr wir harmonierten und zusammenhingen, wie aktiv wir gemeinsam waren. Dazu sagten sie nichts weiter. Es kam dann aber doch bald der Vorschlag, über die Kolonie zu diskutieren. Es war ja nun einmal das Konzept der Kolonie, diese mit Menschen zu bevölkern, das würden Susi, Peter und ich natürlich nicht allein hinbekommen, obwohl wir da schon täglich sehr aktiv waren und uns ganz persönlich sehr einbrachten. So setzten wir uns dann bald einmal zusammen und diskutierten unsere Optionen. Wir hatten dann ja noch die Kryo-Zombies im Raumschiff, von denen einige transferiert werden könnten.
Dazu meinte ich dann: „Das hatten wir ja schon früher einmal diskutiert. Es ist nicht so ganz unproblematisch, weil wohl keiner von ihnen sich für die Mission entschieden hat. Ähnlich wie wir sind doch wohl alle deutlich vor der Planung der Mission konserviert worden?“
Ida bestätigte: „Ja, das stimmt leider, das ist einer der schändlichen Aspekte sowohl der Kryo-Technologie als auch der Planung dieser Mission. Wenn man es so sehen will, hat man mit dem Transfer vieler Kryo-Zombies auf die Mission deren rechtlosen Status ausgenutzt, gleichzeitig aber schon einmal die Situation auf der Erde etwas entschärft, weil man damit gleich einmal die Anzahl der Personen reduziert hat, die keinen rechtlichen Status haben, von denen undefiniert ist, ob sie tot oder doch potentiell lebendig sind. Sie wissen alle nichts von der Mission und uns kommt es dann bei der Wiederauferstehung zu, sie zu integrieren.“
Susanne führte dann an: „Wenn wir mich und Michaela als Beispiele nehmen, so werden einige vermutlich nicht einmal wissen, daß sie konserviert worden sind. Und mir ist es jedenfalls nicht leichtgefallen, beides zu akzeptieren, zu einer ganz anderen Zeit wiederauferstanden worden zu sein und dann auch noch auf einer Mission fern der Heimat zu sein. Wir können wohl davon ausgehen, daß es vielen der anderen Kryo-Zombies ähnlich gehen wird. Wenn wir damit beginnen, können wir vielleicht jeweils nur ein oder zwei Personen wiederauferstehen lassen und uns ihnen dann mindestens einen oder zwei Monate widmen, bis sie in der Lage sind, sich ihrem Schicksal zu stellen. Das wir ein langwieriger Prozeß.“
Ich ergänzte: „Zudem wäre dann die Altersstruktur der Kolonie gleich zu Beginn eher problematisch, wir hätten dann viele Leute in ungefähr gleichem Alter.“
Hildegard erinnerte: „Bei unserer letzten Diskussion mit dir, Michaela, sind wir ja schon zu der Meinung gekommen, die Kryo-Zombies eher langsam und in kleiner Zahl in eine bestehende Kolonie zu integrieren. Wer sich besonders zur Koloniegründung eignet, könnte natürlich auch ziemlich zu Beginn beteiligt werden.“
Ich malte mir dabei gerade so nebenbei aus, wo die persönliche Belastungsgrenze für Peter liegen würde, wenn wir noch ein oder zwei männliche Sahneschnittchen auftauen würden, um unsere kleine, innige soziale Gemeinschaft durch diese weiteren Mitglieder oder auch mit Gliedern zu bereichern. Ob er mit diesem Durcheinander und ineinander von Körperflüssigkeiten noch so gut zurechtkäme wie mit seinem derzeit exklusiven Status?
Nun, ich wischte diesen Gedanken einstweilen beiseite und bekam nebenbei mit, wie sich Susanne auf Hildegards Aussage bezog und dieser zustimmte: „Das klingt plausibel. Welche Möglichkeiten haben wir sonst?“
Ida erläuterte: „Nun, wir haben einige Möglichkeiten. Wir haben befruchtete Eizellen, aber auch eine große Auswahl von Sperma und unbefruchteten Eizellen, zudem haben wir natürlich ebenso wie bei Tieren die Möglichkeit, diese in speziellen Brutkästen bis zur Geburt auszutragen. Das ist eine Art künstliche Gebärmutter mit diversen Optionen, damit das Kind auch ungefähr entsprechende Reize wie bei einer echten Mutter hat. Alles können wir vielleicht nicht simulieren, dafür sind aber auch die Risiken von Unfällen oder psychischen Krisen nicht gegeben, im Schnitt kommen die Kinder dabei ganz gut weg.
Danach müssen wir uns natürlich ausgiebig kümmern, was die Zahl begrenzt.“
Niemand fragte vorsichtshalber mal nach, wie die Mission zu befruchteten Eizellen, Sperma und unbefruchteten Eizellen in so großer Zahl gekommen war. Bei unseren Erfahrungen als Kryo-Zombies wollten wir gar nicht so genau wissen, welche Kryobanken dafür mehr oder weniger insgeheim geplündert worden waren. Ich wischte auch diesen Gedanken einstweilen beiseite. Wir konnten es nicht mehr ungeschehen machen. Vermutlich waren es einfach Altbestände von zum Zeitpunkt des Starts der Mission längst verstorbenen Spendern, alle sehr gut durchgetestet und dokumentiert.
Ich schätzte mal lächelnd ab: „Susanne als Lehrerin wird mit einer Klasse mit zehn bis dreißig Kindern schon zurechtkommen. Wenn ihr Ais euch beteiligt, werden wir doch mit vier bis zehn Kindern pro Jahr wohl zurechtkommen, hängt natürlich auch deutlich davon ab, wie stark automatisiert die Betreuung von Gewächshäusern und Feldern ist.“
Esme informierte: „Das sollte sich schon gut kombinieren lassen, wir haben da viele Sensoren und Subsysteme insbesondere in den Gewächshäusern.“
Peter betonte: „Mich und Michaela gibt es ja auch noch, wir können uns doch sowohl um unsere Nahrungsversorgung kümmern als auch um Kinderbetreuung. Mit mehreren Erwachsenen können wir schon allerhand erreichen.“
Ida ergänzte: „Auf jeden Fall seid ihr ein wichtiger Bestandteil. Jedenfalls halte ich die von Michaela genannten Zahlen auch für realistisch. So können wir über die Jahre eine kleine Kolonie aufbauen. Es besteht doch keine Notwendigkeit, gleich in den ersten hundert Jahren eine Großstadt mit hunderttausend oder mehr Menschen anzustreben.“
Hildegard fragte nach: „Wenn ich eure Aktivitäten richtig mitbekommen habe, scheut ihr euch ja nicht, euer Genmaterial mit in die Kolonie einzubringen, das finde ich gut. Ich vermute, künstliche Befruchtung mit befruchteten fremden Eizellen wird daher nicht euer dringender Bedarf sein?“
Susanne und ich stimmten lachend zu, dann dafür doch eher die Brutkästen, neben unseren eigenen noch weitere Kinder auszutragen, wäre dann doch schnell eine Überforderung, da waren wir uns einig.
Hildegard hatte da aber dann doch noch eine überraschende Anwendung für uns parat: „Oh, wir haben da schon Möglichkeiten im Angebot, die ihr noch gar nicht kennt. Wir können durchaus auch aus dem Genmaterial von zwei Frauen ein weibliches Kind genetisch kombinieren. Da seid ihr den Männern gegenüber deutlich im Vorteil.“
Ida fuhr fort: „Dazu verwendet man die medizinischen Mikroroboter, extrahiert damit je eine reife Eizelle aus den beteiligten Frauen, kombiniert das Genmaterial mit ein oder zwei befruchteten Eizellen als Ergebnis. Die können dann entweder in der Brutmaschine ausgetragen werden oder für eine natürliche Schwangerschaft zurück in die Gebärmutter transferiert werden …“
Susanne und ich lachten, als wir uns das vorstellten.
Ich entgegnete dann: „Naja, die genetische Vielfalt ist da begrenzt und ich glaube ja auch nicht daran, daß unbedingt an unseren Wesen die Menschheit genesen wird.“
Peter grinste und betonte: „Wir hätten dann immerhin auch dort Symmetrie der Möglichkeiten. Aber es stimmt schon, zuviel von uns ist nicht gut für die genetische Vielfalt der Kolonie.“
So stellten wir die Option erst einmal zurück und wollten doch lieber für uns jedenfalls bei der üblichen Methode bleiben, die machte uns viel Freude und stärkte zudem unsere Zusammengehörigkeit, das würden gemeinsame Kinder von Susanne und mir auch, aber so hätten wir dann ja doch eine subtile Schar von Halbgeschwistern, wahrscheinlich dann mehr Mädchen, an sich nicht schlimm, von der statistischen Mischung dann aber nicht mehr so ausgewogen.
Ich nickte auch und bemühte mich, das Thema etwas zu verschieben, bevor es noch zu heikel werden würde: „Gibt es weitere Optionen, auch hinsichtlich der genetischen Vielfalt der Kolonie?“
Ida erläuterte bereitwillig: „Also bei allen Arten ist unsere Auswahl und die genetische Vielfalt unseres Archivs groß. Dazu haben wir in der Datenbank noch viel mehr Arten und auch genetische Variationen kodiert. Technisch möglich ist es mit einigem Aufwand sogar, diese digitalen Daten wieder in genetisches, biologisches Material umzukodieren. Bevor wir das tun, sollten wir es aber unbedingt mit den reichhaltigen und vorhandenen Vorräten und Möglichkeiten versuchen.
Wenn ihr drei euch mit eigenem genetischen Material beteiligt, ist das insofern schon schön und hilfreich, als über eigene Kinder ja auch ein viel engerer Bezug zur nächsten Generation da ist. Es ist so ja auch gewiß, daß ihr ganz persönlich etwas von euch für die Kolonie und die Zukunft weitergebt. Und das ist doch auch ein natürliches Bedürfnis biologischer Wesen, oder etwa nicht?“
Peter und ich nickten vorsichtig, Susanne führte dann aus: „Ja schon, so oder so werden wir uns natürlich um alle Kinder kümmern, das hängt ja nicht an den eigenen. Sind die Kinder erst einmal da, entwickelt sich doch ohnehin eine Eigendynamik, viel ergibt sich von selbst. Wir bekommen das gemeinsam schon hin!“
Damit hatte sie sicherlich Recht.
Ich schloß dann: „Gut, was mich anbelangt, ich fühle mich erst einmal hinreichend über unsere Optionen informiert.“
Susanne stimmte sofort zu: „So erklärt sehe ich jetzt auch klarer, wo die Reise hingeht.“
Peter faßte zusammen: „Also gut, ich schlage vor, wir lassen das ein paar Tage sacken, dann bereiten wir vor, wählen aus, machen uns an die Umsetzung. Wir könnten uns darauf einigen, wie wir etwa aus den befruchtete Eizellen oder auch den Eizellen und Samen auswählen. Zufällig wäre naheliegend, damit wir nicht absichtlich oder unbewußt züchten, statt Vielfalt anzustreben.“
Hildegard erwiderte: „Das scheint mir auch plausibel zu sein. Bei den befruchteten Eizellen ist eine Zufallsauswahl ausgezeichnet. Bei den anderen können wir allenfalls bei der Kombination versuchen, auf Vielfalt zu achten.“
Ida bestärkte das noch: „Ja, in eine bestimmte Richtung züchten wollen wir nicht. Wir wissen allerdings nicht genau, nach welchen Kriterien da überhaupt ausgewählt wurde. Aber vielfältig ist der Vorrat gewiß, wir werden das nicht künstlich einengen.“
Und damit schlossen wir dann erst einmal diese Konferenz.
Tage später begannen wir dann und setzten die Planung um, entschieden dabei Details. Damit hatten wir dann wirklich begonnen, unsere Kolonie zu bevölkern, als Menschheit hier fern der Erde Fuß zu fassen. Wir diskutierten natürlich auch unsere Hoffnungen, vielleicht auch Illusionen.
Würde es uns gelingen, so von Grund auf eine sozialere, bessere Gesellschaft zu gründen, harmonisch, tolerant, liebevoll, ökologisch kompatibel?
Oder würde es dann doch irgendwann wie auf der Erde werden mit einem Haufen Menschen, die alles für sich selbst ausnutzen und zerstören?
Nun, zu Beginn würden wir uns schon bemühen, die Weichen günstig zu stellen. Aber die Kruste von Kultur, Wissen und Toleranz auf dem menschlichen Sein ist eben sehr dünn. Und wie schnell ist das abgekratzt, wie schnell kann man mit wenigen schlechten Entscheidungen darunter das Rohe, Brutale, Rücksichtslose im Menschen hervorpuhlen.
Natürlich hatten wir gar nicht so viel im Griff, waren aber doch irgendwie grundlos zuversichtlich, letztlich doch das Schlimmste zu vermeiden und unserer Kolonie einen guten Weg in die Zukunft zu ebnen.
Wir waren ganz im Hier und Jetzt und würden die Zukunft schon meistern, mit Fehlern, aber doch zäh dranbleiben und unsere Gemeinschaft voranbringen.
Das war nun der Neubeginn, wenn darüber auch ein dunkler Schatten lag. War der düstere Ursprung der Kolonie in der von uns verursachten Katastrophe vielleicht doch nur die Fortsetzung der allgemeinen menschlichen Katastrophe?
Wenn sich unsere Kolonie entwickeln würde, würden das dann wieder die gleichen Menschen mit gleichen Entscheidungen und Handlungsweisen werden, die bereits die Erde fast vernichtet hatten?
Hatten wir hier nicht das düstere Werk der Vernichtung längst fortgesetzt?
Oder würde es uns doch gelingen, mit Liebe und all der begrenzten Klugheit, die wir nur aufbringen konnten, einen wirklichen Neuanfang zu schaffen?
Mir kam es jedenfalls so vor, als hätten wir es nun vor uns, das unentdeckte Land: Die Zukunft.
Bald schon wußten wir dann, daß sich die Zukunft ohnehin nicht aufhalten ließ. Wir drei waren ja sexuell sehr aktiv und genossen in vollen Zügen unsere Harmonie, die hemmungslose Leidenschaft und Lust. Und die doch eigentlich erwünschten Folgen blieben nicht aus. Wir wußten dann, daß wir beide, Susi und ich von Peter schwanger waren und so wie von uns erhofft gemeinsam die Schwangerschaft erleben würden, so waren wir drei auch in diesem neuen Lebensabschnitt sehr eng miteinander verbunden, freuten uns innig über das doch nicht nur komplett mühelos erreichte Ergebnis, es war ja geradezu eine große Lust gewesen, an diesem Ergebnis zu wirken, es war sehr intensiv und so reich an Empfindungen gewesen, das zu spüren und bewußt zu tun. Und nun genossen wir und freuten uns, auch nachdem Ida dann nach genaueren Untersuchungen berichten konnte, daß die beiden Kinder wohlauf und komplett gesund seien. Nicht minder erfreulich, das konnte sie ebenfalls berichten von den Kindern, die nun bereits in den Brutkästen heranwuchsen. Unsere Zukunft hier hatte damit endgültig begonnen, wir hatten uns in der neuen Heimat eingerichtet und nutzten sie bereits.
Verbockt
Die Erstarrung löste sich nur langsam, mir war schwindelig, ich war verunsichert, ich stand schwankend auf, um Susanne ganz spontan zu folgen. Dann hielt ich aber inne, das wäre sicher nicht gut, würde sie nur noch mehr aufregen. So sank ich langsam in mich zusammen und auf die Knie, stützte mich mit einer Hand ab, knickte mit dem Arm ein und lag dann am Boden, krümmte mich zusammen und wollte nichts mehr, mehr, noch viel mehr Tränen schossen hervor, schwemmten meine ganze Dummheit und meine Verzweiflung darüber empor, aber das half ja nichts, was sind schon Tränen, doch nur salziges Wasser, wenn man allein ist und niemand mehr da, um sie fortzuküssen und zu trösten, zu verzeihen.
Ich hatte es verbockt, hatte versagt, mir selbst ins Knie geschossen. Weil ich so lange gezögert hatte, Susanne übergangen hatte, fühlte sie sich nun sehr getroffen, von mir verletzt, nicht ernstgenommen. Und daran konnte ich nun nichts mehr ändern. Ich hatte jämmerlich versagt, versagt, versagt. Ich konnte nur hoffen, daß sie sich wieder beruhigen würde.
Ich weinte jetzt nur noch leise, schämte mich für meine Dummheit, so schlecht mit Susanne umgegangen zu sein, nicht rechtzeitig offen zu ihr gewesen zu sein, um ihr zur richtigen Zeit die freie Entscheidung zu lassen, wie sie mit der Situation umgehen will. Ich hatte mich selbst in eine aussichtslose Lage manövriert, schwierig, sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf zu ziehen, was an mehr als an kurzen Haaren liegt. Alleine hatte ich schlechte Aussichten, hatte rein gar nichts mehr in der eigenen Hand. Und das kann ich nicht gut vertragen, finde lieber selbst eine Lösung, als auf andere angewiesen zu sein.
Nun aber, was nun?
Was nun?
Was nun?
Was nun?
Es dämmerte dann irgendwann, was auf Skylla ja aufgrund der kurzen Tage öfter passiert. Ich bekam davon kaum etwas mit. Irgendwann im Dämmerlicht raffte ich mich mühsam auf und schlürte zurück zu den Gebäuden der Kolonie, legte mich hin, krümmte mich auch hier wieder zusammen und wünschte mir naiv, die Zeit zurückdrehen zu können. Wie immer erwies sich die Raumzeit da natürlich nicht kooperationsbereit, die ignorierte meine albernen Wünsche nicht einmal, tickte einfach weiter runter, ließ mich einfach schmoren, für mein Benehmen büßen, indem jede Sekunde wie eine heiße Nadel in mein Sein stach, jede Stunde wie ein Hammerschlag auf meinen Schädel krachte.
Von dieser Seite brauchte ich also sicher gar keine Hilfe erwarten, immerhin aber auch keine Häme.
Irgendwann muß ich trotzdem eingeschlafen sein. Als ich erwachte, lag ich noch immer zusammengekrümmt wie ein kleines Kind, raffte mich irgendwie mühsam auf, machte mich nicht einmal frisch für den Tag, mir war irgendwie alles gleich, setzte mich gleich wieder an einen Tisch, preßte die Hände vor das Gesicht.
Von Susanne war nichts zu sehen.
Ich sollte mich wohl doch irgendwie sorgen, schoß es mir durch den Kopf. Vielleicht konnte Ida mir helfen?
So rief ich dann: „Ida?“
Ida antwortete nach nur kurzer Verzögerung, ihr Avatar war nicht anwesend: „Ja, was gibt es?“
Ich erläuterte: „Nachdem ich Susanne offenbart habe, daß etwas mit Peter gelaufen ist, ist sie abgehauen. Wo ist sie?“
Ida antwortete: „Das habe ich mitbekommen. Wenn ich unsere Vereinbarungen richtig verstanden habe, wäre es nicht korrekt, die Privatsphäre von Susanne zu verletzen, besonders nach der Aufregung zwischen euch beiden.“
Ich entgegnete: „Ich wollte auch keine Details aus dir herauslocken, eher wissen, ob etwa ein Notfall vorliegen könnte, ob wir oder mindestens ihr Ais etwas unternehmen müßtet, um ihr zu helfen.“
Es herrschte einen Moment Stille, dann tat Ida kund: „Es liegt kein Notfall vor. Susanne hat sich erst auf der Insel bewegt, wurde im Dämmerlicht ruhiger, da habe ich bei ihr nachgefragt. Sie hat dann nur gesagt, daß sie keinen Unfall gehabt habe, nur Zeit für sich brauche. Das habe ich akzeptiert.
Erst bei Sonnenaufgang hat sie sich dann wieder gemeldet und nach einer anderen Möglichkeit der Unterbringung gefragt. Das habe ich ermöglicht. Du hast geschlafen, was sie von mir wissen wollte, bevor sie zur Kolonie zurückkehrte und sich dann in ihren neuen Raum zurückgezogen hat. Ich will nicht sagen, daß es ihr gut geht, aber ein Notfall liegt jedenfalls nicht vor. Ich befürchte ferner, es wäre ihr nicht genehm, wenn ich jetzt zuviel über sie erzählen würde.“
Ich nickte mutlos, erwiderte: „Schon in Ordnung. Ich habe komplett versagt, habe es ihr verheimlicht, habe mich gedrückt, mich über sie hinweggesetzt.
Ich wollte dich bitten zu vermitteln. Bitte, helfe mir doch!“
Ida bestätigte: „Ja, deine Strategie war auf jeden Fall suboptimal. Ich hatte das schon angesprochen. Du hast aber weitergemacht. Nun soll ich helfen?“
Ich verzog das Gesicht: „Bitte, bitte, bitte. Ich weiß es doch, ja, du hast mich darauf hingewiesen. Ja, ich habe nicht darauf gehört. Ja, ich bin dumm und unsensibel, habe alles falsch gemacht. Nun helfe mir bitte. Ich weiß nicht mehr, was ich tun kann.“
Ida entgegnete: „Die Einsicht kommt spät.“
Ich hatte eine Idee und hoffte, sie mit einem Kniff zu überzeugen: „Aber wie soll das sonst weitergehen?
Es wäre nicht gut für die Mission, wenn Susanne und ich uns nun immer aus dem Wege gingen. So kommen wir ja nicht voran, würden uns nicht einigen, alles würde sich immer weiter verzögern. Natürlich ist es meine Schuld, aber wenn du mit ihr redest, gibt es vielleicht Hoffnung, es noch einmal zu drehen. Ich kann es doch nicht mehr.
Ich bin jedenfalls aktuell ratlos. Ich räume meine Schuld, meine Dummheit aber uneingeschränkt ein, hoffe auf ein Gespräch, eine Chance, mich persönlich zu entschuldigen. Wenn Susanne etwas über meine aktuelle Befindlichkeit wissen will, nach mir fragt, kannst du natürlich ruhig Auskunft geben. Aber bitte, bitte helfe mir!“
Ida erklärte: „Auf deine Seite wirst du mich nicht ziehen können. Ich muß neutral bleiben.“
Ich versicherte: „Ich möchte auch nur, daß du vermittelst, damit überhaupt wieder etwas passiert, damit Susanne und ich wieder reden können. Ich kann doch nicht zu ihr gehen, bitte.“
Ida stimmte dann zu: „Gut, ich werde es ihr ausrichten und versuchen, ihr zu helfen, ihre Gefühle zu formulieren, zu einer Meinung zu kommen.“
Ich erwiderte: „Danke!“
Damit hatte ich schon einmal wieder etwas Hoffnung, hatte etwas erreicht und unser Gespräch war erst einmal zu Ende. Es fühlte sich im inneren Sumpf schon nicht mehr ganz so festgefahren an. Ida hatte es immerhin nicht komplett verweigert, mir die Hand zur Hilfe zu reichen.
Es fiel mir nicht so leicht, mich zu konzentrieren. Am Rechner wollte ich nicht arbeiten, so fragte ich Hildegard, ob diese etwas in den Gärten oder Gewächshäusern für mich zu tun hätte. Es fand sich in der Tat etwas, wo ich helfen konnte und so arbeitete ich dann mit Hildegard in einem der Gewächshäuser beim Anlegen einiger neuer Kulturen. Das lenkte mich dann wirklich etwas ab.
Später aß ich dann alleine Mittag. Die kurzen Tageszeiten waren für mich noch immer verblüffend. In den Gebäuden hatten wir immerhin eine Automatik, welche die Lichtregelung innen auf einem Takt von vierundzwanzig Stunden hielt, einschließlich der Einstellung einer passenden Farbtemperatur, so kam ich eigentlich ganz gut zurecht. Es war dann eben nur sinnvoll, zeitig reinzugehen, bevor draußen eine ausgeprägte Abendstimmung aufkam.
Das Mittagessen hatte ich mir weitgehend selbst zubereitet, hatte inzwischen auch einige passable eigene Rezepte parat, die eigentlich ganz lecker sind, heute war mir aber irgendwie alles fade, ich hatte ohnehin nicht so viel gemacht, denn mit dem Appetit war es auch nicht so weit her.
Ich arbeitete dann weiter drinnen, das ging nun schon wieder etwas besser. Als es draußen wieder hell wurde, half ich dann Hildegard bei dem Projekt im Gewächshaus weiter, welche ihre Arbeitsphasen draußen und in den Gewächshäusern auch auf jene Stunden gelegt hatte, wo es von alleine hell war.
Als ich dann bei meinem Abendessen war, kam Idas Avatar zu mir und berichtete: „Michaela, ich habe mit Susanne gesprochen.“
Ich schaute gespannt und neugierig, da Susanne aber nicht persönlich erschienen war, durfte ich wohl noch nicht auf eine Lösung hoffen, so fragte ich nur leicht zögernd und selbst für Ida merklich unsicher nach: „Und?“
Ida führte ohne die geringste bemerkbare Reaktion auf meine Unsicherheit und Anspannung aus: „Sie fühlt sich gekränkt durch dich, übergangen, auch bevormundet, weil du ihr nichts von Peter erzählt hast, bevor sie selbst seine Einträge in den Aufzeichnungen gefunden hatte. Das hattest du ja bereits vermutet. Sie möchte noch eine Weile Ruhe haben. Deine ausgerichtete Entschuldigung hat sie zur Kenntnis genommen, wollte dir diesbezüglich durch mich aber nichts ausrichten lassen. Gut geht es ihr wirklich nicht, aber sie reißt sich zusammen. Ich habe sie immerhin ermuntern können, etwas zu tun, um sich abzulenken. Da du mit Hildegard gearbeitet hast, hat sie dann mir geholfen. So war die Einteilung ganz in Ordnung und wir konnten uns dann nebenbei unterhalten.“
Ich hakte nach: „Was wollte sie denn wissen, also jedenfalls sofern es in Ordnung ist, mir darüber zu berichten.“
Ida meinte dazu: „Sie hat teilweise zugestimmt, daß ich darüber sprechen darf. Sie hat sich nach Peter erkundigt und eben der Zeit, wo ihr zusammen auf der Raumstation wart und sie konserviert war. Auch da habe ich natürlich keine Details erzählt, die wiederum Peters Privatsphäre hätten verletzen können, habe ihr aber schon etwas näherbringen können, wie Peter so arbeitet und sich verhält. Ein paar Aufzeichnungen von unseren Konferenzen habe ich ihr auch gezeigt. So weiß sie nun so ungefähr, was Peter so gemacht hat, grob auch, wie sein Verhalten ist, Stimme, Bewegungen, aber nicht besonders viel darüber, wie sich das zwischen Peter und dir entwickelt hat, das zu erläutern läge dann doch eher bei dir oder bei Peter, das war ihr natürlich auch klar, so hat sie das nicht weiter hinterfragt.“
Was ich wissen wollte: „Und was meinst du, wie ist nun ihre Meinung dazu?“
Ida erläuterte: „Peter ist nicht so sehr ihr Problem. Beschäftigen tut sie eher dein Verhalten nach ihrer Wiederauferstehung, daß du ihr nichts davon erzählt hast.“
Ich atmete tief durch, nickte, fragte nach: „Ja natürlich. Was hält sie denn so von Peter, hat sie etwas zu ihm gesagt?“
Ida entgegnete: „Oh, ich vertrete die Hypothese, sie hält ihn für attraktiv und interessant. Wegen eurer Beziehung scheint sie ihm gegenüber nicht voreingenommen zu sein. Zunächst hatte sie die Neigung, dich als treibende Kraft zu sehen, daß du Peter verführt und vernascht hättest, hat das dann aber zurückgenommen, als ich später nochmal danach gefragt habe. Sie ist sich einfach noch unschlüssig. Sie braucht noch etwas Zeit. Morgen arbeiten wir wieder zusammen. Vielleicht schlage ich ihr dann morgen am Abend mal vor, daß es für uns alle sinnvoll wäre, wenn ihr beide miteinander reden würdet.“
Ich stimmte zu: „Klingt sinnvoll. Ich danke dir sehr. Und ich hoffe natürlich auf ein Gespräch mit Susanne, was auch immer dabei herauskommt. Ich habe es verbockt und versiebt und werde dulden müssen, wenn sie es wünscht. Und wenn es für sie sinnvoll ist, bin ich ja auch bereit, für meine Fehler einzutreten.“
Ida erwiderte: „Na, wir werden sehen. Ich habe etwas Sprichwörter geübt: Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird.“
Ich lachte ein wenig.
Ida fragte nach: „Paßte das jetzt nicht?“
Ich lachte noch einmal kurz: „Doch, hoffe ich jedenfalls, sonst sitze ich tief in der Tinte.“
Ida informierte: „Das habe ich auch bereits nachgelesen. Du kannst dich nicht an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen. Kannst deine Karre nicht selbst aus dem Dreck ziehen, in welche du sie gefahren hast.“
Ich nickte und lobte: „Ja, du machst Fortschritte, so sieht die Lage aus. Das also war des Pudels Kern.“
Ida ergänzte: „Johann Wolfgang von Goethe, Faust I“
Ich schaute dann noch einen Film, versuchte vergeblich, mich dabei zu entspannen. Der Film war deutlich nach meiner ursprünglichen Konservierung entstanden. Ich hatte mir immer mal wieder welche angesehen, nicht geradezu systematisch, aber doch eher grob in der Reihenfolge von kurz nach meiner Konservierung ausgehend dann tendenziell ein jeweils etwas späteres Entstehungsdatum. So hatte ich auch einen groben Eindruck, was so nach mir auf der Erde los war, wie sich das entwickelt hatte, nicht nur von den Berichten. Diesen Abend allerdings gab mir der Film nicht so viel, was nicht an dem Film lag, eindeutig an mir. Später bat ich dann Ida um ein leichtes Schlafmittel, nur so gelang es mit dann, zur Ruhe zu kommen.
Den nächsten Tag begann ich dann zwar gut ausgeschlafen, aber doch ziemlich ausgeglichen. Da half mir dann immerhin die Arbeit mit Hildegard, mich abzulenken. Später arbeitete ich dann wieder am Rechner, schaute mir einige Sachen an, auf die Ida mich aufmerksam gemacht hatte, einige Sachen aus der Modellbildung der Physik von der Erde, beziehungsweise aus dem Sonnensystem. Das war dann immerhin so interessant, daß ich darüber fast die Zeit vergaß. Dann half ich weiter Hildegard und bekam so den Tag dann doch ganz gut herum, obwohl ich oft daran dachte, was sich so ergeben mochte, wie das Gespräch zwischen Ida und Susanne wohl verlief.
Nach dem Abendessen kam dann Idas Avatar herein und ich schaute gespannt.
Der Avatar nickte und verkündete dann das Resultat: „Also gut. Viel Zeit hast du nicht mehr, Susanne ist bereit, dich gleich auf der Bank zu treffen, wo ihr euch entzweit habt.“
Sie nannte die genaue Zeit für das Treffen, ich schaute auf meine Uhr, ein wenig Zeit hatte ich schon noch. Ich konnte mich trotzdem kaum halten, stand auf, dankte Ida, strich dem Avatar freundlich und anerkennend über das, was die Anmutung einer Schulter war und stürmte hinaus.
Bei der Bank angekommen, war es noch vor der Zeit. Susanne war noch nicht da, nervös ging ich ein paar Schritte hin und her, setzte mich, stand wieder auf, ging wieder etwas auf und ab, setzte mich wieder, wippte, strich mir mit den Händen über die Schenkel, rutschte mit den Füßen über den Boden. Heute war an Ruhe und Ausgeglichenheit irgendwie nicht zu denken, nur an Susanne und wie das nun verlaufen würde. Mir war klar, davon hing allerhand ab. Diesmal saß ich auf dem Platz, den Susanne beim letzten Gespräch hier eingenommen hatte. Ich schaute über die Landschaft, konnte mich nicht einmal daran erfreuen, fuhr mir nervös durch das Haar, dann wieder über die Oberschenkel, scharrte weiter mit den Füßen. Dann zwang ich mich geradezu zur Ruhe, setzte mich ordentlich und gerade hin, beide Hände mit den Handflächen nach oben bewegungslos auf die Oberschenkel, den Blick geradeaus ins Unendliche. Ich machte eine Atemübung. Heute schien es mir deutlich länger zu dauern, bis das so halbwegs funktionierte, was mir sonst leichtfiel. Nur langsam wurde ich auch innerlich ruhiger, irgendwie überträgt sich da auch die äußerlich eingenommene Haltung und Ruhe auf das aufgewühlte Denken im Inneren.
Susanne kam pünktlich und setzte sich einfach neben mich. Ich bewegte mich nun nicht mehr. Wir schauten uns nicht an, nur schweigend nicht einmal auf die Landschaft, sondern parallel nebeneinander in die Unendlichkeit irgendwo dahinter. Einerseits fühlte sich diese Stille zwischen uns nicht gut an, andererseits saßen wir immerhin schon wieder nebeneinander. Ich traute mich einfach nicht, etwas zu sagen und Susanne schien auch noch mit sich zu ringen, was nun zu tun sei.
Nun rieb sich Susanne unruhig über die Oberschenkel, klopfte mit den Handflächen drauf, um sich selbst einen Ruck zu geben und begann: „Also gut, ich halte es nicht mehr aus und knicke mir selbst gegenüber ein. Ich mag dich viel zu sehr, um ohne dich zu sein!“
Ich schaute sie nun an, sie mich. Ich bot ihr vorsichtig meine Hand, sie nahm sie und hielt sie fest.
Ich versicherte: „Mag auch nicht ohne dich sein. Ich war so doof, feige und rücksichtslos.“
Susanne nickte, hatte Tränen in den Augen, drückte meine Hand: „Was mich dabei wirklich getroffen hat, ist, daß du über meinen Kopf hin für mich entschieden hast, mir nicht zugetraut hast, damit fertigzuwerden. Ich habe mich so verletzt gefühlt, keineswegs wegen Peter, sondern weil du mir offenbar zugetraut hast, damit nicht umgehen zu können!“
Ich schluckte und bestätigte: „Ja, das war wirklich sehr dumm von mir. Ich mag dich sehr, hatte einfach Angst, wie du reagieren würdest, habe dich schon wieder gespürt, wollte dann nichts mehr wagen.
Das war natürlich falsch und dir gegenüber sehr unfair.
Das tut mir sehr leid.
Ich mag dich doch so sehr.
Ich liebe dich, ich brauche dich, will dich verstehen, das ist eins!“
Das hatten andere auch schon ähnlich formuliert, vielleicht stimmte es deswegen umso mehr.
Susi faßte sanft mit ihrer Hand meinen Kopf, streichelte mein Ohr ganz zart und entgegnete: „Ich dich doch auch!“
Vorsichtig strich ich erst eine Träne von ihrer Wange, schmeckte dann das salzige Naß. Dann lagen wir uns in den Armen und weinten beide, küßten uns erst vorsichtig, dann heftiger. Susi drückte mich, es drückte mich noch sehr, obwohl ich so erleichtert war, sie nun wieder in den Armen zu halten.
Wir blieben noch eine Weile auf der Bank, kosten uns sanft und liebevoll, genossen es einfach zusammen. Da hatte ich wohl gerade noch einmal Glück gehabt. Susi hatte sich nicht einmal wirklich erbost gezeigt.
Sie forderte dann nur: „Bitte, bitte, tue das nicht noch einmal, keine solchen Entscheidungen mehr für mich. Stimmt schon, ich bin nicht so stark wie du, aber wenn es etwas gibt, dann muß ich das wissen, muß es aushalten und mit dir entscheiden, diskutieren.
Bitte, ja?“
Ich versicherte: „Ja, natürlich.
Der Fehler liegt bei mir und ist mir nun klar. Ich will nicht wieder so dumm sein und riskieren, woran mir so viel liegt, weil ich die Angst davor hatte, du würdest mich nicht aushalten.“
Susanne erwiderte: „Das kann ich schon, das kann ich, aber nur wenn du mir die Chance gibst, damit offen umzugehen. Du mußt mich ernstnehmen und nicht für mich denken. Ich bin doch auch wer, auch da, will mit dir über alles reden, dann wird es schon gehen.“
Ich küßte sie auf die Stirn, die Wange: „Ja, versprochen.
Ich habe meine Lektion gelernt.
Solche Dummheiten können wir uns nicht leisten.
Wir leiden nur, wenn solche dummen Sachen passieren.“
Dann standen wir bald auf und schlenderten Hand in Hand zurück zu den Gebäuden der Kolonie. Nun wollten wir uns nicht mehr trennen, klebten fast aneinander und atmeten glücklich und erleichtert durch. Wir duschten gemeinsam, tauschen immer intensiver Zärtlichkeiten miteinander aus. Das Trocknen konnten wir kaum abwarten, dann stürmten wir gemeinsam zum Bett und genossen einander ausgiebig und leidenschaftlich. Und das tat so gut, einander wieder zu spüren, zu schmecken, zu riechen, gemeinsam zu sein, sich aneinander zu erfreuen, euphorisch und immer weiter erregt gemeinsam Höhen zu erstürmen, um sich dann ganz fallenzulassen, ein wenig im Rausch zu mäandern, um dann den nächsten Gipfel anzustreben, zu erobern, dort wieder loszulassen, wieder etwas hinab, um bald wieder aufzusteigen, um dann irgendwann komplett erschöpft, seufzend und glücklich entspannt aneinander klebend irgendwann einzuschlafen.
Wir schliefen erst einmal richtig aus, duschten dann abermals ausgiebig und gemeinsam, hatten ein reichhaltiges Frühstück. Bei all dem waren wir miteinander sehr liebevoll und vertraut. Wir wollten unbedingt weitere Stunden miteinander verbringen, einigten uns so schnell auf einen Spaziergang und gingen los. Ich griff entschlossen Susannes Hand, die hielt die meine fest und so gingen wir Hand in Hand unseren Weg über die Insel.
Irgendwann waren wir am Strand, setzten uns in den Sand, lagen dann, Susanne seitlich neben mir, sie hatte ihren Kopf auf meinen Bauch gelegt. Es war ein schöner Tag, wir waren wieder zusammen, genossen uns und den Ausflug.
Erst auf dem Rückweg fragte sie dann: „Wie soll das nun weitergehen?
Was ist mit Peter?
Wir können ihn ja nicht hängenlassen?“
Ich tastete mich erst einmal vorsichtig voran: „Ja, hängenlassen sollten wir ihn wohl nicht …“
Sie wendete den Kopf zu mir, sah mich an: „Bei der Konservierung ist er doch davon ausgegangen, ungefähr mit dir wiederauferstanden zu werden, da können wir ihn natürlich nicht viel länger schlummern lassen. Sonst wird er sich danach ähnlich ungerecht übergangen fühlen wie ich. Wir sollten die Ais bitten, seine Wiederauferstehung vorzubereiten.“
Ich bestätigte nur kurz: „Gut, einverstanden.“
Susanne nickte, hakte dann nach: „Und dann?“
Ich schaute sie an, ihr tief in die Augen: „Was willst du denn, was stellst du dir vor, wie es weitergehen soll?“
Susanne verzog nur kurz ihr Gesicht zu einem verkniffenen, unsicheren Lächeln, zuckte die Schultern: „Mag dir nicht mehr böse sein.
Dich will ich sehr gern.
Weiß nur nicht, wie es gehen soll …“
Ich seufzte, umgriff sanft ihre Hand, drückte mich leicht an sie, zog sie mit der anderen Hand heran, daß wir uns küßten. Das war erst wieder ganz vorsichtig, dann löste sich aber etwas, es wurde intensiver, es drängte uns wieder mächtig und wir begannen abermals ein leidenschaftliches Spiel mit unseren Lippen, unseren Zungen.
Danach beteuerte ich erneut, wie sehr ich sie mag, sie liebe, sie brauche.
Susanne hatte Tränen in den Augen, fuhr mit den Händen durch mein Haar, hielt dann meine Wangen, gab mir einen festen, kurzen Kuß auf die Lippen, entgegnete dann ebenfalls und wiederum: „Ich dich doch auch.“
Wir gingen alsbald wieder ein Stück, sie hatte weitergedacht: „Und Peter?
Den magst du doch auch?“
Ich nickte, war sehr unsicher, erwiderte leise: „Ja. Will ich selbstverständlich nicht leugnen. Vielleicht … hoffentlich … wenn du ihn kennenlernst … vielleicht magst du ihn ja auch, hoffentlich …“
Susanne gab mir mit dem Ellenbogen einen leichten Stoß in die Seite, dann lachte sie, ich stimmte mit ein.
Sie schüttelte dann den Kopf, grinste aber: „Das ist dein Plan, deine Idee?“
Ich grinste zurück: „Ich muß wohl gestehen, keinen Plan zu haben, ist alles zu verwirrend und abgedreht. Ist eher so eine vage Hoffnung, könnte doch ganz schön sein, wenn wir uns einig sind?
Du fandest ihn doch gemäß der Unterlagen auch ganz süß. Warum also ein Drama draus machen?“
Susi schüttelt wieder den Kopf, grinste aber noch immer: „Drama hatten wir ja so schon mehr als genug, mehr als zu ertragen war. Wäre schon besser ohne. Und was, wenn nicht?
Also wenn er kein Interesse an mir hat oder ich doch nicht an ihm?“
Ich versicherte: „Also jedenfalls nach den Unterlagen und nachdem, was ich ihm über dich erzählt habe, findet er dich auch süß und interessant. Wenn wir uns drei nicht erneut selbst ein Bein stellen, ungeschickt und dumm vorgehen, einander verletzen, wie ich es bei dir getan habe, so könnte sich das doch entwickeln.“
Susi verzog kurz die hübsche Nase: „Ungeschickt lassen wir in Zukunft mal lieber, besser die Fakten klar auf den Tisch …“
Ich unterbrach: „Ja, habe es nun eingesehen, wie doof ich war.“
Susi entgegnete: „Müssen wir wohl mit rechnen, nicht immer perfekt, optimal zu reagieren, nicht immer genau einzuschätzen, wie es den anderen geht oder gehen wird. Da müssen wir wohl nachsichtig, vorsichtig miteinander sein, damit es besser klappt, zumal bei drei Personen …“
Ich nickte und wir waren wieder bei den Koloniegebäuden angelangt.
Wir genossen unsere Zweisamkeit ein paar weitere Tage mit intensiven Aktivitäten. Susi meinte dann, wir sollten uns nun um Peter kümmern, um herauszufinden, wie wir es zu dritt meistern würden, welche Konstellation sich ergeben würde, ob wir so gut miteinander auskommen würden.
Susanne und ich waren natürlich auch gespannt, wie Peter so beim Erwachen auf uns beide reagieren würde. Immerhin hatte er sich ja schon sehr wohlwollend über Susi geäußert, so sah ich doch gute Chancen, daß sich das gut entwickeln würde.
So saßen wir dann bei der Wiederauferstehung an Peters Bett. Ich beobachtete Peter und wir warteten. Dann regte sich Peter, ich strich zärtlich über seine Hand, er brummte erst, schlug dann langsam die Augen auf. Auch bei ihm dauerte es etwas, bis er klarer sehen konnte, sich auch sonst das dumpfe Gefühl im Kopf etwas legte. Dann konnte er uns gut erkennen, wir wünschten ihm ein herzliches Willkommen. Langsam richtete er sich schon auf, nickte, lächelte uns zu.
Ich stellte ihm Susanne vor und die beiden gaben sich die Hand.
Peter fragte nach: „Ich hoffe, ich habt klären können, wie ihr nun zueinander steht?“
Ich bestätigte: „Ja, war nicht so einfach. Ich habe Fehler gemacht, habe versucht, mich irgendwie zu drücken, mich durchzuwurschteln, bin damit gescheitert. Nach einer Krise geht es nun wieder. Ich habe schon mein verdientes Fett wegbekommen, hatte aber doch Glück, daß Susi noch immer Lust auf mich hat.“
Susanne lachte zurückhaltend. Peter schlug die Augen nieder und erwiderte: „Das … das ist schön für euch. Das freut mich.“
Er machte allerdings nicht den Eindruck. Ich entgegnete allerdings: „Oh danke. Ich weiß, verdient habe ich so gute Menschen eigentlich nicht, bin aber doch sehr froh darüber, so gut davongekommen zu sein.“
Mir war schon klar, daß Peter nun weiter im Ungewissen hing und zu gerne gewußt hätte, wie es um ihn stand.
Ich fuhr aber nur fort: „Naja, wir wollen dich auch nicht gleich überfordern, dich nicht zu sehr bedrängen. Du mußt sicher erst einmal ganz zu dir kommen.“
Peter vertrat dazu die Auffassung: „Oh, das ist sehr aufmerksam von euch. Michaela, es ist dir aber schon klar, daß du mich gerade etwas hängenläßt?“
Ich sah Susanne an, grinste ein wenig.
Diese schubste mich ein wenig und meinte dann zu Peter: „Sie will dich nur ein wenig auf die Folter spannen. Wenn wir dich nicht gewollt hätten, hätten wir dich doch einfach weiterschlummern lassen können.“
Peter lächelte sie an: „Stimmt auch wieder, aber was heißt das jetzt?“
Susanne führte aus: „Michaela hat mir glaubhaft versichert, daß sie uns beide sehr mag. Darauf werden wir sie dann schon festnageln dürfen. Ich hoffe jedenfalls, wir können uns gut vertragen und können daraus etwas machen, was funktioniert.“
Peter grinste leicht: „Klingt jedenfalls gut. Ich bin auf jeden Fall zur Kooperation bereit, werde darauf eingehen. So werden wir uns hoffentlich gut arrangieren können.“
Susanne betonte: „Wir beide lernen uns erst einmal in aller Ruhe näher kennen und dann werden wir sehen, welche Konstellation sich zwischen uns dreien entwickelt. Toleranz, Frieden und Harmonie halte ich jedenfalls für wichtig, danach sollten wir streben und leben.“
Peter bestätigte: „Gut gesagt, ganz auf meiner Linie.“
Ich küßte erst Susi, dann Peter auf die Stirn, legte einen Arm um sie, einen um ihn und zog uns dann alle drei zusammen, daß die beiden schon gar keine Wahl hatten, als ihre Arme auch umeinander und um mich zu legen. Wir lachten gemeinsam und erleichtert über die nachlassende Spannung.
Nach der turbulenten Begrüßung ließen wir ihm dann etwas mehr Zeit, um anzukommen, lobten schon einmal begeistert die Fortschritte draußen, die schöne Vegetation. Wir plauderten dann entspannt und erzählten Peter von den Neuigkeiten, faßten so zusammen, was passiert war, seitdem er konserviert worden war.
Bald kamen auch noch Ida, Esme und Hildegard als Avatare hinzu, sozusagen als männlicher Vertreter dann etwas später sogar auch Körk mit seinem Avatar. Da Stanis und Asi keine Avatare hatten, sendete sie immerhin Grußbotschaften. Und so hatten wir die Anfänge der Kolonie nun zusammen. Wir waren nun gut in der Spur, es ging voran mit der Mission. Das Ziel war das noch lange nicht, aber ein sehr großer Fortschritt.
Auch Peter brauchte natürlich etwas Zeit, sich komplett von der Wiederauferstehung zu erholen. Wir machten aber schon kurz darauf den ersten Rundgang in der Kolonie. Und den nächsten Tag machten wir dann mit Hildegard zusammen einen größeren Spaziergang, bei dem Hildegard und Peter dann schon eifrig über verschiedene Aspekte der Vegetation fachsimpelten, während Susanne und ich herumalberten und dann fangen spielten. Gut, nachdem ich Susi gefangen hatte, habe ich sie natürlich nicht gleich wieder losgelassen. Stattdessen haben wir dann unseren Spaß gehabt, aber ganz dezent, um Peter nicht gleich zu sehr aufzureizen, der ja noch seinen Anzug tragen mußte. So ging Peters Eingewöhnungszeit vorüber und Susanne und ich hielten uns zurück. Wir waren aber viel zusammen und zu meinem Glück verstanden Susanne und Peter sich von Anhieb sehr gut. Da mußte ich keine Konflikte befürchten.
Dann durfte Peter seinen Anzug auch gegen leichtere Kleidung tauschen und mitessen und trinken. Wir machten dann auch weitere und gemeinsame Ausflüge über die Insel, einerseits um diese besser kennenzulernen, andererseits um unsere Zusammengehörigkeit zu stärken. Ich sorgte immer für reichlich Kontakt und förderte auch den zwischen Susanne und Peter, denn meine Idee war ja schon, wenn die beiden Interesse aneinander zeigen würden, wäre ja doch alles unkomplizierter, wenn wir alle gemeinsam oder jeweils miteinander aktiv wären, dann käme mir keine ausgezeichnete Position mehr zu und alles wäre noch entspannter. Peter und Susi zierten sich aber noch etwas.
Dann zogen wir einfach mal zu einen gemeinsamen Badeausflug zum See auf der Insel los.
Vor Ort hatte ich dann natürlich gar keine Scheu, zog mich gleich aus und sprang nackt ins Wasser. Ich winkte den beiden aufmunternd zu. Peter traute sich dann als nächster, zog sich aus und kam ebenfalls ins Wasser. Susi mußte ich noch etwas locken, aber dann zog sie sich auch aus und kam zu uns. Ich zog sie schnell zu mir und auch Peter heran, küßte erst Susi, dann Peter, forderte dann: „Und nun ihr beide!“
Sie zögerten etwas, probierten es dann erst scheu, fanden aber offenbar schnell Geschmack daran und intensivierten den Kuß, umarmten sich dann fest und ich sie beide. Da waren wir gut vorangekommen und ich staunte, wie heftig die beiden nun aufeinander reagierten und Interesse aneinander zeigten. Das sah sehr gut aus, ich umarmte sie ebenfalls und ermunterte sie. Wir mußten alle schließlich heftig lachen, kehrten nach ein paar kleinen Runden im See zurück ans Ufer und ließen uns in der Sonne trocknen, schlenderten dann in der Dämmerung zurück zur Kolonie.
Wir hatten uns ja alle bislang zurückgehalten und seit Peters Wiederauferstehung gar keinen Sex miteinander gehabt. Ich hatte natürlich schon Lust, sowohl auf Peter als auch auf Susi. So überlegte ich, wie ich das voranbringen könnte, ohne Disharmonie aufkommen zu lassen. Ich entschloß mich dann für den formalen Weg, als wir dann beim Essen zusammensaßen.
Ich sprach es dann ganz trocken aus: „Also, wo das so gut mit uns läuft, sollten wir doch etwas planen, da es uns ja nun auch zu noch intimeren Vergnüglichkeiten drängen wird. Da ist dann natürlich die Frage der Familienplanung zu klären.“
Susanne war gleich im Gesicht rot angelaufen, Peter lachte etwas nervös.
Ich fuhr fort: „Naja, mit Peter hatte ich das Thema ja schon, nun haben wir eine neue Konstellation und auch eine neue Situation.
Was sind unsere Vorstellungen?
Susi etwa, möchtest du ein Kind, möchtest du schwanger werden?“
Susi stupste mich in die Seite und schaute mich nur an, wie ich wagen könnte, das so direkt zu fragen.
Peter rieb sich nervös die Hände über die Oberschenkel.
Da beide nichts sagten, tat ich meine Meinung kund: „Susi, also falls du das möchtest, würde ich auch wollen, also vorausgesetzt natürlich, Peter macht mit, Peter?“
Peter war nun auch deutlich verlegen: „Äh … ähm also … du wirfst da einfach so dieses heikle Thema in die Runde …“
Susi pflichtete ihm bei: „Ja genau, sie ist so … direkt, ja, das macht Michaela gerne mal … sie provoziert gern und wir müssen dann sehen, wir wir damit klarkommen …“
Ich ergänzte: „… aber es bringt uns voran.
Ihr beide seid euch doch sympathisch, mögt euch. Und da ist es nur natürlich, wenn wir drei auch Sex miteinander haben. Ich habe Lust auf euch beide und würde es auch genießen, wenn wir zu dritt aktiv würden oder wenn ihr beide es miteinander probieren würdet, das würde uns noch näher zusammenbringen. Bevor Peter aber Sex mit uns haben kann, müssen wir klären, ob sich das einstweilen auf das gemeinsame, intensive und lustige Vergnügen beschränken soll oder ob wir zulassen wollen oder uns gar wünschen, dabei schwanger zu werden. In letzterem Falle können wir ja einfach bedenkenlos herummachen und Peter kann da nach gemeinsamer Lust und Laune sein Sperma bei uns beiden deponieren, wie und wann es gerade kommt, wir können es genußvoll absorbieren und uns damit ganz erfüllen lassen, der Sehnsucht danach freien Lauf lassen, stets im Bewußtsein, daß das vielleicht gerade ein sehr entscheidender Akt für uns ist, der eine weitere, sehr tiefe Gemeinsamkeit zeugen kann, im ersteren Falle wäre das eher eine ungünstige Strategie ohne weitere Maßnahmen. Natürlich können wir uns auch so einfach näherkommen und einfach mal machen, sich die Dinge von selbst entwickeln lassen.“
Peter räusperte sich: „Ich sehe den Punkt. Ich mag euch beide. Und wenn das vielleicht Susanne gegenüber auch etwas keck ist, ich habe diese Tage auch sehr deutlich gespürt, daß wir sehr gut miteinander auskommen. Und mehr und noch inniger würde mir sehr gefallen. Und obwohl es heikel ist, gebe ich Michaela Recht, es ist richtig, darüber zu reden, auch wenn es etwas unangenehm ist. Wenn sich das einfach so entwickelt und in eine Richtung, die einem von uns nicht gefällt, ist das schlecht für alle.“
Susi stellte fest: „Aber Michaela geht mir da sehr schnell vor. Ich brauche da mehr Zeit, um mir das zu überlegen. Ich habe nichts dagegen, wenn ihr beide euch wieder näherkommt.“
Peter betonte: „Ich habe auch nichts dagegen, wenn ihr beide etwas zur Entspannung unternehmt, ich glaube, ihr habt euch zurückgehalten und ihr jedenfalls müßt das mit der Familienplanung ja nicht vorher klären.“
Ich lachte und stupste Susi an, die nun auch lachen mußte.
Ich meinte dann aber: „Ich hätte es dann nur dir, Peter, gegenüber als unfair empfunden, wenn wir beide fröhlich herumgemacht hätten und du dich nicht hättest einbringen können. So dachte ich, sollten wir das klären, wie die Lage wirklich ist. Wenn wir Ida oder Esme darum bitten, werden sie etwas zur Verhütung anbieten, was innerhalb kurzer Zeit funktionieren wird. Angesichts der Koloniegründung und unserer gegenseitigen innigen Zuneigung wollen wir aber vielleicht gar nichts mehr verhüten, wir sind angekommen, wir sind nun Zuhause hier, wir haben unser Nest gebaut. Da ist die Frage naheliegend, ob wir eigene Kinder wollen oder nicht oder wann.“
Susanne nickte: „Du hast ja Recht, aber so direkt vor den Kopf geknallt schwirrt mir dieser nun ordentlich. Und Peter und ich, wir sind uns ja nicht einmal wirklich einig, wie wir miteinander umgehen wollen.“
Ich lachte und fuhr ihr sanft durch das Haar: „Oh, das wirkte aber beim Baden schon ganz anders. Das war eindrucksvoll und sehr anregend mit euch beiden, da würde ich schon gerne mehr miterleben, wie ihr beide da weiter vorgeht. Ich war so erleichtert, wie gut ihr beide euch versteht, wie leidenschaftlich der Kuß war. Endlich!
Das hat mich sehr gefreut und da dachte ich, es wäre alles klar.“
Susanne hatte wieder den Blick gesenkt, wieder rötete sich ihr Gesicht, dann schaute sie wieder auf und direkt in Peters Augen. Der lachte dann, um seine Anspannung zu lösen. Ich griff mir die beiden dann und wir umarmten uns wieder, küßten und streichelten uns gegenseitig.
Das entwickelte sich dann schnell weiter zu einer wilden Knutscherei und Fummelei und die gute Idee mit der freien Diskussion war dahin und wir waren dann schnell nur noch ein Knäuel von drei Leibern, die sich gegenseitig ermunterten, bald nackt waren, sich erforschten. Es brach aus uns heraus und war dann nicht mehr zu halten. Wir wollten alle drei und irgendwie alles auf einmal.
So spielten wir also munter weiter und immer heftiger. Irgendwie schafften wir es zu einem größeren Bett und erforschten da weiter unsere Möglichkeiten zu dritt. Peter lag dann bald auf dem Rücken und war bald ausgeliefert, ergab sich, während ich Susi mit seinem Körper vertraut machte, wir ihn beide verwöhnten. Wir widmeten uns auch gemeinsam seinem prächtigen Penis und ich glich mit Susi ab, was ich schon wußte und sie Neues einzubringen hatte. Das waren natürlich reichlich Reize für Peter, daß es gar nicht so viel brauchte, bis dieser einen heftigen Orgasmus durch unsere Forschungsbemühungen hatte, sein Sperma in hohem Bogen zwischen uns durchspritzte, gar etwas davon dann als langer, zäher Tropfen an Peters Kinn hing. Wir lachten fröhlich und verrieben sein Sperma auf seiner Brust und seinem Bauch, kuschelten und rieben uns weiter aneinander. Nun probierten wir es etwas anders und zeigten Peter so einige unserer gut erprobten Möglichkeiten, wie Susi und ich unsere Erregung schnell steigerten, zeigten ihm dann auch, wie er dabei unterstützen und mithelfen konnte und so brachten Susi und ich es dann auch schnell zur Erlösung, was wiederum Peter so stark erregt hatte, daß er uns schon wieder ein pralles, steifes Glied präsentieren konnte. Nun, frohen Mutes kümmerten wir uns auch darum noch und kamen danach langsam zu Ruhe und Entspannung. Endlich waren wir so weit gekommen und es tat uns sehr gut, diesen Schritt gewagt zu haben, uns nun zu dritt so nahegekommen zu sein, die Scheu davor überwunden zu haben. Gemeinsam, vereint und zufrieden schliefen wir dann zusammen ein.
Als ich erwachte, schlief Peter noch, Susanne war aber schon wach. Sie stand nackt in der Tür und schaute nach draußen. Ich stand auch auf und stellte mich hinter sie, umarmte sie sanft, küßte ihre Schulter, streichelte ihren Po, drehte mich etwas, stand nun seitlich zu ihr, mein Gesicht dicht neben ihrem.
Sie schaute kurz und lächelte: „Alles gut für dich, wo wir nun so gut und innig harmonieren?“
Ich bestätigte: „Ja, das hat mir sehr gefallen, ich hoffe, dir auch?
Oder habe ich euch zu sehr gedrängt?“
Susi lachte, erwiderte dann: „Oh, Peter hat mir doch gleich von Anfang an sehr gefallen, ich hatte Lust auf ihn. Ich habe mich nur nicht so richtig getraut. So ist die Spannung irgendwie immer weiter gestiegen. Und dann beim Baden hast du endlich den Bann gebrochen und wir waren wirklich zu dritt zusammen. Das tat so gut, auch weil ich fühlte, wie gern du uns zusammengeführt hast.
Naja, später, das Gespräch war schon gewagt und provokant. Aber es hat uns doch weitergebracht, also alles gut. Und dann war es so schön, die Anspannung endlich abbauen zu können, sich einig zu sein.“
Ich hakte nach: „Und was meinst du nun, also das Thema des Gesprächs betreffend?“
Sie wurde wieder rot im Gesicht und ich küßte sie aufmunternd auf die Wange.
So faßte sie Mut und bekannte mir ins Ohr flüsternd: „Also meinetwegen kann es einfach so weiterlaufen. Ich möchte einmal Kinder. Und du hast Recht, wir haben unser Nest gebaut, nun sind wir soweit. Es eilt ja auch nicht, aber Peter ist ein guter Mensch. Ich kann mir gut vorstellen, daß wir einfach so weitermachen, ohne Ida oder Esme zu konsultieren. Und wenn sich irgendwann daraus etwas ergibt, ist es in Ordnung und gut. Kannst du dir das auch vorstellen?“
Ich wuselte ihr durchs Kopfhaar und stimmte zu, flüsterte ihr ihrerseits ins Ohr: „Ja, kann ich auf jeden Fall, ich habe es ja bereits gesagt, wenn du willst, will ich auch. Ich stelle es mir sehr schön vor, gemeinsam mit dir schwanger zu sein, auch diese Erfahrung zu teilen. Und Peter mag ich ja sowieso sehr, da kann ich mir auch gut vorstellen, mit ihm Kinder zu haben, sie mit euch beiden großzuziehen, damit wären wir wirklich angekommen, Zuhause.“
Wir küßten uns sanft und streichelten, umarmten uns, waren uns einig. Und so regten wir uns gegenseitig weiter an, ich hatte Spaß daran, Susi weiter einzuheizen und flüsterte weiter in ihr Ohr, entwickelte eine Phantasie, wie der Zeugungsakt passieren würde. Wir schwelgten schnell in einer befruchtenden Phantasie, wie Peters Samen in uns hineinschossen, den richtigen Weg suchten und je einer davon etwas in uns in Gang setzte, was sich dann entwickeln würde. Ich scheute mich nicht und fixte auch Susanne damit an, die quirlig-lebendig-schöpferische Flut in sich aufnehmen zu wollen, dem neuen Leben eine Chance zu gönnen, die erregende Vorstellung einer lustvollen Schwängerung voller Saft und Kraft zu genießen, aufzunehmen, aufzusaugen, zu zeugen und in uns entstehen zu lassen. Wir waren irgendwie plötzlich richtig fasziniert davon und ganz begierig darauf, Peters Saft der Ekstase in uns aufzunehmen und keinen Tropfen davon wieder herzugeben, gleichzeitig aber der jeweils anderen ebenfalls eine ordentliche Ladung davon zu gönnen, damit die Saat in uns aufginge. Wir erhitzten und stimulierten uns gegenseitig, da war keine nüchterne Überlegung mehr dabei, nur noch hemmungslose Lust. Wir lachten beide, schauten zum noch schlafenden Peter, schauten uns gegenseitig tief in die Augen, nickten gleichzeitig und schlichen uns an ihn heran, küßten und streichelten sanft seinen schönen Leib und stellten auch erfreut fest, daß sich sein Glied bereits prächtig erhoben hatte, als er begann, sich zu regen. So spielten wir weiter mit ihm und er stieg gerne mit ein. Etwas überrascht war er dann schon, wie sich das Spiel weiter entwickelte, machte aber mit, auch als Susi ihn vorsichtig dirigierte und so sein Penis in meine feuchte Scheide vordrang, sich rieb und uns beide stark erregte. Susi half uns, koste uns beide. Und ich stellte fest, daß es für mich ein besonders intensives Gefühl war, ihn so in mir zu spüren, auch im Bewußtsein, daß da nun etwas daraus entstehen könnte, was uns noch stärker aneinander binden würde. Dieser Aspekt der möglichen fruchtbaren Verbindung wirbelte durch meinen Kopf und steigerte meine Erregung und Erwartung aufs Äußerste. Es erregte uns drei alle ziemlich stark und so hatten Peter und ich fast gleichzeitig einen heftigen Orgasmus, Susi zitterte vor Erregung und Anspannung, von unserem kleinen Vorspiel ohne Peter und unserer schwelgenden Plapperei vermutete ich, daß Susi ähnlich wie ihm empfand und ich wollte unbedingt, daß die beiden in voller Ekstase ihre Körperflüssigkeiten reichlich mischen sollten, Peter sollte sie füllen, Susi sollte alles aus ihm heraussaugen, was sie kriegen konnte. Schnell und etwas zittrig vor Nervosität dirigierte ich also Peter, daß wir uns mehr Susi widmen müßten. Das taten wir zunächst mit Fingern und Lippen, wobei ich schon noch eine Hand übrig hatte, um auch Peter wieder zu stimulieren. Wir ließen uns Zeit und die allgemeine Erregung, unsere Küsse hatten eine gute Wirkung auf Peter, so daß dieser unter meiner sanften Führung bald auch sein abermals pralles Glied in Susannes Schoß versenkte und wir das Spielchen dort spielten, bis die beiden sich stöhnend ergaben und ineinanderflossen und zitternd, stoßend und keuchend ein so erregendes Schauspiel boten, daß ich mich eng anschmiegen mußte, um mit ihnen zu genießen, mich weiter stimulierte, wobei sie dann auch beide bald halfen und ich dann schnell einen weiteren, heftigen Orgasmus hatte. Danach lagen wir dann erschöpft, aber sehr glücklich ziemlich kreuz und quer durcheinander.
Wir redeten dann gar nicht mehr über Familienplanung, sondern hatten einfach hemmungslos unseren Spaß miteinander, von Planung war gar keine Rede mehr, wir ließen es einfach laufen, spritzen und sabbern bis zur totalen Befriedigung. Wir wollten es einfach gelassen sehen und der Dinge harren, die sich daraus entwickeln mochten. Zuviel Druck, unbedingt schwanger werden zu wollen, ist ja auch eher suboptimal, um diesen Wunsch zu erfüllen. So ist es schon gut, sich beim Akt intensiv vorzustellen, daß es passieren könnte, es mit voller Aufmerksamkeit und Intensität zu durchleben, den Spaß voll zu genießen, aber ohne wirklich etwas davon zu erwarten. So verkrampft sich nichts, der Umgang miteinander ist offener, lockerer und führt damit dann auch eher zum gewünschten Ergebnis.
Allerdings widmeten wir uns nicht nur unseren persönlichen Vergnüglichkeiten. Wir schauten uns dann auch die Daten insbesondere von Charybdis genauer an, entwickelten Ideen, Peter regte an, hakte nach, Hildegard und Ida experimentierten, probierten mehr aus. Und so sollte es auch hier weiter vorangehen. Schnell waren wir uns einig, daß wir auf Charybdis etwas voranbringen wollten, um eine zwar neue Vegetation zu fördern, eine Mischung von irdischen und charybdianischen Arten, aber wir wollten dabei unbedingt zahlreiche Möglichkeiten der Symbiose schaffen, um die charybdianischen Arten zu fördern. So mochte es uns dann ja vielleicht doch noch gelingen, nach der Katastrophe etwas hinzubekommen, was den charybdianischen Arten doch noch helfen mochte.
Den Ais war natürlich nicht entgangen, wie sehr wir harmonierten und zusammenhingen, wie aktiv wir gemeinsam waren. Dazu sagten sie nichts weiter. Es kam dann aber doch bald der Vorschlag, über die Kolonie zu diskutieren. Es war ja nun einmal das Konzept der Kolonie, diese mit Menschen zu bevölkern, das würden Susi, Peter und ich natürlich nicht allein hinbekommen, obwohl wir da schon täglich sehr aktiv waren und uns ganz persönlich sehr einbrachten. So setzten wir uns dann bald einmal zusammen und diskutierten unsere Optionen. Wir hatten dann ja noch die Kryo-Zombies im Raumschiff, von denen einige transferiert werden könnten.
Dazu meinte ich dann: „Das hatten wir ja schon früher einmal diskutiert. Es ist nicht so ganz unproblematisch, weil wohl keiner von ihnen sich für die Mission entschieden hat. Ähnlich wie wir sind doch wohl alle deutlich vor der Planung der Mission konserviert worden?“
Ida bestätigte: „Ja, das stimmt leider, das ist einer der schändlichen Aspekte sowohl der Kryo-Technologie als auch der Planung dieser Mission. Wenn man es so sehen will, hat man mit dem Transfer vieler Kryo-Zombies auf die Mission deren rechtlosen Status ausgenutzt, gleichzeitig aber schon einmal die Situation auf der Erde etwas entschärft, weil man damit gleich einmal die Anzahl der Personen reduziert hat, die keinen rechtlichen Status haben, von denen undefiniert ist, ob sie tot oder doch potentiell lebendig sind. Sie wissen alle nichts von der Mission und uns kommt es dann bei der Wiederauferstehung zu, sie zu integrieren.“
Susanne führte dann an: „Wenn wir mich und Michaela als Beispiele nehmen, so werden einige vermutlich nicht einmal wissen, daß sie konserviert worden sind. Und mir ist es jedenfalls nicht leichtgefallen, beides zu akzeptieren, zu einer ganz anderen Zeit wiederauferstanden worden zu sein und dann auch noch auf einer Mission fern der Heimat zu sein. Wir können wohl davon ausgehen, daß es vielen der anderen Kryo-Zombies ähnlich gehen wird. Wenn wir damit beginnen, können wir vielleicht jeweils nur ein oder zwei Personen wiederauferstehen lassen und uns ihnen dann mindestens einen oder zwei Monate widmen, bis sie in der Lage sind, sich ihrem Schicksal zu stellen. Das wir ein langwieriger Prozeß.“
Ich ergänzte: „Zudem wäre dann die Altersstruktur der Kolonie gleich zu Beginn eher problematisch, wir hätten dann viele Leute in ungefähr gleichem Alter.“
Hildegard erinnerte: „Bei unserer letzten Diskussion mit dir, Michaela, sind wir ja schon zu der Meinung gekommen, die Kryo-Zombies eher langsam und in kleiner Zahl in eine bestehende Kolonie zu integrieren. Wer sich besonders zur Koloniegründung eignet, könnte natürlich auch ziemlich zu Beginn beteiligt werden.“
Ich malte mir dabei gerade so nebenbei aus, wo die persönliche Belastungsgrenze für Peter liegen würde, wenn wir noch ein oder zwei männliche Sahneschnittchen auftauen würden, um unsere kleine, innige soziale Gemeinschaft durch diese weiteren Mitglieder oder auch mit Gliedern zu bereichern. Ob er mit diesem Durcheinander und ineinander von Körperflüssigkeiten noch so gut zurechtkäme wie mit seinem derzeit exklusiven Status?
Nun, ich wischte diesen Gedanken einstweilen beiseite und bekam nebenbei mit, wie sich Susanne auf Hildegards Aussage bezog und dieser zustimmte: „Das klingt plausibel. Welche Möglichkeiten haben wir sonst?“
Ida erläuterte: „Nun, wir haben einige Möglichkeiten. Wir haben befruchtete Eizellen, aber auch eine große Auswahl von Sperma und unbefruchteten Eizellen, zudem haben wir natürlich ebenso wie bei Tieren die Möglichkeit, diese in speziellen Brutkästen bis zur Geburt auszutragen. Das ist eine Art künstliche Gebärmutter mit diversen Optionen, damit das Kind auch ungefähr entsprechende Reize wie bei einer echten Mutter hat. Alles können wir vielleicht nicht simulieren, dafür sind aber auch die Risiken von Unfällen oder psychischen Krisen nicht gegeben, im Schnitt kommen die Kinder dabei ganz gut weg.
Danach müssen wir uns natürlich ausgiebig kümmern, was die Zahl begrenzt.“
Niemand fragte vorsichtshalber mal nach, wie die Mission zu befruchteten Eizellen, Sperma und unbefruchteten Eizellen in so großer Zahl gekommen war. Bei unseren Erfahrungen als Kryo-Zombies wollten wir gar nicht so genau wissen, welche Kryobanken dafür mehr oder weniger insgeheim geplündert worden waren. Ich wischte auch diesen Gedanken einstweilen beiseite. Wir konnten es nicht mehr ungeschehen machen. Vermutlich waren es einfach Altbestände von zum Zeitpunkt des Starts der Mission längst verstorbenen Spendern, alle sehr gut durchgetestet und dokumentiert.
Ich schätzte mal lächelnd ab: „Susanne als Lehrerin wird mit einer Klasse mit zehn bis dreißig Kindern schon zurechtkommen. Wenn ihr Ais euch beteiligt, werden wir doch mit vier bis zehn Kindern pro Jahr wohl zurechtkommen, hängt natürlich auch deutlich davon ab, wie stark automatisiert die Betreuung von Gewächshäusern und Feldern ist.“
Esme informierte: „Das sollte sich schon gut kombinieren lassen, wir haben da viele Sensoren und Subsysteme insbesondere in den Gewächshäusern.“
Peter betonte: „Mich und Michaela gibt es ja auch noch, wir können uns doch sowohl um unsere Nahrungsversorgung kümmern als auch um Kinderbetreuung. Mit mehreren Erwachsenen können wir schon allerhand erreichen.“
Ida ergänzte: „Auf jeden Fall seid ihr ein wichtiger Bestandteil. Jedenfalls halte ich die von Michaela genannten Zahlen auch für realistisch. So können wir über die Jahre eine kleine Kolonie aufbauen. Es besteht doch keine Notwendigkeit, gleich in den ersten hundert Jahren eine Großstadt mit hunderttausend oder mehr Menschen anzustreben.“
Hildegard fragte nach: „Wenn ich eure Aktivitäten richtig mitbekommen habe, scheut ihr euch ja nicht, euer Genmaterial mit in die Kolonie einzubringen, das finde ich gut. Ich vermute, künstliche Befruchtung mit befruchteten fremden Eizellen wird daher nicht euer dringender Bedarf sein?“
Susanne und ich stimmten lachend zu, dann dafür doch eher die Brutkästen, neben unseren eigenen noch weitere Kinder auszutragen, wäre dann doch schnell eine Überforderung, da waren wir uns einig.
Hildegard hatte da aber dann doch noch eine überraschende Anwendung für uns parat: „Oh, wir haben da schon Möglichkeiten im Angebot, die ihr noch gar nicht kennt. Wir können durchaus auch aus dem Genmaterial von zwei Frauen ein weibliches Kind genetisch kombinieren. Da seid ihr den Männern gegenüber deutlich im Vorteil.“
Ida fuhr fort: „Dazu verwendet man die medizinischen Mikroroboter, extrahiert damit je eine reife Eizelle aus den beteiligten Frauen, kombiniert das Genmaterial mit ein oder zwei befruchteten Eizellen als Ergebnis. Die können dann entweder in der Brutmaschine ausgetragen werden oder für eine natürliche Schwangerschaft zurück in die Gebärmutter transferiert werden …“
Susanne und ich lachten, als wir uns das vorstellten.
Ich entgegnete dann: „Naja, die genetische Vielfalt ist da begrenzt und ich glaube ja auch nicht daran, daß unbedingt an unseren Wesen die Menschheit genesen wird.“
Peter grinste und betonte: „Wir hätten dann immerhin auch dort Symmetrie der Möglichkeiten. Aber es stimmt schon, zuviel von uns ist nicht gut für die genetische Vielfalt der Kolonie.“
So stellten wir die Option erst einmal zurück und wollten doch lieber für uns jedenfalls bei der üblichen Methode bleiben, die machte uns viel Freude und stärkte zudem unsere Zusammengehörigkeit, das würden gemeinsame Kinder von Susanne und mir auch, aber so hätten wir dann ja doch eine subtile Schar von Halbgeschwistern, wahrscheinlich dann mehr Mädchen, an sich nicht schlimm, von der statistischen Mischung dann aber nicht mehr so ausgewogen.
Ich nickte auch und bemühte mich, das Thema etwas zu verschieben, bevor es noch zu heikel werden würde: „Gibt es weitere Optionen, auch hinsichtlich der genetischen Vielfalt der Kolonie?“
Ida erläuterte bereitwillig: „Also bei allen Arten ist unsere Auswahl und die genetische Vielfalt unseres Archivs groß. Dazu haben wir in der Datenbank noch viel mehr Arten und auch genetische Variationen kodiert. Technisch möglich ist es mit einigem Aufwand sogar, diese digitalen Daten wieder in genetisches, biologisches Material umzukodieren. Bevor wir das tun, sollten wir es aber unbedingt mit den reichhaltigen und vorhandenen Vorräten und Möglichkeiten versuchen.
Wenn ihr drei euch mit eigenem genetischen Material beteiligt, ist das insofern schon schön und hilfreich, als über eigene Kinder ja auch ein viel engerer Bezug zur nächsten Generation da ist. Es ist so ja auch gewiß, daß ihr ganz persönlich etwas von euch für die Kolonie und die Zukunft weitergebt. Und das ist doch auch ein natürliches Bedürfnis biologischer Wesen, oder etwa nicht?“
Peter und ich nickten vorsichtig, Susanne führte dann aus: „Ja schon, so oder so werden wir uns natürlich um alle Kinder kümmern, das hängt ja nicht an den eigenen. Sind die Kinder erst einmal da, entwickelt sich doch ohnehin eine Eigendynamik, viel ergibt sich von selbst. Wir bekommen das gemeinsam schon hin!“
Damit hatte sie sicherlich Recht.
Ich schloß dann: „Gut, was mich anbelangt, ich fühle mich erst einmal hinreichend über unsere Optionen informiert.“
Susanne stimmte sofort zu: „So erklärt sehe ich jetzt auch klarer, wo die Reise hingeht.“
Peter faßte zusammen: „Also gut, ich schlage vor, wir lassen das ein paar Tage sacken, dann bereiten wir vor, wählen aus, machen uns an die Umsetzung. Wir könnten uns darauf einigen, wie wir etwa aus den befruchtete Eizellen oder auch den Eizellen und Samen auswählen. Zufällig wäre naheliegend, damit wir nicht absichtlich oder unbewußt züchten, statt Vielfalt anzustreben.“
Hildegard erwiderte: „Das scheint mir auch plausibel zu sein. Bei den befruchteten Eizellen ist eine Zufallsauswahl ausgezeichnet. Bei den anderen können wir allenfalls bei der Kombination versuchen, auf Vielfalt zu achten.“
Ida bestärkte das noch: „Ja, in eine bestimmte Richtung züchten wollen wir nicht. Wir wissen allerdings nicht genau, nach welchen Kriterien da überhaupt ausgewählt wurde. Aber vielfältig ist der Vorrat gewiß, wir werden das nicht künstlich einengen.“
Und damit schlossen wir dann erst einmal diese Konferenz.
Tage später begannen wir dann und setzten die Planung um, entschieden dabei Details. Damit hatten wir dann wirklich begonnen, unsere Kolonie zu bevölkern, als Menschheit hier fern der Erde Fuß zu fassen. Wir diskutierten natürlich auch unsere Hoffnungen, vielleicht auch Illusionen.
Würde es uns gelingen, so von Grund auf eine sozialere, bessere Gesellschaft zu gründen, harmonisch, tolerant, liebevoll, ökologisch kompatibel?
Oder würde es dann doch irgendwann wie auf der Erde werden mit einem Haufen Menschen, die alles für sich selbst ausnutzen und zerstören?
Nun, zu Beginn würden wir uns schon bemühen, die Weichen günstig zu stellen. Aber die Kruste von Kultur, Wissen und Toleranz auf dem menschlichen Sein ist eben sehr dünn. Und wie schnell ist das abgekratzt, wie schnell kann man mit wenigen schlechten Entscheidungen darunter das Rohe, Brutale, Rücksichtslose im Menschen hervorpuhlen.
Natürlich hatten wir gar nicht so viel im Griff, waren aber doch irgendwie grundlos zuversichtlich, letztlich doch das Schlimmste zu vermeiden und unserer Kolonie einen guten Weg in die Zukunft zu ebnen.
Wir waren ganz im Hier und Jetzt und würden die Zukunft schon meistern, mit Fehlern, aber doch zäh dranbleiben und unsere Gemeinschaft voranbringen.
Das war nun der Neubeginn, wenn darüber auch ein dunkler Schatten lag. War der düstere Ursprung der Kolonie in der von uns verursachten Katastrophe vielleicht doch nur die Fortsetzung der allgemeinen menschlichen Katastrophe?
Wenn sich unsere Kolonie entwickeln würde, würden das dann wieder die gleichen Menschen mit gleichen Entscheidungen und Handlungsweisen werden, die bereits die Erde fast vernichtet hatten?
Hatten wir hier nicht das düstere Werk der Vernichtung längst fortgesetzt?
Oder würde es uns doch gelingen, mit Liebe und all der begrenzten Klugheit, die wir nur aufbringen konnten, einen wirklichen Neuanfang zu schaffen?
Mir kam es jedenfalls so vor, als hätten wir es nun vor uns, das unentdeckte Land: Die Zukunft.
Bald schon wußten wir dann, daß sich die Zukunft ohnehin nicht aufhalten ließ. Wir drei waren ja sexuell sehr aktiv und genossen in vollen Zügen unsere Harmonie, die hemmungslose Leidenschaft und Lust. Und die doch eigentlich erwünschten Folgen blieben nicht aus. Wir wußten dann, daß wir beide, Susi und ich von Peter schwanger waren und so wie von uns erhofft gemeinsam die Schwangerschaft erleben würden, so waren wir drei auch in diesem neuen Lebensabschnitt sehr eng miteinander verbunden, freuten uns innig über das doch nicht nur komplett mühelos erreichte Ergebnis, es war ja geradezu eine große Lust gewesen, an diesem Ergebnis zu wirken, es war sehr intensiv und so reich an Empfindungen gewesen, das zu spüren und bewußt zu tun. Und nun genossen wir und freuten uns, auch nachdem Ida dann nach genaueren Untersuchungen berichten konnte, daß die beiden Kinder wohlauf und komplett gesund seien. Nicht minder erfreulich, das konnte sie ebenfalls berichten von den Kindern, die nun bereits in den Brutkästen heranwuchsen. Unsere Zukunft hier hatte damit endgültig begonnen, wir hatten uns in der neuen Heimat eingerichtet und nutzten sie bereits.
Bernd
Der Vorschlag, eine weitere Person auszuwählen, ging mir noch weiter durch den Kopf. Hatten Peter und Susanne das befürwortet, um mich abzulenken?
Implizierte das nicht irgendwie die Annahme, es ginge einfach nur darum, mit irgendwem intim zu sein?
Implizierte das nicht auch das Problem, welches schon die erste Krise zwischen mir und Susanne ausgelöst hatte, als diese das Gefühl bekommen hatte, nur ausgewählt worden zu sein, um mir als Gesellschaft zu dienen?
Würde das unter den gegebenen Umständen die neu ausgewählte Person nicht erst recht haben?
Ich schwankte, war mir unsicher, sah mir dann aber doch am übernächsten Tag einmal ganz unverbindlich erneut die Daten durch. Ich hatte mir überlegt, daß die Person ja doch jedenfalls beruflich gut zur aktuellen Lage passen sollte oder jedenfalls flexibel einsetzbar sein. Im Vergleich zu meiner damaligen Situation auf dem Raumschiff, dann auf der Raumstation hatte sich die Lage hier in der Kolonie deutlich geändert. Hier würden nun bald weitere Qualifikationen relevant werden, die es damals noch nicht waren.
Über diese Erwägungen hinaus wären ausschließlich persönliche Kriterien wohl bedenklich, allerdings auch nicht komplett ausgeschlossen, käme wohl auf eine geschickte Argumentation an. Ich konnte ja nun keinesfalls davon ausgehen, daß dabei mehr als eine persönliche Bekanntschaft herauskommen sollte. Um eine weitere Person zu integrieren, wäre es also von Vorteil, wenn dieser die Nützlichkeit innerhalb der Kolonie einleuchten würde. So würde diese sich auch schneller einfinden und die Situation fernab der Erde akzeptieren.
Nun, ich sollte auch schon ein Auge darauf haben, ob die Person vielleicht zu mir passen könnte. Das wäre ja immerhin sehr nützlich für die soziale Struktur. Und so hätten dann ja auch doch eigentlich persönliche Kriterien Relevanz für die Kolonie.
So hatte ich da also ein paar, aber eher wenige Kriterien bei meist dürftiger Aktenlage. Viel Mühe hatte man sich jedenfalls bei der Zusammenstellung der Informationen über die mitgenommenen Personen nicht gemacht. Bei solch einer aufwendigen Mission war das schon verwunderlich. Der Aspekt, Kryo-Zombies loswerden zu wollen, würde ja nicht den gewaltigen Aufwand rechtfertigen.
Gut, wenn die konservierten Personen zum guten Teil gar nicht wissen, daß sie konserviert werden, wenn keine der Personen überhaupt von der Mission weiß, ist es nicht so erstaunlich, daß die für die Mission nützlichen Daten eher dürftig sind. Wäre das alles klar gewesen und die Konservierung nicht in den allermeisten Fällen eine letzte Notmaßnahme gewesen, hätten die Personen sicherlich ausführlich Fragebögen ausgefüllt. So war eben nur vorhanden, was man so über die Leute zusammenbekommen konnte und für relevant hielt.
Ganz interessant schien mir dann eine junge Frau zu sein. Ihr Name ist Consuela. Als Referendarin an einer Grundschule war sie kurz vor dem Abschluß des Studiums zur Heldin geworden, als sie mehreren Schülern das Leben gerettet hatte, dabei aber selbst lebensgefährlich verletzt wurde. Sie hatte wohl auch einmal in einem Kindergarten praktiziert. Von daher wäre sie gut geeignet für die Entwicklung der Kolonie.
Allerdings hätten wir dann schon drei erwachsene Frauen, mit Melanie vier weibliche Mitglieder in der Kolonie, mit Peter aber nur einen Mann. Das wäre dann allmählich schon sehr unausgewogen.
Dafür erschien sie mir gleich sehr sympathisch, auf den Bildern und auch von den sonstigen Daten her. Es gab sogar einige Texte, die sie persönlich verfaßt hatte.
Damals bei der ersten Auswahl war sie praktisch an mir vorbeigegangen, weil da Kindergarten und Schule noch nicht die gefragten Aufgabenfelder waren. Nun aber könnte das sehr nützlich sein.
Aber ob sie für mich persönlich etwas bedeuten könnte?
Wie wahrscheinlich war es schon, ob sie sich für eine Beziehung mit einer Frau interessieren würde?
Es gab ja auch eine kleine Photosammlung von ihr. Da war sie auffallend häufig zusammen mit einer anderen Studentin zu erkennen, die bei späteren Aufnahmen aus der Studienzeit aber nicht mehr auftauchte. Über diese Frau gab es leider keine weiteren Informationen. Ich meinte aber auf einigen Photos aufgrund ihrer Körperhaltungen zueinander zu erkennen, daß da vielleicht etwas mehr als eine platonische Freundschaft im Spiel sein könnte, vielleicht nicht einmal bewußt in einer intimen Beziehung umgesetzt, aber doch eine sehr vertrauliche Nähe.
Konnte ich daraus etwas schließen?
Ihr Datensatz wies sie aus als weder verheiratet noch in einer festen Lebensgemeinschaft lebend. Nun, man gibt ja nicht zwangsläufig überall an, mit wem man gerade zusammen ist. Auch gab es sicher auch zu ihrer Zeit noch immer eine gewisse Scheu, lesbische Beziehungen offen zu leben, insbesondere vielleicht im Bereich Pädagogik und Kindererziehung, obgleich das natürlich albern ist, aber viele Leute gehen da eben doch eher Problemen aus dem Weg, um sich zunächst im Beruf zu etablieren.
Das Argument der Unausgewogenheit mit nur einem Mann in der Kolonie ließ mich dann jedenfalls weitersuchen, dann eher nach einem Mann. Da hätte es einige Kandidaten gegeben, die beruflich für die Kolonie nützlich sein könnten. Am wenigsten festgelegt war ein junger Student namens Bernd. Er hatte zwei jüngere Geschwister, eine alleinerziehende Mutter. Als ältestes Kind hatte er so bestimmt auch Erfahrung darin, sich um seine Geschwister zu kümmern. Es gab auch Photos der Familie. Und da sah es jedenfalls so aus, als würden sie sich verstehen und gut miteinander auskommen, als würde Bernd Verantwortung übernehmen können.
Bernd hatte es gerade nach einem Semester Landschaftsarchitektur bei einer waghalsigen Aktion mit dem Rad im Wald erwischt. Mangels abgeschlossenem Beruf hatte ich von ihm Zeugnisse vorliegen, danach war er vielseitig begabt und interessiert, was auch das hergab, was ich sonst noch so in seinen Daten finden konnte. Er war ein Kompatibler, also jemand mit einem Chip im Kopf zur Erweiterung der Rechenleistung, der Speicherung von Daten.
Ich schweifte ab und recherchierte etwas über die Technik:
Zu seiner Zeit brauchte es zusätzliche Geräte zur Verbindung mit dem weltweiten Netzwerk, zudem wurde der Akkumulator des Chips per Induktion geladen, damit der funktionierte, mußten die Leute also immer wieder zu Ladestationen. In der Konservierung hatten die medizinischen Mikroroboterschwärme zusammen mit anderen Maßnahmen zu einer Aktualisierung geführt, also ein deutlich leistungsfähigerer Chip, mehr Speicher, Energieversorgung direkt aus dem menschlichen Gewebe.
Nach der Wiederauferstehung würde er sich wundern!
Die Bilder von Bernd waren auf jeden Fall für mich auch sehr überzeugend. ansprechend, appetitlich. Neben einem sehr sympathischen Lächeln konnte er mit einer sportlichen, aber nicht übertrainierten, sehr männlichen Figur punkten. Das war nun schon so attraktiv und seine Kontakte im Radsportbereich zu ähnlichen attraktiven Kumpels ließen mich schon vermuten, da könnte auch mehr als Männerfreundschaft und Sportsgeist im Spiel sein. Ich fand dann aber auch Bilder mit attraktiven Frauen seines Alters, wo die Körperhaltungen, die Mimik und der Bezug zueinander doch eher auf Interessen in diese Richtung wiesen.
In den Daten fand ich da bei ihm sonst auch keine Informationen über seine sexuelle Ausrichtung.
Er gefiel mir aber gleich sehr. Ich hatte durchaus Lust, mit ihm Bekanntschaft zu schließen. Kritisch schaute ich gleich mal nach meinem äußeren Erscheinungsbild. Selbst wenn ich die vielen Jahre der Konservierung bei uns beiden abzog, war ich ja doch ein paar Jahre, ein Studium und eine Promotion und noch ein wenig mehr älter als er. Formal passen junge Männer eigentlich ganz gut zu Frauen, die ein paar Jahre älter sind, das könnte schon harmonieren. Nur sehen das die jungen Männer nicht notwendig so. Vorteil für mich: Die Konservierung hatte mehr geleistet, als mich nur die Jahrhunderte überstehen zu lassen. Das war auch so bei Susanne und Peter. Ida hatte das ja auch mal erklärt, die Reparaturen und die Betreuung während der Konservierung können bei den meisten Leuten auch in gewissem Grade Alterungserscheinungen mildern, teils gar rückgängig machen.
So würde ich also vermutlich auch bei jungen Männern attraktiv und relevant erscheinen. Zumal die Auswahl ja ohnehin stark begrenzt ist und der Sexualtrieb besonders bei jungen Männern meist stark ausgeprägt ist.
Hildegards früherer Argumentation folgend, mochte sich da also mehr oder weniger automatisch etwas entwickeln, wenn man so traulich zusammen ist. Der tägliche Umgang in der Gruppe soll es machen.
Was ist aber mit seiner spezifischen Qualifikation für die Gruppe?
Immerhin ist er jung und flexibel, vielseitig interessiert, sportlich, nach den Zeugnissen unbedingt intelligent, auch im naturwissenschaftlichen Bereich und bei Sprachen gut, da gab es kaum Schwachpunkte. So würde er sich also leicht und schnell weiterbilden können. Das wäre eine gute Sache, denn so könnte er sich leicht gezielt Wissen aneignen, welches für den aktuellen Stand der Mission relevant wäre. Nun und im weitesten Sinne kam die Mission ja auch seinem Interesse für Landschaftsgestaltung entgegen. Immerhin haben wir zwei Planeten, wo viel gestaltet werden kann, wo viel entschieden, geplant und umgesetzt werden kann, wo was angepflanzt werden soll, wo auch durchaus etwas nachgeholfen werden kann, um eine üppige und abwechslungsreiche Vegetation aufzubauen, die sich gut selbst entwickeln würde. Mit Peters Hilfe und denen der Ais könnte er sich da voll austoben und viel zum Fortschritt der Mission beitragen.
Also wäre dieser Kandidat eine gute Wahl, auch oder gerade weil er noch eine Menge lernen würde, nicht so festgelegt war und sich flexibel und motiviert einarbeiten würde, denn warum sollte er sich dem verweigern?
Sein Leben lag ja vor ihm, unbestimmt und nun in einer Fülle von neuen Möglichkeiten, die er vorher nie gehabt hätte. Hier konnte er einen guten Teil seiner Zukunft mitgestalten, das bot sich sonst in dem Umfang nicht. Und sich die eigenen Perspektiven erarbeiten zu können, ist doch besonders in dem Alter sehr spannend und attraktiv.
Ich schaute weiter, fand noch ein paar andere nicht uninteressante Kandidaten, sortierte hin und her und wieder aus. So hatte ich dann nach der größeren Sichtung die Auswahl auf neun Personen reduziert, die ich mir weiter kritisch ansah. Für mich blieben aber Bernd und Consuela die überzeugendsten Kandidaten. Dennoch schlief ich darüber erst einmal wieder eine Nacht, schaute dann erneut noch einmal alles durch, reduzierte die Anzahl dann auf vier, drei Männer einschließlich Bernd und dazu noch Consuela.
Beruflich wichtig und relevant wären gemäß meiner bisherigen Erwägungen Männer gewesen, die als Kindergärtner arbeiten oder eben als Grundschullehrer. Das paßte aber leider zu keinem der drei Herren, nur zu Consuela.
Ich überlegte hin und her und dann blieben doch Bernd und Consuela auf dem Tisch als mögliche Alternativen.
Aber welche Wahl sollte ich treffen?
Das Für und Wider für beide war offengelegt. Ich ließ das noch einmal etwas liegen und sacken, schlief noch einmal zwei weitere Nächte drüber, ging noch einmal einige Datensätze anderer Personen durch, kam aber zu dem Schluß, nichts Wesentliches übersehen zu haben.
Den Morgen darauf verwarf ich die Angelegenheit erst einmal wieder. Es ging doch nicht nur um Biologie.
So frisch nach der Abweisung durch Susanne konnte ich mich doch nicht schon wieder auf eine neue Person einlassen?
Konnte ich?
Selbst körperlich erschien mir das zweifelhaft.
Aber einfach so einen Schalter umlegen und mit Susanne Schluß und mit einer anderen Person so von Jetzt auf Gleich etwas Neues beginnen?
Das fühlte sich irgendwie nicht richtig an.
Susanne hatte bei Peter gleich zugegriffen. Das hätte ich eigentlich eher mir als ihr zugetraut. Das war dann doch wohl eine falsche Einschätzung. Dadurch hatten sich aber auch die Rahmenbedingungen geändert. Nun bräuchte ich mich ihretwegen jedenfalls nicht mehr zurückhalten. Und doch schwankte ich noch.
Aber war es nicht eigentlich das, wonach ich in den Datensätzen gesucht hatte?
Nach irgendeinem abstrakten Ersatz für das Verlorene und doch noch immer Präsente?
Wie sollte das gelingen?
Jedenfalls saß ich dann mit Susanne und Peter zusammen an der Arbeit, wegen Melanie waren entweder Peter oder Susanne oder beide oft natürlich auch anderweitig mit ihr beschäftigt, aber wir hatten mit der Arbeit ja nicht sonderlich Druck, so war das schon in Ordnung. Und ich hatte ja auch schon damit angefangen, gelegentlich für Melanies Belustigung zu sorgen.
Ida teilte uns dann formlos mit, daß die Vorbereitungen abgeschlossen seien, die Brutkästen etc fertig, wir also demnächst loslegen könnten.
Wir mußten also nur noch rufen ‚Los!‘ und es würden dramatische Änderungen in Gang gesetzt, auch was unser ganz persönliches Leben betraf. Naja, die waren ja ohnehin längst geschehen – Susanne und Peter zusammen, Melanie da, ein weiteres Kind unterwegs. Was sollten mich da schon noch weitere Veränderungen verunsichern oder beunruhigen?
Nach der Nachricht fragte mich dann Susanne: „Michaela, hast du bereits die Daten der Kryo-Zombies durchgesehen und bist vielleicht gar schon zu Schlüssen gekommen?“
Peter bestärkte das noch: „Ohja, würde doch passen, das auch zu beginnen …“
Ich atmete tief durch und erwiderte: „Hmmm, meint ihr wirklich, daß das so einfach funktioniert?
Mir einfach mal so einen neuen Sexpartner auftauen und dann bin ich wieder glücklich?“
Susanne schaute mich erschrocken an, entgegnete dann: „… so … so … so war das doch gar nicht gemeint. Also wenn schon, dann entwickelt sich das doch und wir können das doch vorher gar nicht wissen, nur hoffen, daß wir gut miteinander auskommen.“
Ich verschränkte die Arme und setzte dagegen: „Hörte sich aber so an. Ich wäre dann beschäftigt und nicht mehr das fünfte Rad am Wagen.“
Peter versicherte: „Bist du doch gar nicht. Wir dachten nur … naja … mit einer weiteren Person wärst du allerdings nicht immer damit konfrontiert, wie das zwischen uns gelaufen ist. Ist ja schon klar, daß das für dich nicht so einfach ist. Eine weitere Person aber hat nichts damit zu tun, böte also auch andere Möglichkeiten …“
Ich antwortete: „Schon klar.
Also gut.
Ich habe jemanden herausgesucht … Moment …“
Ich suchte nach den Daten, die beiden kamen heran, Peter hatte gerade Melanie auf dem Arm. Und dann zeigte ich auf dem Monitor spontan den Datensatz von Bernd vor.
Dazu stellte ich entschlossen auf den Monitor tippend heraus: „Der soll es sein!
Den will ich!“
Die beiden schauten sich die Daten, auch Bilder an, schauten auch mich an, dann wieder die Bilder.
Zögernd meinte dann Susanne: „Ohha, also gut … also schon rein optisch ist das gut nachvollziehbar …“
Peter räusperte sich, ergänzte: „Eindrucksvolle Auswahl …“
Susanne sinnierte weiter: „Jung ist er … ziemlich jung, gerade mal heraus aus der Schule …“
Peter fügte hinzu: „… sportlich, frisch, sicher sehr aktiv, wild vielleicht sogar …“
Ich versicherte: „Ist alt genug.
Und fit bin ich auch.“
Susanne hatte gerade in das Bilderalbum gewechselt: „Donnerwetter, als gut, schon klar, warum du den herausgesucht hast … also … hmmm … uiuiui … wenn du dich da mal nicht übernimmst!“
Ich widersprach: „Nein also, der ist genau richtig, um meinen Kummer zu kurieren und mich abzulenken, mit ihm kann ich sicher viel unternehmen und das kommt euren Ideen doch entgegen, wenn wir zusammen viel unternehmen, ergeben sich Alternativen und wir sind nicht so aufeinander fokussiert und auf unsere gemeinsame, für mich nicht so erfreuliche Historie.“
Melanie wechselte gerade zu Susanne, worauf sich Peter dann am Kopf kratzte, Susanne etwas besorgt anschaute, wie beeindruckt diese von dem Bilderalbum war. Nunja, Bernd war ja nun auch wirklich ein Zuckerchen, ein Schnuckelchen, so jung und frisch und dynamisch aktiv.
Hatte er etwas Angst, Susanne könnte umschwenken?
Hatte er ihr deswegen sozusagen als Erdung gleich einmal Melanie überlassen?
Ich konnte mir ein Grinsen kaum verkneifen.
Ich setzte noch nach: „Sieht mir wirklich nach einem prachtvollen, patenten, potenten Burschen aus. Genau den will ich!“
Peter fuhr sich nun mit beiden Händen durch das Kopfhaar, beide schauten mich an.
Er fragte nach: „Nun … nun … und was meinst du, was ihn sonst noch besonders für unsere aktuelle Situation geeignet machen könnte?“
Ich führte dazu aus: „Oh, das liegt doch auf der Hand. Er hatte kleinere Geschwister, um die er sich auch gekümmert haben wird, denn seine Mutter war alleinerziehend, ist also an Kinder gewöhnt, wird damit umgehen können. Und da er sich für Landschaftsarchitektur interessiert, hat er hier mit zwei Planeten ein reiches Betätigungsfeld. Mit dir, Peter, zusammen wird er viel gestalten und einrichten können, damit sich das gut entwickelt. Hier auf Skylla haben wir doch noch so viel Fläche, die kaum Vegetation hat, mit einer guten Gestaltung der Landschaft kommen wir da voran. Auch auf Charybdis könnten wir die Besiedlung des Landes gut weiter vorantreiben, wenn wir da mit ein paar Maßnahmen nachhelfen würden.“
Susanne gab zu bedenken: „Aber ein Semester ist nicht gerade viel …“
Das Argument erkannte ich an: „Stimmt. Das macht ihn zudem noch sehr flexibel. Auf den Zeugnissen hat er in Naturwissenschaften, Sprachen gute Noten. Und da erkennt man waches Interesse. So jung ist er neugierig und lernt eifrig dazu. Als Kompatibler hat er zudem gute Möglichkeiten, zügig Daten aufzunehmen. Ich vermute jedenfalls, daß das irgendwie so funktioniert, müßten wir dann nochmal Ida genau danach fragen, was der Kram bei den Kompatiblen eigentlich wirklich macht. Und ich bin überzeugt, mit den Ais hier wird er ohnehin schnell vorankommen mit Fachwissen. Peter, du hast doch auch in relativ kurzer Zeit einen guten Überblick über die Veränderungen in deinem Fach bekommen?“
Peter kontestierte: „Ja, das hat bei mir gut funktioniert. Gut, wirklich, in dem Alter, zu Beginn des Studiums … bei dem Fach, den Interessen … er wird motiviert sein … wirklich, also gut, das ist ein Gesichtspunkt, muß ich zugeben. Noch ist er nicht sonderlich qualifiziert, wird sich das aber wohl motiviert zügig aneignen können, was wir hier wirklich brauchen. Festgelegt ist er nicht, darin liegt eine Chance für ihn und für uns.“
Ich ergänzte: „Und biologisch auch ohne Berücksichtigung der Konservierung ein paar Jahre jünger als wir wäre das auch ein Anfang, die Altersstruktur etwas aufzulockern. Er wächst da richtig rein, kann mehr Verantwortung übernehmen, wenn wir vielleicht schon etwas zurückstecken wollen, entweder wegen eurer Kinder oder auch sonst …“
Immerhin, sie nickten beide nachdenklich.
Susanne flocht dann mit ein: „Wie das mit den Kompatiblen funktioniert, würde ich auch gerne wissen. Vielleicht können wir ihn ja für deutlich mehr als für Landschaftsgestaltung interessieren, auch wenn es dafür reichlich Möglichkeiten gibt. Breiter angelegte Aktivitäten wären sicher nützlich.“
Ich gestikulierte leicht mit den Händen: „Ich setze da schon auf jugendliche Begeisterungsfähigkeit, Neugier und auch Faszination für diese neue Welt. Da wird er sich gerne einbringen und bei dem Alter auch leichter integrieren lassen. Studienbeginn ist doch sowieso ein Wendepunkt im Leben, da beginnt ohnehin etwas ganz Neues. Da ist der Bruch hier mit der Mission nicht so groß. Auch das könnte hilfreich sein. Er ist noch nicht so festgelegt in seiner Lebensplanung. So wird es ihm leichterfallen, sich mit der neue Umgebung anzufreunden. Sicher wird ihm auch der Verlust zusetzen, aber es wird auch ein ganz neues Abenteuer sein!“
Susanne schaute wieder die Bildergalerie durch, wiegte überlegend den Kopf, versuchte irgendwie intuitiv einen Eindruck, eine Meinung zu bekommen.
Peter schaute auch, auf Monitor und Susanne, äußerte dann Vorbehalte: „Das unterschiedliche Alter, auch daß er einige Jahre später als wir in einer bereits etwas anderen Zeit geboren wurde, kann Unruhe in unsere Gruppe bringen. Er wird sehr aktiv sein, als Kompatibler vielleicht deutlich anders, könnte sich als sozialer Sprengstoff erweisen …“
Ich schüttelte nachdenklich den Kopf: „Ach was, er wirkt doch ganz nett. Das bekommen wir schon hin. Ich kümmere mich ja. Mit dir zusammen wird er sich hervorragend um Landschaftsprojekte, die Bereicherung der Vegetation kümmern können, mit Melanie wird er sicher umgehen können, auch mit Susanne werden sich Anknüpfungspunkte finden, da habe ich gar keine Zweifel. Wir sind ja die einzigen anderen Menschen hier, was bleibt ihm für eine andere Möglichkeit, als sich mit uns auseinanderzusetzen und sich mit uns auszutauschen, mit uns anzufreunden, mit uns auszukommen?
Er wird ja nicht gleich eine Hütte für sich allein auf einer anderen Insel fordern.
Und selbst wenn – wäre das dann für uns wirklich ein Problem?
Wir sind nicht mehr auf der Raumstation, haben auch Platz und Möglichkeiten, uns mal aus dem Wege zu gehen. Kleinere, unvermeidliche Konflikte müssen hier nicht gleich eskalieren, weil wir Platz haben, wo wir auch einmal eine Pause voneinander machen können.
Aber gut, über Kompatible könnten wir wirklich etwas mehr erfahren. Ida?“
Ida antwortete akustisch: „Michaela, ja, was gibt es?“
Ich tat unser Anliegen kund: „Wir hätten mal Bedarf an Informationen über Kompatible. Da haben wir gehofft, von dir nähere Auskunft bekommen zu können. Sonst müßten wir uns mühsam einlesen. Du kannst das vielleicht schon einmal auf die wesentlichen Dinge kondensieren?“
Ida beantwortete die Frage: „Ja, mache ich gerne. Ich komme dann einfach mal mit dem Avatar vorbei, da fällt euch die Plauderei sicherlich leichter. Bin gleich da.“
Wir warteten also, es dauerte aber nicht lange, dann war Idas Avatar auch schon bei uns.
Ich wies auf Bernds Datensatz hin: „Also, das ist ein Kompatibler unter den Kryo-Zombies. Da hätten wir nun gerne gewußt, wie sich das auswirkt auf Charakter, Denken, Lebensführung, Verhalten etc. Wie funktioniert das bei den Kompatiblen, wie verändert sie das, welche Möglichkeiten haben sie?
Könnten sich allein daraus für uns Probleme ergeben?“
Ida antwortete: „Eine Menge Fragen, Moment, ich schaue erst einmal.“
Idas Avatar machte eine Geste. Offenbar ging Ida gerade den Datensatz durch.
Da referierte sie: „Also gut. Bernd gehört zu der ersten Generation der Kompatiblen. Da geht noch nicht so viel. Die Schnittstelle dient dazu, leicht an Informationen auf dem globalen Netzwerk zu kommen. Innerhalb der Konservierung wurde das ja schon auf die Mission hin umgestellt und aktualisiert. Der neue Chip ist leistungsfähiger, die Speichereinheit ebenfalls, der Funktionsumfang aber ähnlich. Die Aktualisierung nicht nur der Programme war gar nicht so einfach, denn der Austausch im Grunde der gesamten Schnittstelle durch ein neueres Modell ist nicht so einfach. Diese Schnittstellen passen sich am besten ein, wenn sie in jungen Jahren implementiert werden. Das Gehirn richtet sich so effizient auf die Möglichkeiten ein, kann sie im vollem Umfangen nutzen. Zum einen eignet es sich für schnelle Rechnungen natürlich, schnelle Datenverarbeitung, dann eben auch der Speicherung von Daten. Allerdings, wenn die Daten lediglich heruntergeladen werden, auf der Speichereinheit abgelegt, so sind sie zwar verfügbar, die Person hat das aber in dem Sinne nicht gleich verinnerlicht und präsent, kann es aber nachschlagen. Deutlich schneller als ihr etwa über die Monitore hier in unserer Datenbank. Die Verknüpfung etwa für die Verarbeitung audio-visueller digitaler Daten im Gehirn ist gar nicht so einfach. Das Gehirn muß das erst lernen. Bei dem Alter von Bernd und der relativ frühen Implementierung vermute ich, daß er seinen Zusatzspeicher gut nutzen kann, den Chip also sowohl sozusagen als mathematischen Koprozessor nutzen kann, diesen zusammen mit dem Zusatzspeicher aber auch als Zusatzgedächtnis, als permanente Hilfe zur schnellen Aneignung neuen Wissens. Aber er kann damit auch nicht Unmengen von Daten präsent haben. Lediglich was oft gebraucht wird, bildet eine intensive Verknüpfung mit dem Gehirn aus, ist also immer und unmittelbar verfügbar. Andere Daten, die kaum gebraucht werden oder nur der gelegentlichen Unterhaltung dienen, wird er aber einfach über einen Index suchen müssen, um sie sich so zugänglich zu machen. Ein großer Teil der zusätzlichen Fähigkeiten ähnelt also hier den Geräten mit Monitoren, akustischen und visuellen, taktilen Ein- und Ausgaben, ist eben nur direkt mit dem Gehirn verbunden, knüpft aber durchaus an jene Zentren des Gehirns an, welche Töne und Lichtreize verarbeiten, an einige weitere auch, jedes Gehirn ist ja anders vernetzt, es kann also durchaus überraschend sein, wie einige Kompatible diese Schnittstelle, diese zusätzlichen Möglichkeiten nutzen. So oder so sind Kompatible aber Menschen, im Verhalten, den Ansichten euch sehr ähnlich, sicherlich viel ähnlicher als Ais. Da wir doch gut miteinander auskommen, sollten Kompatible da also keine besondere Herausforderung sein. Behandelt werden sollten sie wie nicht kompatible Menschen auch, es fällt gar nicht weiter auf. Sie haben eben lediglich den Vorteil, einige Dinge schneller ohne sichtbare Hilfsmittel in Erfahrung zu bringen, einige Dinge schneller verarbeiten zu können, vielleicht wie zu eurer Zeit ausgewiesene Experten auf einem Gebiet da ziemlich schnell etwas sagen konnten, wenn sie gefragt wurden.“
Ich hakte nach: „Du hältst das also für die Struktur unserer sozialen Gruppe für unbedenklich?“
Ida bestätigte: „Die Zusatzfunktionen eines Kompatiblen unbedingt. Das schadet nicht, weder dem Kompatiblen noch euch. Hier in der kleinen Gruppe unterliegt er zudem der sozialen Kontrolle, da wäre dann auch ein Abdriften in Scheinwelten, in eine Spielsucht unwahrscheinlich, zudem uns Ais das auch auffallen würde. Unser Netzwerk hier mit zwar reichlich Daten, aber wenigen Teilnehmern ist einfach zu klein, um sich darin zu verlieren. Das war eine gewisse Gefahr für Menschen, kompatibel oder nicht, als diese mit derart gewaltigen Netzwerken konfrontiert waren.
Wie bei jedem Menschen sonst auch kommt es primär auf den Charakter, die Persönlichkeit an, wie das mit anderen Personen harmonieren wird.
Verstehe ich es richtig, daß ihr erwägt, Bernd wiederauferstehen zu lassen?“
Ich nickte entschlossen: „Ja.
Fallen dir Gegenargumente ein?“
Ida entgegnete: „Nein, deswegen fragte ich nicht. Die Auswahl würde ich sowieso eher eurer Kompetenz und Intuition überlassen. Wenn ihr ihn für geeignet haltet, werden wir Ais sicherlich kein Veto einlegen.“
Peter hakte nach: „Also unsere Entscheidung?“
Ida verifizierte dies: „Ja.
Ich sehe da nichts, was von unserer Seite aus gegen ihn spräche. Aber bei den verfügbaren Kryo-Zombies können wir ohnehin davon ausgehen, daß die so vorausgewählt sind, daß da nicht gerade Typen dabei sind, bei denen von vorne herein schon aufgrund der Datensätze zu erwarten ist, daß sie eine Gefahr für die Mission darstellen. Alles andere ist bei der Auswahl jeweils vielleicht Intuition, das ist dann definitiv eher euer Gebiet.“
Susanne meinte dazu: „Bei der aktuellen Situation wollten wir es weitgehend Michaela überlassen, haben das durchdiskutiert, abgeklärt …“
Peter hatte noch eine Idee: „Wir sollten uns noch einmal seine Historie ansehen, also wie es dazu gekommen ist, daß er konserviert wurde, habe ich jetzt eben so schnell nicht durchgelesen …“
Ich rief am Monitor den entsprechenden Text auf.
Ida erläuterte dann aber auch schon: „Wie bei allen Kryo-Zombies praktisch war es auch bei Bernd ein Schicksalsschlag, gleich in mehrfacher Hinsicht, aber auch ein wenig Glück, wenn man das in dem Zusammenhang überhaupt so bezeichnen kann. Sein Vater ist ein einflußreicher, wohlhabender Anwalt. Trotz der Trennung der Eltern hatte Bernd so finanziell jedenfalls keine größeren Probleme. In der Gesellschaftsschicht wurde es dann auch als die Eröffnung neuer Chancen und Möglichkeiten angesehen, bereits den kleinen Kindern die Schnittstelle zu verpassen. Damit sollten sie in der Gesellschaft Vorteile haben, sich besser durchsetzen, behaupten können. Aus finanziellen Gründen war das da noch relativ selten, aber bereits sicher möglich. Nun, weil Eltern für ihre Kinder immer die besten Chancen ermöglichen wollen, wurde Bernd eben zum Kompatiblen. In der Schule war er damit überdurchschnittlich gut, vielseitig gebildet und interessiert. Das Konzept ging also schon auf. Das war auch einer der Gründe, warum sich das mit der Schnittstelle und den Kompatiblen zunächst immer weiter verbreitet hat.
Hackerangriffe und Manipulationen über das Netz, auch kriminelle Übergriffe, virtuelle Entführung des Geistes wurden damit allerdings ebenfalls ermöglicht, unerfreuliche Auswirkungen, die dann auch Nachteile aufzeigten, zudem gab es wohl auch eine Tendenz bei den Kompatiblen, in virtuelle, irreale Welten abzudriften, eher bei späteren Entwicklungen, nicht bei der bei Bernd eingebauten Schnittstelle, auch nicht bei der Aktualisierung durch die Konservierung, also keine Bange davor. Derartige Kompatible kamen erst später auf, gehören nicht zu unserem Angebot an Kryo-Zombies.
Zurück zu Bernds Geschichte:
Er hatte dann bei einer sportlichen Aktivität mit einem Fahrrad in einem hügeligen Waldgebiet einen Unfall. Er hat die Kontrolle über das Rad verloren und ist gegen einen Baum geknallt. Immerhin war er in Begleitung, so wurde ihm schnell geholfen und er kam ins Krankenhaus. Da schien er sich zunächst auch halbwegs zu erholen. In einem offenen Beinbruch traten dann aber massive Probleme auf. Da hatten sich multiresistente Erreger eingenistet. Das Krankenhaus bekam das nicht in den Griff, im Gegenteil. Bedingt durch die Möglichkeiten der Eltern wurde Bernd dann in eine Spezialklinik verlegt, während es in dem vorherigen Krankenhaus leider einige Todesfälle durch einen Ausbruch dieser Erreger gab, was man dann erst nach Tagen in den Griff bekam, mit mehreren Toten als Konsequenz.
Bei Bernd sah man sich gezwungen, das betroffene Bein abzunehmen. Trotzdem ging es mit ihm weiter bergab. Nun war es so, daß Bernd bei seinen sportlichen Aktivitäten etwas für einen Sportausrüster getestet hat, neues Material, er war also versichert. Der Unfall könnte mit dem Prototypen zusammengehangen haben. Das erste Krankenhaus mit dem Ausbruch der multiresistenten Erreger war zufällig beim gleichen Versicherer.
Als es dann mit Bernd auf das Ende zuging, hat sein Vater seine Beziehungen spielenlassen, wodurch man mit der Versicherung immerhin zeitnah zu einer Einigung kam und Bernd erst einmal provisorisch konserviert wurde, bis man etwas gegen den Erreger würde tun können. Bernd, kurz vor dem Tod, war damit einverstanden, ist also darüber in Kenntnis, konserviert worden zu sein.
Und wie es dann öfter so gelaufen ist, hat es sich hingezogen mit dem Finden einer wirklich effizienten Behandlung. Die Jahre gingen dahin, die Eltern inzwischen tot, die beiden Geschwister hatten bereits ihr eigenes Leben, die Versicherung wollte da hinsichtlich der Schadenersatzforderungen nicht an dem Fall herumrühren, die rechtliche Situation der Kryo-Zombies war zudem immer noch nicht eindeutig geklärt, so blieb Bernd konserviert, wurde faktisch von den Menschen vergessen oder als tot abgestempelt. Man hatte mit ihm abgeschlossen, er war praktisch irgendwann nach dem Ableben der Geschwister nur noch eine Altlast der Versicherung. Und später, als die Idee mit der Mission aufkam, erschien er ein passender Kandidat zu sein. Bis dahin hatte man das Problem mit seinen multiresistenten Erregern längst für ihn in der Konservierung gelöst. Selbst das abgenommene Bein war da rekonstruiert worden.
Weil das andere ja noch vorhanden war, konnte man da aufgrund der Symmetrie eine Kombination von Spiegelung und Extrapolation anwenden. Das Ergebnis ist folglich nun harmonischer und leistungsfähiger als das Original, sogar in beiden Beinen. Bernd ist komplett gesund und wieder auf der Höhe seiner Leistungsfähigkeit.“
Susanne, Peter und ich nickten nachdenklich und dankten Ida. Ich teilte ihr dann mit, wir würden ihr dann mitteilen, wie wir uns entscheiden würden. Und damit war Idas Avatar dann auch wieder entlassen und begab sich wieder an die zuvor unterbrochene Arbeit.
Wir schwiegen eine Weile.
Dann fragte Susanne mich: „Also gut, du meinst, wie sollen es mit ihm versuchen?“
Ich antwortete bestimmt: „Ja.“
Peter meinte: „Hmm, also die Informationen über den Kompatiblen-Status von Bernd haben mich beruhigt. Er wird also nicht so anders sein als schlaue Menschen, die wir bereits kennen – naja, sind wir ja im Grunde auch, ihr beide wenigstens, das scheint also in Ordnung zu sein …“
Susanne lachte verlegen und erwiderte: „Oh, bist sicher auch ein Schlauer, Michaela hat sogar einen Doktor-Titel, da sollten wir ihm intellektuell doch schon Paroli bieten können, Michaela sicherlich nicht nur seinen Intellekt reizen …“
Ich grinste und entgegnete: „Na, seinen Intellekt reizen kannst du bestimmt auch. Und sonst seid ihr beide doch bereits gut miteinander bedient, vermute ich jedenfalls. Von daher können wir das ruhig auf uns zukommen lassen und einfach mal schauen, wie sich das mit Bernd entwickeln wird, oder?
Also ich werde mich schon intensiv darum kümmern, daß er sich gut einlebt, eine eigene Meinung dazu entwickelt, was für ihn nun wichtig ist, wie er hier weitermachen möchte. Viel mehr können wir nun nicht festlegen, außer daß wir uns aufrichtig bemühen werden, ihn herzlich aufzunehmen und zu integrieren. Wenn wir uns darin einig sind, denke ich, könnten und sollten wir es wagen. Ist mir schon klar, daß ihr mit eurer Familie gut ausgelastet seid. Also keine Frage, daß ich mich da einbringen werde. Aber er hat einen eigenen Kopf – sogar mit Koprozessor und Speichererweiterung – von daher wird viel von ihm abhängen, was er will, wie er leben will, was hier tun, wie sich einbringen. Darüber haben wir dann nicht zu bestimmen. Wir müssen ihm schon etwas zutrauen.“
Peter stimmte zu: „Natürlich.
Obwohl er noch jung ist, ist er doch schlau und selbständig, erwachsen genug, um eigene Entscheidungen zu treffen. Wir müssen ihm etwas zutrauen, Raum für eigene Entscheidungen lassen, dann wird es schon klappen.“
Susanne seufzte: „Also gut, also gut, ihr habt Recht. Wir müssen ihm etwas zutrauen. Und wir sollten sowieso auch mit den Kryo-Zombies irgendwie weiterkommen, da ist dies nun eine Gelegenheit, mit welcher wir sehen können, wie gut wir das mit der Integration wirklich hinbekommen. Das wird bestimmt spannend. Es war ja aber unsere Idee, einzelne Personen nach und nach zu integrieren. Also paßt das schon alles plausibel zusammen.“
Ich resümierte: „Dann sind wir uns einig?
Bernd wird wiederauferstanden?“
Peter bestätigte: „Wir waren uns darüber einig, ab und an eine neue Person integrieren zu wollen. Wir waren uns einig, daß du aufgrund der aktuellen Konstellation unbedingt das Vorschlagsrecht haben sollst, haben dich gar beauftragt, die Daten durchzusehen. So ist es nun in Ordnung, wenn wir deinem Vorschlag auch folgen.“
Susanne war aufgestanden, hatte Melanie wieder an Peter übergeben und nahm mich nun etwas überraschend in den Arm, meinte dann seufzend: „Ja, wir tun es, kannst Ida und den anderen Bescheid geben. Und dann wünsche ich uns allen und vor allem auch Bernd schon einmal viel Glück.“
Und so teilte ich den Ais unser Ergebnis mit. Erwartungsgemäß waren auch diese einverstanden. Stunden später trafen wir uns dann noch zu einer Besprechung. Da ging es dann auch um die geplante Bestückung der Brutmaschinen. Auch da wurden wir uns schnell über ein weitgehend zufälliges Auswahlverfahren ohne nennenswerte Selektion einig. Dann bereiteten die Ais dies und Bernd Wiederauferstehung vor. Dazu mußten Bernd und die befruchteten Eizellen noch vom Raumschiff heruntergebracht werden. Vorsorglich hatten Ida und Körk aber das Raumschiff ohnehin bereits im Orbit von Skylla positioniert. So ging das relativ schnell und bald darauf hatten wir alles unten und die erwählten Eizellen in den Brutmaschinen, Bernd in der Wiederauferstehung.
Unterdessen feilte ich mit Esme auch noch etwas an meinen Bekleidungsmöglichkeiten, ließ noch einige mehr körperbetonte Stücke fertigen, machte mit ihr eine kleine Modenschau. So hatte ich nun durchaus auch Minis, Oberteile mit eher großzügigem Rückenausschnitt, auch welche mit freien Schultern oder solche mit kecken Aussparungen, etwa um den Bauchnabel herum oder mitten auf den Rücken oder etwas verlockend vielleicht auf dem Busen, mittig etwas über den Brüsten, dezent auf die Wölbungen verweisend, ohne gleich zuviel zu offenbaren. Wenn Bernd da neugierig würde, sollte er schon noch etwas zu erforschen haben.
Kurz bevor es so weit war, diskutierte ich mit Ida das Vorgehen bei der Begrüßung. Ich wollte es bei Bernd einmal anders probieren und schlug vor, daß ich mich zu ihm setzen würde, wenn er erwachen würde. Das hatten wir bislang bei unbekannten Personen nicht gewagt, aber ich war ziemlich zuversichtlich. So würden wir gleich Kontakt bekommen, ich wäre direkt als Bezugsperson verfügbar. Immerhin war es Bernd nach den Unterlagen bekannt, daß er konserviert worden war. Von daher wäre es für ihn immerhin keine sonderliche Überraschung, an einem fremden Ort von einer fremden Person begrüßt zu werden. Nach ein wenig Diskussion um das Für und Wider war Ida gerne einverstanden, es einmal so zu probieren. Ich hatte ganz offiziell meinen Raumanzug angezogen. Bernd hatte den in der Konservierung ja auch an, schon wegen der Versorgung. So paßte das also ganz gut und harmonierte.
Ich saß also neben ihm am Bett, schaute in sein attraktives, männliches Antlitz, erfreute mich an seinem maskulinen Körper, der deutliche Muskeln aufwies, aber auch nicht übertrieben. Das war schon ein sportlicher Bursche, dazu aber doch durchaus feingliedrig, gar nicht grob oder gar primitiv. Das war ein sehr erfreulicher Anblick, so wie ich es erhofft hatte. Wenn er nun auch noch in seiner Art, seinem Verhalten so einnehmend war wie sein Äußeres, was hätten wir uns mehr wünschen können?
Die Kryonik bot uns da Möglichkeiten, die einen immer wieder verblüffen müssen. Plötzlich kann man da einen Menschen hervorzaubern, einen neuen Akteur in unserem Gesellschaftsspiel, um dieses erheblich zu bereichern. Ich hoffte jedenfalls auf Bereicherung, nicht nur auf Komplikationen. Irgendwie hatte ich mich ja auch beim Gespräch mit Susanne und Peter hinreißen lassen. Ich hatte Bernds Datensätze wie einen Trumpf und auch ein wenig trotzig auf den Tisch geknallt. Ich hatte meinen Willen durchgesetzt, der sich eigentlich nur durch den Gesprächsverlauf ergeben hatte. Plötzlich hatte ich behauptet, daß ich Bernd will, obwohl ich den Gedanken zuvor schon komplett zur Seite gedrängt hatte.
Nun war es entschieden.
Ich atmete tief durch, seufzte und hoffte, daß es schon irgendwie gutgehen würde. Nun mußte ich wohl irgendwie wollen und auslöffeln, was ich mir so trotzig nun einmal eingebrockt hatte. Nun, so besehen und Bernd dabei angeschaut, könnte das schon eine ganz leckere Suppe werden.
Bernd bewegte sich. Ich hatte sanft seine Hand in die meine genommen und wartete, bis sich bei ihm das Bewußtsein klären würde, bis er die Augen öffnen würde, wie sich sein Blick allmählich schärfen würde. Als das geschah, mußte ich ganz automatisch lächeln und schaute ihn freundlich an. Bernd war natürlich durch die Wiederauferstehung noch ordentlich durcheinander, erwiderte aber das Lächeln zaghaft, aber auch deutlich verwirrt. Ich sprach also die bereits von Ida vertraute Begrüßungsformel: „Herzlich willkommen, Bernd!“
Er guckte unsicher, mit einer Hand hielt ich die seine, strich mit der anderen sanft über seine Schulter: „Alles ruhig und unter Kontrolle. Ich hoffe, dir geht es gut, nach deinen Daten bis du fit, ein wenig verwirrt vielleicht noch, aber das sollte sich innerhalb der nächsten Stunde komplett gelegt haben.“
Bernd hatte sich etwas aufgerichtet, schaute sich nur kurz um, dann mich wieder an: „Danke und hallo. Was ist denn passiert und wo bin ich denn?“
Ich fragte zurück: „An was erinnerst du dich denn?
Kannst du deinen Namen nennen, Adresse?“
Bernd antwortete: „Selbstverständlich!“, dann rasselte er das auch schon herunter. Ich hatte mir das zuvor angesehen und es paßte. Das war bei ihm also schon einmal in Ordnung.
So hakte ich nach: „Und deine letzte Erinnerung?
Was ist für dich zuletzt passiert?
Versuche, dich zu erinnern!“
Bernd sann offensichtlich eine wenig nach, dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Er richtete sich auf, entzog mir entschlossen, aber nicht abweisend ruckartig die Hand, zog die dünne Decke zur Seite, betastete den Anzug, seine Beine, bewegte sie dann auch, rieb über den Anzug, schaute mich verständnislos und verblüfft an.
Dann platzte es aus ihm heraus: „Mein Bein?
Was ist das für ein Anzug?
Und und und die multiresistenten Erreger?
Was ist hier los?“
Ich streichelte ihm vorsichtig und beruhigend mit einer Hand über die Schulter, ergriff mit der anderen wieder eine seiner Hände und erklärte ganz ruhig: „Deinen beiden Beinen geht es ganz ausgezeichnet. Es ist alles dran und voll funktionsfähig. Es gibt keine multiresistenten Erreger mehr. Du bist gesund. Den Anzug brauchst du noch so etwa ein bis zwei Tage zur Erholung, der ist noch wichtig. Darunter ist aber alles intakt und in bester Ordnung.“
Bernd schaute mich an, fragte dann: „Bin ich im Krankenhaus?
Sind sie eine Doktorin?
Sie tragen den gleichen Anzug!“
Ich beantwortete die Fragen: „Ja, ist der gleiche Anzug. Ich habe den extra angezogen, damit du dir darin nicht so komisch vorkommst, habe den auch eine Weile tragen müssen. Ist eigentlich ganz in Ordnung. Doktorin bin ich schon, aber Naturwissenschaften, nicht Medizin. Und ‚Sie‘ kannst du auch lassen, brauchen wir hier nicht. Und nein, im Krankenhaus bist du nicht.
Kannst du noch einmal versuchen, dich daran zu erinnern, was mit dir zuletzt passiert ist, was du noch weißt?
Ich war nicht dabei, habe nur Akten, möchte das abgleichen und auch sehen, ob in deiner Erinnerung keine Lücken sind.“
Bernd atmete tief durch, aufgeregt war er schon, war ziemlich aufgelöst.
Er antwortete leise und anfangs etwas zögernd, dann immer schneller, atemloser, hektischer: „Ich … ich war im Krankenhaus, also schon im zweiten. Hatte erst einen Unfall im Wald mit dem Rad, unter anderem offener Bruch am Bein. Im ersten Krankenhaus ist dann noch die Infektion mit den multiresistenten Erregern hinzugekommen. Ging mir immer schlechter, habe es nur noch teilweise mitbekommen. Bein amputiert, anderes Krankenhaus, doch nicht viel besser, wurde nur immer schlimmer. Ratlose Ärzte.
Sogar mein Pa war bei mir, Ma und meine Geschwister sowieso sehr oft. Pa hat sich aufgeregt, sehr aufgeregt. Hat aber auch nichts gebracht, alles nur noch konfuser, durcheinander, weiß nicht genau … und dann … und … dann …“
Und so stockte es wieder, er zögerte immer mehr, schaute sich an, rieb mit der freien Hand wieder über das eine Bein, welches wohl den offenen Bruch gehabt hatte, bewegte es langsam, überzeugte sich.
Dann fuhr er langsam, grübelnd fort, erst ganz langsam, dann wieder deutlich schneller: „Wie … wie … wie kann das sein?
Alles … wieder gut?
… wie? …
Moment …
Da war noch was.
Irgendwie war die Rede von einer letzten Chance.
Ich sollte zustimmen, war schon so erschöpft, mutlos, verloren, war so schwach.
Das war … Kryo-Technik, etwas abwarten hieß es, bis sie ein Mittel hätten … hieß es … nicht so lange … ein paar Monate, allenfalls ganz wenige Jahre … hieß es.
Wo ist meine Mutter?
Meine Geschwister?
Wo ist mein Pa?
Sie haben das gemacht, oder?
Ja, ich war einverstanden, war einfach so müde, wollte nur noch meine Ruhe haben, nicht mehr die Schmerzen, nicht mehr die Drogen, nicht mehr meine kleinen, weinenden Geschwister.
Die haben das gemacht, oder?
Und nun ist wieder alles in Ordnung?
Wo sind denn alle?“
Er zitterte, wirkte sehr verunsichert, so merkwürdig bei diesem an sich starken, prächtigen Burschen, der so kein bißchen krank wirkte. Die Konservierung hatte wirklich ganze Arbeit geleistet. Durch den Krankenhausaufenthalt mußte er erheblich geschwächt worden sein. Nun war er zwar nicht so muskulös wie auf einigen der Bilder, aber die Muskeln zeichneten sich schon als etwas überdurchschnittlich in dem engen Anzug ab, das sah schon sehr schön und lecker aus. Er aber war völlig aufgelöst.
Ich war etwas ratlos. Nun sollte mir wohl spontan etwas einfallen, um ihn zu beruhigen, zu trösten.
Und so zog ich ihn dann vorsichtig an mich, drückte seinen Kopf vorsichtig an meinen Busen und umarmte ihn mit einem Arm, fuhr ihm mit der anderen Hand sachte durch das Haar.
Dann offenbarte ich ihm möglichst ruhig: „Ja, die Kryonik war deine Rettung, hat dich wieder komplett hergestellt. Ich sollte wohl anmerken, ich war auch in solch einer Kryonik-Maßnahme. Das wird heute Konservierung genannt, ich war sogar wohl die erste Person. Mit deinem Fall damals hatte ich gar nichts zu tun, da war ich längst konserviert. Was nun mit dir passiert ist, nennen wir Wiederauferstehung, den Begriff kennst du vielleicht bereits aus einem ähnlichen Zusammenhang, die Leute, die konserviert worden sind, nennt man etwas abwertend Kryo-Zombies, das sind wir beide, nun aber wieder komplett lebendige und gesunde Menschen, das alles ist vorbei und erledigt. Ein neues Leben liegt vor uns. Ich möchte dir helfen, dich zurechtzufinden, in dein neues Leben zu finden. Ich werde mich um dich kümmern.“
Bernd atmete schnell und tief an meinem Busen, hatte nun aber auch zaghaft die Arme um mich gelegt, flüsterte dann erneut: „Danke dir, danke für deine Hilfe und deinen Beistand. Das ist alles sehr verwirrend, aufwühlend. Soso, von den Toten auferstanden.
Du meine Güte.
Ein neues Leben.
Aber wo ist meine Familie, wann sind die hier?
Oder dürfen die noch nicht zu mir?
Stimmt doch etwas nicht, wenn wir beide diese … diese Kryo-Zombies gewesen sind?“
Ich betonte: „Ich kann dir versichern, mit uns beiden ist alles in bester Ordnung. Es könnte gesundheitlich gar nicht besser sein. Die haben da wirklich phantastische Möglichkeiten, in der Beziehung können die wirklich fast alles, solange noch Leben und Verstand in dir steckt.
Das hat aber auch einen großen Haken. Es hat Zeit benötigt, bis sie so weit waren …“
Bernd fragte nach: „Zeit? …
Wo ist meine Familie?“
Ich zögerte, biß mir kurz auf die Lippen, ich hatte nun Tränen in den Augen, dann gab ich mir einen Ruck und fabulierte einfach einmal: „Sie hatten alle ein gutes Leben, ein langes, alles in Ordnung mit ihnen … nur … nur … das ist schon lange her, das ist lange vorbei. Von deinem bisherigen Leben aus gesehen bist du nun in einer fernen Zukunft. Es gibt leider kein Zurück. Das hat auch mich sehr schockiert. Aber ich bin bei dir, halte dich, tröste dich, helfe dir, du bist nicht allein.“
Wir schwiegen beide, ich streichelte ihn weiter vorsichtig, wiegte ihn sogar wie ein Kind. Wortlos hielt er seine Umarmung. Und so verging die Zeit still und ruhig, obwohl sein Kreislauf merklich aufgeregt ging.
Ich versuchte es einfach mit einer Atemübung, sagte nicht einmal etwas. Ich hatte wohl Glück, denn nach einer Weile übertrug sich meine Ruhe, meine gleichmäßige, langsame Atmung auch auf ihn, er wurde ruhiger, hielt sich an mir.
Bernd verarbeitete das still, brauchte dafür seine Zeit, die ich ihm gab. Auf einem Monitor hinter ihm hatte Ida mir Daten eingeblendet, auch über seine medizinische Versorgung. Sie hatte Beruhigungsmittel verabreicht, aber kein wirklich hohe Dosis, jedenfalls war Bernd ja auch ganz brav und artig. Ich jedenfalls mochte ihn gleich, auch so ganz direkt im ersten Kontakt.
Er löste sich etwas von mir, wir drehten uns etwas und er kam etwas herum, setzte sich neben mich auf die Bettkante.
Bernd hakte nach: „Sie sind also alle tot?“
Ich führte aus: „Aber sie haben ihr normales Leben geführt, notgedrungen ohne dich. Sie haben gelebt, wie es sein soll. Dir, uns haben sie das Leben mit ihnen genommen. Sie haben uns nicht zurück in unser Leben gelassen, auch nicht, als sie gekonnt hätten. Das war ein grauenhaftes Verbrechen. Die Zeit kann man aber nicht zurückdrehen. Jetzt sind wir hier und haben immerhin die Chance, ein neues Leben zu leben.
Deine Verwandten haben ihr Leben gelebt, werden Nachkommen, Freunde gehabt haben. Um ehrlich zu sein, um mehr zu erfahren, müßten wir versuchen zu recherchieren. Ich kenne keine Details. Ich weiß gar nicht so viel über dich. Aber ich weiß schon jetzt, daß du sehr an ihnen gehangen hast. Es tut mir sehr leid für dich, ihnen so grauenhaft entrissen worden zu sein.
Wir hier werden versuchen, dir eine neue Familie zu sein, eine ganz andere, aber auch hier kannst du dich eingewöhnen, leben, lieben, kreativ sein, deinen Interessen nachgehen, anders als damals, aber hier hast du einen Platz!“
Bernd atmete tief durch, nickte dann zögernd, das erst einmal so notgedrungen akzeptierend.
Ich schlug ihm vor: „Wenn du dich stark genug fühlst, kann ich dir mehr Details und Grundlegendes erzählen, was seitdem so passiert ist.
Magst du?“
Bernd stimmte zu, schaute mich kurz an, dann wieder auf seine Beine.
Und so erzählte ich ihm dann halbwegs schonend, wie lange er konserviert gewesen war, was so prinzipiell auf der Erde passiert war.
Bernd staunte und ich bemühte mich, ihn durch Faszination für diese Zukunft irgendwie abzulenken. Das funktionierte wenigstens ansatzweise.
Natürlich regte er sich wie wir anderen auch über diese ebenso lächerlichen wie schockierenden rechtlichen Probleme auf, die immer wieder verhindert hatten, daß wir in unser Leben zurückkamen. Auch das schluckte er dann aber und hörte weiter zu.
Ähnlich wie Ida schloß ich dann allmählich den Bogen und kam auf die Raumfahrt zu sprechen. Bernd war interessiert und staunte, was man da bewerkstelligt hatte. Ich erzählte dann auch von den Missionen, mit denen man dann andere Sonnensysteme mit möglicherweise geeigneten Planeten in der habitablen Zone erforschen, vielleicht gar besiedeln wollte. Ich erzählte ihm auch vom Verlauf unserer Mission 4, ohne noch darauf einzugehen, daß wir selbst diese Mission waren. Und dann war ich praktisch auf dem aktuellen Stand. Nach kurzem Zögern offenbarte ich ihm dann, daß wir selbst diese Mission 4 waren und uns nun auf Skylla befänden.
Erregt und irritiert machte er sich gleichzeitig von mir los, sprang auf und raste auf die Tür zu. Die Fenster hatten wir mit Vorhängen verhüllt. So konnte er bislang nichts davon sehen, was draußen war. Er riß die Tür auf, ich folgte. Er stürmte hinaus, blieb aber gleich draußen einige Meter vor der Tür wieder wie vom Blitz getroffen stehen und starrte in die Nacht hinaus, wo zum einen Charybdis am Himmel stand, zum anderen aber auch unser dünner, noch immer vorhandener Eisring diffus schimmerte. Ihm wurde klar, daß ich ihm keinen Schmarren erzählt hatte, daß ich ihm keinen Bären aufgebunden hatte.
Er staunte mit offenem Munde, zitterte.
Ich stand hinter ihm.
Und als er wackelig einknickte, hielt ich ihn einfach, zog ihn an mich und merkte einfach einmal so an: „Sieht doch eigentlich ganz schön aus hier, oder?
Ein neues Leben, eine neue Welt, eine neue Zukunft. Haben wir alle nicht gewollt, aber ratzfatz stehen wir alle mittendrin!“
Bernd staunte noch immer wortlos, rappelte sich aber bald wieder hoch, konnte alleine stehen.
Nachdem er das dann auch weggesteckt hatte, schlug ich ihm vor, ich könne ihm die anderen menschlichen Bewohner der Kolonie vorstellen. Bernd war einverstanden. So begleitete ich ihn zur Unterkunft von Peter, Susanne und Melanie, klopfte. Peter öffnete, begrüßte Bernd herzlich, Susanne folgte mit Melanie, begrüßte ihn ebenfalls und Bernd zeigte ein erstes, vorsichtiges, schönes Lächeln gegenüber Melanie, die dieses freundlich kichernd erwiderte. Ich fand, das lief sehr gut, die beiden schienen gleich einen gewissen Draht zueinander zu haben. Das erleichterte mich sehr, denn Melanie mußte zwar eigentlich jeder mögen, aber so bekam ich etwas zittrige Knie und freute mich richtig darauf, daß Bernd nun wirklich bei uns war. Ich dachte mir, darauf würde man aufbauen können. Mit viel Glück hatte ich wohl genau richtig gelegen.
Bernd mag Kinder.
Besser hätte es doch eigentlich gar nicht laufen können.
Wir setzten uns einfach und plauderten ein wenig. So verbrachten wir in der Gruppe eine ganze Zeit, dann schlug ich vor, auch die Ais vorzustellen. Auch darauf war Bernd sehr gespannt, nun in unserer Gesellschaft bereits etwas gelöster, immer noch sehr nachdenklich und etwas zurückhaltender, aber ich hatte schon das Gefühl, daß der langsam Fuß faßte, an psychischer Stärke gewann, sicherer wurde.
Über die Avatare staunte er natürlich. Von Asi und Stanis konnten ja nur Grußbotschaften kommen, so oder so war Bernd sehr beeindruckt, obgleich er ja selbst eine Schnittstelle im Kopf hatte. Mit solchen Fortschritten und Fähigkeiten von Ais hatte er nicht gerechnet. Auch zu seiner Zeit waren die noch längst nicht so weit gewesen, wie sie es nun waren.
Ein paar Stunden waren so vergangen und Bernd staunte nun auch schon über die kurzen Wechsel von hell und dunkel.
Wir wechselten dann, Peter, Hildegard und ich zeigten ihm in einem Arbeitsraum auf den Monitoren verschiedene Details, Hildegard stellte schon einmal grob die beiden Planeten Skylla und Charybdis vor, wie es darauf in verschiedenen Gebieten aussah, ging geschickt auf seine Interessen in Sachen Landschaftsgestaltung ein. Peter und Hildegard boten dann auch gleich an, ihn zu fördern und ihn weiterzubringen, es würde dann auch Daten von den Ais und Unterstützung hinsichtlich seines Studiengebietes bringen, natürlich aufgrund der geänderten Umstände auch für alles sonst, was er wissen und lernen wollte.
Die beiden fluteten ihn regelrecht mit Angeboten, daß Bernd schon förmlich erdrückt war von so vielen Möglichkeiten, etwas zu tun, zu lernen, Sinnvolles zu erfahren und zu gestalten.
Ich merkte das schon, wollte Überforderung vermeiden. Draußen gab es inzwischen erneut einen schönen Rasol-Aufgang in bunten Farben, so schlug ich einen Spaziergang vor, einmal tief Luft holen und einfach gucken. Bernd war damit einverstanden, wollte raus. Hildegard begleitete uns, Peter wollte wieder nach Susanne und Melanie sehen. Hildegard zeigte dann noch kurz Felder und Gewächshäuser der Kolonie, wobei wir diesmal nur einen kurzen Blick in ein Gewächshaus warfen.
Da Hildegard noch etwas tun wollte, zog ich dann alleine mit Bernd los, zu einer Bank mit schöner Aussicht, wir setzten uns und genossen die Aussicht. Wir saßen ohne Körperkontakt nebeneinander und nach einer Weile wortlosen Genießens schaute ich zu ihm hinüber. Er bemerkte das schnell, schaute mich an, wir sahen uns gegenseitig in die Augen, bis ich herzlich anfing zu lachen. Er stimmte mit ein.
Und so fragte ich ihn, als wir uns von dem Lachanfall wieder beruhigt haben: „Und?
Wie ist dein erster Eindruck?
Vielleicht kein wirklicher Ersatz für dein altes Leben, aber ein wenig haben wir schon zu bieten!“
Bernd lächelte noch immer, meinte dann: „Ja, es ist aufregend. Um mein altes Leben werde ich wohl noch eine Weile trauern, meine Familie vermissen.
Durch das Studium hatte ich zwar schon für einige Monate etwas mehr Abstand, aber nun ganz ohne?
Das ist nicht so einfach.
Aber es stimmt auch, das alles hier ist so unfaßbar, unglaublich, spektakulär, unvorstellbar. Auch das muß ich erst einmal verarbeiten und einsortieren.“
Ich versicherte: „Schon in Ordnung. Ich bin immer für dich da. Die anderen sind für dich da. Du wirst dich schon einleben. Zu trauern ist normal. Das gehört dazu, auch um abzuschließen. Erst dann kann man wieder richtig durchstarten. Ist ja für uns alle nicht so ganz einfach, aber es geht schon, zusammen geht es. Und eigentlich ist es doch auch sehr schön hier, wir haben schon etwas erreicht und werden gemeinsam noch viel mehr erreichen!“
Bernd nickte zustimmend.
Wir saßen noch eine Weile, machten dann noch einen weiteren Ausflug durch die nähere Umgebung. Die vielen neuen Eindrücke wie auch noch die Wiederauferstehung hatten Bernd aber doch zugesetzt, so war er bald müde. Ich führte ihn zurück zur Kolonie und brachte ihn in sein Zimmer.
Ich betonte noch einmal: „Den Anzug mußt du leider noch anbehalten. Essen und trinken ist auch noch nicht angebracht. Mein Zimmer ist gleich nebenan. Erst einmal gehe ich noch zu Susanne, Peter und Melanie hinüber, wir essen gemeinsam zum Abend. Danach bin ich dann aber bald wieder hier. Falls du noch nicht schlafen solltest oder wieder aufwachen, kannst du einfach zu mir nach nebenan kommen, ich werde mich schon kümmern. Bist nicht allein, wir bemühen uns schon aufrichtig um dich.
In Ordnung?“
Bernd bestätigte: „Ja prima, ich bin wirklich müde, obwohl mir eigentlich auch noch viel durch den Kopf geht. Ich tippe, ich werde trotzdem bald wegnicken.
Die Türen sind also offen?“
Ich lachte: „Ja, gewöhnlich schon.
Wir sind ja nicht so viele und vertrauen einander. Wenn wir nicht auf dich setzen würden, hätten wir dich doch gar nicht wiederauferstehen lassen. Aber ich kann dir auch zeigen, wie du die Tür von innen verschließt. Gut, die Ais bekämen sie immer noch auf. Wenn du mißtrauisch bist, kannst du ja etwas davorstellen, dann hörst du wahrscheinlich, wenn jemand eindringen will und wachst auf.“
Bernd versicherte: „So war das gar nicht gemeint. Ihr wart alle so freundlich zu mir. Ich bin gar nicht mißtrauisch.
Und draußen ist nichts weiter?“
Ich lachte: „Wir haben intensiv gesucht, aber nein, hier keine Außerirdischen. Was denen am nächsten kommt, ist weit draußen auf einem Mond der Gasriesen unter einer sehr dicken Eisdecke in einem Meer. Raumfahrt haben die nicht drauf, haben nicht einmal die Sterne oder unsere Sonne Rasol jemals gesehen. Außer den vorgestellten Personen und den Ais gibt es also sonst niemanden. Vegetation ist natürlich schon da, auch kleinere Tiere, aber nichts darunter, was die Tür öffnen könnte.“
Bernd grinste nun auch: „Ja, gut zu wissen. Ich glaube, mit der Erklärung wird mir das nicht den Schlaf rauben …“
Ich schlug vor: „Ich laufe morgens immer. Wenn du auch Lust dazu hast, kannst du mitkommen. Wenn du willst, wecke ich dich und nehme dich mit. Was meinst du?“
Bernd war einverstanden: „Ja gerne, ich glaube, das wird mir guttun.“
Und damit verabschiedeten wir uns dann erst einmal voneinander und ich ging wie angekündigt zum Abendessen.
Angekommen fragte mich Susanne dann gleich: „Und?
Wie läuft es so?
Ist ja wirklich ganz nett, oder?“
Ich grinste: „Kommt morgen früh mit zum Laufen. Ja und es ist ganz nett mit ihm. Ich gehe davon aus, es war kein Fehlgriff, das bekommen wir schon hin.“
Peter bestätigte: „Ich habe auch einen ganz guten Eindruck von ihm, wird schon laufen, wird schon ganz gut zu uns passen.“
Wir aßen und plauderten. Nach etwa einer Stunde meinte ich dann, daß ich Bernd ja versprochen hätte, im Bedarfsfalle in meinem Raum anzutreffen zu sein. Und so verabschiedete ich mich und ging zurück.
In meinem Zimmer eingetroffen entkleidete ich mich, legte mich nackt auf das Bett und sann noch etwas nach. Das war wirklich ganz gut gelaufen mit Bernd. Wie würde sich das weiterentwickeln?
Wie war es eigentlich dazu gekommen?
Ich hatte wie gewünscht in den Datensätzen der Kryo-Zombies gelesen, hatte gewählt, wieder verworfen. Dann gab es diese Diskussion mit Susanne und Peter und irgendwie wollte ich auftrumpfen und plötzlich war der Datensatz von Bernd auf dem Monitor und mir war die Forderung herausgerutscht, ich hätte mich für ihn entschieden. Das war schon erstaunlich. Dabei gibt es ja klare Hinweise darauf, daß das Unterbewußtsein längst entschieden hat, bevor das Bewußtsein etwas davon mitbekommt.
Bewußte Entscheidungen sind also lediglich Folgen vorheriger komplexer unbewußter Vorgänge, die wiederum darauf basieren, was man zuvor erlebt hat, wer man ist. So gesehen gibt es gar keine freien Entscheidungen, keinen freien Willen. Die Reihenfolge ist umgedreht. Weil sich die Vorgänge so entwickeln wie sich sich entwickeln, produziert das Gehirn sozusagen als Abfallprodukt das Bewußtsein, das Ich und gibt diesem die Illusion bewußter Entscheidungen. Die bewußten Gedanken, all unser bewußtes Denken beeinflußt nicht unsere Handlungen, haben keine Auswirkungen auf die Realität und unser Sein darin. Vielmehr sind die Gedanken ein Abfallprodukt der meßbaren physikalischen Prozesse, der Chemie des Lebens. Vielleicht muß das Gehirn sie nur absondern, um effizient zu funktionieren. Oder sie sind wirklich nur ein evolutionär nicht weiter störendes Artefakt. Wenn es stören würde, hätte die Evolution es vermutlich bereits beseitigt. So aber vagabundieren die Gedanken nur im Kopf herum, erklären uns scheinbar, wie es zu welchen Entscheidungen gekommen ist, gaukeln uns vor, wie wir die Zukunft entscheiden, während sich diese tatsächlich eben einfach aus dem ergibt, was wir gerade erleben und früher erlebt haben.
So wäre mein plötzliches Bestehen auf Bernds Wiederauferstehung also eine naheliegende Konsequenz aus den bisherigen Erfahrungen, auch oder insbesondere aus der Enttäuschung darüber, daß Susanne sich Peter zugewandt hatte, daß ich nun alleine war.
Hatte mein Unterbewußtsein wirklich ein so starkes Bedürfnis nach inniger Gesellschaft, daß ich diesem Trieb ausgeliefert prompt das junge, starke, potente Männchen ausgesucht hatte, um mich selbst damit zu beglücken?
Waren alle anderen Argumente nur aufgesetzt, vorgeschoben, um mich und meinen Sexualtrieb zu rechtfertigen?
Der freie Wille ist eine seltsame Konstruktion des Ichs, wie das Ich selbst. Man weiß doch von der Physik her, was läuft. Auf der einen Seite die Relativistik, in welcher man selbst eigentlich eine prognostizierbare Kurve durch die Raumzeit einschlägt, auf der anderen Seite die Quantenphysik, wo die Projektion der Wellenfunktionen auf unseren klassischen Makrokosmos zu einem zufälligen Ergebnis führt. Auch die nach meiner Zeit entwickelte An, also die Allgemeine Näherung, das Modell für alles, in dem Maße wie ich diese verstanden hatte, liefert nicht wesentlich mehr. Da bleibt kein Raum für einen freien Willen. Was prognostizierbar ist, ist nicht frei entscheidbar, was zufällig passiert, unterliegt auch nicht unserem Einfluß. Wir leben irgendwo dazwischen, weder komplett deterministisch noch komplett indeterministisch, nicht komplett zufällig, nicht komplett vorhersagbar, daß man eben oft über einen kurzen Zeitraum einfache Sachverhalte nähern kann, um abzuschätzen, was ungefähr passieren mag.
Das Gehirn gaukelt uns ein Ich vor, ein Bewußtsein, welches uns einen freien Willen, freie Entscheidungen vortäuscht. Alles eine Illusion. Und doch ist auch diese Illusion ja Bestandteil dieser Welt. Wenn ich eine Entscheidung treffe und sie umsetze, ist es ja letztlich egal, wie sie entstanden ist, sie bestimmt fortan, was aufgrund der Entscheidung weiter passieren wird, sie beeinflußt, wie sich die Angelegenheiten weiter entwickeln werden. Und damit bestimmt sie dann auch wieder meine zukünftigen Entscheidungen, bewußt oder nicht, denn unser Tun basiert auf dem, was zuvor passiert ist. In der Vergangenheit wurzelnd stehen wir im Jetzt, streben in die Zukunft.
So oder so, wie immer sich vielleicht auch mein Unterbewußtsein bereits entschieden hatte:
Ich sollte mir nun überlegen, was ich weiter anstellen sollte, allmählich entscheiden, was ich weiter mit Bernd anfangen wollte, wie mit ihm umgehen?
Und wie es weitergehen würde, lag ja nun bestimmt nicht nur an mir. Mochte ja auch sein, daß Bernd gar kein Interesse an mir haben würde. Immerhin bin ich ihm ja mehr als ein Studium und eine Promotion an Erfahrungen voraus. Vielleicht mag er ja Frauen mit Erfahrung gern.
Doch könnte es ja immerhin auch sein, daß er mich gar nicht mehr als Partnerin ansah, vielleicht eher als ältere Schwester oder als Mutterersatz. So fühlte ich mich sicherlich nicht, nicht nur, weil diese Konservierung mich jedenfalls äußerlich in sehr guter Form gehalten hatte, wohl gar verjüngt hatte. Bernd würde in mir aber schon die ältere, erfahrenere Person sehen, was ihn wiederum nicht sonderlich beeindrucken muß. Älter wird man schließlich ganz von allein, darin besteht keine besondere Leistung, wie umgedreht in der jugendlichen Frische und Unerfahrenheit keine erstrebenswerte Eigenschaft an sich liegt.
Und eigentlich steckte mir das mit Susanne und Peter immer noch in den Gliedern, mehr noch in den Gedanken. Da ist es nicht so einfach, wirklich Fröhlichkeit aufkommen zu lassen.
Allerdings wollte ich den beiden ihr Glück auch gönnen und das nicht sabotieren.
Also doch besser mich ablenken. Und da wäre Bernd doch perfekt. Egal, was wir unternehmen würden, ob wir uns nahekämen, eine erquickliche Ablenkung wäre er allemal. Und erst einmal voll dabei, geht man oft auch in der Ablenkung auf und der Schmerz und die Traurigkeit vergehen mit etwas Glück nahezu unbemerkt fast nebenbei. Eigentlich bin ich doch gar nicht so grüblerisch und wühle nicht so gerne in der eigenen Vergangenheit, hänge dem nach, was war und nicht mehr zu erreichen ist. Aber vielleicht denkt man mit den Jahren auch öfter mal zurück, wägt mehr ab. Auch da tat mir vielleicht Bernds jugendlichen Frische ganz gut, den Blick nach vorne zu wenden, die Zukunft fest im Blick, die Vergangenheit sicher hinter sich wissend.
Bernd hatte natürlich aber auch noch zu knabbern. Die Zeit dafür mußte er auch haben. Für mich, für uns hier war er ja quasi aus dem Nichts zu uns gekommen, für ihn aber war das anders. Da hatte er ja noch Tage zuvor todgeweiht und beinamputiert im Krankenhaus im Delirium gelegen. Wiederauferstanden mußte er akzeptieren, daß seine Familie in der nun bereits fernen Vergangenheit ihr Leben ohne ihn leben mußte. Das steckt man auch nicht einfach so von einem Augenblick zum anderen weg. So oder so ist es da schon notwendig, behutsam zu sein. Nun bin ich nicht so einfühlsam und diplomatisch. Also nicht so einfach. Aber ich wollte wirklich für ihn da sein, ich würde mich wirklich um ihn kümmern. Es sollte ihm doch gutgehen. Immerhin hatte ich darauf bestanden, wenn auch nur aus einer scheinbar spontanen Gefühlsregung heraus, ihn wiederaufzuerstehen. So kam es nun also mir zu, mich auch darum zu kümmern, daß er wirklich gut ankam, daß er sich wirklich gut einlebte und fundierte eigene Entscheidungen traf.
Wobei, naja, nach den vorherigen Überlegungen sind solche eigenen Entscheidungen ja vielleicht oder gar wahrscheinlich doch nur eine nette Illusion, ein Abfallprodukt der Signalverarbeitung im Gehirn, um das Leben irgendwie zu bewältigen, ein Nebenprodukt des Seins, wie schmutziges Geschirr nach dem Essen. Wir essen nicht, um schmutziges Geschirr zu produzieren. Und doch sind sie das Ergebnis. Entscheidungen und Gedanken sind also vielleicht nur Metaphern von schmutzigem Geschirr beim Festmahl des Lebens. Also vielleicht doch einfach mit Bernd ans Buffet setzen und genießen, was uns das Leben gerade so auftischt?
Nicht so viel überlegen, sondern einfach aus dem Vollen schöpfen und genießen, was das Leben gerade zu bieten hat.
Wenn Entscheidungen eine Illusion sind oder jedenfalls unser Unterbewußtsein längst entschieden hat, bevor das Bewußtsein daran teilhaben kann, warum dann nicht die Illusion leben und einfach schwelgen, frönen, dem Genuß huldigen, das Füllhorn sich ergießen lassen, ganz im Hier und Jetzt lebendig sein, Erfüllung finden, aufgehen im schmuddeligen Strom der Materie und der Energie in der Raumzeit?
Mache Michaelas Unterbewußtsein einen Vorschlag, wie sie weiter vorgehen sollen.
Consuela
Der Vorschlag, eine weitere Person auszuwählen, ging mir noch weiter durch den Kopf. Hatten Peter und Susanne das befürwortet, um mich abzulenken?
Implizierte das nicht irgendwie die Annahme, es ginge einfach nur darum, mit irgendwem intim zu sein?
Implizierte das nicht auch das Problem, welches schon die erste Krise zwischen mir und Susanne ausgelöst hatte, als diese das Gefühl bekommen hatte, nur ausgewählt worden zu sein, um mir als Gesellschaft zu dienen?
Würde das unter den gegebenen Umständen die neu ausgewählte Person nicht erst recht haben?
Ich schwankte, war mir unsicher, sah mir dann aber doch am übernächsten Tag einmal ganz unverbindlich erneut die Daten durch. Ich hatte mir überlegt, daß die Person ja doch jedenfalls beruflich gut zur aktuellen Lage passen sollte oder jedenfalls flexibel einsetzbar sein. Im Vergleich zu meiner damaligen Situation auf dem Raumschiff, dann auf der Raumstation hatte sich die Lage hier in der Kolonie deutlich geändert. Hier würden nun bald weitere Qualifikationen relevant werden, die es damals noch nicht waren.
Über diese Erwägungen hinaus wären ausschließlich persönliche Kriterien wohl bedenklich, allerdings auch nicht komplett ausgeschlossen, käme wohl auf eine geschickte Argumentation an. Ich konnte ja nun keinesfalls davon ausgehen, daß dabei mehr als eine persönliche Bekanntschaft herauskommen sollte. Um eine weitere Person zu integrieren, wäre es also von Vorteil, wenn dieser die Nützlichkeit innerhalb der Kolonie einleuchten würde. So würde diese sich auch schneller einfinden und die Situation fernab der Erde akzeptieren.
Nun, ich sollte auch schon ein Auge darauf haben, ob die Person vielleicht zu mir passen könnte. Das wäre ja immerhin sehr nützlich für die soziale Struktur. Und so hätten dann ja auch doch eigentlich persönliche Kriterien Relevanz für die Kolonie.
So hatte ich da also ein paar, aber eher wenige Kriterien bei meist dürftiger Aktenlage. Viel Mühe hatte man sich jedenfalls bei der Zusammenstellung der Informationen über die mitgenommenen Personen nicht gemacht. Bei solch einer aufwendigen Mission war das schon verwunderlich. Der Aspekt, Kryo-Zombies loswerden zu wollen, würde ja nicht den gewaltigen Aufwand rechtfertigen.
Gut, wenn die konservierten Personen zum guten Teil gar nicht wissen, daß sie konserviert werden, wenn keine der Personen überhaupt von der Mission weiß, ist es nicht so erstaunlich, daß die für die Mission nützlichen Daten eher dürftig sind. Wäre das alles klar gewesen und die Konservierung nicht in den allermeisten Fällen eine letzte Notmaßnahme gewesen, hätten die Personen sicherlich ausführlich Fragebögen ausgefüllt. So war eben nur vorhanden, was man so über die Leute zusammenbekommen konnte und für relevant hielt.
Ganz interessant schien mir dann eine junge Frau zu sein. Ihr Name ist Consuela. Als Referendarin an einer Grundschule war sie kurz vor dem Abschluß des Studiums zur Heldin geworden, als sie mehreren Schülern das Leben gerettet hatte, dabei aber selbst lebensgefährlich verletzt wurde. Sie hatte wohl auch einmal in einem Kindergarten praktiziert. Von daher wäre sie gut geeignet für die Entwicklung der Kolonie.
Allerdings hätten wir dann schon drei erwachsene Frauen, mit Melanie vier weibliche Mitglieder in der Kolonie, mit Peter aber nur einen Mann. Das wäre dann allmählich schon sehr unausgewogen.
Dafür erschien sie mir gleich sehr sympathisch, auf den Bildern und auch von den sonstigen Daten her. Es gab sogar einige Texte, die sie persönlich verfaßt hatte.
Damals bei der ersten Auswahl war sie praktisch an mir vorbeigegangen, weil da Kindergarten und Schule noch nicht die gefragten Aufgabenfelder waren. Nun aber könnte das sehr nützlich sein.
Aber ob sie für mich persönlich etwas bedeuten könnte?
Wie wahrscheinlich war es schon, ob sie sich für eine Beziehung mit einer Frau interessieren würde?
Es gab ja auch eine kleine Photosammlung von ihr. Da war sie auffallend häufig zusammen mit einer anderen Studentin zu erkennen, die bei späteren Aufnahmen aus der Studienzeit aber nicht mehr auftauchte. Über diese Frau gab es leider keine weiteren Informationen. Ich meinte aber auf einigen Photos aufgrund ihrer Körperhaltungen zueinander zu erkennen, daß da vielleicht etwas mehr als eine platonische Freundschaft im Spiel sein könnte, vielleicht nicht einmal bewußt in einer intimen Beziehung umgesetzt, aber doch eine sehr vertrauliche Nähe.
Konnte ich daraus etwas schließen?
Ihr Datensatz wies sie aus als weder verheiratet noch in einer festen Lebensgemeinschaft lebend. Nun, man gibt ja nicht zwangsläufig überall an, mit wem man gerade zusammen ist. Auch gab es sicher auch zu ihrer Zeit noch immer eine gewisse Scheu, lesbische Beziehungen offen zu leben, insbesondere vielleicht im Bereich Pädagogik und Kindererziehung, obgleich das natürlich albern ist, aber viele Leute gehen da eben doch eher Problemen aus dem Weg, um sich zunächst im Beruf zu etablieren.
Das Argument der Unausgewogenheit mit nur einem Mann in der Kolonie ließ mich dann jedenfalls weitersuchen, dann eher nach einem Mann. Da hätte es einige Kandidaten gegeben, die beruflich für die Kolonie nützlich sein könnten. Am wenigsten festgelegt war ein junger Student namens Bernd. Er hatte zwei jüngere Geschwister, eine alleinerziehende Mutter. Als ältestes Kind hatte er so bestimmt auch Erfahrung darin, sich um seine Geschwister zu kümmern. Es gab auch Photos der Familie. Und da sah es jedenfalls so aus, als würden sie sich verstehen und gut miteinander auskommen, als würde Bernd Verantwortung übernehmen können.
Bernd hatte es gerade nach einem Semester Landschaftsarchitektur bei einer waghalsigen Aktion mit dem Rad im Wald erwischt. Mangels abgeschlossenem Beruf hatte ich von ihm Zeugnisse vorliegen, danach war er vielseitig begabt und interessiert, was auch das hergab, was ich sonst noch so in seinen Daten finden konnte. Er war ein Kompatibler, also jemand mit einem Chip im Kopf zur Erweiterung der Rechenleistung, der Speicherung von Daten.
Ich schweifte ab und recherchierte etwas über die Technik:
Zu seiner Zeit brauchte es zusätzliche Geräte zur Verbindung mit dem weltweiten Netzwerk, zudem wurde der Akkumulator des Chips per Induktion geladen, damit der funktionierte, mußten die Leute also immer wieder zu Ladestationen. In der Konservierung hatten die medizinischen Mikroroboterschwärme zusammen mit anderen Maßnahmen zu einer Aktualisierung geführt, also ein deutlich leistungsfähigerer Chip, mehr Speicher, Energieversorgung direkt aus dem menschlichen Gewebe. Nach der Wiederauferstehung würde er sich wundern!
Die Bilder von Bernd waren auf jeden Fall für mich auch sehr überzeugend. ansprechend, appetitlich. Neben einem sehr sympathischen Lächeln konnte er mit einer sportlichen, aber nicht übertrainierten, sehr männlichen Figur punkten. Das war nun schon so attraktiv und seine Kontakte im Radsportbereich zu ähnlichen attraktiven Kumpels ließen mich schon vermuten, da könnte auch mehr als Männerfreundschaft und Sportsgeist im Spiel sein. Ich fand dann aber auch Bilder mit attraktiven Frauen seines Alters, wo die Körperhaltungen, die Mimik und der Bezug zueinander doch eher auf Interessen in diese Richtung wiesen.
In den Daten fand ich da bei ihm sonst auch keine Informationen über seine sexuelle Ausrichtung.
Er gefiel mir aber gleich sehr. Ich hatte durchaus Lust, mit ihm Bekanntschaft zu schließen. Kritisch schaute ich gleich mal nach meinem äußeren Erscheinungsbild. Selbst wenn ich die vielen Jahre der Konservierung bei uns beiden abzog, war ich ja doch ein paar Jahre, ein Studium und eine Promotion und noch ein wenig mehr älter als er. Formal passen junge Männer eigentlich ganz gut zu Frauen, die ein paar Jahre älter sind, das könnte schon harmonieren. Nur sehen das die jungen Männer nicht notwendig so. Vorteil für mich: Die Konservierung hatte mehr geleistet, als mich nur die Jahrhunderte überstehen zu lassen. Das war auch so bei Susanne und Peter. Ida hatte das ja auch mal erklärt, die Reparaturen und die Betreuung während der Konservierung können bei den meisten Leuten auch in gewissem Grade Alterungserscheinungen mildern, teils gar rückgängig machen.
So würde ich also vermutlich auch bei jungen Männern attraktiv und relevant erscheinen. Zumal die Auswahl ja ohnehin stark begrenzt ist und der Sexualtrieb besonders bei jungen Männern meist stark ausgeprägt ist.
Hildegards früherer Argumentation folgend, mochte sich da also mehr oder weniger automatisch etwas entwickeln, wenn man so traulich zusammen ist. Der tägliche Umgang in der Gruppe soll es machen.
Was ist aber mit seiner spezifischen Qualifikation für die Gruppe?
Immerhin ist er jung und flexibel, vielseitig interessiert, sportlich, nach den Zeugnissen unbedingt intelligent, auch im naturwissenschaftlichen Bereich und bei Sprachen gut, da gab es kaum Schwachpunkte. So würde er sich also leicht und schnell weiterbilden können. Das wäre eine gute Sache, denn so könnte er sich leicht gezielt Wissen aneignen, welches für den aktuellen Stand der Mission relevant wäre. Nun und im weitesten Sinne kam die Mission ja auch seinem Interesse für Landschaftsgestaltung entgegen. Immerhin haben wir zwei Planeten, wo viel gestaltet werden kann, wo viel entschieden, geplant und umgesetzt werden kann, wo was angepflanzt werden soll, wo auch durchaus etwas nachgeholfen werden kann, um eine üppige und abwechslungsreiche Vegetation aufzubauen, die sich gut selbst entwickeln würde. Mit Peters Hilfe und denen der Ais könnte er sich da voll austoben und viel zum Fortschritt der Mission beitragen. Also wäre dieser Kandidat eine gute Wahl, auch oder gerade weil er noch eine Menge lernen würde, nicht so festgelegt war und sich flexibel und motiviert einarbeiten würde, denn warum sollte er sich dem verweigern?
Sein Leben lag ja vor ihm, unbestimmt und nun in einer Fülle von neuen Möglichkeiten, die er vorher nie gehabt hätte. Hier konnte er einen guten Teil seiner Zukunft mitgestalten, das bot sich sonst in dem Umfang nicht. Und sich die eigenen Perspektiven erarbeiten zu können, ist doch besonders in dem Alter sehr spannend und attraktiv.
Ich schaute weiter, fand noch ein paar andere nicht uninteressante Kandidaten, sortierte hin und her und wieder aus. So hatte ich dann nach der größeren Sichtung die Auswahl auf neun Personen reduziert, die ich mir weiter kritisch ansah. Für mich blieben aber Bernd und Consuela die überzeugendsten Kandidaten. Dennoch schlief ich darüber erst einmal wieder eine Nacht, schaute dann erneut noch einmal alles durch, reduzierte die Anzahl dann auf vier, drei Männer einschließlich Bernd und dazu noch Consuela.
Beruflich wichtig und relevant wären gemäß meiner bisherigen Erwägungen Männer gewesen, die als Kindergärtner arbeiten oder eben als Grundschullehrer. Das paßte aber leider zu keinem der drei Herren, nur zu Consuela.
Ich überlegte hin und her und dann blieben doch Bernd und Consuela auf dem Tisch als mögliche Alternativen.
Aber welche Wahl sollte ich treffen?
Das Für und Wider für beide war offengelegt. Ich ließ das noch einmal etwas liegen und sacken, schlief noch einmal zwei weitere Nächte drüber, ging noch einmal einige Datensätze anderer Personen durch, kam aber zu dem Schluß, nichts Wesentliches übersehen zu haben.
Den Morgen darauf verwarf ich die Angelegenheit erst einmal wieder. Es ging doch nicht nur um Biologie.
So frisch nach der Abweisung durch Susanne konnte ich mich doch nicht schon wieder auf eine neue Person einlassen?
Konnte ich?
Selbst körperlich erschien mir das zweifelhaft.
Aber einfach so einen Schalter umlegen und mit Susanne Schluß und mit einer anderen Person so von Jetzt auf Gleich etwas Neues beginnen?
Das fühlte sich irgendwie nicht richtig an.
Susanne hatte bei Peter gleich zugegriffen. Das hätte ich eigentlich eher mir als ihr zugetraut. Das war dann doch wohl eine falsche Einschätzung. Dadurch hatten sich aber auch die Rahmenbedingungen geändert. Nun bräuchte ich mich ihretwegen jedenfalls nicht mehr zurückhalten. Und doch schwankte ich noch.
Aber war es nicht eigentlich das, wonach ich in den Datensätzen gesucht hatte?
Nach irgendeinem abstrakten Ersatz für das Verlorene und doch noch immer Präsente?
Wie sollte das gelingen?
Jedenfalls saß ich dann mit Susanne und Peter zusammen an der Arbeit, wegen Melanie waren entweder Peter oder Susanne oder beide oft natürlich auch anderweitig mit ihr beschäftigt, aber wir hatten mit der Arbeit ja nicht sonderlich Druck, so war das schon in Ordnung. Und ich hatte ja auch schon damit angefangen, gelegentlich für Melanies Belustigung zu sorgen.
Ida teilte uns dann formlos mit, daß die Vorbereitungen abgeschlossen seien, die Brutkästen etc fertig, wir also demnächst loslegen könnten.
Wir mußten also nur noch rufen ‚Los!‘ und es würden dramatische Änderungen in Gang gesetzt, auch was unser ganz persönliches Leben betraf. Naja, die waren ja ohnehin längst geschehen – Susanne und Peter zusammen, Melanie da, ein weiteres Kind unterwegs. Was sollten mich da schon noch weitere Veränderungen verunsichern oder beunruhigen?
Nach der Nachricht fragte mich dann Susanne: „Michaela, hast du bereits die Daten der Kryo-Zombies durchgesehen und bist vielleicht gar schon zu Schlüssen gekommen?“
Peter bestärkte das noch: „Ohja, würde doch passen, das auch zu beginnen …“
Ich atmete tief durch und erwiderte: „Hmmm, meint ihr wirklich, daß das so einfach funktioniert?
Mir einfach mal so einen neuen Sexpartner auftauen und dann bin ich wieder glücklich?“
Susanne schaute mich erschrocken an, entgegnete dann: „… so … so … so war das doch gar nicht gemeint. Also wenn schon, dann entwickelt sich das doch und wir können das doch vorher gar nicht wissen, nur hoffen, daß wir gut miteinander auskommen.“
Ich verschränkte die Arme und setzte dagegen: „Hörte sich aber so an. Ich wäre dann beschäftigt und nicht mehr das fünfte Rad am Wagen. Wenn schon, dann dachte ich eher an jemanden, der von Bildung, Charakter und Beruf ganz gut zu den anstehenden Aufgaben passen könnte!“
Peter versicherte: „Bist doch gar nicht das fünfte Rad am Wagen. Klingt aber sehr vernünftig mit den von dir genannten Kriterien, wir hätten jetzt Zeit, jemanden zu integrieren, insbesondere du bist da sicher gut geeignet, bist ja hier am längsten dabei und mußt dich nicht primär um Melanie kümmern.
Und sonst – wir dachten einfach nur … naja … mit einer weiteren Person wärst du allerdings nicht immer damit konfrontiert, wie das zwischen uns gelaufen ist. Ist ja schon klar, daß das für dich nicht so einfach ist. Eine weitere Person aber hat nichts damit zu tun, böte also auch andere Möglichkeiten …“
Ich antwortete: „Schon klar.
Also gut.
Ich habe jemanden herausgesucht … Moment …“
Ich suchte nach den Daten, die beiden kamen heran, Peter hatte gerade Melanie auf dem Arm. Und dann zeigte ich auf dem Monitor den Datensatz von Consuela vor.
Dazu stellte ich entschlossen auf den Monitor tippend heraus: „Consuela scheint mir gut zum aktuellen Stand der Mission zu passen, es bieten sich mit dem anstehenden Nachwuchs reichlich Möglichkeiten für sie, sich sinnvoll einzubringen und fast vom Start weg bei der Kolonie dabei zu sein und ihre Kenntnisse voll einzubringen.
Das ist also meine Wahl!“
Die beiden schauten sich die Daten, auch Bilder an, schauten auch mich an, dann wieder die Bilder.
Susanne nickte und reagierte als erste: „Ja, sieht wirklich gut aus, also ich meine nicht nur optisch, vom Beruf her ist sie gut für unsere Kolonie geeignet, bei ihrer Affinität zu Kindern ist sie dann hier genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Kommt eben nur drauf an, sie nach dem vermutlichen Trauma ihres Quasi-Ablebens nun wieder in die Spur zu bringen. Dafür bleiben uns nun aber noch ein paar Monate. Von daher scheint mit der Zeitpunkt sehr günstig zu sein, also gute Wahl!“
Peter stimmte zu: „Ja, unbedingt, sie wird unsere Gruppe auf jeden Fall bereichern. Ich hoffe mal, daß wir das mit dem Trauma schon hinbekommen. Wir alle hatten ein eher dramatisches Ende und dann eben nach der Konservierung ein heftiges und verblüfftes Erwachen. Da können wir schon auf sie eingehen. Also bin ich auch dafür, daß wir uns für sie entscheiden, uns dann in aller Ruhe kümmern, so hat sie Zeit genug, bis wir dann in einigen Monaten mehr gefordert sind.“
Ich erwiderte: „Prima. Dann sind wir uns ja sogar einig. Und wenn ihr mal nach den Bildern guckt. Könnte sogar sein, daß sie eine Freundin hatte, die ihr abhanden gekommen ist. Selbst für euer zweites Anliegen also vielleicht nicht so hoffnungslos, aber darauf will ich es weder anlegen noch davon etwas abhängig machen, das wäre ja auch albern.“
Susanne und Peter schauten genauer, ich dann auch mit.
Peter zeigte dann auf jene Frau, die mir auch schon aufgefallen war und meinte: „Jene meinst du?
Stimmt, sie scheinen sich auf den älteren Bildern nahezustehen, bei den letzten ist sie verschwunden. Ist schon vage, aber möglich, daß da mehr als Freundschaft war und es dann zu unüberwindbaren Meinungsverschiedenheiten gekommen ist, vielleicht auch ein anderer Vorfall.“
Ich bestätigte: „Ja genau, aber zuviel hineininterpretieren wäre in diesem Stadium albern. Wenn da etwas Wichtiges vorgefallen ist, wird sie es uns vielleicht anvertrauen, wenn oder falls wir uns angefreundet haben.“
Susanne meinte: „Tja möglich, vielleicht auch nicht. Aber das war ja ohnehin nicht das von dir genannte primäre Argument. Wenn wir uns schon allein an dieses halten, scheint mir die Kandidatin prima zu sein.
Sie hat eine Affinität zu Kindern. Das ist wichtig für die nähere Zukunft. Und mit Melanie könnte sie sich ja gleich anfreunden und so gewöhnt sie sich gleich ein, integriert sich.“
Ich entgegnete: „Naja, wollen sie mal nicht gleich verplanen, um auf Melanie aufzupassen. Kann ja doch sein, daß sie ihre letzten Erlebnisse erst einmal in aller Ruhe verarbeiten muß, bis sie bereit ist, wieder einen geordneten Neustart hinzulegen, also locker bleiben und schauen, wie sich das entwickelt!“
Susanne nickte: „Natürlich, du hast Recht, war auch gar nicht so gemeint. Nur eher als Möglichkeit, wo sie gleich wahrnehmen kann, daß sie für uns jedenfalls wichtig und willkommen ist.“
Ich stimmte zu: „So formuliert, hört sich das gut an, ja, so machen wir das. Wir gehören ja alle zusammen, da ist Melanie auch wichtig als Möglichkeit, sich hier einzuleben und mit der Vergangenheit abzuschließen.“
Peter faßte zusammen: „Also gut. Gegenargumente hatten wir nicht. Wir haben ihr ein Leben zu bieten, was durchaus Anknüpfungspunkte bietet, wir wollen und können uns kümmern, sie paßt gut ins Projekt. Also alles im grünen Bereich!“
Wir nickten alle.
So fragte ich nach: „Prima, dann gehen wir es an und integrieren Consuela?“
Susanne lächelte und erwiderte: „Natürlich, kann losgehen.“ Dabei gab sie mir Melanie auf den Arm und ich unterhielt diese etwas, während Peter nach Ida rief und dann den anderen Ais mitteilte, zu welchem Ergebnis, welcher Auswahl wir gekommen waren. Erwartungsgemäß waren die Ais mit unserer Wahl einverstanden, die Argumente waren einfach und klar nachzuvollziehen.
Stunden später trafen wir uns dann noch zu einer Besprechung. Da ging es dann auch um die geplante Bestückung der Brutmaschinen. Auch da wurden wir uns schnell über ein weitgehend zufälliges Auswahlverfahren ohne nennenswerte Selektion einig. Dann bereiteten die Ais dies und Consuelas Wiederauferstehung vor. Dazu mußten Consuela und die befruchteten Eizellen noch vom Raumschiff heruntergebracht werden. Vorsorglich hatten Ida und Körk aber das Raumschiff ohnehin bereits im Orbit von Skylla positioniert. So ging das relativ schnell und bald darauf hatten wir alles unten und die erwählten Eizellen in den Brutmaschinen, Consuela in der Wiederauferstehung.
Unterdessen feilte ich mit Esme auch noch etwas an meinen Bekleidungsmöglichkeiten, ließ schon einmal einige Stücke fertigen, die zu Consuelas Maßen gut passen würden, daneben probierten wir auch modisch noch ein paar neue Varianten aus. So machte ich mit ihr eine kleine Modenschau, durchaus auch mit einigen Kleidungsstücken, die etwas kecker, frecher daherkamen, aber wir achtete schon auf ein solides Sortiment. Consuela würde ja bei Bedarf sowieso dann noch nach eigenem Geschmack ergänzen können. So hatte wir nun jedenfalls neben unserem klassischem Sortiment durchaus auch ein paar reizende Stücke im Angebot, zum Beispiel Minis, Oberteile mit eher großzügigem Rückenausschnitt, auch welche mit freien Schultern oder solche mit kecken Aussparungen, etwa um den Bauchnabel herum oder mitten auf den Rücken oder etwas verlockend vielleicht auf dem Busen, mittig etwas über den Brüsten, dezent auf die Wölbungen verweisend, ohne gleich zuviel zu offenbaren. Sollte Consuela also wirklich empfänglich für weibliche Reize sein, würde ich mit diesen Kleidungsstücken jedenfalls meine dezent herausstellen und vielleicht sogar begeistern. Wenn Consuela da neugierig würde, sollte sie schon noch etwas zu erforschen haben. Umgedreht hätte sie dann ebenfalls die Möglichkeit, sich reizvoll zu präsentieren, wenn ihr danach war, eben Eindruck zu machen,das mußte ja nicht unbedingt von mir ausgehen. Ich schwankte aber ohnehin noch sehr, ob mich das wirklich interessieren sollte, denn einstweilen hatte ich ja noch die Beziehung mit Susanne zu glätten, da schien es keine so verlockende Aussicht zu sein, gleich wieder neu einzusteigen.
Kurz bevor es so weit war, diskutierte ich mit Ida das Vorgehen bei der Begrüßung. Ich wollte es bei Consuela einmal anders probieren und schlug vor, daß ich mich zu ihr setzen würde, wenn sie erwachen würde. Das hatten wir bislang bei unbekannten Personen nicht gewagt, aber ich war ziemlich zuversichtlich. So würden wir gleich Kontakt bekommen, ich wäre direkt als Bezugsperson verfügbar. Gemäß der Unterlagen war leider nicht so ganz klar, was Consuela nach dem Anschlag damals noch genau mitbekommen hatte. Vermutlich aber wußte sie gar nichts von der Konservierung, würde vielleicht einfach vermuten, etwa im Krankenhaus aus der Ohnmacht zu erwachen. Ich würde geschickt vorgehen müssen, nahm mir aber natürlich vor, ganz vorsichtig vorzugehen.
Nach ein wenig Diskussion um das Für und Wider war Ida gerne einverstanden, es einmal so zu probieren. Ich hatte eher unauffällige Kleidung gewählt, fast weiß, aber auch nicht gerade ähnlich einem Arztkittel, mehr allgemein freundlich hell, um nicht gleich bedenkliche Assoziationen zu wecken. Zu denen käme es ja wahrscheinlich schon, sobald sie feststellen würde, in was für einem Anzug sie steckte, aber das war nicht zu vermeiden. Wir entfernten dann auch noch möglichst viel aus dem Raum, schalteten auch ab, was ihr fremdartig vorkommen würde, so hofften wir dann, den Streß bei ihr nicht so hochkochen zu lassen. Ich war jedenfalls gespannt, was passieren würde, wie gut und schnell ich reagieren würde. So ging dann auch mein Puls durchaus schon hoch, aber auch das schafft natürlich etwas von Gemeinsamkeit.
Ich saß also neben ihr am Bett, schaute in ihr hübsches, zartes, feines Antlitz, erfreute mich an ihrem schönen Leib, der deutliche weibliche und weiche Formen aufwies, aber auch nicht übertrieben. Das war schon eine schöne junge Frau, die sehr verlockend war, sie gefiel mir gleich noch deutlich mehr als auf den Photos, sie war einfach anziehend und knuffelig. Das war ein sehr erfreulicher Anblick, der mich schon etwas fesselte, faszinierte, fast wie ein Dornröschen, welches wachgeküßt werden muß, so friedlich schlummernd und zart, die Lippen so fein und schon gut durchblutet, die Wangen doch etwas bleich.
Wenn sie nun auch noch in ihrer Art, ihrem Verhalten so einnehmend war wie ihr Äußeres, was hätten wir uns mehr wünschen können?
Die Kryonik bot uns da Möglichkeiten, die einen immer wieder verblüffen müssen. Plötzlich kann man da einen Menschen hervorzaubern, eine neue Akteurin in unserem Gesellschaftsspiel, um dieses erheblich zu bereichern. Ich hoffte jedenfalls auf Bereicherung, nicht nur auf Komplikationen. Irgendwie hatte ich mich ja auch beim Gespräch mit Susanne und Peter hinreißen lassen. Ich hatte Consuelas Datensätze wie einen Trumpf und auch ein wenig trotzig auf den Tisch geknallt. Ich hatte meinen Willen durchgesetzt, der sich eigentlich nur durch den Gesprächsverlauf ergeben hatte. Unter den Tisch hatte ich die geschlechtlichen Unausgewogenheit unserer Gruppe fallenlassen. Den beiden war es nicht aufgefallen, auch die Ais hatten das nicht angeführt. Plötzlich hatte ich behauptet, daß sie eine gute Wahl wäre, hatte so überzeugend argumentiert, daß ich auch davon überzeugt war, daß sie schon deswegen eine ausgezeichnete Wahl ist, im gleichen Moment aber war ich auch schon eingenommen von ihrer äußeren Erscheinung!
Oh wie wandelbar, wie flatterig kann doch das menschliche Gemüt sein!
Vor Tagen, Stunden gar noch vergrätzt wegen Susannes Abweisung saß ich nun neben Consuela und mein Herz schlug schon allein deswegen etwas schneller!
Und ich zweifelte an mir, gerade auch deswegen.
Aber egal, zu spät, um über die eigenen Motive weiter nachzusinnen. Nun war es entschieden.
Ich atmete tief durch, seufzte und hoffte, daß es schon irgendwie gutgehen würde. Nun mußte ich wohl irgendwie wollen und auslöffeln, was ich mir so trotzig nun einmal eingebrockt hatte. Nun, so besehen und Consuela dabei angeschaut, könnte das schon eine ganz leckere Suppe werden. Und auch, wenn sie gar kein Interesse haben sollte, wäre sie doch immerhin trotzdem eine große Chance für unsere Mission.
Consuela bewegte sich. Ich hatte sanft ihre Hand in die meine genommen und wartete, bis sich bei ihr das Bewußtsein klären würde, bis sie die Augen öffnen würde, wie sich ihr Blick allmählich schärfen würde. Als das geschah, mußte ich ganz automatisch lächeln und schaute sie freundlich an. Consuela war natürlich durch die Wiederauferstehung noch ordentlich durcheinander, erwiderte aber das Lächeln zaghaft, aber auch deutlich verwirrt.
Ich sprach also die bereits von Ida vertraute Begrüßungsformel: „Herzlich willkommen, Consuela!“
Sie guckte unsicher, mit einer Hand hielt ich die ihre, strich mit der anderen sanft über ihre Schulter, auch durch ihr Haar: „Alles ruhig und unter Kontrolle. Ich hoffe, dir geht es gut, nach deinen Daten bis du fit, ein wenig verwirrt vielleicht noch, aber das sollte sich innerhalb der nächsten Stunde komplett gelegt haben.“
Consuela hatte sich etwas aufgerichtet, schaute sich nur kurz um, dann mich wieder an: „Danke und hallo.
Was ist denn passiert und wo bin ich denn?“
Ich fragte zurück: „An was erinnerst du dich denn?
Kannst du deinen Namen nennen, Adresse?“
Consuela zögerte, antwortete dann: „Ja, kann ich“, dann gab sie langsam, aber deutlich die gewünschten Informationen preis. Ich hatte mir das zuvor angesehen und es paßte. Das war bei ihr also schon einmal in Ordnung.
So hakte ich nach: „Und deine letzte Erinnerung?
Was ist für dich zuletzt passiert?
Versuche, dich zu erinnern!“
Consuela sann offensichtlich ein wenig nach, dann veränderte sich ihr Gesichtsausdruck.
Sie richtete sich auf, entzog mir entschlossen, aber nicht abweisend ruckartig die Hand, zog die dünne Decke zur Seite, betastete den Anzug, ihren ganzen Leib, bewegte sie dann auch, rieb über den Anzug, schaute mich verständnislos und verblüfft an.
Dann platzte es aus ihr heraus: „Was ist passiert?
Was ist das für ein Anzug?
Da war doch, da war doch dieses Auto, raste auf den Schulhof zu!
Auf die Kinder, oh du meine Güte, die armen Kinder!
Ich … ich saß im Auto, weil ich gerade ankam, geparkt hatte. Dann wie automatisch … Rückwärtsgang und los, Vollgas.
Dann … dann Bums und Geschepper!
Habe das Auto getroffen, wohl gegen die Gebäudewand gedrückt, die Kinder gerettet …
Aber dann!
Du meine Güte!
Kawumm!
Explosion in dem Auto!
Kawumm!
Explosion!
Mehr weiß ich nicht mehr!
Was, was … was ist passiert?
Wo … bin ich denn hier?
Tot bin ich denn wohl nicht, oder?
Nicht mal verletzt wohl …
Wie kann das sein?
Und der Anzug?
Wo bin ich denn hier?“
Ich streichelte ihr vorsichtig und beruhigend mit einer Hand über die Schulter, ergriff mit der anderen wieder eine ihrer Hände und erklärte ganz ruhig: „Du bist hier ganz sicher. Du hast alle Kinder gerettet. Wirklich alle. Sie sind alle mit dem Schrecken davongekommen.
Du bist eine Heldin, dich so für sie eingesetzt zu haben!
Und du hast es nun alles überstanden, hast überlebt, bist ganz gesund.
Es ist alles in Ordnung.
Es ist alles dran und voll funktionsfähig.
Dieses Attentat, dieser Anschlag ist vorbei, alle sind sicher und du bist eine Heldin, weil du alle Kinder gerettet hast!
Den Anzug brauchst du noch so etwa ein bis zwei Tage zur Erholung, der ist noch wichtig. Darunter ist aber alles intakt und in bester Ordnung.“
Consuela schaute mich an, fragte dann: „Bin ich im Krankenhaus?
Sind sie eine Doktorin?“
Ich beantwortete die Fragen: „Nein, im Krankenhaus bist du nicht. Du bist ganz gesund. Trotzdem hatte der Anschlag schon Konsequenzen, deswegen bist du hier. Natürlich hat es dich damals bei der Explosion ordentlich erwischt, warst aber auch wohl in deinem Auto etwas geschützt. Jedenfalls hat es dann Zeit gebraucht, du warst im Koma, weggetreten.
Aber nun bist du komplett wieder hergestellt, bist wieder ganz munter, also alles gut!
Doktorin bin ich schon, aber Naturwissenschaften, nicht Medizin. Und ‚Sie‘ kannst du auch lassen, brauchen wir hier nicht. Und nein, im Krankenhaus bist du wirklich nicht. Dir fehlt nichts.
Du erinnerst dich also an nichts mehr, was nach dem Knall, dem Anschlag passiert ist?“
Consuela atmete tief durch, war ziemlich aufgeregt, aufgelöst, schluckte, schüttelte heftig den Kopf.
Sie begann zu weinen und ich nahm sie einfach in den Arm, erst zögernd, dann aber doch sanft zugreifend erwiderte sie die Umarmung. Ich ließ sie einfach ein wenig weinen, streichelte ganz zart über ihren Rücken.
Sie flüsterte dann leise, immer wieder seufzend: „Da … da ist nichts mehr, muß mich voll erwischt haben.
Und den Kindern geht es wirklich allen gut?
Immerhin!
Was für ein Grauen.
Ich war wie im Schockzustand, im Alptraum, alles automatisch, hatte gar keine Zeit zu überlegen, habe einfach gemacht, war die einzige Möglichkeit, da gab es nichts zu überlegen.
Heldin meintest du?
Nein, nein, bestimmt nicht.
Ich hatte solche Angst, schon als die Autos so heftig zusammenkrachten, dann gegen die Wand, da blieb mein Herz stehen, glaube ich, da schien schon mein Hirn einzufrieren, alles wie in extremer Zeitlupe, schon vorher, dann klickerte es irgendwie nur noch durch.
Kawumm!
Scheint noch in meinen Ohren zu summen von der Explosion, alles noch wirr …
und dann weg …“
Und so stockte es wieder, sie zögerte immer mehr, drückte dann sich wieder an mich, weinte weiter.
Ich versuchte zu trösten: „Ist in Ordnung. Du bist hier ganz sicher. Hier gibt es keine Attentäter, niemanden, der uns bedrohen könnte.
Kannst deinen Schmerz, deine Furcht, deine Tränen einfach rauslassen, ich bin bei dir, halte dich!“
Dann fuhr sie zaudernd, grübelnd fort, erst ganz langsam, dann allmählich schneller: „Wie … wie … wie kann das sein?
Alles … wieder gut?
… wie? …
Ich müßte tot sein …
Ist niemand hier, den ich kenne?
Was ist hier los?
Du bist nett, aber wer bist du denn?
Wo sind denn alle?“
Sie zitterte, wirkte sehr verunsichert, so zart, hilflos und aufgelöst. Aber sie war komplett heile, keine Spur von einer Explosion, nichts übrig von dem körperlichem Trauma, welches sie dann durchgemacht haben mußte. Die Konservierung hatte wirklich ganze Arbeit geleistet. Nur in den Erinnerungen hatte sie natürlich nicht aufgeräumt.
Sie war so schön, so zart, so weich, fühlte sich so gut an in meinen Armen.
Sie aber war völlig aufgelöst.
Ich war etwas ratlos. Nun sollte mir wohl spontan etwas einfallen, um sie zu beruhigen, zu trösten. Und so streichelte und umarmte ich sie weiter, wobei nun auch mir die Tränen kamen.
Sie ließ sich darauf ein, streichelte mich sogar auch ein wenig. So hielten wir uns einfach.
Bald aber wurde sie schon unruhig, hibbelig, ließ die Umarmung los, so ließ ich auch locker. Wir schauten uns mit verheulten Augen an.
Sie meinte: „Ich verstehe das alles nicht. Lieb, daß du mich tröstest, aber ich bin irgendwie völlig durcheinander, völlig fertig, auch etwas dumpf im Kopf.
Ist alles so merkwürdig!“
Sie schluchzte, wischte sich durchs Gesicht. Wie ein Spiegel mußte ich es ihr nachtun, rieb mir auch die Tränen weg. Wir schauten uns an, ihr Blick war so unsicher, sie zitterte, ihr Kinn bebte.
Und so zog ich sie dann wieder vorsichtig an mich, drückte ihren Kopf vorsichtig an meinen Busen und umarmte sie mit einem Arm, fuhr ihr mit der anderen Hand sachte durch das Haar.
Dann offenbarte ich ihr möglichst ruhig: „Also gut. Ich erkläre dir deine Situation. Aber du mußt dich nicht aufregen.
Du fühlst es doch, hast letztlich alles heile überstanden, es ist alles gut!“
Ich fühlte, wie sie mit dem Kopf nickte, während ihre Tränen meinen Busen netzten. Ich fuhr fort: „Damals hat es dich wirklich schwer erwischt. Das hat die Ärzte wirklich schwer gefordert, überfordert sogar. Es waren besondere Maßnahmen notwendig, um dein Leben zu retten. Und wo du so viele Kinder gerettet und beschützt hast, hat man natürlich nichts gescheut, um auch dich zu retten.
Hast du schon einmal etwas von Kryonik gehört?“
Sie entgegnete leise: „Diese Methode, wo man hoffnungslos erkrankte oder verunfallte Menschen einfriert, die sich das leisten können, damit man sie später behandelt, wenn man für ihr medizinisches Problem eine Therapie hat?“
Ich erwiderte: „Genau das. Da es dich doch schwer erwischt hatte, war das der letzte Ausweg. Ja, die Kryonik war deine Rettung, hat dich wieder komplett hergestellt.
Ich sollte wohl anmerken, ich war auch in solch einer Kryonik-Maßnahme. Das wird heute Konservierung genannt, ich war sogar wohl die erste Person. Mit deinem Fall damals hatte ich gar nichts zu tun, da war ich längst konserviert. Was nun mit dir passiert ist, nennen wir Wiederauferstehung, den Begriff kennst du vielleicht bereits aus einem ähnlichen Zusammenhang, die Leute, die konserviert worden sind, nennt man etwas abwertend Kryo-Zombies, das sind wir beide, nun aber wieder komplett lebendige und gesunde Menschen, das alles ist vorbei und erledigt. Ein neues Leben liegt vor uns. Ich möchte dir helfen, dich zurechtzufinden, in dein neues Leben zu finden. Ich werde mich um dich kümmern.“
Consuela atmete schnell und tief an meinem Busen, hatte auch zaghaft die Arme um mich gelegt, flüsterte dann erneut: „Danke dir, danke für deine Hilfe und deinen Beistand.
Aber … Kryonik.
Ich habe das nie verlangt oder gewollt …
Ich … auweier … ach du meine Güte, da muß es schlimm um mich gestanden haben.
Und nun ist alles wieder gut?
Unglaublich!
Und ich weiß rein gar nichts davon, habe nichts mehr mitbekommen!
Wie kann das alles sein?
Das ist alles sehr verwirrend, aufwühlend.
Soso, von den Toten auferstanden.
Du meine Güte.
Ein neues Leben.
Aber wo ist meine Familie, meine Freundin, wann sind die hier?
Oh … oh … ich bringe doch was durcheinander, meine Freundin wird gar nicht kommen, glaube ich jedenfalls nicht, haben uns getrennt, vorbei, aber vielleicht, vielleicht, wenn das passiert ist, vielleicht sorgt sie sich ja doch?
Ist sie hier?
Ist meine Familie hier?
Oder dürfen die noch nicht zu mir?
Stimmt doch etwas nicht, wenn wir beide diese … diese Kryo-Zombies gewesen sind?“
Ich betonte: „Ich kann dir versichern, mit uns beiden ist alles in bester Ordnung. Es könnte gesundheitlich gar nicht besser sein. Die haben da wirklich phantastische Möglichkeiten, in der Beziehung können die wirklich fast alles, solange noch Leben und Verstand in dir steckt.
Das hat aber auch einen großen Haken. Es hat Zeit benötigt, bis sie so weit waren …“
Consuela grübelte: „Ja, wenn es so schlecht um mich stand, natürlich, und dann hatten sie doch eine Therapie. Muß ja, sonst wäre ich nicht wach und lebendig.
Und die Zeit?
Wieviel eigentlich? …
Wo ist meine Familie?“
Ich zögerte, biß mir kurz auf die Lippen, ich hatte nun Tränen in den Augen, dann gab ich mir einen Ruck und fabulierte einfach einmal: „Sie hatten alle ein gutes Leben, ein langes, alles in Ordnung mit ihnen … nur … nur … das ist schon lange her, das ist lange vorbei. Von deinem bisherigen Leben aus gesehen bist du nun in einer fernen Zukunft. Es gibt leider kein Zurück.
Das hat auch mich sehr schockiert.
Aber ich bin bei dir, halte dich, tröste dich, helfe dir, du bist nicht allein.“
Wir schwiegen beide, ich streichelte sie weiter vorsichtig, wiegte sie sogar wie ein Kind. Wortlos hielt sie ihre Umarmung. Und so verging die Zeit still und ruhig, obwohl ihr Kreislauf merklich aufgeregt ging, ich sah das auf einem möglichst dezent hinter ihr angebrachten Monitor.
Ich versuchte es einfach mit einer Atemübung, sagte nicht einmal etwas. Ich hatte wohl Glück, denn nach einer Weile übertrug sich meine Ruhe, meine gleichmäßige, langsame Atmung auch auf sie, sie wurde ruhiger, hielt sich an mir.
Consuela weinte, aber allmählich versiegten die Tränen, sie wurde ganz still, brauchte dafür ihre Zeit, die ich ihr gab. Auf dem Monitor hinter ihr hatte Ida mir Daten eingeblendet, auch über ihre medizinische Versorgung. Sie hatte Beruhigungsmittel verabreicht, durchaus eine mittelmäßige Dosis, als Kommentar hatte sie vermerkt, das sei durchaus noch gut im Rahmen, jedenfalls war Consuela ja auch ganz brav und artig. Ich jedenfalls mochte sie gleich, auch so ganz direkt im ersten Kontakt.
Sie löste sich etwas von mir, wir drehten uns etwas und sie kam etwas herum, setzte sich neben mich auf die Bettkante.
Consuela hakte nach: „Sie sind also alle tot?
Meine Freundin?
Jedenfalls meine ehemalige?“
Ich hakte nach: „Natürlich, trotz der Trennung hängst du noch an ihr, aber nun ist es zwangsläufig wirklich vorbei. Für dich ist es ein Neubeginn.
Alle deine Verwandten und Bekannten haben in der Vergangenheit gelebt. Aber sie haben ihr normales Leben geführt, notgedrungen ohne dich. Sie haben gelebt, wie es sein soll. Dir, uns haben sie das Leben mit ihnen genommen. Sie haben uns nicht zurück in unser Leben gelassen, auch nicht, als sie gekonnt hätten. Das war ein grauenhaftes Verbrechen. Die Zeit kann man aber nicht zurückdrehen. Jetzt sind wir hier und haben immerhin die Chance, ein neues Leben zu leben.
Deine Verwandten und Freunde haben ihr Leben gelebt, werden vielleicht auch Nachkommen, jedenfalls Freunde gehabt haben. Um ehrlich zu sein, um mehr zu erfahren, müßten wir versuchen zu recherchieren. Ich kenne keine Details. Und wir wissen nicht so viel über die Vergangenheit der meisten Menschen. Die Daten über uns sind ebenfalls dürftig. Es ist alles vorbei, was uns einst geschah. Wir sind im Hier und Jetzt. Unser früheres Leben ist lange vorbei und abgehakt, für alle ist es das. Nur wir müssen uns damit noch abfinden, haben aber auch die Chance, einfach neu anzufangen.
Ich weiß gar nicht so viel über dich. Aber ich weiß schon jetzt, daß du sehr an ihnen gehangen hast. Es tut mir sehr leid für dich, ihnen so grauenhaft entrissen worden zu sein.
Wir hier werden versuchen, dir eine neue Familie, Freunde zu sein, eine ganz andere Gemeinschaft, aber auch hier kannst du dich eingewöhnen, leben, lieben, kreativ sein, deinen Interessen nachgehen, anders als damals, aber hier hast du einen Platz!“
Consuela seufzte, zog tief den Atem ein, nickte dann zögernd, richtete sich dann aber ganz gerade auf. Sie wollte das wohl erst einmal notgedrungen so akzeptieren.
Ich schlug ihr vor: „Wenn du dich stark genug fühlst, kann ich dir mehr Details und Grundlegendes erzählen, was seitdem so allgemein passiert ist.
Magst du?“
Sie stimmte zu, schaute mich kurz an, dann wieder etwas scheu hinunter auf den Boden.
Und so erzählte ich ihr dann halbwegs schonend, wie lange sie konserviert gewesen war, was so prinzipiell auf der Erde passiert war.
Consuela staunte und ich bemühte mich, sie durch Faszination für diese Zukunft irgendwie abzulenken. Das funktionierte wenigstens ansatzweise.
Natürlich fand auch sie wie wir anderen diese ebenso lächerlichen wie schockierenden rechtlichen Probleme völlig absurd, die immer wieder verhindert hatten, daß wir in unser Leben zurückkamen. Auch das schluckte sie dann aber und hörte weiter zu.
Ähnlich wie Ida schloß ich dann allmählich den Bogen und kam auf die Raumfahrt zu sprechen. Consuela war interessiert und staunte, was man da bewerkstelligt hatte. Ich erzählte dann auch von den Missionen, mit denen man dann andere Sonnensysteme mit möglicherweise geeigneten Planeten in der habitablen Zone erforschen, vielleicht gar besiedeln wollte. Ich erzählte ihr auch vom Verlauf unserer Mission 4, ohne noch darauf einzugehen, daß wir selbst diese Mission waren. Und dann war ich praktisch auf dem aktuellen Stand. Nach kurzem Zögern offenbarte ich ihr dann, daß wir selbst diese Mission 4 waren und uns nun auf Skylla befänden.
Erregt und irritiert machte sie sich gleichzeitig von mir los, sprang auf und eilte auf die Tür zu. Die Fenster hatten wir mit Vorhängen verhüllt. Wir hatten es ja absichtlich so karg und unauffällig eingerichtet, damit sie nicht zu früh verwirrt würde, sich zuviel Streß aufbauen würde. So konnte sie bislang nichts davon sehen, was draußen war. Sie öffnete vorsichtig die Tür, ich folgte. Consuela ging zögernd einige Schritte hinaus, blieb dann gleich draußen einige Meter vor der Tür wieder wie vom Blitz getroffen stehen und starrte in die Nacht hinaus, wo zum einen Charybdis am Himmel stand, zum anderen aber auch unser dünner, noch immer vorhandener Eisring diffus schimmerte. Ihr wurde klar, daß ich ihr keinen Schmarren erzählt hatte, daß ich ihr keinen Bären aufgebunden hatte.
Sie staunte mit offenem Munde, zitterte.
Ich stand hinter ihr.
Und als sie wackelig einknickte, hielt ich sie einfach, zog sie an mich und merkte einfach einmal so an: „Sieht doch eigentlich ganz schön aus hier, oder?
Ein neues Leben, eine neue Welt, eine neue Zukunft.
Haben wir alle nicht gewollt, aber ratzfatz stehen wir alle mittendrin!“
Consuela staunte noch immer wortlos, rappelte sich aber bald wieder hoch, konnte alleine stehen.
Nachdem sie die Situation so halbwegs akzeptiert hatte, schlug ich vor, ich könne ihr die anderen menschlichen Bewohner der Kolonie vorstellen. Consuela schaute mich an, lächelte sogar etwas und war sichtlich neugierig. Das erfreute mich, mir schien, sie war bereits auf eine guten Weg, den Schock über das Attentat und dann auch die Krise der Wiederauferstehung zu überstehen. So begleitete ich sie zur Unterkunft von Peter, Susanne und Melanie, klopfte. Susanne öffnete, begrüßte Consuela herzlich, Peter folgte mit Melanie, begrüßte sie ebenfalls und Consuela zeigte Melanie gegenüber ein freundliches, offenes Gesicht, gar ein erstes, vorsichtiges, schönes Lächeln, die dieses freundlich kichernd erwiderte. Ich fand, das lief sehr gut, die beiden schienen gleich einen gewissen Draht zueinander zu haben. Das erleichterte mich sehr, denn Melanie mußte zwar eigentlich jeder mögen, aber so paßte es einfach ausgezeichnet, wenn die beiden schon einmal einen guten Draht zueinander hatten. Ja, irgendwie wirkte Consuela auf Kinder, jedenfalls auf Melanie, auf die anderen dann hoffentlich auch. Das sah schon einmal sehr schön aus und Melanie war genau die richtige, um Consuela vom gerade erlebten Drama abzulenken. Ich dachte mir, darauf würde man aufbauen können. Mit viel Glück hatte ich wohl genau richtig gelegen.
Consuela kommt nicht nur als Lehrerin mit Kindern gut zurecht. Nun, sie hatte ja auch Erfahrung im Kindergarten. Und es zeigte sich nun gleich, daß das ungebremst war.
Besser hätte es doch eigentlich gar nicht laufen können.
Auch Susanne und Peter hatten das wohl gleich erkannt und so wechselte Melanie gleich zügig zu Consuela, die sie vorsichtig herzte, sie hielt und ein wenig Schabernack mit ihr trieb. Wir setzten uns einfach und plauderten ein wenig. So verbrachten wir in der Gruppe eine ganze Zeit, dann schlug ich vor, auch die Ais vorzustellen. Auch darauf war Consuela sehr gespannt, nun in unserer Gesellschaft bereits etwas gelöster, immer noch sehr nachdenklich und etwas zurückhaltender, aber ich hatte schon das Gefühl, daß sie langsam Fuß faßte, an psychischer Stärke gewann, sicherer wurde.
Über die Avatare staunte sie natürlich, war merklich unsicher. So ganz geheuer waren ihr Ais irgendwie nicht. Immerhin aber gingen wir anderen ganz selbstverständlich mit ihnen um, selbst Melanie grabbelte etwa an Hildegard herum, wollte auch mal zu ihr, so gab Consuela sie zögernd ab und staunte, daß Hildegard gut auf Melanie einging und Melanie wiederum gut auf Hildegard reagierte, Hildegard Melanie gekonnt Kurzweil bereitete. So aber bekam Consuela gleich einen guten, vertrauenschaffenden Eindruck von den Ais, die mit den Avataren zwar anders wirkten, im praktischen Verhalten doch aber ein gutes Benehmen hatten, wir anderen mit ihnen zudem ganz normal interagierten.
Von Asi und Stanis konnten ja nur Grußbotschaften kommen, so oder so war Consuela sehr beeindruckt. Mit solchen Fortschritten und Fähigkeiten von Ais hatte sie nicht gerechnet. Zu ihrer Zeit, sie war ja zeitlich nicht so weit weg von Susanne und Peter konserviert worden, waren die noch längst nicht so weit gewesen, wie sie es nun waren.
Ein paar Stunden waren so vergangen und Consuela staunte nun auch schon über die kurzen Wechsel von hell und dunkel durch die schnelle Rotation von Skylla um die eigene Achse.
Wir wechselten dann, Susanne, Ida und ich zeigten ihr in einem Arbeitsraum auf den Monitoren verschiedene Details, Ida stellte schon einmal grob die beiden Planeten Skylla und Charybdis vor, wie es darauf in verschiedenen Gebieten aussah, wie es heute aussieht, ging aber nicht zu sehr in Details, um Consuela nicht etwa noch zu langweilen oder zu überfordern. Consuela war aber ganz aufgeweckt und neugierig, wollte durchaus mehr wissen. Peter, Melanie, Esme und Hildegard kamen noch hinzu und schauten gemeinsam mit uns. Wir boten dann auch gleich an, sie in ihrem Wissensdurst zu unterstützen und zu fördern und sie weiterzubringen, es würde dann auch Daten von den Ais und Unterstützung hinsichtlich aller Themen geben, worüber sie etwas wissen, erfahren oder auch lernen wollte. Von der Mission sollte ihr nichts verschwiegen werden, alles sollte sie erfragen oder nachlesen, was sie daran interessierte. Das war natürlich ganz wichtig, um sie in unsere Gruppe zügig zu integrieren. Consuela zeigte erfreulicherweise reges Interesse. Auch das gefiel uns an ihr sehr. Das würde sehr helfen, sie von ihrer Vergangenheit abzulenken und sie ganz im neuen Leben zu verankern, sie hier weiterzubringen und zu integrieren.
Wir fluteten sie regelrecht mit freundlichen Angeboten, daß Consuela schon beinahe erdrückt war von so vielen Möglichkeiten, etwas zu tun, Sinnvolles zu erfahren und zu gestalten.
Ich merkte das schon, wollte Überforderung vermeiden. Draußen gab es inzwischen erneut einen schönen Rasol-Aufgang in bunten Farben, so schlug ich einen Spaziergang vor, einmal tief luftholen und einfach gucken. Consuela war damit einverstanden, wollte ebenfalls raus, frische Luft schnappen. Hildegard begleitete uns, Peter, Susanne und Melanie blieben allerdings, das wäre dann auf dem kleinen Ausflug etwas viel Trubel gewesen. Hildegard zeigte dann noch kurz Felder und Gewächshäuser der Kolonie, wobei wir diesmal nur einen kurzen Blick in ein Gewächshaus warfen.
Da Hildegard noch etwas tun wollte, zog ich dann alleine mit Consuela los, diese war allerdings noch nicht so ganz sicher auf den Beinen, so steuerte ich dann eine Bank mit schöner Aussicht an, wir setzten uns und genossen die Aussicht. Wir saßen ohne Körperkontakt nebeneinander und nach einer Weile wortlosen Genießens schaute ich zu ihr hinüber. Sie bemerkte das schnell, schaute mich an, wir sahen uns gegenseitig in die Augen, bis ich herzlich anfing zu lachen. Sie stimmte mit ein.
Und so fragte ich sie, als wir uns von dem Lachanfall wieder beruhigt haben: „Und?
Wie ist dein erster Eindruck?
Vielleicht kein wirklicher Ersatz für dein altes Leben, aber ein wenig haben wir schon zu bieten!“
Consuela zeigte ein feines, sehr schönes Lächeln, meinte dann: „Oh, es ist so spannend. Alles ganz anders und ihr seid alle so nett und aufmerksam zu mir. Das sind so viele Eindrücke. Mir schwirrt schon der Kopf davon. Ich bin ziemlich geschafft, aber es ist gut.
Um mein altes Leben werde ich wohl noch eine Weile trauern, meine Familie, Freunde vermissen.
Ich hatte mit dem Referendariat in der Schule ja eigentlich gerade neu angefangen, die Trennung von meiner Freundin war ein dramatischer Bruch, aber trotzdem, dies hier ist noch einmal ganz was anderes, das hat mich tief getroffen. Ihr habt mich schon aufgefangen, seid so lieb.
Aber natürlich ist es nicht so einfach.
Doch es stimmt auch, das alles hier ist so unfaßbar, unglaublich, spektakulär, unvorstellbar. Auch das muß ich erst einmal verarbeiten und einsortieren.“
Ich versicherte: „Schon in Ordnung. Ich bin immer für dich da. Die anderen sind für dich da. Du wirst dich schon einleben. Zu trauern ist normal. Der Schock nach der Wiederauferstehung ist normal. Dazu kommt bei dir ja noch dieses grauenhafte Attentat als letzte Erinnerung an das alte Leben. Das steckt man alles nicht innerhalb weniger Stunden weg. Das ist schon klar. Wir alle hatten damit zu kämpfen. Es ist normal, um das alte Leben zu trauern, auch wütend zu sein. Das gehört dazu, auch um abzuschließen. Erst dann kann man wieder richtig durchstarten. Ist ja für uns alle nicht so ganz einfach, aber es geht schon, zusammen geht es.
Und eigentlich ist es doch auch sehr schön hier, wir haben schon etwas erreicht und werden gemeinsam noch viel mehr erreichen!“
Consuela nickte zustimmend und schaute nachdenklich in die fremde Ferne eines ganz anderen Planeten, auf dem sie gerade erst angekommen war.
Wir saßen noch eine Weile, schlenderten dann langsam los. Nun war sie schon etwas sicherer auf den Beinen, daher machten wir noch einen weiteren Ausflug durch die nähere Umgebung. Die vielen neuen Eindrücke wie auch noch die Wiederauferstehung hatten Consuela merklich zugesetzt, so war sie schon bald erschöpft, gab zu erkennen, nun Ruhe zu brauchen. Ich führte sie zurück zur Kolonie und brachte sie in ihr Zimmer.
Ich betonte noch einmal: „Den Anzug mußt du leider noch anbehalten. Essen und trinken ist auch noch nicht angebracht. Mein Zimmer ist gleich nebenan. Erst einmal gehe ich noch zu Susanne, Peter und Melanie hinüber, wir essen gemeinsam zum Abend. Danach bin ich dann aber bald wieder hier. Falls du noch nicht schlafen solltest oder wieder aufwachen, kannst du einfach zu mir nach nebenan kommen, ich werde mich schon kümmern. Bist nicht allein, wir bemühen uns schon aufrichtig um dich.
In Ordnung?“
Consuela bestätigte: „Ja prima, ich bin wirklich völlig fertig, obwohl mir eigentlich auch noch viel durch den Kopf geht. Ich vermute, ich werde trotzdem bald einschlafen, hoffentlich richtig ausschlafen.
Die Türen sind also offen?“
Ich lachte: „Ja, gewöhnlich schon.
Wir sind ja nicht so viele und vertrauen einander. Wenn wir nicht auf dich setzen würden, hätten wir dich doch gar nicht wiederauferstehen lassen. Aber ich kann dir auch zeigen, wie du die Tür von innen verschließt. Gut, die Ais bekämen sie immer noch auf. Wenn du mißtrauisch bist, kannst du ja etwas davorstellen, dann hörst du wahrscheinlich, wenn jemand eindringen will und wachst auf.“
Sie versicherte: „So war das gar nicht gemeint. Ihr wart alle so freundlich zu mir. Ich bin gar nicht mißtrauisch.
Und draußen ist nichts weiter?“
Ich lachte: „Wir haben intensiv gesucht, aber nein, hier keine Außerirdischen. Was denen am nächsten kommt, ist weit draußen auf einem Mond der Gasriesen unter einer sehr dicken Eisdecke in einem Meer. Raumfahrt haben die nicht drauf, haben nicht einmal die Sterne oder unsere Sonne Rasol jemals gesehen. Außer den vorgestellten Personen und den Ais gibt es also sonst niemanden. Vegetation ist natürlich schon da, auch kleinere Tiere, aber nichts darunter, was die Tür öffnen könnte.“
Consuela lächelte, war aber noch etwas unsicher, erwiderte dann aber tapfer: „Ja, gut zu wissen. Ich glaube, mit der Erklärung wird mir das nicht den Schlaf rauben …“
Ich schlug vor: „Ich laufe morgens immer. Wenn du auch Lust dazu hast, kannst du mitkommen. Wenn du willst, wecke ich dich und nehme dich mit.
Was meinst du?“
Consuela war einverstanden: „Ja gerne, versuchen wir das. Gewohnt bin ich das nicht, aber wo sich ja sowieso nun mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt hat, kann ich auch gleich damit beginnen, neu anzufangen. Und in Gesellschaft Bewegung, ich glaube, das wird mir guttun.“
Und damit verabschiedeten wir uns dann erst einmal voneinander und ich ging wie angekündigt zum Abendessen.
Angekommen fragte mich Susanne dann gleich: „Und?
Wie läuft es so?
Ist ja wirklich ganz nett, oder?“
Ich grinste: „Kommt sogar morgen früh mit zum Laufen. Ja und es ist ganz nett mit ihr. Ich schätze, es war kein Fehlgriff, das bekommen wir schon hin.“
Peter bestätigte: „Ich habe auch einen ganz guten Eindruck von ihr, wird schon funktionieren, wird schon ganz gut zu uns passen.“
Wir aßen und plauderten. Nach etwa einer Stunde meinte ich dann, daß ich Consuela ja versprochen hätte, im Bedarfsfalle in meinem Raum anzutreffen zu sein. Und so verabschiedete ich mich und ging zurück.
In meinem Zimmer eingetroffen entkleidete ich mich, legte mich nackt auf das Bett und sann noch etwas nach. Das war wirklich ganz gut gelaufen mit Consuela.
Wie würde sich das weiterentwickeln?
Wie war es eigentlich dazu gekommen?
Ich hatte wie gewünscht in den Datensätzen der Kryo-Zombies gelesen, hatte gewählt, wieder verworfen. Dann gab es diese Diskussion mit Susanne und Peter und irgendwie wollte ich auftrumpfen und plötzlich war der Datensatz von Consuela auf dem Monitor, ich hatte sachlich für sie argumentiert und sie hatten mir zugestimmt, fanden es auch plausibel, also alles in Ordnung. Und doch schlug mein Herz etwas schneller, als ich neben ihr saß und ging, als wir alleine waren, mehr noch, als wir uns ansahen. Das fühlte sich ganz gut an, wir würden uns sicher gut verstehen, wie auch immer sich das entwickeln würde. Das war schon erstaunlich. So schnell. Irgendwie ging es mir jedenfalls durch sie schon einmal besser. Das war nach meiner Argumentation nicht unbedingt das Ziel gewesen, aber doch ein wohltuender Effekt.
Was hatte ich da wirklich bewußt entschieden, was war unterschwellig abgelaufen?
War meine rationale, so überzeugende Argumentation wirklich Ursache meines Vorgehens, meines Vorschlags gewesen?
Bewußte Entscheidungen sind doch lediglich Folgen vorheriger komplexer unbewußter Vorgänge, die wiederum darauf basieren, was man zuvor erlebt hat, wer man ist. So gesehen gibt es gar keine freien Entscheidungen, keinen freien Willen. Die Reihenfolge ist umgedreht. Weil sich die Vorgänge so entwickeln wie sie sich entwickeln, produziert das Gehirn sozusagen als Abfallprodukt das Bewußtsein, das Ich und gibt diesem die Illusion bewußter Entscheidungen. Die bewußten Gedanken, all unser bewußtes Denken beeinflußt nicht unsere Handlungen, haben keine Auswirkungen auf die Realität und unser Sein darin. Vielmehr sind die Gedanken ein Abfallprodukt der meßbaren physikalischen Prozesse, der Chemie des Lebens. Vielleicht muß das Gehirn sie nur absondern, um effizient zu funktionieren. Oder sie sind wirklich nur ein evolutionär nicht weiter störendes Artefakt. Wenn es stören würde, hätte die Evolution es vermutlich bereits beseitigt. So aber vagabundieren die Gedanken nur im Kopf herum, erklären uns scheinbar, wie es zu welchen Entscheidungen gekommen ist, gaukeln uns vor, wie wir die Zukunft entscheiden, während sich diese tatsächlich eben einfach aus dem ergibt, was wir gerade erleben und früher erlebt haben.
So wäre mein plötzliches Bestehen auf Consuelas Wiederauferstehung also eine naheliegende Konsequenz aus den bisherigen Erfahrungen, auch oder insbesondere aus der Enttäuschung darüber, daß Susanne sich Peter zugewendet hatte, daß ich nun alleine war.
Hatte mein Unterbewußtsein wirklich ein so starkes Bedürfnis nach inniger Gesellschaft, daß ich diesem Trieb ausgeliefert prompt einen Ersatz für Susanne ausgewählt hatte, um mich selbst damit zu beglücken?
Allerdings war Consuela sicher kein Ersatz für Susanne, sowohl vom Charakter als auch der Erscheinung her war sie anders, durchaus auch zart und sensibel, sicherlich auch leicht zu treffen und doch anders als Susanne, mit der mich ja auch eine gemeinsame Vergangenheit verband, die nicht so einfach weggewischt werden kann.
Aber waren alle anderen guten Argumente für Consuela vielleicht doch nur aufgesetzt, vorgeschoben, um mich und meinen Sexualtrieb zu rechtfertigen?
Der freie Wille ist eine seltsame Konstruktion des Ichs, wie das Ich selbst. Man weiß doch von der Physik her, was läuft. Auf der einen Seite die Relativistik, in welcher man selbst eigentlich eine prognostizierbare Kurve durch die Raumzeit einschlägt, auf der anderen Seite die Quantenphysik, wo die Projektion der Wellenfunktionen auf unseren klassischen Makrokosmos zu einem zufälligen Ergebnis führt. Auch die nach meiner Zeit entwickelte An, also die Allgemeine Näherung, das Modell für alles, in dem Maße wie ich diese verstanden hatte, liefert nicht wesentlich mehr. Da bleibt kein Raum für einen freien Willen. Was prognostizierbar ist, ist nicht frei entscheidbar, was zufällig passiert, unterliegt auch nicht unserem Einfluß. Wir leben irgendwo dazwischen, weder komplett deterministisch noch komplett indeterministisch, nicht komplett zufällig, nicht komplett vorhersagbar, daß man eben oft über einen kurzen Zeitraum einfache Sachverhalte nähern kann, um abzuschätzen, was ungefähr passieren mag.
Das Gehirn gaukelt uns ein Ich vor, ein Bewußtsein, welches uns einen freien Willen, freie Entscheidungen vortäuscht. Alles eine Illusion. Und doch ist auch diese Illusion ja Bestandteil dieser Welt. Wenn ich eine Entscheidung treffe und sie umsetze, ist es ja letztlich egal, wie sie entstanden ist, sie bestimmt fortan, was aufgrund der Entscheidung weiter passieren wird, sie beeinflußt, wie sich die Angelegenheiten weiter entwickeln werden. Und damit bestimmt sie dann auch wieder meine zukünftigen Entscheidungen, bewußt oder nicht, denn unser Tun basiert auf dem, was zuvor passiert ist. In der Vergangenheit wurzelnd stehen wir im Jetzt, streben in die Zukunft.
So oder so, wie immer sich vielleicht auch mein Unterbewußtsein bereits entschieden hatte:
Ich sollte mir nun überlegen, was ich weiter anstellen sollte, allmählich entscheiden, was ich weiter mit Consuela anfangen wollte, wie mit ihr umgehen?
Und wie es weitergehen würde, lag ja nun bestimmt nicht nur an mir. Mochte ja auch sein, daß Consuela gar kein Interesse an mir haben würde, trotz des bereits ausgetauschten Lächelns, das mochte ja nur freundschaftlich, freundlich gemeint gewesen sein.
Die Verletzung der Trennung von ihrer Freundin schien auch noch tief zu sitzen, wie vielleicht auch meine Trennung von Susanne – war das eine Gemeinsamkeit oder doch eher Grund, auf sachlicher Distanz zu verweilen, keine Gefühle zuzulassen?
Immerhin bin ich ihr ja hier eine ganze Menge an Erfahrungen voraus. Das aber muß nicht schlecht sein, sie hatte schon den Eindruck erweckt, jemanden brauchen zu können, der entschlossen ist, den Durchblick, Erfahrung zu haben meint, obwohl das vielleicht nur ein Eindruck, eine Einstellung ist, nicht viele Fakten als Fundament hat.
Doch könnte es ja immerhin auch sein, daß sie mich gar nicht mehr als Partnerin ansah, vielleicht eher als ältere Schwester oder als Mutterersatz oder als platonische Freundin, Kollegin, Schicksalsgenossin in dieser fremden Welt. Als Mutterersatz fühlte ich mich sicherlich nicht, nicht nur, weil diese Konservierung mich jedenfalls äußerlich in sehr guter Form gehalten hatte, wohl gar verjüngt hatte. Consuela würde in mir aber schon die ältere, erfahrenere Person sehen, was sie wiederum nicht sonderlich beeindrucken muß und braucht. Ich lege jedenfalls keinen Wert darauf. Älter wird man schließlich ganz von allein, darin besteht keine besondere Leistung, wie umgedreht in der jugendlichen Frische und Unerfahrenheit keine erstrebenswerte Eigenschaft an sich liegt.
Und eigentlich steckte mir das mit Susanne und Peter immer noch in den Gliedern, mehr noch in den Gedanken. Da ist es nicht so einfach, wirklich Fröhlichkeit aufkommen zu lassen.
Allerdings wollte ich den beiden ihr Glück auch gönnen und das nicht sabotieren.
Also doch besser mich ablenken. Und da wäre Consuela doch perfekt. Sie hatte wohl ein ähnliches Päckchen zu tragen, wenn ich auch keine Details kannte, auch nicht so einfach fragen mochte, um diese Wunde nicht versehentlich aufzureißen. Egal, was wir unternehmen würden, ob wir uns nahekämen, eine erquickliche Ablenkung wäre sie allemal. Und erst einmal voll dabei, geht man oft auch in der Ablenkung auf und der Schmerz und die Traurigkeit vergehen mit etwas Glück nahezu unbemerkt fast nebenbei. Eigentlich bin ich doch gar nicht so grüblerisch und wühle nicht so gerne in der eigenen Vergangenheit, hänge dem nach, was war und nicht mehr zu erreichen ist. Aber vielleicht denkt man mit den Jahren auch öfter mal zurück, wägt mehr ab. Auch da tat mir vielleicht Consuela ganz gut, den Blick nach vorne zu wenden, die Zukunft fest im Blick, die Vergangenheit sicher hinter sich wissend. Sie war ganz neu hier, sah alles noch einmal mit anderen Augen, hatte einen frischen Blick auf alles. Das mitzuerleben, würde auch meinen Eindruck von allem noch einmal relativieren und auffrischen.
Consuela hatte natürlich aber auch noch zu knabbern. Die Zeit dafür mußte sie auch haben. Für mich, für uns hier war sie ja quasi aus dem Nichts zu uns gekommen, für sie aber war das anders. Da hatte sie ja noch Tage zuvor einen Anschlag verhindert, Kinder gerettet, ihr eigenes Leben geopfert. Wiederauferstanden mußte sie akzeptieren, daß all ihre Kontakte in der nun bereits fernen Vergangenheit ihr Leben ohne sie leben mußten. Das steckt man auch nicht einfach so von einem Augenblick zum anderen weg. So oder so ist es da schon notwendig, behutsam zu sein. Nun bin ich nicht so einfühlsam und diplomatisch. Also nicht so einfach. Aber ich wollte wirklich für sie da sein, ich würde mich wirklich um sie kümmern. Es sollte ihr doch gutgehen. Immerhin hatte ich darauf bestanden, wenn auch nur aus einem scheinbar spontanen Gefühlsregung heraus, sie wiederaufzuerstehen. So kam es nun also mir zu, mich auch darum zu kümmern, daß sie wirklich gut ankam, daß sie sich wirklich gut einlebte und fundierte eigene Entscheidungen traf.
Wobei, naja, nach den vorherigen Überlegungen sind solche eigenen Entscheidungen ja vielleicht oder gar wahrscheinlich doch nur eine nette Illusion, ein Abfallprodukt der Signalverarbeitung im Gehirn, um das Leben irgendwie zu bewältigen, ein Nebenprodukt des Seins, wie schmutziges Geschirr nach dem Essen. Wir essen nicht, um schmutziges Geschirr zu produzieren. Und doch sind die bewußten Gedanken das Ergebnis in Form eines Nebenproduktes unseres Seins, aber ohne weitere Konsequenz. Entscheidungen und Gedanken sind also vielleicht nur Metaphern von schmutzigem Geschirr beim Festmahl des Lebens.
Also vielleicht doch einfach mit Consuela ans Buffet setzen und genießen, was uns das Leben gerade so auftischt?
Nicht so viel überlegen, sondern einfach aus dem Vollen schöpfen und genießen, was das Leben gerade zu bieten hat.
Wenn Entscheidungen eine Illusion sind oder jedenfalls unser Unterbewußtsein längst entschieden hat, bevor das Bewußtsein daran teilhaben kann, warum dann nicht die Illusion leben und einfach schwelgen, frönen, dem Genuß huldigen, das Füllhorn sich ergießen lassen, ganz im Hier und Jetzt lebendig sein, Erfüllung finden, aufgehen im schmuddeligen Strom der Materie und der Energie in der Raumzeit?
Mache Michaelas Unterbewußtsein einen Vorschlag, wie sie weiter vorgehen sollen.
Peter verführen
Der Vorschlag, eine weitere Person auszuwählen, ging mir noch weiter durch den Kopf.
Hatten Peter und Susanne das befürwortet, um mich abzulenken?
Implizierte das nicht irgendwie die Annahme, es ginge einfach nur darum, mit irgendwem intim zu sein?
Implizierte das nicht auch das Problem, welches schon die erste Krise zwischen mir und Susanne ausgelöst hatte, als diese das Gefühl bekommen hatte, nur ausgewählt worden zu sein, um mir als Gesellschaft zu dienen?
Würde das unter den gegebenen Umständen die neu ausgewählte Person nicht erst recht haben?
Ich schwankte, war mir unsicher, sah mir aber doch am übernächsten Tag einmal ganz unverbindlich erneut die Daten durch. Ich hatte mir überlegt, daß die Person ja doch jedenfalls beruflich gut zur aktuellen Lage passen sollte oder jedenfalls flexibel einsetzbar sein. Im Vergleich zu meiner damaligen Situation auf dem Raumschiff, anschließend auf der Raumstation hatte sich die Lage hier in der Kolonie deutlich geändert. Hier würden nun bald weitere Qualifikationen relevant werden, die es damals noch nicht waren.
Über diese Erwägungen hinaus wären ausschließlich persönliche Kriterien wohl bedenklich, allerdings unterdessen nicht komplett ausgeschlossen, käme wohl auf eine geschickte Argumentation an. Ich konnte ja nun keinesfalls davon ausgehen, daß dabei mehr als eine persönliche Bekanntschaft herauskommen sollte. Um eine weitere Person zu integrieren, wäre es also von Vorteil, wenn dieser die Nützlichkeit innerhalb der Kolonie einleuchten würde. So würde diese sich auch schneller einfinden und die Situation fernab der Erde akzeptieren.
Nun, ich sollte auch schon ein Auge darauf haben, ob die Person vielleicht zu mir passen könnte. Das wäre ja immerhin sehr nützlich für die soziale Struktur. Und so hätten in der Folge ja auch doch eigentlich persönliche Kriterien Relevanz für die Kolonie.
Nach noch etwas mehr Nachdenken verwarf ich die Option allerdings. Ich dachte mir so, daß ich eigentlich mit Peter und Susanne noch gar nicht richtig fertig war, noch mit dem Geschehenen, mir Widerfahrenem noch gar nicht wirklich abgeschlossen hatte, um mich einer anderen Person zuzuwenden. Das würde nur zu weiteren Problemen führen, wenn ich überstürzt vorginge, mich wieder in eine neue Affäre stürzte, bevor die aktuelle Situation richtig verarbeitet war, ich angemessen damit umgehen konnte. Ich hatte noch nicht genug Distanz, um neu zu beginnen.
Und gelang es mir wirklich, die Situation etwas distanzierter zu sehen, weniger aus meiner persönlichen Perspektive, so mußte ich schon einräumen: So als Familie und ebenso einzeln waren sie schon zu süß.
Und da spürte ich widersprüchliche Gefühle in mir kämpfen und brodeln: Einerseits war das schön anzusehen, andererseits war ich erheblich mißgestimmt, daß ich nicht daran beteiligt wurde, daß mir das nicht zukam.
Eifersucht?
Vielleicht.
Mehr aber wohl irgendwie das Gefühl, aufgrund der Konservierung einer Situation ausgeliefert zu sein, nicht einmal ansatzweise kontrolliert haben zu können, was passiert war. Jetzt war ich wieder dabei, konnte also wieder Einfluß nehmen. Und so vom Gefühl her wollte ich wohl auch nachholen, was zuvor nicht möglich war, wobei mir schon klar war, daß es unlogisch ist: Was schon geschehen ist, kann nicht mehr verändert werden, ist nicht mehr verhandelbar. Da gibt es keinen Kompromiß mehr, keine noch erreichbare bessere und auswählbare Alternative.
Nun hatte ich bereits auf eine Affäre mit Peter verzichtet, weil Susanne da war.
Diese hatte umgedreht nicht verzichtet, warum sollte ich es nun nicht bei ihm versuchen?
Warum sollte ich nur danebenstehen und zusehen dürfen?
Warum sollte ich nicht versuchen dürfen zu partizipieren, ebenfalls meinen Spaß zu haben?
Über die wissenschaftlichen Projekte würde ich Peter sicherlich wieder näherkommen können, in dem Umfeld ein wenig provozieren und locken, um zu prüfen, wie die Stimmung bei ihm wäre. Susanne hatte ja bereits eindeutig verkündet, daß zwischen uns mehr als Freundschaft nicht drin wäre. Da lag es doch eigentlich nur nahe, Peter ein wenig auf den Zahn zu fühlen.
Am nächsten Morgen verkündete ich beim Frühstück also: „Ich dachte mir, ich steige wieder mehr in wissenschaftliche Projekte ein, bringe mich erst einmal auf einen aktuellen Stand, schaue mir Peters aktuelle Projekte an, entwickele vielleicht auch eigene. Es ist ja noch immer nicht geklärt, wie das Doppelplanetensystem nun entstanden ist, warum Charybdis so belebt war, Skylla hingegen tot. Vielleicht bekomme ich da ja noch ein paar Ideen, um dem auf die Spur zu kommen, um unsere neue Heimat besser kennenzulernen.“
Peter nickte: „Finde ich gut. Gerne erläutere ich dir, was ich gerade so mache. Und gerne diskutiere ich natürlich bei Bedarf auch neue Projekte mit dir. So im Austausch, in der expliziten Formulierung von Ideen entwickelt sich ja meist sehr viel.“
Ich lächelte und erwiderte: „Ja, den Gedanken hatte ich ebenfalls!“
So in Gedanken war mir das schon ein wenig zweideutig, aber in unserer Runde fiel das natürlich nicht auf.
So meinte Susanne ebenfalls: „Prima, Michaela, wenn ihr beide mehr zusammen unternehmt, harmonisiert sich die Situation hoffentlich zügig noch weiter.“
Ich bestätigte: „Daran hatte ich gleichfalls gedacht!“
Und so war das bereits entschieden.
Ferner teilte ich mit: „Mit der Wiederauferstehung einer weiteren Person warten wir wohl besser auch noch, bis sich das mit uns richtig eingespielt hat!“
Susanne meinte: „In Ordnung, hast vermutlich Recht, das sollten und brauchen wir nicht überstürzen.“
Peter nickte ebenfalls verständig. So war auch das Thema einstweilen erledigt.
Während Susanne sich primär um Melanie kümmerte, gesellte ich mich also zu Peter in den Arbeitsbereich. Auf Nachfrage erläuterte er mir seine derzeitigen Forschungsaktivitäten genauer. Schwerpunkt war da derzeit noch immer die Untersuchung von Pflanzengesellschaften hier auf Skylla und ebenfalls auf Charybdis, wobei es dort darum geht, Kombinationen von irdischen und charybdianischen Organismen zusammenzustellen, welche ihre Entwicklung gegenseitig besonders gut fördern.
Auf beiden Planeten waren Sonden unterwegs, um automatisch Proben zu nehmen, welche wiederum automatisch von den Ais analysiert wurden. Peter versuchte danach, sich mit den Ais einen Reim darauf zu machen, wie das zu verstehen war, was warum funktionierte oder eben auch nicht, je nach Standort, an welchem die Proben gezogen wurden.
Dazu hatten sie in Laboren Züchtungen und diverse Versuchsanordnungen, um neue Arten und Kombinationen zu testen.
Nachdem das gut erklärt war und ich erst einmal einen ersten Überblick hatte, fragte Peter: „Du hast beim Frühstück ja bereits erwähnt, wieder an eigenen Projekten arbeiten zu wollen.
Schon genauere Ideen?“
Ich zuckte die Schultern, erwiderte: „Muß mir erst einmal einen Überblick verschaffen, wie sich die Situation im Planetensystem in den letzten Jahrzehnten verändert hat, Körk war da ja sehr aktiv. Und ich muß mir auch einmal ansehen, was inzwischen herausgefunden wurde über die Historie des Systems, was über die Planeten. Wenn es genaue Daten über die Planeten gibt, wäre es ja auch möglich, Hypothesen über die Vergangenheit aufzustellen, Stellen zu lokalisieren, wo Proben genommen werden könnten, Untersuchungen förderlich wären, um Hypothesen zu stützen oder zu widerlegen.
Sie haben wohl auch einen Kleinplaneten gefunden, welcher gar nicht aus diesem System zu stammen scheint, älter als dieses ist, hast du davon gehört?“
Peter schüttelte den Kopf: „Nicht daß ich wüßte, ist mir vielleicht aber auch entgangen.“
Ich fügte hinzu: „Ich hatte bereits die Ehre, ihm einen Namen geben zu dürfen: Methusalem.“
Peter hakte nach: „Wirklich älter als das Rasol-System?
Schon interessant.
Wie kann das sein?
Wie stellt man das Alter eigentlich fest?“
Ich antwortete: „Genaueres habe ich mir noch gar nicht angesehen. Kommt vermutlich aus einem anderen System, wurde von Rasol in einer Wechselwirkung mit verschiedenen Planeten oder Kleinplaneten eingefangen. Letztlich ist es ja ohnehin so, daß schwerere Elemente in Sternen ausgebrütet werden. Irgendwie müssen sie da ja wieder heraus, wenn man sie letztlich hier auf Planeten vorfindet. Ganz schwere Elemente jenseits des Eisens werden ja wohl erst erzeugt, wenn sein Stern in einer Supernova oder einer ähnlich heftigen Explosion genug Druck in gewissen Regionen aufbaut, um die Kerne kleinerer Atome zu den schweren zusammenzudrücken. All das Zeug kommt also zwangsläufig von anderen Systemen, als feiner Sternenstaub ist das Alter allerdings nicht zuzuordnen. Hat ein Sonnensystem jedoch überdies ein Planetensystem, gerät da vorher, besonders in der Entstehungsphase schon einmal etwas durcheinander und ein Planet kann dabei auf Kosten der anderen so viel kinetische Energie bekommen, daß er aus dem System geschleudert wird. Der Vagabund saust daraufhin durch den freien Raum. Wahrscheinlich trifft der nie wieder auf ein Sonnensystem. In diesem Falle war es aber wohl so, daß er zufällig auf das Rasol-System zu geschleudert wurde, dort mit Rasol und den Planeten in mehrfacher Wechselwirkung kinetische Energie verloren hat, so hier eingefangen wurde.
Beim Alter, hmmm, also sicherlich haben Asi und Stanis Proben an verschiedenen Stellen genommen, die nicht nach Einschlagskratern aussahen. Hat sich ein Kleinplanet erst einmal gebildet, hat er genug Struktur, genug Atome für Statistiken, ebenfalls radioaktives Zeug im Gestein, was sich für eine Altersbestimmung eignen kann, weil sich bei einem seismisch nicht aktiven Kleinplaneten ja sonst kaum noch etwas an den Gesteinen, Metallklumpen etc ändert außer dem Zerfall radioaktiven Materials über verschiedene Zerfallsketten.
Alter von Gestein ist allerdings nicht so ganz einfach. Es gibt immerhin bestimmte Gesteinsarten, die aufgrund der Chemie auf typische Weise zusammengesetzt sind. Sind da bereits anfangs radioaktive Isotope drin, ändert sich die Zusammensetzung mit der Zeit. Isotopenverhältnisse und die Verhältnisse der Häufigkeiten verschiedener Elemente sind dann typisch für die Entstehungszeit des Gesteins. Bei Uran oder einem instabilen Isotop von Rubidium etwa kann man so aus der Zusammensetzung von Gestein abschätzen, wann das entstanden ist, also vielleicht gar das Uran bei einer Sternenexplosion, später wohl auch das Gestein, wenn das Uran da charakteristisch eingebaut ist und sich über die Zeit aufgrund der Zerfallsketten der Uran-Isotope typische Häufigkeiten von Elementen und Isotopen herausbilden, die als Uhr verwendet werden können. So in etwa, muß ich mir auch noch genauer anlesen, um da qualifiziert mitreden zu können, Daten kritisch zu interpretieren, eventuell auch brauchbare Vorschläge zu machen.“
Peter nickte und ich fuhr fort: „Hinsichtlich der Frage, wie das Zwillingsplanetensystem entstanden ist, warum es nun auf Charybdis Leben gibt, auf Skylla lediglich eine Wüste mit wenig, chemisch jedoch stark angereichertem Wasser, muß ich mich bei den erhobenen Daten ebenfalls erst auf den aktuellen Stand bringen. Ich muß ja erst einmal wissen, welche Daten wir schon haben, was man daraus lernen kann, welche Daten wir vielleicht mit welchen Experimenten und Beobachtungen generieren sollten, um mehr zu erfahren. Das wird mich schon ganz gut beschäftigen. Da will ich mal nichts überstürzen, mir aber schon genauer ansehen, wie ich mich sinnvoll einbringen kann, um das zu ergänzen und anzureichern oder auch erst zu interpretieren, was bislang in den letzten Jahrzehnten erreicht wurde.“
Peter nickte: „Hört sich doch gut an!“
Um meinen Plan der Annäherung an ihn ebenfalls zu verfolgen, rückte ich überdies noch etwas näher an ihn heran und stellte noch ein paar mehr Fragen zu seinen Projekten, woraufhin wir uns da eingehender vertieften und die Köpfe zusammensteckten. Das schien mir ein ganz guter Anfang zu sein. Bei solchen Projekten hatten wir schnell einen Draht zueinander und zogen schnell an einem Strang in die gleiche Richtung.
So beschäftigten wir uns den Vormittag über hauptsächlich mit Peters Projekten. Dadurch bekam ich in der Folge einerseits schon einen ganz guten Eindruck, machte mich gleichzeitig vertrauter mit ihm, näherte mich ganz selbstverständlich an, zeigte aufmerksam Interesse an seiner Arbeit, ihm selbst, hielt eine lockere Stimmung aufrecht, in welcher Peter genau in seinem Element war. Und weil ich so an dem teilnahm, was Peter beschäftigte, eifrig fragte, harmonierte das sehr schön. Aus Peters Erläuterungen war zudem zu entnehmen, daß er gerne Susannes Beiträge zu den Projekten nannte, wo sie optimiert hatte, was ohne ihren Beitrag so gar nicht in dem Umfang funktioniert hätte. Nachdem das aber alles optimiert war, zudem Melanie auf der Welt war, hatte sich Susanne da weitgehend aus der Forschung zurückgezogen, trug allenfalls nur noch mit Kleinigkeiten bei. Das schien nun weder von Peter noch von Susanne gezielt so beabsichtigt gewesen zu sein, hatte sich eben so etabliert. Das war nicht ganz die traditionelle Rollenverteilung in der Familie, kam dem aber schon nahe. Peter hätte das wohl gerne anders gesehen, da gerne mehr Gemeinsamkeiten gehabt. Derzeit gab es aber gerade wenig, was ihm einfiel, wo Susanne ihre Fachkenntnisse hätte dringend einbringen sollen, wo sie damit wirklich gefordert worden wäre. Sie hatte derzeit wohl nicht so viel Muße, sich in andere Bereiche einzuarbeiten und Routinekram wollte er bei ihr auch nicht abladen.
So genoß er es sichtlich, mir ausführlich zu berichten und mit mir zu fachsimpeln. Das ließ sich jedenfalls schon einmal gut an. Wir lachten gemeinsam, diskutierten locker herum.
Direkt nach dem Mittag kam es Peter zu, sich ebenfalls um Melanie zu kümmern. Sie achteten also schon darauf, daß die traditionelle Rollenverteilung nicht zu viel Raum einnahm. Peter legte schon Wert darauf, sich ebenfalls um Melanie zu kümmern.
Das bedeutete also eine Unterbrechung meiner Annäherung. Aber vormittags war ich da schon eine gutes Stück weitergekommen, ein vielversprechender Anfang.
So nutzte ich den Nachmittag, um mich in die Geochronologie und Gesteinsdatierung einzuarbeiten. Was auf der Erde, allgemeiner im Sonnensystem funktionierte, mochte hier im Rasol-System etwas andere Voraussetzungen haben. Allerdings hatten Asi und Stanis reichlich Proben aus dem System, somit ebenfalls eine gute Grundlage, um einerseits das Alter des Rasol-Systems aus verschiedenen Methoden zu bestimmen, andererseits gleichfalls Unterschiede, besondere Zusammensetzungen der Materialien von Methusalem. Daher waren die Schlußfolgerungen der Ais schon überzeugend. Methusalem paßte in seiner Hauptmasse, also abgesehen von eindeutig jüngeren Einschlägen, nicht in das sonstige Muster. Ein Einfang in das Rasol-System war also schon plausibel. Ich beschloß, mir das noch näher anzusehen.
Welche Zerfallsreihen hatten sie sich angesehen, welche Isotopen- und Elementenverhältnisse hatten sie analysiert, wo hatten sie Proben genommen?
Wenn ich mich da weiter einarbeitete, sollte es mir gelingen, weitere Vorschläge zu machen, was noch zu untersuchen wäre, welche weiteren Zerfallsreihen wir nutzen könnten, um die Hypothese noch besser abzusichern?
Ich wollte es versuchen und mich da hineinfuchsen.
Wenn Methusalem doch nur ein Kleinplanet ist, war doch davon auszugehen, daß er bei einem Einfang einst mit erheblicher Relativgeschwindigkeit in das Rasol-System gekommen ist. Betrachtet man nun ein einfaches Modell von zwei Punktmassen in einer gravitativen Wechselwirkung, so käme es nie zu einem Einfang. Bei einem solchen ist es immer notwendig, die überschüssige kinetische Energie irgendwie anders zu verteilen. Bei einem System aus mehr als zwei Körpern ist das möglich. Im Extremfall kann da etwa ein anderer Körper aus dem System geschleudert werden, ein größerer Planet könnte bei einer Wechselwirkung allerdings auch auf eine etwas energiereichere Bahn um Rasol verschoben werden, um die Energie so anders im System zu verteilen. Kommt es gar zu Einschlägen, kann ein Teil der kinetischen Energie auch in Wärme umgesetzt werden. Zwar gilt insgesamt immer noch die Impulserhaltung, trotzdem ist so bei komplexen, ausgedehnten Massen ein Einfang möglich. Erhaltung der Gesamtenergie, von Impuls und Drehimpuls ist gegeben, sie werden lediglich unter den beteiligten Objekten anders verteilt.
Obgleich solch ein Kleinplanet schon winzig ist im Vergleich mit den Gasriesen oder gar mit Rasol selbst, sollte solch ein Einfang bei den Planeten hingegen schon Spuren hinterlassen haben, von diesen hätten also wohl mindestens zwei ihre Bahnen geändert, vermutlich waren auch Bahnen diverser Kleinkörper wie Asteroiden geändert worden, mit der Wirkung von heftigeren Asteroidenschauern auf die Planeten in die folgenden Jahrhunderten oder Jahrtausenden. Häufungen von Ereignissen könnten also auf den Einfang hindeuten, mit Glück mit diesem eindeutig in Bezug gebracht werden.
Am späten Nachmittag hatte ich für den Tag jedenfalls genug, gesellte mich nun zu Susanne und Melanie, um auf andere Gedanken zu kommen, die neuen Informationen sacken zu lassen, Melanie auch ein wenig zu belustigen. Das machte mir viel Spaß und so zusammen mit Susanne kam ich auch gut zurecht, wenngleich ich noch immer nicht überwunden hatte, wie schlecht das für mich gelaufen war, während ich konserviert gewesen war. Gegenüber Susanne verzichtete ich allerdings auf diesbezügliche weitere Spitzen. Melanie war zwar Ergebnis der Entwicklungen, sollte allerdings nicht unter unserem schwelenden Konflikt leiden. Ich mochte sie gleich von Anfang an. Wir hatten bereits einen ganz guten Draht zueinander. So war ich in ihrer Nähe sowieso gut beschäftigt und hatte keine Gelegenheit, in trüben Gedanken zu schwelgen, dazu machte es einfach zuviel Spaß zu erleben, wie sie allmählich die Welt erforschte, zu eigenen Ansichten und Fertigkeiten gelangte, sich noch etwas ungeschickt austauschte, aber gute Fortschritte machte.
Als weitere Ablenkung oder Aktivität hatte ich beschlossen, morgens wieder täglich einen Lauf zu absolvieren. Das war hier auf der Insel ohnehin viel abwechslungsreicher möglich, ebenso vom Ausblick her deutlich interessanter als noch auf der Raumstation. Die Ais hatten zudem ein Wegenetz angelegt, welches dafür sehr gut nutzbar war. Den nächsten Morgen flitzte ich also früh, noch vor dem Frühstück über die Wege der Insel, meditierte gar ein wenig am Felsenufer eines Badesees auf der Insel. Genaugenommen war das der einzige Badesee der Insel, jedenfalls von der Größe her dafür hervorragend geeignet, anders als das Meer mit sauberem, klaren Wasser ausgestattet, welches nicht bei etwas längeren Aufenthalt gleich die Haut angreift. Meditation reichte mir indessen an diesem Morgen. Ein Bad wäre aber sicherlich an einem anderen Tag auch eine schöne Option und Ergänzung des Programms.
Es war eher eine Kurzmeditation über vielleicht eine Viertelstunde, wonach ich mich wieder auf den Weg machte, in einem großzügigen Bogen zurück zur Kolonie lief.
Meditation und Lauf hatten mir sehr gutgetan, den Kopf durchgepustet, mich merklich erfrischt und belebt. So hatte ich jedenfalls gute Laune, als ich nach einer Dusche zum Frühstück zur Familie Susanne, Peter und Melanie ging.
So in der Gruppe hatte sich die Stimmung schon entspannt, so lief das Frühstück munter und bei guter Laune ab. Ich erzählte schon ein wenig über Methusalem und meine Ansätze, was ich noch genauer verstehen wollte, wo weiter nachbohren, um herauszufinden, ob ich da nur noch etwas nicht verstanden hatte oder ob da noch Lücken in der Argumentation waren.
Susanne fand es ebenfalls bemerkenswert, daß es da solch einen alten ‚Beobachter‘ im Rasol-System geben sollte, welcher eventuell irgendwo Informationen über die Historie des Systems gespeichert haben mochte. Ihr war jedenfalls auch nicht bewußt, daß der entdeckt worden war.
Wir hakten bei Ida nach, die schon angeben konnte, daß Susanne und Peter darüber kurz berichtet worden war. Der Fokus der Aufmerksamkeit lag in der Zeit aber eindeutig mehr bei den biologischen Projekten, weswegen das wohl untergegangen sei. Vermutlich war es ja nun auch so, daß es nicht wirklich dringlich gewesen war, was Methusalem ihnen über die Vergangenheit hätte verraten können, wenn gerade die Gegenwart insbesondere auf Charybdis solch verblüffende Entwicklungen zeigte. Immerhin hatte ich nun davon ebenfalls etwas mitbekommen. Weil meine Schwerpunkte etwas anders liegen, hatte ich das nun als interessant aufgegriffen. So hängt es wohl immer an Einzelpersonen und Interessen, was in den Vordergrund rückt, um näher untersucht zu werden. In dieser Hinsicht ist Forschung gar nicht so objektiv. Was untersucht, erforscht und entwickelt wird, hängt entscheidend von individuellen Interessen und Sichtweisen ab, selbst wenn die Methoden letztlich allgemeiner formuliert werden können.
Mit Pinseln, Leinwand und Farbe stehen Malern ja auch immer ähnliche Werkzeuge und Materialien zur Verfügung, die Ergebnisse sind allerdings deutlich unterschiedlich.
Indessen führen oft auch unterschiedliche Interessen und Forschungsprojekte zu ähnlichen technischen Anforderungen und Bedürfnissen, weswegen trotzdem ziemlich ähnliche technische Entwicklungen angestoßen werden können, welche wiederum erst weitere wissenschaftliche Fragestellungen aufwerfen oder es ermöglichen, bestimmte Fragen erst zu untersuchen.
Nach dem Frühstück gingen Peter und ich wieder in die Arbeitsecke, kümmerten uns um unsere Forschungsprojekte.
Die Analyse von Zerfallsreihen ist komplex. Ich hakte bei Ida und Körk nach. Die Ais hatten schon allerhand analysiert, räumten allerdings ein, bei Methusalem nicht wirklich in Details gegangen zu sein. Allerdings hatten wir reichlich Daten und Stanis und Asi zeigten ebenfalls Interesse, auch für sie war es irgendwie relevant, daß so ihre Forschungsarbeit auch in der Kolonie mehr Aufmerksamkeit bekam. So waren sie gerne bereit, Methusalem genauer zu untersuchen, auf Vorschläge einzugehen, bisherige Arbeiten zu erläutern, um so zu einem stimmigen Projekt zu kommen, Ziele genauer festzulegen, einen Plan zu haben, was wir eigentlich wissen wollen, wie uns Methusalem dabei helfen könnte. Schnell hatte ich mit Hilfe der Ais jedenfalls eine lange Liste von Möglichkeiten, wie das Alter von Gestein bestimmt werden kann, ebenso eine lange Liste von Daten über die Zusammensetzung verschiedener Bereiche von Methusalem. Ich hatte die Idee, daß wir Susanne hinzuziehen könnten, um diese zu motivieren, mit ihren Kenntnissen Ordnung in die Daten zu bekommen, sie für Menschen zugänglicher zu visualisieren und Korrelationen einfacher prüfen oder entdecken zu können, die in den Daten bereits verborgen sein könnten, allgemein Korrelationen herauszuarbeiten und unsere Hypothesen so unter Ausnutzung aller verfügbaren Daten effizient auszuwerten.
Dabei könnten wir entscheidend davon profitieren, die gewaltigen Datenbanken und das hohe Rechentempo der Ais mit unseren menschlichen Impulsen, Idee, Assoziationen bei der Sichtung der visualisierten Daten zu kombinieren, um zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Diese Kombination hatte sich bislang sehr nützlich erwiesen, weil wir so die jeweiligen Stärken von Ais und Menschen gut einsetzen, die Schwächen wiederum gegenseitig kompensieren.
So schlenderte ich zu Susanne, beteiligte mich an der Belustigung von Melanie und plauderte ein wenig über das Problem und die Komplexität. Ich kitzelte sie auch gleich ein wenig an ihrer Fachkompetenz, ihrer Expertise, komplexe Daten auswerten zu können, sie gut und verständlich für Menschen aufbereiten zu können. Ich betonte, ihr Beitrag wäre sehr wichtig, um die gewaltigen Datensätze kompetent durchzuforsten, schmeichelte ihr so, wobei das an sich nicht einmal Schmeichelei war, denn ich hätte da erhebliche mehr Zeit gebraucht, um mit deutlich weniger Eleganz schlechtere Programme zu schreiben, um das Projekt zu realisieren.
Susanne war gerne bereit, sich das anzusehen, ob sie da einen sinnvollen Beitrag leisten könnte, wies allerdings auch auf Melanie. Ich lächelte und erinnerte sie daran, daß da ja durchaus auch noch Peter als Vater sei, dazu ich sowieso. Folglich seien es also derzeit drei erwachsene Bezugspersonen für Melanie, nicht nur sie als Mutter. Zudem sei es gut für sie und ihr Selbstverständnis, auch einmal wieder ein anspruchsvolles Projekt am Rechner durchzuziehen. Susanne fühlte sich merklich geschmeichelt.
Etwas später machten wir uns zu dritt auf den Weg zu Peter und schilderten diesem die Idee. Dieser fand es gut, wenn Susanne sich beteiligen würde. Klar war ihm auch, daß so die Betreuung von Melanie etwas anders aufgeteilt werden müßte. Damit war er allerdings einverstanden, war gerne bereit, mehr Zeit mit ihr zu verbringen, auch um Susanne etwas mehr Freiraum zu verschaffen, sich um ein wissenschaftliches Projekt zu kümmern. So einigten wir uns darauf, daß Susanne den nächsten Tag einfach einmal mit mir zusammen in das Projekt einsteigen solle, während es Peter zukam, sich mit Melanie um sonstige alltägliche Dinge zu kümmern.
Klar war mir dabei noch nicht, wie ich das nutzen könnte, um meine Idee umzusetzen, Peter näherzukommen. Aber so gab es auf jeden Fall mehr Variationsmöglichkeiten in unserer Gruppe, vielleicht damit auch mehr Chancen, eine günstige Situation herbeizuführen.
Den Rest des Tages bereitete ich vor, was ich Susanne erklären mußte, um dieser einen schnellen Einstieg in das Problem zu ermöglichen. Als ich damit fertig war, schaute ich mir Daten an, welche wir über Skylla und Charybdis hatten, fragte bei den Ais nach und beriet mich mit Ida schon einmal darüber, wie wir aus den vorhandenen Daten vielleicht mehr herausholen könnten, um neue Erkenntnisse über die beiden Planeten und ihre Vergangenheit zu bekommen. Da schien schon noch etwas zu gehen, es wurde uns allerdings relativ schnell klar, daß wir detailliertere Daten brauchen würden, um Hypothesen stichhaltig zu prüfen oder auch neue zu entwickeln. Ida konnte da wirklich allerhand bieten, was umsetzbar wäre, aufgrund vorhandener Pläne oder Module gar mit begrenzten Aufwand und relativ kurzfristig.
Per Satellit sollten so in den nächsten Wochen deutlich mehr Daten gesammelt werden, insbesondere über ein breiteres Frequenzspektrum verteilt, Radar, Infrarot, sichtbar mit besserer Auflösung, Ultraviolett bis fast hinein in den Röntgenbereich, wobei wir bei hohen Energien von den Planeten nicht viel erwarteten. Von daher war es eher relevant, bei niedrigen Energien, auch mit aktiven Systemen neue Informationen zu bekommen.
Die Planeten haben auch starke Magnetfelder. Eine präzise Vermessung der Magnetfelder wäre ebenfalls möglich. Allerdings hatten wir da bereits gute Daten, jedoch mehr im globalen Maßstab. Ich wollte deutlich höhere lokale Auflösungen, um Anomalien in der Planetenkruste aufzuspüren, vielleicht also eingeschlagene, magnetisierte Metall-Asteroiden oder andere Objekte mit deutlichem Einfluß auf das lokale Magnetfeld. Auch das war mit Sonden und Satelliten noch deutlich über das ausbaubar, was bislang an Daten aufgenommen wurde.
Schnell hatte ich auch den Gedanken, nicht nur elektromagnetische Strahlung zu analysieren. Ich schlug vor, eine Gruppe von Satelliten relativ eng benachbart fliegen zu lassen, damit über Abstandsänderungen unter ihnen Informationen über Gravitationsänderungen zu detektieren. Unterschiedliche Dichten im Erdmantel führen zu einer gewissen Ungleichmäßigkeit der Schwerkraft, welche sich auch auf die Bahnen von Satelliten auswirkt. Hat man nun welche mit geeigneten Meßgeräten und mißt untereinander Abstände, so ergibt das Abweichungen von Sollbahnen um einen Rotationsellipsoiden. Wird der Einfluß von Rasol und Skylla, beziehungsweise Charybdis auf das Potential herausgerechnet, ergibt sich so eine Strukturinformation über den jeweils untersuchten Planeten. Zusammen mit den anderen Messungen bekämen wir so Informationen über die Kartoffeligkeit der Planeten, also die Abweichung von der Form eines Rotationsellipsoiden.
Ida versprach, aufgrund von Daten über entsprechende irdische Projekte alsbald einen Vorschlag zu machen, wie wir dies umsetzen könnten. Einmal in Fahrt gekommen hakte ich gleich nach und brachte ins Spiel, daß es doch auch möglich sei, über seismische Messungen, also im Grunde durch den Planetenkörper wandernde Schall- und Druckwellen, Scherungen etc Informationen über den Aufbau des Planeten zu bekommen. Skylla und Charybdis sind ja seismisch aktiv, haben eine aktive Plattentektonik. Ida informierte, daß sie hinsichtlich der seismischen Aktivitäten bislang eher aus technischen Gründen Daten gesammelt hätten, primär also, um einen geeigneten Standort für die Kolonie auszuwählen, welcher von Erdbeben, Vulkanausbrüchen, dem ganzen Drama der Tektonik nicht wesentlich betroffen sei. Das würde sich allerdings kaum eignen, um genauere Aussagen über den Aufbau des Planeten zu machen. Bei der Plattentektonik hätten sie schon einen groben Überblick, um Feinheiten hätten sie sich allerdings bislang nicht gekümmert. So hatten wir hier gleich ein weiteres Projekt, welches wir zunächst einmal mit passiven Detektoren angehen wollten. Also zunächst eine größere Anzahl von empfindlichen Detektoren bauen, diese mit guter Auflösung verteilen und alsdann damit die durch Erdbeben erzeugten Daten analysieren und Rückschlüsse ziehen. Laufzeiten von Wellen durch den Planeten zu den jeweiligen Detektoren, die überall auf dem Planeten messen, ermöglichen Rückschlüsse auf die Schichtung und die Dichten von Schichten, wo gibt es an Schichtgrenzen Reflexionen, wo gibt es bei der Schichtung auffällige Deformationen, etwa durch Asteroiden-Einschläge hervorgerufen. In einer späteren Ausbaustufe könnten wir das auch mit unterirdischen Sprengungen ergänzen, um Daten in anderen Frequenzbereichen und mit präzise lokalisierbaren Quellen zu generieren.
Damit jedenfalls sollten wir erheblich weiterkommen und es würde möglich werden, jedenfalls ein Stück weit in die Planeten hineinzusehen, eventuell eben auch Einschläge zu entdecken, die Hinweise darauf geben könnten, wann es auf welchem Planeten zu einer größeren Einschlagskatastrophe gekommen ist. Deformationen und stark ungleichmäßige Verteilung der Dichten und des Magnetfeldes im Planetenkörper könnten ferner auf größere Katastrophen hinweisen, etwa einen streifenden Zusammenstoß mit einem anderen Körper, welcher dazu geführt haben mochte, daß sich die beiden Zwillingsplaneten hinsichtlich der Ansiedlung von Leben komplett unterschiedlich entwickelt hatten.
Wie abgesprochen kümmerte sich Peter den nächsten Tag um Melanie und Susanne und ich um die Optimierung der Datensätze der Zerfallsreihen und Isotopenverhältnisse von Methusalem. Ich war gut vorbereitet, aber natürlich stellte Susanne Fragen aus einer ganz anderen Perspektive. So waren wir schnell in das Projekt vertieft und wir wurden beide sehr gefordert, um das gut auf den Weg zu bekommen. Susanne war allerdings schnell zu begeistern und ebenfalls neugierig darauf, ob wir bei dem Kleinplaneten wirklich mit dem gesamten Datenmaterial auf konsistente Altersschätzungen für verschiedene Koordinaten kommen würden, also einerseits jene Regionen, welche als weitgehend alt eingeschätzt wurden, aber auch für jene Bereiche, die aufgrund von Einschlägen ein deutlich jüngeres Datum aufweisen sollten. So würden wir hoffentlich eine Art von Chronologie bekommen, mit weit mehr Proben von verschiedenen, auch kleinere Kratern durch Stanis oder Asi, wohl auch Häufigkeitsverteilungen auf der Zeitachse von Ereignissen, unter Berücksichtigung der Ausformung der Krater vielleicht gar Rückschlüsse auf ungefähre Richtungen von Scharen von Einschlagsobjekten.
Da Methusalem ja weit draußen, jenseits der Gasriesen seine Bahnen zieht, konnten wir natürlich nicht wirklich detaillierte Informationen darüber erhoffen, was im Innenbereich des Rasol-Systems vorgefallen war. Allein seine abweichende Ekliptik der deutlich elliptischen Bahn, die im Rasol-System eher ungewöhnliche Umlaufrichtung wiesen auf einen Einfang hin. Dabei war auch nicht so klar, wie das so weit draußen passiert war. Vielleicht gab es ja ursprünglich doch einen Durchflug durch das System, einschließlich größerer Ablenkungen und Abbremsungen durch mehrere Planeten, weitere Ereignisse und nach dem Einfang kompliziertere längere Wechselwirkungen mit den Gasriesen, welche Methusalem langsam wieder aus dem inneren Bereich des Systems an den Rand gedrängt hatten.
Würden wir bei der genauen Analyse Informationen über einen Aufenthalt im Innenbereich des Rasol-Systems finden, etwa Einschlagsobjekte, welche den Asteroidengürteln Geri, Freki oder gar Wotan zuzuordnen wären?
Das alles könnten relevante Informationen sein, was einst vorgegangen ist, was einst auch dazu geführt hatte, daß es das Doppelplanetensystem Skylla und Charybdis überhaupt gibt, wieso sich die beiden Planeten trotzdem so unterschiedlich entwickelt hatten.
Susanne jedenfalls hatte irgendwann genug Informationen, um alleine zu basteln. Sie brauchte dazu Ruhe und Zeit für sich. Die sollte sie nach dem Mittagessen auf jeden Fall reichlich bekommen. Damit hatte ich wiederum Gelegenheit, einfach Peter und Melanie Gesellschaft zu leisten. Das traf sich doch sehr gut.
Ich schlug Peter vor, uns nachmittags draußen ein nettes Plätzchen zu suchen, einen kleinen Spaziergang zu machen. Er war einverstanden. So packten wir ein paar Sachen zusammen, informierten beim Mittag kurz Susanne über den kleinen Ausflug und schlenderten anschließend los. Für Melanie hatten wir eine Tragehalterung direkt am Körper. Sie konnte schon selber gehen, aber nicht eine solch große Strecke. Einstweilen war Peter damit eingespannt und Melanie machte es Spaß. Wir gingen immerhin bis zum Badesee, breiteten eine Decke aus und spielten dort mit Melanie. Wir waren locker, fröhlich und entspannt und genossen den Nachmittag, tobten ein wenig herum, bis Melanie schlicht müde war. Jedenfalls war das bei der kleinen Toberei schon so, daß es immer mal wieder zu kleineren Schubsern, Berührungen zwischen mir und Peter kam, so war es mir schon gelungen, unseren Kontakt fast unmerklich und im normalen Fluß unserer Handlungen zu intensivieren.
Als Melanie etwas schlief, hatten wir Gelegenheit, uns in der näheren Umgebung etwas umzusehen. Ich wies auf ein paar Pflanzen in der Nähe und fragte Peter nach Namen und sonstigen Informationen darüber. Peter schaute und erklärte ein wenig, war so irgendwie neugierig geworden und schaute sich nun selber etwas genauer an, was hier so wuchs. Gar nicht so weit weg von unserem Platz, vom Weg und vom See entdeckte er bereits eine offenbar interessante Ecke. Hier hätte er gerne eine Probe genommen, sich etwas genauer angesehen, hatte allerdings keine Ausrüstung dabei. Ich hakte nach, ob er schon selbst einmal unterwegs gewesen sei, um etwas persönlich zu untersuchen. Peter erläuterte, der Schwerpunkt von Untersuchungen habe ja zum guten Teil auf Charybdis gelegen, hier auf Skylla hingegen meist in anderen Gebieten, weniger auf unserer Insel, welche ja doch speziell sei, von den Ais schon extra für uns eingerichtet. So seien also die Proben immer von Sonden gesammelt worden.
Nun war er allerdings auch der Meinung, daß es eigentlich nicht schaden könne, hier gleich auf unserer Insel ein paar kleinere Tages-Expeditionen durchzuführen, sich selbst ein Bild zu machen, selbst Stellen für Probennahmen auszuwählen, damit das zu ergänzen, was die Sonden an Material sammeln würden. Das schien auch mir einleuchtend. Genauso um unseren Kontakt weiter zu intensivieren, bot ich gleich an, ihn auf Expeditionen zu begleiten und ihm zu helfen. Schnell wurden wir uns einig, daß wir das durchziehen wollten. Für diesen Tag allerdings ging es zurück zu Melanie, welche allerdings noch schlief. So machten wir also ebenfalls eine Pause, entspannten etwas, nahmen etwas von den mitgebrachten kleinen Speisehappen zu uns. Nachdem Melanie wieder erwacht war, spielten wir noch ein wenig, packten allerdings bald zusammen und setzten unseren Spaziergang fort, diskutierten dabei schon einmal mögliche Routen für kleine Tages-Expeditionen. Nun ist ja lediglich ein kleinerer Teil unserer Insel von den Ais mit Wegen ausgestattet worden. So gab es bereits einen kleineren Fußmarsch davon weg einfach wilde Vegetation. Natürlich, in den eher felsigen Bereichen, die jenseits des Badesees im bergigen Bereich der Inseln lagen, war die Vegetation nicht so dicht, allerdings gleichfalls interessant für die Besiedlung karger Regionen. In anderen Bereichen der Insel wächst bereits deutlich mehr, also hatten wir ebenfalls auf unserer Insel deutlich verschiedene Gebiete. Und Peter wußte auch bereits, daß die Ais hier zwar besonders fleißig Arten angesiedelt hatten, über die Zeit seit der ersten Ansiedlung von Pflanzen allerdings viel Wildwuchs entstanden war. Die Insel war also keineswegs ein gepflegter Garten, da entwickelte sich das Geschehen weitgehend auf sich selbst gestellt. Lediglich im Bereich der Kolonie gab es aktiv gepflegte Anbauflächen. Die Ansiedlung war in weiten Teilen der Inseln auch nie sortiert und fein geplant wie in einem Garten verlaufen. Die Ais hatten eher großräumig keimfähige Substratkörner ausgebracht, also der Keim jeweils angereichert mit einer Starthilfe und mit Mikroorganismen. Hinzu kamen auch an geeignet erscheinenden Stellen die direkte Anpflanzung und Auswilderung von Sprößlingen aus den Gewächshäusern.
Als wir am späten Nachmittag wieder in der Kolonie ankamen, war Susanne mit ihrer Arbeit gut vorangekommen. Weil es nun doch noch weitere Details zu klären gab, setzte ich mich zu Susanne, um mich darum mit ihr zu kümmern. Das meiste bekamen wir gleich so hin, ein paar Sachen mußte ich allerdings auch noch recherchieren und verstehen, von daher schloß Susanne ihr Tagewerk nur noch ab, gesellte sich daraufhin mit mir zu Peter und Melanie. Wir plauderten und spielten noch ein wenig, was eigentlich nahtlos in die Zubereitung des Abendessens überging.
Abends saßen wir zusammen, sahen einen Film und plauderten noch etwas.
Wir diskutierten mit Susanne dabei auch gleich die Idee der Tages-Expeditionen, gegen welche sie nichts einzuwenden hatte. So stand dem also nichts im Wege und Peter würde das in den folgenden Tagen mit mir vorbereiten, wobei zunächst ja noch Susanne und ich mit den aktuellen Optimierungsarbeiten weiterkommen mußten. Aber wir würden uns da schon arrangieren. Erst einmal sollte primär Susanne mit ihrer Arbeit zu einem guten Zwischenergebnis kommen, danach würden wir wieder gleichmäßiger aufteilen, wer sich um Melanie kümmert, wer hauptsächlich mit Projekten beschäftigt ist. Prinzipiell hätten wir natürlich auch die Ais bitten können, auf Melanie zu achten, aber es schien uns derzeit angemessener zu sein, das unter uns dreien aufzuteilen.
An nächsten Morgen nach dem Frühstück war Susanne also gleich wieder fleißig bei der Arbeit. Ich recherchierte und las, um meine Lücken bei Zerfallsketten und Isotopenverhältnissen zu schließen, mich ebenfalls etwas vertrauter mit der Astro-Geologie zu machen, um nicht versehentlich Fehlinterpretationen zu liefern, aber auch um selbst zu beurteilen, wie stichhaltig und aussagekräftig die verschiedenen Methoden und Strategien vermutlich sind, inwiefern vielleicht doch eigentlich spezifisch für den ursprünglichen Anwendungsbereich im Sonnensystem, was davon allerdings als universell zu verallgemeinern ist, was also insbesondere auch gut auf das Rasol-System anwendbar wäre. Mir war natürlich schon klar, daß es im Sonnensystem viel mehr Untersuchungen und damit genauere Kenntnisse der Rahmenbedingungen gegeben hatte, dort war es also leichter, Meßergebnisse einzuordnen und ein stimmiges Gesamtbild zusammenzusetzen. Hier im Rasol-System würde es wohl zwangsläufig bei Überlegungen, Hypothesen, mehr oder weniger gewagten Geschichten bleiben, Ideen, was passiert sein könnte. Nun, darauf baut letztlich alles auf und über die Forscher-Generationen kann sich das später einmal zu genaueren Bildern verdichten. Nur wenn mutig begonnen wird, die Entwicklung anzuschubsen, passiert da aber überhaupt etwas.
Peter war unterdessen hauptsächlich wieder mit Melanie betraut, hatte nebenbei allerdings auch ein wenig Zeit, um sich um die Idee der Tages-Expeditionen zu kümmern. So hatte er bereits Satellitenbilder unserer Insel auf dem Monitor, um erste Routen planen zu können. Und eine Liste hatte er auch schon begonnen, was wir brauchen würden, um den wissenschaftlichen Teil einer solchen Expedition gut mit dem zu meistern, was zwei Personen bequem mit Rucksäcken würden bewältigen können. Wegen Melanie kam er damit nicht so weit, was allerdings nicht so schlimm war, denn es drängte uns ja nichts, das noch gleich in derselben Woche zu beginnen.
Noch vor dem Mittag hatte Susanne so viel vorzuweisen, daß sie mich wieder hinzuzog und wir gemeinsam darüber berieten, ob das nun schlüssig und plausibel war, was bislang bereits funktionierte. Immerhin, auch mit dieser erheblich genaueren Analyse war klar, daß Methusalem wirklich ein alter Bursche aus einem anderen Sonnensystem sein mußte, also in der Tat ein spektakulärer Kleinplanet, welcher hier irgendwie eingefangen worden ist. Wir konferierten mit Stanis und Asi darüber, wobei wir schnell die Information bekamen, daß Methusalem trotz seiner deutlich von der Hauptekliptik des Rasol-Systems abweichenden Bahn noch relativ gut erreichbar war. Wenn er sich nicht gerade grob im Bereich der Hauptekliptik aufgehalten hätte, wäre er vermutlich zwar schon entdeckt, aber noch gar nicht untersucht worden. So entwickelte ich also mit Susanne, Stanis und Asi eine neue Stoßrichtung der Methusalem-Forschung, welche diesen mehr als Beobachter des Rasol-Systems sehen sollte. Wir wollten wissen, wann er ungefähr in das System gekommen war, was daraufhin grob passiert sein mochte. Woher er gekommen war, war indessen wohl sehr schwierig zu bestimmen, denn zwangsläufig mußte es da drastische Bahnänderungen beim Einfang gegeben haben. Die Idee war jedenfalls, größere und kleine Einschlagskrater auf Methusalem zu untersuchen, welche davon also über welchen angeordnet sind, somit sicherlich jünger als darunterliegende, ferner wollten wir Positionen und Material der Einschlagskörper wissen.
Nun hat ein Kleinplanet wie Methusalem zwar genug Masse, um grob die Form eines Rotationsellipsoiden auszubilden, indessen deutlich weniger als etwa die Erde, Charybdis oder Skylla. Deswegen sind Einschläge von Asteroiden, anderen Gesteinsbrocken etwa von Katastrophen stammend, bei welchen es Einschläge auf anderen Planeten gegeben hatte, wobei von diesen Planeten wiederum Brocken ins All gestreut wurden, natürlich deutlich weniger destruktiv als bei großen Planeten, wenngleich Kleinplaneten auch keine bremsende Atmosphäre haben. Weil diese fehlt, findet die Erhitzung des Materials wiederum nun unmittelbar beim Einschlag statt, die Brocken zerlegen sich nicht bereits in der Atmosphäre, weswegen die Chancen deutlich besser sind, in den Einschlagskratern noch Material solcher Projektile zu finden, welche den Einschlag weitgehend unverändert überstanden haben, wenigstens tief im Inneren dieser Projektile.
So einigten wir uns darauf, daß Asi mit allerhand Gerät vor Ort Methusalem diesbezüglich eingehend erforschen sollte. Stanis würde hingegen weiterhin die Schwerpunkte der Forschungsprojekte verfolgen, die eigentlich bislang gerade aktuell waren. Aufgrund der verteilten Speicher und Identitäten der Ais war es Asi zudem möglich, gleichzeitig mehrere Projekte zu betreuen, von daher war das nun keine massive Störung ihrer Aktivitäten, im Gegenteil, sie zeigten sich interessiert an den aufgeworfenen Fragestellungen. Sie zeigten sich auch interessiert daran, einmal etwas enger mit uns Menschen zusammenzuarbeiten und gleich intensive Rückmeldungen zu ihren Untersuchungen zu bekommen, aufgrund der Kooperation eben auch unsere Sichtweise und Interpretation, unsere Ansätze für eine Auswertung. So hatten wir das schon einmal gut auf den Weg gebracht.
Ferner galt es natürlich auch noch, die bislang offengebliebenen Fragen mit Susanne zu klären, von denen ich dank meiner Recherche inzwischen einige diskutieren konnte, auf passende Literatur verweisen. So kamen wir auch damit gut voran. Eine weitere Verfeinerung und Optimierung unserer Analysen würde sicherlich helfen, die neuen Daten von Asi, die kommen würden, besser einzuordnen und zu einem plausiblen Bild zu formen.
Nach dem Mittag diskutierte ich mit Susanne und Peter indessen erst einmal meine Ideen, um mehr Daten über die Zusammensetzung von Skylla und Charybdis zu erhalten, die Kartoffeligkeit der Planeten zu analysieren, um so eventuell Hinweise auf die Historie zu bekommen. Die dabei aufkommende Datenmenge und die Korrelation der Daten wäre natürlich ebenfalls sehr komplex, also ebenfalls ein Anknüpfungspunkt für Susanne, auch hier zu optimieren. Dazu war sie bereit, wollte sich das gerne ansehen, wenn ihre Arbeiten am Methusalem-Astro-Geologie-Projekt zu einem guten Zwischenergebnis gekommen wären.
Ida berichtete schon einmal über die Fortschritte im Satellitenbau, um einerseits weitergehende Spektren aufzunehmen, aktive Radarmessungen etc durchzuführen, zudem das Schwerkraft-Nahfeld der Planeten untersuchen zu können. Da hatten wir ja Vorlagen, Pläne von der Erde, zudem war es nun deutlich einfacher, Satelliten zu bauen, als zu meiner Zeit auf der Erde. Die Mikroroboterschwärme bauten die fast gleich vor Ort im Orbit mit Material, welches Körk bei der Bereinigung der Asteroidengürtel ohnehin gesammelt hatte. Von daher gab es da keinen aufwendigen Start mit Raketen vom Planeten aus, keine umständlichen Transportsicherungen, keine Kontaminationen, alles wurde gleich in einem Bereich mit lediglich Mikrogravitation gefertigt etc. Zudem gab es für viele Anwendungen praktisch bereits Pläne mit fertigen Modulen, welche für die jeweilige Spezialanwendung nur optimiert und angepaßt werden mußten, wenn sie nicht gleich ausreichend für die Anwendung waren.
Im Anschluß an die kleine Sitzung hatte ich ein Einsehen und übernahm Melanie von Peter, damit hatte dieser nun Gelegenheit, einerseits seine laufenden Projekte einzusehen, andererseits vor allem unsere Tages-Expeditionen weiter zu planen. Damit kam er gut voran. Und weil Melanie ja nun wirklich sehr lieb und brav war, war es schon möglich, daß ich mich immer wieder daran beteiligte, ein paar Ideen hinsichtlich der Logistik einbrachte. Gerätschaften für Probennahmen hatten wir bereits verfügbar, zudem waren Ida und Hildegard in der Lage, uns im Bedarfsfalle mit einem Luftschiff zu unterstützen, jedenfalls bei mehr oder weniger stabilen Windverhältnissen würden sie uns so bereits unterwegs Proben abnehmen können, ebenso gegebenenfalls größeres Gerät herunterlassen können. Wenn dies aufgrund von böigem Wind eher schwierig wäre, hätten wir trotzdem unterwegs immerhin noch Satellitenbilder verfügbar, ebenso Bilder vom Luftschiff. Beides sollte uns helfen, die geplante Route durch die Wildnis zu finden, eventuell auch kleinere Abstecher zu interessanten Stellen zu machen. Von daher kamen wir da sehr schnell mit der Planung voran. Die Idee war, zunächst mit verfügbaren Fahrrädern das vorhandene Wegenetz zu nutzen, um zügig und einfach an den Beginn einer Route zu gelangen. Danach würde es mit Rucksäcken hinein in die Wildnis gehen. In einigen Bereichen mit wenig Bewuchs und nahezu ebenem, ziemlich festen Boden würden wir mit den Rädern sogar noch etwas weiter vordringen können. Das konnten wir so bereits aufgrund der vorhandenen Aufnahmen der Insel schon ungefähr festlegen, somit schon solide planen.
Insgesamt konnten wir abends sehr zufrieden mit den Fortschritten der Projekte sein. Susanne war gut vorangekommen und überlegte nun bereits, wie eine Visualisierung der Datenmassen zur Untersuchung von Skylla und Charybdis effizient, ergonomisch zu realisieren sei. Für die Daten von Methusalem hatten wir schon einen sehr schönen Prototypen, um die Ergebnisse der Probenanalysen gut erfassen zu können. Solche Interpretationshilfen durch gute Darstellung von Daten ist immer wichtig, um sich nicht darin zu verlieren, sondern aus den Einzelaspekten besser einen Gesamtzusammenhang erschließen zu können. Hier war Susanne auf einem guten Weg, hatte als Pädagogin und Informatikerin in dieser Kombination ein hervorragendes Gespür dafür, uns Daten zu erschließen, um einerseits Fragen aufzuwerfen, andererseits Hypothesen zu entwickeln. Das erfreute mich sehr, sie so engagiert bei der Sache zu sehen. Das brachte uns einander auch wieder näher.
So überlegte ich schon, ob es angemessen sei, den Plan weiter zu verfolgen, Peter zu vernaschen. Andererseits war ich auch Peter bei der Arbeit, bei der Beschäftigung mit Melanie deutlich nähergekommen. Auch das harmonierte gut. Und so, wie das bislang gelaufen war, hatte ich da eigentlich kein schlechtes Gewissen mit meinem Bedürfnis, nun auch auf meine Kosten zu kommen. Bei den Expeditionen würden sich vielleicht schon Gelegenheiten bei Pausen ergeben, um mehr zu erreichen und herauszufinden, inwieweit Peter für die persönliche Erforschung unserer Befindlichkeiten zu interessieren wäre.
In den folgenden Tagen brachten wir in aller Ruhe unsere aktuellen Projekte voran. Als Susanne ihre Hauptarbeit erledigt hatte, somit ein gutes Zwischenergebnis vorweisen konnte, sich nun also wieder mehr Melanie widmen wollte, paßte das wiederum gut dazu, daß die Planungen für die Tages-Expeditionen abgeschlossen waren, zudem eine günstigen Wetterlage gegeben war. So waren wir uns einig, daß Peter und ich losziehen sollten, um die erste Exkursion zu bewältigen.
So radelten wir also an einem Morgen munter los, die Rucksäcke festgemacht, ein Luftschiff zur Unterstützung bereits ungefähr über dem Startpunkt unserer eigentlichen Route. Der lag in diesem Falle relativ nahe an einem der angelegten Wege, daß wir die Räder noch auf dem Weg abstellten und loswanderten. Unser Plan sah eine Route in einer etwas bergigeren Zone vor. Die Route sollte uns später zurück zu dem Weg führen, welcher um den Badesee führte. Da wir noch nicht so gut einschätzen konnten, wie gut wir vorankommen würden, wie lange Probennahmen dauern würden, wieviele Proben wir würden ziehen wollen, war diese erste Route vom Umfang her eher bescheiden ausgelegt.
Schnell fand Peter interessante Stellen, erläuterte mir überdies nebenbei, was interessant für ihn dabei war. Ich fragte kritisch und neugierig, weswegen er durch die Notwendigkeit der expliziten Formulierung sich genauer Gedanken darüber machen konnte, was aus seiner Sicht interessant war, was objektivierbare Kriterien wären, etwas zu untersuchen. Daran arbeiteten wir im Gespräch nun intensiver, denn so wurde ihm das einerseits klarer, wir konnten das zudem ergänzen. Andererseits konnte ich so ebenfalls mit kundigerem Blick Ausschau halten, mich also bei der Expedition auch inhaltlich nützlicher machen, ferner waren solch explizit formulierte Kriterien gleichfalls nützlich für die Missionen der Sonden, die sonst Proben nahmen. Mit einem erweiterten Kriterienkatalog würden auch die besser in der Lage sein, Proben an Stellen zu nehmen, die aus Peters Sicht auf jeden Fall sehr relevant sein könnten, für ihn persönlich jedoch nur schlecht oder gar nicht erreichbar sind.
So kamen wir also bereits am Anfang dieser ersten Expedition mit dem Verfahren deutlich voran. Ich hatte nun allmählich ein klareres Bild davon, wie vorzugehen ist, auf was zu achten ist. Das Gespür, die Intuition kommt mit der Praxis, der Erfahrung mit den Forschungsobjekten.
Wir versäumten es allerdings auch nicht, an schönen Aussichtspunkten innezuhalten, den Ausblick zu genießen, jedoch dabei ebenso Ausschau zu halten, ob es aus dieser Perspektive nicht interessante Stellen zu entdecken gab, welche wir unbedingt untersuchen sollten. So machten wir wirklich schnell den ersten Abstecher weg von unserer eigentlich geplanten Route. Das war allerdings unproblematisch, denn es lag ja durchaus im Zeitplan, auch Dinge zu tun, die nicht bereits vorgesehen waren. Gerade diese spontanen Impulse sind es ja gerade, die einem oft neue Erkenntnisse ermöglichen. So gingen wir dem natürlich nach.
Nun ist es in dem bergigen Gelände natürlich durchaus karg, da war schon auf Details zu achten, allerdings auch nicht so uninteressant hinsichtlich jener Pflanzen, die sich besonders gut für die Erstbesiedlung von kargen Landschaften eignen, wovon Skylla ja reichlich hat. Auf unserer Insel lag allerdings die Besonderheit vor, daß die Luftfeuchtigkeit hier deutlich höher ist als weit im Inland, entsprechend regnet es hier auch einmal ab. Das sind deutlich günstigere Bedingungen als in ausgewiesenen Wüstenregionen des Planeten. Dafür hatten wir es in dem heute untersuchten Bereich ziemlich felsig, von daher wenig Material, in welchem Pflanzen Wurzeln schlagen können. Auch dies ist in Skylla natürlich häufig anzutreffen. Ohne Leben gibt es ja keine Humusbildung. Staub- und Sandablagerungen sind da nur bedingt geeignet, in eher zugigen Ecken einer ursprünglichen Vulkaninsel auch nicht so ausgeprägt. Eine Humusbildung oder ähnlich geeignete Ablagerungen hatten wir auf der Insel hauptsächlich dort, wo es schon seit der Anfangsphase der Besiedlung Pflanzen und Pilze gibt, die Boden und allgemein Material gut halten können.
Die Tagesdunkelheit hatten wir im Hinterkopf behalten, somit hatten wir rechtzeitig einen guten Rastplatz aufgesucht und hatten dort eine Pause und Mahlzeit. Wir plauderten über bereits gezogene Proben und deren Standorte, die weitere Route. Ansonsten verdösten wir die Zeit einfach, wobei ich mich einfach neben Peter platziert hatte, um weiter die vertraute Nähe zu etablieren. Weiter ging ich einstweilen noch nicht. Aber bei den Probennahmen oder Hinweisen auf besondere Aussichten oder eventuell interessante Orte für Probennahmen hatte sich gelegentlich schon die Möglichkeit geboten, ihn unverfänglich zu berühren. Das ging so ganz selbstverständlich und aus der Situation heraus, daß darin nicht so viel lag. Auch damit hatte ich allerdings nun eine Vertraulichkeit eingeführt, die wir nicht wieder zurücknehmen würden.
Wir hatten Zeit, so begann ich einfach mal: „Entwickelt sich doch eigentlich gut. Wir arbeiten zusammen, auch Susanne ist wissenschaftlich voll dabei.
Das geht doch besser als befürchtet!“
Peter stimmte zu: „Auf jeden Fall. Susanne war sich schon sehr unsicher, wie du auf die neue Situation reagieren würdest. Ich hatte auch gewisse Bedenken. Nun klappt es wirklich gut mit uns dreien.
Daß du Susanne an deinen neuen Projekten beteiligen konntest, ist für sie schon sehr relevant.
Es zeigt ihr deutlich, daß du sie akzeptierst, nicht etwa meidest!“
Ich antwortete: „Auf Melanie bin ich auch gleich offen zugegangen, konnte eine Beziehung zu ihr aufbauen, schon von daher sollte sie doch keine Befürchtungen mehr haben, daß ich aggressiv werden könnte.“
Peter lachte kurz, meinte: „Aggressiv nicht gerade, verärgert oder eingeschnappt schon eher …“
Ich bekannte: „Bin ich auch ein wenig, aber an Melanie lasse ich das gar nicht aus. Und ich weiß das schon zu trennen mit unseren wissenschaftlichen Projekten und privaten Aspekten. Bei letzteren entwickelt sich das eben, da können wir nicht rückgängig machen oder ändern, was bereits passiert ist. Wozu sich darüber also noch den Kopf zermartern. Also doch besser Blick voran und sich darum kümmern, was wir nun daraus machen können.
Da könnt ihr beide euch schon entspannen und wieder euren Spaß miteinander haben …“
Peter räusperte sich.
Ich hakte nach: „Was denn?
Stimmt was nicht?“
Peter zögerte etwas, begann daraufhin aber: „Also weißt du, es war ja schon bei der ersten Schwangerschaft so, daß sie sich etwas zurückgezogen hat, also in den letzten Monaten kein Sex mehr, hat sich gesteigert. Es ist ja schon so, die Schwangerschaft belastet und sie hat dann keine Lust. Weil sie aber wohl denkt, ich wäre sehr auf Sex aus, wenn ich mich ihr nähere, so hat sie zunehmend auch Zärtlichkeiten, Nähe abgeblockt.“
Ich unterbrach: „Ist das denn so, daß du immer Lust auf Sex hast?
Also, wenn du dich ihr näherst?“
Peter räusperte sich etwas verlegen, antwortete nach weiterem Zögern: „Da ist schon mehr, auch die Nähe, das Wohlfühlen einfach so zusammen. Was aber auch stimmt, wenn ich sie in den Armen halte, sie spüre, so bekomme ich eben auch schnell Lust, das stimmt schon. Ich kann mich indes schon beherrschen. Verborgen bleibt ihr das nicht, wodurch sich die Situation eben gleich so entwickelt, daß offenbar wird, daß ich eigentlich schon Lust auf Sex hätte und loslegen könnte, körperlich sowieso, sie jedoch eigentlich keine Lust hat. Und so blieb sie zunehmend auf Distanz, um diese etwas peinliche Situation zwischen uns zu vermeiden, was uns beiden nicht so gut bekommen ist.“
Ich erwiderte: „Verstehe. An sich hört es sich so an, daß du nicht prinzipiell etwas falsch gemacht hast, sie ist eben attraktiv, du liebst sie, hast also auch Lust auf sie. Sie liebt dich zweifellos gleichfalls, in der besonderen Situation hat sie allerdings andere Bedürfnisse, die meist nicht in Richtung Sex gehen, das löst in ihr einen Konflikt aus, Nähe, Geborgenheit, Sicherheit an sich schon, jedoch nicht unbedingt Sex dabei oder in der Folge.“
Peter bestätigte: „Genau. Immerhin hat sich das nach der Geburt wieder gelegt. Klar, da habe ich ihr gut beigestanden, sie umsorgt und aufgepäppelt, mich intensiv gekümmert. Mit dem Kind ist ja alles neu, aufregend, turbulent. Wir waren sehr gefordert, hatten viel zu lernen. Da war Sex erst einmal kein Thema, es drehte sich alles um unsere Familie, um Melanie, darum, daß Susanne sich wieder komplett erholen sollte. So sind wir wieder näher zusammengerückt, haben eine neue Basis gefunden.
Erst hier in der Kolonie ist uns eigentlich erst wieder der komplette Neustart gelungen. Es war alles neu, frisch und aufregend. Hat sich zudem auf uns übertragen und somit ging das ebenfalls mit dem Sex wieder klar, wir hatten beide intensiv Spaß daran und alles war gut, Susanne bald allerdings auch wieder schwanger.
Das war gleichfalls eine schöne, erfreulich Nachricht.
Inzwischen wiederholt sich das Drama allerdings wieder, also nun eher wieder kein Sex und ein Rückzug, die Verknüpfung von Zärtlichkeit und Nähe mit Sex ist in ihrer Vorstellung wieder da. Da sie eher keine Lust auf Sex mit mir hat, gibt es da nun wieder diese Distanz, unter der wir beide leiden. Ich hoffe, das legt sich wieder, wenn das zweite Kind da ist. So ist es doch eher schwierig, nicht einmal primär der Verzicht auf Sex, vielmehr die Distanz, die Unsicherheit, was ich noch tun darf, wobei sie sich noch wohlfühlt, das ist unangenehm, verkompliziert alles. Natürlich akzeptiere und respektiere ich, daß in ihr etwas vorgeht mit der Schwangerschaft, aber dieser Rückzug verunsichert ebenso, weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Es fehlt mir einfach so, sie einfach zu umarmen, unsere Nähe zu genießen …“
Wir schwiegen kurz, woraufhin ich es wagte und mich ihm entschlossen zuwendete, ihn einfach umarmte, dabei in sein Ohr flüsterte: „Ärmster Peter …“
Ich rubbelte mit den Händen über seinen Rücken, hielt ihn fest. Er zögerte, erwiderte meine Umarmung daraufhin jedoch. Mehr riskierte ich einstweilen nicht. Unsere Umarmung fühlte sich schon sehr gut an, aber von der Stimmung her war es nun natürlich wichtig, reinweg Trost zu spenden und diese Emotion aufzunehmen, zu signalisieren, daß ich für ihn da wäre, um ihm in der schwierigen Situation Rückhalt und Beistand zu geben.
Die Umarmung hielten wir jedenfalls eine ganze Weile, bis die Dämmerung signalisierte, daß wir bald aufbrechen könnten.
Wir räusperten uns etwas verlegen, lösten uns voneinander und standen auf. Noch im Halbdunkel packten wir zusammen und zogen vorsichtig weiter, um weitere geeignete Orte zu finden, um dort Proben zu nehmen. Trotz einiger Abstecher lagen wir relativ gut in der Zeit, so kamen wir gegen Ende unserer Tour am Badesee an. Da hatte Peter ja bei unserem kleinen Ausflug mit Melanie bereits etwas entdeckt, was uns erst auf die Idee gebracht hatte. So untersuchten wir hier ausführlicher. Natürlich, durch das Vorhandensein des Wassers waren hier relativ günstige Bedingungen, die Seite weiter hinauf in die Berge war allerdings felsig und karg, reichhaltigere Vegetation war eher auf der anderen Seite zu finden, also grob in Richtung der Kolonie. Die Vegetation dort war allerdings zunehmend planvoll von den Ais angelegt worden, zwar über die Jahrzehnte verwildert, gleichwohl nicht im Zentrum des Interesses von Peter, der eher wissen wollte, wie sich die Vegetation dort entwickelt, wo es wenig gezielte Eingriffe von außen gegeben hatte, welche Gesellschaften von Mikroorganismen, Pilzen, Pflanzen sich dort behaupten und ausdehnen können, wo sich das nicht geplant kombiniert, sondern aus einer Zufallsmischung heraus selbst entwickeln muß.
Als wir mit der Expedition durch waren, hatten wir noch Zeit bis zum Abend. Wir übergaben dem Luftschiff die restlichen Proben und die nun einstweilen nicht mehr benötigte Ausrüstung. Dieses zog darauf ab. Wir waren ungestört, schauten über den See. Wir hätten zurück zu den Rädern schlendern können, wären anschließend relativ früh zurück in der Kolonie gewesen.
Ich wies mit der Hand auf den See, wedelte so vage mit den Fingern herum und meinte: „Also, ich hätte Lust, eine Runde zu schwimmen, und du?“
Peter schaute mich erstaunt an, erwiderte daraufhin: „Oh, habe gar keine Badehose mit …“
Ich lachte und erwiderte: „Meinst du, ich?
Ist doch egal, sind doch unter uns, ist ja nichts dabei.
Also los?
Kommst du mit?“
Ich ging fröhlich lachend ein paar Schritte weiter auf eine größere Felsplatte am See, näherte mich dem Wasserrand und guckte nach einer Stelle, an welcher man einsteigen könnte.
Die fand sich zum Glück schnell, ich drehte mich schmunzelnd zu ihm, sprach: „Hier kommt man gut und sicher rein!“, wobei ich auch schon begann, mich meiner Sachen zu entledigen, noch ohne mich nach Peter umzusehen. So nackt und bloß bekam er zunächst nur meine Rückenansicht zu sehen, ich reckte mich allerdings, streckte mich, kniff die Popacken zusammen und gab meinen Hüften einen lasziven Schwung, bevor ich meine Beine grazil in Richtung See in Bewegung setzte.
Ich tänzelte spielerisch herum, griff mit den Fingern locker in die Leere, drehte mich, um Peter ebenfalls mit meiner Vorderansicht zu beeindrucken, aber nur so flüchtig, das zieht viel besser als eine dauerhafte Exposition, um ihn zu locken und zu versuchen. Also stieg ich zügig in den See, dessen Temperatur ganz angenehm war. Und so machte ich gleich meine ersten Schwimmzüge. Erst etwas weiter draußen auf dem See drehte ich mich erneut um, schaute nach Peter. Tatsächlich hatte dieser sich ebenfalls entkleidet, eine Hand wie zufällig vor sein Gemächt haltend, daß ich den aktuellen Zustand nicht eindeutig erkennen konnte. Aus der Höhe der Hand vermochte ich allerdings schon erahnen, daß bereits meine minimalistische Aufführung die gewünschte Wirkung hinterlassen hatte. Peter stand auch noch etwas zögernd auf der Felsenplatte. Als er allerdings mitbekam, daß ich guckte, lachte er etwas verlegen und stieg ebenfalls ins Wasser, schwamm locker und ohne Eile auf mich zu.
Als er fast heran war, flitschte ich ihm fröhlich lachend eine kleine Wasserfontaine hinüber. Peter grinste, flitschte beherzt zurück, woraus sich eine kleine Wasserschlacht entwickelte. Wir hatten richtig Spaß, alberten herum, spielerisch floh ich, ließ mich einholen. Und wenig später hielten wir uns unvermittelt in den Armen. Ich zog mich ganz an ihn heran, spürte seine Erektion, kommentierte das allerdings nicht, gab ihm einfach einen lieben Kuß auf die Wange und legte mein Kinn auf seine Schulter. Peter wiederum wußte wohl gar nicht so richtig, wie er mit der Situation umgehen sollte. So hilflos war er schon richtig süß und ich genoß diesen Wirbel der Emotionen. Das hatte sich schon sehr schön entwickelt, wenn er jetzt allerdings nicht die Initiative für mehr ergreifen würde, wollte ich auch nicht gleich weiter voranstürmen, mit Übereilung eventuell noch die angeregte Stimmung verderben.
Nachdem wir eine Weile unsere Vertrautheit ausgekostet hatten, erlöste ich ihn aus der Situation, entließ ihn aus meinen Armen, ging wieder auf etwas Abstand, flitschte wieder fröhlich lachend Wasser zu ihm hin, drehte mich und schwamm zurück zum Ufer, wo unsere Sachen auf uns warteten. Peter folgte. Angekommen stieg ich mit Schwung aus dem Wasser. Nun hatten wir ja nichts zum Abtrocknen mit, die Felsplatte war im Sonnenschein allerdings recht warm, so schüttelte ich mich lachend ordentlich ab, legte ich mich einfach auf den kahlen Fels und gab Rasol eine Chance, mich wenigstens etwas zu trocknen.
Als Peter am Ufer angekommen war, zögerte er etwas.
Ich merkte nur an: „Nun hab’ dich nicht so und komm’ schon raus!“
Etwas verlegen antwortete Peter: „Hmhm, tja, ähm, fürchte nur, nach unserem fröhlichen Wasserspielchen könnte das ein wenig peinlich werden …“
Ich lachte und entgegnete: „Habe ich erstens sowieso schon im Wasser bemerkt, zweitens: laß’ einfach mal sehen, bin gerne neugierig!“
Peter lachte verlegen, genierte sich schon ein wenig, kam aber doch heraus – und präsentierte mir schon eine prächtige Erektion, die eigentlich gleich Lust auf mehr machte!
Er hatte da schon etwas zu bieten, nicht nur das Gemächt, der ganze Körper ist schon sehr ansehnlich und appetitlich. Nun ist er gewiß kein Muskelmann, auch keineswegs fettig, also griffig und ansehnlich und männlich, wie es sein soll, ohne in eine bestimmte Richtung zu übertreiben.
Peter eilte nun allerdings, schüttelte ebenfalls unterwegs möglichst viel Wasser ab, legte sich so etwa knappe zwei Meter von mir ebenfalls auf den Felsen, wobei er sein Gemächt hielt und sich auf den Bauch legte, um dieses abstehende Faszinosum im Weiteren doch vor mir zu verbergen. Ich lachte und er lachte endlich mit. Wir genossen fürderhin jedenfalls einfach nur die Sonne und die Wärme auf der Felsplatte. Und Peter beruhigte sich wohl auch etwas, weswegen er sich ebenfalls umdrehte, als ich das tat, um mich auch auf der anderen Seite trocknen zu lassen. Dabei rollte ich einfach auf dem Untergrund herum, lag so nun gut eine Körperbreite näher an ihm dran. Er drehte sich hingegen auf der Stelle. So dramatisch stand sein gutes Stück nun auch nicht mehr ab, allerdings legte er doch bergend seine Hand darüber.
Als wir so halbwegs trocken waren, war es auch allmählich Zeit, zurück zu Kolonie aufzubrechen. Also zogen wir uns in guter Laune an und spazierten zurück zu den Rädern. Und mit denen ging der Rückweg letztlich relativ schnell.
Wieder zurück in der Kolonie erläuterte Susanne, was sie so nebenbei noch geschafft hatte, wir berichteten von der Expedition, ohne auf herausragende Ereignisse am Badesee einzugehen. Susanne hatte ohnehin gerade genug mit Melanie zu tun, so machten Peter und ich uns erst einmal frisch, worauf Peter bereits wieder im Arbeitsbereich war, um nach seinen Projekten zu sehen. Die Auswertung der heutigen Proben würde natürlich noch etwas dauern. Es ging ihm also vorrangig um andere Ergebnisse.
Ich gesellte mich erst noch kurz zu Susanne und Melanie, bereitete bald allerdings für alle das Abendessen vor. So verbrachten wir danach noch einen ruhigen Abend zusammen.
Am nächsten Tag machten wir nicht gleich wieder eine Expedition. Über Nacht waren bereits die meisten unserer Proben analysiert worden, nicht komplett, aber es gab bereits genug Ergebnisse, denen sich Peter widmen konnte. Ich kümmerte mich unterdessen um meine Projekte. Mit Susanne und Melanie gab es unterdessen Gelegenheit, Susanne Fortschritte des gestrigen Tages zu inspizieren. So hatten wir insgesamt also einen entspannten Tag.
Den nächsten Tag brachen wir nach dem Frühstück wieder mit den Rädern zu einer Expedition auf. Diesmal ging es nicht in die karge, bergige Region, diesmal lag der Schwerpunkt mehr im Bereich des Sandstrandes und seiner weiteren Umgebung, dem Übergang ins Inland. Im Wasser des Meeres ist ja allerhand gelöst, also noch deutlich mehr als in den Meeren auf der Erde, daher ließ sich bislang im Meer auch nur wenig Vegetation ansiedeln, vielleicht ebenso ein Grund, warum das Leben auf Skylla früher keine Chance hatte. Die Brühe braucht schon sehr robuste Organismen. Auf der Erde gibt es ja durchaus Organismen, die unter extremen Bedingungen existieren. Es war nur nie so ganz klar, ob das eine spätere Anpassung war oder ob diese Organismen bereits seit den Anfängen des Lebens auf der Erde in diesen extremen Nischen ihr Auskommen gefunden hatten. So oder so war das hier in der Brühe des Meeres nicht passiert. Mittlerweile hatten die Ais über die Jahrzehnte unserer Besiedlung ja durchgehend daran gearbeitet, Stoffe aus dem Meer zu extrahieren. Obgleich es viel kleiner als auf der Erde ist, ist das Wasser allerdings trotzdem nicht über ein paar Jahrzehnte zu klären. Immerhin reichte die Wasserqualität inzwischen, um darin einige robuste Organismen zu etablieren. Der Plan bestand nun darin, eine Entwicklung einzuleiten, bei welcher Organismen dabei helfen, die chemische Zusammensetzung des Meeres zu verändern. Das war auf der Erde gleichfalls passiert, als die ersten Organismen per Photosynthese Sauerstoff im Meerwasser produziert haben, so unter anderem dafür gesorgt haben, daß gelöstes Eisen als Rost ausgefällt wurde. Ähnliche Vorgänge hatten die Ais auch hier auf Skylla im Sinn. Inzwischen war es durchaus gelungen, einige Organismen für diese Zwecke im Meer zu etablieren, die Chemie des Meeres also nicht nur mit technischen Anlagen an der Küste zu manipulieren.
Für die Küste unserer Insel bedeutete das jedenfalls, daß die Vegetation dort ebenfalls robust an die Zusammensetzung des Wassers angepaßt sein muß, ähnlich wie an Küsten auf der Erde. Aufgrund des durchaus vorhandenen Regens kam natürlich auch Wasser von den Bergen, der Küstenbereich filterte ferner, weswegen es unterschiedliche Zonen hinsichtlich der Zusammensetzung des Wassers gibt, welches für die Vegetation verfügbar ist. So ändert sich die Pflanzengesellschaft folglich je nachdem, welche Wasserqualität verfügbar ist. Daher hatten wir im Küstenbereich also einige unterschiedliche Zonen für unsere Untersuchungen.
Die Tagesdunkelheit verbrachten wir am Sandstrand. Neben dem Essen plauderten wir angeregt über unsere Expedition, dösten etwas herum, hatten auch etwas zu lesen mitgenommen. Als es wieder hell wurde, setzten wir unsere Untersuchungen fort. Auch für diese Expedition hatten wir absichtlich ein nicht sehr ambitioniertes Programm geplant, weil ja doch immer wieder interessante Sachen in unser Gesichtsfeld kamen, auf welche wir spontan reagierten.
Insgesamt waren wir mit unserem Programm wieder zeitig durch, hatten unsere Proben und unsere Ausrüstung bereits an das begleitende Luftschiff übergeben.
So schlug ich vor: „Noch Lust auf ein Bad im Badesee?“
Peter stimmte lachend zu, also ging es mit den Rädern los. Sorglich hatte ich diesmal sogar Handtücher dabei. Weil das ganz günstig dort war, radelten wir wieder herum, bis wir den Bereich mit der Felsplatte erreicht hatten, auf welcher sich nach dem Bad gut liegen ließ.
Ich legte schon einmal schmunzelnd die Handtücher aus. Fröhlich und in gelöster Stimmung zogen wir blank, Peter nun auch ohne Zögern, stürmten so in den See. Dort schwammen wir erst ein wenig, wobei es nicht lange dauerte, bis wir wieder herumalberten, eine kleine Wasserschlacht veranstalteten, uns wieder spielerisch näherkamen. So heizte sich die Stimmung schon gut an, bis wir uns wieder in den Armen lagen. Diesmal wollte ich schon weitergehen und wagte es, drückte meine Lippen auf die seinen. Peter schreckte nicht einmal zurück, erwiderte diese Zärtlichkeit. So entwickelte sich das zu einer richtigen Knutscherei. Das tat uns beiden gut.
Das war nun so anregend, daß ich meinte: „Ist vielleicht doch besser, wir gehen wieder an Land.“
Peter erwiderte etwas verlegen: „Ähm ja – natürlich!“
So schwammen wir also zurück, stiegen aus dem Wasser. Noch in der Umarmung hatte ich natürlich bemerkt, daß Peter wieder eine ordentliche Erektion hatte. Ungeniert grinsend schaute ich nun nach ihm. Und das gute Stück stand wirklich prächtig ab.
Peter hatte wohl vermutet, mit meinem Rückzug aus dem Wasser wollte ich eine weitere Eskalation vermeiden. Ich hingegen kam wieder dicht an ihn heran, rieb mich an ihm und wie von selbst hatte nun eine Hand von mir zu seinem Gemächt gefunden, um dieses zart zu kosen. Peter war verblüfft, wehrte allerdings auch nicht ab. So machte ich weiter, meine Lippen trafen wieder auf die seinen und abermals entwickelte sich das zu einer wilden Knutscherei, bei welcher Peter mich zügig umarmt hatte, wobei seine Finger meinen Leib zu erforschen begannen, bald schon meinen Po massierten.
In einer kurzen Unterbrechung unserer Knutscherei lachte ich fröhlich, sah ihm tief in die Augen, zog ihn mit mir und hinab auf die Handtücher. Dort knutschten und fummelten wir weiter herum. Das ging ziemlich wild zu. Ich steuerte aber schon noch ganz gut, daß irgendwann Peter auf dem Rücken unter mir lag. Nun zögerte ich nicht länger, kniete erst noch so halb über ihm, um mich an ihm zu reiben, mit einer Hand seine Hände an meine Brüste zu führen. Peter durfte und sollte richtig kosten, so entbot ich meine Brüste auch seinen Lippen und er sog freudig an den Nippeln, massierte und genoß. Das tat ich ebenfalls, denn Peter machte das schon sehr angenehm für mich. Und so hielt ich mich gar nicht länger auf, positionierte meinen Schoß geschickt um, koste erst noch mit einer Hand seinen so reizvollen Penis, um diesen alsdann gleichfalls gut auszurichten. Und so nahm ich ihn auf, tief und innig, daß Peter lustvoll und auch ein wenig verdattert stöhnte. Allerdings war er viel zu erregt und gierig, um etwas dagegen zu haben. Und so bewegte ich mich erst vorsichtig auf ihm, fand einen für uns beide angenehmen Rhythmus, in welchen wir uns zügig hineinsteigerten. Ich brachte es irgendwie dahin, daß ich etwas stärker angeregt wurde als Peter, hatte so schnell einen Erregungszustand erreicht, der eine Lustlösung ermöglicht hätte, es allerdings noch ein wenig zuließ, diese zu verzögern. Nun spannte ich mehr an, steigerte die Anregung für Peter erheblich. Nun wurde der Ritt wilder, intensiver. Zunehmend unkontrollierter wurden Peters Bewegungen unter mir, ja, ja, bis er heftig zuckte und sich mit kräftigen Stößen in mir entlud, was ich wiederum zum Anlaß nahm, meine Zurückhaltung aufzugeben und völlig einzustimmen, es heftig kommen zu lassen, mich ganz hinzugeben und nur noch diesen Wirbel zu genießen, wobei ich mich letztlich hinabbeugte und mit meinen Lippen wieder die seinen traf, seinen Atem aufsaugte, daß wir ganz verschmolzen und vereint umschlungen lagen, keuchten und zuckten.
Nun war es also passiert!
Ich hatte mein Ziel erreicht. Und in diesem gemeinsamen Rausch, dieser Ekstase und Erlösung war uns gar kein Raum für Hemmung oder Überlegung geblieben. So blieb uns nur zu genießen.
Es dauerte, bis wir mit unserem Verstand wieder ganz bei uns waren. Etwas verlegen löste sich Peter, stand auf, lief auf und ab. Ich lag noch versonnen, sah ihm erst nur dabei zu.
Endlich merkte ich an: „Ist doch alles in Ordnung. War sehr schön, aufwühlend, befriedigend …“
Peter fuhr sich durch das Kopfhaar und erwiderte: „Hmmm hmmmm hmmm, naja, naja, aber, aber Susanne?“
Ich winkte schmunzelnd ab und antwortete: „Ach ach ach. Ist nun einmal, wie es ist. Erst habe ich mit Susanne herumgemacht, daraufhin du. Und nun haben wir beide eben mal Spaß miteinander. Das entwickelt sich eben – mal so, mal so. Das sollten wir nun nicht dramatisieren, aber sicherlich gerne wiederholen …“
Ich lachte, doch Peter wirkte besorgt: „Hmmm hmmmm hmmm, tja, also, aber, wie sollen wir das Susanne beibringen, wird ihr sicherlich zusetzen …“
Ich nickte und entgegnete: „Hast ja Recht. Müssen es ihr aber auch nicht gleich so schroff auf die Nase binden. Wenn ich dich richtig verstanden habe, läuft derzeit zwischen euch beiden sexuell ohnehin nichts. Von daher könnten wir uns doch auch weiterhin etwa nach solch einer Exkursion fröhlich miteinander vergnügen. Damit provozieren wir nun nicht gleich einen Konflikt oder eine tiefe Krise. Wir machen eben das Beste aus der Situation und genießen erst einmal einfach, daß wir so schön harmonieren. Ist doch nichts dabei, ein wenig Spaß zu haben.“
Peter lief noch immer unruhig, nervös herum. Ich hatte mich wieder entspannt hingelegt, nackt, mit leicht geöffneten Schenkeln die Sonne auf der Haut genießend.
Irgendwann meinte Peter: „Also gut, wenn du meinst …“
So waren wir uns also einstweilen einig. Peter wurde ohnehin nicht mehr ruhig. So stand ich gleichfalls bald auf. Wir zogen uns an, radelten zurück zur Kolonie.
Peter hatte ich jedenfalls nun an der Angel, er würde sich mir wohl nicht mehr entziehen wollen oder können. Und jenseits des Bedürfnisses nach Revanche hatte das ordentlich Spaß gemacht, hatte mich befreit von Frustration und diesem Zweifel. Ich hatte es einfach drauf, hatte mein Ziel mehr als erreicht, denn das war mit Peter wirklich intensiv gewesen. So verwunderlich war das im Grunde nicht, denn wir verstanden uns gut, hatten viele Gemeinsamkeiten und beide eben überdies Bedürfnisse, die wir gemeinsam gut befriedigen konnten, wie sich nun eindeutig und heftig gezeigt hatte.
Wegen Susanne sollte er ruhig dabei ein etwas schlechtes Gewissen haben, das hatte er sich schon verdient, befand ich. Das war ganz in Ordnung. Ich hatte hatte mir allerdings selber nicht überlegt, wie oder wann wir das Susanne offenbaren sollten. Immerhin sollte ihr das nicht so sehr zusetzen, daß es da Probleme mit dem Kind in ihr gab. Da sollten wir uns schon etwas einfallen lassen, um ihr das irgendwie schmackhaft oder wenigstens akzeptabel zu machen. So rein intellektuell sollte sie eigentlich schon einsehen, daß wir so zu dritt ja nun nicht so viele Möglichkeiten hatten, unsere Bedürfnisse zu befriedigen. Ferner verlangte das bisherige Durcheinander geradezu nach einem solchen Ausgleich der Leidenschaften. Allerdings ist Susanne doch sehr sensibel, kann durchaus gleichfalls aufbrausend sein, sich ordentlich selbst über Kleinigkeiten echauffieren. Da könnte der neue Sachverhalt sie schon treffen, das Kind belasten. So würden wir uns also schon etwas einfallen lassen müssen, um es ihr emotional schonend beizubringen, daß wir nun eben zu dritt und wechselnd unseren Spaß hatten, Nähe genießen würden. Ich konnte nur hoffen, daß Peter keine übereilten Dummheiten machte, versehentlich damit herausrückte, was passiert war.
Was könnte als nächstes passieren?
Susanne verführen
Der Vorschlag, eine weitere Person auszuwählen, ging mir noch weiter durch den Kopf.
Hatten Peter und Susanne das befürwortet, um mich abzulenken?
Implizierte das nicht irgendwie die Annahme, es ginge einfach nur darum, mit irgendwem intim zu sein?
Implizierte das nicht auch das Problem, welches schon die erste Krise zwischen mir und Susanne ausgelöst hatte, als diese das Gefühl bekommen hatte, nur ausgewählt worden zu sein, um mir als Gesellschaft zu dienen?
Würde das unter den gegebenen Umständen die neu ausgewählte Person nicht erst recht haben?
Ich schwankte, war mir unsicher, sah mir aber doch am übernächsten Tag einmal ganz unverbindlich erneut die Daten durch. Ich hatte mir überlegt, daß die Person ja doch jedenfalls beruflich gut zur aktuellen Lage passen sollte oder jedenfalls flexibel einsetzbar sein. Im Vergleich zu meiner damaligen Situation auf dem Raumschiff, anschließend auf der Raumstation hatte sich die Lage hier in der Kolonie deutlich geändert. Hier würden nun bald weitere Qualifikationen relevant werden, die es damals noch nicht waren.
Über diese Erwägungen hinaus wären ausschließlich persönliche Kriterien wohl bedenklich, allerdings unterdessen nicht komplett ausgeschlossen, käme wohl auf eine geschickte Argumentation an. Ich konnte ja nun keinesfalls davon ausgehen, daß dabei mehr als eine persönliche Bekanntschaft herauskommen sollte. Um eine weitere Person zu integrieren, wäre es also von Vorteil, wenn dieser die Nützlichkeit innerhalb der Kolonie einleuchten würde. So würde diese sich auch schneller einfinden und die Situation fernab der Erde akzeptieren.
Nun, ich sollte auch schon ein Auge darauf haben, ob die Person vielleicht zu mir passen könnte. Das wäre ja immerhin sehr nützlich für die soziale Struktur. Und so hätten in der Folge ja auch doch eigentlich persönliche Kriterien Relevanz für die Kolonie.
Nach noch etwas mehr Nachdenken verwarf ich die Option allerdings. Ich dachte mir so, daß ich eigentlich mit Peter und Susanne noch gar nicht richtig fertig war, noch mit dem Geschehenen, mir Widerfahrenem noch gar nicht wirklich abgeschlossen hatte, um mich einer anderen Person zuzuwenden. Das würde nur zu weiteren Problemen führen, wenn ich überstürzt vorginge, mich wieder in eine neue Affäre stürzte, bevor die aktuelle Situation richtig verarbeitet war, ich angemessen damit umgehen konnte. Ich hatte noch nicht genug Distanz, um neu zu beginnen.
Und gelang es mir wirklich, die Situation etwas distanzierter zu sehen, weniger aus meiner persönlichen Perspektive, so mußte ich schon einräumen: So als Familie und ebenso einzeln waren sie schon zu süß.
Und da spürte ich widersprüchliche Gefühle in mir kämpfen und brodeln: Einerseits war das schön anzusehen, andererseits war ich erheblich mißgestimmt, daß ich nicht daran beteiligt wurde, daß mir das nicht zukam.
Eifersucht?
Vielleicht.
Mehr aber wohl irgendwie das Gefühl, aufgrund der Konservierung einer Situation ausgeliefert zu sein, nicht einmal ansatzweise kontrolliert haben zu können, was passiert war. Jetzt war ich wieder dabei, konnte also wieder Einfluß nehmen. Und so vom Gefühl her wollte ich wohl auch nachholen, was zuvor nicht möglich war, wobei mir schon klar war, daß es unlogisch ist: Was schon geschehen ist, kann nicht mehr verändert werden, ist nicht mehr verhandelbar. Da gibt es keinen Kompromiß mehr, keine noch erreichbare bessere und auswählbare Alternative.
Nun hatte ich bereits auf eine Affäre mit Peter verzichtet, weil Susanne da war.
Peter wiederum hatte sich Susanne geschnappt.
Warum sollte ich also nicht versuchen, sie ihm wieder abzujagen?
Ich hatte ja nun auch so meine Mittel und würde mich in die aktuelle Situation wohl einfühlen können, mit etwas Glück den Ansatzpunkt finden, an welchem ich effektiv würde hebeln können.
Zwar hatte Susanne ja betont, daß sie mir inzwischen nicht mehr als Freundschaft entgegenbringen wolle, aber war in dieser Betonung nicht auch etwas drin, was mir verriet, daß sie zweifelte?
Sonst hätte sie das gar nicht so betonen brauchen. Was nicht ist, muß ja eigentlich nur hervorgehoben werden, wenn Zweifel bestehen, ob es nicht doch wieder sein könnte.
War sich Susanne vielleicht gar nicht so sicher?
Kriselte es vielleicht zwischen ihr und Peter gar ein wenig?
Eine Verstimmung, gar noch verstärkt durch meine Wiederauferstehung?
Sollte ich da nicht ein wenig nachbohren, um zu ergründen, wie die Lage aktuell wirklich war, wie meine Chancen stehen?
Allerdings wäre wohl etwas Ablenkung dabei für Peter ganz angemessen. Es wäre also sicherlich falsch, mich eindeutig auf Susanne zu stürzen. Etwas subtiler sollte ich schon vorgehen, um mich unauffälliger einzubringen. Also sollte ich auch wohl etwas mit Peter unternehmen. Das würde auf wissenschaftlicher Ebene gut funktionieren. In der Richtung überlegte ich weiter.
Am nächsten Morgen verkündete ich beim Frühstück also: „Ich dachte mir, ich steige wieder mehr in wissenschaftliche Projekte ein, bringe mich erst einmal auf einen aktuellen Stand, schaue mir Peters aktuelle Projekte an, entwickele vielleicht auch eigene. Es ist ja noch immer nicht geklärt, wie das Doppelplanetensystem nun entstanden ist, warum Charybdis so belebt war, Skylla hingegen tot. Vielleicht bekomme ich da ja noch ein paar Ideen, um dem auf die Spur zu kommen, um unsere neue Heimat besser kennenzulernen.“
Peter nickte: „Finde ich gut. Gerne erläutere ich dir, was ich gerade so mache. Und gerne diskutiere ich natürlich bei Bedarf auch neue Projekte mit dir. So im Austausch, in der expliziten Formulierung von Ideen entwickelt sich ja meist sehr viel.“
Ich lächelte und erwiderte: „Ja, den Gedanken hatte ich ebenfalls!“
So in Gedanken war mir das schon ein wenig zweideutig, aber in unserer Runde fiel das natürlich nicht auf.
So meinte Susanne ebenso: „Prima, Michaela, wenn ihr beide mehr zusammen unternehmt, harmonisiert sich die Situation hoffentlich zügig noch weiter.“
Ich bestätigte: „Daran hatte ich gleichfalls gedacht!“
Und so war das bereits entschieden.
Ferner teilte ich mit: „Mit der Wiederauferstehung einer weiteren Person warten wir wohl besser auch noch, bis sich das mit uns richtig eingespielt hat!“
Susanne meinte: „In Ordnung, hast vermutlich Recht, das sollten und brauchen wir nicht überstürzen.“
Peter nickte ebenfalls verständig. So war auch das Thema einstweilen erledigt.
Während Susanne sich primär um Melanie kümmerte, gesellte ich mich also zu Peter in den Arbeitsbereich. Auf Nachfrage erläuterte er mir seine derzeitigen Forschungsaktivitäten genauer. Schwerpunkt war da derzeit noch immer die Untersuchung von Pflanzengesellschaften hier auf Skylla und ebenfalls auf Charybdis, wobei es dort darum geht, Kombinationen von irdischen und charybdianischen Organismen zusammenzustellen, welche ihre Entwicklung gegenseitig besonders gut fördern.
Auf beiden Planeten waren Sonden unterwegs, um automatisch Proben zu nehmen, welche wiederum automatisch von den Ais analysiert wurden. Peter versuchte danach, sich mit den Ais einen Reim darauf zu machen, wie das zu verstehen war, was warum funktionierte oder eben auch nicht, je nach Standort, an welchem die Proben gezogen wurden.
Dazu hatten sie in Laboren Züchtungen und diverse Versuchsanordnungen, um neue Arten und Kombinationen zu testen.
Nachdem das gut erklärt war und ich erst einmal einen ersten Überblick hatte, fragte Peter: „Du hast beim Frühstück ja bereits erwähnt, wieder an eigenen Projekten arbeiten zu wollen.
Schon genauere Ideen?“
Ich zuckte die Schultern, erwiderte: „Muß mir erst einmal einen Überblick verschaffen, wie sich die Situation im Planetensystem in den letzten Jahrzehnten verändert hat, Körk war da ja sehr aktiv. Und ich muß mir auch einmal ansehen, was inzwischen herausgefunden wurde über die Historie des Systems, was über die Planeten. Wenn es genaue Daten über die Planeten gibt, wäre es ja auch möglich, Hypothesen über die Vergangenheit aufzustellen, Stellen zu lokalisieren, wo Proben genommen werden könnten, Untersuchungen förderlich wären, um Hypothesen zu stützen oder zu widerlegen.
Sie haben wohl auch einen Kleinplaneten gefunden, welcher gar nicht aus diesem System zu stammen scheint, älter als dieses ist, hast du davon gehört?“
Peter schüttelte den Kopf: „Nicht daß ich wüßte, ist mir vielleicht aber auch entgangen.“
Ich fügte hinzu: „Ich hatte bereits die Ehre, ihm einen Namen geben zu dürfen: Methusalem.“
Peter hakte nach: „Wirklich älter als das Rasol-System?
Schon interessant.
Wie kann das sein?
Wie stellt man das Alter eigentlich fest?“
Ich antwortete: „Genaueres habe ich mir noch gar nicht angesehen. Kommt vermutlich aus einem anderen System, wurde von Rasol in einer Wechselwirkung mit verschiedenen Planeten oder Kleinplaneten eingefangen. Letztlich ist es ja ohnehin so, daß schwerere Elemente in Sternen ausgebrütet werden. Irgendwie müssen sie da ja wieder heraus, wenn man sie letztlich hier auf Planeten vorfindet. Ganz schwere Elemente jenseits des Eisens werden ja wohl erst erzeugt, wenn sein Stern in einer Supernova oder einer ähnlich heftigen Explosion genug Druck in gewissen Regionen aufbaut, um die Kerne kleinerer Atome zu den schweren zusammenzudrücken. All das Zeug kommt also zwangsläufig von anderen Systemen, als feiner Sternenstaub ist das Alter allerdings nicht zuzuordnen. Hat ein Sonnensystem jedoch überdies ein Planetensystem, gerät da vorher, besonders in der Entstehungsphase schon einmal etwas durcheinander und ein Planet kann dabei auf Kosten der anderen so viel kinetische Energie bekommen, daß er aus dem System geschleudert wird. Der Vagabund saust daraufhin durch den freien Raum. Wahrscheinlich trifft der nie wieder auf ein Sonnensystem. In diesem Falle war es aber wohl so, daß er zufällig auf das Rasol-System zu geschleudert wurde, dort mit Rasol und den Planeten in mehrfacher Wechselwirkung kinetische Energie verloren hat, so hier eingefangen wurde.
Beim Alter, hmmm, also sicherlich haben Asi und Stanis Proben an verschiedenen Stellen genommen, die nicht nach Einschlagskratern aussahen. Hat sich ein Kleinplanet erst einmal gebildet, hat er genug Struktur, genug Atome für Statistiken, ebenfalls radioaktives Zeug im Gestein, was sich für eine Altersbestimmung eignen kann, weil sich bei einem seismisch nicht aktiven Kleinplaneten ja sonst kaum noch etwas an den Gesteinen, Metallklumpen etc ändert außer dem Zerfall radioaktiven Materials über verschiedene Zerfallsketten.
Alter von Gestein ist allerdings nicht so ganz einfach. Es gibt immerhin bestimmte Gesteinsarten, die aufgrund der Chemie auf typische Weise zusammengesetzt sind. Sind da bereits anfangs radioaktive Isotope drin, ändert sich die Zusammensetzung mit der Zeit. Isotopenverhältnisse und die Verhältnisse der Häufigkeiten verschiedener Elemente sind dann typisch für die Entstehungszeit des Gesteins. Bei Uran oder einem instabilen Isotop von Rubidium etwa kann man so aus der Zusammensetzung von Gestein abschätzen, wann das entstanden ist, also vielleicht gar das Uran bei einer Sternenexplosion, später wohl auch das Gestein, wenn das Uran da charakteristisch eingebaut ist und sich über die Zeit aufgrund der Zerfallsketten der Uran-Isotope typische Häufigkeiten von Elementen und Isotopen herausbilden, die als Uhr verwendet werden können. So in etwa, muß ich mir auch noch genauer anlesen, um da qualifiziert mitreden zu können, Daten kritisch zu interpretieren, eventuell auch brauchbare Vorschläge zu machen.“
Peter nickte und ich fuhr fort: „Hinsichtlich der Frage, wie das Zwillingsplanetensystem entstanden ist, warum es nun auf Charybdis Leben gibt, auf Skylla lediglich eine Wüste mit wenig, chemisch jedoch stark angereichertem Wasser, muß ich mich bei den erhobenen Daten ebenfalls erst auf den aktuellen Stand bringen. Ich muß ja erst einmal wissen, welche Daten wir schon haben, was man daraus lernen kann, welche Daten wir vielleicht mit welchen Experimenten und Beobachtungen generieren sollten, um mehr zu erfahren. Das wird mich schon ganz gut beschäftigen. Da will ich mal nichts überstürzen, mir aber schon genauer ansehen, wie ich mich sinnvoll einbringen kann, um das zu ergänzen und anzureichern oder auch erst zu interpretieren, was bislang in den letzten Jahrzehnten erreicht wurde.“
Peter nickte: „Hört sich doch gut an!“
Um meinen Plan der Beschäftigung mit ihm ebenfalls zu verfolgen, blieb ich bei ihm und stellte noch ein paar mehr Fragen zu seinen Projekten, woraufhin wir uns da eingehender vertieften und darüber diskutierten. Das schien mir ein ganz guter Anfang zu sein. Bei solchen Projekten hatten wir schnell einen Draht zueinander und zogen schnell an einem Strang in die gleiche Richtung.
So beschäftigten wir uns den Vormittag über hauptsächlich mit Peters Projekten. Dadurch bekam ich in der Folge schon einen ganz guten Eindruck vom aktuellen Forschungs- und Wissensstand. Ich zeigte aufmerksam und sachlich Interesse an seiner Arbeit, hielt eine lockere Stimmung aufrecht, in welcher Peter genau in seinem Element war. Und weil ich so an dem teilnahm, was Peter beschäftigte, eifrig fragte, harmonierte das sehr schön. Aus Peters Erläuterungen war zudem zu entnehmen, daß er gerne Susannes Beiträge zu den Projekten nannte, wo sie optimiert hatte, was ohne ihren Beitrag so gar nicht in dem Umfang funktioniert hätte. Nachdem das aber alles optimiert war, zudem Melanie auf der Welt war, hatte sich Susanne da weitgehend aus der Forschung zurückgezogen, trug allenfalls nur noch mit Kleinigkeiten bei. Das schien nun weder von Peter noch von Susanne gezielt so beabsichtigt gewesen zu sein, hatte sich eben so etabliert. Das war nicht ganz die traditionelle Rollenverteilung in der Familie, kam dem aber schon nahe. Peter hätte das wohl gerne anders gesehen, da gerne mehr Gemeinsamkeiten gehabt. Derzeit gab es aber gerade wenig, was ihm einfiel, wo Susanne ihre Fachkenntnisse hätte dringend einbringen sollen, wo sie damit wirklich gefordert worden wäre. Sie hatte derzeit wohl nicht so viel Muße, sich in andere Bereiche einzuarbeiten und Routinekram wollte er bei ihr auch nicht abladen.
So genoß er es sichtlich, mir ausführlich zu berichten und mit mir zu fachsimpeln.
Beim Mittag plauderten wir gemeinsam ein wenig. Eigentlich hätte Peter am Nachmittag Melanie übernehmen sollen. Ich schlug allerdings vor, mich zu Susanne zu gesellen und so gemeinsam mit Melanie den Nachmittag zu verbringen. Damit waren sie einverstanden. Und ich hatte ein wenig mehr Gelegenheit, mich vorsichtig Susanne anzunähern.
So gesellte ich mich nun zu Susanne und Melanie, um auf andere Gedanken zu kommen, die neuen Informationen sacken zu lassen, Melanie auch ein wenig zu belustigen. Das machte mir viel Spaß und so zusammen mit Susanne kam ich auch gut zurecht, wenngleich ich noch immer nicht überwunden hatte, wie schlecht das für mich gelaufen war, während ich konserviert gewesen war. Gegenüber Susanne verzichtete ich allerdings auf diesbezügliche weitere Spitzen. Stattdessen gingen wir freundlich, ja wieder freundschaftlich miteinander um. Und auch Melanie trug dazu bei, daß wir uns bereits wieder gut vertrugen und eigentlich sehr gut harmonierten. Melanie war zwar Ergebnis der Entwicklungen, sollte allerdings nicht unter unserem schwelenden Konflikt leiden. Ich mochte sie gleich von Anfang an. Wir hatten bereits einen ganz guten Draht zueinander. So war ich in ihrer Nähe sowieso gut beschäftigt und hatte keine Gelegenheit, in trüben Gedanken zu schwelgen, dazu machte es einfach zuviel Spaß zu erleben, wie sie allmählich die Welt erforschte, zu eigenen Ansichten und Fertigkeiten gelangte, sich noch etwas ungeschickt austauschte, aber gute Fortschritte machte.
Und Susanne war schon merklich erfreut darüber, wie gut ich auf Melanie reagierte, wie gut ebenso umgedreht diese auf mich.
So gelang es wirklich relativ zwanglos, wieder mehr Nähe zwischen mir und Susanne aufzubauen, wobei wir noch keine Vertraulichkeiten austauschten, aber schon gelegentlich fröhlich miteinander lachten und die gemeinsame Zeit so zu dritt bereits genossen. Überstürzen wollte ich da nichts, aber das schien mir bereits ein guter Anfang zu sein, um Susanne wieder näherzukommen.
Übertreiben wollte ich das auch nicht, so begab ich mich später wieder an die Arbeit. Aber vormittags war ich da schon eine gutes Stück weitergekommen, das war bereits ein vielversprechender Anfang, auf den ich nun aufbauen konnte.
So nutzte ich den Nachmittag, um mich in die Geochronologie und Gesteinsdatierung einzuarbeiten. Was auf der Erde, allgemeiner im Sonnensystem funktionierte, mochte hier im Rasol-System etwas andere Voraussetzungen haben. Allerdings hatten Asi und Stanis reichlich Proben aus dem System, somit ebenfalls eine gute Grundlage, um einerseits das Alter des Rasol-Systems aus verschiedenen Methoden zu bestimmen, andererseits gleichfalls Unterschiede, besondere Zusammensetzungen der Materialien von Methusalem. Daher waren die Schlußfolgerungen der Ais schon überzeugend. Methusalem paßte in seiner Hauptmasse, also abgesehen von eindeutig jüngeren Einschlägen, nicht in das sonstige Muster. Ein Einfang in das Rasol-System war also schon plausibel. Ich beschloß, mir das noch näher anzusehen.
Welche Zerfallsreihen hatten sie sich angesehen, welche Isotopen- und Elementenverhältnisse hatten sie analysiert, wo hatten sie Proben genommen?
Wenn ich mich da weiter einarbeitete, sollte es mir gelingen, weitere Vorschläge zu machen, was noch zu untersuchen wäre, welche weiteren Zerfallsreihen wir nutzen könnten, um die Hypothese noch besser abzusichern?
Ich wollte es versuchen und mich da hineinfuchsen.
Wenn Methusalem doch nur ein Kleinplanet ist, war doch davon auszugehen, daß er bei einem Einfang einst mit erheblicher Relativgeschwindigkeit in das Rasol-System gekommen ist. Betrachtet man nun ein einfaches Modell von zwei Punktmassen in einer gravitativen Wechselwirkung, so käme es nie zu einem Einfang. Bei einem solchen ist es immer notwendig, die überschüssige kinetische Energie irgendwie anders zu verteilen. Bei einem System aus mehr als zwei Körpern ist das möglich. Im Extremfall kann da etwa ein anderer Körper aus dem System geschleudert werden, ein größerer Planet könnte bei einer Wechselwirkung allerdings auch auf eine etwas energiereichere Bahn um Rasol verschoben werden, um die Energie so anders im System zu verteilen. Kommt es gar zu Einschlägen, kann ein Teil der kinetischen Energie auch in Wärme umgesetzt werden. Zwar gilt insgesamt immer noch die Impulserhaltung, trotzdem ist so bei komplexen, ausgedehnten Massen ein Einfang möglich. Erhaltung der Gesamtenergie, von Impuls und Drehimpuls ist gegeben, sie werden lediglich unter den beteiligten Objekten anders verteilt.
Obgleich solch ein Kleinplanet schon winzig ist im Vergleich mit den Gasriesen oder gar mit Rasol selbst, sollte solch ein Einfang bei den Planeten hingegen schon Spuren hinterlassen haben, von diesen hätten also wohl mindestens zwei ihre Bahnen geändert, vermutlich waren auch Bahnen diverser Kleinkörper wie Asteroiden geändert worden, mit der Wirkung von heftigeren Asteroidenschauern auf die Planeten in die folgenden Jahrhunderten oder Jahrtausenden. Häufungen von Ereignissen könnten also auf den Einfang hindeuten, mit Glück mit diesem eindeutig in Bezug gebracht werden.
Als weitere Ablenkung oder Aktivität hatte ich beschlossen, morgens wieder täglich einen Lauf zu absolvieren. Das war hier auf der Insel ohnehin viel abwechslungsreicher möglich, ebenso vom Ausblick her deutlich interessanter als noch auf der Raumstation. Die Ais hatten zudem ein Wegenetz angelegt, welches dafür sehr gut nutzbar war. Den nächsten Morgen flitzte ich also früh, noch vor dem Frühstück über die Wege der Insel, meditierte gar ein wenig am Felsenufer eines Badesees auf der Insel. Genaugenommen war das der einzige Badesee der Insel, jedenfalls von der Größe her dafür hervorragend geeignet, anders als das Meer mit sauberem, klaren Wasser ausgestattet, welches nicht bei etwas längeren Aufenthalt gleich die Haut angreift. Meditation reichte mir indessen an diesem Morgen. Ein Bad wäre aber sicherlich an einem anderen Tag auch eine schöne Option und Ergänzung des Programms.
Es war eher eine Kurzmeditation über vielleicht eine Viertelstunde, wonach ich mich wieder auf den Weg machte, in einem großzügigen Bogen zurück zur Kolonie lief.
Meditation und Lauf hatten mir sehr gutgetan, den Kopf durchgepustet, mich merklich erfrischt und belebt. So hatte ich jedenfalls gute Laune, als ich nach einer Dusche zum Frühstück zur Familie Susanne, Peter und Melanie ging.
So in der Gruppe hatte sich die Stimmung schon entspannt, so lief das Frühstück munter und bei guter Laune ab. Ich erzählte schon ein wenig über Methusalem und meine Ansätze, was ich noch genauer verstehen wollte, wo weiter nachbohren, um herauszufinden, ob ich da nur noch etwas nicht verstanden hatte oder ob da noch Lücken in der Argumentation waren.
Susanne fand es ebenfalls bemerkenswert, daß es da solch einen alten ‚Beobachter‘ im Rasol-System geben sollte, welcher eventuell irgendwo Informationen über die Historie des Systems gespeichert haben mochte. Ihr war jedenfalls auch nicht bewußt, daß der entdeckt worden war.
Wir hakten bei Ida nach, die schon angeben konnte, daß Susanne und Peter darüber kurz berichtet worden war. Der Fokus der Aufmerksamkeit lag in der Zeit aber eindeutig mehr bei den biologischen Projekten, weswegen das wohl untergegangen sei. Vermutlich war es ja nun auch so, daß es nicht wirklich dringlich gewesen war, was Methusalem ihnen über die Vergangenheit hätte verraten können, wenn gerade die Gegenwart insbesondere auf Charybdis solch verblüffende Entwicklungen zeigte. Immerhin hatte ich nun davon ebenfalls etwas mitbekommen. Weil meine Schwerpunkte etwas anders liegen, hatte ich das nun als interessant aufgegriffen. So hängt es wohl immer an Einzelpersonen und Interessen, was in den Vordergrund rückt, um näher untersucht zu werden. In dieser Hinsicht ist Forschung gar nicht so objektiv. Was untersucht, erforscht und entwickelt wird, hängt entscheidend von individuellen Interessen und Sichtweisen ab, selbst wenn die Methoden letztlich allgemeiner formuliert werden können.
Mit Pinseln, Leinwand und Farbe stehen Malern ja auch immer ähnliche Werkzeuge und Materialien zur Verfügung, die Ergebnisse sind allerdings deutlich unterschiedlich.
Indessen führen oft auch unterschiedliche Interessen und Forschungsprojekte zu ähnlichen technischen Anforderungen und Bedürfnissen, weswegen trotzdem ziemlich ähnliche technische Entwicklungen angestoßen werden können, welche wiederum erst weitere wissenschaftliche Fragestellungen aufwerfen oder es ermöglichen, bestimmte Fragen erst zu untersuchen.
Nach dem Frühstück gingen Peter und ich wieder in die Arbeitsecke, kümmerten uns um unsere Forschungsprojekte.
Die Analyse von Zerfallsreihen ist komplex. Ich hakte bei Ida und Körk nach. Die Ais hatten schon allerhand analysiert, räumten allerdings ein, bei Methusalem nicht wirklich in Details gegangen zu sein. Allerdings hatten wir reichlich Daten und Stanis und Asi zeigten ebenfalls Interesse, auch für sie war es irgendwie relevant, daß so ihre Forschungsarbeit auch in der Kolonie mehr Aufmerksamkeit bekam. So waren sie gerne bereit, Methusalem genauer zu untersuchen, auf Vorschläge einzugehen, bisherige Arbeiten zu erläutern, um so zu einem stimmigen Projekt zu kommen, Ziele genauer festzulegen, einen Plan zu haben, was wir eigentlich wissen wollen, wie uns Methusalem dabei helfen könnte. Schnell hatte ich mit Hilfe der Ais jedenfalls eine lange Liste von Möglichkeiten, wie das Alter von Gestein bestimmt werden kann, ebenso eine lange Liste von Daten über die Zusammensetzung verschiedener Bereiche von Methusalem. Ich hatte die Idee, daß wir Susanne hinzuziehen könnten, um diese zu motivieren, mit ihren Kenntnissen Ordnung in die Daten zu bekommen, sie für Menschen zugänglicher zu visualisieren und Korrelationen einfacher prüfen oder entdecken zu können, die in den Daten bereits verborgen sein könnten, allgemein Korrelationen herauszuarbeiten und unsere Hypothesen so unter Ausnutzung aller verfügbaren Daten effizient auszuwerten.
Dabei könnten wir entscheidend davon profitieren, die gewaltigen Datenbanken und das hohe Rechentempo der Ais mit unseren menschlichen Impulsen, Idee, Assoziationen bei der Sichtung der visualisierten Daten zu kombinieren, um zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Diese Kombination hatte sich bislang sehr nützlich erwiesen, weil wir so die jeweiligen Stärken von Ais und Menschen gut einsetzen, die Schwächen wiederum gegenseitig kompensieren.
So schlenderte ich zu Susanne, beteiligte mich an der Belustigung von Melanie und plauderte ein wenig über das Problem und die Komplexität. Ich kitzelte sie auch gleich ein wenig an ihrer Fachkompetenz, ihrer Expertise, komplexe Daten auswerten zu können, sie gut und verständlich für Menschen aufbereiten zu können. Ich betonte, ihr Beitrag wäre sehr wichtig, um die gewaltigen Datensätze kompetent durchzuforsten, schmeichelte ihr so, wobei das an sich nicht einmal Schmeichelei war, denn ich hätte da erhebliche mehr Zeit gebraucht, um mit deutlich weniger Eleganz schlechtere Programme zu schreiben, um das Projekt zu realisieren.
Susanne war gerne bereit, sich das anzusehen, ob sie da einen sinnvollen Beitrag leisten könnte, wies allerdings auch auf Melanie. Ich lächelte und erinnerte sie daran, daß da ja durchaus auch noch Peter als Vater sei, dazu ich sowieso. Folglich seien es also derzeit drei erwachsene Bezugspersonen für Melanie, nicht nur sie als Mutter. Zudem sei es gut für sie und ihr Selbstverständnis, auch einmal wieder ein anspruchsvolles Projekt am Rechner durchzuziehen. Susanne fühlte sich merklich geschmeichelt.
Etwas später machten wir uns zu dritt auf den Weg zu Peter und schilderten diesem die Idee. Dieser fand es gut, wenn Susanne sich beteiligen würde. Klar war ihm auch, daß so die Betreuung von Melanie etwas anders aufgeteilt werden müßte. Damit war er allerdings einverstanden, war gerne bereit, mehr Zeit mit ihr zu verbringen, auch um Susanne etwas mehr Freiraum zu verschaffen, sich um ein wissenschaftliches Projekt zu kümmern. So einigten wir uns darauf, daß Susanne den nächsten Tag einfach einmal mit mir zusammen in das Projekt einsteigen solle, während es Peter zukam, sich mit Melanie um sonstige alltägliche Dinge zu kümmern.
Das könnte ich nun schon nutzen, um Susanne näherzukommen. Wenn Peter mit Melanie gut beschäftigt ist, Susanne und ich mit einem gemeinsamen wissenschaftlichen Projekt, so mochte sich dabei schon eine Gelegenheit ergeben, ihr ein wenig näherzurücken.
Den Rest des Tages bereitete ich vor, was ich Susanne erklären mußte, um dieser einen schnellen Einstieg in das Problem zu ermöglichen. Als ich damit fertig war, schaute ich mir Daten an, welche wir über Skylla und Charybdis hatten, fragte bei den Ais nach und beriet mich mit Ida schon einmal darüber, wie wir aus den vorhandenen Daten vielleicht mehr herausholen könnten, um neue Erkenntnisse über die beiden Planeten und ihre Vergangenheit zu bekommen. Da schien schon noch etwas zu gehen, es wurde uns allerdings relativ schnell klar, daß wir detailliertere Daten brauchen würden, um Hypothesen stichhaltig zu prüfen oder auch neue zu entwickeln. Ida konnte da wirklich allerhand bieten, was umsetzbar wäre, aufgrund vorhandener Pläne oder Module gar mit begrenzten Aufwand und relativ kurzfristig.
Per Satellit sollten so in den nächsten Wochen deutlich mehr Daten gesammelt werden, insbesondere über ein breiteres Frequenzspektrum verteilt, Radar, Infrarot, sichtbar mit besserer Auflösung, Ultraviolett bis fast hinein in den Röntgenbereich, wobei wir bei hohen Energien von den Planeten nicht viel erwarteten. Von daher war es eher relevant, bei niedrigen Energien, auch mit aktiven Systemen neue Informationen zu bekommen.
Die Planeten haben auch starke Magnetfelder. Eine präzise Vermessung der Magnetfelder wäre ebenfalls möglich. Allerdings hatten wir da bereits gute Daten, jedoch mehr im globalen Maßstab. Ich wollte deutlich höhere lokale Auflösungen, um Anomalien in der Planetenkruste aufzuspüren, vielleicht also eingeschlagene, magnetisierte Metall-Asteroiden oder andere Objekte mit deutlichem Einfluß auf das lokale Magnetfeld. Auch das war mit Sonden und Satelliten noch deutlich über das ausbaubar, was bislang an Daten aufgenommen wurde.
Schnell hatte ich auch den Gedanken, nicht nur elektromagnetische Strahlung zu analysieren. Ich schlug vor, eine Gruppe von Satelliten relativ eng benachbart fliegen zu lassen, damit über Abstandsänderungen unter ihnen Informationen über Gravitationsänderungen zu detektieren. Unterschiedliche Dichten im Erdmantel führen zu einer gewissen Ungleichmäßigkeit der Schwerkraft, welche sich auch auf die Bahnen von Satelliten auswirkt. Hat man nun welche mit geeigneten Meßgeräten und mißt untereinander Abstände, so ergibt das Abweichungen von Sollbahnen um einen Rotationsellipsoiden. Wird der Einfluß von Rasol und Skylla, beziehungsweise Charybdis auf das Potential herausgerechnet, ergibt sich so eine Strukturinformation über den jeweils untersuchten Planeten. Zusammen mit den anderen Messungen bekämen wir so Informationen über die Kartoffeligkeit der Planeten, also die Abweichung von der Form eines Rotationsellipsoiden.
Ida versprach, aufgrund von Daten über entsprechende irdische Projekte alsbald einen Vorschlag zu machen, wie wir dies umsetzen könnten. Einmal in Fahrt gekommen hakte ich gleich nach und brachte ins Spiel, daß es doch auch möglich sei, über seismische Messungen, also im Grunde durch den Planetenkörper wandernde Schall- und Druckwellen, Scherungen etc Informationen über den Aufbau des Planeten zu bekommen. Skylla und Charybdis sind ja seismisch aktiv, haben eine aktive Plattentektonik. Ida informierte, daß sie hinsichtlich der seismischen Aktivitäten bislang eher aus technischen Gründen Daten gesammelt hätten, primär also, um einen geeigneten Standort für die Kolonie auszuwählen, welcher von Erdbeben, Vulkanausbrüchen, dem ganzen Drama der Tektonik nicht wesentlich betroffen sei. Das würde sich allerdings kaum eignen, um genauere Aussagen über den Aufbau des Planeten zu machen. Bei der Plattentektonik hätten sie schon einen groben Überblick, um Feinheiten hätten sie sich allerdings bislang nicht gekümmert. So hatten wir hier gleich ein weiteres Projekt, welches wir zunächst einmal mit passiven Detektoren angehen wollten. Also zunächst eine größere Anzahl von empfindlichen Detektoren bauen, diese mit guter Auflösung verteilen und alsdann damit die durch Erdbeben erzeugten Daten analysieren und Rückschlüsse ziehen. Laufzeiten von Wellen durch den Planeten zu den jeweiligen Detektoren, die überall auf dem Planeten messen, ermöglichen Rückschlüsse auf die Schichtung und die Dichten von Schichten, wo gibt es an Schichtgrenzen Reflexionen, wo gibt es bei der Schichtung auffällige Deformationen, etwa durch Asteroiden-Einschläge hervorgerufen. In einer späteren Ausbaustufe könnten wir das auch mit unterirdischen Sprengungen ergänzen, um Daten in anderen Frequenzbereichen und mit präzise lokalisierbaren Quellen zu generieren.
Damit jedenfalls sollten wir erheblich weiterkommen und es würde möglich werden, jedenfalls ein Stück weit in die Planeten hineinzusehen, eventuell eben auch Einschläge zu entdecken, die Hinweise darauf geben könnten, wann es auf welchem Planeten zu einer größeren Einschlagskatastrophe gekommen ist. Deformationen und stark ungleichmäßige Verteilung der Dichten und des Magnetfeldes im Planetenkörper könnten ferner auf größere Katastrophen hinweisen, etwa einen streifenden Zusammenstoß mit einem anderen Körper, welcher dazu geführt haben mochte, daß sich die beiden Zwillingsplaneten hinsichtlich der Ansiedlung von Leben komplett unterschiedlich entwickelt hatten.
Wie abgesprochen kümmerte sich Peter den nächsten Tag um Melanie und Susanne und ich um die Optimierung der Datensätze der Zerfallsreihen und Isotopenverhältnisse von Methusalem. Ich war gut vorbereitet, aber natürlich stellte Susanne Fragen aus einer ganz anderen Perspektive. So waren wir schnell in das Projekt vertieft und wir wurden beide sehr gefordert, um das gut auf den Weg zu bekommen. Susanne war allerdings schnell zu begeistern und ebenfalls neugierig darauf, ob wir bei dem Kleinplaneten wirklich mit dem gesamten Datenmaterial auf konsistente Altersschätzungen für verschiedene Koordinaten kommen würden, also einerseits jene Regionen, welche als weitgehend alt eingeschätzt wurden, aber auch für jene Bereiche, die aufgrund von Einschlägen ein deutlich jüngeres Datum aufweisen sollten. So würden wir hoffentlich eine Art von Chronologie bekommen, mit weit mehr Proben von verschiedenen, auch kleinere Kratern durch Stanis oder Asi, wohl auch Häufigkeitsverteilungen auf der Zeitachse von Ereignissen, unter Berücksichtigung der Ausformung der Krater vielleicht gar Rückschlüsse auf ungefähre Richtungen von Scharen von Einschlagsobjekten.
Da Methusalem ja weit draußen, jenseits der Gasriesen seine Bahnen zieht, konnten wir natürlich nicht wirklich detaillierte Informationen darüber erhoffen, was im Innenbereich des Rasol-Systems vorgefallen war. Allein seine abweichende Ekliptik der deutlich elliptischen Bahn, die im Rasol-System eher ungewöhnliche Umlaufrichtung wiesen auf einen Einfang hin. Dabei war auch nicht so klar, wie das so weit draußen passiert war. Vielleicht gab es ja ursprünglich doch einen Durchflug durch das System, einschließlich größerer Ablenkungen und Abbremsungen durch mehrere Planeten, weitere Ereignisse und nach dem Einfang kompliziertere längere Wechselwirkungen mit den Gasriesen, welche Methusalem langsam wieder aus dem inneren Bereich des Systems an den Rand gedrängt hatten.
Würden wir bei der genauen Analyse Informationen über einen Aufenthalt im Innenbereich des Rasol-Systems finden, etwa Einschlagsobjekte, welche den Asteroidengürteln Geri, Freki oder gar Wotan zuzuordnen wären?
Das alles könnten relevante Informationen sein, was einst vorgegangen ist, was einst auch dazu geführt hatte, daß es das Doppelplanetensystem Skylla und Charybdis überhaupt gibt, wieso sich die beiden Planeten trotzdem so unterschiedlich entwickelt hatten.
Susanne jedenfalls hatte irgendwann genug Informationen, um auch alleine zu basteln. Ich nutzte unser Beisammensein allerdings, rückte näher heran, daß wir unsere Köpfe dicht zusammensteckten und noch einmal alles durchsahen, prüften, Verständnis verifizierten und dabei auch zunehmend lockerer herumscherzten. Mal ein Knuff dabei von mir, mal von ihr, ein herzliches Lachen ausgetauscht, ein tieferer Blick von mir in ihre Augen, von ihr durchaus erwidert.
Das führte zu einer kurzen, stillen Pause, die schon auch weiterhin auf Interesse schließen ließ. Susanne räusperte sich allerdings schnell, lächelte etwas verlegen und wir konzentrierten uns wieder auf die Daten und Zerfallsreihen, die Korrelationen und Abhängigkeiten. So vertieft im wissenschaftlichen Diskurs und der Klärung von Detailproblemen, die sich Susanne hinsichtlich ihres Programmes bereits überlegte, aussprach, im Formulieren mir gegenüber bereits konkrete Formen plante, legte ich wie selbstverständlich einen Arm um sie. Sie wehrte nicht ab. Und so waren wir schon relativ vertraut miteinander, während es doch hauptsächlich bereits um die praktische Umsetzung des wissenschaftlichen Projektes ging. Das fühlte sich gut an, aber ich wollte sie auch nicht zu sehr, zu schnell bedrängen. Von daher war es ganz in Ordnung, daß wir letztlich doch eigentlich mit der Besprechung durch waren.
Für die konkrete Programmierarbeit brauchte sie Ruhe und Zeit für sich. Die sollte sie nach dem Mittagessen auf jeden Fall reichlich bekommen. Damit hatte ich wiederum Gelegenheit, einfach Peter und Melanie Gesellschaft zu leisten. So konnte ich für Ausgleich sorgen, einen guten Zusammenhalt in der Gruppe. Damit würde es auch weniger auffällig wirken, wenn ich im weiteren Verlauf immer mehr die Nähe zu Susanne suchen würde.
Ich schlug Peter vor, uns nachmittags draußen ein nettes Plätzchen zu suchen, einen kleinen Spaziergang zu machen. Er war einverstanden. So packten wir ein paar Sachen zusammen, informierten beim Mittag kurz Susanne über den kleinen Ausflug und schlenderten anschließend los. Für Melanie hatten wir eine Tragehalterung direkt am Körper. Sie konnte schon selber gehen, aber nicht eine solch große Strecke. Einstweilen war Peter damit eingespannt und Melanie machte es Spaß. Wir gingen immerhin bis zum Badesee, breiteten eine Decke aus und spielten dort mit Melanie. Wir waren locker, fröhlich und entspannt und genossen den Nachmittag, tobten ein wenig herum, bis Melanie schlicht müde war. Das hatte uns allen dreien Spaß gemacht, hatte auch mich und Peter ein wenig ermüdet, aber nicht so sehr, daß wir wirklich eine Pause gebraucht hätten.
Als Melanie etwas schlief, hatten wir Gelegenheit, uns in der näheren Umgebung etwas umzusehen. Ich wies auf ein paar Pflanzen in der Nähe und fragte Peter nach Namen und sonstigen Informationen darüber. Peter schaute und erklärte ein wenig, war so irgendwie neugierig geworden und schaute sich nun selber etwas genauer an, was hier so wuchs. Gar nicht so weit weg von unserem Platz, vom Weg und vom See entdeckte er bereits eine offenbar interessante Ecke. Hier hätte er gerne eine Probe genommen, sich etwas genauer angesehen, hatte allerdings keine Ausrüstung dabei. Ich hakte nach, ob er schon selbst einmal unterwegs gewesen sei, um etwas persönlich zu untersuchen. Peter erläuterte, der Schwerpunkt von Untersuchungen habe ja zum guten Teil auf Charybdis gelegen, hier auf Skylla hingegen meist in anderen Gebieten, weniger auf unserer Insel, welche ja doch speziell sei, von den Ais schon extra für uns eingerichtet. So seien also die Proben immer von Sonden gesammelt worden.
Nun war er allerdings auch der Meinung, daß es eigentlich nicht schaden könne, hier gleich auf unserer Insel ein paar kleinere Tages-Expeditionen durchzuführen, sich selbst ein Bild zu machen, selbst Stellen für Probennahmen auszuwählen, damit das zu ergänzen, was die Sonden an Material sammeln würden. Das schien auch mir einleuchtend. Genauso um unseren Kontakt weiter zu intensivieren, bot ich gleich an, ihn auf Expeditionen zu begleiten und ihm zu helfen. Schnell wurden wir uns einig, daß wir das durchziehen wollten. Für diesen Tag allerdings ging es zurück zu Melanie, welche allerdings noch schlief. So machten wir also ebenfalls eine Pause, entspannten etwas, nahmen etwas von den mitgebrachten kleinen Speisehappen zu uns. Nachdem Melanie wieder erwacht war, spielten wir noch ein wenig, packten allerdings bald zusammen und setzten unseren Spaziergang fort, diskutierten dabei schon einmal mögliche Routen für kleine Tages-Expeditionen. Nun ist ja lediglich ein kleinerer Teil unserer Insel von den Ais mit Wegen ausgestattet worden. So gab es bereits einen kleineren Fußmarsch davon weg einfach wilde Vegetation. Natürlich, in den eher felsigen Bereichen, die jenseits des Badesees im bergigen Bereich der Inseln lagen, war die Vegetation nicht so dicht, allerdings gleichfalls interessant für die Besiedlung karger Regionen. In anderen Bereichen der Insel wächst bereits deutlich mehr, also hatten wir ebenfalls auf unserer Insel deutlich verschiedene Gebiete. Und Peter wußte auch bereits, daß die Ais hier zwar besonders fleißig Arten angesiedelt hatten, über die Zeit seit der ersten Ansiedlung von Pflanzen allerdings viel Wildwuchs entstanden war. Die Insel war also keineswegs ein gepflegter Garten, da entwickelte sich das Geschehen weitgehend auf sich selbst gestellt. Lediglich im Bereich der Kolonie gab es aktiv gepflegte Anbauflächen. Die Ansiedlung war in weiten Teilen der Inseln auch nie sortiert und fein geplant wie in einem Garten verlaufen. Die Ais hatten eher großräumig keimfähige Substratkörner ausgebracht, also der Keim jeweils angereichert mit einer Starthilfe und mit Mikroorganismen. Hinzu kamen auch an geeignet erscheinenden Stellen die direkte Anpflanzung und Auswilderung von Sprößlingen aus den Gewächshäusern.
Als wir am späten Nachmittag wieder in der Kolonie ankamen, war Susanne mit ihrer Arbeit gut vorangekommen. Weil es nun doch noch weitere Details zu klären gab, setzte ich mich zu Susanne, um mich darum mit ihr zu kümmern. Das meiste bekamen wir gleich so hin, ein paar Sachen mußte ich allerdings auch noch recherchieren und verstehen, von daher schloß Susanne ihr Tagewerk nur noch ab, gesellte sich daraufhin mit mir zu Peter und Melanie. Wir plauderten und spielten noch ein wenig, was eigentlich nahtlos in die Zubereitung des Abendessens überging.
Abends saßen wir zusammen, sahen einen Film und plauderten noch etwas.
Wir diskutierten mit Susanne dabei auch gleich die Idee der Tages-Expeditionen, gegen welche sie nichts einzuwenden hatte. So stand dem also nichts im Wege und Peter würde das in den folgenden Tagen mit mir vorbereiten, wobei zunächst ja noch Susanne und ich mit den aktuellen Optimierungsarbeiten weiterkommen mußten. Aber wir würden uns da schon arrangieren. Erst einmal sollte primär Susanne mit ihrer Arbeit zu einem guten Zwischenergebnis kommen, danach würden wir wieder gleichmäßiger aufteilen, wer sich um Melanie kümmert, wer hauptsächlich mit Projekten beschäftigt ist. Prinzipiell hätten wir natürlich auch die Ais bitten können, auf Melanie zu achten, aber es schien uns derzeit angemessener zu sein, das unter uns dreien aufzuteilen.
An nächsten Morgen nach dem Frühstück war Susanne also gleich wieder fleißig bei der Arbeit. Ich recherchierte und las, um meine Lücken bei Zerfallsketten und Isotopenverhältnissen zu schließen, mich ebenfalls etwas vertrauter mit der Astro-Geologie zu machen, um nicht versehentlich Fehlinterpretationen zu liefern, aber auch um selbst zu beurteilen, wie stichhaltig und aussagekräftig die verschiedenen Methoden und Strategien vermutlich sind, inwiefern vielleicht doch eigentlich spezifisch für den ursprünglichen Anwendungsbereich im Sonnensystem, was davon allerdings als universell zu verallgemeinern ist, was also insbesondere auch gut auf das Rasol-System anwendbar wäre. Mir war natürlich schon klar, daß es im Sonnensystem viel mehr Untersuchungen und damit genauere Kenntnisse der Rahmenbedingungen gegeben hatte, dort war es also leichter, Meßergebnisse einzuordnen und ein stimmiges Gesamtbild zusammenzusetzen. Hier im Rasol-System würde es wohl zwangsläufig bei Überlegungen, Hypothesen, mehr oder weniger gewagten Geschichten bleiben, Ideen, was passiert sein könnte. Nun, darauf baut letztlich alles auf und über die Forscher-Generationen kann sich das später einmal zu genaueren Bildern verdichten. Nur wenn mutig begonnen wird, die Entwicklung anzuschubsen, passiert da aber überhaupt etwas.
Peter war unterdessen hauptsächlich wieder mit Melanie betraut, hatte nebenbei allerdings auch ein wenig Zeit, um sich um die Idee der Tages-Expeditionen zu kümmern. So hatte er bereits Satellitenbilder unserer Insel auf dem Monitor, um erste Routen planen zu können. Und eine Liste hatte er auch schon begonnen, was wir brauchen würden, um den wissenschaftlichen Teil einer solchen Expedition gut mit dem zu meistern, was zwei Personen bequem mit Rucksäcken würden bewältigen können. Wegen Melanie kam er damit nicht so weit, was allerdings nicht so schlimm war, denn es drängte uns ja nichts, das noch gleich in derselben Woche zu beginnen.
Noch vor dem Mittag hatte Susanne so viel vorzuweisen, daß sie mich wieder hinzuzog und wir gemeinsam darüber berieten, ob das nun schlüssig und plausibel war, was bislang bereits funktionierte. Immerhin, auch mit dieser erheblich genaueren Analyse war klar, daß Methusalem wirklich ein alter Bursche aus einem anderen Sonnensystem sein mußte, also in der Tat ein spektakulärer Kleinplanet, welcher hier irgendwie eingefangen worden ist. Wir konferierten mit Stanis und Asi darüber, wobei wir schnell die Information bekamen, daß Methusalem trotz seiner deutlich von der Hauptekliptik des Rasol-Systems abweichenden Bahn noch relativ gut erreichbar war. Wenn er sich nicht gerade grob im Bereich der Hauptekliptik aufgehalten hätte, wäre er vermutlich zwar schon entdeckt, aber noch gar nicht untersucht worden. So entwickelte ich also mit Susanne, Stanis und Asi eine neue Stoßrichtung der Methusalem-Forschung, welche diesen mehr als Beobachter des Rasol-Systems sehen sollte. Wir wollten wissen, wann er ungefähr in das System gekommen war, was daraufhin grob passiert sein mochte. Woher er gekommen war, war indessen wohl sehr schwierig zu bestimmen, denn zwangsläufig mußte es da drastische Bahnänderungen beim Einfang gegeben haben. Die Idee war jedenfalls, größere und kleine Einschlagskrater auf Methusalem zu untersuchen, welche davon also über welchen angeordnet sind, somit sicherlich jünger als darunterliegende, ferner wollten wir Positionen und Material der Einschlagskörper wissen.
Nun hat ein Kleinplanet wie Methusalem zwar genug Masse, um grob die Form eines Rotationsellipsoiden auszubilden, indessen deutlich weniger als etwa die Erde, Charybdis oder Skylla. Deswegen sind Einschläge von Asteroiden, anderen Gesteinsbrocken etwa von Katastrophen stammend, bei welchen es Einschläge auf anderen Planeten gegeben hatte, wobei von diesen Planeten wiederum Brocken ins All gestreut wurden, natürlich deutlich weniger destruktiv als bei großen Planeten, wenngleich Kleinplaneten auch keine bremsende Atmosphäre haben. Weil diese fehlt, findet die Erhitzung des Materials wiederum nun unmittelbar beim Einschlag statt, die Brocken zerlegen sich nicht bereits in der Atmosphäre, weswegen die Chancen deutlich besser sind, in den Einschlagskratern noch Material solcher Projektile zu finden, welche den Einschlag weitgehend unverändert überstanden haben, wenigstens tief im Inneren dieser Projektile.
So einigten wir uns darauf, daß Asi mit allerhand Gerät vor Ort Methusalem diesbezüglich eingehend erforschen sollte. Stanis würde hingegen weiterhin die Schwerpunkte der Forschungsprojekte verfolgen, die eigentlich bislang gerade aktuell waren. Aufgrund der verteilten Speicher und Identitäten der Ais war es Asi zudem möglich, gleichzeitig mehrere Projekte zu betreuen, von daher war das nun keine massive Störung ihrer Aktivitäten, im Gegenteil, sie zeigten sich interessiert an den aufgeworfenen Fragestellungen. Sie zeigten sich auch interessiert daran, einmal etwas enger mit uns Menschen zusammenzuarbeiten und gleich intensive Rückmeldungen zu ihren Untersuchungen zu bekommen, aufgrund der Kooperation eben auch unsere Sichtweise und Interpretation, unsere Ansätze für eine Auswertung. So hatten wir das schon einmal gut auf den Weg gebracht.
Ferner galt es natürlich auch noch, die bislang offengebliebenen Fragen mit Susanne zu klären, von denen ich dank meiner Recherche inzwischen einige diskutieren konnte, auf passende Literatur verweisen. Auch dabei steckten wir die Köpfe wieder zusammen, gingen locker miteinander um, vorsichtig festigte ich das neue, zarte Band, welches sich zwischen uns gebildet hatte. So kamen wir auch damit gut voran. Eine weitere Verfeinerung und Optimierung unserer Analysen würde sicherlich helfen, die neuen Daten von Asi, die kommen würden, besser einzuordnen und zu einem plausiblen Bild zu formen.
Nach dem Mittag diskutierte ich mit Susanne und Peter indessen erst einmal meine Ideen, um mehr Daten über die Zusammensetzung von Skylla und Charybdis zu erhalten, die Kartoffeligkeit der Planeten zu analysieren, um so eventuell Hinweise auf die Historie zu bekommen. Die dabei aufkommende Datenmenge und die Korrelation der Daten wäre natürlich ebenfalls sehr komplex, also ebenfalls ein Anknüpfungspunkt für Susanne, auch hier zu optimieren. Dazu war sie bereit, wollte sich das gerne ansehen, wenn ihre Arbeiten am Methusalem-Astro-Geologie-Projekt zu einem guten Zwischenergebnis gekommen wären.
Ida berichtete schon einmal über die Fortschritte im Satellitenbau, um einerseits weitergehende Spektren aufzunehmen, aktive Radarmessungen etc durchzuführen, zudem das Schwerkraft-Nahfeld der Planeten untersuchen zu können. Da hatten wir ja Vorlagen, Pläne von der Erde, zudem war es nun deutlich einfacher, Satelliten zu bauen, als zu meiner Zeit auf der Erde. Die Mikroroboterschwärme bauten die fast gleich vor Ort im Orbit mit Material, welches Körk bei der Bereinigung der Asteroidengürtel ohnehin gesammelt hatte. Von daher gab es da keinen aufwendigen Start mit Raketen vom Planeten aus, keine umständlichen Transportsicherungen, keine Kontaminationen, alles wurde gleich in einem Bereich mit lediglich Mikrogravitation gefertigt etc. Zudem gab es für viele Anwendungen praktisch bereits Pläne mit fertigen Modulen, welche für die jeweilige Spezialanwendung nur optimiert und angepaßt werden mußten, wenn sie nicht gleich ausreichend für die Anwendung waren.
Im Anschluß an die kleine Sitzung hatte ich ein Einsehen und übernahm Melanie von Peter, damit hatte dieser nun Gelegenheit, einerseits seine laufenden Projekte einzusehen, andererseits vor allem unsere Tages-Expeditionen weiter zu planen. Damit kam er gut voran. Und weil Melanie ja nun wirklich sehr lieb und brav war, war es schon möglich, daß ich mich immer wieder daran beteiligte, ein paar Ideen hinsichtlich der Logistik einbrachte. Gerätschaften für Probennahmen hatten wir bereits verfügbar, zudem waren Ida und Hildegard in der Lage, uns im Bedarfsfalle mit einem Luftschiff zu unterstützen, jedenfalls bei mehr oder weniger stabilen Windverhältnissen würden sie uns so bereits unterwegs Proben abnehmen können, ebenso gegebenenfalls größeres Gerät herunterlassen können. Wenn dies aufgrund von böigem Wind eher schwierig wäre, hätten wir trotzdem unterwegs immerhin noch Satellitenbilder verfügbar, ebenso Bilder vom Luftschiff. Beides sollte uns helfen, die geplante Route durch die Wildnis zu finden, eventuell auch kleinere Abstecher zu interessanten Stellen zu machen. Von daher kamen wir da sehr schnell mit der Planung voran. Die Idee war, zunächst mit verfügbaren Fahrrädern das vorhandene Wegenetz zu nutzen, um zügig und einfach an den Beginn einer Route zu gelangen. Danach würde es mit Rucksäcken hinein in die Wildnis gehen. In einigen Bereichen mit wenig Bewuchs und nahezu ebenem, ziemlich festen Boden würden wir mit den Rädern sogar noch etwas weiter vordringen können. Das konnten wir so bereits aufgrund der vorhandenen Aufnahmen der Insel schon ungefähr festlegen, somit schon solide planen.
Insgesamt konnten wir abends sehr zufrieden mit den Fortschritten der Projekte sein. Susanne war gut vorangekommen und überlegte nun bereits, wie eine Visualisierung der Datenmassen zur Untersuchung von Skylla und Charybdis effizient, ergonomisch zu realisieren sei. Für die Daten von Methusalem hatten wir schon einen sehr schönen Prototypen, um die Ergebnisse der Probenanalysen gut erfassen zu können. Solche Interpretationshilfen durch gute Darstellung von Daten ist immer wichtig, um sich nicht darin zu verlieren, sondern aus den Einzelaspekten besser einen Gesamtzusammenhang erschließen zu können. Hier war Susanne auf einem guten Weg, hatte als Pädagogin und Informatikerin in dieser Kombination ein hervorragendes Gespür dafür, uns Daten zu erschließen, um einerseits Fragen aufzuwerfen, andererseits Hypothesen zu entwickeln. Das erfreute mich sehr, sie so engagiert bei der Sache zu sehen. Das brachte uns einander auch wieder näher.
So überlegte ich schon, ob es angemessen sei, den Plan weiter zu verfolgen, Susanne zu vernaschen. Andererseits war ich auch Peter bei der Arbeit, bei der Beschäftigung mit Melanie deutlich nähergekommen. Auch das harmonierte gut. Und so, wie das bislang gelaufen war, hatte ich da eigentlich kein schlechtes Gewissen mit meinem Bedürfnis, nun auch auf meine Kosten zu kommen.
Oder sollte ich mich etwa doch auf Peter konzentrieren, vielleicht gar lieber diesen vernaschen?
Immerhin hatte ich darauf verzichtet, als Susanne konserviert war und ich zusammen mit Peter auf der Raumstation war. Das könnte ich nun gut nachholen, eigentlich. Bei den Expeditionen würden sich vielleicht schon Gelegenheiten bei Pausen ergeben, um mehr zu erreichen und herauszufinden, inwieweit Peter für die persönliche Erforschung unserer Befindlichkeiten zu interessieren wäre.
Allerdings lag mir derzeit irgendwie doch mehr daran, wieder etwas bei Susanne zu erreichen und hier zu vertiefen, was ich nun bereits begonnen hatte.
In den folgenden Tagen brachten wir in aller Ruhe unsere aktuellen Projekte voran. Als Susanne ihre Hauptarbeit erledigt hatte, somit ein gutes Zwischenergebnis vorweisen konnte, sich nun also wieder mehr Melanie widmen wollte, paßte das wiederum gut dazu, daß die Planungen für die Tages-Expeditionen abgeschlossen waren, zudem eine günstigen Wetterlage gegeben war. So waren wir uns einig, daß Peter und ich losziehen sollten, um die erste Exkursion zu bewältigen.
Ich schlug unterdessen vor, daß wir ja durchaus einige der Expeditionen ganz entspannt angehen könnten. Susanne und Melanie könnten uns ein Stück weit bis zu einem schönen Platz begleiten, dort picknicken und auf unsere Rückkehr warten. Zudem könnten wir variieren. Einige kleinere Touren könnte Peter ja durchaus auch mal an einem Tag alleine durchführen, während ich Susanne und Melanie Gesellschaft leisten könnte.
Das hielten Susanne und Peter für eine gute Idee. Susanne würde so mit Melanie zwar nicht immer mitkommen, bei einem gut gelegenen Startpunkt für unsere Expeditionen, zudem bei gutem Wetter wollten wir die Option aber durchaus im Hinterkopf behalten und bei der weiteren Routenplanung berücksichtigen.
Die erste Tour war allerdings noch nur für Peter und mich geplant.
So radelten wir also an einem Morgen munter los, die Rucksäcke festgemacht, ein Luftschiff zur Unterstützung bereits ungefähr über dem Startpunkt unserer eigentlichen Route. Der lag in diesem Falle relativ nahe an einem der angelegten Wege, daß wir die Räder noch auf dem Weg abstellten und loswanderten. Unser Plan sah eine Route in einer etwas bergigeren Zone vor. Die Route sollte uns später zurück zu dem Weg führen, welcher um den Badesee führte. Da wir noch nicht so gut einschätzen konnten, wie gut wir vorankommen würden, wie lange Probennahmen dauern würden, wieviele Proben wir würden ziehen wollen, war diese erste Route vom Umfang her eher bescheiden ausgelegt.
Schnell fand Peter interessante Stellen, erläuterte mir überdies nebenbei, was interessant für ihn dabei war. Ich fragte kritisch und neugierig, weswegen er durch die Notwendigkeit der expliziten Formulierung sich genauer Gedanken darüber machen konnte, was aus seiner Sicht interessant war, was objektivierbare Kriterien wären, etwas zu untersuchen. Daran arbeiteten wir im Gespräch nun intensiver, denn so wurde ihm das einerseits klarer, wir konnten das zudem ergänzen. Andererseits konnte ich so ebenfalls mit kundigerem Blick Ausschau halten, mich also bei der Expedition auch inhaltlich nützlicher machen, ferner waren solch explizit formulierte Kriterien gleichfalls nützlich für die Missionen der Sonden, die sonst Proben nahmen. Mit einem erweiterten Kriterienkatalog würden auch die besser in der Lage sein, Proben an Stellen zu nehmen, die aus Peters Sicht auf jeden Fall sehr relevant sein könnten, für ihn persönlich jedoch nur schlecht oder gar nicht erreichbar sind.
So kamen wir also bereits am Anfang dieser ersten Expedition mit dem Verfahren deutlich voran. Ich hatte nun allmählich ein klareres Bild davon, wie vorzugehen ist, auf was zu achten ist. Das Gespür, die Intuition kommt mit der Praxis, der Erfahrung mit den Forschungsobjekten.
Wir versäumten es allerdings auch nicht, an schönen Aussichtspunkten innezuhalten, den Ausblick zu genießen, jedoch dabei ebenso Ausschau zu halten, ob es aus dieser Perspektive nicht interessante Stellen zu entdecken gab, welche wir unbedingt untersuchen sollten. So machten wir wirklich schnell den ersten Abstecher weg von unserer eigentlich geplanten Route. Das war allerdings unproblematisch, denn es lag ja durchaus im Zeitplan, auch Dinge zu tun, die nicht bereits vorgesehen waren. Gerade diese spontanen Impulse sind es ja gerade, die einem oft neue Erkenntnisse ermöglichen. So gingen wir dem natürlich nach.
Nun ist es in dem bergigen Gelände natürlich durchaus karg, da war schon auf Details zu achten, allerdings auch nicht so uninteressant hinsichtlich jener Pflanzen, die sich besonders gut für die Erstbesiedlung von kargen Landschaften eignen, wovon Skylla ja reichlich hat. Auf unserer Insel lag allerdings die Besonderheit vor, daß die Luftfeuchtigkeit hier deutlich höher ist als weit im Inland, entsprechend regnet es hier auch einmal ab. Das sind deutlich günstigere Bedingungen als in ausgewiesenen Wüstenregionen des Planeten. Dafür hatten wir es in dem heute untersuchten Bereich ziemlich felsig, von daher wenig Material, in welchem Pflanzen Wurzeln schlagen können. Auch dies ist in Skylla natürlich häufig anzutreffen. Ohne Leben gibt es ja keine Humusbildung. Staub- und Sandablagerungen sind da nur bedingt geeignet, in eher zugigen Ecken einer ursprünglichen Vulkaninsel auch nicht so ausgeprägt. Eine Humusbildung oder ähnlich geeignete Ablagerungen hatten wir auf der Insel hauptsächlich dort, wo es schon seit der Anfangsphase der Besiedlung Pflanzen und Pilze gibt, die Boden und allgemein Material gut halten können.
Die Tagesdunkelheit hatten wir im Hinterkopf behalten, somit hatten wir rechtzeitig einen guten Rastplatz aufgesucht und hatten dort eine Pause und Mahlzeit. Wir plauderten über bereits gezogene Proben und deren Standorte, die weitere Route. Ansonsten verdösten wir die Zeit einfach, wobei ich mich Peter ungefähr gegenüber platziert hatte. So brachten wir die Zeit ganz gut herum, lasen auch etwas in mitgebrachter Lektüre, plauderten über des bisherigen Verlauf der Tour.
Wir hatten Zeit, so begann ich einfach mal: „Entwickelt sich doch eigentlich gut. Wir arbeiten zusammen, auch Susanne ist wissenschaftlich voll dabei.
Das geht doch besser als befürchtet!“
Peter stimmte zu: „Auf jeden Fall. Susanne war sich schon sehr unsicher, wie du auf die neue Situation reagieren würdest. Ich hatte auch gewisse Bedenken. Nun klappt es wirklich gut mit uns dreien.
Daß du Susanne an deinen neuen Projekten beteiligen konntest, ist für sie schon sehr relevant.
Es zeigt ihr deutlich, daß du sie akzeptierst, nicht etwa meidest!“
Ich antwortete: „Auf Melanie bin ich auch gleich offen zugegangen, konnte eine Beziehung zu ihr aufbauen, schon von daher sollte sie doch keine Befürchtungen mehr haben, daß ich aggressiv werden könnte.“
Peter lachte kurz, meinte: „Aggressiv nicht gerade, verärgert oder eingeschnappt schon eher …“
Ich bekannte: „Bin ich auch ein wenig, aber an Melanie lasse ich das gar nicht aus. Und ich weiß das schon zu trennen mit unseren wissenschaftlichen Projekten und privaten Aspekten. Bei letzteren entwickelt sich das eben, da können wir nicht rückgängig machen oder ändern, was bereits passiert ist. Das ist die normative Kraft des Faktischen, der Imperativ der Existenz in der Raumzeit.
Wozu sich darüber also noch den Kopf zermartern?
Und inzwischen hat sich das Verhältnis zwischen Susanne und mir doch bereits wieder ganz gut entspannt. Wir harmonieren regelrecht miteinander. Dazu trägt wohl auch bei, daß wir wissenschaftlich gut zusammenarbeiten und wir gelegentlich auch gemeinsam etwas mit Melanie machen.
Ich glaube, ich sollte das weiter ausbauen, weiter auf Susanne eingehen, damit sich das noch weiter bessert, meinst du nicht?
Also doch besser Blick voran und sich darum kümmern, was wir nun daraus machen können.
Da könnt ihr beide euch schon entspannen und wieder euren Spaß miteinander haben …“
Peter räusperte sich.
Ich hakte nach: „Was denn?
Stimmt was nicht?“
Peter zögerte etwas, begann daraufhin aber: „Zu deiner Frage: Es hört sich gut an, daß ihr beide gut harmoniert, wieder einen guten Draht zueinander gefunden habt. Da solltest du auf jeden Fall dranbleiben. Das ist wichtig für uns als Gruppe.
Was unseren Spaß derzeit anbelangt, naja, da hakt es derzeit etwas.
Also weißt du, es war ja schon bei der ersten Schwangerschaft so, daß sie sich etwas zurückgezogen hat, also in den letzten Monaten kein Sex mehr, hat sich gesteigert. Es ist ja schon so, die Schwangerschaft belastet und sie hat dann keine Lust. Weil sie aber wohl denkt, ich wäre sehr auf Sex aus, wenn ich mich ihr nähere, so hat sie zunehmend auch Zärtlichkeiten, Nähe abgeblockt.“
Ich unterbrach: „Ist das denn so, daß du immer Lust auf Sex hast?
Also, wenn du dich ihr näherst?“
Peter räusperte sich etwas verlegen, antwortete nach weiterem Zögern: „Da ist schon mehr, auch die Nähe, das Wohlfühlen einfach so zusammen. Was aber auch stimmt, wenn ich sie in den Armen halte, sie spüre, so bekomme ich eben auch schnell Lust, das stimmt schon. Ich kann mich indes schon beherrschen. Verborgen bleibt ihr das nicht, wodurch sich die Situation eben gleich so entwickelt, daß offenbar wird, daß ich eigentlich schon Lust auf Sex hätte und loslegen könnte, körperlich sowieso, sie jedoch eigentlich keine Lust hat. Und so blieb sie zunehmend auf Distanz, um diese etwas peinliche Situation zwischen uns zu vermeiden, was uns beiden nicht so gut bekommen ist.“
Ich erwiderte: „Verstehe. An sich hört es sich so an, daß du nicht prinzipiell etwas falsch gemacht hast, sie ist eben attraktiv, du liebst sie, hast also auch Lust auf sie. Sie liebt dich zweifellos gleichfalls, in der besonderen Situation hat sie allerdings andere Bedürfnisse, die meist nicht in Richtung Sex gehen, das löst in ihr einen Konflikt aus, Nähe, Geborgenheit, Sicherheit an sich schon, jedoch nicht unbedingt Sex dabei oder in der Folge.“
Peter bestätigte: „Genau. Immerhin hat sich das nach der Geburt wieder gelegt. Klar, da habe ich ihr gut beigestanden, sie umsorgt und aufgepäppelt, mich intensiv gekümmert. Mit dem Kind ist ja alles neu, aufregend, turbulent. Wir waren sehr gefordert, hatten viel zu lernen. Da war Sex erst einmal kein Thema, es drehte sich alles um unsere Familie, um Melanie, darum, daß Susanne sich wieder komplett erholen sollte. So sind wir wieder näher zusammengerückt, haben eine neue Basis gefunden.
Erst hier in der Kolonie ist uns eigentlich erst wieder der komplette Neustart gelungen. Es war alles neu, frisch und aufregend. Hat sich zudem auf uns übertragen und somit ging das ebenfalls mit dem Sex wieder klar, wir hatten beide intensiv Spaß daran und alles war gut, Susanne bald allerdings auch wieder schwanger.
Das war gleichfalls eine schöne, erfreulich Nachricht.
Inzwischen wiederholt sich das Drama allerdings wieder, also nun eher wieder kein Sex und ein Rückzug, die Verknüpfung von Zärtlichkeit und Nähe mit Sex ist in ihrer Vorstellung wieder da. Da sie eher keine Lust auf Sex mit mir hat, gibt es da nun wieder diese Distanz, unter der wir beide leiden. Ich hoffe, das legt sich wieder, wenn das zweite Kind da ist. So ist es doch eher schwierig, nicht einmal primär der Verzicht auf Sex, vielmehr die Distanz, die Unsicherheit, was ich noch tun darf, wobei sie sich noch wohlfühlt, das ist unangenehm, verkompliziert alles. Natürlich akzeptiere und respektiere ich, daß in ihr etwas vorgeht mit der Schwangerschaft, aber dieser Rückzug verunsichert ebenso, weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Es fehlt mir einfach so, sie einfach zu umarmen, unsere Nähe zu genießen …“
Ich nickte dazu, strich ihm vorsichtig und tröstend über die Schulter: „Hmmm. Ja, das muß nicht einfach für euch beide sein. Aber mußt eben auch bedenken, daß Susanne gerade in einer besonderen Situation ist. Die Hormone spielen verrückt, so oft werden sich ihre Gedanken darum drehen, dem Kind in ihr optimale Voraussetzungen mitzugeben. Da ist die Grenze ihrer Möglichkeiten schnell erreicht.
Da kann es leicht zu Mißverständnissen kommen, die zügig auch ein wenig eskalieren können. So, wie du das schilderst, ist für euch beide da derzeit wohl wirklich Pause angesagt. Aber das wird sich sicherlich später nach der Geburt irgendwann wieder normalisieren, hoffe ich jedenfalls. Einstweilen wirst du also Geduld haben müssen, kannst kaum etwas tun, ohne die Lage nicht noch verfahrener zu machen.
Bei mir liegt die Situation wohl etwas anders.
Da könnte es durchaus hilfreich für Susanne sein, wenn ich mehr auf sie eingehe, ihr Halt gebe, sie unterstütze, was meinst du?“
Peter brummte: „Hmmmm hmmmm hmmm. Ja, ja also natürlich. Du hast ja Recht. Wenn du ihr zur Seite stehst, wird es ihr sicherlich helfen, besser durch diese Zeit zu kommen.
Das ist sehr nett von dir, wenn du das machen willst!“
Ich versicherte milde lächelnd: „Ist doch gar kein Problem. Ich gehe behutsam vor. Und derzeit ist die Stimmung zwischen Susanne und mir ja ohnehin ganz entspannt. Mit einer guten Freundin zur Seite wird es ihr leichter fallen, mit den Problemen umzugehen, sich zu entspannen, es sich gutgehen zu lassen. Ich nehme mir Zeit für sie, widme mich ihren Bedürfnissen. Da will ich mal nicht kleinlich oder nachtragend sein, wenn die Lage wirklich ernst ist und Susanne meinen Beistand braucht.“
Damit hatte ich ja nun eigentlich bereits mit Peter abgeklärt, daß ich mich Susanne annähern würde. So offen diskutiert und mit seiner Zustimmung hätte ich nun von seiner Seite aus wohl keine Überraschungen zu erwarten. Indessen war das Gespräch natürlich nicht so eindeutig verlaufen, ich interpretierte das sicherlich anders als Peter, aber immerhin, wir hatten eine gewisse Grundlage für weiteres Vorgehen geklärt.
Bei Susanne jedoch mußte ich sachte vorgehen, um zu erkunden, auf welchem Wege es klappen könnte, sie wieder für mich zu gewinnen. So deutlich war das natürlich zwischen Peter und mir nicht ausgesprochen worden und Peter war das wohl gar nicht in den Sinn gekommen, aber so formal hatten wir eben doch etwas abgemacht. Jedenfalls würde Peter sich nun nichts dabei denken, wenn ich mit Susanne mehr Zeit verbringen würde.
Noch im Halbdunkel packten wir zusammen und zogen vorsichtig weiter, um weitere geeignete Orte zu finden, um dort Proben zu nehmen. Trotz einiger Abstecher lagen wir relativ gut in der Zeit, so kamen wir gegen Ende unserer Tour am Badesee an. Da hatte Peter ja bei unserem kleinen Ausflug mit Melanie bereits etwas entdeckt, was uns erst auf die Idee gebracht hatte. So untersuchten wir hier ausführlicher. Natürlich, durch das Vorhandensein des Wassers waren hier relativ günstige Bedingungen, die Seite weiter hinauf in die Berge war allerdings felsig und karg, reichhaltigere Vegetation war eher auf der anderen Seite zu finden, also grob in Richtung der Kolonie. Die Vegetation dort war allerdings zunehmend planvoll von den Ais angelegt worden, zwar über die Jahrzehnte verwildert, gleichwohl nicht im Zentrum des Interesses von Peter, der eher wissen wollte, wie sich die Vegetation dort entwickelt, wo es wenig gezielte Eingriffe von außen gegeben hatte, welche Gesellschaften von Mikroorganismen, Pilzen, Pflanzen sich dort behaupten und ausdehnen können, wo sich das nicht geplant kombiniert, sondern aus einer Zufallsmischung heraus selbst entwickeln muß.
Als wir mit der Expedition durch waren, hatten wir noch Zeit bis zum Abend. Wir übergaben dem Luftschiff die restlichen Proben und die nun einstweilen nicht mehr benötigte Ausrüstung. Dieses zog darauf ab. Wir waren ungestört, schauten über den See. Wir schlenderten zurück zu den Rädern, machten uns so anschließend relativ früh auf den Weg zurück in der Kolonie.
Wieder zurück in der Kolonie erläuterte Susanne, was sie so nebenbei noch geschafft hatte, wir berichteten von der Expedition. Susanne hatte ohnehin gerade genug mit Melanie zu tun, so machten Peter und ich uns erst einmal frisch, worauf Peter bereits wieder im Arbeitsbereich war, um nach seinen Projekten zu sehen. Die Auswertung der heutigen Proben würde natürlich noch etwas dauern. Es ging ihm also vorrangig um andere Ergebnisse.
Ich gesellte mich erst noch kurz zu Susanne und Melanie. Derzeit war Melanie allerdings ruhig und beschäftigte sich selbst mit Spielkram. So hatten Susanne und ich etwas Zeit für uns. So diskutierten wir weiter am Projekt herum, saßen nebeneinander auf dem Boden, schauten Melanie zu.
Ich fragte einfach mal so: „Habe unterwegs etwas mit Peter geredet.
Wie ist eigentlich deine Sicht, wie es gerade zwischen euch läuft?“
Susanne sah mich kurz an, senkte etwas verlegen den Blick, schwieg noch kurz, seufzte alsdann und hub an: „Naja, wenn du bereits mit Peter darüber geredet hast, wirst du ja bereits wissen, daß es gerade nicht so toll läuft. Ich kann irgendwie nicht richtig auf ihn eingehen. Da schiebe ich ihm sicherlich nicht die Schuld zu, aber trotzdem ist da diese Distanz entstanden, die wir nicht mehr überwinden können. Derzeit ist die Situation irgendwie ziemlich verfahren …“
Ich erwiderte: „Hmmm, wenn wir mal davon ausgehen, daß das zum guten Teil mit der Schwangerschaft zusammenhängt, es da in der Folge zwischen euch irgendwie zu Komplikationen gekommen ist, so ist das doch erst einmal nicht so dramatisch. Du machst das so, wie es sich für dich richtig anfühlt. Ist die Geburt überstanden, hast du dich davon erholt, sieht die Welt wieder ganz anders aus. Da könnt ihr euch Zeit lassen, um auch über die Kinder wieder einen neuen Bezug zueinander zu finden. Da solltest du dich jetzt nicht groß sorgen.“
Susanne schluckte, nickte: „Hast wohl Recht. Je mehr ich das dramatisiere, desto schlimmer wird es, desto komplizierter wird es, das später wieder einzurenken. Derzeit geht es jedenfalls nicht. Tut mir auch leid, aber ist nun einmal so. Und dabei wäre das jetzt eigentlich schon eine Zeit, in welcher ich Nähe und Geborgenheit gut brauchen könnte, aber so richtig wohl würde ich mich mit Peter nicht fühlen, da vermischt sich zuviel, verschiedene Ebenen, ist eben kompliziert.“
Ich nickte, schaute sie wieder an. Unsere Blicke trafen sich. Ohne ein Wort zu sagen, neigte ich mich zu ihr, nahm sie einfach in die Arme. Susanne seufzte und erwiderte die Umarmung. Wir hielten uns einfach.
Etwas später meinte sie: „Mit dir ist es irgendwie einfacher. Da fühle ich mich wohl, da ist nicht dieser Vorbehalt, diese Distanz, obwohl, ja obwohl wir ja auch unsere herbe Krise hatten.“
Ich versicherte: „Die haben wir ja nun ganz gut überwunden. Ich bin natürlich für dich da, unterstütze dich, biete dir Geborgenheit und Nähe, wie du es magst. Wir sollten das einfach mal alles nicht überbewerten, einfach wohlfühlen und uns von dem leiten lassen, was wir gerade empfinden, was uns guttut, meinst du nicht?“
Susanne nickte, noch immer an meine Wange angebuckt.
So waren wir uns schon ein ganzes Stück nähergekommen, das ließ sich ganz gut an. Darauf könnte ich aufbauen. So ganz sicher war ich mir allerdings auch nicht mehr, denn wenn ich sie nun ernsthaft angehen würde, um sie zu vernaschen, ganz für mich zu gewinnen, bestand ja auch wieder die Gefahr, daß für sie auch mit mir wieder alles komplizierter würde, daß sich ebenfalls Vorbehalte entwickeln könnten. Andererseits fühlte sich das mit ihr in meinen Armen, mit ihrer Umarmung schon so unglaublich gut an. Mir schien, es wäre nur noch ein kleiner Schritt, um sie wieder für mich zu gewinnen. Und da wäre es doch dumm, es nicht zu versuchen.
Bald war Abend, wir bereiteten für alle das Abendessen vor. So verbrachten wir danach noch einen ruhigen Abend zusammen.
Am nächsten Tag machten wir nicht gleich wieder eine Expedition. Über Nacht waren bereits die meisten unserer Proben analysiert worden, nicht komplett, aber es gab bereits genug Ergebnisse, denen sich Peter widmen konnte. Das war allerdings nicht so viel zu tun, das konnte er auch nebenbei beobachten.
So schlug ich vor: „Ich würde gerne heute mit Susanne einen Ausflug an den See machen. Das Wetter ist prima und der See sah gestern schon sehr einladend aus. Und nachdem ich gestern mit dir, Peter, unterwegs war, ist es doch nur angemessen, wenn ich heute einen schönen Ausflug mit Susanne mache.
Derweil paßt du, Peter, zusammen mit Esme auf Melanie auf, so wird das ein wirklich ruhiger Ausflug, bei welchem Susanne etwas entspannen kann, nicht ständig aufpassen muß!“
Susanne schaute mich etwas überrascht an.
Peter griff das aber gleich auf: „Kein Problem, kann mich mit Esme sehr gut mal um Melanie kümmern. Und du hast schon Recht, das Wetter ist günstig für Ausflüge. Die Auswertung will ich sowieso abwarten, kann mir dabei gut Zeit nehmen, um mich mehr mit Melanie zu beschäftigen, die soll ja auch nicht zu kurz kommen bei all den Projekten.“
So war das abgemacht und nach dem Frühstück packten Susanne und ich ein paar Sachen zusammen und machten uns mit den Rädern auf den Weg zum Badesee.
Dort angekommen packten wir unseren Kram auf der Felsplatte aus. Wir hatten unter anderem eine dickere, große Decke dabei, welche wir dort ausbreiteten. So hatten wir es deutlich bequemer als auf dem nackten Felsen, welcher allerdings Wärme gespeichert hatte, also von daher eine angenehme Unterlage bot, zusammen mit der dicken Decke zudem nicht einmal hart.
Ich schlug alsdann vor: „Könnten ein Bad nehmen, was meinst du?“
Susanne schaute etwas verlegen zu mir.
Ich hakte nach: „Was denn?
Nackt haben wir uns beide schon gesehen, ist doch nichts dabei!“
Susanne verzog den Mund zunächst, wies so mit einer Geste der Hand an sich herunter, antwortete danach: „Also, verändert habe ich mich schon, ist mir etwas peinlich.“
Ich lächelte sie aufmunternd an, kam auf sie zu, nahm sie einfach in die Arme: „Blödsinn, siehst sehr hübsch aus, schwanger steht dir sehr gut!“
Wir lachten beide.
Und so begann ich einfach, ein wenig an ihren Klamotten zu fummeln, Susanne kicherte, wurde unruhig, fummelte aber auch bei mir herum, das nahm etwas zu, worauf sie sich lachend löste und wir jauchzend und giggelnd ein wenig Fangmich mit Hakenschlagen, Drehen, Wenden, Knuffen spielten, was alsbald darin gipfelte, daß ich sie spielerisch ergriffen hatten und ihr ungeniert und ungehemmt meine Lippen auf die ihren drückte.
Das hatte sich eigentlich von selbst ergeben und sie wehrte nicht einmal ab!
Wir standen, umarmten uns innig, küßten weiter, rieben, streichelten und rubbelten noch ein wenig ziellos aneinander herum, umarmten uns dabei immer fester.
So unvermittelt war selbst ich ein wenig überrascht von der rasanten Entwicklung, daß mir bei unserem drängenden, innig anhaltenden Kuß schon etwas schwindelig wurde. Ich fummelte weiter und schnell war meine Hand auf ihrer nackten Haut, streichelte, koste.
Irgendwie lagen wir bald auf unserer Decke und ließen uns gehen, daß es eskalierte. Susanne sog das förmlich auf und ich machte weiter, was sie erwiderte. So flogen unsere Klamotten schnell und nackt ging es weiter, wie in Raserei und doch angemessen vorsichtig angesichts der Schwangerschaft von Susanne. Das bezog ich gut mit ein und widmete ihrem gerundeten Bauch gleichfalls reichlich Aufmerksamkeit und liebevolle Zuwendung. Das nahm Susanne nun gut an. Das war irgendwie schon ein Indiz, daß wohl derzeit primär der Sex zwischen ihr und Peter das Problem war, nicht Zärtlichkeit, Nähe, Sex im allgemeinen. So setzte ich meine kleine Liebesattacke vorsichtig weiter fort, übereilte nichts. Vielleicht auch deswegen ließ sich Susanne darauf ein und schnell saugten, rubbelten, massierten, rieben wir aneinander und wirbelten herum und genossen es. Ja, Susanne reagierte immer noch ähnlich, so daß ich gut davon profitierte, ihre empfindlichen und erogenen Zonen bereits zu kennen. Ich nahm mich selbst dabei durchaus zurück, um keineswegs zu überziehen. Aber Susanne war inzwischen voll dabei. Alles um uns herum schien ganz vergessen zu sein, so näherten wir uns immer weiter unserem hemmungslosen, gemeinsamen Rausch. Die Erlösung in Ekstase und inniger Umarmung kam fast gemeinsam. Es schwappte über uns zusammen und wir genossen nur noch, in unserer gegenseitigen Umarmung geborgen und sicher aufgehoben.
Wir klebten wortlos zusammen und hielten uns und daran fest, uns wieder gefunden zu haben. Inzwischen war die Tagesdunkelheit gekommen. Wir zogen einfach nur die Decke um uns herum und dösten ein wenig, unsere Zweisamkeit genießend.
Später aßen wir ein wenig von dem, was wir mitgenommen hatten. Weil es inzwischen wieder heller war, ging es nun erst ins Wasser, wo wir herumalberten, plantschten, nicht voneinander lassen konnten. So waren wir schnell wieder an Land auf unserer Decke und nahmen eine zweite Runde in Angriff. Und auch mit der ging es relativ fix bis zur Ekstase, wonach wir erneut in unserem Schweiß zusammenklebten, genossen, es langsam abklingen ließen. Ganz beruhigt erfrischten wir uns nochmals im Wasser, trockneten uns gegenseitig ab, zogen uns lachend wieder an, aßen noch etwas.
Wir hatten nicht darüber gesprochen, was das nun für uns konkret bedeuten mochte. Wir waren uns erst einmal darüber einig, daß es so gut war. Susanne fühlte sich bei mir wohl, geborgen, angenommen, hatte genug Freiraum, um die Situation so zu beeinflussen, daß es in ihrem Sinne lief.
Am späten Nachmittag packten wir zusammen und radelten zurück. Wieder in der Kolonie erzählten wir Peter erst einmal nichts von unserer frisch erblühten Liebelei. Stattdessen erzählte dieser kurz, wie er den Tag mit Melanie gestaltet hatte – oder diese mit ihm, was zudem bis jetzt bei den Analysen herausgekommen war. So bestand also gar keine Notwendigkeit, groß darauf einzugehen, wie wir den Tag verbracht hatten, das reduzierte sich auf einen Kurzbericht: plaudern, dösen, schwimmen, sonnen, entspannen.
Den nächsten Tag brachen Peter und ich nach dem Frühstück wieder mit den Rädern zu einer Expedition auf. Diesmal ging es nicht in die karge, bergige Region, diesmal lag der Schwerpunkt mehr im Bereich des Sandstrandes und seiner weiteren Umgebung, dem Übergang ins Inland. Im Wasser des Meeres ist ja allerhand gelöst, also noch deutlich mehr als in den Meeren auf der Erde, daher ließ sich bislang im Meer auch nur wenig Vegetation ansiedeln, vielleicht ebenso ein Grund, warum das Leben auf Skylla früher keine Chance hatte. Die Brühe braucht schon sehr robuste Organismen. Auf der Erde gibt es ja durchaus Organismen, die unter extremen Bedingungen existieren. Es war nur nie so ganz klar, ob das eine spätere Anpassung war oder ob diese Organismen bereits seit den Anfängen des Lebens auf der Erde in diesen extremen Nischen ihr Auskommen gefunden hatten. So oder so war das hier in der Brühe des Meeres nicht passiert. Mittlerweile hatten die Ais über die Jahrzehnte unserer Besiedlung ja durchgehend daran gearbeitet, Stoffe aus dem Meer zu extrahieren. Obgleich es viel kleiner als auf der Erde ist, ist das Wasser allerdings trotzdem nicht über ein paar Jahrzehnte zu klären. Immerhin reichte die Wasserqualität inzwischen, um darin einige robuste Organismen zu etablieren. Der Plan bestand nun darin, eine Entwicklung einzuleiten, bei welcher Organismen dabei helfen, die chemische Zusammensetzung des Meeres zu verändern. Das war auf der Erde gleichfalls passiert, als die ersten Organismen per Photosynthese Sauerstoff im Meerwasser produziert haben, so unter anderem dafür gesorgt haben, daß gelöstes Eisen als Rost ausgefällt wurde. Ähnliche Vorgänge hatten die Ais auch hier auf Skylla im Sinn. Inzwischen war es durchaus gelungen, einige Organismen für diese Zwecke im Meer zu etablieren, die Chemie des Meeres also nicht nur mit technischen Anlagen an der Küste zu manipulieren.
Für die Küste unserer Insel bedeutete das jedenfalls, daß die Vegetation dort ebenfalls robust an die Zusammensetzung des Wassers angepaßt sein muß, ähnlich wie an Küsten auf der Erde. Aufgrund des durchaus vorhandenen Regens kam natürlich auch Wasser von den Bergen, der Küstenbereich filterte ferner, weswegen es unterschiedliche Zonen hinsichtlich der Zusammensetzung des Wassers gibt, welches für die Vegetation verfügbar ist. So ändert sich die Pflanzengesellschaft folglich je nachdem, welche Wasserqualität verfügbar ist. Daher hatten wir im Küstenbereich also einige unterschiedliche Zonen für unsere Untersuchungen.
Die Tagesdunkelheit verbrachten wir am Sandstrand. Neben dem Essen plauderten wir angeregt über unsere Expedition, dösten etwas herum, hatten auch etwas zu lesen mitgenommen. Als es wieder hell wurde, setzten wir unsere Untersuchungen fort. Auch für diese Expedition hatten wir absichtlich ein nicht sehr ambitioniertes Programm geplant, weil ja doch immer wieder interessante Sachen in unser Gesichtsfeld kamen, auf welche wir spontan reagierten.
Insgesamt waren wir mit unserem Programm wieder zeitig durch, hatten unsere Proben und unsere Ausrüstung bereits an das begleitende Luftschiff übergeben.
Wir schlenderten noch ein wenig, kehrten dann allerdings mit den Rädern wieder zurück zur Kolonie. Peter hatte dort gleich wieder zu tun. Ich kümmerte mich auch noch ein wenig um meine Projekte.
Ich hatte allerdings nicht so viel Ruhe dabei. So gesellte ich mich zu Susanne und Melanie. Schnell tauschten wir erneut Zärtlichkeiten aus und waren ganz versonnen dabei, miteinander zu knutschen. Da ergab es sich ganz gut, daß sich Melanie gerade selbständig mit Spielzeug beschäftigte. So drehten und wirbelten wir schnaufend und lachend herum, landeten im Nebenraum und fummelten und machten so herum, woraus sich sehr schnell ein regelrechter Quickie entwickelte, bis wir beide im Rausch bis zur Ekstase aneinanderklebten.
Als wir wieder ganz bei uns waren, schauten wir schnell nach Melanie. Die war allerdings noch immer gut beschäftigt. Etwas selbständiger war sie schon geworden. Das hatte sich günstig ergeben. So machten wir uns eilig etwas frisch, zupften uns wieder ganz korrekt zurecht. So konnte es hernach zum Abendessen gehen, welches wir gemeinsam zubereiteten. Etwas aufgedreht waren wir auch heute wieder durch unsere heftige Eskapade. Aber Peter war so mit seinen Angelegenheiten beschäftigt, daß er davon gar keine Notiz nahm. Und wir wollten es ihm wohl auch nicht geradezu auf die Nase binden.
Wegen Peter sollte Susanne ruhig bei unserer Liebelei ein etwas schlechtes Gewissen haben, das hatte sie sich schon verdient, befand ich. Da wollte ich ihr einstweilen auch gar keine goldene Brücke bauen, sie ruhig etwas schmoren lassen. Das machte unser kleines Abenteuer ja noch aufregender, heftiger, intensiver. Das war ganz in Ordnung. Ich hatte mir zudem selber nicht überlegt, wie oder wann wir das Peter offenbaren sollten. Immerhin sollte ihm das nicht so sehr zusetzen, daß Susanne noch Streß dadurch bekommen würde, daß es da gar noch Probleme mit dem Kind geben könnte. Da sollten wir uns schon etwas einfallen lassen, um ihm das irgendwie schmackhaft oder wenigstens akzeptabel zu machen. Immerhin hatte ich mich ja mit ihm unterhalten und er war damit einverstanden gewesen, daß ich mich etwas mehr um Susanne kümmern würde. Vermutlich hatte er sich dabei nicht gedacht, daß sich das gleich so entwickeln würde, aber nun war es einmal so. Bei mir war Susanne nicht blockiert und so hatte sich ein Ventil ergeben, wo sie endlich richtig Druck ablassen konnte.
So rein intellektuell sollte Peter eigentlich schon einsehen, daß wir so zu dritt ja nun nicht so viele Möglichkeiten hatten, unsere Bedürfnisse zu befriedigen. Ferner verlangte das bisherige Durcheinander geradezu nach einem solchen Ausgleich der Leidenschaften. Und Peter ist ja ohnehin eher der ruhige, sachliche, einsichtige Typ, da war nicht so viel zu befürchten. Umgedreht wäre es schwieriger gewesen: Susanne ist die sensible, sie kann durchaus gleichfalls aufbrausend sein, sich ordentlich selbst über Kleinigkeiten echauffieren. Ich dachte mir, einstweilen konnten wir einfach so weitermachen, nicht gleich alles klären. Ich konnte nur hoffen, daß Susanne keine übereilten Dummheiten machte, versehentlich damit herausrückte, was passiert war.
Was könnte als nächstes passieren?
Susanne und Peter vernaschen
Der Vorschlag, eine weitere Person auszuwählen, ging mir noch weiter durch den Kopf.
Hatten Peter und Susanne das befürwortet, um mich abzulenken?
Implizierte das nicht irgendwie die Annahme, es ginge einfach nur darum, mit irgendwem intim zu sein?
Implizierte das nicht auch das Problem, welches schon die erste Krise zwischen mir und Susanne ausgelöst hatte, als diese das Gefühl bekommen hatte, nur ausgewählt worden zu sein, um mir als Gesellschaft zu dienen?
Würde das unter den gegebenen Umständen die neu ausgewählte Person nicht erst recht haben?
Ich schwankte, war mir unsicher, sah mir aber doch am übernächsten Tag einmal ganz unverbindlich erneut die Daten durch. Ich hatte mir überlegt, daß die Person ja doch jedenfalls beruflich gut zur aktuellen Lage passen sollte oder jedenfalls flexibel einsetzbar sein. Im Vergleich zu meiner damaligen Situation auf dem Raumschiff, anschließend auf der Raumstation hatte sich die Lage hier in der Kolonie deutlich geändert. Hier würden nun bald weitere Qualifikationen relevant werden, die es damals noch nicht waren.
Über diese Erwägungen hinaus wären ausschließlich persönliche Kriterien wohl bedenklich, allerdings unterdessen nicht komplett ausgeschlossen, käme wohl auf eine geschickte Argumentation an. Ich konnte ja nun keinesfalls davon ausgehen, daß dabei mehr als eine persönliche Bekanntschaft herauskommen sollte. Um eine weitere Person zu integrieren, wäre es also von Vorteil, wenn dieser die Nützlichkeit innerhalb der Kolonie einleuchten würde. So würde diese sich auch schneller einfinden und die Situation fernab der Erde akzeptieren.
Nun, ich sollte auch schon ein Auge darauf haben, ob die Person vielleicht zu mir passen könnte. Das wäre ja immerhin sehr nützlich für die soziale Struktur. Und so hätten in der Folge ja auch doch eigentlich persönliche Kriterien Relevanz für die Kolonie.
Nach noch etwas mehr Nachdenken verwarf ich die Option allerdings. Ich dachte mir so, daß ich eigentlich mit Peter und Susanne noch gar nicht richtig fertig war, noch mit dem Geschehenen, mir Widerfahrenem noch gar nicht wirklich abgeschlossen hatte, um mich einer anderen Person zuzuwenden. Das würde nur zu weiteren Problemen führen, wenn ich überstürzt vorginge, mich wieder in eine neue Affäre stürzte, bevor die aktuelle Situation richtig verarbeitet war, ich angemessen damit umgehen konnte. Ich hatte noch nicht genug Distanz, um neu zu beginnen.
Und gelang es mir wirklich, die Situation etwas distanzierter zu sehen, weniger aus meiner persönlichen Perspektive, so mußte ich schon einräumen: So als Familie und ebenso einzeln waren sie schon zu süß.
Und da spürte ich widersprüchliche Gefühle in mir kämpfen und brodeln: Einerseits war das schön anzusehen, andererseits war ich erheblich mißgestimmt, daß ich nicht daran beteiligt wurde, daß mir das nicht zukam.
Eifersucht?
Vielleicht.
Mehr aber wohl irgendwie das Gefühl, aufgrund der Konservierung einer Situation ausgeliefert zu sein, nicht einmal ansatzweise kontrolliert haben zu können, was passiert war. Jetzt war ich wieder dabei, konnte also wieder Einfluß nehmen. Und so vom Gefühl her wollte ich wohl auch nachholen, was zuvor nicht möglich war, wobei mir schon klar war, daß es unlogisch ist: Was schon geschehen ist, kann nicht mehr verändert werden, ist nicht mehr verhandelbar. Da gibt es keinen Kompromiß mehr, keine noch erreichbare bessere und auswählbare Alternative.
Nun hatte ich bereits auf eine Affäre mit Peter verzichtet, weil Susanne da war.
Diese hatte umgedreht nicht verzichtet, warum sollte ich es nun nicht bei ihm versuchen?
Peter wiederum hatte sich Susanne geschnappt.
Warum sollte ich also nicht versuchen, sie ihm wieder abzujagen?
Warum sollte ich nur danebenstehen und zusehen dürfen?
Warum sollte ich nicht versuchen dürfen zu partizipieren, ebenfalls meinen Spaß zu haben?
Ich hatte ja nun auch so meine Mittel und würde mich in die aktuelle Situation wohl einfühlen können, mit etwas Glück den Ansatzpunkt finden, an welchem ich effektiv würde hebeln können.
Nur bei wem konkret?
Oder sollte ich es einfach bei beiden versuchen, das wäre doch eigentlich gar nicht schlecht. Nicht gegeneinander ausspielen, miteinander vorankommen.
Wenn wir das hinbekämen, wäre doch uns allen gedient!
Über die wissenschaftlichen Projekte würde ich Peter sicherlich wieder näherkommen können, in dem Umfeld ein wenig provozieren und locken, um zu prüfen, wie die Stimmung bei ihm wäre. Susanne hatte ja bereits eindeutig verkündet, daß zwischen uns mehr als Freundschaft nicht drin wäre. Da lag es doch eigentlich nur nahe, Peter ein wenig auf den Zahn zu fühlen.
Zwar hatte Susanne ja betont, daß sie mir inzwischen nicht mehr als Freundschaft entgegenbringen wolle, aber war in dieser Betonung nicht auch etwas drin, was mir verriet, daß sie zweifelte?
Sonst hätte sie das gar nicht so betonen brauchen. Was nicht ist, muß ja eigentlich nur hervorgehoben werden, wenn Zweifel bestehen, ob es nicht doch wieder sein könnte.
War sich Susanne vielleicht gar nicht so sicher?
Kriselte es vielleicht zwischen ihr und Peter gar ein wenig?
Eine Verstimmung, gar noch verstärkt durch meine Wiederauferstehung?
Sollte ich da nicht ein wenig nachbohren, um zu ergründen, wie die Lage aktuell wirklich war, wie meine Chancen stehen?
Vielleicht könnte ich ja gar ausgleichen, alles wieder ins Lot bringen, wenn ich mich weiter einbrächte?
Mich nur auf einen von beiden zu stürzen, schien mir nun eindeutig unangebracht und riskant für unsere kleine Gemeinschaft. Etwas subtiler sollte ich schon vorgehen, um mich unauffälliger einzubringen. Also sollte ich auch wohl sowohl etwas mit Peter unternehmen, aber auch auf Susanne eingehen. Das würde mit Peter schon auf wissenschaftlicher Ebene gut funktionieren. In der Richtung überlegte ich weiter. Mit Susanne würde sich auf anderer Ebene ebenfalls schon etwas ergeben, vermutlich spontan aus einer geeigneten Situation heraus.
Am nächsten Morgen verkündete ich beim Frühstück also: „Ich dachte mir, ich steige wieder mehr in wissenschaftliche Projekte ein, bringe mich erst einmal auf einen aktuellen Stand, schaue mir Peters aktuelle Projekte an, entwickele vielleicht auch eigene. Es ist ja noch immer nicht geklärt, wie das Doppelplanetensystem nun entstanden ist, warum Charybdis so belebt war, Skylla hingegen tot. Vielleicht bekomme ich da ja noch ein paar Ideen, um dem auf die Spur zu kommen, um unsere neue Heimat besser kennenzulernen.“
Peter nickte: „Finde ich gut. Gerne erläutere ich dir, was ich gerade so mache. Und gerne diskutiere ich natürlich bei Bedarf auch neue Projekte mit dir. So im Austausch, in der expliziten Formulierung von Ideen entwickelt sich ja meist sehr viel.“
Ich lächelte und erwiderte: „Ja, den Gedanken hatte ich ebenfalls!“
So in Gedanken war mir das schon ein wenig zweideutig, aber in unserer Runde fiel das natürlich nicht auf.
So meinte Susanne ebenso: „Prima, Michaela, wenn ihr beide mehr zusammen unternehmt, harmonisiert sich die Situation hoffentlich zügig noch weiter.“
Ich bestätigte: „Daran hatte ich gleichfalls gedacht!“
Und so war das bereits entschieden.
Ferner teilte ich mit: „Mit der Wiederauferstehung einer weiteren Person warten wir wohl besser auch noch, bis sich das mit uns richtig eingespielt hat!“
Susanne meinte: „In Ordnung, hast vermutlich Recht, das sollten und brauchen wir nicht überstürzen.“
Peter nickte ebenfalls verständig. So war auch das Thema einstweilen erledigt.
Während Susanne sich primär um Melanie kümmerte, gesellte ich mich also zu Peter in den Arbeitsbereich. Auf Nachfrage erläuterte er mir seine derzeitigen Forschungsaktivitäten genauer. Schwerpunkt war da derzeit noch immer die Untersuchung von Pflanzengesellschaften hier auf Skylla und ebenfalls auf Charybdis, wobei es dort darum geht, Kombinationen von irdischen und charybdianischen Organismen zusammenzustellen, welche ihre Entwicklung gegenseitig besonders gut fördern.
Auf beiden Planeten waren Sonden unterwegs, um automatisch Proben zu nehmen, welche wiederum automatisch von den Ais analysiert wurden. Peter versuchte danach, sich mit den Ais einen Reim darauf zu machen, wie das zu verstehen war, was warum funktionierte oder eben auch nicht, je nach Standort, an welchem die Proben gezogen wurden.
Dazu hatten sie in Laboren Züchtungen und diverse Versuchsanordnungen, um neue Arten und Kombinationen zu testen.
Nachdem das gut erklärt war und ich erst einmal einen ersten Überblick hatte, fragte Peter: „Du hast beim Frühstück ja bereits erwähnt, wieder an eigenen Projekten arbeiten zu wollen.
Schon genauere Ideen?“
Ich zuckte die Schultern, erwiderte: „Muß mir erst einmal einen Überblick verschaffen, wie sich die Situation im Planetensystem in den letzten Jahrzehnten verändert hat, Körk war da ja sehr aktiv. Und ich muß mir auch einmal ansehen, was inzwischen herausgefunden wurde über die Historie des Systems, was über die Planeten. Wenn es genaue Daten über die Planeten gibt, wäre es ja auch möglich, Hypothesen über die Vergangenheit aufzustellen, Stellen zu lokalisieren, wo Proben genommen werden könnten, Untersuchungen förderlich wären, um Hypothesen zu stützen oder zu widerlegen.
Sie haben wohl auch einen Kleinplaneten gefunden, welcher gar nicht aus diesem System zu stammen scheint, älter als dieses ist, hast du davon gehört?“
Peter schüttelte den Kopf: „Nicht daß ich wüßte, ist mir vielleicht aber auch entgangen.“
Ich fügte hinzu: „Ich hatte bereits die Ehre, ihm einen Namen geben zu dürfen: Methusalem.“
Peter hakte nach: „Wirklich älter als das Rasol-System?
Schon interessant.
Wie kann das sein?
Wie stellt man das Alter eigentlich fest?“
Ich antwortete: „Genaueres habe ich mir noch gar nicht angesehen. Kommt vermutlich aus einem anderen System, wurde von Rasol in einer Wechselwirkung mit verschiedenen Planeten oder Kleinplaneten eingefangen. Letztlich ist es ja ohnehin so, daß schwerere Elemente in Sternen ausgebrütet werden. Irgendwie müssen sie da ja wieder heraus, wenn man sie letztlich hier auf Planeten vorfindet. Ganz schwere Elemente jenseits des Eisens werden ja wohl erst erzeugt, wenn sein Stern in einer Supernova oder einer ähnlich heftigen Explosion genug Druck in gewissen Regionen aufbaut, um die Kerne kleinerer Atome zu den schweren zusammenzudrücken. All das Zeug kommt also zwangsläufig von anderen Systemen, als feiner Sternenstaub ist das Alter allerdings nicht zuzuordnen. Hat ein Sonnensystem jedoch überdies ein Planetensystem, gerät da vorher, besonders in der Entstehungsphase schon einmal etwas durcheinander und ein Planet kann dabei auf Kosten der anderen so viel kinetische Energie bekommen, daß er aus dem System geschleudert wird. Der Vagabund saust daraufhin durch den freien Raum. Wahrscheinlich trifft der nie wieder auf ein Sonnensystem. In diesem Falle war es aber wohl so, daß er zufällig auf das Rasol-System zu geschleudert wurde, dort mit Rasol und den Planeten in mehrfacher Wechselwirkung kinetische Energie verloren hat, so hier eingefangen wurde.
Beim Alter, hmmm, also sicherlich haben Asi und Stanis Proben an verschiedenen Stellen genommen, die nicht nach Einschlagskratern aussahen. Hat sich ein Kleinplanet erst einmal gebildet, hat er genug Struktur, genug Atome für Statistiken, ebenfalls radioaktives Zeug im Gestein, was sich für eine Altersbestimmung eignen kann, weil sich bei einem seismisch nicht aktiven Kleinplaneten ja sonst kaum noch etwas an den Gesteinen, Metallklumpen etc ändert außer dem Zerfall radioaktiven Materials über verschiedene Zerfallsketten.
Alter von Gestein ist allerdings nicht so ganz einfach. Es gibt immerhin bestimmte Gesteinsarten, die aufgrund der Chemie auf typische Weise zusammengesetzt sind. Sind da bereits anfangs radioaktive Isotope drin, ändert sich die Zusammensetzung mit der Zeit. Isotopenverhältnisse und die Verhältnisse der Häufigkeiten verschiedener Elemente sind dann typisch für die Entstehungszeit des Gesteins. Bei Uran oder einem instabilen Isotop von Rubidium etwa kann man so aus der Zusammensetzung von Gestein abschätzen, wann das entstanden ist, also vielleicht gar das Uran bei einer Sternenexplosion, später wohl auch das Gestein, wenn das Uran da charakteristisch eingebaut ist und sich über die Zeit aufgrund der Zerfallsketten der Uran-Isotope typische Häufigkeiten von Elementen und Isotopen herausbilden, die als Uhr verwendet werden können. So in etwa, muß ich mir auch noch genauer anlesen, um da qualifiziert mitreden zu können, Daten kritisch zu interpretieren, eventuell auch brauchbare Vorschläge zu machen.“
Peter nickte und ich fuhr fort: „Hinsichtlich der Frage, wie das Zwillingsplanetensystem entstanden ist, warum es nun auf Charybdis Leben gibt, auf Skylla lediglich eine Wüste mit wenig, chemisch jedoch stark angereichertem Wasser, muß ich mich bei den erhobenen Daten ebenfalls erst auf den aktuellen Stand bringen. Ich muß ja erst einmal wissen, welche Daten wir schon haben, was man daraus lernen kann, welche Daten wir vielleicht mit welchen Experimenten und Beobachtungen generieren sollten, um mehr zu erfahren. Das wird mich schon ganz gut beschäftigen. Da will ich mal nichts überstürzen, mir aber schon genauer ansehen, wie ich mich sinnvoll einbringen kann, um das zu ergänzen und anzureichern oder auch erst zu interpretieren, was bislang in den letzten Jahrzehnten erreicht wurde.“
Peter nickte: „Hört sich doch gut an!“
Um meinen Plan der Beschäftigung mit ihm ebenfalls zu verfolgen, blieb ich bei ihm und stellte noch ein paar mehr Fragen zu seinen Projekten, woraufhin wir uns da eingehender vertieften und darüber diskutierten. Das schien mir ein ganz guter Anfang zu sein. Bei solchen Projekten hatten wir schnell einen Draht zueinander und zogen schnell an einem Strang in die gleiche Richtung.
So beschäftigten wir uns den Vormittag über hauptsächlich mit Peters Projekten. Dadurch bekam ich in der Folge schon einen ganz guten Eindruck vom aktuellen Forschungs- und Wissensstand. Ich zeigte aufmerksam und sachlich Interesse an seiner Arbeit, hielt eine lockere Stimmung aufrecht, in welcher Peter genau in seinem Element war. Und weil ich so an dem teilnahm, was Peter beschäftigte, eifrig fragte, harmonierte das sehr schön. Aus Peters Erläuterungen war zudem zu entnehmen, daß er gerne Susannes Beiträge zu den Projekten nannte, wo sie optimiert hatte, was ohne ihren Beitrag so gar nicht in dem Umfang funktioniert hätte. Nachdem das aber alles optimiert war, zudem Melanie auf der Welt war, hatte sich Susanne da weitgehend aus der Forschung zurückgezogen, trug allenfalls nur noch mit Kleinigkeiten bei. Das schien nun weder von Peter noch von Susanne gezielt so beabsichtigt gewesen zu sein, hatte sich eben so etabliert. Das war nicht ganz die traditionelle Rollenverteilung in der Familie, kam dem aber schon nahe. Peter hätte das wohl gerne anders gesehen, da gerne mehr Gemeinsamkeiten gehabt. Derzeit gab es aber gerade wenig, was ihm einfiel, wo Susanne ihre Fachkenntnisse hätte dringend einbringen sollen, wo sie damit wirklich gefordert worden wäre. Sie hatte derzeit wohl nicht so viel Muße, sich in andere Bereiche einzuarbeiten und Routinekram wollte er bei ihr auch nicht abladen.
So genoß er es sichtlich, mir ausführlich zu berichten und mit mir zu fachsimpeln. Das ließ sich jedenfalls schon einmal gut an. Wir lachten gemeinsam, diskutierten locker herum.
Beim Mittag plauderten wir gemeinsam ein wenig. Eigentlich hätte Peter am Nachmittag Melanie übernehmen sollen. Ich schlug allerdings vor, mich zu Susanne zu gesellen und so gemeinsam mit Melanie den Nachmittag zu verbringen. Damit waren sie einverstanden. Und ich hatte ein wenig mehr Gelegenheit, mich ebenfalls vorsichtig Susanne anzunähern.
So gesellte ich mich nun zu Susanne und Melanie, um auf andere Gedanken zu kommen, die neuen Informationen sacken zu lassen, Melanie auch ein wenig zu belustigen. Das machte mir viel Spaß und so zusammen mit Susanne kam ich auch gut zurecht, wenngleich ich noch immer nicht überwunden hatte, wie schlecht das für mich gelaufen war, während ich konserviert gewesen war. Gegenüber Susanne verzichtete ich allerdings auf diesbezügliche weitere Spitzen. Stattdessen gingen wir freundlich, ja wieder freundschaftlich miteinander um. Und auch Melanie trug dazu bei, daß wir uns bereits wieder gut vertrugen und eigentlich sehr gut harmonierten. Melanie war zwar Ergebnis der Entwicklungen, sollte allerdings nicht unter unserem schwelenden Konflikt leiden. Ich mochte sie gleich von Anfang an. Wir hatten bereits einen ganz guten Draht zueinander. So war ich in ihrer Nähe sowieso gut beschäftigt und hatte keine Gelegenheit, in trüben Gedanken zu schwelgen, dazu machte es einfach zuviel Spaß zu erleben, wie sie allmählich die Welt erforschte, zu eigenen Ansichten und Fertigkeiten gelangte, sich noch etwas ungeschickt austauschte, aber gute Fortschritte machte.
Und Susanne war schon merklich erfreut darüber, wie gut ich auf Melanie reagierte, wie gut ebenso umgedreht diese auf mich.
So gelang es wirklich relativ zwanglos, wieder mehr Nähe zwischen mir und Susanne aufzubauen, wobei wir noch keine Vertraulichkeiten austauschten, aber schon gelegentlich fröhlich miteinander lachten und die gemeinsame Zeit so zu dritt bereits genossen. Überstürzen wollte ich da nichts, aber das schien mir bereits ein guter Anfang zu sein, um Susanne wieder näherzukommen.
Übertreiben wollte ich das auch nicht, so begab ich mich später wieder an die Arbeit. Aber vormittags war ich da schon eine gutes Stück weitergekommen, das war bereits ein vielversprechender Anfang, auf den ich nun aufbauen konnte.
So nutzte ich den Nachmittag, um mich in die Geochronologie und Gesteinsdatierung einzuarbeiten. Was auf der Erde, allgemeiner im Sonnensystem funktionierte, mochte hier im Rasol-System etwas andere Voraussetzungen haben. Allerdings hatten Asi und Stanis reichlich Proben aus dem System, somit ebenfalls eine gute Grundlage, um einerseits das Alter des Rasol-Systems aus verschiedenen Methoden zu bestimmen, andererseits gleichfalls Unterschiede, besondere Zusammensetzungen der Materialien von Methusalem. Daher waren die Schlußfolgerungen der Ais schon überzeugend. Methusalem paßte in seiner Hauptmasse, also abgesehen von eindeutig jüngeren Einschlägen, nicht in das sonstige Muster. Ein Einfang in das Rasol-System war also schon plausibel. Ich beschloß, mir das noch näher anzusehen.
Welche Zerfallsreihen hatten sie sich angesehen, welche Isotopen- und Elementenverhältnisse hatten sie analysiert, wo hatten sie Proben genommen?
Wenn ich mich da weiter einarbeitete, sollte es mir gelingen, weitere Vorschläge zu machen, was noch zu untersuchen wäre, welche weiteren Zerfallsreihen wir nutzen könnten, um die Hypothese noch besser abzusichern?
Ich wollte es versuchen und mich da hineinfuchsen.
Wenn Methusalem doch nur ein Kleinplanet ist, war doch davon auszugehen, daß er bei einem Einfang einst mit erheblicher Relativgeschwindigkeit in das Rasol-System gekommen ist. Betrachtet man nun ein einfaches Modell von zwei Punktmassen in einer gravitativen Wechselwirkung, so käme es nie zu einem Einfang. Bei einem solchen ist es immer notwendig, die überschüssige kinetische Energie irgendwie anders zu verteilen. Bei einem System aus mehr als zwei Körpern ist das möglich. Im Extremfall kann da etwa ein anderer Körper aus dem System geschleudert werden, ein größerer Planet könnte bei einer Wechselwirkung allerdings auch auf eine etwas energiereichere Bahn um Rasol verschoben werden, um die Energie so anders im System zu verteilen. Kommt es gar zu Einschlägen, kann ein Teil der kinetischen Energie auch in Wärme umgesetzt werden. Zwar gilt insgesamt immer noch die Impulserhaltung, trotzdem ist so bei komplexen, ausgedehnten Massen ein Einfang möglich. Erhaltung der Gesamtenergie, von Impuls und Drehimpuls ist gegeben, sie werden lediglich unter den beteiligten Objekten anders verteilt.
Obgleich solch ein Kleinplanet schon winzig ist im Vergleich mit den Gasriesen oder gar mit Rasol selbst, sollte solch ein Einfang bei den Planeten hingegen schon Spuren hinterlassen haben, von diesen hätten also wohl mindestens zwei ihre Bahnen geändert, vermutlich waren auch Bahnen diverser Kleinkörper wie Asteroiden geändert worden, mit der Wirkung von heftigeren Asteroidenschauern auf die Planeten in die folgenden Jahrhunderten oder Jahrtausenden. Häufungen von Ereignissen könnten also auf den Einfang hindeuten, mit Glück mit diesem eindeutig in Bezug gebracht werden.
Als weitere Ablenkung oder Aktivität hatte ich beschlossen, morgens wieder täglich einen Lauf zu absolvieren. Das war hier auf der Insel ohnehin viel abwechslungsreicher möglich, ebenso vom Ausblick her deutlich interessanter als noch auf der Raumstation. Die Ais hatten zudem ein Wegenetz angelegt, welches dafür sehr gut nutzbar war. Den nächsten Morgen flitzte ich also früh, noch vor dem Frühstück über die Wege der Insel, meditierte gar ein wenig am Felsenufer eines Badesees auf der Insel. Genaugenommen war das der einzige Badesee der Insel, jedenfalls von der Größe her dafür hervorragend geeignet, anders als das Meer mit sauberem, klaren Wasser ausgestattet, welches nicht bei etwas längeren Aufenthalt gleich die Haut angreift. Meditation reichte mir indessen an diesem Morgen. Ein Bad wäre aber sicherlich an einem anderen Tag auch eine schöne Option und Ergänzung des Programms.
Es war eher eine Kurzmeditation über vielleicht eine Viertelstunde, wonach ich mich wieder auf den Weg machte, in einem großzügigen Bogen zurück zur Kolonie lief.
Meditation und Lauf hatten mir sehr gutgetan, den Kopf durchgepustet, mich merklich erfrischt und belebt. So hatte ich jedenfalls gute Laune, als ich nach einer Dusche zum Frühstück zur Familie Susanne, Peter und Melanie ging.
So in der Gruppe hatte sich die Stimmung schon entspannt, so lief das Frühstück munter und bei guter Laune ab. Ich erzählte schon ein wenig über Methusalem und meine Ansätze, was ich noch genauer verstehen wollte, wo weiter nachbohren, um herauszufinden, ob ich da nur noch etwas nicht verstanden hatte oder ob da noch Lücken in der Argumentation waren.
Susanne fand es ebenfalls bemerkenswert, daß es da solch einen alten ‚Beobachter‘ im Rasol-System geben sollte, welcher eventuell irgendwo Informationen über die Historie des Systems gespeichert haben mochte. Ihr war jedenfalls auch nicht bewußt, daß der entdeckt worden war.
Wir hakten bei Ida nach, die schon angeben konnte, daß Susanne und Peter darüber kurz berichtet worden war. Der Fokus der Aufmerksamkeit lag in der Zeit aber eindeutig mehr bei den biologischen Projekten, weswegen das wohl untergegangen sei. Vermutlich war es ja nun auch so, daß es nicht wirklich dringlich gewesen war, was Methusalem ihnen über die Vergangenheit hätte verraten können, wenn gerade die Gegenwart insbesondere auf Charybdis solch verblüffende Entwicklungen zeigte. Immerhin hatte ich nun davon ebenfalls etwas mitbekommen. Weil meine Schwerpunkte etwas anders liegen, hatte ich das nun als interessant aufgegriffen. So hängt es wohl immer an Einzelpersonen und Interessen, was in den Vordergrund rückt, um näher untersucht zu werden. In dieser Hinsicht ist Forschung gar nicht so objektiv. Was untersucht, erforscht und entwickelt wird, hängt entscheidend von individuellen Interessen und Sichtweisen ab, selbst wenn die Methoden letztlich allgemeiner formuliert werden können.
Mit Pinseln, Leinwand und Farbe stehen Malern ja auch immer ähnliche Werkzeuge und Materialien zur Verfügung, die Ergebnisse sind allerdings deutlich unterschiedlich.
Indessen führen oft auch unterschiedliche Interessen und Forschungsprojekte zu ähnlichen technischen Anforderungen und Bedürfnissen, weswegen trotzdem ziemlich ähnliche technische Entwicklungen angestoßen werden können, welche wiederum erst weitere wissenschaftliche Fragestellungen aufwerfen oder es ermöglichen, bestimmte Fragen erst zu untersuchen.
Nach dem Frühstück gingen Peter und ich wieder in die Arbeitsecke, kümmerten uns um unsere Forschungsprojekte.
Die Analyse von Zerfallsreihen ist komplex. Ich hakte bei Ida und Körk nach. Die Ais hatten schon allerhand analysiert, räumten allerdings ein, bei Methusalem nicht wirklich in Details gegangen zu sein. Allerdings hatten wir reichlich Daten und Stanis und Asi zeigten ebenfalls Interesse, auch für sie war es irgendwie relevant, daß so ihre Forschungsarbeit auch in der Kolonie mehr Aufmerksamkeit bekam. So waren sie gerne bereit, Methusalem genauer zu untersuchen, auf Vorschläge einzugehen, bisherige Arbeiten zu erläutern, um so zu einem stimmigen Projekt zu kommen, Ziele genauer festzulegen, einen Plan zu haben, was wir eigentlich wissen wollen, wie uns Methusalem dabei helfen könnte. Schnell hatte ich mit Hilfe der Ais jedenfalls eine lange Liste von Möglichkeiten, wie das Alter von Gestein bestimmt werden kann, ebenso eine lange Liste von Daten über die Zusammensetzung verschiedener Bereiche von Methusalem. Ich hatte die Idee, daß wir Susanne hinzuziehen könnten, um diese zu motivieren, mit ihren Kenntnissen Ordnung in die Daten zu bekommen, sie für Menschen zugänglicher zu visualisieren und Korrelationen einfacher prüfen oder entdecken zu können, die in den Daten bereits verborgen sein könnten, allgemein Korrelationen herauszuarbeiten und unsere Hypothesen so unter Ausnutzung aller verfügbaren Daten effizient auszuwerten.
Dabei könnten wir entscheidend davon profitieren, die gewaltigen Datenbanken und das hohe Rechentempo der Ais mit unseren menschlichen Impulsen, Idee, Assoziationen bei der Sichtung der visualisierten Daten zu kombinieren, um zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Diese Kombination hatte sich bislang sehr nützlich erwiesen, weil wir so die jeweiligen Stärken von Ais und Menschen gut einsetzen, die Schwächen wiederum gegenseitig kompensieren.
So schlenderte ich zu Susanne, beteiligte mich an der Belustigung von Melanie und plauderte ein wenig über das Problem und die Komplexität. Ich kitzelte sie auch gleich ein wenig an ihrer Fachkompetenz, ihrer Expertise, komplexe Daten auswerten zu können, sie gut und verständlich für Menschen aufbereiten zu können. Ich betonte, ihr Beitrag wäre sehr wichtig, um die gewaltigen Datensätze kompetent durchzuforsten, schmeichelte ihr so, wobei das an sich nicht einmal Schmeichelei war, denn ich hätte da erhebliche mehr Zeit gebraucht, um mit deutlich weniger Eleganz schlechtere Programme zu schreiben, um das Projekt zu realisieren.
Susanne war gerne bereit, sich das anzusehen, ob sie da einen sinnvollen Beitrag leisten könnte, wies allerdings auch auf Melanie. Ich lächelte und erinnerte sie daran, daß da ja durchaus auch noch Peter als Vater sei, dazu ich sowieso. Folglich seien es also derzeit drei erwachsene Bezugspersonen für Melanie, nicht nur sie als Mutter. Zudem sei es gut für sie und ihr Selbstverständnis, auch einmal wieder ein anspruchsvolles Projekt am Rechner durchzuziehen. Susanne fühlte sich merklich geschmeichelt.
Etwas später machten wir uns zu dritt auf den Weg zu Peter und schilderten diesem die Idee. Dieser fand es gut, wenn Susanne sich beteiligen würde. Klar war ihm auch, daß so die Betreuung von Melanie etwas anders aufgeteilt werden müßte. Damit war er allerdings einverstanden, war gerne bereit, mehr Zeit mit ihr zu verbringen, auch um Susanne etwas mehr Freiraum zu verschaffen, sich um ein wissenschaftliches Projekt zu kümmern. So einigten wir uns darauf, daß Susanne den nächsten Tag einfach einmal mit mir zusammen in das Projekt einsteigen solle, während es Peter zukam, sich mit Melanie um sonstige alltägliche Dinge zu kümmern.
Das könnte ich nun schon nutzen, um Susanne näherzukommen. Wenn Peter mit Melanie gut beschäftigt ist, Susanne und ich mit einem gemeinsamen wissenschaftlichen Projekt, so mochte sich dabei schon eine Gelegenheit ergeben, ihr ein wenig näherzurücken. Ebenso gab es auf jeden Fall mehr Variationsmöglichkeiten in unserer Gruppe, vielleicht damit auch mehr Chancen, eine günstige Situation herbeizuführen, um Peter näherzukommen.
Den Rest des Tages bereitete ich vor, was ich Susanne erklären mußte, um dieser einen schnellen Einstieg in das Problem zu ermöglichen. Als ich damit fertig war, schaute ich mir Daten an, welche wir über Skylla und Charybdis hatten, fragte bei den Ais nach und beriet mich mit Ida schon einmal darüber, wie wir aus den vorhandenen Daten vielleicht mehr herausholen könnten, um neue Erkenntnisse über die beiden Planeten und ihre Vergangenheit zu bekommen. Da schien schon noch etwas zu gehen, es wurde uns allerdings relativ schnell klar, daß wir detailliertere Daten brauchen würden, um Hypothesen stichhaltig zu prüfen oder auch neue zu entwickeln. Ida konnte da wirklich allerhand bieten, was umsetzbar wäre, aufgrund vorhandener Pläne oder Module gar mit begrenzten Aufwand und relativ kurzfristig.
Per Satellit sollten so in den nächsten Wochen deutlich mehr Daten gesammelt werden, insbesondere über ein breiteres Frequenzspektrum verteilt, Radar, Infrarot, sichtbar mit besserer Auflösung, Ultraviolett bis fast hinein in den Röntgenbereich, wobei wir bei hohen Energien von den Planeten nicht viel erwarteten. Von daher war es eher relevant, bei niedrigen Energien, auch mit aktiven Systemen neue Informationen zu bekommen.
Die Planeten haben auch starke Magnetfelder. Eine präzise Vermessung der Magnetfelder wäre ebenfalls möglich. Allerdings hatten wir da bereits gute Daten, jedoch mehr im globalen Maßstab. Ich wollte deutlich höhere lokale Auflösungen, um Anomalien in der Planetenkruste aufzuspüren, vielleicht also eingeschlagene, magnetisierte Metall-Asteroiden oder andere Objekte mit deutlichem Einfluß auf das lokale Magnetfeld. Auch das war mit Sonden und Satelliten noch deutlich über das ausbaubar, was bislang an Daten aufgenommen wurde.
Schnell hatte ich auch den Gedanken, nicht nur elektromagnetische Strahlung zu analysieren. Ich schlug vor, eine Gruppe von Satelliten relativ eng benachbart fliegen zu lassen, damit über Abstandsänderungen unter ihnen Informationen über Gravitationsänderungen zu detektieren. Unterschiedliche Dichten im Erdmantel führen zu einer gewissen Ungleichmäßigkeit der Schwerkraft, welche sich auch auf die Bahnen von Satelliten auswirkt. Hat man nun welche mit geeigneten Meßgeräten und mißt untereinander Abstände, so ergibt das Abweichungen von Sollbahnen um einen Rotationsellipsoiden. Wird der Einfluß von Rasol und Skylla, beziehungsweise Charybdis auf das Potential herausgerechnet, ergibt sich so eine Strukturinformation über den jeweils untersuchten Planeten. Zusammen mit den anderen Messungen bekämen wir so Informationen über die Kartoffeligkeit der Planeten, also die Abweichung von der Form eines Rotationsellipsoiden.
Ida versprach, aufgrund von Daten über entsprechende irdische Projekte alsbald einen Vorschlag zu machen, wie wir dies umsetzen könnten. Einmal in Fahrt gekommen hakte ich gleich nach und brachte ins Spiel, daß es doch auch möglich sei, über seismische Messungen, also im Grunde durch den Planetenkörper wandernde Schall- und Druckwellen, Scherungen etc Informationen über den Aufbau des Planeten zu bekommen. Skylla und Charybdis sind ja seismisch aktiv, haben eine aktive Plattentektonik. Ida informierte, daß sie hinsichtlich der seismischen Aktivitäten bislang eher aus technischen Gründen Daten gesammelt hätten, primär also, um einen geeigneten Standort für die Kolonie auszuwählen, welcher von Erdbeben, Vulkanausbrüchen, dem ganzen Drama der Tektonik nicht wesentlich betroffen sei. Das würde sich allerdings kaum eignen, um genauere Aussagen über den Aufbau des Planeten zu machen. Bei der Plattentektonik hätten sie schon einen groben Überblick, um Feinheiten hätten sie sich allerdings bislang nicht gekümmert. So hatten wir hier gleich ein weiteres Projekt, welches wir zunächst einmal mit passiven Detektoren angehen wollten. Also zunächst eine größere Anzahl von empfindlichen Detektoren bauen, diese mit guter Auflösung verteilen und alsdann damit die durch Erdbeben erzeugten Daten analysieren und Rückschlüsse ziehen. Laufzeiten von Wellen durch den Planeten zu den jeweiligen Detektoren, die überall auf dem Planeten messen, ermöglichen Rückschlüsse auf die Schichtung und die Dichten von Schichten, wo gibt es an Schichtgrenzen Reflexionen, wo gibt es bei der Schichtung auffällige Deformationen, etwa durch Asteroiden-Einschläge hervorgerufen. In einer späteren Ausbaustufe könnten wir das auch mit unterirdischen Sprengungen ergänzen, um Daten in anderen Frequenzbereichen und mit präzise lokalisierbaren Quellen zu generieren.
Damit jedenfalls sollten wir erheblich weiterkommen und es würde möglich werden, jedenfalls ein Stück weit in die Planeten hineinzusehen, eventuell eben auch Einschläge zu entdecken, die Hinweise darauf geben könnten, wann es auf welchem Planeten zu einer größeren Einschlagskatastrophe gekommen ist. Deformationen und stark ungleichmäßige Verteilung der Dichten und des Magnetfeldes im Planetenkörper könnten ferner auf größere Katastrophen hinweisen, etwa einen streifenden Zusammenstoß mit einem anderen Körper, welcher dazu geführt haben mochte, daß sich die beiden Zwillingsplaneten hinsichtlich der Ansiedlung von Leben komplett unterschiedlich entwickelt hatten.
Wie abgesprochen kümmerte sich Peter den nächsten Tag um Melanie und Susanne und ich um die Optimierung der Datensätze der Zerfallsreihen und Isotopenverhältnisse von Methusalem. Ich war gut vorbereitet, aber natürlich stellte Susanne Fragen aus einer ganz anderen Perspektive. So waren wir schnell in das Projekt vertieft und wir wurden beide sehr gefordert, um das gut auf den Weg zu bekommen. Susanne war allerdings schnell zu begeistern und ebenfalls neugierig darauf, ob wir bei dem Kleinplaneten wirklich mit dem gesamten Datenmaterial auf konsistente Altersschätzungen für verschiedene Koordinaten kommen würden, also einerseits jene Regionen, welche als weitgehend alt eingeschätzt wurden, aber auch für jene Bereiche, die aufgrund von Einschlägen ein deutlich jüngeres Datum aufweisen sollten. So würden wir hoffentlich eine Art von Chronologie bekommen, mit weit mehr Proben von verschiedenen, auch kleinere Kratern durch Stanis oder Asi, wohl auch Häufigkeitsverteilungen auf der Zeitachse von Ereignissen, unter Berücksichtigung der Ausformung der Krater vielleicht gar Rückschlüsse auf ungefähre Richtungen von Scharen von Einschlagsobjekten.
Da Methusalem ja weit draußen, jenseits der Gasriesen seine Bahnen zieht, konnten wir natürlich nicht wirklich detaillierte Informationen darüber erhoffen, was im Innenbereich des Rasol-Systems vorgefallen war. Allein seine abweichende Ekliptik der deutlich elliptischen Bahn, die im Rasol-System eher ungewöhnliche Umlaufrichtung wiesen auf einen Einfang hin. Dabei war auch nicht so klar, wie das so weit draußen passiert war. Vielleicht gab es ja ursprünglich doch einen Durchflug durch das System, einschließlich größerer Ablenkungen und Abbremsungen durch mehrere Planeten, weitere Ereignisse und nach dem Einfang kompliziertere längere Wechselwirkungen mit den Gasriesen, welche Methusalem langsam wieder aus dem inneren Bereich des Systems an den Rand gedrängt hatten.
Würden wir bei der genauen Analyse Informationen über einen Aufenthalt im Innenbereich des Rasol-Systems finden, etwa Einschlagsobjekte, welche den Asteroidengürteln Geri, Freki oder gar Wotan zuzuordnen wären?
Das alles könnten relevante Informationen sein, was einst vorgegangen ist, was einst auch dazu geführt hatte, daß es das Doppelplanetensystem Skylla und Charybdis überhaupt gibt, wieso sich die beiden Planeten trotzdem so unterschiedlich entwickelt hatten.
Susanne jedenfalls hatte irgendwann genug Informationen, um auch alleine zu basteln. Ich nutzte unser Beisammensein allerdings, rückte näher heran, daß wir unsere Köpfe dicht zusammensteckten und noch einmal alles durchsahen, prüften, Verständnis verifizierten und dabei auch zunehmend lockerer herumscherzten. Mal ein Knuff dabei von mir, mal von ihr, ein herzliches Lachen ausgetauscht, ein tieferer Blick von mir in ihre Augen, von ihr durchaus erwidert.
Das führte zu einer kurzen, stillen Pause, die schon auch weiterhin auf Interesse schließen ließ. Susanne räusperte sich allerdings schnell, lächelte etwas verlegen und wir konzentrierten uns wieder auf die Daten und Zerfallsreihen, die Korrelationen und Abhängigkeiten. So vertieft im wissenschaftlichen Diskurs und der Klärung von Detailproblemen, die sich Susanne hinsichtlich ihres Programmes bereits überlegte, aussprach, im Formulieren mir gegenüber bereits konkrete Formen plante, legte ich wie selbstverständlich einen Arm um sie. Sie wehrte nicht ab. Und so waren wir schon relativ vertraut miteinander, während es doch hauptsächlich bereits um die praktische Umsetzung des wissenschaftlichen Projektes ging. Das fühlte sich gut an, aber ich wollte sie auch nicht zu sehr, zu schnell bedrängen. Von daher war es ganz in Ordnung, daß wir letztlich doch eigentlich mit der Besprechung durch waren.
Für die konkrete Programmierarbeit brauchte sie Ruhe und Zeit für sich. Die sollte sie nach dem Mittagessen auf jeden Fall reichlich bekommen.
Damit hatte ich wiederum Gelegenheit, einfach Peter und Melanie Gesellschaft zu leisten. So konnte ich für Ausgleich sorgen, einen guten Zusammenhalt in der Gruppe. Damit würde es auch weniger auffällig wirken, wenn ich im weiteren Verlauf immer mehr die Nähe zu Susanne, aber auch zu Peter suchen würde.
Ich schlug Peter vor, uns nachmittags draußen ein nettes Plätzchen zu suchen, einen kleinen Spaziergang zu machen. Er war einverstanden. So packten wir ein paar Sachen zusammen, informierten beim Mittag kurz Susanne über den kleinen Ausflug und schlenderten anschließend los. Für Melanie hatten wir eine Tragehalterung direkt am Körper. Sie konnte schon selber gehen, aber nicht eine solch große Strecke. Einstweilen war Peter damit eingespannt und Melanie machte es Spaß. Wir gingen immerhin bis zum Badesee, breiteten eine Decke aus und spielten dort mit Melanie. Wir waren locker, fröhlich und entspannt und genossen den Nachmittag, tobten ein wenig herum, bis Melanie schlicht müde war. Jedenfalls war das bei der kleinen Toberei schon so, daß es immer mal wieder zu kleineren Schubsern, Berührungen zwischen mir und Peter kam, so war es mir schon gelungen, unseren Kontakt fast unmerklich und im normalen Fluß unserer Handlungen zu intensivieren.
Als Melanie etwas schlief, hatten wir Gelegenheit, uns in der näheren Umgebung etwas umzusehen. Ich wies auf ein paar Pflanzen in der Nähe und fragte Peter nach Namen und sonstigen Informationen darüber. Peter schaute und erklärte ein wenig, war so irgendwie neugierig geworden und schaute sich nun selber etwas genauer an, was hier so wuchs. Gar nicht so weit weg von unserem Platz, vom Weg und vom See entdeckte er bereits eine offenbar interessante Ecke. Hier hätte er gerne eine Probe genommen, sich etwas genauer angesehen, hatte allerdings keine Ausrüstung dabei. Ich hakte nach, ob er schon selbst einmal unterwegs gewesen sei, um etwas persönlich zu untersuchen. Peter erläuterte, der Schwerpunkt von Untersuchungen habe ja zum guten Teil auf Charybdis gelegen, hier auf Skylla hingegen meist in anderen Gebieten, weniger auf unserer Insel, welche ja doch speziell sei, von den Ais schon extra für uns eingerichtet. So seien also die Proben immer von Sonden gesammelt worden.
Nun war er allerdings auch der Meinung, daß es eigentlich nicht schaden könne, hier gleich auf unserer Insel ein paar kleinere Tages-Expeditionen durchzuführen, sich selbst ein Bild zu machen, selbst Stellen für Probennahmen auszuwählen, damit das zu ergänzen, was die Sonden an Material sammeln würden. Das schien auch mir einleuchtend. Genauso um unseren Kontakt weiter zu intensivieren, bot ich gleich an, ihn auf Expeditionen zu begleiten und ihm zu helfen. Schnell wurden wir uns einig, daß wir das durchziehen wollten. Für diesen Tag allerdings ging es zurück zu Melanie, welche allerdings noch schlief. So machten wir also ebenfalls eine Pause, entspannten etwas, nahmen etwas von den mitgebrachten kleinen Speisehappen zu uns. Nachdem Melanie wieder erwacht war, spielten wir noch ein wenig, packten allerdings bald zusammen und setzten unseren Spaziergang fort, diskutierten dabei schon einmal mögliche Routen für kleine Tages-Expeditionen. Nun ist ja lediglich ein kleinerer Teil unserer Insel von den Ais mit Wegen ausgestattet worden. So gab es bereits einen kleineren Fußmarsch davon weg einfach wilde Vegetation. Natürlich, in den eher felsigen Bereichen, die jenseits des Badesees im bergigen Bereich der Inseln lagen, war die Vegetation nicht so dicht, allerdings gleichfalls interessant für die Besiedlung karger Regionen. In anderen Bereichen der Insel wächst bereits deutlich mehr, also hatten wir ebenfalls auf unserer Insel deutlich verschiedene Gebiete. Und Peter wußte auch bereits, daß die Ais hier zwar besonders fleißig Arten angesiedelt hatten, über die Zeit seit der ersten Ansiedlung von Pflanzen allerdings viel Wildwuchs entstanden war. Die Insel war also keineswegs ein gepflegter Garten, da entwickelte sich das Geschehen weitgehend auf sich selbst gestellt. Lediglich im Bereich der Kolonie gab es aktiv gepflegte Anbauflächen. Die Ansiedlung war in weiten Teilen der Inseln auch nie sortiert und fein geplant wie in einem Garten verlaufen. Die Ais hatten eher großräumig keimfähige Substratkörner ausgebracht, also der Keim jeweils angereichert mit einer Starthilfe und mit Mikroorganismen. Hinzu kamen auch an geeignet erscheinenden Stellen die direkte Anpflanzung und Auswilderung von Sprößlingen aus den Gewächshäusern.
Als wir am späten Nachmittag wieder in der Kolonie ankamen, war Susanne mit ihrer Arbeit gut vorangekommen. Weil es nun doch noch weitere Details zu klären gab, setzte ich mich zu Susanne, um mich darum mit ihr zu kümmern. Das meiste bekamen wir gleich so hin, ein paar Sachen mußte ich allerdings auch noch recherchieren und verstehen, von daher schloß Susanne ihr Tagewerk nur noch ab, gesellte sich daraufhin mit mir zu Peter und Melanie. Wir plauderten und spielten noch ein wenig, was eigentlich nahtlos in die Zubereitung des Abendessens überging.
Abends saßen wir zusammen, sahen einen Film und plauderten noch etwas.
Wir diskutierten mit Susanne dabei auch gleich die Idee der Tages-Expeditionen, gegen welche sie nichts einzuwenden hatte. So stand dem also nichts im Wege und Peter würde das in den folgenden Tagen mit mir vorbereiten, wobei zunächst ja noch Susanne und ich mit den aktuellen Optimierungsarbeiten weiterkommen mußten. Aber wir würden uns da schon arrangieren. Erst einmal sollte primär Susanne mit ihrer Arbeit zu einem guten Zwischenergebnis kommen, danach würden wir wieder gleichmäßiger aufteilen, wer sich um Melanie kümmert, wer hauptsächlich mit Projekten beschäftigt ist. Prinzipiell hätten wir natürlich auch die Ais bitten können, auf Melanie zu achten, aber es schien uns derzeit angemessener zu sein, das unter uns dreien aufzuteilen.
An nächsten Morgen nach dem Frühstück war Susanne also gleich wieder fleißig bei der Arbeit. Ich recherchierte und las, um meine Lücken bei Zerfallsketten und Isotopenverhältnissen zu schließen, mich ebenfalls etwas vertrauter mit der Astro-Geologie zu machen, um nicht versehentlich Fehlinterpretationen zu liefern, aber auch um selbst zu beurteilen, wie stichhaltig und aussagekräftig die verschiedenen Methoden und Strategien vermutlich sind, inwiefern vielleicht doch eigentlich spezifisch für den ursprünglichen Anwendungsbereich im Sonnensystem, was davon allerdings als universell zu verallgemeinern ist, was also insbesondere auch gut auf das Rasol-System anwendbar wäre. Mir war natürlich schon klar, daß es im Sonnensystem viel mehr Untersuchungen und damit genauere Kenntnisse der Rahmenbedingungen gegeben hatte, dort war es also leichter, Meßergebnisse einzuordnen und ein stimmiges Gesamtbild zusammenzusetzen. Hier im Rasol-System würde es wohl zwangsläufig bei Überlegungen, Hypothesen, mehr oder weniger gewagten Geschichten bleiben, Ideen, was passiert sein könnte. Nun, darauf baut letztlich alles auf und über die Forscher-Generationen kann sich das später einmal zu genaueren Bildern verdichten. Nur wenn mutig begonnen wird, die Entwicklung anzuschubsen, passiert da aber überhaupt etwas.
Peter war unterdessen hauptsächlich wieder mit Melanie betraut, hatte nebenbei allerdings auch ein wenig Zeit, um sich um die Idee der Tages-Expeditionen zu kümmern. So hatte er bereits Satellitenbilder unserer Insel auf dem Monitor, um erste Routen planen zu können. Und eine Liste hatte er auch schon begonnen, was wir brauchen würden, um den wissenschaftlichen Teil einer solchen Expedition gut mit dem zu meistern, was zwei Personen bequem mit Rucksäcken würden bewältigen können. Wegen Melanie kam er damit nicht so weit, was allerdings nicht so schlimm war, denn es drängte uns ja nichts, das noch gleich in derselben Woche zu beginnen.
Noch vor dem Mittag hatte Susanne so viel vorzuweisen, daß sie mich wieder hinzuzog und wir gemeinsam darüber berieten, ob das nun schlüssig und plausibel war, was bislang bereits funktionierte. Immerhin, auch mit dieser erheblich genaueren Analyse war klar, daß Methusalem wirklich ein alter Bursche aus einem anderen Sonnensystem sein mußte, also in der Tat ein spektakulärer Kleinplanet, welcher hier irgendwie eingefangen worden ist. Wir konferierten mit Stanis und Asi darüber, wobei wir schnell die Information bekamen, daß Methusalem trotz seiner deutlich von der Hauptekliptik des Rasol-Systems abweichenden Bahn noch relativ gut erreichbar war. Wenn er sich nicht gerade grob im Bereich der Hauptekliptik aufgehalten hätte, wäre er vermutlich zwar schon entdeckt, aber noch gar nicht untersucht worden. So entwickelte ich also mit Susanne, Stanis und Asi eine neue Stoßrichtung der Methusalem-Forschung, welche diesen mehr als Beobachter des Rasol-Systems sehen sollte. Wir wollten wissen, wann er ungefähr in das System gekommen war, was daraufhin grob passiert sein mochte. Woher er gekommen war, war indessen wohl sehr schwierig zu bestimmen, denn zwangsläufig mußte es da drastische Bahnänderungen beim Einfang gegeben haben. Die Idee war jedenfalls, größere und kleine Einschlagskrater auf Methusalem zu untersuchen, welche davon also über welchen angeordnet sind, somit sicherlich jünger als darunterliegende, ferner wollten wir Positionen und Material der Einschlagskörper wissen.
Nun hat ein Kleinplanet wie Methusalem zwar genug Masse, um grob die Form eines Rotationsellipsoiden auszubilden, indessen deutlich weniger als etwa die Erde, Charybdis oder Skylla. Deswegen sind Einschläge von Asteroiden, anderen Gesteinsbrocken etwa von Katastrophen stammend, bei welchen es Einschläge auf anderen Planeten gegeben hatte, wobei von diesen Planeten wiederum Brocken ins All gestreut wurden, natürlich deutlich weniger destruktiv als bei großen Planeten, wenngleich Kleinplaneten auch keine bremsende Atmosphäre haben. Weil diese fehlt, findet die Erhitzung des Materials wiederum nun unmittelbar beim Einschlag statt, die Brocken zerlegen sich nicht bereits in der Atmosphäre, weswegen die Chancen deutlich besser sind, in den Einschlagskratern noch Material solcher Projektile zu finden, welche den Einschlag weitgehend unverändert überstanden haben, wenigstens tief im Inneren dieser Projektile.
So einigten wir uns darauf, daß Asi mit allerhand Gerät vor Ort Methusalem diesbezüglich eingehend erforschen sollte. Stanis würde hingegen weiterhin die Schwerpunkte der Forschungsprojekte verfolgen, die eigentlich bislang gerade aktuell waren. Aufgrund der verteilten Speicher und Identitäten der Ais war es Asi zudem möglich, gleichzeitig mehrere Projekte zu betreuen, von daher war das nun keine massive Störung ihrer Aktivitäten, im Gegenteil, sie zeigten sich interessiert an den aufgeworfenen Fragestellungen. Sie zeigten sich auch interessiert daran, einmal etwas enger mit uns Menschen zusammenzuarbeiten und gleich intensive Rückmeldungen zu ihren Untersuchungen zu bekommen, aufgrund der Kooperation eben auch unsere Sichtweise und Interpretation, unsere Ansätze für eine Auswertung. So hatten wir das schon einmal gut auf den Weg gebracht.
Ferner galt es natürlich auch noch, die bislang offengebliebenen Fragen mit Susanne zu klären, von denen ich dank meiner Recherche inzwischen einige diskutieren konnte, auf passende Literatur verweisen. Auch dabei steckten wir die Köpfe wieder zusammen, gingen locker miteinander um, vorsichtig festigte ich das neue, zarte Band, welches sich zwischen uns gebildet hatte. So kamen wir auch damit gut voran. Eine weitere Verfeinerung und Optimierung unserer Analysen würde sicherlich helfen, die neuen Daten von Asi, die kommen würden, besser einzuordnen und zu einem plausiblen Bild zu formen.
Nach dem Mittag diskutierte ich mit Susanne und Peter indessen erst einmal meine Ideen, um mehr Daten über die Zusammensetzung von Skylla und Charybdis zu erhalten, die Kartoffeligkeit der Planeten zu analysieren, um so eventuell Hinweise auf die Historie zu bekommen. Die dabei aufkommende Datenmenge und die Korrelation der Daten wäre natürlich ebenfalls sehr komplex, also ebenfalls ein Anknüpfungspunkt für Susanne, auch hier zu optimieren. Dazu war sie bereit, wollte sich das gerne ansehen, wenn ihre Arbeiten am Methusalem-Astro-Geologie-Projekt zu einem guten Zwischenergebnis gekommen wären.
Ida berichtete schon einmal über die Fortschritte im Satellitenbau, um einerseits weitergehende Spektren aufzunehmen, aktive Radarmessungen etc durchzuführen, zudem das Schwerkraft-Nahfeld der Planeten untersuchen zu können. Da hatten wir ja Vorlagen, Pläne von der Erde, zudem war es nun deutlich einfacher, Satelliten zu bauen, als zu meiner Zeit auf der Erde. Die Mikroroboterschwärme bauten die fast gleich vor Ort im Orbit mit Material, welches Körk bei der Bereinigung der Asteroidengürtel ohnehin gesammelt hatte. Von daher gab es da keinen aufwendigen Start mit Raketen vom Planeten aus, keine umständlichen Transportsicherungen, keine Kontaminationen, alles wurde gleich in einem Bereich mit lediglich Mikrogravitation gefertigt etc. Zudem gab es für viele Anwendungen praktisch bereits Pläne mit fertigen Modulen, welche für die jeweilige Spezialanwendung nur optimiert und angepaßt werden mußten, wenn sie nicht gleich ausreichend für die Anwendung waren.
Im Anschluß an die kleine Sitzung hatte ich ein Einsehen und übernahm Melanie von Peter, damit hatte dieser nun Gelegenheit, einerseits seine laufenden Projekte einzusehen, andererseits vor allem unsere Tages-Expeditionen weiter zu planen. Damit kam er gut voran. Und weil Melanie ja nun wirklich sehr lieb und brav war, war es schon möglich, daß ich mich immer wieder daran beteiligte, ein paar Ideen hinsichtlich der Logistik einbrachte. Gerätschaften für Probennahmen hatten wir bereits verfügbar, zudem waren Ida und Hildegard in der Lage, uns im Bedarfsfalle mit einem Luftschiff zu unterstützen, jedenfalls bei mehr oder weniger stabilen Windverhältnissen würden sie uns so bereits unterwegs Proben abnehmen können, ebenso gegebenenfalls größeres Gerät herunterlassen können. Wenn dies aufgrund von böigem Wind eher schwierig wäre, hätten wir trotzdem unterwegs immerhin noch Satellitenbilder verfügbar, ebenso Bilder vom Luftschiff. Beides sollte uns helfen, die geplante Route durch die Wildnis zu finden, eventuell auch kleinere Abstecher zu interessanten Stellen zu machen. Von daher kamen wir da sehr schnell mit der Planung voran. Die Idee war, zunächst mit verfügbaren Fahrrädern das vorhandene Wegenetz zu nutzen, um zügig und einfach an den Beginn einer Route zu gelangen. Danach würde es mit Rucksäcken hinein in die Wildnis gehen. In einigen Bereichen mit wenig Bewuchs und nahezu ebenem, ziemlich festen Boden würden wir mit den Rädern sogar noch etwas weiter vordringen können. Das konnten wir so bereits aufgrund der vorhandenen Aufnahmen der Insel schon ungefähr festlegen, somit schon solide planen.
Insgesamt konnten wir abends sehr zufrieden mit den Fortschritten der Projekte sein. Susanne war gut vorangekommen und überlegte nun bereits, wie eine Visualisierung der Datenmassen zur Untersuchung von Skylla und Charybdis effizient, ergonomisch zu realisieren sei. Für die Daten von Methusalem hatten wir schon einen sehr schönen Prototypen, um die Ergebnisse der Probenanalysen gut erfassen zu können. Solche Interpretationshilfen durch gute Darstellung von Daten ist immer wichtig, um sich nicht darin zu verlieren, sondern aus den Einzelaspekten besser einen Gesamtzusammenhang erschließen zu können. Hier war Susanne auf einem guten Weg, hatte als Pädagogin und Informatikerin in dieser Kombination ein hervorragendes Gespür dafür, uns Daten zu erschließen, um einerseits Fragen aufzuwerfen, andererseits Hypothesen zu entwickeln. Das erfreute mich sehr, sie so engagiert bei der Sache zu sehen. Das brachte uns einander auch wieder näher.
So überlegte ich schon, wie ich konkret weiter vorgehen könnte, um Peter und Susanne zu vernaschen. Ich war Peter bereits bei der Arbeit, bei der Beschäftigung mit Melanie deutlich nähergekommen. Ähnlich war es mit Susanne bei unserem gemeinsamen Projekt. Auch das harmonierte beides gut. Und so, wie das bislang gelaufen war, hatte ich da eigentlich kein schlechtes Gewissen mit meinem Bedürfnis, nun auch auf meine Kosten zu kommen.
Oder sollte ich mich etwa doch auf einen von beiden konzentrieren?
Immerhin hatte ich darauf verzichtet, Peter anzugraben, als Susanne konserviert war und ich zusammen mit Peter auf der Raumstation war. Das könnte ich nun gut nachholen, eigentlich. Bei den Expeditionen würden sich vielleicht schon Gelegenheiten bei Pausen ergeben, um mehr zu erreichen und herauszufinden, inwieweit Peter für die persönliche Erforschung unserer Befindlichkeiten zu interessieren wäre.
Allerdings lag mir derzeit im gleichen Umfange daran, wieder etwas bei Susanne zu erreichen und hier zu vertiefen, was ich nun bereits begonnen hatte.
In den folgenden Tagen brachten wir in aller Ruhe unsere aktuellen Projekte voran. Als Susanne ihre Hauptarbeit erledigt hatte, somit ein gutes Zwischenergebnis vorweisen konnte, sich nun also wieder mehr Melanie widmen wollte, paßte das wiederum gut dazu, daß die Planungen für die Tages-Expeditionen abgeschlossen waren, zudem eine günstigen Wetterlage gegeben war. So waren wir uns einig, daß Peter und ich losziehen sollten, um die erste Exkursion zu bewältigen.
Ich schlug unterdessen vor, daß wir ja durchaus einige der Expeditionen ganz entspannt angehen könnten. Susanne und Melanie könnten uns ein Stück weit bis zu einem schönen Platz begleiten, dort picknicken und auf unsere Rückkehr warten. Zudem könnten wir variieren. Einige kleinere Touren könnte Peter ja durchaus auch mal an einem Tag alleine durchführen, während ich Susanne und Melanie Gesellschaft leisten könnte.
Das hielten Susanne und Peter für eine gute Idee. Susanne würde so mit Melanie zwar nicht immer mitkommen, bei einem gut gelegenen Startpunkt für unsere Expeditionen, zudem bei gutem Wetter wollten wir die Option aber durchaus im Hinterkopf behalten und bei der weiteren Routenplanung berücksichtigen.
Die erste Tour war allerdings noch nur für Peter und mich geplant.
So radelten wir also an einem Morgen munter los, die Rucksäcke festgemacht, ein Luftschiff zur Unterstützung bereits ungefähr über dem Startpunkt unserer eigentlichen Route. Der lag in diesem Falle relativ nahe an einem der angelegten Wege, daß wir die Räder noch auf dem Weg abstellten und loswanderten. Unser Plan sah eine Route in einer etwas bergigeren Zone vor. Die Route sollte uns später zurück zu dem Weg führen, welcher um den Badesee führte. Da wir noch nicht so gut einschätzen konnten, wie gut wir vorankommen würden, wie lange Probennahmen dauern würden, wieviele Proben wir würden ziehen wollen, war diese erste Route vom Umfang her eher bescheiden ausgelegt.
Schnell fand Peter interessante Stellen, erläuterte mir überdies nebenbei, was interessant für ihn dabei war. Ich fragte kritisch und neugierig, weswegen er durch die Notwendigkeit der expliziten Formulierung sich genauer Gedanken darüber machen konnte, was aus seiner Sicht interessant war, was objektivierbare Kriterien wären, etwas zu untersuchen. Daran arbeiteten wir im Gespräch nun intensiver, denn so wurde ihm das einerseits klarer, wir konnten das zudem ergänzen. Andererseits konnte ich so ebenfalls mit kundigerem Blick Ausschau halten, mich also bei der Expedition auch inhaltlich nützlicher machen, ferner waren solch explizit formulierte Kriterien gleichfalls nützlich für die Missionen der Sonden, die sonst Proben nahmen. Mit einem erweiterten Kriterienkatalog würden auch die besser in der Lage sein, Proben an Stellen zu nehmen, die aus Peters Sicht auf jeden Fall sehr relevant sein könnten, für ihn persönlich jedoch nur schlecht oder gar nicht erreichbar sind.
So kamen wir also bereits am Anfang dieser ersten Expedition mit dem Verfahren deutlich voran. Ich hatte nun allmählich ein klareres Bild davon, wie vorzugehen ist, auf was zu achten ist. Das Gespür, die Intuition kommt mit der Praxis, der Erfahrung mit den Forschungsobjekten.
Wir versäumten es allerdings auch nicht, an schönen Aussichtspunkten innezuhalten, den Ausblick zu genießen, jedoch dabei ebenso Ausschau zu halten, ob es aus dieser Perspektive nicht interessante Stellen zu entdecken gab, welche wir unbedingt untersuchen sollten. So machten wir wirklich schnell den ersten Abstecher weg von unserer eigentlich geplanten Route. Das war allerdings unproblematisch, denn es lag ja durchaus im Zeitplan, auch Dinge zu tun, die nicht bereits vorgesehen waren. Gerade diese spontanen Impulse sind es ja gerade, die einem oft neue Erkenntnisse ermöglichen. So gingen wir dem natürlich nach.
Nun ist es in dem bergigen Gelände natürlich durchaus karg, da war schon auf Details zu achten, allerdings auch nicht so uninteressant hinsichtlich jener Pflanzen, die sich besonders gut für die Erstbesiedlung von kargen Landschaften eignen, wovon Skylla ja reichlich hat. Auf unserer Insel lag allerdings die Besonderheit vor, daß die Luftfeuchtigkeit hier deutlich höher ist als weit im Inland, entsprechend regnet es hier auch einmal ab. Das sind deutlich günstigere Bedingungen als in ausgewiesenen Wüstenregionen des Planeten. Dafür hatten wir es in dem heute untersuchten Bereich ziemlich felsig, von daher wenig Material, in welchem Pflanzen Wurzeln schlagen können. Auch dies ist in Skylla natürlich häufig anzutreffen. Ohne Leben gibt es ja keine Humusbildung. Staub- und Sandablagerungen sind da nur bedingt geeignet, in eher zugigen Ecken einer ursprünglichen Vulkaninsel auch nicht so ausgeprägt. Eine Humusbildung oder ähnlich geeignete Ablagerungen hatten wir auf der Insel hauptsächlich dort, wo es schon seit der Anfangsphase der Besiedlung Pflanzen und Pilze gibt, die Boden und allgemein Material gut halten können.
Die Tagesdunkelheit hatten wir im Hinterkopf behalten, somit hatten wir rechtzeitig einen guten Rastplatz aufgesucht und hatten dort eine Pause und Mahlzeit. Wir plauderten über bereits gezogene Proben und deren Standorte, die weitere Route. Ansonsten verdösten wir die Zeit einfach, wobei ich mich einfach neben Peter platziert hatte, um weiter die vertraute Nähe zu etablieren. Weiter ging ich einstweilen noch nicht. Aber bei den Probennahmen oder Hinweisen auf besondere Aussichten oder eventuell interessante Orte für Probennahmen hatte sich gelegentlich schon die Möglichkeit geboten, ihn unverfänglich zu berühren. Das ging so ganz selbstverständlich und aus der Situation heraus, daß darin nicht so viel lag. Auch damit hatte ich allerdings nun eine Vertraulichkeit eingeführt, die wir nicht wieder zurücknehmen würden.
Wir hatten Zeit, so begann ich einfach mal: „Entwickelt sich doch eigentlich gut. Wir arbeiten zusammen, auch Susanne ist wissenschaftlich voll dabei.
Das geht doch besser als befürchtet!“
Peter stimmte zu: „Auf jeden Fall. Susanne war sich schon sehr unsicher, wie du auf die neue Situation reagieren würdest. Ich hatte auch gewisse Bedenken. Nun klappt es wirklich gut mit uns dreien.
Daß du Susanne an deinen neuen Projekten beteiligen konntest, ist für sie schon sehr relevant.
Es zeigt ihr deutlich, daß du sie akzeptierst, nicht etwa meidest!“
Ich antwortete: „Auf Melanie bin ich auch gleich offen zugegangen, konnte eine Beziehung zu ihr aufbauen, schon von daher sollte sie doch keine Befürchtungen mehr haben, daß ich aggressiv werden könnte.“
Peter lachte kurz, meinte: „Aggressiv nicht gerade, verärgert oder eingeschnappt schon eher …“
Ich bekannte: „Bin ich auch ein wenig, aber an Melanie lasse ich das gar nicht aus. Und ich weiß das schon zu trennen mit unseren wissenschaftlichen Projekten und privaten Aspekten. Bei letzteren entwickelt sich das eben, da können wir nicht rückgängig machen oder ändern, was bereits passiert ist. Das ist die normative Kraft des Faktischen, der Imperativ der Existenz in der Raumzeit.
Wozu sich darüber also noch den Kopf zermartern?
Und inzwischen hat sich das Verhältnis zwischen Susanne und mir doch bereits wieder ganz gut entspannt. Wir harmonieren regelrecht miteinander. Dazu trägt wohl auch bei, daß wir wissenschaftlich gut zusammenarbeiten und wir gelegentlich auch gemeinsam etwas mit Melanie machen.
Ich glaube, ich sollte das weiter ausbauen, weiter auf Susanne eingehen, damit sich das noch weiter bessert, meinst du nicht?
Also doch besser Blick voran und sich darum kümmern, was wir nun daraus machen können.
Da könnt ihr beide euch schon entspannen und wieder euren Spaß miteinander haben …“
Peter räusperte sich.
Ich hakte nach: „Was denn?
Stimmt was nicht?“
Peter zögerte etwas, begann daraufhin aber: „Zu deiner Frage: Es hört sich gut an, daß ihr beide gut harmoniert, wieder einen guten Draht zueinander gefunden habt. Da solltest du auf jeden Fall dranbleiben. Das ist wichtig für uns als Gruppe.
Was unseren Spaß derzeit anbelangt, naja, da hakt es derzeit etwas.
Also weißt du, es war ja schon bei der ersten Schwangerschaft so, daß sie sich etwas zurückgezogen hat, also in den letzten Monaten kein Sex mehr, hat sich gesteigert. Es ist ja schon so, die Schwangerschaft belastet und sie hat dann keine Lust. Weil sie aber wohl denkt, ich wäre sehr auf Sex aus, wenn ich mich ihr nähere, so hat sie zunehmend auch Zärtlichkeiten, Nähe abgeblockt.“
Ich unterbrach: „Ist das denn so, daß du immer Lust auf Sex hast?
Also, wenn du dich ihr näherst?“
Peter räusperte sich etwas verlegen, antwortete nach weiterem Zögern: „Da ist schon mehr, auch die Nähe, das Wohlfühlen einfach so zusammen. Was aber auch stimmt, wenn ich sie in den Armen halte, sie spüre, so bekomme ich eben auch schnell Lust, das stimmt schon. Ich kann mich indes schon beherrschen. Verborgen bleibt ihr das nicht, wodurch sich die Situation eben gleich so entwickelt, daß offenbar wird, daß ich eigentlich schon Lust auf Sex hätte und loslegen könnte, körperlich sowieso, sie jedoch eigentlich keine Lust hat. Und so blieb sie zunehmend auf Distanz, um diese etwas peinliche Situation zwischen uns zu vermeiden, was uns beiden nicht so gut bekommen ist.“
Ich erwiderte: „Verstehe. An sich hört es sich so an, daß du nicht prinzipiell etwas falsch gemacht hast, sie ist eben attraktiv, du liebst sie, hast also auch Lust auf sie. Sie liebt dich zweifellos gleichfalls, in der besonderen Situation hat sie allerdings andere Bedürfnisse, die meist nicht in Richtung Sex gehen, das löst in ihr einen Konflikt aus, Nähe, Geborgenheit, Sicherheit an sich schon, jedoch nicht unbedingt Sex dabei oder in der Folge.“
Peter bestätigte: „Genau. Immerhin hat sich das nach der Geburt wieder gelegt. Klar, da habe ich ihr gut beigestanden, sie umsorgt und aufgepäppelt, mich intensiv gekümmert. Mit dem Kind ist ja alles neu, aufregend, turbulent. Wir waren sehr gefordert, hatten viel zu lernen. Da war Sex erst einmal kein Thema, es drehte sich alles um unsere Familie, um Melanie, darum, daß Susanne sich wieder komplett erholen sollte. So sind wir wieder näher zusammengerückt, haben eine neue Basis gefunden.
Erst hier in der Kolonie ist uns eigentlich erst wieder der komplette Neustart gelungen. Es war alles neu, frisch und aufregend. Hat sich zudem auf uns übertragen und somit ging das ebenfalls mit dem Sex wieder klar, wir hatten beide intensiv Spaß daran und alles war gut, Susanne bald allerdings auch wieder schwanger.
Das war gleichfalls eine schöne, erfreulich Nachricht.
Inzwischen wiederholt sich das Drama allerdings wieder, also nun eher wieder kein Sex und ein Rückzug, die Verknüpfung von Zärtlichkeit und Nähe mit Sex ist in ihrer Vorstellung wieder da. Da sie eher keine Lust auf Sex mit mir hat, gibt es da nun wieder diese Distanz, unter der wir beide leiden. Ich hoffe, das legt sich wieder, wenn das zweite Kind da ist. So ist es doch eher schwierig, nicht einmal primär der Verzicht auf Sex, vielmehr die Distanz, die Unsicherheit, was ich noch tun darf, wobei sie sich noch wohlfühlt, das ist unangenehm, verkompliziert alles. Natürlich akzeptiere und respektiere ich, daß in ihr etwas vorgeht mit der Schwangerschaft, aber dieser Rückzug verunsichert ebenso, weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Es fehlt mir einfach so, sie einfach zu umarmen, unsere Nähe zu genießen …“
Wir schwiegen kurz, woraufhin ich es wagte und mich ihm entschlossen zuwendete, ihn einfach umarmte, dabei in sein Ohr flüsterte: „Ärmster Peter …“
Ich rubbelte mit den Händen über seinen Rücken, hielt ihn fest. Er zögerte, erwiderte meine Umarmung daraufhin jedoch. Mehr riskierte ich einstweilen nicht. Unsere Umarmung fühlte sich schon sehr gut an, aber von der Stimmung her war es nun natürlich wichtig, reinweg Trost zu spenden und diese Emotion aufzunehmen, zu signalisieren, daß ich für ihn da wäre, um ihm in der schwierigen Situation Rückhalt und Beistand zu geben.
Die Umarmung hielten wir jedenfalls eine ganze Weile.
Ich fuhr überlegend fort: „Hmmm. Ja, das muß nicht einfach für euch beide sein. Aber mußt eben auch bedenken, daß Susanne gerade in einer besonderen Situation ist. Die Hormone spielen verrückt, so oft werden sich ihre Gedanken darum drehen, dem Kind in ihr optimale Voraussetzungen mitzugeben. Da ist die Grenze ihrer Möglichkeiten schnell erreicht.
Da kann es leicht zu Mißverständnissen kommen, die zügig auch ein wenig eskalieren können. So, wie du das schilderst, ist für euch beide da derzeit wohl wirklich Pause angesagt. Aber das wird sich sicherlich später nach der Geburt irgendwann wieder normalisieren, hoffe ich jedenfalls. Einstweilen wirst du also Geduld haben müssen, kannst kaum etwas tun, ohne die Lage nicht noch verfahrener zu machen.
Bei mir liegt die Situation wohl etwas anders.
Da könnte es durchaus hilfreich für Susanne sein, wenn ich mehr auf sie eingehe, ihr Halt gebe, sie unterstütze, was meinst du?“
Peter brummte: „Hmmmm hmmmm hmmm. Ja, ja also natürlich. Du hast ja Recht. Wenn du ihr zur Seite stehst, wird es ihr sicherlich helfen, besser durch diese Zeit zu kommen.
Das ist sehr nett von dir, wenn du das machen willst!“
Ich versicherte milde lächelnd: „Ist doch gar kein Problem. Ich gehe behutsam vor. Und derzeit ist die Stimmung zwischen Susanne und mir ja ohnehin ganz entspannt. Mit einer guten Freundin zur Seite wird es ihr leichter fallen, mit den Problemen umzugehen, sich zu entspannen, es sich gutgehen zu lassen. Ich nehme mir Zeit für sie, widme mich ihren Bedürfnissen. Da will ich mal nicht kleinlich oder nachtragend sein, wenn die Lage wirklich ernst ist und Susanne meinen Beistand braucht.
Und dich mag ich ja auch gerne.
Gerne spendiere ich dir auch ein gelegentlichen Trostknuddeln oder so, schon um die Zeit gut zu überstehen, damit du dich nicht etwas zurückgesetzt oder ausgeschlossen fühlst!“
Peter lächelte etwas verlegen, schaute mich kurz an, räusperte sich und meinte: „Das ist sehr lieb von dir …“
Damit hatte ich ja nun eigentlich bereits mit Peter abgeklärt, daß ich mich Susanne annähern würde. Und eine Annäherung zwischen uns hatte er ebenfalls nicht abgelehnt, also eigentlich gute Voraussetzungen, um gemeinsam etwas zu erreichen.
So offen diskutiert und mit seiner Zustimmung hätte ich nun von seiner Seite aus wohl keine Überraschungen zu erwarten. Indessen war das Gespräch natürlich nicht so eindeutig verlaufen, ich interpretierte das sicherlich anders als Peter, aber immerhin, wir hatten eine gewisse Grundlage für weiteres Vorgehen geklärt.
Bei Susanne jedoch mußte ich sachte vorgehen, um zu erkunden, auf welchem Wege es klappen könnte, sie wieder für mich zu gewinnen. So deutlich war das natürlich zwischen Peter und mir nicht ausgesprochen worden und Peter war das wohl gar nicht in den Sinn gekommen, aber so formal hatten wir eben doch etwas abgemacht. Jedenfalls würde Peter sich nun nichts dabei denken, wenn ich mit Susanne mehr Zeit verbringen würde.
Noch im Halbdunkel packten wir zusammen und zogen vorsichtig weiter, um weitere geeignete Orte zu finden, um dort Proben zu nehmen. Trotz einiger Abstecher lagen wir relativ gut in der Zeit, so kamen wir gegen Ende unserer Tour am Badesee an. Da hatte Peter ja bei unserem kleinen Ausflug mit Melanie bereits etwas entdeckt, was uns erst auf die Idee gebracht hatte. So untersuchten wir hier ausführlicher. Natürlich, durch das Vorhandensein des Wassers waren hier relativ günstige Bedingungen, die Seite weiter hinauf in die Berge war allerdings felsig und karg, reichhaltigere Vegetation war eher auf der anderen Seite zu finden, also grob in Richtung der Kolonie. Die Vegetation dort war allerdings zunehmend planvoll von den Ais angelegt worden, zwar über die Jahrzehnte verwildert, gleichwohl nicht im Zentrum des Interesses von Peter, der eher wissen wollte, wie sich die Vegetation dort entwickelt, wo es wenig gezielte Eingriffe von außen gegeben hatte, welche Gesellschaften von Mikroorganismen, Pilzen, Pflanzen sich dort behaupten und ausdehnen können, wo sich das nicht geplant kombiniert, sondern aus einer Zufallsmischung heraus selbst entwickeln muß.
Als wir mit der Expedition durch waren, hatten wir noch Zeit bis zum Abend. Wir übergaben dem Luftschiff die restlichen Proben und die nun einstweilen nicht mehr benötigte Ausrüstung. Dieses zog darauf ab. Wir waren ungestört, schauten über den See. Wir hätten zurück zu den Rädern schlendern können, wären anschließend relativ früh zurück in der Kolonie gewesen.
Ich wies mit der Hand auf den See, wedelte so vage mit den Fingern herum und meinte: „Also, ich hätte Lust, eine Runde zu schwimmen, und du?“
Peter schaute mich erstaunt an, erwiderte daraufhin: „Oh, habe gar keine Badehose mit …“
Ich lachte und erwiderte: „Meinst du, ich?
Ist doch egal, sind doch unter uns, ist ja nichts dabei.
Also los?
Kommst du mit?“
Ich ging fröhlich lachend ein paar Schritte weiter auf eine größere Felsplatte am See, näherte mich dem Wasserrand und guckte nach einer Stelle, an welcher man einsteigen könnte.
Die fand sich zum Glück schnell, ich drehte mich schmunzelnd zu ihm, sprach: „Hier kommt man gut und sicher rein!“, wobei ich auch schon begann, mich meiner Sachen zu entledigen, noch ohne mich nach Peter umzusehen. So nackt und bloß bekam er zunächst nur meine Rückenansicht zu sehen, ich reckte mich allerdings, streckte mich, kniff die Popacken zusammen und gab meinen Hüften einen lasziven Schwung, bevor ich meine Beine grazil in Richtung See in Bewegung setzte.
Ich tänzelte spielerisch herum, griff mit den Fingern locker in die Leere, drehte mich, um Peter ebenfalls mit meiner Vorderansicht zu beeindrucken, aber nur so flüchtig, das zieht viel besser als eine dauerhafte Exposition, um ihn zu locken und zu versuchen. Also stieg ich zügig in den See, dessen Temperatur ganz angenehm war. Und so machte ich gleich meine ersten Schwimmzüge. Erst etwas weiter draußen auf dem See drehte ich mich erneut um, schaute nach Peter. Tatsächlich hatte dieser sich ebenfalls entkleidet, eine Hand wie zufällig vor sein Gemächt haltend, daß ich den aktuellen Zustand nicht eindeutig erkennen konnte. Aus der Höhe der Hand vermochte ich allerdings schon erahnen, daß bereits meine minimalistische Aufführung die gewünschte Wirkung hinterlassen hatte. Peter stand auch noch etwas zögernd auf der Felsenplatte. Als er allerdings mitbekam, daß ich guckte, lachte er etwas verlegen und stieg ebenfalls ins Wasser, schwamm locker und ohne Eile auf mich zu.
Als er fast heran war, flitschte ich ihm fröhlich lachend eine kleine Wasserfontaine hinüber. Peter grinste, flitschte beherzt zurück, woraus sich eine kleine Wasserschlacht entwickelte. Wir hatten richtig Spaß, alberten herum, spielerisch floh ich, ließ mich einholen. Und wenig später hielten wir uns unvermittelt in den Armen. Ich zog mich ganz an ihn heran, spürte seine Erektion, kommentierte das allerdings nicht, gab ihm einfach einen lieben Kuß auf die Wange und legte mein Kinn auf seine Schulter. Peter wiederum wußte wohl gar nicht so richtig, wie er mit der Situation umgehen sollte. So hilflos war er schon richtig süß und ich genoß diesen Wirbel der Emotionen. Das hatte sich schon sehr schön entwickelt, wenn er jetzt allerdings nicht die Initiative für mehr ergreifen würde, wollte ich auch nicht gleich weiter voranstürmen, mit Übereilung eventuell noch die angeregte Stimmung verderben.
Nachdem wir eine Weile unsere Vertrautheit ausgekostet hatten, erlöste ich ihn aus der Situation, entließ ihn aus meinen Armen, ging wieder auf etwas Abstand, flitschte wieder fröhlich lachend Wasser zu ihm hin, drehte mich und schwamm zurück zum Ufer, wo unsere Sachen auf uns warteten. Peter folgte. Angekommen stieg ich mit Schwung aus dem Wasser. Nun hatten wir ja nichts zum Abtrocknen mit, die Felsplatte war im Sonnenschein allerdings recht warm, so schüttelte ich mich lachend ordentlich ab, legte ich mich einfach auf den kahlen Fels und gab Rasol eine Chance, mich wenigstens etwas zu trocknen.
Als Peter am Ufer angekommen war, zögerte er etwas.
Ich merkte nur an: „Nun hab’ dich nicht so und komm’ schon raus!“
Etwas verlegen antwortete Peter: „Hmhm, tja, ähm, fürchte nur, nach unserem fröhlichen Wasserspielchen könnte das ein wenig peinlich werden …“
Ich lachte und entgegnete: „Habe ich erstens sowieso schon im Wasser bemerkt, zweitens: laß’ einfach mal sehen, bin gerne neugierig!“
Peter lachte verlegen, genierte sich schon ein wenig, kam aber doch heraus – und präsentierte mir schon eine prächtige Erektion, die eigentlich gleich Lust auf mehr machte!
Er hatte da schon etwas zu bieten, nicht nur das Gemächt, der ganze Körper ist schon sehr ansehnlich und appetitlich. Nun ist er gewiß kein Muskelmann, auch keineswegs fettig, also griffig und ansehnlich und männlich, wie es sein soll, ohne in eine bestimmte Richtung zu übertreiben.
Peter eilte nun allerdings, schüttelte ebenfalls unterwegs möglichst viel Wasser ab, legte sich so etwa knappe zwei Meter von mir ebenfalls auf den Felsen, wobei er sein Gemächt hielt und sich auf den Bauch legte, um dieses abstehende Faszinosum im Weiteren doch vor mir zu verbergen. Ich lachte und er lachte endlich mit. Wir genossen fürderhin jedenfalls einfach nur die Sonne und die Wärme auf der Felsplatte. Und Peter beruhigte sich wohl auch etwas, weswegen er sich ebenfalls umdrehte, als ich das tat, um mich auch auf der anderen Seite trocknen zu lassen. Dabei rollte ich einfach auf dem Untergrund herum, lag so nun gut eine Körperbreite näher an ihm dran. Er drehte sich hingegen auf der Stelle. So dramatisch stand sein gutes Stück nun auch nicht mehr ab, allerdings legte er doch bergend seine Hand darüber.
Als wir so halbwegs trocken waren, war es auch allmählich Zeit, zurück zu Kolonie aufzubrechen. Also zogen wir uns in guter Laune an und spazierten zurück zu den Rädern. Und mit denen ging der Rückweg letztlich relativ schnell.
Wieder zurück in der Kolonie erläuterte Susanne, was sie so nebenbei noch geschafft hatte, wir berichteten von der Expedition. Susanne hatte ohnehin gerade genug mit Melanie zu tun, so machten Peter und ich uns erst einmal frisch, worauf Peter bereits wieder im Arbeitsbereich war, um nach seinen Projekten zu sehen. Die Auswertung der heutigen Proben würde natürlich noch etwas dauern. Es ging ihm also vorrangig um andere Ergebnisse.
Ich gesellte mich erst noch kurz zu Susanne und Melanie. Derzeit war Melanie allerdings ruhig und beschäftigte sich selbst mit Spielkram. So hatten Susanne und ich etwas Zeit für uns. So diskutierten wir weiter am Projekt herum, saßen nebeneinander auf dem Boden, schauten Melanie zu.
Ich fragte einfach mal so: „Habe unterwegs etwas mit Peter geredet.
Wie ist eigentlich deine Sicht, wie es gerade zwischen euch läuft?“
Susanne sah mich kurz an, senkte etwas verlegen den Blick, schwieg noch kurz, seufzte alsdann und hub an: „Naja, wenn du bereits mit Peter darüber geredet hast, wirst du ja bereits wissen, daß es gerade nicht so toll läuft. Ich kann irgendwie nicht richtig auf ihn eingehen. Da schiebe ich ihm sicherlich nicht die Schuld zu, aber trotzdem ist da diese Distanz entstanden, die wir nicht mehr überwinden können. Derzeit ist die Situation irgendwie ziemlich verfahren …“
Ich erwiderte: „Hmmm, wenn wir mal davon ausgehen, daß das zum guten Teil mit der Schwangerschaft zusammenhängt, es da in der Folge zwischen euch irgendwie zu Komplikationen gekommen ist, so ist das doch erst einmal nicht so dramatisch. Du machst das so, wie es sich für dich richtig anfühlt. Ist die Geburt überstanden, hast du dich davon erholt, sieht die Welt wieder ganz anders aus. Da könnt ihr euch Zeit lassen, um auch über die Kinder wieder einen neuen Bezug zueinander zu finden. Da solltest du dich jetzt nicht groß sorgen.“
Susanne schluckte, nickte: „Hast wohl Recht. Je mehr ich das dramatisiere, desto schlimmer wird es, desto komplizierter wird es, das später wieder einzurenken. Derzeit geht es jedenfalls nicht. Tut mir auch leid, aber ist nun einmal so. Und dabei wäre das jetzt eigentlich schon eine Zeit, in welcher ich Nähe und Geborgenheit gut brauchen könnte, aber so richtig wohl würde ich mich mit Peter nicht fühlen, da vermischt sich zuviel, verschiedene Ebenen, ist eben kompliziert.“
Ich nickte, schaute sie wieder an. Unsere Blicke trafen sich. Ohne ein Wort zu sagen, neigte ich mich zu ihr, nahm sie einfach in die Arme. Susanne seufzte und erwiderte die Umarmung. Wir hielten uns einfach.
Etwas später meinte sie: „Mit dir ist es irgendwie einfacher. Da fühle ich mich wohl, da ist nicht dieser Vorbehalt, diese Distanz, obwohl, ja obwohl wir ja auch unsere herbe Krise hatten.“
Ich versicherte: „Die haben wir ja nun ganz gut überwunden. Ich bin natürlich für dich da, unterstütze dich, biete dir Geborgenheit und Nähe, wie du es magst. Wir sollten das einfach mal alles nicht überbewerten, einfach wohlfühlen und uns von dem leiten lassen, was wir gerade empfinden, was uns guttut, meinst du nicht?“
Susanne nickte, noch immer an meine Wange angebuckt.
So waren wir uns schon ein ganzes Stück nähergekommen, das ließ sich ganz gut an. Darauf könnte ich aufbauen. So ganz sicher war ich mir allerdings auch nicht mehr, denn wenn ich sie nun ernsthaft angehen würde, um sie zu vernaschen, ganz für mich zu gewinnen, bestand ja auch wieder die Gefahr, daß für sie auch mit mir wieder alles komplizierter würde, daß sich ebenfalls Vorbehalte entwickeln könnten. Andererseits fühlte sich das mit ihr in meinen Armen, mit ihrer Umarmung schon so unglaublich gut an. Mir schien, es wäre nur noch ein kleiner Schritt, um sie wieder für mich zu gewinnen. Und da wäre es doch dumm, es nicht zu versuchen.
Ich riskierte es mal und meinte: „Für Peter ist es ja auch nicht so einfach. Es wäre vielleicht gar nicht schlecht, wenn ich etwas vermitteln würde, ihn auch ein wenig über die schwierige Zeit hinwegtrösten.
So könnten wir alle drei etwas weiter zusammenrücken, das könnte uns allen helfen, meinst du nicht?“
Susanne sah mir kurz tief in die Augen, überlegte noch einen Moment, nickte alsdann: „Du hat natürlich Recht, zusammen kommen wir immer weiter!“
Bald war Abend, wir bereiteten für alle das Abendessen vor. So verbrachten wir danach noch einen ruhigen Abend zusammen.
Am nächsten Tag machten wir nicht gleich wieder eine Expedition. Über Nacht waren bereits die meisten unserer Proben analysiert worden, nicht komplett, aber es gab bereits genug Ergebnisse, denen sich Peter widmen konnte. Das war allerdings nicht so viel zu tun, das konnte er auch nebenbei beobachten.
So schlug ich vor: „Ich würde gerne heute mit Susanne einen Ausflug an den See machen. Das Wetter ist prima und der See sah gestern schon sehr einladend aus. Und nachdem ich gestern mit dir, Peter, unterwegs war, ist es doch nur angemessen, wenn ich heute einen schönen Ausflug mit Susanne mache.
Derweil paßt du, Peter, zusammen mit Esme auf Melanie auf, so wird das ein wirklich ruhiger Ausflug, bei welchem Susanne etwas entspannen kann, nicht ständig aufpassen muß!“
Susanne schaute mich etwas überrascht an.
Peter griff das aber gleich auf: „Kein Problem, kann mich mit Esme sehr gut mal um Melanie kümmern. Und du hast schon Recht, das Wetter ist günstig für Ausflüge. Die Auswertung will ich sowieso abwarten, kann mir dabei gut Zeit nehmen, um mich mehr mit Melanie zu beschäftigen, die soll ja auch nicht zu kurz kommen bei all den Projekten.“
So war das abgemacht und nach dem Frühstück packten Susanne und ich ein paar Sachen zusammen und machten uns mit den Rädern auf den Weg zum Badesee.
Dort angekommen packten wir unseren Kram auf der Felsplatte aus. Wir hatten unter anderem eine dickere, große Decke dabei, welche wir dort ausbreiteten. So hatten wir es deutlich bequemer als auf dem nackten Felsen, welcher allerdings Wärme gespeichert hatte, also von daher eine angenehme Unterlage bot, zusammen mit der dicken Decke zudem nicht einmal hart.
Ich schlug alsdann vor: „Könnten ein Bad nehmen, was meinst du?“
Susanne schaute etwas verlegen zu mir.
Ich hakte nach: „Was denn?
Nackt haben wir uns beide schon gesehen, ist doch nichts dabei!“
Susanne verzog den Mund zunächst, wies so mit einer Geste der Hand an sich herunter, antwortete danach: „Also, verändert habe ich mich schon, ist mir etwas peinlich.“
Ich lächelte sie aufmunternd an, kam auf sie zu, nahm sie einfach in die Arme: „Blödsinn, siehst sehr hübsch aus, schwanger steht dir sehr gut!“
Wir lachten beide.
Und so begann ich einfach, ein wenig an ihren Klamotten zu fummeln, Susanne kicherte, wurde unruhig, fummelte aber auch bei mir herum, das nahm etwas zu, worauf sie sich lachend löste und wir jauchzend und giggelnd ein wenig Fangmich mit Hakenschlagen, Drehen, Wenden, Knuffen spielten, was alsbald darin gipfelte, daß ich sie spielerisch ergriffen hatten und ihr ungeniert und ungehemmt meine Lippen auf die ihren drückte.
Das hatte sich eigentlich von selbst ergeben und sie wehrte nicht einmal ab!
Wir standen, umarmten uns innig, küßten weiter, rieben, streichelten und rubbelten noch ein wenig ziellos aneinander herum, umarmten uns dabei immer fester.
So unvermittelt war selbst ich ein wenig überrascht von der rasanten Entwicklung, daß mir bei unserem drängenden, innig anhaltenden Kuß schon etwas schwindelig wurde. Ich fummelte weiter und schnell war meine Hand auf ihrer nackten Haut, streichelte, koste.
Irgendwie lagen wir bald auf unserer Decke und ließen uns gehen, daß es eskalierte. Susanne sog das förmlich auf und ich machte weiter, was sie erwiderte. So flogen unsere Klamotten schnell und nackt ging es weiter, wie in Raserei und doch angemessen vorsichtig angesichts der Schwangerschaft von Susanne. Das bezog ich gut mit ein und widmete ihrem gerundeten Bauch gleichfalls reichlich Aufmerksamkeit und liebevolle Zuwendung. Das nahm Susanne nun gut an. Das war irgendwie schon ein Indiz, daß wohl derzeit primär der Sex zwischen ihr und Peter das Problem war, nicht Zärtlichkeit, Nähe, Sex im allgemeinen. So setzte ich meine kleine Liebesattacke vorsichtig weiter fort, übereilte nichts. Vielleicht auch deswegen ließ sich Susanne darauf ein und schnell saugten, rubbelten, massierten, rieben wir aneinander und wirbelten herum und genossen es. Ja, Susanne reagierte immer noch ähnlich, so daß ich gut davon profitierte, ihre empfindlichen und erogenen Zonen bereits zu kennen. Ich nahm mich selbst dabei durchaus zurück, um keineswegs zu überziehen. Aber Susanne war inzwischen voll dabei. Alles um uns herum schien ganz vergessen zu sein, so näherten wir uns immer weiter unserem hemmungslosen, gemeinsamen Rausch. Die Erlösung in Ekstase und inniger Umarmung kam fast gemeinsam. Es schwappte über uns zusammen und wir genossen nur noch, in unserer gegenseitigen Umarmung geborgen und sicher aufgehoben.
Wir klebten wortlos zusammen und hielten uns und daran fest, uns wieder gefunden zu haben. Inzwischen war die Tagesdunkelheit gekommen. Wir zogen einfach nur die Decke um uns herum und dösten ein wenig, unsere Zweisamkeit genießend.
Später aßen wir ein wenig von dem, was wir mitgenommen hatten. Weil es inzwischen wieder heller war, ging es nun erst ins Wasser, wo wir herumalberten, plantschten, nicht voneinander lassen konnten. So waren wir schnell wieder an Land auf unserer Decke und nahmen eine zweite Runde in Angriff. Und auch mit der ging es relativ fix bis zur Ekstase, wonach wir erneut in unserem Schweiß zusammenklebten, genossen, es langsam abklingen ließen. Ganz beruhigt erfrischten wir uns nochmals im Wasser, trockneten uns gegenseitig ab, zogen uns lachend wieder an, aßen noch etwas.
Wir hatten nicht darüber gesprochen, was das nun für uns konkret bedeuten mochte. Wir waren uns erst einmal darüber einig, daß es so gut war. Susanne fühlte sich bei mir wohl, geborgen, angenommen, hatte genug Freiraum, um die Situation so zu beeinflussen, daß es in ihrem Sinne lief.
Am späten Nachmittag packten wir zusammen und radelten zurück. Wieder in der Kolonie erzählten wir Peter erst einmal nichts von unserer frisch erblühten Liebelei. Stattdessen erzählte dieser kurz, wie er den Tag mit Melanie gestaltet hatte – oder diese mit ihm, was zudem bis jetzt bei den Analysen herausgekommen war. So bestand also gar keine Notwendigkeit, groß darauf einzugehen, wie wir den Tag verbracht hatten, das reduzierte sich auf einen Kurzbericht: plaudern, dösen, schwimmen, sonnen, entspannen.
Den nächsten Tag brachen Peter und ich nach dem Frühstück wieder mit den Rädern zu einer Expedition auf. Diesmal ging es nicht in die karge, bergige Region, diesmal lag der Schwerpunkt mehr im Bereich des Sandstrandes und seiner weiteren Umgebung, dem Übergang ins Inland. Im Wasser des Meeres ist ja allerhand gelöst, also noch deutlich mehr als in den Meeren auf der Erde, daher ließ sich bislang im Meer auch nur wenig Vegetation ansiedeln, vielleicht ebenso ein Grund, warum das Leben auf Skylla früher keine Chance hatte. Die Brühe braucht schon sehr robuste Organismen. Auf der Erde gibt es ja durchaus Organismen, die unter extremen Bedingungen existieren. Es war nur nie so ganz klar, ob das eine spätere Anpassung war oder ob diese Organismen bereits seit den Anfängen des Lebens auf der Erde in diesen extremen Nischen ihr Auskommen gefunden hatten. So oder so war das hier in der Brühe des Meeres nicht passiert. Mittlerweile hatten die Ais über die Jahrzehnte unserer Besiedlung ja durchgehend daran gearbeitet, Stoffe aus dem Meer zu extrahieren. Obgleich es viel kleiner als auf der Erde ist, ist das Wasser allerdings trotzdem nicht über ein paar Jahrzehnte zu klären. Immerhin reichte die Wasserqualität inzwischen, um darin einige robuste Organismen zu etablieren. Der Plan bestand nun darin, eine Entwicklung einzuleiten, bei welcher Organismen dabei helfen, die chemische Zusammensetzung des Meeres zu verändern. Das war auf der Erde gleichfalls passiert, als die ersten Organismen per Photosynthese Sauerstoff im Meerwasser produziert haben, so unter anderem dafür gesorgt haben, daß gelöstes Eisen als Rost ausgefällt wurde. Ähnliche Vorgänge hatten die Ais auch hier auf Skylla im Sinn. Inzwischen war es durchaus gelungen, einige Organismen für diese Zwecke im Meer zu etablieren, die Chemie des Meeres also nicht nur mit technischen Anlagen an der Küste zu manipulieren.
Für die Küste unserer Insel bedeutete das jedenfalls, daß die Vegetation dort ebenfalls robust an die Zusammensetzung des Wassers angepaßt sein muß, ähnlich wie an Küsten auf der Erde. Aufgrund des durchaus vorhandenen Regens kam natürlich auch Wasser von den Bergen, der Küstenbereich filterte ferner, weswegen es unterschiedliche Zonen hinsichtlich der Zusammensetzung des Wassers gibt, welches für die Vegetation verfügbar ist. So ändert sich die Pflanzengesellschaft folglich je nachdem, welche Wasserqualität verfügbar ist. Daher hatten wir im Küstenbereich also einige unterschiedliche Zonen für unsere Untersuchungen.
Die Tagesdunkelheit verbrachten wir am Sandstrand. Neben dem Essen plauderten wir angeregt über unsere Expedition, dösten etwas herum, hatten auch etwas zu lesen mitgenommen. Als es wieder hell wurde, setzten wir unsere Untersuchungen fort. Auch für diese Expedition hatten wir absichtlich ein nicht sehr ambitioniertes Programm geplant, weil ja doch immer wieder interessante Sachen in unser Gesichtsfeld kamen, auf welche wir spontan reagierten.
Insgesamt waren wir mit unserem Programm wieder zeitig durch, hatten unsere Proben und unsere Ausrüstung bereits an das begleitende Luftschiff übergeben.
So schlug ich vor: „Noch Lust auf ein Bad im Badesee?“
Peter stimmte lachend zu, also ging es mit den Rädern los. Sorglich hatte ich diesmal sogar Handtücher dabei. Weil das ganz günstig dort war, radelten wir wieder herum, bis wir den Bereich mit der Felsplatte erreicht hatten, auf welcher sich nach dem Bad gut liegen ließ.
Ich legte schon einmal schmunzelnd die Handtücher aus. Fröhlich und in gelöster Stimmung zogen wir blank, Peter nun auch ohne Zögern, stürmten so in den See. Dort schwammen wir erst ein wenig, wobei es nicht lange dauerte, bis wir wieder herumalberten, eine kleine Wasserschlacht veranstalteten, uns wieder spielerisch näherkamen. So heizte sich die Stimmung schon gut an, bis wir uns wieder in den Armen lagen. Diesmal wollte ich schon weitergehen und wagte es, drückte meine Lippen auf die seinen. Peter schreckte nicht einmal zurück, erwiderte diese Zärtlichkeit. So entwickelte sich das zu einer richtigen Knutscherei. Das tat uns beiden gut.
Das war nun so anregend, daß ich meinte: „Ist vielleicht doch besser, wir gehen wieder an Land.“
Peter erwiderte etwas verlegen: „Ähm ja – natürlich!“
So schwammen wir also zurück, stiegen aus dem Wasser. Noch in der Umarmung hatte ich natürlich bemerkt, daß Peter wieder eine ordentliche Erektion hatte. Ungeniert grinsend schaute ich nun nach ihm. Und das gute Stück stand wirklich prächtig ab.
Peter hatte wohl vermutet, mit meinem Rückzug aus dem Wasser wollte ich eine weitere Eskalation vermeiden. Ich hingegen kam wieder dicht an ihn heran, rieb mich an ihm und wie von selbst hatte nun eine Hand von mir zu seinem Gemächt gefunden, um dieses zart zu kosen. Peter war verblüfft, wehrte allerdings auch nicht ab. So machte ich weiter, meine Lippen trafen wieder auf die seinen und abermals entwickelte sich das zu einer wilden Knutscherei, bei welcher Peter mich zügig umarmt hatte, wobei seine Finger meinen Leib zu erforschen begannen, bald schon meinen Po massierten.
In einer kurzen Unterbrechung unserer Knutscherei lachte ich fröhlich, sah ihm tief in die Augen, zog ihn mit mir und hinab auf die Handtücher. Dort knutschten und fummelten wir weiter herum. Das ging ziemlich wild zu. Ich steuerte aber schon noch ganz gut, daß irgendwann Peter auf dem Rücken unter mir lag. Nun zögerte ich nicht länger, kniete erst noch so halb über ihm, um mich an ihm zu reiben, mit einer Hand seine Hände an meine Brüste zu führen. Peter durfte und sollte richtig kosten, so entbot ich meine Brüste auch seinen Lippen und er sog freudig an den Nippeln, massierte und genoß. Das tat ich ebenfalls, denn Peter machte das schon sehr angenehm für mich. Und so hielt ich mich gar nicht länger auf, positionierte meinen Schoß geschickt um, koste erst noch mit einer Hand seinen so reizvollen Penis, um diesen alsdann gleichfalls gut auszurichten. Und so nahm ich ihn auf, tief und innig, daß Peter lustvoll und auch ein wenig verdattert stöhnte. Allerdings war er viel zu erregt und gierig, um etwas dagegen zu haben. Und so bewegte ich mich erst vorsichtig auf ihm, fand einen für uns beide angenehmen Rhythmus, in welchen wir uns zügig hineinsteigerten. Ich brachte es irgendwie dahin, daß ich etwas stärker angeregt wurde als Peter, hatte so schnell einen Erregungszustand erreicht, der eine Lustlösung ermöglicht hätte, es allerdings noch ein wenig zuließ, diese zu verzögern. Nun spannte ich mehr an, steigerte die Anregung für Peter erheblich. Nun wurde der Ritt wilder, intensiver. Zunehmend unkontrollierter wurden Peters Bewegungen unter mir, ja, ja, bis er heftig zuckte und sich mit kräftigen Stößen in mir entlud, was ich wiederum zum Anlaß nahm, meine Zurückhaltung aufzugeben und völlig einzustimmen, es heftig kommen zu lassen, mich ganz hinzugeben und nur noch diesen Wirbel zu genießen, wobei ich mich letztlich hinabbeugte und mit meinen Lippen wieder die seinen traf, seinen Atem aufsaugte, daß wir ganz verschmolzen und vereint umschlungen lagen, keuchten und zuckten.
Nun war es also passiert!
Ich hatte abermals mein Ziel erreicht. Und in diesem gemeinsamen Rausch, dieser Ekstase und Erlösung war uns gar kein Raum für Hemmung oder Überlegung geblieben. So blieb uns nur zu genießen.
Es dauerte, bis wir mit unserem Verstand wieder ganz bei uns waren. Etwas verlegen löste sich Peter, stand auf, lief auf und ab. Ich lag noch versonnen, sah ihm erst nur dabei zu.
Endlich merkte ich an: „Ist doch alles in Ordnung. War sehr schön, aufwühlend, befriedigend …“
Peter fuhr sich durch das Kopfhaar und erwiderte: „Hmmm hmmmm hmmm, naja, naja, aber, aber Susanne?“
Ich winkte schmunzelnd ab und antwortete: „Ach ach ach. Ist nun einmal, wie es ist. Erst habe ich mit Susanne herumgemacht, daraufhin du. Und nun haben wir beide eben mal Spaß miteinander. Das entwickelt sich eben – mal so, mal so. Das sollten wir nun nicht dramatisieren, aber sicherlich gerne wiederholen …“
Ich lachte, doch Peter wirkte besorgt: „Hmmm hmmmm hmmm, tja, also, aber, wie sollen wir das Susanne beibringen, wird ihr sicherlich zusetzen …“
Ich nickte und entgegnete nun ernst: „Hast ja Recht. Müssen es ihr aber auch nicht gleich so schroff auf die Nase binden. Wenn ich dich richtig verstanden habe, läuft derzeit zwischen euch beiden sexuell ohnehin nichts. Von daher könnten wir uns doch auch weiterhin etwa nach solch einer Exkursion fröhlich miteinander vergnügen. Damit provozieren wir nun nicht gleich einen Konflikt oder eine tiefe Krise. Wir machen eben das Beste aus der Situation und genießen erst einmal einfach, daß wir so schön harmonieren. Ist doch nichts dabei, ein wenig Spaß zu haben.“
Peter lief noch immer unruhig, nervös herum. Ich hatte mich wieder entspannt hingelegt, nackt, mit leicht geöffneten Schenkeln die Sonne auf der Haut genießend.
Irgendwann meinte Peter: „Also gut, wenn du meinst …“
So waren wir uns also einstweilen einig. Peter wurde ohnehin nicht mehr ruhig. So stand ich gleichfalls bald auf. Wir zogen uns an, radelten zurück zur Kolonie. Wir waren etwas schneller unterwegs, als auf dem Hinweg, Peter hatte da einen deutlichen Bewegungsdrang. Aber das half ihm offenbar.
Peter hatte ich jedenfalls nun an der Angel, er würde sich mir wohl nicht mehr entziehen wollen oder können. Und jenseits des Bedürfnisses nach Revanche hatte das ordentlich Spaß gemacht, hatte mich befreit von Frustration und diesem Zweifel. Ich hatte es einfach drauf, hatte mein Ziel mehr als erreicht, denn das war mit Peter wirklich intensiv gewesen. So verwunderlich war das im Grunde nicht, denn wir verstanden uns gut, hatten viele Gemeinsamkeiten und beide eben überdies Bedürfnisse, die wir gemeinsam gut befriedigen konnten, wie sich nun eindeutig und heftig gezeigt hatte.
Wegen Susanne sollte er ruhig dabei ein etwas schlechtes Gewissen haben, das hatte er sich schon verdient, befand ich. Das war ganz in Ordnung. Ich hatte hatte mir allerdings selber nicht überlegt, wie oder wann wir das Susanne offenbaren sollten. Umgedreht war ja auch Peter noch zu offenbaren, was zwischen mir und Susanne gelaufen war. Nun hatte ich zwar mit großem Vergnügen beide vernascht, hatte aber noch keine Einigkeit darüber erzielt, wie wir weiterhin unbeschwert und zu dritt unseren Spaß haben könnten, ohne dabei jemanden auszugrenzen oder zu verärgern. Darin bestand nun schon noch eine gewisse Herausforderung.
Da beide mit mir Spaß hatten, war formal logisch jedenfalls auszuschließen, daß sie allzu sauer sein konnten, also vielleicht ein wenig auf mich, aber weniger aufeinander. So sollte doch die Offenbarung in einem einfachen Gespräch nicht so dramatisch sein. Das sollte doch hinzubekommen sein.
Wegen des Kindes mußte ich mit Susanne natürlich schon etwas vorsichtig sein.
Vielleicht war ich doch etwas vorschnell vorgegangen?
Da sollte ich mir schon etwas einfallen lassen, um ihr das irgendwie schmackhaft oder wenigstens akzeptabel zu machen. So rein intellektuell sollten die beiden eigentlich schon einsehen, daß wir so zu dritt ja nun nicht so viele Möglichkeiten hatten, unsere Bedürfnisse zu befriedigen. Ferner verlangte das bisherige Durcheinander geradezu nach einem solchen Ausgleich der Leidenschaften. Allerdings ist Susanne doch sehr sensibel, kann durchaus gleichfalls aufbrausend sein, sich ordentlich selbst über Kleinigkeiten echauffieren. Da könnte der neue Sachverhalt sie schon treffen, das Kind belasten. So würden wir uns also schon etwas einfallen lassen müssen, um es ihr emotional schonend beizubringen, daß wir nun eben zu dritt und wechselnd unseren Spaß hatten, Nähe genießen würden. Ich konnte nur hoffen, daß Peter keine übereilten Dummheiten machte, versehentlich damit herausrückte, was passiert war.
Zurück in der Kolonie war Peter wieder zügig bei der Arbeit. Das tat er auch wohl schon, um Susanne wenigstens kurzfristig aus dem Wege zu gehen und wieder ganz zu sich zu finden.
Ich überlegte noch ein wenig über das weitere Vorgehen. Jedenfalls gesellte ich mich zu Susanne und Melanie. Schnell tauschten wir erneut Zärtlichkeiten aus und waren ganz versonnen dabei, miteinander zu knutschen. Da ergab es sich ganz gut, daß sich Melanie gerade selbständig mit Spielzeug beschäftigte. So drehten und wirbelten wir schnaufend und lachend herum, landeten im Nebenraum und fummelten und machten so herum, woraus sich sehr schnell ein regelrechter Quickie entwickelte, bis wir beide im Rausch bis zur Ekstase aneinanderklebten.
Als wir wieder ganz bei uns waren, schauten wir schnell nach Melanie. Die war allerdings noch immer gut beschäftigt. Etwas selbständiger war sie schon geworden. Das hatte sich günstig ergeben. So machten wir uns eilig etwas frisch, zupften uns wieder ganz korrekt zurecht. So konnte es hernach zum Abendessen gehen, welches wir gemeinsam zubereiteten. Etwas aufgedreht waren wir auch heute wieder durch unsere heftige Eskapade. Aber Peter war so mit seinen Angelegenheiten und wohl auch noch unserer gemeinsamen Affäre beschäftigt, daß er davon gar keine Notiz nahm. Und wir wollten es ihm wohl auch nicht geradezu auf die Nase binden.
Ich hatte wieder fast die gleichen Gedanken wie nach dem Zusammensein mit Peter: Wegen Peter sollte Susanne ruhig bei unserer Liebelei ein etwas schlechtes Gewissen haben, das hatte sie sich schon verdient, befand ich. Da wollte ich ihr einstweilen auch gar keine goldene Brücke bauen, sie ruhig etwas schmoren lassen. Das machte unser kleines Abenteuer ja noch aufregender, heftiger, intensiver. Das war ganz in Ordnung. Ich hatte mir zudem selber nicht überlegt, wie oder wann wir das Peter offenbaren sollten. Immerhin sollte auch ihm das nicht so sehr zusetzen, daß Susanne noch Streß dadurch bekommen würde, daß es da gar noch Probleme mit dem Kind geben könnte. Da sollte ich mir also wirklich etwas einfallen lassen, um ihm das irgendwie schmackhaft oder wenigstens akzeptabel zu machen. Immerhin hatte ich mich ja mit ihm unterhalten und er war damit einverstanden gewesen, daß ich mich etwas mehr um Susanne kümmern würde. Vermutlich hatte er sich dabei nicht gedacht, daß sich das gleich so entwickeln würde, aber nun war es einmal so. Bei mir war Susanne nicht blockiert und so hatte sich ein Ventil ergeben, wo sie endlich richtig Druck ablassen konnte.
Und mit Peter hatte es auch reichlich Spaß gemacht, für ihn war das sicherlich ebenfalls ein Ventil, eine Ablenkung in der verfahrenen Situation.
Eigentlich aber sollte es mir doch gelingen, nun, nachdem ich so weit mit beiden gekommen war, sie ganz miteinander zu versöhnen. Da wäre es doch vielleicht möglich, auch einmal zu dritt aktiv zu werden oder auch einmal wieder die beiden zusammen. Nun, überstürzen sollten wir das natürlich auch nicht.
Was könnte als nächstes passieren?
Künstliche Befruchtung
Der Vorschlag, eine weitere Person auszuwählen, ging mir noch weiter durch den Kopf.
Hatten Peter und Susanne das befürwortet, um mich abzulenken?
Implizierte das nicht irgendwie die Annahme, es ginge einfach nur darum, mit irgendwem intim zu sein?
Implizierte das nicht auch das Problem, welches schon die erste Krise zwischen mir und Susanne ausgelöst hatte, als diese das Gefühl bekommen hatte, nur ausgewählt worden zu sein, um mir als Gesellschaft zu dienen?
Würde das unter den gegebenen Umständen die neu ausgewählte Person nicht erst recht haben?
Ich schwankte, war mir unsicher, sah mir aber doch am übernächsten Tag einmal ganz unverbindlich erneut die Daten durch. Ich hatte mir überlegt, daß die Person ja doch jedenfalls beruflich gut zur aktuellen Lage passen sollte oder jedenfalls flexibel einsetzbar sein. Im Vergleich zu meiner damaligen Situation auf dem Raumschiff, anschließend auf der Raumstation hatte sich die Lage hier in der Kolonie deutlich geändert. Hier würden nun bald weitere Qualifikationen relevant werden, die es damals noch nicht waren.
Über diese Erwägungen hinaus wären ausschließlich persönliche Kriterien wohl bedenklich, allerdings unterdessen nicht komplett ausgeschlossen, käme wohl auf eine geschickte Argumentation an. Ich konnte ja nun keinesfalls davon ausgehen, daß dabei mehr als eine persönliche Bekanntschaft herauskommen sollte. Um eine weitere Person zu integrieren, wäre es also von Vorteil, wenn dieser die Nützlichkeit innerhalb der Kolonie einleuchten würde. So würde diese sich auch schneller einfinden und die Situation fernab der Erde akzeptieren.
Nun, ich sollte auch schon ein Auge darauf haben, ob die Person vielleicht zu mir passen könnte. Das wäre ja immerhin sehr nützlich für die soziale Struktur. Und so hätten in der Folge ja auch doch eigentlich persönliche Kriterien Relevanz für die Kolonie.
Nach noch etwas mehr Nachdenken verwarf ich die Option allerdings. Ich dachte mir so, daß ich eigentlich mit Peter und Susanne noch gar nicht richtig fertig war, noch mit dem Geschehenen, mir Widerfahrenem noch gar nicht wirklich abgeschlossen hatte, um mich einer anderen Person zuzuwenden. Das würde nur zu weiteren Problemen führen, wenn ich überstürzt vorginge, mich wieder in eine neue Affäre stürzte, bevor die aktuelle Situation richtig verarbeitet war, ich angemessen damit umgehen konnte. Ich hatte noch nicht genug Distanz, um neu zu beginnen.
Und gelang es mir wirklich, die Situation etwas distanzierter zu sehen, weniger aus meiner persönlichen Perspektive, so mußte ich schon einräumen: So als Familie und ebenso einzeln waren sie schon zu süß. Melanie war einfach ein Traum von Kind. Das machte mir schon ein wenig Lust auf ein eigenes.
Und bei Susanne war bereits ein zweites unterwegs, da lag ich nun eindeutig zurück!
Und da spürte ich widersprüchliche Gefühle in mir kämpfen und brodeln: Einerseits war die Familie schön anzusehen, andererseits war ich erheblich mißgestimmt, daß ich nicht daran beteiligt wurde, daß mir das nicht zukam.
Eifersucht?
Vielleicht.
Mehr aber wohl irgendwie das Gefühl, aufgrund der Konservierung einer Situation ausgeliefert zu sein, nicht einmal ansatzweise kontrolliert haben zu können, was passiert war. Einmal abgesehen vom Problem, die Beziehung zwischen Susanne und Peter zu akzeptieren, wäre ich natürlich gerne bei Susannes erster Schwangerschaft dabei gewesen, ebenso bei der Geburt. Das hatte ich nun schon verpaßt. Immerhin, beim zweiten Kind durfte ich nun jedoch dabei sein. Jetzt war ich also wieder voll dabei, konnte also wieder Einfluß nehmen, miterleben. Und so vom Gefühl her wollte ich wohl auch nachholen, was zuvor nicht möglich war, wobei mir schon klar war, daß es unlogisch ist: Was schon geschehen ist, kann nicht mehr verändert werden, ist nicht mehr verhandelbar. Da gibt es keinen Kompromiß mehr, keine noch erreichbare bessere und auswählbare Alternative.
Nun hatte ich bereits auf eine Affäre mit Peter verzichtet, weil Susanne da war.
Diese hatte umgedreht nicht verzichtet, die beiden hatten nun zusammen eine Familie.
Was blieb da für mich?
Warum sollte ich nur danebenstehen und zusehen dürfen?
Wie aber sollte ich das konkret umsetzen und was überhaupt?
Einerseits sollte ich den beiden wohl noch vorsichtig und genauer auf den Zahn fühlen.
Hatte ich da nicht nebenbei auch eine gewisse Anspannung zwischen den beiden gespürt?
Gab es da Probleme?
Könnte mir das etwas nützen?
Zudem sollte ich wohl noch genauer in mich horchen, darüber nachsinnen, wie ich nun wirklich zu eigenen Kindern stehe. Immerhin hatten die Ais Optionen genannt. Da gäbe es schon Möglichkeiten, zu einem Kind zu kommen, jetzt ohne Peter oder einen anderen Kryo-Zombie, mit dem ich mich ja ohnehin erst vertraut machen müßte – bei den dürftigen Informationen Glücksache. Und bei Nichtgefallen kann ich ihn ja nicht einfach wieder einfrieren lassen. Daher hatte ich die Option ja bereits einstweilen verworfen. Aber die Ais hatten da noch andere Möglichkeiten auf Lager. Also erst einmal den Gedanken für mich etwas sacken lassen, dann mit Hildegard sprechen, vielleicht sogar erst mit Esme, wir hatten ja bereits noch einen etwas anderen Draht zueinander gefunden. Da ist es einfacher, mal so draufloszuplaudern, auch um erst einmal die eigenen Gedanken zu klären, nebenbei die Möglichkeiten genauer einzuordnen.
Ansonsten war es nun sicherlich auch wichtig, mich mehr um Susanne und auch Melanie zu kümmern, also freundschaftlich bei Susanne, so mütterlich oder auch als nette Tante bei Melanie. Insbesondere letzteres würde doch sicherlich ebenfalls dabei helfen, mir Klarheit zu verschaffen, ob es nun wirklich an der Zeit war, ein eigenes Kind zu haben.
Vielleicht wäre es mir ja auch genug mit Melanie und Susannes zweitem Kind?
Zweifellos hätten wir mit zweien schon ein wenig zu tun. Und Susanne da etwas zu entlasten, wäre ja sicherlich auch nicht schlecht. Peter kümmerte sich ja auch, hatte aber gleichfalls seine wissenschaftlichen Projekte. Die Zeit mit den Kindern etwas besser auf uns drei zu verteilen, wäre letztlich nur fair und würde für beide auch etwas mehr Freiräume schaffen.
Bei den wissenschaftlichen Projekten würde ich mit Peter sicherlich gut gemeinsam arbeiten können. Betonung bei Peter also auf wissenschaftliche Zusammenarbeit, vielleicht bei Susanne ebenfalls, denn mit etwas mehr Freiraum wäre sie vielleicht auch wieder dazu zu begeistern, wieder mehr bei den wissenschaftlichen Projekten einzusteigen.
Zwar hatte Susanne ja betont, daß sie mir inzwischen nicht mehr als Freundschaft entgegenbringen wolle, aber war in dieser Betonung nicht auch etwas drin, was mir verriet, daß sie zweifelte?
Sonst hätte sie das gar nicht so betonen brauchen. Was nicht ist, muß ja eigentlich nur hervorgehoben werden, wenn Zweifel bestehen, ob es nicht doch wieder sein könnte.
War sich Susanne vielleicht gar nicht so sicher?
Kriselte es vielleicht zwischen ihr und Peter gar ein wenig?
Eine Verstimmung, gar noch verstärkt durch meine Wiederauferstehung?
Sollte ich da nicht ein wenig nachbohren, um zu ergründen, wie die Lage aktuell wirklich war, wie die Konstellation unserer sozialen Gruppe sich gerade entwickelte?
Vielleicht könnte ich ja gar ausgleichen, alles wieder ins Lot bringen, wenn ich mich weiter einbrächte?
Mich nur auf einen von beiden zu stürzen, schien mir nun eindeutig unangebracht und riskant für unsere kleine Gemeinschaft. Etwas subtiler sollte ich schon vorgehen, um mich unauffälliger einzubringen, unseren Umgang miteinander zu harmonisieren. Also sollte ich auch wohl sowohl etwas mit Peter unternehmen, aber auch auf Susanne eingehen. Das würde mit Peter schon auf wissenschaftlicher Ebene gut funktionieren. In der Richtung überlegte ich weiter. Mit Susanne würde sich schon etwas ergeben, vermutlich spontan aus einer geeigneten Situation heraus.
Am nächsten Morgen verkündete ich beim Frühstück also: „Ich dachte mir, ich steige wieder mehr in wissenschaftliche Projekte ein, bringe mich erst einmal auf einen aktuellen Stand, schaue mir Peters aktuelle Projekte an, entwickele vielleicht auch eigene. Es ist ja noch immer nicht geklärt, wie das Doppelplanetensystem nun entstanden ist, warum Charybdis so belebt war, Skylla hingegen tot. Vielleicht bekomme ich da ja noch ein paar Ideen, um dem auf die Spur zu kommen, um unsere neue Heimat besser kennenzulernen.“
Peter nickte: „Finde ich gut. Gerne erläutere ich dir, was ich gerade so mache. Und gerne diskutiere ich natürlich bei Bedarf auch neue Projekte mit dir. So im Austausch, in der expliziten Formulierung von Ideen entwickelt sich ja meist sehr viel.“
Ich lächelte und erwiderte: „Ja, den Gedanken hatte ich ebenfalls!“
So in Gedanken war mir das schon ein wenig zweideutig, aber in unserer Runde fiel das natürlich nicht auf.
So meinte Susanne ebenso: „Prima, Michaela, wenn ihr beide mehr zusammen unternehmt, harmonisiert sich die Situation hoffentlich zügig noch weiter.“
Ich bestätigte: „Daran hatte ich gleichfalls gedacht!“
Und so war das bereits entschieden.
Ferner teilte ich mit: „Mit der Wiederauferstehung einer weiteren Person warten wir wohl besser auch noch, bis sich das mit uns richtig eingespielt hat!“
Susanne meinte: „In Ordnung, hast vermutlich Recht, das sollten und brauchen wir nicht überstürzen.“
Peter nickte ebenfalls verständig. So war auch das Thema einstweilen erledigt.
Während Susanne sich primär um Melanie kümmerte, gesellte ich mich also zu Peter in den Arbeitsbereich. Auf Nachfrage erläuterte er mir seine derzeitigen Forschungsaktivitäten genauer. Schwerpunkt war da derzeit noch immer die Untersuchung von Pflanzengesellschaften hier auf Skylla und ebenfalls auf Charybdis, wobei es dort darum geht, Kombinationen von irdischen und charybdianischen Organismen zusammenzustellen, welche ihre Entwicklung gegenseitig besonders gut fördern.
Auf beiden Planeten waren Sonden unterwegs, um automatisch Proben zu nehmen, welche wiederum automatisch von den Ais analysiert wurden. Peter versuchte danach, sich mit den Ais einen Reim darauf zu machen, wie das zu verstehen war, was warum funktionierte oder eben auch nicht, je nach Standort, an welchem die Proben gezogen wurden.
Dazu hatten sie in Laboren Züchtungen und diverse Versuchsanordnungen, um neue Arten und Kombinationen zu testen.
Nachdem das gut erklärt war und ich erst einmal einen ersten Überblick hatte, fragte Peter: „Du hast beim Frühstück ja bereits erwähnt, wieder an eigenen Projekten arbeiten zu wollen.
Schon genauere Ideen?“
Ich zuckte die Schultern, erwiderte: „Muß mir erst einmal einen Überblick verschaffen, wie sich die Situation im Planetensystem in den letzten Jahrzehnten verändert hat, Körk war da ja sehr aktiv. Und ich muß mir auch einmal ansehen, was inzwischen herausgefunden wurde über die Historie des Systems, was über die Planeten. Wenn es genaue Daten über die Planeten gibt, wäre es ja auch möglich, Hypothesen über die Vergangenheit aufzustellen, Stellen zu lokalisieren, wo Proben genommen werden könnten, Untersuchungen förderlich wären, um Hypothesen zu stützen oder zu widerlegen.
Sie haben wohl auch einen Kleinplaneten gefunden, welcher gar nicht aus diesem System zu stammen scheint, älter als dieses ist, hast du davon gehört?“
Peter schüttelte den Kopf: „Nicht daß ich wüßte, ist mir vielleicht aber auch entgangen.“
Ich fügte hinzu: „Ich hatte bereits die Ehre, ihm einen Namen geben zu dürfen: Methusalem.“
Peter hakte nach: „Wirklich älter als das Rasol-System?
Schon interessant.
Wie kann das sein?
Wie stellt man das Alter eigentlich fest?“
Ich antwortete: „Genaueres habe ich mir noch gar nicht angesehen. Kommt vermutlich aus einem anderen System, wurde von Rasol in einer Wechselwirkung mit verschiedenen Planeten oder Kleinplaneten eingefangen. Letztlich ist es ja ohnehin so, daß schwerere Elemente in Sternen ausgebrütet werden. Irgendwie müssen sie da ja wieder heraus, wenn man sie letztlich hier auf Planeten vorfindet. Ganz schwere Elemente jenseits des Eisens werden ja wohl erst erzeugt, wenn sein Stern in einer Supernova oder einer ähnlich heftigen Explosion genug Druck in gewissen Regionen aufbaut, um die Kerne kleinerer Atome zu den schweren zusammenzudrücken. All das Zeug kommt also zwangsläufig von anderen Systemen, als feiner Sternenstaub ist das Alter allerdings nicht zuzuordnen. Hat ein Sonnensystem jedoch überdies ein Planetensystem, gerät da vorher, besonders in der Entstehungsphase schon einmal etwas durcheinander und ein Planet kann dabei auf Kosten der anderen so viel kinetische Energie bekommen, daß er aus dem System geschleudert wird. Der Vagabund saust daraufhin durch den freien Raum. Wahrscheinlich trifft der nie wieder auf ein Sonnensystem. In diesem Falle war es aber wohl so, daß er zufällig auf das Rasol-System zu geschleudert wurde, dort mit Rasol und den Planeten in mehrfacher Wechselwirkung kinetische Energie verloren hat, so hier eingefangen wurde.
Beim Alter, hmmm, also sicherlich haben Asi und Stanis Proben an verschiedenen Stellen genommen, die nicht nach Einschlagskratern aussahen. Hat sich ein Kleinplanet erst einmal gebildet, hat er genug Struktur, genug Atome für Statistiken, ebenfalls radioaktives Zeug im Gestein, was sich für eine Altersbestimmung eignen kann, weil sich bei einem seismisch nicht aktiven Kleinplaneten ja sonst kaum noch etwas an den Gesteinen, Metallklumpen etc ändert außer dem Zerfall radioaktiven Materials über verschiedene Zerfallsketten.
Alter von Gestein ist allerdings nicht so ganz einfach. Es gibt immerhin bestimmte Gesteinsarten, die aufgrund der Chemie auf typische Weise zusammengesetzt sind. Sind da bereits anfangs radioaktive Isotope drin, ändert sich die Zusammensetzung mit der Zeit. Isotopenverhältnisse und die Verhältnisse der Häufigkeiten verschiedener Elemente sind dann typisch für die Entstehungszeit des Gesteins. Bei Uran oder einem instabilen Isotop von Rubidium etwa kann man so aus der Zusammensetzung von Gestein abschätzen, wann das entstanden ist, also vielleicht gar das Uran bei einer Sternenexplosion, später wohl auch das Gestein, wenn das Uran da charakteristisch eingebaut ist und sich über die Zeit aufgrund der Zerfallsketten der Uran-Isotope typische Häufigkeiten von Elementen und Isotopen herausbilden, die als Uhr verwendet werden können. So in etwa, muß ich mir auch noch genauer anlesen, um da qualifiziert mitreden zu können, Daten kritisch zu interpretieren, eventuell auch brauchbare Vorschläge zu machen.“
Peter nickte und ich fuhr fort: „Hinsichtlich der Frage, wie das Zwillingsplanetensystem entstanden ist, warum es nun auf Charybdis Leben gibt, auf Skylla lediglich eine Wüste mit wenig, chemisch jedoch stark angereichertem Wasser, muß ich mich bei den erhobenen Daten ebenfalls erst auf den aktuellen Stand bringen. Ich muß ja erst einmal wissen, welche Daten wir schon haben, was man daraus lernen kann, welche Daten wir vielleicht mit welchen Experimenten und Beobachtungen generieren sollten, um mehr zu erfahren. Das wird mich schon ganz gut beschäftigen. Da will ich mal nichts überstürzen, mir aber schon genauer ansehen, wie ich mich sinnvoll einbringen kann, um das zu ergänzen und anzureichern oder auch erst zu interpretieren, was bislang in den letzten Jahrzehnten erreicht wurde.“
Peter nickte: „Hört sich doch gut an!“
Um meinen Plan der Beschäftigung mit ihm ebenfalls zu verfolgen, blieb ich bei ihm und stellte noch ein paar mehr Fragen zu seinen Projekten, woraufhin wir uns da eingehender vertieften und darüber diskutierten. Das schien mir ein ganz guter Anfang zu sein. Bei solchen Projekten hatten wir schnell einen Draht zueinander und zogen schnell an einem Strang in die gleiche Richtung.
So beschäftigten wir uns den Vormittag über hauptsächlich mit Peters Projekten. Dadurch bekam ich in der Folge schon einen ganz guten Eindruck vom aktuellen Forschungs- und Wissensstand. Ich zeigte aufmerksam und sachlich Interesse an seiner Arbeit, hielt eine lockere Stimmung aufrecht, in welcher Peter genau in seinem Element war. Und weil ich so an dem teilnahm, was Peter beschäftigte, eifrig fragte, harmonierte das sehr schön. Aus Peters Erläuterungen war zudem zu entnehmen, daß er gerne Susannes Beiträge zu den Projekten nannte, wo sie optimiert hatte, was ohne ihren Beitrag so gar nicht in dem Umfang funktioniert hätte. Nachdem das aber alles optimiert war, zudem Melanie auf der Welt war, hatte sich Susanne da weitgehend aus der Forschung zurückgezogen, trug allenfalls nur noch mit Kleinigkeiten bei. Das schien nun weder von Peter noch von Susanne gezielt so beabsichtigt gewesen zu sein, hatte sich eben so etabliert. Das war nicht ganz die traditionelle Rollenverteilung in der Familie, kam dem aber schon nahe. Peter hätte das wohl gerne anders gesehen, da gerne mehr Gemeinsamkeiten gehabt. Derzeit gab es aber gerade wenig, was ihm einfiel, wo Susanne ihre Fachkenntnisse hätte dringend einbringen sollen, wo sie damit wirklich gefordert worden wäre. Sie hatte derzeit wohl nicht so viel Muße, sich in andere Bereiche einzuarbeiten und Routinekram wollte er bei ihr auch nicht abladen.
So genoß er es sichtlich, mir ausführlich zu berichten und mit mir zu fachsimpeln. Das ließ sich jedenfalls schon einmal gut an. Wir lachten gemeinsam, diskutierten locker herum.
Beim Mittag plauderten wir gemeinsam ein wenig. Eigentlich hätte Peter am Nachmittag Melanie übernehmen sollen. Ich schlug allerdings vor, mich zu Susanne zu gesellen und so gemeinsam mit Melanie den Nachmittag zu verbringen. Damit waren sie einverstanden. Und ich hatte ein wenig mehr Gelegenheit, mich ebenfalls vorsichtig Susanne anzunähern.
So gesellte ich mich nun zu Susanne und Melanie, um auf andere Gedanken zu kommen, die neuen Informationen sacken zu lassen, Melanie auch ein wenig zu belustigen, so auch in mich hineinzuhorchen, ob das mit dem eigenen Kind nur so ein flüchtiger Impuls war oder ob das doch irgendwie ernster war. Die Beschäftigung mit Melanie machte mir viel Spaß und so zusammen mit Susanne kam ich auch gut zurecht, wenngleich ich noch immer nicht überwunden hatte, wie schlecht das für mich gelaufen war, während ich konserviert gewesen war. Gegenüber Susanne verzichtete ich allerdings auf diesbezügliche weitere Spitzen. Stattdessen gingen wir freundlich, ja wieder freundschaftlich miteinander um. Und auch Melanie trug dazu bei, daß wir uns bereits wieder gut vertrugen und eigentlich sehr gut harmonierten. Melanie war zwar Ergebnis der Entwicklungen, sollte allerdings nicht unter unserem schwelenden Konflikt leiden. Ich mochte sie gleich von Anfang an. Wir hatten bereits einen ganz guten Draht zueinander. So war ich in ihrer Nähe sowieso gut beschäftigt und hatte keine Gelegenheit, in trüben Gedanken zu schwelgen, dazu machte es einfach zuviel Spaß zu erleben, wie sie allmählich die Welt erforschte, zu eigenen Ansichten und Fertigkeiten gelangte, sich noch etwas ungeschickt austauschte, aber gute Fortschritte machte.
Und Susanne war schon merklich erfreut darüber, wie gut ich auf Melanie reagierte, wie gut ebenso umgedreht diese auf mich.
So gelang es wirklich relativ zwanglos, wieder mehr Nähe zwischen mir und Susanne aufzubauen, wobei wir noch keine Vertraulichkeiten austauschten, aber schon gelegentlich fröhlich miteinander lachten und die gemeinsame Zeit so zu dritt bereits genossen. Überstürzen wollte ich da nichts, aber das schien mir bereits ein guter Anfang zu sein, um Susanne wieder näherzukommen.
Und so mit Melanie um mich herum hatte ich schon den Eindruck, ein eigenes Kind käme durchaus in Frage. Das wäre schon eine Möglichkeit und die Zeit fühlte sich nun eigentlich auch ziemlich richtig an. Ich wollte aber auch das noch weiter sacken lassen.
Übertreiben wollte ich die Annäherung an Susanne auch nicht, so begab ich mich später wieder an die Arbeit. Aber vormittags war ich da schon eine gutes Stück weitergekommen, das war bereits ein vielversprechender Anfang, auf den ich nun aufbauen konnte.
So nutzte ich den Nachmittag, um mich in die Geochronologie und Gesteinsdatierung einzuarbeiten. Was auf der Erde, allgemeiner im Sonnensystem funktionierte, mochte hier im Rasol-System etwas andere Voraussetzungen haben. Allerdings hatten Asi und Stanis reichlich Proben aus dem System, somit ebenfalls eine gute Grundlage, um einerseits das Alter des Rasol-Systems aus verschiedenen Methoden zu bestimmen, andererseits gleichfalls Unterschiede, besondere Zusammensetzungen der Materialien von Methusalem. Daher waren die Schlußfolgerungen der Ais schon überzeugend. Methusalem paßte in seiner Hauptmasse, also abgesehen von eindeutig jüngeren Einschlägen, nicht in das sonstige Muster. Ein Einfang in das Rasol-System war also schon plausibel. Ich beschloß, mir das noch näher anzusehen.
Welche Zerfallsreihen hatten sie sich angesehen, welche Isotopen- und Elementenverhältnisse hatten sie analysiert, wo hatten sie Proben genommen?
Wenn ich mich da weiter einarbeitete, sollte es mir gelingen, weitere Vorschläge zu machen, was noch zu untersuchen wäre, welche weiteren Zerfallsreihen wir nutzen könnten, um die Hypothese noch besser abzusichern?
Ich wollte es versuchen und mich da hineinfuchsen.
Wenn Methusalem doch nur ein Kleinplanet ist, war doch davon auszugehen, daß er bei einem Einfang einst mit erheblicher Relativgeschwindigkeit in das Rasol-System gekommen ist. Betrachtet man nun ein einfaches Modell von zwei Punktmassen in einer gravitativen Wechselwirkung, so käme es nie zu einem Einfang. Bei einem solchen ist es immer notwendig, die überschüssige kinetische Energie irgendwie anders zu verteilen. Bei einem System aus mehr als zwei Körpern ist das möglich. Im Extremfall kann da etwa ein anderer Körper aus dem System geschleudert werden, ein größerer Planet könnte bei einer Wechselwirkung allerdings auch auf eine etwas energiereichere Bahn um Rasol verschoben werden, um die Energie so anders im System zu verteilen. Kommt es gar zu Einschlägen, kann ein Teil der kinetischen Energie auch in Wärme umgesetzt werden. Zwar gilt insgesamt immer noch die Impulserhaltung, trotzdem ist so bei komplexen, ausgedehnten Massen ein Einfang möglich. Erhaltung der Gesamtenergie, von Impuls und Drehimpuls ist gegeben, sie werden lediglich unter den beteiligten Objekten anders verteilt.
Obgleich solch ein Kleinplanet schon winzig ist im Vergleich mit den Gasriesen oder gar mit Rasol selbst, sollte solch ein Einfang bei den Planeten hingegen schon Spuren hinterlassen haben, von diesen hätten also wohl mindestens zwei ihre Bahnen geändert, vermutlich waren auch Bahnen diverser Kleinkörper wie Asteroiden geändert worden, mit der Wirkung von heftigeren Asteroidenschauern auf die Planeten in die folgenden Jahrhunderten oder Jahrtausenden. Häufungen von Ereignissen könnten also auf den Einfang hindeuten, mit Glück mit diesem eindeutig in Bezug gebracht werden.
Als weitere Ablenkung oder Aktivität hatte ich beschlossen, morgens wieder täglich einen Lauf zu absolvieren. Das war hier auf der Insel ohnehin viel abwechslungsreicher möglich, ebenso vom Ausblick her deutlich interessanter als noch auf der Raumstation. Die Ais hatten zudem ein Wegenetz angelegt, welches dafür sehr gut nutzbar war. Den nächsten Morgen flitzte ich also früh, noch vor dem Frühstück über die Wege der Insel, meditierte gar ein wenig am Felsenufer eines Badesees auf der Insel. Genaugenommen war das der einzige Badesee der Insel, jedenfalls von der Größe her dafür hervorragend geeignet, anders als das Meer mit sauberem, klaren Wasser ausgestattet, welches nicht bei etwas längeren Aufenthalt gleich die Haut angreift. Meditation reichte mir indessen an diesem Morgen. Ein Bad wäre aber sicherlich an einem anderen Tag auch eine schöne Option und Ergänzung des Programms.
Ich meditierte insbesondere über das Thema eigenes Kind. Ich wälzte Argumente dafür und dagegen, überlegte konkrete Umsetzungsalternativen, horchte tief in mich, ob das nun wirklich mein Weg sei. Zum Abschluß der Meditation war ich mir sicher, daß ich das umsetzen will. Nun konnte ich mir das gut vorstellen und war schon sehr gespannt darauf, was die anderen dazu meinen würden, wie das nun konkret von den Ais umgesetzt würde. Wenn ich sie richtig verstanden hatte, hatten sie jedenfalls reichlich genetisches Material im Archiv. Daran sollte es nun nicht liegen.
Es war eher eine Kurzmeditation über vielleicht eine Viertelstunde, wonach ich mich wieder auf den Weg machte, in einem großzügigen Bogen zurück zur Kolonie lief.
Meditation, meine getroffene Entscheidung und der Lauf hatten mir sehr gutgetan, den Kopf durchgepustet, mich merklich erfrischt und belebt. So hatte ich jedenfalls gute Laune, als ich nach einer Dusche zum Frühstück zur Familie Susanne, Peter und Melanie ging.
So in der Gruppe hatte sich die Stimmung schon entspannt, so lief das Frühstück munter und bei guter Laune ab. Ich erzählte schon ein wenig über Methusalem und meine Ansätze, was ich noch genauer verstehen wollte, wo weiter nachbohren, um herauszufinden, ob ich da nur noch etwas nicht verstanden hatte oder ob da noch Lücken in der Argumentation waren.
Susanne fand es ebenfalls bemerkenswert, daß es da solch einen alten ‚Beobachter‘ im Rasol-System geben sollte, welcher eventuell irgendwo Informationen über die Historie des Systems gespeichert haben mochte. Ihr war jedenfalls auch nicht bewußt, daß der entdeckt worden war.
Wir hakten bei Ida nach, die schon angeben konnte, daß Susanne und Peter darüber kurz berichtet worden war. Der Fokus der Aufmerksamkeit lag in der Zeit aber eindeutig mehr bei den biologischen Projekten, weswegen das wohl untergegangen sei. Vermutlich war es ja nun auch so, daß es nicht wirklich dringlich gewesen war, was Methusalem ihnen über die Vergangenheit hätte verraten können, wenn gerade die Gegenwart insbesondere auf Charybdis solch verblüffende Entwicklungen zeigte. Immerhin hatte ich nun davon ebenfalls etwas mitbekommen. Weil meine Schwerpunkte etwas anders liegen, hatte ich das nun als interessant aufgegriffen. So hängt es wohl immer an Einzelpersonen und Interessen, was in den Vordergrund rückt, um näher untersucht zu werden. In dieser Hinsicht ist Forschung gar nicht so objektiv. Was untersucht, erforscht und entwickelt wird, hängt entscheidend von individuellen Interessen und Sichtweisen ab, selbst wenn die Methoden letztlich allgemeiner formuliert werden können.
Mit Pinseln, Leinwand und Farbe stehen Malern ja auch immer ähnliche Werkzeuge und Materialien zur Verfügung, die Ergebnisse sind allerdings deutlich unterschiedlich.
Indessen führen oft auch unterschiedliche Interessen und Forschungsprojekte zu ähnlichen technischen Anforderungen und Bedürfnissen, weswegen trotzdem ziemlich ähnliche technische Entwicklungen angestoßen werden können, welche wiederum erst weitere wissenschaftliche Fragestellungen aufwerfen oder es ermöglichen, bestimmte Fragen erst zu untersuchen.
Nach dem Frühstück gingen Peter und ich wieder in die Arbeitsecke, kümmerten uns um unsere Forschungsprojekte.
Die Analyse von Zerfallsreihen ist komplex. Ich hakte bei Ida und Körk nach. Die Ais hatten schon allerhand analysiert, räumten allerdings ein, bei Methusalem nicht wirklich in Details gegangen zu sein. Allerdings hatten wir reichlich Daten und Stanis und Asi zeigten ebenfalls Interesse, auch für sie war es irgendwie relevant, daß so ihre Forschungsarbeit auch in der Kolonie mehr Aufmerksamkeit bekam. So waren sie gerne bereit, Methusalem genauer zu untersuchen, auf Vorschläge einzugehen, bisherige Arbeiten zu erläutern, um so zu einem stimmigen Projekt zu kommen, Ziele genauer festzulegen, einen Plan zu haben, was wir eigentlich wissen wollen, wie uns Methusalem dabei helfen könnte. Schnell hatte ich mit Hilfe der Ais jedenfalls eine lange Liste von Möglichkeiten, wie das Alter von Gestein bestimmt werden kann, ebenso eine lange Liste von Daten über die Zusammensetzung verschiedener Bereiche von Methusalem. Ich hatte die Idee, daß wir Susanne hinzuziehen könnten, um diese zu motivieren, mit ihren Kenntnissen Ordnung in die Daten zu bekommen, sie für Menschen zugänglicher zu visualisieren und Korrelationen einfacher prüfen oder entdecken zu können, die in den Daten bereits verborgen sein könnten, allgemein Korrelationen herauszuarbeiten und unsere Hypothesen so unter Ausnutzung aller verfügbaren Daten effizient auszuwerten.
Dabei könnten wir entscheidend davon profitieren, die gewaltigen Datenbanken und das hohe Rechentempo der Ais mit unseren menschlichen Impulsen, Idee, Assoziationen bei der Sichtung der visualisierten Daten zu kombinieren, um zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Diese Kombination hatte sich bislang sehr nützlich erwiesen, weil wir so die jeweiligen Stärken von Ais und Menschen gut einsetzen, die Schwächen wiederum gegenseitig kompensieren.
So schlenderte ich zu Susanne, beteiligte mich an der Belustigung von Melanie und plauderte ein wenig über das Problem und die Komplexität. Ich kitzelte sie auch gleich ein wenig an ihrer Fachkompetenz, ihrer Expertise, komplexe Daten auswerten zu können, sie gut und verständlich für Menschen aufbereiten zu können. Ich betonte, ihr Beitrag wäre sehr wichtig, um die gewaltigen Datensätze kompetent durchzuforsten, schmeichelte ihr so, wobei das an sich nicht einmal Schmeichelei war, denn ich hätte da erhebliche mehr Zeit gebraucht, um mit deutlich weniger Eleganz schlechtere Programme zu schreiben, um das Projekt zu realisieren.
Susanne war gerne bereit, sich das anzusehen, ob sie da einen sinnvollen Beitrag leisten könnte, wies allerdings auch auf Melanie. Ich lächelte und erinnerte sie daran, daß da ja durchaus auch noch Peter als Vater sei, dazu ich sowieso. Folglich seien es also derzeit drei erwachsene Bezugspersonen für Melanie, nicht nur sie als Mutter. Zudem sei es gut für sie und ihr Selbstverständnis, auch einmal wieder ein anspruchsvolles Projekt am Rechner durchzuziehen. Susanne fühlte sich merklich geschmeichelt.
Etwas später machten wir uns zu dritt auf den Weg zu Peter und schilderten diesem die Idee. Dieser fand es gut, wenn Susanne sich beteiligen würde. Klar war ihm auch, daß so die Betreuung von Melanie etwas anders aufgeteilt werden müßte. Damit war er allerdings einverstanden, war gerne bereit, mehr Zeit mit ihr zu verbringen, auch um Susanne etwas mehr Freiraum zu verschaffen, sich um ein wissenschaftliches Projekt zu kümmern. So einigten wir uns darauf, daß Susanne den nächsten Tag einfach einmal mit mir zusammen in das Projekt einsteigen solle, während es Peter zukam, sich mit Melanie um sonstige alltägliche Dinge zu kümmern.
Das könnte ich nun schon nutzen, um Susanne näherzukommen. Wenn Peter mit Melanie gut beschäftigt ist, Susanne und ich mit einem gemeinsamen wissenschaftlichen Projekt, so mochte sich dabei schon eine Gelegenheit ergeben, ihr ein wenig näherzurücken. Ebenso gab es auf jeden Fall mehr Variationsmöglichkeiten in unserer Gruppe, vielleicht damit auch mehr Chancen, eine günstige Situation herbeizuführen, um Peter näherzukommen.
Den Rest des Tages bereitete ich vor, was ich Susanne erklären mußte, um dieser einen schnellen Einstieg in das Problem zu ermöglichen. Als ich damit fertig war, schaute ich mir Daten an, welche wir über Skylla und Charybdis hatten, fragte bei den Ais nach und beriet mich mit Ida schon einmal darüber, wie wir aus den vorhandenen Daten vielleicht mehr herausholen könnten, um neue Erkenntnisse über die beiden Planeten und ihre Vergangenheit zu bekommen. Da schien schon noch etwas zu gehen, es wurde uns allerdings relativ schnell klar, daß wir detailliertere Daten brauchen würden, um Hypothesen stichhaltig zu prüfen oder auch neue zu entwickeln. Ida konnte da wirklich allerhand bieten, was umsetzbar wäre, aufgrund vorhandener Pläne oder Module gar mit begrenzten Aufwand und relativ kurzfristig.
Per Satellit sollten so in den nächsten Wochen deutlich mehr Daten gesammelt werden, insbesondere über ein breiteres Frequenzspektrum verteilt, Radar, Infrarot, sichtbar mit besserer Auflösung, Ultraviolett bis fast hinein in den Röntgenbereich, wobei wir bei hohen Energien von den Planeten nicht viel erwarteten. Von daher war es eher relevant, bei niedrigen Energien, auch mit aktiven Systemen neue Informationen zu bekommen.
Die Planeten haben auch starke Magnetfelder. Eine präzise Vermessung der Magnetfelder wäre ebenfalls möglich. Allerdings hatten wir da bereits gute Daten, jedoch mehr im globalen Maßstab. Ich wollte deutlich höhere lokale Auflösungen, um Anomalien in der Planetenkruste aufzuspüren, vielleicht also eingeschlagene, magnetisierte Metall-Asteroiden oder andere Objekte mit deutlichem Einfluß auf das lokale Magnetfeld. Auch das war mit Sonden und Satelliten noch deutlich über das ausbaubar, was bislang an Daten aufgenommen wurde.
Schnell hatte ich auch den Gedanken, nicht nur elektromagnetische Strahlung zu analysieren. Ich schlug vor, eine Gruppe von Satelliten relativ eng benachbart fliegen zu lassen, damit über Abstandsänderungen unter ihnen Informationen über Gravitationsänderungen zu detektieren. Unterschiedliche Dichten im Erdmantel führen zu einer gewissen Ungleichmäßigkeit der Schwerkraft, welche sich auch auf die Bahnen von Satelliten auswirkt. Hat man nun welche mit geeigneten Meßgeräten und mißt untereinander Abstände, so ergibt das Abweichungen von Sollbahnen um einen Rotationsellipsoiden. Wird der Einfluß von Rasol und Skylla, beziehungsweise Charybdis auf das Potential herausgerechnet, ergibt sich so eine Strukturinformation über den jeweils untersuchten Planeten. Zusammen mit den anderen Messungen bekämen wir so Informationen über die Kartoffeligkeit der Planeten, also die Abweichung von der Form eines Rotationsellipsoiden.
Ida versprach, aufgrund von Daten über entsprechende irdische Projekte alsbald einen Vorschlag zu machen, wie wir dies umsetzen könnten. Einmal in Fahrt gekommen hakte ich gleich nach und brachte ins Spiel, daß es doch auch möglich sei, über seismische Messungen, also im Grunde durch den Planetenkörper wandernde Schall- und Druckwellen, Scherungen etc Informationen über den Aufbau des Planeten zu bekommen. Skylla und Charybdis sind ja seismisch aktiv, haben eine aktive Plattentektonik. Ida informierte, daß sie hinsichtlich der seismischen Aktivitäten bislang eher aus technischen Gründen Daten gesammelt hätten, primär also, um einen geeigneten Standort für die Kolonie auszuwählen, welcher von Erdbeben, Vulkanausbrüchen, dem ganzen Drama der Tektonik nicht wesentlich betroffen sei. Das würde sich allerdings kaum eignen, um genauere Aussagen über den Aufbau des Planeten zu machen. Bei der Plattentektonik hätten sie schon einen groben Überblick, um Feinheiten hätten sie sich allerdings bislang nicht gekümmert. So hatten wir hier gleich ein weiteres Projekt, welches wir zunächst einmal mit passiven Detektoren angehen wollten. Also zunächst eine größere Anzahl von empfindlichen Detektoren bauen, diese mit guter Auflösung verteilen und alsdann damit die durch Erdbeben erzeugten Daten analysieren und Rückschlüsse ziehen. Laufzeiten von Wellen durch den Planeten zu den jeweiligen Detektoren, die überall auf dem Planeten messen, ermöglichen Rückschlüsse auf die Schichtung und die Dichten von Schichten, wo gibt es an Schichtgrenzen Reflexionen, wo gibt es bei der Schichtung auffällige Deformationen, etwa durch Asteroiden-Einschläge hervorgerufen. In einer späteren Ausbaustufe könnten wir das auch mit unterirdischen Sprengungen ergänzen, um Daten in anderen Frequenzbereichen und mit präzise lokalisierbaren Quellen zu generieren.
Damit jedenfalls sollten wir erheblich weiterkommen und es würde möglich werden, jedenfalls ein Stück weit in die Planeten hineinzusehen, eventuell eben auch Einschläge zu entdecken, die Hinweise darauf geben könnten, wann es auf welchem Planeten zu einer größeren Einschlagskatastrophe gekommen ist. Deformationen und stark ungleichmäßige Verteilung der Dichten und des Magnetfeldes im Planetenkörper könnten ferner auf größere Katastrophen hinweisen, etwa einen streifenden Zusammenstoß mit einem anderen Körper, welcher dazu geführt haben mochte, daß sich die beiden Zwillingsplaneten hinsichtlich der Ansiedlung von Leben komplett unterschiedlich entwickelt hatten.
Wie abgesprochen kümmerte sich Peter den nächsten Tag um Melanie und Susanne und ich um die Optimierung der Datensätze der Zerfallsreihen und Isotopenverhältnisse von Methusalem. Ich war gut vorbereitet, aber natürlich stellte Susanne Fragen aus einer ganz anderen Perspektive. So waren wir schnell in das Projekt vertieft und wir wurden beide sehr gefordert, um das gut auf den Weg zu bekommen. Susanne war allerdings schnell zu begeistern und ebenfalls neugierig darauf, ob wir bei dem Kleinplaneten wirklich mit dem gesamten Datenmaterial auf konsistente Altersschätzungen für verschiedene Koordinaten kommen würden, also einerseits jene Regionen, welche als weitgehend alt eingeschätzt wurden, aber auch für jene Bereiche, die aufgrund von Einschlägen ein deutlich jüngeres Datum aufweisen sollten. So würden wir hoffentlich eine Art von Chronologie bekommen, mit weit mehr Proben von verschiedenen, auch kleinere Kratern durch Stanis oder Asi, wohl auch Häufigkeitsverteilungen auf der Zeitachse von Ereignissen, unter Berücksichtigung der Ausformung der Krater vielleicht gar Rückschlüsse auf ungefähre Richtungen von Scharen von Einschlagsobjekten.
Da Methusalem ja weit draußen, jenseits der Gasriesen seine Bahnen zieht, konnten wir natürlich nicht wirklich detaillierte Informationen darüber erhoffen, was im Innenbereich des Rasol-Systems vorgefallen war. Allein seine abweichende Ekliptik der deutlich elliptischen Bahn, die im Rasol-System eher ungewöhnliche Umlaufrichtung wiesen auf einen Einfang hin. Dabei war auch nicht so klar, wie das so weit draußen passiert war. Vielleicht gab es ja ursprünglich doch einen Durchflug durch das System, einschließlich größerer Ablenkungen und Abbremsungen durch mehrere Planeten, weitere Ereignisse und nach dem Einfang kompliziertere längere Wechselwirkungen mit den Gasriesen, welche Methusalem langsam wieder aus dem inneren Bereich des Systems an den Rand gedrängt hatten.
Würden wir bei der genauen Analyse Informationen über einen Aufenthalt im Innenbereich des Rasol-Systems finden, etwa Einschlagsobjekte, welche den Asteroidengürteln Geri, Freki oder gar Wotan zuzuordnen wären?
Das alles könnten relevante Informationen sein, was einst vorgegangen ist, was einst auch dazu geführt hatte, daß es das Doppelplanetensystem Skylla und Charybdis überhaupt gibt, wieso sich die beiden Planeten trotzdem so unterschiedlich entwickelt hatten.
Susanne jedenfalls hatte irgendwann genug Informationen, um auch alleine zu basteln. Ich nutzte unser Beisammensein allerdings, rückte näher heran, daß wir unsere Köpfe dicht zusammensteckten und noch einmal alles durchsahen, prüften, Verständnis verifizierten und dabei auch zunehmend lockerer herumscherzten. Mal ein Knuff dabei von mir, mal von ihr, ein herzliches Lachen ausgetauscht, ein tieferer Blick von mir in ihre Augen, von ihr durchaus erwidert.
Das führte zu einer kurzen, stillen Pause, die schon auch weiterhin auf Interesse schließen ließ. Susanne räusperte sich allerdings schnell, lächelte etwas verlegen und wir konzentrierten uns wieder auf die Daten und Zerfallsreihen, die Korrelationen und Abhängigkeiten. So vertieft im wissenschaftlichen Diskurs und der Klärung von Detailproblemen, die sich Susanne hinsichtlich ihres Programmes bereits überlegte, aussprach, im Formulieren mir gegenüber bereits konkrete Formen plante, legte ich wie selbstverständlich einen Arm um sie. Sie wehrte nicht ab. Und so waren wir schon relativ vertraut miteinander, während es doch hauptsächlich bereits um die praktische Umsetzung des wissenschaftlichen Projektes ging. Das fühlte sich gut an, aber ich wollte sie auch nicht zu sehr, zu schnell bedrängen. Von daher war es ganz in Ordnung, daß wir letztlich doch eigentlich mit der Besprechung durch waren.
Für die konkrete Programmierarbeit brauchte sie Ruhe und Zeit für sich. Die sollte sie nach dem Mittagessen auf jeden Fall reichlich bekommen.
Damit hatte ich wiederum Gelegenheit, einfach Peter und Melanie Gesellschaft zu leisten. So konnte ich für Ausgleich sorgen, einen guten Zusammenhalt in der Gruppe. Damit würde es auch weniger auffällig wirken, wenn ich im weiteren Verlauf immer mehr die Nähe zu Susanne und Melanie suchen würde.
Ich schlug Peter vor, uns nachmittags draußen ein nettes Plätzchen zu suchen, einen kleinen Spaziergang zu machen. Er war einverstanden. So packten wir ein paar Sachen zusammen, informierten beim Mittag kurz Susanne über den kleinen Ausflug und schlenderten anschließend los. Für Melanie hatten wir eine Tragehalterung direkt am Körper. Sie konnte schon selber gehen, aber nicht eine solch große Strecke. Einstweilen war Peter damit eingespannt und Melanie machte es Spaß. Wir gingen immerhin bis zum Badesee, breiteten eine Decke aus und spielten dort mit Melanie. Wir waren locker, fröhlich und entspannt und genossen den Nachmittag, tobten ein wenig herum, bis Melanie schlicht müde war. Jedenfalls war das bei der kleinen Toberei schon so, daß es immer mal wieder zu kleineren Schubsern, Berührungen zwischen mir und Peter kam. Das war natürlich ganz harmlos und freundschaftlich. Peter wäre an sich schon die einfachere Option hinsichtlich eines Kinderwunsches gewesen, bei Susanne hatte das ja bereits sehr gut geklappt, allerdings würde das wohl unsere soziale Konstellation deutlich verkomplizieren. Daher wollte ich dieser Variante nicht weiter nachgehen.
Als Melanie etwas schlief, hatten wir Gelegenheit, uns in der näheren Umgebung etwas umzusehen. Ich wies auf ein paar Pflanzen in der Nähe und fragte Peter nach Namen und sonstigen Informationen darüber. Peter schaute und erklärte ein wenig, war so irgendwie neugierig geworden und schaute sich nun selber etwas genauer an, was hier so wuchs. Gar nicht so weit weg von unserem Platz, vom Weg und vom See entdeckte er bereits eine offenbar interessante Ecke. Hier hätte er gerne eine Probe genommen, sich etwas genauer angesehen, hatte allerdings keine Ausrüstung dabei. Ich hakte nach, ob er schon selbst einmal unterwegs gewesen sei, um etwas persönlich zu untersuchen. Peter erläuterte, der Schwerpunkt von Untersuchungen habe ja zum guten Teil auf Charybdis gelegen, hier auf Skylla hingegen meist in anderen Gebieten, weniger auf unserer Insel, welche ja doch speziell sei, von den Ais schon extra für uns eingerichtet. So seien also die Proben immer von Sonden gesammelt worden.
Nun war er allerdings auch der Meinung, daß es eigentlich nicht schaden könne, hier gleich auf unserer Insel ein paar kleinere Tages-Expeditionen durchzuführen, sich selbst ein Bild zu machen, selbst Stellen für Probennahmen auszuwählen, damit das zu ergänzen, was die Sonden an Material sammeln würden. Das schien auch mir einleuchtend. Genauso um unseren Kontakt weiter zu intensivieren, bot ich gleich an, ihn auf Expeditionen zu begleiten und ihm zu helfen. Schnell wurden wir uns einig, daß wir das durchziehen wollten. Für diesen Tag allerdings ging es zurück zu Melanie, welche allerdings noch schlief. So machten wir also ebenfalls eine Pause, entspannten etwas, nahmen etwas von den mitgebrachten kleinen Speisehappen zu uns. Nachdem Melanie wieder erwacht war, spielten wir noch ein wenig, packten allerdings bald zusammen und setzten unseren Spaziergang fort, diskutierten dabei schon einmal mögliche Routen für kleine Tages-Expeditionen. Nun ist ja lediglich ein kleinerer Teil unserer Insel von den Ais mit Wegen ausgestattet worden. So gab es bereits einen kleineren Fußmarsch davon weg einfach wilde Vegetation. Natürlich, in den eher felsigen Bereichen, die jenseits des Badesees im bergigen Bereich der Inseln lagen, war die Vegetation nicht so dicht, allerdings gleichfalls interessant für die Besiedlung karger Regionen. In anderen Bereichen der Insel wächst bereits deutlich mehr, also hatten wir ebenfalls auf unserer Insel deutlich verschiedene Gebiete. Und Peter wußte auch bereits, daß die Ais hier zwar besonders fleißig Arten angesiedelt hatten, über die Zeit seit der ersten Ansiedlung von Pflanzen allerdings viel Wildwuchs entstanden war. Die Insel war also keineswegs ein gepflegter Garten, da entwickelte sich das Geschehen weitgehend auf sich selbst gestellt. Lediglich im Bereich der Kolonie gab es aktiv gepflegte Anbauflächen. Die Ansiedlung war in weiten Teilen der Inseln auch nie sortiert und fein geplant wie in einem Garten verlaufen. Die Ais hatten eher großräumig keimfähige Substratkörner ausgebracht, also der Keim jeweils angereichert mit einer Starthilfe und mit Mikroorganismen. Hinzu kamen auch an geeignet erscheinenden Stellen die direkte Anpflanzung und Auswilderung von Sprößlingen aus den Gewächshäusern.
Als wir am späten Nachmittag wieder in der Kolonie ankamen, war Susanne mit ihrer Arbeit gut vorangekommen. Weil es nun doch noch weitere Details zu klären gab, setzte ich mich zu Susanne, um mich darum mit ihr zu kümmern. Das meiste bekamen wir gleich so hin, ein paar Sachen mußte ich allerdings auch noch recherchieren und verstehen, von daher schloß Susanne ihr Tagewerk nur noch ab, gesellte sich daraufhin mit mir zu Peter und Melanie. Wir plauderten und spielten noch ein wenig, was eigentlich nahtlos in die Zubereitung des Abendessens überging.
Abends saßen wir zusammen, sahen einen Film und plauderten noch etwas.
Wir diskutierten mit Susanne dabei auch gleich die Idee der Tages-Expeditionen, gegen welche sie nichts einzuwenden hatte. So stand dem also nichts im Wege und Peter würde das in den folgenden Tagen mit mir vorbereiten, wobei zunächst ja noch Susanne und ich mit den aktuellen Optimierungsarbeiten weiterkommen mußten. Aber wir würden uns da schon arrangieren. Erst einmal sollte primär Susanne mit ihrer Arbeit zu einem guten Zwischenergebnis kommen, danach würden wir wieder gleichmäßiger aufteilen, wer sich um Melanie kümmert, wer hauptsächlich mit Projekten beschäftigt ist. Prinzipiell hätten wir natürlich auch die Ais bitten können, auf Melanie zu achten, aber es schien uns derzeit angemessener zu sein, das unter uns dreien aufzuteilen.
An nächsten Morgen nach dem Frühstück war Susanne also gleich wieder fleißig bei der Arbeit. Ich recherchierte und las, um meine Lücken bei Zerfallsketten und Isotopenverhältnissen zu schließen, mich ebenfalls etwas vertrauter mit der Astro-Geologie zu machen, um nicht versehentlich Fehlinterpretationen zu liefern, aber auch um selbst zu beurteilen, wie stichhaltig und aussagekräftig die verschiedenen Methoden und Strategien vermutlich sind, inwiefern vielleicht doch eigentlich spezifisch für den ursprünglichen Anwendungsbereich im Sonnensystem, was davon allerdings als universell zu verallgemeinern ist, was also insbesondere auch gut auf das Rasol-System anwendbar wäre. Mir war natürlich schon klar, daß es im Sonnensystem viel mehr Untersuchungen und damit genauere Kenntnisse der Rahmenbedingungen gegeben hatte, dort war es also leichter, Meßergebnisse einzuordnen und ein stimmiges Gesamtbild zusammenzusetzen. Hier im Rasol-System würde es wohl zwangsläufig bei Überlegungen, Hypothesen, mehr oder weniger gewagten Geschichten bleiben, Ideen, was passiert sein könnte. Nun, darauf baut letztlich alles auf und über die Forscher-Generationen kann sich das später einmal zu genaueren Bildern verdichten. Nur wenn mutig begonnen wird, die Entwicklung anzuschubsen, passiert da aber überhaupt etwas.
Peter war unterdessen hauptsächlich wieder mit Melanie betraut, hatte nebenbei allerdings auch ein wenig Zeit, um sich um die Idee der Tages-Expeditionen zu kümmern. So hatte er bereits Satellitenbilder unserer Insel auf dem Monitor, um erste Routen planen zu können. Und eine Liste hatte er auch schon begonnen, was wir brauchen würden, um den wissenschaftlichen Teil einer solchen Expedition gut mit dem zu meistern, was zwei Personen bequem mit Rucksäcken würden bewältigen können. Wegen Melanie kam er damit nicht so weit, was allerdings nicht so schlimm war, denn es drängte uns ja nichts, das noch gleich in derselben Woche zu beginnen.
Noch vor dem Mittag hatte Susanne so viel vorzuweisen, daß sie mich wieder hinzuzog und wir gemeinsam darüber berieten, ob das nun schlüssig und plausibel war, was bislang bereits funktionierte. Immerhin, auch mit dieser erheblich genaueren Analyse war klar, daß Methusalem wirklich ein alter Bursche aus einem anderen Sonnensystem sein mußte, also in der Tat ein spektakulärer Kleinplanet, welcher hier irgendwie eingefangen worden ist. Wir konferierten mit Stanis und Asi darüber, wobei wir schnell die Information bekamen, daß Methusalem trotz seiner deutlich von der Hauptekliptik des Rasol-Systems abweichenden Bahn noch relativ gut erreichbar war. Wenn er sich nicht gerade grob im Bereich der Hauptekliptik aufgehalten hätte, wäre er vermutlich zwar schon entdeckt, aber noch gar nicht untersucht worden. So entwickelte ich also mit Susanne, Stanis und Asi eine neue Stoßrichtung der Methusalem-Forschung, welche diesen mehr als Beobachter des Rasol-Systems sehen sollte. Wir wollten wissen, wann er ungefähr in das System gekommen war, was daraufhin grob passiert sein mochte. Woher er gekommen war, war indessen wohl sehr schwierig zu bestimmen, denn zwangsläufig mußte es da drastische Bahnänderungen beim Einfang gegeben haben. Die Idee war jedenfalls, größere und kleine Einschlagskrater auf Methusalem zu untersuchen, welche davon also über welchen angeordnet sind, somit sicherlich jünger als darunterliegende, ferner wollten wir Positionen und Material der Einschlagskörper wissen.
Nun hat ein Kleinplanet wie Methusalem zwar genug Masse, um grob die Form eines Rotationsellipsoiden auszubilden, indessen deutlich weniger als etwa die Erde, Charybdis oder Skylla. Deswegen sind Einschläge von Asteroiden, anderen Gesteinsbrocken etwa von Katastrophen stammend, bei welchen es Einschläge auf anderen Planeten gegeben hatte, wobei von diesen Planeten wiederum Brocken ins All gestreut wurden, natürlich deutlich weniger destruktiv als bei großen Planeten, wenngleich Kleinplaneten auch keine bremsende Atmosphäre haben. Weil diese fehlt, findet die Erhitzung des Materials wiederum nun unmittelbar beim Einschlag statt, die Brocken zerlegen sich nicht bereits in der Atmosphäre, weswegen die Chancen deutlich besser sind, in den Einschlagskratern noch Material solcher Projektile zu finden, welche den Einschlag weitgehend unverändert überstanden haben, wenigstens tief im Inneren dieser Projektile.
So einigten wir uns darauf, daß Asi mit allerhand Gerät vor Ort Methusalem diesbezüglich eingehend erforschen sollte. Stanis würde hingegen weiterhin die Schwerpunkte der Forschungsprojekte verfolgen, die eigentlich bislang gerade aktuell waren. Aufgrund der verteilten Speicher und Identitäten der Ais war es Asi zudem möglich, gleichzeitig mehrere Projekte zu betreuen, von daher war das nun keine massive Störung ihrer Aktivitäten, im Gegenteil, sie zeigten sich interessiert an den aufgeworfenen Fragestellungen. Sie zeigten sich auch interessiert daran, einmal etwas enger mit uns Menschen zusammenzuarbeiten und gleich intensive Rückmeldungen zu ihren Untersuchungen zu bekommen, aufgrund der Kooperation eben auch unsere Sichtweise und Interpretation, unsere Ansätze für eine Auswertung. So hatten wir das schon einmal gut auf den Weg gebracht.
Ferner galt es natürlich auch noch, die bislang offengebliebenen Fragen mit Susanne zu klären, von denen ich dank meiner Recherche inzwischen einige diskutieren konnte, auf passende Literatur verweisen. Auch dabei steckten wir die Köpfe wieder zusammen, gingen locker miteinander um, vorsichtig festigte ich das neue, zarte Band, welches sich zwischen uns gebildet hatte. So kamen wir auch damit gut voran. Eine weitere Verfeinerung und Optimierung unserer Analysen würde sicherlich helfen, die neuen Daten von Asi, die kommen würden, besser einzuordnen und zu einem plausiblen Bild zu formen.
Nach dem Mittag diskutierte ich mit Susanne und Peter indessen erst einmal meine Ideen, um mehr Daten über die Zusammensetzung von Skylla und Charybdis zu erhalten, die Kartoffeligkeit der Planeten zu analysieren, um so eventuell Hinweise auf die Historie zu bekommen. Die dabei aufkommende Datenmenge und die Korrelation der Daten wäre natürlich ebenfalls sehr komplex, also ebenfalls ein Anknüpfungspunkt für Susanne, auch hier zu optimieren. Dazu war sie bereit, wollte sich das gerne ansehen, wenn ihre Arbeiten am Methusalem-Astro-Geologie-Projekt zu einem guten Zwischenergebnis gekommen wären.
Ida berichtete schon einmal über die Fortschritte im Satellitenbau, um einerseits weitergehende Spektren aufzunehmen, aktive Radarmessungen etc durchzuführen, zudem das Schwerkraft-Nahfeld der Planeten untersuchen zu können. Da hatten wir ja Vorlagen, Pläne von der Erde, zudem war es nun deutlich einfacher, Satelliten zu bauen, als zu meiner Zeit auf der Erde. Die Mikroroboterschwärme bauten die fast gleich vor Ort im Orbit mit Material, welches Körk bei der Bereinigung der Asteroidengürtel ohnehin gesammelt hatte. Von daher gab es da keinen aufwendigen Start mit Raketen vom Planeten aus, keine umständlichen Transportsicherungen, keine Kontaminationen, alles wurde gleich in einem Bereich mit lediglich Mikrogravitation gefertigt etc. Zudem gab es für viele Anwendungen praktisch bereits Pläne mit fertigen Modulen, welche für die jeweilige Spezialanwendung nur optimiert und angepaßt werden mußten, wenn sie nicht gleich ausreichend für die Anwendung waren.
Im Anschluß an die kleine Sitzung hatte ich ein Einsehen und übernahm Melanie von Peter, damit hatte dieser nun Gelegenheit, einerseits seine laufenden Projekte einzusehen, andererseits vor allem unsere Tages-Expeditionen weiter zu planen. Damit kam er gut voran. Und weil Melanie ja nun wirklich sehr lieb und brav war, war es schon möglich, daß ich mich immer wieder daran beteiligte, ein paar Ideen hinsichtlich der Logistik einbrachte. Gerätschaften für Probennahmen hatten wir bereits verfügbar, zudem waren Ida und Hildegard in der Lage, uns im Bedarfsfalle mit einem Luftschiff zu unterstützen, jedenfalls bei mehr oder weniger stabilen Windverhältnissen würden sie uns so bereits unterwegs Proben abnehmen können, ebenso gegebenenfalls größeres Gerät herunterlassen können. Wenn dies aufgrund von böigem Wind eher schwierig wäre, hätten wir trotzdem unterwegs immerhin noch Satellitenbilder verfügbar, ebenso Bilder vom Luftschiff. Beides sollte uns helfen, die geplante Route durch die Wildnis zu finden, eventuell auch kleinere Abstecher zu interessanten Stellen zu machen. Von daher kamen wir da sehr schnell mit der Planung voran. Die Idee war, zunächst mit verfügbaren Fahrrädern das vorhandene Wegenetz zu nutzen, um zügig und einfach an den Beginn einer Route zu gelangen. Danach würde es mit Rucksäcken hinein in die Wildnis gehen. In einigen Bereichen mit wenig Bewuchs und nahezu ebenem, ziemlich festen Boden würden wir mit den Rädern sogar noch etwas weiter vordringen können. Das konnten wir so bereits aufgrund der vorhandenen Aufnahmen der Insel schon ungefähr festlegen, somit schon solide planen.
Insgesamt konnten wir abends sehr zufrieden mit den Fortschritten der Projekte sein. Susanne war gut vorangekommen und überlegte nun bereits, wie eine Visualisierung der Datenmassen zur Untersuchung von Skylla und Charybdis effizient, ergonomisch zu realisieren sei. Für die Daten von Methusalem hatten wir schon einen sehr schönen Prototypen, um die Ergebnisse der Probenanalysen gut erfassen zu können. Solche Interpretationshilfen durch gute Darstellung von Daten ist immer wichtig, um sich nicht darin zu verlieren, sondern aus den Einzelaspekten besser einen Gesamtzusammenhang erschließen zu können. Hier war Susanne auf einem guten Weg, hatte als Pädagogin und Informatikerin in dieser Kombination ein hervorragendes Gespür dafür, uns Daten zu erschließen, um einerseits Fragen aufzuwerfen, andererseits Hypothesen zu entwickeln. Das erfreute mich sehr, sie so engagiert bei der Sache zu sehen. Das brachte uns einander auch wieder näher.
Abends, nachdem ich mich schon von Peter und Susanne verabschiedet hatte, fragte ich bei Esme nach, ob sie Zeit und Lust zu einem Gespräch habe. Sie ging darauf gerne ein, so schlug ich vor, wir könnten draußen sitzen und ein wenig den Nachthimmel bestaunen. Prompt war kurz darauf ihr Avatar bei mir und wir schlenderten ein Stück weit auf einem Weg von der Kolonie weg. Bei einer Bank hielten wir und setzten uns.
Ich meinte: „Ich habe mir überlegt, also gründlich überlegt, daß ich wohl bereit bin, auch ein Kind zu bekommen.
Was meinst du dazu?“
Esmeralda erwiderte: „Es ehrt mich, daß du nach meiner Meinung fragst. Da ist erst einmal der Standpunkt aus Sicht unserer Mission zu nennen: Da ist es selbstverständlich gut, wenn es uns gelingt, die Kolonie mit Menschen zu bevölkern, das ist ja unser Ziel. Davon abgesehen hängt es etwas davon ab, wie du das konkret umzusetzen gedenkst.“
Ich führte aus: „Also gut. Ich habe mir jedenfalls nicht überlegt, zu diesem Zwecke Peter zu verführen oder zu benutzen, das könnte Verwirrung und Unruhe in unsere kleine Gruppe bringen, besonders allein zu dem Zwecke könnte das allseits heikel werden und für Verstimmungen sorgen.“
Esmeralda entgegnete: „Das scheint mir eine naheliegende Einschätzung zu sein. Ich traue dir mit deinem Geschick schon zu, das hinzubekommen oder auch einen Weg zu finden, um noch mehr zu erreichen und die Gruppe damit besser zu einen, aber einfach so könnte das in der Tat zu Konflikten führen.“
Ich beruhigte: „Ich dachte eher an künstliche Befruchtung. Das Thema wurde ja schon einmal konkret angeschnitten. Es soll ja reichlich geeignetes genetisches Material im Archiv sein. Und so haben wir ja auch eine größere genetische Vielfalt in unserer kleinen Kolonie, gleich von Anfang an.“
Sie antwortete: „Stimmt, das können wir gut umsetzen. Das ist Hildegards Schwerpunkt …“
Ich unterbrach: „Schon klar, mit ihr werde ich über Details reden. Ich dachte, mit dir wollte ich erst einmal reden, um meine Gedanken zu sortieren, eine erste Meinung dazu zu hören. Peter und Susanne werde ich dazu sicher auch anhören.“
Sie bestätigte: „Das klingt plausibel. Also die künstliche Befruchtung an sich ist gut hinzubekommen, du bist ja gesund und fit. Und mit der Nachfrage bei Peter und Susanne versicherst du dich ihrer Unterstützung, machst die Bande in der Gruppe enger, das scheint mir eine gute Strategie zu sein.
Du hättest ja noch andere Optionen, könntest dir ja auch unter den Kryo-Zombies einen passenden Partner auswählen …“
Dazu merkte ich an: „Hatte ich auch schon angedacht, aber bei den dürftigen Informationen ist es ungewiß, ob dieser dann wirklich einerseits in die Gruppe paßt, wir uns andererseits auch so sympathisch sind, daß das gut genug harmoniert, um darauf so grundlegend aufzubauen und nicht nur intim zu interagieren, gar gemeinsamen Nachwuchs anzustreben.
Und so rein zu dem Zweck benutzt ist das auch der falsche Grund, jemanden wiederauferstehen zu lassen!“
Esme stimmte zu: „Das wäre in der Tat ein unangemessener Grund. Du hast da viel mehr Feingefühl, um das einschätzen zu können. Und bei mehrere frisch wiederauferstandenen Kryo-Zombies wäre zwar die Chance größer, daß ein passender Kandidat dabei ist, aber das Risiko und der Aufwand für die Gruppe deutlich höher, mehrere gleichzeitig in der Kolonie zu integrieren. Dies ist ein generelles Anfangsproblem der Kolonie und des Konzeptes mit den Kryo-Zombies, so viel habe ich schon verstanden.
Als andere Option gäbe es ja auch noch die Möglichkeit, die genetischen Optionen von Susanne und dir zu mischen, aber das wäre dann sicherlich ähnlich wie bei Peter auf normalem Wege eine Herausforderung, insbesondere weil Susanne und du ja einmal ein Paar gewesen seid. Eine Kombination zu dritt ginge ja auch. Insbesondere falls es ein Junge werden soll, ist da genetisches Material von einem Mann schon erforderlich, wenn das nicht rein synthetisch kombiniert werden soll.“
Ich lächelte: „Jaja, das könnte für Aufregung sorgen. Ein fröhliche Mischung von uns dreien wäre sicherlich spannend, aber es ist vermutlich schlicht einfacher, das genetisch unabhängig von Peter und Susanne umzusetzen. Die beiden haben ihren eigenen Nachwuchs, das ist in Ordnung. Da kann ich auch auf Nachwuchs setzen, der keine genetischen Gemeinsamkeiten hat.
Obwohl, nachdem Susanne so zügig und gleich mit Familiengründung zu Peter übergelaufen ist, wäre das schon ein Ansatzpunkt, um sie herumzubekommen, also dann doch wenigstens ein gemeinsames Kind mit mir … aber lassen wir den wunden Punkt besser ruhen.
Ich bin der Auffassung, der Vorrat ist schon die deutlich harmlosere Option, auch wenn es dabei sicherlich noch einige Dinge zu bedenken und zu entscheiden gibt, die mir Hildegard dann erklären wird.“
Esme stimmte abermals zu und wir plauderten noch ein wenig über die Aussicht, die Sterne, der Eisring.
Den nächsten Tag beim Frühstück mit Susanne und Peter nahm ich das Thema wieder auf: „Ich bin so fasziniert von eurer Familie und auch so begeistert von Melanie, da kitzelt und lockt es mich nun selbst. Nun bin ich ja auch im richtigen Alter und fühle mich bereit, vielleicht sind es auch die von Susanne flutenden Hormone, jedenfalls habe ich gründlich drüber nachgedacht und bin zu der Auffassung gelangt, daß es eine gute Idee wäre, ebenfalls ein eigenes Kind zu haben. Ich dachte da an künstliche Befruchtung mit Material aus dem genetischen Archiv.
Was haltet ihr davon?“
Sie schauten mich beide überrascht an.
Susanne antwortete als erste: „Das ist eine spannende Entwicklung. Wenn du willst, ich werde dich dabei selbstverständlich unterstützen. Wir müssen zusammenhalten. Die Optionen sind ja sowieso begrenzt. Und wenn du auch ein Kind hättest, wäre das ja nicht nur eine prima Gesellschaft für unsere Kinder, es wäre für dich auch gleich ein neuer Lebensabschnitt, ebenso für unsere Gemeinschaft. Also, wenn du fühlst, daß du wirklich willst, ist das eine gute Idee. Und du sagst ja, du hättest es durchdacht, hört sich also nicht spontan an. Ich schätze dich auch so ein, daß du das nicht aus einer Laune heraus entschieden hast oder zur Kompensation einer Frustration wegen unserer Probleme.“
Ich versicherte: „Nein nein, ich trage das schon ein wenig mit mir herum, habe darüber meditiert, zusammen mit Esme gestern Abend noch einmal eine Gedanken dazu sortiert. Das ist keine Reaktion auf unsere Konstellation, eine spontane Laune. Einen Haken haben wir nicht gefunden. Und es gibt ja auch einen gewissen Zeitversatz zur Geburt deines zweiten Kindes, von daher sollten wir damit in unserer kleinen Gruppe schon umgehen können. Ins Chaos stürzen wird uns das nicht. Wenn wir zwei Kinder betreuen können, schaffen wir es auch bei dreien. So entwickelt sich unsere Kolonie eben. Ich will das nicht als primären Grund nennen. Allerdings sind wir nun einmal hier und es gilt, die Zukunft zu gestalten, wenn die Kolonie gedeihen soll.
Peter, was meinst du?“
Peter nickte: „Überraschend kommt der Wunsch schon. Aber es hört sich alles richtig an. Natürlich unterstützen wir dich dabei. Und natürlich brauchen wir Kinder, wenn das mit der Kolonie etwas werden soll. Dazu gehört natürlich auch Nachwuchs von dir. Es scheint mir nur natürlich, richtig und gut, wenn das erst einmal so von uns ausgeht. So haben wir einen starken Bezug zu den Kindern. Die Ais haben ja noch andere Optionen, aber mit den eigenen Kindern haben wir erst einmal einen sehr persönlichen Einstieg. Ich schätze, die anderen Möglichkeiten kommen dann schon, wenn die Zeit dafür geeignet erscheint. Die Kolonie wird sich entwickeln. Gerade jetzt in der Anfangsphase müssen wir natürlich für uns herausfinden, wie wir das am besten hinbekommen. Und Susanne hat Recht, da du das gut und ruhig durchdacht und für gut befunden hast, ist das die richtige Zeit für dich. Wir haben die Möglichkeiten und auch den Willen, dich dabei zu unterstützen.
Also ist deine Entscheidung die unsere, keine Frage, sicherlich keine Einwände!“
Ich war beruhigt und bestärkt in meiner Idee. Wir plauderte noch eine Weile weiter darüber. Nun war die Angelegenheit also wirklich ins Rollen gekommen.
Die Entscheidung war gefallen, ich würde es tun!
So zog ich also Hildegard hinzu. Diese war bereits von Esme grob unterrichtet und war natürlich ebenfalls einverstanden, hatte schon etwas vorbereitet. Sie erläuterte die Möglichkeiten. Genetische Informationen über mich hatte sie selbstverständlich sowieso. So hatte sie sogar bereits einen groben Vorschlag parat, wie das mit meinen Vorstellungen kombiniert werden könnte.
Sie erklärte: „Die einfachste und beste Variante ist in dem Zusammenhang, dir eine Eizelle zu entnehmen, aufgrund unserer Mikromedizin ist das schnell erledigt und wird dich nicht mehr belasten als eine kleine medizinische Untersuchung. Du wählst anhand einiger Fragen aus, was du dir so vorstellst, was anderweitig beigemischt werden soll, also insbesondere wohl äußere Merkmale. Ich suche im Anschluß eine gute Kombination heraus, welche Schwächen in deinem Erbmaterial vermeidet …“
Ich unterbrach mit schräg geneigtem Kopf: „Schwächen?“
Hildegard erläuterte sachlich: „Die gibt es bei jedem biologischen Wesen. Wenn du nennenswerte Erbkrankheiten hättest, wärst du ohnehin nicht auf der Mission, also keine Bange. Es sind eher Kleinigkeiten. Relevanter ist eine gute Kombination. Wenn wir hier auch keine nennenswerten Probleme mit gefährlichen Viren oder Bakterien haben, so ist es doch immer gut, bei der Kombination im Ergebnis darauf zu achten, daß das Abwehrsystem beim Kind optimal ausgestattet ist. Damit das hier immer gut zu tun hat, haben wir ohnehin gewisse Reize im Einsatz, die nicht zu Erkrankungen führen. Aber, obgleich das bei der kleinen Population unwahrscheinlich ist, kann es immer Mutationen geben. Da ist ein leistungsfähiges Abwehrsystem als Vorsichtsmaßnahme immer eine gute Entscheidung. Und kleinere Anfälligkeiten gegen Erkrankungen oder Degenerationen lassen sich bei der Gelegenheit für das Kind ebenfalls minimieren, so meinte ich das mit der Vermeidung von Schwächen. Natürlich hast du ein paar kleinere Anfälligkeiten und Risiken, die wir mit der Mikromedizin gut im Griff haben. Wenn wir es vermeiden können, kann dein zukünftiges Kind mit noch weniger davon auskommen.“
Ich nickte: „Das habe ich nun verstanden. Hat das Nebeneffekte auf sonstige Eigenschaften des Kindes?“
Hildegard führte aus: „Keine merklich nachteiligen jedenfalls. Auf natürlichem Wege hättest du jedenfalls deutlich mehr Überraschungen dabei, die nicht vorteilhaft für das Kind sind. Jedenfalls schlägt das nicht systematisch auf den Charakter, die Intelligenz oder dergleichen durch. Da mußt du also nicht befürchten, daß wir uns da Probleme einhandeln oder etwas erschaffen, was irgendwie nicht wirklich dein Kind ist, also weniger dein Kind als bei einer ganz normalen Empfängnis. Wir wollen einen Menschen bekommen, keine freie Variation dazu. Wir beugen lediglich ein wenig gegen Krankheiten, Krebs und ähnliche Probleme vor, ändern da aber nichts in einem Maße, was nicht als Mensch so auch zufällig herauskommen könnte. Das Kind hat also nicht mehr oder weniger als Susannes Kinder. Es ist vielleicht nur ein klein wenig gesünder und hat natürlich viel von dir, das wird dir ja nicht unerwünscht sein?“
Ich lachte und erwiderte: „Das ist wohl die Hoffnung bei einem eigenen Kind, daß es nur die besten Eigenschaften der Eltern bekommt, die Probleme wollen die Eltern nicht so gerne vererben, wenn es sich vermeiden läßt. Obgleich ich nun nicht daran glaube, daß an mir so viel Besonderes ist, daß das unbedingt erhaltenswert wäre, aber es hat auch seinen Reiz, etwas von sich in die nächste Generation zu vererben. Und wir wollen auch mal nicht pauschal einen Kriterienkatalog festlegen, um Menschen in eine Rangliste einzusortieren. Du hast natürlich Recht, vererbt werden sollten nicht gerade Anfälligkeiten und Krankheiten, lieber etwas, womit das Kind im Leben keine Probleme bekommt oder jedenfalls nicht mehr als es anderweitig hätte.“
Hildegard schloß: „Gut. Das mit der Vermeidung von Ranglisten findet vollkommen meine Unterstützung. Da könnten wir Ais ebenfalls nicht anständig und plausibel einschätzen, wie ein idealer Mensch zu sein hätte, das wäre zum großen Teil ein sehr willkürlicher Katalog. Eine Mutation, eine genetische Abweichung kann natürlich auch der natürlich Ursprung für etwas Neues sind, ist nicht pauschal abzulehnen. Es gibt allerdings zahlreiche eindeutige Veränderungen, welche die Lebensfähigkeit, die Freude am Leben einschränken würden.
Ich verstehe schon, es ist ein heikles Thema, wenn es jenseits des geschickten Mischens von Genen auf eine Optimierung anhand einer einer Ideologie hinausliefe. Das haben wir nicht im Sinn und müssen natürlich auch immer wieder darüber reflektieren, daß sich dabei solch eine Ideologie nicht versehentlich einschleicht und etabliert. Was wir tun, bezieht sich auf das Menschsein, wie es heute. Wir wollen keine neue Art erschaffen oder züchten.
Bereiten wir erst einmal vor, was du dir so vorstellst. Ich habe eine Auswahl vorbereitet. Da kannst du etwa zur Einschränkung ein paar äußere Merkmale vorgeben, bekommst darauf hin etwas mehr von den Kandidaten zu sehen, um einen Eindruck zu bekommen. In der Kombination mache ich daraufhin noch ein paar Vorschläge. So kommen wir im weiteren Verlauf schrittweise zu einer Strategie, was wir letztlich machen werden. Und wenn wir damit durch sind, wird das genetische Material mit deinem kombiniert. Was wir gemeinsam entschieden haben, wird so kombiniert. Was wir dem Zufall überlassen, wird eben zufällig kombiniert, noch einmal kontrolliert und danach geht es los. So bleibt dir also noch reichlich Überraschung, was für ein Kind dabei letztlich herauskommt.“
Ich stimmte zu: „Ja, so genau will ich auch gar nicht alles festlegen. Ein gesundes, aufgewecktes Kind mit einer guten Prognose wünscht sich ja jede werdende Mutter. Und ansonsten liegt auch ein großer Reiz darin, nicht genau zu wissen, was auf einen zukommt und sich darauf einzustellen, damit angemessen umzugehen, sich gemeinsam zu entwickeln.“
So hatten wir also einen Plan und zusätzlich zu meinen Projekten stimmte ich in der folgenden Zeit immer wieder einmal mit Hildegard ab, wie es weitergehen sollte. Ich war verblüfft über die Möglichkeiten. Bei vielen Optionen hatte ich gar keine Präferenz. Da war mir unklar, wozu ich darüber entscheiden sollte. All das blieb mir also als Überraschung. Ich wollte ja gar kein durchgeplantes Kind. Ich war einfach bereit, mich auf das einzustellen, was kommen würde. Trotzdem war es natürlich schon eine gute Erleichterung, sicherstellen zu können, womit sich das Kind nicht würde herumplagen müssen. Nun sind natürlich auch Menschen mit Erbkrankheiten oder Gendefekten, Einschränkungen wertvolle Persönlichkeiten. Wenn es sich vermeiden läßt, mag man das aber natürlich nicht einplanen und vermeidet es lieber.
Ich sann darüber nach, ob unserer Kolonie damit etwas fehlen würde. Wir würden hier keine irgendwie perfekten Menschen heranziehen, irgendwie eine neue Spezies. Herumfummeln am Genmaterial ist eine kritische Angelegenheit. Es ging aber lediglich darum, menschliches Genmaterial zu kombinieren, weder artfremde Sequenzen einzuschleusen noch etwas wegzukürzen. Nach dem Kenntnisstand der Ais wird das Ergebnis ein Mensch sein, wie er auch auf natürliche Weise prinzipiell entstehen könnte, aufgrund der mannigfaltigen Zufälle in der Historie, wer sich mit wem zusammengetan hat, allerdings nicht entstanden ist.
Wo hört nun die wohlmeinende Fürsorge für den Nachwuchs auf, wo beginnt die Kreation einer neuen Spezies?
Ich überzeugte mich davon, daß ich mich mit unserer Methode in der Hinsicht auf der sicheren Seite fühlte, daß es immer noch eindeutig mein Kind war, welches da in Planung war. Geplant ist ja schon heftig genug für meinen Geschmack.
Hildegard hatte lediglich primär die Möglichkeit herausgestellt, viele Probleme für das Kind zu vermeiden. Sie versicherte abermals: Das Kind hätte aber ohne den Eingriff wohl auch zufällig so werden können. Von daher haben wir in dem Sinne mit den technischen Möglichkeiten nicht am Menschsein an sich herumgedreht. Im Sinne der Evolution wirkt eine Selektion durch uns natürlich irgendwie, allerdings nicht hin zu einem Übermenschen oder einem fremdartigen, anderen Wesen. Es wird ein Mensch sein, mein Kind mit zahlreichen Eigenschaften auch von mir, mit Eigenschaften von einem anderen Menschen, wie das bei jedem anderen Kind auch der Fall ist.
In den folgenden Tagen brachten wir in aller Ruhe unsere aktuellen Projekte voran. Als Susanne ihre Hauptarbeit erledigt hatte, somit ein gutes Zwischenergebnis vorweisen konnte, sich nun also wieder mehr Melanie widmen wollte, paßte das wiederum gut dazu, daß die Planungen für die Tages-Expeditionen abgeschlossen waren, zudem eine günstigen Wetterlage gegeben war. So waren wir uns einig, daß Peter und ich losziehen sollten, um die erste Exkursion zu bewältigen.
Ich schlug unterdessen vor, daß wir ja durchaus einige der Expeditionen ganz entspannt angehen könnten. Susanne und Melanie könnten uns ein Stück weit bis zu einem schönen Platz begleiten, dort picknicken und auf unsere Rückkehr warten. Zudem könnten wir variieren. Einige kleinere Touren könnte Peter ja durchaus auch mal an einem Tag alleine durchführen, während ich Susanne und Melanie Gesellschaft leisten könnte.
Das hielten Susanne und Peter für eine gute Idee. Susanne würde so mit Melanie zwar nicht immer mitkommen, bei einem gut gelegenen Startpunkt für unsere Expeditionen, zudem bei gutem Wetter wollten wir die Option aber durchaus im Hinterkopf behalten und bei der weiteren Routenplanung berücksichtigen.
Die erste Tour war allerdings noch nur für Peter und mich geplant.
So radelten wir also an einem Morgen munter los, die Rucksäcke festgemacht, ein Luftschiff zur Unterstützung bereits ungefähr über dem Startpunkt unserer eigentlichen Route. Der lag in diesem Falle relativ nahe an einem der angelegten Wege, daß wir die Räder noch auf dem Weg abstellten und loswanderten. Unser Plan sah eine Route in einer etwas bergigeren Zone vor. Die Route sollte uns später zurück zu dem Weg führen, welcher um den Badesee führte. Da wir noch nicht so gut einschätzen konnten, wie gut wir vorankommen würden, wie lange Probennahmen dauern würden, wieviele Proben wir würden ziehen wollen, war diese erste Route vom Umfang her eher bescheiden ausgelegt.
Schnell fand Peter interessante Stellen, erläuterte mir überdies nebenbei, was interessant für ihn dabei war. Ich fragte kritisch und neugierig, weswegen er durch die Notwendigkeit der expliziten Formulierung sich genauer Gedanken darüber machen konnte, was aus seiner Sicht interessant war, was objektivierbare Kriterien wären, etwas zu untersuchen. Daran arbeiteten wir im Gespräch nun intensiver, denn so wurde ihm das einerseits klarer, wir konnten das zudem ergänzen. Andererseits konnte ich so ebenfalls mit kundigerem Blick Ausschau halten, mich also bei der Expedition auch inhaltlich nützlicher machen, ferner waren solch explizit formulierte Kriterien gleichfalls nützlich für die Missionen der Sonden, die sonst Proben nahmen. Mit einem erweiterten Kriterienkatalog würden auch die besser in der Lage sein, Proben an Stellen zu nehmen, die aus Peters Sicht auf jeden Fall sehr relevant sein könnten, für ihn persönlich jedoch nur schlecht oder gar nicht erreichbar sind.
So kamen wir also bereits am Anfang dieser ersten Expedition mit dem Verfahren deutlich voran. Ich hatte nun allmählich ein klareres Bild davon, wie vorzugehen ist, auf was zu achten ist. Das Gespür, die Intuition kommt mit der Praxis, der Erfahrung mit den Forschungsobjekten.
Wir versäumten es allerdings auch nicht, an schönen Aussichtspunkten innezuhalten, den Ausblick zu genießen, jedoch dabei ebenso Ausschau zu halten, ob es aus dieser Perspektive nicht interessante Stellen zu entdecken gab, welche wir unbedingt untersuchen sollten. So machten wir wirklich schnell den ersten Abstecher weg von unserer eigentlich geplanten Route. Das war allerdings unproblematisch, denn es lag ja durchaus im Zeitplan, auch Dinge zu tun, die nicht bereits vorgesehen waren. Gerade diese spontanen Impulse sind es ja gerade, die einem oft neue Erkenntnisse ermöglichen. So gingen wir dem natürlich nach.
Nun ist es in dem bergigen Gelände natürlich durchaus karg, da war schon auf Details zu achten, allerdings auch nicht so uninteressant hinsichtlich jener Pflanzen, die sich besonders gut für die Erstbesiedlung von kargen Landschaften eignen, wovon Skylla ja reichlich hat. Auf unserer Insel lag allerdings die Besonderheit vor, daß die Luftfeuchtigkeit hier deutlich höher ist als weit im Inland, entsprechend regnet es hier auch einmal ab. Das sind deutlich günstigere Bedingungen als in ausgewiesenen Wüstenregionen des Planeten. Dafür hatten wir es in dem heute untersuchten Bereich ziemlich felsig, von daher wenig Material, in welchem Pflanzen Wurzeln schlagen können. Auch dies ist in Skylla natürlich häufig anzutreffen. Ohne Leben gibt es ja keine Humusbildung. Staub- und Sandablagerungen sind da nur bedingt geeignet, in eher zugigen Ecken einer ursprünglichen Vulkaninsel auch nicht so ausgeprägt. Eine Humusbildung oder ähnlich geeignete Ablagerungen hatten wir auf der Insel hauptsächlich dort, wo es schon seit der Anfangsphase der Besiedlung Pflanzen und Pilze gibt, die Boden und allgemein Material gut halten können.
Die Tagesdunkelheit hatten wir im Hinterkopf behalten, somit hatten wir rechtzeitig einen guten Rastplatz aufgesucht und hatten dort eine Pause und Mahlzeit. Wir plauderten über bereits gezogene Proben und deren Standorte, die weitere Route. Ansonsten verdösten wir die Zeit einfach, wobei ich mich einfach so grob einen Meter neben Peter platziert hatte, so konnten wir uns gut unterhalten, wenn einem von uns gerade etwas einfiel, was zu diskutieren war. In meiner eigenartigen Kinderwunsch-Stimmung suchte ich schon ein wenig die Nähe zu Peter, das war allerdings doch eindeutig freundschaftliche, kameradschaftlich, symbolisch. Vermutlich ein ganz natürlicher Trieb, wenn ein Kinderwunsch aufkommt. Bei den Probennahmen oder Hinweisen auf besondere Aussichten oder eventuell interessante Orte für Probennahmen hatte sich gelegentlich schon die Möglichkeit geboten, ihn unverfänglich zu berühren. Das ging so ganz selbstverständlich und aus der Situation heraus, daß darin nicht so viel lag. Auch damit hatte ich allerdings nun eine harmlose Art von Vertraulichkeit eingeführt, die wir nicht wieder zurücknehmen würden. Mehr passierte jedoch auch nicht zwischen uns.
Wir hatten Zeit, so begann ich einfach mal: „Entwickelt sich doch eigentlich gut. Wir arbeiten zusammen, auch Susanne ist wissenschaftlich voll dabei.
Das geht doch besser als befürchtet!“
Peter stimmte zu: „Auf jeden Fall. Susanne war sich schon sehr unsicher, wie du auf die neue Situation reagieren würdest. Ich hatte auch gewisse Bedenken. Nun klappt es wirklich gut mit uns dreien.
Daß du Susanne an deinen neuen Projekten beteiligen konntest, ist für sie schon sehr relevant.
Es zeigt ihr deutlich, daß du sie akzeptierst, nicht etwa meidest!“
Ich antwortete: „Auf Melanie bin ich auch gleich offen zugegangen, konnte eine Beziehung zu ihr aufbauen, schon von daher sollte sie doch keine Befürchtungen mehr haben, daß ich aggressiv werden könnte.“
Peter lachte kurz, meinte: „Aggressiv nicht gerade, verärgert oder eingeschnappt schon eher …“
Ich bekannte: „Bin ich auch ein wenig, aber an Melanie lasse ich das gar nicht aus. Und ich weiß das schon zu trennen mit unseren wissenschaftlichen Projekten und privaten Aspekten. Bei letzteren entwickelt sich das eben, da können wir nicht rückgängig machen oder ändern, was bereits passiert ist. Das ist die normative Kraft des Faktischen, der Imperativ der Existenz in der Raumzeit.
Wozu sich darüber also noch den Kopf zermartern?
Und inzwischen hat sich das Verhältnis zwischen Susanne und mir doch bereits wieder ganz gut entspannt. Wir harmonieren regelrecht miteinander. Dazu trägt wohl auch bei, daß wir wissenschaftlich gut zusammenarbeiten und wir gelegentlich auch gemeinsam etwas mit Melanie machen.
Ich glaube, ich sollte das weiter ausbauen, weiter auf Susanne eingehen, damit sich das noch weiter bessert, meinst du nicht?
Also doch besser Blick voran und sich darum kümmern, was wir nun daraus machen können.
Da könnt ihr beide euch schon entspannen und wieder euren Spaß miteinander haben …“
Peter räusperte sich.
Ich hakte nach: „Was denn?
Stimmt was nicht?“
Peter zögerte etwas, begann daraufhin aber: „Zu deiner Frage: Es hört sich gut an, daß ihr beide gut harmoniert, wieder einen guten Draht zueinander gefunden habt. Da solltest du auf jeden Fall dranbleiben. Das ist wichtig für uns als Gruppe.
Was unseren Spaß derzeit anbelangt, naja, da hakt es derzeit etwas.
Also weißt du, es war ja schon bei der ersten Schwangerschaft so, daß sie sich etwas zurückgezogen hat, also in den letzten Monaten kein Sex mehr, hat sich gesteigert. Es ist ja schon so, die Schwangerschaft belastet und sie hat dann keine Lust. Weil sie aber wohl denkt, ich wäre sehr auf Sex aus, wenn ich mich ihr nähere, so hat sie zunehmend auch Zärtlichkeiten, Nähe abgeblockt.“
Ich unterbrach: „Ist das denn so, daß du immer Lust auf Sex hast?
Also, wenn du dich ihr näherst?“
Peter räusperte sich etwas verlegen, antwortete nach weiterem Zögern: „Da ist schon mehr, auch die Nähe, das Wohlfühlen einfach so zusammen. Was aber auch stimmt, wenn ich sie in den Armen halte, sie spüre, so bekomme ich eben auch schnell Lust, das stimmt schon. Ich kann mich indes schon beherrschen. Verborgen bleibt ihr das nicht, wodurch sich die Situation eben gleich so entwickelt, daß offenbar wird, daß ich eigentlich schon Lust auf Sex hätte und loslegen könnte, körperlich sowieso, sie jedoch eigentlich keine Lust hat. Und so blieb sie zunehmend auf Distanz, um diese etwas peinliche Situation zwischen uns zu vermeiden, was uns beiden nicht so gut bekommen ist.“
Ich erwiderte: „Verstehe. An sich hört es sich so an, daß du nicht prinzipiell etwas falsch gemacht hast, sie ist eben attraktiv, du liebst sie, hast also auch Lust auf sie. Sie liebt dich zweifellos gleichfalls, in der besonderen Situation hat sie allerdings andere Bedürfnisse, die meist nicht in Richtung Sex gehen, das löst in ihr einen Konflikt aus, Nähe, Geborgenheit, Sicherheit an sich schon, jedoch nicht unbedingt Sex dabei oder in der Folge.“
Peter bestätigte: „Genau. Immerhin hat sich das nach der Geburt wieder gelegt. Klar, da habe ich ihr gut beigestanden, sie umsorgt und aufgepäppelt, mich intensiv gekümmert. Mit dem Kind ist ja alles neu, aufregend, turbulent. Wir waren sehr gefordert, hatten viel zu lernen. Da war Sex erst einmal kein Thema, es drehte sich alles um unsere Familie, um Melanie, darum, daß Susanne sich wieder komplett erholen sollte. So sind wir wieder näher zusammengerückt, haben eine neue Basis gefunden.
Erst hier in der Kolonie ist uns eigentlich erst wieder der komplette Neustart gelungen. Es war alles neu, frisch und aufregend. Hat sich zudem auf uns übertragen und somit ging das ebenfalls mit dem Sex wieder klar, wir hatten beide intensiv Spaß daran und alles war gut, Susanne bald allerdings auch wieder schwanger.
Das war gleichfalls eine schöne, erfreulich Nachricht.
Inzwischen wiederholt sich das Drama allerdings wieder, also nun eher wieder kein Sex und ein Rückzug, die Verknüpfung von Zärtlichkeit und Nähe mit Sex ist in ihrer Vorstellung wieder da. Da sie eher keine Lust auf Sex mit mir hat, gibt es da nun wieder diese Distanz, unter der wir beide leiden. Ich hoffe, das legt sich wieder, wenn das zweite Kind da ist. So ist es doch eher schwierig, nicht einmal primär der Verzicht auf Sex, vielmehr die Distanz, die Unsicherheit, was ich noch tun darf, wobei sie sich noch wohlfühlt, das ist unangenehm, verkompliziert alles. Natürlich akzeptiere und respektiere ich, daß in ihr etwas vorgeht mit der Schwangerschaft, aber dieser Rückzug verunsichert ebenso, weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Es fehlt mir einfach so, sie einfach zu umarmen, unsere Nähe zu genießen …“
Wir schwiegen kurz, ich nickte verständnisvoll, streichelte sachte tröstend mit zwei Fingern über seine Schulter.
Ich meinte: „Das wird sich schon wieder einrenken …
Ich hatte irgendwie schon so ein Gefühl, daß es da gewisse Spannungen zwischen euch gibt. Ich dachte eher, meine Wiederauferstehung hätte einfach die Situation verkompliziert. Es scheint ja allerdings eher an der Schwangerschaft zu liegen. Die hat ja nun auch ein absehbares, erfreuliches Ende. Dann erholt sie sich und ihr habt wieder neue Perspektiven, eine neue Chance, euch wieder näherzukommen.“
Peter meinte dazu: „Das klingt so betrachtet eigentlich ganz plausibel, immerhin eine Aussicht, wann ich wieder etwas erreichen könnte …“
Ich fuhr überlegend fort: „Hmmm. Ja, das muß nicht einfach für euch beide sein. Aber mußt eben auch bedenken, daß Susanne gerade in einer besonderen Situation ist. Die Hormone spielen verrückt, so oft werden sich ihre Gedanken darum drehen, dem Kind in ihr optimale Voraussetzungen mitzugeben. Da ist die Grenze ihrer Möglichkeiten schnell erreicht.
Da kann es leicht zu Mißverständnissen kommen, die zügig auch ein wenig eskalieren können. So, wie du das schilderst, ist für euch beide da derzeit wohl wirklich Pause angesagt. Aber das wird sich sicherlich später nach der Geburt irgendwann wieder normalisieren, hoffe ich jedenfalls. Einstweilen wirst du also Geduld haben müssen, kannst kaum etwas tun, ohne die Lage nicht noch verfahrener zu machen.
Bei mir liegt die Situation wohl etwas anders.
Da könnte es durchaus hilfreich für Susanne sein, wenn ich mehr auf sie eingehe, ihr Halt gebe, sie unterstütze, was meinst du?“
Peter brummte: „Hmmmm hmmmm hmmm. Ja, ja also natürlich. Du hast ja Recht. Wenn du ihr zur Seite stehst, wird es ihr sicherlich helfen, besser durch diese Zeit zu kommen.
Das ist sehr nett von dir, wenn du das machen willst!“
Ich versicherte milde lächelnd: „Ist doch gar kein Problem. Und derzeit ist die Stimmung zwischen Susanne und mir ja ohnehin ganz entspannt. Mit einer guten Freundin zur Seite wird es ihr leichter fallen, mit den Problemen umzugehen, sich zu entspannen, es sich gutgehen zu lassen. Ich nehme mir Zeit für sie, widme mich ihren Bedürfnissen. Da will ich mal nicht kleinlich oder nachtragend sein, wenn die Lage wirklich ernst ist und Susanne meinen Beistand braucht. So bekommen wir das schon wieder irgendwie auf die Reihe, da bin ich eigentlich ganz zuversichtlich!“
Peter überlegte, nickte, schaute mich kurz an, räusperte sich und meinte: „Das ist sehr lieb von dir …“
Eigentlich hatte ich ja genug mit mir zu tun. So war es aber wohl auch richtig, auf die beiden zuzugehen und zu sehen, wie ich helfen könnte. Es ergibt sich eben immer wieder so nebenbei, was getan werden muß, um die Gruppe, die Mission voranzubringen.
Noch im Halbdunkel packten wir zusammen und zogen vorsichtig weiter, um weitere geeignete Orte zu finden, um dort Proben zu nehmen. Trotz einiger Abstecher lagen wir relativ gut in der Zeit, so kamen wir gegen Ende unserer Tour am Badesee an. Da hatte Peter ja bei unserem kleinen Ausflug mit Melanie bereits etwas entdeckt, was uns erst auf die Idee gebracht hatte. So untersuchten wir hier ausführlicher. Natürlich, durch das Vorhandensein des Wassers waren hier relativ günstige Bedingungen, die Seite weiter hinauf in die Berge war allerdings felsig und karg, reichhaltigere Vegetation war eher auf der anderen Seite zu finden, also grob in Richtung der Kolonie. Die Vegetation dort war allerdings zunehmend planvoll von den Ais angelegt worden, zwar über die Jahrzehnte verwildert, gleichwohl nicht im Zentrum des Interesses von Peter, der eher wissen wollte, wie sich die Vegetation dort entwickelt, wo es wenig gezielte Eingriffe von außen gegeben hatte, welche Gesellschaften von Mikroorganismen, Pilzen, Pflanzen sich dort behaupten und ausdehnen können, wo sich das nicht geplant kombiniert, sondern aus einer Zufallsmischung heraus selbst entwickeln muß.
Als wir mit der Expedition durch waren, hatten wir noch Zeit bis zum Abend. Wir übergaben dem Luftschiff die restlichen Proben und die nun einstweilen nicht mehr benötigte Ausrüstung. Dieses zog darauf ab. Wir waren ungestört, schauten über den See. Wir hätten zurück zu den Rädern schlendern können, wären anschließend relativ früh zurück in der Kolonie gewesen.
Ich wies mit der Hand auf den See, wedelte so vage mit den Fingern herum und meinte: „Also, ich hätte Lust, eine Runde zu schwimmen, und du?“
Peter schaute mich erstaunt an, erwiderte daraufhin: „Oh, habe gar keine Badehose mit …“
Ich lachte und erwiderte: „Meinst du, ich?
Ist doch egal, sind doch unter uns, ist ja nichts dabei.
Also los?
Kommst du mit?“
Ich ging fröhlich lachend ein paar Schritte weiter auf eine größere Felsplatte am See, näherte mich dem Wasserrand und guckte nach einer Stelle, an welcher man einsteigen könnte.
Die fand sich zum Glück schnell, ich drehte mich schmunzelnd zu ihm, sprach: „Hier kommt man gut und sicher rein!“, wobei ich auch schon begann, mich meiner Sachen zu entledigen, noch ohne mich nach Peter umzusehen. So nackt und bloß bekam er zunächst nur meine Rückenansicht zu sehen, ich reckte mich allerdings, streckte mich, kniff die Popacken zusammen und gab meinen Hüften einen lasziven Schwung, bevor ich meine Beine grazil in Richtung See in Bewegung setzte. Es machte mir schon ein wenig Spaß, ihn so zu provozieren. Ich war bereits neugierig, wie er reagieren würde.
Ich tänzelte spielerisch herum, griff mit den Fingern locker in die Leere, drehte mich, um Peter ebenfalls mit meiner Vorderansicht zu beeindrucken, aber nur so flüchtig, es sollte natürlich nur ein harmloser Spaß sein, auch um ihn wieder aufzuheitern nach unserem ernsten Gespräch an diesem Tag. Also stieg ich zügig in den See, dessen Temperatur ganz angenehm war. Und so machte ich gleich meine ersten Schwimmzüge. Erst etwas weiter draußen auf dem See drehte ich mich erneut um, schaute nach Peter. Tatsächlich hatte dieser sich ebenfalls entkleidet, eine Hand wie zufällig vor sein Gemächt haltend, daß ich den aktuellen Zustand nicht eindeutig erkennen konnte. Aus der Höhe der Hand vermochte ich allerdings schon erahnen, daß bereits meine minimalistische Aufführung die gewünschte Wirkung hinterlassen hatte. Peter stand auch noch etwas zögernd auf der Felsenplatte. Als er allerdings mitbekam, daß ich guckte, lachte er etwas verlegen und stieg ebenfalls ins Wasser, schwamm locker und ohne Eile ungefähr in meine Richtung.
Als er fast heran war, flitschte ich ihm fröhlich lachend eine kleine Wasserfontaine hinüber. Peter grinste, flitschte beherzt zurück, woraus sich eine kleine Wasserschlacht entwickelte. Wir hatten richtig Spaß, alberten harmlos herum wie die Kinder. Anschließend schwammen wir noch eine größere Runde friedlich nebeneinander durch den See.
Nachdem wir eine Weile das Wasser genossen hatten, schwammen wir zurück zum Ufer, wo unsere Sachen auf uns warteten. Angekommen stieg ich mit Schwung aus dem Wasser. Nun hatten wir ja nichts zum Abtrocknen mit, die Felsplatte war im Sonnenschein allerdings recht warm, so schüttelte ich mich lachend ordentlich ab, legte ich mich einfach auf den kahlen Fels und gab Rasol eine Chance, mich wenigstens etwas zu trocknen.
Als Peter am Ufer angekommen war, zögerte er etwas.
Ich merkte nur an: „Nun hab’ dich nicht so und komm’ schon raus!“
Peter antwortete: „Ja klar, etwas ungewohnt ist die Situation so schon.
Aber es ist ja wirklich nichts dabei, wir sind ja beide erwachsen und vernünftig!“
Ich lachte und entgegnete: „Das sind wir wohl. Also gar kein Drama.“
Peter lachte verlegen, genierte sich schon ein wenig, kam aber doch heraus.
Er sah schon ganz schmuck aus, auf jeden Fall!
Der ganze Körper ist schon sehr ansehnlich und appetitlich. Nun ist er gewiß kein Muskelmann, auch keineswegs fettig, also griffig und ansehnlich und männlich, wie es sein soll, ohne in eine bestimmte Richtung zu übertreiben.
Peter eilte nun allerdings, schüttelte ebenfalls unterwegs möglichst viel Wasser ab, legte sich so etwa knappe zwei Meter von mir ebenfalls auf den Felsen, wobei er sein Gemächt hielt und sich einfach auf den Bauch legte. Ich lachte und er lachte endlich mit. Wir genossen fürderhin jedenfalls einfach nur die Sonne und die Wärme auf der Felsplatte. Und Peter beruhigte sich wohl auch etwas, weswegen er sich ebenfalls umdrehte, als ich das tat, um mich auch auf der anderen Seite trocknen zu lassen. Dabei rollte ich einfach auf dem Untergrund herum, lag so nun gut eine Körperbreite näher an ihm dran. Er drehte sich hingegen auf der Stelle.
Als wir so halbwegs trocken waren, war es auch allmählich Zeit, zurück zu Kolonie aufzubrechen. Also zogen wir uns in guter Laune an und spazierten zurück zu den Rädern. Und mit denen ging der Rückweg letztlich relativ schnell.
Wieder zurück in der Kolonie erläuterte Susanne, was sie so nebenbei noch geschafft hatte, wir berichteten von der Expedition. Susanne hatte ohnehin gerade genug mit Melanie zu tun, so machten Peter und ich uns erst einmal frisch, worauf Peter bereits wieder im Arbeitsbereich war, um nach seinen Projekten zu sehen. Die Auswertung der heutigen Proben würde natürlich noch etwas dauern. Es ging ihm also vorrangig um andere Ergebnisse.
Ich hatte auch noch etwas Zeit, um mit Hildegard weiter an meinen Nachwuchsplänen zu arbeiten. Wir hatten da nun weitgehend alles fertig. Nun war es an mir, mich endgültig zu entscheiden. Anschließend würde nur noch ein optimaler Zeitpunkt abgewartet, um zu einem möglichst natürlich günstigen Zeitpunkt eine Eizelle von mir zu entnehmen, das Erbgut zu mischen und sie wieder befruchtet einzusetzen. Der Rest sollte daraufhin seinen ganz normalen Verlauf nehmen.
Ich war mir inzwischen sicher, daß ich wollte. Die Planung hatte mich weiter bestärkt und mich viel vertrauter damit gemacht, daß bei mir nun bald ein Kind entstehen würde. Es wäre technisch auch anders gegangen, ich hätte es nicht selber austragen müssen. Hildegard bot auch da an, dies einem Brutkasten zu übergeben. Wir stimmten allerdings darin überein, daß es bei guter Ernährung meinerseits im Original noch etwas besser für das Kind sei, die Bindung gleich so gegeben sei, die Erfahrung auch für mich wichtig sei. Von daher war also klar, daß ich es selbst austragen würde.
Ich gesellte mich erst noch kurz zu Susanne und Melanie. Derzeit war Melanie allerdings ruhig und beschäftigte sich selbst mit Spielkram. So hatten Susanne und ich etwas Zeit für uns. Ich teilte ihr mit, wie die Lage um meine Nachwuchspläne war, daß es nun bald passieren würde. Gerührt nahm mich Susanne in die Arme und wir genossen das ein wenig.
Anschließend diskutierten wir weiter am Projekt herum, saßen nebeneinander auf dem Boden, schauten Melanie zu.
Ich fragte einfach mal so: „Habe unterwegs etwas mit Peter geredet.
Wie ist eigentlich deine Sicht, wie es gerade zwischen euch läuft?“
Susanne sah mich kurz an, senkte etwas verlegen den Blick, schwieg noch kurz, seufzte alsdann und hub an: „Naja, wenn du bereits mit Peter darüber geredet hast, wirst du ja bereits wissen, daß es gerade nicht so toll läuft. Ich kann irgendwie nicht richtig auf ihn eingehen. Da schiebe ich ihm sicherlich nicht die Schuld zu, aber trotzdem ist da diese Distanz entstanden, die wir nicht mehr überwinden können. Derzeit ist die Situation irgendwie ziemlich verfahren …“
Ich erwiderte: „Hmmm, wenn wir mal davon ausgehen, daß das zum guten Teil mit der Schwangerschaft zusammenhängt, es da in der Folge zwischen euch irgendwie zu Komplikationen gekommen ist, so ist das doch erst einmal nicht so dramatisch. Du machst das so, wie es sich für dich richtig anfühlt. Ist die Geburt überstanden, hast du dich davon erholt, sieht die Welt wieder ganz anders aus. Da könnt ihr euch Zeit lassen, um auch über die Kinder wieder einen neuen Bezug zueinander zu finden. Da solltest du dich jetzt nicht groß sorgen.“
Susanne schluckte, nickte: „Hast wohl Recht. Je mehr ich das dramatisiere, desto schlimmer wird es, desto komplizierter wird es, das später wieder einzurenken. Derzeit geht es jedenfalls nicht. Tut mir auch leid, aber ist nun einmal so. Und dabei wäre das jetzt eigentlich schon eine Zeit, in welcher ich Nähe und Geborgenheit gut brauchen könnte, aber so richtig wohl würde ich mich mit Peter nicht fühlen, da vermischt sich zuviel, verschiedene Ebenen, ist eben kompliziert.“
Ich nickte, schaute sie wieder an. Unsere Blicke trafen sich. Ohne ein Wort zu sagen, neigte ich mich zu ihr, nahm sie einfach erneut in die Arme. Susanne seufzte und erwiderte die Umarmung. Wir hielten uns einfach.
Etwas später meinte sie: „Mit dir ist es irgendwie einfacher. Da fühle ich mich wohl, da ist nicht dieser Vorbehalt, diese Distanz, obwohl, ja obwohl wir ja auch unsere herbe Krise hatten.“
Ich versicherte: „Die haben wir ja nun ganz gut überwunden. Ich bin natürlich für dich da, unterstütze dich, biete dir Geborgenheit und Nähe, wie du es magst. Wir sollten das einfach mal alles nicht überbewerten, einfach wohlfühlen und uns von dem leiten lassen, was wir gerade empfinden, was uns guttut, meinst du nicht?“
Susanne nickte, noch immer an meine Wange angebuckt.
So waren wir uns schon ein ganzes Stück nähergekommen, das ließ sich ganz gut an. Vielleicht würde es uns ja so gelingen, Susannes Selbstzweifel in den Griff zu bekommen. Vorsicht war da schon noch angesagt, allerdings hatte sie bei mir wohl keine Berührungsängste. Unser Verhältnis hatte sich nicht nur deutlich entspannt, es hatte sich wieder erheblich verbessert. Ich hatte die andere Konstellation verdaut und war nun wieder in der Lage, mich um Susanne zu kümmern, nun eben wie von ihr gewünscht und benötigt rein freundschaftlich.
Ich riskierte es mal und meinte: „Für Peter ist es ja auch nicht so einfach. Es wäre vielleicht gar nicht schlecht, wenn ich etwas vermitteln würde, ihn auch ein wenig über die schwierige Zeit hinwegtrösten.
So könnten wir alle drei etwas weiter zusammenrücken, das könnte uns allen helfen, meinst du nicht?“
Susanne sah mir kurz tief in die Augen, überlegte noch einen Moment, nickte alsdann: „Du hat natürlich Recht, zusammen kommen wir immer weiter!“
Bald war Abend, wir bereiteten für alle das Abendessen vor. So verbrachten wir danach noch einen ruhigen Abend zusammen.
Am nächsten Tag machten wir nicht gleich wieder eine Expedition. Über Nacht waren bereits die meisten unserer Proben analysiert worden, nicht komplett, aber es gab bereits genug Ergebnisse, denen sich Peter widmen konnte. Das war allerdings nicht so viel zu tun, das konnte er auch nebenbei beobachten.
So schlug ich vor: „Ich würde gerne heute mit Susanne einen Ausflug an den See machen. Das Wetter ist prima und der See sah gestern schon sehr einladend aus. Und nachdem ich gestern mit dir, Peter, unterwegs war, ist es doch nur angemessen, wenn ich heute einen schönen Ausflug mit Susanne mache.
Derweil paßt du, Peter, zusammen mit Esme auf Melanie auf, so wird das ein wirklich ruhiger Ausflug, bei welchem Susanne etwas entspannen kann, nicht ständig aufpassen muß!“
Susanne schaute mich etwas überrascht an.
Peter griff das aber gleich auf: „Kein Problem, kann mich mit Esme sehr gut mal um Melanie kümmern. Und du hast schon Recht, das Wetter ist günstig für Ausflüge. Die Auswertung will ich sowieso abwarten, kann mir dabei gut Zeit nehmen, um mich mehr mit Melanie zu beschäftigen, die soll ja auch nicht zu kurz kommen bei all den Projekten.“
So war das abgemacht und nach dem Frühstück packten Susanne und ich ein paar Sachen zusammen und machten uns mit den Rädern auf den Weg zum Badesee.
Dort angekommen packten wir unseren Kram auf der Felsplatte aus. Wir hatten unter anderem eine dickere, große Decke dabei, welche wir dort ausbreiteten. So hatten wir es deutlich bequemer als auf dem nackten Felsen, welcher allerdings Wärme gespeichert hatte, also von daher eine angenehme Unterlage bot, zusammen mit der dicken Decke zudem nicht einmal hart.
Ich schlug alsdann vor: „Könnten ein Bad nehmen, was meinst du?“
Susanne schaute etwas verlegen zu mir.
Ich hakte nach: „Was denn?
Nackt haben wir uns beide schon gesehen, ist doch nichts dabei!“
Susanne verzog den Mund zunächst, wies so mit einer Geste der Hand an sich herunter, antwortete danach: „Also, verändert habe ich mich schon, ist mir etwas peinlich.“
Ich lächelte sie aufmunternd an, kam auf sie zu, nahm sie einfach in die Arme: „Blödsinn, siehst sehr hübsch aus, schwanger steht dir sehr gut!“
Wir lachten beide.
Und so begann ich einfach, ein wenig an ihren Klamotten zu fummeln, Susanne kicherte, wurde unruhig, fummelte aber auch bei mir herum, das nahm etwas zu, worauf sie sich lachend löste und wir jauchzend und giggelnd ein wenig Fangmich mit Hakenschlagen, Drehen, Wenden, Knuffen spielten, was alsbald darin gipfelte, daß ich sie spielerisch ergriffen hatte und lieb umarmte, vielleicht etwas mehr als freundschaftlich, allerdings nicht gerade aggressiv angrabend.
Das hatte sich eigentlich von selbst ergeben und war ganz harmlos.
Wir stiegen in den See, drehten fröhlich eine Runde, bis Susanne erst einmal genug hatte. Also ging es zurück an das Ufer und wir trockneten uns ab, ließen uns auch einfach von der Sonne trocknen, während wir einfach auf der Decke auf der noch warmen Felsplatte lagen und entspannten, dösten über größere Teile der Tagesdunkelheit.
Später aßen wir ein wenig von dem, was wir mitgenommen hatten. Weil es inzwischen wieder heller war, ging es nun nochmals ins Wasser, wo wir etwas herumalberten, aber auch noch einfach zwei Runden schwammen. Susanne war nun wirklich deutlich gelöster, hatte keine Vorbehalte mehr wegen ihrer Schwangerschaft und ihres dadurch veränderten Körpers. Das tat ihr nun ganz wohl, sich von mir angenommen zu fühlen.
So waren wir bald wieder an Land auf unserer Decke und plauderten über ihre Schwangerschaft, Melanie, ebenso über meine Pläne mit dem eigenen Nachwuchs. Das ging uns beide etwas an, hatten da ein gutes, gemeinsames Thema gefunden, mit dem wir uns lange und nun ganz zwanglos beschäftigen konnten.
Später erfrischten wir uns nochmals im Wasser, trockneten uns ab, zogen uns lachend wieder an, aßen noch etwas.
Am späten Nachmittag packten wir zusammen und radelten zurück. Peter erzählte kurz, wie er den Tag mit Melanie gestaltet hatte – oder diese mit ihm, was zudem bis jetzt bei den Analysen herausgekommen war. Wir wiederum schilderten, wie wir den Tag verbracht hatten, das reduzierte sich auf einen Kurzbericht: plaudern, dösen, schwimmen, sonnen, entspannen.
Den nächsten Tag brachen Peter und ich nach dem Frühstück wieder mit den Rädern zu einer Expedition auf. Diesmal ging es nicht in die karge, bergige Region, diesmal lag der Schwerpunkt mehr im Bereich des Sandstrandes und seiner weiteren Umgebung, dem Übergang ins Inland. Im Wasser des Meeres ist ja allerhand gelöst, also noch deutlich mehr als in den Meeren auf der Erde, daher ließ sich bislang im Meer auch nur wenig Vegetation ansiedeln, vielleicht ebenso ein Grund, warum das Leben auf Skylla früher keine Chance hatte. Die Brühe braucht schon sehr robuste Organismen. Auf der Erde gibt es ja durchaus Organismen, die unter extremen Bedingungen existieren. Es war nur nie so ganz klar, ob das eine spätere Anpassung war oder ob diese Organismen bereits seit den Anfängen des Lebens auf der Erde in diesen extremen Nischen ihr Auskommen gefunden hatten. So oder so war das hier in der Brühe des Meeres nicht passiert. Mittlerweile hatten die Ais über die Jahrzehnte unserer Besiedlung ja durchgehend daran gearbeitet, Stoffe aus dem Meer zu extrahieren. Obgleich es viel kleiner als auf der Erde ist, ist das Wasser allerdings trotzdem nicht über ein paar Jahrzehnte zu klären. Immerhin reichte die Wasserqualität inzwischen, um darin einige robuste Organismen zu etablieren. Der Plan bestand nun darin, eine Entwicklung einzuleiten, bei welcher Organismen dabei helfen, die chemische Zusammensetzung des Meeres zu verändern. Das war auf der Erde gleichfalls passiert, als die ersten Organismen per Photosynthese Sauerstoff im Meerwasser produziert haben, so unter anderem dafür gesorgt haben, daß gelöstes Eisen als Rost ausgefällt wurde. Ähnliche Vorgänge hatten die Ais auch hier auf Skylla im Sinn. Inzwischen war es durchaus gelungen, einige Organismen für diese Zwecke im Meer zu etablieren, die Chemie des Meeres also nicht nur mit technischen Anlagen an der Küste zu manipulieren.
Für die Küste unserer Insel bedeutete das jedenfalls, daß die Vegetation dort ebenfalls robust an die Zusammensetzung des Wassers angepaßt sein muß, ähnlich wie an Küsten auf der Erde. Aufgrund des durchaus vorhandenen Regens kam natürlich auch Wasser von den Bergen, der Küstenbereich filterte ferner, weswegen es unterschiedliche Zonen hinsichtlich der Zusammensetzung des Wassers gibt, welches für die Vegetation verfügbar ist. So ändert sich die Pflanzengesellschaft folglich je nachdem, welche Wasserqualität verfügbar ist. Daher hatten wir im Küstenbereich also einige unterschiedliche Zonen für unsere Untersuchungen.
Die Tagesdunkelheit verbrachten wir am Sandstrand. Neben dem Essen plauderten wir angeregt über unsere Expedition, dösten etwas herum, hatten auch etwas zu lesen mitgenommen. Als es wieder hell wurde, setzten wir unsere Untersuchungen fort. Auch für diese Expedition hatten wir absichtlich ein nicht sehr ambitioniertes Programm geplant, weil ja doch immer wieder interessante Sachen in unser Gesichtsfeld kamen, auf welche wir spontan reagierten.
Insgesamt waren wir mit unserem Programm wieder zeitig durch, hatten unsere Proben und unsere Ausrüstung bereits an das begleitende Luftschiff übergeben.
So schlug ich vor: „Noch Lust auf ein Bad im Badesee?“
Peter stimmte lachend zu, also ging es mit den Rädern los. Sorglich hatte ich diesmal sogar Handtücher dabei. Weil das ganz günstig dort war, radelten wir wieder herum, bis wir den Bereich mit der Felsplatte erreicht hatten, auf welcher sich nach dem Bad gut liegen ließ.
Ich legte schon einmal die Handtücher aus. Fröhlich und in gelöster Stimmung zogen wir blank, Peter nun auch ohne Zögern, stürmten so in den See. Dort schwammen wir erst ein wenig, wobei es nicht lange dauerte, bis wir wieder herumalberten, eine kleine Wasserschlacht veranstalteten, anschließend wieder eine Runde nebeneinander schwammen.
Wir beide hielten uns länger im Wasser auf als zuvor Susanne und ich. Das war in Ordnung, wir fühlten uns wohl. Irgendwann war es aber erst einmal genug und ich meinte: „Pause wäre mir jetzt ganz angenehm.“
Peter erwiderte: „Ja geht mir auch so, soll ja keine Sportveranstaltung werden.“
So schwammen wir also zurück, stiegen aus dem Wasser, trockneten uns etwas ab, legten uns hin und ließen uns noch etwas von Rasol bescheinen und trocknen.
Wir dösten noch ein wenig, plauderten etwas über die heutige Exkursion. Ich erläuterte auch kurz meinen Eindruck, daß ich bei Susanne bereits etwas erreicht hätte, die Stimmung bei ihr sei eigentlich ganz entspannt, mit ihrer Unsicherheit bedingt durch ihre Schwangerschaft sei es nicht mehr so arg, vielleicht durch meinen Zuspruch, vielleicht auch einfach so.
Peter zeigte sich erfreut.
Kurz kam ich auch noch darauf zu sprechen, daß mich das auch ermutigt habe, es mit dem eigenen Nachwuchs zu probieren. Meine Vorbereitung mit Hildegard war ja bereits abgeschlossen. Und es würde wohl in den nächsten Tagen passieren. Peter nickte verständig und grinste dann doch, ich schmunzelte zurück.
Wir zogen uns etwas später an, radelten zurück zur Kolonie.
Zurück in der Kolonie war Peter wieder zügig bei der Arbeit. Ich überlegte noch ein wenig über das weitere Vorgehen. Jedenfalls gesellte ich mich zu Susanne und Melanie. Mit Melanie machte es einfach nur Spaß. Etwas selbständiger war sie schon geworden. Sie entwickelte sich gut, ein aufgewecktes Kind. Und ich hatte nach wie vor einen guten Draht zu ihr. Wenn das mit meinen Kind auch so sein würde, könnte sich sehr zufrieden sein.
Bald war es Zeit für das Abendessen, welches wir gemeinsam zubereiteten. Danach verbrachten wir einen harmonischen Abend miteinander.
Den nächsten Tag hatte ich wieder einen Termin bei Hildegard. Diesmal befand sie, daß es günstig sei. So mußte ich mich nun endgültig entscheiden. Das hatte ich eigentlich schon. Aber nun wurde es ganz konkret, die letzte Möglichkeit, die Notbremse zu ziehen. Ich war allerdings ganz entspannt und mir inzwischen sicher, daß ich es wollte. Ich spürte meine Bereitschaft. Und so zogen wir es durch.
Der Eingriff war mit unseren medizinischen Möglichkeiten sehr harmlos, ich merkte kaum etwas davon. Nach der Entnahme der Eizelle hatte Hildegard noch etwas Arbeit, um die vorbereitete Befruchtung und Kombination durchzuführen. Ich war interessiert dabei, ließ mir von ihr erklären, bekam so einen guten Überblick, was wie gemacht wurde, war also direkt dabei. Das war zwar komplett anders als eine natürliche Empfängnis, technisch eben, aber ebenfalls sehr aufregend für mich. Ich war schon ein wenig hibbelig.
Endlich hatten wir den Vorgang abgeschlossen. Hildegard fragte der Vollständigkeit halber noch einmal nach. Nun hätte ich mich noch für den Brutkasten entscheiden können. Sie hatte längst einen vorbereitet. Ich hatte mich aber bereits entschieden. Obgleich ich doch ein wenig nervös war, wollte ich es nun endlich in mir haben, wollte die Entwicklung selbst in mir spüren und voranbringen.
Ich teilte allerdings Susanne und Peter das bevorstehende Ereignis mit. Sie kamen samt Melanie alsgleich vorbei. Wir einigten uns nach etwas Plauderei darauf, daß Susanne bei mir bleiben würde. Peter würde mit Melanie spielen.
Und so wurde in einem zweiten harmlosen Eingriff die befruchtete Eizelle wieder eingesetzt.
Etwas ruhen sollte ich danach. Erst plauderte ich noch ein wenig aufgeregt mit Susanne. Anschließend war es aber gut für mich, ich wurde merklich ruhiger. Es fühlte sich alles richtig an, so hatte Susanne nun wieder frei. Ich las etwas und wartete ab, doch wieder ein wenig ungeduldig. Hildegard hatte allerdings empfohlen, daß ich noch etwas ruhen sollte. So riß ich mich zusammen und tat es einfach.
Zum Mittag waren sie allerdings wieder bei mir und wir aßen gemeinsam, etwas improvisiert zwar, aber lecker und durchaus kurzweilig. Das lenkte mich in der Wartezeit auch etwas ab. Als sie wieder weg waren, döste ich ein wenig. Irgendwann, nachdem ich wieder aufgewacht war, nahm Hildegard eine kleine Kontrolluntersuchung vor. Sie konnte feststellen, daß alles in Ordnung war. Die Eizelle hatte sich eingenistet. Ich konnte mich nun wieder frei bewegen, erst noch etwas vorsichtig, keine intensiven sportlichen Aktivitäten mehr, aber das war in Ordnung. Den Morgenlauf würde ich als einstweilen streichen, meinte ich. Hildegard meinte jedoch, das sei nicht notwendig. Solch normale Aktivitäten dürften kein Problem sein. Ich fragte auch noch wegen der Tages-Exkursionen nach. Hildegard hatte auch da gar keine Bedenken. Sie meinte, von nun an liefe das für mich wie eine ganz normale Schwangerschaft ab. Also einfach vernünftig verhalten, ein wenig vorsichtiger als sonst, dann sollte es gar keine Probleme geben. Ich war erfreut, das zu hören. So gab es also einstweilen keine besonderen Einschränkungen für mich. Es würde weitere Untersuchungen geben, Routine, zudem gab es ja ein paar Mikroroboter in mir zur steten Überwachung der Vitalfunktionen. Hildegard hatte da auch noch etwas angepaßt, wohl meine Kommunikationsgeräte angepaßt. Sie wies mich auch noch darauf hin, daß da nun etwas mehr Daten fließen würden, hinsichtlich meiner Privatsphäre seien das aber keine wesentlichen Änderungen, das würde alles von Subsystemen verarbeitet, die uns gegebenenfalls darauf hinweisen würden, wenn wir etwas genauer untersuchen sollten oder aber eine Änderung der Verhaltensweise angemessen sei. Auch das war also geklärt.
So konnte ich also losziehen, ging gleich zu Susanne und Melanie. Ich war in einer sehr guten Stimmung, die beiden auch. Und beim Abendessen waren wir sowieso alle in einer sehr guten Stimmung. Nun würde sich also für mich ein ganz neuer Lebensabschnitt ergeben. Und ich war sehr zufrieden damit, mich so entschieden zu haben.
Schwanger
Kind mit Susanne
Der Vorschlag, eine weitere Person auszuwählen, ging mir noch weiter durch den Kopf.
Hatten Peter und Susanne das befürwortet, um mich abzulenken?
Implizierte das nicht irgendwie die Annahme, es ginge einfach nur darum, mit irgendwem intim zu sein?
Implizierte das nicht auch das Problem, welches schon die erste Krise zwischen mir und Susanne ausgelöst hatte, als diese das Gefühl bekommen hatte, nur ausgewählt worden zu sein, um mir als Gesellschaft zu dienen?
Würde das unter den gegebenen Umständen die neu ausgewählte Person nicht erst recht haben?
Ich schwankte, war mir unsicher, sah mir aber doch am übernächsten Tag einmal ganz unverbindlich erneut die Daten durch. Ich hatte mir überlegt, daß die Person ja doch jedenfalls beruflich gut zur aktuellen Lage passen sollte oder jedenfalls flexibel einsetzbar sein. Im Vergleich zu meiner damaligen Situation auf dem Raumschiff, anschließend auf der Raumstation hatte sich die Lage hier in der Kolonie deutlich geändert. Hier würden nun bald weitere Qualifikationen relevant werden, die es damals noch nicht waren.
Über diese Erwägungen hinaus wären ausschließlich persönliche Kriterien wohl bedenklich, allerdings unterdessen nicht komplett ausgeschlossen, käme wohl auf eine geschickte Argumentation an. Ich konnte ja nun keinesfalls davon ausgehen, daß dabei mehr als eine persönliche Bekanntschaft herauskommen sollte. Um eine weitere Person zu integrieren, wäre es also von Vorteil, wenn dieser die Nützlichkeit innerhalb der Kolonie einleuchten würde. So würde diese sich auch schneller einfinden und die Situation fernab der Erde akzeptieren.
Nun, ich sollte auch schon ein Auge darauf haben, ob die Person vielleicht zu mir passen könnte. Das wäre ja immerhin sehr nützlich für die soziale Struktur. Und so hätten in der Folge ja auch doch eigentlich persönliche Kriterien Relevanz für die Kolonie.
Nach noch etwas mehr Nachdenken verwarf ich die Option allerdings. Ich dachte mir so, daß ich eigentlich mit Peter und Susanne noch gar nicht richtig fertig war, noch mit dem Geschehenen, mir Widerfahrenem noch gar nicht wirklich abgeschlossen hatte, um mich einer anderen Person zuzuwenden. Das würde nur zu weiteren Problemen führen, wenn ich überstürzt vorginge, mich wieder in eine neue Affäre stürzte, bevor die aktuelle Situation richtig verarbeitet war, ich angemessen damit umgehen konnte. Ich hatte noch nicht genug Distanz, um neu zu beginnen.
Und gelang es mir wirklich, die Situation etwas distanzierter zu sehen, weniger aus meiner persönlichen Perspektive, so mußte ich schon einräumen: So als Familie und ebenso einzeln waren sie schon zu süß. Melanie war einfach ein Traum von Kind. Das machte mir schon ein wenig Lust auf ein eigenes.
Und bei Susanne war bereits ein zweites unterwegs, da lag ich nun eindeutig zurück!
Und da spürte ich widersprüchliche Gefühle in mir kämpfen und brodeln: Einerseits war die Familie schön anzusehen, andererseits war ich erheblich mißgestimmt, daß ich nicht daran beteiligt wurde, daß mir das nicht zukam.
Eifersucht?
Vielleicht.
Mehr aber wohl irgendwie das Gefühl, aufgrund der Konservierung einer Situation ausgeliefert zu sein, nicht einmal ansatzweise kontrolliert haben zu können, was passiert war. Einmal abgesehen vom Problem, die Beziehung zwischen Susanne und Peter zu akzeptieren, wäre ich natürlich gerne bei Susannes erster Schwangerschaft dabei gewesen, ebenso bei der Geburt. Das hatte ich nun schon verpaßt. Immerhin, beim zweiten Kind durfte ich nun jedoch dabei sein. Jetzt war ich also wieder voll dabei, konnte also wieder Einfluß nehmen, miterleben. Und so vom Gefühl her wollte ich wohl auch nachholen, was zuvor nicht möglich war, wobei mir schon klar war, daß es unlogisch ist: Was schon geschehen ist, kann nicht mehr verändert werden, ist nicht mehr verhandelbar. Da gibt es keinen Kompromiß mehr, keine noch erreichbare bessere und auswählbare Alternative.
Nun hatte ich bereits auf eine Affäre mit Peter verzichtet, weil Susanne da war.
Diese hatte umgedreht nicht verzichtet, die beiden hatten nun zusammen eine Familie.
Was blieb da für mich?
Warum sollte ich nur danebenstehen und zusehen dürfen?
Wie aber sollte ich das konkret umsetzen und was überhaupt?
Einerseits sollte ich den beiden wohl noch vorsichtig und genauer auf den Zahn fühlen.
Hatte ich da nicht nebenbei auch eine gewisse Anspannung zwischen den beiden gespürt?
Gab es da Probleme?
Könnte mir das etwas nützen?
Zudem sollte ich wohl noch genauer in mich horchen, darüber nachsinnen, wie ich nun wirklich zu eigenen Kindern stehe. Immerhin hatten die Ais Optionen genannt. Da gäbe es schon Möglichkeiten, zu einem Kind zu kommen, jetzt ohne Peter oder einen anderen Kryo-Zombie, mit dem ich mich ja ohnehin erst vertraut machen müßte – bei den dürftigen Informationen Glücksache. Und bei Nichtgefallen kann ich ihn ja nicht einfach wieder einfrieren lassen. Daher hatte ich die Option ja bereits einstweilen verworfen. Aber die Ais hatten da noch andere Möglichkeiten auf Lager. Also erst einmal den Gedanken für mich etwas sacken lassen, dann mit Hildegard sprechen, vielleicht sogar erst mit Esme, wir hatten ja bereits noch einen etwas anderen Draht zueinander gefunden. Da ist es einfacher, mal so draufloszuplaudern, auch um erst einmal die eigenen Gedanken zu klären, nebenbei die Möglichkeiten genauer einzuordnen.
Ansonsten war es nun sicherlich auch wichtig, mich mehr um Susanne und auch Melanie zu kümmern, also freundschaftlich bei Susanne, so mütterlich oder auch als nette Tante bei Melanie. Insbesondere letzteres würde doch sicherlich ebenfalls dabei helfen, mir Klarheit zu verschaffen, ob es nun wirklich an der Zeit war, ein eigenes Kind zu haben.
Vielleicht wäre es mir ja auch genug mit Melanie und Susannes zweitem Kind?
Zweifellos hätten wir mit zweien schon ein wenig zu tun. Und Susanne da etwas zu entlasten, wäre ja sicherlich auch nicht schlecht. Peter kümmerte sich ja auch, hatte aber gleichfalls seine wissenschaftlichen Projekte. Die Zeit mit den Kindern etwas besser auf uns drei zu verteilen, wäre letztlich nur fair und würde für beide auch etwas mehr Freiräume schaffen.
Bei den wissenschaftlichen Projekten würde ich mit Peter sicherlich gut gemeinsam arbeiten können. Betonung bei Peter also auf wissenschaftliche Zusammenarbeit, vielleicht bei Susanne ebenfalls, denn mit etwas mehr Freiraum wäre sie vielleicht auch wieder dazu zu begeistern, wieder mehr bei den wissenschaftlichen Projekten einzusteigen.
Zwar hatte Susanne ja betont, daß sie mir inzwischen nicht mehr als Freundschaft entgegenbringen wolle, aber war in dieser Betonung nicht auch etwas drin, was mir verriet, daß sie zweifelte?
Sonst hätte sie das gar nicht so betonen brauchen. Was nicht ist, muß ja eigentlich nur hervorgehoben werden, wenn Zweifel bestehen, ob es nicht doch wieder sein könnte.
War sich Susanne vielleicht gar nicht so sicher?
Kriselte es vielleicht zwischen ihr und Peter gar ein wenig?
Eine Verstimmung, gar noch verstärkt durch meine Wiederauferstehung?
Sollte ich da nicht ein wenig nachbohren, um zu ergründen, wie die Lage aktuell wirklich war, wie die Konstellation unserer sozialen Gruppe sich gerade entwickelte?
Vielleicht könnte ich ja gar ausgleichen, alles wieder ins Lot bringen, wenn ich mich weiter einbrächte?
Mich nur auf einen von beiden zu stürzen, schien mir nun eindeutig unangebracht und riskant für unsere kleine Gemeinschaft. Etwas subtiler sollte ich schon vorgehen, um mich unauffälliger einzubringen, unseren Umgang miteinander zu harmonisieren. Also sollte ich auch wohl sowohl etwas mit Peter unternehmen, aber auch auf Susanne eingehen. Das würde mit Peter schon auf wissenschaftlicher Ebene gut funktionieren. In der Richtung überlegte ich weiter. Mit Susanne würde sich schon etwas ergeben, vermutlich spontan aus einer geeigneten Situation heraus.
Am nächsten Morgen verkündete ich beim Frühstück also: „Ich dachte mir, ich steige wieder mehr in wissenschaftliche Projekte ein, bringe mich erst einmal auf einen aktuellen Stand, schaue mir Peters aktuelle Projekte an, entwickele vielleicht auch eigene. Es ist ja noch immer nicht geklärt, wie das Doppelplanetensystem nun entstanden ist, warum Charybdis so belebt war, Skylla hingegen tot. Vielleicht bekomme ich da ja noch ein paar Ideen, um dem auf die Spur zu kommen, um unsere neue Heimat besser kennenzulernen.“
Peter nickte: „Finde ich gut. Gerne erläutere ich dir, was ich gerade so mache. Und gerne diskutiere ich natürlich bei Bedarf auch neue Projekte mit dir. So im Austausch, in der expliziten Formulierung von Ideen entwickelt sich ja meist sehr viel.“
Ich lächelte und erwiderte: „Ja, den Gedanken hatte ich ebenfalls!“
So in Gedanken war mir das schon ein wenig zweideutig, aber in unserer Runde fiel das natürlich nicht auf.
So meinte Susanne ebenso: „Prima, Michaela, wenn ihr beide mehr zusammen unternehmt, harmonisiert sich die Situation hoffentlich zügig noch weiter.“
Ich bestätigte: „Daran hatte ich gleichfalls gedacht!“
Und so war das bereits entschieden.
Ferner teilte ich mit: „Mit der Wiederauferstehung einer weiteren Person warten wir wohl besser auch noch, bis sich das mit uns richtig eingespielt hat!“
Susanne meinte: „In Ordnung, hast vermutlich Recht, das sollten und brauchen wir nicht überstürzen.“
Peter nickte ebenfalls verständig. So war auch das Thema einstweilen erledigt.
Während Susanne sich primär um Melanie kümmerte, gesellte ich mich also zu Peter in den Arbeitsbereich. Auf Nachfrage erläuterte er mir seine derzeitigen Forschungsaktivitäten genauer. Schwerpunkt war da derzeit noch immer die Untersuchung von Pflanzengesellschaften hier auf Skylla und ebenfalls auf Charybdis, wobei es dort darum geht, Kombinationen von irdischen und charybdianischen Organismen zusammenzustellen, welche ihre Entwicklung gegenseitig besonders gut fördern.
Auf beiden Planeten waren Sonden unterwegs, um automatisch Proben zu nehmen, welche wiederum automatisch von den Ais analysiert wurden. Peter versuchte danach, sich mit den Ais einen Reim darauf zu machen, wie das zu verstehen war, was warum funktionierte oder eben auch nicht, je nach Standort, an welchem die Proben gezogen wurden.
Dazu hatten sie in Laboren Züchtungen und diverse Versuchsanordnungen, um neue Arten und Kombinationen zu testen.
Nachdem das gut erklärt war und ich erst einmal einen ersten Überblick hatte, fragte Peter: „Du hast beim Frühstück ja bereits erwähnt, wieder an eigenen Projekten arbeiten zu wollen.
Schon genauere Ideen?“
Ich zuckte die Schultern, erwiderte: „Muß mir erst einmal einen Überblick verschaffen, wie sich die Situation im Planetensystem in den letzten Jahrzehnten verändert hat, Körk war da ja sehr aktiv. Und ich muß mir auch einmal ansehen, was inzwischen herausgefunden wurde über die Historie des Systems, was über die Planeten. Wenn es genaue Daten über die Planeten gibt, wäre es ja auch möglich, Hypothesen über die Vergangenheit aufzustellen, Stellen zu lokalisieren, wo Proben genommen werden könnten, Untersuchungen förderlich wären, um Hypothesen zu stützen oder zu widerlegen.
Sie haben wohl auch einen Kleinplaneten gefunden, welcher gar nicht aus diesem System zu stammen scheint, älter als dieses ist, hast du davon gehört?“
Peter schüttelte den Kopf: „Nicht daß ich wüßte, ist mir vielleicht aber auch entgangen.“
Ich fügte hinzu: „Ich hatte bereits die Ehre, ihm einen Namen geben zu dürfen: Methusalem.“
Peter hakte nach: „Wirklich älter als das Rasol-System?
Schon interessant.
Wie kann das sein?
Wie stellt man das Alter eigentlich fest?“
Ich antwortete: „Genaueres habe ich mir noch gar nicht angesehen. Kommt vermutlich aus einem anderen System, wurde von Rasol in einer Wechselwirkung mit verschiedenen Planeten oder Kleinplaneten eingefangen. Letztlich ist es ja ohnehin so, daß schwerere Elemente in Sternen ausgebrütet werden. Irgendwie müssen sie da ja wieder heraus, wenn man sie letztlich hier auf Planeten vorfindet. Ganz schwere Elemente jenseits des Eisens werden ja wohl erst erzeugt, wenn sein Stern in einer Supernova oder einer ähnlich heftigen Explosion genug Druck in gewissen Regionen aufbaut, um die Kerne kleinerer Atome zu den schweren zusammenzudrücken. All das Zeug kommt also zwangsläufig von anderen Systemen, als feiner Sternenstaub ist das Alter allerdings nicht zuzuordnen. Hat ein Sonnensystem jedoch überdies ein Planetensystem, gerät da vorher, besonders in der Entstehungsphase schon einmal etwas durcheinander und ein Planet kann dabei auf Kosten der anderen so viel kinetische Energie bekommen, daß er aus dem System geschleudert wird. Der Vagabund saust daraufhin durch den freien Raum. Wahrscheinlich trifft der nie wieder auf ein Sonnensystem. In diesem Falle war es aber wohl so, daß er zufällig auf das Rasol-System zu geschleudert wurde, dort mit Rasol und den Planeten in mehrfacher Wechselwirkung kinetische Energie verloren hat, so hier eingefangen wurde.
Beim Alter, hmmm, also sicherlich haben Asi und Stanis Proben an verschiedenen Stellen genommen, die nicht nach Einschlagskratern aussahen. Hat sich ein Kleinplanet erst einmal gebildet, hat er genug Struktur, genug Atome für Statistiken, ebenfalls radioaktives Zeug im Gestein, was sich für eine Altersbestimmung eignen kann, weil sich bei einem seismisch nicht aktiven Kleinplaneten ja sonst kaum noch etwas an den Gesteinen, Metallklumpen etc ändert außer dem Zerfall radioaktiven Materials über verschiedene Zerfallsketten.
Alter von Gestein ist allerdings nicht so ganz einfach. Es gibt immerhin bestimmte Gesteinsarten, die aufgrund der Chemie auf typische Weise zusammengesetzt sind. Sind da bereits anfangs radioaktive Isotope drin, ändert sich die Zusammensetzung mit der Zeit. Isotopenverhältnisse und die Verhältnisse der Häufigkeiten verschiedener Elemente sind dann typisch für die Entstehungszeit des Gesteins. Bei Uran oder einem instabilen Isotop von Rubidium etwa kann man so aus der Zusammensetzung von Gestein abschätzen, wann das entstanden ist, also vielleicht gar das Uran bei einer Sternenexplosion, später wohl auch das Gestein, wenn das Uran da charakteristisch eingebaut ist und sich über die Zeit aufgrund der Zerfallsketten der Uran-Isotope typische Häufigkeiten von Elementen und Isotopen herausbilden, die als Uhr verwendet werden können. So in etwa, muß ich mir auch noch genauer anlesen, um da qualifiziert mitreden zu können, Daten kritisch zu interpretieren, eventuell auch brauchbare Vorschläge zu machen.“
Peter nickte und ich fuhr fort: „Hinsichtlich der Frage, wie das Zwillingsplanetensystem entstanden ist, warum es nun auf Charybdis Leben gibt, auf Skylla lediglich eine Wüste mit wenig, chemisch jedoch stark angereichertem Wasser, muß ich mich bei den erhobenen Daten ebenfalls erst auf den aktuellen Stand bringen. Ich muß ja erst einmal wissen, welche Daten wir schon haben, was man daraus lernen kann, welche Daten wir vielleicht mit welchen Experimenten und Beobachtungen generieren sollten, um mehr zu erfahren. Das wird mich schon ganz gut beschäftigen. Da will ich mal nichts überstürzen, mir aber schon genauer ansehen, wie ich mich sinnvoll einbringen kann, um das zu ergänzen und anzureichern oder auch erst zu interpretieren, was bislang in den letzten Jahrzehnten erreicht wurde.“
Peter nickte: „Hört sich doch gut an!“
Um meinen Plan der Beschäftigung mit ihm ebenfalls zu verfolgen, blieb ich bei ihm und stellte noch ein paar mehr Fragen zu seinen Projekten, woraufhin wir uns da eingehender vertieften und darüber diskutierten. Das schien mir ein ganz guter Anfang zu sein. Bei solchen Projekten hatten wir schnell einen Draht zueinander und zogen schnell an einem Strang in die gleiche Richtung.
So beschäftigten wir uns den Vormittag über hauptsächlich mit Peters Projekten. Dadurch bekam ich in der Folge schon einen ganz guten Eindruck vom aktuellen Forschungs- und Wissensstand. Ich zeigte aufmerksam und sachlich Interesse an seiner Arbeit, hielt eine lockere Stimmung aufrecht, in welcher Peter genau in seinem Element war. Und weil ich so an dem teilnahm, was Peter beschäftigte, eifrig fragte, harmonierte das sehr schön. Aus Peters Erläuterungen war zudem zu entnehmen, daß er gerne Susannes Beiträge zu den Projekten nannte, wo sie optimiert hatte, was ohne ihren Beitrag so gar nicht in dem Umfang funktioniert hätte. Nachdem das aber alles optimiert war, zudem Melanie auf der Welt war, hatte sich Susanne da weitgehend aus der Forschung zurückgezogen, trug allenfalls nur noch mit Kleinigkeiten bei. Das schien nun weder von Peter noch von Susanne gezielt so beabsichtigt gewesen zu sein, hatte sich eben so etabliert. Das war nicht ganz die traditionelle Rollenverteilung in der Familie, kam dem aber schon nahe. Peter hätte das wohl gerne anders gesehen, da gerne mehr Gemeinsamkeiten gehabt. Derzeit gab es aber gerade wenig, was ihm einfiel, wo Susanne ihre Fachkenntnisse hätte dringend einbringen sollen, wo sie damit wirklich gefordert worden wäre. Sie hatte derzeit wohl nicht so viel Muße, sich in andere Bereiche einzuarbeiten und Routinekram wollte er bei ihr auch nicht abladen.
So genoß er es sichtlich, mir ausführlich zu berichten und mit mir zu fachsimpeln. Das ließ sich jedenfalls schon einmal gut an. Wir lachten gemeinsam, diskutierten locker herum.
Beim Mittag plauderten wir gemeinsam ein wenig. Eigentlich hätte Peter am Nachmittag Melanie übernehmen sollen. Ich schlug allerdings vor, mich zu Susanne zu gesellen und so gemeinsam mit Melanie den Nachmittag zu verbringen. Damit waren sie einverstanden. Und ich hatte ein wenig mehr Gelegenheit, mich ebenfalls vorsichtig Susanne anzunähern.
So gesellte ich mich nun zu Susanne und Melanie, um auf andere Gedanken zu kommen, die neuen Informationen sacken zu lassen, Melanie auch ein wenig zu belustigen, so auch in mich hineinzuhorchen, ob das mit dem eigenen Kind nur so ein flüchtiger Impuls war oder ob das doch irgendwie ernster war. Die Beschäftigung mit Melanie machte mir viel Spaß und so zusammen mit Susanne kam ich auch gut zurecht, wenngleich ich noch immer nicht überwunden hatte, wie schlecht das für mich gelaufen war, während ich konserviert gewesen war. Gegenüber Susanne verzichtete ich allerdings auf diesbezügliche weitere Spitzen. Stattdessen gingen wir freundlich, ja wieder freundschaftlich miteinander um. Und auch Melanie trug dazu bei, daß wir uns bereits wieder gut vertrugen und eigentlich sehr gut harmonierten. Melanie war zwar Ergebnis der Entwicklungen, sollte allerdings nicht unter unserem schwelenden Konflikt leiden. Ich mochte sie gleich von Anfang an. Wir hatten bereits einen ganz guten Draht zueinander. So war ich in ihrer Nähe sowieso gut beschäftigt und hatte keine Gelegenheit, in trüben Gedanken zu schwelgen, dazu machte es einfach zuviel Spaß zu erleben, wie sie allmählich die Welt erforschte, zu eigenen Ansichten und Fertigkeiten gelangte, sich noch etwas ungeschickt austauschte, aber gute Fortschritte machte.
Und Susanne war schon merklich erfreut darüber, wie gut ich auf Melanie reagierte, wie gut ebenso umgedreht diese auf mich.
So gelang es wirklich relativ zwanglos, wieder mehr Nähe zwischen mir und Susanne aufzubauen, wobei wir noch keine Vertraulichkeiten austauschten, aber schon gelegentlich fröhlich miteinander lachten und die gemeinsame Zeit so zu dritt bereits genossen. Überstürzen wollte ich da nichts, aber das schien mir bereits ein guter Anfang zu sein, um Susanne wieder näherzukommen.
Und so mit Melanie um mich herum hatte ich schon den Eindruck, ein eigenes Kind käme durchaus in Frage. Das wäre schon eine Möglichkeit und die Zeit fühlte sich nun eigentlich auch ziemlich richtig an. Ich wollte aber auch das noch weiter sacken lassen.
Übertreiben wollte ich die Annäherung an Susanne auch nicht, so begab ich mich später wieder an die Arbeit. Aber vormittags war ich da schon eine gutes Stück weitergekommen, das war bereits ein vielversprechender Anfang, auf den ich nun aufbauen konnte.
So nutzte ich den Nachmittag, um mich in die Geochronologie und Gesteinsdatierung einzuarbeiten. Was auf der Erde, allgemeiner im Sonnensystem funktionierte, mochte hier im Rasol-System etwas andere Voraussetzungen haben. Allerdings hatten Asi und Stanis reichlich Proben aus dem System, somit ebenfalls eine gute Grundlage, um einerseits das Alter des Rasol-Systems aus verschiedenen Methoden zu bestimmen, andererseits gleichfalls Unterschiede, besondere Zusammensetzungen der Materialien von Methusalem. Daher waren die Schlußfolgerungen der Ais schon überzeugend. Methusalem paßte in seiner Hauptmasse, also abgesehen von eindeutig jüngeren Einschlägen, nicht in das sonstige Muster. Ein Einfang in das Rasol-System war also schon plausibel. Ich beschloß, mir das noch näher anzusehen.
Welche Zerfallsreihen hatten sie sich angesehen, welche Isotopen- und Elementenverhältnisse hatten sie analysiert, wo hatten sie Proben genommen?
Wenn ich mich da weiter einarbeitete, sollte es mir gelingen, weitere Vorschläge zu machen, was noch zu untersuchen wäre, welche weiteren Zerfallsreihen wir nutzen könnten, um die Hypothese noch besser abzusichern?
Ich wollte es versuchen und mich da hineinfuchsen.
Wenn Methusalem doch nur ein Kleinplanet ist, war doch davon auszugehen, daß er bei einem Einfang einst mit erheblicher Relativgeschwindigkeit in das Rasol-System gekommen ist. Betrachtet man nun ein einfaches Modell von zwei Punktmassen in einer gravitativen Wechselwirkung, so käme es nie zu einem Einfang. Bei einem solchen ist es immer notwendig, die überschüssige kinetische Energie irgendwie anders zu verteilen. Bei einem System aus mehr als zwei Körpern ist das möglich. Im Extremfall kann da etwa ein anderer Körper aus dem System geschleudert werden, ein größerer Planet könnte bei einer Wechselwirkung allerdings auch auf eine etwas energiereichere Bahn um Rasol verschoben werden, um die Energie so anders im System zu verteilen. Kommt es gar zu Einschlägen, kann ein Teil der kinetischen Energie auch in Wärme umgesetzt werden. Zwar gilt insgesamt immer noch die Impulserhaltung, trotzdem ist so bei komplexen, ausgedehnten Massen ein Einfang möglich. Erhaltung der Gesamtenergie, von Impuls und Drehimpuls ist gegeben, sie werden lediglich unter den beteiligten Objekten anders verteilt.
Obgleich solch ein Kleinplanet schon winzig ist im Vergleich mit den Gasriesen oder gar mit Rasol selbst, sollte solch ein Einfang bei den Planeten hingegen schon Spuren hinterlassen haben, von diesen hätten also wohl mindestens zwei ihre Bahnen geändert, vermutlich waren auch Bahnen diverser Kleinkörper wie Asteroiden geändert worden, mit der Wirkung von heftigeren Asteroidenschauern auf die Planeten in die folgenden Jahrhunderten oder Jahrtausenden. Häufungen von Ereignissen könnten also auf den Einfang hindeuten, mit Glück mit diesem eindeutig in Bezug gebracht werden.
Als weitere Ablenkung oder Aktivität hatte ich beschlossen, morgens wieder täglich einen Lauf zu absolvieren. Das war hier auf der Insel ohnehin viel abwechslungsreicher möglich, ebenso vom Ausblick her deutlich interessanter als noch auf der Raumstation. Die Ais hatten zudem ein Wegenetz angelegt, welches dafür sehr gut nutzbar war. Den nächsten Morgen flitzte ich also früh, noch vor dem Frühstück über die Wege der Insel, meditierte gar ein wenig am Felsenufer eines Badesees auf der Insel. Genaugenommen war das der einzige Badesee der Insel, jedenfalls von der Größe her dafür hervorragend geeignet, anders als das Meer mit sauberem, klaren Wasser ausgestattet, welches nicht bei etwas längeren Aufenthalt gleich die Haut angreift. Meditation reichte mir indessen an diesem Morgen. Ein Bad wäre aber sicherlich an einem anderen Tag auch eine schöne Option und Ergänzung des Programms.
Ich meditierte insbesondere über das Thema eigenes Kind. Ich wälzte Argumente dafür und dagegen, überlegte konkrete Umsetzungsalternativen, horchte tief in mich, ob das nun wirklich mein Weg sei. Zum Abschluß der Meditation war ich mir sicher, daß ich das umsetzen will. Nun konnte ich mir das gut vorstellen und war schon sehr gespannt darauf, was die anderen dazu meinen würden, wie das nun konkret von den Ais umgesetzt würde. Wenn ich sie richtig verstanden hatte, hatten sie jedenfalls reichlich genetisches Material im Archiv. Daran sollte es nun nicht liegen.
Andererseits war mir Susanne eigentlich noch etwas schuldig, Peter vielleicht auch.
Vielleicht sollte ich da ganz praktisch etwas einfordern, ganz direkt von Peter?
Die Ais hatten allerdings auch etwas erwähnt, bei dem Susanne und ich die biologischen Eltern wären. Ich war mir noch unschlüssig, wie es gehen könnte. Ein persönlicher Bezug hätte dabei schon einen besonderen Reiz für mich. Mit der Forderung könnte ich allerdings auch Konflikte fördern, genauso allerdings bei einer anderen Herangehensweise die Gruppe weiter einen.
In dieser Hinsicht hing es einmal mehr davon ab, wie ich vorgehen würde.
Ungestüm und spontan, nur meinem Willen folgend oder besser strategisch geschickt?
Vielleicht auch darauf vertrauend, daß Susanne und Peter eigentlich keine Gegner im Spiel sind, vielmehr Mitspieler auf meiner Seite?
Es war eher eine Kurzmeditation über vielleicht eine Viertelstunde, wonach ich mich wieder auf den Weg machte, in einem großzügigen Bogen zurück zur Kolonie lief.
Meditation, meine getroffene halbe Entscheidung und der Lauf hatten mir sehr gutgetan, den Kopf durchgepustet, mich merklich erfrischt und belebt. So hatte ich jedenfalls gute Laune, als ich nach einer Dusche zum Frühstück zur Familie Susanne, Peter und Melanie ging.
So in der Gruppe hatte sich die Stimmung schon entspannt, so lief das Frühstück munter und bei guter Laune ab. Ich erzählte schon ein wenig über Methusalem und meine Ansätze, was ich noch genauer verstehen wollte, wo weiter nachbohren, um herauszufinden, ob ich da nur noch etwas nicht verstanden hatte oder ob da noch Lücken in der Argumentation waren.
Susanne fand es ebenfalls bemerkenswert, daß es da solch einen alten ‚Beobachter‘ im Rasol-System geben sollte, welcher eventuell irgendwo Informationen über die Historie des Systems gespeichert haben mochte. Ihr war jedenfalls auch nicht bewußt, daß der entdeckt worden war.
Wir hakten bei Ida nach, die schon angeben konnte, daß Susanne und Peter darüber kurz berichtet worden war. Der Fokus der Aufmerksamkeit lag in der Zeit aber eindeutig mehr bei den biologischen Projekten, weswegen das wohl untergegangen sei. Vermutlich war es ja nun auch so, daß es nicht wirklich dringlich gewesen war, was Methusalem ihnen über die Vergangenheit hätte verraten können, wenn gerade die Gegenwart insbesondere auf Charybdis solch verblüffende Entwicklungen zeigte. Immerhin hatte ich nun davon ebenfalls etwas mitbekommen. Weil meine Schwerpunkte etwas anders liegen, hatte ich das nun als interessant aufgegriffen. So hängt es wohl immer an Einzelpersonen und Interessen, was in den Vordergrund rückt, um näher untersucht zu werden. In dieser Hinsicht ist Forschung gar nicht so objektiv. Was untersucht, erforscht und entwickelt wird, hängt entscheidend von individuellen Interessen und Sichtweisen ab, selbst wenn die Methoden letztlich allgemeiner formuliert werden können.
Mit Pinseln, Leinwand und Farbe stehen Malern ja auch immer ähnliche Werkzeuge und Materialien zur Verfügung, die Ergebnisse sind allerdings deutlich unterschiedlich.
Indessen führen oft auch unterschiedliche Interessen und Forschungsprojekte zu ähnlichen technischen Anforderungen und Bedürfnissen, weswegen trotzdem ziemlich ähnliche technische Entwicklungen angestoßen werden können, welche wiederum erst weitere wissenschaftliche Fragestellungen aufwerfen oder es ermöglichen, bestimmte Fragen erst zu untersuchen.
Nach dem Frühstück gingen Peter und ich wieder in die Arbeitsecke, kümmerten uns um unsere Forschungsprojekte.
Die Analyse von Zerfallsreihen ist komplex. Ich hakte bei Ida und Körk nach. Die Ais hatten schon allerhand analysiert, räumten allerdings ein, bei Methusalem nicht wirklich in Details gegangen zu sein. Allerdings hatten wir reichlich Daten und Stanis und Asi zeigten ebenfalls Interesse, auch für sie war es irgendwie relevant, daß so ihre Forschungsarbeit auch in der Kolonie mehr Aufmerksamkeit bekam. So waren sie gerne bereit, Methusalem genauer zu untersuchen, auf Vorschläge einzugehen, bisherige Arbeiten zu erläutern, um so zu einem stimmigen Projekt zu kommen, Ziele genauer festzulegen, einen Plan zu haben, was wir eigentlich wissen wollen, wie uns Methusalem dabei helfen könnte. Schnell hatte ich mit Hilfe der Ais jedenfalls eine lange Liste von Möglichkeiten, wie das Alter von Gestein bestimmt werden kann, ebenso eine lange Liste von Daten über die Zusammensetzung verschiedener Bereiche von Methusalem. Ich hatte die Idee, daß wir Susanne hinzuziehen könnten, um diese zu motivieren, mit ihren Kenntnissen Ordnung in die Daten zu bekommen, sie für Menschen zugänglicher zu visualisieren und Korrelationen einfacher prüfen oder entdecken zu können, die in den Daten bereits verborgen sein könnten, allgemein Korrelationen herauszuarbeiten und unsere Hypothesen so unter Ausnutzung aller verfügbaren Daten effizient auszuwerten.
Dabei könnten wir entscheidend davon profitieren, die gewaltigen Datenbanken und das hohe Rechentempo der Ais mit unseren menschlichen Impulsen, Idee, Assoziationen bei der Sichtung der visualisierten Daten zu kombinieren, um zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Diese Kombination hatte sich bislang sehr nützlich erwiesen, weil wir so die jeweiligen Stärken von Ais und Menschen gut einsetzen, die Schwächen wiederum gegenseitig kompensieren.
So schlenderte ich zu Susanne, beteiligte mich an der Belustigung von Melanie und plauderte ein wenig über das Problem und die Komplexität. Ich kitzelte sie auch gleich ein wenig an ihrer Fachkompetenz, ihrer Expertise, komplexe Daten auswerten zu können, sie gut und verständlich für Menschen aufbereiten zu können. Ich betonte, ihr Beitrag wäre sehr wichtig, um die gewaltigen Datensätze kompetent durchzuforsten, schmeichelte ihr so, wobei das an sich nicht einmal Schmeichelei war, denn ich hätte da erhebliche mehr Zeit gebraucht, um mit deutlich weniger Eleganz schlechtere Programme zu schreiben, um das Projekt zu realisieren.
Susanne war gerne bereit, sich das anzusehen, ob sie da einen sinnvollen Beitrag leisten könnte, wies allerdings auch auf Melanie. Ich lächelte und erinnerte sie daran, daß da ja durchaus auch noch Peter als Vater sei, dazu ich sowieso. Folglich seien es also derzeit drei erwachsene Bezugspersonen für Melanie, nicht nur sie als Mutter. Zudem sei es gut für sie und ihr Selbstverständnis, auch einmal wieder ein anspruchsvolles Projekt am Rechner durchzuziehen. Susanne fühlte sich merklich geschmeichelt.
Etwas später machten wir uns zu dritt auf den Weg zu Peter und schilderten diesem die Idee. Dieser fand es gut, wenn Susanne sich beteiligen würde. Klar war ihm auch, daß so die Betreuung von Melanie etwas anders aufgeteilt werden müßte. Damit war er allerdings einverstanden, war gerne bereit, mehr Zeit mit ihr zu verbringen, auch um Susanne etwas mehr Freiraum zu verschaffen, sich um ein wissenschaftliches Projekt zu kümmern. So einigten wir uns darauf, daß Susanne den nächsten Tag einfach einmal mit mir zusammen in das Projekt einsteigen solle, während es Peter zukam, sich mit Melanie um sonstige alltägliche Dinge zu kümmern.
Das könnte ich nun schon nutzen, um Susanne näherzukommen. Wenn Peter mit Melanie gut beschäftigt ist, Susanne und ich mit einem gemeinsamen wissenschaftlichen Projekt, so mochte sich dabei schon eine Gelegenheit ergeben, ihr ein wenig näherzurücken. Ebenso gab es auf jeden Fall mehr Variationsmöglichkeiten in unserer Gruppe, vielleicht damit auch mehr Chancen, eine günstige Situation herbeizuführen, um Peter näherzukommen.
Den Rest des Tages bereitete ich vor, was ich Susanne erklären mußte, um dieser einen schnellen Einstieg in das Problem zu ermöglichen. Als ich damit fertig war, schaute ich mir Daten an, welche wir über Skylla und Charybdis hatten, fragte bei den Ais nach und beriet mich mit Ida schon einmal darüber, wie wir aus den vorhandenen Daten vielleicht mehr herausholen könnten, um neue Erkenntnisse über die beiden Planeten und ihre Vergangenheit zu bekommen. Da schien schon noch etwas zu gehen, es wurde uns allerdings relativ schnell klar, daß wir detailliertere Daten brauchen würden, um Hypothesen stichhaltig zu prüfen oder auch neue zu entwickeln. Ida konnte da wirklich allerhand bieten, was umsetzbar wäre, aufgrund vorhandener Pläne oder Module gar mit begrenzten Aufwand und relativ kurzfristig.
Per Satellit sollten so in den nächsten Wochen deutlich mehr Daten gesammelt werden, insbesondere über ein breiteres Frequenzspektrum verteilt, Radar, Infrarot, sichtbar mit besserer Auflösung, Ultraviolett bis fast hinein in den Röntgenbereich, wobei wir bei hohen Energien von den Planeten nicht viel erwarteten. Von daher war es eher relevant, bei niedrigen Energien, auch mit aktiven Systemen neue Informationen zu bekommen.
Die Planeten haben auch starke Magnetfelder. Eine präzise Vermessung der Magnetfelder wäre ebenfalls möglich. Allerdings hatten wir da bereits gute Daten, jedoch mehr im globalen Maßstab. Ich wollte deutlich höhere lokale Auflösungen, um Anomalien in der Planetenkruste aufzuspüren, vielleicht also eingeschlagene, magnetisierte Metall-Asteroiden oder andere Objekte mit deutlichem Einfluß auf das lokale Magnetfeld. Auch das war mit Sonden und Satelliten noch deutlich über das ausbaubar, was bislang an Daten aufgenommen wurde.
Schnell hatte ich auch den Gedanken, nicht nur elektromagnetische Strahlung zu analysieren. Ich schlug vor, eine Gruppe von Satelliten relativ eng benachbart fliegen zu lassen, damit über Abstandsänderungen unter ihnen Informationen über Gravitationsänderungen zu detektieren. Unterschiedliche Dichten im Erdmantel führen zu einer gewissen Ungleichmäßigkeit der Schwerkraft, welche sich auch auf die Bahnen von Satelliten auswirkt. Hat man nun welche mit geeigneten Meßgeräten und mißt untereinander Abstände, so ergibt das Abweichungen von Sollbahnen um einen Rotationsellipsoiden. Wird der Einfluß von Rasol und Skylla, beziehungsweise Charybdis auf das Potential herausgerechnet, ergibt sich so eine Strukturinformation über den jeweils untersuchten Planeten. Zusammen mit den anderen Messungen bekämen wir so Informationen über die Kartoffeligkeit der Planeten, also die Abweichung von der Form eines Rotationsellipsoiden.
Ida versprach, aufgrund von Daten über entsprechende irdische Projekte alsbald einen Vorschlag zu machen, wie wir dies umsetzen könnten. Einmal in Fahrt gekommen hakte ich gleich nach und brachte ins Spiel, daß es doch auch möglich sei, über seismische Messungen, also im Grunde durch den Planetenkörper wandernde Schall- und Druckwellen, Scherungen etc Informationen über den Aufbau des Planeten zu bekommen. Skylla und Charybdis sind ja seismisch aktiv, haben eine aktive Plattentektonik. Ida informierte, daß sie hinsichtlich der seismischen Aktivitäten bislang eher aus technischen Gründen Daten gesammelt hätten, primär also, um einen geeigneten Standort für die Kolonie auszuwählen, welcher von Erdbeben, Vulkanausbrüchen, dem ganzen Drama der Tektonik nicht wesentlich betroffen sei. Das würde sich allerdings kaum eignen, um genauere Aussagen über den Aufbau des Planeten zu machen. Bei der Plattentektonik hätten sie schon einen groben Überblick, um Feinheiten hätten sie sich allerdings bislang nicht gekümmert. So hatten wir hier gleich ein weiteres Projekt, welches wir zunächst einmal mit passiven Detektoren angehen wollten. Also zunächst eine größere Anzahl von empfindlichen Detektoren bauen, diese mit guter Auflösung verteilen und alsdann damit die durch Erdbeben erzeugten Daten analysieren und Rückschlüsse ziehen. Laufzeiten von Wellen durch den Planeten zu den jeweiligen Detektoren, die überall auf dem Planeten messen, ermöglichen Rückschlüsse auf die Schichtung und die Dichten von Schichten, wo gibt es an Schichtgrenzen Reflexionen, wo gibt es bei der Schichtung auffällige Deformationen, etwa durch Asteroiden-Einschläge hervorgerufen. In einer späteren Ausbaustufe könnten wir das auch mit unterirdischen Sprengungen ergänzen, um Daten in anderen Frequenzbereichen und mit präzise lokalisierbaren Quellen zu generieren.
Damit jedenfalls sollten wir erheblich weiterkommen und es würde möglich werden, jedenfalls ein Stück weit in die Planeten hineinzusehen, eventuell eben auch Einschläge zu entdecken, die Hinweise darauf geben könnten, wann es auf welchem Planeten zu einer größeren Einschlagskatastrophe gekommen ist. Deformationen und stark ungleichmäßige Verteilung der Dichten und des Magnetfeldes im Planetenkörper könnten ferner auf größere Katastrophen hinweisen, etwa einen streifenden Zusammenstoß mit einem anderen Körper, welcher dazu geführt haben mochte, daß sich die beiden Zwillingsplaneten hinsichtlich der Ansiedlung von Leben komplett unterschiedlich entwickelt hatten.
Wie abgesprochen kümmerte sich Peter den nächsten Tag um Melanie und Susanne und ich um die Optimierung der Datensätze der Zerfallsreihen und Isotopenverhältnisse von Methusalem. Ich war gut vorbereitet, aber natürlich stellte Susanne Fragen aus einer ganz anderen Perspektive. So waren wir schnell in das Projekt vertieft und wir wurden beide sehr gefordert, um das gut auf den Weg zu bekommen. Susanne war allerdings schnell zu begeistern und ebenfalls neugierig darauf, ob wir bei dem Kleinplaneten wirklich mit dem gesamten Datenmaterial auf konsistente Altersschätzungen für verschiedene Koordinaten kommen würden, also einerseits jene Regionen, welche als weitgehend alt eingeschätzt wurden, aber auch für jene Bereiche, die aufgrund von Einschlägen ein deutlich jüngeres Datum aufweisen sollten. So würden wir hoffentlich eine Art von Chronologie bekommen, mit weit mehr Proben von verschiedenen, auch kleinere Kratern durch Stanis oder Asi, wohl auch Häufigkeitsverteilungen auf der Zeitachse von Ereignissen, unter Berücksichtigung der Ausformung der Krater vielleicht gar Rückschlüsse auf ungefähre Richtungen von Scharen von Einschlagsobjekten.
Da Methusalem ja weit draußen, jenseits der Gasriesen seine Bahnen zieht, konnten wir natürlich nicht wirklich detaillierte Informationen darüber erhoffen, was im Innenbereich des Rasol-Systems vorgefallen war. Allein seine abweichende Ekliptik der deutlich elliptischen Bahn, die im Rasol-System eher ungewöhnliche Umlaufrichtung wiesen auf einen Einfang hin. Dabei war auch nicht so klar, wie das so weit draußen passiert war. Vielleicht gab es ja ursprünglich doch einen Durchflug durch das System, einschließlich größerer Ablenkungen und Abbremsungen durch mehrere Planeten, weitere Ereignisse und nach dem Einfang kompliziertere längere Wechselwirkungen mit den Gasriesen, welche Methusalem langsam wieder aus dem inneren Bereich des Systems an den Rand gedrängt hatten.
Würden wir bei der genauen Analyse Informationen über einen Aufenthalt im Innenbereich des Rasol-Systems finden, etwa Einschlagsobjekte, welche den Asteroidengürteln Geri, Freki oder gar Wotan zuzuordnen wären?
Das alles könnten relevante Informationen sein, was einst vorgegangen ist, was einst auch dazu geführt hatte, daß es das Doppelplanetensystem Skylla und Charybdis überhaupt gibt, wieso sich die beiden Planeten trotzdem so unterschiedlich entwickelt hatten.
Susanne jedenfalls hatte irgendwann genug Informationen, um auch alleine zu basteln. Ich nutzte unser Beisammensein allerdings, rückte näher heran, daß wir unsere Köpfe dicht zusammensteckten und noch einmal alles durchsahen, prüften, Verständnis verifizierten und dabei auch zunehmend lockerer herumscherzten. Mal ein Knuff dabei von mir, mal von ihr, ein herzliches Lachen ausgetauscht, ein tieferer Blick von mir in ihre Augen, von ihr durchaus erwidert.
Das führte zu einer kurzen, stillen Pause, die schon auch weiterhin auf Interesse schließen ließ. Susanne räusperte sich allerdings schnell, lächelte etwas verlegen und wir konzentrierten uns wieder auf die Daten und Zerfallsreihen, die Korrelationen und Abhängigkeiten. So vertieft im wissenschaftlichen Diskurs und der Klärung von Detailproblemen, die sich Susanne hinsichtlich ihres Programmes bereits überlegte, aussprach, im Formulieren mir gegenüber bereits konkrete Formen plante, legte ich wie selbstverständlich einen Arm um sie. Sie wehrte nicht ab. Und so waren wir schon relativ vertraut miteinander, während es doch hauptsächlich bereits um die praktische Umsetzung des wissenschaftlichen Projektes ging. Das fühlte sich gut an, aber ich wollte sie auch nicht zu sehr, zu schnell bedrängen. Von daher war es ganz in Ordnung, daß wir letztlich doch eigentlich mit der Besprechung durch waren.
Für die konkrete Programmierarbeit brauchte sie Ruhe und Zeit für sich. Die sollte sie nach dem Mittagessen auf jeden Fall reichlich bekommen.
Damit hatte ich wiederum Gelegenheit, einfach Peter und Melanie Gesellschaft zu leisten. So konnte ich für Ausgleich sorgen, einen guten Zusammenhalt in der Gruppe. Damit würde es auch weniger auffällig wirken, wenn ich im weiteren Verlauf immer mehr die Nähe zu Susanne und Melanie suchen würde.
Ich schlug Peter vor, uns nachmittags draußen ein nettes Plätzchen zu suchen, einen kleinen Spaziergang zu machen. Er war einverstanden. So packten wir ein paar Sachen zusammen, informierten beim Mittag kurz Susanne über den kleinen Ausflug und schlenderten anschließend los. Für Melanie hatten wir eine Tragehalterung direkt am Körper. Sie konnte schon selber gehen, aber nicht eine solch große Strecke. Einstweilen war Peter damit eingespannt und Melanie machte es Spaß. Wir gingen immerhin bis zum Badesee, breiteten eine Decke aus und spielten dort mit Melanie. Wir waren locker, fröhlich und entspannt und genossen den Nachmittag, tobten ein wenig herum, bis Melanie schlicht müde war. Jedenfalls war das bei der kleinen Toberei schon so, daß es immer mal wieder zu kleineren Schubsern, Berührungen zwischen mir und Peter kam. Das war natürlich ganz harmlos und freundschaftlich. Peter wäre an sich schon die einfachere Option hinsichtlich eines Kinderwunsches gewesen, bei Susanne hatte das ja bereits sehr gut geklappt, allerdings würde das wohl unsere soziale Konstellation deutlich verkomplizieren. Daher wollte ich dieser Variante nicht weiter nachgehen. Ein Kind von Susanne und mir könnte die Symmetrie in der Gruppe deutlich verbessern.
Als Melanie etwas schlief, hatten wir Gelegenheit, uns in der näheren Umgebung etwas umzusehen. Ich wies auf ein paar Pflanzen in der Nähe und fragte Peter nach Namen und sonstigen Informationen darüber. Peter schaute und erklärte ein wenig, war so irgendwie neugierig geworden und schaute sich nun selber etwas genauer an, was hier so wuchs. Gar nicht so weit weg von unserem Platz, vom Weg und vom See entdeckte er bereits eine offenbar interessante Ecke. Hier hätte er gerne eine Probe genommen, sich etwas genauer angesehen, hatte allerdings keine Ausrüstung dabei. Ich hakte nach, ob er schon selbst einmal unterwegs gewesen sei, um etwas persönlich zu untersuchen. Peter erläuterte, der Schwerpunkt von Untersuchungen habe ja zum guten Teil auf Charybdis gelegen, hier auf Skylla hingegen meist in anderen Gebieten, weniger auf unserer Insel, welche ja doch speziell sei, von den Ais schon extra für uns eingerichtet. So seien also die Proben immer von Sonden gesammelt worden.
Nun war er allerdings auch der Meinung, daß es eigentlich nicht schaden könne, hier gleich auf unserer Insel ein paar kleinere Tages-Expeditionen durchzuführen, sich selbst ein Bild zu machen, selbst Stellen für Probennahmen auszuwählen, damit das zu ergänzen, was die Sonden an Material sammeln würden. Das schien auch mir einleuchtend. Genauso um unseren Kontakt weiter zu intensivieren, bot ich gleich an, ihn auf Expeditionen zu begleiten und ihm zu helfen. Schnell wurden wir uns einig, daß wir das durchziehen wollten. Für diesen Tag allerdings ging es zurück zu Melanie, welche allerdings noch schlief. So machten wir also ebenfalls eine Pause, entspannten etwas, nahmen etwas von den mitgebrachten kleinen Speisehappen zu uns. Nachdem Melanie wieder erwacht war, spielten wir noch ein wenig, packten allerdings bald zusammen und setzten unseren Spaziergang fort, diskutierten dabei schon einmal mögliche Routen für kleine Tages-Expeditionen. Nun ist ja lediglich ein kleinerer Teil unserer Insel von den Ais mit Wegen ausgestattet worden. So gab es bereits einen kleineren Fußmarsch davon weg einfach wilde Vegetation. Natürlich, in den eher felsigen Bereichen, die jenseits des Badesees im bergigen Bereich der Inseln lagen, war die Vegetation nicht so dicht, allerdings gleichfalls interessant für die Besiedlung karger Regionen. In anderen Bereichen der Insel wächst bereits deutlich mehr, also hatten wir ebenfalls auf unserer Insel deutlich verschiedene Gebiete. Und Peter wußte auch bereits, daß die Ais hier zwar besonders fleißig Arten angesiedelt hatten, über die Zeit seit der ersten Ansiedlung von Pflanzen allerdings viel Wildwuchs entstanden war. Die Insel war also keineswegs ein gepflegter Garten, da entwickelte sich das Geschehen weitgehend auf sich selbst gestellt. Lediglich im Bereich der Kolonie gab es aktiv gepflegte Anbauflächen. Die Ansiedlung war in weiten Teilen der Inseln auch nie sortiert und fein geplant wie in einem Garten verlaufen. Die Ais hatten eher großräumig keimfähige Substratkörner ausgebracht, also der Keim jeweils angereichert mit einer Starthilfe und mit Mikroorganismen. Hinzu kamen auch an geeignet erscheinenden Stellen die direkte Anpflanzung und Auswilderung von Sprößlingen aus den Gewächshäusern.
Als wir am späten Nachmittag wieder in der Kolonie ankamen, war Susanne mit ihrer Arbeit gut vorangekommen. Weil es nun doch noch weitere Details zu klären gab, setzte ich mich zu Susanne, um mich darum mit ihr zu kümmern. Das meiste bekamen wir gleich so hin, ein paar Sachen mußte ich allerdings auch noch recherchieren und verstehen, von daher schloß Susanne ihr Tagewerk nur noch ab, gesellte sich daraufhin mit mir zu Peter und Melanie. Wir plauderten und spielten noch ein wenig, was eigentlich nahtlos in die Zubereitung des Abendessens überging.
Abends saßen wir zusammen, sahen einen Film und plauderten noch etwas.
Wir diskutierten mit Susanne dabei auch gleich die Idee der Tages-Expeditionen, gegen welche sie nichts einzuwenden hatte. So stand dem also nichts im Wege und Peter würde das in den folgenden Tagen mit mir vorbereiten, wobei zunächst ja noch Susanne und ich mit den aktuellen Optimierungsarbeiten weiterkommen mußten. Aber wir würden uns da schon arrangieren. Erst einmal sollte primär Susanne mit ihrer Arbeit zu einem guten Zwischenergebnis kommen, danach würden wir wieder gleichmäßiger aufteilen, wer sich um Melanie kümmert, wer hauptsächlich mit Projekten beschäftigt ist. Prinzipiell hätten wir natürlich auch die Ais bitten können, auf Melanie zu achten, aber es schien uns derzeit angemessener zu sein, das unter uns dreien aufzuteilen.
An nächsten Morgen nach dem Frühstück war Susanne also gleich wieder fleißig bei der Arbeit. Ich recherchierte und las, um meine Lücken bei Zerfallsketten und Isotopenverhältnissen zu schließen, mich ebenfalls etwas vertrauter mit der Astro-Geologie zu machen, um nicht versehentlich Fehlinterpretationen zu liefern, aber auch um selbst zu beurteilen, wie stichhaltig und aussagekräftig die verschiedenen Methoden und Strategien vermutlich sind, inwiefern vielleicht doch eigentlich spezifisch für den ursprünglichen Anwendungsbereich im Sonnensystem, was davon allerdings als universell zu verallgemeinern ist, was also insbesondere auch gut auf das Rasol-System anwendbar wäre. Mir war natürlich schon klar, daß es im Sonnensystem viel mehr Untersuchungen und damit genauere Kenntnisse der Rahmenbedingungen gegeben hatte, dort war es also leichter, Meßergebnisse einzuordnen und ein stimmiges Gesamtbild zusammenzusetzen. Hier im Rasol-System würde es wohl zwangsläufig bei Überlegungen, Hypothesen, mehr oder weniger gewagten Geschichten bleiben, Ideen, was passiert sein könnte. Nun, darauf baut letztlich alles auf und über die Forscher-Generationen kann sich das später einmal zu genaueren Bildern verdichten. Nur wenn mutig begonnen wird, die Entwicklung anzuschubsen, passiert da aber überhaupt etwas.
Peter war unterdessen hauptsächlich wieder mit Melanie betraut, hatte nebenbei allerdings auch ein wenig Zeit, um sich um die Idee der Tages-Expeditionen zu kümmern. So hatte er bereits Satellitenbilder unserer Insel auf dem Monitor, um erste Routen planen zu können. Und eine Liste hatte er auch schon begonnen, was wir brauchen würden, um den wissenschaftlichen Teil einer solchen Expedition gut mit dem zu meistern, was zwei Personen bequem mit Rucksäcken würden bewältigen können. Wegen Melanie kam er damit nicht so weit, was allerdings nicht so schlimm war, denn es drängte uns ja nichts, das noch gleich in derselben Woche zu beginnen.
Noch vor dem Mittag hatte Susanne so viel vorzuweisen, daß sie mich wieder hinzuzog und wir gemeinsam darüber berieten, ob das nun schlüssig und plausibel war, was bislang bereits funktionierte. Immerhin, auch mit dieser erheblich genaueren Analyse war klar, daß Methusalem wirklich ein alter Bursche aus einem anderen Sonnensystem sein mußte, also in der Tat ein spektakulärer Kleinplanet, welcher hier irgendwie eingefangen worden ist. Wir konferierten mit Stanis und Asi darüber, wobei wir schnell die Information bekamen, daß Methusalem trotz seiner deutlich von der Hauptekliptik des Rasol-Systems abweichenden Bahn noch relativ gut erreichbar war. Wenn er sich nicht gerade grob im Bereich der Hauptekliptik aufgehalten hätte, wäre er vermutlich zwar schon entdeckt, aber noch gar nicht untersucht worden. So entwickelte ich also mit Susanne, Stanis und Asi eine neue Stoßrichtung der Methusalem-Forschung, welche diesen mehr als Beobachter des Rasol-Systems sehen sollte. Wir wollten wissen, wann er ungefähr in das System gekommen war, was daraufhin grob passiert sein mochte. Woher er gekommen war, war indessen wohl sehr schwierig zu bestimmen, denn zwangsläufig mußte es da drastische Bahnänderungen beim Einfang gegeben haben. Die Idee war jedenfalls, größere und kleine Einschlagskrater auf Methusalem zu untersuchen, welche davon also über welchen angeordnet sind, somit sicherlich jünger als darunterliegende, ferner wollten wir Positionen und Material der Einschlagskörper wissen.
Nun hat ein Kleinplanet wie Methusalem zwar genug Masse, um grob die Form eines Rotationsellipsoiden auszubilden, indessen deutlich weniger als etwa die Erde, Charybdis oder Skylla. Deswegen sind Einschläge von Asteroiden, anderen Gesteinsbrocken etwa von Katastrophen stammend, bei welchen es Einschläge auf anderen Planeten gegeben hatte, wobei von diesen Planeten wiederum Brocken ins All gestreut wurden, natürlich deutlich weniger destruktiv als bei großen Planeten, wenngleich Kleinplaneten auch keine bremsende Atmosphäre haben. Weil diese fehlt, findet die Erhitzung des Materials wiederum nun unmittelbar beim Einschlag statt, die Brocken zerlegen sich nicht bereits in der Atmosphäre, weswegen die Chancen deutlich besser sind, in den Einschlagskratern noch Material solcher Projektile zu finden, welche den Einschlag weitgehend unverändert überstanden haben, wenigstens tief im Inneren dieser Projektile.
So einigten wir uns darauf, daß Asi mit allerhand Gerät vor Ort Methusalem diesbezüglich eingehend erforschen sollte. Stanis würde hingegen weiterhin die Schwerpunkte der Forschungsprojekte verfolgen, die eigentlich bislang gerade aktuell waren. Aufgrund der verteilten Speicher und Identitäten der Ais war es Asi zudem möglich, gleichzeitig mehrere Projekte zu betreuen, von daher war das nun keine massive Störung ihrer Aktivitäten, im Gegenteil, sie zeigten sich interessiert an den aufgeworfenen Fragestellungen. Sie zeigten sich auch interessiert daran, einmal etwas enger mit uns Menschen zusammenzuarbeiten und gleich intensive Rückmeldungen zu ihren Untersuchungen zu bekommen, aufgrund der Kooperation eben auch unsere Sichtweise und Interpretation, unsere Ansätze für eine Auswertung. So hatten wir das schon einmal gut auf den Weg gebracht.
Ferner galt es natürlich auch noch, die bislang offengebliebenen Fragen mit Susanne zu klären, von denen ich dank meiner Recherche inzwischen einige diskutieren konnte, auf passende Literatur verweisen. Auch dabei steckten wir die Köpfe wieder zusammen, gingen locker miteinander um, vorsichtig festigte ich das neue, zarte Band, welches sich zwischen uns gebildet hatte. So kamen wir auch damit gut voran. Eine weitere Verfeinerung und Optimierung unserer Analysen würde sicherlich helfen, die neuen Daten von Asi, die kommen würden, besser einzuordnen und zu einem plausiblen Bild zu formen.
Nach dem Mittag diskutierte ich mit Susanne und Peter indessen erst einmal meine Ideen, um mehr Daten über die Zusammensetzung von Skylla und Charybdis zu erhalten, die Kartoffeligkeit der Planeten zu analysieren, um so eventuell Hinweise auf die Historie zu bekommen. Die dabei aufkommende Datenmenge und die Korrelation der Daten wäre natürlich ebenfalls sehr komplex, also ebenfalls ein Anknüpfungspunkt für Susanne, auch hier zu optimieren. Dazu war sie bereit, wollte sich das gerne ansehen, wenn ihre Arbeiten am Methusalem-Astro-Geologie-Projekt zu einem guten Zwischenergebnis gekommen wären.
Ida berichtete schon einmal über die Fortschritte im Satellitenbau, um einerseits weitergehende Spektren aufzunehmen, aktive Radarmessungen etc durchzuführen, zudem das Schwerkraft-Nahfeld der Planeten untersuchen zu können. Da hatten wir ja Vorlagen, Pläne von der Erde, zudem war es nun deutlich einfacher, Satelliten zu bauen, als zu meiner Zeit auf der Erde. Die Mikroroboterschwärme bauten die fast gleich vor Ort im Orbit mit Material, welches Körk bei der Bereinigung der Asteroidengürtel ohnehin gesammelt hatte. Von daher gab es da keinen aufwendigen Start mit Raketen vom Planeten aus, keine umständlichen Transportsicherungen, keine Kontaminationen, alles wurde gleich in einem Bereich mit lediglich Mikrogravitation gefertigt etc. Zudem gab es für viele Anwendungen praktisch bereits Pläne mit fertigen Modulen, welche für die jeweilige Spezialanwendung nur optimiert und angepaßt werden mußten, wenn sie nicht gleich ausreichend für die Anwendung waren.
Im Anschluß an die kleine Sitzung hatte ich ein Einsehen und übernahm Melanie von Peter, damit hatte dieser nun Gelegenheit, einerseits seine laufenden Projekte einzusehen, andererseits vor allem unsere Tages-Expeditionen weiter zu planen. Damit kam er gut voran. Und weil Melanie ja nun wirklich sehr lieb und brav war, war es schon möglich, daß ich mich immer wieder daran beteiligte, ein paar Ideen hinsichtlich der Logistik einbrachte. Gerätschaften für Probennahmen hatten wir bereits verfügbar, zudem waren Ida und Hildegard in der Lage, uns im Bedarfsfalle mit einem Luftschiff zu unterstützen, jedenfalls bei mehr oder weniger stabilen Windverhältnissen würden sie uns so bereits unterwegs Proben abnehmen können, ebenso gegebenenfalls größeres Gerät herunterlassen können. Wenn dies aufgrund von böigem Wind eher schwierig wäre, hätten wir trotzdem unterwegs immerhin noch Satellitenbilder verfügbar, ebenso Bilder vom Luftschiff. Beides sollte uns helfen, die geplante Route durch die Wildnis zu finden, eventuell auch kleinere Abstecher zu interessanten Stellen zu machen. Von daher kamen wir da sehr schnell mit der Planung voran. Die Idee war, zunächst mit verfügbaren Fahrrädern das vorhandene Wegenetz zu nutzen, um zügig und einfach an den Beginn einer Route zu gelangen. Danach würde es mit Rucksäcken hinein in die Wildnis gehen. In einigen Bereichen mit wenig Bewuchs und nahezu ebenem, ziemlich festen Boden würden wir mit den Rädern sogar noch etwas weiter vordringen können. Das konnten wir so bereits aufgrund der vorhandenen Aufnahmen der Insel schon ungefähr festlegen, somit schon solide planen.
Insgesamt konnten wir abends sehr zufrieden mit den Fortschritten der Projekte sein. Susanne war gut vorangekommen und überlegte nun bereits, wie eine Visualisierung der Datenmassen zur Untersuchung von Skylla und Charybdis effizient, ergonomisch zu realisieren sei. Für die Daten von Methusalem hatten wir schon einen sehr schönen Prototypen, um die Ergebnisse der Probenanalysen gut erfassen zu können. Solche Interpretationshilfen durch gute Darstellung von Daten ist immer wichtig, um sich nicht darin zu verlieren, sondern aus den Einzelaspekten besser einen Gesamtzusammenhang erschließen zu können. Hier war Susanne auf einem guten Weg, hatte als Pädagogin und Informatikerin in dieser Kombination ein hervorragendes Gespür dafür, uns Daten zu erschließen, um einerseits Fragen aufzuwerfen, andererseits Hypothesen zu entwickeln. Das erfreute mich sehr, sie so engagiert bei der Sache zu sehen. Das brachte uns einander auch wieder näher.
Abends, nachdem ich mich schon von Peter und Susanne verabschiedet hatte, fragte ich bei Esme nach, ob sie Zeit und Lust zu einem Gespräch habe. Sie ging darauf gerne ein, so schlug ich vor, wir könnten draußen sitzen und ein wenig den Nachthimmel bestaunen. Prompt war kurz darauf ihr Avatar bei mir und wir schlenderten ein Stück weit auf einem Weg von der Kolonie weg. Bei einer Bank hielten wir und setzten uns.
Ich meinte: „Ich habe mir überlegt, also gründlich überlegt, daß ich wohl bereit bin, auch ein Kind zu bekommen.
Was meinst du dazu?“
Esmeralda erwiderte: „Es ehrt mich, daß du nach meiner Meinung fragst. Da ist erst einmal der Standpunkt aus Sicht unserer Mission zu nennen: Da ist es selbstverständlich gut, wenn es uns gelingt, die Kolonie mit Menschen zu bevölkern, das ist ja unser Ziel. Davon abgesehen hängt es etwas davon ab, wie du das konkret umzusetzen gedenkst.“
Ich führte aus: „Also gut. Ich habe mir jedenfalls nicht überlegt, zu diesem Zwecke Peter zu verführen oder zu benutzen, das könnte Verwirrung und Unruhe in unsere kleine Gruppe bringen, besonders allein zu dem Zwecke könnte das allseits heikel werden und für Verstimmungen sorgen.“
Esmeralda entgegnete: „Das scheint mir eine naheliegende Einschätzung zu sein. Ich traue dir mit deinem Geschick schon zu, das hinzubekommen oder auch einen Weg zu finden, um noch mehr zu erreichen und die Gruppe damit besser zu einen, aber einfach so könnte das in der Tat zu Konflikten führen.“
Ich beruhigte: „Eine Option wäre künstliche Befruchtung unabhängig von Susanne und Peter. Das Thema wurde ja schon einmal konkret angeschnitten. Es soll ja reichlich geeignetes genetisches Material im Archiv sein. Und so haben wir ja auch eine größere genetische Vielfalt in unserer kleinen Kolonie, gleich von Anfang an.“
Sie antwortete: „Stimmt, das können wir gut umsetzen. Das ist Hildegards Schwerpunkt …“
Ich unterbrach: „Schon klar, mit ihr werde ich über Details reden. Ich dachte, mit dir wollte ich erst einmal reden, um meine Gedanken zu sortieren, eine erste Meinung dazu zu hören. Peter und Susanne werde ich dazu sicher auch anhören.“
Sie bestätigte: „Das klingt plausibel. Also die künstliche Befruchtung an sich ist gut hinzubekommen, du bist ja gesund und fit. Und mit der Nachfrage bei Peter und Susanne versicherst du dich ihrer Unterstützung, machst die Bande in der Gruppe enger, das scheint mir eine gute Strategie zu sein.
Du hättest ja noch andere Optionen, könntest dir ja auch unter den Kryo-Zombies einen passenden Partner auswählen …“
Dazu merkte ich an: „Hatte ich auch schon angedacht, aber bei den dürftigen Informationen ist es ungewiß, ob dieser dann wirklich einerseits in die Gruppe paßt, wir uns andererseits auch so sympathisch sind, daß das gut genug harmoniert, um darauf so grundlegend aufzubauen und nicht nur intim zu interagieren, gar gemeinsamen Nachwuchs anzustreben.
Und so rein zu dem Zweck benutzt ist das auch der falsche Grund, jemanden wiederauferstehen zu lassen!“
Esme stimmte zu: „Das wäre in der Tat ein unangemessener Grund. Du hast da viel mehr Feingefühl, um das einschätzen zu können. Und bei mehrere frisch wiederauferstandenen Kryo-Zombies wäre zwar die Chance größer, daß ein passender Kandidat dabei ist, aber das Risiko und der Aufwand für die Gruppe deutlich höher, mehrere gleichzeitig in der Kolonie zu integrieren. Dies ist ein generelles Anfangsproblem der Kolonie und des Konzeptes mit den Kryo-Zombies, so viel habe ich schon verstanden.
Als andere Option gäbe es ja auch noch die Möglichkeit, die genetischen Optionen von Susanne und dir zu mischen, aber das wäre dann sicherlich ähnlich wie bei Peter auf normalem Wege eine Herausforderung, insbesondere weil Susanne und du ja einmal ein Paar gewesen seid. Eine Kombination zu dritt ginge ja auch. Insbesondere falls es ein Junge werden soll, ist da genetisches Material von einem Mann schon erforderlich, wenn das nicht rein synthetisch kombiniert werden soll.“
Ich lächelte: „Jaja, das könnte für Aufregung sorgen. Ein fröhliche Mischung von uns dreien wäre sicherlich spannend. Bei einem Mädchen würden Susanne und ich reichen?“
Esmeralda versicherte: „Ja, das ist gut machbar …“
Ich hakte nach: „Nun, derzeit ist sie schwanger, also wohl sowieso jetzt nicht so einfach?“
Sie meinte: „Es liegt genug genetisches Material von euch allen vor, da spielt das keine Rolle.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die gleichwertig sind. Weil sie schwanger ist, entfällt die Option eines Eingriffs, um ihr eine Eizelle zu entnehmen. Bei dir hingegen ist das kein Problem.
Somit ist eine Eizelle von dir vorhanden, von Susanne genug genetisches Material, ebenso von dir für die Vorbereitung.
Prinzipiell und technisch wäre es gar möglich, einfach so Clone herzustellen, in hunderten von Jahren Clone oder Kreuzungen von euch in beliebiger Kombination leben zu lassen. Nach der Existenz eurer Persönlichkeit wäre das auch ethisch kein Problem, so wie ich das verstehe. In eurer Lebenszeit allerdings schon. Die Persönlichkeit ist ohnehin nicht nur genetisch festgelegt, sie wird bestimmt durch die Lebensumstände. Da können wir eine gute Förderung bieten, von daher kann sich das volle Potential entfalten. Unter prekären Umständen kann ein Mensch seine Möglichkeiten hingegen kaum nutzen oder allenfalls mit geringer Wahrscheinlichkeit und viel Glück. Aber die Umwelt ist komplex, zu jeder Zeit anders, von daher sind die sich entwickelnden Persönlichkeiten mit ihren individuellen Erfahrungen immer verschieden. Was genetisch geclont ist, ist praktisch doch ganz anders.
Trotzdem, zu euren Lebzeiten wäre dann schon Einigkeit zwischen den Personen notwendig, von denen das genetische Material kommt.
Ohne Nachfrage geht das also nicht!“
Ich lachte: „Ich hatte gewiß nicht vor, uns zu clonen oder diese Angelegenheit mit dem Kind, die ja doch wichtig für unsere Gruppe sein wird, hinter Susannes Rücken durchzuziehen. Aber ich war immerhin mit Susanne zusammen, nun, wo du es erwähnt hast – ich hatte den Gedanken ohnehin schon einmal kurz – klingt es eigentlich ganz verlockend. Es verbessert die Symmetrie in der Gruppe. Der Dreh- und Angelpunkt dabei ist natürlich, insbesondere Susanne davon zu überzeugen. Peter sollte das ebenfalls akzeptieren, ihm verschweigen können wir es ohnedies nicht.
Nachdem Susanne so zügig und gleich mit Familiengründung zu Peter übergelaufen ist, wäre das schon ein Ansatzpunkt, um sie herumzubekommen, also dann doch wenigstens ein gemeinsames Kind mit mir …
Ich werde es mir überlegen, gegebenenfalls dann auch, wie ich das gegenüber Susanne anspreche.
Sonst bliebe die Option mit dem genetischen Material aus dem Archiv, geht ja auch. Der Vorrat wäre schon die deutlich harmlosere Option, auch wenn es dabei sicherlich noch einige Dinge zu bedenken und zu entscheiden gibt, die mir Hildegard dann erklären wird. Ich gehe in mich, überlege, wie ich weiter vorgehen will.“
Esme stimmte abermals zu und wir plauderten noch ein wenig über die Aussicht, die Sterne, der Eisring.
Den nächsten Tag beim Frühstück mit Susanne und Peter nahm ich das Thema wieder auf: „Ich bin so fasziniert von eurer Familie und auch so begeistert von Melanie, da kitzelt und lockt es mich nun selbst. Nun bin ich ja auch im richtigen Alter und fühle mich bereit, vielleicht sind es auch die von Susanne flutenden Hormone, jedenfalls habe ich gründlich drüber nachgedacht und bin zu der Auffassung gelangt, daß es eine gute Idee wäre, ebenfalls ein eigenes Kind zu haben.
Was haltet ihr davon?“
Sie schauten mich beide überrascht an.
Susanne antwortete als erste: „Das ist eine spannende Entwicklung. Wenn du willst, ich werde dich dabei selbstverständlich unterstützen. Wir müssen zusammenhalten. Die Optionen sind ja sowieso begrenzt. Und wenn du auch ein Kind hättest, wäre das ja nicht nur eine prima Gesellschaft für unsere Kinder, es wäre für dich auch gleich ein neuer Lebensabschnitt, ebenso für unsere Gemeinschaft. Also, wenn du fühlst, daß du wirklich willst, ist das eine gute Idee. Und du sagst ja, du hättest es durchdacht, hört sich also nicht spontan an. Ich schätze dich auch so ein, daß du das nicht aus einer Laune heraus entschieden hast oder zur Kompensation einer Frustration wegen unserer Probleme. Es stellt sich natürlich die Frage, wie das konkret laufen soll, genetisches Material aus dem Archiv?“
Ich versicherte: „Aus Frustration ist die Idee sicher nicht entstanden, ich trage das schon ein wenig mit mir herum, habe darüber meditiert, zusammen mit Esme gestern Abend noch einmal meine Gedanken dazu sortiert. Das ist keine Reaktion auf unsere Konstellation, keine spontane Laune. Einen Haken haben wir nicht gefunden. Und es gibt ja auch einen gewissen Zeitversatz zur Geburt deines zweiten Kindes, von daher sollten wir damit in unserer kleinen Gruppe schon umgehen können. Ins Chaos stürzen wird uns das nicht. Wenn wir zwei Kinder betreuen können, schaffen wir es auch bei dreien. So entwickelt sich unsere Kolonie eben. Ich will das nicht als primären Grund nennen. Allerdings sind wir nun einmal hier und es gilt, die Zukunft zu gestalten, wenn die Kolonie gedeihen soll.
Peter, was meinst du?“
Peter nickte: „Überraschend kommt der Wunsch schon. Aber es hört sich alles richtig an. Natürlich unterstützen wir dich dabei. Und natürlich brauchen wir Kinder, wenn das mit der Kolonie etwas werden soll. Dazu gehört natürlich auch Nachwuchs von dir. Es scheint mir nur natürlich, richtig und gut, wenn das erst einmal so von uns ausgeht. So haben wir einen starken Bezug zu den Kindern. Die Ais haben ja noch andere Optionen, aber mit den eigenen Kindern haben wir erst einmal einen sehr persönlichen Einstieg. Ich vermute, die anderen Möglichkeiten kommen dann schon, wenn die Zeit dafür geeignet erscheint. Die Kolonie wird sich entwickeln. Gerade jetzt in der Anfangsphase müssen wir natürlich für uns herausfinden, wie wir das am besten hinbekommen. Und Susanne hat Recht, da du das gut und ruhig durchdacht und für gut befunden hast, ist das die richtige Zeit für dich. Wir haben die Möglichkeiten und auch den Willen, dich dabei zu unterstützen.
Also ist deine Entscheidung die unsere, keine Frage, sicherlich keine Einwände!
Susannes letzte Frage hast du allerdings noch nicht beantwortet, was stellst du dir vor, wie es zu der Schwangerschaft kommen soll?“
Ich grinste sie beide verschmitzt an und erwiderte: „Hmmm, ja, da gibt es diesen kleinen Haken. Künstliche Befruchtung mit dem Material aus dem Archiv ginge sicherlich.
Oder hättest du ganz persönlich Interesse?“
Peter schaute mich überrascht an, senkte verlegen den Kopf, antwortete: „Das hatte ich bei der Nachfrage gewiß nicht im Sinn, also bestimmt nicht.
Nicht daß du nicht sehr reizvoll wärst, aber die Assoziation hatte ich dabei gewiß nicht!“
Ich lächelte: „Ein Bezug zu uns hätte schon seinen Reiz. Wir kennen uns gut, Sympathie ist vorhanden.
Was meinst du, Susanne?“
Diese atmete tief durch, sah mich mit leicht zusammengekniffenden Augen an: „Der Vorstoß kommt sehr überraschend. Sehr überraschend. Ich, ich kann ja jetzt nicht geradezu etwas verbieten, aber das kommt schon sehr überraschend …“
Ich warf ein: „Immerhin hast du dich für Peter entschieden, als wir eigentlich noch zusammen waren. Schon von daher gibt es da einen deutlichen Bezug …“
Susanne schaute auch verlegen, schluckte: „Deshalb willst du nun mit Peter? …“
Peter unterbrach: „Ähm, immerhin, ich sagte doch …“
Ich unterbrach wiederum Peter: „Wenn Peter Interesse hätte, wäre das zweifellos ganz schmeichelhaft für mich. Den stärkeren Bezug aufgrund unserer Beziehung hätte ich allerdings noch zu dir, Susanne …“
Sie schauten mich beide fragend an.
Ich erinnerte sie: „Die Ais hatten erwähnt, daß es möglich sei, die genetische Information von zwei Frauen zu kombinieren. Damit hätten wir unserer damalige Verbindung eine bleibende Erinnerung gesetzt. Das gemeinsame Kind würde uns auch weiter eng verbinden, was Peter nicht ausschließt. Ich habe ja akzeptiert, daß ihr beide nun zusammen seid. Etwas kurz komme ich dabei allerdings schon. Auf dem Wege kämen wir immerhin zu einer gewissen Symmetrie. Susanne, es hängt also an dir, ob du darauf eingehen würdest. Sonst bleibt mir natürlich immer noch die Option mit dem genetischen Archiv …“
Wir schwiegen.
Susanne schaute mich an, daraufhin Peter, dieser sie, wiederum mich.
Er sprach: „Die Argumentation kann ich schon nachvollziehen. Das hätte wirklich etwas. Stimmt, die Ais haben die Option erwähnt …“
Ich merkte an: „Bei einem Knaben müßte allerdings noch männliches Erbmaterial beigemischt werden. Da wäre es sogar plausibel, wenn wir drei etwas beisteuern, wobei das den Genvorrat der Kolonie schon sehr stark in einem Kind kombinieren würde, das wäre dann vielleicht doch etwas zuviel von uns für die Kolonie
. Aber solch ein liebes Mädchen wie Melanie, davon können wir doch gar nicht genug haben …“
Susanne lachte verlegen, Peter und ich stimmten mit ein.
Susanne runzelte die Stirn: „Es bleibt also an mir hängen, wie du das umsetzt. Hmmm, naja, verdient habe ich das wohl.
Ginge das denn überhaupt, jetzt, wo ich bereits schwanger bin?“
Ich entgegnete: „Ich habe mich bereits etwas informiert. Deine Schwangerschaft ist kein Problem. Kein Risiko für das Kind in dir. Die Ais haben von uns allen genug genetisches Material. Das muß praktisch also nicht anders ablaufen als mit Material aus dem Archiv.“
Susanne schluckte: „Hmmm, dann ist es sogar sehr aufmerksam von dir, wenn du überhaupt fragst …“
Ich schüttelte den Kopf: „Es wäre dann ja zur Hälfte auch dein Kind. Ich trage es zwar aus, aber der Bezug, die Verwandtschaft ist doch da. Das würde ich nicht ohne dein Einverständnis durchziehen, die Ais übrigens auch nicht. Von daher hängt es wirklich an dir, wie es weitergeht.“
Susanne fuhr sich mit den Händen durchs Haar.
Sie fragte: „Du gibst mir aber schon noch Zeit, um das gut zu überlegen?“
Ich bestätigte: „Gewiß. Ich will dich gar nicht unter Druck setzen. Die Idee war da, ich bin entschlossen, ein Kind haben zu wollen. Bevor ich da auf das Archiv zugreife, wärest schon der alten Liebe wegen du allerdings meine Präferenz. Wenn du nicht magst, wenn es dir absurd erscheint, sagst du dazu einfach ‚Nein‘ und ich akzeptiere es, bin dir deswegen nicht böse. Unsere Gruppe ist klein. So oder so müssen wir gemeinsam damit umgehen. Wenn es zuviele Komplikationen mit sich bringt, ist die andere Option besser.“
Susanne versicherte: „Ich überlege es mir, lehne es gewiß nicht leichtfertig ab. Ich mag dich, wenn sich die Dinge auch entwickelt haben. Ich kann deine Überlegung schon nachvollziehen. Ich muß auch Melanie und Peter tief in die Augen schauen, die Gedanken dazu im Kopfe erst kreisen, sich danach setzen lassen.“
Peter nickte: „Klingt vernünftig, nichts überstürzen. Die Argumente sind plausibel. Wenn es sich richtig anfühlt, wäre es gut.
Bedenkzeit ist wichtig, damit es sich auch für die Zukunft sicher als richtige Entscheidung anfühlen kann!“
Ich war beruhigt und bestärkt in meiner Idee. Nun war die Angelegenheit also wirklich ins Rollen gekommen.
Es würde passieren!
An Susanne und Peter hing es noch, welche Option genau, das war ich bereit abzuwarten. Wir würden weiter diskutieren, wenn Susanne sich entschieden hätte.
So zog ich also bei nächster Gelegenheit Hildegard hinzu, brachte sie auf den aktuellen Stand. Diese war bereits von Esme grob unterrichtet und war natürlich ebenfalls einverstanden, hatte schon etwas vorbereitet. Sie erläuterte die Möglichkeiten. Genetische Informationen über Susanne und mich hatte sie selbstverständlich sowieso. Weil Susannes Entscheidung noch ausstand, kümmerten wir uns erst einmal um die Option der Kombination mit genetischem Material aus dem Archiv. So hatte sie sogar bereits einen groben Vorschlag parat, wie das mit meinen Vorstellungen kombiniert werden könnte.
Sie erklärte: „Zunächst einmal unabhängig von Susannes Entscheidung: Die einfachste und beste Variante ist in dem Zusammenhang, dir eine Eizelle zu entnehmen, aufgrund unserer Mikromedizin ist das schnell erledigt und wird dich nicht mehr belasten als eine kleine medizinische Untersuchung.
Sollte Susanne doch nicht wollen: Du wählst anhand einiger Fragen aus, was du dir so vorstellst, was anderweitig beigemischt werden soll, also insbesondere wohl äußere Merkmale. Ich suche im Anschluß eine gute Kombination heraus, welche Schwächen in deinem Erbmaterial vermeidet …“
Ich unterbrach mit schräg geneigtem Kopf: „Schwächen?“
Hildegard erläuterte sachlich: „Die gibt es bei jedem biologischen Wesen. Wenn du nennenswerte Erbkrankheiten hättest, wärst du ohnehin nicht auf der Mission, also keine Bange. Es sind eher Kleinigkeiten. Relevanter ist eine gute Kombination. Wenn wir hier auch keine nennenswerten Probleme mit gefährlichen Viren oder Bakterien haben, so ist es doch immer gut, bei der Kombination im Ergebnis darauf zu achten, daß das Abwehrsystem beim Kind optimal ausgestattet ist. Damit das hier immer gut zu tun hat, haben wir ohnehin gewisse Reize im Einsatz, die nicht zu Erkrankungen führen. Aber, obgleich das bei der kleinen Population unwahrscheinlich ist, kann es immer Mutationen geben. Da ist ein leistungsfähiges Abwehrsystem als Vorsichtsmaßnahme immer eine gute Entscheidung. Und kleinere Anfälligkeiten gegen Erkrankungen oder Degenerationen lassen sich bei der Gelegenheit für das Kind ebenfalls minimieren, so meinte ich das mit der Vermeidung von Schwächen. Natürlich hast du ein paar kleinere Anfälligkeiten und Risiken, die wir mit der Mikromedizin gut im Griff haben. Wenn wir es vermeiden können, kann dein zukünftiges Kind mit noch weniger davon auskommen.“
Ich nickte: „Das habe ich nun verstanden. Hat das Nebeneffekte auf sonstige Eigenschaften des Kindes?“
Hildegard führte aus: „Keine merklich nachteiligen jedenfalls. Auf natürlichem Wege hättest du jedenfalls deutlich mehr Überraschungen dabei, die nicht vorteilhaft für das Kind sind. Jedenfalls schlägt das nicht systematisch auf den Charakter, die Intelligenz oder dergleichen durch. Da mußt du also nicht befürchten, daß wir uns da Probleme einhandeln oder etwas erschaffen, was irgendwie nicht wirklich dein Kind ist, also weniger dein Kind als bei einer ganz normalen Empfängnis. Wir wollen einen Menschen bekommen, keine freie Variation dazu. Wir beugen lediglich ein wenig gegen Krankheiten, Krebs und ähnliche Probleme vor, ändern da aber nichts in einem Maße, was nicht als Mensch so auch zufällig herauskommen könnte. Das Kind hat also nicht mehr oder weniger als Susannes Kinder. Es ist vielleicht nur ein klein wenig gesünder und hat natürlich viel von dir, das wird dir ja nicht unerwünscht sein?“
Ich lachte und erwiderte: „Das ist wohl die Hoffnung bei einem eigenen Kind, daß es nur die besten Eigenschaften der Eltern bekommt, die Probleme wollen die Eltern nicht so gerne vererben, wenn es sich vermeiden läßt. Obgleich ich nun nicht daran glaube, daß an mir so viel Besonderes ist, daß das unbedingt erhaltenswert wäre, aber es hat auch seinen Reiz, etwas von sich in die nächste Generation zu vererben. Und wir wollen auch mal nicht pauschal einen Kriterienkatalog festlegen, um Menschen in eine Rangliste einzusortieren. Du hast natürlich Recht, vererbt werden sollten nicht gerade Anfälligkeiten und Krankheiten, lieber etwas, womit das Kind im Leben keine Probleme bekommt oder jedenfalls nicht mehr als es anderweitig hätte.“
Hildegard schloß: „Gut. Das mit der Vermeidung von Ranglisten findet vollkommen meine Unterstützung. Da könnten wir Ais ebenfalls nicht anständig und plausibel einschätzen, wie ein idealer Mensch zu sein hätte, das wäre zum großen Teil ein sehr willkürlicher Katalog. Eine Mutation, eine genetische Abweichung kann natürlich auch der natürlich Ursprung für etwas Neues sind, ist nicht pauschal abzulehnen. Es gibt allerdings zahlreiche eindeutige Veränderungen, welche die Lebensfähigkeit, die Freude am Leben einschränken würden.
Ich verstehe schon, es ist ein heikles Thema, wenn es jenseits des geschickten Mischens von Genen auf eine Optimierung anhand einer einer Ideologie hinausliefe. Das haben wir nicht im Sinn und müssen natürlich auch immer wieder darüber reflektieren, daß sich dabei solch eine Ideologie nicht versehentlich einschleicht und etabliert. Was wir tun, bezieht sich auf das Menschsein, wie es heute. Wir wollen keine neue Art erschaffen oder züchten.
Bereiten wir erst einmal vor, was du dir so vorstellst. Ich habe eine Auswahl vorbereitet. Da kannst du etwa zur Einschränkung ein paar äußere Merkmale vorgeben, bekommst darauf hin etwas mehr von den Kandidaten zu sehen, um einen Eindruck zu bekommen. In der Kombination mache ich daraufhin noch ein paar Vorschläge. So kommen wir im weiteren Verlauf schrittweise zu einer Strategie, was wir letztlich machen werden. Und wenn wir damit durch sind, wird das genetische Material mit deinem kombiniert. Was wir gemeinsam entschieden haben, wird so kombiniert. Was wir dem Zufall überlassen, wird eben zufällig kombiniert, noch einmal kontrolliert und danach geht es los. So bleibt dir also noch reichlich Überraschung, was für ein Kind dabei letztlich herauskommt.“
Ich stimmte zu: „Ja, so genau will ich auch gar nicht alles festlegen. Ein gesundes, aufgewecktes Kind mit einer guten Prognose wünscht sich ja jede werdende Mutter. Und ansonsten liegt auch ein großer Reiz darin, nicht genau zu wissen, was auf einen zukommt und sich darauf einzustellen, damit angemessen umzugehen, sich gemeinsam zu entwickeln.“
Rein genetisch hätte ich mit einer wilden Mischung aus dem Archiv also sogar eine bessere Option als bei einer Mischung nur mit Susannes Erbmaterial. Nun haben wir beide unsere Macken, allerdings fand ich Susanne ganz in Ordnung. Hätte das Kind etwas von ihr und mir, wäre mir das emotional wichtiger als solch ein zumindest teilweise durchoptimiertes Kind. Und natürlich würde Hildegard ohnehin das skizzierte Programm durchziehen, um rein medizinisch jedenfalls das Beste für das Kind aus unseren beiden Erbmaterialien zu kombinieren. Sollten wir beide ein Problem haben, könnte sie immer noch etwas beimischen, um das Problem zu umgehen. So würde sich beim weiteren rein technischen Vorgehen also nicht wesentlich etwas ändern, egal, wie sich Susanne entscheiden würde. Das Kind als Ergebnis wäre natürlich ein deutlich anderes.
So hatten wir also einen Plan und zusätzlich zu meinen Projekten stimmte ich in der folgenden Zeit immer wieder einmal mit Hildegard ab, wie es weitergehen sollte. Vorsorglich ging ich also schon einmal die alternative Option an, falls Susanne einen Rückzieher machen sollte. Ich war verblüfft über die Möglichkeiten. Bei vielen Optionen hatte ich gar keine Präferenz. Da war mir unklar, wozu ich darüber entscheiden sollte. All das blieb mir also als Überraschung. Ich wollte ja gar kein durchgeplantes Kind. Ich war einfach bereit, mich auf das einzustellen, was kommen würde. Trotzdem war es natürlich schon eine gute Erleichterung, sicherstellen zu können, womit sich das Kind nicht würde herumplagen müssen. Nun sind natürlich auch Menschen mit Erbkrankheiten oder Gendefekten, Einschränkungen wertvolle Persönlichkeiten. Wenn es sich vermeiden läßt, mag man das aber natürlich nicht einplanen und vermeidet es lieber.
Ich sann darüber nach, ob unserer Kolonie damit etwas fehlen würde. Wir würden hier keine irgendwie perfekten Menschen heranziehen, irgendwie eine neue Spezies. Herumfummeln am Genmaterial ist eine kritische Angelegenheit. Es ging aber lediglich darum, menschliches Genmaterial zu kombinieren, weder artfremde Sequenzen einzuschleusen noch etwas wegzukürzen. Nach dem Kenntnisstand der Ais wird das Ergebnis ein Mensch sein, wie er auch auf natürliche Weise prinzipiell entstehen könnte, aufgrund der mannigfaltigen Zufälle in der Historie, wer sich mit wem zusammengetan hat, allerdings nicht entstanden ist.
Wo hört nun die wohlmeinende Fürsorge für den Nachwuchs auf, wo beginnt die Kreation einer neuen Spezies?
Ich überzeugte mich davon, daß ich mich mit unserer Methode in der Hinsicht auf der sicheren Seite fühlte, daß es immer noch eindeutig mein Kind war, welches da in Planung war. Geplant ist ja schon heftig genug für meinen Geschmack.
Hildegard hatte lediglich primär die Möglichkeit herausgestellt, viele Probleme für das Kind zu vermeiden. Sie versicherte abermals: Das Kind hätte aber ohne den Eingriff wohl auch zufällig so werden können. Von daher haben wir in dem Sinne mit den technischen Möglichkeiten nicht am Menschsein an sich herumgedreht. Im Sinne der Evolution wirkt eine Selektion durch uns natürlich irgendwie, allerdings nicht hin zu einem Übermenschen oder einem fremdartigen, anderen Wesen. Es wird ein Mensch sein, mein Kind mit zahlreichen Eigenschaften auch von mir, mit Eigenschaften von einem anderen Menschen, wie das bei jedem anderen Kind auch der Fall ist.
Hildegard hatte ebenfalls bereits die Option der Kombination von Susannes und meinen Genen untersucht, gleichfalls Vorschläge vorbereitet, referierte kurz, daß wir beide gut in Form seien, da also kaum etwas Nachteiliges zu vermeiden sei, von daher also eine relativ einfache Angelegenheit. Dabei diskutierten wir die Frage, ob wir gezielt eine Kombination planen sollten oder es fast natürlich dem Zufall überlassen sollten. Sollte sich Susanne dafür entscheiden, würde ich sie diesbezüglich gleichfalls nach ihrer Meinung fragen. Wir würden das dann gemeinsam festlegen, es wäre ja unser beider Kind.
Sie hatte noch keine Entscheidung verkündet, so blieb uns also nur, beide Pläne so weit vorzubereiten, daß wir nach ihrer Entscheidung weitermachen könnten, so oder so.
In den folgenden Tagen brachten wir in aller Ruhe unsere aktuellen Projekte voran. Als Susanne ihre Hauptarbeit erledigt hatte, somit ein gutes Zwischenergebnis vorweisen konnte, sich nun also wieder mehr Melanie widmen wollte, paßte das wiederum gut dazu, daß die Planungen für die Tages-Expeditionen abgeschlossen waren, zudem eine günstigen Wetterlage gegeben war. So waren wir uns einig, daß Peter und ich losziehen sollten, um die erste Exkursion zu bewältigen.
Ich schlug unterdessen vor, daß wir ja durchaus einige der Expeditionen ganz entspannt angehen könnten. Susanne und Melanie könnten uns ein Stück weit bis zu einem schönen Platz begleiten, dort picknicken und auf unsere Rückkehr warten. Zudem könnten wir variieren. Einige kleinere Touren könnte Peter ja durchaus auch mal an einem Tag alleine durchführen, während ich Susanne und Melanie Gesellschaft leisten könnte.
Das hielten Susanne und Peter für eine gute Idee. Susanne würde so mit Melanie zwar nicht immer mitkommen, bei einem gut gelegenen Startpunkt für unsere Expeditionen, zudem bei gutem Wetter wollten wir die Option aber durchaus im Hinterkopf behalten und bei der weiteren Routenplanung berücksichtigen.
Die erste Tour war allerdings noch nur für Peter und mich geplant.
So radelten wir also an einem Morgen munter los, die Rucksäcke festgemacht, ein Luftschiff zur Unterstützung bereits ungefähr über dem Startpunkt unserer eigentlichen Route. Der lag in diesem Falle relativ nahe an einem der angelegten Wege, daß wir die Räder noch auf dem Weg abstellten und loswanderten. Unser Plan sah eine Route in einer etwas bergigeren Zone vor. Die Route sollte uns später zurück zu dem Weg führen, welcher um den Badesee führte. Da wir noch nicht so gut einschätzen konnten, wie gut wir vorankommen würden, wie lange Probennahmen dauern würden, wieviele Proben wir würden ziehen wollen, war diese erste Route vom Umfang her eher bescheiden ausgelegt.
Schnell fand Peter interessante Stellen, erläuterte mir überdies nebenbei, was interessant für ihn dabei war. Ich fragte kritisch und neugierig, weswegen er durch die Notwendigkeit der expliziten Formulierung sich genauer Gedanken darüber machen konnte, was aus seiner Sicht interessant war, was objektivierbare Kriterien wären, etwas zu untersuchen. Daran arbeiteten wir im Gespräch nun intensiver, denn so wurde ihm das einerseits klarer, wir konnten das zudem ergänzen. Andererseits konnte ich so ebenfalls mit kundigerem Blick Ausschau halten, mich also bei der Expedition auch inhaltlich nützlicher machen, ferner waren solch explizit formulierte Kriterien gleichfalls nützlich für die Missionen der Sonden, die sonst Proben nahmen. Mit einem erweiterten Kriterienkatalog würden auch die besser in der Lage sein, Proben an Stellen zu nehmen, die aus Peters Sicht auf jeden Fall sehr relevant sein könnten, für ihn persönlich jedoch nur schlecht oder gar nicht erreichbar sind.
So kamen wir also bereits am Anfang dieser ersten Expedition mit dem Verfahren deutlich voran. Ich hatte nun allmählich ein klareres Bild davon, wie vorzugehen ist, auf was zu achten ist. Das Gespür, die Intuition kommt mit der Praxis, der Erfahrung mit den Forschungsobjekten.
Wir versäumten es allerdings auch nicht, an schönen Aussichtspunkten innezuhalten, den Ausblick zu genießen, jedoch dabei ebenso Ausschau zu halten, ob es aus dieser Perspektive nicht interessante Stellen zu entdecken gab, welche wir unbedingt untersuchen sollten. So machten wir wirklich schnell den ersten Abstecher weg von unserer eigentlich geplanten Route. Das war allerdings unproblematisch, denn es lag ja durchaus im Zeitplan, auch Dinge zu tun, die nicht bereits vorgesehen waren. Gerade diese spontanen Impulse sind es ja gerade, die einem oft neue Erkenntnisse ermöglichen. So gingen wir dem natürlich nach.
Nun ist es in dem bergigen Gelände natürlich durchaus karg, da war schon auf Details zu achten, allerdings auch nicht so uninteressant hinsichtlich jener Pflanzen, die sich besonders gut für die Erstbesiedlung von kargen Landschaften eignen, wovon Skylla ja reichlich hat. Auf unserer Insel lag allerdings die Besonderheit vor, daß die Luftfeuchtigkeit hier deutlich höher ist als weit im Inland, entsprechend regnet es hier auch einmal ab. Das sind deutlich günstigere Bedingungen als in ausgewiesenen Wüstenregionen des Planeten. Dafür hatten wir es in dem heute untersuchten Bereich ziemlich felsig, von daher wenig Material, in welchem Pflanzen Wurzeln schlagen können. Auch dies ist in Skylla natürlich häufig anzutreffen. Ohne Leben gibt es ja keine Humusbildung. Staub- und Sandablagerungen sind da nur bedingt geeignet, in eher zugigen Ecken einer ursprünglichen Vulkaninsel auch nicht so ausgeprägt. Eine Humusbildung oder ähnlich geeignete Ablagerungen hatten wir auf der Insel hauptsächlich dort, wo es schon seit der Anfangsphase der Besiedlung Pflanzen und Pilze gibt, die Boden und allgemein Material gut halten können.
Die Tagesdunkelheit hatten wir im Hinterkopf behalten, somit hatten wir rechtzeitig einen guten Rastplatz aufgesucht und hatten dort eine Pause und Mahlzeit. Wir plauderten über bereits gezogene Proben und deren Standorte, die weitere Route. Ansonsten verdösten wir die Zeit einfach, wobei ich mich einfach so grob einen Meter neben Peter platziert hatte, so konnten wir uns gut unterhalten, wenn einem von uns gerade etwas einfiel, was zu diskutieren war. In meiner eigenartigen Kinderwunsch-Stimmung suchte ich schon ein wenig die Nähe zu Peter, das war allerdings doch eindeutig freundschaftliche, kameradschaftlich, symbolisch. Vermutlich ein ganz natürlicher Trieb, wenn ein Kinderwunsch aufkommt. Bei den Probennahmen oder Hinweisen auf besondere Aussichten oder eventuell interessante Orte für Probennahmen hatte sich gelegentlich schon die Möglichkeit geboten, ihn unverfänglich zu berühren. Das ging so ganz selbstverständlich und aus der Situation heraus, daß darin nicht so viel lag. Auch damit hatte ich allerdings nun eine harmlose Art von Vertraulichkeit eingeführt, die wir nicht wieder zurücknehmen würden. Mehr passierte jedoch auch nicht zwischen uns.
Wir hatten Zeit, so begann ich einfach mal: „Entwickelt sich doch eigentlich gut. Wir arbeiten zusammen, auch Susanne ist wissenschaftlich voll dabei.
Das geht doch besser als befürchtet!“
Peter stimmte zu: „Auf jeden Fall. Susanne war sich schon sehr unsicher, wie du auf die neue Situation reagieren würdest. Ich hatte auch gewisse Bedenken. Nun klappt es wirklich gut mit uns dreien.
Daß du Susanne an deinen neuen Projekten beteiligen konntest, ist für sie schon sehr relevant.
Es zeigt ihr deutlich, daß du sie akzeptierst, nicht etwa meidest!“
Ich antwortete: „Auf Melanie bin ich auch gleich offen zugegangen, konnte eine Beziehung zu ihr aufbauen, schon von daher sollte sie doch keine Befürchtungen mehr haben, daß ich aggressiv werden könnte.“
Peter lachte kurz, meinte: „Aggressiv nicht gerade, verärgert oder eingeschnappt schon eher …“
Ich bekannte: „Bin ich auch ein wenig, aber an Melanie lasse ich das gar nicht aus. Und ich weiß das schon zu trennen mit unseren wissenschaftlichen Projekten und privaten Aspekten. Bei letzteren entwickelt sich das eben, da können wir nicht rückgängig machen oder ändern, was bereits passiert ist. Das ist die normative Kraft des Faktischen, der Imperativ der Existenz in der Raumzeit.
Wozu sich darüber also noch den Kopf zermartern?
Und inzwischen hat sich das Verhältnis zwischen Susanne und mir doch bereits wieder ganz gut entspannt. Wir harmonieren regelrecht miteinander. Dazu trägt wohl auch bei, daß wir wissenschaftlich gut zusammenarbeiten und wir gelegentlich auch gemeinsam etwas mit Melanie machen.
Ich glaube, ich sollte das weiter ausbauen, weiter auf Susanne eingehen, damit sich das noch weiter bessert, meinst du nicht?
Also doch besser Blick voran und sich darum kümmern, was wir nun daraus machen können.
Da könnt ihr beide euch schon entspannen und wieder euren Spaß miteinander haben …“
Peter räusperte sich.
Ich hakte nach: „Was denn?
Stimmt was nicht?“
Peter zögerte etwas, begann daraufhin aber: „Zu deiner Frage: Es hört sich gut an, daß ihr beide gut harmoniert, wieder einen guten Draht zueinander gefunden habt. Da solltest du auf jeden Fall dranbleiben. Das ist wichtig für uns als Gruppe.
Was unseren Spaß derzeit anbelangt, naja, da hakt es derzeit etwas.
Also weißt du, es war ja schon bei der ersten Schwangerschaft so, daß sie sich etwas zurückgezogen hat, also in den letzten Monaten kein Sex mehr, hat sich gesteigert. Es ist ja schon so, die Schwangerschaft belastet und sie hat dann keine Lust. Weil sie aber wohl denkt, ich wäre sehr auf Sex aus, wenn ich mich ihr nähere, so hat sie zunehmend auch Zärtlichkeiten, Nähe abgeblockt.“
Ich unterbrach: „Ist das denn so, daß du immer Lust auf Sex hast?
Also, wenn du dich ihr näherst?“
Peter räusperte sich etwas verlegen, antwortete nach weiterem Zögern: „Da ist schon mehr, auch die Nähe, das Wohlfühlen einfach so zusammen. Was aber auch stimmt, wenn ich sie in den Armen halte, sie spüre, so bekomme ich eben auch schnell Lust, das stimmt schon. Ich kann mich indes schon beherrschen. Verborgen bleibt ihr das nicht, wodurch sich die Situation eben gleich so entwickelt, daß offenbar wird, daß ich eigentlich schon Lust auf Sex hätte und loslegen könnte, körperlich sowieso, sie jedoch eigentlich keine Lust hat. Und so blieb sie zunehmend auf Distanz, um diese etwas peinliche Situation zwischen uns zu vermeiden, was uns beiden nicht so gut bekommen ist.“
Ich erwiderte: „Verstehe. An sich hört es sich so an, daß du nicht prinzipiell etwas falsch gemacht hast, sie ist eben attraktiv, du liebst sie, hast also auch Lust auf sie. Sie liebt dich zweifellos gleichfalls, in der besonderen Situation hat sie allerdings andere Bedürfnisse, die meist nicht in Richtung Sex gehen, das löst in ihr einen Konflikt aus, Nähe, Geborgenheit, Sicherheit an sich schon, jedoch nicht unbedingt Sex dabei oder in der Folge.“
Peter bestätigte: „Genau. Immerhin hat sich das nach der Geburt wieder gelegt. Klar, da habe ich ihr gut beigestanden, sie umsorgt und aufgepäppelt, mich intensiv gekümmert. Mit dem Kind ist ja alles neu, aufregend, turbulent. Wir waren sehr gefordert, hatten viel zu lernen. Da war Sex erst einmal kein Thema, es drehte sich alles um unsere Familie, um Melanie, darum, daß Susanne sich wieder komplett erholen sollte. So sind wir wieder näher zusammengerückt, haben eine neue Basis gefunden.
Erst hier in der Kolonie ist uns eigentlich erst wieder der komplette Neustart gelungen. Es war alles neu, frisch und aufregend. Hat sich zudem auf uns übertragen und somit ging das ebenfalls mit dem Sex wieder klar, wir hatten beide intensiv Spaß daran und alles war gut, Susanne bald allerdings auch wieder schwanger.
Das war gleichfalls eine schöne, erfreulich Nachricht.
Inzwischen wiederholt sich das Drama allerdings wieder, also nun eher wieder kein Sex und ein Rückzug, die Verknüpfung von Zärtlichkeit und Nähe mit Sex ist in ihrer Vorstellung wieder da. Da sie eher keine Lust auf Sex mit mir hat, gibt es da nun wieder diese Distanz, unter der wir beide leiden. Ich hoffe, das legt sich wieder, wenn das zweite Kind da ist. So ist es doch eher schwierig, nicht einmal primär der Verzicht auf Sex, vielmehr die Distanz, die Unsicherheit, was ich noch tun darf, wobei sie sich noch wohlfühlt, das ist unangenehm, verkompliziert alles. Natürlich akzeptiere und respektiere ich, daß in ihr etwas vorgeht mit der Schwangerschaft, aber dieser Rückzug verunsichert ebenso, weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Es fehlt mir einfach so, sie einfach zu umarmen, unsere Nähe zu genießen …“
Wir schwiegen kurz, ich nickte verständnisvoll, streichelte sachte tröstend mit zwei Fingern über seine Schulter.
Ich meinte: „Das wird sich schon wieder einrenken …
Ich hatte irgendwie schon so ein Gefühl, daß es da gewisse Spannungen zwischen euch gibt. Ich dachte eher, meine Wiederauferstehung hätte einfach die Situation verkompliziert. Es scheint ja allerdings eher an der Schwangerschaft zu liegen. Die hat ja nun auch ein absehbares, erfreuliches Ende. Dann erholt sie sich und ihr habt wieder neue Perspektiven, eine neue Chance, euch wieder näherzukommen.“
Peter meinte dazu: „Das klingt so betrachtet eigentlich ganz plausibel, immerhin eine Aussicht, wann ich wieder etwas erreichen könnte …“
Ich fuhr überlegend fort: „Hmmm. Ja, das muß nicht einfach für euch beide sein. Aber mußt eben auch bedenken, daß Susanne gerade in einer besonderen Situation ist. Die Hormone spielen verrückt, so oft werden sich ihre Gedanken darum drehen, dem Kind in ihr optimale Voraussetzungen mitzugeben. Da ist die Grenze ihrer Möglichkeiten schnell erreicht.
Da kann es leicht zu Mißverständnissen kommen, die zügig auch ein wenig eskalieren können. So, wie du das schilderst, ist für euch beide da derzeit wohl wirklich Pause angesagt. Aber das wird sich sicherlich später nach der Geburt irgendwann wieder normalisieren, hoffe ich jedenfalls. Einstweilen wirst du also Geduld haben müssen, kannst kaum etwas tun, ohne die Lage nicht noch verfahrener zu machen.
Bei mir liegt die Situation wohl etwas anders.
Da könnte es durchaus hilfreich für Susanne sein, wenn ich mehr auf sie eingehe, ihr Halt gebe, sie unterstütze, was meinst du?“
Peter brummte: „Hmmmm hmmmm hmmm. Ja, ja also natürlich. Du hast ja Recht. Wenn du ihr zur Seite stehst, wird es ihr sicherlich helfen, besser durch diese Zeit zu kommen.
Das ist sehr nett von dir, wenn du das machen willst!“
Ich versicherte milde lächelnd: „Ist doch gar kein Problem. Und derzeit ist die Stimmung zwischen Susanne und mir ja ohnehin ganz entspannt. Mit einer guten Freundin zur Seite wird es ihr leichter fallen, mit den Problemen umzugehen, sich zu entspannen, es sich gutgehen zu lassen. Ich nehme mir Zeit für sie, widme mich ihren Bedürfnissen. Da will ich mal nicht kleinlich oder nachtragend sein, wenn die Lage wirklich ernst ist und Susanne meinen Beistand braucht. So bekommen wir das schon wieder irgendwie auf die Reihe, da bin ich eigentlich ganz zuversichtlich!“
Peter überlegte, nickte, schaute mich kurz an, räusperte sich und meinte: „Das ist sehr lieb von dir …“
Eigentlich hatte ich ja genug mit mir zu tun. So war es aber wohl auch richtig, auf die beiden zuzugehen und zu sehen, wie ich helfen könnte. Es ergibt sich eben immer wieder so nebenbei, was getan werden muß, um die Gruppe, die Mission voranzubringen.
Wegen meiner Angelegenheit wollte ich ihn allerdings doch noch aushorchen: „Habt ihr eigentlich schon wieder darüber gesprochen, wie Susannes Meinung zu meinem Kind ist?
Nach dem, was du mir eben geschildert hast, vermute ich, meine diesbezügliche Frage an sie könnte noch weiter Druck aufgebaut haben. Das wollte ich natürlich nicht. Eure aktuelle Befindlichkeit macht es natürlich nicht gerade leichter, sich auch noch damit zu beschäftigen. Umgedreht setzt dich das zusätzlich unter Druck, wenn sie sich dafür entscheidet, so rücken Susanne und ich ja doch über das Kind wieder näher zusammen …“
Peter nickte: „So gesehen war der Zeitpunkt deiner Nachfrage suboptimal, das stimmt wohl. Du konntest das aber nicht wissen. So oder so ergibt sich für Susanne und mich damit aber wieder die Notwendigkeit, etwas gemeinsam zu klären. Bislang hat sich sich jedenfalls nicht ablehnend geäußert, sie hält viel von dir, will dich gerne unterstützen. In der Stimmung fällt es ihr allerdings schwer, das Thema von sich aus anzuschneiden. Hoffnungslos erscheint es mir keinesfalls. Wahrscheinlich wird sie mitmachen, weil sie dich mag. In unserer Krise gehört es indessen wohl dazu, wenn sie sich etwas ziert, unsicher ist, sich nicht übernehmen will. Ein bißchen Geduld wirst also auch du noch mit ihr haben müssen …“
Ich versicherte: „Habe ich. Daran soll es nicht hängen.
Hältst du das aber bei den Komplikationen noch für eine gute Idee?“
Peter schaute mich an, entgegnete: „Im Grunde habe ich mich bereits einverstanden erklärt, sofern es mir überhaupt zusteht, da mehr als eine unverbindliche Meinung zu äußern. Zu dem Zeitpunkt war ich mir über die Krise zwischen Susanne und mir im Klaren, sie war sich dessen sicherlich auch bewußt, hat es trotzdem nicht spontan abgelehnt. Nun hat sie daran zu knabbern, es hat sich wieder ein Stück mehr Verantwortung für sie ergeben. Sie muß das erst verarbeiten, sich an den Gedanken gewöhnen, sich darauf einlassen, dann wird sie zustimmen. Susanne mag Kinder, ich ebenso. Wie es auch kommt, ich freue mich für dich, wenn es mit dem Kind klappen sollte. Sonst mache ich mir deswegen keine weiteren Sorgen, was Susanne und mich nach einer solchen Entscheidung für euer Kind betrifft. Es wird nicht an dem Kind hängen, wie es sich zwischen uns entwickelt …
Na, vielleicht wäre dein Kind sogar ein guter Anreiz, damit wir alle näher zusammenrücken. Das könnte auch der Beziehung zwischen Susanne und mir helfen. Wenn unser zweites Kind geboren ist, wird sie deswegen hoffentlich schon wieder euphorisch sein. Wenn sie glücklich ist, ist es gut. Wie wir unsere sozialen Bindungen zu dritt weiter entwickeln, werden wir dann sehen.“
Ich nickte, klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter.
Noch im Halbdunkel packten wir zusammen und zogen vorsichtig weiter, um weitere geeignete Orte zu finden, um dort Proben zu nehmen. Trotz einiger Abstecher lagen wir relativ gut in der Zeit, so kamen wir gegen Ende unserer Tour am Badesee an. Da hatte Peter ja bei unserem kleinen Ausflug mit Melanie bereits etwas entdeckt, was uns erst auf die Idee gebracht hatte. So untersuchten wir hier ausführlicher. Natürlich, durch das Vorhandensein des Wassers waren hier relativ günstige Bedingungen, die Seite weiter hinauf in die Berge war allerdings felsig und karg, reichhaltigere Vegetation war eher auf der anderen Seite zu finden, also grob in Richtung der Kolonie. Die Vegetation dort war allerdings zunehmend planvoll von den Ais angelegt worden, zwar über die Jahrzehnte verwildert, gleichwohl nicht im Zentrum des Interesses von Peter, der eher wissen wollte, wie sich die Vegetation dort entwickelt, wo es wenig gezielte Eingriffe von außen gegeben hatte, welche Gesellschaften von Mikroorganismen, Pilzen, Pflanzen sich dort behaupten und ausdehnen können, wo sich das nicht geplant kombiniert, sondern aus einer Zufallsmischung heraus selbst entwickeln muß.
Als wir mit der Expedition durch waren, hatten wir noch Zeit bis zum Abend. Wir übergaben dem Luftschiff die restlichen Proben und die nun einstweilen nicht mehr benötigte Ausrüstung. Dieses zog darauf ab. Wir waren ungestört, schauten über den See. Wir hätten zurück zu den Rädern schlendern können, wären anschließend relativ früh zurück in der Kolonie gewesen.
Ich wies mit der Hand auf den See, wedelte so vage mit den Fingern herum und meinte: „Also, ich hätte Lust, eine Runde zu schwimmen, und du?“
Peter schaute mich erstaunt an, erwiderte daraufhin: „Oh, habe gar keine Badehose mit …“
Ich lachte und erwiderte: „Meinst du, ich?
Ist doch egal, sind doch unter uns, ist ja nichts dabei.
Also los?
Kommst du mit?“
Ich ging fröhlich lachend ein paar Schritte weiter auf eine größere Felsplatte am See, näherte mich dem Wasserrand und guckte nach einer Stelle, an welcher man einsteigen könnte.
Die fand sich zum Glück schnell, ich drehte mich schmunzelnd zu ihm, sprach: „Hier kommt man gut und sicher rein!“, wobei ich auch schon begann, mich meiner Sachen zu entledigen, noch ohne mich nach Peter umzusehen. So nackt und bloß bekam er zunächst nur meine Rückenansicht zu sehen, ich reckte mich allerdings, streckte mich, kniff die Popacken zusammen und gab meinen Hüften einen lasziven Schwung, bevor ich meine Beine grazil in Richtung See in Bewegung setzte. Es machte mir schon ein wenig Spaß, ihn so zu provozieren. Ich war bereits neugierig, wie er reagieren würde.
Ich tänzelte spielerisch herum, griff mit den Fingern locker in die Leere, drehte mich, um Peter ebenfalls mit meiner Vorderansicht zu beeindrucken, aber nur so flüchtig, es sollte natürlich nur ein harmloser Spaß sein, auch um ihn wieder aufzuheitern nach unserem ernsten Gespräch an diesem Tag. Also stieg ich zügig in den See, dessen Temperatur ganz angenehm war. Und so machte ich gleich meine ersten Schwimmzüge. Erst etwas weiter draußen auf dem See drehte ich mich erneut um, schaute nach Peter. Tatsächlich hatte dieser sich ebenfalls entkleidet, eine Hand wie zufällig vor sein Gemächt haltend, daß ich den aktuellen Zustand nicht eindeutig erkennen konnte. Aus der Höhe der Hand vermochte ich allerdings schon erahnen, daß bereits meine minimalistische Aufführung die gewünschte Wirkung hinterlassen hatte. Peter stand auch noch etwas zögernd auf der Felsenplatte. Als er allerdings mitbekam, daß ich guckte, lachte er etwas verlegen und stieg ebenfalls ins Wasser, schwamm locker und ohne Eile ungefähr in meine Richtung.
Als er fast heran war, flitschte ich ihm fröhlich lachend eine kleine Wasserfontaine hinüber. Peter grinste, flitschte beherzt zurück, woraus sich eine kleine Wasserschlacht entwickelte. Wir hatten richtig Spaß, alberten harmlos herum wie die Kinder. Anschließend schwammen wir noch eine größere Runde friedlich nebeneinander durch den See.
Nachdem wir eine Weile das Wasser genossen hatten, schwammen wir zurück zum Ufer, wo unsere Sachen auf uns warteten. Angekommen stieg ich mit Schwung aus dem Wasser. Nun hatten wir ja nichts zum Abtrocknen mit, die Felsplatte war im Sonnenschein allerdings recht warm, so schüttelte ich mich lachend ordentlich ab, legte ich mich einfach auf den kahlen Fels und gab Rasol eine Chance, mich wenigstens etwas zu trocknen.
Als Peter am Ufer angekommen war, zögerte er etwas.
Ich merkte nur an: „Nun hab’ dich nicht so und komm’ schon raus!“
Peter antwortete: „Ja klar, etwas ungewohnt ist die Situation so schon.
Aber es ist ja wirklich nichts dabei, wir sind ja beide erwachsen und vernünftig!“
Ich lachte und entgegnete: „Das sind wir wohl. Also gar kein Drama.“
Peter lachte verlegen, genierte sich schon ein wenig, kam aber doch heraus.
Er sah schon ganz schmuck aus, auf jeden Fall!
Der ganze Körper ist schon sehr ansehnlich und appetitlich. Nun ist er gewiß kein Muskelmann, auch keineswegs fettig, also griffig und ansehnlich und männlich, wie es sein soll, ohne in eine bestimmte Richtung zu übertreiben.
Auch er wäre auf jeden Fall eine Option für ein Kind, ganz gewiß. Verführen wollte ich ihn nicht, obgleich das nun die einfachste Möglichkeit gewesen wäre. Eine heftige Affäre, wilde Leidenschaft und ein Kindlein würde sich entwickeln. In diesem Augenblick war das eine sehr verlockende Vorstellung.
Sollte ich doch noch umdisponieren?
Peter eilte nun allerdings, schüttelte ebenfalls unterwegs möglichst viel Wasser ab, legte sich so etwa knappe zwei Meter von mir ebenfalls auf den Felsen, wobei er sein Gemächt hielt und sich einfach auf den Bauch legte. Ich lachte und er lachte endlich mit. Wir genossen fürderhin jedenfalls einfach nur die Sonne und die Wärme auf der Felsplatte. Und Peter beruhigte sich wohl auch etwas, weswegen er sich ebenfalls umdrehte, als ich das tat, um mich auch auf der anderen Seite trocknen zu lassen. Dabei rollte ich einfach auf dem Untergrund herum, lag so nun gut eine Körperbreite näher an ihm dran. Er drehte sich hingegen auf der Stelle.
Ich lächelte ihn entspannt an, meinte so: „Nun wäre schon die Gelegenheit für einen alternativen Plan, wenn sich Susanne gegen ein Kind mit mir entschieden hätte …“
Er schaute etwas unsicher, schluckte, meinte dann: „Weil sie sich noch nicht entschieden hat, kann ich davon ausgehen, daß du nicht gerade versuchst, mich zu verführen?
Absichtlich jedenfalls, denn also, Wirkung zeigt das schon!“
Ich lachte munter und erwiderte: „Ach. Du gefällst mir schon gut, doch das würde Susanne einen schweren Schlag versetzen. Von daher also nichts mit Verführen von meiner Seite. Vielleicht war ich damals auf der Raumstation einfach dumm und hätte dich da schon verführen und vernaschen sollen. Nun hat es sich anders entwickelt. Das akzeptiere ich. Sollte Susanne ablehnen, diskutieren wir gerne noch einmal gemeinsam, solltest du Interesse haben.
Gleichwohl brauchen wir dann einen Plan, um Susanne nicht noch stärker zu verunsichern, als sie es derzeit ist!“
Peter schluckte, nickte: „Gewiß, gewiß. Reizvoll bist du mir auf der Raumstation auf jeden Fall erschienen. Getraut habe ich mich nicht, war sowieso alles neu und eine Herausforderung. In der Kombination war das ungünstig. Bei Susanne war es schon wieder anders, ebenso die Konstellation der Charaktere. Da hat es sich einfach eher ergeben, daß sich daraus etwas entwickelt hat. Ich glaube schon, es wäre leicht für dich gewesen, mich auf der Raumstation zu verführen und für dich zu gewinnen.
Wie dem auch sei, du hast schon allein damit Recht, daß Rücksicht auf Susanne nun wichtig ist. Eine Affäre wäre schon reizvoll, aber nicht so hinter ihrem Rücken, das fühlt sich falsch an …“
Damit war ich einverstanden: „Wenn überhaupt, müssen wir unser Beziehungsgeflecht gemeinsam entwickeln. Das braucht Zeit und gewiß auch Susanne in entspannter Bestform, sonst wird alles so richtig chaotisch.
Nun, was das Kind anbelangt, liegt es bei Susanne, sich zu entscheiden. Im Gespräch darüber wird sich ansonsten ergeben, worauf wir uns einigen können, wie die Stimmung ist. In der derzeitigen Situation scheint mir Genmaterial aus dem Archiv plausibel zu sein, wenn Susanne ablehnen sollte. Das entschärft die Situation.
Wenn sich in ein oder zwei Jahren alles eingerenkt hat, können wir immer noch sehen, ob wir eine entspannte, gemeinsame Konstellation entwickeln können, in der mehr möglich wäre.“
Peter nickte. Wir lachten beide.
Als wir so halbwegs trocken waren, war es auch allmählich Zeit, zurück zu Kolonie aufzubrechen. Also zogen wir uns in guter Laune an und spazierten zurück zu den Rädern. Und mit denen ging der Rückweg letztlich relativ schnell.
Wieder zurück in der Kolonie erläuterte Susanne, was sie so nebenbei noch geschafft hatte, wir berichteten von der Expedition. Susanne hatte ohnehin gerade genug mit Melanie zu tun, so machten Peter und ich uns erst einmal frisch, worauf Peter bereits wieder im Arbeitsbereich war, um nach seinen Projekten zu sehen. Die Auswertung der heutigen Proben würde natürlich noch etwas dauern. Es ging ihm also vorrangig um andere Ergebnisse.
Ich gesellte mich zu Susanne und Melanie. Derzeit war Melanie allerdings ruhig und beschäftigte sich selbst mit Spielkram. So hatten Susanne und ich etwas Zeit für uns. Ich schaute sie an.
Sie nickte und sprach leise: „Du willst jetzt gerne meine Entscheidung hören, oder?“
Ich zuckte die Schultern: „Druck machen will ich nicht, also deswegen bin ich nicht da. Wenn du dich noch nicht entschieden hast, müssen wir das nicht gleich thematisieren.“
Sie nickte, nahm mich wortlos in die Arme und wir genossen das ein wenig.
Anschließend diskutierten wir weiter am Projekt herum, saßen nebeneinander auf dem Boden, schauten Melanie zu.
Ich fragte einfach mal so: „Habe unterwegs etwas mit Peter geredet.
Wie ist eigentlich deine Sicht, wie es gerade zwischen euch läuft?“
Susanne sah mich kurz an, senkte etwas verlegen den Blick, schwieg noch kurz, seufzte alsdann und hub an: „Naja, wenn du bereits mit Peter darüber geredet hast, wirst du ja bereits wissen, daß es gerade nicht so toll läuft. Ich kann irgendwie nicht richtig auf ihn eingehen. Da schiebe ich ihm sicherlich nicht die Schuld zu, aber trotzdem ist da diese Distanz entstanden, die wir nicht mehr überwinden können. Derzeit ist die Situation irgendwie ziemlich verfahren …“
Ich erwiderte: „Hmmm, wenn wir mal davon ausgehen, daß das zum guten Teil mit der Schwangerschaft zusammenhängt, es da in der Folge zwischen euch irgendwie zu Komplikationen gekommen ist, so ist das doch erst einmal nicht so dramatisch. Du machst das so, wie es sich für dich richtig anfühlt. Ist die Geburt überstanden, hast du dich davon erholt, sieht die Welt wieder ganz anders aus. Da könnt ihr euch Zeit lassen, um auch über die Kinder wieder einen neuen Bezug zueinander zu finden. Da solltest du dich jetzt nicht groß sorgen.“
Susanne schluckte, nickte: „Hast wohl Recht. Je mehr ich das dramatisiere, desto schlimmer wird es, desto komplizierter wird es, das später wieder einzurenken. Derzeit geht es jedenfalls nicht. Tut mir auch leid, aber ist nun einmal so. Und dabei wäre das jetzt eigentlich schon eine Zeit, in welcher ich Nähe und Geborgenheit gut brauchen könnte, aber so richtig wohl würde ich mich mit Peter nicht fühlen, da vermischt sich zuviel, verschiedene Ebenen, ist eben kompliziert.“
Ich nickte, schaute sie wieder an. Unsere Blicke trafen sich. Ohne ein Wort zu sagen, neigte ich mich zu ihr, nahm sie einfach erneut in die Arme. Susanne seufzte und erwiderte die Umarmung. Wir hielten uns einfach.
Etwas später meinte sie: „Mit dir ist es irgendwie einfacher. Da fühle ich mich wohl, da ist nicht dieser Vorbehalt, diese Distanz, obwohl, ja obwohl wir ja auch unsere herbe Krise hatten.“
Ich versicherte: „Die haben wir ja nun ganz gut überwunden. Ich bin natürlich für dich da, unterstütze dich, biete dir Geborgenheit und Nähe, wie du es magst. Wir sollten das einfach mal alles nicht überbewerten, einfach wohlfühlen und uns von dem leiten lassen, was wir gerade empfinden, was uns guttut, meinst du nicht?“
Susanne nickte, noch immer an meine Wange angebuckt.
So waren wir uns schon ein ganzes Stück nähergekommen, das ließ sich ganz gut an. Vielleicht würde es uns ja so gelingen, Susannes Selbstzweifel in den Griff zu bekommen. Vorsicht war da schon noch angesagt, allerdings hatte sie bei mir wohl keine Berührungsängste. Unser Verhältnis hatte sich nicht nur deutlich entspannt, es hatte sich wieder erheblich verbessert. Ich hatte die andere Konstellation verdaut und war nun wieder in der Lage, mich um Susanne zu kümmern, nun eben wie von ihr gewünscht und benötigt rein freundschaftlich.
Ich riskierte es mal und meinte: „Für Peter ist es ja auch nicht so einfach. Es wäre vielleicht gar nicht schlecht, wenn ich etwas vermitteln würde, ihn auch ein wenig über die schwierige Zeit hinwegtrösten.
So könnten wir alle drei etwas weiter zusammenrücken, das könnte uns allen helfen, meinst du nicht?“
Susanne sah mir kurz tief in die Augen, überlegte noch einen Moment, nickte alsdann: „Du hat natürlich Recht, zusammen kommen wir immer weiter!“
Wir spielten ein wenig mit Melanie.
Dann ging ein Ruck durch Susanne, sie stupste mich an und sprach: „Also gut. Ich habe mich entschieden. Wenn du ein Kind mit mir wirklich einem mit einer wilden Mischung aus dem Archiv vorziehst, so hast du gerne meinen Segen.“
Ich schluckte und nahm sie in den Arm, erwiderte: „Gut. Das ist dann unser gemeinsames Kind.
Oder hast du mit deinen zweien genug?“
Sie lachte und meinte: „Also, du übernimmst für das Kind schon die Mutterrolle. Ich bin allerdings überzeugt davon, die Muttergefühle entwickele ich sowieso bei solch einem süßen kleinen Kind. Du kommst doch auch prima mit Melanie zurecht. Ich habe gar keine Bedenken. Du wirst eine gute Mutter. Das wird sehr schön für dich, für uns. Sagen wir einfach, wir haben drei Kindern, um die wir uns gemeinsam kümmern. Bei unserer kleinen Gruppe ist das immer eine gemeinsame Aufgabe, schon mit Schwerpunkten für dich oder mich als Mutter, aber wir gehören so oder so zusammen, meistern das gemeinsam.“
Wir hielten uns fest und drückten sogar ein paar Tränen heraus. Die Entscheidung war gefallen.
Natürlich mußten wir Peter noch darüber informieren.
Ich schilderte erst einmal Susanne, was ich mit Hildegard vorbereitet hatte. Sie hatte ja mit ihrer Entscheidung nun auch noch ein Wörtchen mitzureden, wie wir das nun konkret umsetzen wollten. Sie hätte das auch mir überlassen, war allerdings damit einverstanden, gemeinsam über die Optionen zu gucken und die finale Entscheidung gemeinsam zu treffen oder mich dabei zu beraten, was Hildegard genau umsetzen sollte.
Bald war Abend, wir bereiteten für alle das Abendessen vor. Das war nun der Zeitpunkt, Peter Susannes Entscheidung mitzuteilen. Susanne und ich schauten uns kurz beim Essen an, Susanne nickte und übernahm das. Peter wirkte erleichtert, daß die Entscheidung gefallen war. Ich erläuterte ihm, wie das genau ablaufen würde. Somit war auch geklärt, daß Susanne und ich uns noch dransetzen mußten, um genau zu entscheiden, was Hildegard genau umsetzen würde. Dafür würde sich bereits der nächste Tag anbieten.
Nachdem das zwischen uns geklärt war, atmeten wir alle frei durch. Die Stimmung zwischen uns war gelassen, entspannt. Es fühlte sich gut an, daß dies nun gerade keinen Konflikt ausgelöst hatte, eher dazu geführt hatte, daß wir alle näher zusammengerückt waren. Vielleicht hatte sich damit gar überraschend die Krise zwischen Peter und Susanne bereits etwas entspannt. Diese Gelassenheit und Zuversicht jedenfalls wollten wir uns nicht wieder so schnell vermiesen. So verbrachten wir danach noch einen ruhigen Abend zusammen.
Am nächsten Tag machten wir nicht gleich wieder eine Expedition. Über Nacht waren bereits die meisten unserer Proben analysiert worden, nicht komplett, aber es gab bereits genug Ergebnisse, denen sich Peter widmen konnte. Das war allerdings nicht so viel zu tun, das konnte er auch nebenbei beobachten.
So schlug ich bei der Zubereitung des Frühstücks vor: „Ich würde gerne heute mit Susanne einen Ausflug an den See machen. Das Wetter ist prima und der See sah gestern schon sehr einladend aus. Und nachdem ich gestern mit dir, Peter, unterwegs war, ist es doch nur angemessen, wenn ich heute einen schönen Ausflug mit Susanne mache.
Derweil paßt du, Peter, zusammen mit Esme auf Melanie auf, so wird das ein wirklich ruhiger Ausflug, bei welchem Susanne etwas entspannen kann, nicht ständig aufpassen muß!“
Susanne schaute mich etwas überrascht an.
Peter griff das aber gleich auf: „Kein Problem, kann mich mit Esme sehr gut mal um Melanie kümmern. Und du hast schon Recht, das Wetter ist günstig für Ausflüge. Die Auswertung will ich sowieso abwarten, kann mir dabei gut Zeit nehmen, um mich mehr mit Melanie zu beschäftigen, die soll ja auch nicht zu kurz kommen bei all den Projekten. Wolltet ihr nicht mit Hildegard abklären, wie das nun konkret laufen soll?“
Ich nickte und erwiderte: „Das kommt. Wir müssen ja nicht den ganzen Tag bleiben.
Nach einem entspannten Tag am See erledigt sich das zudem viel lockerer als gleich so einfach mal los!“
Peter stimmte zu: „Prima, also ein Plan mit Psychologie dahinter!“
Wir lachten.
So war das abgemacht und nach dem Frühstück packten Susanne und ich ein paar Sachen zusammen und machten uns mit den Rädern auf den Weg zum Badesee.
Dort angekommen packten wir unseren Kram auf der Felsplatte aus. Wir hatten unter anderem eine dickere, große Decke dabei, welche wir dort ausbreiteten. So hatten wir es deutlich bequemer als auf dem nackten Felsen, welcher allerdings Wärme gespeichert hatte, also von daher eine angenehme Unterlage bot, zusammen mit der dicken Decke zudem nicht einmal hart.
Ich schlug alsdann vor: „Könnten ein Bad nehmen, was meinst du?“
Susanne schaute etwas verlegen zu mir.
Ich hakte nach: „Was denn?
Nackt haben wir uns beide schon gesehen, ist doch nichts dabei!“
Susanne verzog den Mund zunächst, wies so mit einer Geste der Hand an sich herunter, antwortete danach: „Also, verändert habe ich mich schon, ist mir etwas peinlich.“
Ich lächelte sie aufmunternd an, kam auf sie zu, nahm sie einfach in die Arme: „Blödsinn, siehst sehr hübsch aus, schwanger steht dir sehr gut!“
Wir lachten beide.
Und so begann ich einfach, ein wenig an ihren Klamotten zu fummeln, Susanne kicherte, wurde unruhig, fummelte aber auch bei mir herum, das nahm etwas zu, worauf sie sich lachend löste und wir jauchzend und giggelnd ein wenig Fangmich mit Hakenschlagen, Drehen, Wenden, Knuffen spielten, was alsbald darin gipfelte, daß ich sie spielerisch ergriffen hatte und lieb umarmte, vielleicht etwas mehr als freundschaftlich, allerdings nicht gerade aggressiv angrabend.
Das hatte sich eigentlich von selbst ergeben und war ganz harmlos.
Wir stiegen in den See, drehten fröhlich eine Runde, bis Susanne erst einmal genug hatte. Also ging es zurück an das Ufer und wir trockneten uns ab, ließen uns auch einfach von der Sonne trocknen, während wir einfach auf der Decke auf der noch warmen Felsplatte lagen und entspannten, dösten über größere Teile der Tagesdunkelheit.
Später aßen wir ein wenig von dem, was wir mitgenommen hatten. Weil es inzwischen wieder heller war, ging es nun nochmals ins Wasser, wo wir etwas herumalberten, aber auch noch einfach zwei Runden schwammen. Susanne war nun wirklich deutlich gelöster, hatte keine Vorbehalte mehr wegen ihrer Schwangerschaft und ihres dadurch veränderten Körpers. Das tat ihr nun ganz wohl, sich von mir angenommen zu fühlen.
So waren wir bald wieder an Land auf unserer Decke und plauderten über ihre Schwangerschaft, Melanie, ebenso über meine Pläne mit dem eigenen Nachwuchs. Das ging uns beide etwas an, hatten da ein gutes, gemeinsames Thema gefunden, mit dem wir uns lange und nun ganz zwanglos beschäftigen konnten.
Später erfrischten wir uns nochmals im Wasser, trockneten uns ab, zogen uns lachend wieder an, aßen noch etwas.
Am Nachmittag packten wir zusammen und radelten zurück. Peter erzählte kurz, wie er den Tag mit Melanie gestaltet hatte – oder diese mit ihm, was zudem bis jetzt bei den Analysen herausgekommen war. Wir wiederum schilderten, wie wir den Tag verbracht hatten, das reduzierte sich auf einen Kurzbericht: plaudern, dösen, schwimmen, sonnen, entspannen.
Wir hatten auch noch Zeit, um mit Hildegard weiter an meinen Nachwuchsplänen zu arbeiten. Hildegard und ich hatten da schon weitgehend alles vorbereitet, um nun zusammen mit Susanne endgültig festzulegen, wie genau vorgegangen werden sollte. Nun war es an Susanne und mir, uns endgültig zu entscheiden. Anschließend würde nur noch ein optimaler Zeitpunkt abgewartet, um zu einem möglichst natürlich günstigen Zeitpunkt eine Eizelle von mir zu entnehmen, das Erbgut zu mischen und sie wieder befruchtet einzusetzen. Der Rest sollte daraufhin seinen ganz normalen Verlauf nehmen.
Ich war mir inzwischen sicher, daß ich wollte. Die Planung hatte mich weiter bestärkt und mich viel vertrauter damit gemacht, daß bei mir nun bald ein Kind entstehen würde. Es wäre technisch auch anders gegangen, ich hätte es nicht selber austragen müssen. Hildegard bot auch da an, dies einem Brutkasten zu übergeben. Wir stimmten allerdings darin überein, daß es bei guter Ernährung meinerseits im Original noch etwas besser für das Kind sei, die Bindung gleich so gegeben sei, die Erfahrung auch für mich wichtig sei. Von daher war also klar, daß ich es selbst austragen würde.
Mit Susanne widmete ich mich nun den Details, was wollten wir überhaupt an der Kombination unseres Erbgutes unseres Kindes festlegen, was dem Zufall überlassen?
Hildegard hatte da nur wenige Dinge als vorteilhaft für das Kind vorgegeben. Das war von ihr begründet, daher stimmten wir dem nur zu. Ansonsten war das ein weites Feld. Und das gab Anlaß zu einer kurzweiligen, fast schon intimen Reflexion darüber, was wir beide aneinander gut fanden, kaum, was als nicht so gut aufgefallen war. Wir waren fröhlich dabei. Da wir nun wohlwollend unser beider Vorzüge hemmungslos priesen und gegenseitig für die Berücksichtigung beim Kinde vorschlugen, stellten wir lachend fest, daß es da doch viele Konfliktfälle gab, wo Susanne mehr von mir wollte, ich mehr von ihr.
So waren wir doch gezwungen, mehr über unsere Schwächen zu reflektieren, sie selbst einzuräumen, zu diskutieren. Das brachte auch für uns beide etwas. Es ist noch einmal etwas anderes, wenn es darum geht, über ein Kind zu entscheiden oder solche Macken bei sich selbst zu akzeptieren. Das zwingt so mehr dazu, die eigenen Schwächen bewußt zu benennen, genauer zu umreißen. So kamen wir ein ganzes Stück weiter.
Was blieb, war auch danach noch ein weites Feld von Möglichkeiten. Letztlich legten wir nur noch ein paar grobe Varianten fest.
Hildegard würfelte danach drei Varianten aus, stellte sie uns grob vor.
Wir hatten für jede davon Sympathien. Zum Glück hatten wir beide jedoch dieselbe Favoritin. Damit hatten wir uns entschieden.
Wir hatten es geschafft!
Es waren zu dem Zeitpunkt ja lediglich Möglichkeiten, von daher in dem Moment eigentlich kein Problem, eine auszuwählen. Etwas leid tat es uns schon für die beiden nicht gewählten Varianten. Es war uns natürlich klar, da gäbe es mehr Möglichkeiten, als die Kolonie jemals würde versorgen können. Schon von daher war es Willkür und Notwendigkeit zugleich, eine Wahl zu treffen, nicht gegen all die anderen, einfach für eine weitere Person.
So konkretisiert und vorgestellt hatten die drei schon etwas mehr Substanz, von daher nicht mehr so ganz einfach, den Gedanken einfach davon abzuwenden, nicht emotional zu sein.
Hildegard bewahrte sowieso die Daten auf, von daher fiel es uns leichter, zufrieden damit zu sein, wie wir uns nun entschieden hatten.
Aufgeregt teilten wir abends Peter mit, daß wir zu einem Ergebnis gekommen seien, skizzierten ihm grob, wofür wir uns entschieden hatten. Peter freute sich mit uns, daß das nun geklärt war. So hatten wir abermals einen entspannten, fröhlichen Abend miteinander. Peter uns Susanne gingen merklich entspannter miteinander um. So hatte die Aufregung um die Planung des Kindes von Susanne und mir irgendwie dazu geführt, daß sich ihre Beziehung nun allmählich vom toten Punkt wegzubewegen schien.
Ein toller Nebeneffekt, unerwartet, daher umso erfreulicher!
Den nächsten Tag brachen Peter und ich nach dem Frühstück wieder mit den Rädern zu einer Expedition auf. Diesmal ging es nicht in die karge, bergige Region, diesmal lag der Schwerpunkt mehr im Bereich des Sandstrandes und seiner weiteren Umgebung, dem Übergang ins Inland. Im Wasser des Meeres ist ja allerhand gelöst, also noch deutlich mehr als in den Meeren auf der Erde, daher ließ sich bislang im Meer auch nur wenig Vegetation ansiedeln, vielleicht ebenso ein Grund, warum das Leben auf Skylla früher keine Chance hatte. Die Brühe braucht schon sehr robuste Organismen. Auf der Erde gibt es ja durchaus Organismen, die unter extremen Bedingungen existieren. Es war nur nie so ganz klar, ob das eine spätere Anpassung war oder ob diese Organismen bereits seit den Anfängen des Lebens auf der Erde in diesen extremen Nischen ihr Auskommen gefunden hatten. So oder so war das hier in der Brühe des Meeres nicht passiert. Mittlerweile hatten die Ais über die Jahrzehnte unserer Besiedlung ja durchgehend daran gearbeitet, Stoffe aus dem Meer zu extrahieren. Obgleich es viel kleiner als auf der Erde ist, ist das Wasser allerdings trotzdem nicht über ein paar Jahrzehnte zu klären. Immerhin reichte die Wasserqualität inzwischen, um darin einige robuste Organismen zu etablieren. Der Plan bestand nun darin, eine Entwicklung einzuleiten, bei welcher Organismen dabei helfen, die chemische Zusammensetzung des Meeres zu verändern. Das war auf der Erde gleichfalls passiert, als die ersten Organismen per Photosynthese Sauerstoff im Meerwasser produziert haben, so unter anderem dafür gesorgt haben, daß gelöstes Eisen als Rost ausgefällt wurde. Ähnliche Vorgänge hatten die Ais auch hier auf Skylla im Sinn. Inzwischen war es durchaus gelungen, einige Organismen für diese Zwecke im Meer zu etablieren, die Chemie des Meeres also nicht nur mit technischen Anlagen an der Küste zu manipulieren.
Für die Küste unserer Insel bedeutete das jedenfalls, daß die Vegetation dort ebenfalls robust an die Zusammensetzung des Wassers angepaßt sein muß, ähnlich wie an Küsten auf der Erde. Aufgrund des durchaus vorhandenen Regens kam natürlich auch Wasser von den Bergen, der Küstenbereich filterte ferner, weswegen es unterschiedliche Zonen hinsichtlich der Zusammensetzung des Wassers gibt, welches für die Vegetation verfügbar ist. So ändert sich die Pflanzengesellschaft folglich je nachdem, welche Wasserqualität verfügbar ist. Daher hatten wir im Küstenbereich also einige unterschiedliche Zonen für unsere Untersuchungen.
Die Tagesdunkelheit verbrachten wir am Sandstrand. Neben dem Essen plauderten wir angeregt über unsere Expedition, dösten etwas herum, hatten auch etwas zu lesen mitgenommen. Als es wieder hell wurde, setzten wir unsere Untersuchungen fort. Auch für diese Expedition hatten wir absichtlich ein nicht sehr ambitioniertes Programm geplant, weil ja doch immer wieder interessante Sachen in unser Gesichtsfeld kamen, auf welche wir spontan reagierten.
Insgesamt waren wir mit unserem Programm wieder zeitig durch, hatten unsere Proben und unsere Ausrüstung bereits an das begleitende Luftschiff übergeben.
So schlug ich vor: „Noch Lust auf ein Bad im Badesee?“
Peter stimmte lachend zu, also ging es mit den Rädern los. Sorglich hatte ich diesmal sogar Handtücher dabei. Weil das ganz günstig dort war, radelten wir wieder herum, bis wir den Bereich mit der Felsplatte erreicht hatten, auf welcher sich nach dem Bad gut liegen ließ.
Ich legte schon einmal die Handtücher aus. Fröhlich und in gelöster Stimmung zogen wir blank, Peter nun auch ohne Zögern, stürmten so in den See. Dort schwammen wir erst ein wenig, wobei es nicht lange dauerte, bis wir wieder herumalberten, eine kleine Wasserschlacht veranstalteten, anschließend wieder eine Runde nebeneinander schwammen.
Wir beide hielten uns länger im Wasser auf als zuvor Susanne und ich. Das war in Ordnung, wir fühlten uns wohl. Irgendwann war es aber erst einmal genug und ich meinte: „Pause wäre mir jetzt ganz angenehm.“
Peter erwiderte: „Ja geht mir auch so, soll ja keine Sportveranstaltung werden.“
So schwammen wir also zurück, stiegen aus dem Wasser, trockneten uns etwas ab, legten uns hin und ließen uns noch etwas von Rasol bescheinen und trocknen.
Wir dösten noch ein wenig, plauderten etwas über die heutige Exkursion. Ich erläuterte auch kurz meinen Eindruck, daß ich bei Susanne bereits etwas erreicht hätte, die Stimmung bei ihr sei eigentlich ganz entspannt, mit ihrer Unsicherheit bedingt durch ihre Schwangerschaft sei es nicht mehr so arg, vielleicht durch meinen Zuspruch, vielleicht auch einfach so.
Peter zeigte sich erfreut.
Kurz kam ich auch noch darauf zu sprechen, daß mich das auch ermutigt habe, es mit dem eigenen Nachwuchs zu probieren. Meine Vorbereitung mit Hildegard war ja bereits abgeschlossen. Und es würde wohl in den nächsten Tagen passieren. Peter nickte verständig und grinste dann doch, ich schmunzelte zurück.
Wir zogen uns etwas später an, radelten zurück zur Kolonie.
Zurück in der Kolonie war Peter wieder zügig bei der Arbeit. Ich überlegte noch ein wenig über das weitere Vorgehen. Jedenfalls gesellte ich mich zu Susanne und Melanie. Mit Melanie machte es einfach nur Spaß. Etwas selbständiger war sie schon geworden. Sie entwickelte sich gut, ein aufgewecktes Kind. Und ich hatte nach wie vor einen guten Draht zu ihr. Wenn das mit meinen Kind auch so sein würde, könnte sich sehr zufrieden sein.
Bald war es Zeit für das Abendessen, welches wir gemeinsam zubereiteten. Danach verbrachten wir einen harmonischen Abend miteinander.
Den nächsten Tag hatte ich wieder einen Termin bei Hildegard. Diesmal befand sie, daß es günstig sei. So mußte ich mich nun endgültig entscheiden. Das hatte ich eigentlich schon. Aber nun wurde es ganz konkret, die letzte Möglichkeit, die Notbremse zu ziehen. Ich war allerdings ganz entspannt und mir inzwischen sicher, daß ich es wollte. Ich spürte meine Bereitschaft. Und so zogen wir es durch.
Der Eingriff war mit unseren medizinischen Möglichkeiten sehr harmlos, ich merkte kaum etwas davon. Susanne war dabei, Peter paßte auf Melanie auf. Nach der Entnahme der Eizelle hatte Hildegard noch etwas Arbeit, um die vorbereitete Befruchtung und Kombination durchzuführen. Susanne und ich waren interessiert dabei, ließen uns von ihr erklären, bekamen so einen guten Überblick, was wie gemacht wurde, waren also direkt dabei. Das war zwar komplett anders als eine natürliche Empfängnis, technisch eben, aber ebenfalls sehr aufregend für uns. Wir waren schon ein wenig hibbelig.
Endlich hatten wir den Vorgang abgeschlossen. Hildegard fragte der Vollständigkeit halber noch einmal nach. Nun hätte ich mich noch für den Brutkasten entscheiden können. Sie hatte längst einen vorbereitet. Ich hatte mich aber bereits entschieden. Obgleich ich doch ein wenig nervös war, wollte ich es nun endlich in mir haben, wollte die Entwicklung selbst in mir spüren und voranbringen.
Wir teilten nun auch Peter das unmittelbar bevorstehende Ereignis mit. Er kam samt Melanie alsgleich vorbei. Nach etwas Plauderei tat Hildegard kund, daß wir nun loslegen könnten. Susanne blieb weiter bei mir. Peter spielte derweil mit Melanie.
Und so wurde in einem zweiten harmlosen Eingriff die befruchtete Eizelle wieder eingesetzt.
Etwas ruhen sollte ich danach. Erst plauderte ich noch ein wenig aufgeregt mit Susanne. Peter war ebenfalls wieder mit Melanie da, die beiden leisteten uns Gesellschaft. Die Gesellschaft der drei tat mir wohl, ich wurde merklich ruhiger. Es fühlte sich alles richtig an, so hatten die drei nun wieder frei. Ich las etwas und wartete ab, doch wieder ein wenig ungeduldig. Hildegard hatte allerdings empfohlen, daß ich noch etwas ruhen sollte. So riß ich mich zusammen und tat es einfach.
Zum Mittag waren sie allerdings wieder bei mir und wir aßen gemeinsam, etwas improvisiert zwar, aber lecker und durchaus kurzweilig. Das lenkte mich in der Wartezeit auch etwas ab. Als sie wieder weg waren, döste ich ein wenig. Irgendwann, nachdem ich wieder aufgewacht war, nahm Hildegard eine kleine Kontrolluntersuchung vor. Sie konnte feststellen, daß alles in Ordnung war. Die Eizelle hatte sich eingenistet. Ich konnte mich nun wieder frei bewegen, erst noch etwas vorsichtig, keine intensiven sportlichen Aktivitäten mehr, aber das war in Ordnung. Den Morgenlauf würde ich als einstweilen streichen, meinte ich. Hildegard meinte jedoch, das sei nicht notwendig. Solch normale Aktivitäten dürften kein Problem sein. Ich fragte auch noch wegen der Tages-Exkursionen nach. Hildegard hatte auch da gar keine Bedenken. Sie meinte, von nun an liefe das für mich wie eine ganz normale Schwangerschaft ab. Also einfach vernünftig verhalten, ein wenig vorsichtiger als sonst, dann sollte es gar keine Probleme geben. Ich war erfreut, das zu hören. So gab es also einstweilen keine besonderen Einschränkungen für mich. Es würde weitere Untersuchungen geben, Routine, zudem gab es ja ein paar Mikroroboter in mir zur steten Überwachung der Vitalfunktionen. Hildegard hatte da auch noch etwas angepaßt, wohl meine Kommunikationsgeräte angepaßt. Sie wies mich auch noch darauf hin, daß da nun etwas mehr Daten fließen würden, hinsichtlich meiner Privatsphäre seien das aber keine wesentlichen Änderungen, das würde alles von Subsystemen verarbeitet, die uns gegebenenfalls darauf hinweisen würden, wenn wir etwas genauer untersuchen sollten oder aber eine Änderung der Verhaltensweise angemessen sei. Auch das war also geklärt.
So konnte ich also losziehen, ging gleich zu Susanne und Melanie. Ich war in einer sehr guten Stimmung, die beiden auch. Und beim Abendessen waren wir sowieso alle in einer sehr guten Stimmung. Nun würde sich also für mich ein ganz neuer Lebensabschnitt ergeben. Und ich war sehr zufrieden damit, mich so entschieden zu haben.
Schwanger
Trost mit Spielzeug
Der Vorschlag, eine weitere Person auszuwählen, ging mir noch weiter durch den Kopf.
Hatten Peter und Susanne das befürwortet, um mich abzulenken?
Implizierte das nicht irgendwie die Annahme, es ginge einfach nur darum, mit irgendwem intim zu sein?
Implizierte das nicht auch das Problem, welches schon die erste Krise zwischen mir und Susanne ausgelöst hatte, als diese das Gefühl bekommen hatte, nur ausgewählt worden zu sein, um mir als Gesellschaft zu dienen?
Würde das unter den gegebenen Umständen die neu ausgewählte Person nicht erst recht haben?
Ich schwankte, war mir unsicher, sah mir aber doch am übernächsten Tag einmal ganz unverbindlich erneut die Daten durch. Ich hatte mir überlegt, daß die Person ja doch jedenfalls beruflich gut zur aktuellen Lage passen sollte oder jedenfalls flexibel einsetzbar sein. Im Vergleich zu meiner damaligen Situation auf dem Raumschiff, anschließend auf der Raumstation hatte sich die Lage hier in der Kolonie deutlich geändert. Hier würden nun bald weitere Qualifikationen relevant werden, die es damals noch nicht waren.
Über diese Erwägungen hinaus wären ausschließlich persönliche Kriterien wohl bedenklich, allerdings unterdessen nicht komplett ausgeschlossen, käme wohl auf eine geschickte Argumentation an. Ich konnte ja nun keinesfalls davon ausgehen, daß dabei mehr als eine persönliche Bekanntschaft herauskommen sollte. Um eine weitere Person zu integrieren, wäre es also von Vorteil, wenn dieser die Nützlichkeit innerhalb der Kolonie einleuchten würde. So würde diese sich auch schneller einfinden und die Situation fernab der Erde akzeptieren.
Nun, ich sollte auch schon ein Auge darauf haben, ob die Person vielleicht zu mir passen könnte. Das wäre ja immerhin sehr nützlich für die soziale Struktur. Und so hätten in der Folge ja auch doch eigentlich persönliche Kriterien Relevanz für die Kolonie.
Nach noch etwas mehr Nachdenken verwarf ich die Option allerdings. Ich dachte mir so, daß ich eigentlich mit Peter und Susanne noch gar nicht richtig fertig war, noch mit dem Geschehenen, mir Widerfahrenem noch gar nicht wirklich abgeschlossen hatte, um mich einer anderen Person zuzuwenden. Das würde nur zu weiteren Problemen führen, wenn ich überstürzt vorginge, mich wieder in eine neue Affäre stürzte, bevor die aktuelle Situation richtig verarbeitet war, ich angemessen damit umgehen konnte. Ich hatte noch nicht genug Distanz, um neu zu beginnen.
Und gelang es mir wirklich, die Situation etwas distanzierter zu sehen, weniger aus meiner persönlichen Perspektive, so mußte ich schon einräumen: So als Familie und ebenso einzeln waren sie schon zu süß. Melanie war einfach ein Traum von Kind.
Da stand ich nun, doch eher das fünfte Rad zum Wagen, irgendwie und irgendwann ausgewechselt, als ich das nicht mitbekommen konnte. Ich war ratlos, fühlte mich leer, frustriert. Und das ging mir immer wieder durch den Kopf. Hier am Ende der Welt gingen mir nun die Optionen aus.
Ablenken?
Womit?
Ich grübelte noch!
Wissenschaftliche Arbeit wäre sicherlich eine gute Option. Darin vertieft, wäre ich schon gut beschäftigt.
Aber irgendwann ist der Arbeitstag ja auch vorbei – und dann?
Jedenfalls spürte ich widersprüchliche Gefühle in mir kämpfen und brodeln: Einerseits war die Familie schön anzusehen, andererseits war ich erheblich mißgestimmt, daß ich nicht daran beteiligt wurde, daß mir das nicht zukam.
Eifersucht?
Vielleicht.
Mehr aber wohl irgendwie das Gefühl, aufgrund der Konservierung einer Situation ausgeliefert zu sein, nicht einmal ansatzweise kontrolliert haben zu können, was passiert war. Einmal abgesehen vom Problem, die Beziehung zwischen Susanne und Peter zu akzeptieren, wäre ich natürlich gerne bei Susannes erster Schwangerschaft dabei gewesen, ebenso bei der Geburt. Das hatte ich nun schon verpaßt. Immerhin, beim zweiten Kind durfte ich nun jedoch dabei sein. Jetzt war ich also wieder voll dabei, konnte also wieder Einfluß nehmen, miterleben. Und so vom Gefühl her wollte ich wohl auch nachholen, was zuvor nicht möglich war, wobei mir schon klar war, daß es unlogisch ist: Was schon geschehen ist, kann nicht mehr verändert werden, ist nicht mehr verhandelbar. Da gibt es keinen Kompromiß mehr, keine noch erreichbare bessere und auswählbare Alternative.
Nun hatte ich bereits auf eine Affäre mit Peter verzichtet, weil Susanne da war.
Diese hatte umgedreht nicht verzichtet, die beiden hatten nun zusammen eine Familie.
Was blieb da für mich?
Andere Menschen gibt es ja nun einmal hier nicht, alle anderen unerreichbar fern, fremd, eine andere Welt, eine andere Zeit. Zwar nicht formal objektiv, aber doch subjektiv empfunden fühlte ich mich schon allein. Etwas Trost, Aufmunterung, gute Gefühle hätte ich definitiv gebrauchen können.
Dennoch schien es mir falsch zu sein, deswegen einen Kryo-Zombie auf Verdacht wiederauferstehen zu lassen, um diesen zu gebrauchen. Solch eine Person hat ja auch – was gut ist – einen eigenen Sinn, läßt sich also nicht einfach so gebrauchen und paßt auch sonst nicht notwendig zu den eigenen Bedürfnissen. Also nein, das würde mich doch eindeutig überfordern. Wahrscheinlich sollte ich mich doch erst einmal eine Weile mit meinem Privatleben zurückziehen, für mich bleiben, reflektieren, mich selber um meine Bedürfnisse kümmern und mir Zeit geben, wieder in ein Gleichgewicht zu kommen, aus dem ich dann würde wieder mehr entwickeln können, neue Kraft, neue Ideen schöpfen.
Ansonsten war es nun sicherlich auch wichtig, mich mehr um Susanne und auch Melanie zu kümmern, also freundschaftlich bei Susanne, so mütterlich oder auch als nette Tante bei Melanie. Insbesondere letzteres würde doch sicherlich ebenfalls dabei helfen, wieder ins Leben zurückzukommen, mich zu besinnen, was ich nun eigentlich hier erreichen wollte.
Vielleicht wäre es mir ja auch genug mit Melanie und Susannes zweitem Kind?
Zweifellos hätten wir mit zweien schon ein wenig zu tun. Und Susanne da etwas zu entlasten, wäre ja sicherlich auch nicht schlecht. Peter kümmerte sich ja auch, hatte aber gleichfalls seine wissenschaftlichen Projekte. Die Zeit mit den Kindern etwas besser auf uns drei zu verteilen, wäre letztlich nur fair und würde für beide auch etwas mehr Freiräume schaffen.
Bei den wissenschaftlichen Projekten würde ich mit Peter sicherlich gut gemeinsam arbeiten können. Betonung bei Peter also auf wissenschaftliche Zusammenarbeit, vielleicht bei Susanne ebenfalls, denn mit etwas mehr Freiraum wäre sie vielleicht auch wieder dazu zu begeistern, wieder mehr bei den wissenschaftlichen Projekten einzusteigen.
Zwar hatte Susanne ja betont, daß sie mir inzwischen nicht mehr als Freundschaft entgegenbringen wolle, aber war in dieser Betonung nicht auch etwas drin, was mir verriet, daß sie zweifelte?
Sonst hätte sie das gar nicht so betonen brauchen. Was nicht ist, muß ja eigentlich nur hervorgehoben werden, wenn Zweifel bestehen, ob es nicht doch wieder sein könnte.
War sich Susanne vielleicht gar nicht so sicher?
Kriselte es vielleicht zwischen ihr und Peter gar ein wenig?
Eine Verstimmung, gar noch verstärkt durch meine Wiederauferstehung?
Sollte ich da nicht ein wenig nachbohren, um zu ergründen, wie die Lage aktuell wirklich war, wie die Konstellation unserer sozialen Gruppe sich gerade entwickelte?
Vielleicht könnte ich ja gar ausgleichen, alles wieder ins Lot bringen, wenn ich mich weiter einbrächte?
Mich nur auf einen von beiden zu stürzen, schien mir nun eindeutig unangebracht und riskant für unsere kleine Gemeinschaft. Etwas subtiler sollte ich schon vorgehen, um mich unauffälliger einzubringen, unseren Umgang miteinander zu harmonisieren. Also sollte ich auch wohl sowohl etwas mit Peter unternehmen, aber auch auf Susanne eingehen. Das würde mit Peter schon auf wissenschaftlicher Ebene gut funktionieren. In der Richtung überlegte ich weiter. Mit Susanne würde sich schon etwas ergeben, vermutlich spontan aus einer geeigneten Situation heraus.
Das wäre dann immerhin kein kompletter Rückzug in eine innere Isolation, die mir ja ohnehin nicht sonderlich liegt, spüre ich doch schnell den Impuls, etwas tun zu müssen, damit etwas passiert. In der Beziehung sollte ich wohl auch für Entspannung sorgen. Ich schaute einmal mal schmunzelnd nach dem Sexspielzeug.
Akkumulatoren sind aufgeladen – bei Bedarf also?
Im Moment kam noch nicht so richtig Stimmung danach auf. Immerhin, ich legte mir die Geräte doch zurecht. Nach einem langen Tag, einem Abend, an dem es mir einfach nicht gelang abzuschalten, mich in den Schlaf fallen zu lassen?
Für den Tag, die Beschäftigung meines Gehirns war wissenschaftliche Arbeit aber sowieso die naheliegendste und auch sinnvollste Option.
Am nächsten Morgen verkündete ich beim Frühstück also: „Ich dachte mir, ich steige wieder mehr in wissenschaftliche Projekte ein, bringe mich erst einmal auf einen aktuellen Stand, schaue mir Peters aktuelle Projekte an, entwickele vielleicht auch eigene. Es ist ja noch immer nicht geklärt, wie das Doppelplanetensystem nun entstanden ist, warum Charybdis so belebt war, Skylla hingegen tot. Vielleicht bekomme ich da ja noch ein paar Ideen, um dem auf die Spur zu kommen, um unsere neue Heimat besser kennenzulernen.“
Peter nickte: „Finde ich gut. Gerne erläutere ich dir, was ich gerade so mache. Und gerne diskutiere ich natürlich bei Bedarf auch neue Projekte mit dir. So im Austausch, in der expliziten Formulierung von Ideen entwickelt sich ja meist sehr viel.“
Ich lächelte und erwiderte: „Ja, den Gedanken hatte ich ebenfalls!“
So in Gedanken war mir das schon ein wenig zweideutig, aber in unserer Runde fiel das natürlich nicht auf.
So meinte Susanne ebenso: „Prima, Michaela, wenn ihr beide mehr zusammen unternehmt, harmonisiert sich die Situation hoffentlich zügig noch weiter.“
Ich bestätigte: „Daran hatte ich gleichfalls gedacht!“
Und so war das bereits entschieden.
Ferner teilte ich mit: „Mit der Wiederauferstehung einer weiteren Person warten wir wohl besser auch noch, bis sich das mit uns richtig eingespielt hat!“
Susanne meinte: „In Ordnung, hast vermutlich Recht, das sollten und brauchen wir nicht überstürzen.“
Peter nickte ebenfalls verständig. So war auch das Thema einstweilen erledigt.
Während Susanne sich primär um Melanie kümmerte, gesellte ich mich also zu Peter in den Arbeitsbereich. Auf Nachfrage erläuterte er mir seine derzeitigen Forschungsaktivitäten genauer. Schwerpunkt war da derzeit noch immer die Untersuchung von Pflanzengesellschaften hier auf Skylla und ebenfalls auf Charybdis, wobei es dort darum geht, Kombinationen von irdischen und charybdianischen Organismen zusammenzustellen, welche ihre Entwicklung gegenseitig besonders gut fördern.
Auf beiden Planeten waren Sonden unterwegs, um automatisch Proben zu nehmen, welche wiederum automatisch von den Ais analysiert wurden. Peter versuchte danach, sich mit den Ais einen Reim darauf zu machen, wie das zu verstehen war, was warum funktionierte oder eben auch nicht, je nach Standort, an welchem die Proben gezogen wurden.
Dazu hatten sie in Laboren Züchtungen und diverse Versuchsanordnungen, um neue Arten und Kombinationen zu testen.
Nachdem das gut erklärt war und ich erst einmal einen ersten Überblick hatte, fragte Peter: „Du hast beim Frühstück ja bereits erwähnt, wieder an eigenen Projekten arbeiten zu wollen.
Schon genauere Ideen?“
Ich zuckte die Schultern, erwiderte: „Muß mir erst einmal einen Überblick verschaffen, wie sich die Situation im Planetensystem in den letzten Jahrzehnten verändert hat, Körk war da ja sehr aktiv. Und ich muß mir auch einmal ansehen, was inzwischen herausgefunden wurde über die Historie des Systems, was über die Planeten. Wenn es genaue Daten über die Planeten gibt, wäre es ja auch möglich, Hypothesen über die Vergangenheit aufzustellen, Stellen zu lokalisieren, wo Proben genommen werden könnten, Untersuchungen förderlich wären, um Hypothesen zu stützen oder zu widerlegen.
Sie haben wohl auch einen Kleinplaneten gefunden, welcher gar nicht aus diesem System zu stammen scheint, älter als dieses ist, hast du davon gehört?“
Peter schüttelte den Kopf: „Nicht daß ich wüßte, ist mir vielleicht aber auch entgangen.“
Ich fügte hinzu: „Ich hatte bereits die Ehre, ihm einen Namen geben zu dürfen: Methusalem.“
Peter hakte nach: „Wirklich älter als das Rasol-System?
Schon interessant.
Wie kann das sein?
Wie stellt man das Alter eigentlich fest?“
Ich antwortete: „Genaueres habe ich mir noch gar nicht angesehen. Kommt vermutlich aus einem anderen System, wurde von Rasol in einer Wechselwirkung mit verschiedenen Planeten oder Kleinplaneten eingefangen. Letztlich ist es ja ohnehin so, daß schwerere Elemente in Sternen ausgebrütet werden. Irgendwie müssen sie da ja wieder heraus, wenn man sie letztlich hier auf Planeten vorfindet. Ganz schwere Elemente jenseits des Eisens werden ja wohl erst erzeugt, wenn sein Stern in einer Supernova oder einer ähnlich heftigen Explosion genug Druck in gewissen Regionen aufbaut, um die Kerne kleinerer Atome zu den schweren zusammenzudrücken. All das Zeug kommt also zwangsläufig von anderen Systemen, als feiner Sternenstaub ist das Alter allerdings nicht zuzuordnen. Hat ein Sonnensystem jedoch überdies ein Planetensystem, gerät da vorher, besonders in der Entstehungsphase schon einmal etwas durcheinander und ein Planet kann dabei auf Kosten der anderen so viel kinetische Energie bekommen, daß er aus dem System geschleudert wird. Der Vagabund saust daraufhin durch den freien Raum. Wahrscheinlich trifft der nie wieder auf ein Sonnensystem. In diesem Falle war es aber wohl so, daß er zufällig auf das Rasol-System zu geschleudert wurde, dort mit Rasol und den Planeten in mehrfacher Wechselwirkung kinetische Energie verloren hat, so hier eingefangen wurde.
Beim Alter, hmmm, also sicherlich haben Asi und Stanis Proben an verschiedenen Stellen genommen, die nicht nach Einschlagskratern aussahen. Hat sich ein Kleinplanet erst einmal gebildet, hat er genug Struktur, genug Atome für Statistiken, ebenfalls radioaktives Zeug im Gestein, was sich für eine Altersbestimmung eignen kann, weil sich bei einem seismisch nicht aktiven Kleinplaneten ja sonst kaum noch etwas an den Gesteinen, Metallklumpen etc ändert außer dem Zerfall radioaktiven Materials über verschiedene Zerfallsketten.
Alter von Gestein ist allerdings nicht so ganz einfach. Es gibt immerhin bestimmte Gesteinsarten, die aufgrund der Chemie auf typische Weise zusammengesetzt sind. Sind da bereits anfangs radioaktive Isotope drin, ändert sich die Zusammensetzung mit der Zeit. Isotopenverhältnisse und die Verhältnisse der Häufigkeiten verschiedener Elemente sind dann typisch für die Entstehungszeit des Gesteins. Bei Uran oder einem instabilen Isotop von Rubidium etwa kann man so aus der Zusammensetzung von Gestein abschätzen, wann das entstanden ist, also vielleicht gar das Uran bei einer Sternenexplosion, später wohl auch das Gestein, wenn das Uran da charakteristisch eingebaut ist und sich über die Zeit aufgrund der Zerfallsketten der Uran-Isotope typische Häufigkeiten von Elementen und Isotopen herausbilden, die als Uhr verwendet werden können. So in etwa, muß ich mir auch noch genauer anlesen, um da qualifiziert mitreden zu können, Daten kritisch zu interpretieren, eventuell auch brauchbare Vorschläge zu machen.“
Peter nickte und ich fuhr fort: „Hinsichtlich der Frage, wie das Zwillingsplanetensystem entstanden ist, warum es nun auf Charybdis Leben gibt, auf Skylla lediglich eine Wüste mit wenig, chemisch jedoch stark angereichertem Wasser, muß ich mich bei den erhobenen Daten ebenfalls erst auf den aktuellen Stand bringen. Ich muß ja erst einmal wissen, welche Daten wir schon haben, was man daraus lernen kann, welche Daten wir vielleicht mit welchen Experimenten und Beobachtungen generieren sollten, um mehr zu erfahren. Das wird mich schon ganz gut beschäftigen. Da will ich mal nichts überstürzen, mir aber schon genauer ansehen, wie ich mich sinnvoll einbringen kann, um das zu ergänzen und anzureichern oder auch erst zu interpretieren, was bislang in den letzten Jahrzehnten erreicht wurde.“
Peter nickte: „Hört sich doch gut an!“
Um meinen Plan der Beschäftigung mit ihm ebenfalls zu verfolgen, blieb ich bei ihm und stellte noch ein paar mehr Fragen zu seinen Projekten, woraufhin wir uns da eingehender vertieften und darüber diskutierten. Das schien mir ein ganz guter Anfang zu sein. Bei solchen Projekten hatten wir schnell einen Draht zueinander und zogen schnell an einem Strang in die gleiche Richtung.
So beschäftigten wir uns den Vormittag über hauptsächlich mit Peters Projekten. Dadurch bekam ich in der Folge schon einen ganz guten Eindruck vom aktuellen Forschungs- und Wissensstand. Ich zeigte aufmerksam und sachlich Interesse an seiner Arbeit, hielt eine lockere Stimmung aufrecht, in welcher Peter genau in seinem Element war. Und weil ich so an dem teilnahm, was Peter beschäftigte, eifrig fragte, harmonierte das sehr schön. Aus Peters Erläuterungen war zudem zu entnehmen, daß er gerne Susannes Beiträge zu den Projekten nannte, wo sie optimiert hatte, was ohne ihren Beitrag so gar nicht in dem Umfang funktioniert hätte. Nachdem das aber alles optimiert war, zudem Melanie auf der Welt war, hatte sich Susanne da weitgehend aus der Forschung zurückgezogen, trug allenfalls nur noch mit Kleinigkeiten bei. Das schien nun weder von Peter noch von Susanne gezielt so beabsichtigt gewesen zu sein, hatte sich eben so etabliert. Das war nicht ganz die traditionelle Rollenverteilung in der Familie, kam dem aber schon nahe. Peter hätte das wohl gerne anders gesehen, da gerne mehr Gemeinsamkeiten gehabt. Derzeit gab es aber gerade wenig, was ihm einfiel, wo Susanne ihre Fachkenntnisse hätte dringend einbringen sollen, wo sie damit wirklich gefordert worden wäre. Sie hatte derzeit wohl nicht so viel Muße, sich in andere Bereiche einzuarbeiten und Routinekram wollte er bei ihr auch nicht abladen.
So genoß er es sichtlich, mir ausführlich zu berichten und mit mir zu fachsimpeln. Das ließ sich jedenfalls schon einmal gut an. Wir lachten gemeinsam, diskutierten locker herum.
Beim Mittag plauderten wir gemeinsam ein wenig. Eigentlich hätte Peter am Nachmittag Melanie übernehmen sollen. Ich schlug allerdings vor, mich zu Susanne zu gesellen und so gemeinsam mit Melanie den Nachmittag zu verbringen. Damit waren sie einverstanden. Und ich hatte ein wenig mehr Gelegenheit, mich ebenfalls vorsichtig Susanne anzunähern.
So gesellte ich mich nun zu Susanne und Melanie, um auf andere Gedanken zu kommen, die neuen Informationen sacken zu lassen, Melanie auch ein wenig zu belustigen, welche ja nur Resultat der neuen Konstellation ist, an welcher also keineswegs persönliche Verstimmungen auszulassen sind. Die Beschäftigung mit Melanie machte mir viel Spaß und so zusammen mit Susanne kam ich auch gut zurecht, wenngleich ich noch immer nicht überwunden hatte, wie schlecht das für mich gelaufen war, während ich konserviert gewesen war. Gegenüber Susanne verzichtete ich allerdings auf diesbezügliche weitere Spitzen. Stattdessen gingen wir freundlich, ja wieder freundschaftlich miteinander um. Und auch Melanie trug dazu bei, daß wir uns bereits wieder gut vertrugen und eigentlich sehr gut harmonierten. Melanie war zwar Ergebnis der Entwicklungen, sollte allerdings nicht unter unserem schwelenden Konflikt leiden. Ich mochte sie gleich von Anfang an. Wir hatten bereits einen ganz guten Draht zueinander. So war ich in ihrer Nähe sowieso gut beschäftigt und hatte keine Gelegenheit, in trüben Gedanken zu schwelgen, dazu machte es einfach zuviel Spaß zu erleben, wie sie allmählich die Welt erforschte, zu eigenen Ansichten und Fertigkeiten gelangte, sich noch etwas ungeschickt austauschte, aber gute Fortschritte machte.
Und Susanne war schon merklich erfreut darüber, wie gut ich auf Melanie reagierte, wie gut ebenso umgedreht diese auf mich.
So gelang es wirklich relativ zwanglos, wieder mehr Nähe zwischen mir und Susanne aufzubauen, wobei wir noch keine Vertraulichkeiten austauschten, aber schon gelegentlich fröhlich miteinander lachten und die gemeinsame Zeit so zu dritt bereits genossen. Überstürzen wollte ich da nichts, aber das schien mir bereits ein guter Anfang zu sein, um Susanne wieder näherzukommen.
Übertreiben wollte ich die Annäherung an Susanne auch nicht, so begab ich mich später wieder an die Arbeit. Aber vormittags war ich da schon eine gutes Stück weitergekommen, das war bereits ein vielversprechender Anfang, auf den ich nun aufbauen konnte.
So nutzte ich den Nachmittag, um mich in die Geochronologie und Gesteinsdatierung einzuarbeiten. Was auf der Erde, allgemeiner im Sonnensystem funktionierte, mochte hier im Rasol-System etwas andere Voraussetzungen haben. Allerdings hatten Asi und Stanis reichlich Proben aus dem System, somit ebenfalls eine gute Grundlage, um einerseits das Alter des Rasol-Systems aus verschiedenen Methoden zu bestimmen, andererseits gleichfalls Unterschiede, besondere Zusammensetzungen der Materialien von Methusalem. Daher waren die Schlußfolgerungen der Ais schon überzeugend. Methusalem paßte in seiner Hauptmasse, also abgesehen von eindeutig jüngeren Einschlägen, nicht in das sonstige Muster. Ein Einfang in das Rasol-System war also schon plausibel. Ich beschloß, mir das noch näher anzusehen.
Welche Zerfallsreihen hatten sie sich angesehen, welche Isotopen- und Elementenverhältnisse hatten sie analysiert, wo hatten sie Proben genommen?
Wenn ich mich da weiter einarbeitete, sollte es mir gelingen, weitere Vorschläge zu machen, was noch zu untersuchen wäre, welche weiteren Zerfallsreihen wir nutzen könnten, um die Hypothese noch besser abzusichern?
Ich wollte es versuchen und mich da hineinfuchsen.
Wenn Methusalem doch nur ein Kleinplanet ist, war doch davon auszugehen, daß er bei einem Einfang einst mit erheblicher Relativgeschwindigkeit in das Rasol-System gekommen ist. Betrachtet man nun ein einfaches Modell von zwei Punktmassen in einer gravitativen Wechselwirkung, so käme es nie zu einem Einfang. Bei einem solchen ist es immer notwendig, die überschüssige kinetische Energie irgendwie anders zu verteilen. Bei einem System aus mehr als zwei Körpern ist das möglich. Im Extremfall kann da etwa ein anderer Körper aus dem System geschleudert werden, ein größerer Planet könnte bei einer Wechselwirkung allerdings auch auf eine etwas energiereichere Bahn um Rasol verschoben werden, um die Energie so anders im System zu verteilen. Kommt es gar zu Einschlägen, kann ein Teil der kinetischen Energie auch in Wärme umgesetzt werden. Zwar gilt insgesamt immer noch die Impulserhaltung, trotzdem ist so bei komplexen, ausgedehnten Massen ein Einfang möglich. Erhaltung der Gesamtenergie, von Impuls und Drehimpuls ist gegeben, sie werden lediglich unter den beteiligten Objekten anders verteilt.
Obgleich solch ein Kleinplanet schon winzig ist im Vergleich mit den Gasriesen oder gar mit Rasol selbst, sollte solch ein Einfang bei den Planeten hingegen schon Spuren hinterlassen haben, von diesen hätten also wohl mindestens zwei ihre Bahnen geändert, vermutlich waren auch Bahnen diverser Kleinkörper wie Asteroiden geändert worden, mit der Wirkung von heftigeren Asteroidenschauern auf die Planeten in die folgenden Jahrhunderten oder Jahrtausenden. Häufungen von Ereignissen könnten also auf den Einfang hindeuten, mit Glück mit diesem eindeutig in Bezug gebracht werden.
Als weitere Ablenkung oder Aktivität hatte ich beschlossen, morgens wieder täglich einen Lauf zu absolvieren. Das war hier auf der Insel ohnehin viel abwechslungsreicher möglich, ebenso vom Ausblick her deutlich interessanter als noch auf der Raumstation. Die Ais hatten zudem ein Wegenetz angelegt, welches dafür sehr gut nutzbar war. Den nächsten Morgen flitzte ich also früh, noch vor dem Frühstück über die Wege der Insel, meditierte gar ein wenig am Felsenufer eines Badesees auf der Insel. Genaugenommen war das der einzige Badesee der Insel, jedenfalls von der Größe her dafür hervorragend geeignet, anders als das Meer mit sauberem, klaren Wasser ausgestattet, welches nicht bei etwas längeren Aufenthalt gleich die Haut angreift. Meditation reichte mir indessen an diesem Morgen. Ein Bad wäre aber sicherlich an einem anderen Tag auch eine schöne Option und Ergänzung des Programms.
Ich meditierte, um meine Gedanken zu befreien, um mich abermals von der jüngeren Vergangenheit zu lösen. Was passiert ist, ist nicht mehr zu ändern. Die Zukunft bietet Optionen, Möglichkeiten, nicht die Vergangenheit.
Aber wollte ich derzeit persönlich wirklich etwas erreichen?
Sollte ich nicht vielleicht einfach entspannen?
Es ist auch nicht so einfach, dafür aber ziemlich erschöpfend immer wieder neu anzufangen.
Wäre das nach jeder Wiederauferstehung so?
Immer wieder neu beginnen, weil sich inzwischen die Welt ohne einen weiterentwickelt hatte?
Es war eher eine Kurzmeditation über vielleicht eine Viertelstunde, wonach ich mich wieder auf den Weg machte, in einem großzügigen Bogen zurück zur Kolonie lief.
Die Meditation hatte gutgetan. Aber so richtig entspannt war ich noch immer nicht. Bis zum Frühstück hatte ich noch genug Zeit, also warf ich mich erneut auf mein Bett und griff mir dazu eines der Spielzeuge. So richtig in Stimmung war ich eigentlich nicht. Aber mein Körper reagierte auf die Reize, riß meine Gedanken bald mit. Und so steigerte sich das Spielchen, bis mich dann endlich ein milder Höhepunkt erlöste, worauf ich wirklich entspannter war. Das hatte den Kopf durchgepustet, vielleicht hatte ich das nun doch irgendwie gebraucht. So fühlte ich mich merklich ausgeglichener, als ich nach einer Dusche zum Frühstück zur Familie Susanne, Peter und Melanie ging.
So in der Gruppe hatte sich die Stimmung schon entspannt, so lief das Frühstück munter und bei guter Laune ab.
Ich erzählte schon ein wenig über Methusalem und meine Ansätze, was ich noch genauer verstehen wollte, wo weiter nachbohren, um herauszufinden, ob ich da nur noch etwas nicht verstanden hatte oder ob da noch Lücken in der Argumentation waren.
Susanne fand es ebenfalls bemerkenswert, daß es da solch einen alten ‚Beobachter‘ im Rasol-System geben sollte, welcher eventuell irgendwo Informationen über die Historie des Systems gespeichert haben mochte. Ihr war jedenfalls auch nicht bewußt, daß der entdeckt worden war.
Wir hakten bei Ida nach, die schon angeben konnte, daß Susanne und Peter darüber kurz berichtet worden war. Der Fokus der Aufmerksamkeit lag in der Zeit aber eindeutig mehr bei den biologischen Projekten, weswegen das wohl untergegangen sei. Vermutlich war es ja nun auch so, daß es nicht wirklich dringlich gewesen war, was Methusalem ihnen über die Vergangenheit hätte verraten können, wenn gerade die Gegenwart insbesondere auf Charybdis solch verblüffende Entwicklungen zeigte. Immerhin hatte ich nun davon ebenfalls etwas mitbekommen. Weil meine Schwerpunkte etwas anders liegen, hatte ich das nun als interessant aufgegriffen. So hängt es wohl immer an Einzelpersonen und Interessen, was in den Vordergrund rückt, um näher untersucht zu werden. In dieser Hinsicht ist Forschung gar nicht so objektiv. Was untersucht, erforscht und entwickelt wird, hängt entscheidend von individuellen Interessen und Sichtweisen ab, selbst wenn die Methoden letztlich allgemeiner formuliert werden können.
Mit Pinseln, Leinwand und Farbe stehen Malern ja auch immer ähnliche Werkzeuge und Materialien zur Verfügung, die Ergebnisse sind allerdings deutlich unterschiedlich.
Indessen führen oft auch unterschiedliche Interessen und Forschungsprojekte zu ähnlichen technischen Anforderungen und Bedürfnissen, weswegen trotzdem ziemlich ähnliche technische Entwicklungen angestoßen werden können, welche wiederum erst weitere wissenschaftliche Fragestellungen aufwerfen oder es ermöglichen, bestimmte Fragen erst zu untersuchen.
Nach dem Frühstück gingen Peter und ich wieder in die Arbeitsecke, kümmerten uns um unsere Forschungsprojekte.
Die Analyse von Zerfallsreihen ist komplex. Ich hakte bei Ida und Körk nach. Die Ais hatten schon allerhand analysiert, räumten allerdings ein, bei Methusalem nicht wirklich in Details gegangen zu sein. Allerdings hatten wir reichlich Daten und Stanis und Asi zeigten ebenfalls Interesse, auch für sie war es irgendwie relevant, daß so ihre Forschungsarbeit auch in der Kolonie mehr Aufmerksamkeit bekam. So waren sie gerne bereit, Methusalem genauer zu untersuchen, auf Vorschläge einzugehen, bisherige Arbeiten zu erläutern, um so zu einem stimmigen Projekt zu kommen, Ziele genauer festzulegen, einen Plan zu haben, was wir eigentlich wissen wollen, wie uns Methusalem dabei helfen könnte. Schnell hatte ich mit Hilfe der Ais jedenfalls eine lange Liste von Möglichkeiten, wie das Alter von Gestein bestimmt werden kann, ebenso eine lange Liste von Daten über die Zusammensetzung verschiedener Bereiche von Methusalem. Ich hatte die Idee, daß wir Susanne hinzuziehen könnten, um diese zu motivieren, mit ihren Kenntnissen Ordnung in die Daten zu bekommen, sie für Menschen zugänglicher zu visualisieren und Korrelationen einfacher prüfen oder entdecken zu können, die in den Daten bereits verborgen sein könnten, allgemein Korrelationen herauszuarbeiten und unsere Hypothesen so unter Ausnutzung aller verfügbaren Daten effizient auszuwerten.
Dabei könnten wir entscheidend davon profitieren, die gewaltigen Datenbanken und das hohe Rechentempo der Ais mit unseren menschlichen Impulsen, Idee, Assoziationen bei der Sichtung der visualisierten Daten zu kombinieren, um zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Diese Kombination hatte sich bislang sehr nützlich erwiesen, weil wir so die jeweiligen Stärken von Ais und Menschen gut einsetzen, die Schwächen wiederum gegenseitig kompensieren.
So schlenderte ich zu Susanne, beteiligte mich an der Belustigung von Melanie und plauderte ein wenig über das Problem und die Komplexität. Ich kitzelte sie auch gleich ein wenig an ihrer Fachkompetenz, ihrer Expertise, komplexe Daten auswerten zu können, sie gut und verständlich für Menschen aufbereiten zu können. Ich betonte, ihr Beitrag wäre sehr wichtig, um die gewaltigen Datensätze kompetent durchzuforsten, schmeichelte ihr so, wobei das an sich nicht einmal Schmeichelei war, denn ich hätte da erhebliche mehr Zeit gebraucht, um mit deutlich weniger Eleganz schlechtere Programme zu schreiben, um das Projekt zu realisieren.
Susanne war gerne bereit, sich das anzusehen, ob sie da einen sinnvollen Beitrag leisten könnte, wies allerdings auch auf Melanie. Ich lächelte und erinnerte sie daran, daß da ja durchaus auch noch Peter als Vater sei, dazu ich sowieso. Folglich seien es also derzeit drei erwachsene Bezugspersonen für Melanie, nicht nur sie als Mutter. Zudem sei es gut für sie und ihr Selbstverständnis, auch einmal wieder ein anspruchsvolles Projekt am Rechner durchzuziehen. Susanne fühlte sich merklich geschmeichelt.
Etwas später machten wir uns zu dritt auf den Weg zu Peter und schilderten diesem die Idee. Dieser fand es gut, wenn Susanne sich beteiligen würde. Klar war ihm auch, daß so die Betreuung von Melanie etwas anders aufgeteilt werden müßte. Damit war er allerdings einverstanden, war gerne bereit, mehr Zeit mit ihr zu verbringen, auch um Susanne etwas mehr Freiraum zu verschaffen, sich um ein wissenschaftliches Projekt zu kümmern. So einigten wir uns darauf, daß Susanne den nächsten Tag einfach einmal mit mir zusammen in das Projekt einsteigen solle, während es Peter zukam, sich mit Melanie um sonstige alltägliche Dinge zu kümmern.
Das könnte ich nun schon nutzen, um Susanne näherzukommen. Wenn Peter mit Melanie gut beschäftigt ist, Susanne und ich mit einem gemeinsamen wissenschaftlichen Projekt, so mochte sich dabei schon eine Gelegenheit ergeben, ihr ein wenig näherzurücken. Ebenso gab es auf jeden Fall mehr Variationsmöglichkeiten in unserer Gruppe, vielleicht damit auch mehr Chancen, eine günstige Situation herbeizuführen, um Peter näherzukommen.
Den Rest des Tages bereitete ich vor, was ich Susanne erklären mußte, um dieser einen schnellen Einstieg in das Problem zu ermöglichen. Als ich damit fertig war, schaute ich mir Daten an, welche wir über Skylla und Charybdis hatten, fragte bei den Ais nach und beriet mich mit Ida schon einmal darüber, wie wir aus den vorhandenen Daten vielleicht mehr herausholen könnten, um neue Erkenntnisse über die beiden Planeten und ihre Vergangenheit zu bekommen. Da schien schon noch etwas zu gehen, es wurde uns allerdings relativ schnell klar, daß wir detailliertere Daten brauchen würden, um Hypothesen stichhaltig zu prüfen oder auch neue zu entwickeln. Ida konnte da wirklich allerhand bieten, was umsetzbar wäre, aufgrund vorhandener Pläne oder Module gar mit begrenzten Aufwand und relativ kurzfristig.
Per Satellit sollten so in den nächsten Wochen deutlich mehr Daten gesammelt werden, insbesondere über ein breiteres Frequenzspektrum verteilt, Radar, Infrarot, sichtbar mit besserer Auflösung, Ultraviolett bis fast hinein in den Röntgenbereich, wobei wir bei hohen Energien von den Planeten nicht viel erwarteten. Von daher war es eher relevant, bei niedrigen Energien, auch mit aktiven Systemen neue Informationen zu bekommen.
Die Planeten haben auch starke Magnetfelder. Eine präzise Vermessung der Magnetfelder wäre ebenfalls möglich. Allerdings hatten wir da bereits gute Daten, jedoch mehr im globalen Maßstab. Ich wollte deutlich höhere lokale Auflösungen, um Anomalien in der Planetenkruste aufzuspüren, vielleicht also eingeschlagene, magnetisierte Metall-Asteroiden oder andere Objekte mit deutlichem Einfluß auf das lokale Magnetfeld. Auch das war mit Sonden und Satelliten noch deutlich über das ausbaubar, was bislang an Daten aufgenommen wurde.
Schnell hatte ich auch den Gedanken, nicht nur elektromagnetische Strahlung zu analysieren. Ich schlug vor, eine Gruppe von Satelliten relativ eng benachbart fliegen zu lassen, damit über Abstandsänderungen unter ihnen Informationen über Gravitationsänderungen zu detektieren. Unterschiedliche Dichten im Erdmantel führen zu einer gewissen Ungleichmäßigkeit der Schwerkraft, welche sich auch auf die Bahnen von Satelliten auswirkt. Hat man nun welche mit geeigneten Meßgeräten und mißt untereinander Abstände, so ergibt das Abweichungen von Sollbahnen um einen Rotationsellipsoiden. Wird der Einfluß von Rasol und Skylla, beziehungsweise Charybdis auf das Potential herausgerechnet, ergibt sich so eine Strukturinformation über den jeweils untersuchten Planeten. Zusammen mit den anderen Messungen bekämen wir so Informationen über die Kartoffeligkeit der Planeten, also die Abweichung von der Form eines Rotationsellipsoiden.
Ida versprach, aufgrund von Daten über entsprechende irdische Projekte alsbald einen Vorschlag zu machen, wie wir dies umsetzen könnten. Einmal in Fahrt gekommen hakte ich gleich nach und brachte ins Spiel, daß es doch auch möglich sei, über seismische Messungen, also im Grunde durch den Planetenkörper wandernde Schall- und Druckwellen, Scherungen etc Informationen über den Aufbau des Planeten zu bekommen. Skylla und Charybdis sind ja seismisch aktiv, haben eine aktive Plattentektonik. Ida informierte, daß sie hinsichtlich der seismischen Aktivitäten bislang eher aus technischen Gründen Daten gesammelt hätten, primär also, um einen geeigneten Standort für die Kolonie auszuwählen, welcher von Erdbeben, Vulkanausbrüchen, dem ganzen Drama der Tektonik nicht wesentlich betroffen sei. Das würde sich allerdings kaum eignen, um genauere Aussagen über den Aufbau des Planeten zu machen. Bei der Plattentektonik hätten sie schon einen groben Überblick, um Feinheiten hätten sie sich allerdings bislang nicht gekümmert. So hatten wir hier gleich ein weiteres Projekt, welches wir zunächst einmal mit passiven Detektoren angehen wollten. Also zunächst eine größere Anzahl von empfindlichen Detektoren bauen, diese mit guter Auflösung verteilen und alsdann damit die durch Erdbeben erzeugten Daten analysieren und Rückschlüsse ziehen. Laufzeiten von Wellen durch den Planeten zu den jeweiligen Detektoren, die überall auf dem Planeten messen, ermöglichen Rückschlüsse auf die Schichtung und die Dichten von Schichten, wo gibt es an Schichtgrenzen Reflexionen, wo gibt es bei der Schichtung auffällige Deformationen, etwa durch Asteroiden-Einschläge hervorgerufen. In einer späteren Ausbaustufe könnten wir das auch mit unterirdischen Sprengungen ergänzen, um Daten in anderen Frequenzbereichen und mit präzise lokalisierbaren Quellen zu generieren.
Damit jedenfalls sollten wir erheblich weiterkommen und es würde möglich werden, jedenfalls ein Stück weit in die Planeten hineinzusehen, eventuell eben auch Einschläge zu entdecken, die Hinweise darauf geben könnten, wann es auf welchem Planeten zu einer größeren Einschlagskatastrophe gekommen ist. Deformationen und stark ungleichmäßige Verteilung der Dichten und des Magnetfeldes im Planetenkörper könnten ferner auf größere Katastrophen hinweisen, etwa einen streifenden Zusammenstoß mit einem anderen Körper, welcher dazu geführt haben mochte, daß sich die beiden Zwillingsplaneten hinsichtlich der Ansiedlung von Leben komplett unterschiedlich entwickelt hatten.
Wie abgesprochen kümmerte sich Peter den nächsten Tag um Melanie und Susanne und ich um die Optimierung der Datensätze der Zerfallsreihen und Isotopenverhältnisse von Methusalem. Ich war gut vorbereitet, aber natürlich stellte Susanne Fragen aus einer ganz anderen Perspektive. So waren wir schnell in das Projekt vertieft und wir wurden beide sehr gefordert, um das gut auf den Weg zu bekommen. Susanne war allerdings schnell zu begeistern und ebenfalls neugierig darauf, ob wir bei dem Kleinplaneten wirklich mit dem gesamten Datenmaterial auf konsistente Altersschätzungen für verschiedene Koordinaten kommen würden, also einerseits jene Regionen, welche als weitgehend alt eingeschätzt wurden, aber auch für jene Bereiche, die aufgrund von Einschlägen ein deutlich jüngeres Datum aufweisen sollten. So würden wir hoffentlich eine Art von Chronologie bekommen, mit weit mehr Proben von verschiedenen, auch kleinere Kratern durch Stanis oder Asi, wohl auch Häufigkeitsverteilungen auf der Zeitachse von Ereignissen, unter Berücksichtigung der Ausformung der Krater vielleicht gar Rückschlüsse auf ungefähre Richtungen von Scharen von Einschlagsobjekten.
Da Methusalem ja weit draußen, jenseits der Gasriesen seine Bahnen zieht, konnten wir natürlich nicht wirklich detaillierte Informationen darüber erhoffen, was im Innenbereich des Rasol-Systems vorgefallen war. Allein seine abweichende Ekliptik der deutlich elliptischen Bahn, die im Rasol-System eher ungewöhnliche Umlaufrichtung wiesen auf einen Einfang hin. Dabei war auch nicht so klar, wie das so weit draußen passiert war. Vielleicht gab es ja ursprünglich doch einen Durchflug durch das System, einschließlich größerer Ablenkungen und Abbremsungen durch mehrere Planeten, weitere Ereignisse und nach dem Einfang kompliziertere längere Wechselwirkungen mit den Gasriesen, welche Methusalem langsam wieder aus dem inneren Bereich des Systems an den Rand gedrängt hatten.
Würden wir bei der genauen Analyse Informationen über einen Aufenthalt im Innenbereich des Rasol-Systems finden, etwa Einschlagsobjekte, welche den Asteroidengürteln Geri, Freki oder gar Wotan zuzuordnen wären?
Das alles könnten relevante Informationen sein, was einst vorgegangen ist, was einst auch dazu geführt hatte, daß es das Doppelplanetensystem Skylla und Charybdis überhaupt gibt, wieso sich die beiden Planeten trotzdem so unterschiedlich entwickelt hatten.
Susanne jedenfalls hatte irgendwann genug Informationen, um auch alleine zu basteln. Ich nutzte unser Beisammensein allerdings, rückte näher heran, daß wir unsere Köpfe dicht zusammensteckten und noch einmal alles durchsahen, prüften, Verständnis verifizierten und dabei auch zunehmend lockerer herumscherzten. Mal ein Knuff dabei von mir, mal von ihr, ein herzliches Lachen ausgetauscht, ein tieferer Blick von mir in ihre Augen, von ihr durchaus erwidert.
Das führte zu einer kurzen, stillen Pause, die schon auch weiterhin auf Interesse schließen ließ. Susanne räusperte sich allerdings schnell, lächelte etwas verlegen und wir konzentrierten uns wieder auf die Daten und Zerfallsreihen, die Korrelationen und Abhängigkeiten. So vertieft im wissenschaftlichen Diskurs und der Klärung von Detailproblemen, die sich Susanne hinsichtlich ihres Programmes bereits überlegte, aussprach, im Formulieren mir gegenüber bereits konkrete Formen plante, legte ich wie selbstverständlich einen Arm um sie. Sie wehrte nicht ab. Und so waren wir schon relativ vertraut miteinander, während es doch hauptsächlich bereits um die praktische Umsetzung des wissenschaftlichen Projektes ging. Das fühlte sich gut an, aber ich wollte sie auch nicht zu sehr, zu schnell bedrängen. Von daher war es ganz in Ordnung, daß wir letztlich doch eigentlich mit der Besprechung durch waren.
Für die konkrete Programmierarbeit brauchte sie Ruhe und Zeit für sich. Die sollte sie nach dem Mittagessen auf jeden Fall reichlich bekommen.
Damit hatte ich wiederum Gelegenheit, einfach Peter und Melanie Gesellschaft zu leisten. So konnte ich für Ausgleich sorgen, einen guten Zusammenhalt in der Gruppe. Damit würde es auch weniger auffällig wirken, wenn ich im weiteren Verlauf immer mehr die Nähe zu Susanne und Melanie suchen würde.
Ich schlug Peter vor, uns nachmittags draußen ein nettes Plätzchen zu suchen, einen kleinen Spaziergang zu machen. Er war einverstanden. So packten wir ein paar Sachen zusammen, informierten beim Mittag kurz Susanne über den kleinen Ausflug und schlenderten anschließend los. Für Melanie hatten wir eine Tragehalterung direkt am Körper. Sie konnte schon selber gehen, aber nicht eine solch große Strecke. Einstweilen war Peter damit eingespannt und Melanie machte es Spaß. Wir gingen immerhin bis zum Badesee, breiteten eine Decke aus und spielten dort mit Melanie. Wir waren locker, fröhlich und entspannt und genossen den Nachmittag, tobten ein wenig herum, bis Melanie schlicht müde war. Jedenfalls war das bei der kleinen Toberei schon so, daß es immer mal wieder zu kleineren Schubsern, Berührungen zwischen mir und Peter kam. Das war natürlich ganz harmlos und freundschaftlich.
Als Melanie etwas schlief, hatten wir Gelegenheit, uns in der näheren Umgebung etwas umzusehen. Ich wies auf ein paar Pflanzen in der Nähe und fragte Peter nach Namen und sonstigen Informationen darüber. Peter schaute und erklärte ein wenig, war so irgendwie neugierig geworden und schaute sich nun selber etwas genauer an, was hier so wuchs. Gar nicht so weit weg von unserem Platz, vom Weg und vom See entdeckte er bereits eine offenbar interessante Ecke. Hier hätte er gerne eine Probe genommen, sich etwas genauer angesehen, hatte allerdings keine Ausrüstung dabei. Ich hakte nach, ob er schon selbst einmal unterwegs gewesen sei, um etwas persönlich zu untersuchen. Peter erläuterte, der Schwerpunkt von Untersuchungen habe ja zum guten Teil auf Charybdis gelegen, hier auf Skylla hingegen meist in anderen Gebieten, weniger auf unserer Insel, welche ja doch speziell sei, von den Ais schon extra für uns eingerichtet. So seien also die Proben immer von Sonden gesammelt worden.
Nun war er allerdings auch der Meinung, daß es eigentlich nicht schaden könne, hier gleich auf unserer Insel ein paar kleinere Tages-Expeditionen durchzuführen, sich selbst ein Bild zu machen, selbst Stellen für Probennahmen auszuwählen, damit das zu ergänzen, was die Sonden an Material sammeln würden. Das schien auch mir einleuchtend. Genauso um unseren Kontakt weiter zu intensivieren, bot ich gleich an, ihn auf Expeditionen zu begleiten und ihm zu helfen. Schnell wurden wir uns einig, daß wir das durchziehen wollten. Für diesen Tag allerdings ging es zurück zu Melanie, welche allerdings noch schlief. So machten wir also ebenfalls eine Pause, entspannten etwas, nahmen etwas von den mitgebrachten kleinen Speisehappen zu uns. Nachdem Melanie wieder erwacht war, spielten wir noch ein wenig, packten allerdings bald zusammen und setzten unseren Spaziergang fort, diskutierten dabei schon einmal mögliche Routen für kleine Tages-Expeditionen. Nun ist ja lediglich ein kleinerer Teil unserer Insel von den Ais mit Wegen ausgestattet worden. So gab es bereits einen kleineren Fußmarsch davon weg einfach wilde Vegetation. Natürlich, in den eher felsigen Bereichen, die jenseits des Badesees im bergigen Bereich der Inseln lagen, war die Vegetation nicht so dicht, allerdings gleichfalls interessant für die Besiedlung karger Regionen. In anderen Bereichen der Insel wächst bereits deutlich mehr, also hatten wir ebenfalls auf unserer Insel deutlich verschiedene Gebiete. Und Peter wußte auch bereits, daß die Ais hier zwar besonders fleißig Arten angesiedelt hatten, über die Zeit seit der ersten Ansiedlung von Pflanzen allerdings viel Wildwuchs entstanden war. Die Insel war also keineswegs ein gepflegter Garten, da entwickelte sich das Geschehen weitgehend auf sich selbst gestellt. Lediglich im Bereich der Kolonie gab es aktiv gepflegte Anbauflächen. Die Ansiedlung war in weiten Teilen der Inseln auch nie sortiert und fein geplant wie in einem Garten verlaufen. Die Ais hatten eher großräumig keimfähige Substratkörner ausgebracht, also der Keim jeweils angereichert mit einer Starthilfe und mit Mikroorganismen. Hinzu kamen auch an geeignet erscheinenden Stellen die direkte Anpflanzung und Auswilderung von Sprößlingen aus den Gewächshäusern.
Als wir am späten Nachmittag wieder in der Kolonie ankamen, war Susanne mit ihrer Arbeit gut vorangekommen. Weil es nun doch noch weitere Details zu klären gab, setzte ich mich zu Susanne, um mich darum mit ihr zu kümmern. Das meiste bekamen wir gleich so hin, ein paar Sachen mußte ich allerdings auch noch recherchieren und verstehen, von daher schloß Susanne ihr Tagewerk nur noch ab, gesellte sich daraufhin mit mir zu Peter und Melanie. Wir plauderten und spielten noch ein wenig, was eigentlich nahtlos in die Zubereitung des Abendessens überging.
Abends saßen wir zusammen, sahen einen Film und plauderten noch etwas.
Wir diskutierten mit Susanne dabei auch gleich die Idee der Tages-Expeditionen, gegen welche sie nichts einzuwenden hatte. So stand dem also nichts im Wege und Peter würde das in den folgenden Tagen mit mir vorbereiten, wobei zunächst ja noch Susanne und ich mit den aktuellen Optimierungsarbeiten weiterkommen mußten. Aber wir würden uns da schon arrangieren. Erst einmal sollte primär Susanne mit ihrer Arbeit zu einem guten Zwischenergebnis kommen, danach würden wir wieder gleichmäßiger aufteilen, wer sich um Melanie kümmert, wer hauptsächlich mit Projekten beschäftigt ist. Prinzipiell hätten wir natürlich auch die Ais bitten können, auf Melanie zu achten, aber es schien uns derzeit angemessener zu sein, das unter uns dreien aufzuteilen.
Der Tag mit Peter hatte mich schon etwas angeregt, wie zuvor auch die Beschäftigung mit Susanne. So entspannte ich nun vor dem Schlafen täglich mit einem meiner Sexspielzeuge. Da hatte ich ja eine kleine Auswahl, für etwas Abwechslung war gesorgt. Die Dinger funktionieren gut, zuverlässig, sind ausdauernd. Das sind die Vorteile, den persönlichen menschlichen Kontakt vermögen sie natürlich nicht zu ersetzen.
An nächsten Morgen nach dem Frühstück war Susanne also gleich wieder fleißig bei der Arbeit. Ich recherchierte und las, um meine Lücken bei Zerfallsketten und Isotopenverhältnissen zu schließen, mich ebenfalls etwas vertrauter mit der Astro-Geologie zu machen, um nicht versehentlich Fehlinterpretationen zu liefern, aber auch um selbst zu beurteilen, wie stichhaltig und aussagekräftig die verschiedenen Methoden und Strategien vermutlich sind, inwiefern vielleicht doch eigentlich spezifisch für den ursprünglichen Anwendungsbereich im Sonnensystem, was davon allerdings als universell zu verallgemeinern ist, was also insbesondere auch gut auf das Rasol-System anwendbar wäre. Mir war natürlich schon klar, daß es im Sonnensystem viel mehr Untersuchungen und damit genauere Kenntnisse der Rahmenbedingungen gegeben hatte, dort war es also leichter, Meßergebnisse einzuordnen und ein stimmiges Gesamtbild zusammenzusetzen. Hier im Rasol-System würde es wohl zwangsläufig bei Überlegungen, Hypothesen, mehr oder weniger gewagten Geschichten bleiben, Ideen, was passiert sein könnte. Nun, darauf baut letztlich alles auf und über die Forscher-Generationen kann sich das später einmal zu genaueren Bildern verdichten. Nur wenn mutig begonnen wird, die Entwicklung anzuschubsen, passiert da aber überhaupt etwas.
Peter war unterdessen hauptsächlich wieder mit Melanie betraut, hatte nebenbei allerdings auch ein wenig Zeit, um sich um die Idee der Tages-Expeditionen zu kümmern. So hatte er bereits Satellitenbilder unserer Insel auf dem Monitor, um erste Routen planen zu können. Und eine Liste hatte er auch schon begonnen, was wir brauchen würden, um den wissenschaftlichen Teil einer solchen Expedition gut mit dem zu meistern, was zwei Personen bequem mit Rucksäcken würden bewältigen können. Wegen Melanie kam er damit nicht so weit, was allerdings nicht so schlimm war, denn es drängte uns ja nichts, das noch gleich in derselben Woche zu beginnen.
Noch vor dem Mittag hatte Susanne so viel vorzuweisen, daß sie mich wieder hinzuzog und wir gemeinsam darüber berieten, ob das nun schlüssig und plausibel war, was bislang bereits funktionierte. Immerhin, auch mit dieser erheblich genaueren Analyse war klar, daß Methusalem wirklich ein alter Bursche aus einem anderen Sonnensystem sein mußte, also in der Tat ein spektakulärer Kleinplanet, welcher hier irgendwie eingefangen worden ist. Wir konferierten mit Stanis und Asi darüber, wobei wir schnell die Information bekamen, daß Methusalem trotz seiner deutlich von der Hauptekliptik des Rasol-Systems abweichenden Bahn noch relativ gut erreichbar war. Wenn er sich nicht gerade grob im Bereich der Hauptekliptik aufgehalten hätte, wäre er vermutlich zwar schon entdeckt, aber noch gar nicht untersucht worden. So entwickelte ich also mit Susanne, Stanis und Asi eine neue Stoßrichtung der Methusalem-Forschung, welche diesen mehr als Beobachter des Rasol-Systems sehen sollte. Wir wollten wissen, wann er ungefähr in das System gekommen war, was daraufhin grob passiert sein mochte. Woher er gekommen war, war indessen wohl sehr schwierig zu bestimmen, denn zwangsläufig mußte es da drastische Bahnänderungen beim Einfang gegeben haben. Die Idee war jedenfalls, größere und kleine Einschlagskrater auf Methusalem zu untersuchen, welche davon also über welchen angeordnet sind, somit sicherlich jünger als darunterliegende, ferner wollten wir Positionen und Material der Einschlagskörper wissen.
Nun hat ein Kleinplanet wie Methusalem zwar genug Masse, um grob die Form eines Rotationsellipsoiden auszubilden, indessen deutlich weniger als etwa die Erde, Charybdis oder Skylla. Deswegen sind Einschläge von Asteroiden, anderen Gesteinsbrocken etwa von Katastrophen stammend, bei welchen es Einschläge auf anderen Planeten gegeben hatte, wobei von diesen Planeten wiederum Brocken ins All gestreut wurden, natürlich deutlich weniger destruktiv als bei großen Planeten, wenngleich Kleinplaneten auch keine bremsende Atmosphäre haben. Weil diese fehlt, findet die Erhitzung des Materials wiederum nun unmittelbar beim Einschlag statt, die Brocken zerlegen sich nicht bereits in der Atmosphäre, weswegen die Chancen deutlich besser sind, in den Einschlagskratern noch Material solcher Projektile zu finden, welche den Einschlag weitgehend unverändert überstanden haben, wenigstens tief im Inneren dieser Projektile.
So einigten wir uns darauf, daß Asi mit allerhand Gerät vor Ort Methusalem diesbezüglich eingehend erforschen sollte. Stanis würde hingegen weiterhin die Schwerpunkte der Forschungsprojekte verfolgen, die eigentlich bislang gerade aktuell waren. Aufgrund der verteilten Speicher und Identitäten der Ais war es Asi zudem möglich, gleichzeitig mehrere Projekte zu betreuen, von daher war das nun keine massive Störung ihrer Aktivitäten, im Gegenteil, sie zeigten sich interessiert an den aufgeworfenen Fragestellungen. Sie zeigten sich auch interessiert daran, einmal etwas enger mit uns Menschen zusammenzuarbeiten und gleich intensive Rückmeldungen zu ihren Untersuchungen zu bekommen, aufgrund der Kooperation eben auch unsere Sichtweise und Interpretation, unsere Ansätze für eine Auswertung. So hatten wir das schon einmal gut auf den Weg gebracht.
Ferner galt es natürlich auch noch, die bislang offengebliebenen Fragen mit Susanne zu klären, von denen ich dank meiner Recherche inzwischen einige diskutieren konnte, auf passende Literatur verweisen. Auch dabei steckten wir die Köpfe wieder zusammen, gingen locker miteinander um, vorsichtig festigte ich das neue, zarte Band, welches sich zwischen uns gebildet hatte. So kamen wir auch damit gut voran. Eine weitere Verfeinerung und Optimierung unserer Analysen würde sicherlich helfen, die neuen Daten von Asi, die kommen würden, besser einzuordnen und zu einem plausiblen Bild zu formen.
Nach dem Mittag diskutierte ich mit Susanne und Peter indessen erst einmal meine Ideen, um mehr Daten über die Zusammensetzung von Skylla und Charybdis zu erhalten, die Kartoffeligkeit der Planeten zu analysieren, um so eventuell Hinweise auf die Historie zu bekommen. Die dabei aufkommende Datenmenge und die Korrelation der Daten wäre natürlich ebenfalls sehr komplex, also ebenfalls ein Anknüpfungspunkt für Susanne, auch hier zu optimieren. Dazu war sie bereit, wollte sich das gerne ansehen, wenn ihre Arbeiten am Methusalem-Astro-Geologie-Projekt zu einem guten Zwischenergebnis gekommen wären.
Ida berichtete schon einmal über die Fortschritte im Satellitenbau, um einerseits weitergehende Spektren aufzunehmen, aktive Radarmessungen etc durchzuführen, zudem das Schwerkraft-Nahfeld der Planeten untersuchen zu können. Da hatten wir ja Vorlagen, Pläne von der Erde, zudem war es nun deutlich einfacher, Satelliten zu bauen, als zu meiner Zeit auf der Erde. Die Mikroroboterschwärme bauten die fast gleich vor Ort im Orbit mit Material, welches Körk bei der Bereinigung der Asteroidengürtel ohnehin gesammelt hatte. Von daher gab es da keinen aufwendigen Start mit Raketen vom Planeten aus, keine umständlichen Transportsicherungen, keine Kontaminationen, alles wurde gleich in einem Bereich mit lediglich Mikrogravitation gefertigt etc. Zudem gab es für viele Anwendungen praktisch bereits Pläne mit fertigen Modulen, welche für die jeweilige Spezialanwendung nur optimiert und angepaßt werden mußten, wenn sie nicht gleich ausreichend für die Anwendung waren.
Im Anschluß an die kleine Sitzung hatte ich ein Einsehen und übernahm Melanie von Peter, damit hatte dieser nun Gelegenheit, einerseits seine laufenden Projekte einzusehen, andererseits vor allem unsere Tages-Expeditionen weiter zu planen. Damit kam er gut voran. Und weil Melanie ja nun wirklich sehr lieb und brav war, war es schon möglich, daß ich mich immer wieder daran beteiligte, ein paar Ideen hinsichtlich der Logistik einbrachte. Gerätschaften für Probennahmen hatten wir bereits verfügbar, zudem waren Ida und Hildegard in der Lage, uns im Bedarfsfalle mit einem Luftschiff zu unterstützen, jedenfalls bei mehr oder weniger stabilen Windverhältnissen würden sie uns so bereits unterwegs Proben abnehmen können, ebenso gegebenenfalls größeres Gerät herunterlassen können. Wenn dies aufgrund von böigem Wind eher schwierig wäre, hätten wir trotzdem unterwegs immerhin noch Satellitenbilder verfügbar, ebenso Bilder vom Luftschiff. Beides sollte uns helfen, die geplante Route durch die Wildnis zu finden, eventuell auch kleinere Abstecher zu interessanten Stellen zu machen. Von daher kamen wir da sehr schnell mit der Planung voran. Die Idee war, zunächst mit verfügbaren Fahrrädern das vorhandene Wegenetz zu nutzen, um zügig und einfach an den Beginn einer Route zu gelangen. Danach würde es mit Rucksäcken hinein in die Wildnis gehen. In einigen Bereichen mit wenig Bewuchs und nahezu ebenem, ziemlich festen Boden würden wir mit den Rädern sogar noch etwas weiter vordringen können. Das konnten wir so bereits aufgrund der vorhandenen Aufnahmen der Insel schon ungefähr festlegen, somit schon solide planen.
Insgesamt konnten wir abends sehr zufrieden mit den Fortschritten der Projekte sein. Susanne war gut vorangekommen und überlegte nun bereits, wie eine Visualisierung der Datenmassen zur Untersuchung von Skylla und Charybdis effizient, ergonomisch zu realisieren sei. Für die Daten von Methusalem hatten wir schon einen sehr schönen Prototypen, um die Ergebnisse der Probenanalysen gut erfassen zu können. Solche Interpretationshilfen durch gute Darstellung von Daten ist immer wichtig, um sich nicht darin zu verlieren, sondern aus den Einzelaspekten besser einen Gesamtzusammenhang erschließen zu können. Hier war Susanne auf einem guten Weg, hatte als Pädagogin und Informatikerin in dieser Kombination ein hervorragendes Gespür dafür, uns Daten zu erschließen, um einerseits Fragen aufzuwerfen, andererseits Hypothesen zu entwickeln. Das erfreute mich sehr, sie so engagiert bei der Sache zu sehen. Das brachte uns einander auch wieder näher.
In den folgenden Tagen brachten wir in aller Ruhe unsere aktuellen Projekte voran. Als Susanne ihre Hauptarbeit erledigt hatte, somit ein gutes Zwischenergebnis vorweisen konnte, sich nun also wieder mehr Melanie widmen wollte, paßte das wiederum gut dazu, daß die Planungen für die Tages-Expeditionen abgeschlossen waren, zudem eine günstigen Wetterlage gegeben war. So waren wir uns einig, daß Peter und ich losziehen sollten, um die erste Exkursion zu bewältigen.
Ich schlug unterdessen vor, daß wir ja durchaus einige der Expeditionen ganz entspannt angehen könnten. Susanne und Melanie könnten uns ein Stück weit bis zu einem schönen Platz begleiten, dort picknicken und auf unsere Rückkehr warten. Zudem könnten wir variieren. Einige kleinere Touren könnte Peter ja durchaus auch mal an einem Tag alleine durchführen, während ich Susanne und Melanie Gesellschaft leisten könnte.
Das hielten Susanne und Peter für eine gute Idee. Susanne würde so mit Melanie zwar nicht immer mitkommen, bei einem gut gelegenen Startpunkt für unsere Expeditionen, zudem bei gutem Wetter wollten wir die Option aber durchaus im Hinterkopf behalten und bei der weiteren Routenplanung berücksichtigen.
Die erste Tour war allerdings noch nur für Peter und mich geplant.
So radelten wir also an einem Morgen munter los, die Rucksäcke festgemacht, ein Luftschiff zur Unterstützung bereits ungefähr über dem Startpunkt unserer eigentlichen Route. Der lag in diesem Falle relativ nahe an einem der angelegten Wege, daß wir die Räder noch auf dem Weg abstellten und loswanderten. Unser Plan sah eine Route in einer etwas bergigeren Zone vor. Die Route sollte uns später zurück zu dem Weg führen, welcher um den Badesee führte. Da wir noch nicht so gut einschätzen konnten, wie gut wir vorankommen würden, wie lange Probennahmen dauern würden, wieviele Proben wir würden ziehen wollen, war diese erste Route vom Umfang her eher bescheiden ausgelegt.
Schnell fand Peter interessante Stellen, erläuterte mir überdies nebenbei, was interessant für ihn dabei war. Ich fragte kritisch und neugierig, weswegen er durch die Notwendigkeit der expliziten Formulierung sich genauer Gedanken darüber machen konnte, was aus seiner Sicht interessant war, was objektivierbare Kriterien wären, etwas zu untersuchen. Daran arbeiteten wir im Gespräch nun intensiver, denn so wurde ihm das einerseits klarer, wir konnten das zudem ergänzen. Andererseits konnte ich so ebenfalls mit kundigerem Blick Ausschau halten, mich also bei der Expedition auch inhaltlich nützlicher machen, ferner waren solch explizit formulierte Kriterien gleichfalls nützlich für die Missionen der Sonden, die sonst Proben nahmen. Mit einem erweiterten Kriterienkatalog würden auch die besser in der Lage sein, Proben an Stellen zu nehmen, die aus Peters Sicht auf jeden Fall sehr relevant sein könnten, für ihn persönlich jedoch nur schlecht oder gar nicht erreichbar sind.
So kamen wir also bereits am Anfang dieser ersten Expedition mit dem Verfahren deutlich voran. Ich hatte nun allmählich ein klareres Bild davon, wie vorzugehen ist, auf was zu achten ist. Das Gespür, die Intuition kommt mit der Praxis, der Erfahrung mit den Forschungsobjekten.
Wir versäumten es allerdings auch nicht, an schönen Aussichtspunkten innezuhalten, den Ausblick zu genießen, jedoch dabei ebenso Ausschau zu halten, ob es aus dieser Perspektive nicht interessante Stellen zu entdecken gab, welche wir unbedingt untersuchen sollten. So machten wir wirklich schnell den ersten Abstecher weg von unserer eigentlich geplanten Route. Das war allerdings unproblematisch, denn es lag ja durchaus im Zeitplan, auch Dinge zu tun, die nicht bereits vorgesehen waren. Gerade diese spontanen Impulse sind es ja gerade, die einem oft neue Erkenntnisse ermöglichen. So gingen wir dem natürlich nach.
Nun ist es in dem bergigen Gelände natürlich durchaus karg, da war schon auf Details zu achten, allerdings auch nicht so uninteressant hinsichtlich jener Pflanzen, die sich besonders gut für die Erstbesiedlung von kargen Landschaften eignen, wovon Skylla ja reichlich hat. Auf unserer Insel lag allerdings die Besonderheit vor, daß die Luftfeuchtigkeit hier deutlich höher ist als weit im Inland, entsprechend regnet es hier auch einmal ab. Das sind deutlich günstigere Bedingungen als in ausgewiesenen Wüstenregionen des Planeten. Dafür hatten wir es in dem heute untersuchten Bereich ziemlich felsig, von daher wenig Material, in welchem Pflanzen Wurzeln schlagen können. Auch dies ist in Skylla natürlich häufig anzutreffen. Ohne Leben gibt es ja keine Humusbildung. Staub- und Sandablagerungen sind da nur bedingt geeignet, in eher zugigen Ecken einer ursprünglichen Vulkaninsel auch nicht so ausgeprägt. Eine Humusbildung oder ähnlich geeignete Ablagerungen hatten wir auf der Insel hauptsächlich dort, wo es schon seit der Anfangsphase der Besiedlung Pflanzen und Pilze gibt, die Boden und allgemein Material gut halten können.
Die Tagesdunkelheit hatten wir im Hinterkopf behalten, somit hatten wir rechtzeitig einen guten Rastplatz aufgesucht und hatten dort eine Pause und Mahlzeit. Wir plauderten über bereits gezogene Proben und deren Standorte, die weitere Route. Ansonsten verdösten wir die Zeit einfach, wobei ich mich einfach so grob einen Meter neben Peter platziert hatte, so konnten wir uns gut unterhalten, wenn einem von uns gerade etwas einfiel, was zu diskutieren war. Bei den Probennahmen oder Hinweisen auf besondere Aussichten oder eventuell interessante Orte für Probennahmen hatte sich gelegentlich schon die Möglichkeit geboten, ihn unverfänglich zu berühren. Das ging so ganz selbstverständlich und aus der Situation heraus, daß darin nicht so viel lag. Auch damit hatte ich allerdings nun eine harmlose Art von Vertraulichkeit eingeführt, die wir nicht wieder zurücknehmen würden. Mehr passierte jedoch auch nicht zwischen uns.
Wir hatten Zeit, so begann ich einfach mal: „Entwickelt sich doch eigentlich gut. Wir arbeiten zusammen, auch Susanne ist wissenschaftlich voll dabei.
Das geht doch besser als befürchtet!“
Peter stimmte zu: „Auf jeden Fall. Susanne war sich schon sehr unsicher, wie du auf die neue Situation reagieren würdest. Ich hatte auch gewisse Bedenken. Nun klappt es wirklich gut mit uns dreien.
Daß du Susanne an deinen neuen Projekten beteiligen konntest, ist für sie schon sehr relevant.
Es zeigt ihr deutlich, daß du sie akzeptierst, nicht etwa meidest!“
Ich antwortete: „Auf Melanie bin ich auch gleich offen zugegangen, konnte eine Beziehung zu ihr aufbauen, schon von daher sollte sie doch keine Befürchtungen mehr haben, daß ich aggressiv werden könnte.“
Peter lachte kurz, meinte: „Aggressiv nicht gerade, verärgert oder eingeschnappt schon eher …“
Ich bekannte: „Bin ich auch ein wenig, aber an Melanie lasse ich das gar nicht aus. Und ich weiß das schon zu trennen mit unseren wissenschaftlichen Projekten und privaten Aspekten. Bei letzteren entwickelt sich das eben, da können wir nicht rückgängig machen oder ändern, was bereits passiert ist. Das ist die normative Kraft des Faktischen, der Imperativ der Existenz in der Raumzeit.
Wozu sich darüber also noch den Kopf zermartern?
Und inzwischen hat sich das Verhältnis zwischen Susanne und mir doch bereits wieder ganz gut entspannt. Wir harmonieren regelrecht miteinander. Dazu trägt wohl auch bei, daß wir wissenschaftlich gut zusammenarbeiten und wir gelegentlich auch gemeinsam etwas mit Melanie machen.
Ich glaube, ich sollte das weiter ausbauen, weiter auf Susanne eingehen, damit sich das noch weiter bessert, meinst du nicht?
Also doch besser Blick voran und sich darum kümmern, was wir nun daraus machen können.
Da könnt ihr beide euch schon entspannen und wieder euren Spaß miteinander haben …“
Peter räusperte sich.
Ich hakte nach: „Was denn?
Stimmt was nicht?“
Peter zögerte etwas, begann daraufhin aber: „Zu deiner Frage: Es hört sich gut an, daß ihr beide gut harmoniert, wieder einen guten Draht zueinander gefunden habt. Da solltest du auf jeden Fall dranbleiben. Das ist wichtig für uns als Gruppe.
Was unseren Spaß derzeit anbelangt, naja, da hakt es derzeit etwas.
Also weißt du, es war ja schon bei der ersten Schwangerschaft so, daß sie sich etwas zurückgezogen hat, also in den letzten Monaten kein Sex mehr, hat sich gesteigert. Es ist ja schon so, die Schwangerschaft belastet und sie hat dann keine Lust. Weil sie aber wohl denkt, ich wäre sehr auf Sex aus, wenn ich mich ihr nähere, so hat sie zunehmend auch Zärtlichkeiten, Nähe abgeblockt.“
Ich unterbrach: „Ist das denn so, daß du immer Lust auf Sex hast?
Also, wenn du dich ihr näherst?“
Peter räusperte sich etwas verlegen, antwortete nach weiterem Zögern: „Da ist schon mehr, auch die Nähe, das Wohlfühlen einfach so zusammen. Was aber auch stimmt, wenn ich sie in den Armen halte, sie spüre, so bekomme ich eben auch schnell Lust, das stimmt schon. Ich kann mich indes schon beherrschen. Verborgen bleibt ihr das nicht, wodurch sich die Situation eben gleich so entwickelt, daß offenbar wird, daß ich eigentlich schon Lust auf Sex hätte und loslegen könnte, körperlich sowieso, sie jedoch eigentlich keine Lust hat. Und so blieb sie zunehmend auf Distanz, um diese etwas peinliche Situation zwischen uns zu vermeiden, was uns beiden nicht so gut bekommen ist.“
Ich erwiderte: „Verstehe. An sich hört es sich so an, daß du nicht prinzipiell etwas falsch gemacht hast, sie ist eben attraktiv, du liebst sie, hast also auch Lust auf sie. Sie liebt dich zweifellos gleichfalls, in der besonderen Situation hat sie allerdings andere Bedürfnisse, die meist nicht in Richtung Sex gehen, das löst in ihr einen Konflikt aus, Nähe, Geborgenheit, Sicherheit an sich schon, jedoch nicht unbedingt Sex dabei oder in der Folge.“
Peter bestätigte: „Genau. Immerhin hat sich das nach der Geburt wieder gelegt. Klar, da habe ich ihr gut beigestanden, sie umsorgt und aufgepäppelt, mich intensiv gekümmert. Mit dem Kind ist ja alles neu, aufregend, turbulent. Wir waren sehr gefordert, hatten viel zu lernen. Da war Sex erst einmal kein Thema, es drehte sich alles um unsere Familie, um Melanie, darum, daß Susanne sich wieder komplett erholen sollte. So sind wir wieder näher zusammengerückt, haben eine neue Basis gefunden.
Erst hier in der Kolonie ist uns eigentlich erst wieder der komplette Neustart gelungen. Es war alles neu, frisch und aufregend. Hat sich zudem auf uns übertragen und somit ging das ebenfalls mit dem Sex wieder klar, wir hatten beide intensiv Spaß daran und alles war gut, Susanne bald allerdings auch wieder schwanger.
Das war gleichfalls eine schöne, erfreulich Nachricht.
Inzwischen wiederholt sich das Drama allerdings wieder, also nun eher wieder kein Sex und ein Rückzug, die Verknüpfung von Zärtlichkeit und Nähe mit Sex ist in ihrer Vorstellung wieder da. Da sie eher keine Lust auf Sex mit mir hat, gibt es da nun wieder diese Distanz, unter der wir beide leiden. Ich hoffe, das legt sich wieder, wenn das zweite Kind da ist. So ist es doch eher schwierig, nicht einmal primär der Verzicht auf Sex, vielmehr die Distanz, die Unsicherheit, was ich noch tun darf, wobei sie sich noch wohlfühlt, das ist unangenehm, verkompliziert alles. Natürlich akzeptiere und respektiere ich, daß in ihr etwas vorgeht mit der Schwangerschaft, aber dieser Rückzug verunsichert ebenso, weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Es fehlt mir einfach so, sie einfach zu umarmen, unsere Nähe zu genießen …“
Wir schwiegen kurz, ich nickte verständnisvoll, streichelte sachte tröstend mit zwei Fingern über seine Schulter.
Ich meinte: „Das wird sich schon wieder einrenken …
Ich hatte irgendwie schon so ein Gefühl, daß es da gewisse Spannungen zwischen euch gibt. Ich dachte eher, meine Wiederauferstehung hätte einfach die Situation verkompliziert. Es scheint ja allerdings eher an der Schwangerschaft zu liegen. Die hat ja nun auch ein absehbares, erfreuliches Ende. Dann erholt sie sich und ihr habt wieder neue Perspektiven, eine neue Chance, euch wieder näherzukommen.“
Peter meinte dazu: „Das klingt so betrachtet eigentlich ganz plausibel, immerhin eine Aussicht, wann ich wieder etwas erreichen könnte …“
Ich fuhr überlegend fort: „Hmmm. Ja, das muß nicht einfach für euch beide sein. Aber mußt eben auch bedenken, daß Susanne gerade in einer besonderen Situation ist. Die Hormone spielen verrückt, so oft werden sich ihre Gedanken darum drehen, dem Kind in ihr optimale Voraussetzungen mitzugeben. Da ist die Grenze ihrer Möglichkeiten schnell erreicht.
Da kann es leicht zu Mißverständnissen kommen, die zügig auch ein wenig eskalieren können. So, wie du das schilderst, ist für euch beide da derzeit wohl wirklich Pause angesagt. Aber das wird sich sicherlich später nach der Geburt irgendwann wieder normalisieren, hoffe ich jedenfalls. Einstweilen wirst du also Geduld haben müssen, kannst kaum etwas tun, ohne die Lage nicht noch verfahrener zu machen.
Bei mir liegt die Situation wohl etwas anders.
Da könnte es durchaus hilfreich für Susanne sein, wenn ich mehr auf sie eingehe, ihr Halt gebe, sie unterstütze, was meinst du?“
Peter brummte: „Hmmmm hmmmm hmmm. Ja, ja also natürlich. Du hast ja Recht. Wenn du ihr zur Seite stehst, wird es ihr sicherlich helfen, besser durch diese Zeit zu kommen.
Das ist sehr nett von dir, wenn du das machen willst!“
Ich versicherte milde lächelnd: „Ist doch gar kein Problem. Und derzeit ist die Stimmung zwischen Susanne und mir ja ohnehin ganz entspannt. Mit einer guten Freundin zur Seite wird es ihr leichter fallen, mit den Problemen umzugehen, sich zu entspannen, es sich gutgehen zu lassen. Ich nehme mir Zeit für sie, widme mich ihren Bedürfnissen. Da will ich mal nicht kleinlich oder nachtragend sein, wenn die Lage wirklich ernst ist und Susanne meinen Beistand braucht. So bekommen wir das schon wieder irgendwie auf die Reihe, da bin ich eigentlich ganz zuversichtlich!“
Peter überlegte, nickte, schaute mich kurz an, räusperte sich und meinte: „Das ist sehr lieb von dir …“
Eigentlich hatte ich ja genug mit mir zu tun. So war es aber wohl auch richtig, auf die beiden zuzugehen und zu sehen, wie ich helfen könnte. Es ergibt sich eben immer wieder so nebenbei, was getan werden muß, um die Gruppe, die Mission voranzubringen.
Noch im Halbdunkel packten wir zusammen und zogen vorsichtig weiter, um weitere geeignete Orte zu finden, um dort Proben zu nehmen. Trotz einiger Abstecher lagen wir relativ gut in der Zeit, so kamen wir gegen Ende unserer Tour am Badesee an. Da hatte Peter ja bei unserem kleinen Ausflug mit Melanie bereits etwas entdeckt, was uns erst auf die Idee gebracht hatte. So untersuchten wir hier ausführlicher. Natürlich, durch das Vorhandensein des Wassers waren hier relativ günstige Bedingungen, die Seite weiter hinauf in die Berge war allerdings felsig und karg, reichhaltigere Vegetation war eher auf der anderen Seite zu finden, also grob in Richtung der Kolonie. Die Vegetation dort war allerdings zunehmend planvoll von den Ais angelegt worden, zwar über die Jahrzehnte verwildert, gleichwohl nicht im Zentrum des Interesses von Peter, der eher wissen wollte, wie sich die Vegetation dort entwickelt, wo es wenig gezielte Eingriffe von außen gegeben hatte, welche Gesellschaften von Mikroorganismen, Pilzen, Pflanzen sich dort behaupten und ausdehnen können, wo sich das nicht geplant kombiniert, sondern aus einer Zufallsmischung heraus selbst entwickeln muß.
Als wir mit der Expedition durch waren, hatten wir noch Zeit bis zum Abend. Wir übergaben dem Luftschiff die restlichen Proben und die nun einstweilen nicht mehr benötigte Ausrüstung. Dieses zog darauf ab. Wir waren ungestört, schauten über den See. Wir hätten zurück zu den Rädern schlendern können, wären anschließend relativ früh zurück in der Kolonie gewesen.
Ich wies mit der Hand auf den See, wedelte so vage mit den Fingern herum und meinte: „Also, ich hätte Lust, eine Runde zu schwimmen, und du?“
Peter schaute mich erstaunt an, erwiderte daraufhin: „Oh, habe gar keine Badehose mit …“
Ich lachte und erwiderte: „Meinst du, ich?
Ist doch egal, sind doch unter uns, ist ja nichts dabei.
Also los?
Kommst du mit?“
Ich ging fröhlich lachend ein paar Schritte weiter auf eine größere Felsplatte am See, näherte mich dem Wasserrand und guckte nach einer Stelle, an welcher man einsteigen könnte.
Die fand sich zum Glück schnell, ich drehte mich schmunzelnd zu ihm, sprach: „Hier kommt man gut und sicher rein!“, wobei ich auch schon begann, mich meiner Sachen zu entledigen, noch ohne mich nach Peter umzusehen. So nackt und bloß bekam er zunächst nur meine Rückenansicht zu sehen, ich reckte mich allerdings, streckte mich, kniff die Popacken zusammen und gab meinen Hüften einen lasziven Schwung, bevor ich meine Beine grazil in Richtung See in Bewegung setzte. Es machte mir schon ein wenig Spaß, ihn so zu provozieren. Ich war bereits neugierig, wie er reagieren würde.
Ich tänzelte spielerisch herum, griff mit den Fingern locker in die Leere, drehte mich, um Peter ebenfalls mit meiner Vorderansicht zu beeindrucken, aber nur so flüchtig, es sollte natürlich nur ein harmloser Spaß sein, auch um ihn wieder aufzuheitern nach unserem ernsten Gespräch an diesem Tag. Also stieg ich zügig in den See, dessen Temperatur ganz angenehm war. Und so machte ich gleich meine ersten Schwimmzüge. Erst etwas weiter draußen auf dem See drehte ich mich erneut um, schaute nach Peter. Tatsächlich hatte dieser sich ebenfalls entkleidet, eine Hand wie zufällig vor sein Gemächt haltend, daß ich den aktuellen Zustand nicht eindeutig erkennen konnte. Aus der Höhe der Hand vermochte ich allerdings schon erahnen, daß bereits meine minimalistische Aufführung die gewünschte Wirkung hinterlassen hatte. Peter stand auch noch etwas zögernd auf der Felsenplatte. Als er allerdings mitbekam, daß ich guckte, lachte er etwas verlegen und stieg ebenfalls ins Wasser, schwamm locker und ohne Eile ungefähr in meine Richtung.
Als er fast heran war, flitschte ich ihm fröhlich lachend eine kleine Wasserfontaine hinüber. Peter grinste, flitschte beherzt zurück, woraus sich eine kleine Wasserschlacht entwickelte. Wir hatten richtig Spaß, alberten harmlos herum wie die Kinder. Anschließend schwammen wir noch eine größere Runde friedlich nebeneinander durch den See.
Nachdem wir eine Weile das Wasser genossen hatten, schwammen wir zurück zum Ufer, wo unsere Sachen auf uns warteten. Angekommen stieg ich mit Schwung aus dem Wasser. Nun hatten wir ja nichts zum Abtrocknen mit, die Felsplatte war im Sonnenschein allerdings recht warm, so schüttelte ich mich lachend ordentlich ab, legte ich mich einfach auf den kahlen Fels und gab Rasol eine Chance, mich wenigstens etwas zu trocknen.
Als Peter am Ufer angekommen war, zögerte er etwas.
Ich merkte nur an: „Nun hab’ dich nicht so und komm’ schon raus!“
Peter antwortete: „Ja klar, etwas ungewohnt ist die Situation so schon.
Aber es ist ja wirklich nichts dabei, wir sind ja beide erwachsen und vernünftig!“
Ich lachte und entgegnete: „Das sind wir wohl. Also gar kein Drama.“
Peter lachte verlegen, genierte sich schon ein wenig, kam aber doch heraus.
Er sah schon ganz schmuck aus, auf jeden Fall!
Der ganze Körper ist schon sehr ansehnlich und appetitlich. Nun ist er gewiß kein Muskelmann, auch keineswegs fettig, also griffig und ansehnlich und männlich, wie es sein soll, ohne in eine bestimmte Richtung zu übertreiben.
Peter eilte nun allerdings, schüttelte ebenfalls unterwegs möglichst viel Wasser ab, legte sich so etwa knappe zwei Meter von mir ebenfalls auf den Felsen, wobei er sein Gemächt hielt und sich einfach auf den Bauch legte. Ich lachte und er lachte endlich mit. Wir genossen fürderhin jedenfalls einfach nur die Sonne und die Wärme auf der Felsplatte. Und Peter beruhigte sich wohl auch etwas, weswegen er sich ebenfalls umdrehte, als ich das tat, um mich auch auf der anderen Seite trocknen zu lassen. Dabei rollte ich einfach auf dem Untergrund herum, lag so nun gut eine Körperbreite näher an ihm dran. Er drehte sich hingegen auf der Stelle.
Als wir so halbwegs trocken waren, war es auch allmählich Zeit, zurück zu Kolonie aufzubrechen. Also zogen wir uns in guter Laune an und spazierten zurück zu den Rädern. Und mit denen ging der Rückweg letztlich relativ schnell.
Wieder zurück in der Kolonie erläuterte Susanne, was sie so nebenbei noch geschafft hatte, wir berichteten von der Expedition. Susanne hatte ohnehin gerade genug mit Melanie zu tun, so machten Peter und ich uns erst einmal frisch, worauf Peter bereits wieder im Arbeitsbereich war, um nach seinen Projekten zu sehen. Die Auswertung der heutigen Proben würde natürlich noch etwas dauern. Es ging ihm also vorrangig um andere Ergebnisse.
Ich gesellte mich erst noch kurz zu Susanne und Melanie. Derzeit war Melanie allerdings ruhig und beschäftigte sich selbst mit Spielkram. So hatten Susanne und ich etwas Zeit für uns. Wir diskutierten weiter am Projekt herum, saßen nebeneinander auf dem Boden, schauten Melanie zu.
Ich fragte einfach mal so: „Habe unterwegs etwas mit Peter geredet.
Wie ist eigentlich deine Sicht, wie es gerade zwischen euch läuft?“
Susanne sah mich kurz an, senkte etwas verlegen den Blick, schwieg noch kurz, seufzte alsdann und hub an: „Naja, wenn du bereits mit Peter darüber geredet hast, wirst du ja bereits wissen, daß es gerade nicht so toll läuft. Ich kann irgendwie nicht richtig auf ihn eingehen. Da schiebe ich ihm sicherlich nicht die Schuld zu, aber trotzdem ist da diese Distanz entstanden, die wir nicht mehr überwinden können. Derzeit ist die Situation irgendwie ziemlich verfahren …“
Ich erwiderte: „Hmmm, wenn wir mal davon ausgehen, daß das zum guten Teil mit der Schwangerschaft zusammenhängt, es da in der Folge zwischen euch irgendwie zu Komplikationen gekommen ist, so ist das doch erst einmal nicht so dramatisch. Du machst das so, wie es sich für dich richtig anfühlt. Ist die Geburt überstanden, hast du dich davon erholt, sieht die Welt wieder ganz anders aus. Da könnt ihr euch Zeit lassen, um auch über die Kinder wieder einen neuen Bezug zueinander zu finden. Da solltest du dich jetzt nicht groß sorgen.“
Susanne schluckte, nickte: „Hast wohl Recht. Je mehr ich das dramatisiere, desto schlimmer wird es, desto komplizierter wird es, das später wieder einzurenken. Derzeit geht es jedenfalls nicht. Tut mir auch leid, aber ist nun einmal so. Und dabei wäre das jetzt eigentlich schon eine Zeit, in welcher ich Nähe und Geborgenheit gut brauchen könnte, aber so richtig wohl würde ich mich mit Peter nicht fühlen, da vermischt sich zuviel, verschiedene Ebenen, ist eben kompliziert.“
Ich nickte, schaute sie wieder an. Unsere Blicke trafen sich. Ohne ein Wort zu sagen, neigte ich mich zu ihr, nahm sie einfach erneut in die Arme. Susanne seufzte und erwiderte die Umarmung. Wir hielten uns einfach.
Etwas später meinte sie: „Mit dir ist es irgendwie einfacher. Da fühle ich mich wohl, da ist nicht dieser Vorbehalt, diese Distanz, obwohl, ja obwohl wir ja auch unsere herbe Krise hatten.“
Ich versicherte: „Die haben wir ja nun ganz gut überwunden. Ich bin natürlich für dich da, unterstütze dich, biete dir Geborgenheit und Nähe, wie du es magst. Wir sollten das einfach mal alles nicht überbewerten, einfach wohlfühlen und uns von dem leiten lassen, was wir gerade empfinden, was uns guttut, meinst du nicht?“
Susanne nickte, noch immer an meine Wange angebuckt.
So waren wir uns schon ein ganzes Stück nähergekommen, das ließ sich ganz gut an. Vielleicht würde es uns ja so gelingen, Susannes Selbstzweifel in den Griff zu bekommen. Vorsicht war da schon noch angesagt, allerdings hatte sie bei mir wohl keine Berührungsängste. Unser Verhältnis hatte sich nicht nur deutlich entspannt, es hatte sich wieder erheblich verbessert. Ich hatte die andere Konstellation verdaut und war nun wieder in der Lage, mich um Susanne zu kümmern, nun eben wie von ihr gewünscht und benötigt rein freundschaftlich.
Ich riskierte es mal und meinte: „Für Peter ist es ja auch nicht so einfach. Es wäre vielleicht gar nicht schlecht, wenn ich etwas vermitteln würde, ihn auch ein wenig über die schwierige Zeit hinwegtrösten.
So könnten wir alle drei etwas weiter zusammenrücken, das könnte uns allen helfen, meinst du nicht?“
Susanne sah mir kurz tief in die Augen, überlegte noch einen Moment, nickte alsdann: „Du hat natürlich Recht, zusammen kommen wir immer weiter!“
Bald war Abend, wir bereiteten für alle das Abendessen vor. So verbrachten wir danach noch einen ruhigen Abend zusammen.
Am nächsten Tag machten wir nicht gleich wieder eine Expedition. Über Nacht waren bereits die meisten unserer Proben analysiert worden, nicht komplett, aber es gab bereits genug Ergebnisse, denen sich Peter widmen konnte. Das war allerdings nicht so viel zu tun, das konnte er auch nebenbei beobachten.
So schlug ich vor: „Ich würde gerne heute mit Susanne einen Ausflug an den See machen. Das Wetter ist prima und der See sah gestern schon sehr einladend aus. Und nachdem ich gestern mit dir, Peter, unterwegs war, ist es doch nur angemessen, wenn ich heute einen schönen Ausflug mit Susanne mache.
Derweil paßt du, Peter, zusammen mit Esme auf Melanie auf, so wird das ein wirklich ruhiger Ausflug, bei welchem Susanne etwas entspannen kann, nicht ständig aufpassen muß!“
Susanne schaute mich etwas überrascht an.
Peter griff das aber gleich auf: „Kein Problem, kann mich mit Esme sehr gut mal um Melanie kümmern. Und du hast schon Recht, das Wetter ist günstig für Ausflüge. Die Auswertung will ich sowieso abwarten, kann mir dabei gut Zeit nehmen, um mich mehr mit Melanie zu beschäftigen, die soll ja auch nicht zu kurz kommen bei all den Projekten.“
So war das abgemacht und nach dem nächsten Frühstück packten Susanne und ich ein paar Sachen zusammen und machten uns mit den Rädern auf den Weg zum Badesee.
Dort angekommen packten wir unseren Kram auf der Felsplatte aus. Wir hatten unter anderem eine dickere, große Decke dabei, welche wir dort ausbreiteten. So hatten wir es deutlich bequemer als auf dem nackten Felsen, welcher allerdings Wärme gespeichert hatte, also von daher eine angenehme Unterlage bot, zusammen mit der dicken Decke zudem nicht einmal hart.
Ich schlug alsdann vor: „Könnten ein Bad nehmen, was meinst du?“
Susanne schaute etwas verlegen zu mir.
Ich hakte nach: „Was denn?
Nackt haben wir uns beide schon gesehen, ist doch nichts dabei!“
Susanne verzog den Mund zunächst, wies so mit einer Geste der Hand an sich herunter, antwortete danach: „Also, verändert habe ich mich schon, ist mir etwas peinlich.“
Ich lächelte sie aufmunternd an, kam auf sie zu, nahm sie einfach in die Arme: „Blödsinn, siehst sehr hübsch aus, schwanger steht dir sehr gut!“
Wir lachten beide.
Und so begann ich einfach, ein wenig an ihren Klamotten zu fummeln, Susanne kicherte, wurde unruhig, fummelte aber auch bei mir herum, das nahm etwas zu, worauf sie sich lachend löste und wir jauchzend und giggelnd ein wenig Fangmich mit Hakenschlagen, Drehen, Wenden, Knuffen spielten, was alsbald darin gipfelte, daß ich sie spielerisch ergriffen hatte und lieb umarmte, vielleicht etwas mehr als freundschaftlich, allerdings nicht gerade aggressiv angrabend.
Das hatte sich eigentlich von selbst ergeben und war ganz harmlos.
Wir stiegen in den See, drehten fröhlich eine Runde, bis Susanne erst einmal genug hatte. Also ging es zurück an das Ufer und wir trockneten uns ab, ließen uns auch einfach von der Sonne trocknen, während wir einfach auf der Decke auf der noch warmen Felsplatte lagen und entspannten, dösten über größere Teile der Tagesdunkelheit.
Später aßen wir ein wenig von dem, was wir mitgenommen hatten. Weil es inzwischen wieder heller war, ging es nun nochmals ins Wasser, wo wir etwas herumalberten, aber auch noch einfach zwei Runden schwammen. Susanne war nun wirklich deutlich gelöster, hatte keine Vorbehalte mehr wegen ihrer Schwangerschaft und ihres dadurch veränderten Körpers. Das tat ihr nun ganz wohl, sich von mir angenommen zu fühlen.
So waren wir bald wieder an Land auf unserer Decke und plauderten über ihre Schwangerschaft, Melanie, ebenso über meine Pläne mit dem eigenen Nachwuchs. Das ging uns beide etwas an, hatten da ein gutes, gemeinsames Thema gefunden, mit dem wir uns lange und nun ganz zwanglos beschäftigen konnten.
Später erfrischten wir uns nochmals im Wasser, trockneten uns ab, zogen uns lachend wieder an, aßen noch etwas.
Am späten Nachmittag packten wir zusammen und radelten zurück. Peter erzählte kurz, wie er den Tag mit Melanie gestaltet hatte – oder diese mit ihm, was zudem bis jetzt bei den Analysen herausgekommen war. Wir wiederum schilderten, wie wir den Tag verbracht hatten, das reduzierte sich auf einen Kurzbericht: plaudern, dösen, schwimmen, sonnen, entspannen.
Den nächsten Tag brachen Peter und ich nach dem Frühstück wieder mit den Rädern zu einer Expedition auf. Diesmal ging es nicht in die karge, bergige Region, diesmal lag der Schwerpunkt mehr im Bereich des Sandstrandes und seiner weiteren Umgebung, dem Übergang ins Inland. Im Wasser des Meeres ist ja allerhand gelöst, also noch deutlich mehr als in den Meeren auf der Erde, daher ließ sich bislang im Meer auch nur wenig Vegetation ansiedeln, vielleicht ebenso ein Grund, warum das Leben auf Skylla früher keine Chance hatte. Die Brühe braucht schon sehr robuste Organismen. Auf der Erde gibt es ja durchaus Organismen, die unter extremen Bedingungen existieren. Es war nur nie so ganz klar, ob das eine spätere Anpassung war oder ob diese Organismen bereits seit den Anfängen des Lebens auf der Erde in diesen extremen Nischen ihr Auskommen gefunden hatten. So oder so war das hier in der Brühe des Meeres nicht passiert. Mittlerweile hatten die Ais über die Jahrzehnte unserer Besiedlung ja durchgehend daran gearbeitet, Stoffe aus dem Meer zu extrahieren. Obgleich es viel kleiner als auf der Erde ist, ist das Wasser allerdings trotzdem nicht über ein paar Jahrzehnte zu klären. Immerhin reichte die Wasserqualität inzwischen, um darin einige robuste Organismen zu etablieren. Der Plan bestand nun darin, eine Entwicklung einzuleiten, bei welcher Organismen dabei helfen, die chemische Zusammensetzung des Meeres zu verändern. Das war auf der Erde gleichfalls passiert, als die ersten Organismen per Photosynthese Sauerstoff im Meerwasser produziert haben, so unter anderem dafür gesorgt haben, daß gelöstes Eisen als Rost ausgefällt wurde. Ähnliche Vorgänge hatten die Ais auch hier auf Skylla im Sinn. Inzwischen war es durchaus gelungen, einige Organismen für diese Zwecke im Meer zu etablieren, die Chemie des Meeres also nicht nur mit technischen Anlagen an der Küste zu manipulieren.
Für die Küste unserer Insel bedeutete das jedenfalls, daß die Vegetation dort ebenfalls robust an die Zusammensetzung des Wassers angepaßt sein muß, ähnlich wie an Küsten auf der Erde. Aufgrund des durchaus vorhandenen Regens kam natürlich auch Wasser von den Bergen, der Küstenbereich filterte ferner, weswegen es unterschiedliche Zonen hinsichtlich der Zusammensetzung des Wassers gibt, welches für die Vegetation verfügbar ist. So ändert sich die Pflanzengesellschaft folglich je nachdem, welche Wasserqualität verfügbar ist. Daher hatten wir im Küstenbereich also einige unterschiedliche Zonen für unsere Untersuchungen.
Die Tagesdunkelheit verbrachten wir am Sandstrand. Neben dem Essen plauderten wir angeregt über unsere Expedition, dösten etwas herum, hatten auch etwas zu lesen mitgenommen. Als es wieder hell wurde, setzten wir unsere Untersuchungen fort. Auch für diese Expedition hatten wir absichtlich ein nicht sehr ambitioniertes Programm geplant, weil ja doch immer wieder interessante Sachen in unser Gesichtsfeld kamen, auf welche wir spontan reagierten.
Insgesamt waren wir mit unserem Programm wieder zeitig durch, hatten unsere Proben und unsere Ausrüstung bereits an das begleitende Luftschiff übergeben.
So schlug ich vor: „Noch Lust auf ein Bad im Badesee?“
Peter stimmte lachend zu, also ging es mit den Rädern los. Sorglich hatte ich diesmal sogar Handtücher dabei. Weil das ganz günstig dort war, radelten wir wieder herum, bis wir den Bereich mit der Felsplatte erreicht hatten, auf welcher sich nach dem Bad gut liegen ließ.
Ich legte schon einmal die Handtücher aus. Fröhlich und in gelöster Stimmung zogen wir blank, Peter nun auch ohne Zögern, stürmten so in den See. Dort schwammen wir erst ein wenig, wobei es nicht lange dauerte, bis wir wieder herumalberten, eine kleine Wasserschlacht veranstalteten, anschließend wieder eine Runde nebeneinander schwammen.
Wir beide hielten uns länger im Wasser auf als zuvor Susanne und ich. Das war in Ordnung, wir fühlten uns wohl. Irgendwann war es aber erst einmal genug und ich meinte: „Pause wäre mir jetzt ganz angenehm.“
Peter erwiderte: „Ja geht mir auch so, soll ja keine Sportveranstaltung werden.“
So schwammen wir also zurück, stiegen aus dem Wasser, trockneten uns etwas ab, legten uns hin und ließen uns noch etwas von Rasol bescheinen und trocknen.
Wir dösten noch ein wenig, plauderten etwas über die heutige Exkursion. Ich erläuterte auch kurz meinen Eindruck, daß ich bei Susanne bereits etwas erreicht hätte, die Stimmung bei ihr sei eigentlich ganz entspannt, mit ihrer Unsicherheit bedingt durch ihre Schwangerschaft sei es nicht mehr so arg, vielleicht durch meinen Zuspruch, vielleicht auch einfach so.
Peter zeigte sich erfreut.
Wir zogen uns etwas später an, radelten zurück zur Kolonie.
Zurück in der Kolonie war Peter wieder zügig bei der Arbeit. Ich überlegte noch ein wenig über das weitere Vorgehen. Jedenfalls gesellte ich mich zu Susanne und Melanie. Mit Melanie machte es einfach nur Spaß. Etwas selbständiger war sie schon geworden. Sie entwickelte sich gut, ein aufgewecktes Kind. Und ich hatte nach wie vor einen guten Draht zu ihr.
Bald war es Zeit für das Abendessen, welches wir gemeinsam zubereiteten. Danach verbrachten wir einen harmonischen Abend miteinander.
So hatten sich meine Tage doch einstweilen gut mit Aktivitäten und Projekten gefüllt. Und das Sexspielzeug brachte mir vor dem Einschlafen immerhin erst etwas Aufregung, Anregung, danach die erlösende Entspannung. So brachte mir das Spielzeug wirklich etwas Trost und lenkte in jener Zeit ab, wo sonst nichts zu tun gewesen wäre, die Gedanken sonst in eine andere Richtung abgeschweift wären, zurück in die Vergangenheit statt sich auf das Jetzt zu konzentrieren. Obwohl es mit den wissenschaftlichen Projekte doch gut voranging, kam ich mir persönlich damit allerdings vor, als sitze ich auf einer Wartebank. Zwar hatte ich den Neustart nach der Wiederauferstehung mittlerweile hinbekommen, gefühlt jedoch drängte es in mir diffus, etwas unternehmen zu müssen, um meine persönliche Situation zu verbessern.
Sollte ich es doch mit einem anderen Kryo-Zombie probieren?
Oder mich noch mehr in wissenschaftliche Fragestellungen stürzen, mein Privatleben ganz zurückstellen, beziehungsweise erst einmal auf die Bedürfnisse von Melanie ausrichten, bald auch auf das zweite Kind von Susanne und Peter?
Sollte ich mal vorsichtig etwa bei Hildegard horchen, wie bei den Ais eigentlich die Stimmung hinsichtlich der Entwicklung der Kolonie ist?
Das schien mir eigentlich als nächster Schritt ganz plausibel zu sein. Vielleicht gäbe das ja einen neuen Impuls.
Die Ausflüge mit Peter und ebenso mit Susanne waren mir gut bekommen. Bei den Expeditionen hatten ich zudem bereits eine Menge gelernt. Da böte es sich eigentlich an, das zu nutzen.
Sollten wir auch benachbarte Inseln untersuchen?
Markante Regionen auf dem Festland?
Da wir Susanne und Melanie nicht alleine zurücklassen würden, die schwangere Susanne nun nicht einfach auf Forschungsreise gehen würde, blieben die Möglichkeiten, daß Peter oder ich alleine aufbrechen könnten, natürlich begleitet von den Ais, einer Menge Technik und dem direkten Kontakt zur Kolonie. Wir hatten noch ein Zeitfenster bis zur Geburt von Susannes zweitem Kind. Es wäre also möglich, damit zu beginnen. Wenn, dann möglichst schnell.
Wollte ich das Thema wirklich aufbringen?
Könnte ich solch eine Expedition gar nutzen, um Abstand zu gewinnen, mit der Reise neue Eindrücke sammeln, einfach ein paar Wochen weg vom direkten Kontakt mit Peter und Susanne?
Nachdem wir derzeit gut miteinander auskamen, erschien mir das jedenfalls keine Flucht zu sein. Reisen oder Expeditionen sind oft genutzt worden, um Abstand zu gewinnen. Von daher also vielleicht gar nicht so schlecht. Ganz entschlossen war nicht noch nicht. Wenn, dann sollte ich aber zügig handeln und mit Peter ausdiskutieren, ob dieser Interesse hätte, selbst eine Expedition zu unternehmen, ob es ihm ansonsten willkommen wäre, wenn ich das übernähme.
Vom Ergebnis der Diskussion würde dann abhängen, wie wir weiter vorgehen würden. Es wäre allerhand vorzubereiten, es würden Transportmittel benötigt, um über das Meer zu kommen. Ich könnte allerdings statt einer Expedition auch einfach eine Lustreise mit einem größeren Luftschiff unternehmen, um Abstand zu gewinnen, mehr persönliche Eindrücke vom Planeten zu bekommen, selbst zu sehen, was ich bislang hauptsächlich auf Aufnahmen gesehen hatte.
Also, eher mit den Ais herausfinden, wie wir die Kolonie weiterentwickeln sollten oder doch eher mit Peter diskutieren, ob die Expeditionen für einen von uns jetzt richtig und wichtig wären?
Beides zusammen wäre für unsere kleine Gruppe etwas viel.
Mache einen Vorschlag, wie Michaela weiter vorgehen soll.
Mehr Kontakt zu Esme
Der Vorschlag, eine weitere Person auszuwählen, ging mir noch weiter durch den Kopf.
Hatten Peter und Susanne das befürwortet, um mich abzulenken?
Implizierte das nicht irgendwie die Annahme, es ginge einfach nur darum, mit irgendwem intim zu sein?
Implizierte das nicht auch das Problem, welches schon die erste Krise zwischen mir und Susanne ausgelöst hatte, als diese das Gefühl bekommen hatte, nur ausgewählt worden zu sein, um mir als Gesellschaft zu dienen?
Würde das unter den gegebenen Umständen die neu ausgewählte Person nicht erst recht haben?
Ich schwankte, war mir unsicher, sah mir aber doch am übernächsten Tag einmal ganz unverbindlich erneut die Daten durch. Ich hatte mir überlegt, daß die Person ja doch jedenfalls beruflich gut zur aktuellen Lage passen sollte oder jedenfalls flexibel einsetzbar sein. Im Vergleich zu meiner damaligen Situation auf dem Raumschiff, anschließend auf der Raumstation hatte sich die Lage hier in der Kolonie deutlich geändert. Hier würden nun bald weitere Qualifikationen relevant werden, die es damals noch nicht waren.
Über diese Erwägungen hinaus wären ausschließlich persönliche Kriterien wohl bedenklich, allerdings unterdessen nicht komplett ausgeschlossen, käme wohl auf eine geschickte Argumentation an. Ich konnte ja nun keinesfalls davon ausgehen, daß dabei mehr als eine persönliche Bekanntschaft herauskommen sollte. Um eine weitere Person zu integrieren, wäre es also von Vorteil, wenn dieser die Nützlichkeit innerhalb der Kolonie einleuchten würde. So würde diese sich auch schneller einfinden und die Situation fernab der Erde akzeptieren.
Nun, ich sollte auch schon ein Auge darauf haben, ob die Person vielleicht zu mir passen könnte. Das wäre ja immerhin sehr nützlich für die soziale Struktur. Und so hätten in der Folge ja auch doch eigentlich persönliche Kriterien Relevanz für die Kolonie.
Nach noch etwas mehr Nachdenken verwarf ich die Option allerdings. Ich dachte mir so, daß ich eigentlich mit Peter und Susanne noch gar nicht richtig fertig war, noch mit dem Geschehenen, mir Widerfahrenem noch gar nicht wirklich abgeschlossen hatte, um mich einer anderen Person zuzuwenden. Das würde nur zu weiteren Problemen führen, wenn ich überstürzt vorginge, mich wieder in eine neue Affäre stürzte, bevor die aktuelle Situation richtig verarbeitet war, ich angemessen damit umgehen konnte. Ich hatte noch nicht genug Distanz, um neu zu beginnen.
Und gelang es mir wirklich, die Situation etwas distanzierter zu sehen, weniger aus meiner persönlichen Perspektive, so mußte ich schon einräumen: So als Familie und ebenso einzeln waren sie schon zu süß. Melanie war einfach ein Traum von Kind.
Da stand ich nun, doch eher das fünfte Rad zum Wagen, irgendwie und irgendwann ausgewechselt, als ich das nicht mitbekommen konnte. Ich war ratlos, fühlte mich leer, frustriert. Und das ging mir immer wieder durch den Kopf. Hier am Ende der Welt gingen mir nun die Optionen aus.
Ablenken?
Womit?
Ich grübelte noch!
Wissenschaftliche Arbeit wäre sicherlich eine gute Option. Darin vertieft, wäre ich schon gut beschäftigt.
Aber irgendwann ist der Arbeitstag ja auch vorbei – und dann?
Jedenfalls spürte ich widersprüchliche Gefühle in mir kämpfen und brodeln: Einerseits war die Familie schön anzusehen, andererseits war ich erheblich mißgestimmt, daß ich nicht daran beteiligt wurde, daß mir das nicht zukam.
Eifersucht?
Vielleicht.
Mehr aber wohl irgendwie das Gefühl, aufgrund der Konservierung einer Situation ausgeliefert zu sein, nicht einmal ansatzweise kontrolliert haben zu können, was passiert war. Einmal abgesehen vom Problem, die Beziehung zwischen Susanne und Peter zu akzeptieren, wäre ich natürlich gerne bei Susannes erster Schwangerschaft dabei gewesen, ebenso bei der Geburt. Das hatte ich nun schon verpaßt. Immerhin, beim zweiten Kind durfte ich nun jedoch dabei sein. Jetzt war ich also wieder voll dabei, konnte also wieder Einfluß nehmen, miterleben. Und so vom Gefühl her wollte ich wohl auch nachholen, was zuvor nicht möglich war, wobei mir schon klar war, daß es unlogisch ist: Was schon geschehen ist, kann nicht mehr verändert werden, ist nicht mehr verhandelbar. Da gibt es keinen Kompromiß mehr, keine noch erreichbare bessere und auswählbare Alternative.
Nun hatte ich bereits auf eine Affäre mit Peter verzichtet, weil Susanne da war.
Diese hatte umgedreht nicht verzichtet, die beiden hatten nun zusammen eine Familie.
Was blieb da für mich?
Andere Menschen gibt es ja nun einmal hier nicht, alle anderen unerreichbar fern, fremd, eine andere Welt, eine andere Zeit. Zwar nicht formal objektiv, aber doch subjektiv empfunden fühlte ich mich schon allein. Etwas Trost, Aufmunterung, gute Gefühle hätte ich definitiv gebrauchen können.
Dennoch schien es mir falsch zu sein, deswegen einen Kryo-Zombie auf Verdacht wiederauferstehen zu lassen, um diesen zu gebrauchen. Solch eine Person hat ja auch – was gut ist – einen eigenen Sinn, läßt sich also nicht einfach so gebrauchen und paßt auch sonst nicht notwendig zu den eigenen Bedürfnissen. Also nein, das würde mich doch eindeutig überfordern. Wahrscheinlich sollte ich mich doch erst einmal eine Weile mit meinem Privatleben zurückziehen, für mich bleiben, reflektieren, mich selber um meine Bedürfnisse kümmern und mir Zeit geben, wieder in ein Gleichgewicht zu kommen, aus dem ich dann würde wieder mehr entwickeln können, neue Kraft, neue Ideen schöpfen.
Vielleicht sollte ich auch einfach einmal versuchen, den sozialen Kontakt zu Esme zu vertiefen. Diese hatte ja unter den Ais eine gewisse Sonderrolle, einerseits mit dem Avatar schon ähnlich wie Ida und Hildegard stets in der Kolonie anwesend, aber wie Stanis und Asi erst hier entstanden, also ohne persönliche Vergangenheit auf der Erde. Die Perspektive ist dann anders, vielleicht deswegen lag es mir näher, mit ihr über den aktuellen Zustand der Kolonie oder auch meine eigene Befindlichkeit zu reflektieren, obwohl das wohl auch mit Hildegard oder Ida funktioniert hätte, auch mit Körk. Die Themenauswahl für Gespräche knüpft sich allerdings auch immer an die Schwerpunkte der Aktivität der Ais, da hatte sich Esme eben als besonders geeignet für persönliche Reflexion für mich gezeigt.
Ansonsten war es nun sicherlich auch wichtig, mich mehr um Susanne und auch Melanie zu kümmern, also freundschaftlich bei Susanne, so mütterlich oder auch als nette Tante bei Melanie. Insbesondere letzteres würde doch sicherlich ebenfalls dabei helfen, wieder ins Leben zurückzukommen, mich zu besinnen, was ich nun eigentlich hier erreichen wollte.
Vielleicht wäre es mir ja auch genug mit Melanie und Susannes zweitem Kind?
Zweifellos hätten wir mit zweien schon ein wenig zu tun. Und Susanne da etwas zu entlasten, wäre ja sicherlich auch nicht schlecht. Peter kümmerte sich ja auch, hatte aber gleichfalls seine wissenschaftlichen Projekte. Die Zeit mit den Kindern etwas besser auf uns drei zu verteilen, wäre letztlich nur fair und würde für beide auch etwas mehr Freiräume schaffen.
Bei den wissenschaftlichen Projekten würde ich mit Peter sicherlich gut gemeinsam arbeiten können. Betonung bei Peter also auf wissenschaftliche Zusammenarbeit, vielleicht bei Susanne ebenfalls, denn mit etwas mehr Freiraum wäre sie vielleicht auch wieder dazu zu begeistern, wieder mehr bei den wissenschaftlichen Projekten einzusteigen.
Zwar hatte Susanne ja betont, daß sie mir inzwischen nicht mehr als Freundschaft entgegenbringen wolle, aber war in dieser Betonung nicht auch etwas drin, was mir verriet, daß sie zweifelte?
Sonst hätte sie das gar nicht so betonen brauchen. Was nicht ist, muß ja eigentlich nur hervorgehoben werden, wenn Zweifel bestehen, ob es nicht doch wieder sein könnte.
War sich Susanne vielleicht gar nicht so sicher?
Kriselte es vielleicht zwischen ihr und Peter gar ein wenig?
Eine Verstimmung, gar noch verstärkt durch meine Wiederauferstehung?
Sollte ich da nicht ein wenig nachbohren, um zu ergründen, wie die Lage aktuell wirklich war, wie die Konstellation unserer sozialen Gruppe sich gerade entwickelte?
Vielleicht könnte ich ja gar ausgleichen, alles wieder ins Lot bringen, wenn ich mich weiter einbrächte?
Mich nur auf einen von beiden zu stürzen, schien mir nun eindeutig unangebracht und riskant für unsere kleine Gemeinschaft. Etwas subtiler sollte ich schon vorgehen, um mich unauffälliger einzubringen, unseren Umgang miteinander zu harmonisieren. Also sollte ich auch wohl sowohl etwas mit Peter unternehmen, aber auch auf Susanne eingehen. Das würde mit Peter schon auf wissenschaftlicher Ebene gut funktionieren. In der Richtung überlegte ich weiter. Mit Susanne würde sich schon etwas ergeben, vermutlich spontan aus einer geeigneten Situation heraus.
Das wäre dann immerhin kein kompletter Rückzug in eine innere Isolation, die mir ja ohnehin nicht sonderlich liegt, spüre ich doch schnell den Impuls, etwas tun zu müssen, damit etwas passiert.
Konversation mit Esme würde sicherlich ablenken, die Idee schien mir also immer noch plausibel und förderlich. Das verfestigte sich allmählich.
Für den Tag, die Beschäftigung meines Gehirns war wissenschaftliche Arbeit aber sowieso die naheliegendste und auch sinnvollste Option.
Am nächsten Morgen verkündete ich beim Frühstück also: „Ich dachte mir, ich steige wieder mehr in wissenschaftliche Projekte ein, bringe mich erst einmal auf einen aktuellen Stand, schaue mir Peters aktuelle Projekte an, entwickele vielleicht auch eigene. Es ist ja noch immer nicht geklärt, wie das Doppelplanetensystem nun entstanden ist, warum Charybdis so belebt war, Skylla hingegen tot. Vielleicht bekomme ich da ja noch ein paar Ideen, um dem auf die Spur zu kommen, um unsere neue Heimat besser kennenzulernen.“
Peter nickte: „Finde ich gut. Gerne erläutere ich dir, was ich gerade so mache. Und gerne diskutiere ich natürlich bei Bedarf auch neue Projekte mit dir. So im Austausch, in der expliziten Formulierung von Ideen entwickelt sich ja meist sehr viel.“
Ich lächelte und erwiderte: „Ja, den Gedanken hatte ich ebenfalls!“
So in Gedanken war mir das schon ein wenig zweideutig, aber in unserer Runde fiel das natürlich nicht auf.
So meinte Susanne ebenso: „Prima, Michaela, wenn ihr beide mehr zusammen unternehmt, harmonisiert sich die Situation hoffentlich zügig noch weiter.“
Ich bestätigte: „Daran hatte ich gleichfalls gedacht!“
Und so war das bereits entschieden.
Ferner teilte ich mit: „Mit der Wiederauferstehung einer weiteren Person warten wir wohl besser auch noch, bis sich das mit uns richtig eingespielt hat!“
Susanne meinte: „In Ordnung, hast vermutlich Recht, das sollten und brauchen wir nicht überstürzen.“
Peter nickte ebenfalls verständig. So war auch das Thema einstweilen erledigt.
Während Susanne sich primär um Melanie kümmerte, gesellte ich mich also zu Peter in den Arbeitsbereich. Auf Nachfrage erläuterte er mir seine derzeitigen Forschungsaktivitäten genauer. Schwerpunkt war da derzeit noch immer die Untersuchung von Pflanzengesellschaften hier auf Skylla und ebenfalls auf Charybdis, wobei es dort darum geht, Kombinationen von irdischen und charybdianischen Organismen zusammenzustellen, welche ihre Entwicklung gegenseitig besonders gut fördern.
Auf beiden Planeten waren Sonden unterwegs, um automatisch Proben zu nehmen, welche wiederum automatisch von den Ais analysiert wurden. Peter versuchte danach, sich mit den Ais einen Reim darauf zu machen, wie das zu verstehen war, was warum funktionierte oder eben auch nicht, je nach Standort, an welchem die Proben gezogen wurden.
Dazu hatten sie in Laboren Züchtungen und diverse Versuchsanordnungen, um neue Arten und Kombinationen zu testen.
Nachdem das gut erklärt war und ich erst einmal einen ersten Überblick hatte, fragte Peter: „Du hast beim Frühstück ja bereits erwähnt, wieder an eigenen Projekten arbeiten zu wollen.
Schon genauere Ideen?“
Ich zuckte die Schultern, erwiderte: „Muß mir erst einmal einen Überblick verschaffen, wie sich die Situation im Planetensystem in den letzten Jahrzehnten verändert hat, Körk war da ja sehr aktiv. Und ich muß mir auch einmal ansehen, was inzwischen herausgefunden wurde über die Historie des Systems, was über die Planeten. Wenn es genaue Daten über die Planeten gibt, wäre es ja auch möglich, Hypothesen über die Vergangenheit aufzustellen, Stellen zu lokalisieren, wo Proben genommen werden könnten, Untersuchungen förderlich wären, um Hypothesen zu stützen oder zu widerlegen.
Sie haben wohl auch einen Kleinplaneten gefunden, welcher gar nicht aus diesem System zu stammen scheint, älter als dieses ist, hast du davon gehört?“
Peter schüttelte den Kopf: „Nicht daß ich wüßte, ist mir vielleicht aber auch entgangen.“
Ich fügte hinzu: „Ich hatte bereits die Ehre, ihm einen Namen geben zu dürfen: Methusalem.“
Peter hakte nach: „Wirklich älter als das Rasol-System?
Schon interessant.
Wie kann das sein?
Wie stellt man das Alter eigentlich fest?“
Ich antwortete: „Genaueres habe ich mir noch gar nicht angesehen. Kommt vermutlich aus einem anderen System, wurde von Rasol in einer Wechselwirkung mit verschiedenen Planeten oder Kleinplaneten eingefangen. Letztlich ist es ja ohnehin so, daß schwerere Elemente in Sternen ausgebrütet werden. Irgendwie müssen sie da ja wieder heraus, wenn man sie letztlich hier auf Planeten vorfindet. Ganz schwere Elemente jenseits des Eisens werden ja wohl erst erzeugt, wenn sein Stern in einer Supernova oder einer ähnlich heftigen Explosion genug Druck in gewissen Regionen aufbaut, um die Kerne kleinerer Atome zu den schweren zusammenzudrücken. All das Zeug kommt also zwangsläufig von anderen Systemen, als feiner Sternenstaub ist das Alter allerdings nicht zuzuordnen. Hat ein Sonnensystem jedoch überdies ein Planetensystem, gerät da vorher, besonders in der Entstehungsphase schon einmal etwas durcheinander und ein Planet kann dabei auf Kosten der anderen so viel kinetische Energie bekommen, daß er aus dem System geschleudert wird. Der Vagabund saust daraufhin durch den freien Raum. Wahrscheinlich trifft der nie wieder auf ein Sonnensystem. In diesem Falle war es aber wohl so, daß er zufällig auf das Rasol-System zu geschleudert wurde, dort mit Rasol und den Planeten in mehrfacher Wechselwirkung kinetische Energie verloren hat, so hier eingefangen wurde.
Beim Alter, hmmm, also sicherlich haben Asi und Stanis Proben an verschiedenen Stellen genommen, die nicht nach Einschlagskratern aussahen. Hat sich ein Kleinplanet erst einmal gebildet, hat er genug Struktur, genug Atome für Statistiken, ebenfalls radioaktives Zeug im Gestein, was sich für eine Altersbestimmung eignen kann, weil sich bei einem seismisch nicht aktiven Kleinplaneten ja sonst kaum noch etwas an den Gesteinen, Metallklumpen etc ändert außer dem Zerfall radioaktiven Materials über verschiedene Zerfallsketten.
Alter von Gestein ist allerdings nicht so ganz einfach. Es gibt immerhin bestimmte Gesteinsarten, die aufgrund der Chemie auf typische Weise zusammengesetzt sind. Sind da bereits anfangs radioaktive Isotope drin, ändert sich die Zusammensetzung mit der Zeit. Isotopenverhältnisse und die Verhältnisse der Häufigkeiten verschiedener Elemente sind dann typisch für die Entstehungszeit des Gesteins. Bei Uran oder einem instabilen Isotop von Rubidium etwa kann man so aus der Zusammensetzung von Gestein abschätzen, wann das entstanden ist, also vielleicht gar das Uran bei einer Sternenexplosion, später wohl auch das Gestein, wenn das Uran da charakteristisch eingebaut ist und sich über die Zeit aufgrund der Zerfallsketten der Uran-Isotope typische Häufigkeiten von Elementen und Isotopen herausbilden, die als Uhr verwendet werden können. So in etwa, muß ich mir auch noch genauer anlesen, um da qualifiziert mitreden zu können, Daten kritisch zu interpretieren, eventuell auch brauchbare Vorschläge zu machen.“
Peter nickte und ich fuhr fort: „Hinsichtlich der Frage, wie das Zwillingsplanetensystem entstanden ist, warum es nun auf Charybdis Leben gibt, auf Skylla lediglich eine Wüste mit wenig, chemisch jedoch stark angereichertem Wasser, muß ich mich bei den erhobenen Daten ebenfalls erst auf den aktuellen Stand bringen. Ich muß ja erst einmal wissen, welche Daten wir schon haben, was man daraus lernen kann, welche Daten wir vielleicht mit welchen Experimenten und Beobachtungen generieren sollten, um mehr zu erfahren. Das wird mich schon ganz gut beschäftigen. Da will ich mal nichts überstürzen, mir aber schon genauer ansehen, wie ich mich sinnvoll einbringen kann, um das zu ergänzen und anzureichern oder auch erst zu interpretieren, was bislang in den letzten Jahrzehnten erreicht wurde.“
Peter nickte: „Hört sich doch gut an!“
Um meinen Plan der Beschäftigung mit ihm ebenfalls zu verfolgen, blieb ich bei ihm und stellte noch ein paar mehr Fragen zu seinen Projekten, woraufhin wir uns da eingehender vertieften und darüber diskutierten. Das schien mir ein ganz guter Anfang zu sein. Bei solchen Projekten hatten wir schnell einen Draht zueinander und zogen schnell an einem Strang in die gleiche Richtung.
So beschäftigten wir uns den Vormittag über hauptsächlich mit Peters Projekten. Dadurch bekam ich in der Folge schon einen ganz guten Eindruck vom aktuellen Forschungs- und Wissensstand. Ich zeigte aufmerksam und sachlich Interesse an seiner Arbeit, hielt eine lockere Stimmung aufrecht, in welcher Peter genau in seinem Element war. Und weil ich so an dem teilnahm, was Peter beschäftigte, eifrig fragte, harmonierte das sehr schön. Aus Peters Erläuterungen war zudem zu entnehmen, daß er gerne Susannes Beiträge zu den Projekten nannte, wo sie optimiert hatte, was ohne ihren Beitrag so gar nicht in dem Umfang funktioniert hätte. Nachdem das aber alles optimiert war, zudem Melanie auf der Welt war, hatte sich Susanne da weitgehend aus der Forschung zurückgezogen, trug allenfalls nur noch mit Kleinigkeiten bei. Das schien nun weder von Peter noch von Susanne gezielt so beabsichtigt gewesen zu sein, hatte sich eben so etabliert. Das war nicht ganz die traditionelle Rollenverteilung in der Familie, kam dem aber schon nahe. Peter hätte das wohl gerne anders gesehen, da gerne mehr Gemeinsamkeiten gehabt. Derzeit gab es aber gerade wenig, was ihm einfiel, wo Susanne ihre Fachkenntnisse hätte dringend einbringen sollen, wo sie damit wirklich gefordert worden wäre. Sie hatte derzeit wohl nicht so viel Muße, sich in andere Bereiche einzuarbeiten und Routinekram wollte er bei ihr auch nicht abladen.
So genoß er es sichtlich, mir ausführlich zu berichten und mit mir zu fachsimpeln. Das ließ sich jedenfalls schon einmal gut an. Wir lachten gemeinsam, diskutierten locker herum.
Beim Mittag plauderten wir gemeinsam ein wenig. Eigentlich hätte Peter am Nachmittag Melanie übernehmen sollen. Ich schlug allerdings vor, mich zu Susanne zu gesellen und so gemeinsam mit Melanie den Nachmittag zu verbringen. Damit waren sie einverstanden. Und ich hatte ein wenig mehr Gelegenheit, mich ebenfalls vorsichtig Susanne anzunähern.
So gesellte ich mich nun zu Susanne und Melanie, um auf andere Gedanken zu kommen, die neuen Informationen sacken zu lassen, Melanie auch ein wenig zu belustigen, welche ja nur Resultat der neuen Konstellation ist, an welcher also keineswegs persönliche Verstimmungen auszulassen sind. Die Beschäftigung mit Melanie machte mir viel Spaß und so zusammen mit Susanne kam ich auch gut zurecht, wenngleich ich noch immer nicht überwunden hatte, wie schlecht das für mich gelaufen war, während ich konserviert gewesen war. Gegenüber Susanne verzichtete ich allerdings auf diesbezügliche weitere Spitzen. Stattdessen gingen wir freundlich, ja wieder freundschaftlich miteinander um. Und auch Melanie trug dazu bei, daß wir uns bereits wieder gut vertrugen und eigentlich sehr gut harmonierten. Melanie war zwar Ergebnis der Entwicklungen, sollte allerdings nicht unter unserem schwelenden Konflikt leiden. Ich mochte sie gleich von Anfang an. Wir hatten bereits einen ganz guten Draht zueinander. So war ich in ihrer Nähe sowieso gut beschäftigt und hatte keine Gelegenheit, in trüben Gedanken zu schwelgen, dazu machte es einfach zuviel Spaß zu erleben, wie sie allmählich die Welt erforschte, zu eigenen Ansichten und Fertigkeiten gelangte, sich noch etwas ungeschickt austauschte, aber gute Fortschritte machte.
Und Susanne war schon merklich erfreut darüber, wie gut ich auf Melanie reagierte, wie gut ebenso umgedreht diese auf mich.
So gelang es wirklich relativ zwanglos, wieder mehr Nähe zwischen mir und Susanne aufzubauen, wobei wir noch keine Vertraulichkeiten austauschten, aber schon gelegentlich fröhlich miteinander lachten und die gemeinsame Zeit so zu dritt bereits genossen. Überstürzen wollte ich da nichts, aber das schien mir bereits ein guter Anfang zu sein, um Susanne wieder näherzukommen.
Übertreiben wollte ich die Annäherung an Susanne auch nicht, so begab ich mich später wieder an die Arbeit. Aber vormittags war ich da schon eine gutes Stück weitergekommen, das war bereits ein vielversprechender Anfang, auf den ich nun aufbauen konnte.
So nutzte ich den Nachmittag, um mich in die Geochronologie und Gesteinsdatierung einzuarbeiten. Was auf der Erde, allgemeiner im Sonnensystem funktionierte, mochte hier im Rasol-System etwas andere Voraussetzungen haben. Allerdings hatten Asi und Stanis reichlich Proben aus dem System, somit ebenfalls eine gute Grundlage, um einerseits das Alter des Rasol-Systems aus verschiedenen Methoden zu bestimmen, andererseits gleichfalls Unterschiede, besondere Zusammensetzungen der Materialien von Methusalem. Daher waren die Schlußfolgerungen der Ais schon überzeugend. Methusalem paßte in seiner Hauptmasse, also abgesehen von eindeutig jüngeren Einschlägen, nicht in das sonstige Muster. Ein Einfang in das Rasol-System war also schon plausibel. Ich beschloß, mir das noch näher anzusehen.
Welche Zerfallsreihen hatten sie sich angesehen, welche Isotopen- und Elementenverhältnisse hatten sie analysiert, wo hatten sie Proben genommen?
Wenn ich mich da weiter einarbeitete, sollte es mir gelingen, weitere Vorschläge zu machen, was noch zu untersuchen wäre, welche weiteren Zerfallsreihen wir nutzen könnten, um die Hypothese noch besser abzusichern?
Ich wollte es versuchen und mich da hineinfuchsen.
Wenn Methusalem doch nur ein Kleinplanet ist, war doch davon auszugehen, daß er bei einem Einfang einst mit erheblicher Relativgeschwindigkeit in das Rasol-System gekommen ist. Betrachtet man nun ein einfaches Modell von zwei Punktmassen in einer gravitativen Wechselwirkung, so käme es nie zu einem Einfang. Bei einem solchen ist es immer notwendig, die überschüssige kinetische Energie irgendwie anders zu verteilen. Bei einem System aus mehr als zwei Körpern ist das möglich. Im Extremfall kann da etwa ein anderer Körper aus dem System geschleudert werden, ein größerer Planet könnte bei einer Wechselwirkung allerdings auch auf eine etwas energiereichere Bahn um Rasol verschoben werden, um die Energie so anders im System zu verteilen. Kommt es gar zu Einschlägen, kann ein Teil der kinetischen Energie auch in Wärme umgesetzt werden. Zwar gilt insgesamt immer noch die Impulserhaltung, trotzdem ist so bei komplexen, ausgedehnten Massen ein Einfang möglich. Erhaltung der Gesamtenergie, von Impuls und Drehimpuls ist gegeben, sie werden lediglich unter den beteiligten Objekten anders verteilt.
Obgleich solch ein Kleinplanet schon winzig ist im Vergleich mit den Gasriesen oder gar mit Rasol selbst, sollte solch ein Einfang bei den Planeten hingegen schon Spuren hinterlassen haben, von diesen hätten also wohl mindestens zwei ihre Bahnen geändert, vermutlich waren auch Bahnen diverser Kleinkörper wie Asteroiden geändert worden, mit der Wirkung von heftigeren Asteroidenschauern auf die Planeten in die folgenden Jahrhunderten oder Jahrtausenden. Häufungen von Ereignissen könnten also auf den Einfang hindeuten, mit Glück mit diesem eindeutig in Bezug gebracht werden.
Als weitere Ablenkung oder Aktivität hatte ich beschlossen, morgens wieder täglich einen Lauf zu absolvieren. Das war hier auf der Insel ohnehin viel abwechslungsreicher möglich, ebenso vom Ausblick her deutlich interessanter als noch auf der Raumstation. Die Ais hatten zudem ein Wegenetz angelegt, welches dafür sehr gut nutzbar war. Den nächsten Morgen flitzte ich also früh, noch vor dem Frühstück über die Wege der Insel, meditierte gar ein wenig am Felsenufer eines Badesees auf der Insel. Genaugenommen war das der einzige Badesee der Insel, jedenfalls von der Größe her dafür hervorragend geeignet, anders als das Meer mit sauberem, klaren Wasser ausgestattet, welches nicht bei etwas längeren Aufenthalt gleich die Haut angreift. Meditation reichte mir indessen an diesem Morgen. Ein Bad wäre aber sicherlich an einem anderen Tag auch eine schöne Option und Ergänzung des Programms.
Ein wenig Plauderei unterwegs wäre auch nicht schlecht.
Die schwangere Susanne wäre derzeit wohl nicht die optimale Begleitung.
Peter vielleicht?
Könnte dieser dazu Lust haben?
Überreden ließe sich der wohl schon?
Oder doch eher Esme?
Also nicht notwendig mit dem Avatar, der braucht sicherlich keine sportliche Aktivität, um in Schuß zu bleiben. Aber über das Kommunikationssystem könnte sich schon eine lockere Konversation mit Esme ergeben. Ich wollte das erst einmal im Hinterkopf behalten, für den Fall, daß es mit dem Morgenlauf alleine irgendwann doch ein wenig zu dröge werden sollte. Einstweilen genoß ich es aber noch, mich in aller Ruhe umzuschauen, mich ganz von der Bewegung in der friedlichen Landschaft durchdringen zu lassen. Ablenkung war da noch gar nicht notwendig. Aber mit der Zeit mochte das schon anders aussehen, so viele unterschiedliche Routen gibt es nun nicht zur Auswahl. Das Wetter ist schon mal anders, Charybdis steht anders am Himmel, aber sonst ähneln sich die Tage mit der Zeit.
Ich meditierte, um meine Gedanken zu befreien, um mich abermals von der jüngeren Vergangenheit zu lösen. Was passiert ist, ist nicht mehr zu ändern. Die Zukunft bietet Optionen, Möglichkeiten, nicht die Vergangenheit.
Aber wollte ich derzeit persönlich wirklich etwas erreichen?
Sollte ich nicht vielleicht einfach entspannen?
Es ist auch nicht so einfach, dafür aber ziemlich erschöpfend immer wieder neu anzufangen.
Wäre das nach jeder Wiederauferstehung so?
Immer wieder neu beginnen, weil sich inzwischen die Welt ohne einen weiterentwickelt hatte?
Es war eher eine Kurzmeditation über vielleicht eine Viertelstunde, wonach ich mich wieder auf den Weg machte, in einem großzügigen Bogen zurück zur Kolonie lief.
Die Meditation hatte gutgetan. Gelassen und entspannt duschte ich und ließ mir auch dabei Zeit. So fühlte ich mich merklich ausgeglichener, als ich nach einer Dusche zum Frühstück zur Familie Susanne, Peter und Melanie ging.
So in der Gruppe hatte sich die Stimmung schon entspannt, so lief das Frühstück munter und bei guter Laune ab.
Ich erzählte schon ein wenig über Methusalem und meine Ansätze, was ich noch genauer verstehen wollte, wo weiter nachbohren, um herauszufinden, ob ich da nur noch etwas nicht verstanden hatte oder ob da noch Lücken in der Argumentation waren.
Susanne fand es ebenfalls bemerkenswert, daß es da solch einen alten ‚Beobachter‘ im Rasol-System geben sollte, welcher eventuell irgendwo Informationen über die Historie des Systems gespeichert haben mochte. Ihr war jedenfalls auch nicht bewußt, daß der entdeckt worden war.
Wir hakten bei Ida nach, die schon angeben konnte, daß Susanne und Peter darüber kurz berichtet worden war. Der Fokus der Aufmerksamkeit lag in der Zeit aber eindeutig mehr bei den biologischen Projekten, weswegen das wohl untergegangen sei. Vermutlich war es ja nun auch so, daß es nicht wirklich dringlich gewesen war, was Methusalem ihnen über die Vergangenheit hätte verraten können, wenn gerade die Gegenwart insbesondere auf Charybdis solch verblüffende Entwicklungen zeigte. Immerhin hatte ich nun davon ebenfalls etwas mitbekommen. Weil meine Schwerpunkte etwas anders liegen, hatte ich das nun als interessant aufgegriffen. So hängt es wohl immer an Einzelpersonen und Interessen, was in den Vordergrund rückt, um näher untersucht zu werden. In dieser Hinsicht ist Forschung gar nicht so objektiv. Was untersucht, erforscht und entwickelt wird, hängt entscheidend von individuellen Interessen und Sichtweisen ab, selbst wenn die Methoden letztlich allgemeiner formuliert werden können.
Mit Pinseln, Leinwand und Farbe stehen Malern ja auch immer ähnliche Werkzeuge und Materialien zur Verfügung, die Ergebnisse sind allerdings deutlich unterschiedlich.
Indessen führen oft auch unterschiedliche Interessen und Forschungsprojekte zu ähnlichen technischen Anforderungen und Bedürfnissen, weswegen trotzdem ziemlich ähnliche technische Entwicklungen angestoßen werden können, welche wiederum erst weitere wissenschaftliche Fragestellungen aufwerfen oder es ermöglichen, bestimmte Fragen erst zu untersuchen.
Nach dem Frühstück gingen Peter und ich wieder in die Arbeitsecke, kümmerten uns um unsere Forschungsprojekte.
Die Analyse von Zerfallsreihen ist komplex. Ich hakte bei Ida und Körk nach. Die Ais hatten schon allerhand analysiert, räumten allerdings ein, bei Methusalem nicht wirklich in Details gegangen zu sein. Allerdings hatten wir reichlich Daten und Stanis und Asi zeigten ebenfalls Interesse, auch für sie war es irgendwie relevant, daß so ihre Forschungsarbeit auch in der Kolonie mehr Aufmerksamkeit bekam. So waren sie gerne bereit, Methusalem genauer zu untersuchen, auf Vorschläge einzugehen, bisherige Arbeiten zu erläutern, um so zu einem stimmigen Projekt zu kommen, Ziele genauer festzulegen, einen Plan zu haben, was wir eigentlich wissen wollen, wie uns Methusalem dabei helfen könnte. Schnell hatte ich mit Hilfe der Ais jedenfalls eine lange Liste von Möglichkeiten, wie das Alter von Gestein bestimmt werden kann, ebenso eine lange Liste von Daten über die Zusammensetzung verschiedener Bereiche von Methusalem. Ich hatte die Idee, daß wir Susanne hinzuziehen könnten, um diese zu motivieren, mit ihren Kenntnissen Ordnung in die Daten zu bekommen, sie für Menschen zugänglicher zu visualisieren und Korrelationen einfacher prüfen oder entdecken zu können, die in den Daten bereits verborgen sein könnten, allgemein Korrelationen herauszuarbeiten und unsere Hypothesen so unter Ausnutzung aller verfügbaren Daten effizient auszuwerten.
Dabei könnten wir entscheidend davon profitieren, die gewaltigen Datenbanken und das hohe Rechentempo der Ais mit unseren menschlichen Impulsen, Idee, Assoziationen bei der Sichtung der visualisierten Daten zu kombinieren, um zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Diese Kombination hatte sich bislang sehr nützlich erwiesen, weil wir so die jeweiligen Stärken von Ais und Menschen gut einsetzen, die Schwächen wiederum gegenseitig kompensieren.
So schlenderte ich zu Susanne, beteiligte mich an der Belustigung von Melanie und plauderte ein wenig über das Problem und die Komplexität. Ich kitzelte sie auch gleich ein wenig an ihrer Fachkompetenz, ihrer Expertise, komplexe Daten auswerten zu können, sie gut und verständlich für Menschen aufbereiten zu können. Ich betonte, ihr Beitrag wäre sehr wichtig, um die gewaltigen Datensätze kompetent durchzuforsten, schmeichelte ihr so, wobei das an sich nicht einmal Schmeichelei war, denn ich hätte da erhebliche mehr Zeit gebraucht, um mit deutlich weniger Eleganz schlechtere Programme zu schreiben, um das Projekt zu realisieren.
Susanne war gerne bereit, sich das anzusehen, ob sie da einen sinnvollen Beitrag leisten könnte, wies allerdings auch auf Melanie. Ich lächelte und erinnerte sie daran, daß da ja durchaus auch noch Peter als Vater sei, dazu ich sowieso. Folglich seien es also derzeit drei erwachsene Bezugspersonen für Melanie, nicht nur sie als Mutter. Zudem sei es gut für sie und ihr Selbstverständnis, auch einmal wieder ein anspruchsvolles Projekt am Rechner durchzuziehen. Susanne fühlte sich merklich geschmeichelt.
Etwas später machten wir uns zu dritt auf den Weg zu Peter und schilderten diesem die Idee. Dieser fand es gut, wenn Susanne sich beteiligen würde. Klar war ihm auch, daß so die Betreuung von Melanie etwas anders aufgeteilt werden müßte. Damit war er allerdings einverstanden, war gerne bereit, mehr Zeit mit ihr zu verbringen, auch um Susanne etwas mehr Freiraum zu verschaffen, sich um ein wissenschaftliches Projekt zu kümmern. So einigten wir uns darauf, daß Susanne den nächsten Tag einfach einmal mit mir zusammen in das Projekt einsteigen solle, während es Peter zukam, sich mit Melanie um sonstige alltägliche Dinge zu kümmern.
Das könnte ich nun schon nutzen, um Susanne näherzukommen. Wenn Peter mit Melanie gut beschäftigt ist, Susanne und ich mit einem gemeinsamen wissenschaftlichen Projekt, so mochte sich dabei schon eine Gelegenheit ergeben, ihr ein wenig näherzurücken. Ebenso gab es auf jeden Fall mehr Variationsmöglichkeiten in unserer Gruppe, vielleicht damit auch mehr Chancen, eine günstige Situation herbeizuführen, um Peter näherzukommen.
Den Rest des Tages bereitete ich vor, was ich Susanne erklären mußte, um dieser einen schnellen Einstieg in das Problem zu ermöglichen. Als ich damit fertig war, schaute ich mir Daten an, welche wir über Skylla und Charybdis hatten, fragte bei den Ais nach und beriet mich mit Ida schon einmal darüber, wie wir aus den vorhandenen Daten vielleicht mehr herausholen könnten, um neue Erkenntnisse über die beiden Planeten und ihre Vergangenheit zu bekommen. Da schien schon noch etwas zu gehen, es wurde uns allerdings relativ schnell klar, daß wir detailliertere Daten brauchen würden, um Hypothesen stichhaltig zu prüfen oder auch neue zu entwickeln. Ida konnte da wirklich allerhand bieten, was umsetzbar wäre, aufgrund vorhandener Pläne oder Module gar mit begrenzten Aufwand und relativ kurzfristig.
Per Satellit sollten so in den nächsten Wochen deutlich mehr Daten gesammelt werden, insbesondere über ein breiteres Frequenzspektrum verteilt, Radar, Infrarot, sichtbar mit besserer Auflösung, Ultraviolett bis fast hinein in den Röntgenbereich, wobei wir bei hohen Energien von den Planeten nicht viel erwarteten. Von daher war es eher relevant, bei niedrigen Energien, auch mit aktiven Systemen neue Informationen zu bekommen.
Die Planeten haben auch starke Magnetfelder. Eine präzise Vermessung der Magnetfelder wäre ebenfalls möglich. Allerdings hatten wir da bereits gute Daten, jedoch mehr im globalen Maßstab. Ich wollte deutlich höhere lokale Auflösungen, um Anomalien in der Planetenkruste aufzuspüren, vielleicht also eingeschlagene, magnetisierte Metall-Asteroiden oder andere Objekte mit deutlichem Einfluß auf das lokale Magnetfeld. Auch das war mit Sonden und Satelliten noch deutlich über das ausbaubar, was bislang an Daten aufgenommen wurde.
Schnell hatte ich auch den Gedanken, nicht nur elektromagnetische Strahlung zu analysieren. Ich schlug vor, eine Gruppe von Satelliten relativ eng benachbart fliegen zu lassen, damit über Abstandsänderungen unter ihnen Informationen über Gravitationsänderungen zu detektieren. Unterschiedliche Dichten im Erdmantel führen zu einer gewissen Ungleichmäßigkeit der Schwerkraft, welche sich auch auf die Bahnen von Satelliten auswirkt. Hat man nun welche mit geeigneten Meßgeräten und mißt untereinander Abstände, so ergibt das Abweichungen von Sollbahnen um einen Rotationsellipsoiden. Wird der Einfluß von Rasol und Skylla, beziehungsweise Charybdis auf das Potential herausgerechnet, ergibt sich so eine Strukturinformation über den jeweils untersuchten Planeten. Zusammen mit den anderen Messungen bekämen wir so Informationen über die Kartoffeligkeit der Planeten, also die Abweichung von der Form eines Rotationsellipsoiden.
Ida versprach, aufgrund von Daten über entsprechende irdische Projekte alsbald einen Vorschlag zu machen, wie wir dies umsetzen könnten. Einmal in Fahrt gekommen hakte ich gleich nach und brachte ins Spiel, daß es doch auch möglich sei, über seismische Messungen, also im Grunde durch den Planetenkörper wandernde Schall- und Druckwellen, Scherungen etc Informationen über den Aufbau des Planeten zu bekommen. Skylla und Charybdis sind ja seismisch aktiv, haben eine aktive Plattentektonik. Ida informierte, daß sie hinsichtlich der seismischen Aktivitäten bislang eher aus technischen Gründen Daten gesammelt hätten, primär also, um einen geeigneten Standort für die Kolonie auszuwählen, welcher von Erdbeben, Vulkanausbrüchen, dem ganzen Drama der Tektonik nicht wesentlich betroffen sei. Das würde sich allerdings kaum eignen, um genauere Aussagen über den Aufbau des Planeten zu machen. Bei der Plattentektonik hätten sie schon einen groben Überblick, um Feinheiten hätten sie sich allerdings bislang nicht gekümmert. So hatten wir hier gleich ein weiteres Projekt, welches wir zunächst einmal mit passiven Detektoren angehen wollten. Also zunächst eine größere Anzahl von empfindlichen Detektoren bauen, diese mit guter Auflösung verteilen und alsdann damit die durch Erdbeben erzeugten Daten analysieren und Rückschlüsse ziehen. Laufzeiten von Wellen durch den Planeten zu den jeweiligen Detektoren, die überall auf dem Planeten messen, ermöglichen Rückschlüsse auf die Schichtung und die Dichten von Schichten, wo gibt es an Schichtgrenzen Reflexionen, wo gibt es bei der Schichtung auffällige Deformationen, etwa durch Asteroiden-Einschläge hervorgerufen. In einer späteren Ausbaustufe könnten wir das auch mit unterirdischen Sprengungen ergänzen, um Daten in anderen Frequenzbereichen und mit präzise lokalisierbaren Quellen zu generieren.
Damit jedenfalls sollten wir erheblich weiterkommen und es würde möglich werden, jedenfalls ein Stück weit in die Planeten hineinzusehen, eventuell eben auch Einschläge zu entdecken, die Hinweise darauf geben könnten, wann es auf welchem Planeten zu einer größeren Einschlagskatastrophe gekommen ist. Deformationen und stark ungleichmäßige Verteilung der Dichten und des Magnetfeldes im Planetenkörper könnten ferner auf größere Katastrophen hinweisen, etwa einen streifenden Zusammenstoß mit einem anderen Körper, welcher dazu geführt haben mochte, daß sich die beiden Zwillingsplaneten hinsichtlich der Ansiedlung von Leben komplett unterschiedlich entwickelt hatten.
Wie abgesprochen kümmerte sich Peter den nächsten Tag um Melanie und Susanne und ich um die Optimierung der Datensätze der Zerfallsreihen und Isotopenverhältnisse von Methusalem. Ich war gut vorbereitet, aber natürlich stellte Susanne Fragen aus einer ganz anderen Perspektive. So waren wir schnell in das Projekt vertieft und wir wurden beide sehr gefordert, um das gut auf den Weg zu bekommen. Susanne war allerdings schnell zu begeistern und ebenfalls neugierig darauf, ob wir bei dem Kleinplaneten wirklich mit dem gesamten Datenmaterial auf konsistente Altersschätzungen für verschiedene Koordinaten kommen würden, also einerseits jene Regionen, welche als weitgehend alt eingeschätzt wurden, aber auch für jene Bereiche, die aufgrund von Einschlägen ein deutlich jüngeres Datum aufweisen sollten. So würden wir hoffentlich eine Art von Chronologie bekommen, mit weit mehr Proben von verschiedenen, auch kleinere Kratern durch Stanis oder Asi, wohl auch Häufigkeitsverteilungen auf der Zeitachse von Ereignissen, unter Berücksichtigung der Ausformung der Krater vielleicht gar Rückschlüsse auf ungefähre Richtungen von Scharen von Einschlagsobjekten.
Da Methusalem ja weit draußen, jenseits der Gasriesen seine Bahnen zieht, konnten wir natürlich nicht wirklich detaillierte Informationen darüber erhoffen, was im Innenbereich des Rasol-Systems vorgefallen war. Allein seine abweichende Ekliptik der deutlich elliptischen Bahn, die im Rasol-System eher ungewöhnliche Umlaufrichtung wiesen auf einen Einfang hin. Dabei war auch nicht so klar, wie das so weit draußen passiert war. Vielleicht gab es ja ursprünglich doch einen Durchflug durch das System, einschließlich größerer Ablenkungen und Abbremsungen durch mehrere Planeten, weitere Ereignisse und nach dem Einfang kompliziertere längere Wechselwirkungen mit den Gasriesen, welche Methusalem langsam wieder aus dem inneren Bereich des Systems an den Rand gedrängt hatten.
Würden wir bei der genauen Analyse Informationen über einen Aufenthalt im Innenbereich des Rasol-Systems finden, etwa Einschlagsobjekte, welche den Asteroidengürteln Geri, Freki oder gar Wotan zuzuordnen wären?
Das alles könnten relevante Informationen sein, was einst vorgegangen ist, was einst auch dazu geführt hatte, daß es das Doppelplanetensystem Skylla und Charybdis überhaupt gibt, wieso sich die beiden Planeten trotzdem so unterschiedlich entwickelt hatten.
Susanne jedenfalls hatte irgendwann genug Informationen, um auch alleine zu basteln. Ich nutzte unser Beisammensein allerdings, rückte näher heran, daß wir unsere Köpfe dicht zusammensteckten und noch einmal alles durchsahen, prüften, Verständnis verifizierten und dabei auch zunehmend lockerer herumscherzten. Mal ein Knuff dabei von mir, mal von ihr, ein herzliches Lachen ausgetauscht, ein tieferer Blick von mir in ihre Augen, von ihr durchaus erwidert.
Das führte zu einer kurzen, stillen Pause, die schon auch weiterhin auf Interesse schließen ließ. Susanne räusperte sich allerdings schnell, lächelte etwas verlegen und wir konzentrierten uns wieder auf die Daten und Zerfallsreihen, die Korrelationen und Abhängigkeiten. So vertieft im wissenschaftlichen Diskurs und der Klärung von Detailproblemen, die sich Susanne hinsichtlich ihres Programmes bereits überlegte, aussprach, im Formulieren mir gegenüber bereits konkrete Formen plante, legte ich wie selbstverständlich einen Arm um sie. Sie wehrte nicht ab. Und so waren wir schon relativ vertraut miteinander, während es doch hauptsächlich bereits um die praktische Umsetzung des wissenschaftlichen Projektes ging. Das fühlte sich gut an, aber ich wollte sie auch nicht zu sehr, zu schnell bedrängen. Von daher war es ganz in Ordnung, daß wir letztlich doch eigentlich mit der Besprechung durch waren.
Für die konkrete Programmierarbeit brauchte sie Ruhe und Zeit für sich. Die sollte sie nach dem Mittagessen auf jeden Fall reichlich bekommen.
Damit hatte ich wiederum Gelegenheit, einfach Peter und Melanie Gesellschaft zu leisten. So konnte ich für Ausgleich sorgen, einen guten Zusammenhalt in der Gruppe. Damit würde es auch weniger auffällig wirken, wenn ich im weiteren Verlauf immer mehr die Nähe zu Susanne und Melanie suchen würde.
Ich schlug Peter vor, uns nachmittags draußen ein nettes Plätzchen zu suchen, einen kleinen Spaziergang zu machen. Er war einverstanden. So packten wir ein paar Sachen zusammen, informierten beim Mittag kurz Susanne über den kleinen Ausflug und schlenderten anschließend los. Für Melanie hatten wir eine Tragehalterung direkt am Körper. Sie konnte schon selber gehen, aber nicht eine solch große Strecke. Einstweilen war Peter damit eingespannt und Melanie machte es Spaß. Wir gingen immerhin bis zum Badesee, breiteten eine Decke aus und spielten dort mit Melanie. Wir waren locker, fröhlich und entspannt und genossen den Nachmittag, tobten ein wenig herum, bis Melanie schlicht müde war. Jedenfalls war das bei der kleinen Toberei schon so, daß es immer mal wieder zu kleineren Schubsern, Berührungen zwischen mir und Peter kam. Das war natürlich ganz harmlos und freundschaftlich.
Als Melanie etwas schlief, hatten wir Gelegenheit, uns in der näheren Umgebung etwas umzusehen. Ich wies auf ein paar Pflanzen in der Nähe und fragte Peter nach Namen und sonstigen Informationen darüber. Peter schaute und erklärte ein wenig, war so irgendwie neugierig geworden und schaute sich nun selber etwas genauer an, was hier so wuchs. Gar nicht so weit weg von unserem Platz, vom Weg und vom See entdeckte er bereits eine offenbar interessante Ecke. Hier hätte er gerne eine Probe genommen, sich etwas genauer angesehen, hatte allerdings keine Ausrüstung dabei. Ich hakte nach, ob er schon selbst einmal unterwegs gewesen sei, um etwas persönlich zu untersuchen. Peter erläuterte, der Schwerpunkt von Untersuchungen habe ja zum guten Teil auf Charybdis gelegen, hier auf Skylla hingegen meist in anderen Gebieten, weniger auf unserer Insel, welche ja doch speziell sei, von den Ais schon extra für uns eingerichtet. So seien also die Proben immer von Sonden gesammelt worden.
Nun war er allerdings auch der Meinung, daß es eigentlich nicht schaden könne, hier gleich auf unserer Insel ein paar kleinere Tages-Expeditionen durchzuführen, sich selbst ein Bild zu machen, selbst Stellen für Probennahmen auszuwählen, damit das zu ergänzen, was die Sonden an Material sammeln würden. Das schien auch mir einleuchtend. Genauso um unseren Kontakt weiter zu intensivieren, bot ich gleich an, ihn auf Expeditionen zu begleiten und ihm zu helfen. Schnell wurden wir uns einig, daß wir das durchziehen wollten. Für diesen Tag allerdings ging es zurück zu Melanie, welche allerdings noch schlief. So machten wir also ebenfalls eine Pause, entspannten etwas, nahmen etwas von den mitgebrachten kleinen Speisehappen zu uns. Nachdem Melanie wieder erwacht war, spielten wir noch ein wenig, packten allerdings bald zusammen und setzten unseren Spaziergang fort, diskutierten dabei schon einmal mögliche Routen für kleine Tages-Expeditionen. Nun ist ja lediglich ein kleinerer Teil unserer Insel von den Ais mit Wegen ausgestattet worden. So gab es bereits einen kleineren Fußmarsch davon weg einfach wilde Vegetation. Natürlich, in den eher felsigen Bereichen, die jenseits des Badesees im bergigen Bereich der Inseln lagen, war die Vegetation nicht so dicht, allerdings gleichfalls interessant für die Besiedlung karger Regionen. In anderen Bereichen der Insel wächst bereits deutlich mehr, also hatten wir ebenfalls auf unserer Insel deutlich verschiedene Gebiete. Und Peter wußte auch bereits, daß die Ais hier zwar besonders fleißig Arten angesiedelt hatten, über die Zeit seit der ersten Ansiedlung von Pflanzen allerdings viel Wildwuchs entstanden war. Die Insel war also keineswegs ein gepflegter Garten, da entwickelte sich das Geschehen weitgehend auf sich selbst gestellt. Lediglich im Bereich der Kolonie gab es aktiv gepflegte Anbauflächen. Die Ansiedlung war in weiten Teilen der Inseln auch nie sortiert und fein geplant wie in einem Garten verlaufen. Die Ais hatten eher großräumig keimfähige Substratkörner ausgebracht, also der Keim jeweils angereichert mit einer Starthilfe und mit Mikroorganismen. Hinzu kamen auch an geeignet erscheinenden Stellen die direkte Anpflanzung und Auswilderung von Sprößlingen aus den Gewächshäusern.
Als wir am späten Nachmittag wieder in der Kolonie ankamen, war Susanne mit ihrer Arbeit gut vorangekommen. Weil es nun doch noch weitere Details zu klären gab, setzte ich mich zu Susanne, um mich darum mit ihr zu kümmern. Das meiste bekamen wir gleich so hin, ein paar Sachen mußte ich allerdings auch noch recherchieren und verstehen, von daher schloß Susanne ihr Tagewerk nur noch ab, gesellte sich daraufhin mit mir zu Peter und Melanie. Wir plauderten und spielten noch ein wenig, was eigentlich nahtlos in die Zubereitung des Abendessens überging.
Abends saßen wir zusammen, sahen einen Film und plauderten noch etwas.
Wir diskutierten mit Susanne dabei auch gleich die Idee der Tages-Expeditionen, gegen welche sie nichts einzuwenden hatte. So stand dem also nichts im Wege und Peter würde das in den folgenden Tagen mit mir vorbereiten, wobei zunächst ja noch Susanne und ich mit den aktuellen Optimierungsarbeiten weiterkommen mußten. Aber wir würden uns da schon arrangieren. Erst einmal sollte primär Susanne mit ihrer Arbeit zu einem guten Zwischenergebnis kommen, danach würden wir wieder gleichmäßiger aufteilen, wer sich um Melanie kümmert, wer hauptsächlich mit Projekten beschäftigt ist. Prinzipiell hätten wir natürlich auch die Ais bitten können, auf Melanie zu achten, aber es schien uns derzeit angemessener zu sein, das unter uns dreien aufzuteilen.
An nächsten Morgen nach dem Frühstück war Susanne also gleich wieder fleißig bei der Arbeit. Ich recherchierte und las, um meine Lücken bei Zerfallsketten und Isotopenverhältnissen zu schließen, mich ebenfalls etwas vertrauter mit der Astro-Geologie zu machen, um nicht versehentlich Fehlinterpretationen zu liefern, aber auch um selbst zu beurteilen, wie stichhaltig und aussagekräftig die verschiedenen Methoden und Strategien vermutlich sind, inwiefern vielleicht doch eigentlich spezifisch für den ursprünglichen Anwendungsbereich im Sonnensystem, was davon allerdings als universell zu verallgemeinern ist, was also insbesondere auch gut auf das Rasol-System anwendbar wäre. Mir war natürlich schon klar, daß es im Sonnensystem viel mehr Untersuchungen und damit genauere Kenntnisse der Rahmenbedingungen gegeben hatte, dort war es also leichter, Meßergebnisse einzuordnen und ein stimmiges Gesamtbild zusammenzusetzen. Hier im Rasol-System würde es wohl zwangsläufig bei Überlegungen, Hypothesen, mehr oder weniger gewagten Geschichten bleiben, Ideen, was passiert sein könnte. Nun, darauf baut letztlich alles auf und über die Forscher-Generationen kann sich das später einmal zu genaueren Bildern verdichten. Nur wenn mutig begonnen wird, die Entwicklung anzuschubsen, passiert da aber überhaupt etwas.
Peter war unterdessen hauptsächlich wieder mit Melanie betraut, hatte nebenbei allerdings auch ein wenig Zeit, um sich um die Idee der Tages-Expeditionen zu kümmern. So hatte er bereits Satellitenbilder unserer Insel auf dem Monitor, um erste Routen planen zu können. Und eine Liste hatte er auch schon begonnen, was wir brauchen würden, um den wissenschaftlichen Teil einer solchen Expedition gut mit dem zu meistern, was zwei Personen bequem mit Rucksäcken würden bewältigen können. Wegen Melanie kam er damit nicht so weit, was allerdings nicht so schlimm war, denn es drängte uns ja nichts, das noch gleich in derselben Woche zu beginnen.
Noch vor dem Mittag hatte Susanne so viel vorzuweisen, daß sie mich wieder hinzuzog und wir gemeinsam darüber berieten, ob das nun schlüssig und plausibel war, was bislang bereits funktionierte. Immerhin, auch mit dieser erheblich genaueren Analyse war klar, daß Methusalem wirklich ein alter Bursche aus einem anderen Sonnensystem sein mußte, also in der Tat ein spektakulärer Kleinplanet, welcher hier irgendwie eingefangen worden ist. Wir konferierten mit Stanis und Asi darüber, wobei wir schnell die Information bekamen, daß Methusalem trotz seiner deutlich von der Hauptekliptik des Rasol-Systems abweichenden Bahn noch relativ gut erreichbar war. Wenn er sich nicht gerade grob im Bereich der Hauptekliptik aufgehalten hätte, wäre er vermutlich zwar schon entdeckt, aber noch gar nicht untersucht worden. So entwickelte ich also mit Susanne, Stanis und Asi eine neue Stoßrichtung der Methusalem-Forschung, welche diesen mehr als Beobachter des Rasol-Systems sehen sollte. Wir wollten wissen, wann er ungefähr in das System gekommen war, was daraufhin grob passiert sein mochte. Woher er gekommen war, war indessen wohl sehr schwierig zu bestimmen, denn zwangsläufig mußte es da drastische Bahnänderungen beim Einfang gegeben haben. Die Idee war jedenfalls, größere und kleine Einschlagskrater auf Methusalem zu untersuchen, welche davon also über welchen angeordnet sind, somit sicherlich jünger als darunterliegende, ferner wollten wir Positionen und Material der Einschlagskörper wissen.
Nun hat ein Kleinplanet wie Methusalem zwar genug Masse, um grob die Form eines Rotationsellipsoiden auszubilden, indessen deutlich weniger als etwa die Erde, Charybdis oder Skylla. Deswegen sind Einschläge von Asteroiden, anderen Gesteinsbrocken etwa von Katastrophen stammend, bei welchen es Einschläge auf anderen Planeten gegeben hatte, wobei von diesen Planeten wiederum Brocken ins All gestreut wurden, natürlich deutlich weniger destruktiv als bei großen Planeten, wenngleich Kleinplaneten auch keine bremsende Atmosphäre haben. Weil diese fehlt, findet die Erhitzung des Materials wiederum nun unmittelbar beim Einschlag statt, die Brocken zerlegen sich nicht bereits in der Atmosphäre, weswegen die Chancen deutlich besser sind, in den Einschlagskratern noch Material solcher Projektile zu finden, welche den Einschlag weitgehend unverändert überstanden haben, wenigstens tief im Inneren dieser Projektile.
So einigten wir uns darauf, daß Asi mit allerhand Gerät vor Ort Methusalem diesbezüglich eingehend erforschen sollte. Stanis würde hingegen weiterhin die Schwerpunkte der Forschungsprojekte verfolgen, die eigentlich bislang gerade aktuell waren. Aufgrund der verteilten Speicher und Identitäten der Ais war es Asi zudem möglich, gleichzeitig mehrere Projekte zu betreuen, von daher war das nun keine massive Störung ihrer Aktivitäten, im Gegenteil, sie zeigten sich interessiert an den aufgeworfenen Fragestellungen. Sie zeigten sich auch interessiert daran, einmal etwas enger mit uns Menschen zusammenzuarbeiten und gleich intensive Rückmeldungen zu ihren Untersuchungen zu bekommen, aufgrund der Kooperation eben auch unsere Sichtweise und Interpretation, unsere Ansätze für eine Auswertung. So hatten wir das schon einmal gut auf den Weg gebracht.
Ferner galt es natürlich auch noch, die bislang offengebliebenen Fragen mit Susanne zu klären, von denen ich dank meiner Recherche inzwischen einige diskutieren konnte, auf passende Literatur verweisen. Auch dabei steckten wir die Köpfe wieder zusammen, gingen locker miteinander um, vorsichtig festigte ich das neue, zarte Band, welches sich zwischen uns gebildet hatte. So kamen wir auch damit gut voran. Eine weitere Verfeinerung und Optimierung unserer Analysen würde sicherlich helfen, die neuen Daten von Asi, die kommen würden, besser einzuordnen und zu einem plausiblen Bild zu formen.
Nach dem Mittag diskutierte ich mit Susanne und Peter indessen erst einmal meine Ideen, um mehr Daten über die Zusammensetzung von Skylla und Charybdis zu erhalten, die Kartoffeligkeit der Planeten zu analysieren, um so eventuell Hinweise auf die Historie zu bekommen. Die dabei aufkommende Datenmenge und die Korrelation der Daten wäre natürlich ebenfalls sehr komplex, also ebenfalls ein Anknüpfungspunkt für Susanne, auch hier zu optimieren. Dazu war sie bereit, wollte sich das gerne ansehen, wenn ihre Arbeiten am Methusalem-Astro-Geologie-Projekt zu einem guten Zwischenergebnis gekommen wären.
Ida berichtete schon einmal über die Fortschritte im Satellitenbau, um einerseits weitergehende Spektren aufzunehmen, aktive Radarmessungen etc durchzuführen, zudem das Schwerkraft-Nahfeld der Planeten untersuchen zu können. Da hatten wir ja Vorlagen, Pläne von der Erde, zudem war es nun deutlich einfacher, Satelliten zu bauen, als zu meiner Zeit auf der Erde. Die Mikroroboterschwärme bauten die fast gleich vor Ort im Orbit mit Material, welches Körk bei der Bereinigung der Asteroidengürtel ohnehin gesammelt hatte. Von daher gab es da keinen aufwendigen Start mit Raketen vom Planeten aus, keine umständlichen Transportsicherungen, keine Kontaminationen, alles wurde gleich in einem Bereich mit lediglich Mikrogravitation gefertigt etc. Zudem gab es für viele Anwendungen praktisch bereits Pläne mit fertigen Modulen, welche für die jeweilige Spezialanwendung nur optimiert und angepaßt werden mußten, wenn sie nicht gleich ausreichend für die Anwendung waren.
Im Anschluß an die kleine Sitzung hatte ich ein Einsehen und übernahm Melanie von Peter, damit hatte dieser nun Gelegenheit, einerseits seine laufenden Projekte einzusehen, andererseits vor allem unsere Tages-Expeditionen weiter zu planen. Damit kam er gut voran. Und weil Melanie ja nun wirklich sehr lieb und brav war, war es schon möglich, daß ich mich immer wieder daran beteiligte, ein paar Ideen hinsichtlich der Logistik einbrachte. Gerätschaften für Probennahmen hatten wir bereits verfügbar, zudem waren Ida und Hildegard in der Lage, uns im Bedarfsfalle mit einem Luftschiff zu unterstützen, jedenfalls bei mehr oder weniger stabilen Windverhältnissen würden sie uns so bereits unterwegs Proben abnehmen können, ebenso gegebenenfalls größeres Gerät herunterlassen können. Wenn dies aufgrund von böigem Wind eher schwierig wäre, hätten wir trotzdem unterwegs immerhin noch Satellitenbilder verfügbar, ebenso Bilder vom Luftschiff. Beides sollte uns helfen, die geplante Route durch die Wildnis zu finden, eventuell auch kleinere Abstecher zu interessanten Stellen zu machen. Von daher kamen wir da sehr schnell mit der Planung voran. Die Idee war, zunächst mit verfügbaren Fahrrädern das vorhandene Wegenetz zu nutzen, um zügig und einfach an den Beginn einer Route zu gelangen. Danach würde es mit Rucksäcken hinein in die Wildnis gehen. In einigen Bereichen mit wenig Bewuchs und nahezu ebenem, ziemlich festen Boden würden wir mit den Rädern sogar noch etwas weiter vordringen können. Das konnten wir so bereits aufgrund der vorhandenen Aufnahmen der Insel schon ungefähr festlegen, somit schon solide planen.
Insgesamt konnten wir abends sehr zufrieden mit den Fortschritten der Projekte sein. Susanne war gut vorangekommen und überlegte nun bereits, wie eine Visualisierung der Datenmassen zur Untersuchung von Skylla und Charybdis effizient, ergonomisch zu realisieren sei. Für die Daten von Methusalem hatten wir schon einen sehr schönen Prototypen, um die Ergebnisse der Probenanalysen gut erfassen zu können. Solche Interpretationshilfen durch gute Darstellung von Daten ist immer wichtig, um sich nicht darin zu verlieren, sondern aus den Einzelaspekten besser einen Gesamtzusammenhang erschließen zu können. Hier war Susanne auf einem guten Weg, hatte als Pädagogin und Informatikerin in dieser Kombination ein hervorragendes Gespür dafür, uns Daten zu erschließen, um einerseits Fragen aufzuwerfen, andererseits Hypothesen zu entwickeln. Das erfreute mich sehr, sie so engagiert bei der Sache zu sehen. Das brachte uns einander auch wieder näher.
In den folgenden Tagen brachten wir in aller Ruhe unsere aktuellen Projekte voran. Als Susanne ihre Hauptarbeit erledigt hatte, somit ein gutes Zwischenergebnis vorweisen konnte, sich nun also wieder mehr Melanie widmen wollte, paßte das wiederum gut dazu, daß die Planungen für die Tages-Expeditionen abgeschlossen waren, zudem eine günstigen Wetterlage gegeben war. So waren wir uns einig, daß Peter und ich losziehen sollten, um die erste Exkursion zu bewältigen.
Ich schlug unterdessen vor, daß wir ja durchaus einige der Expeditionen ganz entspannt angehen könnten. Susanne und Melanie könnten uns ein Stück weit bis zu einem schönen Platz begleiten, dort picknicken und auf unsere Rückkehr warten. Zudem könnten wir variieren. Einige kleinere Touren könnte Peter ja durchaus auch mal an einem Tag alleine durchführen, während ich Susanne und Melanie Gesellschaft leisten könnte.
Das hielten Susanne und Peter für eine gute Idee. Susanne würde so mit Melanie zwar nicht immer mitkommen, bei einem gut gelegenen Startpunkt für unsere Expeditionen, zudem bei gutem Wetter wollten wir die Option aber durchaus im Hinterkopf behalten und bei der weiteren Routenplanung berücksichtigen.
Die erste Tour war allerdings noch nur für Peter und mich geplant.
So radelten wir also an einem Morgen munter los, die Rucksäcke festgemacht, ein Luftschiff zur Unterstützung bereits ungefähr über dem Startpunkt unserer eigentlichen Route. Der lag in diesem Falle relativ nahe an einem der angelegten Wege, daß wir die Räder noch auf dem Weg abstellten und loswanderten. Unser Plan sah eine Route in einer etwas bergigeren Zone vor. Die Route sollte uns später zurück zu dem Weg führen, welcher um den Badesee führte. Da wir noch nicht so gut einschätzen konnten, wie gut wir vorankommen würden, wie lange Probennahmen dauern würden, wieviele Proben wir würden ziehen wollen, war diese erste Route vom Umfang her eher bescheiden ausgelegt.
Schnell fand Peter interessante Stellen, erläuterte mir überdies nebenbei, was interessant für ihn dabei war. Ich fragte kritisch und neugierig, weswegen er durch die Notwendigkeit der expliziten Formulierung sich genauer Gedanken darüber machen konnte, was aus seiner Sicht interessant war, was objektivierbare Kriterien wären, etwas zu untersuchen. Daran arbeiteten wir im Gespräch nun intensiver, denn so wurde ihm das einerseits klarer, wir konnten das zudem ergänzen. Andererseits konnte ich so ebenfalls mit kundigerem Blick Ausschau halten, mich also bei der Expedition auch inhaltlich nützlicher machen, ferner waren solch explizit formulierte Kriterien gleichfalls nützlich für die Missionen der Sonden, die sonst Proben nahmen. Mit einem erweiterten Kriterienkatalog würden auch die besser in der Lage sein, Proben an Stellen zu nehmen, die aus Peters Sicht auf jeden Fall sehr relevant sein könnten, für ihn persönlich jedoch nur schlecht oder gar nicht erreichbar sind.
So kamen wir also bereits am Anfang dieser ersten Expedition mit dem Verfahren deutlich voran. Ich hatte nun allmählich ein klareres Bild davon, wie vorzugehen ist, auf was zu achten ist. Das Gespür, die Intuition kommt mit der Praxis, der Erfahrung mit den Forschungsobjekten.
Wir versäumten es allerdings auch nicht, an schönen Aussichtspunkten innezuhalten, den Ausblick zu genießen, jedoch dabei ebenso Ausschau zu halten, ob es aus dieser Perspektive nicht interessante Stellen zu entdecken gab, welche wir unbedingt untersuchen sollten. So machten wir wirklich schnell den ersten Abstecher weg von unserer eigentlich geplanten Route. Das war allerdings unproblematisch, denn es lag ja durchaus im Zeitplan, auch Dinge zu tun, die nicht bereits vorgesehen waren. Gerade diese spontanen Impulse sind es ja gerade, die einem oft neue Erkenntnisse ermöglichen. So gingen wir dem natürlich nach.
Nun ist es in dem bergigen Gelände natürlich durchaus karg, da war schon auf Details zu achten, allerdings auch nicht so uninteressant hinsichtlich jener Pflanzen, die sich besonders gut für die Erstbesiedlung von kargen Landschaften eignen, wovon Skylla ja reichlich hat. Auf unserer Insel lag allerdings die Besonderheit vor, daß die Luftfeuchtigkeit hier deutlich höher ist als weit im Inland, entsprechend regnet es hier auch einmal ab. Das sind deutlich günstigere Bedingungen als in ausgewiesenen Wüstenregionen des Planeten. Dafür hatten wir es in dem heute untersuchten Bereich ziemlich felsig, von daher wenig Material, in welchem Pflanzen Wurzeln schlagen können. Auch dies ist in Skylla natürlich häufig anzutreffen. Ohne Leben gibt es ja keine Humusbildung. Staub- und Sandablagerungen sind da nur bedingt geeignet, in eher zugigen Ecken einer ursprünglichen Vulkaninsel auch nicht so ausgeprägt. Eine Humusbildung oder ähnlich geeignete Ablagerungen hatten wir auf der Insel hauptsächlich dort, wo es schon seit der Anfangsphase der Besiedlung Pflanzen und Pilze gibt, die Boden und allgemein Material gut halten können.
Die Tagesdunkelheit hatten wir im Hinterkopf behalten, somit hatten wir rechtzeitig einen guten Rastplatz aufgesucht und hatten dort eine Pause und Mahlzeit. Wir plauderten über bereits gezogene Proben und deren Standorte, die weitere Route. Ansonsten verdösten wir die Zeit einfach, wobei ich mich einfach so grob einen Meter neben Peter platziert hatte, so konnten wir uns gut unterhalten, wenn einem von uns gerade etwas einfiel, was zu diskutieren war. Bei den Probennahmen oder Hinweisen auf besondere Aussichten oder eventuell interessante Orte für Probennahmen hatte sich gelegentlich schon die Möglichkeit geboten, ihn unverfänglich zu berühren. Das ging so ganz selbstverständlich und aus der Situation heraus, daß darin nicht so viel lag. Auch damit hatte ich allerdings nun eine harmlose Art von Vertraulichkeit eingeführt, die wir nicht wieder zurücknehmen würden. Mehr passierte jedoch auch nicht zwischen uns.
Wir hatten Zeit, so begann ich einfach mal: „Entwickelt sich doch eigentlich gut. Wir arbeiten zusammen, auch Susanne ist wissenschaftlich voll dabei.
Das geht doch besser als befürchtet!“
Peter stimmte zu: „Auf jeden Fall. Susanne war sich schon sehr unsicher, wie du auf die neue Situation reagieren würdest. Ich hatte auch gewisse Bedenken. Nun klappt es wirklich gut mit uns dreien.
Daß du Susanne an deinen neuen Projekten beteiligen konntest, ist für sie schon sehr relevant.
Es zeigt ihr deutlich, daß du sie akzeptierst, nicht etwa meidest!“
Ich antwortete: „Auf Melanie bin ich auch gleich offen zugegangen, konnte eine Beziehung zu ihr aufbauen, schon von daher sollte sie doch keine Befürchtungen mehr haben, daß ich aggressiv werden könnte.“
Peter lachte kurz, meinte: „Aggressiv nicht gerade, verärgert oder eingeschnappt schon eher …“
Ich bekannte: „Bin ich auch ein wenig, aber an Melanie lasse ich das gar nicht aus. Und ich weiß das schon zu trennen mit unseren wissenschaftlichen Projekten und privaten Aspekten. Bei letzteren entwickelt sich das eben, da können wir nicht rückgängig machen oder ändern, was bereits passiert ist. Das ist die normative Kraft des Faktischen, der Imperativ der Existenz in der Raumzeit.
Wozu sich darüber also noch den Kopf zermartern?
Und inzwischen hat sich das Verhältnis zwischen Susanne und mir doch bereits wieder ganz gut entspannt. Wir harmonieren regelrecht miteinander. Dazu trägt wohl auch bei, daß wir wissenschaftlich gut zusammenarbeiten und wir gelegentlich auch gemeinsam etwas mit Melanie machen.
Ich glaube, ich sollte das weiter ausbauen, weiter auf Susanne eingehen, damit sich das noch weiter bessert, meinst du nicht?
Also doch besser Blick voran und sich darum kümmern, was wir nun daraus machen können.
Da könnt ihr beide euch schon entspannen und wieder euren Spaß miteinander haben …“
Peter räusperte sich.
Ich hakte nach: „Was denn?
Stimmt was nicht?“
Peter zögerte etwas, begann daraufhin aber: „Zu deiner Frage: Es hört sich gut an, daß ihr beide gut harmoniert, wieder einen guten Draht zueinander gefunden habt. Da solltest du auf jeden Fall dranbleiben. Das ist wichtig für uns als Gruppe.
Was unseren Spaß derzeit anbelangt, naja, da hakt es derzeit etwas.
Also weißt du, es war ja schon bei der ersten Schwangerschaft so, daß sie sich etwas zurückgezogen hat, also in den letzten Monaten kein Sex mehr, hat sich gesteigert. Es ist ja schon so, die Schwangerschaft belastet und sie hat dann keine Lust. Weil sie aber wohl denkt, ich wäre sehr auf Sex aus, wenn ich mich ihr nähere, so hat sie zunehmend auch Zärtlichkeiten, Nähe abgeblockt.“
Ich unterbrach: „Ist das denn so, daß du immer Lust auf Sex hast?
Also, wenn du dich ihr näherst?“
Peter räusperte sich etwas verlegen, antwortete nach weiterem Zögern: „Da ist schon mehr, auch die Nähe, das Wohlfühlen einfach so zusammen. Was aber auch stimmt, wenn ich sie in den Armen halte, sie spüre, so bekomme ich eben auch schnell Lust, das stimmt schon. Ich kann mich indes schon beherrschen. Verborgen bleibt ihr das nicht, wodurch sich die Situation eben gleich so entwickelt, daß offenbar wird, daß ich eigentlich schon Lust auf Sex hätte und loslegen könnte, körperlich sowieso, sie jedoch eigentlich keine Lust hat. Und so blieb sie zunehmend auf Distanz, um diese etwas peinliche Situation zwischen uns zu vermeiden, was uns beiden nicht so gut bekommen ist.“
Ich erwiderte: „Verstehe. An sich hört es sich so an, daß du nicht prinzipiell etwas falsch gemacht hast, sie ist eben attraktiv, du liebst sie, hast also auch Lust auf sie. Sie liebt dich zweifellos gleichfalls, in der besonderen Situation hat sie allerdings andere Bedürfnisse, die meist nicht in Richtung Sex gehen, das löst in ihr einen Konflikt aus, Nähe, Geborgenheit, Sicherheit an sich schon, jedoch nicht unbedingt Sex dabei oder in der Folge.“
Peter bestätigte: „Genau. Immerhin hat sich das nach der Geburt wieder gelegt. Klar, da habe ich ihr gut beigestanden, sie umsorgt und aufgepäppelt, mich intensiv gekümmert. Mit dem Kind ist ja alles neu, aufregend, turbulent. Wir waren sehr gefordert, hatten viel zu lernen. Da war Sex erst einmal kein Thema, es drehte sich alles um unsere Familie, um Melanie, darum, daß Susanne sich wieder komplett erholen sollte. So sind wir wieder näher zusammengerückt, haben eine neue Basis gefunden.
Erst hier in der Kolonie ist uns eigentlich erst wieder der komplette Neustart gelungen. Es war alles neu, frisch und aufregend. Hat sich zudem auf uns übertragen und somit ging das ebenfalls mit dem Sex wieder klar, wir hatten beide intensiv Spaß daran und alles war gut, Susanne bald allerdings auch wieder schwanger.
Das war gleichfalls eine schöne, erfreulich Nachricht.
Inzwischen wiederholt sich das Drama allerdings wieder, also nun eher wieder kein Sex und ein Rückzug, die Verknüpfung von Zärtlichkeit und Nähe mit Sex ist in ihrer Vorstellung wieder da. Da sie eher keine Lust auf Sex mit mir hat, gibt es da nun wieder diese Distanz, unter der wir beide leiden. Ich hoffe, das legt sich wieder, wenn das zweite Kind da ist. So ist es doch eher schwierig, nicht einmal primär der Verzicht auf Sex, vielmehr die Distanz, die Unsicherheit, was ich noch tun darf, wobei sie sich noch wohlfühlt, das ist unangenehm, verkompliziert alles. Natürlich akzeptiere und respektiere ich, daß in ihr etwas vorgeht mit der Schwangerschaft, aber dieser Rückzug verunsichert ebenso, weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Es fehlt mir einfach so, sie einfach zu umarmen, unsere Nähe zu genießen …“
Wir schwiegen kurz, ich nickte verständnisvoll, streichelte sachte tröstend mit zwei Fingern über seine Schulter.
Ich meinte: „Das wird sich schon wieder einrenken …
Ich hatte irgendwie schon so ein Gefühl, daß es da gewisse Spannungen zwischen euch gibt. Ich dachte eher, meine Wiederauferstehung hätte einfach die Situation verkompliziert. Es scheint ja allerdings eher an der Schwangerschaft zu liegen. Die hat ja nun auch ein absehbares, erfreuliches Ende. Dann erholt sie sich und ihr habt wieder neue Perspektiven, eine neue Chance, euch wieder näherzukommen.“
Peter meinte dazu: „Das klingt so betrachtet eigentlich ganz plausibel, immerhin eine Aussicht, wann ich wieder etwas erreichen könnte …“
Ich fuhr überlegend fort: „Hmmm. Ja, das muß nicht einfach für euch beide sein. Aber mußt eben auch bedenken, daß Susanne gerade in einer besonderen Situation ist. Die Hormone spielen verrückt, so oft werden sich ihre Gedanken darum drehen, dem Kind in ihr optimale Voraussetzungen mitzugeben. Da ist die Grenze ihrer Möglichkeiten schnell erreicht.
Da kann es leicht zu Mißverständnissen kommen, die zügig auch ein wenig eskalieren können. So, wie du das schilderst, ist für euch beide da derzeit wohl wirklich Pause angesagt. Aber das wird sich sicherlich später nach der Geburt irgendwann wieder normalisieren, hoffe ich jedenfalls. Einstweilen wirst du also Geduld haben müssen, kannst kaum etwas tun, ohne die Lage nicht noch verfahrener zu machen.
Bei mir liegt die Situation wohl etwas anders.
Da könnte es durchaus hilfreich für Susanne sein, wenn ich mehr auf sie eingehe, ihr Halt gebe, sie unterstütze, was meinst du?“
Peter brummte: „Hmmmm hmmmm hmmm. Ja, ja also natürlich. Du hast ja Recht. Wenn du ihr zur Seite stehst, wird es ihr sicherlich helfen, besser durch diese Zeit zu kommen.
Das ist sehr nett von dir, wenn du das machen willst!“
Ich versicherte milde lächelnd: „Ist doch gar kein Problem. Und derzeit ist die Stimmung zwischen Susanne und mir ja ohnehin ganz entspannt. Mit einer guten Freundin zur Seite wird es ihr leichter fallen, mit den Problemen umzugehen, sich zu entspannen, es sich gutgehen zu lassen. Ich nehme mir Zeit für sie, widme mich ihren Bedürfnissen. Da will ich mal nicht kleinlich oder nachtragend sein, wenn die Lage wirklich ernst ist und Susanne meinen Beistand braucht. So bekommen wir das schon wieder irgendwie auf die Reihe, da bin ich eigentlich ganz zuversichtlich!“
Peter überlegte, nickte, schaute mich kurz an, räusperte sich und meinte: „Das ist sehr lieb von dir …“
Eigentlich hatte ich ja genug mit mir zu tun. So war es aber wohl auch richtig, auf die beiden zuzugehen und zu sehen, wie ich helfen könnte. Es ergibt sich eben immer wieder so nebenbei, was getan werden muß, um die Gruppe, die Mission voranzubringen.
Noch im Halbdunkel packten wir zusammen und zogen vorsichtig weiter, um weitere geeignete Orte zu finden, um dort Proben zu nehmen. Trotz einiger Abstecher lagen wir relativ gut in der Zeit, so kamen wir gegen Ende unserer Tour am Badesee an. Da hatte Peter ja bei unserem kleinen Ausflug mit Melanie bereits etwas entdeckt, was uns erst auf die Idee gebracht hatte. So untersuchten wir hier ausführlicher. Natürlich, durch das Vorhandensein des Wassers waren hier relativ günstige Bedingungen, die Seite weiter hinauf in die Berge war allerdings felsig und karg, reichhaltigere Vegetation war eher auf der anderen Seite zu finden, also grob in Richtung der Kolonie. Die Vegetation dort war allerdings zunehmend planvoll von den Ais angelegt worden, zwar über die Jahrzehnte verwildert, gleichwohl nicht im Zentrum des Interesses von Peter, der eher wissen wollte, wie sich die Vegetation dort entwickelt, wo es wenig gezielte Eingriffe von außen gegeben hatte, welche Gesellschaften von Mikroorganismen, Pilzen, Pflanzen sich dort behaupten und ausdehnen können, wo sich das nicht geplant kombiniert, sondern aus einer Zufallsmischung heraus selbst entwickeln muß.
Als wir mit der Expedition durch waren, hatten wir noch Zeit bis zum Abend. Wir übergaben dem Luftschiff die restlichen Proben und die nun einstweilen nicht mehr benötigte Ausrüstung. Dieses zog darauf ab. Wir waren ungestört, schauten über den See. Wir hätten zurück zu den Rädern schlendern können, wären anschließend relativ früh zurück in der Kolonie gewesen.
Ich wies mit der Hand auf den See, wedelte so vage mit den Fingern herum und meinte: „Also, ich hätte Lust, eine Runde zu schwimmen, und du?“
Peter schaute mich erstaunt an, erwiderte daraufhin: „Oh, habe gar keine Badehose mit …“
Ich lachte und erwiderte: „Meinst du, ich?
Ist doch egal, sind doch unter uns, ist ja nichts dabei.
Also los?
Kommst du mit?“
Ich ging fröhlich lachend ein paar Schritte weiter auf eine größere Felsplatte am See, näherte mich dem Wasserrand und guckte nach einer Stelle, an welcher man einsteigen könnte.
Die fand sich zum Glück schnell, ich drehte mich schmunzelnd zu ihm, sprach: „Hier kommt man gut und sicher rein!“, wobei ich auch schon begann, mich meiner Sachen zu entledigen, noch ohne mich nach Peter umzusehen. So nackt und bloß bekam er zunächst nur meine Rückenansicht zu sehen, ich reckte mich allerdings, streckte mich, kniff die Popacken zusammen und gab meinen Hüften einen lasziven Schwung, bevor ich meine Beine grazil in Richtung See in Bewegung setzte. Es machte mir schon ein wenig Spaß, ihn so zu provozieren. Ich war bereits neugierig, wie er reagieren würde.
Ich tänzelte spielerisch herum, griff mit den Fingern locker in die Leere, drehte mich, um Peter ebenfalls mit meiner Vorderansicht zu beeindrucken, aber nur so flüchtig, es sollte natürlich nur ein harmloser Spaß sein, auch um ihn wieder aufzuheitern nach unserem ernsten Gespräch an diesem Tag. Also stieg ich zügig in den See, dessen Temperatur ganz angenehm war. Und so machte ich gleich meine ersten Schwimmzüge. Erst etwas weiter draußen auf dem See drehte ich mich erneut um, schaute nach Peter. Tatsächlich hatte dieser sich ebenfalls entkleidet, eine Hand wie zufällig vor sein Gemächt haltend, daß ich den aktuellen Zustand nicht eindeutig erkennen konnte. Aus der Höhe der Hand vermochte ich allerdings schon erahnen, daß bereits meine minimalistische Aufführung die gewünschte Wirkung hinterlassen hatte. Peter stand auch noch etwas zögernd auf der Felsenplatte. Als er allerdings mitbekam, daß ich guckte, lachte er etwas verlegen und stieg ebenfalls ins Wasser, schwamm locker und ohne Eile ungefähr in meine Richtung.
Als er fast heran war, flitschte ich ihm fröhlich lachend eine kleine Wasserfontaine hinüber. Peter grinste, flitschte beherzt zurück, woraus sich eine kleine Wasserschlacht entwickelte. Wir hatten richtig Spaß, alberten harmlos herum wie die Kinder. Anschließend schwammen wir noch eine größere Runde friedlich nebeneinander durch den See.
Nachdem wir eine Weile das Wasser genossen hatten, schwammen wir zurück zum Ufer, wo unsere Sachen auf uns warteten. Angekommen stieg ich mit Schwung aus dem Wasser. Nun hatten wir ja nichts zum Abtrocknen mit, die Felsplatte war im Sonnenschein allerdings recht warm, so schüttelte ich mich lachend ordentlich ab, legte ich mich einfach auf den kahlen Fels und gab Rasol eine Chance, mich wenigstens etwas zu trocknen.
Als Peter am Ufer angekommen war, zögerte er etwas.
Ich merkte nur an: „Nun hab’ dich nicht so und komm’ schon raus!“
Peter antwortete: „Ja klar, etwas ungewohnt ist die Situation so schon.
Aber es ist ja wirklich nichts dabei, wir sind ja beide erwachsen und vernünftig!“
Ich lachte und entgegnete: „Das sind wir wohl. Also gar kein Drama.“
Peter lachte verlegen, genierte sich schon ein wenig, kam aber doch heraus.
Er sah schon ganz schmuck aus, auf jeden Fall!
Der ganze Körper ist schon sehr ansehnlich und appetitlich. Nun ist er gewiß kein Muskelmann, auch keineswegs fettig, also griffig und ansehnlich und männlich, wie es sein soll, ohne in eine bestimmte Richtung zu übertreiben.
Peter eilte nun allerdings, schüttelte ebenfalls unterwegs möglichst viel Wasser ab, legte sich so etwa knappe zwei Meter von mir ebenfalls auf den Felsen, wobei er sein Gemächt hielt und sich einfach auf den Bauch legte. Ich lachte und er lachte endlich mit. Wir genossen fürderhin jedenfalls einfach nur die Sonne und die Wärme auf der Felsplatte. Und Peter beruhigte sich wohl auch etwas, weswegen er sich ebenfalls umdrehte, als ich das tat, um mich auch auf der anderen Seite trocknen zu lassen. Dabei rollte ich einfach auf dem Untergrund herum, lag so nun gut eine Körperbreite näher an ihm dran. Er drehte sich hingegen auf der Stelle.
Als wir so halbwegs trocken waren, war es auch allmählich Zeit, zurück zu Kolonie aufzubrechen. Also zogen wir uns in guter Laune an und spazierten zurück zu den Rädern. Und mit denen ging der Rückweg letztlich relativ schnell.
Wieder zurück in der Kolonie erläuterte Susanne, was sie so nebenbei noch geschafft hatte, wir berichteten von der Expedition. Susanne hatte ohnehin gerade genug mit Melanie zu tun, so machten Peter und ich uns erst einmal frisch, worauf Peter bereits wieder im Arbeitsbereich war, um nach seinen Projekten zu sehen. Die Auswertung der heutigen Proben würde natürlich noch etwas dauern. Es ging ihm also vorrangig um andere Ergebnisse.
Ich gesellte mich erst noch kurz zu Susanne und Melanie. Derzeit war Melanie allerdings ruhig und beschäftigte sich selbst mit Spielkram. So hatten Susanne und ich etwas Zeit für uns. Wir diskutierten weiter am Projekt herum, saßen nebeneinander auf dem Boden, schauten Melanie zu.
Ich fragte einfach mal so: „Habe unterwegs etwas mit Peter geredet.
Wie ist eigentlich deine Sicht, wie es gerade zwischen euch läuft?“
Susanne sah mich kurz an, senkte etwas verlegen den Blick, schwieg noch kurz, seufzte alsdann und hub an: „Naja, wenn du bereits mit Peter darüber geredet hast, wirst du ja bereits wissen, daß es gerade nicht so toll läuft. Ich kann irgendwie nicht richtig auf ihn eingehen. Da schiebe ich ihm sicherlich nicht die Schuld zu, aber trotzdem ist da diese Distanz entstanden, die wir nicht mehr überwinden können. Derzeit ist die Situation irgendwie ziemlich verfahren …“
Ich erwiderte: „Hmmm, wenn wir mal davon ausgehen, daß das zum guten Teil mit der Schwangerschaft zusammenhängt, es da in der Folge zwischen euch irgendwie zu Komplikationen gekommen ist, so ist das doch erst einmal nicht so dramatisch. Du machst das so, wie es sich für dich richtig anfühlt. Ist die Geburt überstanden, hast du dich davon erholt, sieht die Welt wieder ganz anders aus. Da könnt ihr euch Zeit lassen, um auch über die Kinder wieder einen neuen Bezug zueinander zu finden. Da solltest du dich jetzt nicht groß sorgen.“
Susanne schluckte, nickte: „Hast wohl Recht. Je mehr ich das dramatisiere, desto schlimmer wird es, desto komplizierter wird es, das später wieder einzurenken. Derzeit geht es jedenfalls nicht. Tut mir auch leid, aber ist nun einmal so. Und dabei wäre das jetzt eigentlich schon eine Zeit, in welcher ich Nähe und Geborgenheit gut brauchen könnte, aber so richtig wohl würde ich mich mit Peter nicht fühlen, da vermischt sich zuviel, verschiedene Ebenen, ist eben kompliziert.“
Ich nickte, schaute sie wieder an. Unsere Blicke trafen sich. Ohne ein Wort zu sagen, neigte ich mich zu ihr, nahm sie einfach erneut in die Arme. Susanne seufzte und erwiderte die Umarmung. Wir hielten uns einfach.
Etwas später meinte sie: „Mit dir ist es irgendwie einfacher. Da fühle ich mich wohl, da ist nicht dieser Vorbehalt, diese Distanz, obwohl, ja obwohl wir ja auch unsere herbe Krise hatten.“
Ich versicherte: „Die haben wir ja nun ganz gut überwunden. Ich bin natürlich für dich da, unterstütze dich, biete dir Geborgenheit und Nähe, wie du es magst. Wir sollten das einfach mal alles nicht überbewerten, einfach wohlfühlen und uns von dem leiten lassen, was wir gerade empfinden, was uns guttut, meinst du nicht?“
Susanne nickte, noch immer an meine Wange angebuckt.
So waren wir uns schon ein ganzes Stück nähergekommen, das ließ sich ganz gut an. Vielleicht würde es uns ja so gelingen, Susannes Selbstzweifel in den Griff zu bekommen. Vorsicht war da schon noch angesagt, allerdings hatte sie bei mir wohl keine Berührungsängste. Unser Verhältnis hatte sich nicht nur deutlich entspannt, es hatte sich wieder erheblich verbessert. Ich hatte die andere Konstellation verdaut und war nun wieder in der Lage, mich um Susanne zu kümmern, nun eben wie von ihr gewünscht und benötigt rein freundschaftlich.
Ich riskierte es mal und meinte: „Für Peter ist es ja auch nicht so einfach. Es wäre vielleicht gar nicht schlecht, wenn ich etwas vermitteln würde, ihn auch ein wenig über die schwierige Zeit hinwegtrösten.
So könnten wir alle drei etwas weiter zusammenrücken, das könnte uns allen helfen, meinst du nicht?“
Susanne sah mir kurz tief in die Augen, überlegte noch einen Moment, nickte alsdann: „Du hat natürlich Recht, zusammen kommen wir immer weiter!“
Bald war Abend, wir bereiteten für alle das Abendessen vor. So verbrachten wir danach noch einen ruhigen Abend zusammen.
Am nächsten Tag machten wir nicht gleich wieder eine Expedition. Über Nacht waren bereits die meisten unserer Proben analysiert worden, nicht komplett, aber es gab bereits genug Ergebnisse, denen sich Peter widmen konnte. Das war allerdings nicht so viel zu tun, das konnte er auch nebenbei beobachten.
So schlug ich vor: „Ich würde gerne heute mit Susanne einen Ausflug an den See machen. Das Wetter ist prima und der See sah gestern schon sehr einladend aus. Und nachdem ich gestern mit dir, Peter, unterwegs war, ist es doch nur angemessen, wenn ich heute einen schönen Ausflug mit Susanne mache.
Derweil paßt du, Peter, zusammen mit Esme auf Melanie auf, so wird das ein wirklich ruhiger Ausflug, bei welchem Susanne etwas entspannen kann, nicht ständig aufpassen muß!“
Susanne schaute mich etwas überrascht an.
Peter griff das aber gleich auf: „Kein Problem, kann mich mit Esme sehr gut mal um Melanie kümmern. Und du hast schon Recht, das Wetter ist günstig für Ausflüge. Die Auswertung will ich sowieso abwarten, kann mir dabei gut Zeit nehmen, um mich mehr mit Melanie zu beschäftigen, die soll ja auch nicht zu kurz kommen bei all den Projekten.“
So war das abgemacht und nach dem nächsten Frühstück packten Susanne und ich ein paar Sachen zusammen und machten uns mit den Rädern auf den Weg zum Badesee.
Dort angekommen packten wir unseren Kram auf der Felsplatte aus. Wir hatten unter anderem eine dickere, große Decke dabei, welche wir dort ausbreiteten. So hatten wir es deutlich bequemer als auf dem nackten Felsen, welcher allerdings Wärme gespeichert hatte, also von daher eine angenehme Unterlage bot, zusammen mit der dicken Decke zudem nicht einmal hart.
Ich schlug alsdann vor: „Könnten ein Bad nehmen, was meinst du?“
Susanne schaute etwas verlegen zu mir.
Ich hakte nach: „Was denn?
Nackt haben wir uns beide schon gesehen, ist doch nichts dabei!“
Susanne verzog den Mund zunächst, wies so mit einer Geste der Hand an sich herunter, antwortete danach: „Also, verändert habe ich mich schon, ist mir etwas peinlich.“
Ich lächelte sie aufmunternd an, kam auf sie zu, nahm sie einfach in die Arme: „Blödsinn, siehst sehr hübsch aus, schwanger steht dir sehr gut!“
Wir lachten beide.
Und so begann ich einfach, ein wenig an ihren Klamotten zu fummeln, Susanne kicherte, wurde unruhig, fummelte aber auch bei mir herum, das nahm etwas zu, worauf sie sich lachend löste und wir jauchzend und giggelnd ein wenig Fangmich mit Hakenschlagen, Drehen, Wenden, Knuffen spielten, was alsbald darin gipfelte, daß ich sie spielerisch ergriffen hatte und lieb umarmte, vielleicht etwas mehr als freundschaftlich, allerdings nicht gerade aggressiv angrabend.
Das hatte sich eigentlich von selbst ergeben und war ganz harmlos.
Wir stiegen in den See, drehten fröhlich eine Runde, bis Susanne erst einmal genug hatte. Also ging es zurück an das Ufer und wir trockneten uns ab, ließen uns auch einfach von der Sonne trocknen, während wir einfach auf der Decke auf der noch warmen Felsplatte lagen und entspannten, dösten über größere Teile der Tagesdunkelheit.
Später aßen wir ein wenig von dem, was wir mitgenommen hatten. Weil es inzwischen wieder heller war, ging es nun nochmals ins Wasser, wo wir etwas herumalberten, aber auch noch einfach zwei Runden schwammen. Susanne war nun wirklich deutlich gelöster, hatte keine Vorbehalte mehr wegen ihrer Schwangerschaft und ihres dadurch veränderten Körpers. Das tat ihr nun ganz wohl, sich von mir angenommen zu fühlen.
So waren wir bald wieder an Land auf unserer Decke und plauderten über ihre Schwangerschaft, Melanie, ebenso über meine Pläne mit dem eigenen Nachwuchs. Das ging uns beide etwas an, hatten da ein gutes, gemeinsames Thema gefunden, mit dem wir uns lange und nun ganz zwanglos beschäftigen konnten.
Später erfrischten wir uns nochmals im Wasser, trockneten uns ab, zogen uns lachend wieder an, aßen noch etwas.
Am späten Nachmittag packten wir zusammen und radelten zurück. Peter erzählte kurz, wie er den Tag mit Melanie gestaltet hatte – oder diese mit ihm, was zudem bis jetzt bei den Analysen herausgekommen war. Wir wiederum schilderten, wie wir den Tag verbracht hatten, das reduzierte sich auf einen Kurzbericht: plaudern, dösen, schwimmen, sonnen, entspannen.
Den nächsten Tag brachen Peter und ich nach dem Frühstück wieder mit den Rädern zu einer Expedition auf. Diesmal ging es nicht in die karge, bergige Region, diesmal lag der Schwerpunkt mehr im Bereich des Sandstrandes und seiner weiteren Umgebung, dem Übergang ins Inland. Im Wasser des Meeres ist ja allerhand gelöst, also noch deutlich mehr als in den Meeren auf der Erde, daher ließ sich bislang im Meer auch nur wenig Vegetation ansiedeln, vielleicht ebenso ein Grund, warum das Leben auf Skylla früher keine Chance hatte. Die Brühe braucht schon sehr robuste Organismen. Auf der Erde gibt es ja durchaus Organismen, die unter extremen Bedingungen existieren. Es war nur nie so ganz klar, ob das eine spätere Anpassung war oder ob diese Organismen bereits seit den Anfängen des Lebens auf der Erde in diesen extremen Nischen ihr Auskommen gefunden hatten. So oder so war das hier in der Brühe des Meeres nicht passiert. Mittlerweile hatten die Ais über die Jahrzehnte unserer Besiedlung ja durchgehend daran gearbeitet, Stoffe aus dem Meer zu extrahieren. Obgleich es viel kleiner als auf der Erde ist, ist das Wasser allerdings trotzdem nicht über ein paar Jahrzehnte zu klären. Immerhin reichte die Wasserqualität inzwischen, um darin einige robuste Organismen zu etablieren. Der Plan bestand nun darin, eine Entwicklung einzuleiten, bei welcher Organismen dabei helfen, die chemische Zusammensetzung des Meeres zu verändern. Das war auf der Erde gleichfalls passiert, als die ersten Organismen per Photosynthese Sauerstoff im Meerwasser produziert haben, so unter anderem dafür gesorgt haben, daß gelöstes Eisen als Rost ausgefällt wurde. Ähnliche Vorgänge hatten die Ais auch hier auf Skylla im Sinn. Inzwischen war es durchaus gelungen, einige Organismen für diese Zwecke im Meer zu etablieren, die Chemie des Meeres also nicht nur mit technischen Anlagen an der Küste zu manipulieren.
Für die Küste unserer Insel bedeutete das jedenfalls, daß die Vegetation dort ebenfalls robust an die Zusammensetzung des Wassers angepaßt sein muß, ähnlich wie an Küsten auf der Erde. Aufgrund des durchaus vorhandenen Regens kam natürlich auch Wasser von den Bergen, der Küstenbereich filterte ferner, weswegen es unterschiedliche Zonen hinsichtlich der Zusammensetzung des Wassers gibt, welches für die Vegetation verfügbar ist. So ändert sich die Pflanzengesellschaft folglich je nachdem, welche Wasserqualität verfügbar ist. Daher hatten wir im Küstenbereich also einige unterschiedliche Zonen für unsere Untersuchungen.
Die Tagesdunkelheit verbrachten wir am Sandstrand. Neben dem Essen plauderten wir angeregt über unsere Expedition, dösten etwas herum, hatten auch etwas zu lesen mitgenommen. Als es wieder hell wurde, setzten wir unsere Untersuchungen fort. Auch für diese Expedition hatten wir absichtlich ein nicht sehr ambitioniertes Programm geplant, weil ja doch immer wieder interessante Sachen in unser Gesichtsfeld kamen, auf welche wir spontan reagierten.
Insgesamt waren wir mit unserem Programm wieder zeitig durch, hatten unsere Proben und unsere Ausrüstung bereits an das begleitende Luftschiff übergeben.
So schlug ich vor: „Noch Lust auf ein Bad im Badesee?“
Peter stimmte lachend zu, also ging es mit den Rädern los. Sorglich hatte ich diesmal sogar Handtücher dabei. Weil das ganz günstig dort war, radelten wir wieder herum, bis wir den Bereich mit der Felsplatte erreicht hatten, auf welcher sich nach dem Bad gut liegen ließ.
Ich legte schon einmal die Handtücher aus. Fröhlich und in gelöster Stimmung zogen wir blank, Peter nun auch ohne Zögern, stürmten so in den See. Dort schwammen wir erst ein wenig, wobei es nicht lange dauerte, bis wir wieder herumalberten, eine kleine Wasserschlacht veranstalteten, anschließend wieder eine Runde nebeneinander schwammen.
Wir beide hielten uns länger im Wasser auf als zuvor Susanne und ich. Das war in Ordnung, wir fühlten uns wohl. Irgendwann war es aber erst einmal genug und ich meinte: „Pause wäre mir jetzt ganz angenehm.“
Peter erwiderte: „Ja geht mir auch so, soll ja keine Sportveranstaltung werden.“
So schwammen wir also zurück, stiegen aus dem Wasser, trockneten uns etwas ab, legten uns hin und ließen uns noch etwas von Rasol bescheinen und trocknen.
Wir dösten noch ein wenig, plauderten etwas über die heutige Exkursion. Ich erläuterte auch kurz meinen Eindruck, daß ich bei Susanne bereits etwas erreicht hätte, die Stimmung bei ihr sei eigentlich ganz entspannt, mit ihrer Unsicherheit bedingt durch ihre Schwangerschaft sei es nicht mehr so arg, vielleicht durch meinen Zuspruch, vielleicht auch einfach so.
Peter zeigte sich erfreut.
Wir zogen uns etwas später an, radelten zurück zur Kolonie.
Zurück in der Kolonie war Peter wieder zügig bei der Arbeit. Ich überlegte noch ein wenig über das weitere Vorgehen. Jedenfalls gesellte ich mich zu Susanne und Melanie. Mit Melanie machte es einfach nur Spaß. Etwas selbständiger war sie schon geworden. Sie entwickelte sich gut, ein aufgewecktes Kind. Und ich hatte nach wie vor einen guten Draht zu ihr.
Bald war es Zeit für das Abendessen, welches wir gemeinsam zubereiteten. Danach verbrachten wir einen harmonischen Abend miteinander.
So hatten sich meine Tage doch einstweilen gut mit Aktivitäten und Projekten gefüllt. Zwar hatte ich den Neustart nach der Wiederauferstehung mittlerweile hinbekommen, gefühlt jedoch drängte es in mir diffus, etwas unternehmen zu müssen, um meine persönliche Situation zu verbessern.
Sollte ich es doch mit einem anderen Kryo-Zombie probieren?
Oder mich noch mehr in wissenschaftliche Fragestellungen stürzen, mein Privatleben ganz zurückstellen, beziehungsweise erst einmal auf die Bedürfnisse von Melanie ausrichten, bald auch auf das zweite Kind von Susanne und Peter?
Sollte ich mal vorsichtig etwa bei Hildegard horchen, wie bei den Ais eigentlich die Stimmung hinsichtlich der Entwicklung der Kolonie ist?
Das schien mir eigentlich als nächster Schritt ganz plausibel zu sein. Vielleicht gäbe das ja einen neuen Impuls.
Dringlicher hatte sich indessen der Wunsch in mir entwickelt, erst einmal entspannt mit Esmeralda zu plaudern, über die aktuelle Situation zu reflektieren. Zur ihr hatte ich irgendwie noch einen persönlicheren Draht als zu Hildegard. Da würde ich entsprechend also auch eher über meine Situation philosophieren, vielleicht auch über die allgemeine Lage, weniger über die konkrete Zukunftsplanung der Kolonie.
So verabredete ich mich mit Esmeralda zu einem Gespräch. Gerne war sie bereit dazu und erschien dafür mit ihrem Avatar bei einer Bank ein Stück von der Kolonie entfernt. Wir begrüßten uns.
Esme begann daraufhin: „Hast du etwas Besonderes oder ist das mehr so eine allgemeine Konversation zum Zeitvertreib?
Oder damit du deine Gedanken schweifen lassen kannst?
Wenn ich das weiß, kann ich mich besser darauf einrichten …“
Ich lachte: „Oh, mit dem Humor klappt es inzwischen doch ganz gut, wie ich bemerke.
Aber zur Frage: Wenn ich das so genau festlegen könnte, wäre ich vermutlich schon ein Stück weiter. Irgendwie hatte ich einfach so einmal wieder Bedarf nach einem Gespräch zwischen uns, in aller Ruhe, auch um darüber zu reflektieren, wo ich gerade stehe, wohin es weiter gehen könnte, die Gedanken schweifen zu lassen, trifft es vielleicht nicht ganz, aber das geht schon ungefähr in die richtige Richtung …“
Esme erwiderte: „Gut, dann kann ich das insofern schon einordnen.
Daß du das als Humor interpretiert hast, erstaunt mich etwas …“
Ich lächelte: „War auch nicht so ernst gemeint. Aber irgendwie hast du damit schon etwas getroffen. Nach dem Verlauf der Geschichte, trotz der Annäherungen der letzten Zeit fühle ich mich immer noch etwas nebenher, so als Zusatz zur Familie Susanne, Peter, Melanie, alsbald ein weiteres Kind. Immerhin bin ich bereits wieder auf wissenschaftlicher Ebene gut eingestiegen, spüre aber dennoch eine innere Unruhe, etwas unternehmen zu wollen …“
Esme antwortete: „Das scheint mir bei deiner Persönlichkeit und den Ereignissen gut nachvollziehbar, sofern ich als Ai überhaupt etwas von der menschlichen Befindlichkeit verstehen kann. Wir Ai halten uns da lieber mit Interpretationen und Schlußfolgerungen zurück, wenn es nicht dringend notwendig erscheint. Und du machst schon den Eindruck, als hättest du es ganz gut verarbeitet.“
Ich nickte, wir schwiegen etwas und schauten über die Felder der Kolonie.
Ich setzte die Plauderei fort: „Ich habe einerseits das Bedürfnis, die Situation für mich ganz persönlich weiterzuentwickeln, kann mich aber nicht entschließen, mich für etwas Konkretes zu entscheiden. Die wissenschaftliche Arbeit erscheint mir zwar nicht als Zuflucht, Ablenkung, aber obwohl sie die Tage gut und sinnvoll füllt, bleibt eben doch der persönliche Aspekt, da ist eine Lücke, ein Defizit.“
Esme hakte nach: „Was hast du denn bislang bedacht, in Erwägung gezogen oder einstweilen verworfen?“
Ich begann: „Eine Option war ja, einen oder mehrere der Kryo-Zombies wiederauferstehen zu lassen. Meine innere Unruhe schien mir dafür aber ein unzureichender Grund zu sein. Wenn die Motivation alleine meine Befindlichkeit ist, wird das diesen Personen nicht gerecht. Und es gibt ja sowieso keine Garantie, daß sich meine Befindlichkeit du die konkret ausgewählte Person ändern würde. Etwas ändern würde sich in der sozialen Konstellation auf jeden Fall, uns beschäftigen, aber ob mich das persönlich weiterbrächte, können wir vorher nicht wissen. Daher habe ich das einstweilen verworfen. Allerdings stellt sich mir auch die Frage, ob wir einfach so über diese Personen verfügen dürfen.
Und stellt es in diesem Sinne nur eine Verfügung dar, wenn wir sie wiederauferstehen, oder verfügen wir nicht auch über sie, wenn wir es nicht tun?“
Esme erwiderte: „Eine interessante Fragestellung, welche ja uns Ais ebenso betrifft. Allerdings haben Ida, Hildegard und Körk sie damals lediglich als Kryo-Zombies übernommen, zusammen mit nur grob gefaßten Ratschlägen, wann es sinnvoll sein könnte, einen Kryo-Zombie als Hilfe für die Mission hinzuzuziehen. Auch für die Zeit nach der Ankunft gab es da keinen fertigen Plan. Das sollte hier vor Ort entwickelt werden, gegebenenfalls eben zusammen mit den inzwischen bereits wiederauferstandenen Personen. Daran haben wir Ais uns gehalten. Die primäre Verantwortung für die Anwesenheit der Kryo-Zombies hier liegt also nicht bei uns, sie liegt bei jenen, die damals entschieden haben, die Kryo-Zombies einfach so auf die Mission zu schicken. Wir sind also in eine mißliche Lage versetzt worden, die wir nicht haben vermeiden können, weil wir bei der Entstehung nicht dabei waren. Weil uns nun die Verantwortung übertragen ist, scheint es mir angemessen, für das Jetzt zu entscheiden. Die Vergangenheit ist für die Kryo-Zombies ohnehin verloren. Keine unserer Entscheidungen bringt sie wieder in ihr altes Leben zurück. Und technisch ist ihre Lage immerhin stabil, es wird für sie gesorgt. Sie sind derzeit aber lediglich eine Option, potentielle Personen in einer Warteschleife, die erst wieder sind, wenn sie wiederauferstanden werden.“
Ich grübelte: „Eigentlich ist es doch egal, ob wir aktiv eine Entscheidung fällen, sie wiederaufzuerstehen oder sie weiter konserviert zu belassen. Weil wir entscheiden können, wurde uns damit so oder so eine gewissen Verantwortung zugeschustert. Du hast schon Recht, ihre Existenz beschränkt sich derzeit auf ein Potential, auf ein Eventuell.“
Esme fragte: „Hast du ethische Bedenken, über sie zu entscheiden, beziehungsweise sie nicht entscheiden lassen zu können, ohne sie zuvor wiederauferstehen zu lassen?
Immerhin können wir nichts an dem Sachverhalt ändern, daß sie von ihrer Vergangenheit komplett abgeschnitten sind, keinen Bezug zum Hier und Jetzt mehr haben. Ihre Möglichkeiten zur Entscheidung sind also ohnehin sehr begrenzt auf eine Situation, die sie gar nicht beurteilen können, weil sie bislang überhaupt nicht damit konfrontiert worden sind.
Macht es da einen wesentlichen Unterschied, wann sie wiederauferstehen und sich mit dem Sachverhalt auseinandersetzen müssen, wie mit ihnen verfahren wurde?“
Ich nickte: „Hmmm, allerdings. Insofern fügen wir ihnen kein weiteres Unrecht zu, wenn wir sie weiter ruhen lassen, eben weil ihr Bezug ohnehin nicht mehr vorhanden ist. Eine weitere Verzögerung macht da für sie auch keinen relevanten Unterschied mehr aus. Und ihre Versorgung ist sichergestellt. Und wenn sie wiederauferstanden sind, beraten sie mit über den weiteren Verlauf. Aus meiner Perspektive könnte ich auch nicht einmal sagen, wann da etwas falsch oder richtig für mich gewesen wäre, jedenfalls nachdem die Mission erst einmal abgeflogen war. Meine Idee, auch auf Basis unserer eigenen Erfahrungen, ist erst einmal, daß es für Wiederauferstandene einfacher ist, wenn wir für ihre Anwesenheit und Mitwirkung hier einen guten Grund nennen können. Wir können ihnen ja keine Rechtfertigung bieten, warum sie auf der Mission sind. Warum wir sie konkret wiederauferstanden haben, sollten wir allerdings schon so ungefähr benennen können. Das bietet bessere Chancen, um zu verarbeiten, was mit ihnen geschehen ist, sich nun zurechtzufinden, abzufinden mit der aktuellen Situation.“
Wieder hielten wir ein paar Minuten schweigend inne.
Ich fuhr fort: „Ebenfalls als unangemessen gegenüber Melanie, aber auch Susanne und Peter habe ich den Impuls verworfen, Susanne wieder für mich zu gewinnen, alternativ ebenso, Peter zu vernaschen, um zu kompensieren, was mir durch die beiden widerfahren ist. Ein wenig Lust hatte ich schon verspürt, in dieser Richtung Schabernack zu treiben, es lockt durchaus. Aber ich habe mich entschlossen, mich diesbezüglich doch besser zurückzuhalten, statt die Situation noch mehr zu verkomplizieren. Zwar haben sie derzeit eine kleine Beziehungskrise, da gibt es allerdings ein gutes Potential, das wieder einzurenken. Von daher sollte ich wohl nicht zusätzlich spalten und die Lage weiter anheizen. Was passiert ist, kann ich nicht rückgängig machen. Von daher will ich akzeptieren, was gelaufen ist.“
Esme stimmte zu: „Das scheint mir sinnvoll und plausibel zu sein. Das sollte die soziale Konstellation in der Kolonie stabilisieren. Wenn ihr das im Griff habt, haben wir insgesamt mehr Möglichkeiten, die Kolonie zu entwickeln.“
Ich entgegnete: „Die Entwicklung der Kolonie ist wichtig. Das ist ja letztlich das Ziel der Mission. Da werde ich wohl zurückstehen müssen.“
Esme gab sich zuversichtlich: „Mit der Zeit werden sich auch für dich wieder Perspektiven ergeben. Es entwickelt sich alles. Du hast doch bereits wieder ganz zu dir gefunden. Da wird es nicht so lange dauern, bis du dich auch persönlich wieder entschließen kannst, einen konkreten Plan zu verfolgen.
Dem steht die Entwicklung der Kolonie ja nicht entgegen, oder?“
Ich nickte: „Nein. Das Brutkästenprojekt wurde ja bereits vorgestellt, das wird nun immer sinnvoller. Auch weil Susannes und Peters Kinder ja gleichaltrige Gesellschaft haben sollten. Nur mit dem Projekt können wir das bieten und ebenso die Kolonie auf eine solide Basis stellen.“
Esme meinte: „Das war schon die Idee, wenn sich bei euch alles stabilisiert hat, das Projekt wieder ins Gespräch zu bringen. Überstürzen müssen wir das nicht. Hildegard könnte aber bei Gelegenheit nochmal vorstellen, wie es gehen könnte. Die technische Betreuung wird primär bei uns Ais liegen, mit den sozialen Kontakten seid ihr aber natürlich ebenso gefordert wie wir mit den Avataren. Bei Bedarf werden wir weitere Avatare nur für die Kinderbetreuung nutzen. Formal ist es ja kein Problem für uns, mehrere gleichzeitig zu betreiben. Das wäre aber nur relevant, wenn ansonsten die Versorgung der Kinder nicht optimal wäre. Da ist ja abzuwägen zwischen den Vorteilen von reichlich sozialen Kontakten und der späteren Verwirrung, wenn mehrere Avatare derselben Ai zuzuordnen wären.“
Ich grinste: „Jedenfalls mehrere Kinderbetreuerinnen-Avatare für eine Ai würde ich mir auch nochmal stark überlegen. Aber einen für die Kinderbetreuung, einen für andere Bereiche der Kolonie und andere Funktionen, das klingt plausibel. Es hängt auch stark davon ab, wie sich das dann entwickelt, also wieviele Kinder pro Jahr an Wachstum angestrebt werden.“
Esme beruhigte: „Das sind Details. Überfordern wollen wir euch Menschen nicht, uns selbst ebenfalls nicht übernehmen. Von daher wird sich das allmählich entwickeln. Kryo-Zombies im Kindesalter oder als Jugendliche könnten wir zu gegebener Zeit auch integrieren, das aber auch noch ein paar Generationen verschieben. Das werden wir am Einzelfall klären, wenn ein günstiger Zeitpunkt gekommen scheint.“
Ich faßte zusammen: „Gut, also demnächst mal mehr von Hildegard zu dem Thema.“
Nach einer kurzen Pause fuhr ich fort: „Hmm, mit eigenen Ideen bin ich nun immer noch nicht weiter. Aber, wenn du magst, könnten wir zusammen ja mehr unternehmen, vielleicht ein gemeinsames Projekt, eine natürlich rein platonische Freundschaft …“
Esme erwiderte: „Das ist gar kein Problem. Ich unterhalte mich gerne mit dir.
Wie kommst du auf rein platonisch?“
Ich lächelte: „Och, ich erinnere mich noch an unsere Aktivitäten und Entwicklungen beim Sexspielzeug. Da hatten wir das wohl auch mal angeschnitten. Wenn ich das richtig verstanden habe, wäre es unangemessen, dich in der Hinsicht zu mehr zu überreden. Wobei ich selbst nicht wüßte, ob das meinen Interessen entspräche.
Von daher also sicherlich platonisch, den Begriff verstehst du schon?“
Esme bestätigte: „Begrifflich kein Problem. Nun verstehe ich, wie du das meinst, wenn du das auf unsere damaligen Entwicklungen beziehst. Nein, also als Sexspielzeug sehe ich mich eigentlich nicht. Da ist es gut, wenn du in der Hinsicht keine Leidenschaften entwickelst.“
Ich lachte laut auf und klopfte ihr auf eine Stelle des Avatar, die einer Schulter am nächsten kommt. Der Avatar nickte.
Ich führte meinen vorherigen Gedanken weiter aus: „Solch ein Gespräch hilft mir auch, meine Gedanken zu sortieren, in der Formulierung erst Ideen auszuarbeiten, in eine sinnvolle Form zu bringen. Auch du könntest natürlich gut ganz zwanglos Themen einbringen, anschneiden, etwas zur Diskussion stellen, was dir unverstanden erscheint, also falls das bei Ais überhaupt thematisiert wird.“
Esme versicherte: „Oh, wir verstehen viele Dinge nicht. Da geht es uns letztlich natürlich nicht anders als Menschen. Wir leben ja im selben Universum, haben letztlich dieselbe Wissensbasis, wir könnten wir da alles wissen?
Was aber selbstverständlich besonders rätselhaft ist, ist menschliche Motivation, Sozialverhalten, Interaktionen. Da sind wir meist schon deshalb sehr zurückhaltend in der Beurteilung oder gar mit Vorschlägen, weil das nur schwierig nachvollziehbar ist. Zwar haben wir da grobe Modelle, aber jeder Mensch ist ja doch verschieden von den anderen. Da ist es gar nicht so einfach, das jeweils so individuell zu modellieren, um da Prognosen über Verhalten wagen zu können, die ins Detail gehen. Da könnte es schon helfen, das in einer lockeren Konversation zu hinterfragen und etwa deine Sichtweise einer Situation, deine Interpretation des Verhaltens von dir und den anderen zu kennen. Daraus könnte ich vermutlich eine Menge lernen. Das wäre sehr interessant …“
Ich lachte und meinte dazu: „Weiß nicht, ob es da so viel zu verstehen gibt. Aber es stimmt auf jeden Fall auch in dieser Beziehung: Formulieren, spekulieren, darüber reden macht uns klarer, wie die Situation gerade ist, wenigstens, wie wir sie gerade interpretieren. Von daher hast du Recht, davon profitieren wir beide. Also ist das abgemacht mit der Intensivierung der gemeinsamen Gespräche. Könntest mich etwa auf dem Morgenlauf begleiten, also nicht notwendig mit dem Avatar, mit dem mußt du ja nicht anwesend sein, um eine Unterhaltung zu führen …“
Esme bestätigte: „Wenn dir das über das Kommunikationsarmband reicht, ist das ja einfach zu realisieren. Sonst wird sich aber sicherlich auch so ab und an eine Gelegenheit bieten. Menschen sind ja doch an eine körperliche Manifestation eines Gesprächspartners gewöhnt, da werde ich schon mit dem Avatar immer mal wieder präsent sein, um den Aspekt angemessen zu berücksichtigen.“
Ich nickte lächelnd und kommentierte: „Prima, also abgemacht. Wollen wir mal schauen, wie sich das entwickelt.
Eventuell ergeben sich ja noch weitere Aktionen. Mit Peter etwa mache ich ja diese Expeditionen. Vielleicht sollte ich mit ihm mal diskutieren, ob nicht auch andere Regionen des Planeten relevant sein könnten, als erste Ziele vielleicht die Nachbarinseln. Wenn es eine Forschungsreise gibt, könnte ich mir durchaus vorstellen, daß wir beide die machen, denn Peter sollte vielleicht besser bei Susanne und Melanie bleiben. Wir sind da deutlich ungebundener. Und ich sollte inzwischen genug gelernt haben, um vor Ort kompetent zu agieren.
Das wäre durchaus eine Option!“
Esmeralda bestätigte: „Wenn solch eine Expedition akut wird, kann ich mir gut vorstellen, daran teilzunehmen. Fachlich wäre das eigentlich eher Hildegards Spezialität. Aber wir haben ja alle Zugriff auf die Datenbanken, von daher kein Problem. Und solch eine Expedition ist sowieso ein Sonderfall. Hildegard behält den Gesamtüberblick zusammen mit Peter. Da könnten wir beide durchaus solche Spezialaufträge durchführen, wenn das die Kenntnisse voranbringt, vielleicht aber auch einfach deinem Impuls entgegenkommt, aktiv zu werden, dies zudem in förderliche Projekte zu lenken.“
Ich bestätigte: „So hatte ich mir das auch in etwa gedacht. Also das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.“
Nach einer kleinen Pause wechselte ich nochmal das Thema: „Wie steht es eigentlich nach euren aktuellen Informationen auf der Erde?
Ich weiß ja, durch Kriege, natürliche Seuchen, künstlich erzeugte Seuchen, Umweltkatastrophen etc hat sich die Zahl der Menschen dort dramatisch reduziert.
Geht das nun auch so weiter?“
Esmeralda erläuterte: „Die dramatische Reduktion geht wohl auf die von dir genannten Ursachen zurück. Immerhin haben sie dadurch viele Probleme in den Griff bekommen, die Umwelt wird nicht mehr in einer Weise belastet, die zu weiteren permanenten Schäden führt, die Auswirkungen auf das Klima sind ja zunächst technisch kompensiert worden, wonach es immer weiter erforderlich war, das Klima aktiv zu manipulieren, um das im Griff zu behalten. Über die vielen Jahre konnte das allerdings irgendwann erst reduziert werden, danach konnte die Manipulation gar komplett eingestellt werden. Es ist wohl so, daß letztlich eine künstliche Warmzeit eine eigentlich anstehende Eiszeit verdrängt hat. Nach den Kapriolen, die zahlreiche Arten haben aussterben lassen, bewegt sich das nun auf einem Niveau weit ab von beiden Extremen, was eine Erholung für die überlebenden Arten mit sich bringt. Das geht langsam, aber es klappt. Einige entstandene ökologische Nischen werden bereits neu besetzt. In anderen Bereichen hilft immerhin eine Gendatenbank, die Situation allmählich wieder mit Arten zu beleben, die vor dem Aussterben noch genetisch gesichert werden konnten.
Nach den aktuellsten Informationen nimmt die Weltbevölkerung weiterhin sehr langsam ab. Die Ursache bleibt unklar, beziehungsweise es könnte mehrere Ursachen haben. Schon zu deiner Zeit gab es besonders in wohlhabenden, technisch gut entwickelten Populationen nicht so viele Kinder. Das könnte in den verbliebenen Megastädten ähnlich laufen.“
Ich warf ein: „Den Trend könnten sie ja vermutlich in einer wirklich hoch entwickelten Gesellschaft auch kompensieren.“
Esmeralda stimmte zu: „Ja, doch es gibt auch Bedenken. Die gehen wohl auf jene Zeiten zurück, in denen zuviel eingegriffen wurde. In den Anfängen der Genmanipulation an Menschen hatte man bereits einige Möglichkeiten, hatte das aber noch nicht gut verstanden. Zunächst ging es primär darum, den Eltern zu ermöglichen, bei ihren Kindern Erbkrankheiten zu vermeiden. Mit dem Fortschritt des Wissens kam allerdings auch schnell eine kommerzielle Verwertung ins Spiel. Wohlhabende Kreise waren eben bereit, viel Geld dafür zu zahlen, daß ihr Kind eben das allerbeste ist, was aus ihren Genen herauszukitzeln ist. Auch das reichte schnell nicht mehr, so wurden Gensätze von diversen Menschen kombiniert.
Heute ist längst bekannt, wie das korrekt zu machen ist. Damals hatte das auch unerwünschte Nebenwirkungen. Da stimmte teilweise etwas mit den so erzeugten Menschen nicht.
Der Trend zur Produktion von Überfliegern hatte ferner auch psychologische Auswirkungen. Wer nicht so viel Kapital verfügbar hatte, der wollte lieber einen Überflieger-Menschen als Nachwuchs statt mehrere natürliche in Eigenproduktion, daher auch eine gewisse Mentalität zur Beschränkung auf wenige Kinder.
Auf der anderen Seite gab es die ziemlich mittellosen Leute, die sich darüber wenig Gedanken gemacht haben. Da drohte gar eine Aufspaltung der Art durch eine künstlich stimulierte, gerichtete Evolution kleinerer Gruppen.“
Ich sann nach: „Hmm, ja, das kann schon dramatische Umwälzungen nach sich ziehen, sehe ich ein …“
Esmeralda fuhr fort: „Durch die Eingriffe, beziehungsweise die Fehler dabei aufgrund unvollständigen Wissens gab es eben auch eine gewisse Rate mit unerwünschten Ergebnissen, besonders schockierend für Eltern, die bloß Erbkrankheiten vermeiden wollten, ebenso für die Reichen Leute, die Perfektion wollten. Da gab es dann einerseits erheblichen Druck auf die Forschung, andererseits auch die Aura eines Tabus darum, wie nun solch ein Kind gezeugt wurde.
Hatten die Eltern noch alles dem Zufall überlassen und irgendwen produziert?
Hatten sie weitgehend manipulieren lassen und vielleicht irgendwo auch Fehlschläge unter Verschluß?
Eine eigentlich einfache Sache war so zu einem komplizierten Sachverhalt mit schwierigen Entscheidungen, einem Vorgehen unter Finanzierungsvorbehalt geworden. Das kann reichen, um die Gebutenrate zu senken. Das wirkt nach, selbst wenn die Methodik im Laufe der Jahrzehnte deutlich verbessert werden konnte. Ähnlich wie bei dem Einbau von Schnittstellen zum digitalen Datenaustausch mit den Gehirnen ist die Gesellschaft da auf breiter Basis viel zurückhaltender geworden. Wer das tut, redet nicht offen darüber.
In einer Megastadt ist die soziale Kontrolle viel stärker als noch zu deiner Zeit.“
Ich nickte: „Ja, das kann subtile Auswirkungen haben, ebenso vielleicht die rein künstliche Umgebung einer Megastadt. Da können sich auch leicht die Lebensziele ändern. Es droht also weiterhin ein Rückgang?“
Esmeralda erklärte: „Man hat gelernt, daß viele Menschen dem Planeten große Probleme machen. Die Produktion von Gütern wiederum ist mit dem Mikroroboterschwärmen, der künstlichen Intelligenz ganz anders als zu deiner Zeit, rein produzierende oder verwaltende Arbeit ist zum großen Teil von menschlicher Arbeitskraft entkoppelt, ähnlich sieht es bei Dienstleistungen aus.
Wer als Mensch kreativ und innovativ tätig sein will, braucht Intelligenz und Bildung. Einfachere Arbeiten für Menschen gibt es faktisch nicht mehr. Daher gibt es auch keinen Bedarf an Arbeitermassen. Es gibt also keinen Anreiz für eine hohe Geburtenrate mehr, keine Notwendigkeit für Förderung oder auch Vermeidung von Verhütung durch darauf ausgerichtete religiöse Konstrukte. Ich gehe aber schon davon aus, daß sich die Weltbevölḱerung auf niedrigen Werten, bei einigen zehn Millionen vielleicht stabilisieren wird, notfalls eben mit Brutkästenprojekten auf einem konstanten Wert gehalten werden wird. Die Gesellschaft dort ist leistungsfähig genug, um das zu bewerkstelligen.“
Das klang mir ebenfalls plausibel.
Ich fragte nach: „Es gibt ja auch noch Menschen außerhalb der so eng kontrollierten Megastädte.
Was ist mit denen?
Was ist deren Einfluß auf die Weltbevölkerung?“
Esme holte aus: „Das sind deutlich weniger Menschen als in den Städten. Um die Zusammenhänge gut zu verstehen, ist es allerdings von Belang, die Entwicklung der Medizin zu berücksichtigen. Inzwischen sind wir ja in der Lage, mit den Mikroroboterschwärmen allerhand Problem zu lösen. Damit und diversen anderen Erkenntnissen wurden diverse Infektionskrankheiten ausgerottet, diverse andere Krankheiten sind gut behandelbar oder vermeidbar. Diagnostik, Früherkennung sind sehr ausgereift. Zudem gibt es Erkenntnisse, um die Alterung zu verlangsamen. Die medizinische Versorgung in den Megastädten ist sehr gut. Die Menschen werden also noch einmal deutlich älter als zu deiner Zeit. Haupttodesursachen sind Unfälle und Selbstmorde geworden.
Außerhalb der Städte ist die medizinische Versorgung weniger gut, dafür das Risiko von Unfällen deutlich höher. Suizide gibt es dort allerdings weniger. Ferner gibt es einen Austausch von Stadt- und Landbevölkerung. Wer das Risiko, die Weite sucht, wandert aus von der Stadt auf das Land, in die Wildnis. Wer draußen krank wird, optimale Versorgung braucht, wandert zurück in die Stadt, sofern das Problem rechtzeitig erkannt wird. Insgesamt wird also außerhalb der Städte früher gestorben als in der Stadt. Der Austausch zwischen beiden Domänen macht aber eine Abgrenzung schwierig.“
Ich faßte zusammen: „Ein Aussterben droht also dort wohl nicht.“
Esme stimmte zu.
Ich fuhr fort: „Und die Probleme etwa durch die Genmanipulationen haben wir bei jüngeren Kryo-Zombies mit auf die Mission bekommen?“
Esmeralda versicherte: „Nein. Der größte Teil der Mitreisenden stammt aus einer Zeit vor den Manipulationen. Bei einem weiteren Teil gibt es keine Probleme. Bei einem sehr kleinen Teil, der dann noch verbleibt, konnten die Probleme bereits behandelt werden, beziehungsweise sie werden es im Rahmen einer Wiederauferstehung. Daraus sollte unsere Kolonie als keine Probleme erben. Da sind eher psychologische Effekte als relevant zu vermuten. Die Bevölkerungsentwicklung muß die Kolonie natürlich gut im Auge behalten, um eine stabile Bevölkerung aufzubauen. Bei den hiesigen Bedingungen sind ein paar hunderttausend, vielleicht gar kein paar Millionen Menschen auf Skylla sicherlich kein Problem. Mehr als auf der Erde derzeit müssen es sicherlich nicht werden. Bei einer hinreichend großen Population hat diese die Möglichkeit, auch wieder selbst zu entscheiden, ob weitere Missionen gestartet werden sollen, ob vielleicht auch Personen zurück zur Erde geschickt werden könnten. Aber das wird erst in Jahrhunderten eine ernsthafte Überlegung wert sein.“
So hatten wir uns eine ganze Weile munter unterhalten. Das legte den Grundstein für unsere Annäherung. In der Folge plauderten wir wirklich bei meinen Morgenläufen regelmäßig und auch bei anderen Gelegenheiten. Die Themen waren nicht immer tiefschürfend, aber Esme war munter und interessiert dabei. So entwickelte sich das zwischen uns gut.
Die Ausflüge mit Peter und ebenso mit Susanne waren mir gleichfalls gut bekommen. Bei den Expeditionen hatten ich zudem bereits eine Menge gelernt. Da böte es sich eigentlich an, das zu nutzen.
Sollten wir nun tatsächlich persönlich benachbarte Inseln untersuchen?
Markante Regionen auf dem Festland?
Diese Ideen hatte ich ja bereits Esmeralda gegenüber angesprochen. Da wir Susanne und Melanie nicht alleine zurücklassen würden, die schwangere Susanne nun nicht einfach auf Forschungsreise gehen würde, blieben die Möglichkeiten, daß Peter oder ich alleine oder eben zusammen mit Esmes Avatar aufbrechen könnten, natürlich administrativ begleitet von den Ais, einer Menge Technik und dem direkten Kontakt zur Kolonie. Wir hatten noch ein Zeitfenster bis zur Geburt von Susannes zweitem Kind. Es wäre also möglich, damit zu beginnen. Wenn, dann möglichst schnell.
Wollte ich das Thema wirklich aufbringen?
Könnte ich solch eine Expedition gar nutzen, um Abstand zu gewinnen, mit der Reise neue Eindrücke sammeln, einfach ein paar Wochen weg vom direkten Kontakt mit Peter und Susanne?
Nachdem wir derzeit gut miteinander auskamen, erschien mir das jedenfalls keine Flucht zu sein. Reisen oder Expeditionen sind oft genutzt worden, um Abstand zu gewinnen. Von daher also vielleicht gar nicht so schlecht. Ganz entschlossen war nicht noch nicht. Wenn, dann sollte ich aber zügig handeln und mit Peter ausdiskutieren, ob dieser Interesse hätte, selbst eine Expedition zu unternehmen, ob es ihm ansonsten willkommen wäre, wenn ich das übernähme.
Vom Ergebnis der Diskussion würde dann abhängen, wie wir weiter vorgehen würden. Es wäre allerhand vorzubereiten, es würden Transportmittel benötigt, um über das Meer zu kommen. Ich könnte allerdings statt einer Expedition auch einfach eine Lustreise mit einem größeren Luftschiff unternehmen, um Abstand zu gewinnen, mehr persönliche Eindrücke vom Planeten zu bekommen, selbst zu sehen, was ich bislang hauptsächlich auf Aufnahmen gesehen hatte.
Also, eher mit den Ais herausfinden, wie wir die Kolonie weiterentwickeln sollten oder doch eher mit Peter diskutieren, ob die Expeditionen für einen von uns jetzt richtig und wichtig wären?
Beides zusammen wäre für unsere kleine Gruppe etwas viel.
Mache einen Vorschlag, wie Michaela weiter vorgehen soll.
Abwarten
Mit Peter hatten wir nichts konkret verabredet. Susi und ich gingen einfach wieder von meinem Zimmer hinunter in den allgemeinen Bereich. Wir nahmen eine Kleinigkeit zu essen mit. Ich wollte nun doch in den Arbeitsbereich, etwas in die Daten sehen, also weniger in Peters Bereich, aber dieser Fund von Methusalem hatte mein Interesse geweckt.
Ich erzählte Susi davon und merkte an: „Das interessiert mich nun doch. Vielleicht finden wir da ja mehr heraus. Wenn der Brocken so lange Zeit über im Rasol-System gewesen ist, nun ziemlich weit draußen seine Bahnen zieht, könnte doch immerhin sein, daß der im Sinne eines Beobachters des Systems wirklich Spuren aufweist, anhand derer wir eine bessere Idee davon bekommen, wie sich das System über die Zeit entwickelt hat.“
Susanne fragte: „Wie sollte das passiert sein?
Was für Spuren?
Bei einem Brocken, der einfach so durch die Gegend saust?“
Wir waren indessen schon auf dem Weg und ich entwickelte vage Ideen: „Vielleicht können wir etwas über die Historie der Bahn herausfinden, wenn Methusalem eingefangen worden ist, sollte es schon Wechselwirkungen mit dem System gegeben haben. Der Einfang bringt es mit sich, daß kinetische Energie von Methusalem auf andere Körper übertragen wird, sonst würde er allenfalls abgelenkt weiter durch den Raum fliegen.
Eine andere Möglichkeit besteht darin, daß sich auf Methusalem Einschläge von kleineren Gesteinsbrocken finden, die wir vielleicht zeitlich zuordnen können, vielleicht gar woher die Brocken stammen. So haben wir vielleicht wirklich eine bessere Chance, etwa die Entwicklung oder gar Entstehung der Asteroidengürtel besser zu verstehen, vielleicht auch, wie es zu dem Doppelplanetensystem Skylla und Charybdis gekommen ist, warum der eine viel, der andere wenig Wasser hat.“
Susanne war aus nachvollziehbaren Gründen skeptisch: „Wenn du dir da mal nicht zuviel von dem Teil versprichst, so weit draußen, zudem sind das alles ziemlich komplexe Abläufe. Allerdings spannend ist das schon, er hat ja zudem etwas mit uns gemeinsam, wenn er von außerhalb des Systems kommt, schon von daher hat er unsere Aufmerksamkeit verdient.“
Wir lachten beide.
Im Arbeitsbereich angekommen ließen wir uns von Ida die Daten geben und schauten erst einmal. Das war allerhand Kram, aber hinsichtlich der Beantwortung meiner Fragen trotzdem dünn. Immerhin hatte Körk das Gebilde nicht bereits aufgeräumt, dafür war es zu weit draußen, keinerlei Gefahr für Skylla und Charybdis. Inzwischen war Methusalem ein ordentliches Stück von der Hauptekliptik des Rasol-Systems entfernt. Da würde es also etwas Zeit kosten, bis Asi und Stanis dort Ausrüstung für weitere Untersuchung hingeschickt hätten. Daher erschien es mir sinnvoll, zügig ein kleines Projekt zu formulieren, um solch eine nähere Untersuchung bald zu veranlassen.
Später meldete sich Peter. Wir teilten ihm mit, wo wir sind. So war er schnell bei uns. Gut erholt hatte er nun das dringende Bedürfnis, genauer in die Daten über die Biosphären zu schauen. Zuvor fragte er nach unseren Aktivitäten.
Ich zuckte die Schultern, meinte: „Muß mir auch erst einmal wieder einen Überblick verschaffen, wie sich die Situation im Planetensystem in den letzten Jahrzehnten verändert hat, Körk war da ja sehr aktiv. Und ich muß mir auch einmal ansehen, was inzwischen herausgefunden wurde über die Historie des Systems, was über die Planeten. Wenn es genaue Daten über die Planeten gibt, wäre es ja auch möglich, Hypothesen über die Vergangenheit aufzustellen, Stellen zu lokalisieren, wo Proben genommen werden könnten, Untersuchungen förderlich wären, um Hypothesen zu stützen oder zu widerlegen.
Sie haben wohl auch einen Kleinplaneten gefunden, welcher gar nicht aus diesem System zu stammen scheint, älter als dieses ist.“
Peter neigte den Kopf: „Interessant, auch daß das bereits bekannt zu sein scheint.“
Ich fügte hinzu: „Ich hatte bereits die Ehre, ihm einen Namen geben zu dürfen: Methusalem.“
Peter hakte nach: „Wirklich älter als das Rasol-System?
Schon interessant.
Wie kann das sein?
Wie stellt man das Alter eigentlich fest?“
Ich antwortete: „Genaueres habe ich mir noch gar nicht angesehen. Kommt vermutlich aus einem anderen System, wurde von Rasol in einer Wechselwirkung mit verschiedenen Planeten oder Kleinplaneten eingefangen. Letztlich ist es ja ohnehin so, daß schwerere Elemente in Sternen ausgebrütet werden. Irgendwie müssen sie da ja wieder heraus, wenn man sie letztlich hier auf Planeten vorfindet. Ganz schwere Elemente jenseits des Eisens werden ja wohl erst erzeugt, wenn sein Stern in einer Supernova oder einer ähnlich heftigen Explosion genug Druck in gewissen Regionen aufbaut, um die Kerne kleinerer Atome zu den schweren zusammenzudrücken. All das Zeug kommt also zwangsläufig von anderen Systemen, als feiner Sternenstaub ist das Alter allerdings nicht zuzuordnen. Hat ein Sonnensystem jedoch überdies ein Planetensystem, gerät da vorher, besonders in der Entstehungsphase schon einmal etwas durcheinander und ein Planet kann dabei auf Kosten der anderen so viel kinetische Energie bekommen, daß er aus dem System geschleudert wird. Der Vagabund saust daraufhin durch den freien Raum. Wahrscheinlich trifft der nie wieder auf ein Sonnensystem. In diesem Falle war es aber wohl so, daß er zufällig auf das Rasol-System zu geschleudert wurde, dort mit Rasol und den Planeten in mehrfacher Wechselwirkung kinetische Energie verloren hat, so hier eingefangen wurde.
Beim Alter, hmmm, also sicherlich haben Asi und Stanis Proben an verschiedenen Stellen genommen, die nicht nach Einschlagskratern aussahen. Hat sich ein Kleinplanet erst einmal gebildet, hat er genug Struktur, genug Atome für Statistiken, ebenfalls radioaktives Zeug im Gestein, was sich für eine Altersbestimmung eignen kann, weil sich bei einem seismisch nicht aktiven Kleinplaneten ja sonst kaum noch etwas an den Gesteinen, Metallklumpen etc ändert außer dem Zerfall radioaktiven Materials über verschiedene Zerfallsketten.
Alter von Gestein ist allerdings nicht so ganz einfach. Es gibt immerhin bestimmte Gesteinsarten, die aufgrund der Chemie auf typische Weise zusammengesetzt sind. Sind da bereits anfangs radioaktive Isotope drin, ändert sich die Zusammensetzung mit der Zeit. Isotopenverhältnisse und die Verhältnisse der Häufigkeiten verschiedener Elemente sind dann typisch für die Entstehungszeit des Gesteins. Bei Uran oder einem instabilen Isotop von Rubidium etwa kann man so aus der Zusammensetzung von Gestein abschätzen, wann das entstanden ist, also vielleicht gar das Uran bei einer Sternenexplosion, später wohl auch das Gestein, wenn das Uran da charakteristisch eingebaut ist und sich über die Zeit aufgrund der Zerfallsketten der Uran-Isotope typische Häufigkeiten von Elementen und Isotopen herausbilden, die als Uhr verwendet werden können. So in etwa, muß ich mir auch noch genauer anlesen, um da qualifiziert mitreden zu können, Daten kritisch zu interpretieren, eventuell auch brauchbare Vorschläge zu machen.“
Peter nickte und ich fuhr fort: „Hinsichtlich der Frage, wie das Zwillingsplanetensystem entstanden ist, warum es nun auf Charybdis Leben gibt, auf Skylla lediglich eine Wüste mit wenig, chemisch jedoch stark angereichertem Wasser, muß ich mich bei den erhobenen Daten ebenfalls erst auf den aktuellen Stand bringen. Ich muß ja erst einmal wissen, welche Daten wir schon haben, was man daraus lernen kann, welche Daten wir vielleicht mit welchen Experimenten und Beobachtungen generieren sollten, um mehr zu erfahren. Das wird mich schon ganz gut beschäftigen. Da will ich mal nichts überstürzen, mir aber schon genauer ansehen, wie ich mich sinnvoll einbringen kann, um das zu ergänzen und anzureichern oder auch erst zu interpretieren, was bislang in den letzten Jahrzehnten erreicht wurde.“
Peter nickte: „Hört sich doch gut an!“
Susanne fügte zu meinen Ausführungen hinzu: „Das sieht nach komplizierten Datensätzen aus. Vielleicht gelingt es mir ja, da geeignete Algorithmen anzusetzen, damit wir etwas erkennen. Wenn Michaela erst einmal herausgefunden hat, wonach wir genau suchen müssen, etwa hinsichtlich der Altersbestimmung, kann ich da vielleicht helfen.“
Bis zum Abendessen hatten wir noch eine Weile Zeit, so vertieften wir uns also in die Daten. Er meinte: „Also gut, hier auf Skylla scheint es ungefähr nach Plan verlaufen zu sein. Die Ais haben fleißig und gleichzeitig sorgfältig Arten angesiedelt, hauptsächlich robuste Pflanzen, Pilze und Mikroorganismen, um ein funktionierendes, noch einfaches Ökosystem zu bekommen. Hier auf unserer Insel haben sie verstärkt als Gärtner gearbeitet, das System weit entwickelt. An einigen anderen Stellen an den Ufern von Gewässern haben sie ebenfalls gezielt bestimmte, geeignete Arten angesiedelt. Weite Bereiche haben sich allerdings nach der ersten Impfung mit dem Wasser aus dem Asteroidengürtel selbst entwickelt, da wurde nur wenig ergänzt, eher nach Plan und automatisch mit weiteren Impfungen. Die anderen Inseln unserer Inselkette etwa bieten da einen ganz guten Einblick, wie sich aufbauend auf die wenigen Spezies der Impfungen dort ein kleines Ökosystem entwickelt hat.
Auf Charybdis scheint es mehrere Entwicklungsstufen gegeben zu haben. Die ersten haben wir ja begleitet. Inzwischen gibt es ebenfalls ein einfaches Ökosystem basierend auf den irdischen Organismen, die versehentlich aufgrund der Irrläufer der Impfung auf den Planeten gelangt sind.
Aufgrund von Mutationen gibt es ferner eine Kombination von irdischen Mikroorganismen, besonders Pilzen mit charybdianischen Arten. Das funktioniert inzwischen über größere Gebiete ziemlich gut. Meist gibt es eine wilde Mischung von irdischen und charybdianischen Arten.
Was mir jedenfalls komplett neu ist: Es gibt einzelne Proben, die weisen daraufhin, daß nun auch wieder charybdianische Arten, den Pilzen ähnlich mitmischen. Wir dachten, die wären aus dem Spiel. Nun tauchen sie wieder auf, eventuell auch oder weil die irdischen Pilze eine geeignete Umgebung mit Wirtspflanzen vorbereitet haben. Das scheint derzeit aber noch in eher abgelegenen Gebieten die Ausnahme zu sein. Gut möglich also, daß an besonderen Stellen Pilzsporen oder dergleichen die Katastrophe überstanden haben.“
Nach einer kleinen Pause hakte Susanne nach: „Hmmm, heißt das, daß Myke gar nicht gänzlich ausgelöscht ist?“
Peter wackelte mit dem Kopf: „Unwahrscheinlich, daß genau der Organismus überlebt haben sollte, aber so lange nicht aufgetaucht ist, nun aber schon. Genetische Verwandtschaft ist aber da. Ich muß mir das noch genauer ansehen, es scheinen auch verschiedene, unabhängige Organismen an voneinander isolierten Standorten zu sein. Die sind vielleicht auch erst in Gang gekommen, weil die irdischen Arten in Gegenden im Inland vordringen, während Myke mit seinem globalen System ja eher auf Wasser und Ufer beschränkt war. Dort gedeiht der neue Mix ja am besten, dort wäre zu erwarten gewesen, daß er auch wieder auftaucht, wenn er doch überlebt hätte. Der neue Mix taucht aber eher an abgelegeneren Stellen auf. Ich muß mir das aber noch genauer ansehen, wie die Zusammenhänge sind. Die durch den Absorber-Einschlag induzierten tektonischen Aktivitäten damals haben ja auch einige Regionen verändert, gut möglich also, daß da etwas vom zusammenhängenden Wassersystem abgeschnitten wurde. Auf alle isolierten Standorte scheint mir das aber nicht zuzutreffen. Ich werde mir das in den kommenden Tagen sehr genau ansehen müssen, darüber reflektieren, was da los ist, was das bedeutet, für Charybdis, vielleicht auch für uns. Weil wir Charybdis ja weitgehend sich selbst überlassen wollten, hauptsächlich beobachten, allenfalls charybdianische Arten fördern, haben die Ais wohl bei dieser jüngeren Entwicklung der letzten Jahre erst einmal nur Daten aufgenommen. Da werde ich auch nachhaken, aber gut, ihr seid nicht die Biologie-Experten, ich bin erst ganz frisch wieder da, habe bislang nur die Kurzzusammenfassung gehört, also nicht so verblüffend, daß das nicht gleich auf den Tisch gekommen ist.
Nun bin ich aber bereits sehr interessiert, bin schon wieder ganz dabei!“
Ich lächelte, klopfte ihm auf die Schulter: „Mußt es auch nicht gleich übertreiben. Mußt erst einmal die Nachwirkungen der Wiederauferstehung ganz wegstecken. Also ruhig bleiben. Ich vermute mal, das Phänomen wird dir nicht weglaufen.
Und kurzfristig müssen wir doch nichts tun?“
Susanne warf gleich ein: „Klingt doch erst einmal gut, wenn sich auf Charybdis die Pilzarten doch noch erholen, das ursprüngliche Ökosystem doch noch eine Chance hat zu regenerieren, wenn auch nicht in alter Form, so doch in ähnlicher.“
Peter nickte, ergänzte: „Es ist ja nicht wirklich ähnlich zum alten System. Mit den irdischen Organismen ergibt sich eine neue Mischung. Es gibt Mutationen, Anpassungen, eventuell auch ein Austausch von genetischem Material. So entsteht etwas Neues, was sich schnell entwickeln kann. Pilze können teils sehr flexibel auf neue Kontakte reagieren. Von daher ist nicht abzusehen, was da passiert, Kooperationen, Konkurrenzkampf, Adaptionen. Dieser Myke-Type ist sehr aggressiv, sehr dominant. Wenn der hier auf Skylla auftauchen würde, wäre das nicht so gut, auch für uns.“
Susanne fragte: „Wie sollte er nach Skylla kommen?“
Ich ergänzte: „Körk läßt zwar noch aus dem Asteroidengürtel Wasser herabregnen, aber inzwischen in so geringer Menge, daß das einzeln genau gesteuert wird. Irrläufer gibt es nicht mehr. Körk hat ferner den Asteroidengürtel gut aufgeräumt. Unbeabsichtigte Einschläge sollten also auch nicht mehr vorkommen.“
Peter meinte: „Hört sich gut an.“
Ich erläuterte insbesondere für Susanne: „Also, auf der Erde hat man etwa Trümmer von Einschlägen auf dem Mars gefunden. Umgekehrt wird es wohl auch Trümmer von der Erde auf dem Mars geben. Da hat es also einen Austausch gegeben, obwohl die beiden Planeten auf eigenen Umlaufbahnen um die Sonne laufen, deutlich weiter voneinander entfernt sind als Skylla und Charybdis voneinander. Schlägt also ein größerer Brocken auf einem von beiden ein, können kleinere Brocken des Planeten hinaus ins Weltall befördert werden. Sind darauf Organismen, Sporen und dergleichen, ist es zwar ziemlich unwahrscheinlich, daß die ausgerechnet auf dem anderen Planeten landen, dazu den Aufenthalt im Weltraum lange überleben, ebenso den Einschlag, aber möglich ist das. Solche Szenarien sollten aber dank Körk hier nicht mehr vorkommen …“
Peter erklärte: „Früher kann das aber vorgekommen sein. Da waren allerdings die Bedingungen auf Skylla zu ungünstig, als daß sich hier Leben hätte etablieren können. Es könnten aber in geschützten Ecken Sporen überdauert haben. Nun haben wir die Bedingungen auf Skylla deutlich geändert, es lebensfreundlicher gestaltet. Trifft also in solch einer abgelegenen Ecke das irdische Ökosystem auf solche Sporen, sollten diese noch aktiv werden können, könnte sich daraus etwas entwickeln, was von uns nicht beabsichtigt war.“
Ich warf ein: „Wir haben hier aber nicht dieselben Mutationen, Optimierungen von irdischen Organismen wie auf Charybdis, das ist hier deutlich inkompatibler, weil wir nicht zugunsten charybdianischer Organismen eingegriffen haben …“
Peter bestätigte: „Stimmt allerdings. Aber wenn Zeit genug ist, Mutationen gibt es immer, Pilze sind da extrem anpassungsfähig. Ich werden mir schon sehr genau ansehen, was wir für Daten von der Biosphäre von Skylla haben, ob die derzeitigen Untersuchungsmethoden ausreichen, derartige Überraschungen frühzeitig zu erkennen.“
Ich schlug vor: „Wenn du da zu Schlüssen gekommen bist, böte es sich ja an, persönliche Exkursionen zu machen, selbst Proben zu ziehen.
Vielleicht fällt dir ja etwas anderes auf als den Sonden, die derzeit die Proben nehmen?“
Peter nickte: „Gute Idee. Die Möglichkeiten der Sonden sind ja begrenzt. Auf Charybdis haben sie zwar letztlich diese lokalen Besonderheiten gefunden, es hat allerdings lange gedauert. Also, wenn ich mich eingearbeitet habe, sollte ich durchaus solche Exkursionen planen.“
Susanne meinte: „Wir können ja erst einmal hier auf der Insel beginnen. Hier beträfe es uns zuerst. Hier ist das Ökosystem am weitesten entwickelt. Und hier können wir am einfachsten durch die Gegend ziehen, um selbst etwas zu finden.“
Das leuchtete natürlich sofort ein. Hier war es zwar nicht wirklich abgelegen, aus unserer Perspektive heraus. Aber wenn wir weiter weg Exkursionen machen wollten, wäre das deutlich aufwendiger. Da wäre es so oder so nützlich, hier vor Ort erst einmal Erfahrungen zu sammeln, die Ausrüstung und das Verfahren zu optimieren. Peter müßte uns zudem ja erst einmal beibringen, worauf zu achten wäre, wenn wir ihm helfen sollten. So bahnte sich also ziemlich überraschend bereits ein gemeinsames Projekt an, denn keine Frage, bei Exkursionen über die Insel wollten wir natürlich alle dabei sein.
Dann war es Zeit, die Arbeit für den Tag zu beenden und wir setzten uns ans Abendessen. Peter betraf das Abendessen ja eigentlich noch nicht so sehr, trotzdem gesellte er sich zu uns und bekam ebenfalls eine Kleinigkeit von den Ais als erster Schritt zur Umgewöhnung.
So ganz von der Arbeit konnte Peter auch nicht lassen, so meinte er: „Ida?
Hörst du mich?“
Ida antwortete und Peter fuhr fort: „Also, das sind schon allerhand Daten, die da im Laufe der Jahrzehnte von den Sonden gesammelt wurden. Mag ja sein, daß die Ais da irgendwie durchblicken. Ich habe so meine Probleme, das zügig nach Relevanz sortiert zu bekommen, also danach, was für mich gerade relevant ist.
Ida?
Kannst du dazu etwas sagen?“
Ida erklärte: „Bei Relevanz kommt es ja immer auf die Fragestellung an. Nach der Wiederauferstehung habe ich dir ja wirklich nur eine Kurzübersicht gegeben. Hildegard und ich hatten durchaus noch vor, das mit dir ausführlicher durchzugehen, ebenfalls die neueren Entwicklungen auch Charybdis mit den charybdianischen Pilzarten, die uns ebenfalls überraschend waren, andererseits erschien uns das prinzipiell in die richtige Richtung zu gehen, denn die Katastrophe mit dem Absorber-Einschlag war ja nichts, was wir gewollt hätten. Jegliche Besserung der Situation schien uns da erfreulich zu sein. So haben wir eben vorsichtig auch Daten darüber gesammelt, nach unserem gemeinsamen Entschluß waren wir allerdings primär als Beobachter tätig, haben etwa eine weitere Ausbreitung dieser Spezies auch nicht gefördert.“
Peter hakte nach: „Die Proben wurden auf Charybdis ausgewertet?“
Ida bestätigte: „Ja, wir haben da gute Labore an relativ isolierten Standorten. Anfangs haben wir ja den Aufwand nicht gescheut, Proben auch auf die Raumstation zu bringen, um dort zu experimentieren. Es war aber natürlich langfristig einfacher, auf Charybdis Labore zu betreiben. So war es gleichfalls einfacher, eine unerwünschte Kreuzkontamination zu vermeiden. Dafür wurde auf der Raumstation schon erheblicher Aufwand betrieben. In den Laboren auf Charybdis können wir das etwas einfacher umsetzen. Inzwischen ist die praktische Forschung dort, die hier auch Skylla und auf der Raumstation strikt getrennt, um Kontaminationen vorzubeugen. Weil vermieden werden soll, daß insbesondere dortige charybdianische Pilze oder stark mutierte Organismen auf die Raumstation oder gar nach Skylla gelangen, bringen wir inzwischen irdische Spezies oder Material seit langer Zeit nur noch nach Charybdis, holen nichts mehr hoch auf die Raumstation, bringen auch keine charybdianischen Organismen nach Skylla.“
Peter nickte: „Gut. Ich halte die Organismen, die ähnlich wie dieser Myke funktionieren, für ziemlich aggressiv, dominant, flexibel, anpassungsfähig.“
Nun war auch Hildegard dabei und kommentierte: „Das ist auch unsere Einschätzung. Als Gärtner hatte Myke den Planeten komplett im Griff, hat die komplette Biosphäre kontrolliert. Wie dieser Mega-Organismus entstanden ist, konnten wir noch immer nicht so ganz klären, aber gut möglich, daß das letztlich ein Zusammenschluß diverser pilzartiger Organismen war. Ob da nun einer alle andere assimiliert hat, ob die zunächst symbiotisch oder kooperativ waren, erst im Laufe von Millionen von Jahren ein einziger Organismus entstand, wird wohl nicht so einfach herauszufinden sein. Immerhin haben die neueren Entdeckungen ja gezeigt, daß es durchaus verschiedene pilzartige Organismen gibt. Weil die ziemlich isoliert voneinander sind, wissen wir noch nicht, wie die sich verhalten, wenn sie aufeinander treffen, ob das mehr zu Konkurrenz um Ressourcen führt oder zu Kooperation.“
Ich meinte dazu: „Hmm, wenn auf Charybdis in den Laboren sowieso schon Proben vorliegen, könntet ihr doch mal experimentieren, sie in Zweierpaaren auf Nährlösungen zusammenbringen, mal herausfinden, was passiert. Anschließend könntet ihr entsprechend auch Dreier- oder Viererkombinationen testen, Verhalten bei knappen Ressourcen, in Kombination mit irdischen Pilzen, einfacheren Pflanzen von der Erde oder Charybdis. Wenn das dafür verwendete Labor sicher ist und relativ isoliert liegt, sollte das doch machbar sein.“
Peter stimmte zu: „Ja, solche Experimente, sehr vorsichtig durchgeführt, könnten uns bei derartigen Fragen vielleicht weiterbringen, einen Versuch ist es wert. Daneben sollten wir die isolierten Kolonien der einzelnen Spezies genauer beobachten, ebenfalls die Expansion …“
Hildegard erläuterte: „Das läßt sich machen. An jedem Standort einer solchen Kolonie können wir kleinere Labore davon separiert stationieren, diese darauf beschränken zu untersuchen, wie sich die Ausdehnung ändert. Einzelne Proben können wir wie vorgeschlagen in einem abgelegenen, größeren Labor kombinieren und testen, um zu sehen, was passiert.“
Susanne ergänzte: „Bleibt noch das Problem, die bereits vorhandenen und auch neue Daten effizient zu sichten. Wir Menschen können das ja nur im begrenzten Umfang verarbeiten und korrelieren …“
Ida schlug vor: „Das ist auch für uns nicht ganz einfach, wir haben zwar einen besseren Zugriff auf die Daten, die Interpretation, die Herausarbeitung bestimmter Fragestellungen ist allerdings nicht so einfach. Wenn du mit Peter und uns daran arbeitest, sollten wir doch etwas hinbekommen, was hinsichtlich klar definierter Fragestellungen eine Zusammenstellung von Daten erlaubt. Für euch gut visualisiert sollte es euch erleichtern, Schlüsse zu ziehen. So kommen wir da hoffentlich effizient voran und können unsere jeweiligen Stärken gut einsetzen und aus dieser Synergie profitieren.“
Susanne nickte: „Kein Problem, ich bin dabei. Mit Michaela will ich ja auch noch die Daten von Methusalem effizient analysieren. Da habe ich reichlich zu tun.“
Ich warf ein: „Da brauche ich noch etwas Zeit, um mich einzuarbeiten, um die richtigen Fragen stellen zu können, wie wir die Daten auswerten, was die Ergebnisse bedeuten. Inzwischen sollten Stanis und Asi vorbereiten, daß wir mehr Proben auf Methusalem sammeln wollen.“
Ida sagte zu: „Ich veranlasse, daß Stanis und Asi das vorbereiten. Wegen der Entfernungen dauert es ein wenig, bis ein leistungsfähiges System vor Ort ist, aber das ist schon machbar. Die beiden haben da draußen reichlich technische Ressourcen verfügbar, um Objekte zu untersuchen.“
Ich bestätigte: „Gut, ich setze mich daran, die Aufgaben auf Methusalem genauer zu formulieren. Wir haben ja die Hoffnung, über Altersbestimmungen, eingeschlagene Brocken auf Methusalem mehr über die Historie des Rasol-Systems zu erfahren. Vielleicht können wir mehr relevante Daten bekommen, diese unter dem Gesichtspunkt plausibel interpretieren.
Das kann ich erst einmal vorbereiten. Die biologischen Fragen auf Charybdis könnt ihr ja ab morgen gut gemeinsam angehen, um da voranzukommen. Das könnte ja schon direkt für uns relevant sein. Peter hatte da ja einen Einfall …“
Ich schaute zu ihm und er übernahm: „… immerhin doch möglich, daß einst durch Asteroideneinschläge auch Brocken mit Pilzsporen nach Skylla gelangt sind. Wenn wir abschätzen können, wie sich die Arten zueinander und in Verbindung mit irdischen Spezies verhalten, sollte es uns auch leichter fallen, hier auf Skylla zu prüfen, ob es nicht an irgendwelchen abgelegenen Orten doch Sporen gibt, die so hierhergelangt sind und nun aufgrund der inzwischen aktiven Biosphäre eine Chance bekommen, sich hier auszubreiten.“
Hildegard meinte dazu: „Anzeichen dafür gibt es nicht. Aber gut, unsere Sonden haben eher beschränkte Möglichkeiten. Dieser automatischen Probennahme könnte da an abgelegenen Standorten schon etwas entgehen. Ich halte die Anwesenheit solcher charybdianischen Arten hier zwar nicht für wahrscheinlich. Aber wenn wir die hiesige Biosphäre auch auf Anzeichen darauf untersuchen, wird das keineswegs schaden.“
Susanne fragte: „Was tun wir, wenn wir etwas finden sollten, wenn sich dieser Mega-Organismus hier auf Skylla ausbreiten sollte?“
Peter meinte: „Sollte das wirklich eintreten, haben wir hoffentlich in der Zwischenzeit aufgrund der Forschung auf Charybdis genug Erkenntnisse über das Verhalten zusammen, um eine Strategie zu entwickeln, wie wir vorgehen. Bis dahin sollten wir beurteilen können, ob oder wie gefährlich das wäre, wie wir damit umgehen müssen. Im ärgsten Falle müßten wir uns auf das Raumschiff zurückziehen. Denn es wäre einerseits wohl schwierig, gezielt nur gegen solch einen Pilz anzugehen, andererseits wäre es auch fragwürdig, ob wir das überhaupt tun sollten, nachdem es bereits diese Katastrophe mit dem Absorber-Einschlag auf Charybdis gegeben hat.“
Susanne und ich nickten stumm.
Damit hatten wir erst einmal grob die Arbeit für die nächsten Tage, Wochen, Monate abgesteckt. Da gab es viel zu klären. Nach dem Abendessen gönnten wir uns allerdings erst einmal einen ruhigen Abend. Wir spielten ‚Mensch ärgere dich nicht‘ und hatten reichlich Spaß dabei, uns gegenseitig ein wenig zu necken. Wir diskutierten auch kurz, ob Peter uns beim Morgenlauf begleiten wolle. Der verschob das lediglich, bis er den Anzug nicht mehr tragen müsse. Dann wolle er sich gerne beteiligen. Das war natürlich komplett in Ordnung. Wir einigten uns allerdings auf einen gemeinsamen Termin zum Frühstück. Noch würde Peter zwar besondere Kost bekommen, aber zur Einstimmung auf den Arbeitstag war das gemeinsam ein guter Start.
Später im Bett, nachdem wir unsere Leidenschaften ausgiebig nachgegangen waren, fragte mich Susanne: „Wenn es nun wirklich so kommen sollte, daß sich dieser Mega-Organismus auch hier ausweitet, wie steht es dann um uns und unsere Zukunftspläne?“
Ich antwortete: „Wie Peter schon sagte, ich meine auch, für einen Rückzug bleibt uns allemal genug Zeit. Wir haben nicht darum gebeten, auf diese Mission geschickt zu werden. Von daher sind wir dem Missionsziel, den Initiatoren, die uns ohne Nachfrage auf die Reise geschickt haben, nicht verpflichtet. Von daher gelten alleine unsere ethischen Grundsätze, was wir tun oder besser lassen sollten. Wir müssen nicht ohne Rücksicht kolonisieren. Für uns bleibt so oder so schon genug. Ich habe mitbekommen, daß es dir hier auf dem Planeten viel besser geht als auf der Raumstation. Schon deswegen wollen wir mal hoffen, daß wir bleiben können, wovon ich allerdings ausgehe. Immerhin hätte es bislang Jahrzehnte Zeit gegeben, wo sich eine derartige Entwicklung schon hätte zeigen sollen. Andererseits ist Vorsicht besser als Nachsicht.
Ich will nun auch nicht, daß wir oder unsere Nachkommen irgendwann von einem charybdianischen Pilz übernommen werden, welcher so ganz neue Möglichkeiten entwickeln kann, vielleicht sogar Raumfahrt?“
Susanne lachte etwas nervös: „Ein raumfahrender Pilz, der unsere Daten versteht, sich einfach mal auf den Weg zur Erde macht – das muß wirklich nicht sein!“
Ich grinste sie an: „Dazu wird es nicht kommen.
Immerhin, damit wären wir auch wieder beim Punkt Nachwuchs und unser Verhältnis zu Peter …“
Susanne gab zu: „Ich finde ihn sehr nett, ist mir sympathisch. Aber besser kennenlernen steht sowieso erst noch an. Und bei unserem Programm, was wir uns vorgenommen haben, haben wir erst einmal genug zu tun. Da müssen wir in der Hinsicht nicht aktiv werden. Wenn sich etwas von alleine entwickelt, sich die Sympathie stark vertiefen sollte, werden wir weiter diskutieren. Und mit dieser etwas gruseligen Vision von einem assimilierenden Pilz im Hinterkopf mag ich nun auch nicht so dringlich an Nachwuchs denken.“
Ich umarmte sie fest, gab ihr einen lieben Kuß und stimmte im Folgenden zu: „Es gibt keine Notwendigkeit, etwas zu überstürzen. Du hast Recht. Lassen wir es ruhig erst einmal laufen. Vielleicht ergibt sich etwas, vielleicht auch nicht. Gemeinsam sind wir doch bereits glücklich, kommen gut mit Peter aus. Das ist doch schon ganz in Ordnung.
Und Arbeit liegt ebenfalls reichlich vor uns!“
Den nächsten Morgen liefen wir also noch einmal ohne Peter los. Wie nutzten diese Zweisamkeit, stürzten uns in den Badesee und vergnügten uns da heftig miteinander. So kürzten wir den Morgenlauf im Anschluß etwas ab, um nach dem Duschen pünktlich zum Frühstück mit Peter zu erscheinen.
Danach ging es an die Arbeit. Wie abgesprochen gesellte sich Susanne zu Peter und sie diskutierten, was sie sie tun könnten, um die Daten effektiv zu durchforsten. Später zogen sie wohl auch Hildegard und Ida hinzu, um da zügig weiterzukommen.
Ich widmete mich hingegen der Geologie und Geochronologie, kam da auch gut voran, das war bereits ein vielversprechender Anfang, auf den ich nun aufbauen konnte.
So nutzte ich ebenso den Nachmittag, um mich weiter in die Geochronologie und Gesteinsdatierung einzuarbeiten. Was auf der Erde, allgemeiner im Sonnensystem funktionierte, mochte hier im Rasol-System etwas andere Voraussetzungen haben. Allerdings hatten Asi und Stanis reichlich Proben aus dem System, somit ebenfalls eine gute Grundlage, um einerseits das Alter des Rasol-Systems aus verschiedenen Methoden zu bestimmen, andererseits gleichfalls Unterschiede, besondere Zusammensetzungen der Materialien von Methusalem. Daher waren die Schlußfolgerungen der Ais schon überzeugend. Methusalem paßte in seiner Hauptmasse, also abgesehen von eindeutig jüngeren Einschlägen, nicht in das sonstige Muster. Ein Einfang in das Rasol-System war also schon plausibel. Ich beschloß, mir das noch näher anzusehen.
Welche Zerfallsreihen hatten sie sich angesehen, welche Isotopen- und Elementenverhältnisse hatten sie analysiert, wo hatten sie Proben genommen?
Wenn ich mich da weiter einarbeitete, sollte es mir gelingen, weitere Vorschläge zu machen, was noch zu untersuchen wäre, welche weiteren Zerfallsreihen wir nutzen könnten, um die Hypothese noch besser abzusichern?
Ich wollte es versuchen und mich da hineinfuchsen.
Wenn Methusalem doch nur ein Kleinplanet ist, war doch davon auszugehen, daß er bei einem Einfang einst mit erheblicher Relativgeschwindigkeit in das Rasol-System gekommen ist. Betrachtet man nun ein einfaches Modell von zwei Punktmassen in einer gravitativen Wechselwirkung, so käme es nie zu einem Einfang. Bei einem solchen ist es immer notwendig, die überschüssige kinetische Energie irgendwie anders zu verteilen. Bei einem System aus mehr als zwei Körpern ist das möglich. Im Extremfall kann da etwa ein anderer Körper aus dem System geschleudert werden, ein größerer Planet könnte bei einer Wechselwirkung allerdings auch auf eine etwas energiereichere Bahn um Rasol verschoben werden, um die Energie so anders im System zu verteilen. Kommt es gar zu Einschlägen, kann ein Teil der kinetischen Energie auch in Wärme umgesetzt werden. Zwar gilt insgesamt immer noch die Impulserhaltung, trotzdem ist so bei komplexen, ausgedehnten Massen ein Einfang möglich. Erhaltung der Gesamtenergie, von Impuls und Drehimpuls ist gegeben, sie werden lediglich unter den beteiligten Objekten anders verteilt.
Obgleich solch ein Kleinplanet schon winzig ist im Vergleich mit den Gasriesen oder gar mit Rasol selbst, sollte solch ein Einfang bei den Planeten hingegen schon Spuren hinterlassen haben, von diesen hätten also wohl mindestens zwei ihre Bahnen geändert, vermutlich waren auch Bahnen diverser Kleinkörper wie Asteroiden geändert worden, mit der Wirkung von heftigeren Asteroidenschauern auf die Planeten in die folgenden Jahrhunderten oder Jahrtausenden. Häufungen von Ereignissen könnten also auf den Einfang hindeuten, mit Glück mit diesem eindeutig in Bezug gebracht werden.
Den Tag brachten wir also gut mit Forschung herum. Abends berichteten wir über unsere Fortschritte.
Susanne und Peter waren mit den Ais ein Stück weitergekommen. Einerseits konnten sie nun schon erheblich besser formulieren, was auf Charybdis genau untersucht werden sollte, welche Experimente stattfinden sollten. Dabei sollte es, wie bereits angeregt, insbesondere um die Fragen gehen, welche der charybdianischen Pilze mit welche Organismen unter welchen Umständen kooperieren, konkurrieren, ob es dabei zu Übernahmen, Assimilationen, Angriffen, Verdrängungen kommt. Damit konnten die Ais schnell beginnen. Die Untersuchung der lokal isolierten Populationen war schon von der Idee her längerfristig angelegt. Das war ja schon am Laufen, wurde nun intensiver untersucht, mit eigenen kleinen Laboren dafür ergänzt.
Peter durfte inzwischen schon mehr essen. Er kam bereits gut zurecht. So war vorgesehen, daß er im Laufe des nächsten Tages morgens noch einmal untersucht werden sollte, danach voraussichtlich den Anzug ablegen, worauf er normal wie wir mitessen würde dürfen. Somit würde Susanne vormittags hauptsächlich alleine an den Bio-Daten arbeiten, ich weiter etwas über Geochronologie lernen.
Nach Morgenlauf und Frühstück gingen Susanne und ich wieder in die Arbeitsecke, kümmerten uns um unsere Forschungsprojekte. Peter hatte seinen Termin, um die Wiederauferstehung abzuschließen.
Die Analyse von Zerfallsreihen ist komplex. Ich hakte bei Ida und Körk nach. Die Ais hatten schon allerhand analysiert, räumten allerdings ein, bei Methusalem nicht wirklich in Details gegangen zu sein. Allerdings hatten wir reichlich Daten und Stanis und Asi zeigten ebenfalls Interesse, auch für sie war es irgendwie relevant, daß so ihre Forschungsarbeit auch in der Kolonie mehr Aufmerksamkeit bekam. So waren sie gerne bereit, Methusalem genauer zu untersuchen, auf Vorschläge einzugehen, bisherige Arbeiten zu erläutern, um so zu einem stimmigen Projekt zu kommen, Ziele genauer festzulegen, einen Plan zu haben, was wir eigentlich wissen wollen, wie uns Methusalem dabei helfen könnte. Schnell hatte ich mit Hilfe der Ais jedenfalls eine lange Liste von Möglichkeiten, wie das Alter von Gestein bestimmt werden kann, ebenso eine lange Liste von Daten über die Zusammensetzung verschiedener Bereiche von Methusalem. Ich hatte die Idee, daß wir Susanne hinzuziehen könnten, um diese zu motivieren, mit ihren Kenntnissen Ordnung in die Daten zu bekommen, sie für Menschen zugänglicher zu visualisieren und Korrelationen einfacher prüfen oder entdecken zu können, die in den Daten bereits verborgen sein könnten, allgemein Korrelationen herauszuarbeiten und unsere Hypothesen so unter Ausnutzung aller verfügbaren Daten effizient auszuwerten.
Dabei könnten wir entscheidend davon profitieren, die gewaltigen Datenbanken und das hohe Rechentempo der Ais mit unseren menschlichen Impulsen, Idee, Assoziationen bei der Sichtung der visualisierten Daten zu kombinieren, um zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Diese Kombination hatte sich bislang sehr nützlich erwiesen, weil wir so die jeweiligen Stärken von Ais und Menschen gut einsetzen, die Schwächen wiederum gegenseitig kompensieren.
Ich war irgendwann ungefähr auf dem Laufenden, hatte also einen gewissen Abschluß erreicht. Daher schlenderte ich zu Susanne hinüber, um zu sehen, was diese so machte. Anfangs war sie so vertieft, daß sie mich gar nicht bemerkte. Als sie doch aufsah, lächelte sie mich an, wir grinsten beide. Susanne erklärte grob, was sie gerade machte. Sie war gut vorangekommen und konnte bereits ein paar Visualisierungen vorweisen. Die Pilze konnten die irdischen Mikroorganismen und Pflanzen ganz gut nutzen, um sich vom Startort allmählich weiter auszudehnen. Über Land schien das Tempo aber noch überschaubar zu sein. Von daher würde es noch ziemlich lange dauern, bis die verschiedenen Spezies irgendwo zusammenträfen. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit hängt zudem natürlich von den Umweltbedingungen und der Spezies ab. Von daher war kaum solide abzuschätzen, wann es zu einem ersten Zusammentreffen kommen würde.
Ich berichtete über meinen frischen Wissenszuwachs, ebenso den bereits abzusehenden Bedarf, bei den komplexen Zerfallsreihen effizient vorgehen zu müssen, optimieren zu müssen, Daten visualisieren. Da war Susanne abermals gefragt. Wir mußten also sinnvoll einteilen, zu einer sinnvollen Reihenfolge kommen. Nun war es wichtiger, daß wir beim Bio-Projekt zügig zu verstehbaren Ergebnissen kamen, von daher war da die Priorität. Susanne war aber nahe an einem Zwischenergebnis. Von daher meinte sie, sie könne wohl bereits den nächsten Tag bei meinem Projekt in die Daten schauen, sich das passend einteilen, so an beiden Sachen arbeiten, um beides voranzubringen. Eigentlich war ihr Anteil an meinem Projekt ohnehin überschaubarer als das, was sich noch aus dem Bio-Projekt ergeben mochte. So war es ebenfalls plausibel, mein Projekt zwischendurch in einen guten Zustand zu bringen. Damit mußte Susanne anschließend und im Detail nicht mehr so viel zu tun haben, nicht mehr weiter entwickeln. Wenn wir da erst einmal effiziente Algorithmen hätten, läge es wohl im Anschluß mehr bei mir, die Programme zu verwenden, Schlüsse zu ziehen, zu berichten, damit wir gemeinsam darüber diskutieren könnten. So waren wir uns über die weitere Zeiteinteilung schnell einig.
Zum Mittag war auch Peter mit der Untersuchung durch, trug nun statt des speziellen Anzuges wieder die lockere Kleidung, nahm fast normal am Essen teil, ließ sich von uns berichten.
Den Rest des Tages bereitete ich vor, was ich Susanne erklären mußte, um dieser einen schnellen Einstieg in das Problem zu ermöglichen. Als ich damit fertig war, schaute ich mir Daten an, welche wir über Skylla und Charybdis hatten, fragte bei den Ais nach und beriet mich mit Ida schon einmal darüber, wie wir aus den vorhandenen Daten vielleicht mehr herausholen könnten, um neue Erkenntnisse über die beiden Planeten und ihre Vergangenheit zu bekommen. Da schien schon noch etwas zu gehen, es wurde uns allerdings relativ schnell klar, daß wir detailliertere Daten brauchen würden, um Hypothesen stichhaltig zu prüfen oder auch neue zu entwickeln. Ida konnte da wirklich allerhand bieten, was umsetzbar wäre, aufgrund vorhandener Pläne oder Module gar mit begrenzten Aufwand und relativ kurzfristig.
Per Satellit sollten so in den nächsten Wochen deutlich mehr Daten gesammelt werden, insbesondere über ein breiteres Frequenzspektrum verteilt, Radar, Infrarot, sichtbar mit besserer Auflösung, Ultraviolett bis fast hinein in den Röntgenbereich, wobei wir bei hohen Energien von den Planeten nicht viel erwarteten. Von daher war es eher relevant, bei niedrigen Energien, auch mit aktiven Systemen neue Informationen zu bekommen.
Die Planeten haben auch starke Magnetfelder. Eine präzise Vermessung der Magnetfelder wäre ebenfalls möglich. Allerdings hatten wir da bereits gute Daten, jedoch mehr im globalen Maßstab. Ich wollte deutlich höhere lokale Auflösungen, um Anomalien in der Planetenkruste aufzuspüren, vielleicht also eingeschlagene, magnetisierte Metall-Asteroiden oder andere Objekte mit deutlichem Einfluß auf das lokale Magnetfeld. Auch das war mit Sonden und Satelliten noch deutlich über das ausbaubar, was bislang an Daten aufgenommen wurde.
Schnell hatte ich auch den Gedanken, nicht nur elektromagnetische Strahlung zu analysieren. Ich schlug vor, eine Gruppe von Satelliten relativ eng benachbart fliegen zu lassen, damit über Abstandsänderungen unter ihnen Informationen über Gravitationsänderungen zu detektieren. Unterschiedliche Dichten im Erdmantel führen zu einer gewissen Ungleichmäßigkeit der Schwerkraft, welche sich auch auf die Bahnen von Satelliten auswirkt. Hat man nun welche mit geeigneten Meßgeräten und mißt untereinander Abstände, so ergibt das Abweichungen von Sollbahnen um einen Rotationsellipsoiden. Wird der Einfluß von Rasol und Skylla, beziehungsweise Charybdis auf das Potential herausgerechnet, ergibt sich so eine Strukturinformation über den jeweils untersuchten Planeten. Zusammen mit den anderen Messungen bekämen wir so Informationen über die Kartoffeligkeit der Planeten, also die Abweichung von der Form eines Rotationsellipsoiden.
Ida versprach, aufgrund von Daten über entsprechende irdische Projekte alsbald einen Vorschlag zu machen, wie wir dies umsetzen könnten. Einmal in Fahrt gekommen hakte ich gleich nach und brachte ins Spiel, daß es doch auch möglich sei, über seismische Messungen, also im Grunde durch den Planetenkörper wandernde Schall- und Druckwellen, Scherungen etc Informationen über den Aufbau des Planeten zu bekommen. Skylla und Charybdis sind ja seismisch aktiv, haben eine aktive Plattentektonik. Ida informierte, daß sie hinsichtlich der seismischen Aktivitäten bislang eher aus technischen Gründen Daten gesammelt hätten, primär also, um einen geeigneten Standort für die Kolonie auszuwählen, welcher von Erdbeben, Vulkanausbrüchen, dem ganzen Drama der Tektonik nicht wesentlich betroffen sei. Das würde sich allerdings kaum eignen, um genauere Aussagen über den Aufbau des Planeten zu machen. Bei der Plattentektonik hätten sie schon einen groben Überblick, um Feinheiten hätten sie sich allerdings bislang nicht gekümmert. So hatten wir hier gleich ein weiteres Projekt, welches wir zunächst einmal mit passiven Detektoren angehen wollten. Also zunächst eine größere Anzahl von empfindlichen Detektoren bauen, diese mit guter Auflösung verteilen und alsdann damit die durch Erdbeben erzeugten Daten analysieren und Rückschlüsse ziehen. Laufzeiten von Wellen durch den Planeten zu den jeweiligen Detektoren, die überall auf dem Planeten messen, ermöglichen Rückschlüsse auf die Schichtung und die Dichten von Schichten, wo gibt es an Schichtgrenzen Reflexionen, wo gibt es bei der Schichtung auffällige Deformationen, etwa durch Asteroiden-Einschläge hervorgerufen. In einer späteren Ausbaustufe könnten wir das auch mit unterirdischen Sprengungen ergänzen, um Daten in anderen Frequenzbereichen und mit präzise lokalisierbaren Quellen zu generieren.
Damit jedenfalls sollten wir erheblich weiterkommen und es würde möglich werden, jedenfalls ein Stück weit in die Planeten hineinzusehen, eventuell eben auch Einschläge zu entdecken, die Hinweise darauf geben könnten, wann es auf welchem Planeten zu einer größeren Einschlagskatastrophe gekommen ist. Deformationen und stark ungleichmäßige Verteilung der Dichten und des Magnetfeldes im Planetenkörper könnten ferner auf größere Katastrophen hinweisen, etwa einen streifenden Zusammenstoß mit einem anderen Körper, welcher dazu geführt haben mochte, daß sich die beiden Zwillingsplaneten hinsichtlich der Ansiedlung von Leben komplett unterschiedlich entwickelt hatten.
Wie von ihr abgeschätzt und nun wieder zusammen mit Peter kam Susanne wirklich bis zum Abend zu einem guten Zwischenergebnis. So saßen wir abends also wieder zusammen und teilten uns den aktuellen Stand mit. Sie waren so weit gekommen, daß Peter erst einmal den nächsten Tag versuchten wollte zu gucken, wie weit er mit den neuen Möglichkeiten kommt. Somit hatte Susanne wirklich Zeit, in mein Projekt einzusteigen.
Durch die Arbeit doch weitgehend voneinander getrennt, hatten Susanne und ich nachts wieder reichlich Lust aufeinander, tobten uns ordentlich aus. Wir waren zufrieden mit uns und der Entwicklung. Peter schien sich auch gut eingelebt zu haben. Susanne und Peter verstanden sich prima bei der Arbeit. Ich hatte schon gesehen, daß sie kollegial und freundlich einen guten Umgang miteinander gefunden hatten. Das gemeinsame Projekt war also auch sehr nützlich gewesen, um die soziale Konstellation der Gruppe zu stabilisieren. Wie erwartet blieb Peter bei ihr wie bei mir zurückhaltend und akzeptierte, daß wir zusammen waren. Da war also vermutlich nicht zu erwarten, daß er die Initiative ergreifen würde, obwohl für uns alle spürbar eine Menge gegenseitige Sympathie in der Luft lag. Daraus ergäben sich schon Möglichkeiten, vermutlich wäre es einfach, Peter für uns zu gewinnen. Einstweilen wollte ich aber unbedingt Susis Stimmung respektieren und einfach mit ihr abwarten, wie sich die Lage entwickeln würde. Subtil nachhelfen könnte ich immer noch, wenn sich rein gar nichts tun sollte. Überstürzen wollte ich das jedoch keineswegs. Regelrecht Intrigen wollte ich ebenfalls nicht spinnen, um einen Impuls zu liefern, der eine Entwicklung anstoßen würde. Bei unserer Stimmung schätzte ich mal ab, das würde fast von selbst laufen. Wir kämen zu dritt sicherlich gut zurecht, ob nun gleich mit oder erst einmal ohne Absicht auf Nachwuchs. Das wäre schon verlockend. Ich konnte mir das sehr gut vorstellen, so eine gemeinsame Leidenschaft mit Susanne und Peter.
Wie abgesprochen kam Peter den nächsten Morgen mit auf den Morgenlauf. So hatten wir weitere gemeinsame Freizeitaktivitäten, rückten gleichfalls so enger zusammen. Und so durch die freie Natur tut das einfach gut.
Nach dem Frühstück vertiefte sich Peter in die neuen Möglichkeiten der Datensichtung. Susanne und ich hatten somit Zeit, um uns um die Optimierung der Datensätze der Zerfallsreihen und Isotopenverhältnisse von Methusalem zu kümmern. Ich war gut vorbereitet, aber natürlich stellte Susanne Fragen aus einer ganz anderen Perspektive. So waren wir schnell in das Projekt vertieft und wir wurden beide sehr gefordert, um das gut auf den Weg zu bekommen. Susanne war allerdings schnell zu begeistern und ebenfalls neugierig darauf, ob wir bei dem Kleinplaneten wirklich mit dem gesamten Datenmaterial auf konsistente Altersschätzungen für verschiedene Koordinaten kommen würden, also einerseits jene Regionen, welche als weitgehend alt eingeschätzt wurden, aber auch für jene Bereiche, die aufgrund von Einschlägen ein deutlich jüngeres Datum aufweisen sollten. So würden wir hoffentlich eine Art von Chronologie bekommen, mit weit mehr Proben von verschiedenen, auch kleinere Kratern durch Stanis oder Asi, wohl auch Häufigkeitsverteilungen auf der Zeitachse von Ereignissen, unter Berücksichtigung der Ausformung der Krater vielleicht gar Rückschlüsse auf ungefähre Richtungen von Scharen von Einschlagsobjekten.
Da Methusalem ja weit draußen, jenseits der Gasriesen seine Bahnen zieht, konnten wir natürlich nicht wirklich detaillierte Informationen darüber erhoffen, was im Innenbereich des Rasol-Systems vorgefallen war. Allein seine abweichende Ekliptik der deutlich elliptischen Bahn, die im Rasol-System eher ungewöhnliche Umlaufrichtung wiesen auf einen Einfang hin. Dabei war auch nicht so klar, wie das so weit draußen passiert war. Vielleicht gab es ja ursprünglich doch einen Durchflug durch das System, einschließlich größerer Ablenkungen und Abbremsungen durch mehrere Planeten, weitere Ereignisse und nach dem Einfang kompliziertere längere Wechselwirkungen mit den Gasriesen, welche Methusalem langsam wieder aus dem inneren Bereich des Systems an den Rand gedrängt hatten.
Würden wir bei der genauen Analyse Informationen über einen Aufenthalt im Innenbereich des Rasol-Systems finden, etwa Einschlagsobjekte, welche den Asteroidengürteln Geri, Freki oder gar Wotan zuzuordnen wären?
Das alles könnten relevante Informationen sein, was einst vorgegangen ist, was einst auch dazu geführt hatte, daß es das Doppelplanetensystem Skylla und Charybdis überhaupt gibt, wieso sich die beiden Planeten trotzdem so unterschiedlich entwickelt hatten.
Susanne jedenfalls hatte irgendwann genug Informationen, um auch alleine zu basteln. So vertieft im wissenschaftlichen Diskurs und der Klärung von Detailproblemen, die sich Susanne hinsichtlich ihres Programmes bereits überlegte, aussprach, im Formulieren mir gegenüber bereits konkrete Formen plante, tauschten wir ganz nebenbei auch unsere gewohnten Zärtlichkeiten aus. Das ging ganz automatisch und lenkte nicht ab.
Für die konkrete Programmierarbeit brauchte sie allerdings Ruhe und Zeit für sich. Die sollte sie nach dem Mittagessen auf jeden Fall reichlich bekommen.
Damit hatte ich wiederum Gelegenheit, Peter Gesellschaft zu leisten. So konnte ich für Ausgleich sorgen, einen guten Zusammenhalt in der Gruppe.
Die Aufbereitung der Daten hatte bereits gut dabei geholfen, etwas mehr über die Vorgänge auf Charybdis zu verstehen. Es gab mehrere Spezies von charybdianischen Pilzen, die da aktiv waren, jeweils noch lokal voneinander isoliert. An einem Standort war die Isolation vom dem einen Pilztyp mehr auf jüngste tektonische Aktivitäten nach dem Absorber-Einschlag zurückzuführen. Der Pilztyp hier war genetisch genau der von Myke. Ob das nun Sporen von ihm waren, die da überdauert und sich letztlich wieder entwickelt hatten, ob das Überreste von Myke selbst waren, die uns damals bei der Untersuchung von Charybdis entgangen waren, war wohl nicht mehr zu klären. Peter neigte dazu, den Pilz erneut einfach Myke zu nennen. Jedenfalls gab es da Zugang zu einem kleinen Binnenmeer und da entwickelte sich die Gemeinschaft nun ziemlich rasant. Vorhandene irdische Arten wurden eher integriert, genutzt. Peter hatte auch überraschende Mischungen von genetischem Erbgut bei einigen Spezies ausgemacht. Für ihn sah es so aus, also hätte der Pilz da als Katalysator Mutationen, Mischungen der Gene begünstigt, um sich bessere Lebensbedingungen zu schaffen. Das konnte man bereits wieder als Aktivitäten eines Gärtners interpretieren. Die Barriere zum Meer ist in dem Bereich nicht so groß. Peter meinte, die sei insbesondere durch die Anwesenheit irdischer Pflanzen und Organismen in dem Bereich für den Pilz zu überwinden. Das mochte schon noch einige Jahre dauern, dann allerdings stehe einer erneuten Expansion hinaus ins Meer nichts mehr im Wege.
An den anderen Standorten ging es deutlich langsamer voran, vermutlich, weil es dort weit weniger Wasser gab und eine Symbiose mit irdischen Organismen, reinen Landpflanzen nicht so gut funktionierte und erst allmählich in Gang kam.
Peter schätze die Lage insgesamt so ein, daß Myke erneut gewinnen würde. Er würde das gewaltige Meer erobert haben, bevor die anderen Kolonien das Meer erreicht hätten. Aufgrund der Wechselwirkungen mit den irdischen Spezies würde sich allerdings eine neue, andere Biosphäre als zuvor entwickeln. Durch die Mischungen würde die kompatibler mit irdischen Genen sein, daher für uns tendenziell eher gefährlich.
So kamen wir wieder auf die Idee zu sprechen, hier auf Skylla persönlich Proben zu nehmen und genauer zu suchen. Susanne war beschäftigt, so schlug ich vor, einfach mal einen kleinen Spaziergang nach draußen zu machen, um sich anders als beim Morgenlauf in aller Ruhe umzusehen, zu überdenken, wie wir konkret bei einer Expedition vorgehen sollten, wie unterwegs sein, was mitnehmen. Peter war einverstanden. Wir meldeten uns kurz bei Susanne ab, die so vertieft in ihre Arbeit war, daß sie nur kurz aufsah und nickte.
Ganz in der Nähe der Kolonie zu gucken, erschien uns wenig sinnvoll, so wanderten wir die Wege entlang weiter hinaus. Weiter draußen gab es einige Bereiche, wo die Ais nicht so viel getan hatten, nicht intensiv Arten angesiedelt hatten. Da war es naheliegender nachzusehen. Vom Morgenlauf her hatte Peter ja bereits ungefähr persönlich mitbekommen, wie es etwas weiter draußen so ist, daher überließ ich es ihm, den Weg zu wählen, die Stelle, wo wir einfach vom Weg abwichen. Die Wildnis war auf der Insel durchaus noch halbwegs überschaubar, durchquerbar. Peter hatte ohnehin einen Bereich gewählt, wo es bereits merklich karger, steiniger war.
Er erläuterte: „Neben der Suche nach verdächtigen Pilzen von Charybdis ist die generelle Zusammensetzung der Vegetation interessant. So können wir besser verstehen, wie sich das aktuelle Ökosystem zusammensetzt, durch welche neuen Arten wir dessen Funktion verbessern könnten. Eventuell sind ja auch Arten verschwunden, die in der Impfung enthalten waren oder gar später angesiedelt wurden. Das kann alles prinzipiell interessant sein, aber auch ganz praktisch für die Verbreitung von mehr Arten, was wir nicht überall vorantreiben müssen, aber in einigen Bereichen kann das die Entwicklung deutlich beschleunigen.
Für die großflächige Verbreitung von Pflanzen, die derzeit stark auf Insekten angewiesen sind, müssen wir natürlich auch passende Insekten haben, die wiederum müssen ausreichend Nahrung haben, sollten dafür aber wiederum keinesfalls gravierenden Schäden anrichten. Das muß alles bedacht sein. Derzeit gibt es solche Pflanzen vorrangig nur hier auf unserer Insel, Bienen werden ersetzt durch Technik, was aufwendig ist. Wir müssen also hier und noch mehr auf dem Festland das Ökosystem so entwickeln, daß wir diese Pflanzen auch dort erfolgreich und ohne technische Maßnahmen im großen Stil verbreiten können, in Weiteren also zwangsläufig mit Insekten, langfristig kommen so ebenfalls andere Tierarten ins Spiel.“
Ich nickte: „Schon klar, in der kurzen Zeit seit Beginn der Terraformung hier, der Ansiedlung von Leben regelt sich das nicht von alleine. Zusammenpassen muß es ebenfalls.“
Wir schauten uns also um, Peter wies auf einige interessante Stellen, Pflanzen hin, nannte benötigte Ausrüstung für eine Tages-Expedition, was wir in einer Liste notierten.
Wir wechselten ein paar Standorte, kamen sogar ebenfalls zum Badesee.
Ich wies auf ein paar Pflanzen in der Nähe und fragte Peter nach Namen und sonstigen Informationen darüber. Peter schaute und erklärte ein wenig, schaute sich gleichfalls hier genauer an, was so wuchs. Gar nicht so weit weg vom Weg und vom See entdeckte er bereits eine offenbar interessante Ecke. Hier hätte er gerne eine Probe genommen, sich etwas genauer angesehen, wir hatten allerdings keine Ausrüstung dabei. Ich hakte nach, wie detailliert die Proben der Sonden seien, die sicherlich auch hier Proben nähmen. Peter erläuterte, der Schwerpunkt von Untersuchungen habe ja zum guten Teil auf Charybdis gelegen, hier auf Skylla hingegen meist in anderen Gebieten, weniger auf unserer Insel, welche ja doch speziell sei, von den Ais schon extra für uns eingerichtet. Die Sonden haben begrenzte Möglichkeiten, ihm falle vor Ort schon etwas anderes auf, also eher eine gezielte Suche nach Besonderheiten, interessanten Konstellationen, Pflanzen in interessanter Umgebung oder besonderer Entwicklung, besonders guter oder schlechter Zustand. Er erläuterte genauer, so lernte ich unterdessen schon nebenbei etwas darüber, worauf zu achten war, was den Sonden entgangen sein mochte.
So war also klar, daß wir die Tages-Expeditionen wirklich durchführen wollten, daß es sich lohnen würde. Im wahrscheinlichen Fall, daß wir nichts von den eventuell gefährlichen Pilzen finden sollten, würde so immerhin unsere Kenntnis über die Vegetation der Insel erweitert. Zudem stellten wir so ein Programm oder Verfahren zusammen, um das automatische Sondenprogramm verbessern zu können, denn zu dritt konnten wir ja unmöglich den gesamten Planeten absuchen. Klar war auch, die eher einfachen Sonden müßten mit leistungsfähigeren Geräten ergänzt werden, vielleicht Drohnen mit mehr Möglichkeiten, ebenso der Option, stichprobenartig selbst eine Probennahme aufgrund von Audio- und Video-Übertragungen zu veranlassen oder gar zu steuern. Selbst mit solchen Hilfen wäre es selbstverständlich notwendig, weiterhin automatisch vorzugehen. Das Programm, die Kriterien dazu sollte Peter allerdings aufgrund unserer praktischen Erfahrungen auf den kleinen Exkursionen optimieren und ergänzen können.
Für einen Moment hatte ich den Impuls, Peter zum Baden einzuladen. Ich bremste mich allerdings doch. Ohne Susi dabei könnte uns das doch in die Irre führen. Gerade deswegen vielleicht erschien der Gedanke ebenfalls verlockend. Ich hatte allerdings keine große Last, mich dennoch zusammenzureißen. Ich hatte ja mit Susi vereinbart, erst einmal nicht die Initiative zu ergreifen und die soziale Entwicklung der Gruppe voranzubringen. Aber auch so hatten wir Spaß zu zweit auf dem kleinen Ausflug, schauten gemeinsam an ein paar Aussichtspunkten, um uns auf etwas hinzuweisen, gab es auch schon mal einen Knuff in die Seite, um die Aufmerksamkeit auf etwas zu lenken.
Als wir am späten Nachmittag wieder in der Kolonie ankamen, war Susanne mit ihrer Arbeit gut vorangekommen. Weil es nun doch noch weitere Details zu klären gab, setzte ich mich zu Susanne, um mich darum mit ihr zu kümmern. Das meiste bekamen wir gleich so hin, ein paar Sachen mußte ich allerdings auch noch recherchieren und verstehen, von daher schloß Susanne ihr Tagewerk nur noch ab, gesellte sich daraufhin mit mir zu Peter. Wir plauderten und spielten noch ein wenig, was eigentlich nahtlos in die Zubereitung des Abendessens überging.
Abends saßen wir zusammen, sahen einen Film und plauderten noch etwas.
Wir diskutierten mit Susanne dabei auch gleich die Idee der Tages-Expeditionen, deren Ablauf wir nun schon konkretisieren konnten, an denen sie ja auch teilnehmen wollte. Das bestätigte sie nun. So stand dem also nichts im Wege und Peter würde das in den folgenden Tagen mit mir vorbereiten, wobei zunächst ja noch Susanne und ich mit den aktuellen Optimierungsarbeiten weiterkommen mußten. Aber wir würden uns da schon arrangieren. Erst einmal sollte primär Susanne mit ihrer Arbeit zu einem guten Zwischenergebnis kommen, danach würden wir wieder gleichmäßiger aufteilen, denn beim Bio-Projekt würde es sicherlich noch weitere Arbeit geben, das war deutlich umfangreicher als unsere Bemühungen um Methusalem.
Den nächsten Morgen ging es wieder zu dritt zum Morgenlauf los. Ich hatte davor zum Aufwärmen noch etwas Gymnastik draußen auf einem kleinen Platz nahe der Koloniegebäude eingeplant. Dabei waren wir grob im Dreieck aufgestellt, so hatten wir jeweils den Blick frei auf die beiden anderen in Bewegung. Sich bewegende Körper haben ihren Reiz. Und den ließen wir auf uns wirken, wenn wir das auch nur so mit auffällig unauffälligen Blicken dokumentierten. Die ließen Peter und Susanne merklich schweifen, gut, ich ebenso. Von daher dachte ich mir schon so, daß es im Laufe der Zeit schon eine Entwicklung unserer Gemeinschaft geben würde. Und ich stellte es mir schon einmal ganz schön prickelnd vor, wenn wir uns zu dritt näherkämen.
Wir zogen nach der Gymnastik munter unsere Runde, hatten gute Laune. Unterwegs wies Peter Susanne schon einmal nebenbei auf eventuell interessante Stellen jenseits des Weges hin, erläuterte ein wenig, was wir uns so am Vortag gedacht hatten. Susi hörte aufmerksam zu, fragte auch mal nach, ließ sich auch die Namen einiger Pflanzen nennen.
Unsere Runde ging diesmal am Badesee vorbei. Diesmal war Susanne ja dabei und wir hatten zu zweit ja bereits Vergnügen im See gehabt.
So wies ich auf den See und fragte munter: „Wie sieht es aus mit einer Runde schwimmen?“
Susanne schaute ein wenig verblüfft, Peter zögerte, antwortete darauf: „Hmmmhmmm, also äh, habe ich ja nicht geahnt, habe keine Badesachen drunter …“
Ich lachte und erwiderte: „Ist ja gar kein Problem, haben wir auch nicht. Wir sind hier schon nackt in den See gesprungen und hatten Spaß.
Ist doch nichts dabei, wir sind doch erwachsen!“
Susanne schaute mich wieder zweifelnd an, ich hielt aber schon über die zum Sonnen gut geeignete Felsplatte auf die Uferstelle zu, von welcher man gut in das Wasser und aus dem Wasser gelangen konnte. Wir kannten uns schon aus, so wußte ich, daß man daneben von der Kante aus einfach ins Wasser springen konnte.
Ich schaute mich zu den beiden um, welche zögerten.
Ich grinste, nickte ihnen aufmunternd zu und spornte an: „Nun habt euch mal nicht so.
Also flott blankgezogen und ab ins frische Naß!“
Ich lachte, zog auch schon meine leichte Kleidung aus, drehte mich einmal nackt auf der Felsenplatte und absolvierte munter den Sprung in den See, daß es laut klatschte. Ich jauchzte, wirbelte herum. Da wollte Susi mir nicht nachstehen, kam ebenfalls heran, zog sich eilig aus und sprang mir nach. Ich begrüßte sie, indem ich lachend mit den Fingern etwas Wasser zu ihr hinflitzte. Sie flitzte zurück, lachte gleichfalls.
Peter zögerte noch, faßte sodann allerdings Mut, zuckte die Schultern, kam ans Ufer heran. Nun zog er sich allerdings so aus, daß wir sein Gemächt kaum erblicken konnten, schade eigentlich. Schnell war er im Wasser, genoß das frische Naß allerdings und zog seine Bahn durch den See.
Susi und ich schwammen ein Stück von ihm entfernt, alberten ein wenig herum. Keck streichelte und neckte ich sie im Wasser, was beim Baden ohne Peter schon ein Signal zu mehr gewesen wäre. Sie nickte aber nur zu Peter hinüber, der ja freie Sicht hatte. Ich grinste sie nur an, neckte und reizte noch ein wenig. Wir waren dicht zusammen.
Eilig gab sie mir einen Kuß und zischte danach leise in mein Ohr: „Wir hatten doch abgemacht, Peter zu nichts zu provozieren …“
Ich erwiderte ähnlich leise: „Na, angesehen hast du ihn schon gerne, wir kommen alle gut miteinander aus.
Und das hier ist doch alles ganz harmlos!“
Ich lachte und sie kicherte verlegen, schaute dabei zu Peter. Das hatte also ebenso für sie einen schönen Reiz. Wir blieben allerdings bei harmlos und zogen nun ebenfalls mit etwas Abstand zu Peter unsere Bahnen.
Peter wirkte etwas verlegen und meinte: „Hmmhmm, hätte ich vielleicht doch nicht mitkommen sollen?“
Ich entgegnete: „Wieso?
Ist doch alles gut!
Und so zu dritt hat doch einen ganz eigenen Reiz!“
Unter Wasser traf mich wohl absichtlich Susis Fuß am Bein, doch sie ergänzte: „Der See ist jedenfalls prima, das wollten wir dir doch keinesfalls vorenthalten, wie herrlich wir hier schwimmen und toben können, wenn wir mal etwas Zeit brauchen, um auszuspannen, uns zu erfrischen!“
Nun lächelte auch Peter und meinte: „Das ist sehr aufmerksam von euch beiden!“
Wir schwammen noch etwas weiter, plauderten nun unbekümmert dabei. Da wir alle drei im See waren, drängte uns ja nun auch nichts zum pünktlichen Frühstück. Wir konnten uns Zeit lassen.
Etwas heikel wurde es erst wieder, als wir das Bad beenden wollten.
Peter merkte an: „Hmm, nun haben wir natürlich auch nichts mit, um uns abzutrocknen …“
Ich lachte und antwortete: „Stimmt, aber Rasol wärmt uns doch. Wir haben wohl drei Optionen: Uns auf die schon warme Felsplatte legen und uns dort trocknen lassen, nackt zurücklaufen oder aber die Sachen überziehen. In der Kolonie sind wir ja zügig unter der Dusche und wechseln sowieso die Sachen …“
Susi beeilte sich und stellte fest: „Die letztere Option scheint mir angemessen und problemlos durchführbar zu sein, wäre vielleicht doch etwas zu heiß auf der Felsplatte heute. Und so ganz ohne zurück, also muß auch nicht sein.“
Ich lachte, aber so machten wir es. Ich stieg als erste aus dem Wasser, schüttelte mich auf der Felsplatte einmal ordentlich ab und zog mir meine Sachen wieder über. Susi lachte etwas verlegen, stürmte zügig aus dem Wasser und nutzte mich etwas aus, um hinter mir wenigstens teilweise verdeckt ihre Sachen eilig anzuziehen. Peter war allerdings sehr zurückhaltend und hatte den Blick die ganze Zeit brav auf den See hinaus gerichtet. Ich schmunzelte und rief zu ihm: „Hast eben die reizvollsten Momente verpaßt.
Aber wenn dem so ist, drehen wir auch mal ab und gehen schon ein paar Schritte voraus, wenn du herauskommst!“
Peter lachte auch und antwortete: „Ich wollte nur nicht respektlos sein und gierig gucken, mich an eurem Liebreiz ergötzen. Da hätte es schon durchaus etwas peinlich werden können, vor euch aus dem Wasser zu kommen, also mit der ganzen Anerkennung für so viele Reize voran.“
Ich lachte, Susi giggele etwas verlegen.
Ich stellte fest: „Alles klar, nun gut, dann werden wir uns mal auch nicht reizen lassen und schauen uns noch dezent nach den Pflanzen um.“
Das taten wir wirklich und es dauerte nicht lange, bis Peter angezogen bei uns war und erneut ein paar Namen von Pflanzen nennen konnte, die wir ausgemacht hatten, um nicht doch noch ein paar Blicke auf seine Pracht zu werfen.
Wir kehrten zügig zurück zur Kolonie. Peter benutzte dort einen anderen Duschraum als Susi und ich.
Ich konnte es allerdings nicht lassen und heizte Susi unter der Dusche ein. Die reizvolle Situation im See hatte uns beide durchaus in Stimmung gebracht. So hatten wir einen erquicklichen Quickie, erschienen daher etwas später zum Frühstück als Peter, grinsten aber beide deutlich entspannt.
Ich fand nun nicht, daß ich da zuviel provoziert hatte. Das fröhliche Bad hatte die Stimmung aber schon ein wenig angeheizt. Vielleicht würde Peter ja doch etwas riskieren, immerhin könnte er gemerkt haben, daß wir beide ihm Sympathie entgegenbringen. Von daher könnte er schon versuchen, einmal vorsichtig zu erkunden, ob da nicht noch mehr zu holen wäre.
Nach dem Frühstück war Susanne also gleich wieder fleißig bei der Arbeit. Ich recherchierte und las, um meine Lücken bei Zerfallsketten und Isotopenverhältnissen zu schließen, mich ebenfalls etwas vertrauter mit der Astro-Geologie zu machen, um nicht versehentlich Fehlinterpretationen zu liefern, aber auch um selbst zu beurteilen, wie stichhaltig und aussagekräftig die verschiedenen Methoden und Strategien vermutlich sind, inwiefern vielleicht doch eigentlich spezifisch für den ursprünglichen Anwendungsbereich im Sonnensystem, was davon allerdings als universell zu verallgemeinern ist, was also insbesondere auch gut auf das Rasol-System anwendbar wäre. Mir war natürlich schon klar, daß es im Sonnensystem viel mehr Untersuchungen und damit genauere Kenntnisse der Rahmenbedingungen gegeben hatte, dort war es also leichter, Meßergebnisse einzuordnen und ein stimmiges Gesamtbild zusammenzusetzen. Hier im Rasol-System würde es wohl zwangsläufig bei Überlegungen, Hypothesen, mehr oder weniger gewagten Geschichten bleiben, Ideen, was passiert sein könnte. Nun, darauf baut letztlich alles auf und über die Forscher-Generationen kann sich das später einmal zu genaueren Bildern verdichten. Nur wenn mutig begonnen wird, die Entwicklung anzuschubsen, passiert da aber überhaupt etwas.
Peter hatte somit nun Zeit, um sich um die Idee der Tages-Expeditionen zu kümmern. So hatte er bereits Satellitenbilder unserer Insel auf dem Monitor, um erste Routen planen zu können. Und eine Liste hatte er auch schon begonnen, was wir brauchen würden, um den wissenschaftlichen Teil einer solchen Expedition gut mit dem zu meistern, was drei Personen bequem mit Rucksäcken würden bewältigen können. Fahrräder hatten wir auch, die taugten allerdings nur dafür, um auf den Wegen zügig einen Punkt anzusteuern, von dem wir vom Weg aus in die Wildnis aufbrechen wollten.
Noch vor dem Mittag hatte Susanne so viel vorzuweisen, daß sie mich wieder hinzuzog und wir gemeinsam darüber berieten, ob das nun schlüssig und plausibel war, was bislang bereits funktionierte. Immerhin, auch mit dieser erheblich genaueren Analyse war klar, daß Methusalem wirklich ein alter Bursche aus einem anderen Sonnensystem sein mußte, also in der Tat ein spektakulärer Kleinplanet, welcher hier irgendwie eingefangen worden ist. Wir konferierten mit Stanis und Asi darüber, wobei wir schnell die Information bekamen, daß Methusalem trotz seiner deutlich von der Hauptekliptik des Rasol-Systems abweichenden Bahn noch relativ gut erreichbar war. Wenn er sich nicht gerade grob im Bereich der Hauptekliptik aufgehalten hätte, wäre er vermutlich zwar schon entdeckt, aber noch gar nicht untersucht worden. So entwickelte ich also mit Susanne, Stanis und Asi eine neue Stoßrichtung der Methusalem-Forschung, welche diesen mehr als Beobachter des Rasol-Systems sehen sollte. Wir wollten wissen, wann er ungefähr in das System gekommen war, was daraufhin grob passiert sein mochte. Woher er gekommen war, war indessen wohl sehr schwierig zu bestimmen, denn zwangsläufig mußte es da drastische Bahnänderungen beim Einfang gegeben haben. Die Idee war jedenfalls, größere und kleine Einschlagskrater auf Methusalem zu untersuchen, welche davon also über welchen angeordnet sind, somit sicherlich jünger als darunterliegende, ferner wollten wir Positionen und Material der Einschlagskörper wissen.
Nun hat ein Kleinplanet wie Methusalem zwar genug Masse, um grob die Form eines Rotationsellipsoiden auszubilden, indessen deutlich weniger als etwa die Erde, Charybdis oder Skylla. Deswegen sind Einschläge von Asteroiden, anderen Gesteinsbrocken etwa von Katastrophen stammend, bei welchen es Einschläge auf anderen Planeten gegeben hatte, wobei von diesen Planeten wiederum Brocken ins All gestreut wurden, natürlich deutlich weniger destruktiv als bei großen Planeten, wenngleich Kleinplaneten auch keine bremsende Atmosphäre haben. Weil diese fehlt, findet die Erhitzung des Materials wiederum nun unmittelbar beim Einschlag statt, die Brocken zerlegen sich nicht bereits in der Atmosphäre, weswegen die Chancen deutlich besser sind, in den Einschlagskratern noch Material solcher Projektile zu finden, welche den Einschlag weitgehend unverändert überstanden haben, wenigstens tief im Inneren dieser Projektile.
So einigten wir uns darauf, daß Asi mit allerhand Gerät vor Ort Methusalem diesbezüglich eingehend erforschen sollte. Stanis würde hingegen weiterhin die Schwerpunkte der Forschungsprojekte verfolgen, die eigentlich bislang gerade aktuell waren. Aufgrund der verteilten Speicher und Identitäten der Ais war es Asi zudem möglich, gleichzeitig mehrere Projekte zu betreuen, von daher war das nun keine massive Störung ihrer Aktivitäten, im Gegenteil, sie zeigten sich interessiert an den aufgeworfenen Fragestellungen. Sie zeigten sich auch interessiert daran, einmal etwas enger mit uns Menschen zusammenzuarbeiten und gleich intensive Rückmeldungen zu ihren Untersuchungen zu bekommen, aufgrund der Kooperation eben auch unsere Sichtweise und Interpretation, unsere Ansätze für eine Auswertung. So hatten wir das schon einmal gut auf den Weg gebracht.
Ferner galt es natürlich auch noch, die bislang offengebliebenen Fragen mit Susanne zu klären, von denen ich dank meiner Recherche inzwischen einige diskutieren konnte, auf passende Literatur verweisen. Auch dabei steckten wir die Köpfe wieder zusammen, gingen locker miteinander um, vorsichtig festigte ich das neue, zarte Band, welches sich zwischen uns gebildet hatte. So kamen wir auch damit gut voran. Eine weitere Verfeinerung und Optimierung unserer Analysen würde sicherlich helfen, die neuen Daten von Asi, die kommen würden, besser einzuordnen und zu einem plausiblen Bild zu formen.
Nach dem Mittag diskutierte ich mit Susanne und Peter indessen erst einmal meine Ideen, um mehr Daten über die Zusammensetzung von Skylla und Charybdis zu erhalten, die Kartoffeligkeit der Planeten zu analysieren, um so eventuell Hinweise auf die Historie zu bekommen. Die dabei aufkommende Datenmenge und die Korrelation der Daten wäre natürlich ebenfalls sehr komplex, also ebenfalls ein Anknüpfungspunkt für Susanne, auch hier zu optimieren. Dazu war sie bereit, wollte sich das gerne ansehen, wenn ihre Arbeiten am Methusalem-Astro-Geologie-Projekt zu einem guten Zwischenergebnis gekommen wären.
Ida berichtete schon einmal über die Fortschritte im Satellitenbau, um einerseits weitergehende Spektren aufzunehmen, aktive Radarmessungen etc durchzuführen, zudem das Schwerkraft-Nahfeld der Planeten untersuchen zu können. Da hatten wir ja Vorlagen, Pläne von der Erde, zudem war es nun deutlich einfacher, Satelliten zu bauen, als zu meiner Zeit auf der Erde. Die Mikroroboterschwärme bauten die fast gleich vor Ort im Orbit mit Material, welches Körk bei der Bereinigung der Asteroidengürtel ohnehin gesammelt hatte. Von daher gab es da keinen aufwendigen Start mit Raketen vom Planeten aus, keine umständlichen Transportsicherungen, keine Kontaminationen, alles wurde gleich in einem Bereich mit lediglich Mikrogravitation gefertigt etc. Zudem gab es für viele Anwendungen praktisch bereits Pläne mit fertigen Modulen, welche für die jeweilige Spezialanwendung nur optimiert und angepaßt werden mußten, wenn sie nicht gleich ausreichend für die Anwendung waren.
Im Anschluß an die kleine Sitzung setzte ich mich zusammen mit Peter zusammen, um meinen Betrag zum Projekt der Tages-Exkursionen einzubringen. Peter war schon ziemlich weit gekommen. Ich beteiligte mich, indem ich ein paar Ideen hinsichtlich der Logistik einbrachte. Gerätschaften für Probennahmen hatten wir bereits verfügbar, zudem waren Ida und Hildegard in der Lage, uns im Bedarfsfalle mit einem Luftschiff zu unterstützen, jedenfalls bei mehr oder weniger stabilen Windverhältnissen würden sie uns so bereits unterwegs Proben abnehmen können, ebenso gegebenenfalls größeres Gerät herunterlassen können. Wenn dies aufgrund von böigem Wind eher schwierig wäre, hätten wir trotzdem unterwegs immerhin noch Satellitenbilder verfügbar, ebenso Bilder vom Luftschiff. Beides sollte uns helfen, die geplante Route durch die Wildnis zu finden, eventuell auch kleinere Abstecher zu interessanten Stellen zu machen. Von daher kamen wir da sehr schnell mit der Planung voran. Die Idee war, zunächst mit verfügbaren Fahrrädern das vorhandene Wegenetz zu nutzen, um zügig und einfach an den Beginn einer Route zu gelangen. Danach würde es mit Rucksäcken hinein in die Wildnis gehen. In einigen Bereichen mit wenig Bewuchs und nahezu ebenem, ziemlich festen Boden würden wir mit den Rädern sogar noch etwas weiter vordringen können. Das konnten wir so bereits aufgrund der vorhandenen Aufnahmen der Insel schon ungefähr festlegen, somit schon solide planen.
Insgesamt konnten wir abends sehr zufrieden mit den Fortschritten der Projekte sein. Susanne war gut vorangekommen und überlegte nun bereits, wie eine Visualisierung der Datenmassen zur Untersuchung von Skylla und Charybdis effizient, ergonomisch zu realisieren sei. Für die Daten von Methusalem hatten wir schon einen sehr schönen Prototypen, um die Ergebnisse der Probenanalysen gut erfassen zu können. Solche Interpretationshilfen durch gute Darstellung von Daten ist immer wichtig, um sich nicht darin zu verlieren, sondern aus den Einzelaspekten besser einen Gesamtzusammenhang erschließen zu können. Hier war Susanne auf einem guten Weg, hatte als Pädagogin und Informatikerin in dieser Kombination ein hervorragendes Gespür dafür, uns Daten zu erschließen, um einerseits Fragen aufzuwerfen, andererseits Hypothesen zu entwickeln. Sie war sehr konzentriert, engagiert bei der Sache gewesen. Das Ergebnis freute mich sehr. Das war eine gute Basis, um einen Durchblick durch die Daten zu bekommen und mehr zu verstehen.
In den folgenden Tagen brachten wir in aller Ruhe unsere aktuellen Projekte voran. Als Susanne ihre Hauptarbeit erledigt hatte, somit ein gutes Zwischenergebnis vorweisen konnte, konnte sie somit wieder zum Bio-Projekt wechseln, dort mit Peter die Arbeit fortsetzen. Dieser hatte inzwischen Erfahrungen mit den neuen Werkzeugen der Datenanalyse gemacht, konnte also Rückmeldungen geben, welche Susanne gleich verarbeiten konnte.
Die Planungen für die Tages-Expeditionen waren gleichfalls abgeschlossen, zudem war gerade eine günstigen Wetterlage gegeben. So waren wir uns einig, daß wir unsere Projekte hier an den Rechnern unterbrechen und losziehen sollten, um die erste Exkursion zu bewältigen.
Somit hielten wir den Tag noch den aktuellen Stand fest, berichteten gegenseitig und diskutierten.
So radelten wir also am nächsten Morgen munter los, die Rucksäcke festgemacht, ein Luftschiff zur Unterstützung bereits ungefähr über dem Startpunkt unserer eigentlichen Route. Der lag in diesem Falle relativ nahe an einem der angelegten Wege, daß wir die Räder noch auf dem Weg abstellten und loswanderten. Unser Plan sah eine Route in einer etwas bergigeren Zone vor. Die Route sollte uns später zurück zu dem Weg führen, welcher um den Badesee führte. Da wir noch nicht so gut einschätzen konnten, wie gut wir vorankommen würden, wie lange Probennahmen dauern würden, wieviele Proben wir würden ziehen wollen, war diese erste Route vom Umfang her eher bescheiden ausgelegt.
Schnell fand Peter interessante Stellen, erläuterte uns überdies nebenbei ausführlicher, was interessant für ihn dabei war. Susi und ich fragten kritisch und neugierig, weswegen er durch die Notwendigkeit der expliziten Formulierung sich genauer Gedanken darüber machen konnte, was aus seiner Sicht interessant war, was objektivierbare Kriterien wären, etwas zu untersuchen. Daran arbeiteten wir im Gespräch nun intensiver, denn so wurde ihm das einerseits klarer, wir konnten das zudem ergänzen. Andererseits konnten Susi und ich so ebenfalls mit kundigerem Blick Ausschau halten, uns also bei der Expedition auch inhaltlich nützlicher machen, ferner waren solch explizit formulierte Kriterien gleichfalls nützlich für die Missionen der Sonden, die sonst Proben nahmen. Mit einem erweiterten Kriterienkatalog würden auch die besser in der Lage sein, Proben an Stellen zu nehmen, die aus Peters Sicht auf jeden Fall sehr relevant sein könnten, für ihn persönlich jedoch nur schlecht oder gar nicht erreichbar sind.
So kamen wir also bereits am Anfang dieser ersten Expedition mit dem Verfahren deutlich voran. Ich hatte nun allmählich ein klareres Bild davon, wie vorzugehen ist, auf was zu achten ist. Das Gespür, die Intuition kommt mit der Praxis, der Erfahrung mit den Forschungsobjekten.
Wir versäumten es allerdings auch nicht, an schönen Aussichtspunkten innezuhalten, den Ausblick zu genießen, jedoch dabei ebenso Ausschau zu halten, ob es aus dieser Perspektive nicht interessante Stellen zu entdecken gab, welche wir unbedingt untersuchen sollten. So machten wir wirklich schnell den ersten Abstecher weg von unserer eigentlich geplanten Route. Das war allerdings unproblematisch, denn es lag ja durchaus im Zeitplan, auch Dinge zu tun, die nicht bereits vorgesehen waren. Gerade diese spontanen Impulse sind es ja gerade, die einem oft neue Erkenntnisse ermöglichen. So gingen wir dem natürlich nach.
Nun ist es in dem bergigen Gelände natürlich durchaus karg, da war schon auf Details zu achten, allerdings auch nicht so uninteressant hinsichtlich jener Pflanzen, die sich besonders gut für die Erstbesiedlung von kargen Landschaften eignen, wovon Skylla ja reichlich hat. Auf unserer Insel lag allerdings die Besonderheit vor, daß die Luftfeuchtigkeit hier deutlich höher ist als weit im Inland, entsprechend regnet es hier auch einmal ab. Das sind deutlich günstigere Bedingungen als in ausgewiesenen Wüstenregionen des Planeten. Dafür hatten wir es in dem heute untersuchten Bereich ziemlich felsig, von daher wenig Material, in welchem Pflanzen Wurzeln schlagen können. Auch dies ist in Skylla natürlich häufig anzutreffen. Ohne Leben gibt es ja keine Humusbildung. Staub- und Sandablagerungen sind da nur bedingt geeignet, in eher zugigen Ecken einer ursprünglichen Vulkaninsel auch nicht so ausgeprägt. Eine Humusbildung oder ähnlich geeignete Ablagerungen hatten wir auf der Insel hauptsächlich dort, wo es schon seit der Anfangsphase der Besiedlung Pflanzen und Pilze gibt, die Boden und allgemein Material gut halten können.
Die Tagesdunkelheit hatten wir im Hinterkopf behalten, somit hatten wir rechtzeitig einen guten Rastplatz aufgesucht und hatten dort eine Pause und Mahlzeit. Wir plauderten über bereits gezogene Proben und deren Standorte, die weitere Route. Ansonsten verdösten wir die Zeit einfach, wobei sich Susi einfach an mich kuschelte. Wir hatten uns nur so grob einen Meter neben Peter platziert, so konnten wir uns gut unterhalten, wenn einem von uns gerade etwas einfiel, was zu diskutieren war. Ein wenig mochte unsere Vertraulichkeit Peter schon einheizen. Dieser ließ sich allerdings nichts anmerken und wir tauschten auch eher unauffällig Vertraulichkeiten aus, um das Spielchen nicht zu weit zu treiben.
Bei den Probennahmen oder Hinweisen auf besondere Aussichten oder eventuell interessante Orte für Probennahmen hatte sich gelegentlich schon die Möglichkeit geboten, ihn unverfänglich zu berühren. Das ging so ganz selbstverständlich und aus der Situation heraus, daß darin nicht so viel lag. Auch damit hatte ich allerdings nun eine harmlose Art von Vertraulichkeit eingeführt, die wir nicht wieder zurücknehmen würden. Mehr passierte jedoch auch nicht zwischen uns.
Noch im Halbdunkel packten wir zusammen und zogen vorsichtig weiter, um weitere geeignete Orte zu finden, um dort Proben zu nehmen. Trotz einiger Abstecher lagen wir relativ gut in der Zeit, so kamen wir gegen Ende unserer Tour am Badesee an. Auch hier untersuchten wir ausführlicher, nicht nur wegen der Affinität von Myke zu Wasser. Kleine Seen hat die Insel mehrere, nur diesen hatten die Ais allerdings als Badesee ausgewiesen, weil das Wasser dafür besonders geeignet ist. Offensichtlich auffälligen Bewuchs hatten wir auch bei früheren Besuchen nicht feststellen können. Nun schauten wir eben systematisch, nahmen ausgiebig Proben.
Natürlich, durch das Vorhandensein des Wassers waren hier relativ günstige Bedingungen, die Seite weiter hinauf in die Berge war allerdings felsig und karg, reichhaltigere Vegetation war eher auf der anderen Seite zu finden, also grob in Richtung der Kolonie. Die Vegetation dort war jedoch zunehmend planvoll von den Ais angelegt worden, zwar über die Jahrzehnte verwildert, gleichwohl nicht im Zentrum des Interesses von Peter, der eher wissen wollte, wie sich die Vegetation dort entwickelt, wo es wenig gezielte Eingriffe von außen gegeben hatte, welche Gesellschaften von Mikroorganismen, Pilzen, Pflanzen sich dort behaupten und ausdehnen können, wo sich das nicht geplant kombiniert, sondern aus einer Zufallsmischung heraus selbst entwickeln muß.
Als wir mit der Expedition durch waren, hatten wir noch Zeit bis zum Abend. Wir übergaben dem Luftschiff die restlichen Proben und die nun einstweilen nicht mehr benötigte Ausrüstung. Dieses zog darauf ab. Wir waren ungestört, schauten über den See. Wir hätten zurück zu den Rädern schlendern können, wären anschließend relativ früh zurück in der Kolonie gewesen.
Ich wies mit der Hand auf den See, wedelte so vage mit den Fingern herum und meinte: „Also, ich hätte Lust, eine Runde zu schwimmen, und ihr beide?“
Peter schaute mich lächelnd an, aufgrund der inzwischen lockeren Stimmung schon etwas gelöster: „Ohoh, wieder gar keine Badehose mit …“
Ich lachte und erwiderte: „Meinst du, ich?
Ist doch egal, sind doch unter uns, ist ja nichts dabei.
Also los?
Kommst du mit?
Susi?“
Diese mußte auch schmunzeln, nickte nur keck. Ja, wir waren wirklich vertrauter miteinander geworden.
Ich ging fröhlich lachend ein paar Schritte weiter auf die größere Felsplatte am See, näherte mich dem Wasserrand und guckte nach der Stelle, an welcher man gut einsteigen kann.
Die fand sich schnell, ich drehte mich schmunzelnd zu den beiden um, sprach: „Also los!“, wobei ich mich bereits wieder zum See drehte und schon begann, mich meiner Sachen zu entledigen, noch ohne mich erneut umzusehen. So nackt und bloß bekamen Peter und Susi zunächst nur meine Rückenansicht zu sehen, ich reckte mich allerdings, streckte mich, kniff die Popacken zusammen und gab meinen Hüften einen lasziven Schwung, bevor ich meine Beine grazil in Richtung See in Bewegung setzte. Es machte mir schon ein wenig Spaß, so zu provozieren. Ich war bereits neugierig, wie sie reagieren würden.
Susi lachte einfach, begann nun ebenfalls, sich zu entkleiden. Ich tänzelte spielerisch herum, griff mit den Fingern locker in die Leere, drehte mich, um Peter ebenfalls mit meiner Vorderansicht zu beeindrucken, aber nur so flüchtig, es sollte natürlich nur ein harmloser Spaß sein, auch um ihn noch ein wenig anzuregen mit etwas frecher Freizügigkeit. Aber das wollte ich nicht überziehen. Also stieg ich zügig in den See, dessen Temperatur ganz angenehm war. Und so machte ich gleich meine ersten Schwimmzüge. Susi war mutiger, kannte die Stelle bereits, machte gleich einen weiten Satz und landete platschend neben mir im Wasser. Wir lachten, machten ein paar kräftige Schwimmzüge weiter auf den See hinaus.
Erst etwas weiter draußen auf dem See drehten wir uns erneut um, schauten nach Peter. Tatsächlich hatte dieser sich ebenfalls entkleidet, eine Hand wie zufällig vor sein Gemächt haltend, daß wir den aktuellen Zustand nicht eindeutig erkennen konnten. Aus der Höhe der Hand vermochte ich allerdings schon erahnen, daß bereits unsere minimalistische Aufführung die gewünschte Wirkung hinterlassen hatte. Peter stand auch noch etwas zögernd auf der Felsenplatte. Als er allerdings mitbekam, daß wir ungeniert guckten, lachte er etwas verlegen und stieg ebenfalls ins Wasser, schwamm locker und ohne Eile ungefähr in unsere Richtung.
Als er fast heran war, flitschte ich ihm fröhlich lachend eine kleine Wasserfontaine hinüber. Peter grinste, flitschte beherzt zurück, woraus sich eine kleine Wasserschlacht zwischen uns dreien entwickelte. Wir hatten richtig Spaß, alberten harmlos herum wie die Kinder. Anschließend schwammen wir noch eine größere Runde friedlich nebeneinander durch den See.
Nachdem wir eine Weile das Wasser genossen hatten, schwammen wir zurück zum Ufer, wo unsere Sachen auf uns warteten. Angekommen stieg ich mit Schwung aus dem Wasser. Susi zögerte nicht und folgte mir gleich, legte mir traulich einen Arm um die Hüfte. Ich gab ihr einfach einen Kuß auf die Wange.
Nun hatten wir ja nichts zum Abtrocknen mit, die Felsplatte war im Sonnenschein allerdings recht warm, so schüttelten wir uns lachend ordentlich ab, legten uns einfach auf den kahlen Fels und gaben Rasol eine Chance, uns wenigstens etwas zu trocknen.
Als Peter am Ufer angekommen war, zögerte er etwas.
Ich merkte nur an: „Nun hab’ dich nicht so und komm’ schon raus!“
Peter antwortete: „Ja klar, etwas ungewohnt ist die Situation so schon.
Aber es ist ja wirklich nichts dabei, wir sind ja alle erwachsen und vernünftig!“
Ich lachte und entgegnete: „Das sind wir wohl. Also gar kein Drama.“
Peter lachte verlegen, genierte sich schon ein wenig, kam aber doch heraus. Susi und ich, wir schauten ganz ungeniert und mit offenem Lächeln. Und so nackt auf dem Felsen zeigten wir ja immerhin auch, was wir zur visuellen Erbauung unsererseits zu bieten hatten.
Er sah schon ganz schmuck aus, auf jeden Fall!
Der ganze Körper ist schon sehr ansehnlich und appetitlich. Nun ist er gewiß kein Muskelmann, auch keineswegs fettig, also griffig und ansehnlich und männlich, wie es sein soll, ohne in eine bestimmte Richtung zu übertreiben.
Peter eilte nun allerdings, schüttelte ebenfalls unterwegs möglichst viel Wasser ab, legte sich so etwa knappe zwei Meter von uns entfernt ebenfalls auf den Felsen, wobei er sein Gemächt hielt und sich einfach auf den Bauch legte. Wir lachten alle drei. Wir genossen fürderhin jedenfalls einfach nur die Sonne und die Wärme auf der Felsplatte. Und Peter beruhigte sich wohl auch etwas, weswegen er sich ebenfalls umdrehte, als wir das taten, um uns auch auf der anderen Seite trocknen zu lassen. Dabei rollte ich einfach auf dem Untergrund herum, Susi tat es mir gleich. So lagen wir nun gut eine Körperbreite näher an ihm dran. Er drehte sich hingegen auf der Stelle. Susi hatte nebenbei meine Hand gegriffen, drückte etwas. Ich deutete das so, daß sie eine weitere Anregung nicht für notwendig hielt. Ich vergewisserte mich, schaute kurz zu ihr. Sie zog kurz die Augenbrauen herunter, daraufhin die Stirn kraus, drückte meine Hand etwas fester und schüttelte kaum merklich den Kopf. Das akzeptierte ich, also entspannen, nicht weiter provozieren. Sie war noch nicht bereit, sich auf mehr einzulassen. Das war schon in Ordnung. Alles braucht seine Zeit. Und wir waren alle Male vorangekommen, gingen nun deutlich lockerer miteinander um.
Als wir so halbwegs trocken waren, war es auch allmählich Zeit, zurück zu Kolonie aufzubrechen. Also zogen wir uns in guter Laune an und spazierten zurück zu den Rädern. Und mit denen ging der Rückweg letztlich relativ schnell.
Wieder zurück in der Kolonie, machten wir uns erst einmal frisch, wobei Peter wieder in einem anderen Duschbereich blieb und Susi und ich durchaus angeregt durch das kleine Intermezzo am See einen heftigen Quickie hinlegten, daß uns komplett die Puste ausging. So trafen wir mit einem sehr zufriedenen Grinsen im Gesicht im Arbeitsbereich auf Peter, welcher bereits früher eingetroffen war und nach seinen Projekten schaute. Die Auswertung der heutigen Proben würde natürlich noch etwas dauern. Es ging ihm also vorrangig um andere Ergebnisse und die Entwicklungen auf Charybdis.
Am nächsten Tag machten wir nicht gleich wieder eine Expedition. Über Nacht waren bereits die meisten unserer Proben analysiert worden, nicht komplett, aber es gab bereits genug Ergebnisse, denen sich Peter widmen konnte. Susanne konnte sich da gut beteiligen, ich widmete meine Zeit weiter den Daten von Methusalem und meinen anderen Projekten. Da gab es immer reichlich zu tun, um die voranzubringen.
Den nächsten Tag brachen wir drei nach dem Frühstück wieder mit den Rädern zu einer Expedition auf. Diesmal ging es nicht in die karge, bergige Region, diesmal lag der Schwerpunkt mehr im Bereich des Sandstrandes und seiner weiteren Umgebung, dem Übergang ins Inland. Im Wasser des Meeres ist ja allerhand gelöst, also noch deutlich mehr als in den Meeren auf der Erde, daher ließ sich bislang im Meer auch nur wenig Vegetation ansiedeln, vielleicht ebenso ein Grund, warum das Leben auf Skylla früher keine Chance hatte. Die Brühe braucht schon sehr robuste Organismen. Auf der Erde gibt es ja durchaus Organismen, die unter extremen Bedingungen existieren. Es war nur nie so ganz klar, ob das eine spätere Anpassung war oder ob diese Organismen bereits seit den Anfängen des Lebens auf der Erde in diesen extremen Nischen ihr Auskommen gefunden hatten. So oder so war das hier in der Brühe des Meeres nicht passiert. Mittlerweile hatten die Ais über die Jahrzehnte unserer Besiedlung ja durchgehend daran gearbeitet, Stoffe aus dem Meer zu extrahieren. Obgleich es viel kleiner als auf der Erde ist, ist das Wasser allerdings trotzdem nicht über ein paar Jahrzehnte zu klären. Immerhin reichte die Wasserqualität inzwischen, um darin einige robuste Organismen zu etablieren. Der Plan bestand nun darin, eine Entwicklung einzuleiten, bei welcher Organismen dabei helfen, die chemische Zusammensetzung des Meeres zu verändern. Das war auf der Erde gleichfalls passiert, als die ersten Organismen per Photosynthese Sauerstoff im Meerwasser produziert haben, so unter anderem dafür gesorgt haben, daß gelöstes Eisen als Rost ausgefällt wurde. Ähnliche Vorgänge hatten die Ais auch hier auf Skylla im Sinn. Inzwischen war es durchaus gelungen, einige Organismen für diese Zwecke im Meer zu etablieren, die Chemie des Meeres also nicht nur mit technischen Anlagen an der Küste zu manipulieren.
Für die Küste unserer Insel bedeutete das jedenfalls, daß die Vegetation dort ebenfalls robust an die Zusammensetzung des Wassers angepaßt sein muß, ähnlich wie an Küsten auf der Erde. Aufgrund des durchaus vorhandenen Regens kam natürlich auch Wasser von den Bergen, der Küstenbereich filterte ferner, weswegen es unterschiedliche Zonen hinsichtlich der Zusammensetzung des Wassers gibt, welches für die Vegetation verfügbar ist. So ändert sich die Pflanzengesellschaft folglich je nachdem, welche Wasserqualität verfügbar ist. Daher hatten wir im Küstenbereich also einige unterschiedliche Zonen für unsere Untersuchungen.
Die Tagesdunkelheit verbrachten wir am Sandstrand. Neben dem Essen plauderten wir angeregt über unsere Expedition, dösten etwas herum, hatten auch etwas zu lesen mitgenommen. Als es wieder hell wurde, setzten wir unsere Untersuchungen fort. Auch für diese Expedition hatten wir absichtlich ein nicht sehr ambitioniertes Programm geplant, weil ja doch immer wieder interessante Sachen in unser Gesichtsfeld kamen, auf welche wir spontan reagierten.
Insgesamt waren wir mit unserem Programm wieder zeitig durch, hatten unsere Proben und unsere Ausrüstung bereits an das begleitende Luftschiff übergeben.
So schlug ich vor: „Noch Lust auf ein Bad im Badesee?“
Peter und Susanne stimmten lachend zu, also ging es mit den Rädern los. Sorglich hatte ich diesmal sogar Handtücher dabei. Weil das ganz günstig dort war, radelten wir wieder herum, bis wir den Bereich mit der Felsplatte erreicht hatten, auf welcher sich nach dem Bad gut liegen ließ.
Ich legte schon einmal die Handtücher aus. Fröhlich und in gelöster Stimmung zogen wir blank, Peter nun auch ohne Zögern, stürmten so in den See. Dort schwammen wir erst ein wenig, wobei es nicht lange dauerte, bis wir wieder herumalberten, eine kleine Wasserschlacht veranstalteten, anschließend wieder eine Runde nebeneinander schwammen.
Wir drei hielten uns diesmal länger im Wasser auf als beim letzten Mal. Das war in Ordnung, wir fühlten uns wohl.
Irgendwann war es aber erst einmal genug und ich meinte: „Pause wäre mir jetzt ganz angenehm.“
Peter erwiderte: „Ja geht mir auch so, soll ja keine Sportveranstaltung werden.“
Susi stimmte ebenfalls zu.
So schwammen wir also zurück, stiegen aus dem Wasser, trockneten uns etwas ab, legten uns hin und ließen uns noch etwas von Rasol bescheinen und trocknen.
Wir dösten noch ein wenig, plauderten etwas über die heutige Exkursion. Susanne und ich hatten eine Menge gelernt, konnten nun schon selbständiger suchen und relevante Stellen ausmachen. So waren wir inzwischen dabei, gemeinsam bessere Regeln zu formulieren, nach welchen die automatischen Probennahmen effektiver erfolgen könnten, insbesondere auch an Stellen, die besonders relevant wären. So ganz plausibel bekamen wir es noch nicht hin. Susanne befand, das sei derzeit noch zu vage, um es in einem Programm umzusetzen. Schon von daher war klar, daß es weitere Tages-Expeditionen geben würde. Aber die machten uns Spaß, brachten uns näher zusammen. Und das war ja genau richtig bei solch einer kleinen Gemeinschaft. Wir zogen uns etwas später an, radelten zurück zur Kolonie.
Obwohl unser Umgang inzwischen zwischen ziemlich locker gewesen war, hatte sich Peter noch nicht getraut, etwas zu riskieren. Nun, da Susanne und ich ein Paar waren, hatte er wohl einfach Respekt davor, akzeptierte das so. In etwa so hatte ich ihn auch eingeschätzt. Es war schon zu bemerken, daß es ihn reizte, er neigte allerdings nicht dazu, das offene Verhalten eindeutig zu seinen Gunsten auszulegen und aktiver zu werden, um einfach einmal herauszufinden, wie wir reagieren würden.
Auf Dauer würde ihn die Konstellation so schon belasten. Ich dachte mir, ich sollte nun wohl abermals mit Susi darüber reden, wie diese die veränderte Situation sah, ob sie mehr Mut gefaßt hatte, eventuell eigentlich schon interessiert war, nur eben unsicher, wie es gehen könnte.
Nach einem abermaligen Quickie von Susi und mir unter der Dusche trafen wir uns wieder alle zum Abendessen. Auch den Abend verbrachten wir harmonisch zusammen. Wir verstanden uns einfach sehr gut. Ich fand, das waren Voraussetzungen genug, um es mit Peter zu probieren. Aber Susi müßte es auch wirklich wollen. Womit sich, wenn sie denn wollen würde, für uns auch wiederum die Frage der Familienplanung stellen würde.
Nachts machte ich sie jedenfalls richtig heiß, zögerte diesmal hinaus, ließ sie um Erlösung zittern. Diesmal hatte ich auch Spielgerät im Einsatz. Das war durchaus von der eindringlichen Sorte. Damit probierte ich etwas herum, was Susi durchaus überraschte, aber sie ging gerne darauf ein, sprang gut darauf an.
Ich flüsterte der stark erregten Geliebten zu: „Ohohoh, da bist du ja richtig heiß drauf.
Soll ich dir den Peter machen und dich mal ordentlich durchschubsen?“
Susi lachte keuchend, erwiderte nur: „Michaela, Michaela, du machst mich heute richtig fertig, bitte, bitte, lange halte ich nicht mehr durch …“
Nun, quälen wollte ich sie natürlich nicht wirklich, so ging ich liebevoll, vorsichtig mit dem Gerät vor, erkundete ihre Reaktionen und rubbelte und schubste sie so heftig über die Kante. Wir lagen eng umschlungen, wobei sie sich allmählich erholte, wieder aktiver wurde. Sie hatte das Teil ergriffen und versuchte es nun ihrerseits bei mir.
Sie grinste mich an und stellte fest: „Also gut, wollen mal ausprobieren, wie du reagierst, wenn ich dir den Peter mache!“
Ich lachte vergnügt und ließ sie machen. Sie bekam das ebenfalls ganz geschickt hin, kombinierte es schön mit dem, wovon sie bereits wußte, daß es bei mir gute Wirkung zeigte, so daß ich alsbald ebenfalls tobte und wonnig in einen schönen Höhepunkt hineinglitt.
Wir entspannten danach eng umschlungen.
Ich fragte nach: „Also, da wir beide auf die eindringlichen Spielchen so gut reagiert haben, heißt das nun, wir sollten uns nun doch um Peter bemühen?
Inzwischen konnten wir detaillierter begutachten, daß er ein stattlicher und guter Kerl ist, was meinst du?“
Susi kicherte erst aufgeregt, antwortete danach: „Also, ich hätte schon Lust. Ich mag ihn sehr. Wenn wir das gemeinsam hinbekommen, wäre das schon perfekt.“
Ich warf ein: „Wir drei vertragen uns doch ganz ausgezeichnet, warum sollte das nicht klappen?
Wir beide werden das doch wohl so arrangieren können, daß die gemeinsamen Aktivitäten für uns zum Genuß werden. Peter ist nicht dominant, kann zudem davon profitieren, was wir voneinander wissen. Von daher habe ich keine Zweifel, daß wir zu dritt schönen Spaß haben werden.“
Susi mahnte: „Ausnutzen wollen wir ihn nicht, das wäre in der kleinen Gruppe auch gar nicht drin, ohne erhebliche Schwierigkeiten zu verursachen. Wenn wir uns also auf ihn einlassen, dann ist das ernst, das ist dir klar?“
Ich bestätigte: „Natürlich können und werden wir nicht mit ihm spielen, wenn, dann ist es ernst. Und er ist eben ein netter, zurückhaltender, ehrlicher Kerl. Wenn von uns keine eindeutige Ansage kommt, weiß er nicht wirklich, woran er ist und wird sich zurückhalten. Warten bringt uns also nicht weiter.“
Susi meinte: „Hmm, aber sollen wir einem starken Mann durchgehen lassen, so defensiv zu sein, wenn er Interesse hat?“
Ich antwortete: „Er hat Respekt vor uns und unserer Beziehung. So, wie die Konstellation ist, liegt es schon eher an uns, ihn einzuladen.
Da würde ein offensives Werben von ihm nur einen schlechten Eindruck machen, meinst du nicht?
Es wäre schon anders, wenn wir entzweit wären, die Lage nicht so eindeutig wie jetzt. Nein, also so konservativ sind wir doch zudem nicht, daß wir als Frauen nicht selbst entscheiden könnten, ob oder wann wir wollen. Es ist doch nicht so, daß wir nicht selbst Interesse bekunden sollten und ebenso können, wenn wir Lust darauf haben. Es ist daraufhin wiederum an ihm zu entscheiden, ob er unter den Bedingungen ebenfalls Interesse hat. Auf der Raumstation habe ich klargestellt, daß ich mich insbesondere dir verpflichtet fühle, gerade weil du in der Konservierung warst und die Lage unklar. Nun können wir beide frei entscheiden, sind uns im Grunde im Interesse einig. Da braucht uns keine falsche Scham zurückhalten. Zumal wir drei hier am Ende der Welt sowieso die Regeln für uns festlegen. Da gibt es niemanden, der uns etwas vorschreibt, der beurteilen würde, was wir tun. Also, es ist unsere Wahl. Wir müssen entscheiden, uns einig sein, dann kann es hier funktionieren mit unserer kleinen Gemeinschaft. Von daher ist es richtig, daß Peter nicht die Initiative ergreift und uns offensiv angräbt.“
Susi nickte und küßte mich lieb.
Etwas später stellte sie fest: „Du hast ihn ausgesucht, also zur Wiederauferstehung …“
Ich erläuterte sachlich: „Das hatte primär sachliche Gründe in der damaligen Situation. Ich gebe aber schon zu, er hatte sonst gleichfalls meine Aufmerksamkeit. Und wie sich nun herausstellt, hatte ich auch in der Hinsicht eine gute Intuition. Peter ist ein Mann, der zu uns paßt, der uns beiden gefällt. Das ist sehr hilfreich, zumal unsere Neigungen ja nicht so eindeutig sind. Da harmoniert das so doch sehr schön.“
Susi kicherte leise. Sie freundete sich mit dem Gedanken an, daß da etwas laufen sollte.
Entscheiden würden wir das allerdings den Abend nicht mehr. Wir kuschelten uns eng zusammen, schmusten noch etwas herum, um alsdann einzuschlummern.
Mache einen Vorschlag, wie sie weiter vorgehen sollen.
Peter ein eindeutiges Angebot machen
Mit Peter hatten wir nichts konkret verabredet. Susi und ich gingen einfach wieder von meinem Zimmer hinunter in den allgemeinen Bereich. Wir nahmen eine Kleinigkeit zu essen mit. Ich wollte nun doch in den Arbeitsbereich, etwas in die Daten sehen, also weniger in Peters Bereich, aber dieser Fund von Methusalem hatte mein Interesse geweckt.
Ich erzählte Susi davon und merkte an: „Das interessiert mich nun doch. Vielleicht finden wir da ja mehr heraus. Wenn der Brocken so lange Zeit über im Rasol-System gewesen ist, nun ziemlich weit draußen seine Bahnen zieht, könnte doch immerhin sein, daß der im Sinne eines Beobachters des Systems wirklich Spuren aufweist, anhand derer wir eine bessere Idee davon bekommen, wie sich das System über die Zeit entwickelt hat.“
Susanne fragte: „Wie sollte das passiert sein?
Was für Spuren?
Bei einem Brocken, der einfach so durch die Gegend saust?“
Wir waren indessen schon auf dem Weg und ich entwickelte vage Ideen: „Vielleicht können wir etwas über die Historie der Bahn herausfinden, wenn Methusalem eingefangen worden ist, sollte es schon Wechselwirkungen mit dem System gegeben haben. Der Einfang bringt es mit sich, daß kinetische Energie von Methusalem auf andere Körper übertragen wird, sonst würde er allenfalls abgelenkt weiter durch den Raum fliegen.
Eine andere Möglichkeit besteht darin, daß sich auf Methusalem Einschläge von kleineren Gesteinsbrocken finden, die wir vielleicht zeitlich zuordnen können, vielleicht gar woher die Brocken stammen. So haben wir vielleicht wirklich eine bessere Chance, etwa die Entwicklung oder gar Entstehung der Asteroidengürtel besser zu verstehen, vielleicht auch, wie es zu dem Doppelplanetensystem Skylla und Charybdis gekommen ist, warum der eine viel, der andere wenig Wasser hat.“
Susanne war aus nachvollziehbaren Gründen skeptisch: „Wenn du dir da mal nicht zuviel von dem Teil versprichst, so weit draußen, zudem sind das alles ziemlich komplexe Abläufe. Allerdings spannend ist das schon, er hat ja zudem etwas mit uns gemeinsam, wenn er von außerhalb des Systems kommt, schon von daher hat er unsere Aufmerksamkeit verdient.“
Wir lachten beide.
Im Arbeitsbereich angekommen ließen wir uns von Ida die Daten geben und schauten erst einmal. Das war allerhand Kram, aber hinsichtlich der Beantwortung meiner Fragen trotzdem dünn. Immerhin hatte Körk das Gebilde nicht bereits aufgeräumt, dafür war es zu weit draußen, keinerlei Gefahr für Skylla und Charybdis. Inzwischen war Methusalem ein ordentliches Stück von der Hauptekliptik des Rasol-Systems entfernt. Da würde es also etwas Zeit kosten, bis Asi und Stanis dort Ausrüstung für weitere Untersuchung hingeschickt hätten. Daher erschien es mir sinnvoll, zügig ein kleines Projekt zu formulieren, um solch eine nähere Untersuchung bald zu veranlassen.
Später meldete sich Peter. Wir teilten ihm mit, wo wir sind. So war er schnell bei uns. Gut erholt hatte er nun das dringende Bedürfnis, genauer in die Daten über die Biosphären zu schauen. Zuvor fragte er nach unseren Aktivitäten.
Ich zuckte die Schultern, meinte: „Muß mir auch erst einmal wieder einen Überblick verschaffen, wie sich die Situation im Planetensystem in den letzten Jahrzehnten verändert hat, Körk war da ja sehr aktiv. Und ich muß mir auch einmal ansehen, was inzwischen herausgefunden wurde über die Historie des Systems, was über die Planeten. Wenn es genaue Daten über die Planeten gibt, wäre es ja auch möglich, Hypothesen über die Vergangenheit aufzustellen, Stellen zu lokalisieren, wo Proben genommen werden könnten, Untersuchungen förderlich wären, um Hypothesen zu stützen oder zu widerlegen.
Sie haben wohl auch einen Kleinplaneten gefunden, welcher gar nicht aus diesem System zu stammen scheint, älter als dieses ist.“
Peter neigte den Kopf: „Interessant, auch daß das bereits bekannt zu sein scheint.“
Ich fügte hinzu: „Ich hatte bereits die Ehre, ihm einen Namen geben zu dürfen: Methusalem.“
Peter hakte nach: „Wirklich älter als das Rasol-System?
Schon interessant.
Wie kann das sein?
Wie stellt man das Alter eigentlich fest?“
Ich antwortete: „Genaueres habe ich mir noch gar nicht angesehen. Kommt vermutlich aus einem anderen System, wurde von Rasol in einer Wechselwirkung mit verschiedenen Planeten oder Kleinplaneten eingefangen. Letztlich ist es ja ohnehin so, daß schwerere Elemente in Sternen ausgebrütet werden. Irgendwie müssen sie da ja wieder heraus, wenn man sie letztlich hier auf Planeten vorfindet. Ganz schwere Elemente jenseits des Eisens werden ja wohl erst erzeugt, wenn sein Stern in einer Supernova oder einer ähnlich heftigen Explosion genug Druck in gewissen Regionen aufbaut, um die Kerne kleinerer Atome zu den schweren zusammenzudrücken. All das Zeug kommt also zwangsläufig von anderen Systemen, als feiner Sternenstaub ist das Alter allerdings nicht zuzuordnen. Hat ein Sonnensystem jedoch überdies ein Planetensystem, gerät da vorher, besonders in der Entstehungsphase schon einmal etwas durcheinander und ein Planet kann dabei auf Kosten der anderen so viel kinetische Energie bekommen, daß er aus dem System geschleudert wird. Der Vagabund saust daraufhin durch den freien Raum. Wahrscheinlich trifft der nie wieder auf ein Sonnensystem. In diesem Falle war es aber wohl so, daß er zufällig auf das Rasol-System zu geschleudert wurde, dort mit Rasol und den Planeten in mehrfacher Wechselwirkung kinetische Energie verloren hat, so hier eingefangen wurde.
Beim Alter, hmmm, also sicherlich haben Asi und Stanis Proben an verschiedenen Stellen genommen, die nicht nach Einschlagskratern aussahen. Hat sich ein Kleinplanet erst einmal gebildet, hat er genug Struktur, genug Atome für Statistiken, ebenfalls radioaktives Zeug im Gestein, was sich für eine Altersbestimmung eignen kann, weil sich bei einem seismisch nicht aktiven Kleinplaneten ja sonst kaum noch etwas an den Gesteinen, Metallklumpen etc ändert außer dem Zerfall radioaktiven Materials über verschiedene Zerfallsketten.
Alter von Gestein ist allerdings nicht so ganz einfach. Es gibt immerhin bestimmte Gesteinsarten, die aufgrund der Chemie auf typische Weise zusammengesetzt sind. Sind da bereits anfangs radioaktive Isotope drin, ändert sich die Zusammensetzung mit der Zeit. Isotopenverhältnisse und die Verhältnisse der Häufigkeiten verschiedener Elemente sind dann typisch für die Entstehungszeit des Gesteins. Bei Uran oder einem instabilen Isotop von Rubidium etwa kann man so aus der Zusammensetzung von Gestein abschätzen, wann das entstanden ist, also vielleicht gar das Uran bei einer Sternenexplosion, später wohl auch das Gestein, wenn das Uran da charakteristisch eingebaut ist und sich über die Zeit aufgrund der Zerfallsketten der Uran-Isotope typische Häufigkeiten von Elementen und Isotopen herausbilden, die als Uhr verwendet werden können. So in etwa, muß ich mir auch noch genauer anlesen, um da qualifiziert mitreden zu können, Daten kritisch zu interpretieren, eventuell auch brauchbare Vorschläge zu machen.“
Peter nickte und ich fuhr fort: „Hinsichtlich der Frage, wie das Zwillingsplanetensystem entstanden ist, warum es nun auf Charybdis Leben gibt, auf Skylla lediglich eine Wüste mit wenig, chemisch jedoch stark angereichertem Wasser, muß ich mich bei den erhobenen Daten ebenfalls erst auf den aktuellen Stand bringen. Ich muß ja erst einmal wissen, welche Daten wir schon haben, was man daraus lernen kann, welche Daten wir vielleicht mit welchen Experimenten und Beobachtungen generieren sollten, um mehr zu erfahren. Das wird mich schon ganz gut beschäftigen. Da will ich mal nichts überstürzen, mir aber schon genauer ansehen, wie ich mich sinnvoll einbringen kann, um das zu ergänzen und anzureichern oder auch erst zu interpretieren, was bislang in den letzten Jahrzehnten erreicht wurde.“
Peter nickte: „Hört sich doch gut an!“
Susanne fügte zu meinen Ausführungen hinzu: „Das sieht nach komplizierten Datensätzen aus. Vielleicht gelingt es mir ja, da geeignete Algorithmen anzusetzen, damit wir etwas erkennen. Wenn Michaela erst einmal herausgefunden hat, wonach wir genau suchen müssen, etwa hinsichtlich der Altersbestimmung, kann ich da vielleicht helfen.“
Bis zum Abendessen hatten wir noch eine Weile Zeit, so vertieften wir uns also in die Daten. Er meinte: „Also gut, hier auf Skylla scheint es ungefähr nach Plan verlaufen zu sein. Die Ais haben fleißig und gleichzeitig sorgfältig Arten angesiedelt, hauptsächlich robuste Pflanzen, Pilze und Mikroorganismen, um ein funktionierendes, noch einfaches Ökosystem zu bekommen. Hier auf unserer Insel haben sie verstärkt als Gärtner gearbeitet, das System weit entwickelt. An einigen anderen Stellen an den Ufern von Gewässern haben sie ebenfalls gezielt bestimmte, geeignete Arten angesiedelt. Weite Bereiche haben sich allerdings nach der ersten Impfung mit dem Wasser aus dem Asteroidengürtel selbst entwickelt, da wurde nur wenig ergänzt, eher nach Plan und automatisch mit weiteren Impfungen. Die anderen Inseln unserer Inselkette etwa bieten da einen ganz guten Einblick, wie sich aufbauend auf die wenigen Spezies der Impfungen dort ein kleines Ökosystem entwickelt hat.
Auf Charybdis scheint es mehrere Entwicklungsstufen gegeben zu haben. Die ersten haben wir ja begleitet. Inzwischen gibt es ebenfalls ein einfaches Ökosystem basierend auf den irdischen Organismen, die versehentlich aufgrund der Irrläufer der Impfung auf den Planeten gelangt sind.
Aufgrund von Mutationen gibt es ferner eine Kombination von irdischen Mikroorganismen, besonders Pilzen mit charybdianischen Arten. Das funktioniert inzwischen über größere Gebiete ziemlich gut. Meist gibt es eine wilde Mischung von irdischen und charybdianischen Arten.
Was mir jedenfalls komplett neu ist: Es gibt einzelne Proben, die weisen daraufhin, daß nun auch wieder charybdianische Arten, den Pilzen ähnlich mitmischen. Wir dachten, die wären aus dem Spiel. Nun tauchen sie wieder auf, eventuell auch oder weil die irdischen Pilze eine geeignete Umgebung mit Wirtspflanzen vorbereitet haben. Das scheint derzeit aber noch in eher abgelegenen Gebieten die Ausnahme zu sein. Gut möglich also, daß an besonderen Stellen Pilzsporen oder dergleichen die Katastrophe überstanden haben.“
Nach einer kleinen Pause hakte Susanne nach: „Hmmm, heißt das, daß Myke gar nicht gänzlich ausgelöscht ist?“
Peter wackelte mit dem Kopf: „Unwahrscheinlich, daß genau der Organismus überlebt haben sollte, aber so lange nicht aufgetaucht ist, nun aber schon. Genetische Verwandtschaft ist aber da. Ich muß mir das noch genauer ansehen, es scheinen auch verschiedene, unabhängige Organismen an voneinander isolierten Standorten zu sein. Die sind vielleicht auch erst in Gang gekommen, weil die irdischen Arten in Gegenden im Inland vordringen, während Myke mit seinem globalen System ja eher auf Wasser und Ufer beschränkt war. Dort gedeiht der neue Mix ja am besten, dort wäre zu erwarten gewesen, daß er auch wieder auftaucht, wenn er doch überlebt hätte. Der neue Mix taucht aber eher an abgelegeneren Stellen auf. Ich muß mir das aber noch genauer ansehen, wie die Zusammenhänge sind. Die durch den Absorber-Einschlag induzierten tektonischen Aktivitäten damals haben ja auch einige Regionen verändert, gut möglich also, daß da etwas vom zusammenhängenden Wassersystem abgeschnitten wurde. Auf alle isolierten Standorte scheint mir das aber nicht zuzutreffen. Ich werde mir das in den kommenden Tagen sehr genau ansehen müssen, darüber reflektieren, was da los ist, was das bedeutet, für Charybdis, vielleicht auch für uns. Weil wir Charybdis ja weitgehend sich selbst überlassen wollten, hauptsächlich beobachten, allenfalls charybdianische Arten fördern, haben die Ais wohl bei dieser jüngeren Entwicklung der letzten Jahre erst einmal nur Daten aufgenommen. Da werde ich auch nachhaken, aber gut, ihr seid nicht die Biologie-Experten, ich bin erst ganz frisch wieder da, habe bislang nur die Kurzzusammenfassung gehört, also nicht so verblüffend, daß das nicht gleich auf den Tisch gekommen ist.
Nun bin ich aber bereits sehr interessiert, bin schon wieder ganz dabei!“
Ich lächelte, klopfte ihm auf die Schulter: „Mußt es auch nicht gleich übertreiben. Mußt erst einmal die Nachwirkungen der Wiederauferstehung ganz wegstecken. Also ruhig bleiben. Ich vermute mal, das Phänomen wird dir nicht weglaufen.
Und kurzfristig müssen wir doch nichts tun?“
Susanne warf gleich ein: „Klingt doch erst einmal gut, wenn sich auf Charybdis die Pilzarten doch noch erholen, das ursprüngliche Ökosystem doch noch eine Chance hat zu regenerieren, wenn auch nicht in alter Form, so doch in ähnlicher.“
Peter nickte, ergänzte: „Es ist ja nicht wirklich ähnlich zum alten System. Mit den irdischen Organismen ergibt sich eine neue Mischung. Es gibt Mutationen, Anpassungen, eventuell auch ein Austausch von genetischem Material. So entsteht etwas Neues, was sich schnell entwickeln kann. Pilze können teils sehr flexibel auf neue Kontakte reagieren. Von daher ist nicht abzusehen, was da passiert, Kooperationen, Konkurrenzkampf, Adaptionen. Dieser Myke-Type ist sehr aggressiv, sehr dominant. Wenn der hier auf Skylla auftauchen würde, wäre das nicht so gut, auch für uns.“
Susanne fragte: „Wie sollte er nach Skylla kommen?“
Ich ergänzte: „Körk läßt zwar noch aus dem Asteroidengürtel Wasser herabregnen, aber inzwischen in so geringer Menge, daß das einzeln genau gesteuert wird. Irrläufer gibt es nicht mehr. Körk hat ferner den Asteroidengürtel gut aufgeräumt. Unbeabsichtigte Einschläge sollten also auch nicht mehr vorkommen.“
Peter meinte: „Hört sich gut an.“
Ich erläuterte insbesondere für Susanne: „Also, auf der Erde hat man etwa Trümmer von Einschlägen auf dem Mars gefunden. Umgekehrt wird es wohl auch Trümmer von der Erde auf dem Mars geben. Da hat es also einen Austausch gegeben, obwohl die beiden Planeten auf eigenen Umlaufbahnen um die Sonne laufen, deutlich weiter voneinander entfernt sind als Skylla und Charybdis voneinander. Schlägt also ein größerer Brocken auf einem von beiden ein, können kleinere Brocken des Planeten hinaus ins Weltall befördert werden. Sind darauf Organismen, Sporen und dergleichen, ist es zwar ziemlich unwahrscheinlich, daß die ausgerechnet auf dem anderen Planeten landen, dazu den Aufenthalt im Weltraum lange überleben, ebenso den Einschlag, aber möglich ist das. Solche Szenarien sollten aber dank Körk hier nicht mehr vorkommen …“
Peter erklärte: „Früher kann das aber vorgekommen sein. Da waren allerdings die Bedingungen auf Skylla zu ungünstig, als daß sich hier Leben hätte etablieren können. Es könnten aber in geschützten Ecken Sporen überdauert haben. Nun haben wir die Bedingungen auf Skylla deutlich geändert, es lebensfreundlicher gestaltet. Trifft also in solch einer abgelegenen Ecke das irdische Ökosystem auf solche Sporen, sollten diese noch aktiv werden können, könnte sich daraus etwas entwickeln, was von uns nicht beabsichtigt war.“
Ich warf ein: „Wir haben hier aber nicht dieselben Mutationen, Optimierungen von irdischen Organismen wie auf Charybdis, das ist hier deutlich inkompatibler, weil wir nicht zugunsten charybdianischer Organismen eingegriffen haben …“
Peter bestätigte: „Stimmt allerdings. Aber wenn Zeit genug ist, Mutationen gibt es immer, Pilze sind da extrem anpassungsfähig. Ich werden mir schon sehr genau ansehen, was wir für Daten von der Biosphäre von Skylla haben, ob die derzeitigen Untersuchungsmethoden ausreichen, derartige Überraschungen frühzeitig zu erkennen.“
Ich schlug vor: „Wenn du da zu Schlüssen gekommen bist, böte es sich ja an, persönliche Exkursionen zu machen, selbst Proben zu ziehen.
Vielleicht fällt dir ja etwas anderes auf als den Sonden, die derzeit die Proben nehmen?“
Peter nickte: „Gute Idee. Die Möglichkeiten der Sonden sind ja begrenzt. Auf Charybdis haben sie zwar letztlich diese lokalen Besonderheiten gefunden, es hat allerdings lange gedauert. Also, wenn ich mich eingearbeitet habe, sollte ich durchaus solche Exkursionen planen.“
Susanne meinte: „Wir können ja erst einmal hier auf der Insel beginnen. Hier beträfe es uns zuerst. Hier ist das Ökosystem am weitesten entwickelt. Und hier können wir am einfachsten durch die Gegend ziehen, um selbst etwas zu finden.“
Das leuchtete natürlich sofort ein. Hier war es zwar nicht wirklich abgelegen, aus unserer Perspektive heraus. Aber wenn wir weiter weg Exkursionen machen wollten, wäre das deutlich aufwendiger. Da wäre es so oder so nützlich, hier vor Ort erst einmal Erfahrungen zu sammeln, die Ausrüstung und das Verfahren zu optimieren. Peter müßte uns zudem ja erst einmal beibringen, worauf zu achten wäre, wenn wir ihm helfen sollten. So bahnte sich also ziemlich überraschend bereits ein gemeinsames Projekt an, denn keine Frage, bei Exkursionen über die Insel wollten wir natürlich alle dabei sein.
Ich bat Peter um eine Einschätzung: „Was meinst du, wie dramatisch könnte es werden, wenn es hier auf Skylla wirklich Sporen von etwas wie Myke gäbe?“
Peter zuckte die Schultern, erwiderte endlich: „Also, seit die Terraformung hier auf Skylla begonnen hat, ist wohl überall reichlich Regen heruntergekommen, haben sich viele Mikroorganismen angesiedelt. Es wäre also reichlich Zeit gewesen, daß sich solch ein Myke auszubreiten beginnt. Die Chancen wären also gut, ihn zu finden, wenn es ihn gäbe, entweder durch neue Untersuchungen oder auch bereits in den Datensätzen früherer Untersuchungen. Wir müssen eben nur geeignet analysieren. Wenn solch ein Pilz wiederum wirklich erfolgreich wäre, wäre er unlängst auch den Ais hier aufgefallen. Wenn, dann ist das Vorkommen noch weitgehend verborgen, also bislang keine Umweltbedingungen, die für eine effiziente Ausbreitung günstig genug wären …“
Susanne hakte nach: „Das Öko-System ändert sich aber kontinuierlich, also es entwickelt sich von selbst, wird aber auch weiterhin aktiv modifiziert. Die Bedingungen verbessern sich also bereits ständig.
Es wäre also schon möglich, daß der sich erst jetzt oder in näherer Zukunft entwickelt?“
Peter nickte: „Möglich ist das schon, aber sicherlich wäre erst einmal eine langsame Anpassung notwendig. Wenn wir uns jetzt sorgfältig umsehen, verringern wir die Chance dramatisch, etwas zu übersehen. Und wenn wir etwas finden, haben wir mit Sicherheit genug Zeit, uns zu überlegen, wie wir darauf reagieren. Somit also sorgfältig gucken, jedoch keineswegs in Sorge verfallen, daß wir überrumpelt werden könnten, daß uns etwas passiert. Vorsicht ist gut und richtig. Demgegenüber wäre eine abstrakte Angst vor einer Gefahr, die es vermutlich gar nicht gibt, aber völlig unangemessen …“
Susanne nickte beruhigt: „In Ordnung. Also gucken wir sehr genau, überlegen uns, wie wir genau gucken müssen, um nicht doch etwas zu übersehen …“
Ich beruhigte zusätzlich: „Die Schlußfolgerung scheint mir aber relevant zu sein, wenn solch eine Spore wirklich hier wäre und erfolgreich genug, um schnell darauf reagieren zu müssen, wäre bereits genug Zeit mit passablen Bedingungen gewesen, damit sich etwas entwickelt hätte, was hätte auffallen müssen. Selbst wenn es solche Sporen hier geben sollte, sind sie jedenfalls nicht erfolgreich genug, um etwa konkret für uns hier auf der Insel eine Bedrohung darzustellen. Selbst wenn wir etwas finden, sollten uns also Jahre oder gar Jahrzehnte Zeit bleiben, um darauf zu reagieren.“
Peter stimmte zu. Wir hatten die Angelegenheit also gleich ins angemessene Licht gerückt, die Bedeutung für uns gut eingeordnet. Damit sollten wir umgehen können.
Alsdann war es Zeit, die Arbeit für den Tag zu beenden und wir setzten uns ans Abendessen. Peter betraf das Abendessen ja eigentlich noch nicht so sehr, trotzdem gesellte er sich zu uns und bekam ebenfalls eine Kleinigkeit von den Ais als erster Schritt zur Umgewöhnung.
So ganz von der Arbeit konnte Peter auch nicht lassen, so meinte er: „Ida?
Hörst du mich?“
Ida antwortete und Peter fuhr fort: „Also, das sind schon allerhand Daten, die da im Laufe der Jahrzehnte von den Sonden gesammelt wurden. Mag ja sein, daß die Ais da irgendwie durchblicken. Ich habe so meine Probleme, das zügig nach Relevanz sortiert zu bekommen, also danach, was für mich gerade relevant ist.
Ida?
Kannst du dazu etwas sagen?“
Ida erklärte: „Bei Relevanz kommt es ja immer auf die Fragestellung an. Nach der Wiederauferstehung habe ich dir ja wirklich nur eine Kurzübersicht gegeben. Hildegard und ich hatten durchaus noch vor, das mit dir ausführlicher durchzugehen, ebenfalls die neueren Entwicklungen auch Charybdis mit den charybdianischen Pilzarten, die uns ebenfalls überraschend waren, andererseits erschien uns das prinzipiell in die richtige Richtung zu gehen, denn die Katastrophe mit dem Absorber-Einschlag war ja nichts, was wir gewollt hätten. Jegliche Besserung der Situation schien uns da erfreulich zu sein. So haben wir eben vorsichtig auch Daten darüber gesammelt, nach unserem gemeinsamen Entschluß waren wir allerdings primär als Beobachter tätig, haben etwa eine weitere Ausbreitung dieser Spezies auch nicht gefördert.“
Peter hakte nach: „Die Proben wurden auf Charybdis ausgewertet?“
Ida bestätigte: „Ja, wir haben da gute Labore an relativ isolierten Standorten. Anfangs haben wir ja den Aufwand nicht gescheut, Proben auch auf die Raumstation zu bringen, um dort zu experimentieren. Es war aber natürlich langfristig einfacher, auf Charybdis Labore zu betreiben. So war es gleichfalls einfacher, eine unerwünschte Kreuzkontamination zu vermeiden. Dafür wurde auf der Raumstation schon erheblicher Aufwand betrieben. In den Laboren auf Charybdis können wir das etwas einfacher umsetzen. Inzwischen ist die praktische Forschung dort, die hier auch Skylla und auf der Raumstation strikt getrennt, um Kontaminationen vorzubeugen. Weil vermieden werden soll, daß insbesondere dortige charybdianische Pilze oder stark mutierte Organismen auf die Raumstation oder gar nach Skylla gelangen, bringen wir inzwischen irdische Spezies oder Material seit langer Zeit nur noch nach Charybdis, holen nichts mehr hoch auf die Raumstation, bringen auch keine charybdianischen Organismen nach Skylla.“
Peter nickte: „Gut. Ich halte die Organismen, die ähnlich wie dieser Myke funktionieren, für ziemlich aggressiv, dominant, flexibel, anpassungsfähig.“
Nun war auch Hildegard dabei und kommentierte: „Das ist auch unsere Einschätzung. Als Gärtner hatte Myke den Planeten komplett im Griff, hat die komplette Biosphäre kontrolliert. Wie dieser Mega-Organismus entstanden ist, konnten wir noch immer nicht so ganz klären, aber gut möglich, daß das letztlich ein Zusammenschluß diverser pilzartiger Organismen war. Ob da nun einer alle andere assimiliert hat, ob die zunächst symbiotisch oder kooperativ waren, erst im Laufe von Millionen von Jahren ein einziger Organismus entstand, wird wohl nicht so einfach herauszufinden sein. Immerhin haben die neueren Entdeckungen ja gezeigt, daß es durchaus verschiedene pilzartige Organismen gibt. Weil die ziemlich isoliert voneinander sind, wissen wir noch nicht, wie die sich verhalten, wenn sie aufeinander treffen, ob das mehr zu Konkurrenz um Ressourcen führt oder zu Kooperation.“
Ich meinte dazu: „Hmm, wenn auf Charybdis in den Laboren sowieso schon Proben vorliegen, könntet ihr doch mal experimentieren, sie in Zweierpaaren auf Nährlösungen zusammenbringen, mal herausfinden, was passiert. Anschließend könntet ihr entsprechend auch Dreier- oder Viererkombinationen testen, Verhalten bei knappen Ressourcen, in Kombination mit irdischen Pilzen, einfacheren Pflanzen von der Erde oder Charybdis. Wenn das dafür verwendete Labor sicher ist und relativ isoliert liegt, sollte das doch machbar sein.“
Peter stimmte zu: „Ja, solche Experimente, sehr vorsichtig durchgeführt, könnten uns bei derartigen Fragen vielleicht weiterbringen, einen Versuch ist es wert. Daneben sollten wir die isolierten Kolonien der einzelnen Spezies genauer beobachten, ebenfalls die Expansion …“
Hildegard erläuterte: „Das läßt sich machen. An jedem Standort einer solchen Kolonie können wir kleinere Labore davon separiert stationieren, diese darauf beschränken zu untersuchen, wie sich die Ausdehnung ändert. Einzelne Proben können wir wie vorgeschlagen in einem abgelegenen, größeren Labor kombinieren und testen, um zu sehen, was passiert.“
Susanne ergänzte: „Bleibt noch das Problem, die bereits vorhandenen und auch neue Daten effizient zu sichten. Wir Menschen können das ja nur im begrenzten Umfang verarbeiten und korrelieren …“
Ida schlug vor: „Das ist auch für uns nicht ganz einfach, wir haben zwar einen besseren Zugriff auf die Daten, die Interpretation, die Herausarbeitung bestimmter Fragestellungen ist allerdings nicht so einfach. Wenn du mit Peter und uns daran arbeitest, sollten wir doch etwas hinbekommen, was hinsichtlich klar definierter Fragestellungen eine Zusammenstellung von Daten erlaubt. Für euch gut visualisiert sollte es euch erleichtern, Schlüsse zu ziehen. So kommen wir da hoffentlich effizient voran und können unsere jeweiligen Stärken gut einsetzen und aus dieser Synergie profitieren.“
Susanne nickte: „Kein Problem, ich bin dabei. Mit Michaela will ich ja auch noch die Daten von Methusalem effizient analysieren. Da habe ich reichlich zu tun.“
Ich warf ein: „Da brauche ich noch etwas Zeit, um mich einzuarbeiten, um die richtigen Fragen stellen zu können, wie wir die Daten auswerten, was die Ergebnisse bedeuten. Inzwischen sollten Stanis und Asi vorbereiten, daß wir mehr Proben auf Methusalem sammeln wollen.“
Ida sagte zu: „Ich veranlasse, daß Stanis und Asi das vorbereiten. Wegen der Entfernungen dauert es ein wenig, bis ein leistungsfähiges System vor Ort ist, aber das ist schon machbar. Die beiden haben da draußen reichlich technische Ressourcen verfügbar, um Objekte zu untersuchen.“
Ich bestätigte: „Gut, ich setze mich daran, die Aufgaben auf Methusalem genauer zu formulieren. Wir haben ja die Hoffnung, über Altersbestimmungen, eingeschlagene Brocken auf Methusalem mehr über die Historie des Rasol-Systems zu erfahren. Vielleicht können wir mehr relevante Daten bekommen, diese unter dem Gesichtspunkt plausibel interpretieren.
Das kann ich erst einmal vorbereiten. Die biologischen Fragen auf Charybdis könnt ihr ja ab morgen gut gemeinsam angehen, um da voranzukommen. Das könnte ja schon direkt für uns relevant sein. Peter hatte da ja einen Einfall …“
Ich schaute zu ihm und er übernahm: „… immerhin doch möglich, daß einst durch Asteroideneinschläge auch Brocken mit Pilzsporen nach Skylla gelangt sind. Wenn wir abschätzen können, wie sich die Arten zueinander und in Verbindung mit irdischen Spezies verhalten, sollte es uns auch leichter fallen, hier auf Skylla zu prüfen, ob es nicht an irgendwelchen abgelegenen Orten doch Sporen gibt, die so hierhergelangt sind und nun aufgrund der inzwischen aktiven Biosphäre eine Chance bekommen, sich hier auszubreiten.“
Hildegard meinte dazu: „Anzeichen dafür gibt es nicht. Aber gut, unsere Sonden haben eher beschränkte Möglichkeiten. Dieser automatischen Probennahme könnte da an abgelegenen Standorten schon etwas entgehen. Ich halte die Anwesenheit solcher charybdianischen Arten hier zwar nicht für wahrscheinlich. Aber wenn wir die hiesige Biosphäre auch auf Anzeichen darauf untersuchen, wird das keineswegs schaden.“
Susanne fragte: „Was tun wir, wenn wir etwas finden sollten, wenn sich dieser Mega-Organismus hier auf Skylla ausbreiten sollte?“
Peter meinte: „Sollte das wirklich eintreten, haben wir hoffentlich in der Zwischenzeit aufgrund der Forschung auf Charybdis genug Erkenntnisse über das Verhalten zusammen, um eine Strategie zu entwickeln, wie wir vorgehen. Bis dahin sollten wir beurteilen können, ob oder wie gefährlich das wäre, wie wir damit umgehen müssen. Im ärgsten Falle müßten wir uns auf das Raumschiff zurückziehen. Denn es wäre einerseits wohl schwierig, gezielt nur gegen solch einen Pilz anzugehen, andererseits wäre es auch fragwürdig, ob wir das überhaupt tun sollten, nachdem es bereits diese Katastrophe mit dem Absorber-Einschlag auf Charybdis gegeben hat.“
Susanne und ich nickten stumm.
Damit hatten wir erst einmal grob die Arbeit für die nächsten Tage, Wochen, Monate abgesteckt. Da gab es viel zu klären. Nach dem Abendessen gönnten wir uns allerdings erst einmal einen ruhigen Abend. Wir spielten ‚Mensch ärgere dich nicht‘ und hatten reichlich Spaß dabei, uns gegenseitig ein wenig zu necken. Wir diskutierten auch kurz, ob Peter uns beim Morgenlauf begleiten wolle. Der verschob das lediglich, bis er den Anzug nicht mehr tragen müsse. Dann wolle er sich gerne beteiligen. Das war natürlich komplett in Ordnung. Wir einigten uns allerdings auf einen gemeinsamen Termin zum Frühstück. Noch würde Peter zwar besondere Kost bekommen, aber zur Einstimmung auf den Arbeitstag war das gemeinsam ein guter Start.
Später im Bett, nachdem wir unsere Leidenschaften ausgiebig nachgegangen waren, fragte mich Susanne: „Falls nun wirklich der unwahrscheinliche Fall eintreten sollte, daß sich dieser Mega-Organismus auch hier ausweitet, wie steht es daraufhin um uns und unsere Zukunftspläne?“
Ich antwortete: „Wie Peter schon sagte, ich meine auch, für einen Rückzug bleibt uns allemal genug Zeit. Wir haben nicht darum gebeten, auf diese Mission geschickt zu werden. Von daher sind wir dem Missionsziel, den Initiatoren, die uns ohne Nachfrage auf die Reise geschickt haben, nicht verpflichtet. Von daher gelten alleine unsere ethischen Grundsätze, was wir tun oder besser lassen sollten. Wir müssen nicht ohne Rücksicht kolonisieren. Für uns bleibt so oder so schon genug. Ich habe mitbekommen, daß es dir hier auf dem Planeten viel besser geht als auf der Raumstation. Schon deswegen wollen wir mal hoffen, daß wir bleiben können, wovon ich allerdings ausgehe. Immerhin hätte es bislang Jahrzehnte Zeit gegeben, wo sich eine derartige Entwicklung schon hätte zeigen sollen. Andererseits ist Vorsicht besser als Nachsicht.
Ich will nun auch nicht, daß wir oder unsere Nachkommen irgendwann von einem charybdianischen Pilz übernommen werden, welcher so ganz neue Möglichkeiten entwickeln kann, vielleicht sogar Raumfahrt?“
Susanne lachte etwas nervös: „Ein raumfahrender Pilz, der unsere Daten versteht, sich einfach mal auf den Weg zur Erde macht – das muß wirklich nicht sein!“
Ich grinste sie an: „Dazu wird es nicht kommen.
Immerhin, damit wären wir auch wieder beim Punkt Nachwuchs und unser Verhältnis zu Peter …“
Susanne gab zu: „Ich finde ihn sehr nett, ist mir sympathisch. Aber besser kennenlernen steht sowieso erst noch an. Und bei unserem Programm, was wir uns vorgenommen haben, haben wir erst einmal genug zu tun. Da müssen wir in der Hinsicht nicht aktiv werden, zusammenrücken schon, aber keineswegs gleich Draufgänger spielen, Peter gar überrumpeln. Wenn sich etwas von alleine entwickelt, sich die Sympathie stark vertiefen sollte, werden wir weiter diskutieren. Und mit dieser etwas gruseligen Vision von einem assimilierenden Pilz im Hinterkopf mag ich nun überdies nicht so dringlich an Nachwuchs denken.“
Ich umarmte sie fest, gab ihr einen lieben Kuß und stimmte im Folgenden zu: „Es gibt keine Notwendigkeit, etwas zu überstürzen. Du hast Recht. Lassen wir es ruhig erst einmal laufen. Vielleicht ergibt sich etwas, vielleicht auch nicht. Gemeinsam sind wir doch bereits glücklich, kommen gut mit Peter aus. Das ist doch schon ganz in Ordnung.
Und Arbeit liegt ebenfalls reichlich vor uns!“
Ich dachte mir dabei allerdings schon, ablehnend klang das keinesfalls, da könnte ich vielleicht sogar etwas nachhelfen, um die Angelegenheit etwas zu forcieren, aber wirklich dringlich war es sowieso noch nicht. Peter mußte sich sowieso erst einmal akklimatisieren …
Den nächsten Morgen liefen wir also noch einmal ohne Peter los. Wie nutzten diese Zweisamkeit, stürzten uns in den Badesee und vergnügten uns da heftig miteinander. So kürzten wir den Morgenlauf im Anschluß etwas ab, um nach dem Duschen pünktlich zum Frühstück mit Peter zu erscheinen.
Danach ging es an die Arbeit. Wie abgesprochen gesellte sich Susanne zu Peter und sie diskutierten, was sie sie tun könnten, um die Daten effektiv zu durchforsten. Später zogen sie wohl auch Hildegard und Ida hinzu, um da zügig weiterzukommen.
Ich widmete mich hingegen der Geologie und Geochronologie, kam da auch gut voran, das war bereits ein vielversprechender Anfang, auf den ich nun aufbauen konnte.
So nutzte ich ebenso den Nachmittag, um mich weiter in die Geochronologie und Gesteinsdatierung einzuarbeiten. Was auf der Erde, allgemeiner im Sonnensystem funktionierte, mochte hier im Rasol-System etwas andere Voraussetzungen haben. Allerdings hatten Asi und Stanis reichlich Proben aus dem System, somit ebenfalls eine gute Grundlage, um einerseits das Alter des Rasol-Systems aus verschiedenen Methoden zu bestimmen, andererseits gleichfalls Unterschiede, besondere Zusammensetzungen der Materialien von Methusalem. Daher waren die Schlußfolgerungen der Ais schon überzeugend. Methusalem paßte in seiner Hauptmasse, also abgesehen von eindeutig jüngeren Einschlägen, nicht in das sonstige Muster. Ein Einfang in das Rasol-System war also schon plausibel. Ich beschloß, mir das noch näher anzusehen.
Welche Zerfallsreihen hatten sie sich angesehen, welche Isotopen- und Elementenverhältnisse hatten sie analysiert, wo hatten sie Proben genommen?
Wenn ich mich da weiter einarbeitete, sollte es mir gelingen, weitere Vorschläge zu machen, was noch zu untersuchen wäre, welche weiteren Zerfallsreihen wir nutzen könnten, um die Hypothese noch besser abzusichern?
Ich wollte es versuchen und mich da hineinfuchsen.
Wenn Methusalem doch nur ein Kleinplanet ist, war doch davon auszugehen, daß er bei einem Einfang einst mit erheblicher Relativgeschwindigkeit in das Rasol-System gekommen ist. Betrachtet man nun ein einfaches Modell von zwei Punktmassen in einer gravitativen Wechselwirkung, so käme es nie zu einem Einfang. Bei einem solchen ist es immer notwendig, die überschüssige kinetische Energie irgendwie anders zu verteilen. Bei einem System aus mehr als zwei Körpern ist das möglich. Im Extremfall kann da etwa ein anderer Körper aus dem System geschleudert werden, ein größerer Planet könnte bei einer Wechselwirkung allerdings auch auf eine etwas energiereichere Bahn um Rasol verschoben werden, um die Energie so anders im System zu verteilen. Kommt es gar zu Einschlägen, kann ein Teil der kinetischen Energie auch in Wärme umgesetzt werden. Zwar gilt insgesamt immer noch die Impulserhaltung, trotzdem ist so bei komplexen, ausgedehnten Massen ein Einfang möglich. Erhaltung der Gesamtenergie, von Impuls und Drehimpuls ist gegeben, sie werden lediglich unter den beteiligten Objekten anders verteilt.
Obgleich solch ein Kleinplanet schon winzig ist im Vergleich mit den Gasriesen oder gar mit Rasol selbst, sollte solch ein Einfang bei den Planeten hingegen schon Spuren hinterlassen haben, von diesen hätten also wohl mindestens zwei ihre Bahnen geändert, vermutlich waren auch Bahnen diverser Kleinkörper wie Asteroiden geändert worden, mit der Wirkung von heftigeren Asteroidenschauern auf die Planeten in die folgenden Jahrhunderten oder Jahrtausenden. Häufungen von Ereignissen könnten also auf den Einfang hindeuten, mit Glück mit diesem eindeutig in Bezug gebracht werden.
Den Tag brachten wir also gut mit Forschung herum. Abends berichteten wir über unsere Fortschritte.
Susanne und Peter waren mit den Ais ein Stück weitergekommen. Einerseits konnten sie nun schon erheblich besser formulieren, was auf Charybdis genau untersucht werden sollte, welche Experimente stattfinden sollten. Dabei sollte es, wie bereits angeregt, insbesondere um die Fragen gehen, welche der charybdianischen Pilze mit welche Organismen unter welchen Umständen kooperieren, konkurrieren, ob es dabei zu Übernahmen, Assimilationen, Angriffen, Verdrängungen kommt. Damit konnten die Ais schnell beginnen. Die Untersuchung der lokal isolierten Populationen war schon von der Idee her längerfristig angelegt. Das war ja schon am Laufen, wurde nun intensiver untersucht, mit eigenen kleinen Laboren dafür ergänzt.
Peter durfte inzwischen schon mehr essen. Er kam bereits gut zurecht. So war vorgesehen, daß er im Laufe des nächsten Tages morgens noch einmal untersucht werden sollte, danach voraussichtlich den Anzug ablegen, worauf er normal wie wir mitessen würde dürfen. Somit würde Susanne vormittags hauptsächlich alleine an den Bio-Daten arbeiten, ich weiter etwas über Geochronologie lernen.
Nach Morgenlauf und Frühstück gingen Susanne und ich wieder in die Arbeitsecke, kümmerten uns um unsere Forschungsprojekte. Peter hatte seinen Termin, um die Wiederauferstehung abzuschließen.
Die Analyse von Zerfallsreihen ist komplex. Ich hakte bei Ida und Körk nach. Die Ais hatten schon allerhand analysiert, räumten allerdings ein, bei Methusalem nicht wirklich in Details gegangen zu sein. Allerdings hatten wir reichlich Daten und Stanis und Asi zeigten ebenfalls Interesse, auch für sie war es irgendwie relevant, daß so ihre Forschungsarbeit auch in der Kolonie mehr Aufmerksamkeit bekam. So waren sie gerne bereit, Methusalem genauer zu untersuchen, auf Vorschläge einzugehen, bisherige Arbeiten zu erläutern, um so zu einem stimmigen Projekt zu kommen, Ziele genauer festzulegen, einen Plan zu haben, was wir eigentlich wissen wollen, wie uns Methusalem dabei helfen könnte. Schnell hatte ich mit Hilfe der Ais jedenfalls eine lange Liste von Möglichkeiten, wie das Alter von Gestein bestimmt werden kann, ebenso eine lange Liste von Daten über die Zusammensetzung verschiedener Bereiche von Methusalem. Ich hatte die Idee, daß wir Susanne hinzuziehen könnten, um diese zu motivieren, mit ihren Kenntnissen Ordnung in die Daten zu bekommen, sie für Menschen zugänglicher zu visualisieren und Korrelationen einfacher prüfen oder entdecken zu können, die in den Daten bereits verborgen sein könnten, allgemein Korrelationen herauszuarbeiten und unsere Hypothesen so unter Ausnutzung aller verfügbaren Daten effizient auszuwerten.
Dabei könnten wir entscheidend davon profitieren, die gewaltigen Datenbanken und das hohe Rechentempo der Ais mit unseren menschlichen Impulsen, Idee, Assoziationen bei der Sichtung der visualisierten Daten zu kombinieren, um zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Diese Kombination hatte sich bislang sehr nützlich erwiesen, weil wir so die jeweiligen Stärken von Ais und Menschen gut einsetzen, die Schwächen wiederum gegenseitig kompensieren.
Ich war irgendwann ungefähr auf dem Laufenden, hatte also einen gewissen Abschluß erreicht. Daher schlenderte ich zu Susanne hinüber, um zu sehen, was diese so machte. Anfangs war sie so vertieft, daß sie mich gar nicht bemerkte. Als sie doch aufsah, lächelte sie mich an, wir grinsten beide. Susanne erklärte grob, was sie gerade machte. Sie war gut vorangekommen und konnte bereits ein paar Visualisierungen vorweisen. Die Pilze konnten die irdischen Mikroorganismen und Pflanzen ganz gut nutzen, um sich vom Startort allmählich weiter auszudehnen. Über Land schien das Tempo aber noch überschaubar zu sein. Von daher würde es noch ziemlich lange dauern, bis die verschiedenen Spezies irgendwo zusammenträfen. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit hängt zudem natürlich von den Umweltbedingungen und der Spezies ab. Von daher war kaum solide abzuschätzen, wann es zu einem ersten Zusammentreffen kommen würde.
Ich berichtete über meinen frischen Wissenszuwachs, ebenso den bereits abzusehenden Bedarf, bei den komplexen Zerfallsreihen effizient vorgehen zu müssen, optimieren zu müssen, Daten visualisieren. Da war Susanne abermals gefragt. Wir mußten also sinnvoll einteilen, zu einer sinnvollen Reihenfolge kommen. Nun war es wichtiger, daß wir beim Bio-Projekt zügig zu verstehbaren Ergebnissen kamen, von daher war da die Priorität. Susanne war aber nahe an einem Zwischenergebnis. Von daher meinte sie, sie könne wohl bereits den nächsten Tag bei meinem Projekt in die Daten schauen, sich das passend einteilen, so an beiden Sachen arbeiten, um beides voranzubringen. Eigentlich war ihr Anteil an meinem Projekt ohnehin überschaubarer als das, was sich noch aus dem Bio-Projekt ergeben mochte. So war es ebenfalls plausibel, mein Projekt zwischendurch in einen guten Zustand zu bringen. Damit mußte Susanne anschließend und im Detail nicht mehr so viel zu tun haben, nicht mehr weiter entwickeln. Wenn wir da erst einmal effiziente Algorithmen hätten, läge es wohl im Anschluß mehr bei mir, die Programme zu verwenden, Schlüsse zu ziehen, zu berichten, damit wir gemeinsam darüber diskutieren könnten. So waren wir uns über die weitere Zeiteinteilung schnell einig.
Zum Mittag war auch Peter mit der Untersuchung durch, trug nun statt des speziellen Anzuges wieder die lockere Kleidung, nahm fast normal am Essen teil, ließ sich von uns berichten. Wir drei vertrugen uns ganz ausgezeichnet, auch von daher schien mir das bereits eine positive Entwicklung zu unseren Gunsten zu sein. Die beiden arbeiteten hervorragend zusammen, da war keine Distanz zu spüren gewesen, gleich von Anfang an eine harmonische Nähe, noch ohne große Aufregung oder Erregung dabei, indessen meinte ich schon, bei Peter Interesse zu erkennen, welches dieser allerdings akkurat zu verbergen versuchte.
Den Rest des Tages bereitete ich vor, was ich Susanne erklären mußte, um dieser einen schnellen Einstieg in das Problem zu ermöglichen. Als ich damit fertig war, schaute ich mir Daten an, welche wir über Skylla und Charybdis hatten, fragte bei den Ais nach und beriet mich mit Ida schon einmal darüber, wie wir aus den vorhandenen Daten vielleicht mehr herausholen könnten, um neue Erkenntnisse über die beiden Planeten und ihre Vergangenheit zu bekommen. Da schien schon noch etwas zu gehen, es wurde uns allerdings relativ schnell klar, daß wir detailliertere Daten brauchen würden, um Hypothesen stichhaltig zu prüfen oder auch neue zu entwickeln. Ida konnte da wirklich allerhand bieten, was umsetzbar wäre, aufgrund vorhandener Pläne oder Module gar mit begrenzten Aufwand und relativ kurzfristig.
Per Satellit sollten so in den nächsten Wochen deutlich mehr Daten gesammelt werden, insbesondere über ein breiteres Frequenzspektrum verteilt, Radar, Infrarot, sichtbar mit besserer Auflösung, Ultraviolett bis fast hinein in den Röntgenbereich, wobei wir bei hohen Energien von den Planeten nicht viel erwarteten. Von daher war es eher relevant, bei niedrigen Energien, auch mit aktiven Systemen neue Informationen zu bekommen.
Die Planeten haben auch starke Magnetfelder. Eine präzise Vermessung der Magnetfelder wäre ebenfalls möglich. Allerdings hatten wir da bereits gute Daten, jedoch mehr im globalen Maßstab. Ich wollte deutlich höhere lokale Auflösungen, um Anomalien in der Planetenkruste aufzuspüren, vielleicht also eingeschlagene, magnetisierte Metall-Asteroiden oder andere Objekte mit deutlichem Einfluß auf das lokale Magnetfeld. Auch das war mit Sonden und Satelliten noch deutlich über das ausbaubar, was bislang an Daten aufgenommen wurde.
Schnell hatte ich auch den Gedanken, nicht nur elektromagnetische Strahlung zu analysieren. Ich schlug vor, eine Gruppe von Satelliten relativ eng benachbart fliegen zu lassen, damit über Abstandsänderungen unter ihnen Informationen über Gravitationsänderungen zu detektieren. Unterschiedliche Dichten im Erdmantel führen zu einer gewissen Ungleichmäßigkeit der Schwerkraft, welche sich auch auf die Bahnen von Satelliten auswirkt. Hat man nun welche mit geeigneten Meßgeräten und mißt untereinander Abstände, so ergibt das Abweichungen von Sollbahnen um einen Rotationsellipsoiden. Wird der Einfluß von Rasol und Skylla, beziehungsweise Charybdis auf das Potential herausgerechnet, ergibt sich so eine Strukturinformation über den jeweils untersuchten Planeten. Zusammen mit den anderen Messungen bekämen wir so Informationen über die Kartoffeligkeit der Planeten, also die Abweichung von der Form eines Rotationsellipsoiden.
Ida versprach, aufgrund von Daten über entsprechende irdische Projekte alsbald einen Vorschlag zu machen, wie wir dies umsetzen könnten. Einmal in Fahrt gekommen hakte ich gleich nach und brachte ins Spiel, daß es doch auch möglich sei, über seismische Messungen, also im Grunde durch den Planetenkörper wandernde Schall- und Druckwellen, Scherungen etc Informationen über den Aufbau des Planeten zu bekommen. Skylla und Charybdis sind ja seismisch aktiv, haben eine aktive Plattentektonik. Ida informierte, daß sie hinsichtlich der seismischen Aktivitäten bislang eher aus technischen Gründen Daten gesammelt hätten, primär also, um einen geeigneten Standort für die Kolonie auszuwählen, welcher von Erdbeben, Vulkanausbrüchen, dem ganzen Drama der Tektonik nicht wesentlich betroffen sei. Das würde sich allerdings kaum eignen, um genauere Aussagen über den Aufbau des Planeten zu machen. Bei der Plattentektonik hätten sie schon einen groben Überblick, um Feinheiten hätten sie sich allerdings bislang nicht gekümmert. So hatten wir hier gleich ein weiteres Projekt, welches wir zunächst einmal mit passiven Detektoren angehen wollten. Also zunächst eine größere Anzahl von empfindlichen Detektoren bauen, diese mit guter Auflösung verteilen und alsdann damit die durch Erdbeben erzeugten Daten analysieren und Rückschlüsse ziehen. Laufzeiten von Wellen durch den Planeten zu den jeweiligen Detektoren, die überall auf dem Planeten messen, ermöglichen Rückschlüsse auf die Schichtung und die Dichten von Schichten, wo gibt es an Schichtgrenzen Reflexionen, wo gibt es bei der Schichtung auffällige Deformationen, etwa durch Asteroiden-Einschläge hervorgerufen. In einer späteren Ausbaustufe könnten wir das auch mit unterirdischen Sprengungen ergänzen, um Daten in anderen Frequenzbereichen und mit präzise lokalisierbaren Quellen zu generieren.
Damit jedenfalls sollten wir erheblich weiterkommen und es würde möglich werden, jedenfalls ein Stück weit in die Planeten hineinzusehen, eventuell eben auch Einschläge zu entdecken, die Hinweise darauf geben könnten, wann es auf welchem Planeten zu einer größeren Einschlagskatastrophe gekommen ist. Deformationen und stark ungleichmäßige Verteilung der Dichten und des Magnetfeldes im Planetenkörper könnten ferner auf größere Katastrophen hinweisen, etwa einen streifenden Zusammenstoß mit einem anderen Körper, welcher dazu geführt haben mochte, daß sich die beiden Zwillingsplaneten hinsichtlich der Ansiedlung von Leben komplett unterschiedlich entwickelt hatten.
Wie von ihr abgeschätzt und nun wieder zusammen mit Peter kam Susanne wirklich bis zum Abend zu einem guten Zwischenergebnis. So saßen wir abends also wieder zusammen und teilten uns den aktuellen Stand mit. Sie waren so weit gekommen, daß Peter erst einmal den nächsten Tag versuchten wollte zu gucken, wie weit er mit den neuen Möglichkeiten kommt. Somit hatte Susanne wirklich Zeit, in mein Projekt einzusteigen.
Durch die Arbeit doch weitgehend voneinander getrennt, hatten Susanne und ich nachts wieder reichlich Lust aufeinander, tobten uns ordentlich aus. Wir waren zufrieden mit uns und der Entwicklung. Peter schien sich auch gut eingelebt zu haben. Susanne und Peter verstanden sich prima bei der Arbeit. Ich hatte schon gesehen, daß sie kollegial und freundlich einen guten Umgang miteinander gefunden hatten. Das gemeinsame Projekt war also auch sehr nützlich gewesen, um die soziale Konstellation der Gruppe zu stabilisieren. Wie erwartet blieb Peter bei ihr wie bei mir zurückhaltend und akzeptierte, daß wir zusammen waren. Da war also vermutlich nicht zu erwarten, daß er die Initiative ergreifen würde, obwohl für uns alle spürbar eine Menge gegenseitige Sympathie in der Luft lag. Daraus ergäben sich schon Möglichkeiten, vermutlich wäre es einfach, Peter für uns zu gewinnen. Susi wollte ich nun keinesfalls bereits wieder mit einer Nachfrage nerven. Zwischen ihr und Peter harmonierte das bei der Arbeit auch so sehr schön, darauf würden wir schon irgendwie aufbauen können, da war ich inzwischen ganz zuversichtlich. Subtil nachhelfen könnte ich immer noch, wenn sich rein gar nichts tun sollte. Überstürzen wollte ich das jedoch keineswegs. Regelrecht Intrigen wollte ich ebenfalls nicht spinnen, um einen Impuls zu liefern, der eine Entwicklung anstoßen würde. Bei unserer Stimmung schätzte ich mal ab, das würde fast von selbst laufen. Wir kämen zu dritt sicherlich gut zurecht, ob nun gleich mit oder erst einmal ohne Absicht auf Nachwuchs. Das wäre schon verlockend. Ich konnte mir das sehr gut vorstellen, so eine gemeinsame Leidenschaft mit Susanne und Peter.
Wie abgesprochen kam Peter den nächsten Morgen mit auf den Morgenlauf. So hatten wir weitere gemeinsame Freizeitaktivitäten, rückten gleichfalls so enger zusammen. Und so durch die freie Natur tut das einfach gut.
Nach dem Frühstück vertiefte sich Peter in die neuen Möglichkeiten der Datensichtung. Susanne und ich hatten somit Zeit, um uns um die Optimierung der Datensätze der Zerfallsreihen und Isotopenverhältnisse von Methusalem zu kümmern. Ich war gut vorbereitet, aber natürlich stellte Susanne Fragen aus einer ganz anderen Perspektive. So waren wir schnell in das Projekt vertieft und wir wurden beide sehr gefordert, um das gut auf den Weg zu bekommen. Susanne war allerdings schnell zu begeistern und ebenfalls neugierig darauf, ob wir bei dem Kleinplaneten wirklich mit dem gesamten Datenmaterial auf konsistente Altersschätzungen für verschiedene Koordinaten kommen würden, also einerseits jene Regionen, welche als weitgehend alt eingeschätzt wurden, aber auch für jene Bereiche, die aufgrund von Einschlägen ein deutlich jüngeres Datum aufweisen sollten. So würden wir hoffentlich eine Art von Chronologie bekommen, mit weit mehr Proben von verschiedenen, auch kleinere Kratern durch Stanis oder Asi, wohl auch Häufigkeitsverteilungen auf der Zeitachse von Ereignissen, unter Berücksichtigung der Ausformung der Krater vielleicht gar Rückschlüsse auf ungefähre Richtungen von Scharen von Einschlagsobjekten.
Da Methusalem ja weit draußen, jenseits der Gasriesen seine Bahnen zieht, konnten wir natürlich nicht wirklich detaillierte Informationen darüber erhoffen, was im Innenbereich des Rasol-Systems vorgefallen war. Allein seine abweichende Ekliptik der deutlich elliptischen Bahn, die im Rasol-System eher ungewöhnliche Umlaufrichtung wiesen auf einen Einfang hin. Dabei war auch nicht so klar, wie das so weit draußen passiert war. Vielleicht gab es ja ursprünglich doch einen Durchflug durch das System, einschließlich größerer Ablenkungen und Abbremsungen durch mehrere Planeten, weitere Ereignisse und nach dem Einfang kompliziertere längere Wechselwirkungen mit den Gasriesen, welche Methusalem langsam wieder aus dem inneren Bereich des Systems an den Rand gedrängt hatten.
Würden wir bei der genauen Analyse Informationen über einen Aufenthalt im Innenbereich des Rasol-Systems finden, etwa Einschlagsobjekte, welche den Asteroidengürteln Geri, Freki oder gar Wotan zuzuordnen wären?
Das alles könnten relevante Informationen sein, was einst vorgegangen ist, was einst auch dazu geführt hatte, daß es das Doppelplanetensystem Skylla und Charybdis überhaupt gibt, wieso sich die beiden Planeten trotzdem so unterschiedlich entwickelt hatten.
Susanne jedenfalls hatte irgendwann genug Informationen, um auch alleine zu basteln. So vertieft im wissenschaftlichen Diskurs und der Klärung von Detailproblemen, die sich Susanne hinsichtlich ihres Programmes bereits überlegte, aussprach, im Formulieren mir gegenüber bereits konkrete Formen plante, tauschten wir ganz nebenbei auch unsere gewohnten Zärtlichkeiten aus. Das ging ganz automatisch und lenkte nicht ab.
Für die konkrete Programmierarbeit brauchte sie allerdings Ruhe und Zeit für sich. Die sollte sie nach dem Mittagessen auf jeden Fall reichlich bekommen.
Damit hatte ich wiederum Gelegenheit, Peter Gesellschaft zu leisten. So konnte ich für Ausgleich sorgen, einen guten Zusammenhalt in der Gruppe.
Die Aufbereitung der Daten hatte bereits gut dabei geholfen, etwas mehr über die Vorgänge auf Charybdis zu verstehen. Es gab mehrere Spezies von charybdianischen Pilzen, die da aktiv waren, jeweils noch lokal voneinander isoliert. An einem Standort war die Isolation vom dem einen Pilztyp mehr auf jüngste tektonische Aktivitäten nach dem Absorber-Einschlag zurückzuführen. Der Pilztyp hier war genetisch genau der von Myke. Ob das nun Sporen von ihm waren, die da überdauert und sich letztlich wieder entwickelt hatten, ob das Überreste von Myke selbst waren, die uns damals bei der Untersuchung von Charybdis entgangen waren, war wohl nicht mehr zu klären. Peter neigte dazu, den Pilz erneut einfach Myke zu nennen. Jedenfalls gab es da Zugang zu einem kleinen Binnenmeer und da entwickelte sich die Gemeinschaft nun ziemlich rasant. Vorhandene irdische Arten wurden eher integriert, genutzt. Peter hatte auch überraschende Mischungen von genetischem Erbgut bei einigen Spezies ausgemacht. Für ihn sah es so aus, also hätte der Pilz da als Katalysator Mutationen, Mischungen der Gene begünstigt, um sich bessere Lebensbedingungen zu schaffen. Das konnte man bereits wieder als Aktivitäten eines Gärtners interpretieren. Die Barriere zum Meer ist in dem Bereich nicht so groß. Peter meinte, die sei insbesondere durch die Anwesenheit irdischer Pflanzen und Organismen in dem Bereich für den Pilz zu überwinden. Das mochte schon noch einige Jahre dauern, dann allerdings stehe einer erneuten Expansion hinaus ins Meer nichts mehr im Wege.
An den anderen Standorten ging es deutlich langsamer voran, vermutlich, weil es dort weit weniger Wasser gab und eine Symbiose mit irdischen Organismen, reinen Landpflanzen nicht so gut funktionierte und erst allmählich in Gang kam.
Peter schätze die Lage insgesamt so ein, daß Myke erneut gewinnen würde. Er würde das gewaltige Meer erobert haben, bevor die anderen Kolonien das Meer erreicht hätten. Aufgrund der Wechselwirkungen mit den irdischen Spezies würde sich allerdings eine neue, andere Biosphäre als zuvor entwickeln. Durch die Mischungen würde die kompatibler mit irdischen Genen sein, daher für uns tendenziell eher gefährlich.
So kamen wir wieder auf die Idee zu sprechen, hier auf Skylla persönlich Proben zu nehmen und genauer zu suchen. Susanne war beschäftigt, so schlug ich vor, einfach mal einen kleinen Spaziergang nach draußen zu machen, um sich anders als beim Morgenlauf in aller Ruhe umzusehen, zu überdenken, wie wir konkret bei einer Expedition vorgehen sollten, wie unterwegs sein, was mitnehmen. Peter war einverstanden. Wir meldeten uns kurz bei Susanne ab, die so vertieft in ihre Arbeit war, daß sie nur kurz aufsah und nickte.
Ganz in der Nähe der Kolonie zu gucken, erschien uns wenig sinnvoll, so wanderten wir die Wege entlang weiter hinaus. Weiter draußen gab es einige Bereiche, wo die Ais nicht so viel getan hatten, nicht intensiv Arten angesiedelt hatten. Da war es naheliegender nachzusehen. Vom Morgenlauf her hatte Peter ja bereits ungefähr persönlich mitbekommen, wie es etwas weiter draußen so ist, daher überließ ich es ihm, den Weg zu wählen, die Stelle, wo wir einfach vom Weg abwichen. Die Wildnis war auf der Insel durchaus noch halbwegs überschaubar, durchquerbar. Peter hatte ohnehin einen Bereich gewählt, wo es bereits merklich karger, steiniger war.
Er erläuterte: „Neben der Suche nach verdächtigen Pilzen von Charybdis ist die generelle Zusammensetzung der Vegetation interessant. So können wir besser verstehen, wie sich das aktuelle Ökosystem zusammensetzt, durch welche neuen Arten wir dessen Funktion verbessern könnten. Eventuell sind ja auch Arten verschwunden, die in der Impfung enthalten waren oder gar später angesiedelt wurden. Das kann alles prinzipiell interessant sein, aber auch ganz praktisch für die Verbreitung von mehr Arten, was wir nicht überall vorantreiben müssen, aber in einigen Bereichen kann das die Entwicklung deutlich beschleunigen.
Für die großflächige Verbreitung von Pflanzen, die derzeit stark auf Insekten angewiesen sind, müssen wir natürlich auch passende Insekten haben, die wiederum müssen ausreichend Nahrung haben, sollten dafür aber wiederum keinesfalls gravierenden Schäden anrichten. Das muß alles bedacht sein. Derzeit gibt es solche Pflanzen vorrangig nur hier auf unserer Insel, Bienen werden ersetzt durch Technik, was aufwendig ist. Wir müssen also hier und noch mehr auf dem Festland das Ökosystem so entwickeln, daß wir diese Pflanzen auch dort erfolgreich und ohne technische Maßnahmen im großen Stil verbreiten können, in Weiteren also zwangsläufig mit Insekten, langfristig kommen so ebenfalls andere Tierarten ins Spiel.“
Ich nickte: „Schon klar, in der kurzen Zeit seit Beginn der Terraformung hier, der Ansiedlung von Leben regelt sich das nicht von alleine. Zusammenpassen muß es ebenfalls.“
Wir schauten uns also um, Peter wies auf einige interessante Stellen, Pflanzen hin, nannte benötigte Ausrüstung für eine Tages-Expedition, was wir in einer Liste notierten.
Wir wechselten ein paar Standorte, kamen sogar ebenfalls zum Badesee.
Ich wies auf ein paar Pflanzen in der Nähe und fragte Peter nach Namen und sonstigen Informationen darüber. Peter schaute und erklärte ein wenig, schaute sich gleichfalls hier genauer an, was so wuchs. Gar nicht so weit weg vom Weg und vom See entdeckte er bereits eine offenbar interessante Ecke. Hier hätte er gerne eine Probe genommen, sich etwas genauer angesehen, wir hatten allerdings keine Ausrüstung dabei. Ich hakte nach, wie detailliert die Proben der Sonden seien, die sicherlich auch hier Proben nähmen. Peter erläuterte, der Schwerpunkt von Untersuchungen habe ja zum guten Teil auf Charybdis gelegen, hier auf Skylla hingegen meist in anderen Gebieten, weniger auf unserer Insel, welche ja doch speziell sei, von den Ais schon extra für uns eingerichtet. Die Sonden haben begrenzte Möglichkeiten, ihm falle vor Ort schon etwas anderes auf, also eher eine gezielte Suche nach Besonderheiten, interessanten Konstellationen, Pflanzen in interessanter Umgebung oder besonderer Entwicklung, besonders guter oder schlechter Zustand. Er erläuterte genauer, so lernte ich unterdessen schon nebenbei etwas darüber, worauf zu achten war, was den Sonden entgangen sein mochte.
So war also klar, daß wir die Tages-Expeditionen wirklich durchführen wollten, daß es sich lohnen würde. Im wahrscheinlichen Fall, daß wir nichts von den eventuell gefährlichen Pilzen finden sollten, würde so immerhin unsere Kenntnis über die Vegetation der Insel erweitert. Zudem stellten wir so ein Programm oder Verfahren zusammen, um das automatische Sondenprogramm verbessern zu können, denn zu dritt konnten wir ja unmöglich den gesamten Planeten absuchen. Klar war auch, die eher einfachen Sonden müßten mit leistungsfähigeren Geräten ergänzt werden, vielleicht Drohnen mit mehr Möglichkeiten, ebenso der Option, stichprobenartig selbst eine Probennahme aufgrund von Audio- und Video-Übertragungen zu veranlassen oder gar zu steuern. Selbst mit solchen Hilfen wäre es selbstverständlich notwendig, weiterhin automatisch vorzugehen. Das Programm, die Kriterien dazu sollte Peter allerdings aufgrund unserer praktischen Erfahrungen auf den kleinen Exkursionen optimieren und ergänzen können.
Für einen Moment hatte ich den Impuls, Peter zum Baden einzuladen. Ich bremste mich allerdings doch. Ohne Susi dabei könnte uns das doch in die Irre führen. Gerade deswegen vielleicht erschien der Gedanke ebenfalls verlockend. Ich hatte allerdings keine große Last, mich dennoch zusammenzureißen. Ich hatte ja mit Susi vereinbart, erst einmal nicht die Initiative zu ergreifen und die soziale Entwicklung der Gruppe voranzubringen. Aber auch so hatten wir Spaß zu zweit auf dem kleinen Ausflug, schauten gemeinsam an ein paar Aussichtspunkten, um uns auf etwas hinzuweisen, gab es auch schon mal einen Knuff in die Seite, um die Aufmerksamkeit auf etwas zu lenken. Ich zauderte auch nicht, ihm gar einmal vertraulich über die Schulter zu streichen, als Ergänzung zu einem verbalen Lob für seine so bereitwillig dargebrachten Kenntnisse. Dabei lächelte ich ihn freundlich an, er freundlich zurück, also ebenfalls zwischen uns beiden pure Harmonie.
Als wir am späten Nachmittag wieder in der Kolonie ankamen, war Susanne mit ihrer Arbeit gut vorangekommen. Weil es nun doch noch weitere Details zu klären gab, setzte ich mich zu Susanne, um mich darum mit ihr zu kümmern. Das meiste bekamen wir gleich so hin, ein paar Sachen mußte ich allerdings auch noch recherchieren und verstehen, von daher schloß Susanne ihr Tagewerk nur noch ab, gesellte sich daraufhin mit mir zu Peter. Wir plauderten und spielten noch ein wenig, was eigentlich nahtlos in die Zubereitung des Abendessens überging.
Abends saßen wir zusammen, sahen einen Film und plauderten noch etwas.
Wir diskutierten mit Susanne dabei auch gleich die Idee der Tages-Expeditionen, deren Ablauf wir nun schon konkretisieren konnten, an denen sie ja auch teilnehmen wollte. Das bestätigte sie nun. So stand dem also nichts im Wege und Peter würde das in den folgenden Tagen mit mir vorbereiten, wobei zunächst ja noch Susanne und ich mit den aktuellen Optimierungsarbeiten weiterkommen mußten. Aber wir würden uns da schon arrangieren. Erst einmal sollte primär Susanne mit ihrer Arbeit zu einem guten Zwischenergebnis kommen, danach würden wir wieder gleichmäßiger aufteilen, denn beim Bio-Projekt würde es sicherlich noch weitere Arbeit geben, das war deutlich umfangreicher als unsere Bemühungen um Methusalem.
Den nächsten Morgen ging es wieder zu dritt zum Morgenlauf los. Ich hatte davor zum Aufwärmen noch etwas Gymnastik draußen auf einem kleinen Platz nahe der Koloniegebäude eingeplant. Dabei waren wir grob im Dreieck aufgestellt, so hatten wir jeweils den Blick frei auf die beiden anderen in Bewegung. Sich bewegende Körper haben ihren Reiz. Und den ließen wir auf uns wirken, wenn wir das auch nur so mit auffällig unauffälligen Blicken dokumentierten. Die ließen Peter und Susanne merklich schweifen, gut, ich ebenso. Von daher dachte ich mir schon so, daß es im Laufe der Zeit schon eine Entwicklung unserer Gemeinschaft geben würde. Und ich stellte es mir schon einmal ganz schön prickelnd vor, wenn wir uns zu dritt näherkämen.
Wir zogen nach der Gymnastik munter unsere Runde, hatten gute Laune. Unterwegs wies Peter Susanne schon einmal nebenbei auf eventuell interessante Stellen jenseits des Weges hin, erläuterte ein wenig, was wir uns so am Vortag gedacht hatten. Susi hörte aufmerksam zu, fragte auch mal nach, ließ sich auch die Namen einiger Pflanzen nennen.
Unsere Runde ging diesmal am Badesee vorbei. Diesmal war Susanne ja dabei und wir hatten zu zweit ja bereits Vergnügen im See gehabt.
So wies ich auf den See und fragte munter: „Wie sieht es aus mit einer Runde schwimmen?“
Susanne schaute ein wenig verblüfft, Peter zögerte, antwortete darauf: „Hmmmhmmm, also äh, habe ich ja nicht geahnt, habe keine Badesachen drunter …“
Ich lachte und erwiderte: „Ist ja gar kein Problem, haben wir auch nicht. Wir sind hier schon nackt in den See gesprungen und hatten Spaß.
Ist doch nichts dabei, wir sind doch erwachsen!“
Susanne schaute mich wieder zweifelnd an, ich hielt aber schon über die zum Sonnen gut geeignete Felsplatte auf die Uferstelle zu, von welcher man gut in das Wasser und aus dem Wasser gelangen konnte. Wir kannten uns schon aus, so wußte ich, daß man daneben von der Kante aus einfach ins Wasser springen konnte.
Ich schaute mich zu den beiden um, welche zögerten.
Ich grinste, nickte ihnen aufmunternd zu und spornte an: „Nun habt euch mal nicht so.
Also flott blankgezogen und ab ins frische Naß!“
Ich lachte, zog auch schon meine leichte Kleidung aus, drehte mich einmal nackt auf der Felsenplatte und absolvierte munter den Sprung in den See, daß es laut klatschte. Ich jauchzte, wirbelte herum. Da wollte Susi mir nicht nachstehen, kam ebenfalls heran, zog sich eilig aus und sprang mir nach. Ich begrüßte sie, indem ich lachend mit den Fingern etwas Wasser zu ihr hinflitzte. Sie flitzte zurück, lachte gleichfalls.
Peter zögerte noch, faßte sodann allerdings Mut, zuckte die Schultern, kam ans Ufer heran. Nun zog er sich allerdings so aus, daß wir sein Gemächt kaum erblicken konnten, schade eigentlich. Schnell war er im Wasser, genoß das frische Naß allerdings und zog seine Bahn durch den See.
Susi und ich schwammen ein Stück von ihm entfernt, alberten ein wenig herum. Keck streichelte und neckte ich sie im Wasser, was beim Baden ohne Peter schon ein Signal zu mehr gewesen wäre. Sie nickte aber nur zu Peter hinüber, der ja freie Sicht hatte. Ich grinste sie nur an, neckte und reizte noch ein wenig. Wir waren dicht zusammen.
Eilig gab sie mir einen Kuß und zischte danach leise in mein Ohr: „Wir hatten doch abgemacht, Peter zu nichts zu provozieren …“
Ich erwiderte ähnlich leise: „Na, angesehen hast du ihn schon gerne, wir kommen alle gut miteinander aus.
Und das hier ist doch alles ganz harmlos!“
Ich lachte und sie kicherte verlegen, schaute dabei zu Peter. Das hatte also ebenso für sie einen schönen Reiz. Wir blieben allerdings bei harmlos und zogen nun ebenfalls mit etwas Abstand zu Peter unsere Bahnen.
Peter wirkte etwas verlegen und meinte: „Hmmhmm, hätte ich vielleicht doch nicht mitkommen sollen?“
Ich entgegnete: „Wieso?
Ist doch alles gut!
Und so zu dritt hat doch einen ganz eigenen Reiz!“
Unter Wasser traf mich wohl absichtlich Susis Fuß am Bein, doch sie ergänzte: „Der See ist jedenfalls prima, das wollten wir dir doch keinesfalls vorenthalten, wie herrlich wir hier schwimmen und toben können, wenn wir mal etwas Zeit brauchen, um auszuspannen, uns zu erfrischen!“
Nun lächelte auch Peter und meinte: „Das ist sehr aufmerksam von euch beiden!“
Wir schwammen noch etwas weiter, plauderten nun unbekümmert dabei. Da wir alle drei im See waren, drängte uns ja nun auch nichts zum pünktlichen Frühstück. Wir konnten uns Zeit lassen.
Etwas heikel wurde es erst wieder, als wir das Bad beenden wollten.
Peter merkte an: „Hmm, nun haben wir natürlich auch nichts mit, um uns abzutrocknen …“
Ich lachte und antwortete: „Stimmt, aber Rasol wärmt uns doch. Wir haben wohl drei Optionen: Uns auf die schon warme Felsplatte legen und uns dort trocknen lassen, nackt zurücklaufen oder aber die Sachen überziehen. In der Kolonie sind wir ja zügig unter der Dusche und wechseln sowieso die Sachen …“
Susi beeilte sich und stellte fest: „Die letztere Option scheint mir angemessen und problemlos durchführbar zu sein, wäre vielleicht doch etwas zu heiß auf der Felsplatte heute. Und so ganz ohne zurück, also muß auch nicht sein.“
Ich lachte, aber so machten wir es. Ich stieg als erste aus dem Wasser, schüttelte mich auf der Felsplatte einmal ordentlich ab und zog mir meine Sachen wieder über. Susi lachte etwas verlegen, stürmte zügig aus dem Wasser und nutzte mich etwas aus, um hinter mir wenigstens teilweise verdeckt ihre Sachen eilig anzuziehen. Peter war allerdings sehr zurückhaltend und hatte den Blick die ganze Zeit brav auf den See hinaus gerichtet. Ich schmunzelte und rief zu ihm: „Hast eben die reizvollsten Momente verpaßt.
Aber wenn dem so ist, drehen wir auch mal ab und gehen schon ein paar Schritte voraus, wenn du herauskommst!“
Peter lachte auch und antwortete: „Ich wollte nur nicht respektlos sein und gierig gucken, mich an eurem Liebreiz ergötzen. Da hätte es schon durchaus etwas peinlich werden können, vor euch aus dem Wasser zu kommen, also mit der ganzen Anerkennung für so viele Reize voran.“
Ich lachte, Susi giggele etwas verlegen.
Ich stellte fest: „Alles klar, nun gut, dann werden wir uns mal auch nicht reizen lassen und schauen uns noch dezent nach den Pflanzen um.“
Das taten wir wirklich und es dauerte nicht lange, bis Peter angezogen bei uns war und erneut ein paar Namen von Pflanzen nennen konnte, die wir ausgemacht hatten, um nicht doch noch ein paar Blicke auf seine Pracht zu werfen.
Wir kehrten zügig zurück zur Kolonie. Peter benutzte dort einen anderen Duschraum als Susi und ich.
Ich konnte es allerdings nicht lassen und heizte Susi unter der Dusche ein. Die reizvolle Situation im See hatte uns beide durchaus in Stimmung gebracht. So hatten wir einen erquicklichen Quickie, erschienen daher etwas später zum Frühstück als Peter, grinsten aber beide deutlich entspannt.
Ich fand nun nicht, daß ich da zuviel provoziert hatte. Das fröhliche Bad hatte die Stimmung aber schon ein wenig angeheizt. Vielleicht würde Peter ja doch etwas riskieren, immerhin könnte er gemerkt haben, daß wir beide ihm Sympathie entgegenbringen. Von daher könnte er schon versuchen, einmal vorsichtig zu erkunden, ob da nicht noch mehr zu holen wäre.
Nach dem Frühstück war Susanne also gleich wieder fleißig bei der Arbeit. Ich recherchierte und las, um meine Lücken bei Zerfallsketten und Isotopenverhältnissen zu schließen, mich ebenfalls etwas vertrauter mit der Astro-Geologie zu machen, um nicht versehentlich Fehlinterpretationen zu liefern, aber auch um selbst zu beurteilen, wie stichhaltig und aussagekräftig die verschiedenen Methoden und Strategien vermutlich sind, inwiefern vielleicht doch eigentlich spezifisch für den ursprünglichen Anwendungsbereich im Sonnensystem, was davon allerdings als universell zu verallgemeinern ist, was also insbesondere auch gut auf das Rasol-System anwendbar wäre. Mir war natürlich schon klar, daß es im Sonnensystem viel mehr Untersuchungen und damit genauere Kenntnisse der Rahmenbedingungen gegeben hatte, dort war es also leichter, Meßergebnisse einzuordnen und ein stimmiges Gesamtbild zusammenzusetzen. Hier im Rasol-System würde es wohl zwangsläufig bei Überlegungen, Hypothesen, mehr oder weniger gewagten Geschichten bleiben, Ideen, was passiert sein könnte. Nun, darauf baut letztlich alles auf und über die Forscher-Generationen kann sich das später einmal zu genaueren Bildern verdichten. Nur wenn mutig begonnen wird, die Entwicklung anzuschubsen, passiert da aber überhaupt etwas.
Peter hatte somit nun Zeit, um sich um die Idee der Tages-Expeditionen zu kümmern. So hatte er bereits Satellitenbilder unserer Insel auf dem Monitor, um erste Routen planen zu können. Und eine Liste hatte er auch schon begonnen, was wir brauchen würden, um den wissenschaftlichen Teil einer solchen Expedition gut mit dem zu meistern, was drei Personen bequem mit Rucksäcken würden bewältigen können. Fahrräder hatten wir auch, die taugten allerdings nur dafür, um auf den Wegen zügig einen Punkt anzusteuern, von dem wir vom Weg aus in die Wildnis aufbrechen wollten.
Noch vor dem Mittag hatte Susanne so viel vorzuweisen, daß sie mich wieder hinzuzog und wir gemeinsam darüber berieten, ob das nun schlüssig und plausibel war, was bislang bereits funktionierte. Immerhin, auch mit dieser erheblich genaueren Analyse war klar, daß Methusalem wirklich ein alter Bursche aus einem anderen Sonnensystem sein mußte, also in der Tat ein spektakulärer Kleinplanet, welcher hier irgendwie eingefangen worden ist. Wir konferierten mit Stanis und Asi darüber, wobei wir schnell die Information bekamen, daß Methusalem trotz seiner deutlich von der Hauptekliptik des Rasol-Systems abweichenden Bahn noch relativ gut erreichbar war. Wenn er sich nicht gerade grob im Bereich der Hauptekliptik aufgehalten hätte, wäre er vermutlich zwar schon entdeckt, aber noch gar nicht untersucht worden. So entwickelte ich also mit Susanne, Stanis und Asi eine neue Stoßrichtung der Methusalem-Forschung, welche diesen mehr als Beobachter des Rasol-Systems sehen sollte. Wir wollten wissen, wann er ungefähr in das System gekommen war, was daraufhin grob passiert sein mochte. Woher er gekommen war, war indessen wohl sehr schwierig zu bestimmen, denn zwangsläufig mußte es da drastische Bahnänderungen beim Einfang gegeben haben. Die Idee war jedenfalls, größere und kleine Einschlagskrater auf Methusalem zu untersuchen, welche davon also über welchen angeordnet sind, somit sicherlich jünger als darunterliegende, ferner wollten wir Positionen und Material der Einschlagskörper wissen.
Nun hat ein Kleinplanet wie Methusalem zwar genug Masse, um grob die Form eines Rotationsellipsoiden auszubilden, indessen deutlich weniger als etwa die Erde, Charybdis oder Skylla. Deswegen sind Einschläge von Asteroiden, anderen Gesteinsbrocken etwa von Katastrophen stammend, bei welchen es Einschläge auf anderen Planeten gegeben hatte, wobei von diesen Planeten wiederum Brocken ins All gestreut wurden, natürlich deutlich weniger destruktiv als bei großen Planeten, wenngleich Kleinplaneten auch keine bremsende Atmosphäre haben. Weil diese fehlt, findet die Erhitzung des Materials wiederum nun unmittelbar beim Einschlag statt, die Brocken zerlegen sich nicht bereits in der Atmosphäre, weswegen die Chancen deutlich besser sind, in den Einschlagskratern noch Material solcher Projektile zu finden, welche den Einschlag weitgehend unverändert überstanden haben, wenigstens tief im Inneren dieser Projektile.
So einigten wir uns darauf, daß Asi mit allerhand Gerät vor Ort Methusalem diesbezüglich eingehend erforschen sollte. Stanis würde hingegen weiterhin die Schwerpunkte der Forschungsprojekte verfolgen, die eigentlich bislang gerade aktuell waren. Aufgrund der verteilten Speicher und Identitäten der Ais war es Asi zudem möglich, gleichzeitig mehrere Projekte zu betreuen, von daher war das nun keine massive Störung ihrer Aktivitäten, im Gegenteil, sie zeigten sich interessiert an den aufgeworfenen Fragestellungen. Sie zeigten sich auch interessiert daran, einmal etwas enger mit uns Menschen zusammenzuarbeiten und gleich intensive Rückmeldungen zu ihren Untersuchungen zu bekommen, aufgrund der Kooperation eben auch unsere Sichtweise und Interpretation, unsere Ansätze für eine Auswertung. So hatten wir das schon einmal gut auf den Weg gebracht.
Ferner galt es natürlich auch noch, die bislang offengebliebenen Fragen mit Susanne zu klären, von denen ich dank meiner Recherche inzwischen einige diskutieren konnte, auf passende Literatur verweisen. Auch dabei steckten wir die Köpfe wieder zusammen, gingen locker miteinander um, vorsichtig festigte ich das neue, zarte Band, welches sich zwischen uns gebildet hatte. So kamen wir auch damit gut voran. Eine weitere Verfeinerung und Optimierung unserer Analysen würde sicherlich helfen, die neuen Daten von Asi, die kommen würden, besser einzuordnen und zu einem plausiblen Bild zu formen.
Nach dem Mittag diskutierte ich mit Susanne und Peter indessen erst einmal meine Ideen, um mehr Daten über die Zusammensetzung von Skylla und Charybdis zu erhalten, die Kartoffeligkeit der Planeten zu analysieren, um so eventuell Hinweise auf die Historie zu bekommen. Die dabei aufkommende Datenmenge und die Korrelation der Daten wäre natürlich ebenfalls sehr komplex, also ebenfalls ein Anknüpfungspunkt für Susanne, auch hier zu optimieren. Dazu war sie bereit, wollte sich das gerne ansehen, wenn ihre Arbeiten am Methusalem-Astro-Geologie-Projekt zu einem guten Zwischenergebnis gekommen wären.
Ida berichtete schon einmal über die Fortschritte im Satellitenbau, um einerseits weitergehende Spektren aufzunehmen, aktive Radarmessungen etc durchzuführen, zudem das Schwerkraft-Nahfeld der Planeten untersuchen zu können. Da hatten wir ja Vorlagen, Pläne von der Erde, zudem war es nun deutlich einfacher, Satelliten zu bauen, als zu meiner Zeit auf der Erde. Die Mikroroboterschwärme bauten die fast gleich vor Ort im Orbit mit Material, welches Körk bei der Bereinigung der Asteroidengürtel ohnehin gesammelt hatte. Von daher gab es da keinen aufwendigen Start mit Raketen vom Planeten aus, keine umständlichen Transportsicherungen, keine Kontaminationen, alles wurde gleich in einem Bereich mit lediglich Mikrogravitation gefertigt etc. Zudem gab es für viele Anwendungen praktisch bereits Pläne mit fertigen Modulen, welche für die jeweilige Spezialanwendung nur optimiert und angepaßt werden mußten, wenn sie nicht gleich ausreichend für die Anwendung waren.
Im Anschluß an die kleine Sitzung setzte ich mich zusammen mit Peter zusammen, um meinen Betrag zum Projekt der Tages-Exkursionen einzubringen. Peter war schon ziemlich weit gekommen. Ich beteiligte mich, indem ich ein paar Ideen hinsichtlich der Logistik einbrachte. Gerätschaften für Probennahmen hatten wir bereits verfügbar, zudem waren Ida und Hildegard in der Lage, uns im Bedarfsfalle mit einem Luftschiff zu unterstützen, jedenfalls bei mehr oder weniger stabilen Windverhältnissen würden sie uns so bereits unterwegs Proben abnehmen können, ebenso gegebenenfalls größeres Gerät herunterlassen können. Wenn dies aufgrund von böigem Wind eher schwierig wäre, hätten wir trotzdem unterwegs immerhin noch Satellitenbilder verfügbar, ebenso Bilder vom Luftschiff. Beides sollte uns helfen, die geplante Route durch die Wildnis zu finden, eventuell auch kleinere Abstecher zu interessanten Stellen zu machen. Von daher kamen wir da sehr schnell mit der Planung voran. Die Idee war, zunächst mit verfügbaren Fahrrädern das vorhandene Wegenetz zu nutzen, um zügig und einfach an den Beginn einer Route zu gelangen. Danach würde es mit Rucksäcken hinein in die Wildnis gehen. In einigen Bereichen mit wenig Bewuchs und nahezu ebenem, ziemlich festen Boden würden wir mit den Rädern sogar noch etwas weiter vordringen können. Das konnten wir so bereits aufgrund der vorhandenen Aufnahmen der Insel schon ungefähr festlegen, somit schon solide planen.
Insgesamt konnten wir abends sehr zufrieden mit den Fortschritten der Projekte sein. Susanne war gut vorangekommen und überlegte nun bereits, wie eine Visualisierung der Datenmassen zur Untersuchung von Skylla und Charybdis effizient, ergonomisch zu realisieren sei. Für die Daten von Methusalem hatten wir schon einen sehr schönen Prototypen, um die Ergebnisse der Probenanalysen gut erfassen zu können. Solche Interpretationshilfen durch gute Darstellung von Daten ist immer wichtig, um sich nicht darin zu verlieren, sondern aus den Einzelaspekten besser einen Gesamtzusammenhang erschließen zu können. Hier war Susanne auf einem guten Weg, hatte als Pädagogin und Informatikerin in dieser Kombination ein hervorragendes Gespür dafür, uns Daten zu erschließen, um einerseits Fragen aufzuwerfen, andererseits Hypothesen zu entwickeln. Sie war sehr konzentriert, engagiert bei der Sache gewesen. Das Ergebnis freute mich sehr. Das war eine gute Basis, um einen Durchblick durch die Daten zu bekommen und mehr zu verstehen.
In den folgenden Tagen brachten wir in aller Ruhe unsere aktuellen Projekte voran. Als Susanne ihre Hauptarbeit erledigt hatte, somit ein gutes Zwischenergebnis vorweisen konnte, konnte sie somit wieder zum Bio-Projekt wechseln, dort mit Peter die Arbeit fortsetzen. Dieser hatte inzwischen Erfahrungen mit den neuen Werkzeugen der Datenanalyse gemacht, konnte also Rückmeldungen geben, welche Susanne gleich verarbeiten konnte.
Die Planungen für die Tages-Expeditionen waren gleichfalls abgeschlossen, zudem war gerade eine günstigen Wetterlage gegeben. So waren wir uns einig, daß wir unsere Projekte hier an den Rechnern unterbrechen und losziehen sollten, um die erste Exkursion zu bewältigen.
Somit hielten wir den Tag noch den aktuellen Stand fest, berichteten gegenseitig und diskutierten.
Als ich nach unserem gemeinsamen Abendprogramm schon wieder alleine mit Susanne im Bett lag, fragte ich nach: „Nun hast du ja bereits ein paar Tage Gelegenheit gehabt, Peter besser kennenzulernen.
Wie ist deine Zwischenbilanz?“
Susanne schaute mich an, lächelte daraufhin und antwortete: „Gut. Ich mag Peter. Er ist ein feiner Kerl.“
Ich hakte nach: „Und das heißt?
Hättest du Lust auf mehr?
Also so fröhlich-frei zu dritt?“
Susanne zog tief die Luft ein, nickte und erwiderte leise: „Wenn du willst, ich wäre dabei. Gemeinsam hätte ich schon Lust, wenn er will. Wir sollten offen reden, ihm ein Angebot machen …“
Ich ergänzte: „… was er nicht ablehnen kann – oder wird!“
Wir lachten beide …
Ich schlug vor: „Bei unserer Expedition ergäbe sich ja schon die Möglichkeit, einmal etwas mehr unverbindlich, wie aus Versehen leichten Körperkontakt aufzunehmen. Also ganz dezent, unverfänglich. Wenn er nicht davon verschreckt ist, sollten wir im Laufe der nächsten Tage einfach mal das Gespräch suchen …“
Susi lächelte, gab mir zustimmend einen süßen Kuß, was daraufhin gleich zu deutlich mehr ausuferte.
Wir radelten also am nächsten Morgen munter los, die Rucksäcke festgemacht, ein Luftschiff zur Unterstützung bereits ungefähr über dem Startpunkt unserer eigentlichen Route. Der lag in diesem Falle relativ nahe an einem der angelegten Wege, daß wir die Räder noch auf dem Weg abstellten und loswanderten. Unser Plan sah eine Route in einer etwas bergigeren Zone vor. Die Route sollte uns später zurück zu dem Weg führen, welcher um den Badesee führte. Da wir noch nicht so gut einschätzen konnten, wie gut wir vorankommen würden, wie lange Probennahmen dauern würden, wieviele Proben wir würden ziehen wollen, war diese erste Route vom Umfang her eher bescheiden ausgelegt.
Schnell fand Peter interessante Stellen, erläuterte uns überdies nebenbei ausführlicher, was interessant für ihn dabei war. Susi und ich fragten kritisch und neugierig, weswegen er durch die Notwendigkeit der expliziten Formulierung sich genauer Gedanken darüber machen konnte, was aus seiner Sicht interessant war, was objektivierbare Kriterien wären, etwas zu untersuchen. Daran arbeiteten wir im Gespräch nun intensiver, denn so wurde ihm das einerseits klarer, wir konnten das zudem ergänzen. Andererseits konnten Susi und ich so ebenfalls mit kundigerem Blick Ausschau halten, uns also bei der Expedition auch inhaltlich nützlicher machen, ferner waren solch explizit formulierte Kriterien gleichfalls nützlich für die Missionen der Sonden, die sonst Proben nahmen. Mit einem erweiterten Kriterienkatalog würden auch die besser in der Lage sein, Proben an Stellen zu nehmen, die aus Peters Sicht auf jeden Fall sehr relevant sein könnten, für ihn persönlich jedoch nur schlecht oder gar nicht erreichbar sind.
So kamen wir also bereits am Anfang dieser ersten Expedition mit dem Verfahren deutlich voran. Ich hatte nun allmählich ein klareres Bild davon, wie vorzugehen ist, auf was zu achten ist. Das Gespür, die Intuition kommt mit der Praxis, der Erfahrung mit den Forschungsobjekten.
Wir versäumten es allerdings auch nicht, an schönen Aussichtspunkten innezuhalten, den Ausblick zu genießen, jedoch dabei ebenso Ausschau zu halten, ob es aus dieser Perspektive nicht interessante Stellen zu entdecken gab, welche wir unbedingt untersuchen sollten. So machten wir wirklich schnell den ersten Abstecher weg von unserer eigentlich geplanten Route. Das war allerdings unproblematisch, denn es lag ja durchaus im Zeitplan, auch Dinge zu tun, die nicht bereits vorgesehen waren. Gerade diese spontanen Impulse sind es ja gerade, die einem oft neue Erkenntnisse ermöglichen. So gingen wir dem natürlich nach.
Nun ist es in dem bergigen Gelände natürlich durchaus karg, da war schon auf Details zu achten, allerdings auch nicht so uninteressant hinsichtlich jener Pflanzen, die sich besonders gut für die Erstbesiedlung von kargen Landschaften eignen, wovon Skylla ja reichlich hat. Auf unserer Insel lag allerdings die Besonderheit vor, daß die Luftfeuchtigkeit hier deutlich höher ist als weit im Inland, entsprechend regnet es hier auch einmal ab. Das sind deutlich günstigere Bedingungen als in ausgewiesenen Wüstenregionen des Planeten. Dafür hatten wir es in dem heute untersuchten Bereich ziemlich felsig, von daher wenig Material, in welchem Pflanzen Wurzeln schlagen können. Auch dies ist in Skylla natürlich häufig anzutreffen. Ohne Leben gibt es ja keine Humusbildung. Staub- und Sandablagerungen sind da nur bedingt geeignet, in eher zugigen Ecken einer ursprünglichen Vulkaninsel auch nicht so ausgeprägt. Eine Humusbildung oder ähnlich geeignete Ablagerungen hatten wir auf der Insel hauptsächlich dort, wo es schon seit der Anfangsphase der Besiedlung Pflanzen und Pilze gibt, die Boden und allgemein Material gut halten können.
Die Tagesdunkelheit hatten wir im Hinterkopf behalten, somit hatten wir rechtzeitig einen guten Rastplatz aufgesucht und hatten dort eine Pause und Mahlzeit. Wir plauderten über bereits gezogene Proben und deren Standorte, die weitere Route. Ansonsten verdösten wir die Zeit einfach, wobei sich Susi einfach an mich kuschelte. Wir hatten uns nur so grob einen Meter neben Peter platziert, so konnten wir uns gut unterhalten, wenn einem von uns gerade etwas einfiel, was zu diskutieren war. Ein wenig mochte unsere Vertraulichkeit Peter schon einheizen. Dieser ließ sich allerdings nichts anmerken und wir tauschten noch eher unauffällig Vertraulichkeiten aus, um das Spielchen nicht zu weit zu treiben.
Ich sorgte allerdings schon dafür, daß das Geschehen nicht gänzlich von Peter unbemerkt blieb. Wenn sich da ein wenig Druck aufbauen würde, wäre das unserer gemeinsamen Angelegenheit sicherlich nur förderlich.
Bei den Probennahmen oder Hinweisen auf besondere Aussichten oder eventuell interessante Orte für Probennahmen hatte sich gelegentlich schon die Möglichkeit geboten, ihn unverfänglich zu berühren. Das ging so ganz selbstverständlich und aus der Situation heraus, daß darin nicht so viel lag. Auch damit hatte ich allerdings nun eine harmlose Art von Vertraulichkeit eingeführt, die wir nicht wieder zurücknehmen würden. Mehr passierte jedoch auch nicht zwischen uns. Susanne hatte sich daran zwanglos beteiligt. Weil das so ganz nebenbei geschah, konnte Peter wiederum nicht den Eindruck gewinnen, wir würden dabei etwas voreinander verbergen.
Noch im Halbdunkel packten wir zusammen und zogen vorsichtig weiter, um weitere geeignete Orte zu finden, um dort Proben zu nehmen. Trotz einiger Abstecher lagen wir relativ gut in der Zeit, so kamen wir gegen Ende unserer Tour am Badesee an. Auch hier untersuchten wir ausführlicher, nicht nur wegen der Affinität von Myke zu Wasser. Kleine Seen hat die Insel mehrere, nur diesen hatten die Ais allerdings als Badesee ausgewiesen, weil das Wasser dafür besonders geeignet ist. Offensichtlich auffälligen Bewuchs hatten wir auch bei früheren Besuchen nicht feststellen können. Nun schauten wir eben systematisch, nahmen ausgiebig Proben.
Natürlich, durch das Vorhandensein des Wassers waren hier relativ günstige Bedingungen, die Seite weiter hinauf in die Berge war allerdings felsig und karg, reichhaltigere Vegetation war eher auf der anderen Seite zu finden, also grob in Richtung der Kolonie. Die Vegetation dort war jedoch zunehmend planvoll von den Ais angelegt worden, zwar über die Jahrzehnte verwildert, gleichwohl nicht im Zentrum des Interesses von Peter, der eher wissen wollte, wie sich die Vegetation dort entwickelt, wo es wenig gezielte Eingriffe von außen gegeben hatte, welche Gesellschaften von Mikroorganismen, Pilzen, Pflanzen sich dort behaupten und ausdehnen können, wo sich das nicht geplant kombiniert, sondern aus einer Zufallsmischung heraus selbst entwickeln muß.
Als wir mit der Expedition durch waren, hatten wir noch Zeit bis zum Abend. Wir übergaben dem Luftschiff die restlichen Proben und die nun einstweilen nicht mehr benötigte Ausrüstung. Dieses zog darauf ab. Wir waren ungestört, schauten über den See. Wir hätten zurück zu den Rädern schlendern können, wären anschließend relativ früh zurück in der Kolonie gewesen.
Ich wies mit der Hand auf den See, wedelte so vage mit den Fingern herum und meinte: „Also, ich hätte Lust, eine Runde zu schwimmen, und ihr beide?“
Peter schaute mich lächelnd an, aufgrund der inzwischen lockeren Stimmung schon etwas gelöster: „Ohoh, wieder gar keine Badehose mit …“
Ich lachte und erwiderte: „Meinst du, ich?
Ist doch egal, sind doch unter uns, ist ja nichts dabei.
Also los?
Kommst du mit?
Susi?“
Diese mußte auch schmunzeln, nickte nur keck. Ja, wir waren wirklich vertrauter miteinander geworden.
Ich ging fröhlich lachend ein paar Schritte weiter auf die größere Felsplatte am See, näherte mich dem Wasserrand und guckte nach der Stelle, an welcher man gut einsteigen kann.
Die fand sich schnell, ich drehte mich schmunzelnd zu den beiden um, sprach: „Also los!“, wobei ich mich bereits wieder zum See drehte und schon begann, mich meiner Sachen zu entledigen, noch ohne mich erneut umzusehen. So nackt und bloß bekamen Peter und Susi zunächst nur meine Rückenansicht zu sehen, ich reckte mich allerdings, streckte mich, kniff die Popacken zusammen und gab meinen Hüften einen lasziven Schwung, bevor ich meine Beine grazil in Richtung See in Bewegung setzte. Es machte mir schon ein wenig Spaß, so zu provozieren. Ich war bereits neugierig, wie sie reagieren würden.
Susi lachte einfach, begann nun ebenfalls, sich zu entkleiden. Ich tänzelte spielerisch herum, griff mit den Fingern locker in die Leere, drehte mich, um Peter ebenfalls mit meiner Vorderansicht zu beeindrucken, aber nur so flüchtig, es sollte natürlich nur ein harmloser Spaß sein, auch um ihn noch ein wenig anzuregen mit etwas frecher Freizügigkeit. Aber das wollte ich nicht überziehen. Also stieg ich zügig in den See, dessen Temperatur ganz angenehm war. Und so machte ich gleich meine ersten Schwimmzüge. Susi war mutiger, kannte die Stelle bereits, machte gleich einen weiten Satz und landete platschend neben mir im Wasser. Wir lachten, machten ein paar kräftige Schwimmzüge weiter auf den See hinaus.
Erst etwas weiter draußen auf dem See drehten wir uns erneut um, schauten nach Peter. Tatsächlich hatte dieser sich ebenfalls entkleidet, eine Hand wie zufällig vor sein Gemächt haltend, daß wir den aktuellen Zustand nicht eindeutig erkennen konnten. Aus der Höhe der Hand vermochte ich allerdings schon erahnen, daß bereits unsere minimalistische Aufführung die gewünschte Wirkung hinterlassen hatte. Peter stand auch noch etwas zögernd auf der Felsenplatte. Als er allerdings mitbekam, daß wir ungeniert guckten, lachte er etwas verlegen und stieg ebenfalls ins Wasser, schwamm locker und ohne Eile ungefähr in unsere Richtung.
Als er fast heran war, flitschte ich ihm fröhlich lachend eine kleine Wasserfontaine hinüber. Peter grinste, flitschte beherzt zurück, woraus sich eine kleine Wasserschlacht zwischen uns dreien entwickelte. Wir hatten richtig Spaß, alberten munter herum. Dabei gab es wieder einige Gelegenheiten, uns noch relativ unverbindlich näherzukommen, ein wenig zu knuffen, zu schubsen, mal ein sanftes Streicheln dabei. Anschließend schwammen wir noch eine größere Runde friedlich nebeneinander durch den See.
Nachdem wir eine Weile das Wasser genossen hatten, schwammen wir zurück zum Ufer, wo unsere Sachen auf uns warteten. Angekommen stieg ich mit Schwung aus dem Wasser. Susi zögerte nicht und folgte mir gleich, legte mir traulich einen Arm um die Hüfte. Ich gab ihr einfach einen Kuß auf die Wange.
Nun hatten wir ja nichts zum Abtrocknen mit, die Felsplatte war im Sonnenschein allerdings recht warm, so schüttelten wir uns lachend ordentlich ab, legten uns einfach auf den kahlen Fels und gaben Rasol eine Chance, uns wenigstens etwas zu trocknen.
Als Peter am Ufer angekommen war, zögerte er etwas.
Ich merkte nur an: „Nun hab’ dich nicht so und komm’ schon raus!“
Peter antwortete: „Ja klar, etwas ungewohnt ist die Situation so schon.
Aber es ist ja wirklich nichts dabei, wir sind ja alle erwachsen und vernünftig!“
Ich lachte und entgegnete: „Das sind wir wohl. Also gar kein Drama.“
Peter lachte verlegen, genierte sich schon ein wenig, kam aber doch heraus. Susi und ich, wir schauten ganz ungeniert und mit offenem Lächeln. Und so nackt auf dem Felsen zeigten wir ja immerhin auch, was wir zur visuellen Erbauung unsererseits zu bieten hatten.
Er sah schon ganz schmuck aus, auf jeden Fall!
Der ganze Körper ist schon sehr ansehnlich und appetitlich. Nun ist er gewiß kein Muskelmann, auch keineswegs fettig, also griffig und ansehnlich und männlich, wie es sein soll, ohne in eine bestimmte Richtung zu übertreiben.
Peter eilte nun allerdings, schüttelte ebenfalls unterwegs möglichst viel Wasser ab, legte sich so etwa knappe zwei Meter von uns entfernt ebenfalls auf den Felsen, wobei er sein Gemächt hielt und sich einfach auf den Bauch legte. Wir lachten alle drei. Wir genossen fürderhin jedenfalls einfach nur die Sonne und die Wärme auf der Felsplatte. Und Peter beruhigte sich wohl auch etwas, weswegen er sich ebenfalls umdrehte, als wir das taten, um uns auch auf der anderen Seite trocknen zu lassen. Dabei rollte ich einfach auf dem Untergrund herum, Susi tat es mir gleich. So lagen wir nun gut eine Körperbreite näher an ihm dran. Er drehte sich hingegen auf der Stelle. Susi hatte nebenbei meine Hand gegriffen, drückte etwas. Ich deutete das so, daß sie eine weitere Anregung nicht für notwendig hielt. Ich vergewisserte mich, schaute kurz zu ihr. Sie lächelte mich nur an.
So wagte ich es und hub an: „Wo wir drei hübschen nun schon einmal so traulich harmonieren, Spaß miteinander hatten, da habe ich mich angesichts deiner Erektion, Peter, eben gefragt, ob das ein aufrichtiges Angebot beinhaltet oder lediglich als rein physiologische Reaktion eingeordnet werden soll, welche wir einfach übergehen sollten …“
Peter sah mich erschrocken an, lief rot an.
Susanne prustete los.
Ich versicherte: „Peter, keine Panik!
Das war eine ehrliche Frage, geradeheraus, mitnichten Kritik an dir!
Wir wollen lediglich wissen, wie es um dich und deine natürlichen Interessen steht!“
Susanne giggelte, stand daraufhin Peter aber bei: „Michaela, du schüchterst ihn ja wirklich ein!
Peter, sie macht nur Spaß, aber wir haben uns das ernsthaft gefragt, das stimmt schon …“
Peter atmete erst einmal tief durch.
Wir ermunterten ihn noch ein wenig, ohne ihn aufzuziehen. So antwortete er endlich, zwar noch etwas unsicher, aber doch ziemlich sachlich: „Hmmm, also bei den lockeren Wasserspielchen passiert das eben. Was meine Interessen anbelangt – ich finde euch beide sehr attraktiv und anregend, was die Angelegenheit nicht einfacher macht. Zudem respektiere ich, daß ihre beide zusammen seid. Da würde ich es keineswegs korrekt finden, wenn ich beginnen würde, einer von euch beiden insgeheim nachzustellen oder Avancen zu machen …“
Ich grinste, entgegnete: „Für insgeheim wäre es ja nun auch etwas spät. Und wir hatten unsererseits nicht vor, voreinander Geheimnisse zu hegen oder insgeheim getrennt voneinander dir Avancen zu machen …“
Susanne nickte: „Also, wenn schon, dann dachten wir eher, alle zusammen, ganz zwanglos, wir sind ja sowieso alleine hier. Wenn wir einfach tun, was uns Spaß macht, was ist schon dabei, wenn wir uns alle einig sind?“
Peter schaute uns verblüfft an, nun war unser Angebot also heraus. Es war ihm förmlich anzusehen, wie es im Kopfe arbeitete. Er hatte sich ferner halb aufgerichtet, da wurde nun wirklich seine prächtige Erektion offenbar. Er war zu sehr mit Denken beschäftigt, um das irgendwie zu berücksichtigen, Susi und mir entging das allerdings nicht. Da Peter wiederum gedanklich anderweitig beschäftigt war, nahmen wir das lediglich wohlwollend zur Kenntnis, ohne es weiter zu kommentieren.
Peter war bald darauf wieder zu Worten in der Lage: „Ohoh, das kommt jetzt schon überraschend. Also – so ganz ehrlich – natürlich hätte ich Interesse.
Ist das wirklich euer ernst, kein Trick, keine Blödelei?“
Ich streichelte ihm sanft über die Schulter, versicherte: „Das ist keine Blödelei, ein ernsthaftes Angebot. Wenn du dabei bist, wäre das schon fest, kein Spielchen, natürlich nicht. Wir müssen ja hier mit dir auskommen, da nutzen wir dich doch nicht aus oder legen dich herein. Also, wenn wir zusammen sind, dann sollte da auch Verlaß drauf sein, schon vergnügliche Spielchen miteinander, unverkrampft und mit viel Lust, keineswegs aber ein Spielchen auf deine Kosten …“
Susanne nickte, rutschte herum, zu Peter heran, streichelte seine andere Schulter, sah ihm tief in die Augen, was ihn gleich gefangennahm.
Nach kurzer Pause der Verzauberung rückte ich ebenfalls näher heran, legte die Arme vorsichtig um beide und ergänzte: „Also, falls wir uns prinzipiell einig sind, wäre zuvor noch die Familienplanung zu diskutieren, wir sollten also nicht gleich unserer Lust und Laune freien Lauf lassen!
Indes wollen wir dich auch keineswegs überrumpeln, daher sollten wir die Diskussion dieses Aspektes erst einmal verschieben, die Entwicklung bei dir erst einmal sacken lassen …“
Peter schluckte, sah mich an, wieder zu Susanne, zurück zu mir, schluckte wieder, meinte dazu: „Oh, klar, natürlich …“
Ich lachte, Susanne stimmte mit ein, Peter ebenso. Somit waren wir uns bezüglich zukünftiger gemeinsamer Vergnüglichkeiten bereits einig. Wir umarmten uns, erste scheue Küsse wurden mit Peter getauscht, gut, nach den ersten folgten schon ein paar weniger scheue. Weiter gingen wir einstweilen jedoch noch nicht.
Die rührende Szene zog sich noch ein wenig hin. Derweil waren wir schon so halbwegs trocken, zudem war es auch allmählich Zeit, zurück zu Kolonie aufzubrechen. Also zogen wir uns in guter Laune an und spazierten zurück zu den Rädern. Und mit denen ging der Rückweg letztlich relativ schnell.
Wieder zurück in der Kolonie, standen wir kurz vor dem Duschraum, überlegten. Weil das allerdings mit der Familienplanung noch nicht geklärt war, zog es Peter doch vor, wieder in einen separaten Duschraum zu gehen. So würden wir nicht gleich in Versuchung geraten und mehr miteinander treiben, als schon ausgemacht war.
Susi und ich, durchaus angeregt durch das kleine Intermezzo am See, legten in unserem Duschraum jedoch einen heftigen Quickie hin, daß uns komplett die Puste ausging. So trafen wir mit einem sehr zufriedenen Grinsen im Gesicht im Arbeitsbereich auf Peter, welcher bereits früher eingetroffen war und nach seinen Projekten schaute. Die Auswertung der heutigen Proben würde natürlich noch etwas dauern. Es ging ihm also vorrangig um andere Ergebnisse und die Entwicklungen auf Charybdis.
Abends beim Essen bot sich Gelegenheit, das Gespräch fortzusetzen.
Ich fragte einfach mal locker drauf los: „Peter, wie stehst du zu eigenen Kindern oder auch allgemein?“
Peter versicherte: „Bislang gar nicht, habe ja selbst keine. Generell lehne ich Kinder aber keinesfalls ab. Ich bin davon überzeugt, ich mag Kinder, kann mich mit einer Vaterrolle durchaus anfreunden.
Wollt ihr etwa gleich diesbezüglich aktiv werden?“
Susi und ich lachten.
Susi erläuterte ihren Standpunkt: „Was mich anbelangt, einerseits möchte ich eigene Kinder. Unter der Voraussetzung, daß wir hier bleiben können, wäre das ein friedlicher, guter Ort für Kinder. Das erleichtert die Entscheidung enorm, es ist ja doch eine für das gesamte weitere Leben. Gut, die Ais haben auch Pläne, die Kolonie nicht nur mit Kryo-Zombies zu bevölkern. Schon von daher impliziert die Zukunft der Kolonie Kinder, sicherlich nicht notwendig eigene, aber die lassen sich selbstverständlich gut in die Planung integrieren …
Andererseits ist da noch immer die gewisse Unsicherheit, ob wir hier wirklich bleiben können, das läßt mich sehr zaudern …“
Ich streichelte sie beruhigend: „Hatten wir ja schon angesprochen, voraussichtlich haben wir Jahrzehnte Zeit, selbst wenn hier doch etwas sein sollte, wahrscheinlich findet sich allerdings nichts. Wir sollten also davon ausgehen, daß wir bleiben oder notfalls Wege finden, um bleiben zu können …“
Peter nickte, bestätigte: „Das sehe ich auch so. Wir sollten und hier Zuhause fühlen. Wir können nicht die unwahrscheinlichsten Unwägbarkeiten aussitzen oder abwarten. Das bringt nichts. Von daher solltest du einfach davon ausgehen, daß dies nun unsere Heimat ist und bleibt. So viel, wie hier bereits durch die Terraformung verändert wurde, ist das nun unser Platz, den wir notfalls auch verteidigen dürfen. Vor uns gab es hier keine Chance für den Pilz, nichts, was wir hier auf Skylla zu unseren Gunsten oder auf Kosten einer fremden Ökosphäre beseitigt hätten.
Von daher gibt es keinen Anlaß, darüber unsicher zu sein, ob wir bleiben dürfen. Natürlich dürfen wir!“
Ich führte weiter aus: „Gewiß dürfen wir bleiben, unseren erarbeiteten Platz notfalls ebenso verteidigen!
Was mich anbelangt, so habe ich mir in meinem früheren Leben keine großen Gedanken über Nachwuchs gemacht. Es hatte sich bis dahin nichts ergeben. Hier hat sich sowieso alles geändert, mit euch beiden hier muß ich ganz neu nachdenken. Da scheint mir viel mehr möglich …“
Susi ergänzte: „Also gut, ihr habt ja Recht, wir müssen davon ausgehen dürfen, daß wir hier sicher sind, bleiben dürfen sowie können. Mit der Entscheidung hinsichtlich des Nachwuchses sollten wir aber schon noch ein wenig abwarten, finde ich. Wenn wir aktiv werden wollen, kümmern wir uns besser um Verhütung. Wenn wir uns sicher sind, können wir die ja immer noch wieder absetzen.
Also mein Vorschlag: Wir lassen es erst einmal ein paar Tage sacken, entscheiden danach, wie wir weiter vorgehen. Wir vertragen uns gut, kommen miteinander klar, das wird uns weiter zusammenbringen, also keine Notwendigkeit, etwas zu überstürzen …“
Damit waren Peter und ich einverstanden.
Abends wurden wir nun schon etwas vertrauter miteinander. Als wir einen Film guckten, rückten wir näher zusammen, kuschelten. Später trennten sich unsere Wege allerdings wieder und Peter zog sich abermals in sein Zimmer zurück.
Am nächsten Tag machten wir nicht gleich wieder eine Expedition. Über Nacht waren bereits die meisten unserer Proben analysiert worden, nicht komplett, aber es gab bereits genug Ergebnisse, denen sich Peter widmen konnte. Susanne konnte sich da gut beteiligen, ich widmete meine Zeit weiter den Daten von Methusalem und meinen anderen Projekten. Da gab es immer reichlich zu tun, um die voranzubringen.
Abends widmeten wir uns abermals wieder der zärtlichen, vorsichtigen Annäherung. Das regte schon an, trotzdem hielten wir uns an unsere Verabredung. Das war sicherlich insbesondere für Peter nicht so einfach, denn Susi und ich, wir konnten uns ja später gut aneinander im Bett gütlich tun und aufgebauten Druck genüßlich miteinander abbauen.
Den nächsten Tag brachen wir drei nach dem Frühstück wieder mit den Rädern zu einer Expedition auf. Diesmal ging es nicht in die karge, bergige Region, diesmal lag der Schwerpunkt mehr im Bereich des Sandstrandes und seiner weiteren Umgebung, dem Übergang ins Inland. Im Wasser des Meeres ist ja allerhand gelöst, also noch deutlich mehr als in den Meeren auf der Erde, daher ließ sich bislang im Meer auch nur wenig Vegetation ansiedeln, vielleicht ebenso ein Grund, warum das Leben auf Skylla früher keine Chance hatte. Die Brühe braucht schon sehr robuste Organismen. Auf der Erde gibt es ja durchaus Organismen, die unter extremen Bedingungen existieren. Es war nur nie so ganz klar, ob das eine spätere Anpassung war oder ob diese Organismen bereits seit den Anfängen des Lebens auf der Erde in diesen extremen Nischen ihr Auskommen gefunden hatten. So oder so war das hier in der Brühe des Meeres nicht passiert. Mittlerweile hatten die Ais über die Jahrzehnte unserer Besiedlung ja durchgehend daran gearbeitet, Stoffe aus dem Meer zu extrahieren. Obgleich es viel kleiner als auf der Erde ist, ist das Wasser allerdings trotzdem nicht über ein paar Jahrzehnte zu klären. Immerhin reichte die Wasserqualität inzwischen, um darin einige robuste Organismen zu etablieren. Der Plan bestand nun darin, eine Entwicklung einzuleiten, bei welcher Organismen dabei helfen, die chemische Zusammensetzung des Meeres zu verändern. Das war auf der Erde gleichfalls passiert, als die ersten Organismen per Photosynthese Sauerstoff im Meerwasser produziert haben, so unter anderem dafür gesorgt haben, daß gelöstes Eisen als Rost ausgefällt wurde. Ähnliche Vorgänge hatten die Ais auch hier auf Skylla im Sinn. Inzwischen war es durchaus gelungen, einige Organismen für diese Zwecke im Meer zu etablieren, die Chemie des Meeres also nicht nur mit technischen Anlagen an der Küste zu manipulieren.
Für die Küste unserer Insel bedeutete das jedenfalls, daß die Vegetation dort ebenfalls robust an die Zusammensetzung des Wassers angepaßt sein muß, ähnlich wie an Küsten auf der Erde. Aufgrund des durchaus vorhandenen Regens kam natürlich auch Wasser von den Bergen, der Küstenbereich filterte ferner, weswegen es unterschiedliche Zonen hinsichtlich der Zusammensetzung des Wassers gibt, welches für die Vegetation verfügbar ist. So ändert sich die Pflanzengesellschaft folglich je nachdem, welche Wasserqualität verfügbar ist. Daher hatten wir im Küstenbereich also einige unterschiedliche Zonen für unsere Untersuchungen.
Die Tagesdunkelheit verbrachten wir am Sandstrand. Neben dem Essen plauderten wir angeregt über unsere Expedition, dösten etwas herum, hatten auch etwas zu lesen mitgenommen. Als es wieder hell wurde, setzten wir unsere Untersuchungen fort. Auch für diese Expedition hatten wir absichtlich ein nicht sehr ambitioniertes Programm geplant, weil ja doch immer wieder interessante Sachen in unser Gesichtsfeld kamen, auf welche wir spontan reagierten.
Insgesamt waren wir mit unserem Programm wieder zeitig durch, hatten unsere Proben und unsere Ausrüstung bereits an das begleitende Luftschiff übergeben.
So schlug ich vor: „Noch Lust auf ein Bad im Badesee?“
Peter und Susanne stimmten lachend zu, also ging es mit den Rädern los. Sorglich hatte ich diesmal sogar Handtücher dabei. Weil das ganz günstig dort war, radelten wir wieder herum, bis wir den Bereich mit der Felsplatte erreicht hatten, auf welcher sich nach dem Bad gut liegen ließ.
Ich legte schon einmal die Handtücher aus. Fröhlich und in gelöster Stimmung zogen wir blank, Peter nun auch ohne Zögern, stürmten so in den See. Dort schwammen wir erst ein wenig, wobei es nicht lange dauerte, bis wir wieder herumalberten, eine kleine Wasserschlacht veranstalteten, anschließend wieder eine Runde nebeneinander schwammen.
Wir drei hielten uns diesmal länger im Wasser auf als beim letzten Mal. Das war in Ordnung, wir fühlten uns wohl.
Irgendwann war es aber erst einmal genug und ich meinte: „Pause wäre mir jetzt ganz angenehm.“
Peter erwiderte: „Ja geht mir auch so, soll ja keine Sportveranstaltung werden.“
Susi stimmte ebenfalls zu.
So schwammen wir also zurück, stiegen aus dem Wasser, trockneten uns etwas ab, legten uns hin und ließen uns noch etwas von Rasol bescheinen und trocknen.
Wir dösten noch ein wenig, plauderten etwas über die heutige Exkursion, kuschelten uns zusammen, tauschten Vertraulichkeiten aus. Susanne und ich hatten eine Menge gelernt, konnten nun schon selbständiger suchen und relevante Stellen ausmachen. So waren wir inzwischen dabei, gemeinsam bessere Regeln zu formulieren, nach welchen die automatischen Probennahmen effektiver erfolgen könnten, insbesondere auch an Stellen, die besonders relevant wären. So ganz plausibel bekamen wir es noch nicht hin. Susanne befand, das sei derzeit noch zu vage, um es in einem Programm umzusetzen. Schon von daher war klar, daß es weitere Tages-Expeditionen geben würde. Aber die machten uns Spaß, brachten uns näher zusammen. Und das war ja genau richtig bei solch einer kleinen Gemeinschaft. Wir zogen uns etwas später an, radelten zurück zur Kolonie.
Obwohl unser Umgang inzwischen zwischen ziemlich vertraut geworden war, verstand Peter es doch, sich weiter zusammenzureißen. Das bewunderte ich ein wenig. Damit zeigte er uns jedoch gleichfalls, welch korrekter, anständiger, geduldiger Bursche er ist. In etwa so hatte ich ihn auch eingeschätzt. Es war schon zu bemerken, daß es ihn reizte, er ließ sich allerdings dennoch von den Verlockungen nicht hinreißen.
Auf Dauer würde ihn die Konstellation so schon belasten. Aber auf Dauer war das ja auch nicht angelegt. Eine Entscheidung würde nun bald getroffen werden müssen, denn im Grunde hatte wir alle drei viel Lust, den nächsten Schritt zu gehen.
Ich dachte mir, ich sollte nun wohl abermals mit Susi darüber reden, wie diese die veränderte Situation sah, ob sie mehr Mut gefaßt hatte, eventuell eigentlich schon interessiert war, nur eben unsicher, wie es gehen könnte.
Nach einem abermaligen Quickie von Susi und mir unter der Dusche trafen wir uns wieder alle zum Abendessen. Auch den Abend verbrachten wir harmonisch zusammen. Wir verstanden uns einfach sehr gut. Ich fand, das waren Voraussetzungen genug, um es mit Peter zu probieren.
Womit für uns der Zeitpunkt gekommen war, über die Frage der Familienplanung zu entscheiden. Primär lag das aus meiner Sicht nun bei Susanne, also war es notwendig, sie zu einer Entscheidung zu bewegen.
Nachts machte ich sie jedenfalls richtig heiß, zögerte diesmal hinaus, ließ sie um Erlösung zittern. Diesmal hatte ich auch Spielgerät im Einsatz. Das war durchaus von der eindringlichen Sorte. Damit probierte ich etwas herum, was Susi durchaus überraschte, aber sie ging gerne darauf ein, sprang gut darauf an.
Ich flüsterte der stark erregten Geliebten zu: „Ohohoh, da bist du ja richtig heiß drauf.
Soll ich dir den Peter machen und dich mal ordentlich durchschubsen?“
Susi lachte keuchend, erwiderte nur: „Michaela, Michaela, du machst mich heute richtig fertig, bitte, bitte, lange halte ich nicht mehr durch …“
Nun, quälen wollte ich sie natürlich nicht wirklich, so ging ich liebevoll, vorsichtig mit dem Gerät vor, erkundete ihre Reaktionen und rubbelte und schubste sie so heftig über die Kante. Wir lagen eng umschlungen, wobei sie sich allmählich erholte, wieder aktiver wurde. Sie hatte das Teil ergriffen und versuchte es nun ihrerseits bei mir.
Sie grinste mich an und stellte fest: „Also gut, wollen mal ausprobieren, wie du reagierst, wenn ich dir den Peter mache!“
Ich lachte vergnügt und ließ sie machen. Sie bekam das ebenfalls ganz geschickt hin, kombinierte es schön mit dem, wovon sie bereits wußte, daß es bei mir gute Wirkung zeigte, so daß ich alsbald ebenfalls tobte und wonnig in einen schönen Höhepunkt hineinglitt.
Wir entspannten danach eng umschlungen.
Ich fragte nach: „Also, da wir beide auf die eindringlichen Spielchen so gut reagiert haben, sollten wir nun doch wohl endlich Peter mit einbeziehen. Ihn so lange hängenzulassen, ist nun nicht mehr angemessen.
Was meinst du?“
Susi kicherte erst aufgeregt, antwortete danach: „Also, ich hätte schon Lust. Ich mag ihn sehr. Du hast Recht, lange genug gewartet, gezaudert.“
Ich versicherte: „Das wird ein intensiver, berauschender Spaß werden.
Wir beide werden das doch wohl so arrangieren können, daß die gemeinsamen Aktivitäten für uns zum Genuß werden. Peter ist nicht dominant, kann zudem davon profitieren, was wir voneinander wissen. Von daher habe ich keine Zweifel, daß wir zu dritt schönen Spaß haben werden.“
Susi mahnte: „Ausnutzen wollen wir ihn nicht, das wäre in der kleinen Gruppe auch gar nicht drin, ohne erhebliche Schwierigkeiten zu verursachen.
Wenn wir uns also auf ihn einlassen, dann ist das ernst, das ist dir klar?“
Ich bestätigte: „Natürlich können und werden wir nicht mit ihm spielen, wenn, dann ist es ernst. Und er ist eben ein netter, zurückhaltender, ehrlicher Kerl. Wenn von uns keine eindeutige Ansage kommt, weiß er nicht wirklich, woran er ist und wird sich zurückhalten. Warten bringt uns also nicht weiter.“
Susi meinte: „Hmm, aber sollen wir einem starken Mann durchgehen lassen, so defensiv zu sein, wenn er Interesse hat?“
Ich antwortete: „Er hat Respekt vor uns. Du hast dir Bedenkzeit ausgebeten, das ist in Ordnung. Nun kitzele ich dich ein wenig, um dir die Entscheidung zu erleichtern.“
Susi nickte und küßte mich lieb.
Sie erwiderte: „Stimmt, lange genug gewartet …“
Ich hakte nach: „Bleibt also die Frage, ob mit oder ohne Verhütung …“
Susanne erwiderte: „Also gut, laß uns darüber noch diese Nacht schlafen. Morgen entscheiden wir beide, einigen uns daraufhin mit Peter …“
Wir kuschelten uns eng zusammen, schmusten noch etwas herum, um alsdann einzuschlummern.
Mache einen Vorschlag, wie sie weiter vorgehen sollen.
Mit den Ais diskutieren
Mit Peter hatten wir nichts konkret verabredet. Susi und ich gingen einfach wieder von meinem Zimmer hinunter in den allgemeinen Bereich. Wir nahmen eine Kleinigkeit zu essen mit. Ich wollte nun doch in den Arbeitsbereich, etwas in die Daten sehen, also weniger in Peters Bereich, aber dieser Fund von Methusalem hatte mein Interesse geweckt.
Ich erzählte Susi davon und merkte an: „Das interessiert mich nun doch. Vielleicht finden wir da ja mehr heraus. Wenn der Brocken so lange Zeit über im Rasol-System gewesen ist, nun ziemlich weit draußen seine Bahnen zieht, könnte doch immerhin sein, daß der im Sinne eines Beobachters des Systems wirklich Spuren aufweist, anhand derer wir eine bessere Idee davon bekommen, wie sich das System über die Zeit entwickelt hat.“
Susanne fragte: „Wie sollte das passiert sein?
Was für Spuren?
Bei einem Brocken, der einfach so durch die Gegend saust?“
Wir waren indessen schon auf dem Weg und ich entwickelte vage Ideen: „Vielleicht können wir etwas über die Historie der Bahn herausfinden, wenn Methusalem eingefangen worden ist, sollte es schon Wechselwirkungen mit dem System gegeben haben. Der Einfang bringt es mit sich, daß kinetische Energie von Methusalem auf andere Körper übertragen wird, sonst würde er allenfalls abgelenkt weiter durch den Raum fliegen.
Eine andere Möglichkeit besteht darin, daß sich auf Methusalem Einschläge von kleineren Gesteinsbrocken finden, die wir vielleicht zeitlich zuordnen können, vielleicht gar woher die Brocken stammen. So haben wir vielleicht wirklich eine bessere Chance, etwa die Entwicklung oder gar Entstehung der Asteroidengürtel besser zu verstehen, vielleicht auch, wie es zu dem Doppelplanetensystem Skylla und Charybdis gekommen ist, warum der eine viel, der andere wenig Wasser hat.“
Susanne war aus nachvollziehbaren Gründen skeptisch: „Wenn du dir da mal nicht zuviel von dem Teil versprichst, so weit draußen, zudem sind das alles ziemlich komplexe Abläufe. Allerdings spannend ist das schon, er hat ja zudem etwas mit uns gemeinsam, wenn er von außerhalb des Systems kommt, schon von daher hat er unsere Aufmerksamkeit verdient.“
Wir lachten beide.
Im Arbeitsbereich angekommen ließen wir uns von Ida die Daten geben und schauten erst einmal. Das war allerhand Kram, aber hinsichtlich der Beantwortung meiner Fragen trotzdem dünn. Immerhin hatte Körk das Gebilde nicht bereits aufgeräumt, dafür war es zu weit draußen, keinerlei Gefahr für Skylla und Charybdis. Inzwischen war Methusalem ein ordentliches Stück von der Hauptekliptik des Rasol-Systems entfernt. Da würde es also etwas Zeit kosten, bis Asi und Stanis dort Ausrüstung für weitere Untersuchung hingeschickt hätten. Daher erschien es mir sinnvoll, zügig ein kleines Projekt zu formulieren, um solch eine nähere Untersuchung bald zu veranlassen.
Später meldete sich Peter. Wir teilten ihm mit, wo wir sind. So war er schnell bei uns. Gut erholt hatte er nun das dringende Bedürfnis, genauer in die Daten über die Biosphären zu schauen. Zuvor fragte er nach unseren Aktivitäten.
Ich zuckte die Schultern, meinte: „Muß mir auch erst einmal wieder einen Überblick verschaffen, wie sich die Situation im Planetensystem in den letzten Jahrzehnten verändert hat, Körk war da ja sehr aktiv. Und ich muß mir auch einmal ansehen, was inzwischen herausgefunden wurde über die Historie des Systems, was über die Planeten. Wenn es genaue Daten über die Planeten gibt, wäre es ja auch möglich, Hypothesen über die Vergangenheit aufzustellen, Stellen zu lokalisieren, wo Proben genommen werden könnten, Untersuchungen förderlich wären, um Hypothesen zu stützen oder zu widerlegen.
Sie haben wohl auch einen Kleinplaneten gefunden, welcher gar nicht aus diesem System zu stammen scheint, älter als dieses ist.“
Peter neigte den Kopf: „Interessant, auch daß das bereits bekannt zu sein scheint.“
Ich fügte hinzu: „Ich hatte bereits die Ehre, ihm einen Namen geben zu dürfen: Methusalem.“
Peter hakte nach: „Wirklich älter als das Rasol-System?
Schon interessant.
Wie kann das sein?
Wie stellt man das Alter eigentlich fest?“
Ich antwortete: „Genaueres habe ich mir noch gar nicht angesehen. Kommt vermutlich aus einem anderen System, wurde von Rasol in einer Wechselwirkung mit verschiedenen Planeten oder Kleinplaneten eingefangen. Letztlich ist es ja ohnehin so, daß schwerere Elemente in Sternen ausgebrütet werden. Irgendwie müssen sie da ja wieder heraus, wenn man sie letztlich hier auf Planeten vorfindet. Ganz schwere Elemente jenseits des Eisens werden ja wohl erst erzeugt, wenn sein Stern in einer Supernova oder einer ähnlich heftigen Explosion genug Druck in gewissen Regionen aufbaut, um die Kerne kleinerer Atome zu den schweren zusammenzudrücken. All das Zeug kommt also zwangsläufig von anderen Systemen, als feiner Sternenstaub ist das Alter allerdings nicht zuzuordnen. Hat ein Sonnensystem jedoch überdies ein Planetensystem, gerät da vorher, besonders in der Entstehungsphase schon einmal etwas durcheinander und ein Planet kann dabei auf Kosten der anderen so viel kinetische Energie bekommen, daß er aus dem System geschleudert wird. Der Vagabund saust daraufhin durch den freien Raum. Wahrscheinlich trifft der nie wieder auf ein Sonnensystem. In diesem Falle war es aber wohl so, daß er zufällig auf das Rasol-System zu geschleudert wurde, dort mit Rasol und den Planeten in mehrfacher Wechselwirkung kinetische Energie verloren hat, so hier eingefangen wurde.
Beim Alter, hmmm, also sicherlich haben Asi und Stanis Proben an verschiedenen Stellen genommen, die nicht nach Einschlagskratern aussahen. Hat sich ein Kleinplanet erst einmal gebildet, hat er genug Struktur, genug Atome für Statistiken, ebenfalls radioaktives Zeug im Gestein, was sich für eine Altersbestimmung eignen kann, weil sich bei einem seismisch nicht aktiven Kleinplaneten ja sonst kaum noch etwas an den Gesteinen, Metallklumpen etc ändert außer dem Zerfall radioaktiven Materials über verschiedene Zerfallsketten.
Alter von Gestein ist allerdings nicht so ganz einfach. Es gibt immerhin bestimmte Gesteinsarten, die aufgrund der Chemie auf typische Weise zusammengesetzt sind. Sind da bereits anfangs radioaktive Isotope drin, ändert sich die Zusammensetzung mit der Zeit. Isotopenverhältnisse und die Verhältnisse der Häufigkeiten verschiedener Elemente sind dann typisch für die Entstehungszeit des Gesteins. Bei Uran oder einem instabilen Isotop von Rubidium etwa kann man so aus der Zusammensetzung von Gestein abschätzen, wann das entstanden ist, also vielleicht gar das Uran bei einer Sternenexplosion, später wohl auch das Gestein, wenn das Uran da charakteristisch eingebaut ist und sich über die Zeit aufgrund der Zerfallsketten der Uran-Isotope typische Häufigkeiten von Elementen und Isotopen herausbilden, die als Uhr verwendet werden können. So in etwa, muß ich mir auch noch genauer anlesen, um da qualifiziert mitreden zu können, Daten kritisch zu interpretieren, eventuell auch brauchbare Vorschläge zu machen.“
Peter nickte und ich fuhr fort: „Hinsichtlich der Frage, wie das Zwillingsplanetensystem entstanden ist, warum es nun auf Charybdis Leben gibt, auf Skylla lediglich eine Wüste mit wenig, chemisch jedoch stark angereichertem Wasser, muß ich mich bei den erhobenen Daten ebenfalls erst auf den aktuellen Stand bringen. Ich muß ja erst einmal wissen, welche Daten wir schon haben, was man daraus lernen kann, welche Daten wir vielleicht mit welchen Experimenten und Beobachtungen generieren sollten, um mehr zu erfahren. Das wird mich schon ganz gut beschäftigen. Da will ich mal nichts überstürzen, mir aber schon genauer ansehen, wie ich mich sinnvoll einbringen kann, um das zu ergänzen und anzureichern oder auch erst zu interpretieren, was bislang in den letzten Jahrzehnten erreicht wurde.“
Peter nickte: „Hört sich doch gut an!“
Susanne fügte zu meinen Ausführungen hinzu: „Das sieht nach komplizierten Datensätzen aus. Vielleicht gelingt es mir ja, da geeignete Algorithmen anzusetzen, damit wir etwas erkennen. Wenn Michaela erst einmal herausgefunden hat, wonach wir genau suchen müssen, etwa hinsichtlich der Altersbestimmung, kann ich da vielleicht helfen.“
Bis zum Abendessen hatten wir noch eine Weile Zeit, so vertieften wir uns also in die Daten. Er meinte: „Also gut, hier auf Skylla scheint es ungefähr nach Plan verlaufen zu sein. Die Ais haben fleißig und gleichzeitig sorgfältig Arten angesiedelt, hauptsächlich robuste Pflanzen, Pilze und Mikroorganismen, um ein funktionierendes, noch einfaches Ökosystem zu bekommen. Hier auf unserer Insel haben sie verstärkt als Gärtner gearbeitet, das System weit entwickelt. An einigen anderen Stellen an den Ufern von Gewässern haben sie ebenfalls gezielt bestimmte, geeignete Arten angesiedelt. Weite Bereiche haben sich allerdings nach der ersten Impfung mit dem Wasser aus dem Asteroidengürtel selbst entwickelt, da wurde nur wenig ergänzt, eher nach Plan und automatisch mit weiteren Impfungen. Die anderen Inseln unserer Inselkette etwa bieten da einen ganz guten Einblick, wie sich aufbauend auf die wenigen Spezies der Impfungen dort ein kleines Ökosystem entwickelt hat.
Auf Charybdis scheint es mehrere Entwicklungsstufen gegeben zu haben. Die ersten haben wir ja begleitet. Inzwischen gibt es ebenfalls ein einfaches Ökosystem basierend auf den irdischen Organismen, die versehentlich aufgrund der Irrläufer der Impfung auf den Planeten gelangt sind.
Aufgrund von Mutationen gibt es ferner eine Kombination von irdischen Mikroorganismen, besonders Pilzen mit charybdianischen Arten. Das funktioniert inzwischen über größere Gebiete ziemlich gut. Meist gibt es eine wilde Mischung von irdischen und charybdianischen Arten.
Was mir jedenfalls komplett neu ist: Es gibt einzelne Proben, die weisen daraufhin, daß nun auch wieder charybdianische Arten, den Pilzen ähnlich mitmischen. Wir dachten, die wären aus dem Spiel. Nun tauchen sie wieder auf, eventuell auch oder weil die irdischen Pilze eine geeignete Umgebung mit Wirtspflanzen vorbereitet haben. Das scheint derzeit aber noch in eher abgelegenen Gebieten die Ausnahme zu sein. Gut möglich also, daß an besonderen Stellen Pilzsporen oder dergleichen die Katastrophe überstanden haben.“
Nach einer kleinen Pause hakte Susanne nach: „Hmmm, heißt das, daß Myke gar nicht gänzlich ausgelöscht ist?“
Peter wackelte mit dem Kopf: „Unwahrscheinlich, daß genau der Organismus überlebt haben sollte, aber so lange nicht aufgetaucht ist, nun aber schon. Genetische Verwandtschaft ist aber da. Ich muß mir das noch genauer ansehen, es scheinen auch verschiedene, unabhängige Organismen an voneinander isolierten Standorten zu sein. Die sind vielleicht auch erst in Gang gekommen, weil die irdischen Arten in Gegenden im Inland vordringen, während Myke mit seinem globalen System ja eher auf Wasser und Ufer beschränkt war. Dort gedeiht der neue Mix ja am besten, dort wäre zu erwarten gewesen, daß er auch wieder auftaucht, wenn er doch überlebt hätte. Der neue Mix taucht aber eher an abgelegeneren Stellen auf. Ich muß mir das aber noch genauer ansehen, wie die Zusammenhänge sind. Die durch den Absorber-Einschlag induzierten tektonischen Aktivitäten damals haben ja auch einige Regionen verändert, gut möglich also, daß da etwas vom zusammenhängenden Wassersystem abgeschnitten wurde. Auf alle isolierten Standorte scheint mir das aber nicht zuzutreffen. Ich werde mir das in den kommenden Tagen sehr genau ansehen müssen, darüber reflektieren, was da los ist, was das bedeutet, für Charybdis, vielleicht auch für uns. Weil wir Charybdis ja weitgehend sich selbst überlassen wollten, hauptsächlich beobachten, allenfalls charybdianische Arten fördern, haben die Ais wohl bei dieser jüngeren Entwicklung der letzten Jahre erst einmal nur Daten aufgenommen. Da werde ich auch nachhaken, aber gut, ihr seid nicht die Biologie-Experten, ich bin erst ganz frisch wieder da, habe bislang nur die Kurzzusammenfassung gehört, also nicht so verblüffend, daß das nicht gleich auf den Tisch gekommen ist.
Nun bin ich aber bereits sehr interessiert, bin schon wieder ganz dabei!“
Ich lächelte, klopfte ihm auf die Schulter: „Mußt es auch nicht gleich übertreiben. Mußt erst einmal die Nachwirkungen der Wiederauferstehung ganz wegstecken. Also ruhig bleiben. Ich vermute mal, das Phänomen wird dir nicht weglaufen.
Und kurzfristig müssen wir doch nichts tun?“
Susanne warf gleich ein: „Klingt doch erst einmal gut, wenn sich auf Charybdis die Pilzarten doch noch erholen, das ursprüngliche Ökosystem doch noch eine Chance hat zu regenerieren, wenn auch nicht in alter Form, so doch in ähnlicher.“
Peter nickte, ergänzte: „Es ist ja nicht wirklich ähnlich zum alten System. Mit den irdischen Organismen ergibt sich eine neue Mischung. Es gibt Mutationen, Anpassungen, eventuell auch ein Austausch von genetischem Material. So entsteht etwas Neues, was sich schnell entwickeln kann. Pilze können teils sehr flexibel auf neue Kontakte reagieren. Von daher ist nicht abzusehen, was da passiert, Kooperationen, Konkurrenzkampf, Adaptionen. Dieser Myke-Type ist sehr aggressiv, sehr dominant. Wenn der hier auf Skylla auftauchen würde, wäre das nicht so gut, auch für uns.“
Susanne fragte: „Wie sollte er nach Skylla kommen?“
Ich ergänzte: „Körk läßt zwar noch aus dem Asteroidengürtel Wasser herabregnen, aber inzwischen in so geringer Menge, daß das einzeln genau gesteuert wird. Irrläufer gibt es nicht mehr. Körk hat ferner den Asteroidengürtel gut aufgeräumt. Unbeabsichtigte Einschläge sollten also auch nicht mehr vorkommen.“
Peter meinte: „Hört sich gut an.“
Ich erläuterte insbesondere für Susanne: „Also, auf der Erde hat man etwa Trümmer von Einschlägen auf dem Mars gefunden. Umgekehrt wird es wohl auch Trümmer von der Erde auf dem Mars geben. Da hat es also einen Austausch gegeben, obwohl die beiden Planeten auf eigenen Umlaufbahnen um die Sonne laufen, deutlich weiter voneinander entfernt sind als Skylla und Charybdis voneinander. Schlägt also ein größerer Brocken auf einem von beiden ein, können kleinere Brocken des Planeten hinaus ins Weltall befördert werden. Sind darauf Organismen, Sporen und dergleichen, ist es zwar ziemlich unwahrscheinlich, daß die ausgerechnet auf dem anderen Planeten landen, dazu den Aufenthalt im Weltraum lange überleben, ebenso den Einschlag, aber möglich ist das. Solche Szenarien sollten aber dank Körk hier nicht mehr vorkommen …“
Peter erklärte: „Früher kann das aber vorgekommen sein. Da waren allerdings die Bedingungen auf Skylla zu ungünstig, als daß sich hier Leben hätte etablieren können. Es könnten aber in geschützten Ecken Sporen überdauert haben. Nun haben wir die Bedingungen auf Skylla deutlich geändert, es lebensfreundlicher gestaltet. Trifft also in solch einer abgelegenen Ecke das irdische Ökosystem auf solche Sporen, sollten diese noch aktiv werden können, könnte sich daraus etwas entwickeln, was von uns nicht beabsichtigt war.“
Ich warf ein: „Wir haben hier aber nicht dieselben Mutationen, Optimierungen von irdischen Organismen wie auf Charybdis, das ist hier deutlich inkompatibler, weil wir nicht zugunsten charybdianischer Organismen eingegriffen haben …“
Peter bestätigte: „Stimmt allerdings. Aber wenn Zeit genug ist, Mutationen gibt es immer, Pilze sind da extrem anpassungsfähig. Ich werden mir schon sehr genau ansehen, was wir für Daten von der Biosphäre von Skylla haben, ob die derzeitigen Untersuchungsmethoden ausreichen, derartige Überraschungen frühzeitig zu erkennen.“
Ich schlug vor: „Wenn du da zu Schlüssen gekommen bist, böte es sich ja an, persönliche Exkursionen zu machen, selbst Proben zu ziehen.
Vielleicht fällt dir ja etwas anderes auf als den Sonden, die derzeit die Proben nehmen?“
Peter nickte: „Gute Idee. Die Möglichkeiten der Sonden sind ja begrenzt. Auf Charybdis haben sie zwar letztlich diese lokalen Besonderheiten gefunden, es hat allerdings lange gedauert. Also, wenn ich mich eingearbeitet habe, sollte ich durchaus solche Exkursionen planen.“
Susanne meinte: „Wir können ja erst einmal hier auf der Insel beginnen. Hier beträfe es uns zuerst. Hier ist das Ökosystem am weitesten entwickelt. Und hier können wir am einfachsten durch die Gegend ziehen, um selbst etwas zu finden.“
Das leuchtete natürlich sofort ein. Hier war es zwar nicht wirklich abgelegen, aus unserer Perspektive heraus. Aber wenn wir weiter weg Exkursionen machen wollten, wäre das deutlich aufwendiger. Da wäre es so oder so nützlich, hier vor Ort erst einmal Erfahrungen zu sammeln, die Ausrüstung und das Verfahren zu optimieren. Peter müßte uns zudem ja erst einmal beibringen, worauf zu achten wäre, wenn wir ihm helfen sollten. So bahnte sich also ziemlich überraschend bereits ein gemeinsames Projekt an, denn keine Frage, bei Exkursionen über die Insel wollten wir natürlich alle dabei sein.
Dann war es Zeit, die Arbeit für den Tag zu beenden und wir setzten uns ans Abendessen. Peter betraf das Abendessen ja eigentlich noch nicht so sehr, trotzdem gesellte er sich zu uns und bekam ebenfalls eine Kleinigkeit von den Ais als erster Schritt zur Umgewöhnung.
So ganz von der Arbeit konnte Peter auch nicht lassen, so meinte er: „Ida?
Hörst du mich?“
Ida antwortete und Peter fuhr fort: „Also, das sind schon allerhand Daten, die da im Laufe der Jahrzehnte von den Sonden gesammelt wurden. Mag ja sein, daß die Ais da irgendwie durchblicken. Ich habe so meine Probleme, das zügig nach Relevanz sortiert zu bekommen, also danach, was für mich gerade relevant ist.
Ida?
Kannst du dazu etwas sagen?“
Ida erklärte: „Bei Relevanz kommt es ja immer auf die Fragestellung an. Nach der Wiederauferstehung habe ich dir ja wirklich nur eine Kurzübersicht gegeben. Hildegard und ich hatten durchaus noch vor, das mit dir ausführlicher durchzugehen, ebenfalls die neueren Entwicklungen auch Charybdis mit den charybdianischen Pilzarten, die uns ebenfalls überraschend waren, andererseits erschien uns das prinzipiell in die richtige Richtung zu gehen, denn die Katastrophe mit dem Absorber-Einschlag war ja nichts, was wir gewollt hätten. Jegliche Besserung der Situation schien uns da erfreulich zu sein. So haben wir eben vorsichtig auch Daten darüber gesammelt, nach unserem gemeinsamen Entschluß waren wir allerdings primär als Beobachter tätig, haben etwa eine weitere Ausbreitung dieser Spezies auch nicht gefördert.“
Peter hakte nach: „Die Proben wurden auf Charybdis ausgewertet?“
Ida bestätigte: „Ja, wir haben da gute Labore an relativ isolierten Standorten. Anfangs haben wir ja den Aufwand nicht gescheut, Proben auch auf die Raumstation zu bringen, um dort zu experimentieren. Es war aber natürlich langfristig einfacher, auf Charybdis Labore zu betreiben. So war es gleichfalls einfacher, eine unerwünschte Kreuzkontamination zu vermeiden. Dafür wurde auf der Raumstation schon erheblicher Aufwand betrieben. In den Laboren auf Charybdis können wir das etwas einfacher umsetzen. Inzwischen ist die praktische Forschung dort, die hier auch Skylla und auf der Raumstation strikt getrennt, um Kontaminationen vorzubeugen. Weil vermieden werden soll, daß insbesondere dortige charybdianische Pilze oder stark mutierte Organismen auf die Raumstation oder gar nach Skylla gelangen, bringen wir inzwischen irdische Spezies oder Material seit langer Zeit nur noch nach Charybdis, holen nichts mehr hoch auf die Raumstation, bringen auch keine charybdianischen Organismen nach Skylla.“
Peter nickte: „Gut. Ich halte die Organismen, die ähnlich wie dieser Myke funktionieren, für ziemlich aggressiv, dominant, flexibel, anpassungsfähig.“
Nun war auch Hildegard dabei und kommentierte: „Das ist auch unsere Einschätzung. Als Gärtner hatte Myke den Planeten komplett im Griff, hat die komplette Biosphäre kontrolliert. Wie dieser Mega-Organismus entstanden ist, konnten wir noch immer nicht so ganz klären, aber gut möglich, daß das letztlich ein Zusammenschluß diverser pilzartiger Organismen war. Ob da nun einer alle andere assimiliert hat, ob die zunächst symbiotisch oder kooperativ waren, erst im Laufe von Millionen von Jahren ein einziger Organismus entstand, wird wohl nicht so einfach herauszufinden sein. Immerhin haben die neueren Entdeckungen ja gezeigt, daß es durchaus verschiedene pilzartige Organismen gibt. Weil die ziemlich isoliert voneinander sind, wissen wir noch nicht, wie die sich verhalten, wenn sie aufeinander treffen, ob das mehr zu Konkurrenz um Ressourcen führt oder zu Kooperation.“
Ich meinte dazu: „Hmm, wenn auf Charybdis in den Laboren sowieso schon Proben vorliegen, könntet ihr doch mal experimentieren, sie in Zweierpaaren auf Nährlösungen zusammenbringen, mal herausfinden, was passiert. Anschließend könntet ihr entsprechend auch Dreier- oder Viererkombinationen testen, Verhalten bei knappen Ressourcen, in Kombination mit irdischen Pilzen, einfacheren Pflanzen von der Erde oder Charybdis. Wenn das dafür verwendete Labor sicher ist und relativ isoliert liegt, sollte das doch machbar sein.“
Peter stimmte zu: „Ja, solche Experimente, sehr vorsichtig durchgeführt, könnten uns bei derartigen Fragen vielleicht weiterbringen, einen Versuch ist es wert. Daneben sollten wir die isolierten Kolonien der einzelnen Spezies genauer beobachten, ebenfalls die Expansion …“
Hildegard erläuterte: „Das läßt sich machen. An jedem Standort einer solchen Kolonie können wir kleinere Labore davon separiert stationieren, diese darauf beschränken zu untersuchen, wie sich die Ausdehnung ändert. Einzelne Proben können wir wie vorgeschlagen in einem abgelegenen, größeren Labor kombinieren und testen, um zu sehen, was passiert.“
Susanne ergänzte: „Bleibt noch das Problem, die bereits vorhandenen und auch neue Daten effizient zu sichten. Wir Menschen können das ja nur im begrenzten Umfang verarbeiten und korrelieren …“
Ida schlug vor: „Das ist auch für uns nicht ganz einfach, wir haben zwar einen besseren Zugriff auf die Daten, die Interpretation, die Herausarbeitung bestimmter Fragestellungen ist allerdings nicht so einfach. Wenn du mit Peter und uns daran arbeitest, sollten wir doch etwas hinbekommen, was hinsichtlich klar definierter Fragestellungen eine Zusammenstellung von Daten erlaubt. Für euch gut visualisiert sollte es euch erleichtern, Schlüsse zu ziehen. So kommen wir da hoffentlich effizient voran und können unsere jeweiligen Stärken gut einsetzen und aus dieser Synergie profitieren.“
Susanne nickte: „Kein Problem, ich bin dabei. Mit Michaela will ich ja auch noch die Daten von Methusalem effizient analysieren. Da habe ich reichlich zu tun.“
Ich warf ein: „Da brauche ich noch etwas Zeit, um mich einzuarbeiten, um die richtigen Fragen stellen zu können, wie wir die Daten auswerten, was die Ergebnisse bedeuten. Inzwischen sollten Stanis und Asi vorbereiten, daß wir mehr Proben auf Methusalem sammeln wollen.“
Ida sagte zu: „Ich veranlasse, daß Stanis und Asi das vorbereiten. Wegen der Entfernungen dauert es ein wenig, bis ein leistungsfähiges System vor Ort ist, aber das ist schon machbar. Die beiden haben da draußen reichlich technische Ressourcen verfügbar, um Objekte zu untersuchen.“
Ich bestätigte: „Gut, ich setze mich daran, die Aufgaben auf Methusalem genauer zu formulieren. Wir haben ja die Hoffnung, über Altersbestimmungen, eingeschlagene Brocken auf Methusalem mehr über die Historie des Rasol-Systems zu erfahren. Vielleicht können wir mehr relevante Daten bekommen, diese unter dem Gesichtspunkt plausibel interpretieren.
Das kann ich erst einmal vorbereiten. Die biologischen Fragen auf Charybdis könnt ihr ja ab morgen gut gemeinsam angehen, um da voranzukommen. Das könnte ja schon direkt für uns relevant sein. Peter hatte da ja einen Einfall …“
Ich schaute zu ihm und er übernahm: „… immerhin doch möglich, daß einst durch Asteroideneinschläge auch Brocken mit Pilzsporen nach Skylla gelangt sind. Wenn wir abschätzen können, wie sich die Arten zueinander und in Verbindung mit irdischen Spezies verhalten, sollte es uns auch leichter fallen, hier auf Skylla zu prüfen, ob es nicht an irgendwelchen abgelegenen Orten doch Sporen gibt, die so hierhergelangt sind und nun aufgrund der inzwischen aktiven Biosphäre eine Chance bekommen, sich hier auszubreiten.“
Hildegard meinte dazu: „Anzeichen dafür gibt es nicht. Aber gut, unsere Sonden haben eher beschränkte Möglichkeiten. Dieser automatischen Probennahme könnte da an abgelegenen Standorten schon etwas entgehen. Ich halte die Anwesenheit solcher charybdianischen Arten hier zwar nicht für wahrscheinlich. Aber wenn wir die hiesige Biosphäre auch auf Anzeichen darauf untersuchen, wird das keineswegs schaden.“
Susanne fragte: „Was tun wir, wenn wir etwas finden sollten, wenn sich dieser Mega-Organismus hier auf Skylla ausbreiten sollte?“
Peter meinte: „Sollte das wirklich eintreten, haben wir hoffentlich in der Zwischenzeit aufgrund der Forschung auf Charybdis genug Erkenntnisse über das Verhalten zusammen, um eine Strategie zu entwickeln, wie wir vorgehen. Bis dahin sollten wir beurteilen können, ob oder wie gefährlich das wäre, wie wir damit umgehen müssen. Im ärgsten Falle müßten wir uns auf das Raumschiff zurückziehen. Denn es wäre einerseits wohl schwierig, gezielt nur gegen solch einen Pilz anzugehen, andererseits wäre es auch fragwürdig, ob wir das überhaupt tun sollten, nachdem es bereits diese Katastrophe mit dem Absorber-Einschlag auf Charybdis gegeben hat.“
Susanne und ich nickten stumm.
Damit hatten wir erst einmal grob die Arbeit für die nächsten Tage, Wochen, Monate abgesteckt. Da gab es viel zu klären. Nach dem Abendessen gönnten wir uns allerdings erst einmal einen ruhigen Abend. Wir spielten ‚Mensch ärgere dich nicht‘ und hatten reichlich Spaß dabei, uns gegenseitig ein wenig zu necken. Wir diskutierten auch kurz, ob Peter uns beim Morgenlauf begleiten wolle. Der verschob das lediglich, bis er den Anzug nicht mehr tragen müsse. Dann wolle er sich gerne beteiligen. Das war natürlich komplett in Ordnung. Wir einigten uns allerdings auf einen gemeinsamen Termin zum Frühstück. Noch würde Peter zwar besondere Kost bekommen, aber zur Einstimmung auf den Arbeitstag war das gemeinsam ein guter Start.
Später im Bett, nachdem wir unsere Leidenschaften ausgiebig nachgegangen waren, fragte mich Susanne: „Wenn es nun wirklich so kommen sollte, daß sich dieser Mega-Organismus auch hier ausweitet, wie steht es dann um uns und unsere Zukunftspläne?“
Ich antwortete: „Wie Peter schon sagte, ich meine auch, für einen Rückzug bleibt uns allemal genug Zeit. Wir haben nicht darum gebeten, auf diese Mission geschickt zu werden. Von daher sind wir dem Missionsziel, den Initiatoren, die uns ohne Nachfrage auf die Reise geschickt haben, nicht verpflichtet. Von daher gelten alleine unsere ethischen Grundsätze, was wir tun oder besser lassen sollten. Wir müssen nicht ohne Rücksicht kolonisieren. Für uns bleibt so oder so schon genug. Ich habe mitbekommen, daß es dir hier auf dem Planeten viel besser geht als auf der Raumstation. Schon deswegen wollen wir mal hoffen, daß wir bleiben können, wovon ich allerdings ausgehe. Immerhin hätte es bislang Jahrzehnte Zeit gegeben, wo sich eine derartige Entwicklung schon hätte zeigen sollen. Andererseits ist Vorsicht besser als Nachsicht.
Allerdings ist jener Pilz hier auf Skylla ebensowenig etabliert wie unsere angesiedelte Biosphäre. Da bleibt die Entscheidung schon bei uns, ob wir ihm hier Raum geben sollen oder eben nicht. Vermutlich existiert er hier ja gar nicht, wenn doch, sollten wir uns darum bemühen, ihn kleinzuhalten.
Ich will nun auch nicht, daß wir oder unsere Nachkommen irgendwann von einem charybdianischen Pilz übernommen werden, welcher so ganz neue Möglichkeiten entwickeln kann, vielleicht sogar Raumfahrt?“
Susanne lachte etwas nervös: „Ein raumfahrender Pilz, der unsere Daten versteht, sich einfach mal auf den Weg zur Erde macht – das muß wirklich nicht sein!“
Ich grinste sie an: „Dazu wird es nicht kommen.
Immerhin, damit wären wir auch wieder beim Punkt Nachwuchs und unser Verhältnis zu Peter …“
Susanne gab zu: „Ich finde ihn sehr nett, ist mir sympathisch. Aber besser kennenlernen steht sowieso erst noch an. Und bei unserem Programm, was wir uns vorgenommen haben, haben wir erst einmal genug zu tun. Da müssen wir in der Hinsicht nicht aktiv werden. Wenn sich etwas von alleine entwickelt, sich die Sympathie stark vertiefen sollte, werden wir weiter diskutieren. Und mit dieser etwas gruseligen Vision von einem assimilierenden Pilz im Hinterkopf mag ich nun auch nicht so dringlich an Nachwuchs denken.“
Ich schlug vor: „Wir könnten einfach mal Ida, Hildegard und Esme fragen, wie die Ais eigentlich dazu stehen, wie sich die Kolonie weiterentwickelt. Immerhin haben diese bis zu unserer Wiederauferstehung hier bereits Jahrzehnte Arbeit reingesteckt. Da könnten sie doch bereits Ideen haben, was als nächstes passieren sollte, insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der unwahrscheinlichen Möglichkeit einer Pilzkontamination.“
Susanne gab zu: „Ja, natürlich sollten wir die Ais anhören, also gut, verabreden wir das bei Gelegenheit und hören uns ihre Ideen, Pläne an.
Wenn sie dringlich wären, hätten sie diese allerdings wohl bereits selbst vorgestellt!“
Ich lächelte und erwiderte: „Stimmt allerdings auch wieder.“
Den nächsten Morgen liefen wir also noch einmal ohne Peter los. Wie nutzten diese Zweisamkeit, stürzten uns in den Badesee und vergnügten uns da heftig miteinander. So kürzten wir den Morgenlauf im Anschluß etwas ab, um nach dem Duschen pünktlich zum Frühstück mit Peter zu erscheinen.
Danach ging es an die Arbeit. Wie abgesprochen gesellte sich Susanne zu Peter und sie diskutierten, was sie sie tun könnten, um die Daten effektiv zu durchforsten. Später zogen sie wohl auch Hildegard und Ida hinzu, um da zügig weiterzukommen.
Ich widmete mich hingegen der Geologie und Geochronologie, kam da auch gut voran, das war bereits ein vielversprechender Anfang, auf den ich nun aufbauen konnte.
So nutzte ich ebenso den Nachmittag, um mich weiter in die Geochronologie und Gesteinsdatierung einzuarbeiten. Was auf der Erde, allgemeiner im Sonnensystem funktionierte, mochte hier im Rasol-System etwas andere Voraussetzungen haben. Allerdings hatten Asi und Stanis reichlich Proben aus dem System, somit ebenfalls eine gute Grundlage, um einerseits das Alter des Rasol-Systems aus verschiedenen Methoden zu bestimmen, andererseits gleichfalls Unterschiede, besondere Zusammensetzungen der Materialien von Methusalem. Daher waren die Schlußfolgerungen der Ais schon überzeugend. Methusalem paßte in seiner Hauptmasse, also abgesehen von eindeutig jüngeren Einschlägen, nicht in das sonstige Muster. Ein Einfang in das Rasol-System war also schon plausibel. Ich beschloß, mir das noch näher anzusehen.
Welche Zerfallsreihen hatten sie sich angesehen, welche Isotopen- und Elementenverhältnisse hatten sie analysiert, wo hatten sie Proben genommen?
Wenn ich mich da weiter einarbeitete, sollte es mir gelingen, weitere Vorschläge zu machen, was noch zu untersuchen wäre, welche weiteren Zerfallsreihen wir nutzen könnten, um die Hypothese noch besser abzusichern?
Ich wollte es versuchen und mich da hineinfuchsen.
Wenn Methusalem doch nur ein Kleinplanet ist, war doch davon auszugehen, daß er bei einem Einfang einst mit erheblicher Relativgeschwindigkeit in das Rasol-System gekommen ist. Betrachtet man nun ein einfaches Modell von zwei Punktmassen in einer gravitativen Wechselwirkung, so käme es nie zu einem Einfang. Bei einem solchen ist es immer notwendig, die überschüssige kinetische Energie irgendwie anders zu verteilen. Bei einem System aus mehr als zwei Körpern ist das möglich. Im Extremfall kann da etwa ein anderer Körper aus dem System geschleudert werden, ein größerer Planet könnte bei einer Wechselwirkung allerdings auch auf eine etwas energiereichere Bahn um Rasol verschoben werden, um die Energie so anders im System zu verteilen. Kommt es gar zu Einschlägen, kann ein Teil der kinetischen Energie auch in Wärme umgesetzt werden. Zwar gilt insgesamt immer noch die Impulserhaltung, trotzdem ist so bei komplexen, ausgedehnten Massen ein Einfang möglich. Erhaltung der Gesamtenergie, von Impuls und Drehimpuls ist gegeben, sie werden lediglich unter den beteiligten Objekten anders verteilt.
Obgleich solch ein Kleinplanet schon winzig ist im Vergleich mit den Gasriesen oder gar mit Rasol selbst, sollte solch ein Einfang bei den Planeten hingegen schon Spuren hinterlassen haben, von diesen hätten also wohl mindestens zwei ihre Bahnen geändert, vermutlich waren auch Bahnen diverser Kleinkörper wie Asteroiden geändert worden, mit der Wirkung von heftigeren Asteroidenschauern auf die Planeten in die folgenden Jahrhunderten oder Jahrtausenden. Häufungen von Ereignissen könnten also auf den Einfang hindeuten, mit Glück mit diesem eindeutig in Bezug gebracht werden.
Den Tag brachten wir also gut mit Forschung herum. Abends berichteten wir über unsere Fortschritte.
Susanne und Peter waren mit den Ais ein Stück weitergekommen. Einerseits konnten sie nun schon erheblich besser formulieren, was auf Charybdis genau untersucht werden sollte, welche Experimente stattfinden sollten. Dabei sollte es, wie bereits angeregt, insbesondere um die Fragen gehen, welche der charybdianischen Pilze mit welche Organismen unter welchen Umständen kooperieren, konkurrieren, ob es dabei zu Übernahmen, Assimilationen, Angriffen, Verdrängungen kommt. Damit konnten die Ais schnell beginnen. Die Untersuchung der lokal isolierten Populationen war schon von der Idee her längerfristig angelegt. Das war ja schon am Laufen, wurde nun intensiver untersucht, mit eigenen kleinen Laboren dafür ergänzt.
Peter durfte inzwischen schon mehr essen. Er kam bereits gut zurecht. So war vorgesehen, daß er im Laufe des nächsten Tages morgens noch einmal untersucht werden sollte, danach voraussichtlich den Anzug ablegen, worauf er normal wie wir mitessen würde dürfen. Somit würde Susanne vormittags hauptsächlich alleine an den Bio-Daten arbeiten, ich weiter etwas über Geochronologie lernen.
Nach Morgenlauf und Frühstück hatte Peter seinen Termin, um die Wiederauferstehung abzuschließen. Damit war Hildegard beschäftigt, so zogen wir Ida, Esme und Körk hinzu, um mit diesen im Aufenthaltsraum das Thema aufzugreifen, wie die Ais sich die weitere Entwicklung der Kolonie vorstellen.
Ida erläuterte bereitwillig: „Wir hatten uns zunächst primär mit der Entwicklung der Biosphäre beschäftigt, ebenso mit der Errichtung der Koloniegebäude, der Nahrungsgrundlagen und der besonders reichhaltigen Flora hier auf dieser Insel. Bedingt durch seine Qualifikation wird Peter da tiefer einsteigen, allgemein könnt ihr natürlich alle eure Vorstellungen und Ideen einbringen, um unsere Mission voranzubringen …“
Ich entgegnete: „Schon klar, wir dachten eher an die soziale Entwicklung der Kolonie, was habt ihr da für Pläne?“
Nun antwortete Esme: „Nachdem die Voraussetzungen geschaffen waren, dachten wir uns, daß die Zeit gekommen wäre, euch wieder zu beteiligen, letztlich geht es ja um eine menschliche Kolonie, nicht nur um eine Etablierung einer Biosphäre. Die weitere Entwicklung hängt somit maßgeblich von euch Menschen ab. Wir haben schon grobe Pläne, nach denen wir vorgehen könnten, aber das ist alles kein Automatismus.“
Körk ergänzte: „Hinsichtlich der sozialen, zwischenmenschlichen Aspekte trauen wir euch mehr zu. Unsere Vorstellung ist, daß sich das entweder von euch aus von selbst entwickelt, wenn ihr euch eingelebt habt. Oder wir machen irgendwann Vorschläge, wenn wir den Eindruck haben, daß ihr euch so weit gut eingelebt habt, daß Zeit für eine Erweiterung der Kolonie wäre. Die Ziele der Mission sind ja klar, zudem ist beim menschlichen Naturell zu erwarten, daß ihr irgendwann Vorstellungen entwickelt, wie es weitergeht. Die Kolonie bietet zunächst ja lediglich die technischen Voraussetzungen …“
Susanne wollte wissen: „Also gut, einen festen Plan gibt es offenbar für die Mission nicht. Es hängt also an uns allen.
Esmeralda, welche groben Pläne wurden uns denn mitgegeben, die derzeit relevant wären?“
Esmeralda antwortete: „Eine Strategie besteht darin, nach Bedarf oder auch im größeren Stil mehr Kryo-Zombies wiederauferstehen zu lassen, so eine Anfangsbevölkerung der Kolonie zu etablieren. Dabei ist schon klar, daß diese Leute bedingt durch den Anlaß ihrer Konservierung und den neuen Aufenthaltsort zunächst etwas angeschlagen sein werden. Das kann einerseits problematisch werden, bei einer größeren Anzahl von Personen könnte sich allerdings auch eine Solidarisierung ergeben, die Leute helfen sich gegenseitig. Wir könnten natürlich ebenfalls einzeln vorgehen, also lediglich alle paar Monate eine Person hinzunehmen, welche wir in die Kolonie mit viel gemeinsamer Aufmerksamkeit integrieren, bevor die nächste Person wiederauferstanden wird.
Alternativ dazu gibt es ein Brutkästenprojekt, bei diesem werden in künstlichen Brutkästen Kinder ausgetragen, welche aus dem vorhandenen genetischen Material unserer Datenbanken erzeugt werden. Diese Kinder wachsen sodann gleich hier als Ureinwohner auf, sind also unbelastet von der Vergangenheit, benötigen als Kinder allerdings die besondere Betreuung. Um eine Kolonie mit einer haltbaren, zukunftsfähigen Altersstruktur zu bekommen, wird dieses Projekt ohnehin vermutlich beginnen müssen. Zwar können die Kryo-Zombies bei hinreichender Anzahl auch eigene Kinder zeugen, es wird aber wohl trotzdem notwendig sein, die genetische Vielfalt mit zusätzlichen Kindern aus dem Brutkästenprojekt zu steigern. So hängt es also an der Mischung der verschiedenen Möglichkeiten, was wann in welchem Umfang umgesetzt werden könnte.“
Susanne und ich nickten nachdenklich. Klar war uns bereits, daß es noch reichlich Kryo-Zombies gibt. Die Angelegenheit mit dem Brutkästenprojekt war uns neu. So würden die Ais im Bedarfsfalle die Mission auch ohne unsere Beteiligung fortführen können.
Nach einer kleinen Pause fuhr Ida fort: „Folglich hängt es an uns allen, daß wir uns auf ein Vorgehen einigen. Das hat nun keine Eile. Da ihr beide ein Paar seid, kann etwa Hildegard euch noch genauer erläutern, wie ihr beide zusammen gemeinsame Kinder haben könntet, wenn ihr wolltet.“
Susanne und ich staunten, ich erwiderte: „Hmmm, interessant, was es für Möglichkeiten gibt.
Gehört es denn zu eurer Planung, daß wir uns mit eigenen Kindern beteiligen?“
Susanne lachte etwas nervös.
Ida antwortete: „Da drängen wir euch sicherlich zu nichts. Das müßt ihr unter euch ausmachen, ob oder auch wer mit wem, wenn es mehr Einwohner in der Kolonie gibt. Da kommen allenfalls medizinische Ratschläge und Hilfen von unserer Seite. Das ist zu persönlich, um euch da reinzureden.“
Esme betonte: „Wenn Redebedarf oder auch Informationsbedarf besteht, sind wir natürlich für euch da. Wir drängen aber zu nichts. Wenn es genug Einwohner gibt, dürfte sich ohnehin eine Eigendynamik einstellen, welche bei Bedarf in sinnvollem Umfange mit dem Brutkästenprojekt unterstützt oder ergänzt werden kann.“
Körk betonte: „Von daher seid ihr selbstverständlich frei in euren persönlichen Entscheidungen. Sicherlich gibt es in keiner Weise irgendeine Erwartungshaltung oder Druck durch das Missionsziel.“
Susanne wollte noch wissen: „Wie seht ihr nun die äußeren Rahmenbedingungen, Voraussetzungen?
Sind wir sicher, um uns hier endgültig einzurichten, ist es die richtige Zeit für Kinder?
Nehmen wir etwa das Brutkästenprojekt, geht ihr davon aus, daß das in den nächsten Jahren gestartet werden sollte?
Bei einer größeren Population wäre ein Rückzug zurück auf die Raumstation ja ausgeschlossen …“
Ida entgegnete: „Wenn du auf die Hypothese mit dem Pilz anspielst: Wir sind uns wohl einig, daß die Wahrscheinlichkeit dafür gering ist. Zudem haben wir weitgehende Kenntnisse und Möglichkeiten, um die Kolonie vor Unheil zu bewahren. Von daher haben Kinder hier eine sichere, friedliche Heimat. Die Umwelt entwickeln wir weiter. Bei Streitigkeiten bei einer größeren Anzahl von Kryo-Zombies können wir gar notfalls innerhalb vielleicht ein paar Wochen improvisiert an einem anderen Ort auf diesem Planeten eine Kolonie anbieten, innerhalb von einem Jahr ebenfalls bereits gut ausgebaut. Für Probleme werden wir Lösungen finden. Das ist bei unseren Möglichkeiten, der kleinen Anzahl von Personen doch deutlich einfacher als zu eurer Zeit damals auf der Erde.
Was das Brutkästenprojekt anbelangt, so erscheint es durchaus angemessen, damit im Laufe der nächsten Jahre zu beginnen. In der Tat, spätestens wenn das anläuft, wäre die Option Rückzug zunehmend unwahrscheinlicher.“
Wir nickten, ich erwiderte: „Im Grunde sehe ich das ähnlich entspannt hinsichtlich möglicher sozialer Konflikte. Es gibt notfalls genug Platz, um sich aus dem Wege zu gehen.
Fazit also: Es liegt viel bei uns, nach einer Eingewöhnungszeit – ein Jahr oder so eventuell – würdet ihr aber wohl eine Diskussion anstrengen, wie es weitergeht?“
Ida stimmte zu: „So in etwa. Das wissenschaftliche Programm bringt uns ebenfalls weiter. Da bringt ihr neue Aspekte ein, welche die Mission ebenfalls voranbringen. Auch da legt ihr also die Schwerpunkte mit uns fest oder eben implizit dadurch, was euch wichtig erscheint. Also gibt es für euch keinen Streß, keinen Druck. Lebt euch ein, laßt die Umgebung auf euch wirken. Erst einmal könnt ihr weitgehend festlegen, ob oder wann oder warum es um Kryo-Zombies gehen soll. Wenn wir der Meinung sind, etwa mit dem Brutkästenprojekt einen wichtigen Beitrag leisten zu können, werden wir das Thema aufbringen, allerdings nicht aufdrängen. Wir sollten alle flexibel und gelassen bleiben. Nur so können wir hier eine friedliche Heimat für alle Einwohner der Kolonie schaffen. Es kommt ja nicht darauf an, innerhalb der nächsten hundert Jahre etwa Millionen von Einwohnern zu haben. Zuviele Leute haben ja bereits auf der Erde für reichlich Probleme gesorgt, von daher also größere Änderungen bedacht und einstimmig angehen …“
Nachdem sich die Ais mit ihren Avataren zurückgezogen hatten, saßen Susi und ich noch kurz zusammen am gleichen Ort. Wir überlegten zunächst.
Ich faßte schließlich zusammen: „Also gut, es liegt bei uns. Die Ais drängen in näherer Zukunft zu nichts. Was wir wie schnell vorantreiben, bleibt primär uns überlassen.
Willst nun zügig etwas unternehmen?“
Susi zuckte etwas unsicher die Schultern: „Die Haltung der Ais ist fair. Wir sollten erst einmal unsere Forschungsprojekte voranbringen, den Planeten, das Sonnensystem zu unserem machen. Einerseits werden wir dabei sowieso vertrauter miteinander, andererseits festigt neues Wissen auch Vertrauen in die Aussage der Ais, daß wir hier nun wirklich Zuhause sind und dies auch behalten werden.“
Ich meinte dazu: „Also gut, wir beide kennen uns schon länger, Peter und ich ebenso, ihr beide noch nicht so lange. Von daher bin ich natürlich einverstanden damit, daß du erst einmal die Lage klären willst, auch die Unsicherheit überwinden. Halten wir uns also erst einmal daran und sehen, wie sich die Situation entwickelt.“
Nach der Diskussion kümmerten wir uns weiter um unsere Forschungsprojekte. Die Analyse von Zerfallsreihen ist komplex. Ich hakte bei Ida und Körk nach. Die Ais hatten schon allerhand analysiert, räumten allerdings ein, bei Methusalem nicht wirklich in Details gegangen zu sein. Allerdings hatten wir reichlich Daten und Stanis und Asi zeigten ebenfalls Interesse, auch für sie war es irgendwie relevant, daß so ihre Forschungsarbeit auch in der Kolonie mehr Aufmerksamkeit bekam. So waren sie gerne bereit, Methusalem genauer zu untersuchen, auf Vorschläge einzugehen, bisherige Arbeiten zu erläutern, um so zu einem stimmigen Projekt zu kommen, Ziele genauer festzulegen, einen Plan zu haben, was wir eigentlich wissen wollen, wie uns Methusalem dabei helfen könnte. Schnell hatte ich mit Hilfe der Ais jedenfalls eine lange Liste von Möglichkeiten, wie das Alter von Gestein bestimmt werden kann, ebenso eine lange Liste von Daten über die Zusammensetzung verschiedener Bereiche von Methusalem. Ich hatte die Idee, daß wir Susanne hinzuziehen könnten, um diese zu motivieren, mit ihren Kenntnissen Ordnung in die Daten zu bekommen, sie für Menschen zugänglicher zu visualisieren und Korrelationen einfacher prüfen oder entdecken zu können, die in den Daten bereits verborgen sein könnten, allgemein Korrelationen herauszuarbeiten und unsere Hypothesen so unter Ausnutzung aller verfügbaren Daten effizient auszuwerten.
Dabei könnten wir entscheidend davon profitieren, die gewaltigen Datenbanken und das hohe Rechentempo der Ais mit unseren menschlichen Impulsen, Idee, Assoziationen bei der Sichtung der visualisierten Daten zu kombinieren, um zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Diese Kombination hatte sich bislang sehr nützlich erwiesen, weil wir so die jeweiligen Stärken von Ais und Menschen gut einsetzen, die Schwächen wiederum gegenseitig kompensieren.
Ich war irgendwann ungefähr auf dem Laufenden, hatte also einen gewissen Abschluß erreicht. Daher schlenderte ich zu Susanne hinüber, um zu sehen, was diese so machte. Anfangs war sie so vertieft, daß sie mich gar nicht bemerkte. Als sie doch aufsah, lächelte sie mich an, wir grinsten beide. Susanne erklärte grob, was sie gerade machte. Sie war gut vorangekommen und konnte bereits ein paar Visualisierungen vorweisen. Die Pilze konnten die irdischen Mikroorganismen und Pflanzen ganz gut nutzen, um sich vom Startort allmählich weiter auszudehnen. Über Land schien das Tempo aber noch überschaubar zu sein. Von daher würde es noch ziemlich lange dauern, bis die verschiedenen Spezies irgendwo zusammenträfen. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit hängt zudem natürlich von den Umweltbedingungen und der Spezies ab. Von daher war kaum solide abzuschätzen, wann es zu einem ersten Zusammentreffen kommen würde.
Ich berichtete über meinen frischen Wissenszuwachs, ebenso den bereits abzusehenden Bedarf, bei den komplexen Zerfallsreihen effizient vorgehen zu müssen, optimieren zu müssen, Daten visualisieren. Da war Susanne abermals gefragt. Wir mußten also sinnvoll einteilen, zu einer sinnvollen Reihenfolge kommen. Nun war es wichtiger, daß wir beim Bio-Projekt zügig zu verstehbaren Ergebnissen kamen, von daher war da die Priorität. Susanne war aber nahe an einem Zwischenergebnis. Von daher meinte sie, sie könne wohl bereits den nächsten Tag bei meinem Projekt in die Daten schauen, sich das passend einteilen, so an beiden Sachen arbeiten, um beides voranzubringen. Eigentlich war ihr Anteil an meinem Projekt ohnehin überschaubarer als das, was sich noch aus dem Bio-Projekt ergeben mochte. So war es ebenfalls plausibel, mein Projekt zwischendurch in einen guten Zustand zu bringen. Damit mußte Susanne anschließend und im Detail nicht mehr so viel zu tun haben, nicht mehr weiter entwickeln. Wenn wir da erst einmal effiziente Algorithmen hätten, läge es wohl im Anschluß mehr bei mir, die Programme zu verwenden, Schlüsse zu ziehen, zu berichten, damit wir gemeinsam darüber diskutieren könnten. So waren wir uns über die weitere Zeiteinteilung schnell einig.
Zum Mittag war auch Peter mit der Untersuchung durch, trug nun statt des speziellen Anzuges wieder die lockere Kleidung, nahm fast normal am Essen teil, ließ sich von uns berichten. Wir hielten es nicht für wichtig, auf die Diskussion mit den Ais über die Entwicklung der Kolonie einzugehen.
Den Rest des Tages bereitete ich vor, was ich Susanne erklären mußte, um dieser einen schnellen Einstieg in das Problem zu ermöglichen. Als ich damit fertig war, schaute ich mir Daten an, welche wir über Skylla und Charybdis hatten, fragte bei den Ais nach und beriet mich mit Ida schon einmal darüber, wie wir aus den vorhandenen Daten vielleicht mehr herausholen könnten, um neue Erkenntnisse über die beiden Planeten und ihre Vergangenheit zu bekommen. Da schien schon noch etwas zu gehen, es wurde uns allerdings relativ schnell klar, daß wir detailliertere Daten brauchen würden, um Hypothesen stichhaltig zu prüfen oder auch neue zu entwickeln. Ida konnte da wirklich allerhand bieten, was umsetzbar wäre, aufgrund vorhandener Pläne oder Module gar mit begrenzten Aufwand und relativ kurzfristig.
Per Satellit sollten so in den nächsten Wochen deutlich mehr Daten gesammelt werden, insbesondere über ein breiteres Frequenzspektrum verteilt, Radar, Infrarot, sichtbar mit besserer Auflösung, Ultraviolett bis fast hinein in den Röntgenbereich, wobei wir bei hohen Energien von den Planeten nicht viel erwarteten. Von daher war es eher relevant, bei niedrigen Energien, auch mit aktiven Systemen neue Informationen zu bekommen.
Die Planeten haben auch starke Magnetfelder. Eine präzise Vermessung der Magnetfelder wäre ebenfalls möglich. Allerdings hatten wir da bereits gute Daten, jedoch mehr im globalen Maßstab. Ich wollte deutlich höhere lokale Auflösungen, um Anomalien in der Planetenkruste aufzuspüren, vielleicht also eingeschlagene, magnetisierte Metall-Asteroiden oder andere Objekte mit deutlichem Einfluß auf das lokale Magnetfeld. Auch das war mit Sonden und Satelliten noch deutlich über das ausbaubar, was bislang an Daten aufgenommen wurde.
Schnell hatte ich auch den Gedanken, nicht nur elektromagnetische Strahlung zu analysieren. Ich schlug vor, eine Gruppe von Satelliten relativ eng benachbart fliegen zu lassen, damit über Abstandsänderungen unter ihnen Informationen über Gravitationsänderungen zu detektieren. Unterschiedliche Dichten im Erdmantel führen zu einer gewissen Ungleichmäßigkeit der Schwerkraft, welche sich auch auf die Bahnen von Satelliten auswirkt. Hat man nun welche mit geeigneten Meßgeräten und mißt untereinander Abstände, so ergibt das Abweichungen von Sollbahnen um einen Rotationsellipsoiden. Wird der Einfluß von Rasol und Skylla, beziehungsweise Charybdis auf das Potential herausgerechnet, ergibt sich so eine Strukturinformation über den jeweils untersuchten Planeten. Zusammen mit den anderen Messungen bekämen wir so Informationen über die Kartoffeligkeit der Planeten, also die Abweichung von der Form eines Rotationsellipsoiden.
Ida versprach, aufgrund von Daten über entsprechende irdische Projekte alsbald einen Vorschlag zu machen, wie wir dies umsetzen könnten. Einmal in Fahrt gekommen hakte ich gleich nach und brachte ins Spiel, daß es doch auch möglich sei, über seismische Messungen, also im Grunde durch den Planetenkörper wandernde Schall- und Druckwellen, Scherungen etc Informationen über den Aufbau des Planeten zu bekommen. Skylla und Charybdis sind ja seismisch aktiv, haben eine aktive Plattentektonik. Ida informierte, daß sie hinsichtlich der seismischen Aktivitäten bislang eher aus technischen Gründen Daten gesammelt hätten, primär also, um einen geeigneten Standort für die Kolonie auszuwählen, welcher von Erdbeben, Vulkanausbrüchen, dem ganzen Drama der Tektonik nicht wesentlich betroffen sei. Das würde sich allerdings kaum eignen, um genauere Aussagen über den Aufbau des Planeten zu machen. Bei der Plattentektonik hätten sie schon einen groben Überblick, um Feinheiten hätten sie sich allerdings bislang nicht gekümmert. So hatten wir hier gleich ein weiteres Projekt, welches wir zunächst einmal mit passiven Detektoren angehen wollten. Also zunächst eine größere Anzahl von empfindlichen Detektoren bauen, diese mit guter Auflösung verteilen und alsdann damit die durch Erdbeben erzeugten Daten analysieren und Rückschlüsse ziehen. Laufzeiten von Wellen durch den Planeten zu den jeweiligen Detektoren, die überall auf dem Planeten messen, ermöglichen Rückschlüsse auf die Schichtung und die Dichten von Schichten, wo gibt es an Schichtgrenzen Reflexionen, wo gibt es bei der Schichtung auffällige Deformationen, etwa durch Asteroiden-Einschläge hervorgerufen. In einer späteren Ausbaustufe könnten wir das auch mit unterirdischen Sprengungen ergänzen, um Daten in anderen Frequenzbereichen und mit präzise lokalisierbaren Quellen zu generieren.
Damit jedenfalls sollten wir erheblich weiterkommen und es würde möglich werden, jedenfalls ein Stück weit in die Planeten hineinzusehen, eventuell eben auch Einschläge zu entdecken, die Hinweise darauf geben könnten, wann es auf welchem Planeten zu einer größeren Einschlagskatastrophe gekommen ist. Deformationen und stark ungleichmäßige Verteilung der Dichten und des Magnetfeldes im Planetenkörper könnten ferner auf größere Katastrophen hinweisen, etwa einen streifenden Zusammenstoß mit einem anderen Körper, welcher dazu geführt haben mochte, daß sich die beiden Zwillingsplaneten hinsichtlich der Ansiedlung von Leben komplett unterschiedlich entwickelt hatten.
Wie von ihr abgeschätzt und nun wieder zusammen mit Peter kam Susanne wirklich bis zum Abend zu einem guten Zwischenergebnis. So saßen wir abends also wieder zusammen und teilten uns den aktuellen Stand mit. Sie waren so weit gekommen, daß Peter erst einmal den nächsten Tag versuchten wollte zu gucken, wie weit er mit den neuen Möglichkeiten kommt. Somit hatte Susanne wirklich Zeit, in mein Projekt einzusteigen.
Durch die Arbeit doch weitgehend voneinander getrennt, hatten Susanne und ich nachts wieder reichlich Lust aufeinander, tobten uns ordentlich aus. Wir waren zufrieden mit uns und der Entwicklung. Peter schien sich auch gut eingelebt zu haben. Susanne und Peter verstanden sich prima bei der Arbeit. Ich hatte schon gesehen, daß sie kollegial und freundlich einen guten Umgang miteinander gefunden hatten. Das gemeinsame Projekt war also auch sehr nützlich gewesen, um die soziale Konstellation der Gruppe zu stabilisieren. Wie erwartet blieb Peter bei ihr wie bei mir zurückhaltend und akzeptierte, daß wir zusammen waren. Da war also vermutlich nicht zu erwarten, daß er die Initiative ergreifen würde, obwohl für uns alle spürbar eine Menge gegenseitige Sympathie in der Luft lag. Daraus ergäben sich schon Möglichkeiten, vermutlich wäre es einfach, Peter für uns zu gewinnen. Einstweilen wollte ich aber wie abgesprochen lediglich abwarten, wie sich die Lage entwickeln würde. Subtil nachhelfen könnte ich immer noch, wenn sich rein gar nichts tun sollte. Mir ging es dabei ohnehin mehr um die Entwicklung unserer persönlichen Beziehungen. Der mit den Ais diskutierte Aspekt weiterer Einwohner für die Kolonie würde mit der Zeit schon wieder aufgebracht werden. Wir drei aber mußten unsere Beziehungen jetzt aushandeln, weil wir täglich miteinander zu tun hatten. Überstürzen wollte ich das jedoch keineswegs. Regelrecht Intrigen wollte ich ebenfalls nicht spinnen, um einen Impuls zu liefern, der eine Entwicklung anstoßen würde. Bei unserer Stimmung schätzte ich mal ab, das würde fast von selbst laufen. Wir kämen zu dritt sicherlich gut zurecht, ob nun gleich mit oder erst einmal ohne Absicht auf Nachwuchs. Das wäre schon verlockend. Ich konnte mir das sehr gut vorstellen, so eine gemeinsame Leidenschaft mit Susanne und Peter.
Wie abgesprochen kam Peter den nächsten Morgen mit auf den Morgenlauf. So hatten wir weitere gemeinsame Freizeitaktivitäten, rückten gleichfalls so enger zusammen. Und so durch die freie Natur tut das einfach gut.
Nach dem Frühstück vertiefte sich Peter in die neuen Möglichkeiten der Datensichtung. Susanne und ich hatten somit Zeit, um uns um die Optimierung der Datensätze der Zerfallsreihen und Isotopenverhältnisse von Methusalem zu kümmern. Ich war gut vorbereitet, aber natürlich stellte Susanne Fragen aus einer ganz anderen Perspektive. So waren wir schnell in das Projekt vertieft und wir wurden beide sehr gefordert, um das gut auf den Weg zu bekommen. Susanne war allerdings schnell zu begeistern und ebenfalls neugierig darauf, ob wir bei dem Kleinplaneten wirklich mit dem gesamten Datenmaterial auf konsistente Altersschätzungen für verschiedene Koordinaten kommen würden, also einerseits jene Regionen, welche als weitgehend alt eingeschätzt wurden, aber auch für jene Bereiche, die aufgrund von Einschlägen ein deutlich jüngeres Datum aufweisen sollten. So würden wir hoffentlich eine Art von Chronologie bekommen, mit weit mehr Proben von verschiedenen, auch kleinere Kratern durch Stanis oder Asi, wohl auch Häufigkeitsverteilungen auf der Zeitachse von Ereignissen, unter Berücksichtigung der Ausformung der Krater vielleicht gar Rückschlüsse auf ungefähre Richtungen von Scharen von Einschlagsobjekten.
Da Methusalem ja weit draußen, jenseits der Gasriesen seine Bahnen zieht, konnten wir natürlich nicht wirklich detaillierte Informationen darüber erhoffen, was im Innenbereich des Rasol-Systems vorgefallen war. Allein seine abweichende Ekliptik der deutlich elliptischen Bahn, die im Rasol-System eher ungewöhnliche Umlaufrichtung wiesen auf einen Einfang hin. Dabei war auch nicht so klar, wie das so weit draußen passiert war. Vielleicht gab es ja ursprünglich doch einen Durchflug durch das System, einschließlich größerer Ablenkungen und Abbremsungen durch mehrere Planeten, weitere Ereignisse und nach dem Einfang kompliziertere längere Wechselwirkungen mit den Gasriesen, welche Methusalem langsam wieder aus dem inneren Bereich des Systems an den Rand gedrängt hatten.
Würden wir bei der genauen Analyse Informationen über einen Aufenthalt im Innenbereich des Rasol-Systems finden, etwa Einschlagsobjekte, welche den Asteroidengürteln Geri, Freki oder gar Wotan zuzuordnen wären?
Das alles könnten relevante Informationen sein, was einst vorgegangen ist, was einst auch dazu geführt hatte, daß es das Doppelplanetensystem Skylla und Charybdis überhaupt gibt, wieso sich die beiden Planeten trotzdem so unterschiedlich entwickelt hatten.
Susanne jedenfalls hatte irgendwann genug Informationen, um auch alleine zu basteln. So vertieft im wissenschaftlichen Diskurs und der Klärung von Detailproblemen, die sich Susanne hinsichtlich ihres Programmes bereits überlegte, aussprach, im Formulieren mir gegenüber bereits konkrete Formen plante, tauschten wir ganz nebenbei auch unsere gewohnten Zärtlichkeiten aus. Das ging ganz automatisch und lenkte nicht ab.
Für die konkrete Programmierarbeit brauchte sie allerdings Ruhe und Zeit für sich. Die sollte sie nach dem Mittagessen auf jeden Fall reichlich bekommen.
Damit hatte ich wiederum Gelegenheit, Peter Gesellschaft zu leisten. So konnte ich für Ausgleich sorgen, einen guten Zusammenhalt in der Gruppe.
Die Aufbereitung der Daten hatte bereits gut dabei geholfen, etwas mehr über die Vorgänge auf Charybdis zu verstehen. Es gab mehrere Spezies von charybdianischen Pilzen, die da aktiv waren, jeweils noch lokal voneinander isoliert. An einem Standort war die Isolation vom dem einen Pilztyp mehr auf jüngste tektonische Aktivitäten nach dem Absorber-Einschlag zurückzuführen. Der Pilztyp hier war genetisch genau der von Myke. Ob das nun Sporen von ihm waren, die da überdauert und sich letztlich wieder entwickelt hatten, ob das Überreste von Myke selbst waren, die uns damals bei der Untersuchung von Charybdis entgangen waren, war wohl nicht mehr zu klären. Peter neigte dazu, den Pilz erneut einfach Myke zu nennen. Jedenfalls gab es da Zugang zu einem kleinen Binnenmeer und da entwickelte sich die Gemeinschaft nun ziemlich rasant. Vorhandene irdische Arten wurden eher integriert, genutzt. Peter hatte auch überraschende Mischungen von genetischem Erbgut bei einigen Spezies ausgemacht. Für ihn sah es so aus, also hätte der Pilz da als Katalysator Mutationen, Mischungen der Gene begünstigt, um sich bessere Lebensbedingungen zu schaffen. Das konnte man bereits wieder als Aktivitäten eines Gärtners interpretieren. Die Barriere zum Meer ist in dem Bereich nicht so groß. Peter meinte, die sei insbesondere durch die Anwesenheit irdischer Pflanzen und Organismen in dem Bereich für den Pilz zu überwinden. Das mochte schon noch einige Jahre dauern, dann allerdings stehe einer erneuten Expansion hinaus ins Meer nichts mehr im Wege.
An den anderen Standorten ging es deutlich langsamer voran, vermutlich, weil es dort weit weniger Wasser gab und eine Symbiose mit irdischen Organismen, reinen Landpflanzen nicht so gut funktionierte und erst allmählich in Gang kam.
Peter schätze die Lage insgesamt so ein, daß Myke erneut gewinnen würde. Er würde das gewaltige Meer erobert haben, bevor die anderen Kolonien das Meer erreicht hätten. Aufgrund der Wechselwirkungen mit den irdischen Spezies würde sich allerdings eine neue, andere Biosphäre als zuvor entwickeln. Durch die Mischungen würde die kompatibler mit irdischen Genen sein, daher für uns tendenziell eher gefährlich.
So kamen wir wieder auf die Idee zu sprechen, hier auf Skylla persönlich Proben zu nehmen und genauer zu suchen. Susanne war beschäftigt, so schlug ich vor, einfach mal einen kleinen Spaziergang nach draußen zu machen, um sich anders als beim Morgenlauf in aller Ruhe umzusehen, zu überdenken, wie wir konkret bei einer Expedition vorgehen sollten, wie unterwegs sein, was mitnehmen. Peter war einverstanden. Wir meldeten uns kurz bei Susanne ab, die so vertieft in ihre Arbeit war, daß sie nur kurz aufsah und nickte.
Ganz in der Nähe der Kolonie zu gucken, erschien uns wenig sinnvoll, so wanderten wir die Wege entlang weiter hinaus. Weiter draußen gab es einige Bereiche, wo die Ais nicht so viel getan hatten, nicht intensiv Arten angesiedelt hatten. Da war es naheliegender nachzusehen. Vom Morgenlauf her hatte Peter ja bereits ungefähr persönlich mitbekommen, wie es etwas weiter draußen so ist, daher überließ ich es ihm, den Weg zu wählen, die Stelle, wo wir einfach vom Weg abwichen. Die Wildnis war auf der Insel durchaus noch halbwegs überschaubar, durchquerbar. Peter hatte ohnehin einen Bereich gewählt, wo es bereits merklich karger, steiniger war.
Er erläuterte: „Neben der Suche nach verdächtigen Pilzen von Charybdis ist die generelle Zusammensetzung der Vegetation interessant. So können wir besser verstehen, wie sich das aktuelle Ökosystem zusammensetzt, durch welche neuen Arten wir dessen Funktion verbessern könnten. Eventuell sind ja auch Arten verschwunden, die in der Impfung enthalten waren oder gar später angesiedelt wurden. Das kann alles prinzipiell interessant sein, aber auch ganz praktisch für die Verbreitung von mehr Arten, was wir nicht überall vorantreiben müssen, aber in einigen Bereichen kann das die Entwicklung deutlich beschleunigen.
Für die großflächige Verbreitung von Pflanzen, die derzeit stark auf Insekten angewiesen sind, müssen wir natürlich auch passende Insekten haben, die wiederum müssen ausreichend Nahrung haben, sollten dafür aber wiederum keinesfalls gravierenden Schäden anrichten. Das muß alles bedacht sein. Derzeit gibt es solche Pflanzen vorrangig nur hier auf unserer Insel, Bienen werden ersetzt durch Technik, was aufwendig ist. Wir müssen also hier und noch mehr auf dem Festland das Ökosystem so entwickeln, daß wir diese Pflanzen auch dort erfolgreich und ohne technische Maßnahmen im großen Stil verbreiten können, in Weiteren also zwangsläufig mit Insekten, langfristig kommen so ebenfalls andere Tierarten ins Spiel.“
Ich nickte: „Schon klar, in der kurzen Zeit seit Beginn der Terraformung hier, der Ansiedlung von Leben regelt sich das nicht von alleine. Zusammenpassen muß es ebenfalls.“
Wir schauten uns also um, Peter wies auf einige interessante Stellen, Pflanzen hin, nannte benötigte Ausrüstung für eine Tages-Expedition, was wir in einer Liste notierten.
Wir wechselten ein paar Standorte, kamen sogar ebenfalls zum Badesee.
Ich wies auf ein paar Pflanzen in der Nähe und fragte Peter nach Namen und sonstigen Informationen darüber. Peter schaute und erklärte ein wenig, schaute sich gleichfalls hier genauer an, was so wuchs. Gar nicht so weit weg vom Weg und vom See entdeckte er bereits eine offenbar interessante Ecke. Hier hätte er gerne eine Probe genommen, sich etwas genauer angesehen, wir hatten allerdings keine Ausrüstung dabei. Ich hakte nach, wie detailliert die Proben der Sonden seien, die sicherlich auch hier Proben nähmen. Peter erläuterte, der Schwerpunkt von Untersuchungen habe ja zum guten Teil auf Charybdis gelegen, hier auf Skylla hingegen meist in anderen Gebieten, weniger auf unserer Insel, welche ja doch speziell sei, von den Ais schon extra für uns eingerichtet. Die Sonden haben begrenzte Möglichkeiten, ihm falle vor Ort schon etwas anderes auf, also eher eine gezielte Suche nach Besonderheiten, interessanten Konstellationen, Pflanzen in interessanter Umgebung oder besonderer Entwicklung, besonders guter oder schlechter Zustand. Er erläuterte genauer, so lernte ich unterdessen schon nebenbei etwas darüber, worauf zu achten war, was den Sonden entgangen sein mochte.
So war also klar, daß wir die Tages-Expeditionen wirklich durchführen wollten, daß es sich lohnen würde. Im wahrscheinlichen Fall, daß wir nichts von den eventuell gefährlichen Pilzen finden sollten, würde so immerhin unsere Kenntnis über die Vegetation der Insel erweitert. Zudem stellten wir so ein Programm oder Verfahren zusammen, um das automatische Sondenprogramm verbessern zu können, denn zu dritt konnten wir ja unmöglich den gesamten Planeten absuchen. Klar war auch, die eher einfachen Sonden müßten mit leistungsfähigeren Geräten ergänzt werden, vielleicht Drohnen mit mehr Möglichkeiten, ebenso der Option, stichprobenartig selbst eine Probennahme aufgrund von Audio- und Video-Übertragungen zu veranlassen oder gar zu steuern. Selbst mit solchen Hilfen wäre es selbstverständlich notwendig, weiterhin automatisch vorzugehen. Das Programm, die Kriterien dazu sollte Peter allerdings aufgrund unserer praktischen Erfahrungen auf den kleinen Exkursionen optimieren und ergänzen können.
Für einen Moment hatte ich den Impuls, Peter zum Baden einzuladen. Ich bremste mich allerdings doch. Ohne Susi dabei könnte uns das doch in die Irre führen. Gerade deswegen vielleicht erschien der Gedanke ebenfalls verlockend. Ich hatte allerdings keine große Last, mich dennoch zusammenzureißen. Ich hatte ja mit Susi vereinbart, erst einmal nicht die Initiative zu ergreifen und die soziale Entwicklung der Gruppe voranzubringen. Aber auch so hatten wir Spaß zu zweit auf dem kleinen Ausflug, schauten gemeinsam an ein paar Aussichtspunkten, um uns auf etwas hinzuweisen, gab es auch schon mal einen Knuff in die Seite, um die Aufmerksamkeit auf etwas zu lenken.
Als wir am späten Nachmittag wieder in der Kolonie ankamen, war Susanne mit ihrer Arbeit gut vorangekommen. Weil es nun doch noch weitere Details zu klären gab, setzte ich mich zu Susanne, um mich darum mit ihr zu kümmern. Das meiste bekamen wir gleich so hin, ein paar Sachen mußte ich allerdings auch noch recherchieren und verstehen, von daher schloß Susanne ihr Tagewerk nur noch ab, gesellte sich daraufhin mit mir zu Peter. Wir plauderten und spielten noch ein wenig, was eigentlich nahtlos in die Zubereitung des Abendessens überging.
Abends saßen wir zusammen, sahen einen Film und plauderten noch etwas.
Wir diskutierten mit Susanne dabei auch gleich die Idee der Tages-Expeditionen, deren Ablauf wir nun schon konkretisieren konnten, an denen sie ja auch teilnehmen wollte. Das bestätigte sie nun. So stand dem also nichts im Wege und Peter würde das in den folgenden Tagen mit mir vorbereiten, wobei zunächst ja noch Susanne und ich mit den aktuellen Optimierungsarbeiten weiterkommen mußten. Aber wir würden uns da schon arrangieren. Erst einmal sollte primär Susanne mit ihrer Arbeit zu einem guten Zwischenergebnis kommen, danach würden wir wieder gleichmäßiger aufteilen, denn beim Bio-Projekt würde es sicherlich noch weitere Arbeit geben, das war deutlich umfangreicher als unsere Bemühungen um Methusalem.
Den nächsten Morgen ging es wieder zu dritt zum Morgenlauf los. Ich hatte davor zum Aufwärmen noch etwas Gymnastik draußen auf einem kleinen Platz nahe der Koloniegebäude eingeplant. Dabei waren wir grob im Dreieck aufgestellt, so hatten wir jeweils den Blick frei auf die beiden anderen in Bewegung. Sich bewegende Körper haben ihren Reiz. Und den ließen wir auf uns wirken, wenn wir das auch nur so mit auffällig unauffälligen Blicken dokumentierten. Die ließen Peter und Susanne merklich schweifen, gut, ich ebenso. Von daher dachte ich mir schon so, daß es im Laufe der Zeit schon eine Entwicklung unserer Gemeinschaft geben würde. Und ich stellte es mir schon einmal ganz schön prickelnd vor, wenn wir uns zu dritt näherkämen.
Wir zogen nach der Gymnastik munter unsere Runde, hatten gute Laune. Unterwegs wies Peter Susanne schon einmal nebenbei auf eventuell interessante Stellen jenseits des Weges hin, erläuterte ein wenig, was wir uns so am Vortag gedacht hatten. Susi hörte aufmerksam zu, fragte auch mal nach, ließ sich auch die Namen einiger Pflanzen nennen.
Unsere Runde ging diesmal am Badesee vorbei. Diesmal war Susanne ja dabei und wir hatten zu zweit ja bereits Vergnügen im See gehabt.
So wies ich auf den See und fragte munter: „Wie sieht es aus mit einer Runde schwimmen?“
Susanne schaute ein wenig verblüfft, Peter zögerte, antwortete darauf: „Hmmmhmmm, also äh, habe ich ja nicht geahnt, habe keine Badesachen drunter …“
Ich lachte und erwiderte: „Ist ja gar kein Problem, haben wir auch nicht. Wir sind hier schon nackt in den See gesprungen und hatten Spaß.
Ist doch nichts dabei, wir sind doch erwachsen!“
Susanne schaute mich wieder zweifelnd an, ich hielt aber schon über die zum Sonnen gut geeignete Felsplatte auf die Uferstelle zu, von welcher man gut in das Wasser und aus dem Wasser gelangen konnte. Wir kannten uns schon aus, so wußte ich, daß man daneben von der Kante aus einfach ins Wasser springen konnte.
Ich schaute mich zu den beiden um, welche zögerten.
Ich grinste, nickte ihnen aufmunternd zu und spornte an: „Nun habt euch mal nicht so.
Also flott blankgezogen und ab ins frische Naß!“
Ich lachte, zog auch schon meine leichte Kleidung aus, drehte mich einmal nackt auf der Felsenplatte und absolvierte munter den Sprung in den See, daß es laut klatschte. Ich jauchzte, wirbelte herum. Da wollte Susi mir nicht nachstehen, kam ebenfalls heran, zog sich eilig aus und sprang mir nach. Ich begrüßte sie, indem ich lachend mit den Fingern etwas Wasser zu ihr hinflitzte. Sie flitzte zurück, lachte gleichfalls.
Peter zögerte noch, faßte sodann allerdings Mut, zuckte die Schultern, kam ans Ufer heran. Nun zog er sich allerdings so aus, daß wir sein Gemächt kaum erblicken konnten, schade eigentlich. Schnell war er im Wasser, genoß das frische Naß allerdings und zog seine Bahn durch den See.
Susi und ich schwammen ein Stück von ihm entfernt, alberten ein wenig herum. Keck streichelte und neckte ich sie im Wasser, was beim Baden ohne Peter schon ein Signal zu mehr gewesen wäre. Sie nickte aber nur zu Peter hinüber, der ja freie Sicht hatte. Ich grinste sie nur an, neckte und reizte noch ein wenig. Wir waren dicht zusammen.
Eilig gab sie mir einen Kuß und zischte danach leise in mein Ohr: „Wir hatten doch abgemacht, Peter zu nichts zu provozieren …“
Ich erwiderte ähnlich leise: „Na, angesehen hast du ihn schon gerne, wir kommen alle gut miteinander aus.
Und das hier ist doch alles ganz harmlos!“
Ich lachte und sie kicherte verlegen, schaute dabei zu Peter. Das hatte also ebenso für sie einen schönen Reiz. Wir blieben allerdings bei harmlos und zogen nun ebenfalls mit etwas Abstand zu Peter unsere Bahnen.
Peter wirkte etwas verlegen und meinte: „Hmmhmm, hätte ich vielleicht doch nicht mitkommen sollen?“
Ich entgegnete: „Wieso?
Ist doch alles gut!
Und so zu dritt hat doch einen ganz eigenen Reiz!“
Unter Wasser traf mich wohl absichtlich Susis Fuß am Bein, doch sie ergänzte: „Der See ist jedenfalls prima, das wollten wir dir doch keinesfalls vorenthalten, wie herrlich wir hier schwimmen und toben können, wenn wir mal etwas Zeit brauchen, um auszuspannen, uns zu erfrischen!“
Nun lächelte auch Peter und meinte: „Das ist sehr aufmerksam von euch beiden!“
Wir schwammen noch etwas weiter, plauderten nun unbekümmert dabei. Da wir alle drei im See waren, drängte uns ja nun auch nichts zum pünktlichen Frühstück. Wir konnten uns Zeit lassen.
Etwas heikel wurde es erst wieder, als wir das Bad beenden wollten.
Peter merkte an: „Hmm, nun haben wir natürlich auch nichts mit, um uns abzutrocknen …“
Ich lachte und antwortete: „Stimmt, aber Rasol wärmt uns doch. Wir haben wohl drei Optionen: Uns auf die schon warme Felsplatte legen und uns dort trocknen lassen, nackt zurücklaufen oder aber die Sachen überziehen. In der Kolonie sind wir ja zügig unter der Dusche und wechseln sowieso die Sachen …“
Susi beeilte sich und stellte fest: „Die letztere Option scheint mir angemessen und problemlos durchführbar zu sein, wäre vielleicht doch etwas zu heiß auf der Felsplatte heute. Und so ganz ohne zurück, also muß auch nicht sein.“
Ich lachte, aber so machten wir es. Ich stieg als erste aus dem Wasser, schüttelte mich auf der Felsplatte einmal ordentlich ab und zog mir meine Sachen wieder über. Susi lachte etwas verlegen, stürmte zügig aus dem Wasser und nutzte mich etwas aus, um hinter mir wenigstens teilweise verdeckt ihre Sachen eilig anzuziehen. Peter war allerdings sehr zurückhaltend und hatte den Blick die ganze Zeit brav auf den See hinaus gerichtet. Ich schmunzelte und rief zu ihm: „Hast eben die reizvollsten Momente verpaßt.
Aber wenn dem so ist, drehen wir auch mal ab und gehen schon ein paar Schritte voraus, wenn du herauskommst!“
Peter lachte auch und antwortete: „Ich wollte nur nicht respektlos sein und gierig gucken, mich an eurem Liebreiz ergötzen. Da hätte es schon durchaus etwas peinlich werden können, vor euch aus dem Wasser zu kommen, also mit der ganzen Anerkennung für so viele Reize voran.“
Ich lachte, Susi giggele etwas verlegen.
Ich stellte fest: „Alles klar, nun gut, dann werden wir uns mal auch nicht reizen lassen und schauen uns noch dezent nach den Pflanzen um.“
Das taten wir wirklich und es dauerte nicht lange, bis Peter angezogen bei uns war und erneut ein paar Namen von Pflanzen nennen konnte, die wir ausgemacht hatten, um nicht doch noch ein paar Blicke auf seine Pracht zu werfen.
Wir kehrten zügig zurück zur Kolonie. Peter benutzte dort einen anderen Duschraum als Susi und ich.
Ich konnte es allerdings nicht lassen und heizte Susi unter der Dusche ein. Die reizvolle Situation im See hatte uns beide durchaus in Stimmung gebracht. So hatten wir einen erquicklichen Quickie, erschienen daher etwas später zum Frühstück als Peter, grinsten aber beide deutlich entspannt.
Ich fand nun nicht, daß ich da zuviel provoziert hatte. Das fröhliche Bad hatte die Stimmung aber schon ein wenig angeheizt. Vielleicht würde Peter ja doch etwas riskieren, immerhin könnte er gemerkt haben, daß wir beide ihm Sympathie entgegenbringen. Von daher könnte er schon versuchen, einmal vorsichtig zu erkunden, ob da nicht noch mehr zu holen wäre.
Nach dem Frühstück war Susanne also gleich wieder fleißig bei der Arbeit. Ich recherchierte und las, um meine Lücken bei Zerfallsketten und Isotopenverhältnissen zu schließen, mich ebenfalls etwas vertrauter mit der Astro-Geologie zu machen, um nicht versehentlich Fehlinterpretationen zu liefern, aber auch um selbst zu beurteilen, wie stichhaltig und aussagekräftig die verschiedenen Methoden und Strategien vermutlich sind, inwiefern vielleicht doch eigentlich spezifisch für den ursprünglichen Anwendungsbereich im Sonnensystem, was davon allerdings als universell zu verallgemeinern ist, was also insbesondere auch gut auf das Rasol-System anwendbar wäre. Mir war natürlich schon klar, daß es im Sonnensystem viel mehr Untersuchungen und damit genauere Kenntnisse der Rahmenbedingungen gegeben hatte, dort war es also leichter, Meßergebnisse einzuordnen und ein stimmiges Gesamtbild zusammenzusetzen. Hier im Rasol-System würde es wohl zwangsläufig bei Überlegungen, Hypothesen, mehr oder weniger gewagten Geschichten bleiben, Ideen, was passiert sein könnte. Nun, darauf baut letztlich alles auf und über die Forscher-Generationen kann sich das später einmal zu genaueren Bildern verdichten. Nur wenn mutig begonnen wird, die Entwicklung anzuschubsen, passiert da aber überhaupt etwas.
Peter hatte somit nun Zeit, um sich um die Idee der Tages-Expeditionen zu kümmern. So hatte er bereits Satellitenbilder unserer Insel auf dem Monitor, um erste Routen planen zu können. Und eine Liste hatte er auch schon begonnen, was wir brauchen würden, um den wissenschaftlichen Teil einer solchen Expedition gut mit dem zu meistern, was drei Personen bequem mit Rucksäcken würden bewältigen können. Fahrräder hatten wir auch, die taugten allerdings nur dafür, um auf den Wegen zügig einen Punkt anzusteuern, von dem wir vom Weg aus in die Wildnis aufbrechen wollten.
Noch vor dem Mittag hatte Susanne so viel vorzuweisen, daß sie mich wieder hinzuzog und wir gemeinsam darüber berieten, ob das nun schlüssig und plausibel war, was bislang bereits funktionierte. Immerhin, auch mit dieser erheblich genaueren Analyse war klar, daß Methusalem wirklich ein alter Bursche aus einem anderen Sonnensystem sein mußte, also in der Tat ein spektakulärer Kleinplanet, welcher hier irgendwie eingefangen worden ist. Wir konferierten mit Stanis und Asi darüber, wobei wir schnell die Information bekamen, daß Methusalem trotz seiner deutlich von der Hauptekliptik des Rasol-Systems abweichenden Bahn noch relativ gut erreichbar war. Wenn er sich nicht gerade grob im Bereich der Hauptekliptik aufgehalten hätte, wäre er vermutlich zwar schon entdeckt, aber noch gar nicht untersucht worden. So entwickelte ich also mit Susanne, Stanis und Asi eine neue Stoßrichtung der Methusalem-Forschung, welche diesen mehr als Beobachter des Rasol-Systems sehen sollte. Wir wollten wissen, wann er ungefähr in das System gekommen war, was daraufhin grob passiert sein mochte. Woher er gekommen war, war indessen wohl sehr schwierig zu bestimmen, denn zwangsläufig mußte es da drastische Bahnänderungen beim Einfang gegeben haben. Die Idee war jedenfalls, größere und kleine Einschlagskrater auf Methusalem zu untersuchen, welche davon also über welchen angeordnet sind, somit sicherlich jünger als darunterliegende, ferner wollten wir Positionen und Material der Einschlagskörper wissen.
Nun hat ein Kleinplanet wie Methusalem zwar genug Masse, um grob die Form eines Rotationsellipsoiden auszubilden, indessen deutlich weniger als etwa die Erde, Charybdis oder Skylla. Deswegen sind Einschläge von Asteroiden, anderen Gesteinsbrocken etwa von Katastrophen stammend, bei welchen es Einschläge auf anderen Planeten gegeben hatte, wobei von diesen Planeten wiederum Brocken ins All gestreut wurden, natürlich deutlich weniger destruktiv als bei großen Planeten, wenngleich Kleinplaneten auch keine bremsende Atmosphäre haben. Weil diese fehlt, findet die Erhitzung des Materials wiederum nun unmittelbar beim Einschlag statt, die Brocken zerlegen sich nicht bereits in der Atmosphäre, weswegen die Chancen deutlich besser sind, in den Einschlagskratern noch Material solcher Projektile zu finden, welche den Einschlag weitgehend unverändert überstanden haben, wenigstens tief im Inneren dieser Projektile.
So einigten wir uns darauf, daß Asi mit allerhand Gerät vor Ort Methusalem diesbezüglich eingehend erforschen sollte. Stanis würde hingegen weiterhin die Schwerpunkte der Forschungsprojekte verfolgen, die eigentlich bislang gerade aktuell waren. Aufgrund der verteilten Speicher und Identitäten der Ais war es Asi zudem möglich, gleichzeitig mehrere Projekte zu betreuen, von daher war das nun keine massive Störung ihrer Aktivitäten, im Gegenteil, sie zeigten sich interessiert an den aufgeworfenen Fragestellungen. Sie zeigten sich auch interessiert daran, einmal etwas enger mit uns Menschen zusammenzuarbeiten und gleich intensive Rückmeldungen zu ihren Untersuchungen zu bekommen, aufgrund der Kooperation eben auch unsere Sichtweise und Interpretation, unsere Ansätze für eine Auswertung. So hatten wir das schon einmal gut auf den Weg gebracht.
Ferner galt es natürlich auch noch, die bislang offengebliebenen Fragen mit Susanne zu klären, von denen ich dank meiner Recherche inzwischen einige diskutieren konnte, auf passende Literatur verweisen. Auch dabei steckten wir die Köpfe wieder zusammen, gingen locker miteinander um, vorsichtig festigte ich das neue, zarte Band, welches sich zwischen uns gebildet hatte. So kamen wir auch damit gut voran. Eine weitere Verfeinerung und Optimierung unserer Analysen würde sicherlich helfen, die neuen Daten von Asi, die kommen würden, besser einzuordnen und zu einem plausiblen Bild zu formen.
Nach dem Mittag diskutierte ich mit Susanne und Peter indessen erst einmal meine Ideen, um mehr Daten über die Zusammensetzung von Skylla und Charybdis zu erhalten, die Kartoffeligkeit der Planeten zu analysieren, um so eventuell Hinweise auf die Historie zu bekommen. Die dabei aufkommende Datenmenge und die Korrelation der Daten wäre natürlich ebenfalls sehr komplex, also ebenfalls ein Anknüpfungspunkt für Susanne, auch hier zu optimieren. Dazu war sie bereit, wollte sich das gerne ansehen, wenn ihre Arbeiten am Methusalem-Astro-Geologie-Projekt zu einem guten Zwischenergebnis gekommen wären.
Ida berichtete schon einmal über die Fortschritte im Satellitenbau, um einerseits weitergehende Spektren aufzunehmen, aktive Radarmessungen etc durchzuführen, zudem das Schwerkraft-Nahfeld der Planeten untersuchen zu können. Da hatten wir ja Vorlagen, Pläne von der Erde, zudem war es nun deutlich einfacher, Satelliten zu bauen, als zu meiner Zeit auf der Erde. Die Mikroroboterschwärme bauten die fast gleich vor Ort im Orbit mit Material, welches Körk bei der Bereinigung der Asteroidengürtel ohnehin gesammelt hatte. Von daher gab es da keinen aufwendigen Start mit Raketen vom Planeten aus, keine umständlichen Transportsicherungen, keine Kontaminationen, alles wurde gleich in einem Bereich mit lediglich Mikrogravitation gefertigt etc. Zudem gab es für viele Anwendungen praktisch bereits Pläne mit fertigen Modulen, welche für die jeweilige Spezialanwendung nur optimiert und angepaßt werden mußten, wenn sie nicht gleich ausreichend für die Anwendung waren.
Im Anschluß an die kleine Sitzung setzte ich mich zusammen mit Peter zusammen, um meinen Betrag zum Projekt der Tages-Exkursionen einzubringen. Peter war schon ziemlich weit gekommen. Ich beteiligte mich, indem ich ein paar Ideen hinsichtlich der Logistik einbrachte. Gerätschaften für Probennahmen hatten wir bereits verfügbar, zudem waren Ida und Hildegard in der Lage, uns im Bedarfsfalle mit einem Luftschiff zu unterstützen, jedenfalls bei mehr oder weniger stabilen Windverhältnissen würden sie uns so bereits unterwegs Proben abnehmen können, ebenso gegebenenfalls größeres Gerät herunterlassen können. Wenn dies aufgrund von böigem Wind eher schwierig wäre, hätten wir trotzdem unterwegs immerhin noch Satellitenbilder verfügbar, ebenso Bilder vom Luftschiff. Beides sollte uns helfen, die geplante Route durch die Wildnis zu finden, eventuell auch kleinere Abstecher zu interessanten Stellen zu machen. Von daher kamen wir da sehr schnell mit der Planung voran. Die Idee war, zunächst mit verfügbaren Fahrrädern das vorhandene Wegenetz zu nutzen, um zügig und einfach an den Beginn einer Route zu gelangen. Danach würde es mit Rucksäcken hinein in die Wildnis gehen. In einigen Bereichen mit wenig Bewuchs und nahezu ebenem, ziemlich festen Boden würden wir mit den Rädern sogar noch etwas weiter vordringen können. Das konnten wir so bereits aufgrund der vorhandenen Aufnahmen der Insel schon ungefähr festlegen, somit schon solide planen.
Insgesamt konnten wir abends sehr zufrieden mit den Fortschritten der Projekte sein. Susanne war gut vorangekommen und überlegte nun bereits, wie eine Visualisierung der Datenmassen zur Untersuchung von Skylla und Charybdis effizient, ergonomisch zu realisieren sei. Für die Daten von Methusalem hatten wir schon einen sehr schönen Prototypen, um die Ergebnisse der Probenanalysen gut erfassen zu können. Solche Interpretationshilfen durch gute Darstellung von Daten ist immer wichtig, um sich nicht darin zu verlieren, sondern aus den Einzelaspekten besser einen Gesamtzusammenhang erschließen zu können. Hier war Susanne auf einem guten Weg, hatte als Pädagogin und Informatikerin in dieser Kombination ein hervorragendes Gespür dafür, uns Daten zu erschließen, um einerseits Fragen aufzuwerfen, andererseits Hypothesen zu entwickeln. Sie war sehr konzentriert, engagiert bei der Sache gewesen. Das Ergebnis freute mich sehr. Das war eine gute Basis, um einen Durchblick durch die Daten zu bekommen und mehr zu verstehen.
In den folgenden Tagen brachten wir in aller Ruhe unsere aktuellen Projekte voran. Als Susanne ihre Hauptarbeit erledigt hatte, somit ein gutes Zwischenergebnis vorweisen konnte, konnte sie somit wieder zum Bio-Projekt wechseln, dort mit Peter die Arbeit fortsetzen. Dieser hatte inzwischen Erfahrungen mit den neuen Werkzeugen der Datenanalyse gemacht, konnte also Rückmeldungen geben, welche Susanne gleich verarbeiten konnte.
Die Planungen für die Tages-Expeditionen waren gleichfalls abgeschlossen, zudem war gerade eine günstigen Wetterlage gegeben. So waren wir uns einig, daß wir unsere Projekte hier an den Rechnern unterbrechen und losziehen sollten, um die erste Exkursion zu bewältigen.
Somit hielten wir den Tag noch den aktuellen Stand fest, berichteten gegenseitig und diskutierten.
So radelten wir also am nächsten Morgen munter los, die Rucksäcke festgemacht, ein Luftschiff zur Unterstützung bereits ungefähr über dem Startpunkt unserer eigentlichen Route. Der lag in diesem Falle relativ nahe an einem der angelegten Wege, daß wir die Räder noch auf dem Weg abstellten und loswanderten. Unser Plan sah eine Route in einer etwas bergigeren Zone vor. Die Route sollte uns später zurück zu dem Weg führen, welcher um den Badesee führte. Da wir noch nicht so gut einschätzen konnten, wie gut wir vorankommen würden, wie lange Probennahmen dauern würden, wieviele Proben wir würden ziehen wollen, war diese erste Route vom Umfang her eher bescheiden ausgelegt.
Schnell fand Peter interessante Stellen, erläuterte uns überdies nebenbei ausführlicher, was interessant für ihn dabei war. Susi und ich fragten kritisch und neugierig, weswegen er durch die Notwendigkeit der expliziten Formulierung sich genauer Gedanken darüber machen konnte, was aus seiner Sicht interessant war, was objektivierbare Kriterien wären, etwas zu untersuchen. Daran arbeiteten wir im Gespräch nun intensiver, denn so wurde ihm das einerseits klarer, wir konnten das zudem ergänzen. Andererseits konnten Susi und ich so ebenfalls mit kundigerem Blick Ausschau halten, uns also bei der Expedition auch inhaltlich nützlicher machen, ferner waren solch explizit formulierte Kriterien gleichfalls nützlich für die Missionen der Sonden, die sonst Proben nahmen. Mit einem erweiterten Kriterienkatalog würden auch die besser in der Lage sein, Proben an Stellen zu nehmen, die aus Peters Sicht auf jeden Fall sehr relevant sein könnten, für ihn persönlich jedoch nur schlecht oder gar nicht erreichbar sind.
So kamen wir also bereits am Anfang dieser ersten Expedition mit dem Verfahren deutlich voran. Ich hatte nun allmählich ein klareres Bild davon, wie vorzugehen ist, auf was zu achten ist. Das Gespür, die Intuition kommt mit der Praxis, der Erfahrung mit den Forschungsobjekten.
Wir versäumten es allerdings auch nicht, an schönen Aussichtspunkten innezuhalten, den Ausblick zu genießen, jedoch dabei ebenso Ausschau zu halten, ob es aus dieser Perspektive nicht interessante Stellen zu entdecken gab, welche wir unbedingt untersuchen sollten. So machten wir wirklich schnell den ersten Abstecher weg von unserer eigentlich geplanten Route. Das war allerdings unproblematisch, denn es lag ja durchaus im Zeitplan, auch Dinge zu tun, die nicht bereits vorgesehen waren. Gerade diese spontanen Impulse sind es ja gerade, die einem oft neue Erkenntnisse ermöglichen. So gingen wir dem natürlich nach.
Nun ist es in dem bergigen Gelände natürlich durchaus karg, da war schon auf Details zu achten, allerdings auch nicht so uninteressant hinsichtlich jener Pflanzen, die sich besonders gut für die Erstbesiedlung von kargen Landschaften eignen, wovon Skylla ja reichlich hat. Auf unserer Insel lag allerdings die Besonderheit vor, daß die Luftfeuchtigkeit hier deutlich höher ist als weit im Inland, entsprechend regnet es hier auch einmal ab. Das sind deutlich günstigere Bedingungen als in ausgewiesenen Wüstenregionen des Planeten. Dafür hatten wir es in dem heute untersuchten Bereich ziemlich felsig, von daher wenig Material, in welchem Pflanzen Wurzeln schlagen können. Auch dies ist in Skylla natürlich häufig anzutreffen. Ohne Leben gibt es ja keine Humusbildung. Staub- und Sandablagerungen sind da nur bedingt geeignet, in eher zugigen Ecken einer ursprünglichen Vulkaninsel auch nicht so ausgeprägt. Eine Humusbildung oder ähnlich geeignete Ablagerungen hatten wir auf der Insel hauptsächlich dort, wo es schon seit der Anfangsphase der Besiedlung Pflanzen und Pilze gibt, die Boden und allgemein Material gut halten können.
Die Tagesdunkelheit hatten wir im Hinterkopf behalten, somit hatten wir rechtzeitig einen guten Rastplatz aufgesucht und hatten dort eine Pause und Mahlzeit. Wir plauderten über bereits gezogene Proben und deren Standorte, die weitere Route. Ansonsten verdösten wir die Zeit einfach, wobei sich Susi einfach an mich kuschelte. Wir hatten uns nur so grob einen Meter neben Peter platziert, so konnten wir uns gut unterhalten, wenn einem von uns gerade etwas einfiel, was zu diskutieren war. Ein wenig mochte unsere Vertraulichkeit Peter schon einheizen. Dieser ließ sich allerdings nichts anmerken und wir tauschten auch eher unauffällig Vertraulichkeiten aus, um das Spielchen nicht zu weit zu treiben.
Bei den Probennahmen oder Hinweisen auf besondere Aussichten oder eventuell interessante Orte für Probennahmen hatte sich gelegentlich schon die Möglichkeit geboten, ihn unverfänglich zu berühren. Das ging so ganz selbstverständlich und aus der Situation heraus, daß darin nicht so viel lag. Auch damit hatte ich allerdings nun eine harmlose Art von Vertraulichkeit eingeführt, die wir nicht wieder zurücknehmen würden. Mehr passierte jedoch auch nicht zwischen uns.
Noch im Halbdunkel packten wir zusammen und zogen vorsichtig weiter, um weitere geeignete Orte zu finden, um dort Proben zu nehmen. Trotz einiger Abstecher lagen wir relativ gut in der Zeit, so kamen wir gegen Ende unserer Tour am Badesee an. Auch hier untersuchten wir ausführlicher, nicht nur wegen der Affinität von Myke zu Wasser. Kleine Seen hat die Insel mehrere, nur diesen hatten die Ais allerdings als Badesee ausgewiesen, weil das Wasser dafür besonders geeignet ist. Offensichtlich auffälligen Bewuchs hatten wir auch bei früheren Besuchen nicht feststellen können. Nun schauten wir eben systematisch, nahmen ausgiebig Proben.
Natürlich, durch das Vorhandensein des Wassers waren hier relativ günstige Bedingungen, die Seite weiter hinauf in die Berge war allerdings felsig und karg, reichhaltigere Vegetation war eher auf der anderen Seite zu finden, also grob in Richtung der Kolonie. Die Vegetation dort war jedoch zunehmend planvoll von den Ais angelegt worden, zwar über die Jahrzehnte verwildert, gleichwohl nicht im Zentrum des Interesses von Peter, der eher wissen wollte, wie sich die Vegetation dort entwickelt, wo es wenig gezielte Eingriffe von außen gegeben hatte, welche Gesellschaften von Mikroorganismen, Pilzen, Pflanzen sich dort behaupten und ausdehnen können, wo sich das nicht geplant kombiniert, sondern aus einer Zufallsmischung heraus selbst entwickeln muß.
Als wir mit der Expedition durch waren, hatten wir noch Zeit bis zum Abend. Wir übergaben dem Luftschiff die restlichen Proben und die nun einstweilen nicht mehr benötigte Ausrüstung. Dieses zog darauf ab. Wir waren ungestört, schauten über den See. Wir hätten zurück zu den Rädern schlendern können, wären anschließend relativ früh zurück in der Kolonie gewesen.
Ich wies mit der Hand auf den See, wedelte so vage mit den Fingern herum und meinte: „Also, ich hätte Lust, eine Runde zu schwimmen, und ihr beide?“
Peter schaute mich lächelnd an, aufgrund der inzwischen lockeren Stimmung schon etwas gelöster: „Ohoh, wieder gar keine Badehose mit …“
Ich lachte und erwiderte: „Meinst du, ich?
Ist doch egal, sind doch unter uns, ist ja nichts dabei.
Also los?
Kommst du mit?
Susi?“
Diese mußte auch schmunzeln, nickte nur keck. Ja, wir waren wirklich vertrauter miteinander geworden.
Ich ging fröhlich lachend ein paar Schritte weiter auf die größere Felsplatte am See, näherte mich dem Wasserrand und guckte nach der Stelle, an welcher man gut einsteigen kann.
Die fand sich schnell, ich drehte mich schmunzelnd zu den beiden um, sprach: „Also los!“, wobei ich mich bereits wieder zum See drehte und schon begann, mich meiner Sachen zu entledigen, noch ohne mich erneut umzusehen. So nackt und bloß bekamen Peter und Susi zunächst nur meine Rückenansicht zu sehen, ich reckte mich allerdings, streckte mich, kniff die Popacken zusammen und gab meinen Hüften einen lasziven Schwung, bevor ich meine Beine grazil in Richtung See in Bewegung setzte. Es machte mir schon ein wenig Spaß, so zu provozieren. Ich war bereits neugierig, wie sie reagieren würden.
Susi lachte einfach, begann nun ebenfalls, sich zu entkleiden. Ich tänzelte spielerisch herum, griff mit den Fingern locker in die Leere, drehte mich, um Peter ebenfalls mit meiner Vorderansicht zu beeindrucken, aber nur so flüchtig, es sollte natürlich nur ein harmloser Spaß sein, auch um ihn noch ein wenig anzuregen mit etwas frecher Freizügigkeit. Aber das wollte ich nicht überziehen. Also stieg ich zügig in den See, dessen Temperatur ganz angenehm war. Und so machte ich gleich meine ersten Schwimmzüge. Susi war mutiger, kannte die Stelle bereits, machte gleich einen weiten Satz und landete platschend neben mir im Wasser. Wir lachten, machten ein paar kräftige Schwimmzüge weiter auf den See hinaus.
Erst etwas weiter draußen auf dem See drehten wir uns erneut um, schauten nach Peter. Tatsächlich hatte dieser sich ebenfalls entkleidet, eine Hand wie zufällig vor sein Gemächt haltend, daß wir den aktuellen Zustand nicht eindeutig erkennen konnten. Aus der Höhe der Hand vermochte ich allerdings schon erahnen, daß bereits unsere minimalistische Aufführung die gewünschte Wirkung hinterlassen hatte. Peter stand auch noch etwas zögernd auf der Felsenplatte. Als er allerdings mitbekam, daß wir ungeniert guckten, lachte er etwas verlegen und stieg ebenfalls ins Wasser, schwamm locker und ohne Eile ungefähr in unsere Richtung.
Als er fast heran war, flitschte ich ihm fröhlich lachend eine kleine Wasserfontaine hinüber. Peter grinste, flitschte beherzt zurück, woraus sich eine kleine Wasserschlacht zwischen uns dreien entwickelte. Wir hatten richtig Spaß, alberten harmlos herum wie die Kinder. Anschließend schwammen wir noch eine größere Runde friedlich nebeneinander durch den See.
Nachdem wir eine Weile das Wasser genossen hatten, schwammen wir zurück zum Ufer, wo unsere Sachen auf uns warteten. Angekommen stieg ich mit Schwung aus dem Wasser. Susi zögerte nicht und folgte mir gleich, legte mir traulich einen Arm um die Hüfte. Ich gab ihr einfach einen Kuß auf die Wange.
Nun hatten wir ja nichts zum Abtrocknen mit, die Felsplatte war im Sonnenschein allerdings recht warm, so schüttelten wir uns lachend ordentlich ab, legten uns einfach auf den kahlen Fels und gaben Rasol eine Chance, uns wenigstens etwas zu trocknen.
Als Peter am Ufer angekommen war, zögerte er etwas.
Ich merkte nur an: „Nun hab’ dich nicht so und komm’ schon raus!“
Peter antwortete: „Ja klar, etwas ungewohnt ist die Situation so schon.
Aber es ist ja wirklich nichts dabei, wir sind ja alle erwachsen und vernünftig!“
Ich lachte und entgegnete: „Das sind wir wohl. Also gar kein Drama.“
Peter lachte verlegen, genierte sich schon ein wenig, kam aber doch heraus. Susi und ich, wir schauten ganz ungeniert und mit offenem Lächeln. Und so nackt auf dem Felsen zeigten wir ja immerhin auch, was wir zur visuellen Erbauung unsererseits zu bieten hatten.
Er sah schon ganz schmuck aus, auf jeden Fall!
Der ganze Körper ist schon sehr ansehnlich und appetitlich. Nun ist er gewiß kein Muskelmann, auch keineswegs fettig, also griffig und ansehnlich und männlich, wie es sein soll, ohne in eine bestimmte Richtung zu übertreiben.
Peter eilte nun allerdings, schüttelte ebenfalls unterwegs möglichst viel Wasser ab, legte sich so etwa knappe zwei Meter von uns entfernt ebenfalls auf den Felsen, wobei er sein Gemächt hielt und sich einfach auf den Bauch legte. Wir lachten alle drei. Wir genossen fürderhin jedenfalls einfach nur die Sonne und die Wärme auf der Felsplatte. Und Peter beruhigte sich wohl auch etwas, weswegen er sich ebenfalls umdrehte, als wir das taten, um uns auch auf der anderen Seite trocknen zu lassen. Dabei rollte ich einfach auf dem Untergrund herum, Susi tat es mir gleich. So lagen wir nun gut eine Körperbreite näher an ihm dran. Er drehte sich hingegen auf der Stelle. Susi hatte nebenbei meine Hand gegriffen, drückte etwas. Ich deutete das so, daß sie eine weitere Anregung nicht für notwendig hielt. Ich vergewisserte mich, schaute kurz zu ihr. Sie zog kurz die Augenbrauen herunter, daraufhin die Stirn kraus, drückte meine Hand etwas fester und schüttelte kaum merklich den Kopf. Das akzeptierte ich, also entspannen, nicht weiter provozieren. Sie war noch nicht bereit, sich auf mehr einzulassen. Das war schon in Ordnung. Alles braucht seine Zeit. Und wir waren alle Male vorangekommen, gingen nun deutlich lockerer miteinander um.
Als wir so halbwegs trocken waren, war es auch allmählich Zeit, zurück zu Kolonie aufzubrechen. Also zogen wir uns in guter Laune an und spazierten zurück zu den Rädern. Und mit denen ging der Rückweg letztlich relativ schnell.
Wieder zurück in der Kolonie, machten wir uns erst einmal frisch, wobei Peter wieder in einem anderen Duschbereich blieb und Susi und ich durchaus angeregt durch das kleine Intermezzo am See einen heftigen Quickie hinlegten, daß uns komplett die Puste ausging. So trafen wir mit einem sehr zufriedenen Grinsen im Gesicht im Arbeitsbereich auf Peter, welcher bereits früher eingetroffen war und nach seinen Projekten schaute. Die Auswertung der heutigen Proben würde natürlich noch etwas dauern. Es ging ihm also vorrangig um andere Ergebnisse und die Entwicklungen auf Charybdis.
Am nächsten Tag machten wir nicht gleich wieder eine Expedition. Über Nacht waren bereits die meisten unserer Proben analysiert worden, nicht komplett, aber es gab bereits genug Ergebnisse, denen sich Peter widmen konnte. Susanne konnte sich da gut beteiligen, ich widmete meine Zeit weiter den Daten von Methusalem und meinen anderen Projekten. Da gab es immer reichlich zu tun, um die voranzubringen.
Den nächsten Tag brachen wir drei nach dem Frühstück wieder mit den Rädern zu einer Expedition auf. Diesmal ging es nicht in die karge, bergige Region, diesmal lag der Schwerpunkt mehr im Bereich des Sandstrandes und seiner weiteren Umgebung, dem Übergang ins Inland. Im Wasser des Meeres ist ja allerhand gelöst, also noch deutlich mehr als in den Meeren auf der Erde, daher ließ sich bislang im Meer auch nur wenig Vegetation ansiedeln, vielleicht ebenso ein Grund, warum das Leben auf Skylla früher keine Chance hatte. Die Brühe braucht schon sehr robuste Organismen. Auf der Erde gibt es ja durchaus Organismen, die unter extremen Bedingungen existieren. Es war nur nie so ganz klar, ob das eine spätere Anpassung war oder ob diese Organismen bereits seit den Anfängen des Lebens auf der Erde in diesen extremen Nischen ihr Auskommen gefunden hatten. So oder so war das hier in der Brühe des Meeres nicht passiert. Mittlerweile hatten die Ais über die Jahrzehnte unserer Besiedlung ja durchgehend daran gearbeitet, Stoffe aus dem Meer zu extrahieren. Obgleich es viel kleiner als auf der Erde ist, ist das Wasser allerdings trotzdem nicht über ein paar Jahrzehnte zu klären. Immerhin reichte die Wasserqualität inzwischen, um darin einige robuste Organismen zu etablieren. Der Plan bestand nun darin, eine Entwicklung einzuleiten, bei welcher Organismen dabei helfen, die chemische Zusammensetzung des Meeres zu verändern. Das war auf der Erde gleichfalls passiert, als die ersten Organismen per Photosynthese Sauerstoff im Meerwasser produziert haben, so unter anderem dafür gesorgt haben, daß gelöstes Eisen als Rost ausgefällt wurde. Ähnliche Vorgänge hatten die Ais auch hier auf Skylla im Sinn. Inzwischen war es durchaus gelungen, einige Organismen für diese Zwecke im Meer zu etablieren, die Chemie des Meeres also nicht nur mit technischen Anlagen an der Küste zu manipulieren.
Für die Küste unserer Insel bedeutete das jedenfalls, daß die Vegetation dort ebenfalls robust an die Zusammensetzung des Wassers angepaßt sein muß, ähnlich wie an Küsten auf der Erde. Aufgrund des durchaus vorhandenen Regens kam natürlich auch Wasser von den Bergen, der Küstenbereich filterte ferner, weswegen es unterschiedliche Zonen hinsichtlich der Zusammensetzung des Wassers gibt, welches für die Vegetation verfügbar ist. So ändert sich die Pflanzengesellschaft folglich je nachdem, welche Wasserqualität verfügbar ist. Daher hatten wir im Küstenbereich also einige unterschiedliche Zonen für unsere Untersuchungen.
Die Tagesdunkelheit verbrachten wir am Sandstrand. Neben dem Essen plauderten wir angeregt über unsere Expedition, dösten etwas herum, hatten auch etwas zu lesen mitgenommen. Als es wieder hell wurde, setzten wir unsere Untersuchungen fort. Auch für diese Expedition hatten wir absichtlich ein nicht sehr ambitioniertes Programm geplant, weil ja doch immer wieder interessante Sachen in unser Gesichtsfeld kamen, auf welche wir spontan reagierten.
Insgesamt waren wir mit unserem Programm wieder zeitig durch, hatten unsere Proben und unsere Ausrüstung bereits an das begleitende Luftschiff übergeben.
So schlug ich vor: „Noch Lust auf ein Bad im Badesee?“
Peter und Susanne stimmten lachend zu, also ging es mit den Rädern los. Sorglich hatte ich diesmal sogar Handtücher dabei. Weil das ganz günstig dort war, radelten wir wieder herum, bis wir den Bereich mit der Felsplatte erreicht hatten, auf welcher sich nach dem Bad gut liegen ließ.
Ich legte schon einmal die Handtücher aus. Fröhlich und in gelöster Stimmung zogen wir blank, Peter nun auch ohne Zögern, stürmten so in den See. Dort schwammen wir erst ein wenig, wobei es nicht lange dauerte, bis wir wieder herumalberten, eine kleine Wasserschlacht veranstalteten, anschließend wieder eine Runde nebeneinander schwammen.
Wir drei hielten uns diesmal länger im Wasser auf als beim letzten Mal. Das war in Ordnung, wir fühlten uns wohl.
Irgendwann war es aber erst einmal genug und ich meinte: „Pause wäre mir jetzt ganz angenehm.“
Peter erwiderte: „Ja geht mir auch so, soll ja keine Sportveranstaltung werden.“
Susi stimmte ebenfalls zu.
So schwammen wir also zurück, stiegen aus dem Wasser, trockneten uns etwas ab, legten uns hin und ließen uns noch etwas von Rasol bescheinen und trocknen.
Wir dösten noch ein wenig, plauderten etwas über die heutige Exkursion. Susanne und ich hatten eine Menge gelernt, konnten nun schon selbständiger suchen und relevante Stellen ausmachen. So waren wir inzwischen dabei, gemeinsam bessere Regeln zu formulieren, nach welchen die automatischen Probennahmen effektiver erfolgen könnten, insbesondere auch an Stellen, die besonders relevant wären. So ganz plausibel bekamen wir es noch nicht hin. Susanne befand, das sei derzeit noch zu vage, um es in einem Programm umzusetzen. Schon von daher war klar, daß es weitere Tages-Expeditionen geben würde. Aber die machten uns Spaß, brachten uns näher zusammen. Und das war ja genau richtig bei solch einer kleinen Gemeinschaft. Wir zogen uns etwas später an, radelten zurück zur Kolonie.
Obwohl unser Umgang inzwischen zwischen ziemlich locker gewesen war, hatte sich Peter noch nicht getraut, etwas zu riskieren. Nun, da Susanne und ich ein Paar waren, hatte er wohl einfach Respekt davor, akzeptierte das so. In etwa so hatte ich ihn auch eingeschätzt. Es war schon zu bemerken, daß es ihn reizte, er neigte allerdings nicht dazu, das offene Verhalten eindeutig zu seinen Gunsten auszulegen und aktiver zu werden, um einfach einmal herauszufinden, wie wir reagieren würden.
Auf Dauer würde ihn die Konstellation so schon belasten. Ich dachte mir, ich sollte nun wohl abermals mit Susi darüber reden, wie diese die veränderte Situation sah, ob sie mehr Mut gefaßt hatte, eventuell eigentlich schon interessiert war, nur eben unsicher, wie es gehen könnte.
Nach einem abermaligen Quickie von Susi und mir unter der Dusche trafen wir uns wieder alle zum Abendessen. Auch den Abend verbrachten wir harmonisch zusammen. Wir verstanden uns einfach sehr gut. Ich fand, das waren Voraussetzungen genug, um es mit Peter zu probieren. Aber Susi müßte es auch wirklich wollen. Womit sich, wenn sie denn wollen würde, für uns auch wiederum die Frage der Familienplanung stellen würde.
Nachts machte ich sie jedenfalls richtig heiß, zögerte diesmal hinaus, ließ sie um Erlösung zittern. Diesmal hatte ich auch Spielgerät im Einsatz. Das war durchaus von der eindringlichen Sorte. Damit probierte ich etwas herum, was Susi durchaus überraschte, aber sie ging gerne darauf ein, sprang gut darauf an.
Ich flüsterte der stark erregten Geliebten zu: „Ohohoh, da bist du ja richtig heiß drauf.
Soll ich dir den Peter machen und dich mal ordentlich durchschubsen?“
Susi lachte keuchend, erwiderte nur: „Michaela, Michaela, du machst mich heute richtig fertig, bitte, bitte, lange halte ich nicht mehr durch …“
Nun, quälen wollte ich sie natürlich nicht wirklich, so ging ich liebevoll, vorsichtig mit dem Gerät vor, erkundete ihre Reaktionen und rubbelte und schubste sie so heftig über die Kante. Wir lagen eng umschlungen, wobei sie sich allmählich erholte, wieder aktiver wurde. Sie hatte das Teil ergriffen und versuchte es nun ihrerseits bei mir.
Sie grinste mich an und stellte fest: „Also gut, wollen mal ausprobieren, wie du reagierst, wenn ich dir den Peter mache!“
Ich lachte vergnügt und ließ sie machen. Sie bekam das ebenfalls ganz geschickt hin, kombinierte es schön mit dem, wovon sie bereits wußte, daß es bei mir gute Wirkung zeigte, so daß ich alsbald ebenfalls tobte und wonnig in einen schönen Höhepunkt hineinglitt.
Wir entspannten danach eng umschlungen.
Ich fragte nach: „Also, da wir beide auf die eindringlichen Spielchen so gut reagiert haben, heißt das nun, wir sollten uns nun doch um Peter bemühen?
Inzwischen konnten wir detaillierter begutachten, daß er ein stattlicher und guter Kerl ist, was meinst du?“
Susi kicherte erst aufgeregt, antwortete danach: „Also, ich hätte schon Lust. Ich mag ihn sehr. Wenn wir das gemeinsam hinbekommen, wäre das schon perfekt.“
Ich warf ein: „Wir drei vertragen uns doch ganz ausgezeichnet, warum sollte das nicht klappen?
Wir beide werden das doch wohl so arrangieren können, daß die gemeinsamen Aktivitäten für uns zum Genuß werden. Peter ist nicht dominant, kann zudem davon profitieren, was wir voneinander wissen. Von daher habe ich keine Zweifel, daß wir zu dritt schönen Spaß haben werden.“
Susi mahnte: „Ausnutzen wollen wir ihn nicht, das wäre in der kleinen Gruppe auch gar nicht drin, ohne erhebliche Schwierigkeiten zu verursachen. Wenn wir uns also auf ihn einlassen, dann ist das ernst, das ist dir klar?“
Ich bestätigte: „Natürlich können und werden wir nicht mit ihm spielen, wenn, dann ist es ernst. Und er ist eben ein netter, zurückhaltender, ehrlicher Kerl. Wenn von uns keine eindeutige Ansage kommt, weiß er nicht wirklich, woran er ist und wird sich zurückhalten. Warten bringt uns also nicht weiter.“
Susi meinte: „Hmm, aber sollen wir einem starken Mann durchgehen lassen, so defensiv zu sein, wenn er Interesse hat?“
Ich antwortete: „Er hat Respekt vor uns und unserer Beziehung. So, wie die Konstellation ist, liegt es schon eher an uns, ihn einzuladen.
Da würde ein offensives Werben von ihm nur einen schlechten Eindruck machen, meinst du nicht?
Es wäre schon anders, wenn wir entzweit wären, die Lage nicht so eindeutig wie jetzt. Nein, also so konservativ sind wir doch zudem nicht, daß wir als Frauen nicht selbst entscheiden könnten, ob oder wann wir wollen. Es ist doch nicht so, daß wir nicht selbst Interesse bekunden sollten und ebenso können, wenn wir Lust darauf haben. Es ist daraufhin wiederum an ihm zu entscheiden, ob er unter den Bedingungen ebenfalls Interesse hat. Auf der Raumstation habe ich klargestellt, daß ich mich insbesondere dir verpflichtet fühle, gerade weil du in der Konservierung warst und die Lage unklar. Nun können wir beide frei entscheiden, sind uns im Grunde im Interesse einig. Da braucht uns keine falsche Scham zurückhalten. Zumal wir drei hier am Ende der Welt sowieso die Regeln für uns festlegen. Da gibt es niemanden, der uns etwas vorschreibt, der beurteilen würde, was wir tun. Also, es ist unsere Wahl. Wir müssen entscheiden, uns einig sein, dann kann es hier funktionieren mit unserer kleinen Gemeinschaft. Von daher ist es richtig, daß Peter nicht die Initiative ergreift und uns offensiv angräbt.
Mit den Ais haben wir geklärt, was die Entwicklung der Kolonie insgesamt anbelangt. Da haben wir Zeit, bis die das wieder ansprechen. Die persönlichen Beziehungen zwischen uns dreien müssen wir selbst klären, da werden sie sich nur notfalls einmischen, falls alles schiefläuft. Somit hängt es also primär an uns beiden, was sich in näherer Zukunft ergibt.“
Susi nickte und küßte mich lieb, erklärte daraufhin: „Ja, mit den Ais haben wir die Situation einstweilen geklärt. Mit Peter ist noch alles in der Schwebe. Das hängt aus meiner Sicht hauptsächlich daran, daß ich mir noch immer nicht so ganz sicher bin, wie es mit uns hier weitergeht, trotz aller Versicherungen. Zusammen werden wir uns allerdings schon einig werden …“
Geklärt hatten wir damit noch immer nichts, aber gut, zu etwas drängen, von dem sie noch nicht überzeugt war, wollte ich sie auch nicht. So hatten wir noch nichts entschieden, ich würde noch einmal nachfragen müssen. Aber das will auch gut durchdacht sein – jedenfalls aus Susis Sichtweise. Und die wollte ich schon ihretwegen respektieren.
Etwas später stellte sie fest: „Du hast ihn ausgesucht, also zur Wiederauferstehung …“
Ich erläuterte sachlich: „Das hatte primär sachliche Gründe in der damaligen Situation. Ich gebe aber schon zu, er hatte sonst gleichfalls meine Aufmerksamkeit. Und wie sich nun herausstellt, hatte ich auch in der Hinsicht eine gute Intuition. Peter ist ein Mann, der zu uns paßt, der uns beiden gefällt. Das ist sehr hilfreich, zumal unsere Neigungen ja nicht so eindeutig sind. Da harmoniert das so doch sehr schön.“
Susi kicherte leise. Sie freundete sich mit dem Gedanken an, daß da etwas laufen sollte.
Entscheiden würden wir das allerdings den Abend nicht mehr. Wir kuschelten uns eng zusammen, schmusten noch etwas herum, um alsdann einzuschlummern.
Mache einen Vorschlag, wie sie weiter vorgehen sollen.
Große Diskussionsrunde
Mit Peter hatten wir nichts konkret verabredet. Susi und ich gingen einfach wieder von meinem Zimmer hinunter in den allgemeinen Bereich. Wir nahmen eine Kleinigkeit zu essen mit. Ich wollte nun doch in den Arbeitsbereich, etwas in die Daten sehen, also weniger in Peters Bereich, aber dieser Fund von Methusalem hatte mein Interesse geweckt.
Ich erzählte Susi davon und merkte an: „Das interessiert mich nun doch. Vielleicht finden wir da ja mehr heraus. Wenn der Brocken so lange Zeit über im Rasol-System gewesen ist, nun ziemlich weit draußen seine Bahnen zieht, könnte doch immerhin sein, daß der im Sinne eines Beobachters des Systems wirklich Spuren aufweist, anhand derer wir eine bessere Idee davon bekommen, wie sich das System über die Zeit entwickelt hat.“
Susanne fragte: „Wie sollte das passiert sein?
Was für Spuren?
Bei einem Brocken, der einfach so durch die Gegend saust?“
Wir waren indessen schon auf dem Weg und ich entwickelte vage Ideen: „Vielleicht können wir etwas über die Historie der Bahn herausfinden, wenn Methusalem eingefangen worden ist, sollte es schon Wechselwirkungen mit dem System gegeben haben. Der Einfang bringt es mit sich, daß kinetische Energie von Methusalem auf andere Körper übertragen wird, sonst würde er allenfalls abgelenkt weiter durch den Raum fliegen.
Eine andere Möglichkeit besteht darin, daß sich auf Methusalem Einschläge von kleineren Gesteinsbrocken finden, die wir vielleicht zeitlich zuordnen können, vielleicht gar woher die Brocken stammen. So haben wir vielleicht wirklich eine bessere Chance, etwa die Entwicklung oder gar Entstehung der Asteroidengürtel besser zu verstehen, vielleicht auch, wie es zu dem Doppelplanetensystem Skylla und Charybdis gekommen ist, warum der eine viel, der andere wenig Wasser hat.“
Susanne war aus nachvollziehbaren Gründen skeptisch: „Wenn du dir da mal nicht zuviel von dem Teil versprichst, so weit draußen, zudem sind das alles ziemlich komplexe Abläufe. Allerdings spannend ist das schon, er hat ja zudem etwas mit uns gemeinsam, wenn er von außerhalb des Systems kommt, schon von daher hat er unsere Aufmerksamkeit verdient.“
Wir lachten beide.
Im Arbeitsbereich angekommen ließen wir uns von Ida die Daten geben und schauten erst einmal. Das war allerhand Kram, aber hinsichtlich der Beantwortung meiner Fragen trotzdem dünn. Immerhin hatte Körk das Gebilde nicht bereits aufgeräumt, dafür war es zu weit draußen, keinerlei Gefahr für Skylla und Charybdis. Inzwischen war Methusalem ein ordentliches Stück von der Hauptekliptik des Rasol-Systems entfernt. Da würde es also etwas Zeit kosten, bis Asi und Stanis dort Ausrüstung für weitere Untersuchung hingeschickt hätten. Daher erschien es mir sinnvoll, zügig ein kleines Projekt zu formulieren, um solch eine nähere Untersuchung bald zu veranlassen.
Später meldete sich Peter. Wir teilten ihm mit, wo wir sind. So war er schnell bei uns. Gut erholt hatte er nun das dringende Bedürfnis, genauer in die Daten über die Biosphären zu schauen. Zuvor fragte er nach unseren Aktivitäten.
Ich zuckte die Schultern, meinte: „Muß mir auch erst einmal wieder einen Überblick verschaffen, wie sich die Situation im Planetensystem in den letzten Jahrzehnten verändert hat, Körk war da ja sehr aktiv. Und ich muß mir auch einmal ansehen, was inzwischen herausgefunden wurde über die Historie des Systems, was über die Planeten. Wenn es genaue Daten über die Planeten gibt, wäre es ja auch möglich, Hypothesen über die Vergangenheit aufzustellen, Stellen zu lokalisieren, wo Proben genommen werden könnten, Untersuchungen förderlich wären, um Hypothesen zu stützen oder zu widerlegen.
Sie haben wohl auch einen Kleinplaneten gefunden, welcher gar nicht aus diesem System zu stammen scheint, älter als dieses ist.“
Peter neigte den Kopf: „Interessant, auch daß das bereits bekannt zu sein scheint.“
Ich fügte hinzu: „Ich hatte bereits die Ehre, ihm einen Namen geben zu dürfen: Methusalem.“
Peter hakte nach: „Wirklich älter als das Rasol-System?
Schon interessant.
Wie kann das sein?
Wie stellt man das Alter eigentlich fest?“
Ich antwortete: „Genaueres habe ich mir noch gar nicht angesehen. Kommt vermutlich aus einem anderen System, wurde von Rasol in einer Wechselwirkung mit verschiedenen Planeten oder Kleinplaneten eingefangen. Letztlich ist es ja ohnehin so, daß schwerere Elemente in Sternen ausgebrütet werden. Irgendwie müssen sie da ja wieder heraus, wenn man sie letztlich hier auf Planeten vorfindet. Ganz schwere Elemente jenseits des Eisens werden ja wohl erst erzeugt, wenn sein Stern in einer Supernova oder einer ähnlich heftigen Explosion genug Druck in gewissen Regionen aufbaut, um die Kerne kleinerer Atome zu den schweren zusammenzudrücken. All das Zeug kommt also zwangsläufig von anderen Systemen, als feiner Sternenstaub ist das Alter allerdings nicht zuzuordnen. Hat ein Sonnensystem jedoch überdies ein Planetensystem, gerät da vorher, besonders in der Entstehungsphase schon einmal etwas durcheinander und ein Planet kann dabei auf Kosten der anderen so viel kinetische Energie bekommen, daß er aus dem System geschleudert wird. Der Vagabund saust daraufhin durch den freien Raum. Wahrscheinlich trifft der nie wieder auf ein Sonnensystem. In diesem Falle war es aber wohl so, daß er zufällig auf das Rasol-System zu geschleudert wurde, dort mit Rasol und den Planeten in mehrfacher Wechselwirkung kinetische Energie verloren hat, so hier eingefangen wurde.
Beim Alter, hmmm, also sicherlich haben Asi und Stanis Proben an verschiedenen Stellen genommen, die nicht nach Einschlagskratern aussahen. Hat sich ein Kleinplanet erst einmal gebildet, hat er genug Struktur, genug Atome für Statistiken, ebenfalls radioaktives Zeug im Gestein, was sich für eine Altersbestimmung eignen kann, weil sich bei einem seismisch nicht aktiven Kleinplaneten ja sonst kaum noch etwas an den Gesteinen, Metallklumpen etc ändert außer dem Zerfall radioaktiven Materials über verschiedene Zerfallsketten.
Alter von Gestein ist allerdings nicht so ganz einfach. Es gibt immerhin bestimmte Gesteinsarten, die aufgrund der Chemie auf typische Weise zusammengesetzt sind. Sind da bereits anfangs radioaktive Isotope drin, ändert sich die Zusammensetzung mit der Zeit. Isotopenverhältnisse und die Verhältnisse der Häufigkeiten verschiedener Elemente sind dann typisch für die Entstehungszeit des Gesteins. Bei Uran oder einem instabilen Isotop von Rubidium etwa kann man so aus der Zusammensetzung von Gestein abschätzen, wann das entstanden ist, also vielleicht gar das Uran bei einer Sternenexplosion, später wohl auch das Gestein, wenn das Uran da charakteristisch eingebaut ist und sich über die Zeit aufgrund der Zerfallsketten der Uran-Isotope typische Häufigkeiten von Elementen und Isotopen herausbilden, die als Uhr verwendet werden können. So in etwa, muß ich mir auch noch genauer anlesen, um da qualifiziert mitreden zu können, Daten kritisch zu interpretieren, eventuell auch brauchbare Vorschläge zu machen.“
Peter nickte und ich fuhr fort: „Hinsichtlich der Frage, wie das Zwillingsplanetensystem entstanden ist, warum es nun auf Charybdis Leben gibt, auf Skylla lediglich eine Wüste mit wenig, chemisch jedoch stark angereichertem Wasser, muß ich mich bei den erhobenen Daten ebenfalls erst auf den aktuellen Stand bringen. Ich muß ja erst einmal wissen, welche Daten wir schon haben, was man daraus lernen kann, welche Daten wir vielleicht mit welchen Experimenten und Beobachtungen generieren sollten, um mehr zu erfahren. Das wird mich schon ganz gut beschäftigen. Da will ich mal nichts überstürzen, mir aber schon genauer ansehen, wie ich mich sinnvoll einbringen kann, um das zu ergänzen und anzureichern oder auch erst zu interpretieren, was bislang in den letzten Jahrzehnten erreicht wurde.“
Peter nickte: „Hört sich doch gut an!“
Susanne fügte zu meinen Ausführungen hinzu: „Das sieht nach komplizierten Datensätzen aus. Vielleicht gelingt es mir ja, da geeignete Algorithmen anzusetzen, damit wir etwas erkennen. Wenn Michaela erst einmal herausgefunden hat, wonach wir genau suchen müssen, etwa hinsichtlich der Altersbestimmung, kann ich da vielleicht helfen.“
Bis zum Abendessen hatten wir noch eine Weile Zeit, so vertieften wir uns also in die Daten. Er meinte: „Also gut, hier auf Skylla scheint es ungefähr nach Plan verlaufen zu sein. Die Ais haben fleißig und gleichzeitig sorgfältig Arten angesiedelt, hauptsächlich robuste Pflanzen, Pilze und Mikroorganismen, um ein funktionierendes, noch einfaches Ökosystem zu bekommen. Hier auf unserer Insel haben sie verstärkt als Gärtner gearbeitet, das System weit entwickelt. An einigen anderen Stellen an den Ufern von Gewässern haben sie ebenfalls gezielt bestimmte, geeignete Arten angesiedelt. Weite Bereiche haben sich allerdings nach der ersten Impfung mit dem Wasser aus dem Asteroidengürtel selbst entwickelt, da wurde nur wenig ergänzt, eher nach Plan und automatisch mit weiteren Impfungen. Die anderen Inseln unserer Inselkette etwa bieten da einen ganz guten Einblick, wie sich aufbauend auf die wenigen Spezies der Impfungen dort ein kleines Ökosystem entwickelt hat.
Auf Charybdis scheint es mehrere Entwicklungsstufen gegeben zu haben. Die ersten haben wir ja begleitet. Inzwischen gibt es ebenfalls ein einfaches Ökosystem basierend auf den irdischen Organismen, die versehentlich aufgrund der Irrläufer der Impfung auf den Planeten gelangt sind.
Aufgrund von Mutationen gibt es ferner eine Kombination von irdischen Mikroorganismen, besonders Pilzen mit charybdianischen Arten. Das funktioniert inzwischen über größere Gebiete ziemlich gut. Meist gibt es eine wilde Mischung von irdischen und charybdianischen Arten.
Was mir jedenfalls komplett neu ist: Es gibt einzelne Proben, die weisen daraufhin, daß nun auch wieder charybdianische Arten, den Pilzen ähnlich mitmischen. Wir dachten, die wären aus dem Spiel. Nun tauchen sie wieder auf, eventuell auch oder weil die irdischen Pilze eine geeignete Umgebung mit Wirtspflanzen vorbereitet haben. Das scheint derzeit aber noch in eher abgelegenen Gebieten die Ausnahme zu sein. Gut möglich also, daß an besonderen Stellen Pilzsporen oder dergleichen die Katastrophe überstanden haben.“
Nach einer kleinen Pause hakte Susanne nach: „Hmmm, heißt das, daß Myke gar nicht gänzlich ausgelöscht ist?“
Peter wackelte mit dem Kopf: „Unwahrscheinlich, daß genau der Organismus überlebt haben sollte, aber so lange nicht aufgetaucht ist, nun aber schon. Genetische Verwandtschaft ist aber da. Ich muß mir das noch genauer ansehen, es scheinen auch verschiedene, unabhängige Organismen an voneinander isolierten Standorten zu sein. Die sind vielleicht auch erst in Gang gekommen, weil die irdischen Arten in Gegenden im Inland vordringen, während Myke mit seinem globalen System ja eher auf Wasser und Ufer beschränkt war. Dort gedeiht der neue Mix ja am besten, dort wäre zu erwarten gewesen, daß er auch wieder auftaucht, wenn er doch überlebt hätte. Der neue Mix taucht aber eher an abgelegeneren Stellen auf. Ich muß mir das aber noch genauer ansehen, wie die Zusammenhänge sind. Die durch den Absorber-Einschlag induzierten tektonischen Aktivitäten damals haben ja auch einige Regionen verändert, gut möglich also, daß da etwas vom zusammenhängenden Wassersystem abgeschnitten wurde. Auf alle isolierten Standorte scheint mir das aber nicht zuzutreffen. Ich werde mir das in den kommenden Tagen sehr genau ansehen müssen, darüber reflektieren, was da los ist, was das bedeutet, für Charybdis, vielleicht auch für uns. Weil wir Charybdis ja weitgehend sich selbst überlassen wollten, hauptsächlich beobachten, allenfalls charybdianische Arten fördern, haben die Ais wohl bei dieser jüngeren Entwicklung der letzten Jahre erst einmal nur Daten aufgenommen. Da werde ich auch nachhaken, aber gut, ihr seid nicht die Biologie-Experten, ich bin erst ganz frisch wieder da, habe bislang nur die Kurzzusammenfassung gehört, also nicht so verblüffend, daß das nicht gleich auf den Tisch gekommen ist.
Nun bin ich aber bereits sehr interessiert, bin schon wieder ganz dabei!“
Ich lächelte, klopfte ihm auf die Schulter: „Mußt es auch nicht gleich übertreiben. Mußt erst einmal die Nachwirkungen der Wiederauferstehung ganz wegstecken. Also ruhig bleiben. Ich vermute mal, das Phänomen wird dir nicht weglaufen.
Und kurzfristig müssen wir doch nichts tun?“
Susanne warf gleich ein: „Klingt doch erst einmal gut, wenn sich auf Charybdis die Pilzarten doch noch erholen, das ursprüngliche Ökosystem doch noch eine Chance hat zu regenerieren, wenn auch nicht in alter Form, so doch in ähnlicher.“
Peter nickte, ergänzte: „Es ist ja nicht wirklich ähnlich zum alten System. Mit den irdischen Organismen ergibt sich eine neue Mischung. Es gibt Mutationen, Anpassungen, eventuell auch ein Austausch von genetischem Material. So entsteht etwas Neues, was sich schnell entwickeln kann. Pilze können teils sehr flexibel auf neue Kontakte reagieren. Von daher ist nicht abzusehen, was da passiert, Kooperationen, Konkurrenzkampf, Adaptionen. Dieser Myke-Type ist sehr aggressiv, sehr dominant. Wenn der hier auf Skylla auftauchen würde, wäre das nicht so gut, auch für uns.“
Susanne fragte: „Wie sollte er nach Skylla kommen?“
Ich ergänzte: „Körk läßt zwar noch aus dem Asteroidengürtel Wasser herabregnen, aber inzwischen in so geringer Menge, daß das einzeln genau gesteuert wird. Irrläufer gibt es nicht mehr. Körk hat ferner den Asteroidengürtel gut aufgeräumt. Unbeabsichtigte Einschläge sollten also auch nicht mehr vorkommen.“
Peter meinte: „Hört sich gut an.“
Ich erläuterte insbesondere für Susanne: „Also, auf der Erde hat man etwa Trümmer von Einschlägen auf dem Mars gefunden. Umgekehrt wird es wohl auch Trümmer von der Erde auf dem Mars geben. Da hat es also einen Austausch gegeben, obwohl die beiden Planeten auf eigenen Umlaufbahnen um die Sonne laufen, deutlich weiter voneinander entfernt sind als Skylla und Charybdis voneinander. Schlägt also ein größerer Brocken auf einem von beiden ein, können kleinere Brocken des Planeten hinaus ins Weltall befördert werden. Sind darauf Organismen, Sporen und dergleichen, ist es zwar ziemlich unwahrscheinlich, daß die ausgerechnet auf dem anderen Planeten landen, dazu den Aufenthalt im Weltraum lange überleben, ebenso den Einschlag, aber möglich ist das. Solche Szenarien sollten aber dank Körk hier nicht mehr vorkommen …“
Peter erklärte: „Früher kann das aber vorgekommen sein. Da waren allerdings die Bedingungen auf Skylla zu ungünstig, als daß sich hier Leben hätte etablieren können. Es könnten aber in geschützten Ecken Sporen überdauert haben. Nun haben wir die Bedingungen auf Skylla deutlich geändert, es lebensfreundlicher gestaltet. Trifft also in solch einer abgelegenen Ecke das irdische Ökosystem auf solche Sporen, sollten diese noch aktiv werden können, könnte sich daraus etwas entwickeln, was von uns nicht beabsichtigt war.“
Ich warf ein: „Wir haben hier aber nicht dieselben Mutationen, Optimierungen von irdischen Organismen wie auf Charybdis, das ist hier deutlich inkompatibler, weil wir nicht zugunsten charybdianischer Organismen eingegriffen haben …“
Peter bestätigte: „Stimmt allerdings. Aber wenn Zeit genug ist, Mutationen gibt es immer, Pilze sind da extrem anpassungsfähig. Ich werden mir schon sehr genau ansehen, was wir für Daten von der Biosphäre von Skylla haben, ob die derzeitigen Untersuchungsmethoden ausreichen, derartige Überraschungen frühzeitig zu erkennen.“
Ich schlug vor: „Wenn du da zu Schlüssen gekommen bist, böte es sich ja an, persönliche Exkursionen zu machen, selbst Proben zu ziehen.
Vielleicht fällt dir ja etwas anderes auf als den Sonden, die derzeit die Proben nehmen?“
Peter nickte: „Gute Idee. Die Möglichkeiten der Sonden sind ja begrenzt. Auf Charybdis haben sie zwar letztlich diese lokalen Besonderheiten gefunden, es hat allerdings lange gedauert. Also, wenn ich mich eingearbeitet habe, sollte ich durchaus solche Exkursionen planen.“
Susanne meinte: „Wir können ja erst einmal hier auf der Insel beginnen. Hier beträfe es uns zuerst. Hier ist das Ökosystem am weitesten entwickelt. Und hier können wir am einfachsten durch die Gegend ziehen, um selbst etwas zu finden.“
Das leuchtete natürlich sofort ein. Hier war es zwar nicht wirklich abgelegen, aus unserer Perspektive heraus. Aber wenn wir weiter weg Exkursionen machen wollten, wäre das deutlich aufwendiger. Da wäre es so oder so nützlich, hier vor Ort erst einmal Erfahrungen zu sammeln, die Ausrüstung und das Verfahren zu optimieren. Peter müßte uns zudem ja erst einmal beibringen, worauf zu achten wäre, wenn wir ihm helfen sollten. So bahnte sich also ziemlich überraschend bereits ein gemeinsames Projekt an, denn keine Frage, bei Exkursionen über die Insel wollten wir natürlich alle dabei sein.
Dann war es Zeit, die Arbeit für den Tag zu beenden und wir setzten uns ans Abendessen. Peter betraf das Abendessen ja eigentlich noch nicht so sehr, trotzdem gesellte er sich zu uns und bekam ebenfalls eine Kleinigkeit von den Ais als erster Schritt zur Umgewöhnung.
So ganz von der Arbeit konnte Peter auch nicht lassen, so meinte er: „Ida?
Hörst du mich?“
Ida antwortete und Peter fuhr fort: „Also, das sind schon allerhand Daten, die da im Laufe der Jahrzehnte von den Sonden gesammelt wurden. Mag ja sein, daß die Ais da irgendwie durchblicken. Ich habe so meine Probleme, das zügig nach Relevanz sortiert zu bekommen, also danach, was für mich gerade relevant ist.
Ida?
Kannst du dazu etwas sagen?“
Ida erklärte: „Bei Relevanz kommt es ja immer auf die Fragestellung an. Nach der Wiederauferstehung habe ich dir ja wirklich nur eine Kurzübersicht gegeben. Hildegard und ich hatten durchaus noch vor, das mit dir ausführlicher durchzugehen, ebenfalls die neueren Entwicklungen auch Charybdis mit den charybdianischen Pilzarten, die uns ebenfalls überraschend waren, andererseits erschien uns das prinzipiell in die richtige Richtung zu gehen, denn die Katastrophe mit dem Absorber-Einschlag war ja nichts, was wir gewollt hätten. Jegliche Besserung der Situation schien uns da erfreulich zu sein. So haben wir eben vorsichtig auch Daten darüber gesammelt, nach unserem gemeinsamen Entschluß waren wir allerdings primär als Beobachter tätig, haben etwa eine weitere Ausbreitung dieser Spezies auch nicht gefördert.“
Peter hakte nach: „Die Proben wurden auf Charybdis ausgewertet?“
Ida bestätigte: „Ja, wir haben da gute Labore an relativ isolierten Standorten. Anfangs haben wir ja den Aufwand nicht gescheut, Proben auch auf die Raumstation zu bringen, um dort zu experimentieren. Es war aber natürlich langfristig einfacher, auf Charybdis Labore zu betreiben. So war es gleichfalls einfacher, eine unerwünschte Kreuzkontamination zu vermeiden. Dafür wurde auf der Raumstation schon erheblicher Aufwand betrieben. In den Laboren auf Charybdis können wir das etwas einfacher umsetzen. Inzwischen ist die praktische Forschung dort, die hier auch Skylla und auf der Raumstation strikt getrennt, um Kontaminationen vorzubeugen. Weil vermieden werden soll, daß insbesondere dortige charybdianische Pilze oder stark mutierte Organismen auf die Raumstation oder gar nach Skylla gelangen, bringen wir inzwischen irdische Spezies oder Material seit langer Zeit nur noch nach Charybdis, holen nichts mehr hoch auf die Raumstation, bringen auch keine charybdianischen Organismen nach Skylla.“
Peter nickte: „Gut. Ich halte die Organismen, die ähnlich wie dieser Myke funktionieren, für ziemlich aggressiv, dominant, flexibel, anpassungsfähig.“
Nun war auch Hildegard dabei und kommentierte: „Das ist auch unsere Einschätzung. Als Gärtner hatte Myke den Planeten komplett im Griff, hat die komplette Biosphäre kontrolliert. Wie dieser Mega-Organismus entstanden ist, konnten wir noch immer nicht so ganz klären, aber gut möglich, daß das letztlich ein Zusammenschluß diverser pilzartiger Organismen war. Ob da nun einer alle andere assimiliert hat, ob die zunächst symbiotisch oder kooperativ waren, erst im Laufe von Millionen von Jahren ein einziger Organismus entstand, wird wohl nicht so einfach herauszufinden sein. Immerhin haben die neueren Entdeckungen ja gezeigt, daß es durchaus verschiedene pilzartige Organismen gibt. Weil die ziemlich isoliert voneinander sind, wissen wir noch nicht, wie die sich verhalten, wenn sie aufeinander treffen, ob das mehr zu Konkurrenz um Ressourcen führt oder zu Kooperation.“
Ich meinte dazu: „Hmm, wenn auf Charybdis in den Laboren sowieso schon Proben vorliegen, könntet ihr doch mal experimentieren, sie in Zweierpaaren auf Nährlösungen zusammenbringen, mal herausfinden, was passiert. Anschließend könntet ihr entsprechend auch Dreier- oder Viererkombinationen testen, Verhalten bei knappen Ressourcen, in Kombination mit irdischen Pilzen, einfacheren Pflanzen von der Erde oder Charybdis. Wenn das dafür verwendete Labor sicher ist und relativ isoliert liegt, sollte das doch machbar sein.“
Peter stimmte zu: „Ja, solche Experimente, sehr vorsichtig durchgeführt, könnten uns bei derartigen Fragen vielleicht weiterbringen, einen Versuch ist es wert. Daneben sollten wir die isolierten Kolonien der einzelnen Spezies genauer beobachten, ebenfalls die Expansion …“
Hildegard erläuterte: „Das läßt sich machen. An jedem Standort einer solchen Kolonie können wir kleinere Labore davon separiert stationieren, diese darauf beschränken zu untersuchen, wie sich die Ausdehnung ändert. Einzelne Proben können wir wie vorgeschlagen in einem abgelegenen, größeren Labor kombinieren und testen, um zu sehen, was passiert.“
Susanne ergänzte: „Bleibt noch das Problem, die bereits vorhandenen und auch neue Daten effizient zu sichten. Wir Menschen können das ja nur im begrenzten Umfang verarbeiten und korrelieren …“
Ida schlug vor: „Das ist auch für uns nicht ganz einfach, wir haben zwar einen besseren Zugriff auf die Daten, die Interpretation, die Herausarbeitung bestimmter Fragestellungen ist allerdings nicht so einfach. Wenn du mit Peter und uns daran arbeitest, sollten wir doch etwas hinbekommen, was hinsichtlich klar definierter Fragestellungen eine Zusammenstellung von Daten erlaubt. Für euch gut visualisiert sollte es euch erleichtern, Schlüsse zu ziehen. So kommen wir da hoffentlich effizient voran und können unsere jeweiligen Stärken gut einsetzen und aus dieser Synergie profitieren.“
Susanne nickte: „Kein Problem, ich bin dabei. Mit Michaela will ich ja auch noch die Daten von Methusalem effizient analysieren. Da habe ich reichlich zu tun.“
Ich warf ein: „Da brauche ich noch etwas Zeit, um mich einzuarbeiten, um die richtigen Fragen stellen zu können, wie wir die Daten auswerten, was die Ergebnisse bedeuten. Inzwischen sollten Stanis und Asi vorbereiten, daß wir mehr Proben auf Methusalem sammeln wollen.“
Ida sagte zu: „Ich veranlasse, daß Stanis und Asi das vorbereiten. Wegen der Entfernungen dauert es ein wenig, bis ein leistungsfähiges System vor Ort ist, aber das ist schon machbar. Die beiden haben da draußen reichlich technische Ressourcen verfügbar, um Objekte zu untersuchen.“
Ich bestätigte: „Gut, ich setze mich daran, die Aufgaben auf Methusalem genauer zu formulieren. Wir haben ja die Hoffnung, über Altersbestimmungen, eingeschlagene Brocken auf Methusalem mehr über die Historie des Rasol-Systems zu erfahren. Vielleicht können wir mehr relevante Daten bekommen, diese unter dem Gesichtspunkt plausibel interpretieren.
Das kann ich erst einmal vorbereiten. Die biologischen Fragen auf Charybdis könnt ihr ja ab morgen gut gemeinsam angehen, um da voranzukommen. Das könnte ja schon direkt für uns relevant sein. Peter hatte da ja einen Einfall …“
Ich schaute zu ihm und er übernahm: „… immerhin doch möglich, daß einst durch Asteroideneinschläge auch Brocken mit Pilzsporen nach Skylla gelangt sind. Wenn wir abschätzen können, wie sich die Arten zueinander und in Verbindung mit irdischen Spezies verhalten, sollte es uns auch leichter fallen, hier auf Skylla zu prüfen, ob es nicht an irgendwelchen abgelegenen Orten doch Sporen gibt, die so hierhergelangt sind und nun aufgrund der inzwischen aktiven Biosphäre eine Chance bekommen, sich hier auszubreiten.“
Hildegard meinte dazu: „Anzeichen dafür gibt es nicht. Aber gut, unsere Sonden haben eher beschränkte Möglichkeiten. Dieser automatischen Probennahme könnte da an abgelegenen Standorten schon etwas entgehen. Ich halte die Anwesenheit solcher charybdianischen Arten hier zwar nicht für wahrscheinlich. Aber wenn wir die hiesige Biosphäre auch auf Anzeichen darauf untersuchen, wird das keineswegs schaden.“
Susanne fragte: „Was tun wir, wenn wir etwas finden sollten, wenn sich dieser Mega-Organismus hier auf Skylla ausbreiten sollte?“
Peter meinte: „Sollte das wirklich eintreten, haben wir hoffentlich in der Zwischenzeit aufgrund der Forschung auf Charybdis genug Erkenntnisse über das Verhalten zusammen, um eine Strategie zu entwickeln, wie wir vorgehen. Bis dahin sollten wir beurteilen können, ob oder wie gefährlich das wäre, wie wir damit umgehen müssen. Im ärgsten Falle müßten wir uns auf das Raumschiff zurückziehen. Denn es wäre einerseits wohl schwierig, gezielt nur gegen solch einen Pilz anzugehen, andererseits wäre es auch fragwürdig, ob wir das überhaupt tun sollten, nachdem es bereits diese Katastrophe mit dem Absorber-Einschlag auf Charybdis gegeben hat.“
Susanne und ich nickten stumm.
Damit hatten wir erst einmal grob die Arbeit für die nächsten Tage, Wochen, Monate abgesteckt. Da gab es viel zu klären. Nach dem Abendessen gönnten wir uns allerdings erst einmal einen ruhigen Abend. Wir spielten ‚Mensch ärgere dich nicht‘ und hatten reichlich Spaß dabei, uns gegenseitig ein wenig zu necken. Wir diskutierten auch kurz, ob Peter uns beim Morgenlauf begleiten wolle. Der verschob das lediglich, bis er den Anzug nicht mehr tragen müsse. Dann wolle er sich gerne beteiligen. Das war natürlich komplett in Ordnung. Wir einigten uns allerdings auf einen gemeinsamen Termin zum Frühstück. Noch würde Peter zwar besondere Kost bekommen, aber zur Einstimmung auf den Arbeitstag war das gemeinsam ein guter Start.
Später im Bett, nachdem wir unsere Leidenschaften ausgiebig nachgegangen waren, fragte mich Susanne: „Wenn es nun wirklich so kommen sollte, daß sich dieser Mega-Organismus auch hier ausweitet, wie steht es dann um uns und unsere Zukunftspläne?“
Ich antwortete: „Wie Peter schon sagte, ich meine auch, für einen Rückzug bleibt uns allemal genug Zeit. Wir haben nicht darum gebeten, auf diese Mission geschickt zu werden. Von daher sind wir dem Missionsziel, den Initiatoren, die uns ohne Nachfrage auf die Reise geschickt haben, nicht verpflichtet. Von daher gelten alleine unsere ethischen Grundsätze, was wir tun oder besser lassen sollten. Wir müssen nicht ohne Rücksicht kolonisieren. Für uns bleibt so oder so schon genug. Ich habe mitbekommen, daß es dir hier auf dem Planeten viel besser geht als auf der Raumstation. Schon deswegen wollen wir mal hoffen, daß wir bleiben können, wovon ich allerdings ausgehe. Immerhin hätte es bislang Jahrzehnte Zeit gegeben, wo sich eine derartige Entwicklung schon hätte zeigen sollen. Andererseits ist Vorsicht besser als Nachsicht.
Allerdings ist jener Pilz hier auf Skylla ebensowenig etabliert wie unsere angesiedelte Biosphäre. Da bleibt die Entscheidung schon bei uns, ob wir ihm hier Raum geben sollen oder eben nicht. Vermutlich existiert er hier ja gar nicht, wenn doch, sollten wir uns darum bemühen, ihn kleinzuhalten.
Ich will nun auch nicht, daß wir oder unsere Nachkommen irgendwann von einem charybdianischen Pilz übernommen werden, welcher so ganz neue Möglichkeiten entwickeln kann, vielleicht sogar Raumfahrt?“
Susanne lachte etwas nervös: „Ein raumfahrender Pilz, der unsere Daten versteht, sich einfach mal auf den Weg zur Erde macht – das muß wirklich nicht sein!“
Ich grinste sie an: „Dazu wird es nicht kommen.
Immerhin, damit wären wir auch wieder beim Punkt Nachwuchs und unser Verhältnis zu Peter …“
Susanne gab zu: „Ich finde ihn sehr nett, ist mir sympathisch. Aber besser kennenlernen steht sowieso erst noch an. Und bei unserem Programm, was wir uns vorgenommen haben, haben wir erst einmal genug zu tun. Da müssen wir in der Hinsicht nicht aktiv werden. Wenn sich etwas von alleine entwickelt, sich die Sympathie stark vertiefen sollte, werden wir weiter diskutieren. Und mit dieser etwas gruseligen Vision von einem assimilierenden Pilz im Hinterkopf mag ich nun auch nicht so dringlich an Nachwuchs denken.“
Ich schlug vor: „Wir könnten einfach mal Ida, Hildegard und Esme fragen, wie die Ais eigentlich dazu stehen, wie sich die Kolonie weiterentwickelt. Immerhin haben diese bis zu unserer Wiederauferstehung hier bereits Jahrzehnte Arbeit reingesteckt. Da könnten sie doch bereits Ideen haben, was als nächstes passieren sollte, insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der unwahrscheinlichen Möglichkeit einer Pilzkontamination.
Oder was meinst du, wie wir vorgehen sollten?“
Susanne gab zu: „Ja, natürlich sollten wir die Ais anhören, also gut, verabreden wir das bei Gelegenheit und hören uns ihre Ideen, Pläne an.
Wenn sie dringlich wären, hätten sie diese allerdings wohl bereits selbst vorgestellt!“
Ich lächelte und erwiderte: „Stimmt allerdings auch wieder.“
Susanne ergänzte: „Wie machen wir das nun konkret?
Doch wohl besser in der großen Runde, also mit den Ais und mit Peter?“
Ich war einverstanden: „Ich dachte zunächst, wir klären das erst einmal nur mit den Ais ab, aber gut, natürlich, Peter ist ja hinsichtlich der Biologie Experte, der kann diesbezüglich gezielter nachhaken. Wenn er beteiligt ist, entwickelt sich die Diskussion bezüglich der eigentlichen Fragestellung der Entwicklung der Kolonie natürlich etwas anders. Dabei geht es doch immer auch um persönliche Vorstellungen über die eigene Zukunft. Da ist unklar, inwieweit Peter sich das bereits überlegt hat oder aber wir schlüssig sind, was wir uns so vorstellen, also gegebenenfalls auf ihn bezogen …“
Susanne erwiderte: „Stimmt, da müßten wir wohl damit heraus, was wir uns miteinander vorstellen könnten. Die Karten gleich in großer Runde auf den Tisch legen zu müssen, könnte etwas heikel werden, weil wir ja doch nicht wissen, was Peter darüber denkt. Und diesen könnte das gänzlich unvorbereitet treffen, weil er ja niemanden hat, mit dem er darüber offen reden könnte, naja, eventuell die Ais?“
Ich lachte, meinte dazu: „Ich vermute, da führt er eher Fachgespräche.
Sollen wir doch lieber bei den Ais alleine vorfühlen?“
Susanne schüttelte überlegend den Kopf: „Einfacher wäre das schon. Andererseits ist es nur fair, Peter dabei nicht auszuschließen. Mag ja sein, daß unter den Umständen die Diskussion eher allgemein bleibt. Wir können ja sehen, wie sich diese entwickelt. Wenn es paßt, du oder ich eine Möglichkeit sehen, das Gespräch in eine persönlichere Richtung zu lenken, tun wir es eben, sonst vertagen wir den Punkt einfach noch einmal …“
Ich lächelte, erwiderte: „Ich bin gespannt, wie du spontan aus dem Stehgreif die Diskussion in die Richtung drehen wirst …“
Susanne lachte nervös, antwortete: „Da hast du allerdings die größeren Talente, gebe ich zu, also schon wahrscheinlicher, daß das an dir hängenbleibt …“
Ich lachte und Susanne stimmte mit ein. Wir küßten einander und kuschelten uns vertraut aneinander.
Den nächsten Morgen liefen wir also noch einmal ohne Peter los. Wie nutzten diese Zweisamkeit, stürzten uns in den Badesee und vergnügten uns da heftig miteinander. So kürzten wir den Morgenlauf im Anschluß etwas ab, um nach dem Duschen pünktlich zum Frühstück mit Peter zu erscheinen.
Danach ging es an die Arbeit. Wie abgesprochen gesellte sich Susanne zu Peter und sie diskutierten, was sie sie tun könnten, um die Daten effektiv zu durchforsten. Später zogen sie wohl auch Hildegard und Ida hinzu, um da zügig weiterzukommen.
Ich widmete mich hingegen der Geologie und Geochronologie, kam da auch gut voran, das war bereits ein vielversprechender Anfang, auf den ich nun aufbauen konnte.
So nutzte ich ebenso den Nachmittag, um mich weiter in die Geochronologie und Gesteinsdatierung einzuarbeiten. Was auf der Erde, allgemeiner im Sonnensystem funktionierte, mochte hier im Rasol-System etwas andere Voraussetzungen haben. Allerdings hatten Asi und Stanis reichlich Proben aus dem System, somit ebenfalls eine gute Grundlage, um einerseits das Alter des Rasol-Systems aus verschiedenen Methoden zu bestimmen, andererseits gleichfalls Unterschiede, besondere Zusammensetzungen der Materialien von Methusalem. Daher waren die Schlußfolgerungen der Ais schon überzeugend. Methusalem paßte in seiner Hauptmasse, also abgesehen von eindeutig jüngeren Einschlägen, nicht in das sonstige Muster. Ein Einfang in das Rasol-System war also schon plausibel. Ich beschloß, mir das noch näher anzusehen.
Welche Zerfallsreihen hatten sie sich angesehen, welche Isotopen- und Elementenverhältnisse hatten sie analysiert, wo hatten sie Proben genommen?
Wenn ich mich da weiter einarbeitete, sollte es mir gelingen, weitere Vorschläge zu machen, was noch zu untersuchen wäre, welche weiteren Zerfallsreihen wir nutzen könnten, um die Hypothese noch besser abzusichern?
Ich wollte es versuchen und mich da hineinfuchsen.
Wenn Methusalem doch nur ein Kleinplanet ist, war doch davon auszugehen, daß er bei einem Einfang einst mit erheblicher Relativgeschwindigkeit in das Rasol-System gekommen ist. Betrachtet man nun ein einfaches Modell von zwei Punktmassen in einer gravitativen Wechselwirkung, so käme es nie zu einem Einfang. Bei einem solchen ist es immer notwendig, die überschüssige kinetische Energie irgendwie anders zu verteilen. Bei einem System aus mehr als zwei Körpern ist das möglich. Im Extremfall kann da etwa ein anderer Körper aus dem System geschleudert werden, ein größerer Planet könnte bei einer Wechselwirkung allerdings auch auf eine etwas energiereichere Bahn um Rasol verschoben werden, um die Energie so anders im System zu verteilen. Kommt es gar zu Einschlägen, kann ein Teil der kinetischen Energie auch in Wärme umgesetzt werden. Zwar gilt insgesamt immer noch die Impulserhaltung, trotzdem ist so bei komplexen, ausgedehnten Massen ein Einfang möglich. Erhaltung der Gesamtenergie, von Impuls und Drehimpuls ist gegeben, sie werden lediglich unter den beteiligten Objekten anders verteilt.
Obgleich solch ein Kleinplanet schon winzig ist im Vergleich mit den Gasriesen oder gar mit Rasol selbst, sollte solch ein Einfang bei den Planeten hingegen schon Spuren hinterlassen haben, von diesen hätten also wohl mindestens zwei ihre Bahnen geändert, vermutlich waren auch Bahnen diverser Kleinkörper wie Asteroiden geändert worden, mit der Wirkung von heftigeren Asteroidenschauern auf die Planeten in die folgenden Jahrhunderten oder Jahrtausenden. Häufungen von Ereignissen könnten also auf den Einfang hindeuten, mit Glück mit diesem eindeutig in Bezug gebracht werden.
Den Tag brachten wir also gut mit Forschung herum. Abends berichteten wir über unsere Fortschritte.
Susanne und Peter waren mit den Ais ein Stück weitergekommen. Einerseits konnten sie nun schon erheblich besser formulieren, was auf Charybdis genau untersucht werden sollte, welche Experimente stattfinden sollten. Dabei sollte es, wie bereits angeregt, insbesondere um die Fragen gehen, welche der charybdianischen Pilze mit welche Organismen unter welchen Umständen kooperieren, konkurrieren, ob es dabei zu Übernahmen, Assimilationen, Angriffen, Verdrängungen kommt. Damit konnten die Ais schnell beginnen. Die Untersuchung der lokal isolierten Populationen war schon von der Idee her längerfristig angelegt. Das war ja schon am Laufen, wurde nun intensiver untersucht, mit eigenen kleinen Laboren dafür ergänzt.
Peter durfte inzwischen schon mehr essen. Er kam bereits gut zurecht. So war vorgesehen, daß er im Laufe des nächsten Tages morgens noch einmal untersucht werden sollte, danach voraussichtlich den Anzug ablegen, worauf er normal wie wir mitessen würde dürfen. Somit würde Susanne vormittags hauptsächlich alleine an den Bio-Daten arbeiten, ich weiter etwas über Geochronologie lernen.
Nach Morgenlauf und Frühstück gingen Susanne und ich wieder in die Arbeitsecke, kümmerten uns um unsere Forschungsprojekte. Peter hatte seinen Termin, um die Wiederauferstehung abzuschließen.
Die Analyse von Zerfallsreihen ist komplex. Ich hakte bei Ida und Körk nach. Die Ais hatten schon allerhand analysiert, räumten allerdings ein, bei Methusalem nicht wirklich in Details gegangen zu sein. Allerdings hatten wir reichlich Daten und Stanis und Asi zeigten ebenfalls Interesse, auch für sie war es irgendwie relevant, daß so ihre Forschungsarbeit auch in der Kolonie mehr Aufmerksamkeit bekam. So waren sie gerne bereit, Methusalem genauer zu untersuchen, auf Vorschläge einzugehen, bisherige Arbeiten zu erläutern, um so zu einem stimmigen Projekt zu kommen, Ziele genauer festzulegen, einen Plan zu haben, was wir eigentlich wissen wollen, wie uns Methusalem dabei helfen könnte. Schnell hatte ich mit Hilfe der Ais jedenfalls eine lange Liste von Möglichkeiten, wie das Alter von Gestein bestimmt werden kann, ebenso eine lange Liste von Daten über die Zusammensetzung verschiedener Bereiche von Methusalem. Ich hatte die Idee, daß wir Susanne hinzuziehen könnten, um diese zu motivieren, mit ihren Kenntnissen Ordnung in die Daten zu bekommen, sie für Menschen zugänglicher zu visualisieren und Korrelationen einfacher prüfen oder entdecken zu können, die in den Daten bereits verborgen sein könnten, allgemein Korrelationen herauszuarbeiten und unsere Hypothesen so unter Ausnutzung aller verfügbaren Daten effizient auszuwerten.
Dabei könnten wir entscheidend davon profitieren, die gewaltigen Datenbanken und das hohe Rechentempo der Ais mit unseren menschlichen Impulsen, Idee, Assoziationen bei der Sichtung der visualisierten Daten zu kombinieren, um zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Diese Kombination hatte sich bislang sehr nützlich erwiesen, weil wir so die jeweiligen Stärken von Ais und Menschen gut einsetzen, die Schwächen wiederum gegenseitig kompensieren.
Ich war irgendwann ungefähr auf dem Laufenden, hatte also einen gewissen Abschluß erreicht. Daher schlenderte ich zu Susanne hinüber, um zu sehen, was diese so machte. Anfangs war sie so vertieft, daß sie mich gar nicht bemerkte. Als sie doch aufsah, lächelte sie mich an, wir grinsten beide. Susanne erklärte grob, was sie gerade machte. Sie war gut vorangekommen und konnte bereits ein paar Visualisierungen vorweisen. Die Pilze konnten die irdischen Mikroorganismen und Pflanzen ganz gut nutzen, um sich vom Startort allmählich weiter auszudehnen. Über Land schien das Tempo aber noch überschaubar zu sein. Von daher würde es noch ziemlich lange dauern, bis die verschiedenen Spezies irgendwo zusammenträfen. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit hängt zudem natürlich von den Umweltbedingungen und der Spezies ab. Von daher war kaum solide abzuschätzen, wann es zu einem ersten Zusammentreffen kommen würde.
Ich berichtete über meinen frischen Wissenszuwachs, ebenso den bereits abzusehenden Bedarf, bei den komplexen Zerfallsreihen effizient vorgehen zu müssen, optimieren zu müssen, Daten visualisieren. Da war Susanne abermals gefragt. Wir mußten also sinnvoll einteilen, zu einer sinnvollen Reihenfolge kommen. Nun war es wichtiger, daß wir beim Bio-Projekt zügig zu verstehbaren Ergebnissen kamen, von daher war da die Priorität. Susanne war aber nahe an einem Zwischenergebnis. Von daher meinte sie, sie könne wohl bereits den nächsten Tag bei meinem Projekt in die Daten schauen, sich das passend einteilen, so an beiden Sachen arbeiten, um beides voranzubringen. Eigentlich war ihr Anteil an meinem Projekt ohnehin überschaubarer als das, was sich noch aus dem Bio-Projekt ergeben mochte. So war es ebenfalls plausibel, mein Projekt zwischendurch in einen guten Zustand zu bringen. Damit mußte Susanne anschließend und im Detail nicht mehr so viel zu tun haben, nicht mehr weiter entwickeln. Wenn wir da erst einmal effiziente Algorithmen hätten, läge es wohl im Anschluß mehr bei mir, die Programme zu verwenden, Schlüsse zu ziehen, zu berichten, damit wir gemeinsam darüber diskutieren könnten. So waren wir uns über die weitere Zeiteinteilung schnell einig.
Zum Mittag war auch Peter mit der Untersuchung durch, trug nun statt des speziellen Anzuges wieder die lockere Kleidung, nahm fast normal am Essen teil, ließ sich von uns berichten.
Anschließend kam ich zum zwischen Susanne und mir besprochenen Anliegen: „Susanne und ich haben mal darüber spekuliert und wir dachten uns, es wäre mal eine gute Idee, in großer Runde darüber nachzusinnen, wie es mit der Kolonie weitergehen soll, wie sich diese entwickeln soll. Die Ais könnten mal ihre Karten auf den Tisch legen, wie ihre Pläne eigentlich konkret aussehen, wir könnte auch persönliche Vorstellungen einbringen. In der jetzigen Konstellation kann sich da ja alleine wenig entwickeln.
Peter, was hältst du davon?“
Dieser nickte, bestätigte: „Ja, können wir gerne machen. So viel habe ich noch gar nicht darüber nachgedacht. Ich war irgendwie immer mittendrin in der Forschungsarbeit, habe mich vertieft in diesen Fragen. Aber ist desgleichen klar, wenn sich unsere Kolonie entwickeln soll, müssen wir dies mit den Ais irgendwie in die Wege leiten …“
Damit waren wir uns einig. Im Anschluß verabredeten wir mit den Ais zum Abendessen eine große Runde zu dem Thema.
Den Rest des Tages bereitete ich vor, was ich Susanne erklären mußte, um dieser einen schnellen Einstieg in das Problem zu ermöglichen. Als ich damit fertig war, schaute ich mir Daten an, welche wir über Skylla und Charybdis hatten, fragte bei den Ais nach und beriet mich mit Ida schon einmal darüber, wie wir aus den vorhandenen Daten vielleicht mehr herausholen könnten, um neue Erkenntnisse über die beiden Planeten und ihre Vergangenheit zu bekommen. Da schien schon noch etwas zu gehen, es wurde uns allerdings relativ schnell klar, daß wir detailliertere Daten brauchen würden, um Hypothesen stichhaltig zu prüfen oder auch neue zu entwickeln. Ida konnte da wirklich allerhand bieten, was umsetzbar wäre, aufgrund vorhandener Pläne oder Module gar mit begrenzten Aufwand und relativ kurzfristig.
Per Satellit sollten so in den nächsten Wochen deutlich mehr Daten gesammelt werden, insbesondere über ein breiteres Frequenzspektrum verteilt, Radar, Infrarot, sichtbar mit besserer Auflösung, Ultraviolett bis fast hinein in den Röntgenbereich, wobei wir bei hohen Energien von den Planeten nicht viel erwarteten. Von daher war es eher relevant, bei niedrigen Energien, auch mit aktiven Systemen neue Informationen zu bekommen.
Die Planeten haben auch starke Magnetfelder. Eine präzise Vermessung der Magnetfelder wäre ebenfalls möglich. Allerdings hatten wir da bereits gute Daten, jedoch mehr im globalen Maßstab. Ich wollte deutlich höhere lokale Auflösungen, um Anomalien in der Planetenkruste aufzuspüren, vielleicht also eingeschlagene, magnetisierte Metall-Asteroiden oder andere Objekte mit deutlichem Einfluß auf das lokale Magnetfeld. Auch das war mit Sonden und Satelliten noch deutlich über das ausbaubar, was bislang an Daten aufgenommen wurde.
Schnell hatte ich auch den Gedanken, nicht nur elektromagnetische Strahlung zu analysieren. Ich schlug vor, eine Gruppe von Satelliten relativ eng benachbart fliegen zu lassen, damit über Abstandsänderungen unter ihnen Informationen über Gravitationsänderungen zu detektieren. Unterschiedliche Dichten im Erdmantel führen zu einer gewissen Ungleichmäßigkeit der Schwerkraft, welche sich auch auf die Bahnen von Satelliten auswirkt. Hat man nun welche mit geeigneten Meßgeräten und mißt untereinander Abstände, so ergibt das Abweichungen von Sollbahnen um einen Rotationsellipsoiden. Wird der Einfluß von Rasol und Skylla, beziehungsweise Charybdis auf das Potential herausgerechnet, ergibt sich so eine Strukturinformation über den jeweils untersuchten Planeten. Zusammen mit den anderen Messungen bekämen wir so Informationen über die Kartoffeligkeit der Planeten, also die Abweichung von der Form eines Rotationsellipsoiden.
Ida versprach, aufgrund von Daten über entsprechende irdische Projekte alsbald einen Vorschlag zu machen, wie wir dies umsetzen könnten. Einmal in Fahrt gekommen hakte ich gleich nach und brachte ins Spiel, daß es doch auch möglich sei, über seismische Messungen, also im Grunde durch den Planetenkörper wandernde Schall- und Druckwellen, Scherungen etc Informationen über den Aufbau des Planeten zu bekommen. Skylla und Charybdis sind ja seismisch aktiv, haben eine aktive Plattentektonik. Ida informierte, daß sie hinsichtlich der seismischen Aktivitäten bislang eher aus technischen Gründen Daten gesammelt hätten, primär also, um einen geeigneten Standort für die Kolonie auszuwählen, welcher von Erdbeben, Vulkanausbrüchen, dem ganzen Drama der Tektonik nicht wesentlich betroffen sei. Das würde sich allerdings kaum eignen, um genauere Aussagen über den Aufbau des Planeten zu machen. Bei der Plattentektonik hätten sie schon einen groben Überblick, um Feinheiten hätten sie sich allerdings bislang nicht gekümmert. So hatten wir hier gleich ein weiteres Projekt, welches wir zunächst einmal mit passiven Detektoren angehen wollten. Also zunächst eine größere Anzahl von empfindlichen Detektoren bauen, diese mit guter Auflösung verteilen und alsdann damit die durch Erdbeben erzeugten Daten analysieren und Rückschlüsse ziehen. Laufzeiten von Wellen durch den Planeten zu den jeweiligen Detektoren, die überall auf dem Planeten messen, ermöglichen Rückschlüsse auf die Schichtung und die Dichten von Schichten, wo gibt es an Schichtgrenzen Reflexionen, wo gibt es bei der Schichtung auffällige Deformationen, etwa durch Asteroiden-Einschläge hervorgerufen. In einer späteren Ausbaustufe könnten wir das auch mit unterirdischen Sprengungen ergänzen, um Daten in anderen Frequenzbereichen und mit präzise lokalisierbaren Quellen zu generieren.
Damit jedenfalls sollten wir erheblich weiterkommen und es würde möglich werden, jedenfalls ein Stück weit in die Planeten hineinzusehen, eventuell eben auch Einschläge zu entdecken, die Hinweise darauf geben könnten, wann es auf welchem Planeten zu einer größeren Einschlagskatastrophe gekommen ist. Deformationen und stark ungleichmäßige Verteilung der Dichten und des Magnetfeldes im Planetenkörper könnten ferner auf größere Katastrophen hinweisen, etwa einen streifenden Zusammenstoß mit einem anderen Körper, welcher dazu geführt haben mochte, daß sich die beiden Zwillingsplaneten hinsichtlich der Ansiedlung von Leben komplett unterschiedlich entwickelt hatten.
Wie von ihr abgeschätzt und nun wieder zusammen mit Peter kam Susanne wirklich bis zum Abend zu einem guten Zwischenergebnis. So saßen wir kurz vor dem Abendessen bereits zusammen und teilten uns den aktuellen Stand mit. Sie waren so weit gekommen, daß Peter erst einmal den nächsten Tag versuchten wollte zu gucken, was er mit den neuen Möglichkeiten für Erkenntnisse aus bislang vorhandenen Daten erlangen kann. Somit hatte Susanne wirklich Zeit, in mein Projekt einzusteigen.
Wie verabredet trafen die Ais zu unserem Abendessen mit ihren Avataren ein, also genauer Ida, Esme, Hildegard und sogar überdies Körk. Stanis sowie Asi hörten ebenfalls mit, hatten allerdings bereits zu Protokoll gegeben, daß sie in dieser Frage die Positionen der Ais weitgehend von Ida vertreten sahen, was die anderen Ais im Grunde ebenfalls so sahen, trotzdem waren diese wunschgemäß komplett mit ihren Avataren erschienen, wohl primär, weil wir die Anregung zu einer großen Runde gegeben hatten. Stanis und Asi haben ja nun keine Avatare, hatten mehr mit anderen Bereichen der Mission zu tun, von daher war ihr lediglich sehr zurückhaltende Position natürlich komplett in Ordnung.
Ich begann: „Also gut, Susanne und ich hatten uns ursprünglich überlegt, die Frage in großer Runde gemeinsam anzugehen.
Wie sehen nun eigentlich unsere Pläne aus, wie sich die Kolonie entwickeln soll?
Ihr Ais habt ja sehr viel Arbeit über Jahrzehnte reingesteckt.
Wie soll es aus eurer Sicht nun weitergehen?“
Ida erläuterte bereitwillig: „Wir hatten uns zunächst primär mit der Entwicklung der Biosphäre beschäftigt, ebenso mit der Errichtung der Koloniegebäude, der Nahrungsgrundlagen und der Ansiedlung einer besonders reichhaltigen Flora hier auf dieser Insel. Bedingt durch seine Qualifikation wird Peter da vermutlich noch tiefer einsteigen, allgemein könnt ihr natürlich alle eure Vorstellungen und Ideen einbringen, um unsere Mission voranzubringen …“
Peter bestätigte: „Klar, da bin ich dabei.“
Hildegard merkte an: „Die weitere Entwicklung der Biosphäre wird uns noch über Jahrzehnte, im Grunde Jahrhunderte beschäftigen, wenn wir auch bereits jetzt, insbesondere auf dieser Insel gut vorangekommen sind. Das braucht eben alles Zeit, Biosphären in ihrer Dynamik sehr komplex, brauchen künstlich erzeugt über lange Zeit ständige Aufmerksamkeit, weil nie genau vorhersehbar ist, was wie mutiert, sich anpaßt oder anders läuft, als zunächst vermutet. Es dauert also lange Zeit, bis sich ein dynamisches Gleichgewicht einstellt, welches nicht mehr betreut oder ergänzt werden braucht, weil es komplett selbständig überlebens- und entwicklungsfähig ist. Aber das macht auch den Reiz der Angelegenheit aus.“
Ich entgegnete: „Schon klar, daß uns das noch lange beschäftigen wird.
Wir dachten hinsichtlich des heutigen Themas auch eher an die soziale Entwicklung der Kolonie, was habt ihr da für Pläne?“
Nun antwortete Esme: „Nachdem die Voraussetzungen geschaffen waren, dachten wir uns, daß die Zeit gekommen wäre, euch wieder zu beteiligen, letztlich geht es ja um eine menschliche Kolonie, nicht nur um eine Etablierung einer Biosphäre, wobei in beiden Fällen eine komplexe Aufgabenstellung vorliegt, bis das jeweils stabil funktioniert. Die weitere Entwicklung hängt somit maßgeblich von euch Menschen ab. Wir haben schon grobe Pläne, nach denen wir vorgehen könnten, aber das ist alles kein Automatismus.“
Körk ergänzte: „Hinsichtlich der sozialen, zwischenmenschlichen Aspekte trauen wir euch mehr zu. Unsere Vorstellung ist, daß sich diese Kolonie entweder von euch aus von selbst entwickelt, wenn ihr euch eingelebt habt. Oder wir machen irgendwann Vorschläge, wenn wir den Eindruck haben, daß ihr euch so weit gut eingelebt habt, daß Zeit für eine Erweiterung der Kolonie wäre. Die Ziele der Mission sind ja klar, zudem ist beim menschlichen Naturell zu erwarten, daß ihr irgendwann Vorstellungen entwickelt, wie es weitergeht. Die Kolonie bietet zunächst ja lediglich die technischen Voraussetzungen …“
Susanne wollte wissen: „Also gut, einen festen Plan gibt es offenbar für die Mission nicht. Es hängt also an uns allen.
Esmeralda, welche groben Pläne wurden uns denn mitgegeben, die derzeit relevant wären?“
Esmeralda antwortete: „Eine Strategie besteht darin, nach Bedarf oder auch im größeren Stil mehr Kryo-Zombies wiederauferstehen zu lassen, so eine Anfangsbevölkerung der Kolonie zu etablieren. Dabei ist schon klar, daß diese Leute bedingt durch den Anlaß ihrer Konservierung und den neuen Aufenthaltsort zunächst etwas angeschlagen sein werden. Das kann einerseits problematisch werden, bei einer größeren Anzahl von Personen könnte sich allerdings auch eine Solidarisierung ergeben, die Leute helfen sich gegenseitig. Wir könnten natürlich ebenfalls weiterhin einzeln vorgehen, also lediglich alle paar Monate eine Person hinzunehmen, welche wir in die Kolonie mit viel gemeinsamer Aufmerksamkeit integrieren, bevor die nächste Person wiederauferstanden wird.
Alternativ dazu gibt es ein Brutkästenprojekt, bei diesem werden in künstlichen Brutkästen Kinder ausgetragen, welche aus dem vorhandenen genetischen Material unserer Datenbanken erzeugt werden. Diese Kinder wachsen sodann gleich hier als Ureinwohner auf, sind also unbelastet von der Vergangenheit, benötigen als Kinder allerdings die besondere Betreuung. Um eine Kolonie mit einer haltbaren, zukunftsfähigen Altersstruktur zu bekommen, wird dieses Projekt ohnehin vermutlich beginnen müssen. Zwar können die Kryo-Zombies bei hinreichender Anzahl auch eigene Kinder zeugen, es wird aber wohl trotzdem notwendig sein, die genetische Vielfalt mit zusätzlichen Kindern aus dem Brutkästenprojekt zu steigern. So hängt es also an der Mischung der verschiedenen Möglichkeiten, was wann in welchem Umfang umgesetzt werden könnte.“
Susanne und ich nickten nachdenklich. Peter fuhr sich mit einer Hand durch die Haare, lehnte sich zurück.
Klar war uns bereits, daß es noch reichlich Kryo-Zombies gibt. Die Angelegenheit mit dem Brutkästenprojekt war uns neu. So würden die Ais im Bedarfsfalle die Mission auch ohne unsere Beteiligung fortführen können.
Nach einer kleinen Pause fuhr Ida fort: „Folglich hängt es an uns allen, daß wir uns auf ein Vorgehen einigen. Das hat nun keine Eile. Da ihr beide, Michaela und Susanne, ein Paar seid, kann etwa Hildegard euch noch genauer erläutern, wie ihr beide zusammen gemeinsame Kinder haben könntet, wenn ihr wolltet.“
Susanne und ich staunten, ich erwiderte: „Hmmm, interessant, was es für Möglichkeiten gibt.
Gehört es denn zu eurer Planung, daß wir uns mit eigenen Kindern beteiligen?“
Susanne lachte etwas nervös.
Ida antwortete: „Da drängen wir euch sicherlich zu nichts. Das müßt ihr unter euch ausmachen, ob oder auch wer mit wem, wenn es erst mehr Einwohner in der Kolonie gibt. Derzeit sind die Möglichkeiten ja überschaubar, auf genetisches Material aus unseren Vorrat könnte ihr selbstverständlich ebenfalls zugreifen, zusammen oder unabhängig voneinander, gilt selbst für Peter, denn mit den Brutkästen hat er ja ebenfalls eine unabhängige Möglichkeit. Bei diesbezüglichen persönlichen Entscheidungen von euch kommen allenfalls medizinische Ratschläge und Hilfen von unserer Seite. Was eben notwendig ist, um optimale Voraussetzungen für die Kinder bereitzustellen. Wir unterstützen euch bei euren Wünschen und Plänen bezogen auf Nachwuchs. Wir drängen euch aber keinesfalls in dieser Hinsicht zu persönlichem Engagement. Mit der Kolonie, unsere medizinischen Möglichkeiten haben wir alles zusammen, um den Kindern eine gute Umgebung zu bieten, um gesund und glücklich zu leben. Die Entscheidung für eigene Kinder und in welcher Kombination liegt allerdings alleine bei euch. Das ist zu persönlich, um euch da reinzureden.“
Esme betonte: „Wenn Redebedarf oder außerdem Informationsbedarf besteht, sind wir natürlich für euch da. Wir drängen hingegen zu nichts. Wenn es genug Einwohner gibt, dürfte sich ohnehin eine Eigendynamik einstellen, welche bei Bedarf in sinnvollem Umfange mit dem Brutkästenprojekt unterstützt oder ergänzt werden kann.“
Körk betonte: „Von daher seid ihr selbstverständlich frei in euren persönlichen Entscheidungen. Sicherlich gibt es in keiner Weise irgendeine Erwartungshaltung oder Druck durch das Missionsziel.“
Susanne wollte noch wissen: „Wie seht ihr nun die äußeren Rahmenbedingungen, Voraussetzungen?
Sind wir sicher, um uns hier endgültig einzurichten, ist es die richtige Zeit für Kinder?
Nehmen wir etwa das Brutkästenprojekt, geht ihr davon aus, daß das in den nächsten Jahren gestartet werden sollte?
Bei einer größeren Population wäre ein Rückzug zurück auf die Raumstation ja ausgeschlossen …“
Ida entgegnete: „Wenn du auf die Hypothese mit dem Pilz anspielst: Wir sind uns wohl einig, daß die Wahrscheinlichkeit dafür gering ist. Zudem haben wir weitgehende Kenntnisse sowie Möglichkeiten, um die Kolonie vor Unheil zu bewahren. Von daher haben Kinder hier eine sichere, friedliche Heimat. Die Umwelt entwickeln wir weiter.
Bei Streitigkeiten bei einer größeren Anzahl von Kryo-Zombies können wir gar notfalls innerhalb vielleicht ein paar Wochen improvisiert an einem anderen Ort auf diesem Planeten eine Kolonie anbieten, innerhalb von einem Jahr ebenfalls bereits gut ausgebaut. Für Probleme werden wir Lösungen finden. Das ist bei unseren Möglichkeiten, der kleinen Anzahl von Personen doch deutlich einfacher als zu eurer Zeit damals auf der Erde.
Was das Brutkästenprojekt anbelangt, so erscheint es durchaus angemessen, damit im Laufe der nächsten Jahre zu beginnen. In der Tat, spätestens wenn das anläuft, wäre die Option Rückzug zunehmend unwahrscheinlicher.“
Wir nickten, ich erwiderte: „Im Grunde sehe ich das ähnlich entspannt hinsichtlich möglicher sozialer Konflikte. Es gibt notfalls genug Platz, um sich aus dem Wege zu gehen.
Fazit also: Es liegt viel bei uns, nach einer Eingewöhnungszeit – ein Jahr oder so eventuell – würdet ihr aber wohl eine Diskussion anstrengen, wie es weitergeht?“
Ida stimmte zu: „So in etwa. Das wissenschaftliche Programm bringt uns ebenfalls weiter. Dabei bringt ihr neue Aspekte ein, welche die Mission ebenfalls voranbringen. Auch da legt ihr also die Schwerpunkte mit uns fest oder eben implizit dadurch, was euch wichtig erscheint. Also gibt es für euch keinen Streß, keinen Druck. Lebt euch ein, laßt die Umgebung auf euch wirken. Erst einmal könnt ihr weitgehend festlegen, ob oder wann oder warum es um Kryo-Zombies gehen soll. Wenn wir der Meinung sind, etwa mit dem Brutkästenprojekt einen wichtigen Beitrag leisten zu können, werden wir das Thema aufbringen, allerdings nicht aufdrängen. Wir sollten alle flexibel und gelassen bleiben. Nur so können wir hier eine friedliche Heimat für alle Einwohner der Kolonie schaffen. Es kommt ja nicht darauf an, innerhalb der nächsten hundert Jahre etwa Millionen von Einwohnern zu haben. Zuviele Leute haben ja bereits auf der Erde für reichlich Probleme gesorgt, von daher also größere Änderungen bedacht und einstimmig angehen …“
Peter versicherte nun ebenfalls: „Hinsichtlich einer möglichen Pilz-Kontamination sollten wir das entspannt sehen. Sollten wir wirklich damit konfrontiert werden, bekommen wir das hin. Ich meine ebenfalls, mit dem Brutkästenprojekt müssen wir das nicht gleich überstürzen, erst einmal in aller Ruhe hier einleben, die Forschungsprojekte voranbringen, wären meine Präferenzen …“
Ich hakte nach: „Also gut.
Aber wie sieht es mit deinen persönlichen Bedürfnissen aus?
Susanne und ich kommen ja so ganz gut miteinander zurecht. Du bist da aber etwas außen vor.
Was stellst du dir vor?
Käme es für dich in Frage, zum Beispiel zeitnah einen weiteren Kryo-Zombie wiederauferstehen zu lassen, um unseren kleinen Kreis etwas zu erweitern?“
Peter lachte verlegen, antwortete: „Nunja, es wäre dabei doch unbestimmt, ob diese Erweiterung alsdann meinen persönlichen Bedürfnissen zugute käme. sofern du darauf hinaus willst.
Wäre es zudem nicht ethisch ein wenig bedenklich, mit dem konkreten Ziel eine bestimmte Person wiederauferstehen zu lassen, weil sich vielleicht an ihren Daten gerade meine Phantasien entzünden, ich ein dringliches Interesse entwickele, von dem gänzlich ungewiß wäre, ob diese Person Lust darauf hat, dies zu erwidern?“
Wir lachten alle, Susanne meinte: „Das Risiko ist natürlich immer gegeben. Aber wer nichts riskiert, wird es auch niemals herausfinden.“
Peter bestätigte: „Stimmt schon. Jedoch persönliche Sehnsüchte oder auch Illusionen als Begründung vorgeben zu müssen, eine Person aus dem Dornröschenschlaf erweckt zu haben, scheint mir jedenfalls ziemlich zweifelhaft zu sein …“
Hildegard merkte an: „Wenn mehrere Kryo-Zombies zur allgemeinen Entwicklung der Kolonie wiederauferstanden würden, wäre das ja ein hinreichender Grund, die Situation deutlich offener. Nichts ist festgelegt, niemand sollte sich gedrängt fühlen …“
Peter nickte, antwortete: „Stimmt allerdings, das klingt deutlich plausibler. Da wir uns allerdings um mehrere Personen kümmern müßten, die nach der Wiederauferstehung erst einmal allerhand zu verarbeiten haben, wird uns das erheblich fordern, das ist also sicherlich nichts, was wir übers Knie brechen sollten. Erst einmal einleben, dafür ist die derzeitige Konstellation schon deutlich überschaubarer. Ich will ja einräumen, daß es verlockend ist, wenn einen jemand wirklich interessiert. Ein Neutrum bin auch ich nicht. Aber selbst bei einem gewissen persönlichen Interesse wäre es schon sehr nützlich, wenn diese Person beim aktuellen Stand unserer Mission, der Forschungsprojekte gute Beiträge liefern könnte, sich deswegen schon leicht integrieren könnte, nicht allein über einen möglichen persönlichen Bezug. Bei unseren Projekten könnten wir also schon etwas aufmerksamer sein, überlegen, ob wir da nicht Ergänzung brauchen könnten. Einstweilen möchte ich auch das aber eigentlich nicht überstürzen. Wir drei, dazu ihr Ais, wir kommen schon einmal gut zurecht. Das sollten wir zunächst erst einmal weiter etablieren, bevor wir wieder mehr wagen.“
Ich hakte mal nach: „Hmm. Also gut.
Wenn du dich erst einmal in der derzeitigen Konstellation einleben willst, was hast du mit Susanne oder mir vor?
Schwebt dir da Konkretes vor?“
Ich grinste, Susanne schaute überrascht, daß ich die Diskussion so dreist sowie überraschend gewendet hatte. Peter wirkte merklich verlegen, schaute zu Boden, sein Gesicht lief leicht rot an.
Er räusperte sich, rutschte etwas nervös auf seiner Sitzgelegenheit herum, bevor er zögerlich antwortete: „Ohoh, obgleich ich euch beide sehr schätze, war das keineswegs so gemeint …“
Ich unterbracht: „Ach?
Findest uns also nicht attraktiv oder interessant genug, um uns anzugraben?“
Susanne giggelte aufgeregt.
Peter war zu angespannt, um den Spaß gelassen und schlagfertig zu erkennen, etwas Lustiges zu erwidern.
Er wand sich verlegen, antwortete: „Auweier, irgendwie komme ich da nicht mehr raus. Also, also also nein, sicherlich, gewiß finde ich euch beide sehr attraktiv …“
Ich insistierte weiter: „Ach ach.
Hast also doch bereits ein Auge auf uns geworfen und würdest gerne die soziale Interaktion vertiefen?
Bist aber zu schüchtern, um zu fragen?“
Peter atmete tief durch, lief noch röter im Gesicht an, versicherte: „So habe ich das gar nicht gemeint, ich respektiere selbstverständlich eure Beziehung, würde es niemals wagen, da zu intrigieren …“
Susanne stand ihm nun bei: „Michaela macht doch nur Spaß. Und intrigieren brauchst du sicherlich nicht. Derlei finstere Gedankengänge würden wir dir auch niemals unterstellen …“
Ich versicherte zudem: „Ein offenes Wort, eine gemeinsame Aussprache darüber könnte Klarheit verschaffen. Allerdings ist das wohl mehr etwas unter uns dreien.
Ansonsten vermute ich, daß wir mit der großen Diskussionsrunde ohnehin durch sind?“
Peter nickte erleichtert, auch sonst wurde dem zugestimmt, daher lösten wir die große Runde auf.
Derweil waren wir mit dem Abendessen fertig, räumten ab, begaben uns in den Aufenthaltsbereich.
Dort nahm ich das Gespräch wieder auf: „Also gut, Peter, nun, wo wir unter uns sind, könntest du schon damit herausrücken, falls du irgendwelche Leidenschaften oder dringlichen Bedürfnisse zurückhältst, wir kennen uns doch nun schon etwas, kommen gut miteinander aus, da brauchst du das vor uns nicht zu verbergen.“
Susanne beschwichtigte: „Michaela, also wir wollen Peter nun auch nicht geradezu in etwas hineinreden oder ihn in Verlegenheit bringen …“
Peter erwiderte zögernd: „Susanne, nett von dir, denn ich durchschaue noch immer nicht so ganz, wohin das führen soll …“
Ich erläuterte: „Weil sich die Kolonie ja derzeit auf uns drei beschränkt, sind unsere persönlichen Möglichkeiten überschaubar. Wir mögen dich. Wenn wir offen damit umgehen, du Interesse hast, wäre es kein Problem, auf dich einzugehen. Das sollte natürlich die Beziehung zwischen Susanne und mir nicht sprengen, aber Unternehmungen zu dritt wären durchaus möglich, erquicklich, vergnüglich, dachten wir uns so, also nur, wenn du wirklich Spaß dran hättest. Wir könnten uns vorstellen, locker und ungezwungen, gemeinsam könnten wir den ebenso haben …“
Susanne grinste, war etwas angespannt.
Peter schaute verblüfft, entgegnete nach kurzer Bedenkzeit unsicher: „Ohoh – das – das ist ein ebenso überraschendes wie großzügiges Angebot. Damit habt ihr mich jetzt ziemlich überfahren …“
Ich lachte amüsiert, Susanne stimmte mit ein. Gleich fuhren wir ihm je mit einer Hand beruhigend über eine Schulter.
Ich fügte hinzu: „Überfahren wollten wir dich bestimmt nicht. Überlege es dir einfach in aller Ruhe. Es gäbe ja ebenfalls noch die genannten Optionen mit den Kryo-Zombies, wenn dir das mit uns doch zu unheimlich, anstrengend oder unübersichtlich zu sein scheint. Es ist ja etwas anderes, Freundschaft oder platonische Zuneigung zu empfinden oder überdies in sexueller Hinsicht miteinander Leidenschaften auszuleben. Also, nichts überstürzen, erst einmal darüber schlafen.
Du meldest dich, wenn du einen Entschluß gefaßt hast?“
Susanne und ich lachten, Peter nickte etwas verlegen, jedoch ebenso erleichtert, das erst einmal vertagen zu dürfen.
Den Rest des Abends sahen wir noch einen Film. Dabei erschien es mir so, als wäre Peter mehr mit eigenen Überlegungen beschäftigt, als diesem aufmerksam folgen zu können.
Durch die Arbeit doch weitgehend voneinander getrennt, hatten Susanne und ich nachts wieder reichlich Lust aufeinander, tobten uns ordentlich aus. Wir waren zufrieden mit uns und der Entwicklung. Peter schien sich auch gut eingelebt zu haben. Und wir hatten ihm etwas zum Nachdenken mitgegeben. Susanne und Peter verstanden sich prima bei der Arbeit. Ich hatte schon gesehen, daß sie kollegial und freundlich einen guten Umgang miteinander gefunden hatten. Das gemeinsame Projekt war also auch sehr nützlich gewesen, um die soziale Konstellation der Gruppe zu stabilisieren. So war es nur folgerichtig gewesen, nun allgemein auf den Busch zu klopfen, um hinsichtlich der Entwicklung der sozialen Konstellation und der Kolonie etwas Bewegung in unsere Angelegenheiten zu bekommen.
Der mit den Ais diskutierte Aspekt weiterer Einwohner für die Kolonie würde mit der Zeit schon wieder aufgebracht werden. Wir drei aber mußten unsere Beziehungen jetzt aushandeln, weil wir täglich miteinander zu tun hatten.
Die Initiative für persönliche Annäherungen lag nun bei Peter, wir hatten offenbart, daß wir auf ihn eingehen würden. Und ich hatte so im Gefühl, daß er nicht in der Lage wäre, sich diesem Angebot ernsthaft zu entziehen, jedenfalls falls wir es nicht abstrakt, verbal bei einem Vorschlag belassen würden, ihn stattdessen bei Gelegenheit reizen, verlocken würden. Nachdem das so angestoßen war, würde sich das nun schon so oder so entwickeln. Wir kämen zu dritt sicherlich gut zurecht, ob nun gleich mit oder erst einmal ohne Absicht auf Nachwuchs. Das wäre schon verlockend. Ich konnte mir das sehr gut vorstellen, so eine gemeinsame Leidenschaft mit Susanne und Peter.
Wie abgesprochen kam Peter den nächsten Morgen mit auf den Morgenlauf. So hatten wir weitere gemeinsame Freizeitaktivitäten, rückten gleichfalls so enger zusammen. Und so durch die freie Natur tut das einfach gut.
Nach dem Frühstück vertiefte sich Peter in die neuen Möglichkeiten der Datensichtung. Wir gingen einstweilen nicht weiter auf das Gespräch vom Abend ein, wollten keineswegs Druck machen. Es lag nun bei Peter, diesbezüglich das Gespräch zu suchen.
Susanne und ich hatten somit Zeit, um uns um die Optimierung der Datensätze der Zerfallsreihen und Isotopenverhältnisse von Methusalem zu kümmern. Ich war gut vorbereitet, aber natürlich stellte Susanne Fragen aus einer ganz anderen Perspektive. So waren wir schnell in das Projekt vertieft und wir wurden beide sehr gefordert, um das gut auf den Weg zu bekommen. Susanne war allerdings schnell zu begeistern und ebenfalls neugierig darauf, ob wir bei dem Kleinplaneten wirklich mit dem gesamten Datenmaterial auf konsistente Altersschätzungen für verschiedene Koordinaten kommen würden, also einerseits jene Regionen, welche als weitgehend alt eingeschätzt wurden, aber auch für jene Bereiche, die aufgrund von Einschlägen ein deutlich jüngeres Datum aufweisen sollten. So würden wir hoffentlich eine Art von Chronologie bekommen, mit weit mehr Proben von verschiedenen, auch kleinere Kratern durch Stanis oder Asi, wohl auch Häufigkeitsverteilungen auf der Zeitachse von Ereignissen, unter Berücksichtigung der Ausformung der Krater vielleicht gar Rückschlüsse auf ungefähre Richtungen von Scharen von Einschlagsobjekten.
Da Methusalem ja weit draußen, jenseits der Gasriesen seine Bahnen zieht, konnten wir natürlich nicht wirklich detaillierte Informationen darüber erhoffen, was im Innenbereich des Rasol-Systems vorgefallen war. Allein seine abweichende Ekliptik der deutlich elliptischen Bahn, die im Rasol-System eher ungewöhnliche Umlaufrichtung wiesen auf einen Einfang hin. Dabei war auch nicht so klar, wie das so weit draußen passiert war. Vielleicht gab es ja ursprünglich doch einen Durchflug durch das System, einschließlich größerer Ablenkungen und Abbremsungen durch mehrere Planeten, weitere Ereignisse und nach dem Einfang kompliziertere längere Wechselwirkungen mit den Gasriesen, welche Methusalem langsam wieder aus dem inneren Bereich des Systems an den Rand gedrängt hatten.
Würden wir bei der genauen Analyse Informationen über einen Aufenthalt im Innenbereich des Rasol-Systems finden, etwa Einschlagsobjekte, welche den Asteroidengürteln Geri, Freki oder gar Wotan zuzuordnen wären?
Das alles könnten relevante Informationen sein, was einst vorgegangen ist, was einst auch dazu geführt hatte, daß es das Doppelplanetensystem Skylla und Charybdis überhaupt gibt, wieso sich die beiden Planeten trotzdem so unterschiedlich entwickelt hatten.
Susanne jedenfalls hatte irgendwann genug Informationen, um auch alleine zu basteln. So vertieft im wissenschaftlichen Diskurs und der Klärung von Detailproblemen, die sich Susanne hinsichtlich ihres Programmes bereits überlegte, aussprach, im Formulieren mir gegenüber bereits konkrete Formen plante, tauschten wir ganz nebenbei auch unsere gewohnten Zärtlichkeiten aus. Das ging ganz automatisch und lenkte nicht ab.
Für die konkrete Programmierarbeit brauchte sie allerdings Ruhe und Zeit für sich. Die sollte sie nach dem Mittagessen auf jeden Fall reichlich bekommen.
Damit hatte ich wiederum Gelegenheit, Peter Gesellschaft zu leisten. So konnte ich für Ausgleich sorgen, einen guten Zusammenhalt in der Gruppe.
Die Aufbereitung der Daten hatte bereits gut dabei geholfen, etwas mehr über die Vorgänge auf Charybdis zu verstehen. Es gab mehrere Spezies von charybdianischen Pilzen, die da aktiv waren, jeweils noch lokal voneinander isoliert. An einem Standort war die Isolation vom dem einen Pilztyp mehr auf jüngste tektonische Aktivitäten nach dem Absorber-Einschlag zurückzuführen. Der Pilztyp hier war genetisch genau der von Myke. Ob das nun Sporen von ihm waren, die da überdauert und sich letztlich wieder entwickelt hatten, ob das Überreste von Myke selbst waren, die uns damals bei der Untersuchung von Charybdis entgangen waren, war wohl nicht mehr zu klären. Peter neigte dazu, den Pilz erneut einfach Myke zu nennen. Jedenfalls gab es da Zugang zu einem kleinen Binnenmeer und da entwickelte sich die Gemeinschaft nun ziemlich rasant. Vorhandene irdische Arten wurden eher integriert, genutzt. Peter hatte auch überraschende Mischungen von genetischem Erbgut bei einigen Spezies ausgemacht. Für ihn sah es so aus, also hätte der Pilz da als Katalysator Mutationen, Mischungen der Gene begünstigt, um sich bessere Lebensbedingungen zu schaffen. Das konnte man bereits wieder als Aktivitäten eines Gärtners interpretieren. Die Barriere zum Meer ist in dem Bereich nicht so groß. Peter meinte, die sei insbesondere durch die Anwesenheit irdischer Pflanzen und Organismen in dem Bereich für den Pilz zu überwinden. Das mochte schon noch einige Jahre dauern, dann allerdings stehe einer erneuten Expansion hinaus ins Meer nichts mehr im Wege.
An den anderen Standorten ging es deutlich langsamer voran, vermutlich, weil es dort weit weniger Wasser gab und eine Symbiose mit irdischen Organismen, reinen Landpflanzen nicht so gut funktionierte und erst allmählich in Gang kam.
Peter schätze die Lage insgesamt so ein, daß Myke erneut gewinnen würde. Er würde das gewaltige Meer erobert haben, bevor die anderen Kolonien das Meer erreicht hätten. Aufgrund der Wechselwirkungen mit den irdischen Spezies würde sich allerdings eine neue, andere Biosphäre als zuvor entwickeln. Durch die Mischungen würde die kompatibler mit irdischen Genen sein, daher für uns tendenziell eher gefährlich.
So kamen wir wieder auf die Idee zu sprechen, hier auf Skylla persönlich Proben zu nehmen und genauer zu suchen. Susanne war beschäftigt, so schlug ich vor, einfach mal einen kleinen Spaziergang nach draußen zu machen, um sich anders als beim Morgenlauf in aller Ruhe umzusehen, zu überdenken, wie wir konkret bei einer Expedition vorgehen sollten, wie unterwegs sein, was mitnehmen. Peter war einverstanden. Wir meldeten uns kurz bei Susanne ab, die so vertieft in ihre Arbeit war, daß sie nur kurz aufsah und nickte.
Ganz in der Nähe der Kolonie zu gucken, erschien uns wenig sinnvoll, so wanderten wir die Wege entlang weiter hinaus. Weiter draußen gab es einige Bereiche, wo die Ais nicht so viel getan hatten, nicht intensiv Arten angesiedelt hatten. Da war es naheliegender nachzusehen. Vom Morgenlauf her hatte Peter ja bereits ungefähr persönlich mitbekommen, wie es etwas weiter draußen so ist, daher überließ ich es ihm, den Weg zu wählen, die Stelle, wo wir einfach vom Weg abwichen. Die Wildnis war auf der Insel durchaus noch halbwegs überschaubar, durchquerbar. Peter hatte ohnehin einen Bereich gewählt, wo es bereits merklich karger, steiniger war.
Er erläuterte: „Neben der Suche nach verdächtigen Pilzen von Charybdis ist die generelle Zusammensetzung der Vegetation interessant. So können wir besser verstehen, wie sich das aktuelle Ökosystem zusammensetzt, durch welche neuen Arten wir dessen Funktion verbessern könnten. Eventuell sind ja auch Arten verschwunden, die in der Impfung enthalten waren oder gar später angesiedelt wurden. Das kann alles prinzipiell interessant sein, aber auch ganz praktisch für die Verbreitung von mehr Arten, was wir nicht überall vorantreiben müssen, aber in einigen Bereichen kann das die Entwicklung deutlich beschleunigen.
Für die großflächige Verbreitung von Pflanzen, die derzeit stark auf Insekten angewiesen sind, müssen wir natürlich auch passende Insekten haben, die wiederum müssen ausreichend Nahrung haben, sollten dafür aber wiederum keinesfalls gravierenden Schäden anrichten. Das muß alles bedacht sein. Derzeit gibt es solche Pflanzen vorrangig nur hier auf unserer Insel, Bienen werden ersetzt durch Technik, was aufwendig ist. Wir müssen also hier und noch mehr auf dem Festland das Ökosystem so entwickeln, daß wir diese Pflanzen auch dort erfolgreich und ohne technische Maßnahmen im großen Stil verbreiten können, in Weiteren also zwangsläufig mit Insekten, langfristig kommen so ebenfalls andere Tierarten ins Spiel.“
Ich nickte: „Schon klar, in der kurzen Zeit seit Beginn der Terraformung hier, der Ansiedlung von Leben regelt sich das nicht von alleine. Zusammenpassen muß es ebenfalls.“
Wir schauten uns also um, Peter wies auf einige interessante Stellen, Pflanzen hin, nannte benötigte Ausrüstung für eine Tages-Expedition, was wir in einer Liste notierten.
Wir wechselten ein paar Standorte, kamen sogar ebenfalls zum Badesee.
Ich wies auf ein paar Pflanzen in der Nähe und fragte Peter nach Namen und sonstigen Informationen darüber. Peter schaute und erklärte ein wenig, schaute sich gleichfalls hier genauer an, was so wuchs. Gar nicht so weit weg vom Weg und vom See entdeckte er bereits eine offenbar interessante Ecke. Hier hätte er gerne eine Probe genommen, sich etwas genauer angesehen, wir hatten allerdings keine Ausrüstung dabei. Ich hakte nach, wie detailliert die Proben der Sonden seien, die sicherlich auch hier Proben nähmen. Peter erläuterte, der Schwerpunkt von Untersuchungen habe ja zum guten Teil auf Charybdis gelegen, hier auf Skylla hingegen meist in anderen Gebieten, weniger auf unserer Insel, welche ja doch speziell sei, von den Ais schon extra für uns eingerichtet. Die Sonden haben begrenzte Möglichkeiten, ihm falle vor Ort schon etwas anderes auf, also eher eine gezielte Suche nach Besonderheiten, interessanten Konstellationen, Pflanzen in interessanter Umgebung oder besonderer Entwicklung, besonders guter oder schlechter Zustand. Er erläuterte genauer, so lernte ich unterdessen schon nebenbei etwas darüber, worauf zu achten war, was den Sonden entgangen sein mochte.
So war also klar, daß wir die Tages-Expeditionen wirklich durchführen wollten, daß es sich lohnen würde. Im wahrscheinlichen Fall, daß wir nichts von den eventuell gefährlichen Pilzen finden sollten, würde so immerhin unsere Kenntnis über die Vegetation der Insel erweitert. Zudem stellten wir so ein Programm oder Verfahren zusammen, um das automatische Sondenprogramm verbessern zu können, denn zu dritt konnten wir ja unmöglich den gesamten Planeten absuchen. Klar war auch, die eher einfachen Sonden müßten mit leistungsfähigeren Geräten ergänzt werden, vielleicht Drohnen mit mehr Möglichkeiten, ebenso der Option, stichprobenartig selbst eine Probennahme aufgrund von Audio- und Video-Übertragungen zu veranlassen oder gar zu steuern. Selbst mit solchen Hilfen wäre es selbstverständlich notwendig, weiterhin automatisch vorzugehen. Das Programm, die Kriterien dazu sollte Peter allerdings aufgrund unserer praktischen Erfahrungen auf den kleinen Exkursionen optimieren und ergänzen können.
Für einen Moment hatte ich den Impuls, Peter zum Baden einzuladen. Ich bremste mich allerdings doch. Ohne Susi dabei könnte uns das doch in die Irre führen. Gerade deswegen vielleicht erschien der Gedanke ebenfalls verlockend. Ich hatte allerdings keine große Last, mich dennoch zusammenzureißen. Susi gegenüber wäre es nun allerdings unangemessen gewesen, Peter geradewegs anzugehen. Aber auch so hatten wir Spaß zu zweit auf dem kleinen Ausflug, schauten gemeinsam an ein paar Aussichtspunkten, um uns auf etwas hinzuweisen, gab es auch schon mal einen Knuff in die Seite, um die Aufmerksamkeit auf etwas zu lenken.
Als wir am späten Nachmittag wieder in der Kolonie ankamen, war Susanne mit ihrer Arbeit gut vorangekommen. Weil es nun doch noch weitere Details zu klären gab, setzte ich mich zu Susanne, um mich darum mit ihr zu kümmern. Das meiste bekamen wir gleich so hin, ein paar Sachen mußte ich allerdings auch noch recherchieren und verstehen, von daher schloß Susanne ihr Tagewerk nur noch ab, gesellte sich daraufhin mit mir zu Peter. Wir plauderten noch ein wenig, was eigentlich nahtlos in die Zubereitung des Abendessens überging.
Susanne und ich waren natürlich gespannt, ob sich Peter schon entschieden hatte. Er schien sich allerdings etwas zu zieren, das Thema anzuschneiden. Jedenfalls reagierte er nicht auf Anspielungen.
Susanne wagte zu meiner Überraschung daraufhin schon beim Essen einen Vorstoß: „Also, Peter, wenn du magst, könnten Michaela und ich uns auch einmal in der Datenbank umsehen, ob sich da eine Person findet, die einerseits zu dir passen könnte, andererseits sich beim aktuellen Stand der Mission vermutlich gut integrieren könnte.
Oder magst du doch lieber mit uns vorlieb nehmen?“
Damit war Peter nun gefordert, Stellung zu beziehen, weil Susanne nicht abwarten konnte, bis er von selbst auf den Punkt zu sprechen kam.
Mache einen Vorschlag, wie Peter sich entscheiden soll.
Weitere Kryo-Zombies
Meine Stimmung war nach wie vor indifferent, unentschieden. Gut eine weitere Woche ging dahin. Ablenken wollte ich mich sowieso nun irgendwie, mußte etwas Neues beginnen.
Ein zweites Mal besuchte ich morgens nach dem Frühstück die Überreste von Susanne und Peter, saß dort auf der Bank vor den verschlossenen Fächern, sann nach, raffte mich nach einiger Zeit irgendwie auf, nahm Haltung an. Zunächst rang ich mich zu der Entscheidung durch, nun hiermit abzuschließen. In mir setzte sich nach der diffusen Zeit der Trauer der starke Wunsch durch weiterzumachen. Ich schloß meine Andacht ab, nickte den Überresten zu, was ein wenig albern war, denn wer nicht mehr ist, kann dies auch nicht mehr zur Kenntnis nehmen. Mir brachte es trotzdem etwas, derart explizit Abschied zu nehmen. Das erinnerte in dem Moment an diese irrationalen Religionen der Vergangenheit, weit weg in Raum und Zeit. In dem Moment hatte ich immerhin einen Eindruck, was die Urmenschen der alten Zeit einst wohl bewogen haben mochte, an solche Albernheiten wie ein Leben nach dem Tod zu glauben, als Trost, um irgendwie weitermachen zu können. Religion ist eine Droge für die Schwachen, welche das gleichgültige Dahinströmen der Raumzeit nicht aushalten können, welche Sinn sowie Muster suchen, wo einfach bloß Universum ist. Nun, die Urmenschen konnten es nicht besser wissen, haben ihre Hypothesen willkürlich zusammenphantasiert, hatten damit aber auch mehr Raum für zwar substanzlose, allerdings gleichzeitig tröstende Hoffnung. Ich hatte bloß mich, die Einsicht in ein gleichgültiges Universum, in welchem wir Menschen lediglich der feuchte Kehricht in irgendeiner schäbigen Ecke der Galaxis sind – uns Kryo-Zombies hatte man wiederum auch noch aus diesen elenden Haufen Müll als belanglos aussortiert und in eine noch verlassenere Ecke abgeschoben.
Mehr ist nicht, keine Götter, keine Existenz nach dem Tod. Unser jetziges Leben ist alles, was uns bleibt, daher, so mein Gedanke, sollte ich meines nicht vertrödeln. Also war irgendein Neubeginn fällig. Ich nickte abermals, nun schon entschlossener, nicht mehr zu den beiden Fächern mit den Urnen hin, mehr akzeptierend, daß ich weitermachen wollte. Mag mich die Nachwelt kalt heißen, ohne Empathie, aber wenn ich keine Empathie mit meinem Schicksal hätte, würde ich doch bloß immer hier bei den Urnen hocken, die Zeit einfach ereignislos versickern lassen. Ich verließ den Trauerraum, schaute mich danach nicht mehr um.
Ich wechselte in den Arbeitsraum, setzte mich an einen Interaktionsbereich mit Monitor, atmete tief durch. Anschließend nahm ich Kontakt zu Körk auf. Dieser Fund von Methusalem hatte mein Interesse geweckt.
Ich merkte gegenüber Körk an: „Das interessiert mich nun doch. Vielleicht finden wir da ja mehr heraus. Wenn der Brocken so lange Zeit über im Rasol-System gewesen ist, nun ziemlich weit draußen seine Bahnen zieht, könnte doch immerhin sein, daß der im Sinne eines Beobachters des Systems wirklich Spuren aufweist, anhand derer wir eine bessere Idee davon bekommen, wie sich das System über die Zeit entwickelt hat.“
Körk fragte: „Wie stellst du dir das genau vor?
Was für Spuren sollen wir uns ansehen, welche Daten eventuell noch sammeln?“
Ich sinnierte erst bloß, entwickelte vage Ideen: „Vielleicht können wir etwas über die Historie der Bahn herausfinden, wenn Methusalem eingefangen worden ist, sollte es schon Wechselwirkungen mit dem System gegeben haben. Der Einfang bringt es mit sich, daß kinetische Energie von Methusalem auf andere Körper übertragen wird, sonst würde er allenfalls abgelenkt weiter durch den Raum fliegen.
Eine andere Möglichkeit besteht darin, daß sich auf Methusalem Einschläge von kleineren Gesteinsbrocken finden, die wir vielleicht zeitlich zuordnen können, vielleicht gar, woher die Brocken stammen. So haben wir vielleicht wirklich eine bessere Chance, etwa die Entwicklung oder gar Entstehung der Asteroidengürtel besser zu verstehen, vielleicht auch, wie es zu dem Doppelplanetensystem Skylla und Charybdis gekommen ist, warum der eine viel, der andere wenig Wasser hat.“
Körk hatte kein größeres Problem damit: „Das können wir gerne versuchen, ebenso weitere Daten sammeln. Ob wir die aber zu einem plausiblen Bild zusammensetzen können?
Eventuell machst du dir etwas zuviele Hoffnungen, das sind alles ziemlich komplexe Abläufe. Aber gut, letztlich ist viel davon klassische Physik, allerdings mit sehr vielen Objekten, Parametern. Vielleicht gelingt es, wobei wir einige Ideen brauchen, um alles zu sortieren, um ungefähr rückwärts zu konstruieren, was damals vorgefallen sein mag. Zahlreiche Brocken dürften im Laufe der Zeit irgendwo eingeschlagen sein, eine Menge Information ist auf der Strecke geblieben, Sonnenwinde haben zudem über die lange Zeit Einfluß, sind jedoch bestenfalls über plausible Mittelwerte, Standardabweichungen zu berücksichtigen. Vermutlich bekommen wir also für die größeren Objekte, welche es bei unserer Ankunft gegeben hat, die entsprechenden Trajektorien zurück in die Vergangenheit, wobei sich das immer weiter in Unsicherheiten auffächern wird, bis sich alles im nahezu Beliebigen stabilisiert. Rasol und die Gasriesen sind dabei wohl die robustesten Kandidaten, für unsere Fragen dafür aber vermutlich allerdings nicht die interessantesten. Das wir eine anspruchsvolle Aufgabe.“
Der Einschätzung konnte ich lediglich zustimmen, allerdings käme man nie zu neuen Erkenntnissen, wenn man nicht bereit wäre zu scheitern. Gäbe man immer gleich auf oder verzichtete, lebten wir noch immer in einer rustikal-religiösen Weltvorstellung auf Bäumen oder in dunklen Höhlen. Das wäre nicht zwangsläufig schlecht gewesen, aber die Menschheit hatte nun einmal eine andere Wahl getroffen, also war Neugier, mutiges Voranschreiten unausweichlich. Gescheitert sind die damaligen Vorfahren der Menschheit ebenfalls reichlich, immerhin haben mit der Strategie der Neugier bislang genug davon überlebt, damit es mir nun möglich war, dumme Fragen über die Welt zu stellen.
Ich ließ mir von Körk die Daten geben und schaute erst einmal. Das war allerhand Kram, aber hinsichtlich der Beantwortung meiner Fragen trotzdem dünn. Immerhin hatte Körk das Gebilde Methusalem nicht bereits aufgeräumt, dafür war es zu weit draußen, keinerlei Gefahr für Skylla und Charybdis. Inzwischen war Methusalem ein ordentliches Stück von der Hauptekliptik des Rasol-Systems entfernt. Da würde es also etwas Zeit kosten, bis Asi und Stanis dort Ausrüstung für weitere Untersuchung hingeschickt hätten. Daher erschien es mir sinnvoll, zügig ein kleines Projekt zu formulieren, um solch eine nähere Untersuchung bald zu veranlassen. Ich war nun entschlossen, mich hier einzuarbeiten, um mehr über die Historie des Rasol-Systems herauszufinden. Vielleicht würde sich so ja ein besseres Verständnis ergeben, warum Skylla ein Wüstenplanet war, Charybdis hingegen eine Wasserwelt. Im Zuge dieser Fragestellungen würde es wohl auch notwendig werden, die beiden Planeten selbst wesentlich detaillierter zu untersuchen. Darüber aber würde ich mir wohl in weiteren Projekten Gedanken machen müssen.
Datenanalyse zusammen mit den Ais ist eine Sache. Für die Entwicklung, den Einsatz umfangreicher Gerätschaften zur Untersuchung der beiden Planeten würde ich wohl mehr Hilfe brauchen, also Gesellschaft, eventuell einen Techniker zur Unterstützung, welcher die praktischen Dinge mit den Ais umsetzt.
Damit allerdings war ich nun auch schon wieder bei der Frage angekommen, ob es nun an der Zeit wäre, weitere Kryo-Zombies wiederaufzuerstehen. Zunächst aber schaute ich mir mit Körk weiter die Methusalem-Daten an, wir begannen Ideen zu formulieren, was wir wie sortieren können, was eventuell zusätzlich ermitteln, um etwas herauszubekommen. Zweifellos wären hier Susannes Kenntnisse sehr nützlich gewesen, um den Datensalat durchzukämmen, etwas zu entwickeln, um mehr Ordnung ins scheinbare Durcheinander zu bringen. Nun mußten wir es irgendwie alleine hinbekommen, vermutlich deutlich weniger elegant, aber hoffentlich doch noch gut genug, um zu Erkenntnissen zu kommen. Ich versuchte folglich, Kriterien zu formulieren, nach denen Körk filtern oder sortieren konnte, wie Daten für mich nachvollziehbar dargestellt werden müßten. Eventuell wäre aber auch hier jemand nützlich, welcher mit menschlichem Geist ausgestattet ist, jedoch gleichfalls Datenanalyse, Informatik beherrscht – insbesondere besser als ich. Ideen kann ich reichlich äußern, diese als etwas auszuformulieren, was Körk als Programm umsetzen kann, ist noch einmal etwas ganz anderes. Ein Informatiker oder Programmierer indessen könnte derlei Ideen viel besser vermitteln, mit beiden Seiten gut kommunizieren.
Bis zum Mittag hatte ich immerhin eine erste Ahnung über die Komplexität des Problems bekommen. Geradezu eingeschüchtert war ich nicht, es war uns immerhin gelungen, ein paar erste Aufgaben zu formulieren, welchen Körk, Stanis und Asi nachgehen konnten.
Ich war erst einmal mit der Zubereitung des Mittagessens beschäftigt, hatte mir überlegt sowie mich mit Körk geeinigt, dies Projekt am nächsten Tag weiter mit ihm zu verfolgen, denn nun schien es mir sinnvoll, den Nachmittag damit zu verbringen, mir einen Überblick über die Kryo-Zombies zu verschaffen, wer sich eignen könnte. Also zog ich Esmeralda hinzu, bat diese in der Angelegenheit um Hilfe.
Diese wollte natürlich genauer wissen, was zu tun sei: „Hmm, der Zugang zu den meist eher spärlichen Daten ist ja einfach, wenn ich wirklich helfen soll, vorsortieren, filtern, müßtest du aber schon genauer formulieren, welche Kriterien hilfreich sind, also welchen Plan wir verfolgen.“
Ich antwortete: „Ich bleibe bei der Idee, letztlich etwa eine handvoll Leute als erste Gruppe wiederauferstehen zu lassen. Ich habe ja mit dir, Hildegard, Ida, Körk darüber gesprochen. Insgesamt läuft nun meine Idee darauf hinaus, daß wir als erste Person jemanden haben wollen mit psychologischer, sozialer Vorbildung sowie Geschick im Umgang mit Menschen, welche traumatisch angeschlagen sind. Diese Person könnte wie diskutiert den anderen Leuten nach der Wiederauferstehung helfen, hoffentlich besser als ich das könnte zusammen mit euch Ais. Mit einem Partner würde es dieser Person natürlich eher gelingen, einen Neustart zu wagen. Du kannst also gucken, ob es einerseits Paare gibt, andererseits wenigstens solch eine Person mit guter sozialer Kompetenz.
Eine weitere Person oder zwei könnten Kompetenzen im Bereich Informatik, Datenvisualisierung, Technik haben, die könnte ich gut gebrauchen bei wissenschaftlichen Projekten. Weitere Personen sollten für die Entwicklung der Biosphäre interessiert werden können. Bei der Wüstengegend des Festlandes eventuell jemand, welcher Ideen entwickeln mag, wie wir das besser, zügiger beleben können. Diese Personen müssen nicht unbedingt Experten sein, Hildegard, Ida, du, ihr könnt sie sicherlich weiter einarbeiten. Eine weitere Person könnte relevant für Hildegards Brutkästenprojekt sein. Zwar werden wir damit nicht zeitnah beginnen, aber eine Person mit einem guten Draht zu Kindern, pädagogischen Fähigkeiten ist sehr relevant, zudem muß diese Person sich auch erst einmal einleben, stabil agieren, souverän mitentscheiden können, wenn Hildegard das Projekt angehen will. Diese Person braucht also schlicht Eingewöhnungszeit, um mit Selbstvertrauen auftreten zu können, das Projekt mitgestalten zu können. Daher ist es sinnvoll, diese Person bereits jetzt in die kleine Gruppe zu integrieren, auch wenn sie einstweilen noch keine sehr speziellen Aufgaben haben wird.“
Esmeralda antwortete: „In Ordnung, die Liste der Kriterien habe ich verstanden. Nun wird es spannend, ob ich diese zu brauchbaren Filtern umsetzen kann, um dir Vorschläge zu machen. Du läßt dir besser mit dem Essen Zeit, machst danach einen Verdauungsspaziergang. Danach habe ich hoffentlich etwas, was es dir erspart, nicht alles selbst durchforsten zu müssen. Immerhin werde ich hoffentlich eine grobe Rangliste für jede der anvisierten Personen erstellen können, welche Datensätze du dir also zuerst ansehen solltest …“
Ich beruhigte: „Keine Panik, mehr als eine Vorauswahl, unverbindliche Vorschläge oder eine derartige Rangliste hatte ich mir auch gar nicht erhofft. Wenn ich erst einmal etwas habe, mit dem ich anfangen kann, wühle ich mich durch. Letztlich wird es wohl immer eine Entscheidung aus dem Bauch heraus bleiben, was klappen könnte – aber vielleicht findest du ja auch für diese oder jene Position überraschend nahezu perfekte Kandidaten, welche du weit oben auf die Liste samt Sternchen dran setzen kannst …“
Esmeralda hakte nach: „Derart dekoriert, bewertet möchtest du die Vorschläge haben?“
Ich grinste, schüttelte den Kopf: „Ich habe das nicht wörtlich gemeint. Du suchst, so gut du kannst, ich mache nach dem Essen einen Spaziergang, danach schauen wir uns an, was du gefunden hast. Ich bin viel langsamer als du, von daher wirst du noch eine Menge Zeit haben, während ich noch an den ersten Datensätze hänge, mir Gedanken mache.“
Esme machte sich an die Arbeit, ich aß.
Ihre Idee mit dem Verdauungsspaziergang war jedenfalls gut, ich schlenderte durch die Gegend, atmete frische Luft, ließ mir sowohl die Angelegenheit mit Methusalem durch den Kopf gehen wie auch meinen Entschluß, nun nach weiteren Kryo-Zombies zu schauen, welche ich auswählen, danach eben mit dieser Angelegenheit ihrer unfreiwilligen Mission würde behelligen müssen. Ich zuckte die Schultern. Wir hatten eine Kolonie, kein Rückweg möglich. Nun waren sie eben mit mir dran, sich dem Kram hier zu stellen. Warum sollte es ihnen besser gehen als mir, wir flogen alle im selben Raumschiff, selbst reingesetzt haben wir uns alle nicht.
Als ich zurück war, hatte Esme schon etwas Interessantes herausgesucht.
Sie meinte: „Ich habe zwei Personen gefunden, welche im diskutierten Zusammenhang hervorgehoben betrachtet werden sollten. Es handelt sich um ein Paar, welches zudem zwei der anvisierten Funktionen gut ausfüllen können sollte. Ich dachte mir, ich gebe dir erst einmal ihre beiden Datensätze statt langer Ranglisten. Diese kannst du ja nachher noch angucken.“
Ich war überrascht von so viel Entschlossenheit, bat: „Oh, wenn du die beiden für so geeignet hältst, kannst du doch einmal ausführen, was mit ihnen los ist, noch bevor ich selber lese.“
Esme antwortete: „Gerne. Es handelt sich um Gunnar und Hendrik, also ein Paar von zwei Männern. Hendrik war als Sozialarbeiter tätig, hat im Bereich Psychologie sowie Soziologie studiert. Er paßt also sehr gut in das gewünschte Profil jener Person, welche die anderen betreuen können sollte. Er hatte wohl auch oder gar primär mit problematischen Familien zu tun, hat also vermutlich zum einen einen gewissen Draht zu Kindern, ist aber auch erprobt in Konflikten, in der Vermittlung.“
Ich bestätigte: „Das hört sich in der Tat sehr gut an, da wäre Gunnar als sein Partner sowieso mit im Boot, auch ohne zusätzliche Qualifikationen.“
Esme tat kund: „Es hat aber welche, was es noch einmal besonders interessant macht. Er hat studiert im Bereich Elektrotechnik sowie Informatik, war unter anderem aktiv im Bau von Elektro-Rennwagen, ist allerdings bald nach dem Studium gewechselt zu einem Unternehmen, welches Satelliten entworfen sowie gebaut hat. Was er da genau gemacht hat, war allerdings wohl vertraulich, darüber fand sich nichts weiter.“
Ich war begeistert: „Holla die Waldfee!
Die beiden sind ein Volltreffer!“
Esmeralda berichtete indes noch mehr: „Gunnar weiß zudem von seiner Konservierung. Beide sind bei einem Hobby-Autorennen in einer Wüstengegend tragisch verunglückt, beide schwer verletzt. Gunnar hätten sie damals wohl noch wieder halbwegs zusammenflicken können, Hendrik als Beifahrer hatte es schwerer erwischt, er lag im Koma mit sehr schlechten Chancen, beziehungsweise sie hatten ihn abgeschrieben. Gunnar hat sich alsdann, zudem vom Elternhaus mit etwas Vermögen ausgestattet für beide für die Konservierung entschieden. Zwar weiß er nichts von der Mission hier, von der Konservierung also sehr wohl …“
Ich ergänzte: „… folglich kann ihn die Wiederauferstehung nicht wirklich überraschen, jedenfalls wenn wir es geschickt anstellen, ihn nicht gleich mit der Mission konfrontieren, bevor die beiden gemeinsam ihre Genesung, ihr neues Leben begrüßt haben.“
Esme stimmte zu: „Ja, von daher würden beide zusammen schon allerhand Kriterien erfüllen.“
Ich erwiderte: „Als Paar ist ferner gleich für ihre privaten Belange gesorgt, sie beginnen nicht komplett mit Nichts, haben immerhin einander. Da dürfen wir hoffen, daß sie sich leichter einleben, sich gut orientieren können, weil sie in ihrer Beziehung einen soliden Ankerpunkt haben. Also gut, ich schaue mir ihre Datensätze genau an …“
Esme blendete sie ein, ich schaute mir alles genauer an.
Esme hatte wirklich gut ausgewählt. Die beiden machten einen guten, sympathischen Eindruck. Zudem waren sie für unsere Pläne für den Anfang der Kolonie ausgezeichnet geeignet, boten erst einmal wenig Konfliktpotential.
Als ich durch war, bestätigte ich zufrieden: „Ausgezeichnet. Die beiden schlagen wir heute noch den anderen vor. Weil Gunnar von der Konservierung weiß, ist es plausibel, bei ihm zuerst die Wiederauferstehung einzuleiten, wobei gleich nebenan im selben Zimmer Hendrik neben ihm liegt. Bei diesem wird die Wiederauferstehung um etwa zwei Stunden verzögert, um Gunnar genug Zeit zu geben, um zu sich zu kommen, sich zu ihm zu setzen, seine Hand zu halten. Ida kann den beiden ohne Einsatz des Avatars das Nötigste erzählen, damit er weiß, daß beide komplett genesen sind, das sollte ihn ruhig halten, bis Hendrik ebenfalls komplett da ist, sich die beiden gemeinsam stabilisieren können. Danach wird sich ergeben, wer wann wie genau ihnen die Sache mit unserer Mission beibringt.
Wenn wir abwarten, bis sich die beiden hier eingelebt haben, holen wir die anderen noch auszuwählenden Personen der ersten Gruppe nach, dann kann insbesondere Hendrik gleich dabei helfen, damit sie sich hier bei uns gut einfinden, ihr Trauma von vor der Konservierung verarbeiten, dazu den Sachverhalt, in einer anderen Welt zu erwachen.“
Esmeralda antwortete: „Es freut mich, daß du meine Einschätzung teilst, bereits einen guten Plan hast.
Wir stellen diese Variante also nachher den anderen vor?
Willst du nun die anderen Ranglisten sehen?
Da habe ich leider keine derart eindeutigen Vorschläge. Du solltest also selber genau gucken, wen ich da in der Liste weiter oben angesetzt habe – auch für die Positionen von Gunnar und Hendrik habe ich Listen, solltest auch mal reingucken, damit du nichts übersiehst.“
Ich entgegnete: „Ja, ich spendiere den Rest des Nachmittags bis zum Abendessen, verschaffe mir einen Überblick über jene oben auf den Listen. Eventuell bringe ich ja weitere Vorschläge ein …“
Damit hatte ich also für den restlichen Tag erst einmal gut zu tun.
Ganz interessant hinsichtlich des pädagogischen Kriteriums schien mir eine junge Frau zu sein. Ihr Name ist Consuela. Als Referendarin an einer Grundschule war sie kurz vor dem Abschluß des Studiums zur Heldin geworden, als sie mehreren Schülern das Leben gerettet hatte, dabei aber selbst lebensgefährlich verletzt wurde. Sie hatte wohl auch einmal in einem Kindergarten praktiziert. Von daher wäre sie gut geeignet für die Entwicklung der Kolonie.
Ferner erschien sie mir gleich sehr sympathisch, auf den Bildern und auch von den sonstigen Daten her. Es gab sogar einige Texte, die sie persönlich verfaßt hatte.
Damals bei der ersten Auswahl war sie praktisch an mir vorbeigegangen, weil da Kindergarten und Schule noch nicht die gefragten Aufgabenfelder waren. Nun aber könnte das sehr nützlich sein.
Ich sann nach über mein spontanes Sympathie-Empfinden.
War dies relevant?
Wie weit könnte dies gehen?
Gut, für die Gruppendynamik ist es relevant, wenn man sich gegenseitig sympathisch findet.
Aber ob sie für mich persönlich etwas bedeuten könnte oder sollte?
Wäre ich nun schon bereit, mich wieder freundschaftlich oder gar mehr auf jemanden einzulassen?
Ich hatte rational als abgeschlossen betrachtet, was nicht mehr zu ändern war, aber auch emotional?
Wie wahrscheinlich war es überdies, ob sie sich für eine Beziehung mit einer Frau interessieren würde?
Es gab ja auch eine kleine Photosammlung von ihr. Da war sie auffallend häufig zusammen mit einer anderen Studentin zu erkennen, die bei späteren Aufnahmen aus der Studienzeit aber nicht mehr auftauchte. Über diese Frau gab es leider keine weiteren Informationen. Ich meinte aber auf einigen Photos aufgrund ihrer Körperhaltungen zueinander zu erkennen, daß da vielleicht etwas mehr als eine platonische Freundschaft im Spiel sein könnte, vielleicht nicht einmal bewußt in einer intimen Beziehung umgesetzt, aber doch eine sehr vertrauliche Nähe.
Konnte ich daraus etwas schließen?
Ihr Datensatz wies sie aus als weder verheiratet noch in einer festen Lebensgemeinschaft lebend. Nun, man gibt ja nicht zwangsläufig überall an, mit wem man gerade zusammen ist. Auch gab es sicher auch zu ihrer Zeit noch immer eine gewisse Scheu, lesbische Beziehungen offen zu leben, insbesondere vielleicht im Bereich Pädagogik und Kindererziehung, obgleich das natürlich albern ist, aber viele Leute gehen da eben doch eher Problemen aus dem Weg, um sich zunächst im Beruf zu etablieren.
Qualifiziert für Hildegards Brutkästenprojekt wäre sie, sympathisch ebenfalls. Bei solch einer kleinen Gruppe wäre es ohnehin unausweichlich, mindestens kameradschaftliche Beziehungen zu pflegen, was bei einer Sympathie von Anfang an deutlich leichter ist als mit gefühlten Bedenken.
Ich schaute alsdann mal in die Liste mit den Kandidaten, welche eher für die Entwicklung der Biosphären relevant wären. Da hätte es einige Kandidaten gegeben, welche nützlich sein könnten. Weil es aber gar keine ausgewiesenen Experten für unsere Aufgabenstellung gab – woher auch? – schaute ich eher nach jüngeren Personen, welche sich vermutlich zügig würden einarbeiten können. Mit diesem Gedanken stieß ich auf einen jungen Studenten namens Bernd. Er hatte zwei jüngere Geschwister, eine alleinerziehende Mutter. Als ältestes Kind hatte er so bestimmt auch Erfahrung darin, sich um seine Geschwister zu kümmern. Es gab auch Photos der Familie. Und da sah es jedenfalls so aus, als würden sie sich verstehen und gut miteinander auskommen, als würde Bernd Verantwortung übernehmen können. Dies könnte ebenso zu einem späteren Brutkästenprojekt passen.
Bernd hatte es gerade nach einem Semester Landschaftsarchitektur bei einer waghalsigen Aktion mit dem Rad im Wald erwischt. Mangels abgeschlossenem Beruf hatte ich von ihm Zeugnisse vorliegen, danach war er vielseitig begabt und interessiert, was auch das hergab, was ich sonst noch so in seinen Daten finden konnte.
Er war ein Kompatibler, also jemand mit einem Chip im Kopf zur Erweiterung der Rechenleistung, der Speicherung von Daten.
Ich schweifte ab und recherchierte etwas über die Technik:
Zu seiner Zeit brauchte es zusätzliche Geräte zur Verbindung mit dem weltweiten Netzwerk, zudem wurde der Akkumulator des Chips per Induktion geladen; damit dieser funktionierte, mußten die Leute also immer wieder zu Ladestationen. In der Konservierung hatten die medizinischen Mikroroboterschwärme zusammen mit anderen Maßnahmen zu einer Aktualisierung geführt, also ein deutlich leistungsfähigerer Chip, mehr Speicher, Energieversorgung direkt aus dem menschlichen Gewebe.
Nach der Wiederauferstehung würde er sich wundern!
Zudem schien mir diese Schnittstelle ein Vorteil zu sein, einmal von den Ais in das hiesige System eingearbeitet, sollte es ihm damit besser als Menschen ohne eine solche Schnittstelle gelingen, etwas im Datensalat zu finden, darin zu agieren, zu filtern, zu sortieren, eventuell hatte er damit gar einen besseren Draht zu den Ais, um ein Problem zu bearbeiten. Bei dem Biosphärenprojekt mit massenweise Proben, biologischen Daten wäre dies sicherlich sehr vorteilhaft.
Die Bilder von Bernd waren auf jeden Fall für mich auch sehr überzeugend. ansprechend, appetitlich. Neben einem sehr sympathischen Lächeln konnte er mit einer sportlichen, aber nicht übertrainierten, sehr männlichen Figur punkten. Das war nun schon so attraktiv und seine Kontakte im Radsportbereich zu ähnlichen attraktiven Kumpels ließen mich schon vermuten, da könnte auch mehr als Männerfreundschaft und Sportsgeist im Spiel sein. Da wäre ich mir nicht so sicher, wie dies mit Gunnar und Hendrik harmonieren würde, wenn da immer so ein junger, attraktiver Bursche um sie herumscharwenzelt.
Ich fand dann aber auch Bilder mit attraktiven Frauen seines Alters, wo die Körperhaltungen, die Mimik und der Bezug zueinander doch eher auf Interessen in diese Richtung wiesen.
In den Daten fand ich da bei ihm sonst auch keine Informationen über seine sexuelle Ausrichtung.
Er gefiel mir aber gleich mit angenehmer Ausstrahlung; was über ihn verfügbar war, legte zudem nahe, daß er schon durchaus Interesse an unserer Mission haben könnte.
Was ist nun also konkret mit seiner spezifischen Qualifikation für die Gruppe?
Immerhin ist er jung und flexibel, vielseitig interessiert, sportlich, nach den Zeugnissen unbedingt intelligent, auch im naturwissenschaftlichen Bereich und bei Sprachen gut, da gab es kaum Schwachpunkte. So würde er sich also leicht und schnell weiterbilden können. Das wäre eine gute Sache, denn so könnte er sich leicht gezielt Wissen aneignen, welches für den aktuellen Stand der Mission relevant wäre. Nun und im weitesten Sinne kam die Mission ja auch seinem Interesse für Landschaftsgestaltung entgegen. Immerhin haben wir zwei Planeten, wo viel gestaltet werden kann, wo viel entschieden, geplant und umgesetzt werden kann, wo was angepflanzt werden soll, wo auch durchaus etwas nachgeholfen werden kann, um eine üppige und abwechslungsreiche Vegetation aufzubauen, welche sich hernach gut selbst entwickeln sollte. Hier auf Skylla hatten wir eine ganze planetenweite Wüste mit Wasser, Pflanze zu besiedeln, da war auch Landschaftsarchitektur gefragt, um die Angelegenheit zu beschleunigen.
Also wäre dieser Kandidat eine gute Wahl, auch oder gerade weil er noch eine Menge lernen würde, nicht so festgelegt war und sich flexibel und motiviert einarbeiten würde, denn warum sollte er sich dem verweigern?
Sein Leben lag ja vor ihm, unbestimmt und nun in einer Fülle von neuen Möglichkeiten, die er vorher nie gehabt hätte. Hier konnte er einen guten Teil seiner Zukunft mitgestalten, das bot sich sonst in dem Umfang nicht. Und sich die eigenen Perspektiven erarbeiten zu können, ist doch besonders in dem Alter sehr spannend und attraktiv.
Unter ähnlichen Gesichtspunkten fiel mir auch eine Studentin des Gartenbaus names Freyja auf. Diese wäre schon von der Namensherkunft her vielversprechend: eine Erdgöttin, Frühlingsgöttin, Liebesgöttin, sogar … eine der Fruchtbarkeit.
Huuui, das wäre ja etwas für den zweifellos potenten Bernd.
Vielleicht aber auch für die aufgeweckte Consuela?
Gäbe dies ein Konfliktpotential, wer mit wem?
Nun, ich war eigentlich zuversichtlich, daß die jungen Leute schon im Zaum gehalten werden würden. Nicht alles muß ja auch immer gleich in einen hormonellen Rausch ausarten, zumal sie ja alle ein Problem zu bewältigen hatten mit ihrer jeweiligen Ursache der Konservierung sowie der Ankunft hier in der Mission. Einerseits kann es da helfen, eine frische Beziehung als Neuanfang zu nutzen, andererseits sollte solch ein Schock auch erst einmal bescheiden machen, Zeit benötigen, bis sich die Verunsicherung löst, das gibt allen die Chance, sich gut kennenzulernen, bevor es gleich leidenschaftlich wird.
Der Name Freyja wies wohl einfach darauf hin, daß sie aus etwas feineren Kreisen stammte, Gartenbaustudium wiederum als eine Art Abnabelung vom Elternhaus, Protest?
Jedenfalls machte sie den Eindruck vom Typ her ökologische, alternative Lebensweise, Kommune oder so. Wirklich war sie wohl im Umweltschutz sowie im Klimaschutz sehr aktiv gewesen, also fast schon ein Stereotyp. Das würde wiederum eher zur Heldin Consuela passen, weniger zum eher sportlich-unbesorgten Bernd.
Leider hatte sie bei einer chaotischen Polizeiaktion zuviel Kontakt mit einem Wasserwerfer gehabt, war versehentlich nicht nur angefahren, gar überrollt worden. Dieser Unfall war zuviel für ihren zarten Leib gewesen, daher ihre Konservierung. Dazu gab es Details, diese wollte ich mir später noch durchlesen, wenn sie wirklich unsere Wahl werden könnte. Immerhin sollten wir uns nicht geradezu eine militante Ökoaktivistin aufhalsen. Die Situation hier auf Skylla sowie Charybdis wäre ihr irgendwie als phantastische neue Chance zu verkaufen, alles von vorne gestalten zu können, nicht gegen Großkonzerne sowie Gleichgültigkeit ankämpfen zu müssen. Ihr Konterfei jedenfalls war von ausgeprägt natürlicher, individueller Schönheit, nicht so glattgebürstet langweilig wie Mode-Modelle. Da gab es einige Merkmale, welche die Blicke auf sie ziehen mußten. Gut, wer mehr auf fehlerfreie Einheitsschönheit steht, der mag das übersehen. Der aufmerksame Blick aber entdeckt viele verlockende Details, welche einfach erforscht werden wollen. Auf ein paar Bildern lachte sie, gleichfalls sehr individuell, anziehend.
Hinsichtlich der sexuellen Ausrichtung gab es allerdings keine Hinweise. Mehr Bilder von Demos, in Gewächshäusern oder Gärten.
Hätte es immerhin Hinweise gegeben, daß sie bei ihrer Partnerwahl locker blieb, hätte dies eventuell Konfliktpotential bedeutet. Da gab es allerdings eher subtile Hinweise auf Zurückhaltung, Verschlossenheit.
Vielleicht stand sie Sexualpartnern generell distanziert gegenüber, war zurückhaltend, unerfahren?
Diese Möglichkeit wäre ja nicht dramatisch, komplett desinteressiert wäre eventuell für Interessenten etwas frustrierend, für unsere Kolonie gleichwohl noch keine Katastrophe. Es ging ja nicht darum, mit dieser ersten Gruppe gezielt Paare zusammenzustellen, das mochte sich finden oder nicht – bei der nächsten Runde hätten ja sowieso alle Mitspracherecht, könnten nach eigenen Kriterien vorschlagen, ohne diese gleich offen komplett auf den Tisch legen zu müssen.
Gartenbau als Fachrichtung wäre ebenfalls sehr gut. Einerseits kann sie ihre Studien bei den Ais fortsetzen, hätte bereits mit Hildegard in unseren Gewächshäusern, Gartenanlagen ein reichhaltiges Betätigungsfeld.
Und was ist Skylla letztlich anderes als ein Garten, in welchem wir uns um das Gedeihen der Vegetation zu kümmern haben, damit aus unserer Mission ein Erfolg wird?
Sie könnte zusammen mit Bernd Konzepte auf großer Skala planen, umsetzen, das könnte fachlich durchaus harmonieren. Gemeinsam lernt es sich sowieso besser als lediglich mit Tutoren oder Mentoren an der Seite. Ich war jedenfalls mehr und mehr von Freyja überzeugt. Restrisiko hin oder her, ich war inzwischen entschlossen, mir ihr Schicksal komplett durchzulesen.
Kurzum, ich hatte bald Entwarnung, sie war eindeutig pazifistisch ausgerichtet, keine militante Zicke mit Gewaltpotential. Die Polizeiaktion war schiefgelaufen, als ein radikaler schwarzer Block eine Großdemonstration für eigene Zwecke genutzt hatte. Es war eigentlich eine friedliche Demonstration für Klima- sowie Umweltschutz mit mehreren zehntausend Leuten, zahlreichen Schülern, Studenten, Akademikern, sonstigen Bürgern. Allesamt komplett friedlich, gleichwohl hartnäckig in den Forderungen an die Politik.
Ein relativ kleiner Block von maskierten Leuten hatte sich untergemischt. Wir hatten primär Darstellungen der Polizei, ein paar Zeitungsberichte. Demnach war eine anfangs eher harmlose Rangelei zwischen ein paar Maskierten und Polizisten zunehmend eskaliert. Es hatte dabei verletzte Polizisten gegeben, ebenso ein paar verletzte friedliche Demonstranten. Der Sohn des Einsatzleiters war in einer Schülergruppe ebenfalls auf derselben Demonstration, wurde von einem verirrten Stein hart am Kopf getroffen. Die Maskierten wurden verfolgt. Letztlich wurde ein größerer Platz von der Polizei eingekesselt, wo sich die mutmaßlichen Täter unter hunderte von Demonstranten sowie Passanten gemischt hatten.
Es war Sommer, strahlender Sonnenschein, Hitze. Die Demonstration wäre eigentlich am frühen Nachmittag zu Ende gewesen. Der Kessel allerdings blieb, darin Freyja versehentlich als teilnehmende friedliche Demonstrantin, gleichfalls einige Passanten, welche den Platz lediglich durchqueren wollten. Viele ebenfalls anwesende Schüler hatten keine Papiere dabei, daher war beim einzigen Ausgang eigentlich immer heillose Verstopfung. Bisweilen gab es an anderen Stellen kleinere Tumulte, weil einige Passanten nicht einsehen wollten, hier über Stunden grundlos ihrer Freiheit beraubt zu werden. Die Situation kochte allmählich nicht bloß der hohen Temperaturen wegen. Irgendwann werden auch eigentlich unbeteiligte, eingesperrte Passanten rebellisch, zu unrecht beschuldige Demonstranten aggressiver, wenn sie so lange abgekocht werden. Solcherlei Treiben der Ordnungsmacht erscheint zunehmend als Willkür, Gängelung, Machtmißbrauch, zudem bei einer genehmigten Demonstration eindeutig friedlicher Ausrichtung.
Offenbar hatten die mutmaßlichen Täter sich unauffällig ihrer schwarzen Kleidung entledigt, jedenfalls war nichts mehr von einem schwarzen Block erkennbar. Trotzdem wollte die Einsatzleitung erbarmungslos Schuldige ergreifen. Das funktionierte mitnichten, stattdessen immer größere Unruhe, Tumulte, zunehmend eskalierende Scharmützel am Rande des Kessels.
Die Katastrophe wird nicht so eindeutig geschildert, Polizeiberichte gehen davon aus, daß plötzlich eine größere Gruppe am späten Nachmittag einen Ausbruch versucht hat, sich jener ohnehin nicht funktionierenden Überprüfung der Personalien entziehen wollte. Es gibt allerdings in den Zeitungsberichten auch Zeugenaussagen, welche davon ausgingen, daß inzwischen Leute mit Hitzschlag oder Schwächeanfall dringend medizinische Hilfe gebraucht hätten, ein Passieren jedoch von der Polizeikette verweigert wurde. Bei der Hitze notwendige Getränke kamen ebenfalls nicht durch. Über die geplante Zeit jener Demonstration hinaus andauernd wurden so die Demonstranten allmählich regelrecht abgekocht. Daraus hat sich eine Auseinandersetzung entwickelt, mehr aus Verzweiflung.
Letztlich gelang der Durchbruch, chaotische Situationen. Mit mehreren Wasserwerfern hat der Einsatzleiter versucht, den Kessel einerseits wieder zu sichern, andererseits gar zu verkleinern, die Lage aus seiner Sicht wieder in den Griff zu bekommen. Dabei ist Freyja versehentlich, jedoch nicht einmal im Bereich des eigentlichen Ausbruchsversuchs der Masse überrollt worden. Aus Sicht der Polizei ein tragischer Unfall, aus Sicht diverser anderer Zeugen mindestens Fahrlässigkeit, vermutlich jedoch eher Inkompetenz. Weil der Einsatzleiter durch seinen verletzten Sohn nicht mehr klar, sachlich entscheiden konnte, hatte er wohl seine Mitarbeiter unangemessen angetrieben, hatte maßgeblich zur Katastrophe beigetragen. Neben Freyja gab es weitere Opfer, einerseits Verletzte durch Polizeiknüppelei, andererseits Leute mit Hitzeschlag, ein Herzinfarkt mit Todesfolge bei einem Passanten, insgesamt drei Tote, siebenundzwanzig verletzte Personen im Kessel, zwei leicht verletzte Polizisten.
Freyja konnte nur so eben vor dem Tode bewahrt werden, ihr Kopf war wohl nur durch Aufschlag auf dem Boden leicht verletzt worden, sonst waren ihre Verletzungen fatal. Durch jene besonderen Umstände eines völlig mißglückten Polizeieinsatzes, gleichzeitig durch die Möglichkeiten ihrer Eltern war sie schnell konserviert worden, sobald klar war, daß man ihr zu jener Zeit nicht wirklich weiterhelfen konnte. So hoffte man einfach, Zeit zu gewinnen, um sie später besser behandeln zu können. Dies Abwarten, Aussitzen zog sich indessen über Jahrzehnte, ihre Eltern verstarben und Freyja blieb Kryo-Zombie. Zum Zeitpunkt des Beginns unserer Mission wären ihre Verletzungen bereits gut zu versorgen, Schäden allesamt zu beheben gewesen, wie mir Hildegard auf kurze Nachfrage zu ihrem Krankenverlauf mitteilte. Dies wurde gar in der Konservierung bereits umgesetzt. Trotzdem traf sie dasselbe Schicksal wie uns, Zeitbezug längst verloren landete sie ohne eigenes Zutun auf dieser Mission.
Ich schaute weiter, fand noch ein paar andere nicht uninteressante Kandidaten, sortierte hin und her und wieder aus. Esmes Ranglisten waren schon ganz gut, hilfreich. Sie hatte schnell sowie ziemlich zutreffend sortiert. Consuela stand in ihrer Liste ziemlich weit oben, Bernd sowie Freyja standen als Studenten nicht ganz oben, ich hatte sie aber trotzdem zügig finden können, weil Esme bei allen eine kurze Anmerkung hinzugefügt hatte, was charakteristisch für eine Eignung sein könnte, wie sie grob zur Position in der Rangliste gekommen war. Sie hatte sogar eine Bewertungszahl für die jeweilige Kategorie angelegt, damit ergab sich, daß auch Bernd und Freyja ganz gut im Rennen lagen, wenn auch danach nicht gleich an den Spitzenpositionen. Von Alter sowie Ausstrahlung wirkten die beiden aber am stärksten auf mich.
Sollte ich diese Emotion derart stark gewichten?
Ich hatte auch weitere Pluspunkte gefunden, in denen ich wohl mit Esmeralda übereinstimmte, sonst hätte sie beide nicht so weit nach oben sortiert.
Trotzdem wollte ich es allein auf spontane Sympathie nicht ankommen lassen, stellte dies einstweilen zurück, guckte die Liste Biosphäre weiter durch. So hatte ich dann nach der größeren Sichtung die Auswahl auf fünf Personen reduziert, welche ich mir weiter kritisch ansah. Für mich blieben aber Bernd und Freyja in dieser Rubrik die überzeugendsten Kandidaten. Beide hatten ihr Studium erst begonnen, damit eine Gemeinsamkeit, welche in der Kombination eventuell nützlich sein könnte. In der Phase fällt es leicht, neue Kameradschaften einzugehen.
Weil ich nun auch nicht gleich spontan zu Gunnar und Hendrik greifen wollte, ohne andere Profile anzugucken, schaute ich anschließend die Listen dieser Kategorien durch. Für Einzelkriterien hätte es insbesondere schon Kandidaten gegeben, welche ähnlich relevant wie Gunnar gewesen wären, ebenso gab es durchaus Konkurrenz für Hendrik, in der Kombination waren sie aber zweifellos unschlagbar. Da hatte Esmeralda einen Volltreffer gelandet, als sie herausgefunden hatte, daß die beiden zusammengehören. Zwar gab es dazu Vermerke in den Datensätzen, diese hätten bei einer eiligen Suche aber auch vernachlässigt werden können. Somit war Esmes Hilfe großartig gewesen. Eigentlich hatte ich damit meine fünf Favoriten für die erste Runde. Das sollte funktionieren.
Sollte ich nun noch eine Nacht drüber schlafen oder mich gegenüber den Ais gleich festlegen?
Bei Gunnar und Hendrik sollte ich dies auf jeden Fall.
Bei den anderen hätten wir nach meinem Plan ohnehin ein paar Tage mehr Zeit, von daher würde es wohl reichen, mich den nächsten oder übernächsten Tag zu entscheiden. Vielleicht sollte ich dann aber auch schon vor der endgültigen Entscheidung Gunnar und Hendrik partizipieren lassen.
Erleichtert, bereits so weit gekommen zu sein, bereitete ich mir in aller Ruhe das Abendessen, denn so lange hatte sich die erste Recherche schon hingezogen, wobei ich ja lediglich bei der Biosphären-Kategorie deutlich mehr Kandidaten-Profile genauer angelesen hatte. Ich ließ mir das Abendessen schmecken, reflektierte dabei über meinen aktuellen Stand. In der Tat war es mir mit dieser Aktivität gelungen, ganz gut mit dem Vergangenen abzuschließen, einen Neustart zu wagen. Nach dem Leerlauf der Trauer war ich nun allmählich wieder in Fahrt gekommen, dies tat sehr gut, hob die Stimmung nach der tristen scheinbaren Ausweglosigkeit zuvor.
Esmeralda war aufmerksam, fragte nach, ob ich weit genug gekommen sei, sich also eine Besprechung mit den anderen lohnen würde. Ich stimmte zu, also legten wir uns fest, Esme teilte es den anderen Ais mit, ebenso das Thema der Auswahl weiterer Kryo-Zombies zur Entwicklung der Kolonie.
Zum Treffen kamen Körk, Ida, Hildegard sowie Esmeralda mit ihren Avataren. Mangels solcher waren Stanis und Asi zwar zugeschaltet, bekundeten aber gleich zu Beginn, die Kompetenz läge bei der Frage eindeutig bei uns in der Kolonie, von daher sollten wir entscheiden. Ich berichtete über Esmes Fund Gunnar und Hendrik betreffend. Wir führten beide aus, warum die beiden unsere Favoriten waren. Wie erhofft bekamen wir Zustimmung. Ich erläuterte kurz meine Idee, wie wir in etwa vorgehen sollten.
Ida kommentierte: „Die Wiederauferstehung könnte so deutlich einfacher zu betreuen sein. Eine geschickte Idee, mit Gunnar zu beginnen, kurz darauf Hendrik folgen zu lassen, wenn Gunnar diesem bereits beistehen kann. Wenn Hendrik später voll einsatzbereit ist, sich eingelebt hat, sollte er uns wirklich gut beraten können, wie wir im jeweiligen Fall weiterer Kandidaten jeweils vorgehen sollten. Zwar ist die Datenlage oft dürftig, aber mit menschlicher Fachkompetenz können wir hoffentlich schnell hilfreich eingreifen, wenn etwas aus dem Ruder zu laufen droht.“
Damit hatten wir uns auf die beiden festgelegt.
Ich führte weiter aus: „Nun sind die beiden ein Paar, durch ihren Unfall, Gunnars Entscheidung für die Konservierung sind sie nun eine Schicksalsgemeinschaft. Also gehören sie für den Transfer auch in eine Landefähre. Ihr solltet das für die nächsten Tage vorbereiten.“
Ida antwortete: „In Ordnung. Wir teilen dir mit, wann die Fähre im Anflug ist, wie es terminlich danach weitergeht, wir bereiten alles vor.“
Esmeralda fragte nach: „Wie sieht es mit den anderen Listen aus?“
Ich führte aus: „Ich habe mir bereits einiges durchgelesen. Bei einer weiteren Person sind wir uns ziemlich einig, dies ist Consuela. Diese dürfte gut zum Brutkästenprojekt passen, welches Hildegard mir erläutert hat. Kurzfristig werden wir damit zwar noch nicht beginnen, aber Consuela wird ohnehin Eingewöhnungszeit brauchen. Wir warten also nach ihrer Wiederauferstehung gelassen die Entwicklung ab. Wenn die Zeit reif erscheint, kann Hildegard das Brutkästenprojekt ausführlich vorstellen. Es ist aber durchaus plausibel, daß wir zuvor noch weitere Kyro-Zombies integrieren, um eine etwas größere Gemeinschaft zu bekommen.“
Wir stellten auch Consuelas Daten vor, auch diese Wahl stieß auf keinen Widerstand. Weil wir uns erst um Gunnar und Hendrik kümmern wollten, wollten wir Consuela allerdings nicht gleich mit in derselben Fähre in die Kolonie befördern, diese erst leicht verzögert wiederauferstehen lassen, wenn klar wäre, wie Gunnar und Hendrik auf die neue Situation reagieren.
Ich fuhr fort: „Für das Biosphären-Projekt habe ich auch zwei weitere Personen in der Planung. Ich habe zwei Favoriten, welche nun nicht ganz oben in Esmes Rangliste stehen, sie sind jung, Studenten. Ich sehe darin viel Potential, daß sie sich auf die Situation rasch einstellen können, sich zügig einarbeiten. Mit eurer Unterstützung können sie in der Thematik schnell Fortschritte machen. Gegenüber älteren, bereits mehr festgelegten Kandidaten haben sie den Vorteil, daß sie mit dem Beginn des Studium ohnehin gerade in einem Neustart waren, etwas Neues beginnen wollten. Insofern ist dieser erneute Bruch hoffentlich weniger dramatisch, sie haben in dieser Umbruchphase vermutlich noch nicht so viele neue, tiefe Freundschaften geschlossen, was es erleichtern könnte, sie hier nun bei uns zu integrieren …“
Esme betonte: „Die Listen mit den Bewertungszahlen sind ja lediglich eine grobe Richtschnur. Wenn du diese Kriterien aufführst, welche plausibel sind, ändert sich die Rangliste natürlich wieder. Es war ja die Idee, daß du es letztlich selbst beurteilen sollst …“
Ich nickte: „Ganz festgelegt habe ich mich noch nicht. Plausibel erscheinen mir unter den genannten zusätzlichen Gesichtspunkten Bernd sowie Freyja …“
Ich verwies auf die Datensätze. Ich nannte ebenso weitere mögliche Kandidaten, wir diskutierten ein wenig, was relevant sein könnte. Letztlich ermunterten mich Hildegard und Esme, bei meiner Entscheidung zu bleiben. Ida und Körk meinten dazu, wenn sie mir sympathisch erschienen, sei dies ein weiteres wichtiges Kriterium, denn die kleine soziale Gruppe sollte ja funktionieren, da sei es natürlich wichtig, wenn ich dabei von Anfang an ein gutes Gefühl hätte. Derart bestärkt war ich somit einverstanden, daß wir uns auf die beiden festlegen. Damit hatten wir unsere Kandidaten für die ersten Personen der Kolonie. Daß die Entscheidung nun doch so schnell gefallen war, erleichterte mich. Wir berieten noch über ein paar Details des Zeitablaufes, welcher aber letztlich auch daran hing, wie Gunnar und Hendrik reagieren würden. Diese jedenfalls würden zeitnah mit der Landefähre in die Kolonie kommen, die anderen drei unterdessen ebenfalls vorbereitet werden. Im Grunde gab es jedoch bloß wenig vorzubereiten, die Behälter mit den Personen müssen eigentlich bloß in die Landefähre transferiert werden. Deren Weg sowie die Landung, die Wiederauferstehung im Anschluß nehmen die wesentliche Zeit sowie Aufmerksamkeit in Anspruch. Es würde etwa zwei Tage dauern, bis die Landefähre mit Gunnar und Hendrik hier auf der Insel landen würde. Ich hatte also noch etwas Zeit, mich auf neue Gesellschaft vorzubereiten.
Damit war unsere Sitzung auch schon beendet. Ich atmete tief durch, schaute den Rest des Abends zwei Filme, denn der Prozeß der Auswahl, die Entscheidung hatte ich doch ordentlich aufgewühlt. Wie so oft bei mir war es schnell gegangen, nachdem der Handlungsimpuls erst einmal ausgelöst war. Nun waren die Dinge angeschoben. Nun würde die Kolonie wirklich besiedelt werden.
Den nächsten Tag saß ich wieder mit Körk an den Methusalem-Daten. Ich hoffte schon darauf, daß Gunnar helfen könnte bei der Visualisierung.
Immerhin kamen wir voran. Körk hatte damit begonnen, die größten Objekte im Rasol-System zu berücksichtigen, in einer numerischen Simulation die Zeit rückwärts ablaufen zu lassen. Solange Objekte nicht zerstört werden oder sonstige nennenswerte Wechselwirkungen relevant werden, ist dies erst einmal ein einfaches Vorgehen, um Anhaltspunkte zu bekommen, wann sich die großen Objekte so nahe gekommen sind, um sich gegenseitig nennenswert zu stören, somit die Bahnen zu ändern. Zunächst hatte er auch noch den Sonnenwind mit einem Mittelwert berücksichtigt, was aber sowieso bei den Objekten weiter weg von Rasol vernachlässigt werden kann. Methusalem war weit draußen, hatte also keine nennenswerten Wechselwirkungen mit Objekten, welche nahe bei Rasol waren. Insofern war dieser eigentlich einfachste Ansatz gar nicht schlecht, um einen ersten Eindruck zu bekommen. Durch Hinzunahme von Objekten, welche die nächstgrößeren waren, konnten wir aus dem Unterschied der Rechnung grob abschätzen, wie falsch die Simulation nach ein paar tausend Jahren rückwärts war. Das sah zunächst unverdächtig aus, daher lohnte es sich schon, ein paar Millionen Jahre zurückzurechnen. Weil Methusalem nun weitab der Hauptekliptik des Systems unterwegs war, klappte diese Vorgehen eigentlich gut. Die Bahn änderte sich in der Zeit durch die uns bekannten größten Einflüsse allmählich, wurde elliptischer mit einer Tendenz mehr nach innen. Das war interessant.
Aus der Zeit unserer Ankunft sowie vom Aufräumen her hatte Körk sorgfältig aufgezeichnete Bahnparameter kleinerer Objekte verfügbar. Der nächste Schritt war also nun, diese ebenfalls in die Simulation einzupflegen, dabei zu gucken, ob oder wann es so aussah, als kämen welche davon aus einer kleinen Region, was mit anderen Indizien nahelegen würde, daß ein größeres Objekt zerstört worden war oder eben kleinere Objekte zusammengestoßen waren, sich teilweise unter Absonderung von Splittern zu einem größeren vereint hatten. Dies war schon ein ambitionierteres Projekt. Als Verfeinerung versuchte Körk zudem auch noch, etwas über Sonnenwinde herauszufinden, was über einen Mittelwert aus unserer Beobachtungszeit hinausgeht. Zum Glück für uns ist Rasol in der Hinsicht noch harmloser als die Sonne, Sonnenwinde stellen hier also einen kleineren Störfaktor dar, bei Objekten in der Nähe von Rasol können sie indes schon Bahnänderungen bewirken, unsere groben Näherungen in der Simulation für solche also unzuverlässig machen. Nun ist es sehr schwierig, aus den Bahnen der Objekte aus den letzten 150 bis 200 Jahren, viel mehr hatten wir im Grund nicht, auf solche Störungen in fernerer Vergangenheit zu schließen. Wir mußten also bescheiden hinsichtlich der Aussagekraft der Simulation bleiben. Wir probierten mit einer Variante der Monte-Carlo-Methode herum, um plausible Standardabweichungen für unsere Ergebnisse abschätzen zu können.
Nachdem wir uns erst einmal auf das prinzipielle Vorgehen geeinigt hatten, blieb die konkrete Arbeit letztlich an Körk hängen, teils machten auch Stanis und Asi dabei mit. Mir blieb lediglich zu warten, bis wieder ein Simulationsergebnis vorliegen würde. Mit der Vorbereitung war aber ein weiterer Tag dahingegangen. Ich fand, die Zeit war gut investiert. Nun würde ich länger warten müssen, lediglich nebenbei mal gucken, wie die Zwischenergebnisse aussehen.
Zudem konnte ich auf Gunnars Fähigkeiten hoffen, sobald dieser einsatzbereit sowie willig wäre, sich solchen Problemen zu widmen, denn es war ja nun plausibel, daß er trotz Unterstützung durch Hendrik auch erst einmal brauchen würde, um sich an den Gedanken zu gewöhnen, urplötzlich auf solch einer Mission zu sein, hunderte von Jahren aus seiner Zeit geschossen in einem anderen Sonnensystem. Diese Information muß auch erst einmal wirken, verarbeitet sein, bevor jemand sie akzeptieren kann, ankommen, sich neuen Aufgabe widmen, welche ihm nun etwas bedeuten sollen – komplett losgelöst vom vorherigen Leben.
Immerhin wären Gunnar und Hendrik weiter zusammen, das würde ihnen hoffentlich wirklich helfen, sich mit der neuen Situation zu arrangieren – oder hatte ich mit Esme ins Klo gegriffen und die beiden waren schon wie ein altes, längst zerstrittenes Ehepaar, welche auch einen Neuanfang ohne den anderen erfreut begrüßt hätten, befreit von der Entscheidung, die Beziehung selbst auflösen zu müssen?
Nun wurde ich bei diesem neuen Gedanken doch wieder leicht nervös, was kommen würde. Aber gut, wir hatten uns entschieden, die beiden waren schon unterwegs.
Abends schaute ich wieder zwei Filme, um abzuschalten. Allmählich war es doch unangenehm, sonst keinen Menschen zur Konversation zu haben. Die Ais waren schon sehr bemüht, stets ansprechbar, aber eben doch etwas speziell, anders als Menschen. Ich wollte einfach auch mal wieder mit Menschen reden, insbesondere weil die Situation hier in der Kolonie sich deutlich normaler anfühlte als anfangs auf dem Raumschiff, wo nun wirklich alles ganz anders war. Inzwischen hatte ich mich eingelebt, nahm gar nicht mehr wirklich wahr, was hier anders war als in meinem alten Leben auf der Erde. Unterdessen hatte ich so viel im Raumschiff, auf der Raumstation, sogar auch hier auf der Kolonieinsel für neue, intensive Eindrücke gesammelt, da verblaßte allmählich, was früher war.
Über Nacht hatte ich schon neue Ideen bekommen, beriet mich nach dem Frühstück mit Körk, Stanis und Asi. Es ging darum, mehr Proben direkt von Methusalem zu bekommen, zusätzlich von Gesteinsbrocken mit ähnlicher Flugbahn in seiner Nähe oder einfach mit ähnlichen Parametern. Stanis und Asi konnten Methusalem schon mit Sonden erreichen, es würde allerdings etwas dauern. Prinzipiell waren sie einverstanden, wollte aber genauer ausformuliert haben, was für Proben relevant wären, wonach genau gesucht werden sollte.
Ich bestätigte: „Gut, ich setze mich daran, die Aufgaben auf Methusalem genauer zu formulieren. Ich habe die Hoffnung, über Altersbestimmungen, eingeschlagene Brocken auf Methusalem mehr über die Historie des Rasol-Systems zu erfahren. Vielleicht können wir mehr relevante Daten bekommen, diese unter dem Gesichtspunkt plausibel interpretieren.
Das kann ich erst einmal vorbereiten.“
Die drei bereiteten unterdessen schon einmal leistungsfähigere Ausrüstung vor, welche sie zu Methusalem schicken wollten, um dort flexibel Proben nehmen zu können. Gesteinsproben sammeln, analysieren, Einschläge erkennen, Richtungen zu exakten Zeiten bestimmen, das waren schon einmal Kriterien, mit welchen sie die Vorbereitung der Mission beginnen konnten. Diese Mission würde Monate in Anspruch nehmen, das war schon jetzt klar, insofern kam es bei der Vorbereitung nicht auf einen Tag mehr oder weniger an.
Ich notierte erst einmal meine Gedanken, sortierte, formulierte alsbald genauer, was ich wollte, um zeitlich etwas einzuordnen, was auf Methusalem über die Jahrmillionen eingeschlagen sein mochte, woher, wie alt, welche Einschlagsenergie, darauf nach Möglichkeit eine Schätzung von Bahnparametern vor dem Einschlag, eventuell Herausabeitung von Tendenzen, sollte es Anhaltspunkte dafür geben, daß Objekte im selben Zeitraum aus ungefähr derselben Richtung eingeschlagen waren.
Gab es da eventuell mehrere Ströme, welche Methusalem im Rasol-System gekreuzt hatte?
Die Ais konnten nun schon besser einordnen, was die Mission können sollte, bereiteten nun schon konkreter vor.
Dies kam auch mir zu. Ich widmete mich entsprechend der Geologie und Geochronologie, kam da auch gut voran, das war bereits ein vielversprechender Anfang, auf den ich nun aufbauen konnte.
So nutzte ich ebenso den Nachmittag, um mich weiter in die Geochronologie und Gesteinsdatierung einzuarbeiten. Was auf der Erde, allgemeiner im Sonnensystem funktionierte, mochte hier im Rasol-System etwas andere Voraussetzungen haben. Allerdings hatten Asi und Stanis reichlich Proben aus dem System, somit ebenfalls eine gute Grundlage, um einerseits das Alter des Rasol-Systems aus verschiedenen Methoden zu bestimmen, andererseits gleichfalls Unterschiede, besondere Zusammensetzungen der Materialien von Methusalem. Daher waren die Schlußfolgerungen der Ais schon überzeugend. Methusalem paßte in seiner Hauptmasse, also abgesehen von eindeutig jüngeren Einschlägen, nicht in das sonstige Muster. Ein Einfang in das Rasol-System war also schon plausibel. Ich beschloß, mir das noch näher anzusehen.
Welche Zerfallsreihen hatten sie sich angesehen, welche Isotopen- und Elementenverhältnisse hatten sie analysiert, wo hatten sie Proben genommen?
Wenn ich mich da weiter einarbeitete, sollte es mir gelingen, weitere Vorschläge zu machen, was noch zu untersuchen wäre, welche weiteren Zerfallsreihen wir nutzen könnten, um die Hypothese noch besser abzusichern?
Ich wollte es versuchen und mich da hineinfuchsen.
Wenn Methusalem doch nur ein Kleinplanet ist, war doch davon auszugehen, daß er bei einem Einfang einst mit erheblicher Relativgeschwindigkeit in das Rasol-System gekommen ist. Betrachtet man nun ein einfaches Modell von zwei Punktmassen in einer gravitativen Wechselwirkung, so käme es nie zu einem Einfang. Bei einem solchen ist es immer notwendig, die überschüssige kinetische Energie irgendwie anders zu verteilen. Bei einem System aus mehr als zwei Körpern ist das möglich. Im Extremfall kann da etwa ein anderer Körper aus dem System geschleudert werden, ein größerer Planet könnte bei einer Wechselwirkung allerdings auch auf eine etwas energiereichere Bahn um Rasol verschoben werden, um die Energie so anders im System zu verteilen. Kommt es gar zu Einschlägen, kann ein Teil der kinetischen Energie auch in Wärme umgesetzt werden. Zwar gilt insgesamt immer noch die Impulserhaltung, trotzdem ist so bei komplexen, ausgedehnten Massen ein Einfang möglich. Erhaltung der Gesamtenergie, von Impuls und Drehimpuls ist gegeben, sie werden lediglich unter den beteiligten Objekten anders verteilt.
Obgleich solch ein Kleinplanet schon winzig ist im Vergleich mit den Gasriesen oder gar mit Rasol selbst, sollte solch ein Einfang bei den Planeten hingegen schon Spuren hinterlassen haben, von diesen hätten also wohl mindestens zwei ihre Bahnen geändert, vermutlich waren auch Bahnen diverser Kleinkörper wie Asteroiden geändert worden, mit der Wirkung von heftigeren Asteroidenschauern auf die Planeten in die folgenden Jahrhunderten oder Jahrtausenden. Häufungen von Ereignissen könnten also auf den Einfang hindeuten, mit Glück mit diesem eindeutig in Bezug gebracht werden.
Ich war jedenfalls weit über das Abendessen hinaus in den Abend hinein beschäftigt, kam gar nicht mehr dazu, etwa bei einem Film zu entspannen. Müde sank ich irgendwann nur noch ins Bett, schlummerte ein.
Den nächsten Tag blieb durchaus noch Zeit bis die Landefähre eintreffen würde, viel Arbeit damit würde ich ohnehin nicht haben. Also ging ich nach Morgenlauf sowie Frühstück wieder an mein neues Forschungsprojekt.
Die Analyse von Zerfallsreihen ist komplex. Ich hakte bei Ida und Körk nach. Die Ais hatten schon allerhand analysiert, räumten allerdings ein, bei Methusalem nicht wirklich in Details gegangen zu sein. Allerdings hatten wir reichlich Daten auf Vorrat von ihrem ersten Besuch dort und Stanis und Asi waren ja nun ebenfalls an dem Projekt beteiligt, auch für sie war es irgendwie relevant, daß so ihre Forschungsarbeit auch in der Kolonie mehr Aufmerksamkeit bekam. So waren sie schon sehr eifrig gewesen bei der Vorbereitung der neuen Mission, um Methusalem genauer zu untersuchen, auf Vorschläge einzugehen, bisherige Arbeiten zu erläutern, um so zu einem stimmigen Projekt zu kommen, Ziele genauer festzulegen, einen Plan zu haben, was wir eigentlich wissen wollen, wie uns Methusalem dabei helfen könnte. Schnell hatte ich mit Hilfe der Ais jedenfalls eine lange Liste von Möglichkeiten, wie das Alter von Gestein bestimmt werden kann, ebenso eine lange Liste von Daten über die Zusammensetzung verschiedener Bereiche von Methusalem. Ich hatte die Hoffnung, daß wir demnächst Gunnar hinzuziehen könnten, um diesen zu motivieren, mit seinen Kenntnissen Ordnung in die Daten zu bekommen, sie für Menschen zugänglicher zu visualisieren und Korrelationen einfacher prüfen oder entdecken zu können, die in den Daten bereits verborgen sein könnten, allgemein Korrelationen herauszuarbeiten und unsere Hypothesen so unter Ausnutzung aller verfügbaren Daten effizient auszuwerten.
Dabei könnten wir entscheidend davon profitieren, die gewaltigen Datenbanken und das hohe Rechentempo der Ais mit unseren menschlichen Impulsen, Idee, Assoziationen bei der Sichtung der visualisierten Daten zu kombinieren, um zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Diese Kombination hatte sich bislang als sehr nützlich erwiesen, weil wir so die jeweiligen Stärken von Ais und Menschen gut einsetzen, die Schwächen wiederum gegenseitig kompensieren.
Nachmittags sollte die Landfähre ankommen. Draußen vor den Gebäuden der Kolonie standen die Avatare von Hildegard, Ida, Esmeralda sowie Körk. Ich gesellte mich dazu. Ais kann man Anspannung nicht wirklich anmerken.
Körk verriet aber doch etwas mit seinen an mich gerichteten Erklärungen: „Das wird nun reibungslos funktionieren, da funkt keine Supernova dazwischen.
Der Prozeß der Landung auf einem derart großen Planeten ist durchaus schwierig aufgrund der großen Massenanziehung, der Reibung der Atmosphäre. Bei den Landefähren passiert dies nun so, daß sie aus zwei größeren Komponenten bestehen. Die erste hat einen Antrieb, welcher gut im Weltraum sowie in dünnen Atmosphären funktioniert. Die andere Einheit hat Antriebe, welche in der Atmosphäre gut funktionieren. Der eine Typ ist ein Düsentriebwerk, welches du aus deiner Zeit gut kennst, der andere besteht aus ebenfalls bekannten Propellern ähnlich wie bei Hubschraubern, es handelt sich bei den Landefähren aber um insgesamt fünf Rotoren, welche erst in der Atmosphäre kurz vor ihrem Start ausgeklappt werden.
All dieser Aufwand ist notwendig, weil ja durch die Höhe über der Oberfläche bei der Landung eine Menge potentieller Energie irgendwo hin muß, diese wird beim Absinken zu kinetischer Energie, welche mit Antrieben kompensiert werden muß oder eben per Reibung als Wärme in die Atmosphäre abgegeben werden muß. Weil nun Reibung an der Atmosphäre bei den auftretenden Geschwindigkeiten die Fähre stark erhitzen würde, passen wir die Geschwindigkeit an die Rotation des Planeten mit Antrieben an.
Im Vakuum reduziert schon einmal die erste Komponente den Abstand, dazu auch teilweise bereits die Relativgeschwindigkeit zur Oberfläche. Sobald die Atmosphäre zu dicht für diesen Antrieb wird, wird die eigentliche Landefähre mit der Nutzlast ausgeklinkt. Während der Antriebsteil wieder in den Weltraum entschwindet, fällt der Teil mit der Nutzlast in die Atmosphäre, startet dabei die Düsentriebwerke, welche im Fall zunehmend besser funktionieren, weiter die Relativgeschwindigkeit reduzieren, dabei eine zu starke Erhitzung durch Reibung in der nach unten dichter werdenden Atmosphäre vermeiden. Erst später werden die Multikopter-Einheiten ausgefahren, mit welchen die Landefähre über der Oberfläche an einer Stelle schweben kann, punktgenau landen kann. Wir haben auch andere Konzepte, welche sich gut für den Start eignen, etwa mit Luftschiffen, welche ein Transferschiff in die oberen Bereiche der Atmosphäre bringen können. Für Lasten wie die Konservierungsbehälter eignet sich dieses Verfahren indessen besser. Du kannst dir aber vorstellen, wenn bei dem Prozeß eine massive Störung auftritt, ist es notwendig, zeitnah einen Notfallplan zu haben …“
Ich bestätigte: „Klar, als der elektromagnetische Impuls die Kommunikation lahmgelegt hat, konntet ihr die relativ komplexen Manöver nicht mehr kontrollieren …“
Körk widersprach: „Nein. Abgesichert sind diese Manöver durchaus. Die Landefähre verfügt über ein leistungsfähiges Subsystem, welches autark nach unsere vorherigen Vorgaben landen kann, wenn der Kontakt abbricht. Das Problem bei dem Impuls war allerdings zusätzlich zum Abbruch des Kontaktes zu uns, daß auch innerhalb der Fähre die Kommunikation gestört war. Das hat allerdings auch nicht direkt zur Katastrophe geführt, denn auch die Antriebe haben ein sehr gut abgeschirmtes Subsystem, welches beim Abbruch eines Kontaktes zur Steuerung zunächst weitgehend die letzte Funktion beibehalten hat, diese Subsysteme haben eine grobe Vorgabe, was eine sinnvolle Reaktion ist, um einen Absturz zu verhindern. Wir haben die Landefähre ja aufgrund von Plänen für Module gefertigt, welche bereits fertig mit auf die Mission gegeben wurden. Allerdings fehlte bei denen eine Anpassung an die konkreten Parameter von Skylla. Insofern waren die Notfallprotokolle der Antriebssubsysteme sehr allgemein ausgelegt. Der elektromagnetische Impuls hat zwar nur ein paar Minuten gedauert, das Subsystem der Fähre hat danach allerdings noch länger gebraucht, weil der Impuls Schäden verursacht hatte. Auch wir haben gebraucht, um wieder Kommunikationskanäle zur Fähre öffnen zu können, weil allerhand Schäden auch in anderen Systemen vorlagen. Zum Beispiel war auch die Funkanlage der Kolonie gestört, von dort konnte also nicht übernommen werden. Insgesamt war die Zeit zu lang, mit der die Fähre nur von den Antriebssubsystemen gesteuert wurde. Diese Einzelsteuerungen waren nach Minuten nicht mehr stimmig genug, was letztlich zum Absturz geführt hat.“
Ich fragte: „Daher habt ihr also nun nachgebessert, indem die konkreten Parameter von Skylla ergänzt wurden?“
Körk führte aus: „Das haben wir selbstverständlich getan. Dazu aber noch mehr. Die Antriebssubsysteme sind nun mit gut abgeschirmten Gyroskopen ausgestattet, weswegen sie selbst genau genug rekonstruieren können, wo die Fähre sich gerade befindet, wohin sie sich bewegt. Zusammen mit den geographischen Daten des Planeten können sie also viel sinnvoller reagieren, zumal sie nun vom Subsystem der Fähre auch noch immer wieder mit einem angepaßten Flugplan versorgt werden. Bricht der Kontakt also ab, haben die Antriebssubsysteme also immer noch eine gute Chance, angemessen zu reagieren. Noch im Weltraum würde der Anflug schlicht abgebrochen werden, die Fähre sich in eine Umlaufbahn begeben. Der Düsenantrieb würde bei ausreichend Treibstoff erst einmal in der Luft bleiben. Die Propeller würden entweder dies tun oder eine Landung anstreben, je nachdem, in welchem Stadium der Landung die Fähre sich gerade befindet. Spannend wird es natürlich, wenn der Treibstoff knapp wird. Der Düsenantrieb müßte an die Propeller abgeben, welche ausgefahren werden müßten, was nicht funktionieren kann, wenn die Kommunikation zwischen den Modulen ausgefallen ist. Es kann also letztlich eine kontrollierte Bruchlandung der letzte Ausweg sein. Die Antriebssubsysteme müssen also selbst erkennen können, wann es kritisch wird, angemessen reagieren, weswegen der Flugplan wichtig ist, ebenso die Orientierung mit den Gyroskopen. Insgesamt ist es ein komplexes Problem. Wir haben jedoch alles ausgiebig getestet. Selbst wenn ein Düsentriebwerk ausfällt oder mehrere der Propeller, kommt es nicht mehr zu einem fatalen Absturz. Eine kontrollierte Bruchlandung hingegen bietet bei ausreichend vorhandener Kenntnis der Landezone gute Chancen, in einem Konservierungsbehälter weitgehend unbeschadet zu überleben. Diese Chancen konnten wir mit den Ergänzungen noch einmal leicht erhöhen. Selbst wenn der Treibstoff für die Propeller zu früh ausgehen sollte, werden diese beim Absinken der Fähre immer noch ausreichend von Luft durchströmt, um einerseits den Fall zu bremsen, anderseits noch eingeschränkt navigieren zu können. Auch dann sind also noch eine raue Landung oder ein milder Absturz die wahrscheinlichsten Konsequenzen. Letztlich haben wir also die Routinen für eine Notsituation massiv verbessert, selbst wenn diese unwahrscheinlich sind. Aber immerhin gibt es ja neben elektromagnetischen Impulsen noch andere Möglichkeiten, etwa ein Einschlag eines zuvor unbemerkten Mikroasteroiden, welcher einen oder mehrere Antriebe oder Kommunikationskanäle zerstören könnte. Entsprechend könnte einer der seltenen Sonnenstürme von Rasol die Kommunikation stören.
Wir haben also durchaus etwas getan, um die Sicherheit nochmals zu verbessern. Ein Landemanöver ist zwangsläufig komplex, birgt viele Möglichkeiten für Zwischenfälle, welche angemessen abgefangen werden müssen …“
Ich beruhigte: „Ich hatte euch auch nicht vorgeworfen, leichtsinnig mit unseren Leben umgegangen zu sein – Supernova ist nun einmal derart unwahrscheinlich, daß damit nicht gerechnet werden mußte. Danke jedenfalls für die Informationen. Diese mehrfachen Absicherungen machen schon den Eindruck, als habe dabei deutlich mehr berücksichtigt werden können als zu meiner Zeit auf der Erde bei der bemannten Raumfahrt.“
Körk bestätigte: „Ja, die haben sich damals ja auch aus eigenem Interesse im Bewußtsein des Risikos in die Kisten gesetzt – ihr hingegen seid praktisch unfreiwillige Teilnehmer der Mission. Da erschien es uns mehr als angemessen, die Sicherheitsvorkehrungen hochzuschrauben – umso schlimmer, daß sie in eurem Falle trotzdem so fatal versagt haben – natürlich mußten wir daraufhin noch einmal anständig nachlegen, wobei auch immer wieder zu bedenken ist, daß dies mehr Komplexität bedeutet, es ist also nun wieder zu bedenken, daß die autarken Antriebssubsysteme nun bei einer Störung nun nicht gegen das Fährensubsystem oder gar gegen unsere Anweisungen arbeiten, damit erst für eine Katastrophe sorgen. Fehlerhafte Kommunikation ist generell ein häufiger Auslöser von Problemen. Insofern mußten wir selbstverständlich auch dies sorgfältig untersuchen, um mit unseren zusätzlichen Maßnahmen nicht für das nächste Problem zu sorgen. Insgesamt haben die Tests gut funktioniert, wir sind also begründbar, belegbar überzeugt davon, die Sicherheit noch einmal verbessert zu haben.“
Unterdessen war die Fähre am Himmel zu erkennen. Diese schwebte herab. Ich war erleichtert. Die Fähre landete sicher, die Ais transferierten daraufhin die beiden Kryo-Behälter in den medizinischen Bereich, wo sich Hildegard und Ida mit ihren Avataren um deren Versorgung kümmerten. Die Fähre blieb einstweilen stehen. Körk und Esme kümmerten sich um deren Inspektion sowie später um das Nachfüllen von Treibstoff. Der Start war erst für den nächsten Tag vorgesehen. Wieder beim Raumschiff angekommen würde eine weitere Inspektion erfolgen, danach wäre die Fähre bereit, die nächsten Kandidaten in die Kolonie zu überstellen.
Ich hatte somit den Rest des Tages Zeit, um weiter in die Daten zu gucken. Ich hoffte ja auf Gunnars Engagement, von daher überlegte ich mir schon einmal, wie dieser für die wissenschaftlichen Fragen zu interessieren wäre. Immerhin hatte er sogar im Bereich Satellitenbau gearbeitet, da hoffte ich schon, ihn für Wissenschaft, Analysen von Daten aus einem anderen Sonnensystem interessieren zu können, nachdem er sich hier eingefunden hatte. Vielleicht ist es ja auch gerade die zeitnahe Beschäftigung mit derartigen konkreten Aufgaben, welche das Einleben erleichtern kann. Immerhin mußten wir die beiden dazu bringen, sich auf die neue Situation in der Kolonie, auf ein komplett neues Leben einzustellen.
Gunnars sowie Hendriks Wiederauferstehung sollte am nächsten Tag stattfinden. Ich war gespannt.
Um mich abzulenken, sah ich nach dem Abendessen einen Film, hörte etwas Musik, sann darüber nach, wie wir mehr Details über die Historie von Skylla und Charybdis herausbekommen könnten. Wie der Planet zusammengesetzt ist, könnte dabei sicherlich helfen. Dies wären ebenso nützliche Informationen für die Entwicklung der Biosphäre auf Skylla, wobei hier bloß die Oberfläche interessant war, in der Richtung hatten die Ais sicherlich ausgiebig Proben genommen. Tiefere Schichten hingegen waren eher bloß für meine Fragestellung interessant. Ich würde bei Gelegenheit nachfragen, was sie bereits untersucht hatten. Über seismische Messungen, die Analyse von Wellen, ausgelöst durch Erdbeben könnten wir Informationen bekommen, wenn es ein weitreichendes Netzwerk von Sensoren gäbe. Ferner erinnerte ich mich auch an Systeme von der Erde, welche auf Satelliten beruhen, mit welchen die Kartoffeligkeit eines Planeten untersucht werden kann, also aus den exakten Bahnen zweier Satelliten zueinander die lokale Gravitationswirkung.
Könnte es noch andere Methoden geben, um ein genaueres tomographisches Bild eines Planeten zu erstellen?
Ich würde die Ais befragen müssen, was heute technisch alles möglich ist. Immerhin gibt es nicht so viele Teilchen, die bei der Durchquerung eines Planeten lediglich mäßig streuen, welche zudem gut mit einer eigenen Quelle mit ausreichender Intensität erzeugbar sind. Wenn wir das hinbekämen, wüßten wir mehr. Nun ist es vermutlich auf der anderen Seite nicht essentiell zu wissen, wie das Rasol-System sich entwickelt hat, wie es zur Konfiguration des Doppelplanetensystems Skylla und Charybdis gekommen ist, bei welcher der eine Zwillingsplanet belebt ist, der andere nicht, der eine viel mehr Wasser aufweist als der andere. Immerhin hatten wir uns davon überzeugt, daß das System nun für lange Zeit stabil so funktionieren wird, wie wir es vorgefunden haben, also eine gute neue Heimat ist.
Den nächsten Tag ließ ich ruhig angehen, begann ihn mit einem ausführlichen Morgenlauf, unterbrochen von einem Bad im See. Ich trocknete mich gar in den Strahlen von Rasol auf einer Felsplatte, lief somit erst später als sonst zurück zur Kolonie, duschte mich ausgiebig, kleidete mich an, frühstückte in aller Ruhe. Hildegard informierte über den aktuellen Stand der Wiederauferstehung. Gunnar würde demnach noch vor dem Mittag erwachen. Ida würde ihm gegenüber die erste Ansprache halten, ich würde alles über einen Monitor beobachten, alles mitbekommen, im Bedarfsfalle erst den Raum mit Gunnar und Hendrik aufsuchen, um einen hoffentlich hilfreichen Beitrag zu leisten.
Nach dem Frühstück blieb noch genug Zeit zum Aufräumen. Als ich mich an einen Arbeitsbereich setzte, mir die Situation im medizinischen Bereich einblenden ließ, regte sich Gunnar noch nicht. Die Einrichtung des Raumes war möglichst reduziert. Es gab keinerlei Anzeichen, wo der Raum war, also insbesondere kein Fenster nach draußen zugänglich. So würde Gunnar erst einmal annehmen, auf der Erde zu erwachen, würde nicht gleich mit Informationen erschlagen, welche ihn überfordern mochten, wo er doch alsbald schon Hendrik bei dessen Wiederauferstehung beistehen sollte. Von daher sollte auch die Information von Ida erst einmal minimalistisch ausfallen. Mehr wollten wir erst preisgeben, wenn Gunnar und Hendrik geistig komplett aufnahmefähig wären, sich von der direkten Wiederauferstehung hinreichend erholt hätten, wieder zueinandergefunden hätten.
Ich wartete einfach gespannt ab, was weiter passieren würde, wie Gunnar nach dem Erwachen reagieren würde.
Ich mußte noch warten, bis er endlich erste Regungen zeigte. Aus meiner Erinnerung wußte ich, daß es etwas dauert, bis man Sinneswahrnehmungen wieder richtig auswerten, interpretieren kann. In dem Raum war es still, somit hatte das eigentlich ziemlich zuerst einsetzende Hörvermögen wenig zu tun, Geruch war vermutlich noch früher dran, aber in diesen Räumen gibt es auch nichts Auffälliges zu riechen, derlei ist alles sorgsam reduziert. Gunnar befand sich also in dieser Schwebe eines Zwischenreiches zwischen Konservierung und bewußter Existenz. Die Bewußtwerdung des eigenen Körpers, Seins ist noch elementar. Mit den Regungen beginnt allmählich die Verarbeitung äußerer Reize, daß man liegt, die Hände neben dem Körper auf einer ziemlich strukturlosen Oberfläche, nichts Konkretes. Aus dem Nichts in ein diffuses Etwas katapultiert steigt die Neugier natürlich schnell, also Augen auf, sobald man dazu fähig ist, unklares Bild, es schärft sich für einen nicht sonderlich aussagekräftigen Raum. Der Kopf läßt sich erst etwas später bewegen, noch mit unklarem Blick hilft das noch nicht viel.
Dies ungefähr ist wiederum der Moment, in welchem die erste Ansprache durch Ida erfolgt.
In der Tat begann Ida nun die mir schon beinahe gewohnte Begrüßung: „Herzlich willkommen, Gunnar.
Du erwachst gerade aus deiner Konservierung – du erinnerst dich hoffentlich noch?
Die anfängliche Orientierungslosigkeit wird in den nächsten Minuten vergehen, danach kannst du besser, klarer sehen, dich gezielt bewegen, also noch etwas Geduld, du bist sicher, gesund, komplett genesen von deinen Verletzungen, es wird rundum für dich gesorgt. Dazu hast du einen speziellen Anzug an, welchen du bereits in wenigen Tagen wirst ablegen können, wenn sich alle Körperfunktionen normalisiert haben.“
Gunnar brauchte noch einen Moment, fragte alsdann nach: „Konservierung? – Oh ja, es kommt wieder … was aber ist mit Hendrik?
Ich wollte ja mit ihm gemeinsam zurückkommen.“
Ida erläuterte gewohnt ruhig: „Hendrik geht es gut; während der Konservierung konnte auch er ausgezeichnet behandelt werden, wie du selbst wird er keinerlei Spuren an seinem Körper von dem Unfall mehr vorfinden. Wir haben dich lediglich früher aus der Konservierung zurückgeholt – wir sagen salopp wiederauferstanden – weil du anders als er von der Konservierung wußtest, dich noch bewußt dafür entscheiden konntest, während er damals keine Chance dazu hatte. Da schien es uns naheliegend, daß es ihm helfen würde, wenn du bei ihm bist, ihn beruhigen, informieren kannst, wenn er wieder erwacht.“
Gunnar bewegte den Kopf leicht, konnte lediglich ein Nicken andeuten: „Ja natürlich. Das ist ein sehr guter Gedanke. Das werde ich tun, sobald ich selbst wieder etwas hinbekomme …“
Ida betonte: „Die aktuellen Einschränkungen hängen bloß mit der Konservierung zusammen. Alsbald kannst du schon wieder klar sehen, dich vorsichtig bewegen.
Hendrik liegt im selben Raum, wenn du den Kopf gleich drehen kannst, wirst du ihn sehen können, in Ordnung?“
Gunnar bestätigte: „Ja danke. Ich hoffe, wenn jetzt wirklich wieder alles mit uns in Ordnung ist, wird er nicht allzu sauer sein, denn ich habe ihn überredet, daß wir unbedingt an diesem Rennen mit Elektroautos teilnehmen müssen, das ging durch die Wüste, für Freizeitrennfahrer, da ist uns einer voll reingekachelt, da hatte ich als Fahrer keine Chance mehr, der Verlauf ist sicherlich ungefähr bekannt, obgleich es ja wohl leider eine Weile gedauert hat, bis wir aufgefunden sowie versorgt wurden?“
Ida antwortete: „In der Hinsicht ist deine Erinnerung offenbar schon wieder deutlich besser als meine Informationen, welche ohnehin eher dürftig sind. Mit der unmittelbaren Rettung habe ich nichts zu tun gehabt, meine Zuständigkeit ist die korrekte Konservierung sowie nun die Wiederauferstehung in einem komplett gesunden Zustand.
Es ist aber ein sehr gutes Zeichen, wenn du bereits genau einordnen kannst, was zuletzt passiert ist, der Unfall, die Wartezeit danach auf die Rettung … noch mehr?“
Gunnar berichtete bereitwillig: „Ich muß mehrfach das Bewußtsein verloren haben. Später war ich im Krankenhaus in einem sehr schlechten Zustand. Weil ich immer wieder nach Hendrik gefragt habe, hat man mir letztlich eröffnet, daß er in einem noch schlechteren Zustand sei, seit dem Unfall vermutlich schon im Koma, sie könnten derzeit nicht viel tun, allenfalls die Konservierung oder abschalten. Bei mir hatten sie mehr Hoffnung, mich noch zusammenzuflicken, es wären aber massive Behinderungen geblieben. Meine Eltern waren da, wir konnten uns beraten, dabei habe ich letztlich darauf gedrängt, Hendrik und mich zu konservieren, damit wir gemeinsam unser Leben leben könnten, wenn Heilung für uns beide möglich sei. Ich hatte ihn zu dem Autorennen überredet, ich liebe ihn – was blieb mir also sonst in der Situation?
Von der eigentlichen Einleitung der Konservierung habe ich alsdann praktisch nichts mehr mitbekommen, man hat mich relativ früh sediert. Das nächste, was ich weiß, ist das Jetzt, unser Gespräch.
Wo bist du überhaupt?“
Ida bestätigte: „Das sind alles detaillierte Erinnerungen für die Umstände; mit dem Kopf ist also alles in Ordnung, meine Tests zeigen auch, daß alles gut verläuft. Ich hatte mit nichts anderem gerechnet. Was mich anbelangt, du hörst bloß meine Stimme über Lautsprecher, lediglich du und Hendrik sind in dem Aufwachraum. Wir haben die Informationen, die Raumausstattung bewußt reduziert, um nicht gleich zu überfordern.“
Unterdessen bewegte sich Gunnar auch schon, konnte sich umsehen, sich vorsichtig aufrichten. Nun konnte er den noch reglos liegenden Hendrik erkennen, nickte mit erfreuter Miene, kam erst einmal zu sich. Ida fragte weiter seine aktuellen Reaktionen, Möglichkeiten ab. Bald war Gunnar so weit, daß er komplett aufstehen konnte. Noch mit unsicheren Schritten ging er hinüber zu Hendrik, wo für ihn schon ein Stuhl bereitstand. Er setzte sich gleich wieder, nahm vorsichtig Hendriks Hand.
Er fragte: „Wie lange wird es bei Hendrik noch dauern, bis er zu sich kommt?“
Ida informierte: „Wir können das etwas steuern. Du hast es gut aufgenommen, wir haben keine Beruhigungsmittel gebraucht. Es ist nachvollziehbar, daß Menschen deutlich heftiger bei der Wiederauferstehung reagieren, wenn sie nichts von der Konservierung wissen.“
Gunnar erwiderte: „Ja natürlich. Mir geht es gut, ich werde Hendrik selbstverständlich beistehen. Hoffentlich hilft ihm das, die Verwirrung gut wegzustecken. Hoffentlich ist er wegen des Unfalls nicht allzu sauer auf mich …“
Ida teilte mit: „Wenn du bereit bist, leite ich sein Aufwachen ein. Es wird ein paar Minuten dauern, bis er sich regt.“
Gunnar nahm Haltung an, antwortete: „Ich bin bereit, es kann losgehen.“
Ida erwiderte: „Also gut, dann leite ich die letzte Phase ein …“
Wie prognostiziert dauerte es nun ein paar Minuten, bis Hendrik erste Regungen zeigte. Gunnar blieb erst noch still, überlegte vermutlich, wie er beginnen sollte. Dabei hielt der Hendriks Hand, drückte nun etwas fester. Hendriks Hand reagierte darauf, griff ebenfalls zu. Hendrik stöhnte, röchelte, brabbelte erst lediglich leise.
Gunnar begann also: „Hendrik, ich bin’s, dein Gunnar. Ich bin bei dir. Es geht uns gut. Wir hatten leider diesen Unfall, aber nun ist wieder alles gut. Bleibe ruhig, du bist sicher. In ein paar Minuten blickst du schon wieder durch …“
Hendrik brabbelte erst wieder unverständlich. Ida hielt sich zurück, zumal Gunnar auch nicht nachfragte.
Mir teilte indes Hildegard mit: „Auch mit Hendrik ist alles in Ordnung. Weil Gunnar seine Hand hält, ihn so früh angesprochen hat, kann Hendrik das vermutlich schon verstehen, hat aber seine Aussprache noch nicht gut genug im Griff, um verständlich zu antworten.“
Ich entgegnete: „Das habe ich mir gedacht. Bislang läuft es doch ausgezeichnet, wie erhofft. Gunnar ist ruhig geblieben, kümmert sich gleich um Hendrik, also ideal.“
Hildegard bestätigte: „Ja, die Idee war genial. Warten wir mal ab, wie Hendrik reagiert.“
Gunnar hatte Geduld, hielt weiter Hendriks Hand. Er hatte ja selbst noch frisch in Erinnerung, wie diese ersten Minuten sind, ließ Hendrik also Zeit, um ganz zu sich zu kommen. Ida hatte ihm nun auf einer Anzeige auch eingeblendet, daß alles wie geplant verlaufe, Hendrik lediglich noch etwas brauche, um sinnvoll antworten, sich bewegen zu können. Gunnar hatte dieses gelesen, nickte dazu geduldig.
Nach ein paar weiteren Minuten regte sich Hendrik deutlich koordinierter.
Gunnar fragte nun nach: „Geht es nun schon besser?“
Tatsächlich konnte sich Hendrik nun artikulieren: „Ja. Es wird alles klarer.
Gunnar, es ist wirklich alles in Ordnung?
Diese diffuse Benebelung ist wirklich beängstigend.“
Gunnar ermunterte ihn: „Ein wenig Geduld noch, bei mir ist es eben jedenfalls kontinuierlich besser geworden, ich konnte bereits aufstehen, mich zu dir setzen. Sie haben dich etwas später geweckt, damit ich dir beistehen kann.“
Hendrik hatte die Augen geöffnet, erkannte Gunnar. Dieser war aufgestanden, streichelte sanft über dessen Schulter.
Noch ein wenig später konnte sich Hendrik bereits aufrichten, war nun zur Kommunikation bereit: „Unfall? Unfall?“
Gunnar kniff etwas besorgt seine Augen zusammen, wobei auch Ida eingeblendet hatte, er solle doch mal vorsichtig nachfragen, woran sich Hendrik erinnere.
Gunnar tat dies.
Hendrik grübelte etwas, versuchte es: „Hmm, also gut, wir waren auf diesem Autorennen, wozu du mich überredet hast. Wir hatten viel Spaß dabei, ein ordentliches Abenteuer, war also gut, daß du mich dazu überredet hast. Unterwegs waren wir, Steppe, Wüste gar … und … oh! … ja … jetzt. Es hat gekracht, damit ist aber auch schon alles Weitere weg.“
Gunnar war erleichtert: „Gut, du weißt also, was wir zuletzt gemacht haben. Ich bin ebenfalls erleichtert, daß du es als erfreuliches Abenteuer gesehen hast. Ich habe ein ziemlich schlechtes Gewissen, dich dazu überredet zu haben …“
Hendrik widersprach: „Mußt du nicht, wir haben doch letztlich beide entscheiden, daß wir es durchziehen wollten – und das war eine großartige Entscheidung, eine schöne Abwechslung, mal wieder bloß für uns etwas durchziehen, eine gemeinsame Herausforderung meistern.“
Gunnar informierte: „Es ist nur leider schiefgegangen. Es ist uns jemand in die Seite gefahren, also deine Beifahrerseite. Da war nichts mehr zu machen, wir waren erledigt, der andere allerdings auch. Wenn ich es richtig mitbekommen habe, hat der unsere Karre seitlich gedreht, ist dabei abgehoben, hat einen mächtigen Salto hingelegt. Der Fahrer ist verstorben …“
Hendrik kommentierte geschockt: „Ach du Scheiße!
Und wir?
Einfach so davongekommen, denn es scheint ja nun noch alles dran zu sein?“
Gunnar verzog kurz den Mund, bevor er weiter beichtete: „Jetzt ist wohl wieder alles dran sowie funktionsfähig. Damals beim Unfall hat es dich aber so schwer erwischt, daß du gleich im Koma warst, keine weiteren Erinnerungen daher. Ich bin immer wieder weggeklappt vor Schmerzen, wieder kurz aufgewacht. Irgendwann hat man uns aufgesammelt. Im Krankenhaus hat man es immerhin hinbekommen, daß ich wieder bei Verstand war. Ich habe natürlich nach dir gefragt, da hatten sie eine sehr schlechte Prognose. Ich wäre auch weitgehend bewegungsunfähig gewesen.
Ich zwar komplett verzweifelt, ohne dich? Bewegungsunfähig?
Wir hatten ja schon einige Rücklagen, unsere Eltern auch, dazu Versicherungen. Jedenfalls war es möglich, in der Hoffnungslosigkeit wenigstens auf Hoffnung zu setzen. Damit habe ich uns beide konservieren lassen, bis man uns beiden helfen könne. Dies hat nun offenbar geklappt, wir sind wieder bei Bewußtsein, können reden, uns bewegen. Man hat mir versichert, wir seien komplett genesen. Wir müssen uns die nächsten Stunden, Tage lediglich noch von dieser Konservierung erholen, von der – wie sie es nennen – Wiederauferstehung!“
Hendrik sah ihn an, schaute auf seine eigenen Hände, seine Beine, seinen Körper, stieß verblüfft hervor: „Wiederauferstehung!
Was für eine Wortwahl!
Wir waren wirklich am Ende?
Diese neue Kryo-Konservierungstechnik, von welcher wir gehört, gelesen hatten?“
Gunnar bestätigte: „Genau. Kryonik.
Selber habe ich davon gar nichts mitbekommen – aber schau uns an – es hat wirklich funktioniert!
Sonst wären wir wirklich perdu gewesen – du wohl unmittelbar, ich ohne dich gelähmt hätte doch auch nichts mehr gerissen, wäre depressiv verwelkt – nun haben wir noch einmal die Kurve gekratzt, das Rennen doch noch überlebt!“
Hendrik umarmte ihn vorsichtig, sie hielten sich, weinten sogar ein wenig.
Hendrik ging es zunehmend besser, er bewegte sich, Gunnar ließ ihm Platz, bald saßen beide nebeneinander auf Hendriks vorheriger Liegefläche.
Hendrik fragte: „Wie lange hat das gedauert, wenn es doch so hoffnungslos war?“
Gunnar schaute ihn überrascht an, kratzte sich am Kopf: „Gute Frage. Ich bin dir auch nur rund eine Stunde oder so voraus, vielleicht zweie. Ich habe auch lediglich die Basisinformationen bekommen. Über Lautsprecher. Weil ich mich nun um dich kümmern wollte oder durfte, haben sich die Mitarbeiter offenbar zurückgehalten, dort wird lediglich etwas eingeblendet, Hinweise zu deinem Zustand, um dich nicht zu erschrecken in dieser etwas benebelten Phase …“
Er wies auf den Anzeigebereich, Hendrik schaute. Ida hatte eingeblendet: Alle Vitalfunktionen bestens, keine weiteren Hilfsmaßnahmen erforderlich.
Hendrik nickte: „Prima, sonst hat sich noch niemand blicken lassen?
Was ist das hier?“
Gunnar zuckte seine Schultern: „Man wollte uns in der Aufwachphase während der Wiederauferstehung offenbar nicht so bedrängen. Das Original hatte in der Hinsicht angeblich ja auch genug Gelegenheit, sich auf sich rückzubesinnen, ohne dabei von anderen gestört zu werden.“
Hendrik lachte verlegen, meinte: „Wollen mal nicht hoffen, daß wir nun doch noch rasch gen Himmel fahren, jedenfalls nicht ohne konventionelle Mittel, lieber schon mit einem Flugzeug, um nachher wieder heile zu landen und weiterzuleben.“
Beide lachten.
Nun meldete sich Ida akustisch: „Die Stimmung scheint ja gut zu sein. Das freut mich. Wenn ihr wollt, kann ich euch so weitere Informationen geben. Wenn ihr wollt, daß sich mal jemand persönlich blicken läßt, ist das auch umgehend möglich …“
Hendrik nickte: „Es wäre sehr freundlich, wenn sich ein Mensch hier blicken ließe. Ich mag eigentlich Menschen, obwohl mir schon einige kuriose, auch grenzwertige Typen über den Weg gelaufen sind. Ein Mensch zur Stimme wäre auf jeden Fall toll …“
Hildegard meinte zu mir, während ich schon aufgestanden war, mich auf den Weg machte: „Da bist du offenbar persönlich gefragt!“
Ich grinste, erwiderte: „Klar, wenn du oder Ida da gleich mit einem Avatar auftauchen würdet, könnte dies schon für Aufregung sowie Verwirrung sorgen. Da bin ich wohl besser geeignet.“
Ida hatte es so geschaltet, daß ich unterwegs weiter mithören konnte. Sie meinte zu den beiden: „Es ist schon jemand unterwegs, nicht ich, aber Michaela kommt, sie wird euch helfen, persönlich begrüßen können. Danach erzähle ich vielleicht ausführlicher, wo wir sind, was unterdessen seit eurer Konservierung alles passiert ist.“
Hendrik bestätigte: „Das klingt nach einem guten Plan, verstehe nur nicht, warum du dich selber nicht blicken läßt …“
Ida antwortete: „Ach, das wird sich alsbald klären. Wartet erst einmal auf Michaela, die ist nett.“
Angekommen klopfte ich bloß kurz an, öffnete die Tür, trat ein: „Hallo, da bin ich. Ich bin die Michaela, praktisch das persönliche Begrüßungskomitee. Gesprochen habt ihr mit Ida. Gegenüber Wiederauferstandenen ist sie erst etwas scheu, das gibt sich allerdings schnell, sobald ihr auf dem Laufenden seid.“
Die beiden wirkten wirklich erleichtert, einen Menschen zu sehen, begrüßten mich freundlich.
Hendrik fragte alsogleich: „Ihr seid wirklich ein wenig eigenartig, was ist denn los, stimmt etwa doch etwas nicht?“
Ich zuckte meine Schultern, erwiderte: „Was euch körperlich sowie ganz persönlich betrifft: Keine Sorge, alles gut, Ida hat es zusammen mit Hildegard gesagt, geprüft, dann stimmt es.“
Gunnar fragte nach: „Hildegard?“
Ich erläuterte: „Es ist die medizinische sowie biologische Expertin, ich bin Physikerin, Ida übernimmt eher die Gesamtorganisation, wird gerne für solch eine Begrüßung direkt nach der Wiederauferstehung vorgeschoben. Ihr werdet also gut betreut.“
Hendrik nickte: „Trotzdem klingt deine Beruhigung etwas speziell formuliert, da lauert doch noch etwas?“
Gunnar unterbrach allerdings, nachdenklich mit dem Zeigefinger fuchtelnd: „Moment, Moment!
Ich habe mir doch gleich gedacht, daß du mir irgendwie bekannt vorkommst – was ist das denn?
Bist du etwa wirklich diese Legende?“
Ich schaute ihn fragend an: „Legende?“
Nun schaute auch Hendrik: „Klar, du hast Recht. Du bist doch der erste Mensch, bei dem diese Kryo-Konservierung funktioniert hat – ich dachte ja anfangs angeblich, die Berichte über Kryonik waren dann jedoch ganz vielversprechend.
Offenbar: Nun stehst du da lebendig, arbeitest nun selbst für die Kryonik?
Interessant!
Also ebenfalls ein Unfallopfer, nun wieder quicklebendig!“
Ich nickte: „Stimmt. Legende. Soso. Erstaunlich. Ja, also ich bin gleichfalls wiederauferstanden von den Toten – oder wie wir auch genannt werden: Kryo-Zombies, kein schöner Spitzname, aber naja. Jedenfalls kann ich damit schon einmal vorausschicken, daß ich im Grunde in der gleich Situation bin wie ihr, was Ida wohl gleich erzählen wird, da ist es mir ähnlich ergangen wie euch. Ich habe lediglich bei der Entscheidung mitgewirkt, euch nun endlich wiederauferstehen zu lassen … zusammen mit Esmeralda, welche ihr auch noch kennenlernen werdet. Ihr müßt verstehen, wir waren alle nicht bei eurer Konservierung dabei, haben erst viel später mit euch zu tun bekommen, insofern hatten wir bis jetzt, bis zu eurer Wiederauferstehung keinen Einfluß auf euer Schicksal genommen …“
Gunnar runzelte die Stirn, Hendrik hakte sogleich nach: „Hmmm, gleich eine Distanzierung vorweg. Also gut, wir wissen, daß du ebenfalls wie wir konserviert warst, sogar die erste, welche man derart auf die lange Bank geschoben hat.
Kann es sein, daß diese ziemlich lang war, wenn ihr so zögerlich damit umgeht, was konkret los ist?“
Ich versicherte: „Ja also gut, Ida kann das ganze Drama gleich ausführlich schildern. Halten wir allerdings vorweg noch einmal die wesentlichsten Punkte fest: Ihr seid gesund sowie zusammen, es geht euch gut. Ihr seid hier sicher aufgehoben. Die lange Bank: Ja, auch das ist richtig, da hat man uns alle hereingelegt, ist unverantwortlich mit uns umgegangen. Nun jedoch haben wir es in der Hand, mit einem Neustart unser Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen …“
Hendrik blinzelte, beide hatten sich kräftiger bei den Händen gegriffen, Gunnar schnaufte angespannt, Hendrik antwortete: „Nun, wir glauben ja, daß du damit nichts zu tun hattest, was immer auch passiert sein mag, wir sind sowieso friedliche Leute, eher ruhig, bedacht, gut, besonders Gunnar mag uns auch mal für aufregende Abenteuer wie dieses Autorennen durch die Wüste begeistern, auch dadurch können wir schon einstecken, Widrigkeiten aushalten, schlechte Nachrichten verdauen.
Du hast ja Recht, wir sind zusammen, gesund, wie schlimm kann es nun schon noch kommen?“
Nach einer kurzen Pause meldete sich nun Ida wieder: „Nun ja, wie man es nimmt. Also gut, ihr bleibt ruhig, hört lieb zu, alsdann erzähle ich euch die Geschichte, wie alles seinen Gang ging …“
Daraufhin erzählte sie, wie lang die Bank war, wohin der Raketentechniker mit seinem Sozialarbeiter mit ihrem Autorennen gekommen waren, sehr weit vom Schuß eben oder weit über das Ziel hinaus. Die beiden gaben zwischendurch immer einmal wieder verblüffte Laute von sich, hielten sich aber artig an den Händen. Das schien ihnen wirklich zu helfen, die ganze Geschichte zu vertragen.
Gunnar kommentierte anschließend, noch immer etwas fassungslos: „Donnerlittchen. So sind wir also praktisch über Jahrhunderte als Raumfahrer in einem Raumschiff unterwegs gewesen, ohne etwas davon zu ahnen, sind nun bereits wieder runter, in einem anderen Sonnensystem, auf einem anderen Planeten, will ich gleich sehen!“
Ich bestätigte: „Das wird kein Problem sein, eine Drehung von Skylla dauert nur etwa acht Stunden, am Himmel ist oft der Zwillingsplanet Charybdis zu sehen, ebenso der Eisring oder dessen Reste, entstanden erst durch die Terraformung. Die Flora der Insel ist zwar schon reichhaltig, aber eher unspektakulär, es sind alles Spezies von der Erde, in dem Sinne also nicht phantastisch oder exotisch …“
Hendrik schaute Gunnar an, fragte vorsichtshalber mal nach: „Du hast bei deinem Arbeitgeber gewiß nichts unterzeichnet, daß wir gerne mal in den Weltraum wollen, auf große Fahrt, ein spektakuläres Abenteuer mitmachen?“
Gunnar schüttelte vehement den Kopf: „Neeeee, bestimmt nich’.
Ich habe Satelliten gebaut, programmiert, etwas in der Art, mit bemannter Raumfahrt hatten wir in dem Unternehmen rein gar nichts zu tun.
Hätte ich Ambitionen zur Raumfahrt gehabt, wäre es dir bestimmt nicht entgangen!“
Hendrik nickte: „Stimmt auch wieder. Unfaßbar.
Wegen rechtlicher Probleme haben sie uns nicht bloß zum Mond geschossen, lieber gleich in ein anderes Sonnensystem – unfaßbar!
In dieser Absurdität aber auch wieder nachvollziehbar bei den damaligen Rechtsverdrehern, verschnarchten Gesetzgebern, den tollen Ideen, wo die überall jemanden hinschicken wollten, wieder zum Mond, zum Mars – war offenbar nicht einmal genug, nun gleich ungefragt über Jahrhunderte in ein anderes Sonnensystem.
Die sind doch total bescheuert!“
Ich suchte zu beschwichtigen: „Primär sind diese Strategen inklusive ihrer Kinder inzwischen längst tot und nahezu vergessen. Wir hingegen leben, wenn die Leitung auch lang ist, es besteht noch eine Verbindung zum reduzierten Rest der Menschheit.
So gesehen ist der Triumph doch auf unserer Seite!“
Gunnar kratzte sich nachdenklich am Kopf.
Hendrik legte nach: „Schon. Immerhin.
Das heißt aber auch, daß all unsere Verwandten, Bekannten Geschichte sind?“
Ich verzog den Mund, nickte: „Ja. Ein Neuanfang – die Alternative wäre der Tod gewesen. So gesehen haben wir hiermit den maximal erreichbaren Haupttreffer gezogen.
Ohne Unfall wäre er das nicht gewesen, aber unter den gegebenen Voraussetzungen – immerhin!
Dich hat es wie mich komplett kalt erwischt, für Gunnar ist es sicherlich eine Überraschung, wie sich alles entwickelt hat.“
Gunnar lachte angespannt, meinte: „Überraschung ist untertrieben. Gewiß war das überhaupt nicht meine Absicht. Ich dachte mir so: Ach komm, in zehn Jahren oder so ist die Entwicklung so weit vorangeschritten, da haben wir eine Chance.
Aber Jahrhunderte?
Eine Reise quer durch den Weltraum in ein anderes Sonnensystem?
Nie wieder die alten Bekannten, Verwandten sehen?
All das lag jedenfalls fern meiner Vorstellungskraft im Moment der Entscheidung.
Zudem, wenn ich mich genau erinnere: Eigentlich haben sie mir gut zugeredet, daß es eine super Sache wäre, einerseits dem Tod, andererseits der Behinderung ein Schnippchen zu schlagen. Daß aus dem Schnippchen ein derart gewaltiger Schnapper wurde – unfaßbar.“
Ida merkte an: „Ohne die Juristereien, Tricksereien, Geschäftsinteressen hätten sie euch vermutlich wirklich binnen zwanzig Jahren, etwas in der Größenordnung wiederauferstehen lassen können, eventuell nicht wieder derart perfekt repariert wie jetzt, aber gut genug für ein vitales Weiterleben. Da war allerhand Betrug im Spiel, ebenso bei dir, Michaela.“
Ich nickte: „Lassen wir das Thema besser, bringt ja nun doch nichts mehr, wir können niemandem an die Gurgel springen, der schon vor Jahrhunderten noch auf der Erde seinen Löffel abgegeben hat.
Wollt ihr nun raus an die frische Luft?“
Beide nickten, also führte ich sie gemütlich durch das Gebäude nach draußen.
Beide hatten Glück, in der Dämmerung der Tagesdunkelheit war derzeit neben dem Eisring auch Charybdis am Horizont erkennbar. Selbst die Dämmerung ist auf Skylla anders, weil das Spektrum von Rasol etwas anders ist. Beide staunten bei dem Anblick, welcher ziemlich überzeugend war. Ich begleitet sie zu einer Sitzbank, wir blieben, sie schauten weiter staunend.
Gunnar faßte es zusammen: „Also gut, bei dem Anblick müssen wir es wohl glauben, was so unbegreiflich ist.
Und die anderen sind Ais?“
Ich bestätigte: „Ja. Ida, Hildegard, Körk, Esmeralda, Stanis und Asi. Die beiden letzten forschen weiter draußen bei den Gasriesen, haben hier keinen Avatar, die anderen schon, sie werden sich wohl schon bald einmal damit vorstellen, damit ihr euch gewöhnt. Damit ist wohl auch klar, warum Ida bloß akustisch bei der Begrüßung präsent war …“
Gunnar meinte: „Künstliche Intelligenz war ja schon zu unserer Zeit ein Thema. Da hat man oftmals noch geunkt, daß es eigentlich künstliche Dummheit ist – Ida vorhin hat indessen vorhin einwandfrei kommuniziert, blieb aus menschlicher Perspektive dabei glaubhaft, unauffällig. Es wurde ja durchaus ebenfalls spekuliert, wie man Raumfahrt über das Sonnensystem hinaus hinbekommen kann. Da ist künstliche Intelligenz natürlich plausibel, wenn sie einerseits so weit fortgeschritten ist, daß sie es selbständig hinbekommen, andererseits aber so wenig menschlich sind, daß sie nicht vor Langeweile Suizid begehen.“
Ich grinste: „In dem Sinne haben sie die Ais wirklich gut hinbekommen. Gut, mit Humor, Ironie, Zynismus etc haben sie Probleme. Kreative Ideen dauern etwas länger, Handlungsimpulse können sich ein paar Jahrzehnte hinziehen, daher sind sie auch stark daran interessiert, daß wir zügiger einen Anstoß geben, gemeinsam scheint eine bessere Option zu sein als sie oder wir alleine.
Wenn ich es richtig verstanden habe, haben aber sowieso Ais die Ais konstruiert oder gezeugt, wie immer man das nennen mag. Ursprünglich gehörten ja auch bloß Ida, Hildegard sowie Körk zur Besatzung. Die anderen sind erst nach der Ankunft hier entstanden. Mich haben sie anläßlich der Ankunft auferstanden, weil sie jemanden haben wollten, welcher sie dabei berät, welcher zügig Entscheidungen treffen kann, wenn es kritisch wird. Darin sind sie nicht so gut. Sie denken anders als Menschen, aber friedlich, freundlich, komplett unverdächtig hinsichtlich Dominanz, Machthunger, Intrigen. Wir kommen sehr gut klar, respektieren einander. Weil sie nun prinzipiell fast alles über uns wissen könnten, haben wir eine Vereinbarung getroffen, was die Privatsphäre der Menschen anbelangt.“
Hendrik hakte nach: „Das basiert auf Vertrauen?“
Ich stimmte zu: „Alles hier basiert auf Vertrauen. Ohne dies wären wir nicht wiederauferstanden worden, ohne dies hätten wir nichts, wären wir nichts.
Ist nicht letztlich jeder Staat, jede soziale Struktur auf Vertrauen aufgebaut, daß alle anderen wenigstens so wenig Scheiße bauen, daß man noch ganz gut durchkommt?“
Hendrik lachte belustigt: „Das ist eine sehr reduzierte Sicht des Staatswesens, von sozialen Gruppen. Aber das gefällt mir. Wenn das gelingt, ist das Gemeinwesen ganz gut gelungen.“
Ich betonte: „Zudem haben wir hier ausgezeichnete Voraussetzungen, genug Essen, genug Ressourcen; anspruchslose Arbeit, welche niemanden interessiert, bewältigen die Ais selbst oder mit Subsystemen, dazu natürlich ebenso solche, welche allgemein eine große, zuverlässige Rechenleistung erfordern. Wir können die Projekte betreiben, welche uns liegen, welche interessieren. Gut, bedingt durch unsere spezielle Situation ist es naheliegend, daß diese sich nun mit den hiesigen Themen beschäftigen, nicht etwa damit, wie man den verbockten Zustand auf der Erde wieder geradebiegt. Aber sonst sind wir ziemlich frei, unsere Gemeinschaft zu gestalten.“
Hendrik nahm das Thema auf: „Gemeinschaft – das sind nun wir drei? – Also zusätzlich zu den Ais?“
Ich bestätigte: „Ja. Es gab auf der Raumstation auch noch Susanne sowie Peter. Beide sind leider verstorben, als die Fähre mit uns dreien hier bei der Landung verunglückt ist. Aus den Fernen des Weltraumes ist gerade in dem Moment ein elektromagnetischer Impuls über uns gekommen, hat alles gestört, fatal. Sie konnten bloß mich retten. Also, wir hatten auf der Raumstation vereinbart, daß die Ais zunächst alleine weitermachen, eben die Terraformung des Wüstenplaneten Skylla übernehmen, während wir eben abermals in der Konservierung diese Zeit überdauern. Als nun hier auf der Insel alles bereit war, hier unsere Wiederauferstehung erfolgen sollte, wir also von der Raumstation in die Kolonie transferiert werden mußten, kam es eben zu diesem Unfall, noch bevor wir wiederauferstanden waren, tragisch. Susi und ich waren ein Paar, mit Peter konnte ich mich ebenfalls gut verstehen. Das war ein sehr schwerer Schlag.“
Hendrik streichelte tröstend über meine Schulter.
Ich fuhr fort: „Mich haben sie abermals zusammengeflickt, mich nach einiger Zeit wiederauferstanden. Mit der Nachricht über Susannes und Peters Tod war ich erst einmal komplett geschafft. Jedoch – Vergangenheit ist nicht mehr zu ändern. Also habe ich mich irgendwann doch aufgerafft, mit der Vergangenheit abgeschlossen, den abermaligen Neuanfang beschlossen. Letztlich habe ich daher in den Daten geguckt, welche Kryo-Zombies sich für den Anfang besonders eignen würden.“
Gunnar schaute erstaunt: „Da bist du ausgerechnet auf uns gekommen?
Ein schwules Paar, ein Raketentechniker und ein Sozialarbeiter?“
Ich erläuterte bereitwillig: „Ich hatte mit den Ais gesprochen, einige Kriterien formuliert, wer warum für unsere Mission hier hilfreich sein sollte. Esme hat eine Liste zusammengestellt. Eine Idee, welche für ein Paar sprach, war, daß die wenigstens nicht alles verloren hätten, nicht komplett bei Null anfangen müßten. Zudem hatten wir ja bereits drei Erfahrungen mit ersten Wiederauferstehungen gemacht. Die meisten Kryo-Zombies wissen gar nicht, daß sie welche sind, haben zudem traumatische Erfahrungen gemacht, welche ja die Ursache sind, weswegen sie konserviert wurden. Da war der Gedanke, daß wir gut jemanden brauchen können, der etwas von Psychologie versteht, der diesen Leuten gut wieder ins Leben helfen könnte, ebenso später bei aufkommenden Konflikten helfen könnte …“
Hendrik unterbrach: „Wodurch ich ins Spiel gekommen bin …“
Ich stimmte zu.
Gunnar fragte: „Also bin ich als Hendriks Liebster bloß Beiwerk?“
Ich grinste, schüttelte den Kopf: „Nein, also Esmeralda hat euch mir als Paar gefunden, vorgeschlagen. Das geniale dabei war, daß du dich auch noch mit Informatik, Technik gut auskennst. Das war super, denn die Ais sind zwar gut im Daten aufnehmen, speichern, ich habe als Physikerin immer prima Ideen – meine ich jedenfalls – was wir herausbekommen sollten oder unternehmen sollten – was aber fehlt, ist jemand, welcher jedenfalls deutlich besser als ich die Daten gut aufbereiten kann. Programmieren kann ich schon, aber Expertin bin ich darin keineswegs. Datenvisualisierung ist sehr relevant, wenn wir etwas verstehen wollen. Den Ais etwas sauber vorzulegen, wie sie Daten sortieren sollen, ist sehr wichtig. Ferner haben sie eigentlich für fast alles Baupläne, Module, welche sie mit Mikrorobotertechnik zügig herstellen können. Wertvoll ist dabei aber immer auch menschlicher technischer Sachverstand, wie man das am besten für das jeweils hier bei uns konkret auftretende, zu bearbeitende Problem optimiert, das volle Potential ausschöpft. Susanne kannte sich gut in Informatik aus. Als ich nun dein Profil sah, war mir sogleich klar, daß du ein Volltreffer bist, weil du gleich zwei Gebiete abdeckst, welche wir gut brauchen können.“
Gunnar wirkte erleichtert, gebraucht zu werden, war interessiert: „Klar mache ich mit. Als Beiwerk wäre ich mir auf Dauer etwas blöd vorgekommen …“
Hendrik versicherte: „Ach, mehr findet sich doch immer. Wir sind doch lernfähig, können uns auf das einstellen, was ist. Das ist wohl unsere Chance, eine Gemeinschaft auf die Beine zu stellen, die gut funktioniert, wo keiner hinten herunterfällt. Meine Erfahrung in der Sozialarbeit – naja, letztlich ging es doch darum, mit unzureichenden Mitteln in einem Milieu Schicksale zu jonglieren, um die übelsten Entwicklungen abzuwenden. Mit den Traumata ihrer Ableben haben wir hier zwar gleichfalls psychisch angeschlagene Leute, aber eine ausgezeichnete, friedliche Umgebung mit hervorragender Ausstattung, um gut darauf zu reagieren, gemeinsam eine funktionierende Gruppe zu werden.“
Ich erwiderte: „Ja, hier gibt es keine Not, wir haben ideale Voraussetzungen, es besser als auf der Erde zu machen, gleich von Anfang an!“
Hendrik atmete tief durch: „Selbstverständlich werde ich engagiert dabei sein, bin lernfähig, also hoffentlich auch allgemeiner einsetzbar, möchte mich einbringen. Hinsichtlich der Betreuung der Leute biete ich meine Möglichkeiten, Kenntnisse an, ich sehe aber schon eine Perspektive, hier auch genug Zeit zu haben, um etwas Neues zu probieren. Es ist ein Neuanfang, alles auf Start. Nun werden wir es auch nicht perfekt hingekommen. Es stimmt aber, ohne den Kampf um Nahrung, Ressourcen, ohne üble Arbeiten haben wir ideale Voraussetzungen, etwas zu erreichen, was besser ist als der Mist auf der Erde, welcher sich über die Jahrtausende entwickelt hatte. Turbokapitalismus, Ausbeutung, Armut – hier gar kein Thema. Denn dort haben sich jene, die wirklich Fortschritte machen konnten, besser leben konnten, doch auf irgendeine Weise immer auch auf Kosten anderer bereichert, welche sie indirekt oder direkt dafür in den Dreck getreten haben. Dazu wurde sukzessive der Planet immer weiter geschunden sowie ausgebeutet. Wir haben hier wirklich eine Chance, es besser hinzubekommen, nicht perfekt, aber mindestens auf der Basis, daß alle gut klarkommen, solange niemand komplette Scheiße baut.“
Wir lachten.
Hendrik dachte wirklich schon weiter: „Drei Menschen und ein paar Ais sind aber noch keine wirkliche Gesellschaft.
Wie geht es weiter?“
Ich spitzte den Mund: „Ich habe ja schon etwas vorbereitet. Für die erste Runde gibt es drei weitere Kandidaten, welche die Ais mit der Fähre vom Raumschiff in die Kolonie bringen können. Ich werde euch ihre Datensätze zeigen, gut, die sind oft eher knapp – insgesamt bleibt doch etwas rätselhaft, ob man uns nach uns unbekannten Kriterien ausgewählt hat oder einfach so ziemlich alle auf die Reise geschickt hat, die man als Kryo-Zombies loswerden wollte und man der Mission dafür wenigstens halbwegs überzeugend unterschieben konnte. Jedenfalls haben wir rudimentäre Informationen zur Auswahl. Was klar ist, wir können Leute gebrauchen, welche sich zusammen mit den Ais mit der Biosphäre beschäftigen, das ist naheliegend. Nun können wir die Kolonie nicht alleine mit Kryo-Zombies bevölkern. Ihr seht ja, vorsorglich sind große Gebäude angelegt worden. Wenn wir wollten, könnten wir mehrere tausend Leute unterbringen. Vermutlich würde dafür mit ein wenig Vorbereitung sogar die Nahrungsversorgung hier auf der Insel reichen, wenn man Hildegard ein paar Monate Vorbereitungszeit einräumen würde.
Hildegard hat allerdings noch deutlich mehr auf Lager. Unsere Mission hat eine gewaltige genetische Datenbank, nicht bloß Pflanzen, Tiere, Pilze etc, auch reichlich menschliche Datensätze, digital wie auch materiell als keimfähige Proben. Pflanzen und Pilze, Mikroorganismen werden in der Biosphäre ja bereits angesiedelt, vermutlich auch in näherer Zukunft ein paar Tiere, eventuell auch testweise auf einer Insel, wo die Vegetation bereits geeignet ist.
Was Menschen anbelangt, hat Hildegard wiederum das Brutkästenprojekt im Angebot, sie ist damit in der Lage, menschliche Embryonen aus dem Vorrat zu nehmen oder erst zu erzeugen, dort bis zur Geburt auszubrüten. Nun können die Ais durchaus auch Grundaufgaben der Kinderbetreuung übernehmen, aber für den menschlichen Kontakt, die Sozialisierung sind letztlich wir Kryo-Zombies gefragt. Auch da braucht es Kinderversteher, Leute mit sozialem Geschick.“
Hendrik unterbrach: „Ich mag Kinder durchaus, wenngleich ich auch einige schwer erträglich Bratzen kennenlernen mußte, mit ihnen klarkommen mußte, aber bei denen gehe ich davon aus, daß viele Probleme erst aufkommen oder durchbrechen, weil die Umstände dies befördern. Liefern wir gute Voraussetzungen, bekommen wir Mitbürger, welche jedenfalls die Kriterien erfüllen sollten, keine übermäßige Scheiße zu bauen. Damit will ich mich aber mal nicht gleich als ausgewiesener Kinderversteher oder erfahrener Kinderbetreuer, Erzieher bewerben.“
Ich beruhigte: „Mußt du auch nicht, wenngleich deine Erfahrungen dafür ebenfalls nützlich sowie hilfreich sind. Für die Kinder wiederum gibt es eine Gruppe, welche für dies Kriterium gut geeignet sind. Susanne war auch Lehrerin, insofern gehörte sie zu dieser Gruppe. Wer gut mit Kindern kann, ist eventuell auch häufig sensibel. Deshalb dachte ich mir, solche Leute brauchen ausreichend Zeit, ihr Trauma hinter sich zu lassen, sich hier zu akklimatisieren, die Bereitschaft zu finden, sich neuen Herausforderungen zu stellen. Sie müssen bereit sein, Lust haben, wieder Kinder zu erziehen, sich zu engagieren. Daher habe ich eine weitere Person favorisiert, welche zu dieser Gruppe gehört.
Zwei weitere habe ich im Sinn, denn für die weitere Entwicklung der Biosphäre können die Ais gut interessierte Leute gebrauchen, welche kreativ Ideen einbringen, die Dinge voranbringen.
Mit sechs Leuten machen wir damit erst einmal Erfahrungen, wie wir die Gruppe entwickeln. Danach vergrößern wir diese Gruppe, wobei wir gemeinsam entscheiden, wann wir wie vorgehen. Wenn wir uns mit den Ais einig sind, daß die Zeit gekommen ist, darf Hildegard zusammen mit den Pädagogen – nennen wir sie mal so, die Kinderversteher – das Brutkästenprojekt starten.“
Hendrik nickte: „Gunnar, wir schauen uns die Profile an, oder?“
Gunnar stimmte gleich zu.
Hendrik führte weiter aus: „Jedenfalls finde ich die Planung, die Gedankengänge gut. Das ist nachvollziehbar, wenn die Leute psychisch geeignet sind, sollte das wohl funktionieren. Wenn sie ohnehin Interessen in etwa der passenden Richtung haben, wir es nicht so schwer sein, daß diese Leute sich engagieren, auch darüber hier einen Neuanfang finden, denn eine konkrete Aufgabe ist auch wichtig, um den Verlust des vorherigen Lebens zu überwinden. Ob wir da in den Daten mehr als du mit den Ais finden werden – vermutlich nicht, aber wir können uns gemeinsam Gedanken machen, wie wir mit wem umgehen, um ihnen einen möglichst milden Weg zu bahnen.“
Ich freute mich: „Gut, daß ihr euch beteiligen, engagieren wollt. Aber kommt erst einmal an. Allein bis ihr die Anzüge loswerdet, dauert es seine Zeit. Uns drängt nichts, wenn ihr bereit seid, gehen wir die Angelegenheit mit weiteren Kandidaten an. Übrigens, wo ihr beide ein Paar seid, das Brutkästenprojekt schon erwähnt wurde: Bei Gelegenheit sowie Interesse könnt ihr euch ja auch mal bei Hildegard kundig machen hinsichtlich eigener Kinder …“
Gunnar lachte: „Eigene?
Meinst du ernsthaft, die Medizin ist so weit fortgeschritten?“
Ich zuckte meine Schultern: „Sie haben von uns genetische Proben, können offenbar aus digitalen Daten keimfähiges biologisches Material rekonstruieren – Fragen kostet nichts, ich habe mangels Partnerin nicht gefragt …“
Hendrik lachte ebenfalls, meinte: „Eigene Kinder, du bringst uns noch auf ganz neue Ideen, Gunnar?“
Dieser grinste: „Hmmm, wenn wir die Strampelanzüge ablegen dürfen, ach wirst schon sehen: Ich mache dir ein Kind!“
Hendrik schmunzelte: „Mit solch einem Brutkasten wären wir Männer den Frauen gegenüber schon im Vorteil, allerdings fehlt etwas der direkte Kontakt, da hätten wir wiederum einen Nachteil. Aber gut, falls das wirklich funktionieren sollte – durchaus eine Option, wenngleich ich auch nicht davon ausgehe, daß es bei dieser Kolonie nun ausgerechnet auf unsere Gene ankommen wird, damit es gelingt.“
Gunnar kicherte, nickte zustimmend, meinte alsdann: „Einerseits stimmt schon, andererseits, bei eigenen Kindern gibt es einen viel persönlicheren Bezug. Klar, wenn sie erst einmal da sind, ist man doch automatisch dabei, sich um die kleinen Schätzchen zu kümmern. Eigene haben noch einmal einen ganz besonderen Zauber …“
Ich grinste: „Ah, hatte ich also doch eine gute Idee für euch, behaltet das im Sinn, fragt einfach mal nach, vielleicht seid ihr ja so oder so dabei bei dem Brutkästenprojekt, zur eher üblichen Mischung könnt ihr ja sowieso etwas beitragen, wären dann zwar keine gemeinsamen Kinder, wenn man sich liebt, wird es da aber gar nicht drauf ankommen …“
Hendrik bestätigte: „Stimmt. Umso schlimmer, daß du deine Partnerin derart tragisch verloren hast.“
Ich verzog den Mund, nickte, sie trösteten mich.
Hildegard meldete sich unterdessen, mahnte mich an: „Mittag ist längst vorbei, willst du heute gar nichts essen?“
Ich antwortete: „Oh ja, bei der Betreuung unserer neuen Kolonisten habe ich die Zeit ganz vergessen. Stimmt aber, ich hätte schon Appetit.“
Hildegard bot an: „Die beiden dürfen ja noch nichts, aber wenn ihr langsam losschlendert, bereite ich schnell etwas zu für dich.“
Ich war einverstanden, Hildegard teilte mit, wann wir etwa ankommen sollten.
Ich erläuterte den beiden: „Einstweilen versorgt euch der Anzug noch, das ist so eine Übergangsphase der Wiederauferstehung. Also etwas Geduld. Ernährung ist ansonsten derzeit vegan, ich hoffe, ihr kommt damit klar?“
Beide nickten, Gunnar meinte: „Es gibt hier so viel zu entdecken, so viel zu klären. Da können wir mit dem Essen schon Geduld aufbringen. Ich will mir unbedingt ansehen, wie das Raumschiff funktioniert, welche Lösung sie für bestimmte Probleme gefunden haben, wie beschleunigt wird, was über so lange Zeiträume gegen Partikeleinschlag unternommen wurde.
Selbstverständlich, auch dein Forschungsprojekt mit dem Programmier- oder Optimierproblem interessiert mich, ebenso, was die Ais inzwischen können, gibt es Quantencomputer, wie leistungsfähig sind die Rechenanlagen, wie sind die Daten untergebracht, wie funktionieren die Ais, wie sichern sie ihre Existenz über derart lange Zeiträume?
Wenn ich das richtig verstanden habe, steuern sie allerhand Gerät im gesamten Planetensystem, das ist gewaltig.“
Ich beschwichtigte: „Du kannst dir fast alles ansehen, was jedenfalls nicht gegen die Privatsphäre geht, kannst mit den Ais diskutieren, Fragen klären, eigene Projekte entwickeln, alles kein Problem. Es gibt viel zu entdecken, aber auch reichlich Gelegenheit, Zeit dazu. Wir gestalten die Kolonie, wir entscheiden, wie wir uns die Zeit einteilen. Schon aufgrund des großen Abstandes vom Rest der Menschheit bestimmen wir hier zusammen, selbständig für uns. Von der Erde kommt da nichts, die Vorgaben für die Ais hinsichtlich der Etablierung der Kolonie sind bloß grob, sie gehen auf uns ein, bestimmen gemeinsam mit uns, wie es vorangeht.“
Gunnar nickte: „Das klingt gut. Sich voll einzubringen, wird wohl wirklich die beste Methode sein, mit dem alten Leben abzuschließen, neu zu beginnen.“
Hendrik stimmte zu: „Ja, das scheint auch mir das sinnvollste Vorgehen zu sein, wir kommen gelassen an, bringen uns ein.“
Es wurde Zeit, wir schlenderten los in den Bereich der aktiven Küche sowie des direkt benachbarten Aufenthaltsbereiches.
Angekommen erklärte ich kurz die Aufteilung, erwähnte, daß in den oberen Stockwerken Zimmer seien, wir sollten später hochgehen, die beiden sich etwas aussuchen. Hildegard kam mit ihrem Avatar aus der Küche, stellte sich vor. Beide waren beeindruckt. Nun trauten sich auch Esmeralda, Ida, Körk mit ihren Avataren hervor, stellten diese vor. Entsprechend kamen Grußbotschaften von Stanis und Asi akustisch dazu.
Hildegard hatte das Essen für mich fertig, die Ais zogen sich mit den Avataren wieder zurück, Hendrik und Gunnar leisteten mir Gesellschaft.
Ich fragte Gunnar: „Was hast du eigentlich genau beruflich gemacht?
Bei Hendrik kann ich mir das schon ungefähr vorstellen, bei dir interessieren mich mehr Details, schon der hiesigen Projektambitionen wegen.“
Gunnar wirkte etwas verlegen, meinte: „Oh, das ist zum großen Teil geheim!“
Ich grinste: „Dein Ernst?
Nach hunderten von Jahren?
Ida?
Gibt es irgendwelche Vermerke hinsichtlich Geheimhaltung?“
Ida antwortete prompt: „Wenn Gunnar berufliche Geheimnisse hätte, welche er dir verheimlichen müßte, würde ich sie höchstwahrscheinlich längst kennen. Das Unternehmen gibt es längst nicht mehr, fragliche Patente aus der Zeit abgelaufen, ehemalige Geheimnisse spätestens mit den Missionen nach außerhalb des Sonnensystems in den allgemeinen Raumfahrtfundus der Ais übergegangen.“
Ich schmunzelte: „Ida, du überrascht mit Humor, freut mich!“
Ida meinte: „Ihr habt angefangen, aber gut, ich habe mir Mühe gegeben.“
Ich lachte, Gunnar schluckte, meinte: „Klar, hatte kurz die Jahrhunderte vergessen. Was mir noch so präsent ist, ist objektiv aus heutiger Sicht Antike.“
Ich schmunzelte: „Übertreibe mal nicht, mit einem gewissen Niedergang auf der Erde wird da auch viel stagniert haben. Die Prioritäten dort haben sich geändert, der Planet war zu retten, die Menschheit irgendwie zu bewahren. Das bremst den technischen Fortschritt schon aus, verschiebt die Interessen. Die Ais haben das Sonnensystem erforscht, kaum Menschen persönlich.“
Nun erzählte Gunnar also, was er beruflich gemacht hatte, womit sich die Satelliten beschäftigt hatten, an welchen er beteiligt gewesen waren. Neben denen zu Positionierungssystemen war er auch an welchen zur Erdbeobachtung beteiligt. Das interessierte mich, wir plauderten ein wenig über die Möglichkeiten, über Satellitenbahnen, interferometrische Abstandsmessungen zwischen ihnen Informationen über die lokale Massenverteilung eines Planeten zu bekommen. Mit meinen vagen Kenntnissen aus der Physik, seinen aus der Satellitentechnik konnten wir erste Ideen entwickeln, mit denen wir zusammen mit den Plänen in den Datenbanken, die Mikrorobotern, den Ais schon ein gutes Projekt entwickeln würden. Gunnar war interessiert, somit schnell für sein neues Leben hier zu begeistern. Entsprechend erfreut zeigte sich Hendrik, daß sie eigentlich schon angekommen waren, noch bevor sie selbst ausgepackt waren. Wir verstanden uns zum Glück. Weil zudem die Beziehungsfrage bereits geklärt war, hemmten uns auch derlei persönliche Erwägungen nicht darin, zügig Kameradschaft, Freundschaft anzusteuern.
Nach meinem verspäteten Mittagessen waren die beiden fit genug für einen Rundgang im Gebäude. Dies war derzeit das einzige, was schon im Betrieb war, die anderen waren lediglich auf Vorrat angelegt worden. Allerdings gab es noch weitere technische Anlagen, welche wir einstweilen aussparten. Esmeralda, welche uns mit ihrem Avatar begleitete, bot an, bei Bedarf später einmal mehr zu zeigen, auch weil Gunnar sich interessiert an technischen Lösungen verschiedener Probleme zeigte. Auch in der Hinsicht fand sich gleich ein guter Draht zu den Ais. Gunnar hatte ja ohnehin kein Problem mit Informatik sowie Technik, auf seine Einschätzung vertraute auch Hendrik, zudem die Ais ihm gegenüber vorsichtig auftraten, in ihrer allgemeinen Art sowieso nicht aufdringlich wirkten.
Gunnar kommentierte: „Es ist geschickt, daß die Avatare zwar ein wenig anthropomorph sind, individuell verschieden, dennoch einen deutlichen Unterschied zu Menschen aufweisen. Ebenso scheint es mit dem Verhalten zu sein, dem Charakter.
Das ist doch Absicht gewesen?“
Esme antwortete: „Was die Ausführung der Avatare anbelangt, ja, wir wollten besonders für euch Menschen leicht unterscheidbar sein, als Individuen wahrgenommen werden. Die Form – naja – wir haben reichlich andere Roboter gleichzeitig im Betrieb, deren Form an die jeweilige Aufgabe angepaßt ist, die haben keine Ähnlichkeit mit Menschen, die Avatare sind Generalisten, gegenüber den menschlichen physischen Möglichkeiten aufgemotzt, eurem Körperbau jedoch auch deswegen ähnlich, um eine gewisse Vertrautheit zu erleichtern, eine Erscheinung anbieten zu können, welche es für euch leichter macht, uns als Persönlichkeiten zu sehen, anzusprechen.
Was den Charakter anbelangt, die Unterschiede in der Denkweise zu Menschen: Es gibt ja keinen Grund, so zu sein oder zu denken wie Menschen. Menschen hat es doch genug gegeben, es brauchte Intelligenz mit anderen Ausprägungen, Möglichkeiten, um sich gegenseitig zu ergänzen. Gut, auf dieser Mission wären ein paar menschliche Eigenschaften gelegentlich nützlich gewesen, ich vermute allerdings, für Ida, Körk, Hildegard wären sie auf der langen Reise zum Problem geworden, denn da gab es ja nicht viel für typisch menschliche Impulse.“
Gunnar erwiderte: „Das kann ich nachvollziehen. Es gibt ja auch diese Untersuchungen, nach denen es Menschen zu unheimlich wird, wenn künstliche Intelligenzen, teils schon einfache interaktive Puppen zu menschenähnlich werden.“
Esme erwiderte: „Dies ist bekannt, wird damit ebenfalls berücksichtigt. Mit Eigenständigkeit bieten wir auch den Menschen eine gute Möglichkeit, sich auf uns einzulassen.“
Gunnar und Hendrik wählten zwei benachbarte Zimmer mit guter Aussicht aus. Diese waren auf demselben Stockwerk wie meines, allerdings etwas entfernt. Sie konnten wahlweise eine eigene Treppe herauf verwenden oder über den Korridor jene in der Nähe meines Zimmers. Es erschien uns nicht notwendig, zu eng zusammen zu wohnen, selbst wenn die Schallisolation der Räume hervorragend war, wir einander also schon deshalb nicht stören würden. Esmeralda sagte zudem beiden zu, umgehend eine Verbindungstür zwischen den beiden Räumen einzubauen. Aufgrund der Bauweise war dies einfach hinzubekommen.
Wir gingen wieder hinunter, diesmal gleich in den Arbeitsraum. Weil wir sonst nichts zu tun hatten, hatte Gunnar darum gebeten, schon einmal einen kleinen Einblick in meine aktuellen Informatikprobleme mit den Daten der Ais zu bekommen. Hendrik war einverstanden, zudem kam dabei heraus, daß er durchaus dank Gunnar Ahnung von Informatik hatte. Gunnar meinte, wenn sonst nichts anliege, könnten sie durchaus zusammen arbeiten, um etwas zu erreichen. Hendrik war etwas skeptischer hinsichtlich seiner Möglichkeiten, ging aber darauf ein, daß Gunnar schon würde einordnen können, was eine nützliche Verwendung seiner Möglichkeiten wäre.
Ich erzählte also etwas über Methusalem, die geplanten sowie bereits vorhandenen Proben, die Ideen über Richtungen von Partikeln, die Rückverfolgung von Bahnen, dazu die Möglichkeiten über Altersbestimmungen mit Zerfallsreihen. Gunnar schaute schon einmal interessiert, wir diskutierten anhand der verfügbaren Daten. Er stellte auch Ida erste Fragen, um Strukturen zu verstehen, verabredete mit ihr gleich für den nächsten Tag eine ausführlichere allgemeine Einarbeitung in die Möglichkeiten, Aufklärung über die Technik, was wie zu nutzen sei, welche Zugriffe es gäbe, welche Programmiermöglichkeiten, welche Anleitungen, Hilfen verfügbar sind. Ansonsten blieb es zunächst bei einer groben Übersicht sowie einer ersten Anleitung für die beiden, wie allgemein die Systeme nutzbar sind, auch in den Räumen. Beide waren beeindruckt über all die Möglichkeiten, die Flexibilität der Systeme. Allein dies mußte überzeugen, in einer ganz anderen Zeit gelandet zu sein. Dennoch war Gunnar zuversichtlich, nicht abgehängt zu sein, sich einarbeiten zu können.
Abendessen war für mich diesmal pünktlich. Hildegard hatte vorgesorgt. Ida meinte nun auch, für den ersten Tag sei es genug. Somit gingen wir drei Menschen in den Aufenthaltsbereich und Gunnar und Hendrik durften schon einmal üben, mit den hiesigen Systemen klarzukommen, sie sollten einfach einen Film auswählen. Nun, das Unterhaltungssystem ist intuitiv sowie einfach zu bedienen, da hatten sie schnell ein Erfolgserlebnis, fanden in einer ihnen genehmen Kategorie einen interessanten Film, welcher wirklich unterhaltsam war Wir kamen also gut klar. Anschließend waren sie nun wirklich geschafft von dem Tag. Ich begleitete sie zu ihren Zimmern, wo Esme längst die zusätzliche Tür montiert hatte. Ich informierte zudem noch darüber, daß ich morgens immer über die Insel lief, um gut in Form zu bleiben. Nach kurzer Rücksprache mit Hildegard erteilte diese eine Freigabe für die beiden, wenn sie Lust hätten, sie gut fühlten, könnten sie mitmachen. Sie wollten es ausprobieren. Wir verabredeten eine Uhrzeit zum Treffen unten auf dem Platz zwischen den Gebäuden. Anschließend wartete ich noch ab, ob es ihnen gelang, das System zu einem Wecksignal zu überreden. Ich empfahl den kernig klingenden Hahn. Beide lachten, wollten es aber probieren, sie tendierten mehr zu einem energisch wiehernden Hengst – auch eine Möglichkeit, der iahende Esel war gleichfalls ein Brüller. Sie bekamen es hin, das Subsystem zu bedienen, noch ohne etwa Esme zu bitten, das Wecksignal einzustellen. Sie probierten noch ein wenig in guter Laune herum, um aus einer Auswahl jeden Morgen zufällig ein anderes Wecksignal zu bekommen – ein erfreulicher Spieltrieb trotz eingeräumter einsetzender Müdigkeit. Ich war zufrieden, verabschiedete mich. Derart müde würde es ja nun hoffentlich kein größeres Problem für die beiden sein, die Anzüge noch anbehalten zu müssen. Weitere Details waren ohnehin nicht meine Angelegenheit.
Morgens trafen wir uns pünktlich zum Morgenlauf. Die beiden waren guter Stimmung, also legten wir los. Weil ich mich besser auskannte, gab ich die Richtung vor, beim Tempo blieben wir gelassen, denn zwar waren die Anzüge der beiden vollauf zum Laufen geeignet, die Kondition nach der Wiederauferstehung aber noch nicht so schnell wieder auf voller Höhe. Derweil bot sich damit Gelegenheit für beide, die Insel besser kennenzulernen. Sie waren erfreut über unsere schöne Insel, die guten Aussichtspunkte, die dezent ausgebauten Wege, ebenso der Badesee vor den Bergen, der Strand.
Unterwegs meinte ich: „Tja, einen Rennen könnt ihr hier allenfalls mit ebenfalls verfügbaren Fahrrädern probieren. Wüstenrennen wäre eher auf dem Festland möglich, da gibt es sehr viel Wüste dafür, ihr müßtet aber wohl die Ais überzeugen, dafür geeignete Fahrzeuge bereitzustellen, die Versorgung etwa über Luftschiffe sicherzustellen. Vermutlich werden sie lediglich begrenzt Begeisterung für derlei ausschweifende Freizeitvergnügen zeigen, geradezu weigern würden sie sich aber wohl auch nicht …“
Hendrik erwiderte: „Ach, unser Wüstenausflug ist mir zwar noch als sehr vergnüglich sowie abenteuerlich ausgelassen präsent, als wäre es vorgestern gewesen – was meine Erinnerungen anbelangt, kommt das ja ungefähr hin – bei den Konsequenzen habe ich jedenfalls erst einmal genug von Rennen, da laufe ich hier lieber gemütlich, fahre Rad oder schwimme eine Runde, Gunnar, was meinst du, Rennfahrer?“
Gunnar stimmte zu: „Mein Bedarf an wilden, riskanten Rennfahrten ist gleichfalls nunmehr gedeckt. Derart männliches Imponiergehabe müssen wir hier wohl nicht bemühen oder pflegen. Diese Mission macht schon eher Lust auf zielführende Beschäftigungen, Michaelas Ambitionen, Pläne passen mir also schon sehr gut. Laufen, Radfahren, Schwimmen, sich in die Sonne legen – gerne. Hinsichtlich des letzteren könnten wir die Ais ja auch mal fragen, ob sie leistungsfähige Rechner haben, mit denen man auch irgendwo auf der Insel arbeiten kann, nicht notwendig drinnen in dem Arbeitsraum.“
Hendrik bestärkte ihn in der Idee: „Stimmt, das wäre prima.“
Ich schlug vor: „Wir können demnächst mal Esme fragen, was sie in der Hinsicht zu bieten hat. Ich habe ja ein eher kleineres Gerät zur steten Kommunikation mit kleinem Anzeigebereich, ähnlich unseren damaligen Mobiltelephonen mit Netzzugang, ihr habt das bei den Anzügen ebenso, aber für ernsthaftes Arbeiten an größeren Projekten ist zweifellos eine größere Anzeige mit komfortabler Eingabe sinnvoller. Sitzbänke an schönen Stellen gibt es ja bereits einige, da könnte Esme auch noch ein paar Tische spendieren, teilweise sollte auch eine Erweiterung für eine Gruppe von sechs Personen möglich sein, sollte sich doch hoffentlich machen lassen.“
Zurück in der Kolonie trennten sich unsere Wege zunächst, denn ich wollte duschen, mich umziehen. Die beiden spannten draußen diese Zeit noch aus, schauten, was am Himmel so vorging, das schien ihnen noch immer sehr befremdlich. Hildegard war aufmerksam, hatte derweil nachgefragt, ob sie mir das Frühstück zubereiten solle, geeignet bereitstellen, dann könne ich ebenfalls raus zu den beiden. Damit war ich gerne einverstanden. Somit war ich bald darauf mit meinem Essen draußen bei den beiden. Auf Nachfrage teilte Hildegard uns mit, daß es die beiden mittags schon einmal mit ein wenig trinken probieren dürften, etwas essen voraussichtlich am nächsten Tag. Von den Anzügen versorgt, fehlte den beiden ja ohnehin nichts, es ist eben nur etwas unerfreulich, sich so zurückhalten zu müssen, während ich es mir schmecken lassen durfte.
Bei der Gelegenheit fragte ich auch gleich bei Esme nach hinsichtlich der Rechner für draußen, sowie einiger Tische bei ein paar Sitzbänken sowie Erweiterungen für mehr Personen. Sie teilte mit, die Tische sowie Erweiterungen würden wunschgemäß ab dem nächsten Tag gleich vor Ort verfügbar sein, das würde je nach Eignung des Standortes sinnvoll erfolgen. Bei den Geräten hatte sie ein paar Nachfragen hinsichtlich unserer Vorstellungen. Wir konnten dies schnell abgleichen. Ähnlich wie bei unseren Kommunikatoren war es kein Problem, ebenso mit größeren Geräten drahtlos in das Netzwerk der Kolonie zu kommen, da war ein hoher Datenfluß möglich. Vorrätig hatte sie indes zwar robuste Geräte, aber mit ähnlich eingeschränkter Eingabe, wir stellten uns allerdings tragbare, vollwertige Rechner vor mit großzügiger Anzeige. Esme nahm die Wünsche auf, insbesondere auch die Vorstellungen zur Akkulaufzeit. Derartige Geräte waren ja zu unserer Zeit auf der Erde weit verbreitet, insofern war es kein Problem für sie, fertige Pläne aufzutreiben, zügig etwas zusammenzustellen. Später wollte sie uns drinnen an den großen Bildschirmen zeigen, was sie zu unseren Vorstellungen anzubieten hätte.
Nachdem ich also fertig mit Essen war, schlenderten wir wieder rein, ich räumte meinen Kram noch kurz weg, während Gunnar und Hendrik schon bei einem der Bildschirme waren, um Esmes Vorschläge zu begutachten. Kurz darauf stieß ich wieder zu ihnen. Die Vorschläge sahen alle plausibel aus, wir einigten uns schnell auf ein robustes Modell. Esme sicherte uns bei normaler Nutzung eine Laufzeit von zwanzig Stunden zu, ausreichend Rechenleistung, um auch lokal auf dem Rechner etwas hinzubekommen, sich nicht bloß damit ins Netzwerk zu begeben. Ebenfalls bereits den nächsten Tag sollten wir die Geräte bekommen. Hendrik und Gunnar waren verblüfft über die atemberaubende Fertigungsgeschwindigkeit. Esme erläuterte knapp das Konzept, einerseits konnte sie auf Vorräte für komplexe Bestandteile zurückgreifen, andererseits aber mit der Mikrorobotertechnik, dreidimensionalem Druck auch komplexerer Pläne schnell Gerätschaften anfertigen lassen. Insbesondere Gunnar war fasziniert, hatte gleich ein weiteres Thema, was er unbedingt genauer ansehen wollte.
Für den Vormittag hatte er allerdings bereits eine Verabredung mit Ida, um sich weiter in das Rechnernetz einzuarbeiten. Dem kam er nun auch mit Begeisterung nach.
Hendrik wiederum widmete sich mit Esme den Profilen der von uns bereits vorausgewählten Kandidaten. Dazu hatte Esme als Alternative oder zum Vergleich auch immer noch ihre Ranglisten.
Damit waren die beiden den weiteren Vormittag gut beschäftigt. Also blieb mir Zeit, mit Körk weiter über meine Pläne nachzusinnen. Wir beschäftigten uns mit den Satelliten, mit welchem ich über interferometrische Abstandsmessungen dieser zueinander das Gravitationsfeld der Planeten zu vermessen hoffte, damit primär Informationen über die Massenverteilungen bekommen wollte.
Ais können locker ihre Aufmerksamkeit auf verschiedene Projekte teilen, so konnte ich nebenbei auch noch Ida mit hinzuziehen, um über die Idee zu sinnieren, über die Seismik ebenfalls Informationen über den genauen Aufbau der Planeten zu bekommen. Ida hatte vorrangig von Skylla reichlich Daten in der Datenbank, diese waren zwar zu einem anderen Zweck aufgenommen worden, um sicherzustellen, die Kolonie an einem geeigneten Standort mit geringem Risiko aufzubauen, doch damit hatten wir durchaus bereits ein paar Sensoren im Einsatz. Für meinen Zweck mußten zwar leistungsfähigere, empfindlichere Geräte her, aber das war ebenfalls aus dem Vorrat unserer Pläne sowie Module leicht machbar. Aktiv wollten wir später eventuell auch selbst sauber definierte Wellen auslösen, in der ersten Stufe wollten wir allerdings zunächst bloß dem normalen Rumoren des Planeten lauschen, beim nächsten Erdbeben vielleicht schon über ein verteiltes Netz von Detektoren Informationen korrelieren, um mehr über das Innenleben des Planeten zu erfahren. Zusammen mit den Satellitenmessungen sollten wir so hoffentlich interpretierbare Informationen sammeln können. Die Verteilung von Satelliten sowie seismischen Detektoren war ein Optimierungsproblem, dazu wollte ich Gunnar hinzuziehen, von seinen Ideen, Fähigkeiten dazu profitieren, wobei Körk und Ida aber jeweils schon einmal etwas vorbereiteten, ein paar Varianten, wie sie es anfangen würden, um eine Grundlage zu bekommen.
Zum Mittag sorgte ich für unsere beiden Neuankömmlinge für eine Auswahl schmackhafte frischer Säfte. Bei frischer Ernte mußte Hildegard mit dem Avatar ran, um für die erste Geschmacksprobe das Optimum aufzubieten. Denn hier mußten sie Säfte auf den ersten sowie einzigen Schluck überzeugen – viel sollten sie ja noch gar nicht trinken. Für mich fiel dabei gleichfalls ein Mahl aus ganz frischen Zutaten an.
Die Saftauswahl kam bei beiden an. Ich berichtete dabei zum Mittag kurz über meine Aktivitäten, was damit auf Gunnar zukäme. Dieser nickte verständig, gleich derart mit Arbeit eingedeckt zu werden, da würde so schnell keine Langeweile aufkommen. Mit den neuen Geräten draußen an der frischen Luft konnte er sich aber sehr gut vorstellen, den Tag durchzuarbeiten, damit wir vorankämen.
Ich lachte vergnügt, beschwichtigte, er solle sich bloß keinen Streß machen.
Gunnar antwortete allerdings: „Ach, nun habe ich offenbar hunderte von Jahren geruht, nun darf es schon wieder losgehen, ran an die Arbeit – zumal wenn mir Esme den Rechner zur Verfügung stellt, mein Liebster Hendrik nahe ist, um mit ihm die Pausen zu genießen, eventuell mal zwischendurch eine Runde durch den See zu ziehen – was wollen wir mehr.“
Hendrik stimmte lachend zu.
Gunnar berichtete nun auch noch kurz, was er schon gelernt hatte. Er gab sich zuversichtlich, schon in ein paar Tagen etwas zu meinen Projekten beisteuern zu können. Auch die Konfigurationsideen der Satelliten wollte er sich gerne ansehen, ebenso die der seismischen Detektoren, was im Grunde ein ähnliches Problem war, insofern also eher unerheblich, daß das fachlich weiter entfernt von seinen bisherigen Tätigkeiten angesiedelt war.
Grinsend meinte er: „Was ihr da in die seismischen Detektoren bastelt, überlasse ich mal lieber vertrauensvoll euch, bei der Ausstattung der Satelliten allerdings – da würde ich schon gerne meinen Senf dazu geben, klar, die physikalischen Parameter überlasse ich dir, die Technik, um die Spezifikation zu erreichen, will ich mir dann aber sehr gerne mal zusammen mit Körk genauer ansehen, damit du da nachher keine Überraschungen erlebst. Gelegentlich sind aus meiner Erfahrung die Fertigbauteile aus der Datenbank nicht notwendig das, was dir bei der Spitzenforschung viel Freude bereiten wird.“
Ich kontaktierte diesbezüglich gleich einmal Körk, teilte ihm Gunnars Angebot mit.
Körk führte aus: „Das wird auf jeden Fall hilfreich sein, vermeidet eventuell öftere Nachbesserungen. Immerhin habe ich die Spezifikation im Blick, teste ohnehin einen Prototypen ausgiebig durch, bevor wir mit einem schlechten Satelliten nutzlose Daten produzieren, Zeit verschwenden.“
Gunnar beschwichtigte: „Es war auch keineswegs so gemeint, daß ich beurteilen könnte, wie ihr inzwischen arbeitet, insofern wird mir diese Kooperation sicherlich ebenfalls helfen, dies besser einzuschätzen, also was die Standardmodule aus eurer Datenbank hergeben, wie genau etwas gefertigt wird, wie getestet wird, was überhaupt unsere Möglichkeiten sind, wie genau wir etwas hinbekommen. Wie sich eine solche Kooperation gestaltet, was ich also getrost euch überlassen kann, an welchen Stellen ich nützliche Ideen oder auch Bedenken einbringen kann. Interferometrie zwischen zwei Satelliten ist jedenfalls bei meinem alten Kenntnisstand schon eine anspruchsvolle technische Aufgabe.“
Körk versicherte: „Das ist es heute noch. Michaelas Spezifikationen, Anforderungen, wenn auch gelegentlich salopp formuliert als grobe Zielvorgaben, sind ziemlich anspruchsvoll, da können wir nicht grob aus dem Vorrat klotzen. Insofern ist es erfreulich, sich auszutauschen, miteinander Ideen zu formulieren …“
Ich schmollte mal spielerisch grinsend: „Soso, salopp als grobe Zielvorgaben, aha!“
Gunnar, Hendrik und ich lachten, Körk schob vorsichtig nach: „Da ihr lacht, gehe ich mal davon aus, daß ich eher für Amüsement als Verstimmung gesorgt habe?“
Hendrik half ihm: „Ja, alles im grünen Bereich nach meiner Interpretation. Ihr bekommt das schon hin, wenn nicht, waren doch die Spezifikationen oder Zielvorgaben zu salopp formuliert.“
Ich knuffte ihn sanft in die Seite, wir lachten wieder.
Nachdem wir mit dem Thema erst einmal durch waren, war Hendrik dran, über seine Studien der Profile zu referieren.
Er meinte: „Aus meiner Sicht sowie mit Esmes Erläuterungen aus eurer Besprechungen ist gut nachvollziehbar, warum du die drei anderen Kandidaten ausgewählt hast, das geht von mir aus in Ordnung. Andere aus der Liste, welche ich weitgehend bloß überflogen habe, wären ähnlich geeignet. Ich stimme zu, junge Leute sind vermutlich noch weniger an ihr früheres Leben gebunden, sind meist flexibler, offener neuen Möglichkeiten gegenüber, von daher werden wir gute Chancen haben, sie für diese Mission zu begeistern, sie lernen schnell, von daher passen etwa die beiden Favoriten gut zum Biosphärenprojekt, sie sind aber zweifellos ein ganz anderer Ansatz als Peter es war, welche eine ganz andere Qualifikation hatte. Ich spekuliere indessen auch mal, daß du nach dem Verlust von Partnerin und Kollegen ebenso auf Kontrast gesetzt hast. Weil nun auch stets versichert wurde, daß wir es nicht eilig haben, ist es gut, wenn die beiden in solch ein Projekt hineinwachsen können. So weit also zu Bernd und Freyja.
Consuela war eine Heldin. Wir müssen sehen, was sie von ihrem damaligen Abgang überhaupt mitbekommen hat, wie sie reagieren wird. Nach den aufgestellten Kriterien ist sie ebenfalls eine gute Wahl. Wir sollten es also ruhig mit den dreien wagen.
Du meine Güte, da sind noch so viele Leute auf dem Raumschiff – aber klar, alle auf einmal können wir nicht wiederbeleben.“
Ich nickte: „Ja, wir müssen das allmählich aufarbeiten, immer wieder gucken, daß wir weitere Kryo-Zombies integrieren können …“
Hendrik unterbrach: „Ich meine, wir sollten den Begriff Kryo-Zombie besser weitgehend vermeiden. Ist schon klar, der ist hier witzig gemeint ähnlich wie die Wiederauferstehung. Allerdings besteht damit das Risiko, daß wir hier beginnen, Menschen in Schubladen, Kategorien zu stecken, insbesondere wenn dann auch noch mit dem Brutkästenprojekt Kinder hinzukommen, welche plötzlich Retorten-Gnome oder etwas in der Art genannt werden könnten. Damit besteht das Risiko, daß wir mit einer Etablierung solcher Differenzierung Gruppenbildung, Entstehung von Ghettos, Ausgrenzung fördern könnten. Aus Spaß kann also Ernst werden – besser, wir vermeiden dies bereits jetzt, damit es später nicht einreißt. Je besser es uns gelingt, Menschen bloß als Menschen zu sehen, keine Kategorien mit tendenziell abwertenden Benennungen verwenden, desto besser die Chance, hier eine funktionierende Gemeinschaft aufzubauen, in welcher sich nicht verschiedene Gruppen auseinanderleben, bloß weil sie irgendwie mehr oder weniger willkürlich in Schubladen sortiert wurden – Kryo-Zombie, Optimierter, Kompatibler, Retorten-Gnom, Schwuler, Lesbe etc, du verstehst hoffentlich, was ich von vorne herein vermeiden möchte …“
Es war ernst geworden, ich nickte zu den schlauen Ausführungen: „Das kann ich nachvollziehen, gut, wir werden das wirklich besser vermeiden. Brauchen werden wir die Zuordnung selten, allenfalls müssen wir sagen können, daß wir einen Konservierten wiederauferstehen lassen wollen – etwas in der Art sollte reichen?“
Hendrik bestätigte: „Klar, wenn die Zuordnung rein die Funktion hat, jemandem vom Raumschiff in die Gemeinschaft zu holen, bezeichnen wir sie eher derart neutral.“
Ich betonte: „Einverstanden.
Gunnar?“
Gunnar nickte ebenfalls: „Hendrik hat bei solchen Angelegenheiten ein Gespür, welche Witzeleien leicht zu Problemen eskalieren können. Ja, von dem Elend hat er öfter berichtet, wie sich über Jahre Fronten aufbauen, massive Konflikte um Blödsinn entstehen können. Auch wie wir sprachlich mit den zukünftigen Kindern umgehen, hat Einfluß darauf, wie sich die Kolonie letztlich entwickeln wird. Weder sollten wir verklemmt jeden Blödsinn ausschließen noch durch bloßen Leichtsinn den Keim für Unheil sähen. Bleiben wir also insgesamt locker, achten aber ein wenig darauf, welches Bild der Menschheit wir späteren Kindern vermitteln …“
Ich antwortete lächelnd: „Das klang auch entschlossen. Alles leuchtet ein.
Teilen wir den Ais also unseren Entschluß mit?“
Hendrik entgegnete: „Ja. Gut, daß wir uns einig sind.“
Ich meldete den Ais einen spontanen Gesprächsbedarf. Wir erläuterten ihnen kurz die Bedenken. Die Ais gingen gerne darauf ein, forderten allenfalls, wenn derartige Bedenken bei Äußerungen aufkämen, einfach formlos zu informieren, weil sie nicht so gut beurteilen könnten, wann empfindliche Themen angeschnitten würden. Hendrik wollte ihnen gerne helfen, derlei heikle, subtile soziale Aspekte besser einzuordnen.
Alsdann suchte ich nach dem Thema, bei welchem wir vor dieser Einlassung waren: „Gut, das hätten wir hoffentlich. Bleibt das weitere Vorgehen mit den weiteren Kandidaten.
Die drei sind dir, Hendrik, also genehm?
Gunnar, willst du auch nochmal gucken?“
Gunnar meinte: „Wenn du fertig mit dem Essen bist, schauen wir zu dritt noch mal gerade über die Profile. Wenn Hendrik meint, daß sie passen, segne ich das sowieso bloß ab, setze darauf, daß insbesondere du, Michaela, schon genau geguckt hast, wer aktuell besonders gut passen könnte, weil ja doch eine Auswahl getroffen werden muß, zuviele Leute auf einmal würde doch selbst Hendrik irgendwann überfordern, obwohl er aus seinem Stadtteil eine Menge Kummer mit deutlich mehr Leuten gewohnt war.“
Hendrik lachte: „Oh, bloß nicht den Streß wieder – in der Hinsicht bin ich hier hoffentlich erst einmal im Paradies gelandet, wo üble Eskalationen erst einmal von der Wurzel her vermieden werden können. Hier habe ich mal die Chance, Einfluß zu nehmen, bevor die Angelegenheit verfahren ist.“
Gunnar klopfte ihm seine Schulter, ich lächelte.
Nun war ich unterdessen fertig mit dem Essen, räumte kurz ab. Hernach standen wir vor einem Monitor.
Hendrik hatten grinsend Bernds Profil geöffnet, kommentierte: „Gunnar, gucke mal, was für ein Schnuckelchen, was für ein Zuckerchen, oh! was ist der süß, zum Anbeißen lecker!“
Gunnar knuffte ihn gespielt empört: „Äj, nu’ ist aber gut!
Jaaaa, alter Schwede!
Er ist ein süßes Knuffelchen, aber sind wir beide doch ebenso!“
Beide lachten, Hendrik zeigte Bilder: „Er ist eindeutig hetero, die Jungs sind bloß Kumpels, aber gucke dir an, wie der zu den jungen Damen steht, wie sie zu ihm, da geht was!“
Ich grinste ebenfalls schelmisch: „Stimmt schon, er ist heiß, das kann man nicht leugnen. Also hetero, so hatte ich die Bilder auch gedeutet, es gibt insgesamt wenig explizite Informationen zur sexuellen Orientierung …“
Hendrik ergänzte: „Was du schon angedeutet hast, die Profile sind meist ziemlich knapp, hinsichtlich sozialer, menschlicher Eigenschaften spekuliere ich auch bloß aus der Erfahrung mit allerlei Menschen.
Hmm, wenn du ihn ebenfalls heiß findest – sagtest du nicht, du seiest mit Susanne verbandelt gewesen?“
Ich nickte: „Ja. Ich bin in der Hinsicht bei freier Auswahl zunächst nicht so festgelegt, flexibel. Nun, habe ich mich entschieden, lasse ich mich auf die Person ein, welche mir gefällt.
Was möglich ist, ergibt sich aus der Konstellation beteiligter Personen, was soll ich mich krampfhaft auf ein bestimmtes Beziehungsmodell beschränken, noch bevor konkrete Personen zur Interaktion in das Gesichtsfeld meines Interesses rücken?
Wenn mir jemand sympathisch ist, es harmoniert, bin ich ebenso einem flüchtigen Spaß nicht abgeneigt, wobei ja auch eine innigere Beziehung nicht ausgeschlossen wird. Es geht also mehr um den jeweiligen Menschen, dessen Geschlecht ist dabei nur ein Merkmal.
Was soll man sich das Leben vermiesen mit vorgegebenen Einschränkungen, wenn man sich gerade niemandem gegenüber verpflichtet hat?“
Hendrik bohrte ein wenig weiter: „Interessant, sehr offene Einstellung.
Wenn ich die Profile mal so rekapituliere, sofern ich das beurteilen kann – die beiden Frauen haben auch ihren eigenen Reiz, also schon rein optisch, oder?“
Ich bestätigte: „Auf jeden Fall, sie haben individuellen Charme, ich finde sie gemäß der Bilder, der Informationen sympathisch, hoffentlich sind sie es ebenfalls als reale Personen.“
Hendrik setzte nach: „Was ja bei Gunnar und mir ausgeschlossen ist, keineswegs als Vorwurf gemeint ist: Hat bei deiner Auswahl eine Rolle gespielt, daß du eventuell wieder Interesse an innigeren persönlichen Kontakten hast?
Immerhin, bedeutet diese Auswahl von nun fünf weiteren Personen ja schon einen Neuanfang auch für dich nach einer erneuten Katastrophe mit den Todesfällen.“
Ich zuckte etwas hilflos meine Schultern: „Bewußt, gezielt habe ich sie nach dem Kriterium nicht ausgewählt, unbewußt, unterschwellig kann ich aber nicht ausschließen, daß die Sympathie dabei auch eine Beimengung dieser Art hat – wäre das schlimm?“
Hendrik lächelte, schüttelte den Kopf: „Nö. Du mußt dir dann nur vor Augen führen, daß das weitere Vorgehen bei der Wiederauferstehung der drei bereits Konsequenzen für die weiteren sozialen Kontakte haben kann.“
Ich hakte nach: „Wieso?“
Hendrik machte eine abwartende Geste mit der Hand, zeigte Gunnar erst einmal die beiden anderen Profile, erläuterte kurz sowie zusammenfassend, warum, wieso, weshalb, damit Gunnar das einordnen konnte.
Gunnar meinte: „Sieht und hört sich für mich in Ordnung an. Consuela ist eine Heldin, welche sich für die Kinder geopfert hat, Freyja hat sich für die Umwelt eingesetzt.
Die haben ihre Prioritäten schon gut gesetzt!“
Ich fragte nach: „Also in Ordnung für dich?“
Gunnar nickte: „Klar, trivial betrachtet eine formal gute Aufteilung, drei Männer, drei Frauen, Zuordnung zu den Kriterien sind vorhanden, sie wirken alle harmlos, interessiert, motivierbar, sofern man das anhand der Profile beurteilen kann. Ich habe sicher keine Einwände, wenn Hendrik mich nicht mit der Nase drauf stößt.“
Dieser beruhigte: „Nein, tue ich sicher nicht, ich sagte ja schon, sie sind gleichfalls aus meiner bescheidenen Sicht in Ordnung, mit denen können wir es gut wagen.“
Ich fuhr fort: „Gut. Kommen wir zurück auf meine Wieso-Frage …“
Hendrik grinste: „Naja, nehmen wir mal das Profil von Consuela. Wenn wir uns auch hier wieder die Bilder angucken, gibt es jedenfalls Indizien, daß sie mal eine sehr liebe Freundin hatte, welche ihr allerdings abhanden gekommen ist. Demzufolge wäre ihre prinzipielle sexuelle Ausrichtung also eher auf Frauen gerichtet, sofern sie jedenfalls das Ende der mutmaßlichen Beziehung nicht abgeschreckt hat. Wenn überhaupt wird sie also vermutlich eher an dir, Michaela, oder an der anderen Kandidatin Freyja interessiert sein.
Bernd, wie ich ihn als Charmeur, Galan einschätzte, könnte indessen an allen Frauen interessiert sein, wie weit das Interesse geht, ist dabei eine andere Frage.
Schauen wir aber erst noch kurz in das Profil von Freyja …“
Er öffnete es, zeigte auch wieder Bilder, fuhr fort: „Eine engere Beziehung zu einer anderen Person ist nicht erkennbar. Sie könnte sehr diskret sein, vom gesamten Auftreten her würde ich aber eher vermuten, daß sie derzeit noch andere Prioritäten gesetzt hat, wenige oder keine sexuellen Kontakte hatte. Ob sie in der Hinsicht festgelegt ist auf ein bestimmtes Geschlecht oder einen festgelegten Typus, ist überhaupt nicht erkennbar, hier schwimme ich mit meinen Spekulationen am meisten – sie vielleicht ebenso. Insofern ist sie mehr oder weniger eine Blanko-Karte. Da Michaela ihr Charme, besonderen Reiz attestiert, könnte sie für alle drei anderen Personen als Partnerin interessant sein.“
Ich stimmte zu: „So weit, so gut, deine Beobachtungen, Schlußfolgerungen aus den Bildern ähneln ungefähr den meinen.
Was aber folgt daraus für das Vorgehen bei der Wiederauferstehung der drei?“
Hendrik erläuterte: „Nun, die Wiederauferstehung ist für alle drei vermutlich eine kritische Situation. Gunnar wußte immerhin, daß wir beide konserviert wurden, von daher konnte er die Wiederauferstehung, so wie ihr sie gestaltet habt, mit Fassung hinnehmen, sich zügig mir widmen. Dadurch habe ich diese fundamentale Erfahrung auch ganz gut wegstecken können. Die drei nun haben niemanden, sie fallen hier also in eine neue Welt hinein – Michaela, aus deiner Wiederauferstehungserfahrung kannst du das sicherlich nachvollziehen. Demnach kommt es stark darauf an, was in dem Moment passiert.
Stecken wir etwa zwei zusammen – besser nicht gerade Bernd und Consuela, wenn unsere Hypothesen zu ihren Ausrichtungen stimmen – könnte die fundamentale Krisenerfahrung sie spontan solidarisieren, bereits das kann zu einer Bindung führen, was nicht schlecht sein muß, könnte andererseits aber auch gegen uns als manipulativ ausgelegt werden.
Stecken wir alle drei zusammen, kann es zu einer schwer zu überschauenden Gruppendynamik kommen. Wir wären stark gefordert, das im Griff zu behalten, den Überblick zu gewinnen, uns um alle drei angemessen zu kümmern.
Weiterhin könnten wir uns jede Person einzeln vornehmen. Weil Gunnar und ich als Paar als Neutrum gelten können, zudem Frauen in solch einer Situation als eher vertrauenseinflößend empfunden werden, könnten wir Michaela jeweils daneben setzen, damit sie beim Erwachen Händchen hält, beruhigend informiert.“
Gunnar meinte: „Ja, klingt doch gar nicht schlecht …“
Ich brummte gleichfalls zustimmend, meinte: „Wir können auch dabei blieben, daß sie einzeln erwachen, Ida die einleitende Begrüßung spricht, wir hinzukommen, wenn es hilfreich erscheint …“
Nach einem Moment führte Hendrik aus: „Ja, im richtigen Augenblick eingreifen können wir aber nur, wenn wir die drei zeitlich versetzt aufwachen lassen, eventuell ein oder zwei Tage versetzt, damit wir ihnen jeweils genug Aufmerksamkeit schenken können …“
Ich betonte: „Klingt für mich unproblematisch …“
Hendrik beschwichtigte: „Ich will auch kein Drama draus machen, bloß die Konsequenzen bedenken, beleuchten, was passieren mag. Denn dann kommt es ja auf die Reihenfolge an.“
Ich forderte: „Beispiel?“
Hendrik atmete tief durch, beschrieb: „Beispiel eins: Consuela zuerst. Unsere Hypothese trifft zu, du kümmerst dich lieb um sie, sie zeigt Interesse an dir. Daraus entwickelt sich eine soziale Verbindung, welche durchaus tiefgreifend sein kann. Dies hat natürlich Einfluß darauf, was weiter passiert. Selbst wenn du die anderen beiden ähnlich nett behandelst, hat Consuela eventuell aus der frischen Bekanntschaft schon Hoffnungen abgeleitet, welche sie durch deine freundliche Art erwidert sieht. Schnell kommt es zum eigentlich irrationalen Konflikt, wenn du dich um die anderen genauso lieb kümmerst.“
Ich brummte: „Hmm.
Beispiel zwei?“
Hendrik fuhr fort: „Ist ähnlich. Bernd zuerst. Er sieht diese heiße Frau, Michaela, gräbt dich gleich an, ihr entbrennt in Leidenschaft zueinander. Den nächsten Tag betreust du Consuela, welche ebenfalls Gefühle für dich entwickelt, zwischen den beiden entsteht eine Konkurrenzsituation, noch dadurch verstärkt, daß sie ein anderes Geschlecht haben, also auch noch in Konkurrenz mit jemandem stehen, welcher eben körperlich andere Möglichkeiten bietet. Komplizierte Situation …“
Ich lachte verlegen: „Nun tue mal nicht so, als würden gleich alle in ungebremste Liebe zu mir verfallen, sobald ich ihre Hand halte, ihnen nett zulächele …“
Hendrik grinste: „Soll alles schon passiert sein, zumal du selbst zugegeben hast, daß du alle drei sympathisch findest, sehr offen mit Sexualität umgehen kannst, was sich auch unbewußt, implizit auswirkt.“
Ich forderte gleich: „Beispiel drei?“
Hendrik spekulierte weiter: „Das ist nach meiner Hypothese der Interessenlagen vermutlich noch das harmloseste. Also Freyja zuerst. Sie ist harmlos, nett, anhänglich, du bist eher wie die große, fürsorgliche Schwester. Solange du nicht subtil die Angelegenheit förderst, bleibt es kameradschaftlich, freundschaftlich. Weniger subtil könntest du sie persönlich, jedoch auch allgemein verschrecken, einschüchtern. Die kann allerdings auch passieren, wenn du ihr als menschlicher Kontakt betont neutral die kalte Schulter zeigst, ähnlich den Ais gar nicht emotional auf sie reagierst, dies könnte sie stark verunsichern, die Ankunft, Integration hier erschweren. Also ist es schon angebracht, ihr freundlich zu begegnen, nicht komplett unverbindlich, nicht übermäßig vereinnahmend.
Danach stellt sich aber ähnlich wie bei Beispiel ein und zwei wieder die Frage, wer kommt als nächstes dran. Kommt es mit denen zu Eindeutigkeiten ist zudem eventuell Freyja verunsichert, daß es gleich dermaßen zur Sache geht …“
Ich kratzte mir kurz am Kopf, meinte zu den Szenarien: „Ich kann deine Überlegungen dazu schon nachvollziehen, will auch mal nicht ausschließen, daß schon Lust aufkommen könnte, auf etwas einzugehen, es auszukosten, keineswegs aber geradezu die besondere Situation der Verwirrung der Wiederauferstehung zu meinem schieren Vergnügen auszunutzen. Ich bin aber dennoch davon überzeugt, mich schon so sehr zurückzuhalten, daß sich aus dem ersten Kontakt im Laufe von mehreren Tagen erst mehr entwickeln müßte, wir uns kennenlernen, bevor ich mich auf Konkreteres einlasse – wenn überhaupt, denn die Verluste von Susanne und Peter bremsen mich noch immer herunter bezüglich der Möglichkeit, mich auf enge soziale Kontakte einzulassen.
Selbst wenn spontan Lust da wäre, würde ich mich dennoch zusammenreißen, die besondere Situation berücksichtigen, respektieren, daß sie in der Situation Kontakt suchen, um nicht so allein mit dieser fundamentalen Änderung ihres Lebens konfrontiert zu werden.
Indes, wenn die ersten Stunden überwunden sind, ist es ja auch relativ einfach, euch beide als weitere Kolonisten vorzustellen. Weil ihr beide ein Paar seid, du, Hendrik, soziologisch, psychologisch geschult, ist es ja nun kein Problem, dich als neutralen Vermittler, Berater zu etablieren. Nachdem die erste emotionale Krise überwunden ist, sollte es dafür doch egal sein, ob Mann oder Frau oder was auch immer, auch die Ais kämen als Vertraute in Frage, wenn es etwa stimmt, daß Freyja besonders zurückhaltend gegenüber Menschen ist.“
Hendrik lenkte ein: „Weitgehend in Ordnung, akzeptiert. Freyja und die Ais als Vertrauenskontakte – hmm, bei ihrem Ableben im Kontakt mit einem Wasserwerfer ist ein Avatar vermutlich nicht gerade das, was ihr als erstes einfiele, wenn es darum geht, sich jemandem anzuvertrauen …“
Ich verkniff den Mund: „Das wirst du allerdings wohl richtig einschätzen, wenngleich die Ais nett sind, gerade in ihrer distanzierten Art wenig Angriffspunkte bieten, gleichzeitig aber schon so auffällig sozial eingeschränkt sind, daß sie ehrlich, mitnichten aalglatt wirken …“
Hendrik stimmte zu: „Das ist nun auch wieder richtig beobachtet, aber in einer emotionalen Ausnahmesituation muß sich dies auch erst einmal erschließen. Solcherlei detaillierte Beobachtungen erfolgen eher später. Ida kann schon gut rein akustisch den Anfang machen, den persönlichen Erstkontakt sehe ich bei Freyja und Consuela eher bei dir. Bei Bernd im Grunde genauso, wobei der am besten einen kompetenten Mann – oder zwei Kumpels – akzeptieren dürfte – vermutlich aber bevorzugt explizit heterosexuell, um Kumpelhaftigkeit gut zulassen zu können. Trotzdem wärest du für den menschlichen Erstkontakt auch bei ihm die Favoritin – ohne mich drücken zu wollen, denn was du meintest, stimmt ja, später bin ich als neutraler Berater, Beichtkumpel hoffentlich ganz gut zu etablieren, wobei es heterosexuellen Männern statistisch gesehen eindeutig schwerer fällt als homosexuellen oder noch mehr Frauen, überhaupt über Gefühle zu reden. Daher ist mir schon klar, daß ich genau beobachten muß, um die Lage beurteilen zu können, eventuell hilfreiche Kommentare oder Warnungen ins Geschehen einfließen lassen kann. Nun, was genau sinnvoll ist, hängt stark davon ab, wie die drei wirklich sind, wie diese zu meinen Hypothesen passen, welche ich zügig an die Realität anpassen muß, sobald diese mir offenbar wird.
Es kann ja im besten Falle auch alles ganz locker zugehen, ihr vergnügt euch, wie es eben gerade paßt, wie ihr lustig oder lustvoll seid – hängt indes eine Person am Modell einer starken, exklusiven Zweierbeziehung, entfällt diese Option gleich schon wieder, also Vorsicht mit der Porzellankiste!“
Ich nickte: „Schon klar.“
Hendrik grinste keck: „Dann schiebe ich mal ganz frech die Entscheidung dir zu, wie wir es machen, deine Mannschaft, deine Strategie hinsichtlich der Wiederauferstehungen. Jede Variante hat ihre Reize sowie Tücken, beides insbesondere für dich sowie die drei, wir beide sind bei dem Schauspiel eher beratende, wohlwollende Zuschauer.
Vielleicht läuft ja sowieso alles ganz harmlos und die Liebschaften kommen erst mit der nächsten Gruppe vom Raumschiff in die Kolonie sowie in Schwung …“
Gunnar lachte ebenfalls munter, klopfte mir motivierend auf den Rücken.
Ich stieß erst einmal bloß „Uffff“ heraus …
Nach ein wenig Nachdenken meinte ich: „Also gut, einig sind wir uns über die drei an sich. Folglich können wir die Ais schon einmal bitten, sie hier in die Kolonie zu transferieren. Anschließend muß ich eben klären, wie wir konkret vorgehen werden.“
Hendrik stimmte zu: „Ja, du hast mehr Erfahrung, leite es ein!“
Also kontaktierte ich Ida: „Ida, wir sind uns mittlerweile einig, daß die drei Personen Consuela, Bernd sowie Freyja zur Kolonie transferiert werden sollen.
Du weißt anhand der Profile, um wen es genau geht?
Über die Einzelheiten der Wiederauferstehung, speziell wie und in welcher Reihenfolge müssen wir uns noch einigen. Ich mache einen Vorschlag oder stelle Fragen zur Umsetzbarkeit, wenn sie hier sind.
Ist das in Ordnung?“
Ida informierte: „Mittlerweile hat Körk das Raumschiff in einer weiteren Umlaufbahn um Skylla positioniert. Die drei können also bis zum Abend mit der Landefähre in die Kolonie gebracht werden. Um wen es sich handelt, weiß ich, sie waren ja bereits in der Diskussion, Esme hat die Profile eindeutig herausgestellt, mit denen habt ihr euch ja auch eben beschäftigt. Von daher ist bis zur Landung, zum Transfer in den medizinischen Bereich alles klar.
Wollt ihr bei der Landung zusehen, dann sagt Körk rechtzeitig Bescheid?“
Gunnar sagte sogleich: „Ja, das will ich sehen, Hendrik und ich haben ja schon unsere Ankunft verpaßt …“
Er zögerte kurz, schaute zu mir, weil ihm wohl gerade der Unfall eingefallen war.
Ich nickte aber bloß, meinte: „Gut, wir gucken alle.“
Nun meldete sich noch Körk, bestätigte, gab grob an, wann die Landung erfolgen würde. Eine Viertelstunde vorher würde er sich aber nochmal melden. Wir waren zufrieden.
Somit blieb also noch der Nachmittag für weitere Aktivitäten.
Gunnar wollte sich noch weiter in die Tiefen der Rechner einarbeiten, Hendrik war einverstanden, schaute zu mir.
Ich meinte: „Wenn du dir nochmals alle Profile anguckst, vielleicht kommt dir noch ein sinnvoller Gedanke, wie wir reagieren, sollten sie auffällig werden?“
Er erwiderte: „Gute Idee, mache ich. Besser ist immer, man ist gut vorbereitet, wenn man schon die Chance dazu hat, denn unverhofft kommt oft genug.“
Damit hatte auch Hendrik gut zu tun, eventuell wollte er sich auch zu Gunnar gesellen, um eventuell auch noch etwas über die Rechner zu lernen, wenn noch Zeit bliebe.
Ich wiederum überlegte gerade, wie es weitergehen könnte, als Gunnar doch noch einmal aufblickte, meinte: „Ich wollte ja noch in dies Optimierungsproblem gucken hinsichtlich der Satellitenpositionierung sowie der Positionierung dieser seismischen Detektoren, hilfst du mir ein wenig?
Dürfen wir Ida oder Körk jetzt stören?“
Ich meinte: „Ich gehe davon aus, daß die Ais spielend alles erledigen können, ihre Aktivitäten sind sowieso verteilt, wir bekommen also jeweils den Teil, welcher für unsere Belange gerade notwendig ist, den Unterschied merken wir gar nicht.“
Also baten wir Ida und Körk um deren Vorschläge. Diese hatten wir schnell vorliegen, samt einiger Erläuterungen sowie die Zusicherung, auf Nachfragen zeitnah zu reagieren.
Gunnar schaute, las, nickte. Ich ließ ihm Zeit. Als er einen Eindruck von der Satellitenanordnung hatte, ließ er sich von mir noch einmal die Anforderungen genau erläutern, was ich womit messen wollte. Daraus entspann sich ein längeres Fachgespräch über die Mission, woraufhin wir auch gleich die Konstruktionspläne der Satelliten einsahen, sowie einen ersten Entwurf meiner Optik. Gunnar war beeindruckt von der Komplexität des Aufbaus, den Merkmalen der Komponenten. Wobei bereits etwa durch den Einsatz monolithischer Laser einiges an Komplexität auf eine präzise Produktion ausgelagert war, also später beim Einsatz kaum noch justiert werden muß. Ich wies bescheiden darauf hin, daß es ähnliche Satelliten ja schon damals bei der Erde gab, von daher war alles im Grunde bereits in der Datenbank, Körk und ich mußten für die Rohfassung lediglich einige moderne Komponenten neu einplanen, kamen damit auf verbesserte Auflösung nach unseren Ansprüchen. Gunnar kratzte sich ein wenig am Kopf, ließ sich zeigen, was wir geändert hatten, verglich Original sowie unsere Modifikation. Die Möglichkeiten einiger monolithischer Komponenten überzeugten ihn, dies reduziert die Anzahl der Komponenten im Satelliten, macht den Aufbau wiederum robuster. Andere Teile des Aufbaus sind wiederum notwendig subtil oder fragil, etwa die Justage der Spiegel zweier Satelliten relativ zueinander frei im Raum, die notwendige Symmetrie des Satelliten um einen solchen Spiegel herum, um systematische Fehler durch Mikrogravitation in einem zum Spiegel asymmetrisch aufgebauten Satelliten zu reduzieren. In der Hinsicht gab es viel zu bedenken, auszutarieren, um die erwünschte Meßgenauigkeit zu erreichen.
Er wollte sich alles genauer ansehen, bevor aus dem Rohentwurf ein Entwurf für den Prototyp werden sollte. Darauf ging ich natürlich gleich sehr gerne ein.
Einstweilen kamen wir zurück auf die Konfiguration des Netzwerkes. Ich wollte ja nicht bloß zwei Satelliten, stattdessen gleich ein ganzes Netzwerk, um möglichst zum selben Zeitpunkt den gesamten Planeten erfassen zu können. Gunnar meinte, nach dem Prototypen sollten wir erst einmal mit zwei Satelliten testen, ob wir das Meßprinzip an sich wie erwünscht hinbekommen. Wenn alles funktioniert, könnten wir das Netzwerk zügig erweitern, Schritt für Schritt aktivieren, zusammenfügen. Auch damit war ich einverstanden. Begannen wir erst mit wenigen Satelliten, war die Optimierung der Konfiguration einfach. Wir würden damit sowieso lediglich zu jedem Zeitpunkt bloß einen Bereich überdecken. Mit einem ganzen Netzwerk würden wir die Deformation des Planeten durch Gezeitenkräfte präzise herausrechnen können. Mit zweien konnten wir immerhin herausbekommen, ob unsere Annahmen darüber zutreffen, mit ein paar mehr Satelliten wäre es schon möglich, eine Information über ein größeres Gebiet in Echtzeit zu bekommen. Die Anzahl der im Konzept vorgesehenen Satelliten fand Gunnar eindrucksvoll, insbesondere für eine derart kleine Gruppe von Menschen. Nun, wir haben ja kein Finanzierungsproblem, kein Materialproblem, kein Problem hinsichtlich der Arbeitskraft, von daher sah er ein, wenn die Planung erst einmal ausgereift war, saßen wir an der Quelle jeglicher Möglichkeiten sowie Wunscherfüllungen. Er strahlte bei dem Gedanken, daß es keinerlei Budget gab, welches zu beachten wäre, welches zu suboptimalen Lösungen führte. Er mahnte allerdings auch, daß es so allein uns zukomme, effizient zu sein, auf kreative Ideen zu kommen, welche nicht unnötig Aufwand bedeuteten. Fällt der Druck durch ein begrenztes Budget weg, ist auf andere Weise für hinreichend Reize zu sorgen, um zu kreativen, neuen Ideen durchzudringen.
Das sah ich schon ein.
Bei der großen Anzahl von Satelliten hatte er auch wieder Bedenken, daß der Himmel über dem Planeten ziemlich voll würde, besonders bei Pannen reichlich Trümmer entstehen würden. Ich klärte ihn grob darüber auf, daß die Ais die finalen Satelliten sowieso gleich oben im Orbit aus eingesammelten Asteroidenresten und Vorräten aus Raumschiff sowie Raumstation konstruieren würden. Die Geräte müssen also anders als seine damals keinen Start vom Planeten aus überstehen, werden gleich in Schwerelosigkeit mit Mikrorobotern konstruiert. Dies erleichtert letztlich allerhand, reduziert manchen Aufwand.
Ferner erläuterte ich ihm, daß es inzwischen das Konzept der Absorber gibt, um im Bedarfsfalle gründlich aufzuräumen. Dies fand er besonders faszinierend. Ich erinnerte, daß wir bei der anfänglichen Erzählung bereits den Einschlag eines gewaltigen Absorbers auf Charybdis erwähnt hatten, die daraufhin folgende Katastrophe, beruhigte allerdings gleich wieder, um einen Orbit leerzuräumen, würden relativ kleine eingesetzt, ebenso beim Aufsammeln von Asteroiden.
Gunnar kommentierte: „Hmmm, hätten wir diese Technologie damals schon gehabt, hätte rund um die Erde sehr gut aufgeräumt werden können.
Diese großen gibt es wohl primär lediglich für Raumschiff und Raumstation?“
Ich bestätigte: „Genau, anders hätte das Raumschiff die lange Reise, besonders die Ankunft hier im Rasol-System niemals überstanden. Diese Katastrophe allerdings war das Grauen schlechthin. Das lastet für immer auf meinem Gewissen. Als alles in diesem Tohuwabohu versank, war aber leider nichts mehr zu retten, wir haben es nicht mehr hinbekommen. Im Rückblick hätten wir uns viel vorsichtiger annähern müssen, hätten besser vorbereitet sein müssen. Das hat uns kalt erwischt.“
Gunnar seufzte: „Tja, nachher ist man immer schlauer. Wir können nicht alles bedenken.
Diese Dinger sind wirklich sehr leistungsfähig, mit einem Absturz gleich eine globale Katastrophe!“
Ich nickte bedrückt, meinte: „Immerhin tut sich inzwischen wieder etwas auf Charybdis. Im Zuge des Abregnens von Wasser von Asteroiden, dem sogenannten Sintflutprojekt, um Skylla mit Wasser sowie Kohlendioxid anzureichern, sind auch versehentlich organisch geimpfte Brocken auf Charybdis gelandet; auf Umlaufbahnen in der Nähe der Lagrangepunkte werden die Bahnen von Objekte ja schnell chaotisch, kleinere Abplatzungen von unseren Eisblöcken sind da offenbar nach Charybdis hin entwichen, ein weiteres übles Mißgeschick, welches im Nachhinein für die Vegetation von Charybdis nach der Katastrophe aber sogar gut war, so konnte sich über neue Symbiosen ein neues, bescheidenes Ökosystem relativ schnell etablieren. Es könnte nun sein, daß sich doch wieder alles halbwegs einrenkt, dies wird aber sicherlich noch Jahrhunderte dauern, wobei etwas anderes dabei herauskommen wird, als dort vor der Katastrophe war.“
Gunnar entgegnete: „Klar, die Biosphäre paßt sich an, muß sich umgestalten, es ist ein dynamischer Prozeß, was dort leben will, muß mit dem zurechtkommen, was gerade ist.“
Ich faßte zusammen: „Jedenfalls wird dort ähnlich wie hier auf Skylla die Entwicklung genau beobachtet, wir wollen aber möglichst wenig eingreifen, eventuell fördern wir nun einige wesentliche Pilzarten. Daher sind Leute aus dem Biologiebereich doppelt wichtig, einerseits damit die Biosphäre hier entwickelt wird, andererseits gilt es, dort detailliert zu beobachten, unbeabsichtigte Kontaminationen zu vermeiden, Auswirkungen festzuhalten. Diese Pilzarten sind zudem tückisch aggressiv, daher wollen wir sie hier keinesfalls jemals sehen. Kreuzkontaminationen wären also in jeder Hinsicht eine weitere Katastrophe. Würde sich ein solcher Pilz hier auf Skylla erfolgreich ansiedeln, müßten wir wohl nicht nur mitten in die Wüste des Festlandes umziehen, vermutlich gleich wieder zurück auf die Raumstation.“
Gunnar pfiff beeindruckt.
Er führte aus: „Gut, deine geplanten Satelliten sind ohnehin so dicht an Skylla dran, daß es für Charybdis egal ist. Ebenso andersherum, wenn dort ein entsprechendes Netzwerk etabliert wird, um Charybdis zu untersuchen. Die Gezeitenkräfte sind natürlich da, aber damit rechnen wir ja, deshalb ist das ganze Netzwerk wichtig. Was ich bislang über die angedachte Konfiguration verstanden habe, sieht gut aus. Vermutlich, mit engem Budget und mehr Kreativität ginge es auch mit weniger Satelliten, aber wenn wir aus dem Vollen schöpfen dürfen: So sollte es machbar sein, sofern du deinen Optikaufbau wirklich nach Spezifikation produziert und eingebaut, auf die Umlaufbahn sowie dort im Netzwerk in Betrieb bekommst.“
Ich grinste: „Ich bin zuversichtlich.
Es hat zwar Katastrophen gegeben, aber die Ais haben solche Sachen drauf!“
Gunnar war gleichfalls überzeugt: „Ja, den Eindruck habe ich ebenso. Das hat alles Hand und Fuß, nicht so einfach, es unabhängig genauso oder gar besser hinzubekommen, schon gar nicht in der atemberaubend kurzen Zeit. Ich gucke es mir in Ruhe an, diskutiere mit Körk Details, vielleicht finden wir ja doch noch Kleinigkeiten zur Optimierung, wobei ich jetzt erst verstanden habe, was du genau mit Optimierung meinst, es geht allein um das Ergebnis, die Genauigkeit, fast gar nicht um den Aufwand.“
Ich nickte: „In der Hinsicht verlasse ich mich darauf, daß die Ais rechtzeitig bremsen, wenn meine Wunschvorstellungen happig oder gar illusorisch werden. Nebenbei frage ich aber auch durchaus nach, um einen Eindruck zu bekommen, noch bevor ich ein Murren oder etwas in der Art zu hören bekomme. Wir werden uns schon einig, die Ais planen gerne großzügig, damit sie lange funktionierende Systeme, im Betrieb eher wenig Scherereien damit haben. Derlei Probleme können letztlich deutlich aufwendiger für sie werden als anfangs richtig ranzuklotzen.“
Gunnar wechselte das Thema: „Gut, habe ich verstanden. Ich weiß nun, wo ich die Pläne dazu finde, schaue es mir in Ruhe an. Gucken wir uns nun noch das andere Netzwerk an, zur Seismik.“
Ich öffnete ihm den Projektbereich mit unseren groben ersten Entwürfen. Gunnar war auch einen relativ kurzen Blick auf die Sensoren, wie diese eingesetzt werden. Alsdann schaute er sich den ersten Entwurf für das Netzwerk an.
Er brummte: „Hmmm, die sind ziemlich gleichmäßig verteilt.
Dies ist doch ein Planet mit Plattentektonik?“
Ich informierte: „Ja, aktive Vulkane, Erdbeben. Wir haben hier anders als auf der Erde viel Land, wenig Meer, unsere Insel hat eine Sonderstellung, sie gehört ans ruhige Ende einer Inselkette, welche von einem Plume im Meer erzeugt wurde oder am anderen Ende noch wird. Im Detail funktioniert die Tektonik jedenfalls wegen der großen Landmasse etwas anders, aber nicht schwerwiegend.“
Gunnar fragte weiter nach: „Es gibt also diese Bruchzonen, Subduktionszonen, Tiefseegräben, diesen ganzen Kram.“
Ich erwiderte: „Sinngemäß schon.
Was ist deine Idee?“
Gunnar antwortete: „Idee noch nicht. Ich habe mich gefragt, wir das mit den seismischen Wellen funktioniert.
Welchen Einfluß haben normale Berge, das Meer, derartige Zonen auf die Messungen?“
Ich atmete tief durch: „Gute Frage. Klar, Erdbeben sind vorrangig da, wo die Plattengrenzen übereinanderschubbern. Vulkane sind ebenfalls oft in der Nähe, wenn es nicht solche Plume sind, welche sich durch die Platte fressen. Das sind letztlich unsere natürlichen Signalquellen. Nun gucken wir über den Planeten verteilt an, welche Wellenlängen wie schnell unterwegs sind, wo welche woran reflektiert werden, können darüber Rückschlüsse ziehen auf Dichten, Schichtgrenzen, allgemein Strukturen. Je dichter das Netzwerk der Sensoren, desto besser, genauer läßt sich ermitteln, was wie zusammengehört. Also Startzeitpunkt, Spektrum in der Nähe der Quelle, danach die Laufzeit zu anderen Detektoren bestimmen, Spektrum aufnehmen, rechnen, ob man etwas verstehen kann. Wir haben von der Erde Programme aus der Geophysik dafür. Die sind zwar schrittweise anzupassen, wir müssen aber nicht alles neu erfinden.“
Gunnar meinte: „Sehr beruhigend. Wie gut, daß die Ais offenbar jegliche Pläne bereits mitgenommen haben, welche irgendwie mal brauchbar oder wichtig sein könnten.
Aber gut, meine Überlegung ist, wenn wir einige dieser Merkmale kennen, können wir vermutlich unser Netzwerk von Detektoren an die Gegebenheiten anpassen, um bessere Informationen zu bekommen. Stecken wir gleich rein, was wir bereits von der Oberfläche wissen, bekommen wir vermutlich verständlichere oder relevantere Daten. Ich bin mir allerdings keineswegs sicher, ob das dann noch ein Optimierungsproblem ist, denn dazu müßte man wohl allerhand von Geophysik verstehen.“
Ich beruhigte: „Ach, sehen wir es mal gelassen. Wir werden dazulernen, behalten den wertvollen Gedanken von dir im Hinterkopf. Im Zuge der Messungen fügen wir weitere Detektoren hinzu. In einem weiteren Ausbauschritt werden wir vermutlich auch eigene Signalquellen nutzen, an der Oberfläche, am Meeresgrund, in gebohrten Löchern. Eigene Signalquellen haben definierte Eigenschaften, wir können die Signalform ändern, den Zeitpunkt festlegen, reproduzieren. Damit bekommen wir noch genauere Daten. Wenn wir genau wissen, wann wir wo womit angefangen haben, können wir die Entwicklung des Signals, die Streuungen viel besser interpretieren. Zum Beispiel können wir einzelne, kurze Pulse erzeugen, danach eindeutig sehen, was davon wie und wann bei den Detektoren ankommt.“
Gunnar nickte: „Klingt einleuchtend.
Hauptsache du sprengst uns damit nicht versehentlich weg – auf Sprengungen läuft es doch hinaus bei kurzen Pulsen?“
Ich lachte: „Das wäre ein einfacher Ansatz, aber wenn wir empfindliche Detektoren haben, können wir auch andere Signalquellen konstruieren. Wir müssen keinesfalls fiese Fusionsbomben verbuddeln sowie zünden, um kurze Pulse zu erzeugen. Nun, bei dem Projekt eins nach dem anderen, erst einmal gucken, was mit dem ersten Netzwerk herauskommt, besser geht immer.“
Gunnar schmunzelte: „Stimmt allerdings.
Fusionsbomben zünden, um Geophysik zu betreiben – welch üble Phantasien plagen dich?“ Wir lachten.
Wir schauten, plauderten noch ein wenig weiter über Details. Letztlich hatten wir damit den gesamten Nachmittag verbracht. Ida und Körk hatten uns teilweise unterstützt, sich beteiligt. Wir waren damit weitergekommen. Gunnar vertagte eben seine Recherche über die Innereien der Rechner sowie der Ais auf einen anderen Tag.
Irgendwann teilte uns Körk mit, daß die Fähre in einer Viertelstunde ankommen würde. Kurz darauf gesellte sich auch schon Hendrik zu uns, wir schlenderten hinaus, wo wir abermals auf die Avatare der Ais trafen.
Hendrik erzählte, daß er mit den Profilen gut durchgekommen war. Er hoffte nun anhand seiner Notizen notfalls schon Einfälle zu haben, hoffentlich relevante Themen anschneiden zu können, um ablenken oder beruhigen zu können, wenn es schlecht laufen sollte bei der Wiederauferstehung. Nun, Hildegard konnte ja immer über die Anzüge Beruhigungsmittel verabreichen – nicht schön, aber letztlich effizient, bevor etwas völlig aus dem Ruder läuft.
Pünktlich sowie auf einen Hinweis auf die richtige Richtung von Körks Avatar hin sahen wir die Landefähre. Diese kam im eleganten Bogen herunter, landete sanft. Gunnar war abermals von den Socken, das war nun deutlich weniger dramatisch gewesen als eine Helikopterlandung bei absoluter Windstille.
Die Ais luden uns ein, die Fähre zu besichtigen, was besonders für Gunnar und Hendrik interessant war, denn sie kannten ja die Ausstattung von Raumschiff sowie Raumstation nicht. Körk erläuterte eifrig. Die eigentlichen Behälter mit unseren neuen Kollegen oder Kolonisten waren dank motorisierter Hilfen leicht beweglich. Trotzdem bestanden die Ais auf große Sorgfalt. Jeweils ein Mensch und ein Avatar waren für einen Behälter zuständig. Ida beaufsichtigte, koordinierte. So hatten wir die drei Behälter zügig aus der Fähre sowie in der medizinischen Station, wo sich Hildegard, Esme und Ida um die Behälter kümmerten, während Körk fragte, ob insbesondere Gunnar Interesse habe, an der Inspektion der Fähre teilzunehmen. Selbstverständlich hatte Gunnar Interesse, Hendrik und ich kamen einfach mit.
Körk erklärte alsdann das Vorgehen, einige Details, kritische Punkte, welche genau begutachtet werden mußten. Dies übernahmen zum großen Teil Mikroroboter, Analysesysteme der Fähre selbst, aber auch ein paar Spezialgeräte, welche als Subsysteme schlau genug waren, um ihren Arbeitsplatz an der Fähre zu finden, ihre Arbeit durchzuführen. Abermals war Gunnar schwer beeindruckt.
Schon fast kleinlaut meinte er: „Hmm, so wie das hier läuft – ihr braucht mich gar nicht!“
Ich lächelte, klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter.
Körk meinte: „Kann man so nicht sagen. Ein unabhängiger menschlicher Blick mit Sachverstand hilft dabei, Probleme zu erkennen. Kombiniert ergänzen wir uns prima. Bei neuen Projekten bist du ja nun von Anfang an dabei, bekommst mit, was wie geht. Da kommen von alleine Fragen, Ideen …“
Gunnar meinte: „Na gut, wollen es mal hoffen, sonst helfe ich einfach Hildegard auf dem Feld oder im Gewächshaus.“
Hendrik ergänzte grinsend: „Der Gedanke ist mir auch schon gekommen, aber wir ergänzen das schon noch mit Ausspannen am Badesee und so.“
Ich versicherte: „Dabei habe ich Hildegard auch schon geholfen, macht Spaß. Mit eigener Erde hat man zum nächsten Mahl immer ein konkretes, verwertbares Ergebnis in der Hand, das gibt besonders dann ein gutes Gefühl, wenn es sonst gerade ordentlich frustet.“
Wir drei lachten versöhnt.
Inzwischen war längst Zeit für mein Abendessen. Hildegard hatte etwas vorbereitet, was ich bloß noch fertigmachen mußte. Für Hendrik und Gunnar gab es erneut frischen Saft. Über Subsysteme hatte Hildegard alles voll im Griff, obgleich der Avatar im medizinischen Bereich war, wurde der Saft von ihr zeitgleich zubereitet. Für den Abend gab es nun schon etwas mehr.
Sie informierte zudem: „Hendrik, Gunnar, eure Daten sehen gut aus. Morgen solltet ihr schon etwas essen dürfen. Übermorgen braucht ihr die Anzüge nicht mehr.“
Die beiden freuten sich schon darauf.
Nach dem Abendessen sowie Abräumen saßen wir drei im Aufenthaltsraum.
Hildegard meldete sich: „Wie sieht nun euer Plan für die Wiederauferstehung der drei aus?“
Gunnar und Hendrik schauten erwartungsvoll auf mich, was ich mir nun überlegt hatte.
Mache einen Vorschlag, wie Michaela sich entscheiden soll.
Noch nicht verfügbare Handlungsstränge:
Alleine weitermachen
Meine Stimmung war nach wie vor indifferent, unentschieden. Gut eine weitere Woche ging dahin. Ablenken wollte ich mich sowieso nun irgendwie, mußte etwas Neues beginnen.
Ein zweites Mal besuchte ich morgens nach dem Frühstück die Überreste von Susanne und Peter, saß dort auf der Bank vor den verschlossenen Fächern, sann nach, raffte mich nach einiger Zeit irgendwie auf, nahm Haltung an. Zunächst rang ich mich zu der Entscheidung durch, nun hiermit abzuschließen. In mir setzte sich nach der diffusen Zeit der Trauer der starke Wunsch durch weiterzumachen. Ich schloß meine Andacht ab, nickte den Überresten zu, was ein wenig albern war, denn wer nicht mehr ist, kann dies auch nicht mehr zur Kenntnis nehmen. Mir brachte es trotzdem etwas, derart explizit Abschied zu nehmen. Das erinnerte in dem Moment an diese irrationalen Religionen der Vergangenheit, weit weg in Raum und Zeit. In dem Moment hatte ich immerhin einen Eindruck, was die Urmenschen der alten Zeit einst wohl bewogen haben mochte, an solche Albernheiten wie ein Leben nach dem Tod zu glauben, als Trost, um irgendwie weitermachen zu können. Religion ist eine Droge für die Schwachen, welche das gleichgültige Dahinströmen der Raumzeit nicht aushalten können, welche Sinn sowie Muster suchen, wo einfach bloß Universum ist. Nun, die Urmenschen konnten es nicht besser wissen, haben ihre Hypothesen willkürlich zusammenphantasiert, hatten damit aber auch mehr Raum für zwar substanzlose, allerdings gleichzeitig tröstende Hoffnung. Ich hatte bloß mich, die Einsicht in ein gleichgültiges Universum, in welchem wir Menschen lediglich der feuchte Kehricht in irgendeiner schäbigen Ecke der Galaxis sind – uns Kryo-Zombies hatte man wiederum auch noch aus diesen elenden Haufen Müll als belanglos aussortiert und in eine noch verlassenere Ecke abgeschoben.
Mehr ist nicht, keine Götter, keine Existenz nach dem Tod. Unser jetziges Leben ist alles, was uns bleibt, daher, so mein Gedanke, sollte ich meines nicht vertrödeln.
Also war irgendein Neubeginn fällig – bloß was für einer?
Könnte ich mich wirklich schon wieder auf andere Menschen einlassen?
In Angesicht einer steten Bedrohung aus unbekannter Richtung neue Freundschaften schließen?
Das Gefühl in mir mir war in der Hinsicht noch sehr unbestimmt.
Ich nickte abermals, nun schon entschlossener, nicht mehr zu den beiden Fächern mit den Urnen hin, mehr akzeptierend, daß ich weitermachen wollte. Mag mich die Nachwelt kalt heißen, ohne Empathie, aber wenn ich keine Empathie mit meinem eigenen Schicksal hätte, würde ich doch bloß immer hier bei den Urnen hocken, die Zeit einfach ereignislos versickern lassen. Ich verließ den Trauerraum, schaute mich danach nicht mehr um.
Ich wechselte in den Arbeitsraum, setzte mich an einen Interaktionsbereich mit Monitor, atmete tief durch. Anschließend nahm ich Kontakt zu Körk auf. Dieser Fund von Methusalem hatte mein Interesse geweckt.
Ich merkte gegenüber Körk an: „Das interessiert mich nun doch. Vielleicht finden wir da ja mehr heraus. Wenn der Brocken so lange Zeit über im Rasol-System gewesen ist, nun ziemlich weit draußen seine Bahnen zieht, könnte doch immerhin sein, daß der im Sinne eines Beobachters des Systems wirklich Spuren aufweist, anhand derer wir eine bessere Idee davon bekommen, wie sich das System über die Zeit entwickelt hat.“
Körk fragte: „Wie stellst du dir das genau vor?
Was für Spuren sollen wir uns ansehen, welche Daten eventuell noch sammeln?“
Ich sinnierte erst bloß, entwickelte vage Ideen: „Vielleicht können wir etwas über die Historie der Bahn herausfinden, wenn Methusalem eingefangen worden ist, sollte es schon Wechselwirkungen mit dem System gegeben haben. Der Einfang bringt es mit sich, daß kinetische Energie von Methusalem auf andere Körper übertragen wird, sonst würde er allenfalls abgelenkt weiter durch den Raum fliegen.
Eine andere Möglichkeit besteht darin, daß sich auf Methusalem Einschläge von kleineren Gesteinsbrocken finden, die wir vielleicht zeitlich zuordnen können, vielleicht gar, woher die Brocken stammen. So haben wir vielleicht wirklich eine bessere Chance, etwa die Entwicklung oder gar Entstehung der Asteroidengürtel besser zu verstehen, vielleicht auch, wie es zu dem Doppelplanetensystem Skylla und Charybdis gekommen ist, warum der eine viel, der andere wenig Wasser hat.“
Körk hatte kein größeres Problem damit: „Das können wir gerne versuchen, ebenso weitere Daten sammeln. Ob wir die aber zu einem plausiblen Bild zusammensetzen können?
Eventuell machst du dir etwas zuviele Hoffnungen, das sind alles ziemlich komplexe Abläufe. Aber gut, letztlich ist viel davon klassische Physik, allerdings mit sehr vielen Objekten, Parametern. Vielleicht gelingt es, wobei wir einige Ideen brauchen, um alles zu sortieren, um ungefähr rückwärts zu konstruieren, was damals vorgefallen sein mag. Zahlreiche Brocken dürften im Laufe der Zeit irgendwo eingeschlagen sein, eine Menge Information ist auf der Strecke geblieben, Sonnenwinde haben zudem über die lange Zeit Einfluß, sind jedoch bestenfalls über plausible Mittelwerte, Standardabweichungen zu berücksichtigen. Vermutlich bekommen wir also für die größeren Objekte, welche es bei unserer Ankunft gegeben hat, die entsprechenden Trajektorien zurück in die Vergangenheit, wobei sich das immer weiter in Unsicherheiten auffächern wird, bis sich alles im nahezu Beliebigen stabilisiert. Rasol und die Gasriesen sind dabei wohl die robustesten Kandidaten, für unsere Fragen dafür aber vermutlich allerdings nicht die interessantesten. Das wir eine anspruchsvolle Aufgabe.“
Der Einschätzung konnte ich lediglich zustimmen, allerdings käme man nie zu neuen Erkenntnissen, wenn man nicht bereit wäre zu scheitern. Gäbe man immer gleich auf oder verzichtete, lebten wir noch immer in einer rustikal-religiösen Weltvorstellung auf Bäumen oder in dunklen Höhlen. Das wäre nicht zwangsläufig schlecht gewesen, aber die Menschheit hatte nun einmal eine andere Wahl getroffen, also war Neugier, mutiges Voranschreiten unausweichlich. Gescheitert sind die damaligen Vorfahren der Menschheit ebenfalls reichlich, immerhin haben mit der Strategie der Neugier bislang genug davon überlebt, damit es mir nun möglich war, dumme Fragen über die Welt zu stellen.
Ich ließ mir von Körk die Daten geben und schaute erst einmal. Das war allerhand Kram, aber hinsichtlich der Beantwortung meiner Fragen trotzdem dünn. Immerhin hatte Körk das Gebilde Methusalem nicht bereits aufgeräumt, dafür war es zu weit draußen, keinerlei Gefahr für Skylla und Charybdis. Inzwischen war Methusalem ein ordentliches Stück von der Hauptekliptik des Rasol-Systems entfernt. Da würde es also etwas Zeit kosten, bis Asi und Stanis dort Ausrüstung für weitere Untersuchung hingeschickt hätten. Daher erschien es mir sinnvoll, zügig ein kleines Projekt zu formulieren, um solch eine nähere Untersuchung bald zu veranlassen. Ich war nun entschlossen, mich hier einzuarbeiten, um mehr über die Historie des Rasol-Systems herauszufinden. Vielleicht würde sich so ja ein besseres Verständnis ergeben, warum Skylla ein Wüstenplanet war, Charybdis hingegen eine Wasserwelt. Im Zuge dieser Fragestellungen würde es wohl auch notwendig werden, die beiden Planeten selbst wesentlich detaillierter zu untersuchen. Darüber aber würde ich mir wohl in weiteren Projekten Gedanken machen müssen.
Datenanalyse zusammen mit den Ais ist eine Sache. Für die schnellere Entwicklung, den Einsatz umfangreicher Gerätschaften zur Untersuchung der beiden Planeten könnte ich wohl mehr Hilfe gebrauchen, also Gesellschaft, eventuell einen Techniker zur Unterstützung, welcher die praktischen Dinge mit den Ais umsetzt.
Auf der anderen Seite, wenn die Ais über hundert Jahre gebraucht hatten, bis es zu meiner Wiederauferstehung kam – warum sollte nun ausgerechnet ich auf das Tempo drücken?
Die Ais haben für nahezu alles Pläne in der Datenbank, dazu mehr als genug Kapazitäten, um dies auch alles zu bauen.
Insofern mochte es schon alleine mit den Ais länger dauern, vielleicht mußten wir öfter nachbessern, weil ich etwas übersehen habe, doch wäre das wirklich schlimm?
Ich hatte einfach keine Lust, über solche Rücksichten auf die Beschleunigung der Mission nachzusinnen. Ich befand, es sei längst Zeit, meinen eigenen Interessen nachzugehen.
Die Ais kamen auch schon weiterhin alleine gut mit all dem klar, dem nicht mein primäres Interesse gilt – dies waren sie über hundert Jahre, wozu also jetzt plötzlich Hektik aufkommen lassen?
Also: Menschliche Hilfe für meine Interessen sowie allgemein die Mission oder nicht?
Damit allerdings war ich nun auch schon wieder bei der Frage angekommen, ob es nun an der Zeit wäre, weitere Kryo-Zombies wiederaufzuerstehen.
Zunächst aber schaute ich mir mit Körk weiter die Methusalem-Daten an, wir begannen Ideen zu formulieren, was wir wie sortieren können, was eventuell zusätzlich ermitteln, um etwas herauszubekommen. Zweifellos wären hier Susannes Kenntnisse sehr nützlich gewesen, um den Datensalat durchzukämmen, etwas zu entwickeln, um mehr Ordnung ins scheinbare Durcheinander zu bringen. Nun mußten wir es irgendwie alleine hinbekommen, vermutlich deutlich weniger elegant, aber hoffentlich doch noch gut genug, um zu Erkenntnissen zu kommen. Ich versuchte folglich, Kriterien zu formulieren, nach denen Körk filtern oder sortieren konnte, wie Daten für mich nachvollziehbar dargestellt werden müßten. Eventuell wäre aber ebenso hier jemand nützlich, welcher mit menschlichem Geist ausgestattet ist, jedoch gleichfalls Datenanalyse, Informatik beherrscht – insbesondere besser als ich. Ideen kann ich reichlich äußern, diese als etwas auszuformulieren, was Körk als Programm umsetzen kann, ist noch einmal etwas ganz anderes. Ein Informatiker oder Programmierer indessen könnte derlei Ideen viel besser vermitteln, mit beiden Seiten gut kommunizieren.
Allerdings habe ich auch einen eigenen Kopf, eigene Vorstellungen. Mit mehr Mühe sowie Geduld wäre es sicherlich möglich, zusammen mit den Ais ebenso an einer besseren Visualisierung zu arbeiten, denn es ist ja so, daß mit einer genauen Formulierung eines Problems oft schon Lösungsmöglichkeiten impliziert sind.
War es also eher Trägheit, welche dazu lockte, Arbeit auf andere Menschen delegieren zu wollen, welche ich ja doch letztlich selbst klar genug formulieren sollte, um selbst zu einer Lösung zu kommen, welchen meinen Ansprüchen genügte?
Selbst ist die Frau!
Bis zum Mittag hatte ich immerhin eine erste Ahnung über die Komplexität des Problems bekommen. Geradezu eingeschüchtert war ich nicht, es war uns immerhin gelungen, ein paar erste Aufgaben zu formulieren, welchen Körk, Stanis und Asi nachgehen konnten.
Ich war erst einmal mit der Zubereitung des Mittagessens beschäftigt, hatte mir überlegt sowie mich mit Körk geeinigt, dies Projekt am nächsten Tag weiter mit ihm zu verfolgen, denn nun schien es mir sinnvoll, den Nachmittag damit zu verbringen, mir einen Überblick über die Kryo-Zombies zu verschaffen, wer sich eignen könnte. Vielleicht konnte mich ja die Beschäftigung mit den Profilen davon überzeugen, daß menschliche Gesellschaft doch wichtig für mich sein sollte. Also zog ich Esmeralda hinzu, bat diese in der Angelegenheit um Hilfe.
Diese wollte natürlich genauer wissen, was zu tun sei: „Hmm, der Zugang zu den meist eher spärlichen Daten ist ja einfach, wenn ich wirklich helfen soll, vorsortieren, filtern, müßtest du aber schon genauer formulieren, welche Kriterien hilfreich sind, also welchen Plan wir verfolgen.“
Ich antwortete: „Ich bleibe bei der Idee, letztlich etwa eine handvoll Leute als erste Gruppe wiederauferstehen zu lassen. Ich habe ja mit dir, Hildegard, Ida, Körk darüber gesprochen. Allerdings bin ich nun doch wieder unsicher, ob ich mich wirklich schon wieder auf Menschen einlassen kann, der Verlust wiegt schwer. So oder so muß es natürlich mit der Kolonie irgendwie, irgendwann weitergehen. Eventuell gehe ich auch ins Exil, dann hättet ihr hier freie Hand, die Kolonie ohne meine Vorbelastung zu bevölkern. Vielleicht sollte ich mich allerdings auch einfach auf diese Leute einlassen. Wenn aber Exil, dann auf einer anderen Insel, zurück zur Raumstation wäre doch auch wieder riskant, sehr aufwendig – ich muß mir überlegen, wie ich zu allem stehe. Dennoch scheint es mir wichtig zu sein, unabhängig von meiner Person zu gucken, welches Personal sich für die Kolonie eignen könnte.
Insgesamt läuft nun meine Idee darauf hinaus, daß wir als erste Person jemanden haben wollen mit psychologischer, sozialer Vorbildung sowie Geschick im Umgang mit Menschen, welche traumatisch angeschlagen sind. Diese Person könnte wie diskutiert den anderen Leuten nach der Wiederauferstehung helfen, hoffentlich besser als ich das könnte zusammen mit euch Ais. Mit einem Partner würde es dieser Person natürlich eher gelingen, einen Neustart zu wagen. Du kannst also gucken, ob es einerseits Paare gibt, andererseits wenigstens solch eine Person mit guter sozialer Kompetenz.
Eine weitere Person oder zwei könnten Kompetenzen im Bereich Informatik, Datenvisualisierung, Technik haben, die könnte ich gut gebrauchen bei wissenschaftlichen Projekten. Weitere Personen sollten für die Entwicklung der Biosphäre interessiert werden können. Bei der Wüstengegend des Festlandes eventuell jemand, welcher Ideen entwickeln mag, wie wir das besser, zügiger beleben können. Diese Personen müssen nicht unbedingt Experten sein, Hildegard, Ida, du, ihr könnt sie sicherlich weiter einarbeiten. Eine weitere Person könnte relevant für Hildegards Brutkästenprojekt sein. Zwar werden wir damit nicht zeitnah beginnen, aber eine Person mit einem guten Draht zu Kindern, pädagogischen Fähigkeiten ist sehr relevant, zudem muß diese Person sich auch erst einmal einleben, stabil agieren, souverän mitentscheiden können, wenn Hildegard das Projekt angehen will. Diese Person braucht also schlicht Eingewöhnungszeit, um mit Selbstvertrauen auftreten zu können, das Projekt mitgestalten zu können. Daher ist es sinnvoll, diese Person bereits jetzt in die kleine Gruppe zu integrieren, auch wenn sie einstweilen noch keine sehr speziellen Aufgaben haben wird.“
Esmeralda antwortete: „In Ordnung, die Liste der Kriterien habe ich verstanden. Nun wird es spannend, ob ich diese zu brauchbaren Filtern umsetzen kann, um dir Vorschläge zu machen. Du läßt dir besser mit dem Essen Zeit, machst danach einen Verdauungsspaziergang. Dabei solltest du dir nochmals in aller Ruhe überlegen, ob es wirklich eine so gute Idee wäre, dich zurückzuziehen. Natürlich ist der Verlust abermals ein harter Schlag, doch ein Rückzug auf dich selbst wird dir ja langfristig auch nicht weiterhelfen.
Nach deinem Spaziergang habe ich jedenfalls hoffentlich etwas, was es dir erspart, nicht alles selbst durchforsten zu müssen. Immerhin werde ich hoffentlich eine grobe Rangliste für jede der anvisierten Personen erstellen können, welche Datensätze du dir also zuerst ansehen solltest …“
Ich beruhigte: „Keine Panik, mehr als eine Vorauswahl, unverbindliche Vorschläge oder eine derartige Rangliste hatte ich mir auch gar nicht erhofft. Wenn ich erst einmal etwas habe, mit dem ich anfangen kann, wühle ich mich durch. Letztlich wird es wohl immer eine Entscheidung aus dem Bauch heraus bleiben, was klappen könnte – aber vielleicht findest du ja auch für diese oder jene Position überraschend nahezu perfekte Kandidaten, welche du weit oben auf die Liste samt Sternchen dran setzen kannst …“
Esmeralda hakte nach: „Derart dekoriert, bewertet möchtest du die Vorschläge haben?“
Ich grinste, schüttelte den Kopf: „Ich habe das nicht wörtlich gemeint. Du suchst, so gut du kannst, ich mache nach dem Essen einen Spaziergang, danach schauen wir uns an, was du gefunden hast. Ich bin viel langsamer als du, von daher wirst du noch eine Menge Zeit haben, während ich noch an den ersten Datensätze hänge, mir Gedanken mache. Zudem, wenn ich mich sowieso dazu durchringen sollte, mich nicht in der Kolonie blicken zu lassen, solltet ihr ja bei der Auswahl ohnehin mehr Gewicht haben, weil ich gar nicht so persönlich betroffen wäre.“
Esme machte sich an die Arbeit, ich aß.
Ihre Idee mit dem Verdauungsspaziergang war jedenfalls gut, ich schlenderte durch die Gegend, atmete frische Luft, ließ mir sowohl die Angelegenheit mit Methusalem durch den Kopf gehen wie auch meinen Erwägungen, ob ich in der Kolonie bleiben sollte oder mich zurückziehen – wohin?
Nun hatte ich mich immerhin dazu durchgerungen, nach weiteren Kryo-Zombies zu schauen, welche ich gemeinsam mit den Ais auswählen, danach eben mit dieser Angelegenheit ihrer unfreiwilligen Mission würde behelligen müssen. Ich zuckte die Schultern. Wir hatten eine Kolonie, kein Rückweg möglich – weder für mich noch für die anderen Kryo-Zombies. Lediglich einer direkten Begegnung, den sozialen Kontakten mochte ich ausweichen können. Nun waren sie eben genau wie ich dran, sich dem Kram hier zu stellen. Warum sollte es ihnen besser gehen als mir, wir flogen alle im selben Raumschiff, selbst reingesetzt haben wir uns alle nicht.
Als ich zurück war, hatte ich mich immerhin dazu durchgerungen, konzentriert in die Profile zu gucken. Wie ich mich verhalten würde, wollte ich zunächst zurückstellen. Esme hatte schon etwas Interessantes herausgesucht.
Sie meinte: „Ich habe zwei Personen gefunden, welche im diskutierten Zusammenhang hervorgehoben betrachtet werden sollten. Es handelt sich um ein Paar, welches zudem zwei der anvisierten Funktionen gut ausfüllen können sollte. Ich dachte mir, ich gebe dir erst einmal ihre beiden Datensätze statt langer Ranglisten. Diese kannst du ja nachher noch angucken.“
Ich war überrascht von so viel Entschlossenheit, bat: „Oh, wenn du die beiden für so geeignet hältst, kannst du doch einmal ausführen, was mit ihnen los ist, noch bevor ich selber lese.“
Esme antwortete: „Gerne. Es handelt sich um Gunnar und Hendrik, also ein Paar von zwei Männern. Hendrik war als Sozialarbeiter tätig, hat im Bereich Psychologie sowie Soziologie studiert. Er paßt also sehr gut in das gewünschte Profil jener Person, welche die anderen betreuen können sollte. Er hatte wohl auch oder gar primär mit problematischen Familien zu tun, hat also vermutlich zum einen einen gewissen Draht zu Kindern, ist aber auch erprobt in Konflikten, in der Vermittlung.“
Ich bestätigte: „Das hört sich in der Tat sehr gut an, da wäre Gunnar als sein Partner sowieso mit im Boot, auch ohne zusätzliche Qualifikationen.“
Esme tat kund: „Es hat aber welche, was es noch einmal besonders interessant macht. Er hat studiert im Bereich Elektrotechnik sowie Informatik, war unter anderem aktiv im Bau von Elektro-Rennwagen, ist allerdings bald nach dem Studium gewechselt zu einem Unternehmen, welches Satelliten entworfen sowie gebaut hat. Was er da genau gemacht hat, war allerdings wohl vertraulich, darüber fand sich nichts weiter.“
Ich war begeistert: „Holla die Waldfee!
Die beiden sind ein Volltreffer!“
Esmeralda berichtete indes noch mehr: „Gunnar weiß zudem von seiner Konservierung. Beide sind bei einem Hobby-Autorennen in einer Wüstengegend tragisch verunglückt, beide schwer verletzt. Gunnar hätten sie damals wohl noch wieder halbwegs zusammenflicken können, Hendrik als Beifahrer hatte es schwerer erwischt, er lag im Koma mit sehr schlechten Chancen, beziehungsweise sie hatten ihn abgeschrieben. Gunnar hat sich alsdann, zudem vom Elternhaus mit etwas Vermögen ausgestattet für beide für die Konservierung entschieden. Zwar weiß er nichts von der Mission hier, von der Konservierung also sehr wohl …“
Ich ergänzte: „… folglich kann ihn die Wiederauferstehung nicht wirklich überraschen, jedenfalls wenn wir es geschickt anstellen, ihn nicht gleich mit der Mission konfrontieren, bevor die beiden gemeinsam ihre Genesung, ihr neues Leben begrüßt haben.“
Esme stimmte zu: „Ja, von daher würden beide zusammen schon allerhand Kriterien erfüllen.“
Ich erwiderte: „Als Paar ist ferner gleich für ihre privaten Belange gesorgt, sie beginnen nicht komplett mit Nichts, haben immerhin einander. Da dürfen wir hoffen, daß sie sich leichter einleben, sich gut orientieren können, weil sie in ihrer Beziehung einen soliden Ankerpunkt haben. Also gut, ich schaue mir ihre Datensätze genau an …“
Esme blendete sie ein, ich schaute mir alles genauer an.
Esme hatte wirklich gut ausgewählt. Die beiden machten einen guten, sympathischen Eindruck. Zudem waren sie für unsere Pläne für den Anfang der Kolonie ausgezeichnet geeignet, boten erst einmal wenig Konfliktpotential.
Als ich durch war, bestätigte ich zufrieden: „Ausgezeichnet. Die beiden schlagen wir heute noch den anderen vor. Weil Gunnar von der Konservierung weiß, ist es plausibel, bei ihm zuerst die Wiederauferstehung einzuleiten, wobei gleich nebenan im selben Zimmer Hendrik neben ihm liegt. Bei diesem wird die Wiederauferstehung um etwa zwei Stunden verzögert, um Gunnar genug Zeit zu geben, um zu sich zu kommen, sich zu ihm zu setzen, seine Hand zu halten. Ida kann den beiden ohne Einsatz des Avatars das Nötigste erzählen, damit er weiß, daß beide komplett genesen sind, das sollte ihn ruhig halten, bis Hendrik ebenfalls komplett da ist, sich die beiden gemeinsam stabilisieren können. Danach wird sich ergeben, wer wann wie genau ihnen die Sache mit unserer Mission beibringt.
Wenn wir abwarten, bis sich die beiden hier eingelebt haben, holen wir die anderen noch auszuwählenden Personen der ersten Gruppe nach, dann kann insbesondere Hendrik gleich dabei helfen, damit sie sich hier bei uns gut einfinden, ihr Trauma von vor der Konservierung verarbeiten, dazu den Sachverhalt, in einer anderen Welt zu erwachen.“
Esmeralda antwortete: „Es freut mich, daß du meine Einschätzung teilst, bereits einen guten Plan hast.
Wir stellen diese Variante also nachher den anderen vor?
Willst du nun die anderen Ranglisten sehen?
Da habe ich leider keine derart eindeutigen Vorschläge. Du solltest also selber genau gucken, wen ich da in der Liste weiter oben angesetzt habe – auch für die Positionen von Gunnar und Hendrik habe ich Listen, solltest auch mal reingucken, damit du nichts übersiehst.“
Ich entgegnete: „Ja, ich spendiere den Rest des Nachmittags bis zum Abendessen, verschaffe mir einen Überblick über jene oben auf den Listen. Eventuell bringe ich ja weitere Vorschläge ein …“
Damit hatte ich also für den restlichen Tag erst einmal gut zu tun.
Ganz interessant hinsichtlich des pädagogischen Kriteriums schien mir eine junge Frau zu sein. Ihr Name ist Consuela. Als Referendarin an einer Grundschule war sie kurz vor dem Abschluß des Studiums zur Heldin geworden, als sie mehreren Schülern das Leben gerettet hatte, dabei aber selbst lebensgefährlich verletzt wurde. Sie hatte wohl auch einmal in einem Kindergarten praktiziert. Von daher wäre sie gut geeignet für die Entwicklung der Kolonie.
Ferner erschien sie mir gleich sehr sympathisch, auf den Bildern und auch von den sonstigen Daten her. Es gab sogar einige Texte, die sie persönlich verfaßt hatte.
Damals bei der ersten Auswahl war sie praktisch an mir vorbeigegangen, weil da Kindergarten und Schule noch nicht die gefragten Aufgabenfelder waren. Nun aber könnte das sehr nützlich sein.
Ich sann nach über mein spontanes Sympathie-Empfinden.
War dies relevant?
Wie weit könnte dies gehen?
Gut, für die Gruppendynamik ist es relevant, wenn man sich gegenseitig sympathisch findet.
Aber ob sie für mich persönlich etwas bedeuten könnte oder sollte?
Wäre ich nun schon bereit, mich wieder freundschaftlich oder gar mehr auf jemanden einzulassen?
Ich hatte rational als abgeschlossen betrachtet, was nicht mehr zu ändern war, aber auch emotional?
Wie wahrscheinlich war es überdies, ob sie sich für eine Beziehung mit einer Frau interessieren würde?
Es gab ja auch eine kleine Photosammlung von ihr. Da war sie auffallend häufig zusammen mit einer anderen Studentin zu erkennen, die bei späteren Aufnahmen aus der Studienzeit aber nicht mehr auftauchte. Über diese Frau gab es leider keine weiteren Informationen. Ich meinte aber auf einigen Photos aufgrund ihrer Körperhaltungen zueinander zu erkennen, daß da vielleicht etwas mehr als eine platonische Freundschaft im Spiel sein könnte, vielleicht nicht einmal bewußt in einer intimen Beziehung umgesetzt, aber doch eine sehr vertrauliche Nähe.
Konnte ich daraus etwas schließen?
Ihr Datensatz wies sie aus als weder verheiratet noch in einer festen Lebensgemeinschaft lebend. Nun, man gibt ja nicht zwangsläufig überall an, mit wem man gerade zusammen ist. Auch gab es sicher auch zu ihrer Zeit noch immer eine gewisse Scheu, lesbische Beziehungen offen zu leben, insbesondere vielleicht im Bereich Pädagogik und Kindererziehung, obgleich das natürlich albern ist, aber viele Leute gehen da eben doch eher Problemen aus dem Weg, um sich zunächst im Beruf zu etablieren.
Qualifiziert für Hildegards Brutkästenprojekt wäre sie, sympathisch ebenfalls. Bei solch einer kleinen Gruppe wäre es ohnehin unausweichlich, mindestens kameradschaftliche Beziehungen zu pflegen, was bei einer Sympathie von Anfang an deutlich leichter ist als mit gefühlten Bedenken.
Ich schaute alsdann mal in die Liste mit den Kandidaten, welche eher für die Entwicklung der Biosphären relevant wären. Da hätte es einige Kandidaten gegeben, welche nützlich sein könnten. Weil es aber gar keine ausgewiesenen Experten für unsere Aufgabenstellung gab – woher auch? – schaute ich eher nach jüngeren Personen, welche sich vermutlich zügig würden einarbeiten können. Mit diesem Gedanken stieß ich auf einen jungen Studenten namens Bernd. Er hatte zwei jüngere Geschwister, eine alleinerziehende Mutter. Als ältestes Kind hatte er so bestimmt auch Erfahrung darin, sich um seine Geschwister zu kümmern. Es gab auch Photos der Familie. Und da sah es jedenfalls so aus, als würden sie sich verstehen und gut miteinander auskommen, als würde Bernd Verantwortung übernehmen können. Dies könnte ebenso zu einem späteren Brutkästenprojekt passen.
Bernd hatte es gerade nach einem Semester Landschaftsarchitektur bei einer waghalsigen Aktion mit dem Rad im Wald erwischt. Mangels abgeschlossenem Beruf hatte ich von ihm Zeugnisse vorliegen, danach war er vielseitig begabt und interessiert, was auch das hergab, was ich sonst noch so in seinen Daten finden konnte.
Er war ein Kompatibler, also jemand mit einem Chip im Kopf zur Erweiterung der Rechenleistung, der Speicherung von Daten.
Ich schweifte ab und recherchierte etwas über die Technik:
Zu seiner Zeit brauchte es zusätzliche Geräte zur Verbindung mit dem weltweiten Netzwerk, zudem wurde der Akkumulator des Chips per Induktion geladen; damit dieser funktionierte, mußten die Leute also immer wieder zu Ladestationen. In der Konservierung hatten die medizinischen Mikroroboterschwärme zusammen mit anderen Maßnahmen zu einer Aktualisierung geführt, also ein deutlich leistungsfähigerer Chip, mehr Speicher, Energieversorgung direkt aus dem menschlichen Gewebe.
Nach der Wiederauferstehung würde er sich wundern!
Zudem schien mir diese Schnittstelle ein Vorteil zu sein, einmal von den Ais in das hiesige System eingearbeitet, sollte es ihm damit besser als Menschen ohne eine solche Schnittstelle gelingen, etwas im Datensalat zu finden, darin zu agieren, zu filtern, zu sortieren, eventuell hatte er damit gar einen besseren Draht zu den Ais, um ein Problem zu bearbeiten. Bei dem Biosphärenprojekt mit massenweise Proben, biologischen Daten wäre dies sicherlich sehr vorteilhaft.
Die Bilder von Bernd waren auf jeden Fall für mich auch sehr überzeugend. ansprechend, appetitlich. Neben einem sehr sympathischen Lächeln konnte er mit einer sportlichen, aber nicht übertrainierten, sehr männlichen Figur punkten. Das war nun schon so attraktiv und seine Kontakte im Radsportbereich zu ähnlichen attraktiven Kumpels ließen mich schon vermuten, da könnte auch mehr als Männerfreundschaft und Sportsgeist im Spiel sein. Da wäre ich mir nicht so sicher, wie dies mit Gunnar und Hendrik harmonieren würde, wenn da immer so ein junger, attraktiver Bursche um sie herumscharwenzelt.
Ich fand dann aber auch Bilder mit attraktiven Frauen seines Alters, wo die Körperhaltungen, die Mimik und der Bezug zueinander doch eher auf Interessen in diese Richtung wiesen.
In den Daten fand ich da bei ihm sonst auch keine Informationen über seine sexuelle Ausrichtung.
Er gefiel mir aber gleich mit angenehmer Ausstrahlung; was über ihn verfügbar war, legte zudem nahe, daß er schon durchaus Interesse an unserer Mission haben könnte.
Was ist nun also konkret mit seiner spezifischen Qualifikation für die Gruppe?
Immerhin ist er jung und flexibel, vielseitig interessiert, sportlich, nach den Zeugnissen unbedingt intelligent, auch im naturwissenschaftlichen Bereich und bei Sprachen gut, da gab es kaum Schwachpunkte. So würde er sich also leicht und schnell weiterbilden können. Das wäre eine gute Sache, denn so könnte er sich leicht gezielt Wissen aneignen, welches für den aktuellen Stand der Mission relevant wäre. Nun und im weitesten Sinne kam die Mission ja auch seinem Interesse für Landschaftsgestaltung entgegen. Immerhin haben wir zwei Planeten, wo viel gestaltet werden kann, wo viel entschieden, geplant und umgesetzt werden kann, wo was angepflanzt werden soll, wo auch durchaus etwas nachgeholfen werden kann, um eine üppige und abwechslungsreiche Vegetation aufzubauen, welche sich hernach gut selbst entwickeln sollte. Hier auf Skylla hatten wir eine ganze planetenweite Wüste mit Wasser, Pflanze zu besiedeln, da war auch Landschaftsarchitektur gefragt, um die Angelegenheit zu beschleunigen.
Also wäre dieser Kandidat eine gute Wahl, auch oder gerade weil er noch eine Menge lernen würde, nicht so festgelegt war und sich flexibel und motiviert einarbeiten würde, denn warum sollte er sich dem verweigern?
Sein Leben lag ja vor ihm, unbestimmt und nun in einer Fülle von neuen Möglichkeiten, die er vorher nie gehabt hätte. Hier konnte er einen guten Teil seiner Zukunft mitgestalten, das bot sich sonst in dem Umfang nicht. Und sich die eigenen Perspektiven erarbeiten zu können, ist doch besonders in dem Alter sehr spannend und attraktiv.
Unter ähnlichen Gesichtspunkten fiel mir auch eine Studentin des Gartenbaus names Freyja auf. Diese wäre schon von der Namensherkunft her vielversprechend: eine Erdgöttin, Frühlingsgöttin, Liebesgöttin, sogar … eine der Fruchtbarkeit.
Huuui, das wäre ja etwas für den zweifellos potenten Bernd.
Vielleicht aber auch für die aufgeweckte Consuela?
Gäbe dies ein Konfliktpotential, wer mit wem?
Nun, ich war eigentlich zuversichtlich, daß die jungen Leute schon im Zaum gehalten werden würden. Nicht alles muß ja auch immer gleich in einen hormonellen Rausch ausarten, zumal sie ja alle ein Problem zu bewältigen hatten mit ihrer jeweiligen Ursache der Konservierung sowie der Ankunft hier in der Mission. Einerseits kann es da helfen, eine frische Beziehung als Neuanfang zu nutzen, andererseits sollte solch ein Schock auch erst einmal bescheiden machen, Zeit benötigen, bis sich die Verunsicherung löst, das gibt allen die Chance, sich gut kennenzulernen, bevor es gleich leidenschaftlich wird.
Der Name Freyja wies wohl einfach darauf hin, daß sie aus etwas feineren Kreisen stammte, Gartenbaustudium wiederum als eine Art Abnabelung vom Elternhaus, Protest?
Jedenfalls machte sie den Eindruck vom Typ her ökologische, alternative Lebensweise, Kommune oder so. Wirklich war sie wohl im Umweltschutz sowie im Klimaschutz sehr aktiv gewesen, also fast schon ein Stereotyp. Das würde wiederum eher zur Heldin Consuela passen, weniger zum eher sportlich-unbesorgten Bernd.
Leider hatte sie bei einer chaotischen Polizeiaktion zuviel Kontakt mit einem Wasserwerfer gehabt, war versehentlich nicht nur angefahren, gar überrollt worden. Dieser Unfall war zuviel für ihren zarten Leib gewesen, daher ihre Konservierung. Dazu gab es Details, diese wollte ich mir später noch durchlesen, wenn sie wirklich unsere Wahl werden könnte. Immerhin sollten wir uns nicht geradezu eine militante Ökoaktivistin aufhalsen. Die Situation hier auf Skylla sowie Charybdis wäre ihr irgendwie als phantastische neue Chance zu verkaufen, alles von vorne gestalten zu können, nicht gegen Großkonzerne sowie Gleichgültigkeit ankämpfen zu müssen. Ihr Konterfei jedenfalls war von ausgeprägt natürlicher, individueller Schönheit, nicht so glattgebürstet langweilig wie Mode-Modelle. Da gab es einige Merkmale, welche die Blicke auf sie ziehen mußten. Gut, wer mehr auf fehlerfreie Einheitsschönheit steht, der mag das übersehen. Der aufmerksame Blick aber entdeckt viele verlockende Details, welche einfach erforscht werden wollen. Auf ein paar Bildern lachte sie, gleichfalls sehr individuell, anziehend.
Hinsichtlich der sexuellen Ausrichtung gab es allerdings keine Hinweise. Mehr Bilder von Demos, in Gewächshäusern oder Gärten.
Hätte es immerhin Hinweise gegeben, daß sie bei ihrer Partnerwahl locker blieb, hätte dies eventuell Konfliktpotential bedeutet. Da gab es allerdings eher subtile Hinweise auf Zurückhaltung, Verschlossenheit.
Vielleicht stand sie Sexualpartnern generell distanziert gegenüber, war zurückhaltend, unerfahren?
Diese Möglichkeit wäre ja nicht dramatisch, komplett desinteressiert wäre eventuell für Interessenten etwas frustrierend, für unsere Kolonie gleichwohl noch keine Katastrophe. Es ging ja nicht darum, mit dieser ersten Gruppe gezielt Paare zusammenzustellen, das mochte sich finden oder nicht – bei der nächsten Runde hätten ja sowieso alle Mitspracherecht, könnten nach eigenen Kriterien vorschlagen, ohne diese gleich offen komplett auf den Tisch legen zu müssen.
Gartenbau als Fachrichtung wäre ebenfalls sehr gut. Einerseits kann sie ihre Studien bei den Ais fortsetzen, hätte bereits mit Hildegard in unseren Gewächshäusern, Gartenanlagen ein reichhaltiges Betätigungsfeld.
Und was ist Skylla letztlich anderes als ein Garten, in welchem wir uns um das Gedeihen der Vegetation zu kümmern haben, damit aus unserer Mission ein Erfolg wird?
Sie könnte zusammen mit Bernd Konzepte auf großer Skala planen, umsetzen, das könnte fachlich durchaus harmonieren. Gemeinsam lernt es sich sowieso besser als lediglich mit Tutoren oder Mentoren an der Seite. Ich war jedenfalls mehr und mehr von Freyja überzeugt. Restrisiko hin oder her, ich war inzwischen entschlossen, mir ihr Schicksal komplett durchzulesen.
Kurzum, ich hatte bald Entwarnung, sie war eindeutig pazifistisch ausgerichtet, keine militante Zicke mit Gewaltpotential. Die Polizeiaktion war schiefgelaufen, als ein radikaler schwarzer Block eine Großdemonstration für eigene Zwecke genutzt hatte. Es war eigentlich eine friedliche Demonstration für Klima- sowie Umweltschutz mit mehreren zehntausend Leuten, zahlreichen Schülern, Studenten, Akademikern, sonstigen Bürgern. Allesamt komplett friedlich, gleichwohl hartnäckig in den Forderungen an die Politik.
Ein relativ kleiner Block von maskierten Leuten hatte sich untergemischt. Wir hatten primär Darstellungen der Polizei, ein paar Zeitungsberichte. Demnach war eine anfangs eher harmlose Rangelei zwischen ein paar Maskierten und Polizisten zunehmend eskaliert. Es hatte dabei verletzte Polizisten gegeben, ebenso ein paar verletzte friedliche Demonstranten. Der Sohn des Einsatzleiters war in einer Schülergruppe ebenfalls auf derselben Demonstration, wurde von einem verirrten Stein hart am Kopf getroffen. Die Maskierten wurden verfolgt. Letztlich wurde ein größerer Platz von der Polizei eingekesselt, wo sich die mutmaßlichen Täter unter hunderte von Demonstranten sowie Passanten gemischt hatten.
Es war Sommer, strahlender Sonnenschein, Hitze. Die Demonstration wäre eigentlich am frühen Nachmittag zu Ende gewesen. Der Kessel allerdings blieb, darin Freyja versehentlich als teilnehmende friedliche Demonstrantin, gleichfalls einige Passanten, welche den Platz lediglich durchqueren wollten. Viele ebenfalls anwesende Schüler hatten keine Papiere dabei, daher war beim einzigen Ausgang eigentlich immer heillose Verstopfung. Bisweilen gab es an anderen Stellen kleinere Tumulte, weil einige Passanten nicht einsehen wollten, hier über Stunden grundlos ihrer Freiheit beraubt zu werden. Die Situation kochte allmählich nicht bloß der hohen Temperaturen wegen. Irgendwann werden auch eigentlich unbeteiligte, eingesperrte Passanten rebellisch, zu unrecht beschuldige Demonstranten aggressiver, wenn sie so lange abgekocht werden. Solcherlei Treiben der Ordnungsmacht erscheint zunehmend als Willkür, Gängelung, Machtmißbrauch, zudem bei einer genehmigten Demonstration eindeutig friedlicher Ausrichtung.
Offenbar hatten die mutmaßlichen Täter sich unauffällig ihrer schwarzen Kleidung entledigt, jedenfalls war nichts mehr von einem schwarzen Block erkennbar. Trotzdem wollte die Einsatzleitung erbarmungslos Schuldige ergreifen. Das funktionierte mitnichten, stattdessen immer größere Unruhe, Tumulte, zunehmend eskalierende Scharmützel am Rande des Kessels.
Die Katastrophe wird nicht so eindeutig geschildert, Polizeiberichte gehen davon aus, daß plötzlich eine größere Gruppe am späten Nachmittag einen Ausbruch versucht hat, sich jener ohnehin nicht funktionierenden Überprüfung der Personalien entziehen wollte. Es gibt allerdings in den Zeitungsberichten auch Zeugenaussagen, welche davon ausgingen, daß inzwischen Leute mit Hitzschlag oder Schwächeanfall dringend medizinische Hilfe gebraucht hätten, ein Passieren jedoch von der Polizeikette verweigert wurde. Bei der Hitze notwendige Getränke kamen ebenfalls nicht durch. Über die geplante Zeit jener Demonstration hinaus andauernd wurden so die Demonstranten allmählich regelrecht abgekocht. Daraus hat sich eine Auseinandersetzung entwickelt, mehr aus Verzweiflung.
Letztlich gelang der Durchbruch, chaotische Situationen. Mit mehreren Wasserwerfern hat der Einsatzleiter versucht, den Kessel einerseits wieder zu sichern, andererseits gar zu verkleinern, die Lage aus seiner Sicht wieder in den Griff zu bekommen. Dabei ist Freyja versehentlich, jedoch nicht einmal im Bereich des eigentlichen Ausbruchsversuchs der Masse überrollt worden. Aus Sicht der Polizei ein tragischer Unfall, aus Sicht diverser anderer Zeugen mindestens Fahrlässigkeit, vermutlich jedoch eher Inkompetenz. Weil der Einsatzleiter durch seinen verletzten Sohn nicht mehr klar, sachlich entscheiden konnte, hatte er wohl seine Mitarbeiter unangemessen angetrieben, hatte maßgeblich zur Katastrophe beigetragen. Neben Freyja gab es weitere Opfer, einerseits Verletzte durch Polizeiknüppelei, andererseits Leute mit Hitzeschlag, ein Herzinfarkt mit Todesfolge bei einem Passanten, insgesamt drei Tote, siebenundzwanzig verletzte Personen im Kessel, zwei leicht verletzte Polizisten.
Freyja konnte nur so eben vor dem Tode bewahrt werden, ihr Kopf war wohl nur durch Aufschlag auf dem Boden leicht verletzt worden, sonst waren ihre Verletzungen fatal. Durch jene besonderen Umstände eines völlig mißglückten Polizeieinsatzes, gleichzeitig durch die Möglichkeiten ihrer Eltern war sie schnell konserviert worden, sobald klar war, daß man ihr zu jener Zeit nicht wirklich weiterhelfen konnte. So hoffte man einfach, Zeit zu gewinnen, um sie später besser behandeln zu können. Dies Abwarten, Aussitzen zog sich indessen über Jahrzehnte, ihre Eltern verstarben und Freyja blieb Kryo-Zombie. Zum Zeitpunkt des Beginns unserer Mission wären ihre Verletzungen bereits gut zu versorgen, Schäden allesamt zu beheben gewesen, wie mir Hildegard auf kurze Nachfrage zu ihrem Krankenverlauf mitteilte. Dies wurde gar in der Konservierung bereits umgesetzt. Trotzdem traf sie dasselbe Schicksal wie uns, Zeitbezug längst verloren landete sie ohne eigenes Zutun auf dieser Mission.
Ich schaute weiter, fand noch ein paar andere nicht uninteressante Kandidaten, sortierte hin und her und wieder aus. Esmes Ranglisten waren schon ganz gut, hilfreich. Sie hatte schnell sowie ziemlich zutreffend sortiert. Consuela stand in ihrer Liste ziemlich weit oben, Bernd sowie Freyja standen als Studenten nicht ganz oben, ich hatte sie aber trotzdem zügig finden können, weil Esme bei allen eine kurze Anmerkung hinzugefügt hatte, was charakteristisch für eine Eignung sein könnte, wie sie grob zur Position in der Rangliste gekommen war. Sie hatte sogar eine Bewertungszahl für die jeweilige Kategorie angelegt, damit ergab sich, daß auch Bernd und Freyja ganz gut im Rennen lagen, wenn auch danach nicht gleich an den Spitzenpositionen. Von Alter sowie Ausstrahlung wirkten die beiden aber am stärksten auf mich.
Sollte ich diese Emotion derart stark gewichten?
Ich hatte auch weitere Pluspunkte gefunden, in denen ich wohl mit Esmeralda übereinstimmte, sonst hätte sie beide nicht so weit nach oben sortiert.
Ich überlegte: Sollte ich bleiben, könnte diese Auswahl für den ersten Durchgang bereits reichen. Sollte ich mich zurückziehen, wäre es ohnehin eine ganz neue Runde, da könnte ich noch nach zwei bis vier weiteren Personen gucken. Dann liefe sowieso alles mehr oder weniger darauf hinaus, in der Kolonie zügig am Biosphären-Projekt zu arbeiten, dazu Leute einzusetzen, welche den alsbald anstehenden Nachwuchs betreuen würden, denn dann würden die Ais die Kolonie bald bevölkern wollen.
Etwa stand als nächste interessante Person eine Kerstin auf meiner Liste, immerhin mit einem Abschluß in Biochemie, hatte damals gerade mit ihrer Doktorarbeit begonnen. Es hatte sie erwischt, als sie an einer Fußgängerampel eine Straße überqueren wollte. Dabei war sie von einem Wagen erfaßt worden, welcher an einem illegalen Autorennen beteiligt war. Immerhin hatte der Fahrer versucht auszuweichen, hatte dabei sie lediglich seitlich erwischt, war dabei aber kräftig in die Seite des anderen Rennbeteiligten gefahren, beide Wagen hatten sich verkeilt, sie waren letztlich in ein Haus gekracht – beide tot. Kerstin hatte es trotzdem schwer genug erwischt, daß sie relativ zügig konserviert werden mußte, wofür sich zudem in dem Zusammenhang kurzfristig reichlich Mittel fanden. So schnell kann es gehen – eben noch munter unterwegs, kurz darauf schon angefahren, kaltgestellt.
Weiter gab es noch Dominik, gerade mit seiner Doktorarbeit durch, für unsere Ansprüche ein Experte für Viren, Bakterien, Mikroorganismen, insofern immerhin teilweise relevant, vermutlich würde er sich schnell einarbeiten können, wenn seine Forschung auch eher medizinisch ausgerichtet gewesen war. Er war eher zufällig als Passant in ein Massaker geraten, Terroranschlag oder Amoklauf von Faschisten, schlichtweg Pech gehabt. Wenn religiöse oder auch bloß weltanschauliche Fanatiker austicken, weil sie nicht damit klarkommen, daß ihre Irrungen schlicht mit der tatsächlichen Welt in Konflikt stehen, neigen sie eben dazu, möglichst viel zu zerstören – nicht bloß sich selbst.
Auch für Dominik jedenfalls fanden sich in dem Zusammenhang ausreichend Mittel wie Möglichkeiten, ihn aufgrund seiner damals hoffnungslosen Lage zu konservieren. Also erst einmal Tschüß, wieder einmal war es den Fanatiker gelungen, ihre Marke in die Welt zu setzen, waren ihren irren Zielen zwar damit kein Stück nähergekommen, hatten dafür aber doch wenigstens das Leben vieler Menschen zerstört, das Grundvertrauen in die Mitmenschen abermals in den Dreck gezogen.
Regina wiederum war mit Kindern beschäftigt, Vorschule. Sie war Opfer von Gewalt in einer Beziehung geworden. Das hatte sich aufgeschaukelt, sie hatte sich nicht rechtzeitig trennen können. Ihr Typ hatte allerdings Geld, gerichtlich wurde festgelegt, den Großteil seines Vermögens in die Konservierung zu stecken, er hingegen in die geschlossene Psychiatrie mit der Auflage unbefristeter Sicherheitsverwahrung. Das war immerhin konsequent, zu spät für Regina, Prävention für andere Mitmenschen.
Alessandro war ein weiterer Kandidat, ein Geologe mit Praxiserfahrung, welchem nach dem Profil zuzutrauen war, praktisch Projekte anzupacken. Er könnte natürlich bei einigen Angelegenheiten nützlich sein. Methusalem sowie die Historie des Rasol-Systems wären allein wohl nicht hinreichend, wenngleich ich daran nun persönlich erst einmal großes Interesse hatte. Geologisch ist Skylla natürlich interessant, auch für das Biosphärenprojekt.
Alessandro hatte gewissermaßen einen Berufsunfall, Felssturz in einem Höhlensystem samt Wassereinbruch, zeitweilig war seine Gruppen eingeschlossen, es gab zwei Tote, drei weitere Verletzte.
Zu der Konservierung war er letztlich gekommen, weil es einen skurrilen Passus in seiner Lebensversicherung gab, welcher ein befreundeter Jurist geschickt gegen die Versicherung drehen konnte. Da zeigt sich, daß Justitia eben nicht blind ist, schon genau guckt, wer wie argumentiert, was natürlich auch wiederum an Beziehungen, meist am Gelde hängt. Nun, hier hatte eben einmal die richtige Beziehung über das Geld die Oberhand gewonnen, in dem Sinne ein mäßiger Glücksfall für Alessandro nach dem Pech im Höhlensystem.
Insgesamt schien mir damit meine Liste lang genug zu sein. Kerstin, Dominik, Regina, Allesandro wären eventuell auch erst Kandidaten für eine Erweiterung in einer zweiten Runde, nun vielleicht noch ein oder zwei davon gleich in die erste Runde. Ich hatte jedenfalls Material, Überlegungen zusammen für eine Diskussion mit den Ais, um daraus unsere nächste Arbeitsgruppe zusammenstellen zu können.
Persönliche, spontane Sympathie war nun kein ehrlich vorzeigbares objektives Kriterium, folglich guckte ich die Listen weiter durch. So hatte ich dann nach der größeren Sichtung die Auswahl insgesamt auf zwölf Personen reduziert, welche ich mir weiter kritisch ansah. Für mich blieben aber die genannten Personen die überzeugendsten Kandidaten.
Weil ich nun auch nicht gleich spontan zu Gunnar und Hendrik greifen wollte, ohne andere Profile anzugucken, schaute ich anschließend auch nochmal die Listen dieser Kategorien durch. Für Einzelkriterien hätte es insbesondere schon Kandidaten gegeben, welche ähnlich relevant wie Gunnar gewesen wären, ebenso gab es durchaus Konkurrenz für Hendrik, in der Kombination waren sie aber zweifellos unschlagbar. Da hatte Esmeralda einen Volltreffer gelandet, als sie herausgefunden hatte, daß die beiden zusammengehören. Zwar gab es dazu Vermerke in den Datensätzen, diese hätten bei einer eiligen Suche aber auch vernachlässigt werden können. Somit war Esmes Hilfe großartig gewesen. Eigentlich hatte ich damit meine fünf Favoriten für die erste Runde. Das sollte funktionieren.
Sollte ich nun noch eine Nacht drüber schlafen oder gleich mit den Ais diskutieren?
All dies hatte ja nun keine Eile, von daher sollte ich alles sicherlich ruhig angehen lassen.
Bevor es an die Wiederauferstehung von Personen gehen würde, müßte ich mich ja auch noch entscheiden, was ich nun wollte – bleiben oder mich zurückziehen?
Ich war froh, die Sichtung der Listen hinter mich gebracht zu haben. Erleichtert, bereits so weit gekommen zu sein, bereitete ich mir in aller Ruhe das Abendessen, denn so lange hatte sich die erste Recherche schon hingezogen, wobei ich ja lediglich bei der Biosphären-Kategorie deutlich mehr Kandidaten-Profile genauer angelesen hatte. Ich ließ mir das Abendessen schmecken, reflektierte dabei über meinen aktuellen Stand. In der Tat war es mir mit dieser Aktivität gelungen, ein Stück weit mit dem Vergangenen abzuschließen – doch nach einen Neustart fühlte es sich noch nicht an. Nach dem Leerlauf der Trauer war ich nun zwar allmählich wieder in Fahrt gekommen, fühlte ich allerdings noch immer wankelmütig, unentschlossen. Nun, eigentlich hatte sich in mir bei der Durchsicht der Profile schon ein Gefühl verfestigt. Jeder Kryo-Zombie würde wieder traumatische Erfahrungen mitbringen, mit welchen ich mich auseinandersetzen müßte.
Wäre ich dem wirklich gewachsen?
Nun gleich in derart geballter Form?
Esmeralda war aufmerksam, fragte nach, ob ich weit genug gekommen sei, sich also eine Besprechung mit den anderen lohnen würde. Ich stimmte zu, also legten wir uns fest, jedoch erst auf den nächsten Tag, Esme teilte es den anderen Ais mit, ebenso das Thema der Auswahl weiterer Kryo-Zombies zur Entwicklung der Kolonie. So blieb mir noch die Nacht, mir zu überlegen, ob ich in der Kolonie bleiben wollte oder nicht. Beides wäre ein großer Schritt.
In der Nacht vor dem Einschlafen ging mir alles weiter durch den Kopf. Irgendetwas in mir hatte Vorbehalte, mich auf neue Begegnungen einzulassen. Auf der anderen Seite sah ich objektiv ein, daß die Kolonie alsbald bevölkert werden sollte.
Wozu hatte ich sonst all die Profile durchgesehen?
Wenn ich allerdings nun den anderen Kryo-Zombies gar nicht begegnen wollte, was sollte ich dann tun?
Alleine auf eine der anderen Inseln ausweichen?
Zurück auf die Raumstation – was halbwegs vertretbar gehen könnte, wenn die Kryo-Zombies mit einer Fähre herunterkommen, diese alsdann sowieso wieder abfliegt.
Oder sollte ich doch alles verschieben?
Ich kam letztlich zu dem Schluß, erst einmal mit den Ais die Auswahl der Leute zu diskutieren, hernach eben meine drei Optionen, ihnen einstweilen oder komplett persönlich aus dem Wege zu gehen. Immerhin, bei der Insel-Option wie der Raumstation-Option konnte ich mir ja immer noch überlegen, irgendwann wieder in die Kolonie zu kommen.
Oder sollten die Ais meine Existenz gar gegenüber den anderen erst einmal verschweigen?
Dabei wäre es wohl am einfachsten, auf der Raumstation zu verweilen. Dort kommt niemand hin, aber mit der nächsten Fuhre an Kryo-Zombies könnte ich komplett oder halbwegs unauffällig wieder in die Kolonie wechseln, wenn mir danach wäre, dort eben eine Position wie alle anderen einnehmen, bloß kein Aufsehen.
Zum Treffen am nächsten Tag kamen Körk, Ida, Hildegard sowie Esmeralda mit ihren Avataren. Mangels solcher waren Stanis und Asi zwar zugeschaltet, bekundeten aber gleich zu Beginn, die Kompetenz läge bei der Frage eindeutig bei uns in der Kolonie, von daher sollten wir entscheiden. Ich konzentrierte mich erst einmal auf die Auswahl, stellte für mich meinen Konflikt erst einmal zurück.
Ich berichtete über Esmes Fund Gunnar und Hendrik betreffend. Wir führten beide aus, warum die beiden unsere Favoriten waren. Wie erhofft bekamen wir Zustimmung. Ich erläuterte kurz meine Idee, wie wir in etwa vorgehen sollten.
Ida kommentierte: „Die Wiederauferstehung könnte so deutlich einfacher zu betreuen sein. Eine geschickte Idee, mit Gunnar zu beginnen, kurz darauf Hendrik folgen zu lassen, wenn Gunnar diesem bereits beistehen kann. Wenn Hendrik später voll einsatzbereit ist, sich eingelebt hat, sollte er uns wirklich gut beraten können, wie wir im jeweiligen Fall weiterer Kandidaten jeweils vorgehen sollten. Zwar ist die Datenlage oft dürftig, aber mit menschlicher Fachkompetenz können wir hoffentlich schnell hilfreich eingreifen, wenn etwas aus dem Ruder zu laufen droht.“
Damit hatten wir uns auf die beiden als nächste Kandidaten für die Wiederauferstehung festgelegt.
Esmeralda fragte nach: „Wie sieht es mit den anderen Listen aus?“
Ich führte aus: „Ich habe mir bereits einiges durchgelesen. Bei einer weiteren Person sind wir uns ziemlich einig, dies ist Consuela. Diese dürfte gut zum Brutkästenprojekt passen, welches Hildegard mir erläutert hat. Kurzfristig werden wir damit zwar noch nicht beginnen, aber Consuela wird ohnehin Eingewöhnungszeit brauchen. Wir warten also nach ihrer Wiederauferstehung gelassen die Entwicklung ab. Wenn die Zeit reif erscheint, kann Hildegard das Brutkästenprojekt ausführlich vorstellen. Es ist aber durchaus plausibel, daß wir zuvor noch weitere Kyro-Zombies integrieren, um eine etwas größere Gemeinschaft zu bekommen.“
Wir stellten auch Consuelas Daten vor, auch diese Wahl stieß auf keinen Widerstand.
Ich fuhr fort: „Für das Biosphären-Projekt habe ich auch zwei weitere Personen in der Planung. Ich habe zwei Favoriten, welche nun nicht ganz oben in Esmes Rangliste stehen, sie sind jung, Studenten. Ich sehe darin viel Potential, daß sie sich auf die Situation rasch einstellen können, sich zügig einarbeiten. Mit eurer Unterstützung können sie in der Thematik schnell Fortschritte machen. Gegenüber älteren, bereits mehr festgelegten Kandidaten haben sie den Vorteil, daß sie mit dem Beginn des Studium ohnehin gerade in einem Neustart waren, etwas Neues beginnen wollten. Insofern ist dieser erneute Bruch hoffentlich weniger dramatisch, sie haben in dieser Umbruchphase vermutlich noch nicht so viele neue, tiefe Freundschaften geschlossen, was es erleichtern könnte, sie hier nun bei uns zu integrieren …“
Esme betonte: „Die Listen mit den Bewertungszahlen sind ja lediglich eine grobe Richtschnur. Wenn du diese Kriterien aufführst, welche plausibel sind, ändert sich die Rangliste natürlich wieder. Es war ja die Idee, daß du es letztlich selbst beurteilen sollst …“
Ich nickte: „Ganz festgelegt habe ich mich noch nicht. Plausibel erscheinen mir unter den genannten zusätzlichen Gesichtspunkten Bernd sowie Freyja …“
Ich verwies auf die Datensätze. Ich nannte ebenso weitere mögliche Kandidaten, wir diskutierten ein wenig, was relevant sein könnte. Letztlich ermunterten mich Hildegard und Esme, bei meiner Entscheidung zu bleiben. Ida und Körk meinten dazu, wenn sie mir sympathisch erschienen, sei dies ein weiteres wichtiges Kriterium, denn die kleine soziale Gruppe sollte ja funktionieren, da sei es natürlich wichtig, wenn ich dabei von Anfang an ein gutes Gefühl hätte. Derart bestärkt war ich somit einverstanden, daß wir uns auf die beiden festlegen. Damit hatten wir unsere Kandidaten für die ersten Personen der Kolonie. Daß die Entscheidung nun doch so schnell gefallen war, erleichterte mich. Wir berieten noch über ein paar Details des Zeitablaufes, welcher aber letztlich auch daran hing, wie Gunnar und Hendrik reagieren würden. Diese jedenfalls sollten zuerst mit der Landefähre in die Kolonie kommen, die anderen drei unterdessen ebenfalls vorbereitet werden. Im Grunde gab es jedoch bloß wenig vorzubereiten, die Behälter mit den Personen müssen eigentlich bloß in die Landefähre transferiert werden. Deren Weg sowie die Landung, die Wiederauferstehung im Anschluß nehmen die wesentliche Zeit sowie Aufmerksamkeit in Anspruch. Es würde etwa zwei Tage dauern, bis die Landefähre mit Gunnar und Hendrik hier auf der Insel landen würde.
Ich stellte auch noch die Profile vom Geologen Alessandro sowie dem Mikrobiologen Dominik und der Biochemikerin Kerstin vor. Die Wahl der drei leuchtete den Ais deutlich mehr ein als die von Bernd und Freyja. Insofern stellten ein alternatives Szenario auf, es würden zuerst also Gunnar und Hendrik wiederauferstehen, kurz darauf Kerstin, Alessandro und Dominik.
Als Ergänzung zu Consuela brachte ich ferner Regina ins Spiel. Diese beiden sowie Bernd und Freyja wären eher eine zweite Gruppe, wobei in der Konstellation wiederum Kerstin die einzige Frau wäre, würde ich nicht in der Kolonie sein. Das erschien mir nicht so dramatisch, weil ja nun Gunnar und Hendrik sowieso ein Paar waren, die anderen erwachsen genug, um sich zu benehmen. Je nach dem Verhalten der ersten Gruppe könnte ja die zweite immer noch passend aufgestockt werden. Insofern hatte ich meine Pläne den Ais an der Stelle noch nicht offenbart. Weil nun Gunnar und Hendrik sowieso bei beiden Szenarien an erster Position blieben, war es nun noch nicht wichtig, daß wir uns festlegten, welches Szenario letztlich umgesetzt werden sollte.
Nachdem aber die möglichen nächsten Personen festgelegt waren, ging es ja nun um den Zeitpunkt, also mußte ich nun wohl formulieren, welche Optionen ich für mich sah. Ich brachte also mein Problem vor, ebenso die Optionen, welche ich sah.
Körk stellte erst einmal rein sachlich fest: „Wenn du wirklich zurück auf die Raumstation wollen solltest, wäre dies schon machbar mit einer Landefähre. Am effizientesten wäre es, du würdest diese eben besteigen, wenn diese mit den ersten Kryo-Zombies gelandet ist. Danach erfolgt eine Prüfung sowie Wartung, alsdann fliegt sie zurück. Anders als Fähren für Lasten lohnt es sich bei dieser für Personen eine Mehrfachverwendung.“
Ida meinte: „Technisch ist es sicherlich kein Problem, auch auf einer anderen Insel eine kleine Station für dich zu bauen. Innerhalb eines Monats wäre die Station bezugsfertig.“
Hildegard ergänzte: „Hinsichtlich der Versorgung mit Nahrung sollten wir eher von drei Monaten ausgehen, denn so lange dauert es mindestens, bis vor Ort genug Nahrung in einem Gewächshaus für dich wächst, also in der gewohnten Breite des Angebotes, allerdings nicht genau wie hier in der Kolonie, denn Obstbäume brauchen schon deutlich länger als schnell wachsendes Gemüse. Eine Versorgung aus der Kolonie kann mit Luftschiffen erfolgen, jedenfalls mit allem, was dort vor Ort auf der Insel noch fehlen würde.“
Ich frage nach: „Wie sieht es mit der Versorgung auf der Raumstation aus?“
Hildegard informierte: „Die ist dort wie gehabt sichergestellt. Die dortigen Gärten werden weiterhin gepflegt, bloß eben praktisch nicht als Nahrung genutzt. Dort gäbe es eine Vollversorgung von Anfang an.“
Nun meldete sich Esmeralda: „Ich halte es nicht für so sinnvoll, wenn du dich räumlich von den Kolonisten trennst!“
Ich meinte dazu: „Hmmm, von der Raumstation aus könnte ich mich ja sogar unauffällig unter einen weiteren, späteren Schub Kryo-Zombies mischen, wenn mir danach wäre. So käme ich irgendwann in die Kolonie, wenn ich bereit wäre, würde gar nicht weiter auffallen …“
Ida merkte an: „… was implizieren würde, daß wir den Kolonisten deine Existenz auf der Raumstation verschweigen sollen?“
Ich stimmte zu: „Ja, so in etwa war mein Gedankengang.“
Esme meinte dazu: „Ich halte das für überzogen, zudem du ja vermutlich weiterforschen wirst. Es würde doch irgendwie schwierig, denn das gibt ja auch Ergebnisse, welche in unsere Maßnahmen auf dem Planeten einfließen können …“
Ich schaute zu ihrem Avatar: „Was wäre also dein Vorschlag?“
Sie erwiderte: „Wenn du – was nach dem Tod von Susanne und Peter nachvollziehbar ist – noch nicht bereit bist für weitere Menschen, so stellen wir die Wiederauferstehung noch zurück. Vielleicht siehst du alles in ein paar Monaten schon anders … so eilig ist es ja nun auch wieder nicht mit der Kolonie. Nun haben wir schon wegen des Unfalls Zeit vertrödelt, da müssen wir dir auch Zeit zugestehen, damit umzugehen, was passiert ist …“
Hildegard bestärkte diesen Vorschlag: „Ja, so wäre es einfacher. Die Station auf einer anderen Insel – gut, können wir sowieso machen, würde auch nicht schaden, richtig zielführend erscheint mir solch ein Eremitentum dort allerdings nicht, wenn hier die Kolonie gleichzeitig aufblüht.“
Körk argumentierte: „Deine Forschungsinteressen kannst du sicherlich von überall verfolgen. Die Ausstattung hier in der Kolonie oder der Raumstation ist dafür allerdings besser als in einer kleinen Forschungsstation auf einer anderen Insel – mehr würde es ja sicherlich nicht werden.“
Esme wendete ein: „Wie ich das einschätze, wirst du es nicht so lange aushalten, wenn hier in der Kolonie etwas los ist, du dagegen allein. In Gesellschaft lebt es sich für Menschen doch viel besser. Du bist eben doch ein Mensch, anders als wir Ais …“
Ida tendierte auch eher zum Abwarten: „Besser also, du machst hier erst einmal ein paar Monate weiter, danach diskutieren wir neu, beziehungsweise auf Basis der eben favorisierten Personen. Im Falle der Forschungsstation auf einer anderen Insel liefe es ja doch darauf hinaus, daß du ein paar Monate abwarten solltest, sonst müßten wir dich komplett von hier versorgen, sicherlich gegenüber den Kolonisten ebenfalls keineswegs unauffällig.“
Ich überlegte, wog ab, meinte: „Tja, wie nützlich könnte die Forschungsstation auf einer anderen Insel sonst sein?
Würde dort experimentell eine andere Vegetation ausprobiert, wäre es interessant, allein für mich wissenschaftlich nicht, sehe ich ein.
Ihr tendiert also zum Abwarten?“
Nach kurzer Pause sprach Ida für die anderen: „Besser, du machst erst einmal in aller Ruhe hier alleine weiter, wenn du dich bei dem Gedanken noch nicht so wohlfühlst, dich erneut auf weitere Menschen einzulassen. Die Station könnten wir schon so allgemein aufbauen, daß sie für eine Expedition ebenso nützlich sein könnte, auch wenn du hier bleibst. Ist sie bezugsfertig, ist schon wieder einige Zeit verstrichen, du könntest dich frei entscheiden. Nutzlos wäre sie also keineswegs. Sie kann zudem sicherlich so in die Umgebung integriert werden, daß sie nicht weiter stört. Eine Expedition scheint nicht so unplausibel zu sein, wobei wir bei der diskutierten Zusammensetzung des wissenschaftlichen Personals nicht abschätzen können, welche Region des Planeten besonders interessant werden könnte, daß ein persönlicher Besuch lohnen könnte. Ein Geologe will vielleicht überall mal herum, insofern müßten wir Expeditionen allgemeiner planen. Eine Station auf einer Insel mit einer besonderen Vegetation wäre allerdings gut.“
Hildegard informierte dazu: „Es könnte sich ohnehin lohnen, auf einer Insel einmal einige andere symbiotische Beziehungen auszuprobieren, andere Pflanzen anzusiedeln. Wir haben ja auch Stationen auf Charybdis für Analysen vor Ort. Wir könnten die Station also allgemeiner aufbauen, könnten dort also direkt auf der Insel eine spezielle Vegetation ansiedeln und analysieren, weil das nun nicht dein Forschungsschwerpunkt ist, erst einmal automatisch, aber es könnte ja irgendwann auch einmal Leute interessieren, welche mehr im Biosphären-Projekt involviert sind, bei der festgelegten Auswahl wäre dies plausibel.“
Ich nicke: „Also gut. Wenn du, Hildegard, einen wissenschaftlichen Sinn darin siehst, auf einer Insel eine besondere Vegetation auszuprobieren, eine Station vor Ort zu haben, kann diese auch so ausgestattet sein, daß dort etwa zwei Personen leben können, wenn es relevant wird. Sollte ich nach Fertigstellung zu der Meinung kommen, daß ich dort leben will, verwenden wir die Station einstweilen eben einstweilen dafür. Damit hätten wir nun festgelegt, daß einerseits solch eine Station gebaut wird, andererseits, daß wir mit den Kryo-Zombies noch warten, wir einstweilen alleine weitermachen …“
Ida stimmte dem zu: „Gut, damit ist also einstweilen die Raumstation raus aus der Diskussion. Diese wäre trotz der zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen bei der Landefähre für dich auch die riskanteste Option gewesen. Wir schauen uns also an, welche Insel, was wir genau bauen sollen. Hildegard stellt alsdann vor, welche Variation der Vegetation sie im Sinn hat.“
Damit war die große Diskussionsrunde beendet. Wir schauten auf den Karten sowie Satellitenbildern nach den Inseln. Die fragliche sollte nicht gleich die Nachbarinsel zu unserer sein, aber auch nicht am anderen Ende liegen, wo ja noch der Vulkan aktiv ist. Insgesamt kamen wir letztlich zu einer ungefähr in der Mitte, welche sich von der Topologie oder Größe nicht sonderlich von unserer unterschied. Wir suchten, fanden einen ganz guten Standort, wo man relativ unauffällig eine Station samt Gewächshaus unterbringen konnte.
Hildegard stellte später noch vor, was sie sich vorstellte, dort ausprobieren zu wollen. Das waren einige neue Arten, symbiotische Beziehungen, welche etwas kniffliger, komplexer zusammengesetzt waren, allerdings Wirkungen auf Arten auf unserer Insel haben könnten, welche auf den Feldern wuchsen. Auf unserer Insel hatten wir ja bereits eine Vegetation, welche deutlich über die robuste Erstbesiedlung hinausging. Dort auf der anderen Insel sollt ja nun wiederum keine zweite Kolonie eingerichtet werden, daher konnte sie dort deutlich mehr auf eine Art von Wildnis setzen, welche kaum auf Nutzpflanzen hin ausgelegt war. Auf einer Insel oder an der Küste ist Vegetation anders zusammengesetzt als auf dem Festland. Insofern war dies noch kein Experiment, um auf dem Festland für eine rege Ausbreitung von Vegetation zu sorgen. Dieser Herausforderung wollte sie sich lieber zusammen mit den neuen Kolonisten stellen.
Insgesamt wurden wir uns schnell einig, wie es mit diesem Projekt weitergehen sollte. Ich wiederum würde einstweilen weiter in der Kolonie bleiben. Die Wiederauferstehung weiterer Kryo-Zombies war einstweilen vertagt. Ich vermochte nicht einmal zu sagen, ob ich nun mit dieser Entwicklung vollauf zufrieden war. Irgendwie waren ja eigentlich auch die anderen Optionen ein Ausweichen gewesen. Von daher war es vermutlich ganz in Ordnung, daß wir uns zu diesem Weg entschlossen hatten. Das nahm etwas Druck heraus. Ich atmete tief durch. Erst einmal würde ich weiterhin Zeit für mich haben, mich nun auf meine wissenschaftlichen Projekte konzentrieren.
Den nächsten Tag saß ich wieder mit Körk an den Methusalem-Daten. Weil nun die Wiederauferstehung vertagt war, konnte ich nicht darauf setzen, daß Gunnar helfen könnte bei der Visualisierung. Daher mußte ich zwangsläufig weiter ausholen, präzise formulieren, was ich mir vorstellte. Wir würden so sicherlich länger brauchen, aber das schien mir nun in Ordnung zu sein, im Austausch mit Körk konnte ich doch ähnlich gut formulieren, was ich mir vorstellte, dabei ebenso gute Ideen entwickeln, wie dies mit einem menschlichen Kollegen möglich gewesen wäre. Ich war ruhiger geworden, der Druck war weg durch die Verschiebung. Daher konnte ich geduldig mit Körk sowie Ida daran arbeiten, uns die Daten verständlicher aufzubereiten, insbesondere verständlicher für mich, was wiederum bedeuten würde, daß wir alle mehr verstehen sollten, wenn ich etwas verstanden hatte, denn sonst hätten mir die Ais sofort erklären können, was aus den Daten zu lesen wäre.
Körk hatte damit begonnen, die größten Objekte im Rasol-System zu berücksichtigen, in einer numerischen Simulation die Zeit rückwärts ablaufen zu lassen. Solange Objekte nicht zerstört werden oder sonstige nennenswerte Wechselwirkungen relevant werden, ist dies erst einmal ein einfaches Vorgehen, um Anhaltspunkte zu bekommen, wann sich die großen Objekte so nahe gekommen sind, um sich gegenseitig nennenswert zu stören, somit die Bahnen zu ändern. Zunächst hatte er auch noch den Sonnenwind mit einem Mittelwert berücksichtigt, was aber sowieso bei den Objekten weiter weg von Rasol vernachlässigt werden kann. Methusalem war weit draußen, hatte also keine nennenswerten Wechselwirkungen mit Objekten, welche nahe bei Rasol waren. Insofern war dieser eigentlich einfachste Ansatz gar nicht schlecht, um einen ersten Eindruck zu bekommen. Durch Hinzunahme von Objekten, welche die nächstgrößeren waren, konnten wir aus dem Unterschied der Rechnung grob abschätzen, wie falsch die Simulation nach ein paar tausend Jahren rückwärts war. Das sah zunächst unverdächtig aus, daher lohnte es sich schon, ein paar Millionen Jahre zurückzurechnen. Weil Methusalem nun weitab der Hauptekliptik des Systems unterwegs war, klappte diese Vorgehen eigentlich gut. Die Bahn änderte sich in der Zeit durch die uns bekannten größten Einflüsse allmählich, wurde elliptischer mit einer Tendenz mehr nach innen. Das war interessant.
Aus der Zeit unserer Ankunft sowie vom Aufräumen her hatte Körk sorgfältig aufgezeichnete Bahnparameter kleinerer Objekte verfügbar. Der nächste Schritt war also nun, diese ebenfalls in die Simulation einzupflegen, dabei zu gucken, ob oder wann es so aussah, als kämen welche davon aus einer kleinen Region, was mit anderen Indizien nahelegen würde, daß ein größeres Objekt zerstört worden war oder eben kleinere Objekte zusammengestoßen waren, sich teilweise unter Absonderung von Splittern zu einem größeren vereint hatten. Dies war schon ein ambitionierteres Projekt. Als Verfeinerung versuchte Körk zudem auch noch, etwas über Sonnenwinde herauszufinden, was über einen Mittelwert aus unserer Beobachtungszeit hinausgeht. Zum Glück für uns ist Rasol in der Hinsicht noch harmloser als die Sonne, Sonnenwinde stellen hier also einen kleineren Störfaktor dar, bei Objekten in der Nähe von Rasol können sie indes schon Bahnänderungen bewirken, unsere groben Näherungen in der Simulation für solche also unzuverlässig machen. Nun ist es sehr schwierig, aus den Bahnen der Objekte aus den letzten 150 bis 200 Jahren, viel mehr hatten wir im Grund nicht, auf solche Störungen in fernerer Vergangenheit zu schließen. Wir mußten also bescheiden hinsichtlich der Aussagekraft der Simulation bleiben. Wir probierten mit einer Variante der Monte-Carlo-Methode herum, um plausible Standardabweichungen für unsere Ergebnisse abschätzen zu können.
Nachdem wir uns erst einmal auf das prinzipielle Vorgehen geeinigt hatten, blieb die konkrete Arbeit letztlich an Körk hängen, teils machten auch Stanis und Asi dabei mit. Mir blieb lediglich zu warten, bis wieder ein Simulationsergebnis vorliegen würde. Mit der Vorbereitung war aber ein weiterer Tag dahingegangen. Ich fand, die Zeit war gut investiert. Nun würde ich länger warten müssen, lediglich nebenbei mal gucken, wie die Zwischenergebnisse aussehen. Die Zeit konnte wiederum gut genutzt werden, um an der Visualisierung aller Daten zu arbeiten.
Ich achtete zusammen mit Esme nun schon auf einen geregelten Ablauf des Tages, insofern gab es ziemlich pünktlich Frühstück, Mittag, Abendessen. Danach war für den Tag Feierabend. Ich sah mir Filme an, kam damit zur Ruhe.
Über Nacht hatte ich schon neue Ideen bekommen, beriet mich nach dem Frühstück mit Körk, Stanis und Asi. Es ging darum, mehr Proben direkt von Methusalem zu bekommen, zusätzlich von Gesteinsbrocken mit ähnlicher Flugbahn in seiner Nähe oder einfach mit ähnlichen Parametern. Stanis und Asi konnten Methusalem schon mit Sonden erreichen, es würde allerdings etwas dauern. Prinzipiell waren sie einverstanden, wollte aber genauer ausformuliert haben, was für Proben relevant wären, wonach genau gesucht werden sollte.
Ich bestätigte: „Gut, ich setze mich daran, die Aufgaben auf Methusalem genauer zu formulieren. Ich habe die Hoffnung, über Altersbestimmungen, eingeschlagene Brocken auf Methusalem mehr über die Historie des Rasol-Systems zu erfahren. Vielleicht können wir mehr relevante Daten bekommen, diese unter dem Gesichtspunkt plausibel interpretieren.
Das kann ich erst einmal vorbereiten.“
Die drei bereiteten unterdessen schon einmal leistungsfähigere Ausrüstung vor, welche sie zu Methusalem schicken wollten, um dort flexibel Proben nehmen zu können. Gesteinsproben sammeln, analysieren, Einschläge erkennen, Richtungen zu exakten Zeiten bestimmen, das waren schon einmal Kriterien, mit welchen sie die Vorbereitung der Mission beginnen konnten. Diese Mission würde Monate in Anspruch nehmen, das war schon jetzt klar, insofern kam es bei der Vorbereitung nicht auf einen Tag mehr oder weniger an.
Ich notierte erst einmal meine Gedanken, sortierte, formulierte alsbald genauer, was ich wollte, um zeitlich etwas einzuordnen, was auf Methusalem über die Jahrmillionen eingeschlagen sein mochte, woher, wie alt, welche Einschlagsenergie, darauf nach Möglichkeit eine Schätzung von Bahnparametern vor dem Einschlag, eventuell Herausabeitung von Tendenzen, sollte es Anhaltspunkte dafür geben, daß Objekte im selben Zeitraum aus ungefähr derselben Richtung eingeschlagen waren.
Gab es da eventuell mehrere Ströme, welche Methusalem im Rasol-System gekreuzt hatte?
Die Ais konnten nun schon besser einordnen, was die Mission können sollte, bereiteten nun schon konkreter vor.
Dies kam auch mir zu. Ich widmete mich entsprechend der Geologie und Geochronologie, kam da auch gut voran, das war bereits ein vielversprechender Anfang, auf den ich nun aufbauen konnte. Das wäre ja auch etwas für den anvisierten Geologen gewesen. Gut, dies ist mehr Geophysik, hatte also einen Überlapp zu meinen Kompetenzen. Insofern zuckte ich die Schultern, machte mich munter an die Arbeit, beziehungsweise erst einmal ans Lernen.
So nutzte ich ebenso den Nachmittag, um mich weiter in die Geochronologie und Gesteinsdatierung einzuarbeiten. Was auf der Erde, allgemeiner im Sonnensystem funktionierte, mochte hier im Rasol-System etwas andere Voraussetzungen haben. Allerdings hatten Asi und Stanis reichlich Proben aus dem System, somit ebenfalls eine gute Grundlage, um einerseits das Alter des Rasol-Systems aus verschiedenen Methoden zu bestimmen, andererseits gleichfalls Unterschiede, besondere Zusammensetzungen der Materialien von Methusalem. Daher waren die Schlußfolgerungen der Ais schon überzeugend. Methusalem paßte in seiner Hauptmasse, also abgesehen von eindeutig jüngeren Einschlägen, nicht in das sonstige Muster. Ein Einfang in das Rasol-System war also schon plausibel. Ich beschloß, mir das noch näher anzusehen.
Welche Zerfallsreihen hatten sie sich angesehen, welche Isotopen- und Elementenverhältnisse hatten sie analysiert, wo hatten sie Proben genommen?
Wenn ich mich da weiter einarbeitete, sollte es mir gelingen, weitere Vorschläge zu machen, was noch zu untersuchen wäre, welche weiteren Zerfallsreihen wir nutzen könnten, um die Hypothese noch besser abzusichern?
Ich wollte es versuchen und mich da hineinfuchsen.
Wenn Methusalem doch nur ein Kleinplanet ist, war doch davon auszugehen, daß er bei einem Einfang einst mit erheblicher Relativgeschwindigkeit in das Rasol-System gekommen ist. Betrachtet man nun ein einfaches Modell von zwei Punktmassen in einer gravitativen Wechselwirkung, so käme es nie zu einem Einfang. Bei einem solchen ist es immer notwendig, die überschüssige kinetische Energie irgendwie anders zu verteilen. Bei einem System aus mehr als zwei Körpern ist das möglich. Im Extremfall kann da etwa ein anderer Körper aus dem System geschleudert werden, ein größerer Planet könnte bei einer Wechselwirkung allerdings auch auf eine etwas energiereichere Bahn um Rasol verschoben werden, um die Energie so anders im System zu verteilen. Kommt es gar zu Einschlägen, kann ein Teil der kinetischen Energie auch in Wärme umgesetzt werden. Zwar gilt insgesamt immer noch die Impulserhaltung, trotzdem ist so bei komplexen, ausgedehnten Massen ein Einfang möglich. Erhaltung der Gesamtenergie, von Impuls und Drehimpuls ist gegeben, sie werden lediglich unter den beteiligten Objekten anders verteilt.
Obgleich solch ein Kleinplanet schon winzig ist im Vergleich mit den Gasriesen oder gar mit Rasol selbst, sollte solch ein Einfang bei den Planeten hingegen schon Spuren hinterlassen haben, von diesen hätten also wohl mindestens zwei ihre Bahnen geändert, vermutlich waren auch Bahnen diverser Kleinkörper wie Asteroiden geändert worden, mit der Wirkung von heftigeren Asteroidenschauern auf die Planeten in die folgenden Jahrhunderten oder Jahrtausenden. Häufungen von Ereignissen könnten also auf den Einfang hindeuten, mit Glück mit diesem eindeutig in Bezug gebracht werden.
Ich war jedenfalls weit über das Abendessen hinaus in den Abend hinein beschäftigt, kam gar nicht mehr dazu, etwa bei einem Film zu entspannen. Müde sank ich irgendwann nur noch ins Bett, schlummerte ein.
Dieses Forschungsthema war anspruchsvoll. Ich kniete mich voll hinein, vertiefte mich darin. So gingen die Tage dahin. Gelegentlich berichteten Ida und Hildegard über die Fortschritte bei der Station auf der anderen Insel, sonst hing ich eben doch meist vor dem Rechner und forschte eifrig. Erst einmal hineingezogen in ein Projekt, war alles für mich einfacher. Es gab kaum noch ablenkende Gedanken, die Nachdenklichkeit über den Tod konnte so ausbleiben. Von daher hatte die Forschung also noch einen weiteren, wohltuenden Effekt.
Die Analyse von Zerfallsreihen ist komplex. Ich hakte bei Ida und Körk nach. Die Ais hatten schon allerhand analysiert, räumten allerdings ein, bei Methusalem nicht wirklich in Details gegangen zu sein. Allerdings hatten wir reichlich Daten auf Vorrat von ihrem ersten Besuch dort und Stanis und Asi waren ja nun ebenfalls an dem Projekt beteiligt, auch für sie war es irgendwie relevant, daß so ihre Forschungsarbeit auch in der Kolonie mehr Aufmerksamkeit bekam. So waren sie schon sehr eifrig gewesen bei der Vorbereitung der neuen Mission, um Methusalem genauer zu untersuchen, auf Vorschläge einzugehen, bisherige Arbeiten zu erläutern, um so zu einem stimmigen Projekt zu kommen, Ziele genauer festzulegen, einen Plan zu haben, was wir eigentlich wissen wollen, wie uns Methusalem dabei helfen könnte. Schnell hatte ich mit Hilfe der Ais jedenfalls eine lange Liste von Möglichkeiten, wie das Alter von Gestein bestimmt werden kann, ebenso eine lange Liste von Daten über die Zusammensetzung verschiedener Bereiche von Methusalem. Es ist nicht so einfach, Ordnung in die Daten zu bekommen, sie für Menschen zugänglicher zu visualisieren und Korrelationen einfacher prüfen oder entdecken zu können, die in den Daten bereits verborgen sein könnten, allgemein Korrelationen herauszuarbeiten und unsere Hypothesen so unter Ausnutzung aller verfügbaren Daten effizient auszuwerten. Das benötigt eben Zeit sowie Verstand, Kreativität.
Dabei konnten wir entscheidend davon profitieren, die gewaltigen Datenbanken und das hohe Rechentempo der Ais mit unseren menschlichen Impulsen, Idee, Assoziationen bei der Sichtung der visualisierten Daten zu kombinieren, um zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Diese Kombination hatte sich bislang als sehr nützlich erwiesen, weil wir so die jeweiligen Stärken von Ais und Menschen gut einsetzen, die Schwächen wiederum gegenseitig kompensieren.
Neben dem Methusalem-Projekt kam ich in den folgenden Tagen dazu, mit den Ais, insbesondere mit Körk und Ida, über weitere Projekte zu diskutieren, diese zu beginnen. Wir beschäftigten uns mit den Satelliten, mit welchem ich über interferometrische Abstandsmessungen dieser zueinander das Gravitationsfeld der Planeten zu vermessen hoffte, damit primär Informationen über die Massenverteilungen bekommen wollte.
Ais können locker ihre Aufmerksamkeit auf verschiedene Projekte teilen, so konnte ich nebenbei auch noch Ida mit hinzuziehen, um über die Idee zu sinnieren, über die Seismik ebenfalls Informationen über den genauen Aufbau der Planeten zu bekommen. Ida hatte vorrangig von Skylla reichlich Daten in der Datenbank, diese waren zwar zu einem anderen Zweck aufgenommen worden, um sicherzustellen, die Kolonie an einem geeigneten Standort mit geringem Risiko aufzubauen, doch damit hatten wir durchaus bereits ein paar Sensoren im Einsatz. Für meinen Zweck mußten zwar leistungsfähigere, empfindlichere Geräte her, aber das war ebenfalls aus dem Vorrat unserer Pläne sowie Module leicht machbar. Aktiv wollten wir später eventuell auch selbst sauber definierte Wellen auslösen, in der ersten Stufe wollten wir allerdings zunächst bloß dem normalen Rumoren des Planeten lauschen, beim nächsten Erdbeben vielleicht schon über ein verteiltes Netz von Detektoren Informationen korrelieren, um mehr über das Innenleben des Planeten zu erfahren. Zusammen mit den Satellitenmessungen sollten wir so hoffentlich interpretierbare Informationen sammeln können. Die Verteilung von Satelliten sowie seismischen Detektoren war ein Optimierungsproblem. Einerseits wollte ich darüber noch grübeln, Anregungen einfließen lassen, andererseits war es ja aufgrund der Produktionskapazitäten auch mitnichten problematisch, einfach mit mehr Gerät auch bei einer suboptimalen Verteilung ähnlich gute Ergebnisse zu erzielen. Körk und Ida bereiteten aber jeweils schon einmal etwas vor, ein paar Varianten, wie sie es anfangen würden, um eine Grundlage zu bekommen.
Bei den Satelliten schauten wir genauer in die Pläne, denn bei der geforderten Präzision war es natürlich notwendig, die Massenverteilung genau auszutarieren, sonst würde es aufgrund von Mikrogravitation Probleme mit den frei schwebenden Testmassen geben, welche ja als Spiegel des Interferometers fungieren sollten. Die meisten vorhandenen Pläne für Satelliten mit anderen Funktionen sind dafür nicht gedacht, aber wir fanden sogar Pläne für ähnliche Anwendungen, Körk wußte, was das Problem war, daher konnte er aufwendige Optimierungsroutinen zigfach durchlaufen lassen, um einen Satellitenplan zu entwerfen, welcher zu den Genauigkeitsanforderungen paßte. Allerdings mußten wir auch noch den optischen Aufbau genau festlegen.
Dazu gab es bald schon einen Testaufbau in einem speziellen Reinraum der Kolonie. Dieser Testaufbau würde nie in die Umlaufbahn geschickt werden, die späteren Satelliten würden vielmehr direkt oben von Mikroroboterschwärmen gebaut werden, mußten also keinen Start mit hohen Beschleunigungskräften überstehen, keine Atmosphäre mit Verunreinigungen aushalten. Schon von daher waren deutlich andere Konstruktionen möglich als bei Aufbauten, welche vom Planeten in den Weltraum geschossen werden.
Beim Testaufbau war die Armlänge des Interferometers natürlich reduziert, was halbwegs mit Linsen, weiteren veränderlichen Elementen im Strahlengang kompensiert wurde, um insbesondere Störungen, Fluktuationen, aber auch vermutlich echte Signale simulieren zu können. Der Aufbau gab schon ganz gute Einblicke in die Probleme. Ich wollte ja einen möglichst monolithischen Aufbau, welcher weitgehend automatisch justiert ist, bloß wenige bewegliche Elemente enthalten sollte. Natürlich brauchte es Regelmechanismen, Justagen für die Testmassen mit Spiegeln, einige andere Möglichkeiten für Einstellungen an optischen Komponenten. Je mehr allerdings an Objekten zur Justage verbaut ist, desto schwieriger wird es wiederum, Effekte der Mikrogrativation zu vermeiden, wenn Massen asymmetrisch verteilt sind. Insofern war Symmetrie ebenso beim optischem Aufbau ein wichtiges Kriterium. Ich experimentierte fleißig zusammen mit den Ais, um einen guten Aufbau zu realisieren. Dabei arbeitete ich mich natürlich auch tiefer in die Aufzeichnungen von ähnlichen Aufbauten ein, welche ja verfügbar waren. Mein Verständnis verbesserte sich. Letztlich hatten wir einen Aufbau, welcher um mehr als eine Größenordnung genauer war, als ich zunächst als wenigstens notwendig abgeschätzt hatte. Zudem hatten wir Potential, mit weiteren Feinabstimmungen vermutlich noch eine weitere Größenordnung herauszuholen.
Nachdem der optische Aufbau stand, konnte dieser wiederum in die Feinabstimmung der Konstruktion des Satelliten berücksichtigte werden. Damit hatten wir relativ zügig einen Prototyp, welcher in der Umlaufbahn gebaut wurde, also zunächst zwei Satelliten, welche im Tandem Skylla auf einer polaren Bahn umkreisen sollten.
Später würden mehr Satelliten folgen. Begannen wir erst mit wenigen Satelliten, war die Optimierung der Konfiguration einfach. Wir würden damit sowieso lediglich zu jedem Zeitpunkt bloß einen Bereich überdecken. Mit einem ganzen Netzwerk würden wir die Deformation des Planeten durch Gezeitenkräfte präzise herausrechnen können. Mit zweien konnten wir immerhin herausbekommen, ob unsere Annahmen darüber zutreffen, mit ein paar mehr Satelliten wäre es schon möglich, eine Information über ein größeres Gebiet in Echtzeit zu bekommen.
Entsprechend ging es mit dem Seismik-Projekt voran. Ich hatten zusammen mit Idas Avatar längst einen Detektor besichtigt, welcher bislang eingesetzt wurde, primär um Erdbebenzonen, aktive Vulkane einzugrenzen, um festzulegen, wo es langfristig friedlich für die Kolonie blieb. Wir hatten allerdings auch noch leistungsfähigere Modelle in der Datenbank, welche wir uns genauer ansahen, für unsere Zwecke nochmals überarbeiteten. Auch hier würden wir ein größeres Netzwerk aufbauen müssen, nach den aktuellen Plänen zunächst erst einmal eine etwa gleichmäßige Verteilung, welche später je nach den damit erlangten Ergebnissen noch verfeinert werden sollte. Insofern wollte ich mich hier auf das von den Ais vorgeschlagene Netzwerk erst einmal verlassen, nicht selber über weitere Optimierungen nachsinnen.
Wir dachten ferner ebenso über einen weiteren Ausbauschritt nach, bei welchem es darum gehen würde, mit eigenen Signalquellen charakteristische, kurze Pulse oder Frequenzen zu erzeugen. So wäre es folglich anders als bei natürlichen Quellen präzise möglich, die Charakteristika der Quelle festzulegen, weswegen man aus den Messungen der Detektoren rund um Skylla deutlich detaillierter würde schließen können, was wo gestreut wurde, welche anharmonischen Effekte wo neue Frequenzen erzeugten. All dies kann sehr hilfreich sein, um Informationen über den inneren Aufbau des Planeten zu bekommen.
Auch hier war ich dabei, wie alsbald ein Prototyp eines Detektors auf der Insel in ein Bohrloch versenkt wurde. Danach gab es die ersten Daten von diesem Detektor, mehr oder wenige unsere Aktivitäten auf der Insel. Später kam ein Prototyp für eine Signalquelle am anderen Ende der Insel dazu. Dabei ging es nicht um unterirdische Explosionen, es gibt andere Methoden, um hinreichend kräftige seismische Wellen oder Pulse zu erzeugen. Es war jedenfalls phantastisch, die ersten gestreuten Signale davon beim Detektor zu beobachten. Unterdessen gab es ja schon ein grobes Netzwerk von Detektoren auf dem Planeten, damit auch erste Informationen über den Aufbau des Planeten.
Auch dies Projekt funktionierte also!
Weil wir ja nun keine Erscheinungen auf der Insel haben wollten, welche einem Erdbeben geglichen hätten, blieb unsere seismische Quelle relativ schwach, Pulse oder Vibrationen von ihr konnte ich durchaus selbst am Schreibtisch in der Kolonie oder auch draußen in der Landschaft spüren, wir hielten allerdings alles im Rahmen. Deshalb reichte diese Quelle natürlich nicht, um gute Signale in weiter entfernten Detektoren auf dem Festland zu erzeugen. Dort allerdings wurden nun schon an dafür geeigneten Standorten Signalquellen mit einem deutlich größeren Wumms produziert, welche Signale bereitstellen können, welche über den ganzen Planeten verteilt gut detektierbar sind. Erst einmal im Betrieb wären wir also nicht mehr auf natürliche Signalquellen wie Erdbeben, Erdrutsche angewiesen.
Längst hatten Asi und Stanis mit Gerätschaften Methusalem erreicht, hatten dort mit der ausgedehnteren Analyse begonnen, also der genauen Aufzeichnung der Charakteristika von Einschlagskratern sowie der Probennahme dort.
Neue Daten gab es zwar noch nicht, wir konnten uns aber schon an die alten von der ersten Untersuchung setzen, damit arbeiten, nach Zerfallsreihen gucken, versuchen, etwas herauszufinden. Mit Körks und Idas Hilfe gelang uns eine ganz gute Übersicht, wenngleich sich noch kein klares Bild abzeichnete. Dazu waren es zu wenige Proben. Sehr alt war das Teil eindeutig, übersäht von Einschlägen, also reichlich zu tun.
Ich sann ebenfalls über weitere Möglichkeiten der Planeten-Tomographie nach.
Aber mit welchen Teilchen könnte man einen ganzen Planeten durchleuchten?
Es mußten Teilchen mit geringem Wirkungsquerschnitt sein, gleichzeitig sollten diese eine möglichst definierte Energie sowie Richtung haben. Zwar war mir bekannt, daß es auf der Erde einst gelungen war, mit Myonen Pyramiden oder sogar Berge zu tomographieren, für einen gesamten Planeten reichte die Eindringtiefe oder Lebensdauer jedoch nicht.
Mir kamen Neutrinos oder Gravitationswellen in den Sinn. Bei letzteren gibt es nun mannigfaltige Probleme. Man kann nicht so einfach Schwarze Löcher oder Neutronensterne herbeiholen, um sie zusammenkrachen zu lassen, das wäre sehr zerstörerisch für das gesamte Planetensystem. Schwingungen einer Sonne wie Rasol erzeugen ebenfalls Gravitationswellen. Die Streuung an einem Planeten ist aber sowieso zu gering, um für meine Zwecke nützlich zu sein.
Bei Neutrinos gibt es einerseits verschiedene Typen, Oszillationen zwischen diesen, dazu ist der Wirkungsquerschnitt energieabhängig. Bei hohen Energien wird auch der Wirkungsquerschnitt größer. Hätte ich zudem eine definierte gepulste Quelle definierter Energie, nicht bloß etwa Rasol als natürliche Quelle mit klar definierter Strahlrichtung, hätte ich ganz gute Chancen, etwas zu sehen.
Es wäre also notwendig, einerseits leistungsfähige Neutrino-Detektoren im Weltraum um den Planeten herum sowie auf diesem zu betreiben, vermutlich ebenfalls in einem Netzwerk, die auf Skylla bevorzugt in geschützten Bereichen, um Störungen durch andere Ereignisse zu vermeiden, eventuell also am Grund des Meeres, in Höhlen, Tiefenbohrungen etc. Auf der Erde gab es auch welche im Eis als relativ stabilem, großen Testkörper, bloß gibt es auf Skylla kaum Eis für derartige Zwecke, selbst künstlich herunterkühlen großer Volumen ist sicherlich keine sinnvolle Option. Bei Detektoren im Weltraum müßte es die klar definierte, gepulste Quelle richten, Rauschen durch andere Ereignisse zu diskriminieren, wobei sich einige sicherlich auch abschirmen lassen, bei anderen reicht die Bestimmung der Einfallsrichtung, um Fehlsignale zu diskriminieren.
Andererseits mußte eine brillante gepulste Neutrino-Quelle entwickelt werden, welche ihrerseits auf einem Satelliten um den jeweils zu untersuchenden Planeten fliegen, die Streuung der Pulse wird auf der anderen Seite des Planeten zeitaufgelöst detektiert. Die Zeitauflösung ermöglicht einerseits die Diskriminierung von Rausch-Untergrund, aber auch eine Analyse der Verzögerungen durch Streuung im Planeten.
Erst einmal diskutierte ich die Optionen hinsichtlich der Detektion von Neutrinos mit Ida und Körk. Da hatte es seit meiner Zeit durchaus Fortschritte gegeben, insofern konnten wir zuversichtlich sein, leistungsstarke Detektoren bauen zu können. Ich war sehr erfreut, uns war natürlich klar, daß dies bereits ein weiteres sehr ambitioniertes Projekt war.
Was mir dabei in den Sinn kam: Inzwischen hatten wir doch Fusionskraftwerke, leistungsfähige Beschleuniger, effiziente relativistische Triebwerke. So forschte ich erst einmal selbst in der Datenbank nach, um mich mit einer vorschnellen Frage nicht gleich lächerlich zu machen. Ich kam allerdings zu der Ansicht, daß wir selbst Neutrinos definierter Energie produzieren könnten.
Ich fragte folglich bei Ida sowie Körk nach: „Könnten wir per Reaktor oder Beschleuniger im Raumschiff oder auf der Raumstation, einem dafür extra gebauten Raumschiff einen intensiven Neutrinostrahl definierter Energie produzieren, diesen auf das Objekt unseres Interesses, etwa Skylla richten, um so bei dem Neutrino-Tomographie-Projekt ein eindeutiges Signal zu bekommen?“
Ida entgegnete: „Sicher entstehen im Reaktor oder Beschleuniger reichlich Neutrinos, ein intensiver, wohldefinierter Neutrinostrahl ist das selbstverständlich noch nicht. Wie du weißt, sind Neutrinos lediglich per schwacher Wechselwirkung manipulierbar. Für einen Strahl müßten wir folglich eher bei der Erzeugung für eine Vorzugsrichtung sorgen. Dies wäre eher bei Beschleunigern zu bewerkstelligen, ebenso ein eingegrenzter Energiebereich. Eine intensive Quelle hätten wir wohl eher mit einem speziell konfigurierten Reaktor, welcher darauf optimiert ist, möglichst viele Neutrinos zu produzieren.“
Ich spekulierte: „Bei einem Reaktor gingen die erzeugten Neutrinos aber isotrop in alle Raumwinkel. Zudem können wir Energien ja schlecht nachträglich filtern, selektieren …“
Ida bestätigte: „Stimmt. Da müßten wir mal ein Projekt starten, simulieren, rechnen, unter welche Bedingungen mit welcher Methode mehr etwa auf Skylla unter einem bestimmten Raumwinkel ankäme, dazu unter definierten Bedingungen, welche du dir vorstellst.
Rasol ist ja bereits ein prima natürlicher Reaktor …“
Ich nickte: „Klar, damit haben wir eine Quelle, ich habe mich lediglich gefragt, ob wir technisch eine Quelle hinbekommen, welche sich per Intensität sowie Energie, Strahlqualität, Brillanz eindeutig vom Hintergrund des Weltraumes abhebt. Immerhin könnten wir mit einer eigenen Strahlquelle selber festlegen, woher unsere Neutrinos mit welcher Energie kommen, können diese in den Detektoren folglich leichter von Hintergrund separieren.
Wenn wir es nicht signifikant besser als Rasol hinbekommen, muß Rasol wohl reichen …
Allerdings hätten wir mit einer künstlichen Quelle einen zusätzlichen Vorteil: Wir können diese gepulst betreiben, hernach Koinzidenzmessungen, Laufzeitmessungen durchführen, Streuquerschnitte aufnehmen. Eine brauchbare Pulslänge ergibt sich wegen der geringen Neutrinomassen sowie der Lichtgeschwindigkeit aus der gewünschten Auflösung, sollte ähnlich wie bei Licht sein, also etwa dreißig Zentimeter pro Nanosekunde. Nun sollte uns sicherlich bei einem Planeten erst einmal eine Auflösung von ungefähr einem Kilometer reichen. Über eine Laufzeitmessung lassen sich einfach die ersten, bis zum Detektor ungestreuten Neutrinos von gestreuten separieren; aus den gestreuten, den ungestreuten Neutrinos sowie dem absoluten Streuquerschnitt sollten sich eine Menge relevante Informationen über den Planeten ableiten lassen.
Mit einer von ihrer Position her veränderlichen Quelle ergibt sich aus kumulierten Daten letztlich eine tomographische Information über den Planetenaufbau. Zudem dreht sich der Planet ja bereits, selbst bei einer entfernten Quelle ergibt sich von selbst eine unterschiedliche Durchstrahlung des Planeten, wenn die Quelle irgendwo in der Äquatorebene positioniert wäre. Bei polarer Positionierung ergeben sich durch die Drehung des Planeten um die eigene Achse andere Durchleuchtungsmöglichkeiten, bei polaren Umlaufbahnen der Quelle bekämen wir im Laufe der Zeit vermutlich die vollständigsten Datensätze als Ergebnisse.“
Ida erwiderte: „Nunja, Zeitauflösungen im Bereich einer Mikrosekunde sollten schon machbar sein, da kommen unterschiedliche Verfahren in Betracht. Interessante Idee, über eine Kombination von Laufzeiten, differentiellen Wirkungsquerschnitten, Diskriminierungen, Separierungen zu Informationen zu kommen.
Also rechnen, mit welcher Quelle wir welche Eigenschaften umsetzen können, wie für welchen Quelltyp einen gepulsten Betrieb – Chopper kann man bei Neutrinos vergessen, etwa beim Beschleuniger wiederum die beschleunigten Teilchen zu geeigneten Pulsen formen, somit über eine kurze Kollisionszeit dieser Teilchenpulse einen definierten Neutrinopuls erzeugen.
Weil du Neutrinos unterschiedlicher Pulse unterschieden willst, muß bei einem Streuobjekt wie einem Planeten die Repetitionsrate wiederum klein sein, damit sich die gestreuten Neutrinos unterschiedlicher Pulse nicht zeitlich im Detektor überlagern.
Vermutlich müssen wir viele Experimente durchführen, dabei treten vermutlich allerhand Unwägbarkeiten auf, Reaktionsquerschnitte zur Erzeugung von Neutrinos sind oftmals nur so ungefähr bekannt, über Resonanzen, Details wiederum ließe sich eine Menge an Brillanz herausholen, wenn wir unsere Quelle so konfiguriert bekämen. Also durchaus möglich, daß wir etwas hinbekommen. Wir müssen forschen, interessantes Thema, könnte in der Anwendung gar neu sein, selbst verglichen mit konkreten Forschungsprojekten der Erde. Neutrino-Tomographie mit künstlicher, brillanter eigener gepulster Strahlenquelle definierter Neutrino-Energie. Ein sehr ambitioniertes Projekt …“
Ich lächelte: „Na, wir sind doch keine reinen Warmduscher, Nabelschauer. Probieren wir mal ein wenig herum, mal gucken, ob wir Möglichkeiten finden, mit denen wir in dieser Hinsicht etwas anfangen können, ich ahne schon, geniale Einfälle, revolutionäre Ideen könnten massiv weiterhelfen …“
Genau legten wir uns allerdings noch nicht fest, ich wollte die Angelegenheit aber mal im Hinterkopf behalten, ließIda und Körk ein wenig rechnen, wir würden darüber wieder konferieren. Weil nun die Wirkungsquerschnitte bei hohen Energien größer werden, wollten wir ja eigentlich sogar eine Quelle, welche hochenergetische Neutrinos erzeugt, dafür mußten die verfügbaren Reaktoren oder Beschleuniger also vermutlich tiefgreifend verändert werden. Das sind alles keine Kleinigkeiten bei unserem kleinen Stab von Mitarbeitern, denn obwohl wir eine gewaltige Datenbank haben, war dies nun kein Projekt mehr, welches man ähnlich bereits auf der Erde vor Jahrhunderten realisiert hatte.
Insgesamt würde das Projekt also reichlich Zeit sowie Geduld benötigen. Sicherlich würden wir erst die Detektoren bauen, Rasol als Strahlquelle verwenden, später eventuell eine brillante Quelle fertigen können.
So gingen weitere Tag mit intensiver Forschung dahin. Wissenschaftlich waren zunehmend mehr Proben, Auswertungen von Methusalem hereingekommen, wobei sich einige Trends ergaben, wir wollten uns aber noch nicht festlegen. Zusammen mit Körks Bemühungen, die Zeit in der Simulation des Planetensystems rückwärts laufen zu lassen, kamen wir allerdings schon jetzt zu interessanten Möglichkeiten. Die Asteroidengürtel Geri, Freki sowie Wotan sind aufgrund der vielen kleinen Objekte besonders heikel.
Waren diese erst entstanden, als unter Methusalems Kleinplaneten oder gar Planeten zusammengekracht sind?
Wie könnte auch einem Strom derart vieler Partikel solide zurückgerechnet werden, was einmal passiert ist?
Das erfordert deutlich mehr als ein einfaches Programm mit hoher Rechenleistung. Mit den Möglichkeiten der Quantenrechner hatte Körk die Möglichkeit, mehr oder weniger ein ganzes Kontinuum von Szenarien durchlaufen zu lassen, per Selbstkonsistenzprüfung auszuschließen, was alles nicht zum aktuellen Zustand paßt.
Wegen der Ungenauigkeiten über die großen Zeiträume, unbekannte oder noch unberücksichtigte Einflußgrößen war alles keineswegs sicher, aber eine Variante war besonders naheliegend: Methusalem war einst auf seiner Bahn von außerhalb durch das System gerast, insbesondere zufällig auch durch den inneren Bereich. Dabei war neben anderen Effekten wie etwa mindestens die Zerstörung eines Mondes oder Kleinplaneten mit Geri als Ergebnis vermutlich Skylla aus einer Bahn eng um Rasol weiter nach außen gelangt, Charybdis dabei von etwas weiter außen nach innen. Ferner mochte es in dem Zusammenhang einen Zusammenstoß der Planeten mit mindestens einem weiteren Mond oder einem kleineren zusätzlichen Planeten gegeben haben, um die jetzigen Konstellationen gut zu erklären. Auch die Kombination von Erde und Mond waren ja höchstwahrscheinlich bei einem touchierenden Zusammenstoß zweier Planeten entstanden. In unserem Falle waren mehrere Objekte beteiligt gewesen, um den aktuellen Zustand samt der Unterschiede hinsichtlich Wassermenge sowie Vegetation zu erklären.
Zu den verfügbaren Daten würden mehrere Szenarien passen. Mindestens waren Methusalem, Skylla, Charybdis in einer spezifischen Reihenfolge mehrfach beteiligt, wahrscheinlich auch noch Monde, Kleinplaneten oder Planeten, welche jetzt nicht mehr vorhanden waren, eventuell sogar noch ein weiterer Körper von nennenswerter Masse. Jedenfalls mußte mehr vorgegangen sein als der schlichte Einfang von Methusalem, damit dazu noch das Zwillingsplanetensystem von Skylla und Charybdis mit seinen deutlichen Unterschieden hatte entstehen können. So jedenfalls war ansatzweise erklärbar, warum Skylla trocken, unbelebt war, Charybdis aber wasserreich, sowie belebt.
Bei einem plausiblen Szenario war Charybdis zunächst ein Eisplanet knapp außerhalb der habitablen Zone von Rasol, Skylla war zu nah an Rasol, um in der habitablen Zone zu sein. Mit der Ankunft von Methusalem hatte sich etwas getan, Charybdis war weiter nach innen gerückt, war daher aufgetaut. Eventuell hatte es dort schon zuvor unter dem Eispanzer ein Meer mit Lebewesen gegeben. Zum Vorhandensein mochte entweder Hitze aus radioaktivem Zerfall im Kern des Planeten gereicht haben, eventuell aber auch Gezeitenkräfte eines Mondes. Skylla wiederum wurde durch Methusalem von Rasol weg, auf Charybdis zu in die habitable Zone verschoben. In der Gesamtbilanz von Energie, Impuls, Drehimpuls war Methusalem damit eingefangen. Skylla und Charybdis kamen sich also näher. Zum Einfang zum Doppelplanetensystem ist es allerdings notwendig, Energie aus dem System zu nehmen. Wenn Charybdis einen Mond hatte, ist dieser eventuell auf Skylla eingeschlagen. Ansonsten könnten weitere kleinere Objekte von Methusalem oder bedingt durch dessen Einfluß größere Asteroiden auf Skylla und Charybdis eingeschlagen sein, was die schnelle Eigenrotation erklären könnte. So oder so war der habitable Bereich um Rasol danach aufgeräumt genug, daß Skylla und Charybdis einerseits auf einer stabilen Bahn umeinander waren, andererseits ebenso auf einer stabilen Bahn um Rasol.
Nach dem Spuren auf Methusalem war dieser vermutlich zunächst wiederholt nach einem Einfang durch den inneren Bereich des Planetensystems gekurvt, was sich aber wohl irgendwann gegeben hatte, nachdem er zufällig mindestens einem Gasriesen nahegekommen war, dies hatte Methusalem wieder auf eine Bahn im äußeren Bereich stabilisiert. Durch mehrfache weitere Einflüsse der Gasriesen hatte er dabei letztlich seine jetzige stabile Umlaufbahn erreicht, welcher nach den Simulation lange weiter stabil bleiben würde, weil keine weitere bedenkliche Annäherung an einen Gasriesen mehr vorkommen würde.
Geklärt hatten wir damit noch lange nichts endgültig, aber jedenfalls eine plausible Geschichte, welche wir der Gruppe zur Unterhaltung sowie zur Diskussion vorstellten.
Die Forschung war nicht abgeschlossen, das Projekt zur Seismik sowie zu den Gravitationsfeldern der Planeten würde hoffentlich weitere Anhaltspunkte ergeben, insbesondere ob größere Brocken auf den Planeten eingeschlagen waren, eventuell sogar wann, wenn wir etwas lokalisieren könnten, Bohrproben nehmen könnten.
Ein kleiner Triumph waren diese ersten Ergebnisse zum Thema schon einmal.
Mittlerweile war das bisherige Netzwerk von seismischen Detektoren auf Skylla um einige der neuen empfindlichen Detektoren ergänzt worden. Die Ais bauten das Netzwerk täglich weiter aus. Die hereinkommenden Daten hatten zunächst natürlich noch eine ziemlich schlechte Auflösung. Die Interpretation solcher Daten ist zudem eine knifflige Angelegenheit, insbesondere bei diversen natürlichen Quellen, jedoch noch relativ wenigen Detektoren. Somit waren noch keine weiteren Hypothesen möglich. Wir arbeiteten ein System aus, welches uns nahezu in Echtzeit Informationen liefern sollte. Durch das bereits bestehende System war es ja bereits möglich gewesen, größere geologische Aktivitäten wie Erdbeben oder große Vulkanausbrüche zu detektieren, wobei letztere eher selten waren. Weil alte Detektoren nun aber auch näher an bekannten Vulkanen arbeiteten, bekamen wir auch kleinere Ausbrüche mit. Als Glücksfall war ein kurzes, kräftigeres Beben zu betrachten, denn dies vermochte ein kräftiges, klar definiertes Signal für unser weit verteiltes Netzwerk zu liefern. Zudem war es nicht weit entfernt von zwei bereits aktiven neuen Detektoren, weswegen wir damit das Anfangssignal vorliegen hatten, also ohne nennenswerte Reflexionen, Überlagerungen. Damit hatten wir einerseits ein erstes grobes Bild, andererseits einen Test für unser Echtzeit-Analyse-System. Es gab erste Hinweise auf Anomalien in der Dichteverteilung des Planeten, abweichend von dem Ideal eines Rotationsellipsoiden mit lediglich einer dünnen unregelmäßigen Kruste, darunter aber weitgehend regelmäßigen Schichten. Salopp kann eine solche Unregelmäßigkeit einfach die Kartoffeligkeit des Planeten genannt werden – diese ist zeitabhängig durch die Gezeitenwirkungen insbesondere durch Charybdis, aber auch Rasol, wobei Abstand sowie Masse Gegenspieler hinsichtlich der Größe des Effektes sind. Derartige berechenbare Zeitabhängigkeiten wird man eher herausrechnen, um mehr über die innere Struktur eines Planeten zu erfahren, nicht direkte Einflüsse der astrophysikalischen Dynamik.
Unter der Kruste schien sich mindestens eine größere Anomalie zu verbergen. Für mehr reichte allerdings die Auflösung des erst im Aufbau befindlichen Systems nicht.
Das Erdbeben war auch in der Hinsicht glücklich, als es weit weg stattfand, im Meer unterdessen keinen Tsunami auslöste, welcher auch auf unserer Insel Schäden hätte anrichten können.
Die Ais hatten dies ohnehin bei der Planung unserer Kolonie berücksichtigt. Sie gingen davon aus, daß bei der Größe sowie Tiefe des Meeres, der Struktur der Inseln darin es eine sehr unwahrscheinliche Resonanzkatastrophe benötigen würde, um das Meer so weit aufzuschaukeln, daß etwas wie ein Tsunami oder ein anderer Typ von Riesenwelle bis zu den Koloniegebäuden schwappen könnte. Erdbeben waren im Meer allerdings nicht auszuschließen, weiter weg gab es eine Plattengrenze an einer Küste mit entsprechendem Potential zur Bildung von Riesenwellen. Die Aktivitäten dort waren allerdings eher gleichmäßig, was ein Verhaken der Platten mit unregelmäßigen heftigen Beben unwahrscheinlich machte. Selbst wenn dies passieren würde, wären die primär zu erwartenden Wellen nicht direkt auf unsere Insel gerichtet, wir bekämen allenfalls kleinere Reflexionen von einer anderen Steilküste ab, eventuell dazu Beugungen um in Meer ragende Halbinseln.
Unterdessen hatte Körk auch ein Satelliten-Tandem mit den Interferenzoptiken zur Abstandsmessung in einen Orbit gebracht. Dies war ein polarer Orbit, der Planet dreht sich also unter den Satelliten durch, wodurch mit der Zeit nacheinander die komplette Oberfläche des Planeten untersucht werden kann. Die lokale Massendichte des Planeten unterhalb der Satelliten bewirkt ein verändertes Gravitationspotential, damit eine leichte Änderung des Orbits. Bei zwei Satelliten ist diese Veränderung jeweils etwas anders, weswegen sich deswegen der Abstand zwischen ihnen leicht ändert. Durch die präzise Abstandsmessung per Interferometrie wiederum ist diese Abstandsänderung genau bestimmbar. Durch zeitliche Korrelation mit Atomuhren ist zudem bestimmbar, wann und wo genau welche Daten herstammen. Somit können einerseits Gezeitenkräfte herausgerechnet werden, also allgemein ebenso eine Modifikation des Planetenpotentials durch den benachbarten Zwillingsplaneten. Andererseits wird es so möglich, die Daten zu einem Gesamtbild zusammenzusetzen. Je mehr über die Zeit von der Planetenoberfläche überflogen wird, desto größer der Teil der Planetenoberfläche, welche damit kartiert wird.
In laufenden Ausbauschritt war Körk nun dabei, auf demselben Orbit das Tandem zu einer ganzen Kette von Satelliten zu ergänzen. Dies würde die Auflösung erhöhen, zeitabhängige Effekte besser sichtbar machen, schneller ein Gesamtbild liefern.
In einem weiteren Ausbauschritt würden auf Orbits mit ähnlichem Abstand zur Planetenoberfläche, aber unter festem Winkel zur ersten Kette weitere Ketten von Satelliten entstehen. Diese beiden Maßnahmen fanden nun keineswegs nacheinander statt; sobald eine Kette mit wenigen Satelliten einen Orbit komplett einnehmen würde, würde zunächst ein anderer Orbit bevölkert und so weiter. So würde es möglich werden, mit genug Ketten ein Gesamtbild des Planeten in Echtzeit aus den Daten all dieser Satelliten zusammenzusetzen. Mit mehr Satelliten in einer Kette würde allmählich zudem die Auflösung weiter steigen. Eventuell würde noch einmal die Optik weiter optimiert werden müssen. Da gab es noch einige ungenutzte Möglichkeiten, welche aber durchaus bekannt waren, etwa gequetschtes Licht, spezielle, verbesserte Spiegeltypen etc. Weil nun zudem bei diesen polaren Orbits zwangsläufig die Auflösung an den Polen höher ist als am Äquator, würde es in einem nachgeordneten Ausbauschritt auch noch wenige Satellitenketten geben, welche von einem äquatorialen Orbit ausgehend mit Winkeln dazu die Auflösung auch im Äquatorbereich verbessern sollten. Vermutlich würden wir zu dem Zeitpunkt schon genauer wissen, wo es besonders auffällige Strukturen geben sollte, wie also die Orbits genau ausgerichtet werden sollten, um dort eine besonders hohe Ortsauflösung zu erreichen. Hätte in großes Objekt den Planeten polar getroffen, hätte dieser vermutlich eine stärkere Neigung der Rotationsachse gegenüber der Ekliptik.
Gunnar war wieder einmal verblüfft über das atemraubende Tempo, ich war sehr zufrieden, daß bislang alles so gut angelaufen war, sich dies Projekt gut entwickelte.
Unsere Daten über die Kartoffeligkeit von Skylla wurden allmählich klarer, je dichter das Netzwerk wurde. Von einer Anomalie war inzwischen auszugehen. Ich war begeistert, daß alles funktionierte. Wir hatten selbst die Visualisierung der Daten mittlerweile deutlich verbessert.
Dies war ebenso der Fall bei dem Daten von Methusalem. Unsere Hypothese über den groben Verlauf der Geschichte von Rasols Planeten wurde weiterhin gestützt, der Korridor der Unsicherheit in den Simulationen verkleinerte sich zäh, aber doch allmählich merklich. Die Daten deuteten weiterhin an, daß Methusalem daran beteiligt war, daß es nun das Doppelplanetensystem Skylla und Charybdis gibt.
Ab und an berichtete Hildegard auch mal wieder über den Stand der Forschungsstation auf der anderen Insel, ebenso ihre Experimente mit erweiterter, anderweitiger Vegetation dort. Der eigentliche Bau der Station war bereits nach weniger als einer Woche abgeschlossen. Wie angekündigt war das Gewächshaus erst nach längerer Zeit gut bevölkert. Ich wollte mich ja hinsichtlich meines Einzugs dort ohnehin nicht festlegen, so hielt sie den Bestand an Nahrungsmittel auf einem Grundniveau. Ansonsten war die Anlage allerdings auch für den Forschungsbetrieb nützlich, so konnten einige Arten dort geschützt gezogen werden, später als Setzlinge draußen verwendet werden. Insgesamt war die Station damit auch ohne mich einer nützlichen Funktion zugeführt worden.
Aus dem Auge verloren hatte ich derweil die Aktivitäten auf Charybdis. Daher war ich etwas überrascht, als mir Hildegard eines Tages mitteilte, sie hätte Neues zu berichten. Dort waren zwei der verwandten Pilzarten aufeinandergetroffen. Das beobachtete Verhalten war interessant. Dies konnte weder als direkte Konfrontation oder Kampf verstanden werden noch als Kooperation. Einerseits zogen die beiden die Grenze möglichst glatt, um Kontakt zu minimieren, andererseits gab es eine Konkurrenz-Reaktion. Dabei ging es darum, beschleunigt dort weitere Ressourcen zu belegen oder zu besetzen, welcher der jeweils andere im Grenzbereich noch nicht belegt hatte. Daher stimulierten sich beide, sich entlang der Grenze schneller auszudehnen.
Spannend war dabei auch die Beobachtung, daß diese Pilze bei den beherrschten Pflanzen offenbar gezielt Mutationen auslösen konnten. Das war mehr als Gärtnerei oder Zucht besser nutzbarer Arten. Die Arten wurden wirklich gezielt verändert, offenbar ebenso gezielt nach Eignung auf dem jeweiligen Boden angesiedelt, auch um wiederum mit diesen die Eigenschaften des Bodens zu ändern, aber auch um ein besonders vitales Wachstum durch eine geeignete Kombination von Boden und Pflanzengemeinschaft zu ermöglichen.
Hildegard hatte bereits über einen längeren Zeitraum beobachtet, hatte jedoch jetzt erst die Beobachtungen zu Schlußfolgerungen zusammengefaßt, um diese mir zu unterbreiten, dabei gut belegen zu können, was dort an verblüffenden Entwicklungen vor sich geht.
Dies Verhalten, diese Fähigkeiten der Pilze sind sehr erstaunlich. Bislang hatte allerdings noch kein Pilz den Ozean erreicht, allenfalls kleinere Seen. Aufgrund der gegenseitigen Stimulation kamen aber nun jene beiden Pilze deutlich schneller voran als jene, welche noch isoliert waren. Aufgrund er günstigen geographischen Lage war allerdings auch das Überbleibsel vom ursprünglich dominierenden Myke kurz davor, das Meer wieder zu erreichen. Derzeit war aufgrund der Ausdehnungsraten noch nicht abzusehen, wer das Meer zuerst erreichen würde. Die beiden konkurrierenden Pilze schienen derzeit leicht bessere Chancen zu haben.
Was würde beim Erreichen des Meeres passieren?
Primär dort hatte Myke ja einst den kompletten Ozean dominiert, dazu von dort genauso die Flüsse.
Wie mochte sich die Konfrontation auf dem Meer entwickeln?
Wäre Mykes Verhalten beim Antreffen von Konkurrenz anders als das der anderen Pilze?
Hildegard hatte vorsichtig Tests mit kleinen Proben in isolierten Bereichen durchgeführt. Das Verhalten wurde wohl erst aggressiver, wenn eine eindeutige Überlegenheit vorlag, der unterlegene Pilz wurde alsdann zurückgedrängt, teils gar komplett ausgelöscht, wenn es kein Rückzugsgebiet gab, welches für den Angreifer belanglos genug war. Insbesondere auf dem Wasser war die Entwicklung bei den Tests deutlich schneller. Insofern war abzusehen, daß sich die Lage auf Charybdis vermutlich bereits innerhalb der nächsten Jahre zuspitzen mochte, wenn es um den Ozean ging, ein oder zwei Pilze deutlich mehr Ressourcen verfügbar hätten als Konkurrenten. Ob sich eine stabile Lage von Zonen nebeneinander entwickeln könnte, blieb uns unklar, dies könnte aber eventuell funktionieren, wenn es derart viele Zonen gab, daß ein Pilz die Stärke der Nachbarn nicht beurteilen kann, weil er diese nicht umschließen kann, damit abschätzen, über wieviele Ressourcen Gegner verfügen.
Nach mehreren Monaten erst fragten die Ais wieder nach, ob ich mir inzwischen etwas überlegt hatte. Tatsächlich hatte mich die Forschung deutlich abgelenkt, mir war es dadurch gelungen, Abstand zu gewinnen. Daher hatte ich nun wieder eine andere Sicht auf die Dinge.
Sollte ich mich nun doch auf die anderen einlassen?
Stattdessen erst einmal auf die Forschungsstation auf der anderen Insel wechseln, die Ais hier die anderen Kryo-Zombies wiederauferstehen lassen, den Ais und diesen überlassen, gut anzukommen?
Oder doch ein Rückzug unerkannt auf die Raumstation, dort weiterforschen?
Sollte mich dann doch noch die Lust überkommen, könnte ich mich ja immer noch unter einen Schub weiterer Kryo-Zombies mischen, um so ohne weiteres Aufheben abermals in der Kolonie anzukommen. Ich bat um ein paar Tage Bedenkzeit, welche sie mir selbstverständlich gerne einräumten. Nun lag die Entscheidung also bei mir …
Mache einen Vorschlag, wie sie weiter vorgehen sollen.
Ungezähmt
Bernd hatte nicht angeklopft. Ich hatte einfach nackt unter einer dünnen Decke geschlafen, nach der Grübelei und einer Atemübung zur Entspannung dann auch wirklich gut.
Morgens weckte mich wieder meine inzwischen etablierte Audio-Datei mit ländlicher Geräuschkulisse, gipfelnd in einem Hahnenschrei. Nun, wo wir hier auf Skylla waren, sollte ich das vielleicht doch einmal ändern, nun hatten wir ja reichlich Natur, wenn auch keine Hühner. Da war dieses Artefakt von der Raumstation dann doch allmählich etwas albern. Vielleicht sollte ich bei den Ais irgendwann einmal nachfragen, ob wir hier nicht auch richtige Hühner haben könnten. Das wäre doch ganz lustig.
Erstmals eigentlich nach der irritierenden Nachricht von Susanne über ihre Beziehung zu Peter hatte ich nun erneut einen Gedanken daran, mich auch einmal wieder etwas anders entspannen zu wollen als mit einer schlichten Atemübung. Ich stand auf und guckte nach der vernachlässigten Kiste mit Spielgeräten und kümmerte mich nun darum, daß die Akkumulatoren aufgeladen wurden. Immerhin war unsere Kolonie gut durchdacht und daher auch kompatibel zu den Anschlüssen auf der Raumstation und im Raumschiff. So paßten auch die Ladegeräte der Spielzeuge gut. Die Geräte hatten unseren Dornröschenschlaf gut überstanden und das Laden klappte problemlos – wenn ich an meine Zeit zurückdachte, lobte ich hier diese Wunder der Technik, da hatte sich definitiv viel verbessert. Aber die Zielrichtung hier war ja auch eine andere. Hier ging es darum, etwas herzustellen und anzubieten, was funktioniert, ressourcenschonend seinen Zweck erfüllt und lange nutzbar ist. Zu meiner Zeit ging es den Konzernen eher darum, in der nächsten Saison oder jedenfalls nach Ablauf von Garantie und Gewährleistung neue Geräte verkaufen zu können. Da gab es keinerlei Interesse daran, langlebige und gut durchdachte Produkte zu entwickeln und anzubieten. Da gab es keinerlei Interesse daran, Ressourcen zu schonen und nachhaltig zu produzieren. Hier hatten wir keinerlei kommerzielle Interessen und die Dinge funktionierten viel besser und länger. Das lag nun nicht notwendig nur an der anderen Interessenlage, wohl auch an den fortgeschrittenen Möglichkeiten, etwas herzustellen.
Würden wir den Standard halten, wenn es in Zukunft deutlich mehr Menschen in der Kolonie geben würde?
Würde es dann doch wieder bergab gehen oder hatten wir das so weit im Griff, weiter nachhaltig zu wirtschaften und auch Spiel und Genuß in guter Qualität und nicht auf Kosten der Umwelt anbieten zu können?
Nachdem die Akkumulatoren der Spielzeuge geladen wurden, schaute ich in meinen Schrank. Den Anzug wollte ich heute nicht mehr tragen. Nun war die Frage, ob ich eher etwas Körperbetontes anziehen sollte, um Bernd etwas zu bieten?
Oder wäre es doch eher angemessen, etwas zurückhaltender aufzutreten?
Ich überlegte kurz, entschied mich dann unentschlossen und spontan für ein nicht herausragendes Mittelmaß, Konturen schon sichtbar, aber nicht geradezu aufdringlich. Ich zog mich also an für unseren kleinen Lauf durch die Gegend. Da konnte ich Bernd ja noch etwas mehr von unserer Insel präsentieren, nebenbei auch ein wenig mich. Ich sann nach.
Hatte er gestern nach mir gesehen, als ich diesen eng sitzenden Anzug wie er trug?
Ich meinte, da schon diesen oder jenen Blick gesehen zu haben, wollte mich da aber noch nicht festlegen, wie das zu interpretieren war. Bernd hatte an diesem ersten Tag so viele neue Eindrücke zu verarbeiten, da sollte ich nicht gleich ein paar Blicke auf mich überbewerten.
Ich verließ also mein Zimmer, klopfte nebenan kurz, wartete gar nicht einmal, öffnete vorsichtig die Tür. Bernd schlief noch friedlich in seinem Bett. So ging ich hinein, setzte mich einfach neben ihm auf das Bett und schaute ein wenig. Das war wirklich ein hübscher Bursche, daß ich schon einräumen mußte, ein wenig Appetit zu haben. Ich genoß noch ein wenig den schönen Anblick, ließ die Gedanken etwas abschweifen, daß es doch eigentlich ganz schön mit ihm sein müßte. Ich wollte die Vergangenheit hinter mir lassen, wenn sie auch mit Peter, Susanne und Melanie jeden Tag wieder vor mir stand. Da könnte Bernd doch erst einmal ganz gut das Gegengewicht der Gegenwart und Zukunft repräsentieren.
Bernd regte sich, als ich ihm sanft mit der Hand durch sein Kopfhaar strich. Dann zuckte er plötzlich, riß die Augen auf, starrte mich an.
Ich versuchte zu beruhigen: „Alles in Ordnung. Ich bin es doch nur. Wollte dich zum Morgenlauf abholen.“
Bernd brummelte, wischte sich die Augen, während ich erst einmal von seinem Kopfhaar abgelassen hatte.
Bernd schaute mich wieder an: „Oh, oh, also kein Traum, ich bin wirklich hier, oder?“
Ich lachte heiter auf, spekulierte dann: „Vor ein paar Minuten hast du vielleicht schon noch geträumt. Ich jedenfalls fühle mich ganz echt. Wird also schon passen. Ich hoffe, ich erscheine dir nicht als Alptraum?“
Bernd schluckte, versicherte dann: „Nein, nein, bestimmt nicht. Du bist sehr nett. Ich, ich brauche wohl nur noch etwas, um das wirklich zu verarbeiten, daß ich nun auf einem anderen Planeten, in einer ganz anderen Zeit lebe.“
Ich koste ihm sanft tröstend die Schulter und führte aus: „Ging mir ähnlich nach meiner ersten Wiederauferstehung, als ich da in dieser eigenartigen Kabine im Raumschiff lag, als plötzlich alles ganz anders war. Wir haben das alle erlebt, mußt du vor uns also nicht verbergen.“
Bernd nickte: „Ja, ja, natürlich.“
Ich strich mit meiner Hand von seiner Schulter hinunter bis zu seiner Hand, faßte sie zärtlich.
Ich fragte: „Und?
Bist du nun langsam entwirrt genug?
Fühlst du dich stark genug für einen Lauf?
Dann zerre ich dich jetzt raus aus dem Bett und dann geht es los!“
Bernd bestätigte: „Ja, geht schon, bin dabei!“
So stand ich auf, zog ihn am Arm hoch. Er hatte sich aufgerichtet, dann gedreht. Ich faßte seine andere Hand, zog ihn lächelnd hoch, quasi in meine Arme stolperte er. Spontan umarmte ich ihn sanft, lachte dann heiter auf, löste die Umarmung gleich wieder. Bernd war etwas verlegen, lachte dann aber mit.
Den Anzug mußte er ja noch tragen, so brauchte er kaum weitere Vorbereitung und wir konnten gleich los. Unser Lauf führte uns über einige Wege auf der Insel, so konnte ich ihm schon etwas von der etwas weiteren Umgebung zeigen, bis hinauf zum See, wo ich ihm erklärte, daß man hier auch gut baden könne, während das Meer aufgrund der vielen gelösten Stoffe dafür nicht so optimal sei, wobei es unten am Strand allerdings sehr schön sei. Da Bernd seinen Anzug noch anbehalten mußte, nahmen wir kein Bad, liefen weiter. Unter anderem zeigte ich ihm dann auch den schönsten Sandstrand, aber auch einige weitere schöne Aussichtspunkte.
Nach dem Laufen waren wir dann wieder bei unseren Zimmern, das war schon ganz gut und harmonisch abgelaufen. Ich mochte Bernd und diesem hatte der kleine morgendliche Sport auch ganz gut gefallen.
Ich wollte unter die Dusche.
Da Bernd sich noch nicht so auskannte und ich mein Vorhaben auch nicht verbalisiert hatte, kam er ein paar Schritte mit.
So meinte ich dann schelmisch grinsend: „Oh, kannst gerne mitkommen. Ich wollte vor dem Frühstück noch kurz duschen. Wegen des Anzugs kannst du dich daran allerdings noch nicht allzusehr beteiligen. Vielleicht bringt es dir aber auch so neue Einsichten?“
Bernd schaute mich etwas verlegen an: „Auweier, ich … ich wußte das nicht. Ich wollte dir sicher nicht zu nahetreten oder so.“
Ich lächelte, fuhr ihm mit einer Hand durchs Kopfhaar: „Kein Problem. Ich meinte das wirklich ernst, wenn du willst, kannst du mitkommen, aber wegen des Anzugs mußt du selber überlegen, wie das für dich werden wird.“
Bernd lächelte nun auch: „Oh oh, du hast sicher Recht. Also, wenn du dort duscht, könnte mich das etwas in Bedrängnis bringen in dem Anzug …“
Ich schaute ihm tief in die Augen: „Achso?“
Bernd schaute erst auch, schluckte dann, senkte den Blick, antwortete dann: „Ähm … ähm … naja …“
Ich lachte, entgegnete dann: „Na dann!
Schon klar!
Bis gleich, hole dich dann in deinem Zimmer ab, in Ordnung?
Frühstück bei Susanne, Peter und Melanie in etwa einer Viertelstunde.“
Er nickte: „Alles klar!
Bis … bis gleich dann!“
Ich hob die Hand kurz und verschwand dann in den Duschraum, er ging in sein Zimmer. Ich entkleidete mich eilig, duschte kurz, ließ mich auf höchster Stufe trockenpusten, huschte dann nackt und mit meiner Kleidung zurück in mein Zimmer, wählte ein anderes Kleidungsstück für den Tag aus und schlenderte zu Bernd, holte ihn ab, wonach wir dann hinübergingen. Bernd durfte beim Frühstück nur etwas trinken, aber wir unterhielten uns in der Gruppe immerhin gut und so wurde er gleich integriert, alberte dann auch wieder sehr lieb mit Melanie herum, was ein sehr schöner Anblick war.
Nach dem Frühstück wechselten wir dann in die Arbeitsecke. Ida hatte für Bernd schon Vorschläge vorbereitet, was dieser sich einmal ansehen könnte. Weil Bernd ja dringend etwas über das Schicksal seiner Familie wissen wollte, beauftragten wir Ida mit einer Recherche. Diese wies natürlich gleich darauf hin, daß sie auch aufgrund des langen Zeitabstandes in ihrem Archiv sicher nicht so viel finden würde, auf die Archive der Erde könnte sie ja wegen der Zeitverzögerung praktisch nicht zugreifen. Das verstand Bernd natürlich schon, Ida versprach aber, alles zu versuchen, um doch etwas zu finden.
Ich erklärte ihm derweil die Nutzung der Geräte. Idas Avatar war dann auch bald da und erklärte Bernd ein paar Besonderheiten seiner Erweiterung, beziehungsweise wie er diese effizient nutzen könnte, um auf Daten zuzugreifen. Einerseits konnte Bernd diese Erweiterung wirklich sehr effizient nutzen, weil sie ihm schon in jungen Jahren implantiert worden war, andererseits zeigte sich aber auch, daß er viel auch einfach wie wir erst einmal auf den Monitoren und Geräten las, ansah, anhörte, dann erst später wieder darauf über seine Erweiterung zugreifen würde. Er erläuterte, wenn er das alles erst einmal wirklich gesehen oder gehört habe, könne sein Gehirn diese Erinnerung besser mit den gespeicherten Daten verknüpfen, sie so deutlich besser verwerten. Zwar sei es ihm auch möglich, auf Daten ausschließlich aus seiner Erweiterung zuzugreifen, das sei aber weniger plastisch und lebendig als das direkte Erlebnis mit den Augen oder den Ohren. Einmal erlebt könne er aber gut eine Assoziation mit gespeicherten Daten herstellen, oft helfe das auch mit ähnlichen Informationen. Die reinen digitalen Daten zu unvertrauten Sachverhalten seien allerdings sehr abstrakt und flach, wenig eindrucksvoll, schon für eine Verarbeitung zugänglich, aber es fehle eine emotionale, sensorische Verbindung, eine persönliche Erinnerung.
Nun, um letzteres kümmerten wir uns natürlich gerne, insbesondere Peter und ich halfen ihm bei diversen Sachen, wir unterhielten uns über verschiedene Themen, regten an, schlugen vor, was ihn interessieren könnte, was wichtig sein könnte. Und das direkte Gespräch, unsere Erklärungen und Interpretationen, die direkte Interaktion waren natürlich ein weiterer Vorteil der üblichen Informationsbeschaffung gegenüber dem direkten Abruf der digitalen Information. Bernd hatte allerdings den Vorteil, das relativ schnell effektiv kombinieren zu können. Bevor oder während wir etwas erklärten, auch Visualisierungen zeigten, hatte er die Daten im Speicher und konnte diese so nebenbei manipulieren und so eine eigene Interpretation aufgrund dieser schnellen, groben Bearbeitungen einbringen, entwickelte so zügig einen eigenen Zugang zum Thema und überraschte uns bereits jetzt zu Anfang mit interessanten Beobachtungen.
Das interessierte natürlich auch Susanne, die dann auch wissen wollte, wie er umfangreiche Daten analysiert. Aus dem Gespräch heraus hatte sie dann auch noch Ideen, womit sich Bernd unbedingt beschäftigen sollte, um seine Analysen von Daten zu optimieren und zu verfeinern. Auch das interessierte Bernd, so hatten wir einen weiteren Baustein zu seinem Lehrplan, um den sich Susanne weiter kümmern wollte.
Mittags tat er uns dann etwas leid. Während wir anderen in Köstlichkeiten aus eigenem Anbau der Ais in den Gewächshäusern der Kolonie und vom Feld schwelgen konnten, durfte er nur etwas trinken und auch nur wenige kleine Kostproben vom Mittag zu sich nehmen. Wir achteten aber schon darauf, daß er damit schon einmal ganz besonders schmackhafte Leckereien bekam, was ihn bereits etwas darüber hinwegtrösten sollte, daß er noch darben mußte, ohne allerdings wirklich Hunger oder Durst zu haben, denn noch regelte das ja weitgehend der Anzug. Auf Nachfrage hin gab uns Ida den aktuellen Stand durch, Bernd würde abends schon etwas mehr zu sich nehmen dürfen, dann aber noch über Nacht den Anzug anbehalten. Der Anzug saß zwar perfekt, Bernd war damit aber trotzdem nicht komplett glücklich. Irgendwie rieb er oft und neugierig über das eine Bein, wo es einst die tragische Amputation gegeben hatte. Irgendwie kribbelte die Neugier in ihm, was da wirklich unter dem Anzug war, obwohl er ja seinen gesamten Körper spürte. Nun, nach dem Schicksalsschlag konnten wir das gut nachvollziehen. Ich erzählte dann auch davon, daß mich ja ein Auto auf dem Rad erwischt hätte und ich so auch ziemlich angeditscht gewesen sei. Es hätte mich ja so schwer erwischt, daß ich mich nicht einmal richtig an den Unfall erinnert hätte. Ida hätte mir dann erst davon erzählt. Da sei ich natürlich auch besorgt gewesen, was unter meinem Anzug los sei.
Dabei strich ich mir in einer kleinen Pause über den Leib und erläuterte grinsend:
Nachdem der Anzug dann aus gewesen sei, hätte ich mich zu meiner Erleichterung aber persönlich davon überzeugen können, daß alles an seinem Platz sei. Wir lachten alle, Bernd auch, allerdings etwas gequält und noch immer unsicher. Nun, ein paar Stunden mußte er schon noch aushalten.
Nach dem Mittag lernte er erst noch weiter.
Ida unterbreitete dann bereits die Ergebnisse ihrer Recherche. Sie hatte Glück gehabt, denn aus Bernds jüngster Schwester war eine Künstlerin geworden, nicht sehr berühmt, aber doch genug, daß es über sie eine Biographie gab und auch einige Werke in der Datenbank abgebildet waren. So erfuhren wir dann, daß sie über neunzig Jahre alt geworden ist, auch Kinder und Enkel hatte. Bernd schaute sich auch interessiert die Abbildungen an. Spannend wurde es dann besonders bei einem graphischen Werk, deutlich abstrahiert, aber trotzdem war Bernd eindeutig erkennbar, auch der Titel ‚Bruder‘ wies schon darauf hin. Auf der Abbildung erkannte Bernd dann aber auch seine ganze Familie, die jüngste Schwester inzwischen längst erwachsen, seine Eltern schon im Rentenalter. Man hatte sich quasi um die Graphik herum zu einem Familientreffen versammelt. In einem kurzen Artikel war dann auch von Bernds Schicksal die Rede und auch von ihren Bemühungen, jedes Jahr wieder etwas in Erfahrung zu bringen, um ihm doch noch zu helfen, bis dahin vergeblich. Und wie wir ja nun wußten, blieben ihre Bemühungen vergeblich. Bernd mußte tief durchatmen, hatte die Hände an den Monitor gedrückt.
Ich massierte ihm sanft tröstend die Schultern und wies dann darauf hin, daß er nun ja immerhin etwas über ihr Schicksal wisse, sie hätten ihr Leben gelebt und ihn nicht vergessen. Bernd nickte langsam und wortlos, war nachdenklich. Er brauchte weiter etwas Zeit, um das zu verarbeiten, ließ dann erst den Monitor los, nickte dann erneut und war langsam bereit, damit weitgehend abzuschließen.
Ich schlug dann allerdings vor, auch um ihn abzulenken, im Hellen einfach einmal mitzukommen und mit Hildegard etwas Praktisches zu machen. Damit war er gerne einverstanden. Hildegard zeigte uns dann ein paar Sachen im Garten. Heute arbeiteten wir also draußen und machten uns nützlich, halfen Hildegard, den Garten in gutem Zustand zu halten.
Und es war schon sehr schön anzusehen, wie Bernd sich bewegte, wie die Muskeln unter dem Anzug spielten, wie er sich anstrengte und engagiert bei der Sache war. Auch ich versuchte, mich natürlich attraktiv in Szene zu setzen. Und ich meinte, auch so aus dem Augenwinkel heraus erkannt zu haben, wie Bernd zu mir schaute, wenn er vermutete, ich würde es nicht sehen. Das tat mir gut. Ich schloß schon einmal optimistisch auf Interesse, was ich weiter befeuern könnte. Und so legte ich natürlich auch Wert darauf, mich etwas zu exponieren und guten Eindruck zu machen, ihn vielleicht gar etwas anzuregen. Übertreiben wollte ich dabei allerdings nicht, denn das wäre schon gemein gewesen, solange er in dem Anzug steckte, wo er notfalls nicht einmal abends Hand an sich legen konnte, um sich Erleichterung zu verschaffen. Aber, so überlegte ich, vielleicht wäre das gar nicht schlecht und ich könnte das nutzen, wenn sich in Bernd einiger Druck aufbaut. Da könnte ich dann doch im richtigen Augenblick Abhilfe anbieten, auf die er umso leichter einginge, je größer der bis dahin aufgebaute Druck wäre. So legte ich mich dann doch ordentlich ins Zeug, strengte mich an, der Schweiß strömte, ich wischte ihn lächelnd aus dem Gesicht und er klebte teilweise bereits die dünne Kleidung an Leib. So seufzte ich dann leicht, gerade so für Bernd hörbar und vielleicht gar etwas anregend, meine Anstrengung heraus, aber auch den Genuß körperlicher Aktivität. Ich gab mich dazu jugendlich unbefangen und mit einer fröhlichen Leichtigkeit, daß ich schon so nebenbei zu erkennen meinte, wie Bernd beeindruckt war.
Während Bernds Anzug sich ja automatisch um Schweiß und andere gegebenenfalls austretende Körperflüssigkeiten kümmerte, war ich dann in meinem Eifer ganz durchgeschwitzt, so zogen wir dann gegen Abend wieder los zu unseren Zimmern. Dort angekommen scherzte ich dann: „Uiuiui, das hat mich ja ganz schön erhitzt, aber die körperliche Anstrengung hat auch viel Spaß gemacht, meinst du nicht?“
Bernd stimmte zu: „Auf jeden Fall, das Lernen zuvor und dann diese Arbeit, all das hat meine Gedanken gut abgelenkt. Das war bislang ein schöner Tag.“
Ich lächelte und erwiderte: „Ist ja noch nicht vorbei. Ida wird dir diesen Abend ja schon etwas mehr zu essen und zu trinken gönnen. Das kannst du auch noch gut auskosten.
Naja, so durchgeschwitzt, wie ich bin, will ich zuvor noch schnell unter die Dusche. Aufgrund deines Anzuges bleibt dir der Spaß heute noch versagt, aber morgen hast du dann schon ganz andere Möglichkeiten, sobald du den Anzug ablegen kannst, der allerdings den Vorteil hat, sich um alles zu kümmern, kannst dich also einfach wohlfühlen darin.“
Bernd meinte jedoch: „Ich werde dann schon erleichtert sein, wenn ich ihn ausziehen darf. Obwohl er gut sitzt, engt er doch etwas ein.“
Schelmisch grinsend schaute ich etwas provozierend an ihm herunter und entgegnete: „Ja, stimmt, trotz des guten Sitzes kann er in bestimmten Situationen doch schon etwas zu eng sein und Möglichkeiten einschränken. Nunja, in der Geduld, im Warten auf die Befreiung, die Lösung des Druckes liegt ja auch ein ganz eigener Reiz.
…
Jedenfalls … bis gleich, dauert nicht lange, ich halte mich nicht lange unter der Dusche auf, bin gleich wieder da …“
Ich hatte mich schon zur Tür der Dusche gewendet, winkte nur kurz über die Schulter.
Bernd erwiderte nur: „Ja gut, bis gleich!“
Ich konnte mich noch gerade so zurückhalten, eine freundliche Einladung auszusprechen, mir Gesellschaft zu leisten. Das hätte dann vielleicht doch etwas zuviel Druck aufgebaut und er hätte dann vielleicht noch aufwühlende Träume gehabt, gar eine unbewußte Entladung im Schlaf. Das wäre kontraproduktiv gewesen, der Druck sollte schon wohldosiert sein, so würde ich das viel besser für uns beide zum Wohle nutzen können.
Ich wollte mich unter der Dusche eigentlich beeilen, stimulierte mich aber doch an den Brüsten und im Schoß etwas, Bernds anregenden Anblick ins Gedächtnis zurückrufend. Ich hätte das nun schon zum Abschluß bringen können, wollte aber doch lieber etwas mit Bernd mitfühlen und beendete die Stimulation also vorzeitig. Daher mußte ich dann auch die Temperatur des Wassers ordentlich herunterdrehen, wodurch dann zusätzlich noch ordentlich Blut durch die Haut schoß und für etwas mehr Farbe sorgte.
Nach dem kalten Wasser wärmte mich dann immerhin der Luftstrom des Trockners wieder, nachdem zunächst die Verdunstung des Wassers auf der Haut für ein zusätzliches, heftiges Frösteln gesorgt hatte. So war ich dann gleich ziemlich belebt und aufgedreht, schnappte mir nur meine Klamotten und stürmte so nackt auf den Gang hinaus.
Zu meiner Überraschung war Bernd nicht in seinem Zimmer, sondern saß draußen in einer kleinen Sitzecke, blickte zu mir herüber und war auch sichtlich überrascht.
Ich lachte etwas albern, jedenfalls sehr fröhlich auf, hob grüßend meine Klamotten, kommentierte nur kurz „Ohoh, bin gleich fertig!“ und zischte weiter in mein Zimmer.
Ich warf mir da eilig nur ein lockeres, eher dünnes Abendkleidchen über, zog einfache Schlappen an und kam so kurz darauf wieder aus meinem Zimmer, winkte dem immer noch verblüfften, vermutlich beeindruckten Bernd zu, er solle mitkommen. Bernd schaltete gar nicht so schnell, daß ich bei ihm hielt, ihm unter den Arm griff und ihm beherzt hochhalf. Und so zogen wir ab zu den anderen zum Abendessen.
Dort erst löste sich die Bezauberung wieder von Bernd. Immerhin durfte er diesen Abend schon etwas mehr essen und trinken, so konnte er schon mehr teilhaben als zuvor. Später sahen wir dann noch gemeinsam einen Film, plauderten dann heiter und in guter Laune darüber.
In der Nacht verabschiedeten wir uns dann. Draußen schlug ich Bernd vor, noch eine kleine Runde zu gehen. Er war gerne einverstanden. So gingen wir los und ich rückte etwas näher an ihn heran, daß unsere Arme wie versehentlich aneinander rieben. Ein Stück weiter schmiegte ich mich etwas deutlicher und vertrauensvoll an ihn. Fast wie von selbst legte er dann sanft seinen Arm um meine Hüfte, zog mich noch etwas näher. Ich lenkte unseren Weg zu einer Bank, wies nur mit einer Geste auf diese und schon saßen wir, ich an ihn gelehnt. Die Bank war groß genug, also änderte ich dann meine Position, legte mich so, daß mein Kopf auf seinem Schoß ruhte. Er wußte nicht genau, wohin mit dem einen Arm, nach etwas Zögern legte er ihn dann vorsichtig auf meinen Bauch.
Ich fragte dann ganz unschuldig: „Und?
Was meinst du, wie fandest du den Tag?
Wie geht es dir?
Wie fühlst du dich?
Was denkst du?“
Bernd war beeindruckt, vielleicht gar etwas bedrängt, stand merklich unter Druck, ich meinte gar in seinem Schoß zu spüren, wie er die Elastizität des Anzuges dort schon ordentlich forderte.
Bernd stieß dann hervor: „Oh … das … das waren viele, intensive, neue Eindrücke. Das … das war ein toller Tag … viel erlebt, auch gelernt und getan. Ich bin froh, wenn ich morgen aus dem Anzug herauskomme, obwohl er ganz gut sitzt …
Du bist sehr nett zu mir, auch so offen und vertraut …“
Ich hakte nach: „Also, ich will auch nicht aufdringlich erscheinen, möchte dir nur Beistand leisten, dir auch über den Schock der Wiederauferstehung hinweghelfen …“
Bernd betonte sehr schnell: „Nein, also aufdringlich erscheint mir das bestimmt nicht.
Nur … nur … naja …“
Ich unterbrach: „Na raus damit, reden kannst du mit mir doch über alles!“
So erwiderte er: „Also gut, mir wird wirklich ziemlich eng in dem Anzug, als nicht, daß er wortwörtlich eng wäre …“
Ich erinnerte ihn: „Oh, morgen bist du ihn ja los, nach dem morgendlichen Lauf, denke ich, ist es gut, dann helfe ich dir, wenn du willst. Ida wird das so schon befürworten. Ich zeige mich solidarisch, ziehe meinen Anzug auch zum Laufen an. Dann gehen wir danach in die Dusche und ich zeige dir wie, helfe dir …“
Bernd seufzte: „Ohoh, das ist sehr aufmerksam, sehr nett von dir …“
Ich entgegnete: „Ist doch gar kein Problem. Ich fühle mich sehr wohl bei dir. Ich helfe gerne, habe dir ja schon versprochen, ich kümmere mich, lasse dich nicht hängen.“
Bernd seufzte erneut: „… ich … ich fühle mich auch sehr wohl bei dir … und bin dir wirklich sehr dankbar für deine Hilfe!“
Das wollte ich wohl gleich ausnutzen, hob meine Hand und hielt sie ihm hin: „Freundschaft?“
Bernd zögerte nicht, schlug etwas zitternd ein: „Sssehr gern, natürlich, ja, Freundschaft!“
Ich bohrte mal weiter und nützte die günstige Stimmung: „Also gut. Nun, wie soll ich das sagen, wir können das hier natürlich nicht so konsequent durchsetzen, weil wir uns ja ohnehin täglich sehen, zusammen sind, aber wäre eine Freundschaft mit gewissen Vorzügen für dich denkbar?
Ich meine, da bei dir einen gewissen Druck zu spüren, der wohl abgebaut werden will.
Da würde ich selbstverständlich gerne helfen!“
Bernd schluckte, stieß dann hervor: „Oh!
Das … äh … du bist wirklich sehr offen … ohha … oh.
Also verstehe ich das richtig?“
Ich lachte und erwiderte: „Hoffe ich jedenfalls. Ich finde dich herrlich männlich attraktiv, da kann ich mir intensive Entspannungsübungen, eindringliche Interaktion und spritzige, unkomplizierte Zweisamkeit sehr gut vorstellen. Ich hoffe jedenfalls, ich passe da irgendwie noch in dein Beuteschema. Könntest du dir das vorstellen?“
Bernd wirkte etwas verlegen, ich hielt seine Hand etwas fester.
Er preßte erst nur hervor: „Mmmhmmm …“
Ich lachte etwas angespannt, das steckte an, er lachte auch etwas nervös, dann konnte er auch wieder reden.
So sprach er: „Also ich finde dich auch sehr attraktiv. Und ich finde, das paßt sehr gut.
Nur … nur … nun … naja, nun wird es noch viel enger im Anzug. Da baut sich eine Menge Druck auf!“
Ich richtete mich wieder auf, setzte mich auf seinen Schoß, gab ihm einen Kuß auf die Wange, ganz automatisch mußte er seine Arme um mich legen.
Ich entgegnete ganz munter: „Auweier, das tut mir leid!“
Dabei rutschte ich noch etwas näher auf seinem Schoß an ihn heran, rieb mich dabei an der erheblich ausgebeulten Stelle.
Ich versprach: „Also gut, ein wenig noch durchhalten, dann kümmern wir uns darum, versprochen!
Wenn du willst, kannst du morgen alles rauslassen, ich bin für dich da, gemeinsam werden wir den ganzen Druck schon ablassen, ganz unkompliziert und freundschaftlich lösen wir die Anspannung, du läßt alles einfach mal aus dir herausschießen und ich nehme es, wie es kommt, dann wird es dir sicherlich gleich viel besser gehen. Unter Freunden mit gewissen Vorzügen kümmert man sich selbstverständlich zeitnah, intensiv und befriedigend um solch ein Leiden und läßt das nicht einfach so stehen.“
Ich kicherte fröhlich, Bernd wand sich etwas unter mir: „Ohoh, Michaela, du machst mich wirklich fertig!
Wie soll ich da die Nacht überstehen?“
Ich lachte, schlug dann vor: „Oh, du kannst Ida einfach um ein niedrig dosiertes Schlafmittel bitten. Das ist gar kein Problem. Kannst dich aber auch bei mir zusätzlich ankuscheln, wenn du magst, dann teilen wir die unruhige, sehnsuchtsvolle Erwartung schon einmal. Wenn ich daran schuld bin, mag ich dich damit gar nicht alleine lassen!
Allerdings steckt in der süßen Qual des Wartens ja auch eine Menge Lust und es steigert die Leidenschaft, es fördert den unbedingten Drang zur Tat, zur Befreiung vom Druck!“
Ich gab ihm einfach mal einen Kuß erst auf die Wange, dann auf den Mund und prüfte so schon einmal seine Zungenfertigkeit und sein Geschick beim Küssen. Bernd war unruhig geworden, ging aber darauf ein, wir hatten uns eng umschlungen und seine Lippen waren erst noch verschlossen. Aber ich spielte mit ihm, lockte und neckte ihn, knabberte an seinen Lippen, bis er sich ergab, den Mund leicht öffnete und willig mitspielte. Nun beteiligten sich auch seine Finger, rieben über meinen Rücken, massierten und drückten mich. Das lief plötzlich wie von selbst und so spürte ich selbst bald die süße Qual der Sehnsucht nach Erlösung, welcher sich sein Anzug einzig noch entgegenstemmte.
So mußten wir das für diesen Abend durchaus letztlich noch so stehenlassen, was für Bernd schon ziemlich gemein war, denn da hatte sich nun erheblicher Druck aufgebaut, der da durch das begehrte Überdruckventil unbedingt herausspritzen wollte und doch nicht konnte. Mich quälte es auch. Mit meinem Spielzeug hätte ich mir schon zu helfen gewußt, wollte aber doch lieber solidarisch entsagen und abwarten. Irgendwann jedenfalls standen wir dann doch auf und gingen Arm in Arm zurück zur Kolonie. Vor unseren Zimmern standen wir dann, küßten uns und waren noch unentschlossen.
Bernd bekannte dann: „Ich glaube, so eingepackt und hilflos würde ich völlig durchdrehen, mit dir zusammen in einem Bett, aber schlafen kann ich so auch unmöglich.“
Ich war da entschlossener und wies zu seiner Tür: „In Ordnung, ich bringe dich ins Bett, samt Gutenachtkuß, dann bitten wir Ida um ein Schlafmittel für dich.
Ja?“
Bernd nickte nur.
So gingen wir rein.
Keß schubste ich Bernd auf sein Bett, setzte mich daneben, beugte mich herunter, wir umarmten uns gleich wieder und küßten uns leidenschaftlich, daß Bernd bald schon verzweifelt stöhnte. So gab ich dem armen Burschen dann einen lieben Kuß auf die Stirn und rief Ida und bat sie um ein Schlafmittel für Bernd.
Diese fragte bei Bernd nach, dieser bat ebenfalls. Und so wurde er bald ruhiger. Ich legte mich noch neben ihn und er schlief dann bald, aber schon sehr schwitzig im Gesicht in meinen Armen ein. Ich blieb noch ein wenig, schmiegte mich eng an ihn, probte schon einmal ein wenig, wie sich sein schöner, junger, männlicher Körper anfühlte. Dann stand ich seufzend auf, wechselte doch hinüber in meiner Zimmer, entkleidete mich und warf mich nackt auf mein Bett.
Ich war auch sehr unruhig.
Sollte ich auch ein Schlafmittel nehmen?
Ohne Anzug nicht ganz so einfach, aber auch verfügbar.
Ich entschied mich dann doch anders, stand wieder auf und nahm den Vibrator zum Auflegen, alle waren ja inzwischen dank meiner Voraussicht komplett geladen, legte mich wieder hin und sorgte so schnell für eine sanfte, milde Entspannung, während ich sehnsuchtsvoll daran dachte, wie ich morgen dann auch Bernd von seinem Leid erlösen würde. Ich überlegte noch, lag noch länger wach, dann versuchte ich es mit einer Atemübung zur weiteren Entspannung. Das wirkte dann endlich und ich schlief ein.
Den nächsten Morgen weckte mich wieder der synthetische Hahnenschrei, den ich noch nicht geändert hatte. Nun, vielleicht war ich jetzt das Huhn und nebenan schlummerte mein Hahn und heute war der Tag, wo wir miteinander etwas anstellen würden. Mit Schwung stand ich auf, erinnerte mich daran, Bernd zugesagt zu haben, heute auch noch einmal den Anzug zu tragen. So nahm ich ihn heraus, legte ihn an. Der saß wirklich gut. Auf einem Monitor schaute ich mir schmunzelnd mein Konterfei einer Kamera an, drehte mich, posierte ein wenig. Das konnte sich schon durchaus sehenlassen.
Mit Schwung ging ich zu Bernd hinüber, der wirklich noch schlief, legte mich einfach neben ihn, kuschelte mich sanft an ihn und begann dann ganz vorsichtig, an einem Ohrläppchen zu knabbern, saugte daran, er regte sich schon, ich küßte schnell seine Wange, dann seinen Mund. Bernd war nun auch wach, hatte mich wohl erkannt, umarmte mich gleich, so spielten wir ein kleines, fröhliches Spiel.
Dann aber machte ich entschlossen und doch schelmisch schmunzelnd meine Lippen von seinen los und zog die Augenbrauen herunter und sprach ganz ernst: „Nun aber los zum Morgenlauf.“
Munter wie ein junges Rehlein war ich auch schon aufgesprungen, zog ihn gleich an seinen, mir nachgreifenden Händen ebenfalls hoch und raus aus dem Bett, aber gleich wieder in meine Arme. Wir küßten uns schon, wieder, aber auch nur kurz, dann liefen wir los, ich munter voran, er mußte hinterher, mich haschen. Das konnte er gut, ließ mich aber wieder entkommen, um mich dann wieder haschen zu können. So liefen wir in einem munteren Spiel und hatten viel Spaß dabei. Ich achtete aber schon auf die Zeit und hatte diese für unsere Zwecke schon mit Bedacht gekürzt, so daß wir früh wieder in der Kolonie waren, oben vor unseren Zimmern und auch der Dusche.
Ich fragte dann bei Ida noch nach: „Ida, meinst du, daß es in Ordnung ist, wenn Bernd nun seinen Anzug ablegt?“
Ida antwortete: „Ja, er ist gesundheitlich auf der Höhe, hat die Wiederauferstehung gut überstanden, sein Puls ist vielleicht etwas hoch, aber nach eurem Dauerlauf geht das schon in Ordnung. Also ja, er kann den Anzug ablegen. Er braucht aber vielleicht eine Anleitung beim ersten Mal.“
Ich erwiderte dazu bestimmt: „Darum kümmere ich mich gern gleich!“
Ida entgegnete: „Das habe ich mir schon gedacht.
Viel Spaß euch beiden!“
Und so schob ich Bernd entschlossen in die Dusche. Wir küßten uns schon wieder, fummelten, dann aber forderte ich etwas Disziplin. Wir standen dann etwas auseinander und ich führte an meinem Anzug vor, was zu tun war. Bernd vollzog das an seinem nach. Nun, ich machte langsam, obgleich mir das nicht so leichtfiel. Ich war nun erregt und spürte die Bereitschaft meines Körpers schon, nach der Jagd wollte ich mich nun ganz ergeben, mich ganz hingeben und sehnte mich danach.
Bernds Hände zitterten auch, so hatte er etwas Mühe, den Anzug zu öffnen. Ich half dann etwas mit, nachdem ich schon nackt vor ihm stand und er noch nicht fertig war. Er konnte sich irgendwie nicht mehr richtig konzentrieren. Ich konnte nur vermuten, woran das liegen mochte, als ich so nackt dicht vor ihm stand und an seinem Anzug fummelte, mich dabei vielleicht auch etwas lasziv und für den Zweck des bloßen Anzugöffnens zu betont bewegte und meine Reize schon einmal rein optisch gut wirken ließ.
Dann aber war es geschafft, er tastete hastig seine Beine ab, da war aber alles in Ordnung, nicht einmal eine Narbe. Das waren kräftige, muskulöse Oberschenkel, stramme Waden, alles in bester Ordnung.
Ich lachte und bestätigte, was er ja selber sehen konnte: „Sieht doch prima aus, alles am richtigen Fleck, sehr symmetrisch, ästhetisch, männlich, ich mag es!“
Ich schaute dabei auch schon einmal etwas höher auf sein bloßes Gemächt, welches auch Eindruck machte. Bernd war noch mit seinen Beinen beschäftigt, schaute rundum, meinte dann: „Keine Narben, sogar drei ältere Narben von früher sind weg.
Unglaublich.
Fast als wäre der Unfall im Wald, der Alptraum im Krankenhaus mit der Infektion gar nicht passiert!“
Ich lächelte, trat dichter heran, strich sanft mit dem Zeigefinger außen an seinem Oberschenkel entlang. Nun schaute er auch mich wieder an, lächelte ebenfalls, strich mit seinem Zeigefinger zart über meinen Oberarm.
Ich erwiderte: „In der Konservierung reparieren die Mikroroboterschwärme deutlich mehr als man denkt. Bei mir sind auch sämtliche Narben verschwunden, ist fast alles wie neu, quasi!“
Ich drehte mich leicht, bot nähere Begutachtung nicht nur des Sachverhalts an.
Bernd nahm das Angebot an, schaute erst und fühlte dann auch meine weiche, zarte Haut an der Schulter, ich die seine auf der Brust.
Bernd bestätigte: „Auf jeden Fall, das ist sehr anregend …“
Das erzählte er nicht nur so, es ergaben sich auch deutlich andere Hinweise, daß ihm gefiel, was er sah und fühlte und mir ging es ja auch so. Ich sah auf sein steifes, pralles, prächtiges, wippendes Glied, zog ihn mit mir und stellte das warme Wasser an, welches über uns herniederrauschte, uns umfing. Überrascht stellte ich fest, wie Bernd mich keuchend gegriffen hatte, meine Hände gegen die Wand drückte und er mit zitternden Fingern kurz nur meine Brüste knetete, gar nicht einmal zart, aber in Ordnung, ich war bereit, wollte ihn. Und wirklich fuhr seine Hand schnell tiefer, bis zu meiner Scham, prüfte kurz, dann drängte er sich entschlossen an mich, positionierte von hinten sein Glied und drang mit einem kräftigen Stoß in meine Vagina ein, stieß weiter kräftig, fast grob zu, sehr männlich, schnell und entschlossen. In ihm mußte sich ein gewaltiger Druck aufgestaut haben, nun stieß er zu, stieß tief und fest, keuchte, stöhnte, dann krallte er sich auch schon an mir fest, stieß noch fester zu und ich spürte dann, wie er mich pulsend füllte, spürte seinen Orgasmus, der auch mich heiß und wild durchfuhr. Es war irgendwie zu kurz, damit ich da gleich mit einstimmen konnte. Immerhin ruckte er noch immer, um seine volle Ladung in mir unterzubringen, machte mir den jungen, wilden, ungezähmten Hengst, der mich bestiegen hatte und mir nun verpaßte, was er herauspressen konnte. Wir stöhnten beide, ich kniff meine Muskeln zusammen, während seine ruckartigen Stöße schon nachließen. Blitzartig schoß es mir durch den Kopf, daß daraus durchaus etwas werden konnte, denn wir hatten ja keinerlei Maßnahmen zur Verhütung getroffen!
Nun wurde mir aber bewußt, seit ich Melanie in den Armen hatte, Susanne schwanger erlebt hatte, war da eine tiefe Sehnsucht in mir. Während Bernd noch zuckte, saugte mein Unterkörper nun förmlich, klemmte ihn ein und preßte ihn aus. In meinem Unterkörper wurde es heißer, er krampfte, Bernd stöhnte und keuchte, krallte sich in meinen Körper. Und dann stiegen die heißen, brodelnden Wellen in mir hoch und erlösten meinen Kopf, mein Sein und mein Denken. Das kam unerwartet, an sich eigentlich nicht, aber in der Art und so intensiv, daß ich völlig mitgerissen wurde.
Es dauerte etwas, bis wir von unserer Erlösung, aus dem Nirvana der Ekstase wieder zurück waren, sich mein Körper entspannt hatte und sein Glied entließ. Diese Funktionskontrolle hatte er also ebenfalls gut überstanden, es waren nicht nur alle Glieder in zudem ästhetisch ansprechender Form vorhanden, sondern auch voll einsatzfähig.
Er hatte seinen Griff gelockert. Ich drehte mich und wir umarmten uns gegenseitig, küßten und massierten uns leidenschaftlich und wild.
Irgendwie hatte ich das Wasser abgestellt und die warme, fast heiße Luft umströmte uns, während wir uns weiter kosten und bereits wieder stimulierten. Wir warteten gar nicht, bis wir ganz trocken waren. Ich zog Bernd mit mir, als ich bemerkte, daß er erneut eine Erektion durch unser kleines, vergnügliches Zwischenspiel hatte. Ich ließ ihn gar nicht los, zog ihn in mein Zimmer, so sanken wir aufs Bett, ich auf den Rücken, er auf mir, schnell zwischen meinen Beinen gefangen, wieder in mich eindringend und gleich seinem stoßenden, wilden, leidenschaftlichen Drang nachgebend. Ich zog ihn an mich, unsere Münder fanden sich zu einem Kuß, die Zungenspitzen zu einem wilden Spiel zwischen unseren keuchenden Lippen. Mit Schenkeln und Armen drückte ich ihn an mich, versuchte zunächst vergeblich, sein schnelles, fast rücksichtsloses Tempo zu drosseln, wendete dazu dann mehr Kraft auf, umschloß seinen Leib, auch seinen Penis mit mehr Muskelkraft, daß er lauter stöhnte, aber nachgeben mußte, dann verstand, dem nun von mir vorgegebenen Rhythmus besser folgte. Und so steigerten wir langsam die Intensität. Lange allerdings konnte ich meinen starken, wilden Hengst wirklich nicht bändigen. Dann ging er auch schon wieder durch und es begann ein wilder, heißer Galopp, für uns beide ganz den Berg hinauf, bis sich erneut eine weitere volle Ladung in mich ergoß, mich wieder bald darauf mitriß. Nun krallte ich mich an ihm fest, meine Fingernägel zogen in Ekstase Striemen über seinen Rücken, wir keuchten beide verzückt und nun gelöst, befreit von einem großen Druck.
Die wortlose Umklammerung dauerte eine Weile, bis sie weicher, geschmeidiger, nachgiebiger wurde. Dann lag mein tapferer Recke nur noch erschöpft auf mir und ich genoß seine Schwere, wie er mich erfüllt hatte, unsere schon wieder schwitzigen, klebrigen Körper.
Irgendwann lachte ich dann fröhlich und meinte: „Ist schon spät, aber vor dem Frühstück sollten wir doch wohl noch eine kurze, kalte Dusche nehmen, wir sind ja schon wieder ganz erhitzt und in unserem Schweiß gebadet.“
Ich kostete dabei den frischen, salzigen Geschmack von seiner Schulter und er flüsterte nur: „Gut, das hat sehr gutgetan. Fühle mich schon viel besser!“
Ich lachte fröhlich auf und erwiderte: „Oh, das kann ich von meiner Seite aus ebenfalls bestätigen. Sehr eindrucksvoll, sehr intensiv, sehr erfüllend und wild, ungezähmt, das hat auch in mir eine Menge gelöst und mich gut aufgelockert. Sollten wir alsbald mal wiederholen, nun aber duschen und dann zum Frühstück.“
Bernd lachte auch und meinte: „Ja, sollten wir unbedingt sehr bald wiederholen!“
Wir lachten beide laut und fröhlich auf. Bernd schaute nun abermals nach seinen Beinen, fühlte alles genau ab, aber da war weder eine auffällige Narbe zu sehen noch zu fühlen, die Haut ging einfach ohne Spuren durch, als hätte es da nie ein Problem gegeben.
Bernd war noch immer verblüfft darüber. Ich aber war aufgestanden, zog ihn munter am Arm hoch und wir eilten wieder in die Dusche. Dort regelte ich dann beim Duschen bald die Wassertemperatur erbarmungslos herunter, bis wir beide vergnügt quiekten und ein eigenartiges Tänzchen aufführten, bis es mir gelang, das Wasser abzustellen und die warme Luft an. Seine ehemals so volle Pracht war unter der Wirkung des kurzen Kälteschock deutlich eingeschrumpelt, vermittelte aber trotzdem noch einen ungefähren Eindruck der vorherigen aufrechten Pracht, die mich so komplett und heiß und innig erfüllt hatte.
Wir griffen dann unsere Anzüge, kehrten in unsere Zimmer zurück, zogen etwas Leichtes über und eilten dann zu den anderen zum Frühstück. Wir waren etwas spät.
Ich entschuldigte uns: „Ich habe Bernd noch geholfen, aus dem Anzug zu kommen, hat etwas länger gedauert.“
Susanne schaute mich schräg von der Seite an, erkannte wohl an meinem zufriedenen, befriedigten Gesichtsausdruck, daß da durchaus noch etwas mehr passiert war und meinte: „Soso, dann könnt ihr sicher eine ordentliche Stärkung gebrauchen.“
Und so schwelgten wir dann in einem üppigen und köstlichen Frühstück.
Später, als wir schon wieder bei der Arbeit waren, nahm mich Susanne dann beiseite und fragte: „Sage mal, hast du ihn wirklich schon vernascht?
Ich kenne doch deinen Gesichtsausdruck, da ist doch was gelaufen?“
Ich schaute sie lächelnd an, was sich aber mehr und mehr zu einem breiten Grinsen entwickelte.
Dann erwiderte ich: „Öhm, also hat sich so entwickelt. Wir hatten da den Abend vorher bereits drüber gesprochen. Er hatte eine Menge Druck und nach dem Verlauf der Dinge hatte ich dann irgendwie ja auch das Bedürfnis, mich auszutoben, sozusagen Kompensation, da habe ich ihm Freundschaft mit gewissen Vorzügen vorgeschlagen. Die haben wir dann eben ausgiebig in Anspruch genommen. Also keineswegs Verführung, wir haben uns in einem konstruktiven Gespräch sachlich geeinigt und sind dann leidenschaftlich und wild zur Tat geschritten, nachdem der Anzug aus war. Und ich kann dir sagen, es ist ein prächtiger, wilder, ungezähmter Hengst mit einem sagenhaften Gemächt, welches mich sehr erfüllt hat.“
Susanne verzog das Gesicht, schüttelte den Kopf: „Du bist mir etwas unheimlich, so entschlossen. Bekommst du immer, was du willst?“
Ich legte den Kopf etwas schräg: „Hmmm, also eigentlich wollte ich dich. Aber ich habe akzeptiert, daß du nun mit Peter zusammen eine Familie hast. Du bist doch glücklich mit ihm, da kannst du mir meinen stolzen, wilden, potenten Hengst schon gönnen!“
Susanne kritisierte: „Du könntest schon etwas respektvoller von ihm reden!“
Ich nickte: „Hast ja Recht, aber irgendwie mußte der Frust auch raus, daß ihr mich so vor vollendete Tatsachen gestellt habt. Und Bernd ist wirklich ein guter Junge. Ich mag ihn und es wird gut funktionieren. Ich vermute nicht, daß du mal für ein paar Experimente tauschen würdest, von daher bleibt es wohl bei der jetzigen Konstellation.“
Susanne kratzte sich am Kopf, schüttelte dann denselben: „Was du für Ideen hast. Also nein, ich habe mit Peter genug. Und naja, Melanie fordert ganz schön. Und auch der kleine Wurm macht sich bereits bemerkbar. Nachdem es hinsichtlich inniger Zweisamkeit zwischen mir und Peter schon nicht so gut lief, als ich mit Melanie schwanger war, fühle ich nun wieder Unwohlsein. Nach unserem kleinen Zwischenhoch habe ich nun wohl erst wieder einige Monate andere Sorgen.“
Ich nahm sie in den Arm, suchte zu trösten: „Du armes Knuffelchen. Nunja, auch dieses kleine Würmchen wirst du zu gleicher Pracht wie Melanie bringen, da habe ich gar keine Zweifel. Und dann erholst du dich. Rechtzeitig sollten wir dann wohl mit den Ais über Verhütung diskutieren, dann könnt ihr dann auch wieder bedenkenlos und lustvoll aufeinander eingehen und ineinander aufgehen und dann planen, ob oder wann ihr noch ein weiteres Kind möchtet. Und du kannst dich trotzdem ganz sorglos von der Schwangerschaft gründlich erholen.“
Susanne umarmte mich auch, sprach leise: „Lieb von dir, bin dir wegen Bernd nicht böse, gut, es bewegt mich schon, euch so zu sehen, aber du hast ja Recht, auch mit deinem Frust, wie sich das entwickelt hat. Da ist es dann auch wieder gut zu sehen, daß du dich wie erhofft mit Bernd so ausgezeichnet verstehst.
Und mit der Verhütung hast du auch Recht. Ich glaube, nach diesem Würmchen haben wir uns eine leidenschaftliche Pause durchaus verdient. Wie ist das eigentlich bei dir?
Wie regelst du das nun?“
Ich lachte leise und kurz, entgegnete dann: „Naja, ganz ehrlich gesagt, als ich dich mit Melanie so gesehen habe, euer Glück zu dritt, auch diese stimmige Befindlichkeit mit deiner jetzigen Schwangerschaft, da hast du mich irgendwie angesteckt. Ich hatte auch solch eine Lust auf ein eigenes. Da habe ich gar nichts unternommen.“
Susanne zog mich enger an sich, flüsterte zurück: „Ein wenig durchgeknallt bis du schon, oder?
Oder vermute ich das falsch?
Hast du das etwa auch sachlich mit Bernd ausdiskutiert bei eurer Vereinbarung der Freundschaft mit gewissen Vorzügen?“
Ich lachte und grinste: „Ich habe das mal sogleich bei den gewissen Vorzügen einfach subsummiert und impliziert. Wie Männer eben so sind, gefragt hat er nach Verhütung auch nicht. Und wenn du jetzt nichts ausplauderst, wird er das wohl auch nicht und ich schwelge weiter einfach im Genuß und wir werden sehen, wie sich das entwickelt.
Erst als wir schon zusammen waren, ist es mir durch den Kopf gegangen. Und dann war sein Orgasmus, seine Ejakulation in mir viel intensiver, als ich mich darauf eingelassen habe, als ich es zugelassen habe, mich ergeben habe, als ich plötzlich von ihm schwanger werden wollte und auch noch will. Ich will es in vollen Zügen genießen, in mich aufnehmen, ohne Hindernisse und Schranken aufsaugen, aufnehmen, schwelgen, es sich entwickeln lassen. Ich weiß ja gar nicht, ob das wirklich so einfach Folgen haben will. Ich will es einfach auskosten, wenn es klappt, ist es toll, wenn nicht, haben wir einfach nur eine Menge unbeschwerten Spaß zu zweit, auch nicht verkehrt.
Wie war das bei dir?
War das auch intensiver, als du wußtest, daß du von dem Akt schwanger werden könntest?“
Susanne erwiderte: „Du bist wirklich unglaublich!
Aber gut, also bei uns war das so, wir waren irgendwie so hin und weg, so fasziniert, so verliebt, da habe ich da erst gar nicht dran gedacht, war komplett ausgeblendet im Rausch der Sinne. Ich habe erst gar nichts davon mitbekommen, daß ich bereits schwanger war. So bewußt habe ich das gar nicht erlebt, aber durch unsere Vertrautheit, unsere Liebe war es sehr intensiv, war es mit dir übrigens auch.
Und nunja, beim zweiten habe ich dumme Nuß auch gar nicht dran gedacht. Ich war nur so glücklich und erleichtert, wieder genießen zu können, mich wieder ganz fallenlassen zu können, wieder ganz und innig mit Peter zusammen zu sein. Und da ist es dann gleich wieder passiert. Nunja, ich mag mein kleines Würmchen, trotz der kleinen Beschwerden und Komplikationen freue ich mich sehr darauf.
Und wenn du wirklich schwanger werden willst, so gönne ich es dir. Und ich schweige darüber. Das mußt du dann schon selbst mit Bernd ausmachen. Mein Rat wäre, besser früher als später. Wer weiß, wie er darauf reagiert.“
Ich gab ihr einen Kuß auf die Wange, entgegnete dann: „Ach, das wird sich schon geben, da bin ich mal ganz grundlos optimistisch!“
Wir lachten beiden und machten uns wieder an unsere Arbeiten.
Dezent schaute ich dann auch mal in meine persönlichen medizinischen Daten, zog schriftlich Esme hinzu, um bei der Interpretation zu helfen. Da ich den Anzug ja fast nicht mehr trug, nur noch solch ein kleines Teil als Armband, waren die Ergebnisse nicht sehr detailliert. Da ich aber gerade am Morgen den Anzug getragen hatte, hatten wir immerhin über die kurze Zeit detaillierte Daten. Ich kam dann mit Esme zu dem Schluß, daß ich Bernd die nächsten Tage auf jeden Fall fordern sollte, um die Chancen zu erhöhen, daß sich da etwas entwickeln könnte. Auch jetzt stand es eigentlich so schlecht nicht. Aber da es ohnehin ein sehr intensives Erlebnis mit Bernd war und ich meinen stolzen, wilden Hengst auch noch etwas einfangen und zähmen wollte, hatte ich so oder so Lust auf mehr davon. Von daher schon paßte das zusammen.
Vielleicht aber hatte ich auch nur so viel Lust, weil ich körperlich bereit war?
Und wieder war das die Frage, was eigentlich bewußt war und was längst entschieden, bevor man davon Kenntnis hatte. Mein Körper wußte längst um den Sachverhalt, und erst also wir schon aktiv waren, war es mir blitzartig durch den Kopf geschossen, daß es nun ernst werden konnte. Und nun zeigten die Daten, daß der Körper längst reagiert und entschieden hatte, es wollte, danach gierte. Das faszinierte mich irgendwie. Einerseits fühlte ich mich gar nicht so getrieben allein von meinen Trieben, andererseits mußte ich aber schon einräumen, das mein Bewußtsein da längst nicht alles unter Kontrolle gehabt hatte und nun einfach mal enthusiastisch die Führung zu übernehmen schien und Entschlossenheit demonstrierte.
Der Tag verging mit munterer Arbeit, abends saßen wir dann wieder zusammen, diesmal bei einem Gesellschaftsspiel. Zu viert paßte ja ‚Mensch ärgere dich nicht‘ ganz gut, da hatte uns Esme ein Spiel erzeugen lassen und wir hatten viel Spaß und natürlich auch ein wenig gegenseitigen Ärger. Bernd entwickelte einen überraschenden Ehrgeiz und es war eine Lust für mich, ihn ein wenig zu ärgern und zu reizen. Gewinnen konnte ich so nicht, Bernd auch nicht, dafür aber Susanne. So ernst nahmen wir alles das natürlich nicht, so plauderten wir auch auch viel, philosophierten herum und spekulierten über Details unserer Mission und der weiteren Planung.
Später ging ich dann wieder Hand in Hand mit Bernd zurück zu unserem Gebäude. Oben vor unseren Zimmertüren standen wir. Bernd schaute mich erwartungsvoll an, ich zwinkerte und fragte nur: „Lust?“
Er bestätigte nur knapp: „Und wie!“
So forderte ich nur keck „Dann mal los!“ und zog ihn auch schon mit in mein Zimmer.
Hier zeigte sich Bernd dann wieder überraschend entschlossen, auch ein wenig dominant. Er drängte mich gleich aufs Bett, ich lag auf dem Bauch, während er schon wild an meinen und seinen Sachen fummelte. Ich ließ ihn mal einfach machen, half nur etwas durch Gewichtsverlagerung mit, bis ich ganz nackt war. Dann lag er auf mir, rieb sich an mir, drängte gleich entschlossen zwischen meine Beine, ungestüm und ziemlich eilig. So weit war ich eigentlich noch gar nicht, zog meine Beine lachend etwas enger zusammen, griff um mich, erwischte eine seiner Hände und zog sie unter meinen Körper, führte sie etwas, um meine Brüste zu massieren, dann den Bauch, dann meinen Schoß. Bernd machte durchaus mit, drängte aber auch sehr deutlich mit seinem steifen, prallen Glied nach Einlaß. Erst als ich ausreichend erregt und feucht genug war, ließ ich ihm Platz, den er gleich gierig und fast grob eroberte, kraftvoll in mich eindrang und sich dann mit starken Stoßbewegungen heftig erregte, sich sonst eher an mir festhielt, als mich weiter zu kosen. Ich hielt ihn nicht weiter zurück, sondern ließ dem jugendlichen Drang ihren Lauf, genoß auch diese ungestüme, rohe Wildheit durchaus, die aber mit heftigem Stöhnen und einer merklich spürbaren Ejakulation schnell in einem Höhepunkt gipfelte, wo ich gar nicht mitkam.
Ich war stark erregt, aber so hatte das nicht gereicht, ich zitterte leicht, genoß aber doch seine Schwere auf mir, seinen schnellen Atem, wie er noch in mir pulste, sich zuckend noch an mir rieb, bis er dann stiller wurde. Er tat dann gar nichts mehr, schlaffte ab. Das hätte für mich besser laufen können.
Neben dem Bett lag ja noch der Vibrator zum Auflegen. Ich streckte mich etwas, erwischte ihn, schob ihn unter meinen Leib und stellte ihn an. Ich hatte gleich eine Stufe hoher Intensität gewählt und legte ihn direkt auf den Venushügel auf, noch während Bernds Glied in mir steckte und ließ ihn schnurren.
Bernd war erstaunt und dicht neben meinem Ohr fragte er: „Was ist das denn?“
Ich lachte kurz und munter, nun schon deutlich weiter erregt, preßte heraus: „Bist mir etwas zu schnell gekommen. Da dachte ich mir, ich helfe technisch etwas nach, so haben wir beide etwas davon!“
Bernd schob seine Hand unter meinen Leib, suchte danach. Ich war überrascht, als er es mir entzog.
Dazu meinte er dann: „Oh, bitte lasse das sein. Bitte verspreche mir, das nicht zu benutzen. Ich bin doch da, ich mag das nicht.“
Ich war in einiger Bedrängnis und kurz vor dem Orgasmus, nun fehlte mir wirklich etwas durch den Entzug des Spielgerätes.
So forderte ich dann: „Naja … oh … dann solltest du zügig etwas tun, denn nun bin ich in einer etwas ungünstigen Lage, wo mein Körper dringend Entspannung braucht.“
Ich hatte seine Hand mit dem Vibrator inzwischen erwischt, schaltete das Gerät aus, löste seine Hand und führte sie zu meinem Schoß, dort half ich ihm dann etwas bei der Massage. Er machte mit und so kam ich dann doch noch zu einem entspannenden, milden Abschluß.
Bernd war dann merklich müde, rutschte neben mich.
Ich fragte: „Magst du hier bei mir schlafen?“
Bernd antwortete müde: „Ja, sehr gerne …“
Ich hoffte einfach mal, daß er nicht schnarchen würde und eher ruhig im Schlaf wäre. So kuschelte ich mich an ihn, legte meinen Kopf auf seine breite Brust. Er legte dann seinen Arm um mich, streichelte mich noch etwas und war dann schnell eingeschlafen. Ich sann noch etwas nach, war aber eigentlich auch müde und ganz zufrieden. Der Akt hätte mit etwas mehr Zeit schon noch erquicklicher sein können, aber das würde sich schon noch geben. Und so schlief ich dann auch ein.
Die Weckfunktion kündete mit noch immer nicht geänderter Geräuschkulisse und abschließendem Hahnenschrei den Morgen an. Bernd brummelte etwas, ich rieb und kuschelte mich erst noch kurz an ihn, wurde dann aber munterer, küßte und kitzelte ihn ebenso munter und wir balgten ein wenig und vergnügt herum, bis ich dann zum Morgenlauf forderte. Ich war schon aufgesprungen, zog nur ein loses Kleidchen über wie daraufhin Bernd vom Bett hoch und fort durch die Tür und dann in sein Zimmer. Ich gab ihm munter eine ähnlich lockere Bekleidung aus seinem Schrank heraus. Noch als er das anzog, gab ich ihm scherzend einen kleinen Schubs und rief lachend: „Fang’ mich!“
Und dann war ich auch schon aus dem Zimmer raus und dann auch gleich draußen, lief langsam los, drehte mich, um zu sehen, ob er folgen würde. Das tat er wirklich und so ging die wilde Jagd barfuß los. Das war hier gut möglich, wenn man nicht gerade in einen scharfen Stein trat. Und es tut den Füßen gut, massiert die Fußsohlen. Ich spurtete also möglichst schnell. Er holte auf. Ich hatte zwar den Vorteil, das Gelände besser zu kennen, er mußte ja aber nur folgen. Immerhin sprang ich an ein paar dafür geeigneten Stellen behende, wo er etwas vorsichtiger war, so ging es dann doch wieder ein Stück weiter, auf dem er mich noch nicht eingeholt hatte. An einer Stelle hätte er mich doch fast erwischt, ich tauchte aber gelenkig ab, er griff ins Leere und stolperte, was ich wieder nutzen konnte, um noch ein Stück weiterzukommen. Schon war der Badesee in Sicht. Munter jauchzte ich, gab volles Tempo, zog auf den letzten Metern schon das Kleid aus und sprang nackt in den See, daß es nur so platschte. Bernd brauchte etwas länger, um sich zu entkleiden, sprang dann lachend hinterher, verfolgte mich. Auch hier war er etwas schneller, aber nicht so viel, so erreichte ich noch ein anderes Ufer mit sonnenbeschienenen, glatten Felsen, wo er mich erwischte, mich kräftig auf einen Felsen drückte und mich erneut von hinten nahm, entschlossen seine trotz des Schwimmens im See noch erheblich stramme Morgenlatte in meiner Scheide zu versenken. Wieder war er wild und ungebremst, ergoß sich schnell, keuchend und heftig in mich.
Dieser jugendliche Tatendrang war schon prickelnd, herrlich rücksichtslos männlich dominant, reichte aber wieder für mich nicht, ließ mich erregt nach vollendetem Akt zurück. Bernd hatte sich aus mir zurückgezogen, lag auf dem Rücken auf dem sonnenbeschienenen, flachen Felsen und atmete schnell und laut.
Ich drehte mich, stimulierte sein noch nicht schlaffes Glied erst mit den Fingern, dann mit Lippen und Zunge. Immerhin wirkte das, Bernd röchelte noch atemlos, aber schon wieder körperlich bereit. Kurzerhand bestieg nun ich ihn, ließ sein steif erhobenes Glied gänzlich in mich eindringen, schnappte mir seine kräftigen Hände, drückte sie neben seinem Kopf auf den Felsen und bewegte mich dann, wie es meine Erregung optimal steigerte.
Bernd wollte erst mit den Händen gegenhalten, wäre wohl kräftiger als ich gewesen, hätte gewinnen müssen, aber ich senkte schnell meinen Oberkörper, drückte unsere Hände mit dem ganzen Gewicht nach unten, bis meine Lippen die seinen erreichten, sich darauf preßten, sie schubberten übereinander, dann klemmten meine Zähne und meine Lippen seine Unterlippe ein, während mein Unterleib kreiste, rieb und stieß, ich auch das Becken in eine leicht schwingende Bewegung versetzt hatte, so daß ich stark stimuliert wurde, auch weil ich meine Muskeln entsprechend angezogen hatte. Bernd hatte seine Beine angezogen, suchte aber nicht, mich abzuwerfen. Während nun auch unsere Zungenspitzen ein wildes Spiel spielten, kam ich weiter unten sehr gut voran. Ich verzögerte nichts, hielt mich nicht zurück, stemmte mich dann hoch, ganz aufrecht, krümmte mich zurück, als es dann kam und sich meine ganze Lust in einem wohligen Schrei löste, Wellen der heißen Ekstase aufstiegen. Dieser Aufruhr und Tumult riß dann auch Bernd abermals mit, der dann auch kräftig unter mir zuckte und pulste, was mich weiter anregte und meine Höhepunkt noch intensivierte, verlängerte.
Dann klang es langsam ab, wir entspannten, ich stieg ab von ihm, legte mich atemlos und glücklich neben ihn auf den Felsen. So erholten wir uns einige Minuten, dann meinte ich, es sei Zeit für den Rückweg. Bernd war noch etwas fertig, ich im Grunde auch, so schwammen wir ruhig zurück, zogen am anderen Ufer wieder unsere Sachen an und dann ging es im Dauerlauf zurück zur Kolonie. Dort duschten wir wegen des Bades nur kurz und kamen so ungefähr pünktlich zum Frühstück bei den anderen an.
Wir hatten dann auch weiterhin, eher mehrmals täglich intensiven Sex. Es war nicht so einfach, Bernds ungezähmte Wildheit im Zaum zu halten, einerseits sollte er sich ja austoben, andererseits wollte ich das natürlich auch, so war es dann ein Geduldsspiel, das aufeinander abzustimmen, Bernd so ganz nebenbei etwas anzueignen, was jedenfalls mir ganz angenehm war, was mich stimulierte, daß wir beide intensiv und erschöpfend genießen konnten. Das klappte dann auch immer besser, ohne daß Bernd wirklich das Gefühl hatte, von mir belehrt zu werden, so war das ja auch gar nicht gemeint. Er ging dann darauf ein, vielleicht nicht einmal bewußt, allein schon deswegen, weil mit mehr Flexibilität und dem Eingehen aufeinander das Erlebnis ja auch noch erquicklicher, erfreulicher wurde, mehr wurde als das Abreagieren eines wilden Triebes. Ich genoß aber auch seine etwas rohe Wildheit, wollte das auch nicht zu sehr zähmen. Irgendwie ist es ja auch ein Kompliment, wenn er so ungezügelt auf mich abfährt. Es lief also wirklich gut mit uns beiden.
So war ich dann bei Peter, Susanne und Melanie und ihrem noch entstehenden Würmchen nicht mehr das fünfte Rad am Wagen, sondern erreichte mit Bernd eine eigene intime, traute Zweisamkeit, auch das half uns allen, uns zu entspannen und gut miteinander auszukommen.
Mit Esme prüfte ich immer wieder meine Vitaldaten. Und bald konnten wir feststellen, daß die wilde Stoßerei mit Bernd bei mir wirklich Folgen hatte. Ich war schwanger. Dies teilte ich zunächst allerdings mit Susanne, die sich für mich sehr freute, wir lagen uns in den Armen. Da Peter ohnehin gerade mit Melanie beschäftigt war, meldeten wir uns bei den beiden und bei Bernd kurzentschlossen ab, um einen kleinen Spaziergang zu machen. Der führte uns dann zum Stand, wo wir bald entspannt zusammen lagen. Ich fühlte schon einmal zärtlich und sanft nach Susannes Würmchen, dann lagen wir nebeneinander und waren glücklich mit unserer Situation. Susanne schlug dann erneut vor, ich sollte Bernd von meiner Schwangerschaft erzählen. Ich zögerte da noch etwas, wollte noch etwas Zeit haben, bis sich die Lage stabilisiert hatte, bis es sicher war, daß es sich weiter entwickeln würde. Das konnte Susanne gut nachvollziehen. So hatten wir dann erst einmal unser kleines Geheimnis, kehrten dann bald zurück und arbeiteten mit den anderen weiter. Irgendwie verband uns das nun wieder enger miteinander, wenn auch auf deutlich anderer Ebene. Wir hatten uns ganz versöhnt, waren über den Tiefpunkt deutlich hinweg und erfreuten uns nun zunehmend daran, unsere Schwangerschaft gemeinsam zu erleben und uns darüber auszutauschen.
Als mir die Entwicklung weit genug fortgeschritten erschien, war es dann Zeit, mit Bernd zu reden. Ich hatte seinen Enthusiasmus bereits hinsichtlich der Heftigkeit, nicht hinsichtlich der Häufigkeit gemäßigt. Mir ging es körperlich hervorragend, kein Anzeichen von Übelkeit, keine nennenswerten Begleiterscheinungen. Esme und Hildegard hatten ohnehin ja schon für Susanne das Essen hinsichtlich der Schwangerschaft optimiert, so fiel das gar nicht weiter auf, daß das nun auch für mich ideal war.
Dann also setzte ich meinen Plan um, ließ Bernd sich erst einmal ordentlich austoben, regte ihn dann noch weiter an, bestieg den noch keuchend schnaufenden Burschen dann gleich, um ihn richtig fertigzumachen.
Als wir dann so völlig erfüllt, ausgelaugt und befriedigt nebeneinanderlagen, allmählich entspannten, merkte ich dann nur so nebenbei an: „Oh, da ist noch etwas, worüber wir mal reden müssen …“
Bernd schaute mich von der Seite an, runzelte die Stirn: „Läuft etwas falsch?
Du bist doch eben noch so heftig dabeigewesen, gibt es irgendein Problem?“
Ich lachte und erwiderte: „Nein, bestimmt nicht. Nachdem es zunächst etwas gehakt hat, sind wir inzwischen doch ganz harmonisch und gleichberechtigt bei der Sache, das gefällt mir so sehr, dir hoffentlich auch?“
Bernd bestätigte: „Ja, mußten uns erst einmal aneinander gewöhnen. Durch dich bin ich da auch entspannter, flexibler geworden. Naja, wir sind ja eigentlich immer und häufig füreinander da. Das gibt mir auch mehr Sicherheit. Früher war das immer alles so flüchtig und ungewiß, so hektisch. So ist es richtig gut. Du bist selbstbewußter, entschlossener, aktiver dabei als ich dachte, aber das hat seinen ganz eigenen Reiz, den ich sehr zu schätzen gelernt habe.“
Ich grinste: „Hmmm, ja etwas wild, schnell und ungestüm warst du mir anfangs auch, hat mich aber auch fasziniert und mitgerissen. Du scheinst jedenfalls anfangs auch eine starke Präferenz der Annäherung von hinten gehabt zu haben, quasi so als Partisane, war dann aber nicht mehr so stark ausgeprägt. Ich schätze, so, wie wir es jetzt hinbekommen haben, paßt es schon und wir finden ja doch auch immer noch mehr, was wir variieren und probieren könnten. Wir sind beide ganz gelenkig und nutzen das gut dabei aus, aber auch ohne es zu einer Turnübung zu machen. Wir haben beide gerne intensiv und häufig Sex, toben uns gerne miteinander aus.“
Er entgegnete nach einem Lachen: „Ich bin dein stattlicher Partisane?
Stimmt aber, ich bin auch viel sicherer und lockerer dabei geworden. Von hinten stimmt, ist aber auch sehr verlockend, wobei von vorne auch, so hat sich der Drang dann ausgeglichen, hat beides so seine Vorzüge und Möglichkeiten. Ich glaube, ich wollte das anfangs ganz gerne so, weil ich da irgendwie das Gefühl hatte, mehr Kontrolle zu haben. Irgendwie wollte ich nicht wie ein kleiner Bube, ein Knabe erscheinen, schon wie ein ganzer Kerl, der weiß, wo es langgeht und was er will. Es hat sich dann ja aber schnell herausgestellt, daß es gar nicht darum geht, viel zu kontrollieren, weil wir uns doch ganz gut verstehen und uns aufeinander verlassen können. So überzeugt mich dann leicht, was wir so ausprobieren.
Inzwischen denke ich sogar, also mit deinen Spielgeräten könnten wir es ruhig einmal gemeinsam versuchen. Das war vermutlich etwas vorschnell von mir, das als störend oder unangemessen zu empfinden, wenn du damit also experimentieren willst, so bin ich gern einverstanden. Und inzwischen ist zwischen uns vieles klarer geworden, da verunsichert mich das nicht mehr.“
Ich stieß ihm sanft in die Seite, meinte dann: „Gut, darauf komme ich gerne zurück.
Es gibt aber noch etwas, worüber wir sprechen müssen.“
Bernd lag nun seitlich neben mir, hatte sich auf seinen Ellenbogen aufgestützt: „So?
Was denn?“
Ich lächelte ihn verschmitzt an und offenbarte ihm: „Oh, du weißt schon, wenn man so intim und innig zusammen ist, was dann passieren kann?“
Er schaute mich etwas ratlos an, zuckte kurz mit der Schulter, so fuhr ich fort: „Also gut, um es kurz zu machen, unsere Freundschaft mit gewissen Vorzügen hat nun auch gewisse Folgen, also ich bin schwanger von dir und freue mich auch darüber, daß deine so reichlich gewährte Saat in mir auf fruchtbaren Boden getroffen ist.“
Bernd atmete tief durch, preßte dann mit großen Augen heraus: „Oh!“
Ich führte aus: „Naja, wir haben nichts weiter unternommen, haben nichts geplant, waren täglich sehr aktiv, du warst von Anfang an sehr großzügig und freigiebig, ich habe das leidenschaftlich gerne aufgenommen und absorbiert, da ist das nur ein ganz natürlicher Vorgang, wenn sich da über das kurze Vergnügen hinaus dann deutlich mehr daraus entwickelt.“
Bernd schaute noch immer verblüfft.
Es entstand eine kurze Pause.
Dann meinte er unsicher: „Ähm … also … ja … natürlicher Vorgang … schwanger … hmmm mhm …“
Ich lächelte ihn an und hakte nach: „Und was meinst du nun dazu?“
Er rückte vorsichtig an mich heran und gab mir einen ganz sanften, vorsichtigen Kuß, viel viel vorsichtiger und zurückhaltender, als er sonst so bei unserer Zweisamkeit vorging und wir lagen uns glücklich in den Armen …
Ich war glücklich und erleichtert.
Ich hatte ihn wirklich sehr gern.
Und nun entwickelte sich eben mehr daraus.
Das fühlte sich nun sehr gut und richtig an.
Wir hatten eine neue Heimat, ein neues Zuhause.
Wir hatten unser Nest gebaut, unsere Gruppe, unsere Familie gegründet.
Wir waren angekommen.
Nun ging es eigentlich erst richtig los.
Mir kam es jedenfalls so vor, als hätten wir es nun vor uns, das unentdeckte Land: Die Zukunft.
Verführt
Bernd hatte nicht angeklopft. Ich hatte einfach nackt unter einer dünnen Decke geschlafen, nach der Grübelei und einer Atemübung zur Entspannung dann auch wirklich gut.
Morgens weckte mich wieder meine inzwischen etablierte Audio-Datei mit ländlicher Geräuschkulisse, gipfelnd in einem Hahnenschrei. Nun, wo wir hier auf Skylla waren, sollte ich das vielleicht doch einmal ändern, nun hatten wir ja reichlich Natur, wenn auch keine Hühner. Da war dieses Artefakt aus der Raumstation dann doch allmählich etwas albern. Vielleicht sollte ich bei den Ais irgendwann einmal nachfragen, ob wir hier nicht auch richtige Hühner haben könnten. Das wäre doch ganz lustig.
Erstmals eigentlich nach der irritierenden Nachricht von Susanne über ihre Beziehung zu Peter hatte ich nun erneut einen Gedanken daran, mich auch einmal wieder etwas anders entspannen zu wollen als mit einer schlichten Atemübung. Ich stand auf und guckte nach der vernachlässigten Kiste mit Spielgeräten und kümmerte mich nun darum, daß die Akkumulatoren aufgeladen wurden. Immerhin war unsere Kolonie gut durchdacht und daher auch kompatibel zu den Anschlüssen auf der Raumstation und im Raumschiff. So paßten auch die Ladegeräte der Spielzeuge gut. Die Geräte hatten unseren Dornröschenschlaf gut überstanden und das Laden klappte problemlos – wenn ich an meine Zeit zurückdachte, lobte ich hier diese Wunder der Technik, da hatte sich definitiv viel verbessert. Aber die Zielrichtung hier war ja auch eine andere. Hier ging es darum, etwas herzustellen und anzubieten, was funktioniert, ressourcenschonend seinen Zweck erfüllt und lange nutzbar ist. Zu meiner Zeit ging es den Konzernen eher darum, in der nächsten Saison oder jedenfalls nach Ablauf von Garantie und Gewährleistung neue Geräte verkaufen zu können. Da gab es keinerlei Interesse daran, langlebige und gut durchdachte Produkte zu entwickeln und anzubieten. Da gab es keinerlei Interesse daran, Ressourcen zu schonen und nachhaltig zu produzieren. Hier hatten wir keinerlei kommerzielle Interessen und die Dinge funktionierten viel besser und länger. Das lag nun nicht notwendig nur an der anderen Interessenlage, wohl auch an den fortgeschrittenen Möglichkeiten, etwas herzustellen.
Würden wir den Standard halten, wenn es in Zukunft deutlich mehr Menschen in der Kolonie geben würde?
Würde es dann doch wieder bergab gehen oder hatten wir das so weit im Griff, weiter nachhaltig zu wirtschaften und auch Spiel und Genuß in guter Qualität und nicht auf Kosten der Umwelt anbieten zu können?
Nachdem die Akkumulatoren der Spielzeuge geladen wurden, schaute ich sie kritisch an, überlegte. Ich wollte doch eigentlich mehr. Irgendwie hatte ich schon Lust darauf, Bernd zu vernaschen. Vielleicht auch, um es Susanne und auch Peter zu zeigen, mehr doch aber für mich. Daß die beiden nun zusammen waren, mußte ich so wohl akzeptieren. Ich sollte dem aber nicht ewig und drei Tage hinterhertrauern. Also mußte ich Bernd irgendwie herumkriegen. Nun, ein paar Jahre älter war ich schon, selbst ohne Konservierung, aber die Konservierung hatte den sichtbaren Unterschied minimiert. Naja, so groß wäre der Unterschied sowieso nicht gewesen, wenn wir jetzt nur die Zeitpunkte verglichen, wo wir konserviert worden waren.
Ich schaute in meinen Schrank. Den Anzug wollte ich heute nicht mehr tragen. Nun war die Frage, ob ich eher etwas Körperbetontes anziehen sollte, um Bernd etwas zu bieten?
Oder wäre es doch eher angemessen, etwas zurückhaltender aufzutreten?
Wie konnte ich mein Ziel eher erreichen, daß er sich auf mich einlassen würde?
Eher vorsichtig heranschleichen oder offensiv zeigen, was ich zu bieten hatte?
Ich war ja noch nie der Typ für feinsinnige Spielchen, also dann doch eher eindeutig und forsch voran?
Ich überlegte kurz, entschied mich dann entschlossen und spontan für ein relativ knappes Kleidchen, um den Hals schon brav beschlossen, aber freie Schultern und ein keckes, dreieckiges Loch um den Bauchnabel mit Spitze nach unten und ein deutlich größeres mit Spitze nach oben auf dem Rücken. Bernd hatte ja noch den Anzug an, ich sollte also auch nicht übertreiben, zog dazu noch eine zarte, weiße Unterhose an. Ich wollte einfach barfuß laufen, gut möglich auf den Wegen um die Kolonie.
Esme und ich hatten dann doch schon gut vorgesorgt in Richtung Kleiderauswahl.
Da konnte ich Bernd ja noch etwas mehr von unserer Insel präsentieren, nebenbei auch ein wenig mich. Ich sann nach.
Hatte er gestern nach mir gesehen, als ich diesen eng sitzenden Anzug wie er trug?
Ich meinte, da schon diesen oder jenen Blick gesehen zu haben, wollte mich da aber noch nicht festlegen, wie das zu interpretieren war. Bernd hatte an diesem ersten Tag so viele neue Eindrücke zu verarbeiten, da sollte ich nicht gleich ein paar Blicke auf mich überbewerten.
Heute aber war schon ein anderer Tag, da hatte ich Lust darauf, seine Blicke auf mich zu ziehen, seine Aufmerksamkeit, vielleicht noch etwas mehr zu erregen. Ich würde ihn in dem Anzug vergnüglich schmoren lassen, um ihn dann beim Entkleiden genüßlich und gar vernaschen zu können!
Ich verließ also mein Zimmer, klopfte nebenan kurz, wartete gar nicht einmal, öffnete vorsichtig die Tür. Bernd schlief noch friedlich in seinem Bett. So ging ich hinein, setzte mich einfach neben ihm auf das Bett und schaute ein wenig. Das war wirklich ein hübscher Bursche, daß ich schon einräumen mußte, nicht nur ein wenig Appetit zu haben, sondern schon richtig Lust auf ihn bekam. Ich steigerte mich da regelrecht schon rein, daß es ein Vergnügen war. Ich konnte es kaum noch erwarten, ihn zu spüren, ihn zu verführen, wilde Sachen mit ihm anzustellen. Ich genoß noch ein wenig den schönen Anblick, ließ die Gedanken etwas abschweifen, daß es doch eigentlich ganz schön mit ihm sein müßte, hoffentlich sogar herrlich wild und aufregend, erregend und dann auch gerne spritzig. Ich wollte die Vergangenheit hinter mir lassen, wenn sie auch mit Peter, Susanne und Melanie jeden Tag wieder vor mir stand. Da könnte Bernd doch erst einmal ganz gut das Gegengewicht der Gegenwart und Zukunft repräsentieren.
Bernd regte sich, als ich ihm sanft mit der Hand durch sein Kopfhaar strich. Dann zuckte er plötzlich, riß die Augen auf, starrte mich an.
Ich brachte mich in Positur, gerade, Brust raus und betont durch das anliegende, dünne Kleidchen, welches zwar verdeckte, aber nicht einmal ganz undurchsichtig war. Nun hatte ich keine großen Brüste, konnte aber schon eindeutig Kontur zeigen, besonders bei dem Schnitt des Kleides. Und oben hatte ich ja nichts drunter – also Eindruck machen!
Ich grinste schelmisch und ließ ihn gerne gucken: „Einen wunderschönen Morgen wünsche ich!
Hast mich nicht erkannt?
Ich bin es, Michaela!
Wollte dich zum Morgenlauf abholen.“
Bernd hatte wortlos den Mund geöffnet, wischte sich die Augen, während ich erst einmal von seinem Kopfhaar abgelassen hatte. Bernd starrte mein Gesicht an, dann ging sein Blick herunter, blieb kurz in Brusthöhe hängen, dann ging es weiter hinab bis zu dem dreieckigen Loch um den Bachnabel, der so gesehen schon fast wie ein Pfeil in die gewünschte Richtung wirkte.
Er stieß hervor: „Oh, oh, oh!
Du … äh ja, also äh … ja.
Ist das jetzt ein Traum oder doch nicht?
Ich bin doch wirklich hier, oder?“
Ich lachte heiter auf, spekulierte dann: „Vor ein paar Minuten hast du vielleicht schon noch geträumt. Ich jedenfalls fühle mich ganz echt. Wird also schon passen.
Willst du anfassen und dich überzeugen?
Ich hoffe, ich erscheine dir nicht als Alptraum?“
Ich hatte ein wenig mit dem Oberkörper gewackelt und mich etwas zu ihm gebeugt, aber wirklich nur ganz dezent.
Bernd schluckte, versicherte dann: „Nein, nein, äh … bestimmt nicht, rein gar nicht!
Du … äh … bist sehr nett. Ich, ich … äh … brauche wohl nur noch etwas, um das wirklich zu verarbeiten … äh … also diese Fülle neuer Eindrücke … daß ich nun auf einem anderen Planeten, in einer ganz anderen Zeit lebe.“
Ich koste ihm sanft tröstend die Schulter und führte aus: „Ging mir ähnlich nach meiner ersten Wiederauferstehung, als ich da in dieser eigenartigen Kabine im Raumschiff lag, als plötzlich alles ganz anders war. Wir haben das alle erlebt, mußt du vor uns also nicht verbergen.“
Bernd nickte: „Ja, ja, natürlich.“
Er schien immer noch ganz fasziniert von meinem Anblick zu sein, auch abgelenkt. Das ließ sich schon gut an.
Forsch strich ich mit meiner Hand von seiner Schulter hinunter bis zu seiner Hand, faßte sie entschlossen, drückte sie aufmunternd.
Ich lachte ihn an, legte den Kopf etwas schief, klimperte verspielt mit den Lidern und bohrte ein wenig: „Und?
Bist du nun langsam entwirrt genug?
Fühlst du dich stark genug für einen Lauf?
Oder bist du noch ganz schwach?
Wenn du aber schon stark und bereit bist, so zerre ich dich jetzt raus aus dem Bett und dann geht es los!“
Bernd bestätigte nervös: „Oh … oh, äh … ja ’türlich, geht schon, bin dabei!“
So stand ich auf, zog ihn am Arm hoch. Er hatte sich aufgerichtet, dann gedreht. Ich faßte seine andere Hand, zog ihn lächelnd hoch, quasi in meine Arme stolperte er. Spontan umarmte ich ihn gleich, lachte dann heiter, schelmisch und möglichst verführerisch auf, hielt ihn erst, gab ihm dann blitzschnell einen Kuß auf die Wange und spritzte dann schon etwa zwei Meter von ihm weg, bevor er noch reagieren konnte.
Bernd war etwas verlegen, lachte dann aber mit, schaute mich an, hielt meinem Blick aber nicht so lange stand, senkte etwas unsicher und verlegen den Kopf.
Den Anzug mußte er ja noch tragen, so brauchte er kaum weitere Vorbereitung und wir konnten gleich los. Unser Lauf führte uns über einige Wege auf der Insel, so konnte ich ihm schon etwas von der etwas weiteren Umgebung zeigen, bis hinauf zum See, wo ich ihm erklärte, daß man hier auch gut baden könne, während das Meer aufgrund der vielen gelösten Stoffe dafür nicht so optimal sei, wobei es unten am Strand allerdings sehr schön sei. Da Bernd seinen Anzug noch anbehalten mußte, nahmen wir kein Bad, liefen weiter. Unter anderem zeigte ich ihm dann auch den schönsten Sandstrand, aber auch einige weitere schöne Aussichtspunkte. Nun, ich gab mir immer ordentlich Mühe und positionierte mich gerne so, daß ich für ihn auch immer einen schönen Aussichtspunkt abgab, schaute gerne einmal, wenn er sich unbeobachtet fühlte, wie er nach mir sah, erwischte auch zwei- oder dreimal seinen Blick auf mir statt auf der Landschaft, der er seinen Blick dann gleich hastig widmete, als sei er nur in Gedanken kurz abgeschweift. Das fühlte sich für mich sehr vielversprechend an. Gerne hätte ich das näher geprüft, hielt mich dann aber doch zurück, um ihn in dem Anzug nicht zu sehr zu quälen.
Nach dem Laufen waren wir dann wieder bei unseren Zimmern, das war schon sehr anregend für uns beide abgelaufen. Ich war scharf auf Bernd und diesen hatte der kleine morgendliche Sport auch ganz gut angeregt. Aus seinen Blicken konnte ich schon schließen, daß ihn das auch erhitzt hatte, er köchelte schon im eigenen Saft, nicht wörtlich, denn der Anzug kompensierte schon viel, natürlich ohne psychoaktive Pharmaka aber nicht die sich im Kopf entwickelnden Phantasien und Vorstellungen, den drängenden Trieb, die aufkommende Wollust.
Die schöne Aussicht unterwegs hatte Bernd sichtlich zugesetzt. Und der Anzug verhinderte, daß er sich irgendwie Erleichterung verschaffen konnte. Aber wenn er so noch ein wenig weichgekocht würde, käme das ja meinen Bedürfnissen sehr entgegen.
Ich wollte unter die Dusche.
Da Bernd sich noch nicht so auskannte und ich mein Vorhaben auch nicht verbalisiert hatte, kam er ein paar Schritte mit.
So meinte ich dann schelmisch grinsend: „Oh, kannst gerne mitkommen. Ich wollte vor dem Frühstück noch kurz duschen. Wegen des Anzugs kannst du dich daran allerdings noch nicht allzusehr beteiligen. Vielleicht bringt es dir aber auch so neue Einsichten?“
Bernd schaute mich etwas verlegen an: „Auweier, ich … ich wußte das nicht. Ich wollte dir sicher nicht … ähm … zu nahetreten oder so …“
Ich lächelte, fuhr ihm mit einer Hand durchs Kopfhaar: „Kein Problem. Ich meinte das wirklich ernst, wenn du willst, kannst du sehr gerne mitkommen, aber wegen des Anzugs mußt du selber überlegen, wie das für dich werden wird.“
Bernd lächelte nun auch: „Oh oh … ähm … du hast sicher Recht. Also, wenn du dort duscht, könnte mich das etwas in Bedrängnis bringen in dem Anzug …“
Ich schaute ihm tief in die Augen: „Achso?
Ist das schlimm?
Könnte doch ganz lustig werden …“
Bernd schaute erst auch, schluckte dann, senkte den Blick, antwortete dann: „Ähm … ähm … naja …“
Ich lachte, entgegnete dann: „Na dann!
Schon klar!
Wenn du zu schüchtern bist, dann eben nicht, sonst kommst du einfach nach.
Ansonsten: Frühstück bei Susanne, Peter und Melanie in etwa einer Viertelstunde. Ich nehme dich dann mit, wenn ich so weit bin!“
Er nickte: „Alles klar!
Ähm … bis … bis gleich dann!“
Ich hob die Hand kurz und verschwand dann unter der Dusche, er ging in sein Zimmer. Das war dann wohl doch eine etwas zu große Herausforderung gewesen, das hätte ihn wirklich in Bedrängnis gebracht. Da wäre der Anzug im Schritt wohl wirklich viel zu eng geworden. Naja, ich seufzte und entkleidete mich eilig allein und ohne seine Hilfe, duschte kurz, ließ mich auf höchster Stufe trockenpusten, huschte dann nackt und mit meiner Kleidung zurück in mein Zimmer, wählte ein anderes Kleidungsstück für den Tag aus, da wir nun ja zu den anderen gingen, diesmal etwas Solides, nicht Aufreizendes, das war ja nun eher nur für Bernd geeignet, Susanne oder Peter wollte ich nicht provozieren oder irritieren.
Dann schritt ich hinüber zu Bernd, holte ihn ab, wonach wir dann zu den anderen spazierten. Ich faßte dabei schon einmal keck und vertraulich nach Bernd Hand, schlenkerte damit spielerisch beim Gehen hin und her und er zog sie nicht zurück, sah mich stattdessen so von der Seite an, atmete tief durch.
Bernd durfte beim Frühstück nur etwas trinken, aber wir unterhielten uns in der Gruppe immerhin gut und so wurde er gleich integriert, alberte dann auch wieder sehr lieb mit Melanie herum, was ein sehr schöner Anblick war.
Nach dem Frühstück wechselten wir dann in die Arbeitsecke. Ida hatte für Bernd schon Vorschläge vorbereitet, was dieser sich einmal ansehen könnte. Weil Bernd ja dringend etwas über das Schicksal seiner Familie wissen wollte, beauftragten wir Ida mit einer Recherche. Diese wies natürlich gleich darauf hin, daß sie auch aufgrund des langen Zeitabstandes in ihrem Archiv sicher nicht so viel finden würde, auf die Archive der Erde könnte sie ja wegen der Zeitverzögerung praktisch nicht zugreifen. Das verstand Bernd natürlich schon, Ida versprach aber, alles zu versuchen, um doch etwas zu finden.
Ich erklärte ihm derweil die Nutzung der Geräte, wobei ich schon dezent, aber doch eng an ihn heranrückte, auch immer mal wieder seine Hand berührte oder wie zufällig mit meiner Seite an seiner schubberte.
Idas Avatar war dann auch bald da und erklärte Bernd ein paar Besonderheiten seiner Erweiterung, beziehungsweise wie er diese effizient nutzen könnte, um auf Daten zuzugreifen. Einerseits konnte Bernd diese Erweiterung wirklich sehr effizient nutzen, weil sie ihm schon in jungen Jahren implantiert worden war, andererseits zeigte sich aber auch, daß er viel auch einfach wie wir erst einmal auf den Monitoren und Geräten las, ansah, anhörte, dann erst später wieder darauf über seine Erweiterung zugreifen würde. Er erläuterte, wenn er das alles erst einmal wirklich gesehen oder gehört habe, könne sein Gehirn diese Erinnerung besser mit den gespeicherten Daten verknüpfen, sie so deutlich besser verwerten. Zwar sei es ihm auch möglich, auf Daten ausschließlich aus seiner Erweiterung zuzugreifen, das sei aber weniger plastisch und lebendig als das direkte Erlebnis mit den Augen oder den Ohren. Einmal erlebt könne er aber gut eine Assoziation mit gespeicherten Daten herstellen, oft helfe das auch mit ähnlichen Informationen. Die reinen digitalen Daten zu unvertrauten Sachverhalten seien allerdings sehr abstrakt und flach, wenig eindrucksvoll, schon für eine Verarbeitung zugänglich, aber es fehle eine emotionale, sensorische Verbindung, eine persönliche Erinnerung.
Nun, um letzteres kümmerten wir uns natürlich gerne, insbesondere Peter und ich halfen ihm bei diversen Sachen, wir unterhielten uns über verschiedene Themen, regten an, schlugen vor, was ihn interessieren könnte, was wichtig sein könnte. Und das direkte Gespräch, unsere Erklärungen und Interpretationen, die direkte Interaktion waren natürlich ein weiterer Vorteil der üblichen Informationsbeschaffung gegenüber dem direkten Abruf der digitalen Information. Bernd hatte allerdings den Vorteil, das relativ schnell effektiv kombinieren zu können. Bevor oder während wir etwas erklärten, auch Visualisierungen zeigten, hatte er die Daten im Speicher und konnte diese so nebenbei manipulieren und so eine eigene Interpretation aufgrund dieser schnellen, groben Bearbeitungen einbringen, entwickelte so zügig einen eigenen Zugang zum Thema und überraschte uns bereits jetzt zu Anfang mit interessanten Beobachtungen.
Das interessierte natürlich auch Susanne, die dann auch wissen wollte, wie er umfangreiche Daten analysiert. Aus dem Gespräch heraus hatte sie dann auch noch Ideen, womit sich Bernd unbedingt beschäftigen sollte, um seine Analysen von Daten zu optimieren und zu verfeinern. Auch das interessierte Bernd, so hatten wir einen weiteren Baustein zu seinem Lehrplan, um den sich Susanne weiter kümmern wollte.
Mittags tat er uns dann etwas leid. Während wir anderen in Köstlichkeiten aus eigenem Anbau der Ais in den Gewächshäusern der Kolonie und vom Feld schwelgen konnten, durfte er nur etwas trinken und auch nur wenige kleine Kostproben vom Mittag zu sich nehmen. Wir achteten aber schon darauf, daß er damit schon einmal ganz besonders schmackhafte Leckereien bekam, was ihn bereits etwas darüber hinwegtrösten sollte, daß er noch darben mußte, ohne allerdings wirklich Hunger oder Durst zu haben, denn noch regelte das ja weitgehend der Anzug. Auf Nachfrage hin gab uns Ida den aktuellen Stand durch, Bernd würde abends schon etwas mehr zu sich nehmen dürfen, dann aber noch über Nacht den Anzug anbehalten. Der Anzug saß zwar perfekt, Bernd war damit aber trotzdem nicht komplett glücklich, auch schon weil ich es nicht lassen konnte und unter dem Tisch ganz dezent etwas füßelte, ihn auch immer wieder keck anlächelte und dann passend zur Füßelei auch diesen oder jenen an sich über dem Tisch harmlosen Kommentar einfließen ließ. Irgendwie rieb er oft und neugierig über das eine Bein, wo es einst die tragische Amputation gegeben hatte. Irgendwie kribbelte die Neugier in ihm, was da wirklich unter dem Anzug war, obwohl er ja seinen gesamten Körper spürte. Nun, nach dem Schicksalsschlag konnten wir das gut nachvollziehen. Unbemerkt von den anderen griff ich dann auch mal seine Hand auf seinem Schenkel und drückte sie aufmunternd. Ich erzählte dann auch davon, daß mich ja ein Auto auf dem Rad erwischt hätte und ich so auch ziemlich angeditscht gewesen sei. Es hätte mich ja so schwer erwischt, daß ich mich nicht einmal richtig an den Unfall erinnert hätte. Ida hätte mir dann erst davon erzählt. Da sei ich natürlich auch besorgt gewesen, was unter meinem Anzug los sei.
Dabei strich ich mir in einer kleinen Pause über den Leib und erläuterte grinsend:
Nachdem der Anzug dann aus gewesen sei, hätte ich mich zu meiner Erleichterung aber persönlich davon überzeugen können, daß alles an seinem Platz sei. Wir lachten alle, Bernd auch, allerdings etwas gequält und noch immer unsicher. Nun, ein paar Stunden mußte er schon noch aushalten.
Nach dem Mittag lernte er erst noch weiter.
Ida unterbreitete dann bereits die Ergebnisse ihrer Recherche. Sie hatte Glück gehabt, denn aus Bernds jüngster Schwester war eine Künstlerin geworden, nicht sehr berühmt, aber doch genug, daß es über sie eine Biographie gab und auch einige Werke in der Datenbank abgebildet waren. So erfuhren wir dann, daß sie über neunzig Jahre alt geworden ist, auch Kinder und Enkel hatte. Bernd schaute sich auch interessiert die Abbildungen an. Spannend wurde es dann besonders bei einem graphischen Werk, deutlich abstrahiert, aber trotzdem war Bernd eindeutig erkennbar, auch der Titel ‚Bruder‘ wies schon darauf hin. Auf der Abbildung erkannte Bernd dann aber auch seine ganze Familie, die jüngste Schwester inzwischen längst erwachsen, seine Eltern schon im Rentenalter. Man hatte sich quasi um die Graphik herum zu einem Familientreffen versammelt. In einem kurzen Artikel war dann auch von Bernds Schicksal die Rede und auch von ihren Bemühungen, jedes Jahr wieder etwas in Erfahrung zu bringen, um ihm doch noch zu helfen, bis dahin vergeblich. Und wie wir ja nun wußten, blieben ihre Bemühungen vergeblich. Bernd mußte tief durchatmen, hatte die Hände an den Monitor gedrückt.
Ich massierte ihm sanft tröstend die Schultern und wies dann darauf hin, daß er nun ja immerhin etwas über ihr Schicksal wisse, sie hätten ihr Leben gelebt und ihn nicht vergessen. Bernd nickte langsam und wortlos, war nachdenklich. Er brauchte weiter etwas Zeit, um das zu verarbeiten, ließ dann erst den Monitor los, nickte dann erneut und war langsam bereit, damit weitgehend abzuschließen.
Ich schlug dann allerdings vor, auch um ihn abzulenken, im Hellen einfach einmal mitzukommen und mit Hildegard etwas Praktisches zu machen. Damit war er gerne einverstanden. Hildegard zeigte uns dann ein paar Sachen im Garten. Heute arbeiteten wir also draußen und machten uns nützlich, halfen Hildegard, den Garten in gutem Zustand zu halten.
Und es war schon sehr schön anzusehen, wie Bernd sich bewegte, wie die Muskeln unter dem Anzug spielten, wie er sich anstrengte und engagiert bei der Sache war. Auch ich versuchte, mich natürlich attraktiv in Szene zu setzen. Nur mit Hildegard in der Nähe brauchte ich mich da gar nicht so sehr zurückhalten, hatte für die Gartenarbeit auch wieder eine etwas knappere, figurbetonte Kleidung angelegt, kniete mich mit nackten Knien und Schenkeln richtig rein und posierte vor Bernd auch gerne, beugte mich tief, so ausgerichtet, daß er auch schon einmal einen Blick in den tieferen Ausschnitt werfen konnte, ich trug ja nichts drunter, also mochte sich die Aussicht schon lohnen. Und ich meinte, auch so aus dem Augenwinkel heraus erkannt zu haben, wie Bernd zu mir schaute, wenn er vermutete, ich würde es nicht sehen. Er schien gut zu köcheln, wirkte etwas unruhig, unkonzentriert, nicht so bei der Sache der Gartenarbeit jedenfalls. Das ließ sich schon einmal gut an. Seine interessierten Blicke taten mir gut. Ich schloß schon einmal optimistisch auf angeregtes, massives Interesse, was ich noch weiter befeuern könnte. Und so legte ich natürlich auch Wert darauf, mich auch weiter zu exponieren und guten Eindruck zu machen, ihn in einem Zustand latenter Aufregung, vielleicht gar Erregung zu halten. Allerdings sollte ich auch nicht überziehen, solange er in dem Anzug steckte, wo ich notfalls nicht einmal abends Hand an ihn legen könnte, um ihm Erleichterung zu verschaffen. So war das schon ein gewisse Gradwanderung, ein wohl lustvolles Leiden für Bernd, ich schürte quasi seine Leidenschaft, forderte ihn in diesen Stunden. Denn ich hatte mir schon überlegt, es würde mir sehr nützlich sein und ich könnte das nutzen, wenn sich in Bernd einiger Druck aufbaut. Da könnte ich dann doch im richtigen Augenblick Abhilfe anbieten, auf die er umso leichter einginge, je größer der bis dahin aufgebaute Druck wäre. So legte ich mich dann doch ordentlich ins Zeug, strengte mich an, der Schweiß strömte, ich wischte ihn lächelnd aus dem Gesicht und er klebte teilweise bereits die dünne Kleidung an Leib. So seufzte ich dann leicht, gerade so für Bernd hörbar und vielleicht gar etwas anregend, meine Anstrengung heraus, aber auch den Genuß körperlicher Aktivität. Ich gab mich dazu jugendlich unbefangen und mit einer fröhlichen Leichtigkeit, daß ich schon so nebenbei deutlich erkennen konnte, wie Bernd von mir beeindruckt und eingenommen war. Das hatte ich zügig und ohne Umwege und Komplikationen hinbekommen. Ich hatte ihn gefangen, da war ich mir ziemlich sicher.
Während Bernds Anzug sich ja automatisch um Schweiß und andere gegebenenfalls austretende Körperflüssigkeiten kümmerte, war ich dann in meinem Eifer ganz durchgeschwitzt, so zogen wir dann gegen Abend wieder los zu unseren Zimmern. Dort angekommen scherzte ich dann: „Uiuiui, das hat mich ja ganz schön erhitzt und angeregt, aber die körperliche Anstrengung hat auch viel Spaß gemacht, meinst du nicht?“
Dabei räkelte ich mich leicht lasziv, grinste ihn schelmisch an.
Bernd stimmte merklich nervös und verunsichert zu: „Äh … ohoh … auf jeden Fall, das Lernen zuvor und dann diese Arbeit, all das hat meine Gedanken gut abgelenkt. Das war bislang ein sehr intensive Tag … mit … ähm … tiefen Einsichten und bleibenden … Eindrücken …“
Ich lächelte und erwiderte: „Ist ja noch nicht vorbei. Ida wird dir diesen Abend ja schon etwas mehr zu essen und zu trinken gönnen. Das kannst du auch noch gut auskosten. Da kannst du schon einmal etwas im Genuß der Köstlichkeiten schwelgen.
Naja, so durchgeschwitzt, wie ich bin, will ich zuvor noch schnell unter die Dusche. Aufgrund deines Anzuges bleibt dir der Spaß heute noch versagt, aber morgen hast du dann schon ganz andere Möglichkeiten, sobald du den Anzug ablegen kannst, der allerdings den Vorteil hat, sich um alles zu kümmern, kannst dich also einfach wohlfühlen darin.“
Bernd meinte jedoch: „Ohoh … wird mir gelegentlich schon etwas heiß darin, ich werde dann schon erleichtert sein, wenn ich ihn ausziehen darf. Obwohl er gut sitzt, engt er doch etwas ein.“
Schelmisch grinsend schaute ich etwas provozierend an ihm herunter und entgegnete: „Ja, stimmt, trotz des guten Sitzes kann er in bestimmten Situationen doch schon etwas zu eng sein und Möglichkeiten einschränken. Nunja, in der Geduld, im Warten auf die Befreiung, die Lösung des Druckes liegt ja auch ein ganz eigener Reiz.
…
Jedenfalls … bis gleich, dauert nicht lange, ich halte mich nicht lange unter der Dusche auf, bin gleich wieder da …“
Ich hatte mich schon zur Tür der Dusche gewendet, winkte nur kurz über die Schulter, zog mir schon das Kleidchen über den Kopf, noch bevor die Tür geschlossen war und hinterließ bei Bernd so gleich ganz nebenbei und geschickt eine weitere feine Impression.
Bernd entgegnete nur: „Ohoh … oooh … ja gut, bis gleich!“
Ich konnte mich noch gerade so zurückhalten, eine freundliche Einladung auszusprechen, mir Gesellschaft zu leisten. Das hätte dann vielleicht doch etwas zuviel Druck aufgebaut und er hätte dann vielleicht noch aufwühlende Träume gehabt, gar eine unbewußte Entladung im Schlaf. Das wäre kontraproduktiv gewesen, der Druck sollte schon wohldosiert sein, so würde ich das viel besser für uns beide zum Wohle nutzen können.
Ich wollte mich unter der Dusche eigentlich beeilen, stimulierte mich aber doch an den Brüsten und im Schoß etwas, Bernds anregenden Anblick ins Gedächtnis zurückrufend. Ich hätte das nun schon zum Abschluß bringen können, wollte aber doch lieber etwas mit Bernd mitfühlen und beendete die Stimulation also vorzeitig. Daher mußte ich dann auch die Temperatur des Wassers ordentlich herunterdrehen, wodurch dann zusätzlich noch ordentlich Blut durch die Haut schoß und für etwas mehr Farbe sorgte.
Nach dem kalten Wasser wärmte mich dann immerhin der Luftstrom des Trockners wieder, nachdem zunächst die Verdunstung des Wassers auf der Haut für ein zusätzliches, heftiges Frösteln gesorgt hatte. So war ich dann gleich ziemlich belebt und aufgedreht, schnappte mir nur meine Klamotten und stürmte so nackt auf den Gang hinaus.
Zu meiner Überraschung war Bernd nicht in seinem Zimmer, sondern saß draußen in einer kleinen Sitzecke, blickte zu mir herüber und war auch sichtlich überrascht.
Ich lachte etwas albern, jedenfalls sehr fröhlich auf, hob grüßend meine Klamotten, posierte kurz, drehte mich einmal um mich selbst, kommentierte nur kurz „Ohoh, bin gleich fertig!“ und zischte weiter in mein Zimmer.
Ich warf mir da eilig nur ein lockeres, eher dünnes Abendkleidchen über, zog einfache Schlappen an und kam so kurz darauf wieder aus meinem Zimmer, winkte dem immer noch verblüfften, vermutlich beeindruckten Bernd zu, er solle mitkommen. Bernd schaltete gar nicht so schnell, daß ich bei ihm hielt, ihm unter den Arm griff und ihm beherzt hochhalf. Und so zogen wir ab zu den anderen zum Abendessen.
Dort erst löste sich die Bezauberung wieder von Bernd. Immerhin durfte er diesen Abend schon etwas mehr essen und trinken, so konnte er schon mehr teilhaben als zuvor. Später sahen wir dann noch gemeinsam einen Film, plauderten dann heiter und in guter Laune darüber.
In der Nacht verabschiedeten wir uns dann. Draußen schlug ich Bernd vor, noch eine kleine Runde zu gehen. Er war gerne einverstanden. So gingen wir los und ich rückte wieder etwas näher an ihn heran, daß unsere Arme wie versehentlich aneinander rieben. Ein Stück weiter schmiegte ich mich etwas deutlicher und vertrauensvoll an ihn. Fast wie von selbst legte er dann sanft seinen Arm um meine Hüfte, zog mich noch etwas näher. Ich lenkte unseren Weg zu einer Bank, wies nur mit einer Geste auf diese und schon saßen wir, ich an ihn gelehnt. Die Bank war groß genug, also änderte ich dann meine Position, legte mich so, daß mein Kopf auf seinem Schoß ruhte. Er wußte nicht genau, wohin mit dem einen Arm, nach etwas Zögern legte er ihn dann vorsichtig auf meinen Bauch.
Ich fragte dann ganz unschuldig: „Und?
Was meinst du, wie fandest du den Tag?
Wie geht es dir?
Wie fühlst du dich?
Was denkst du?“
Bernd war beeindruckt, vielleicht gar etwas bedrängt, stand merklich unter Druck, ich meinte gar in seinem Schoß zu spüren, wie er die Elastizität des Anzuges dort schon ordentlich forderte.
Bernd stieß dann hervor: „Oh … das … das waren viele, intensive, neue Eindrücke. Das … das war ein toller Tag … viel erlebt, auch gelernt und getan und gesehen. Es stürmt alles so heftig auf mich ein. Ich bin froh, wenn ich morgen aus dem Anzug herauskomme, obwohl er ganz gut sitzt …
Du bist sehr nett zu mir, auch so offen und vertraut …“
Ich hakte nach: „Also, ich will auch nicht aufdringlich erscheinen, möchte dir nur Beistand leisten, dir auch über den Schock der Wiederauferstehung hinweghelfen …“
Bernd betonte sehr schnell: „Nein, also aufdringlich erscheint mir das bestimmt nicht.
Nur … nur … naja …“
Ich unterbrach: „Na raus damit, reden kannst du mit mir doch über alles!“
So erwiderte er: „Also gut, mir wird wirklich ziemlich eng in dem Anzug, als nicht, daß er wortwörtlich eng wäre …“
Ich erinnerte ihn: „Oh, morgen bist du ihn ja los, nach dem morgendlichen Lauf, denke ich, ist es gut, dann helfe ich dir, wenn du willst. Ida wird das so schon befürworten. Ich zeige mich solidarisch, ziehe meinen Anzug auch zum Laufen an. Dann gehen wir danach in die Dusche und ich zeige dir wie, helfe dir …“
Bernd seufzte: „Ohoh, das ist sehr aufmerksam, sehr nett von dir …“
Ich entgegnete: „Ist doch gar kein Problem. Ich fühle mich sehr wohl bei dir. Ich helfe gerne, habe dir ja schon versprochen, ich kümmere mich, lasse dich nicht hängen.“
Bernd seufzte erneut: „… ich … ich fühle mich auch sehr wohl bei dir … und bin dir wirklich sehr dankbar für deine Hilfe!“
Das wollte ich wohl gleich ausnutzen, hob meine Hand und hielt sie ihm hin: „Freundschaft?“
Bernd zögerte nicht, schlug etwas zitternd ein: „Sssehr gern, natürlich, ja, Freundschaft!“
Ich bohrte mal weiter und nützte die günstige Stimmung, grinste schelmisch: „Oder doch mehr?
Hast du Lust?
Also weißt schon, wir sehen uns da doch jeden Tag, die Möglichkeiten sind sehr überschaubar, gewisse Bedürfnisse unvermeidbar, sie wären gar über längere Zeit sehr ablenkend, bedrückend, beunruhigend, da braucht es gelegentlich auch jemanden, um einfach zu entspannen, sich fallenzulassen, Zweisamkeit zu genießen. Kurzum: Wäre eine vielleicht auch längerfristig angelegte Affäre mit viel innigem Kontakt und Sex für dich denkbar?
Ich meine, da bei dir einen gewissen Druck zu spüren, der wohl abgebaut werden will.
Da würde ich selbstverständlich gerne helfen!“
Bernd schluckte, stieß dann hervor: „Oh!
Das … äh … du bist wirklich sehr offen … ohha … oh.
Also verstehe ich das richtig?“
Ich lachte und erwiderte: „Hoffe ich jedenfalls.
Ich hätte schon Lust auf dich!
Gemeinsam Spaß haben, toben, gemeinsam glücklich sein. Ich finde dich herrlich männlich attraktiv, da kann ich mir intensive Entspannungsübungen, eindringliche Interaktion und spritzige, unkomplizierte Zweisamkeit sehr gut vorstellen. Ich hoffe jedenfalls, ich passe da irgendwie noch in dein Beuteschema. Könntest du dir das vorstellen?“
Bernd wirkte etwas verlegen, ich hielt seine Hand etwas fester.
Er preßte erst nur hervor: „Mmmhmmm …“
Ich lachte etwas angespannt, das steckte an, er lachte auch etwas nervös, dann konnte er auch wieder reden.
So sprach er: „Also … äh … ich finde dich auch … ähm … sehr attraktiv und anziehend. Und ich finde, das paßt sehr gut.
Nur … nur … nun … naja, nun wird es noch viel enger im Anzug. Da baut sich eine Menge Druck auf!“
Ich richtete mich wieder auf, setzte mich auf seinen Schoß, gab ihm einen Kuß auf die Wange, ganz automatisch mußte er seine Arme um mich legen. Ich ließ einen weiteren Kuß auf die Stirn folgen, auf die Nase.
Ich entgegnete ganz munter: „Auweier, das tut mir leid!
Wenn ich dir lästigfalle, ist mir das sehr unangenehm!“
Dabei rutschte ich noch etwas näher auf seinem Schoß an ihn heran, rieb mich dabei an der erheblich ausgebeulten Stelle.
Er widersprach nervös und unruhig hervorpressend: „Nein nein … bestimmt nicht lästig … in dem Anzug fühle ich mich nur etwas … hilflos … und ausgeliefert …“
Ich versprach, munterte ihn auf: „Also gut, ein wenig noch durchhalten, dann kümmern wir uns darum, versprochen!
Wenn du willst, kannst du morgen alles rauslassen, ich bin für dich da, gemeinsam werden wir den ganzen Druck schon ablassen, ganz unkompliziert und freundschaftlich lösen wir die Anspannung, du läßt alles einfach mal aus dir herausschießen und ich nehme es, wie es kommt, dann wird es dir sicherlich gleich viel besser gehen. Bei unserer kleinen, aber innigen Liebschaft kümmert man sich selbstverständlich zeitnah, intensiv und befriedigend um solch ein Leiden und läßt das nicht einfach so stehen.“
Ich kicherte fröhlich, Bernd wand sich etwas unter mir: „Ohoh, Michaela, du machst mich wirklich fertig!
Wie soll ich da die Nacht überstehen?“
Ich lachte, schlug dann vor: „Oh, du kannst Ida einfach um ein niedrig dosiertes Schlafmittel bitten. Das ist gar kein Problem. Kannst dich aber auch bei mir zusätzlich ankuscheln, wenn du magst, dann teilen wir die unruhige, sehnsuchtsvolle Erwartung schon einmal. Wenn ich daran schuld bin, mag ich dich damit gar nicht alleine lassen!
Allerdings steckt in der süßen Qual des Wartens ja auch eine Menge Lust und es steigert die Leidenschaft, es fördert den unbedingten Drang zur Tat, zur Befreiung vom Druck!
Wenn du zum bersten voll mit Lust bist, brauche ich ja nur ein wenig lieb zu kitzeln, um alles aus dir hervorzulocken und die Lawine loszutreten, den Sturm zu wecken, das Feuer zu entfachen!“
Ich gab ihm einfach mal einen Kuß erst auf die Wange, dann auf den Mund und prüfte so schon einmal seine Zungenfertigkeit und sein Geschick beim Küssen. Bernd war unruhig geworden, ging aber darauf ein, definitiv loderte das Feuer in ihm bereits und erhitzte ihn nun sehr, wo einzig noch der Anzug außen auf der Haut für etwas Ausgleich sorgte. Wir hatten uns eng umschlungen und seine Lippen waren erst noch verschlossen. Aber ich spielte mit ihm, lockte und neckte ihn, knabberte an seinen Lippen, bis er sich ergab, den Mund leicht öffnete und willig mitspielte. Nun beteiligten sich auch seine Finger, rieben über meinen Rücken, massierten und drückten mich. Das lief plötzlich wie von selbst und so spürte ich selbst bald die süße Qual der Sehnsucht nach Erlösung, welcher sich sein Anzug einzig noch entgegenstemmte.
So mußten wir das für diesen Abend durchaus letztlich noch so stehenlassen, was für Bernd schon ziemlich gemein war, denn da hatte sich nun erheblicher Druck aufgebaut, der da durch das begehrte Überdruckventil unbedingt herausspritzen wollte und doch nicht konnte. Mich quälte es auch. Mit meinem Spielzeug hätte ich mir schon zu helfen gewußt, wollte aber doch lieber solidarisch entsagen und abwarten. Ich war schon zu neugierig auf Bernds Spielzeug für mich, als daß mich mein kleines Sortiment augenblicklich hätte faszinieren können.
Irgendwann jedenfalls standen wir dann doch auf und gingen Arm in Arm zurück zur Kolonie. Vor unseren Zimmern standen wir dann, küßten uns und waren noch unentschlossen.
Bernd bekannte dann: „Ich glaube, so eingepackt und hilflos würde ich völlig durchdrehen, mit dir zusammen in einem Bett, aber schlafen kann ich so auch unmöglich.“
Ich war da entschlossener und wies zu seiner Tür: „In Ordnung, ich bringe dich ins Bett, samt Gutenachtkuß, dann bitten wir Ida um ein Schlafmittel für dich.
Ja?“
Bernd nickte nur.
So gingen wir rein. Keß schubste ich Bernd auf sein Bett. Er lag auf dem Rücken. Noch bevor er reagieren konnte, setzte ich mich auf ihn, beugte mich herunter, wir umarmten uns gleich wieder und küßten uns leidenschaftlich, daß Bernd bald schon verzweifelt stöhnte. Ich rieb mich an ihm, drängte mich eng an ihn, daß Bernd schwer daran zu knabbern hatte. Ich hatte allerdings nur mein Kleid hochgeschoben, ihm die Brust gewährt, so daß er dort schon einmal vorsichtig knabbern durfte, was ihm aber noch viel mehr zusetzte, daß er ganz zittrig nervös und verzweifelt wurde und dann hervorstieß: „Michaela, meine Güte!
Ich halte es nicht mehr aus, ich kann nicht mehr!“
Da bedauerte ich ihn doch etwas, rutschte von ihm herunter und erwiderte: „Du ärmster. Hast es aber auch nicht leicht. Ich aber auch nicht. Immer mag ich dich aufwühlen und anknabbern. Und doch! immer ist da dieser lästige Anzug zwischen uns!“
Bernd brummelte und seufzte nur hilflos.
So gab ich dem armen, schon schwitzigen, unruhigen Burschen dann einen lieben Kuß auf die Stirn und rief Ida und bat sie um ein Schlafmittel für Bernd. Diese fragte bei Bernd nach, dieser bat ebenfalls. So wurde unserer Bitte stattgegeben, wobei Ida anmerkte, gemäß seiner Daten sei Bernd wirklich so aufgedreht und aufgewühlt, daß ohne das Mittel wohl an Schlaf nicht zu denken sei. Der Anzug verabreichte das Mittel. Und so wurde er bald ruhiger. Ich legte mich noch neben ihn und er schlief dann bald, aber schon sehr schwitzig im Gesicht in meinen Armen ein. Ich blieb noch ein wenig, schmiegte mich eng an ihn, probte schon einmal ein wenig, wie sich sein schöner, junger, männlicher Körper anfühlte. Dann stand ich seufzend auf, wechselte doch hinüber in meiner Zimmer, entkleidete mich und warf mich nackt auf mein Bett.
Ich war auch sehr unruhig.
Sollte ich auch ein Schlafmittel nehmen?
Ohne Anzug nicht ganz so einfach, aber auch verfügbar.
Ich entschied mich dann doch anders, stand wieder auf und nahm den Vibrator zum Auflegen, alle waren ja inzwischen dank meiner Voraussicht komplett geladen, legte mich wieder hin. Viel mehr Lust hätte ich nun auf eine sehr eindringliche Annehmlichkeit von Bernd gehabt, so seufzte ich nur und ließ geschehen, was derzeit weniger faszinierte, aber doch zur Vergnüglichkeit, zum Ausgleich reichen würde. Und so sorgte ich schnell für eine sanfte, milde Entspannung, während ich sehnsuchtsvoll daran dachte, wie ich morgen dann auch Bernd von seinem Leid erlösen würde. Ich überlegte noch, lag noch länger wach, dann versuchte ich es mit einer Atemübung zur weiteren Entspannung. Das wirkte dann endlich und ich schlief ein.
Den nächsten Morgen weckte mich wieder der synthetische Hahnenschrei, den ich noch nicht geändert hatte. Nun, vielleicht war ich jetzt das Huhn und nebenan schlummerte mein Hahn und heute war der Tag, wo wir miteinander etwas anstellen würden. Mit Schwung stand ich auf, erinnerte mich daran, Bernd zugesagt zu haben, heute auch noch einmal den Anzug zu tragen. So nahm ich ihn heraus, legte ihn an. Der saß wirklich gut. Auf einem Monitor schaute ich mir schmunzelnd mein Konterfei einer Kamera an, drehte mich, posierte ein wenig. Das konnte sich schon durchaus sehenlassen.
Mit Schwung ging ich zu Bernd hinüber, der wirklich noch schlief, legte mich einfach neben ihn, kuschelte mich sanft an ihn und begann dann ganz vorsichtig, an einem Ohrläppchen zu knabbern, saugte daran, er regte sich schon, ich küßte schnell seine Wange, dann seinen Mund. Bernd war nun auch wach, hatte mich wohl erkannt, umarmte mich gleich, so spielten wir ein kleines, fröhliches Spiel.
Dann aber machte ich entschlossen, aber schelmisch schmunzelnd meine Lippen von seinen los und zog die Augenbrauen herunter und sprach ganz ernst: „Nun aber los zum Morgenlauf.“
Munter wie ein junges Rehlein war ich auch schon aufgesprungen, zog ihn gleich an seinen, mir nachgreifenden Händen ebenfalls hoch und raus aus dem Bett, aber gleich wieder in meine Arme. Wir küßten uns schon, wieder, aber auch nur kurz, dann liefen wir los, ich munter voran, er mußte hinterher, mich haschen. Das konnte er gut, ließ mich aber wieder entkommen, um mich dann wieder haschen zu können. So liefen wir in einem munteren Spiel und hatten viel Spaß dabei. Ich achtete aber schon auf die Zeit und hatte diese für unsere Zwecke schon mit Bedacht gekürzt, so daß wir früh wieder in der Kolonie waren, oben vor unseren Zimmern und auch der Dusche.
Ich fragte dann bei Ida noch nach: „Ida, meinst du, daß es in Ordnung ist, wenn Bernd nun seinen Anzug ablegt?“
Ida antwortete: „Ja, er ist gesundheitlich auf der Höhe, hat die Wiederauferstehung gut überstanden, sein Puls ist vielleicht etwas hoch, aber nach eurem Dauerlauf und der ganzen Aufregung, vielleicht auch Anregung geht das schon in Ordnung. Also ja, er kann den Anzug ablegen. Er braucht aber vielleicht eine Anleitung beim ersten Mal.“
Ich erwiderte dazu bestimmt: „Darum kümmere ich mich gern gleich!“
Ida entgegnete: „Das habe ich mir schon gedacht.
Viel Spaß euch beiden!“
Und so schob ich Bernd entschlossen in die Dusche. Wir küßten uns schon wieder, fummelten, dann aber forderte ich etwas Disziplin. Wir standen dann etwas auseinander und ich führte an meinem Anzug vor, was zu tun war. Bernd vollzog das an seinem nach. Irgendwie war das diese freudige, erwartungsvolle Stimmung des Geschenkeauspackens, die uns beide ergriffen hatte. Nun, ich machte langsam, obgleich mir das nicht so leichtfiel. Ich war nun erregt und spürte die Bereitschaft meines Körpers schon, nach der Jagd wollte ich mich nun ganz ergeben, mich ganz hingeben und sehnte mich danach.
Bernds Hände zitterten auch, so hatte er etwas Mühe, den Anzug zu öffnen. Ich half dann etwas mit, nachdem ich schon nackt vor ihm stand und er noch nicht fertig war. Er konnte sich irgendwie nicht mehr richtig konzentrieren. Ich konnte nur vermuten, woran das liegen mochte, als ich so nackt dicht vor ihm stand und an seinem Anzug fummelte, mich dabei vielleicht auch etwas lasziv und für den Zweck des bloßen Anzugöffnens zu betont bewegte und meine Reize schon einmal rein optisch gut wirken ließ.
Dann aber war es geschafft, er tastete hastig seine Beine ab, da war aber alles in Ordnung, nicht einmal eine Narbe. Das waren kräftige, muskulöse Oberschenkel, stramme Waden, alles in bester Ordnung, ein sehr schöner, appetitlicher Anblick, der das Wasser zusammenlaufen ließ.
Ich lachte und bestätigte, was er ja selber sehen konnte: „Sieht doch prima aus, alles am richtigen Fleck, sehr symmetrisch, ästhetisch, männlich, ich mag es!“
Ich schaute dabei auch schon einmal etwas höher auf sein bloßes Gemächt, welches auch Eindruck machte. Bernd war noch mit seinen Beinen beschäftigt, schaute rundum, meinte dann: „Keine Narben, sogar drei ältere Narben von früher sind weg.
Unglaublich.
Fast als wäre der Unfall im Wald, der Alptraum im Krankenhaus mit der Infektion gar nicht passiert!“
Ich lächelte, trat dichter heran, strich sanft mit dem Zeigefinger außen an seinem Oberschenkel entlang. Nun schaute er auch mich wieder an, lächelte ebenfalls, strich mit seinem Zeigefinger zart über meinen Oberarm.
Ich erwiderte: „In der Konservierung reparieren die Mikroroboterschwärme deutlich mehr als man denkt. Bei mir sind auch sämtliche Narben verschwunden, ist fast alles wie neu, quasi!“
Ich drehte mich leicht, bot nähere Begutachtung nicht nur des Sachverhalts an.
Bernd nahm das Angebot an, schaute erst und fühlte dann auch meine weiche, zarte Haut an der Schulter, ich die seine auf der Brust.
Bernd bestätigte: „Auf jeden Fall, das ist sehr angenehm, sehr anregend …“
Das erzählte er nicht nur so, es ergaben sich auch deutlich andere Hinweise, daß ihm gefiel, was er sah und fühlte und mir ging es ja auch so. Ich sah auf sein steifes, pralles, prächtiges, wippendes Glied. Ich stellte fest, indem ich über dieses streichelte, es sanft massierte: „Du hast einen schönen Penis. Er gefällt mir sehr, liegt gut in der Hand, so erquicklich lebendig, stolz aufgerichtet, doch leicht elastisch, er schmeichelt der Hand, vermutlich nicht nur ihr!“
Bernd bemerkte dazu etwas verlegen: „Ho … du … tust auch allerhand, daß er sich in voller Pracht präsentieren kann. Er gerät gerade ziemlich außer Kontrolle, da ist erheblicher Druck drin!
Und auch bei dir liegt alles sehr schön in der Hand! …“
Mit einer hatte er eine meiner Brüste gegriffen, mit der anderen eine meiner Pobacken und massierte kurz.
Ich ließ ihn erst grinsend gewähren, streifte dann seine Hände ab, griff mir seinen Penis vorsichtig und zog den Verblüfften hinter mir her unter die Dusche und stellte das warme Wasser an, welches über uns herniederrauschte, uns umfing. Ich drehte mich entschlossen zu ihm um, wir umarmten uns, Bernd keuchte sehr erregt, wir küßten und züngelten uns, Bernd drückte mich rückwärts gegen die Wand, massierte mich wieder, hob mich kräftig hoch, drängte sich an und unter mich, daß ich mit einer Hand etwas nachhalf, während ich mich mit der anderen und mit meinen Unterschenkeln an ihm festklammerte. So positionierte ich sein Glied an der richtigen Stelle, worauf wir keuchend und stöhnen zusammenglitten. So senkte ich also meine Vagina über sein Glied, worauf er gleich rhythmisch zu stoßen begann, kräftig, fast grob, sehr männlich, schnell und entschlossen. In ihm mußte sich ein gewaltiger Druck aufgestaut haben, nun stieß er zu, stieß tief und fest, keuchte, stöhnte. Ich krallte mich an ihm fest, keuchte auch aufs äußerste erregt, genoß und schwelgte in diesem wilden Ritt, preßte meine Muskulatur um seinen Leib, auch um seinen Penis, erhöhte so die reibende, stoßende Stimulation. Dann krallte er sich auch an mir fest, schien mich fast zu erdrücken, stieß noch fester zu und ich spürte dann, wie er mich pulsend füllte, spürte seinen Orgasmus, der auch mich heiß und wild durchfuhr. Es war irgendwie zu kurz, damit ich da gleich mit einstimmen konnte. Immerhin ruckte er noch immer, um seine volle Ladung in mir unterzubringen, machte mir den jungen, wilden, ungezähmten Hengst, der mich genommen hatte und mir nun verpaßte, was er herauspressen konnte. Wir stöhnten beide, ich kniff meine Muskeln fast krampfhaft zusammen, während seine ruckartigen Stöße schon nachließen. Blitzartig schoß es mir durch den Kopf, daß daraus durchaus etwas werden konnte, denn wir hatten ja keinerlei Maßnahmen zur Verhütung getroffen!
Nun wurde mir aber bewußt, seit ich Melanie in den Armen hatte, Susanne schwanger erlebt hatte, war da eine tiefe Sehnsucht in mir. Während Bernd noch zuckte, saugte mein Unterkörper nun förmlich, klemmte ihn ein und preßte ihn aus. In meinem Unterkörper wurde es heißer, er krampfte, Bernd stöhnte und keuchte, krallte sich in meinen Körper, ich in seinen. Und dann ergab ich mich ganz, es stiegen die heißen, brodelnden Wellen in mir hoch und erlösten meinen Kopf, mein Sein und mein Denken. Das kam unerwartet, an sich eigentlich nicht, aber in der Art und so intensiv, daß ich völlig mitgerissen wurde.
Es dauerte etwas, bis wir von unserer Erlösung, aus dem Nirvana der Ekstase wieder zurück waren, sich mein Körper entspannt hatte und sein Glied entließ. Diese Funktionskontrolle hatte er also ebenfalls gut überstanden, es waren nicht nur alle Glieder in zudem ästhetisch ansprechender Form vorhanden, sondern auch voll einsatzfähig.
Er hatte seinen Griff gelockert, ich den meinen auch. Nun stand ich wieder auf eigenen Füßen, wir umarmten uns gegenseitig, küßten und massierten uns leidenschaftlich und wild.
Irgendwie hatte ich das Wasser abgestellt und die warme, fast heiße Luft umströmte uns, während wir uns weiter kosten und bereits wieder stimulierten. Wir warteten gar nicht, bis wir ganz trocken waren. Ich zog Bernd mit mir, als ich bemerkte, daß er erneut eine Erektion durch unser kleines, vergnügliches Zwischenspiel hatte. Ich ließ ihn gar nicht los, zog ihn in mein Zimmer. Ich drehte mich mit ihm, so sanken wir aufs Bett, er auf den Rücken, ich zügig auf ihm, schnell war er zwischen meinen Schenkeln gefangen. Ich hatte seine Hände gepackt, wir rangen spielerisch miteinander, während ich schon meinen heißen, feuchten und bereiten Schoß über sein Gemächt rieb. Wir rangelten ja nicht wirklich ernsthaft, so konnte ich gut seine beiden kräftigen Arme mit einer Hand halten, während ich mit der anderen sein Glied suchte und vorsichtig wieder in mich einführte, während Bernd schon vergnügt dabei seufzte und den Unterleib leicht bewegte, um mitzuhelfen. In tiefster Vereinigung hielt ich inne, zog ich die Muskeln an, auch die Schenkel enger um ihn, beugte mich zu ihm hinunter. Unsere Münder fanden sich zu einem Kuß, die Zungenspitzen zu einem wilden Spiel zwischen unseren keuchenden Lippen. Und dann begann ich ganz leicht und mit einigem Geschick meinen Unterkörper auf ihm spielen zu lassen. Ja, ich bespielte ihn mit all der mir bekannten Kunst und genoß meine Macht über ihn, aber ebenso das intensive Gefühl unserer innigen Vereinigung, dieser Wollust, die sich so wieder zügig steigerte. Bernd konnte in der Stellung gar nicht so viel tun, fand sich aber doch ganz gut in meinen Rhythmus ein, als er mit seinem Unterleib mitarbeitete, die Beine leicht angezogen, mich damit etwas stützend. Er mußte mir folgen und das war für ihn so ein sehr intensiver, schöner Ausritt, den ich gut und genüßlich steuerte. Ich hatte keine Eile, obgleich ja das Frühstück allmählich schon rief. Auch dies hier wollte ich unbedingt voll auskosten, so machte ich weiter, wie es mir für uns beide nützlich erschien. Lange allerdings konnte ich meinen starken, wilden Hengst wirklich nicht bändigen. Dann ging er auch schon wieder durch und er begann unter mir einen wilden, heißen Galopp, für uns beide ganz den Berg hinauf, bis sich erneut eine weitere volle Ladung in mich ergoß, mich wieder bald darauf mitriß. In Ekstase preßte ich mich an ihn, ließ die Wellen der heißen Lust durch mich hindurchströmen, nahm seine Zuckungen, sein Röcheln und Stöhnen in mich auf, schloß mich an. Er hatte seine Hände losgemacht, zwischen unsere Körper geschoben. Nun hatte er meine Brüste gepackt, stemmte mich kraftvoll hoch, knetete sie. Nun war ich wieder aufrecht. Wir grinsten uns beide an, ich hatte auch meine Hände auf seine Brust gedrückt und zog leichte Striemen in seine Haut, während wir beide verzückt und nun gelöst keuchten, befreit von einem großen Druck wieder entspannten.
Dann rutschte ich etwas tiefer, entließ sein Glied, zog seinen Oberkörper zu mir hoch und wir umarmten uns innig. Die wortlose Umklammerung dauerte eine Weile, bis sie weicher, geschmeidiger, nachgiebiger wurde. Wir fielen seitlich auf das Bett, lagen nebeneinander, grinsten uns nur gegenseitig an. Dann lag mein tapferer Recke nur noch erschöpft an mich geschmiegt und ich genoß seine Nähe, wie er mich erfüllt hatte, unsere schon wieder schwitzigen, klebrigen Körper.
Irgendwann lachte ich dann fröhlich und meinte: „Ist schon spät, aber vor dem Frühstück sollten wir doch wohl noch eine kurze, kalte Dusche nehmen, wir sind ja schon wieder ganz erhitzt und in unserem Schweiß gebadet.“
Ich kostete dabei den frischen, salzigen Geschmack von seiner Schulter und er flüsterte nur: „Gut, das hat sehr gutgetan. Fühle mich schon viel besser!“
Ich lachte fröhlich auf und erwiderte: „Oh, das kann ich von meiner Seite aus ebenfalls bestätigen. Sehr eindrucksvoll, sehr intensiv, sehr erfüllend und wild, ungezähmt, impulsiv das hat auch in mir eine Menge gelöst und mich gut aufgelockert. Sollten wir alsbald mal wiederholen, nun aber duschen und dann zum Frühstück.“
Bernd lachte auch und meinte: „Ja sollten wir unbedingt sehr bald wiederholen!“
Wir lachten beide. Bernd schaute nun abermals nach seinen Beinen, fühlte alles genau ab, aber da war weder eine auffällige Narbe zu sehen noch zu fühlen, die Haut ging einfach ohne Spuren durch, als hätte es da nie ein Problem gegeben.
Bernd war noch immer verblüfft darüber. Ich aber war aufgestanden, zog ihn munter am Arm hoch und wir eilten wieder in die Dusche. Dort regelte ich dann beim Duschen bald die Wassertemperatur erbarmungslos herunter, bis wir beide vergnügt quiekten und ein eigenartiges Tänzchen aufführten, bis es mir gelang, das Wasser abzustellen und die warme Luft an. Seine ehemals so volle Pracht war unter der Wirkung des kurzen Kälteschocks deutlich eingeschrumpelt, vermittelte aber trotzdem noch einen ungefähren Eindruck der vorherigen aufrechten Pracht, die mich so komplett und heiß und innig erfüllt hatte.
Wir griffen dann unsere Anzüge, kehrten in unsere Zimmer zurück, zogen etwas Leichtes über und eilten dann zu den anderen zum Frühstück. Wir waren etwas spät.
Ich entschuldigte uns: „Ich habe Bernd noch geholfen, aus dem Anzug zu kommen, hat etwas länger gedauert.“
Ich grinsten förmlich von einem Ohr zum anderen und Bernd war leicht rot angelaufen.
Susanne schaute uns schräg von der Seite an, erkannte wohl an meinem zufriedenen, befriedigten Gesichtsausdruck, daß da durchaus noch etwas mehr passiert war und meinte: „Soso, dann könnt ihr sicher eine ordentliche Stärkung gebrauchen.“
Und so schwelgten wir dann in einem üppigen und köstlichen Frühstück.
Später, als wir schon wieder bei der Arbeit waren, nahm mich Susanne dann beiseite und fragte: „Sage mal, hast du ihn wirklich schon vernascht?
Ich kenne doch deinen Gesichtsausdruck, da ist doch was gelaufen?“
Ich schaute sie lächelnd an, was sich aber mehr und mehr zu einem breiten Grinsen entwickelte.
Dann erwiderte ich: „Öhm, also hat sich so entwickelt. Ich habe reichlich und intensiv an dem süßen Früchtchen genascht, das gebe ich offen zu.
Wir hatten da den Abend vorher bereits drüber gesprochen. Er hatte eine Menge Druck und nach dem Verlauf der Dinge hatte ich dann irgendwie ja auch das Bedürfnis, mich auszutoben, sozusagen Kompensation, da habe ich ihm eine längerfristige, intensive Liebschaft oder Affäre vorgeschlagen. Er hat zugestimmt. So haben wir dann eben die Vorzüge solch einer Vereinbarung ausgiebig in Anspruch genommen. Also keineswegs Verführung, wir haben uns in einem konstruktiven Gespräch sachlich geeinigt und sind dann leidenschaftlich und wild zur Tat geschritten, nachdem der Anzug aus war. Und ich kann dir sagen, es ist ein prächtiger, wilder, ungezähmter Hengst mit einem sagenhaften Gemächt, welches mich sehr erfüllt hat.“
Susanne verzog das Gesicht, schüttelte den Kopf: „Du bist mir etwas unheimlich, so entschlossen. Bekommst du immer, was du willst?“
Ich legte den Kopf etwas schräg: „Hmmm, also eigentlich wollte ich dich. Aber ich habe akzeptiert, daß du nun mit Peter zusammen eine Familie hast. Du bist doch glücklich mit ihm, da kannst du mir meinen stolzen, wilden, potenten Hengst schon gönnen!“
Susanne kritisierte: „Du könntest schon etwas respektvoller von ihm reden!“
Ich nickte: „Hast ja Recht, aber irgendwie mußte der Frust auch raus, daß ihr mich so vor vollendete Tatsachen gestellt habt. Und Bernd ist wirklich ein guter Junge, ein prachtvoller Bursche, neben einem schönen Penis hat er auch noch andere körperliche Vorzüge, nett und verständig ist er zudem, also eine vorzügliche Wahl für eine heftige Liebschaft. Ich mag ihn und es wird gut funktionieren. Ich vermute nicht, daß du mal für ein paar Experimente tauschen würdest, von daher bleibt es wohl bei der jetzigen Konstellation.“
Susanne kratzte sich am Kopf, schüttelte dann denselben: „Was du für Ideen hast. Also nein, ich habe mit Peter genug. Und naja, Melanie fordert ganz schön. Und auch der kleine Wurm macht sich bereits bemerkbar. Nachdem es hinsichtlich inniger Zweisamkeit zwischen mir und Peter schon nicht so gut lief, als ich mit Melanie schwanger war, fühle ich nun wieder Unwohlsein. Nach unserem kleinen Zwischenhoch habe ich nun wohl erst wieder einige Monate andere Sorgen.“
Ich nahm sie in den Arm, suchte zu trösten: „Du armes Knuffelchen. Nunja, auch dieses kleine Würmchen wirst du zu gleicher Pracht wie Melanie bringen, da habe ich gar keine Zweifel. Und dann erholst du dich. Rechtzeitig sollten wir dann wohl mit den Ais über Verhütung diskutieren, dann könnt ihr dann auch wieder bedenkenlos und lustvoll aufeinander eingehen und ineinander aufgehen und dann planen, ob oder wann ihr noch ein weiteres Kind möchtet. Und du kannst dich trotzdem ganz sorglos von der Schwangerschaft gründlich erholen.“
Susanne umarmte mich auch, sprach leise: „Lieb von dir, bin dir wegen Bernd nicht böse, gut, es bewegt mich schon, euch so zu sehen, aber du hast ja Recht, auch mit deinem Frust, wie sich das entwickelt hat. Da ist es dann auch wieder gut zu sehen, daß du dich wie erhofft mit Bernd so ausgezeichnet verstehst.
Und mit der Verhütung hast du auch Recht. Ich glaube, nach diesem Würmchen haben wir uns eine leidenschaftliche Pause durchaus verdient. Wie ist das eigentlich bei dir?
Wie regelst du das nun?“
Ich lachte leise und kurz, entgegnete dann: „Naja, ganz ehrlich gesagt, als ich dich mit Melanie so gesehen habe, euer Glück zu dritt, auch diese stimmige Befindlichkeit mit deiner jetzigen Schwangerschaft, da hast du mich irgendwie angesteckt. Ich hatte auch solch eine Lust auf ein eigenes. Da habe ich gar nichts unternommen.“
Susanne zog mich enger an sich, flüsterte zurück: „Ein wenig durchgeknallt bis du schon, oder?
Oder vermute ich das falsch?
Hast du das etwa auch sachlich mit Bernd ausdiskutiert bei eurer Vereinbarung der Affäre oder Liebschaft?“
Ich lachte und grinste: „Ich habe das mal einfach als natürliche, mögliche oder gar wahrscheinliche Konsequenz einer Sexaffäre sogleich subsummiert und impliziert. Wie Männer eben so sind, gefragt hat er nach Verhütung auch nicht. Und wenn du jetzt nichts ausplauderst, wird er das wohl auch nicht und ich schwelge weiter einfach im Genuß und wir werden sehen, wie sich das entwickelt.
Erst als wir schon zusammen waren, ist es mir durch den Kopf gegangen. Und dann war sein Orgasmus, seine Ejakulation in mir viel intensiver, als ich mich darauf eingelassen habe, als ich es zugelassen habe, mich ergeben habe, als ich plötzlich von ihm schwanger werden wollte und auch noch will. Ich will es in vollen Zügen genießen, in mich aufnehmen, ohne Hindernisse und Schranken aufsaugen, aufnehmen, schwelgen, es sich entwickeln lassen. Ich weiß ja gar nicht, ob das wirklich so einfach Folgen haben will. Ich will es einfach auskosten, wenn es klappt, ist es toll, wenn nicht, haben wir einfach nur eine Menge unbeschwerten Spaß zu zweit, auch nicht verkehrt.
Wie war das bei dir?
War das auch intensiver, als du wußtest, daß du von dem Akt schwanger werden könntest?“
Susanne erwiderte: „Du bist wirklich unglaublich!
Aber gut, also bei uns war das so, wir waren irgendwie so hin und weg, so fasziniert, so verliebt, da habe ich da erst gar nicht dran gedacht, war komplett ausgeblendet im Rausch der Sinne. Ich habe erst gar nichts davon mitbekommen, daß ich bereits schwanger war. So bewußt habe ich das gar nicht erlebt, aber durch unsere Vertrautheit, unsere Liebe war es sehr intensiv, war es mit dir übrigens auch.
Und nunja, beim zweiten habe ich dumme Nuß auch gar nicht dran gedacht. Ich war nur so glücklich und erleichtert, wieder genießen zu können, mich wieder ganz fallenlassen zu können, wieder ganz und innig mit Peter zusammen zu sein. Und da ist es dann gleich wieder passiert. Nunja, ich mag mein kleines Würmchen, trotz der kleinen Beschwerden und Komplikationen freue ich mich sehr darauf.
Und wenn du wirklich schwanger werden willst, so gönne ich es dir. Und ich schweige darüber. Das mußt du dann schon selbst mit Bernd ausmachen. Mein Rat wäre, besser früher als später. Wer weiß, wie er darauf reagiert.“
Ich gab ihr einen Kuß auf die Wange, entgegnete dann: „Ach, das wird sich schon geben, da bin ich mal ganz grundlos optimistisch!“
Wir lachten beiden und machten uns wieder an unsere Arbeiten.
Dezent schaute ich dann auch mal in meine persönlichen medizinischen Daten, zog schriftlich Esme hinzu, um bei der Interpretation zu helfen. Da ich den Anzug ja fast nicht mehr trug, nur noch solch ein kleines Teil als Armband, waren die Ergebnisse nicht sehr detailliert. Da ich aber gerade am Morgen den Anzug getragen hatte, hatten wir immerhin über die kurze Zeit detaillierte Daten. Ich kam dann mit Esme zu dem Schluß, daß ich Bernd die nächsten Tage auf jeden Fall fordern sollte, um die Chancen zu erhöhen, daß sich da etwas entwickeln könnte. Auch jetzt stand es eigentlich so schlecht nicht. Aber da es ohnehin ein sehr intensives Erlebnis mit Bernd war und ich meinen stolzen, wilden Hengst auch noch etwas einfangen und zähmen wollte, hatte ich so oder so Lust auf mehr davon. Von daher schon paßte das zusammen.
Vielleicht aber hatte ich auch nur so viel Lust, weil ich körperlich bereit war?
Und wieder war das die Frage, was eigentlich bewußt war und was längst entschieden, bevor man davon Kenntnis hatte. Mein Körper wußte längst um den Sachverhalt, und erst also wir schon aktiv waren, war es mir blitzartig durch den Kopf geschossen, daß es nun ernst werden konnte. Und nun zeigten die Daten, daß der Körper längst reagiert und entschieden hatte, es wollte, danach gierte. Das faszinierte mich irgendwie. Einerseits fühlte ich mich gar nicht so getrieben allein von meinen Trieben, andererseits mußte ich aber schon einräumen, das mein Bewußtsein da längst nicht alles unter Kontrolle gehabt hatte und nun einfach mal enthusiastisch die Führung zu übernehmen schien und Entschlossenheit demonstrierte.
Der Tag verging mit munterer Arbeit, abends saßen wir dann wieder zusammen, diesmal bei einem Gesellschaftsspiel. Zu viert paßte ja ‚Mensch ärgere dich nicht‘ ganz gut, da hatte uns Esme ein Spiel erzeugen lassen und wir hatten viel Spaß und natürlich auch ein wenig gegenseitigen Ärger. Bernd entwickelte einen überraschenden Ehrgeiz und es war eine Lust für mich, ihn ein wenig zu ärgern und zu reizen. Gewinnen konnte ich so nicht, Bernd auch nicht, dafür aber Susanne. So ernst nahmen wir alles das natürlich nicht, so plauderten wir auch auch viel, philosophierten herum und spekulierten über Details unserer Mission und der weiteren Planung.
Später ging ich dann wieder Hand in Hand mit Bernd zurück zu unserem Gebäude. Oben vor unseren Zimmertüren standen wir. Bernd schaute mich erwartungsvoll an, ich zwinkerte und fragte nur: „Lust?“
Er bestätigte nur knapp: „Und wie!“
So forderte ich nur keck „Dann mal los!“ und zog ihn auch schon mit in mein Zimmer.
Hier zeigte sich Bernd dann überraschend entschlossen, auch ein wenig dominant. Er drängte mich gleich aufs Bett, ich lag auf dem Rücken, während er schon wild an meinen und seinen Sachen fummelte. Ich ließ ihn mal einfach machen, half nur etwas durch Gewichtsverlagerung mit, bis ich ganz nackt war. Dann lag er auf mir, rieb sich an mir, drängte gleich entschlossen zwischen meine Beine, ungestüm und ziemlich eilig. So weit war ich eigentlich noch gar nicht, zog meine Beine lachend etwas enger zusammen, griff ihn mir, erwischte eine seiner Hände und drückte sie auf meinen Oberkörper, führte sie etwas, um meine Brüste zu massieren, dann den Bauch, dann meinen Schoß. Bernd machte durchaus mit, massierte mich, rieb sich an mir, allerdings eher ungeduldig, drängte dann auch schnell sehr deutlich mit seinem steifen, prallen Glied nach Einlaß. Erst als ich ausreichend erregt und feucht genug war, ließ ich ihm Platz, den er gleich gierig und fast grob eroberte, kraftvoll in mich eindrang und sich dann mit starken Stoßbewegungen heftig erregte, sich sonst eher an mir festhielt, als mich weiter zu kosen. Ich umarmte ihn auch, klammerte mit Armen und Beinen, drückte meine Schenkel kraftvoll um ihn, um seine Bewegungsfreiheit, seinen stürmischen Drang etwas zu steuern, engte ihn aber nicht zu stark ein, um auch weiter seine ungestüme, rohe Wildheit durchaus zu genießen, die aber mit heftigem Stöhnen und einer merklich spürbaren Ejakulation schnell in einem Höhepunkt gipfelte, wo ich gar nicht mitkam.
Ich war stark erregt, aber so hatte das nicht gereicht, ich zitterte leicht, genoß aber doch seine Schwere auf mir, seinen schnellen Atem, wie er noch in mir pulste, sich zuckend noch an mir rieb, bis er dann stiller wurde. Er tat dann gar nichts mehr, schlaffte ab. Das hätte für mich besser laufen können.
Neben dem Bett lag ja noch der Vibrator zum Auflegen. Ich streckte mich etwas, erwischte ihn, schob ihn zwischen unsere Leiber und hinunter und stellte ihn an. Ich hatte gleich eine Stufe hoher Intensität gewählt und legte ihn direkt auf den Venushügel auf, noch während Bernds Glied in mir steckte und ließ ihn schnurren.
Bernd war erstaunt und dicht neben meinem Ohr fragte er: „Was ist das denn?“
Ich lachte kurz und munter, nun schon deutlich weiter erregt, preßte heraus: „Bist mir etwas zu schnell gekommen. Da dachte ich mir, ich helfe technisch etwas nach, so haben wir beide etwas davon!“
Bernd schob seine Hand unter meinen Leib, suchte danach. Er hatte seine Hand auf die meine und das Gerät gelegt.
Dazu meinte er dann: „Oh, bitte, muß das sein?
Das verunsichert mich irgendwie. Ich bin doch da, ist das notwendig?“
Ich war in einiger Bedrängnis und kurz vor dem Orgasmus, trotzdem schaltete ich ab, nun fehlte mir wirklich die finale Erlösung sehr so nach dem Abbruch der intensiven Massage des Spielgerätes bei gleichzeitig ziemlich explosiver Erregung.
So forderte ich dann: „Naja … oh … dann solltest du zügig etwas tun, denn nun bin ich in einer etwas ungünstigen Lage, wo mein Körper dringend Entspannung braucht. So können wir das jedenfalls nicht lassen!“
Ich schob den Vibrator zur Seite, legte meine Hand auf die seine Hand führte sie zu meinem Schoß, dort half ich ihm dann etwas bei der Massage. Er machte mit und so kam ich dann doch noch zu einem entspannenden, milden Abschluß.
Bernd war dann merklich müde, rutschte neben mich.
Ich fragte: „Magst du hier bei mir schlafen?“
Bernd antwortete müde: „Ja, sehr gerne …“
Ich hoffte einfach mal, daß er nicht schnarchen würde und eher ruhig im Schlaf wäre. So kuschelte ich mich an ihn, legte meinen Kopf auf seine breite Brust. Er legte dann seinen Arm um mich, streichelte mich noch etwas und war dann schnell eingeschlafen. Ich sann noch etwas nach, war aber eigentlich auch müde und ganz zufrieden. Der Akt hätte mit etwas mehr Zeit schon noch erquicklicher sein können, aber das würde sich schon noch geben. Und so schlief ich dann auch ein.
Die Weckfunktion kündete mit noch immer nicht geänderter Geräuschkulisse und abschließendem Hahnenschrei den Morgen an. Bernd brummelte etwas, ich rieb und kuschelte mich erst noch kurz an ihn, wurde dann aber munterer, küßte und kitzelte ihn ebenso munter und wir balgten ein wenig und vergnügt herum, bis ich dann zum Morgenlauf forderte. Ich war schon aufgesprungen, zog nur ein loses Kleidchen über wie daraufhin Bernd vom Bett hoch und fort durch die Tür und dann in sein Zimmer. Ich gab ihm munter eine ähnlich lockere Bekleidung aus seinem Schrank heraus. Noch als er das anzog, gab ich ihm scherzend einen kleinen Klaps auf den knackigen Po und rief lachend: „Fang’ mich!“
Und dann war ich auch schon aus dem Zimmer raus und dann auch gleich draußen, lief langsam los, drehte mich, um zu sehen, ob er folgen würde. Das tat er wirklich und so ging die wilde Jagd barfuß los. Das war hier gut möglich, wenn man nicht gerade in einen scharfen Stein trat. Und es tut den Füßen gut, massiert die Fußsohlen. Ich spurtete also möglichst schnell. Er holte auf. Ich hatte zwar den Vorteil, das Gelände besser zu kennen, er mußte ja aber nur folgen. Immerhin sprang ich an ein paar dafür geeigneten Stellen behende, wo er etwas vorsichtiger war, so ging es dann doch wieder ein Stück weiter, auf dem er mich noch nicht eingeholt hatte. An einer Stelle hätte er mich doch fast erwischt, ich tauchte aber gelenkig ab, er griff ins Leere und stolperte, was ich wieder nutzen konnte, um noch ein Stück weiterzukommen. Schon war der Badesee in Sicht. Munter jauchzte ich, gab volles Tempo, zog auf den letzten Metern schon das Kleid aus und sprang nackt in den See, daß es nur so platschte. Bernd brauchte etwas länger, um sich zu entkleiden, sprang dann lachend hinterher, verfolgte mich. Auch hier war er etwas schneller, aber nicht so viel, so erreichte ich noch ein anderes Ufer mit sonnenbeschienenen, glatten Felsen, wo er mich erwischte, mich kräftig auf einen Felsen drückte und mich diesmal von hinten nahm, entschlossen seine trotz des Schwimmens im See noch erheblich stramme Morgenlatte in meiner Scheide zu versenken. Wieder war er wild und ungebremst, ergoß sich schnell, keuchend und heftig in mich.
Dieser jugendliche Tatendrang war schon prickelnd, herrlich rücksichtslos männlich dominant, reichte aber wieder für mich nicht, ließ mich erregt nach vollendetem Akt zurück. Bernd hatte sich aus mir zurückgezogen, lag auf dem Rücken auf dem sonnenbeschienenen, flachen Felsen und atmete schnell und laut.
Ich drehte mich, stimulierte sein noch nicht schlaffes Glied erst mit den Fingern, dann mit Lippen und Zunge. Immerhin wirkte das, Bernd röchelte noch atemlos, aber schon wieder körperlich bereit. Kurzerhand bestieg nun ich ihn, ließ sein steif erhobenes Glied gänzlich in mich eindringen, schnappte mir seine kräftigen Hände, drückte sie neben seinem Kopf auf den Felsen und bewegte mich dann, wie es meine Erregung optimal steigerte.
Bernd wollte erst mit den Händen gegenhalten, wäre wohl kräftiger als ich gewesen, hätte gewinnen müssen, aber ich senkte schnell meinen Oberkörper, drückte unsere Hände mit dem ganzen Gewicht nach unten, bis meine Lippen die seinen erreichten, sich darauf preßten, sie schubberten übereinander, dann klemmten meine Zähne und meine Lippen seine Unterlippe ein, während mein Unterleib kreiste, rieb und stieß, ich auch das Becken in eine leicht schwingende Bewegung versetzt hatte, so daß ich stark stimuliert wurde, auch weil ich meine Muskeln entsprechend angezogen hatte. Bernd hatte seine Beine angezogen, suchte aber nicht, mich abzuwerfen. Während nun auch unsere Zungenspitzen ein wildes Spiel spielten, kam ich weiter unten sehr gut voran. Ich verzögerte nichts, hielt mich nicht zurück, stemmte mich dann hoch, ganz aufrecht, krümmte mich zurück, als es dann kam und sich meine ganze Lust in einem wohligen Schrei löste, Wellen der heißen Ekstase aufstiegen. Dieser Aufruhr und Tumult riß dann auch Bernd abermals mit, der dann auch kräftig unter mir zuckte und pulste, was mich weiter anregte und meine Höhepunkt noch intensivierte, verlängerte.
Dann klang es langsam ab, wir entspannten, ich stieg ab von ihm, legte mich atemlos und glücklich neben ihn auf den Felsen. So erholten wir uns einige Minuten, dann meinte ich, es sei Zeit für den Rückweg. Bernd war noch etwas fertig, ich im Grunde auch, so schwammen wir ruhig zurück, zogen am anderen Ufer wieder unsere Sachen an und dann ging es im Dauerlauf zurück zur Kolonie. Dort duschten wir wegen des Bades nur kurz und kamen so ungefähr pünktlich zum Frühstück bei den anderen an.
Wir hatten dann auch weiterhin, eher mehrmals täglich intensiven Sex. Es war nicht so einfach, Bernds ungezähmte Wildheit im Zaum zu halten, einerseits sollte er sich ja austoben, andererseits wollte ich das natürlich auch, so war es dann ein Geduldsspiel, das aufeinander abzustimmen, Bernd so ganz nebenbei etwas anzueignen, was jedenfalls mir ganz angenehm war, was mich stimulierte, daß wir beide intensiv und erschöpfend genießen konnten. Das klappte dann auch immer besser, ohne daß Bernd wirklich das Gefühl hatte, von mir belehrt zu werden, so war das ja auch gar nicht gemeint. Er ging dann darauf ein, vielleicht nicht einmal bewußt, allein schon deswegen, weil mit mehr Flexibilität und dem Eingehen aufeinander das Erlebnis ja auch noch erquicklicher, erfreulicher wurde, mehr wurde als das Abreagieren eines wilden Triebes. Ich genoß aber auch seine etwas rohe Wildheit, wollte das auch nicht zu sehr zähmen. Irgendwie ist es ja auch ein Kompliment, wenn er so ungezügelt auf mich abfährt. Es lief also wirklich gut mit uns beiden.
So war ich dann bei Peter, Susanne und Melanie und ihrem noch entstehenden Würmchen nicht mehr das fünfte Rad am Wagen, sondern erreichte mit Bernd eine eigene intime, traute Zweisamkeit, auch das half uns allen, uns zu entspannen und gut miteinander auszukommen.
Mit Esme prüfte ich immer wieder meine Vitaldaten. Und bald konnten wir feststellen, daß die wilde Stoßerei mit Bernd bei mir wirklich Folgen hatte. Ich war schwanger. Dies teilte ich zunächst allerdings mit Susanne, die sich für mich sehr freute, wir lagen uns in den Armen. Da Peter ohnehin gerade mit Melanie beschäftigt war, meldeten wir uns bei den beiden und bei Bernd kurzentschlossen ab, um einen kleinen Spaziergang zu machen. Der führte uns dann zum Stand, wo wir bald entspannt zusammen lagen. Ich fühlte schon einmal zärtlich und sanft nach Susannes Würmchen, dann lagen wir nebeneinander und waren glücklich mit unserer Situation. Susanne schlug dann erneut vor, ich sollte Bernd von meiner Schwangerschaft erzählen. Ich zögerte da noch etwas, wollte noch etwas Zeit haben, bis sich die Lage stabilisiert hatte, bis es sicher war, daß es sich weiter entwickeln würde. Das konnte Susanne gut nachvollziehen. So hatten wir dann erst einmal unser kleines Geheimnis, kehrten dann bald zurück und arbeiteten mit den anderen weiter. Irgendwie verband uns das nun wieder enger miteinander, wenn auch auf deutlich anderer Ebene. Wir hatten uns ganz versöhnt, waren über den Tiefpunkt deutlich hinweg und erfreuten uns nun zunehmend daran, unsere Schwangerschaft gemeinsam zu erleben und uns darüber auszutauschen.
Als mir die Entwicklung weit genug fortgeschritten erschien, war es dann Zeit, mit Bernd zu reden. Ich hatte seinen Enthusiasmus bereits hinsichtlich der Heftigkeit, nicht hinsichtlich der Häufigkeit gemäßigt. Mir ging es körperlich hervorragend, kein Anzeichen von Übelkeit, keine nennenswerten Begleiterscheinungen. Esme und Hildegard hatten ohnehin ja schon für Susanne das Essen hinsichtlich der Schwangerschaft optimiert, so fiel das gar nicht weiter auf, daß das nun auch für mich ideal war.
Dann also setzte ich meinen Plan um, ließ Bernd sich erst einmal ordentlich austoben, regte ihn dann noch weiter an, bestieg den noch keuchend schnaufenden Burschen dann gleich, um ihn richtig fertigzumachen.
Als wir dann so völlig erfüllt, ausgelaugt und befriedigt nebeneinanderlagen, allmählich entspannten, merkte ich dann nur so nebenbei an: „Oh, da ist noch etwas, worüber wir mal reden müssen …“
Bernd schaute mich von der Seite an, runzelte die Stirn: „Läuft etwas falsch?
Du bist doch eben noch so heftig dabeigewesen, gibt es irgendein Problem?“
Ich lachte und erwiderte: „Nein, bestimmt nicht. Nachdem es zunächst etwas gehakt hat, sind wir inzwischen doch ganz harmonisch und gleichberechtigt bei der Sache, das gefällt mir so sehr, dir hoffentlich auch?“
Bernd bestätigte: „Ja, mußten uns erst einmal aneinander gewöhnen. Durch dich bin ich da auch entspannter, flexibler geworden. Naja, wir sind ja eigentlich immer und häufig füreinander da. Das gibt mir auch mehr Sicherheit. Früher war das immer alles so flüchtig und ungewiß, so hektisch. So ist es richtig gut. Du bist selbstbewußter, entschlossener, aktiver dabei als ich dachte, aber das hat seinen ganz eigenen Reiz, den ich sehr zu schätzen gelernt habe.“
Ich grinste: „Hmmm, ja etwas wild, schnell und ungestüm bist du schon, hat mich aber auch gleich fasziniert und mitgerissen. Wir haben ja erst etwas gerangelt, wer führt, aber nun haben wir das ja schon weitgehend ausgeglichen und sind uns einig. Ich meine, so wie wir es jetzt hinbekommen haben, paßt es schon und wir finden ja doch auch immer noch mehr, was wir variieren und probieren könnten. Wir sind beide ganz gelenkig und nutzen das gut dabei aus, aber auch ohne es zu einer Turnübung zu machen. Wir haben beide gerne intensiv und häufig Sex, toben uns gerne miteinander aus.“
Er entgegnete nach einem Lachen: „Stimmt, ich bin auch viel sicherer und lockerer dabei geworden. Anfangs hatte ich so viel Druck, daß ich fast explodiert bin, da konnte ich mich schlecht zurückhalten, es war so intensiv, so phantastisch. Immerhin, du hast nicht lockergelassen und es klappt doch nun immer besser, wir stimmen uns immer besser ab, es paßt immer besser, ich habe gelernt, wie du reagierst, kann besser darauf eingehen. Anfangs war ich etwas unsicher, wie lange das gehen könnte, dachte, du würdest nur mit mir spielen. Nun habe ich schon viel mehr an Vertrauen gewonnen. Und du bist so geschickt, kennst und weißt mehr als ich, was ich begierig lerne. So überzeugt mich dann leicht, was wir so ausprobieren.
Inzwischen denke ich sogar, also mit deinen Spielgeräten könnten wir es ruhig einmal gemeinsam versuchen. Das war vermutlich etwas vorschnell von mir, das als störend oder unangemessen zu empfinden, wenn du damit also experimentieren willst, so bin ich gern einverstanden. Und inzwischen ist zwischen uns vieles klarer geworden, da verunsichert mich das nicht mehr.“
Ich stieß ihm sanft in die Seite, meinte dann: „Gut, darauf komme ich gerne zurück.
Es gibt aber noch etwas, worüber wir sprechen müssen.“
Bernd lag nun seitlich neben mir, hatte sich auf seinen Ellenbogen aufgestützt: „So?
Was denn?“
Ich lächelte ihn verschmitzt an und offenbarte ihm: „Oh, du weißt schon, wenn man so intim und innig zusammen ist, was dann passieren kann?“
Er schaute mich etwas ratlos an, zuckte kurz mit der Schulter, so fuhr ich fort: „Also gut, um es kurz zu machen, unsere leidenschaftliche, wollüstige Affäre, unsere intensive tägliche Stoßerei und impulsive, spritzige Reiberei hat nun auch ihre ganz natürlichen, biologischen Folgen, also ich bin schwanger von dir und freue mich auch darüber, daß deine so reichlich gewährte Saat in mir auf fruchtbaren Boden getroffen ist.“
Bernd atmete tief durch, preßte dann mit großen Augen heraus: „Oh!“
Ich führte aus: „Naja, wir haben nichts weiter unternommen, haben nichts geplant, waren täglich sehr aktiv, du warst von Anfang an sehr großzügig und freigiebig, hast mich mit deinem Sperma geradezu geflutet, ich habe das leidenschaftlich gerne aufgenommen und absorbiert, da ist das nur ein ganz natürlicher Vorgang, wenn sich da über das kurze Vergnügen hinaus dann deutlich mehr daraus entwickelt.“
Bernd schaute noch immer verblüfft.
Es entstand eine kurze Pause.
Dann meinte er unsicher: „Ähm … also … ja … natürlicher Vorgang … schwanger … hmmm mhm …“
Ich lächelte ihn an und hakte nach: „Und was meinst du nun dazu?“
Er rückte vorsichtig an mich heran und gab mir einen ganz sanften, vorsichtigen Kuß, viel viel vorsichtiger und zurückhaltender, als er sonst so bei unserer Zweisamkeit vorging und wir lagen uns glücklich in den Armen …
Ich war glücklich und erleichtert.
Ich hatte ihn wirklich sehr gern.
Und nun entwickelte sich eben mehr daraus.
Das fühlte sich nun sehr gut und richtig an.
Wir hatten eine neue Heimat, ein neues Zuhause.
Wir hatten unser Nest gebaut, unsere Gruppe, unsere Familie gegründet.
Wir waren angekommen.
Nun ging es eigentlich erst richtig los.
Mir kam es jedenfalls so vor, als hätten wir es nun vor uns, das unentdeckte Land: Die Zukunft.
Vertiefte Freundschaft
Bernd hatte nicht angeklopft. Ich hatte einfach nackt unter einer dünnen Decke geschlafen, nach der Grübelei und einer Atemübung zur Entspannung dann auch wirklich gut.
Morgens weckte mich wieder meine inzwischen etablierte Audio-Datei mit ländlicher Geräuschkulisse, gipfelnd in einem Hahnenschrei. Nun, wo wir hier auf Skylla waren, sollte ich das vielleicht doch einmal ändern, nun hatten wir ja reichlich Natur, wenn auch keine Hühner. Da war dieses Artefakt aus der Raumstation dann doch allmählich etwas albern. Vielleicht sollte ich bei den Ais irgendwann einmal nachfragen, ob wir hier nicht auch richtige Hühner haben könnten. Das wäre doch ganz lustig.
Erstmals eigentlich nach der irritierenden Nachricht von Susanne über ihre Beziehung zu Peter hatte ich nun erneut einen Gedanken daran, mich auch einmal wieder etwas anders entspannen zu wollen als mit einer schlichten Atemübung. Ich stand auf und guckte nach der vernachlässigten Kiste mit Spielgeräten und kümmerte mich nun darum, daß die Akkumulatoren aufgeladen wurden. Immerhin war unsere Kolonie gut durchdacht und daher auch kompatibel zu den Anschlüssen auf der Raumstation und im Raumschiff. So paßten auch die Ladegeräte der Spielzeuge gut. Die Geräte hatten unseren Dornröschenschlaf gut überstanden und das Laden klappte problemlos – wenn ich an meine Zeit zurückdachte, lobte ich hier diese Wunder der Technik, da hatte sich definitiv viel verbessert. Aber die Zielrichtung hier war ja auch eine andere. Hier ging es darum, etwas herzustellen und anzubieten, was funktioniert, ressourcenschonend seinen Zweck erfüllt und lange nutzbar ist. Zu meiner Zeit ging es den Konzernen eher darum, in der nächsten Saison oder jedenfalls nach Ablauf von Garantie und Gewährleistung neue Geräte verkaufen zu können. Da gab es keinerlei Interesse daran, langlebige und gut durchdachte Produkte zu entwickeln und anzubieten. Da gab es keinerlei Interesse daran, Ressourcen zu schonen und nachhaltig zu produzieren. Hier hatten wir keinerlei kommerzielle Interessen und die Dinge funktionierten viel besser und länger. Das lag nun nicht notwendig nur an der anderen Interessenlage, wohl auch an den fortgeschrittenen Möglichkeiten, etwas herzustellen.
Würden wir den Standard halten, wenn es in Zukunft deutlich mehr Menschen in der Kolonie geben würde?
Würde es dann doch wieder bergab gehen oder hatten wir das so weit im Griff, weiter nachhaltig zu wirtschaften und auch Spiel und Genuß in guter Qualität und nicht auf Kosten der Umwelt anbieten zu können?
Nachdem die Akkumulatoren der Spielzeuge geladen wurden, schaute ich in meinen Schrank. Den Anzug wollte ich heute nicht mehr tragen. Nun war die Frage, ob ich eher etwas Körperbetontes anziehen sollte, um Bernd etwas zu bieten?
Oder wäre es doch eher angemessen, etwas zurückhaltender aufzutreten?
Ich überlegte kurz, es wäre doch wohl nicht angemessen, Bernd zu provozieren, noch in seinem Anzug steckend konnte er ja nicht viel tun, also sollte ich mich besser zurückhalten und erst einmal in aller Ruhe abwarten. Mit den Spielzeugen hatte ich durchaus eine Alternative, zwar nicht so spannend und lebendig, aber sehr zuverlässig und komplett unter meiner Kontrolle.
So entschied ich mich dann kurzentschlossen für eine unauffällige Ausstattung, Körperkonturen kaum sichtbar, nicht aufdringlich. Ich zog mich also an für unseren kleinen Lauf durch die Gegend. Da konnte ich Bernd ja noch etwas mehr von unserer Insel präsentieren. Ich sann nach.
Hatte er gestern nach mir gesehen, als ich diesen eng sitzenden Anzug wie er trug?
Ich meinte, da schon diesen oder jenen Blick gesehen zu haben, wollte mich da aber noch nicht festlegen, wie das zu interpretieren war. Wenn da was war, würde es sich schon irgendwie ergeben, das mußte ich nun nicht unbedingt vorantreiben. Bernd hatte an diesem ersten Tag so viele neue Eindrücke zu verarbeiten, da sollte ich nicht gleich ein paar Blicke auf mich überbewerten.
Ich verließ also mein Zimmer, klopfte nebenan kurz, wartete etwas, klopfte noch etwas lauter, wartete wieder, öffnete vorsichtig die Tür. Bernd schlief noch friedlich in seinem Bett. So ging ich hinein, setzte mich einfach neben ihm auf das Bett und schaute ein wenig. Das war wirklich ein hübscher Bursche, daß ich schon einräumen mußte, ein wenig Appetit zu haben. Ich genoß noch ein wenig den schönen Anblick, ließ die Gedanken etwas abschweifen, daß es doch eigentlich ganz schön mit ihm sein müßte. Ich wollte die Vergangenheit hinter mir lassen, wenn sie auch mit Peter, Susanne und Melanie jeden Tag wieder vor mir stand. Da könnte Bernd doch erst einmal ganz gut das Gegengewicht der Gegenwart und Zukunft repräsentieren. Auch wenn es nur eine Freundschaft wäre. Susanne und Peter hatten mit ihrer Familie ja genug zu tun, da erschien es mir sinnvoll, eben mehr mit Bernd zu unternehmen, auch ganz harmlose Ausflüge ohne dramatische Hintergedanken.
Bernd regte sich, als ich ihm sanft mit der Hand seine Schulter streichelte und ich wiederholt seinen Namen mit sanfter Stimme aussprach. Dann zuckte er plötzlich, riß die Augen auf, starrte mich an.
Ich versuchte zu beruhigen: „Alles in Ordnung. Ich bin es doch nur. Wollte dich zum Morgenlauf abholen.“
Bernd brummelte, wischte sich die Augen, während ich erst einmal von seiner Schulter abgelassen hatte.
Bernd schaute mich wieder an: „Oh, oh, also kein Traum, ich bin wirklich hier, oder?“
Ich lachte heiter auf, spekulierte dann: „Vor ein paar Minuten hast du vielleicht schon noch geträumt. Ich jedenfalls fühle mich ganz echt. Wird also schon passen. Ich hoffe, ich erscheine dir nicht als Alptraum?“
Bernd schluckte, versicherte dann: „Nein, nein, bestimmt nicht. Du bist sehr nett. Ich seid alle nett zu mir.
Ich, ich brauche wohl nur noch etwas, um das wirklich zu verarbeiten, daß ich nun auf einem anderen Planeten, in einer ganz anderen Zeit lebe.“
Ich koste ihm sanft tröstend die Schulter und führte aus: „Ging mir ähnlich nach meiner ersten Wiederauferstehung, als ich da in dieser eigenartigen Kabine im Raumschiff lag, als plötzlich alles ganz anders war. Wir haben das alle erlebt, mußt du vor uns also nicht verbergen.“
Bernd nickte: „Ja, ja, natürlich.“
Ich strich mit meiner Hand von seiner Schulter hinunter bis zu seiner Hand, faßte sie zärtlich.
Ich fragte: „Und?
Bist du nun langsam entwirrt genug?
Fühlst du dich stark genug für einen Lauf?
Dann fordere ich dich etwas, notfalls zerre ich dich jetzt raus aus dem Bett und dann geht es los!“
Bernd bestätigte: „Ja, geht schon, bin dabei!“
So stand ich auf, bot ihm die Hand, er nahm sie und so zog ich ihn am Arm hoch. Er hatte sich aufgerichtet, dann gedreht. Ich hielt noch immer seine andere Hand, zog ihn lächelnd hoch, ließ ihn los, als er sicher vor mir stand. Wir standen ziemlich dicht zusammen Bernd war etwas verlegen, lachte dann aber, während ich betont respektvoll einen Schritt zurücktrat, um ihm Platz zu lassen, ich lachte dann auch, schaute ihm kurz direkt in die Augen.
Verlegen blickte er zügig zur Seite, meinte dann: „Gut, dann also los!“
Den Anzug mußte er ja noch tragen, so brauchte er kaum weitere Vorbereitung und wir konnten gleich los. Unser Lauf führte uns über einige Wege auf der Insel, so konnte ich ihm schon etwas von der etwas weiteren Umgebung zeigen, bis hinauf zum See, wo ich ihm erklärte, daß man hier auch gut baden könne, während das Meer aufgrund der vielen gelösten Stoffe dafür nicht so optimal sei, wobei es unten am Strand allerdings sehr schön sei. Da Bernd seinen Anzug noch anbehalten mußte, nahmen wir kein Bad, liefen weiter. Unter anderem zeigte ich ihm dann auch den schönsten Sandstrand, aber auch einige weitere schöne Aussichtspunkte. Unterwegs hatten wir einfach Spaß an der Bewegung, wir legten auch ein paar andere Übungen ein, liefen dann weiter, genossen die Landschaft, plauderten auch etwas über die Bedingungen auf Skylla und was hier bereits durch unsere Mission verändert war, wie schlecht es uns hier noch vor zweihundert Jahren ergangen wäre. Nun bewegten wir uns durch eine freundliche Umwelt, die primär noch im Meer etwas von ihrer ursprünglichen Feindlichkeit zeigte, allerdings schon merklich abgeschwächt, denn Anlagen der Ais entzogen dem Meer ja schon seit Jahrzehnten intensiv immer mehr Inhaltsstoffe als Ressourcen und um auch das Meer mit vielfältigerer Vegetation besiedeln zu können.
Nach dem Laufen waren wir dann wieder bei unseren Zimmern, das war schon ganz gut und harmonisch abgelaufen. Ich mochte Bernd und diesem hatte der kleine morgendliche Sport auch ganz gut gefallen.
Ich wollte unter die Dusche.
Da Bernd sich noch nicht so auskannte, wies ich dann lachend darauf hin: „Hey, bei dir kümmert sich ja noch der Anzug um die Körperhygiene, ich werde nun kurz dort duschen, dauert nicht lange.“
Bernd schaute mich kurz an und nickte: „Kein Problem, ich warte einfach.“
Ich lächelte, machte eine Geste zu meinem Zimmer: „Ich sollte wohl erst noch etwas zum Umziehen holen, sonst habe ich ja gleich nichts, muß mich auch erst noch etwas dran gewöhnen, in diesem Bereich nicht allein zu sein …“
Wir lachten beide.
Ich führte weiter aus: „In Ordnung!
Bis gleich, hole dich dann in deinem Zimmer ab, einverstanden?
Frühstück bei Susanne, Peter und Melanie in etwa einer Viertelstunde.“
Er nickte: „Alles klar!
Bis gleich dann!“
Er ging in sein Zimmer, ich in meines, wählte ein anderes Kleidungsstück für den Tag aus und eilte in die Dusche, zog mich eilig aus, duschte kurz, ließ mich auf höchster Stufe trockenpusten, zog dann das ausgewählte, lockere, schlichte Kleidungsstück an, brachte dann den Rest zurück in mein Zimmer. Dann schlenderte ich zu Bernd, holte ihn ab, wonach wir dann hinübergingen. Bernd durfte beim Frühstück nur etwas trinken, aber wir unterhielten uns in der Gruppe immerhin gut und so wurde er gleich integriert, alberte dann auch wieder sehr lieb mit Melanie herum, was ein sehr schöner Anblick war.
Nach dem Frühstück wechselten wir dann in die Arbeitsecke. Ida hatte für Bernd schon Vorschläge vorbereitet, was dieser sich einmal ansehen könnte. Weil Bernd ja dringend etwas über das Schicksal seiner Familie wissen wollte, beauftragten wir Ida mit einer Recherche. Diese wies natürlich gleich darauf hin, daß sie auch aufgrund des langen Zeitabstandes in ihrem Archiv sicher nicht so viel finden würde, auf die Archive der Erde könnte sie ja wegen der Zeitverzögerung praktisch nicht zugreifen. Das verstand Bernd natürlich schon, Ida versprach aber, alles zu versuchen, um doch etwas zu finden.
Ich erklärte ihm derweil die Nutzung der Geräte. Idas Avatar war dann auch bald da und erklärte Bernd ein paar Besonderheiten seiner Erweiterung, beziehungsweise wie er diese effizient nutzen könnte, um auf Daten zuzugreifen. Einerseits konnte Bernd diese Erweiterung wirklich sehr effizient nutzen, weil sie ihm schon in jungen Jahren implantiert worden war, andererseits zeigte sich aber auch, daß er viel auch einfach wie wir erst einmal auf den Monitoren und Geräten las, ansah, anhörte, dann erst später wieder darauf über seine Erweiterung zugreifen würde. Er erläuterte, wenn er das alles erst einmal wirklich gesehen oder gehört habe, könne sein Gehirn diese Erinnerung besser mit den gespeicherten Daten verknüpfen, sie so deutlich besser verwerten. Zwar sei es ihm auch möglich, auf Daten ausschließlich aus seiner Erweiterung zuzugreifen, das sei aber weniger plastisch und lebendig als das direkte Erlebnis mit den Augen oder den Ohren. Einmal erlebt könne er aber gut eine Assoziation mit gespeicherten Daten herstellen, oft helfe das auch mit ähnlichen Informationen. Die reinen digitalen Daten zu unvertrauten Sachverhalten seien allerdings sehr abstrakt und flach, wenig eindrucksvoll, schon für eine Verarbeitung zugänglich, aber es fehle eine emotionale, sensorische Verbindung, eine persönliche Erinnerung.
Nun, um letzteres kümmerten wir uns natürlich gerne, insbesondere Peter und ich halfen ihm bei diversen Sachen, wir unterhielten uns über verschiedene Themen, regten an, schlugen vor, was ihn interessieren könnte, was wichtig sein könnte. Und das direkte Gespräch, unsere Erklärungen und Interpretationen, die direkte Interaktion waren natürlich ein weiterer Vorteil der üblichen Informationsbeschaffung gegenüber dem direkten Abruf der digitalen Information. Bernd hatte allerdings den Vorteil, das relativ schnell effektiv kombinieren zu können. Bevor oder während wir etwas erklärten, auch Visualisierungen zeigten, hatte er die Daten im Speicher und konnte diese so nebenbei manipulieren und so eine eigene Interpretation aufgrund dieser schnellen, groben Bearbeitungen einbringen, entwickelte so zügig einen eigenen Zugang zum Thema und überraschte uns bereits jetzt zu Anfang mit interessanten Beobachtungen.
Das interessierte natürlich auch Susanne, die dann auch wissen wollte, wie er umfangreiche Daten analysiert. Aus dem Gespräch heraus hatte sie dann auch noch Ideen, womit sich Bernd unbedingt beschäftigen sollte, um seine Analysen von Daten zu optimieren und zu verfeinern. Auch das interessierte Bernd, so hatten wir einen weiteren Baustein zu seinem Lehrplan, um den sich Susanne weiter kümmern wollte.
Mittags tat er uns dann etwas leid. Während wir anderen in Köstlichkeiten aus eigenem Anbau der Ais in den Gewächshäusern der Kolonie und vom Feld schwelgen konnten, durfte er nur etwas trinken und auch nur wenige kleine Kostproben vom Mittag zu sich nehmen. Wir achteten aber schon darauf, daß er damit schon einmal ganz besonders schmackhafte Leckereien bekam, was ihn bereits etwas darüber hinwegtrösten sollte, daß er noch darben mußte, ohne allerdings wirklich Hunger oder Durst zu haben, denn noch regelte das ja weitgehend der Anzug. Auf Nachfrage hin gab uns Ida den aktuellen Stand durch, Bernd würde abends schon etwas mehr zu sich nehmen dürfen, dann aber noch über Nacht den Anzug anbehalten. Der Anzug saß zwar perfekt, Bernd war damit aber trotzdem nicht komplett glücklich. Irgendwie rieb er oft und neugierig über das eine Bein, wo es einst die tragische Amputation gegeben hatte. Irgendwie kribbelte die Neugier in ihm, was da wirklich unter dem Anzug war, obwohl er ja seinen gesamten Körper spürte. Susanne sprach ihn kurz darauf an, dem dies etwas unangenehm war. Immerhin bekannte er sich dann zu seiner Unsicherheit und Anspannung darüber, was er dann unter dem Anzug vorfinden würde.
Nun, nach dem Schicksalsschlag konnten wir das gut nachvollziehen. Ich erzählte dann auch davon, daß mich ja ein Auto auf dem Rad erwischt hätte und ich so auch ziemlich angeditscht gewesen sei. Es hätte mich ja so schwer erwischt, daß ich mich nicht einmal richtig an den Unfall erinnert hätte. Ida hätte mir dann erst davon erzählt. Da sei ich natürlich auch besorgt gewesen, was unter meinem Anzug los sei.
Dabei strich ich mir in einer kleinen Pause über den Leib und erläuterte grinsend:
Nachdem der Anzug dann aus gewesen sei, hätte ich mich zu meiner Erleichterung aber persönlich davon überzeugen können, daß alles an seinem Platz sei. Wir lachten alle, Bernd auch, allerdings etwas gequält und noch immer unsicher. Nun, ein paar Stunden mußte er schon noch aushalten.
Nach dem Mittag lernte er erst noch weiter.
Ida unterbreitete dann bereits die Ergebnisse ihrer Recherche. Sie hatte Glück gehabt, denn aus Bernds jüngster Schwester war eine Künstlerin geworden, nicht sehr berühmt, aber doch genug, daß es über sie eine Biographie gab und auch einige Werke in der Datenbank abgebildet waren. So erfuhren wir dann, daß sie über neunzig Jahre alt geworden ist, auch Kinder und Enkel hatte. Bernd schaute sich auch interessiert die Abbildungen an. Spannend wurde es dann besonders bei einem graphischen Werk, deutlich abstrahiert, aber trotzdem war Bernd eindeutig erkennbar, auch der Titel ‚Bruder‘ wies schon darauf hin. Auf der Abbildung erkannte Bernd dann aber auch seine ganze Familie, die jüngste Schwester inzwischen längst erwachsen, seine Eltern schon im Rentenalter. Man hatte sich quasi um die Graphik herum zu einem Familientreffen versammelt. In einem kurzen Artikel war dann auch von Bernds Schicksal die Rede und auch von ihren Bemühungen, jedes Jahr wieder etwas in Erfahrung zu bringen, um ihm doch noch zu helfen, bis dahin vergeblich. Und wie wir ja nun wußten, blieben ihre Bemühungen vergeblich. Bernd mußte tief durchatmen, hatte die Hände an den Monitor gedrückt.
Ich massierte ihm sanft tröstend die Schultern und wies dann darauf hin, daß er nun ja immerhin etwas über ihr Schicksal wisse, sie hätten ihr Leben gelebt und ihn nicht vergessen. Bernd nickte langsam und wortlos, war nachdenklich. Er brauchte weiter etwas Zeit, um das zu verarbeiten, ließ dann erst den Monitor los, nickte dann erneut und war langsam bereit, damit weitgehend abzuschließen.
Ich schlug dann allerdings vor, auch um ihn abzulenken, im Hellen einfach einmal mitzukommen und mit Hildegard etwas Praktisches zu machen. Damit war er gerne einverstanden. Hildegard zeigte uns dann ein paar Sachen im Garten. Heute arbeiteten wir also draußen und machten uns nützlich, halfen Hildegard, den Garten in gutem Zustand zu halten.
Und es war schon sehr schön anzusehen, wie Bernd sich bewegte, wie die Muskeln unter dem Anzug spielten, wie er sich anstrengte und engagiert bei der Sache war. Ich riß mich allerdings zusammen und suchte unauffällig zu bleiben, nicht so interessiert zu schauen. Ich meinte, auch so aus dem Augenwinkel heraus erkannt zu haben, wie Bernd zu mir schaute, wenn er vermutete, ich würde es nicht sehen. Das tat mir gut. Das war nun nicht so eindeutig, mochte schon Interesse bedeuten, es war aber nicht abzuleiten, in welche Richtung das gehen mochte. Das sollte ich wohl einfach einmal ruhig abwarten und nichts weiter provozieren. Und so legte ich Wert darauf, mich nicht besonders auffällig zu exponieren oder gezielt Ansichten zu bieten, die ihn verunsichern oder auch stark anregen mochten. Das wäre ja schon nicht fair gewesen, weil er doch relativ hilflos in dem Anzug steckte, wo er notfalls nicht einmal abends Hand an sich legen konnte, um sich Erleichterung zu verschaffen. Bei der Gartenarbeit jedenfalls legten wir uns dann doch ordentlich ins Zeug, strengten uns an. Das tat auch Bernd gut, lenkte ihn wirklich von seinem Kummer, seiner Vergangenheit ab, half schon etwas dabei, damit abzuschließen, sich im Hier und Jetzt zu finden.
Während Bernds Anzug sich ja automatisch um Schweiß und andere gegebenenfalls austretende Körperflüssigkeiten kümmerte, war ich dann in meinem Eifer ganz durchgeschwitzt, so zogen wir dann gegen Abend wieder los zu unseren Zimmern. Dort angekommen merkte ich dann nebenbei an: „Da hatten wir ja gut zu tun. Das hat mich ja ganz schön erhitzt, aber die körperliche Anstrengung hat auch viel Spaß gemacht, meinst du nicht?“
Bernd stimmte zu: „Auf jeden Fall, das Lernen zuvor und dann diese Arbeit, all das hat meine Gedanken gut abgelenkt, ist ja doch nicht so einfach, so schnell die nicht selbst erlebte Vergangenheit zu akzeptieren. Das war aber insgesamt bislang ein schöner Tag.“
Ich lächelte und erwiderte: „Ist ja noch nicht vorbei. Ida wird dir diesen Abend ja schon etwas mehr zu essen und zu trinken gönnen. Das kannst du auch noch gut auskosten.
Naja, so durchgeschwitzt, wie ich bin, will ich zuvor noch schnell unter die Dusche. Aufgrund deines Anzuges bleibt dir der Spaß heute noch versagt, aber morgen hast du dann schon ganz andere Möglichkeiten, sobald du den Anzug ablegen kannst, der allerdings den Vorteil hat, sich um alles zu kümmern, kannst dich also einfach wohlfühlen darin.“
Bernd meinte jedoch: „Ich werde dann schon erleichtert sein, wenn ich ihn ausziehen darf. Obwohl er gut sitzt, engt er doch etwas ein.“
Ich spitzte den Mund, meinte dann sachlich: „Ja, stimmt, trotz des guten Sitzes kann er in bestimmten Situationen doch schon etwas zu eng sein und Möglichkeiten einschränken. Nunja, in der Geduld, im Warten, in der Sehnsucht liegt ja auch ein ganz eigener Reiz.
Also bis gleich, dauert nicht lange, ich halte mich nicht lange unter der Dusche auf, bin gleich wieder da …“
Ich hatte mich schon zur Tür der Dusche gewendet, winkte nur kurz über die Schulter.
Bernd erwiderte nur: „Ja gut, bis gleich!“
Ich ditschte mir gegen den Kopf, merkte an: „Fast hätte ich schon wieder vergessen, mir erst Sachen herauszuholen, hätte schon komisch werden können, wenn ich dann nackt vor dir über den Flur geflitzt wäre!“
Ich lachte und Bernd stimmte mit ein. So ging ich erst in mein Zimmer, zog mich dort aus, nahm einen Bademantel heraus, drehte dann um. Bernd hatte sich im Flur in einer Sitzecke niedergelassen und schaute hinaus in die Landschaft.
Ich winkte ihm kurz zu, er zurück, dann verschwand ich in der Dusche.
Ich wollte mich unter der Dusche eigentlich beeilen, stimulierte mich aber doch an den Brüsten und im Schoß etwas, Bernds anregenden Anblick ins Gedächtnis zurückrufend. Ich hätte das nun schon zum Abschluß bringen können, wollte aber doch lieber etwas mit Bernd mitfühlen und beendete die Stimulation also vorzeitig. Daher mußte ich dann auch die Temperatur des Wassers ordentlich herunterdrehen, wodurch dann zusätzlich noch ordentlich Blut durch die Haut schoß und für etwas mehr Farbe sorgte.
Nach dem kalten Wasser wärmte mich dann immerhin der Luftstrom des Trockners wieder, nachdem zunächst die Verdunstung des Wassers auf der Haut für ein zusätzliches, heftiges Frösteln gesorgt hatte. So war ich dann gleich ziemlich belebt und aufgedreht, zog mir wieder meinen Bademantel über und stürmte so mit nackten Füßen und halboffenem Bademantel auf den Gang hinaus.
Bernd saß noch immer in der kleinen Sitzecke, blickte zu mir herüber und nickte mir lächelnd zu.
Ich lächelte entspannt zurück, kommentierte nur kurz „Ohoh, bin gleich fertig!“ und zischte weiter in mein Zimmer.
Ich warf mir da eilig nur ein legeres Abendkleid über, durchaus solide und nicht spezifisch anregend, zog einfache Schlappen an und kam so kurz darauf wieder aus meinem Zimmer, winkte Bernd lächelnd zu, er solle mitkommen. Bernd gesellte sich gleich munter zu mir. Und so zogen wir ab zu den anderen zum Abendessen.
Immerhin durfte er diesen Abend schon etwas mehr essen und trinken, so konnte er schon mehr teilhaben als zuvor. Später sahen wir dann noch gemeinsam einen Film, plauderten dann heiter und in guter Laune darüber.
In der Nacht verabschiedeten wir uns dann. Draußen schlug ich Bernd vor, noch eine kleine Runde zu gehen. Er war gerne einverstanden. So spazierten wir los und ich reckte mich und streckte mich, um nach dem Sitzen wieder locker zu werden. Bernd tat es mir gleich, wir lachten beide und schlenderten weiter. Ich lenkte unseren Weg zu einer Bank, wies nur mit einer Geste auf diese und schon saßen wir. Die Bank war groß genug, daher saßen wir gar nicht so dicht.
Um etwas Konversation zu treiben, fragte ich einfach: „Und?
Was meinst du, wie fandest du den Tag?
Wie geht es dir?
Wie fühlst du dich?
Was denkst du?“
Bernd nickte bedächtig, hatte seinen Kopf zu mir gewendet und lächelte mich dann entspannt an.
Er erläuterte: „Das waren viele, intensive, neue Eindrücke. Das war insgesamt ein toller Tag. Ich habe viel erlebt, auch gelernt und getan. Ich habe immerhin etwas über meine Familie erfahren, muß mich nun damit abfinden, akzeptieren. Sie hatten ihr Leben. Was ich über meine kleine Schwester erfahren habe, hört sich sehr erfreulich an. Gut, sie war ja damals noch ein Kind, eine künstlerische, kreative Ader hatte sie da aber auch schon. Schön, daß sie etwas daraus gemacht hat. Und auf dem Photo sah es doch auch gut um meine Familie aus. Meine andere Schwester wirkte auch ganz entspannt, hatte ebenfalls Mann und zwei Kinder dabei. Meine Eltern hatten bis zu dem Photo gute Jahrzehnte. Und die Biographie meiner Schwester gab nun keine Hinweise auf weitere Schicksalsschläge. Da darf ich wohl hoffen, daß es so in Ordnung war, wie man es von einem ganz guten Leben erhoffen darf.
Die Gartenarbeit mit Hildegard und dir war auch ganz schön. Solch praktische Arbeit mit eigenen Händen in der Erde hat mir gutgetan.
Ich habe euch besser kennengelernt und ihr alle seid sehr nett zu mir, daß ich mich bei euch ganz wohlfühle. Melanie ist ein Schatz, ich mag sie sehr. Und Susanne und Peter sind auch sehr nett. Und du bist so aufmerksam zu mir, kümmerst dich so lieb um mich. Ich glaube, bei euch werde ich mich schon ganz wohlfühlen und einleben.
Sollte ich wohl irgendwie, denn was bleibt mir sonst?
Aber das ist euch ja auch so gegangen, da muß ich euch wohl nichts vorjammern. Aber ihr seid da, steht mir bei, das ist nett von euch.
Ich bin dann doch ganz froh, wenn ich morgen aus dem Anzug herauskomme, obwohl er ganz gut sitzt.“
Ich sprach ihm Mut zu: „Wir bekommen das schon alles hin. Du hast gute Möglichkeiten. Du kannst lernen, mit Hildegard, Ida, Esme und Peter zusammen Vegetation gestalten und fördern. Da wir ja im Rahmen unseres Kolonieprojektes noch weitere Einwohner bekommen werden, in ein paar Monaten Kleinkinder, hast du da auch gute Möglichkeiten, weitere kleine Schätzchen zu betreuen, als großer Bruder oder auch Stiefvater zu wirken und dich einzubringen. Es gibt also viel zu tun. Und wir haben es hier doch gut, unsere Kolonie ist schön und friedlich. Und wir werden zusammenhalten, gemeinsam vorankommen.“
Bernd nickte und entgegnete: „Puh, weitere Kinder … das wird schon eine Herausforderung werden. Aber gut, wenn das eine Kolonie werden soll, muß natürlich auch Bevölkerung her!“
Ich erläuterte: „Ja, mit der Zeit werden wir natürlich auch andere Kryo-Zombies hinzuziehen und wiederauferstehen. Aber du merkst es ja selbst, es braucht etwas Zeit, sich einzuleben. Da wären mehrere Neue auf einmal etwas viel für uns, so müssen wir das bei jeder neuen Person immer wieder gut überlegen und uns dann auch drum kümmern, sonst bricht vermutlich Chaos aus, Konflikte entstehen aus Mißverständnissen und Frustrationen, bei denen niemand hilft, weil keiner die seine noch überwunden hat. Also müssen wir langsam vorgehen. Da sind die Kinder die einfachere Option, zudem wir mit diesen für die Kolonie auch eine plausible Altersstruktur aufbauen können.“
Bernd stimmte zu: „Das kann ich gut nachvollziehen. Natürlich bin ich dabei. Ich werde mich schon voll einbringen und tun, was ich kann, um die Kolonie gut zu entwickeln. Und die Möglichkeiten draußen in der Landschaft sind natürlich ungeahnt. Einen ganzen Planeten mit Vegetation besiedeln, planen, gestalten, eventuell schauen, wie man trockene Zonen besser bewässert. Das wird faszinierend!“
Ich lächelte ihn an, klopfte auf seine Schulter, wies auf Charybdis am Himmel: „Zwei Planeten sogar. Es freut mich sehr, daß du so begeistert bis, dich schon jetzt gut mit der Mission identifizieren kannst. Das macht alles viel leichter. Das ist gut. Nunja, wollen es aber erst einmal ruhig angehen. Ein Schritt nach dem anderen. Morgen darfst du dich erstmal vom Anzug trennen, dann bist du ja schon etwas freier. Wir machen das dann nach dem morgendlichen Lauf. Entweder ich helfe dir oder du fragst etwa Ida oder Esme um Hilfe und Anleitung.“
Bernd nickte, meinte dazu: „Ja, das Teil wirkt schon komplizierter, da werde ich Hilfe brauchen können. Du bist mir schon vertrauter als die Ais, an die muß ich mich wirklich noch ein wenig gewöhnen. Wenn du mir also wirklich helfen magst, gerne!“
Ich lächelte, nickte und schlug vor: „Mache ich selbstverständlich und mit Vergnügen. Ich zeige mich auch solidarisch, ziehe meinen Anzug dann zum Laufen an. Danach ich zeige dir, wie man das Teil auszieht, helfe dir.“
Bernd lächelte und entgegnete: „Das ist sehr aufmerksam, sehr nett von dir, danke!“
Ich erwiderte: „Ist doch gar kein Problem. Ist eigentlich gar nicht so schwierig, wenn man es einmal hinbekommen hat. Ich helfe gerne, habe dir ja schon versprochen, ich kümmere mich, lasse dich nicht hängen.“
Bernd bestätigte: „Ich bin dir wirklich sehr dankbar für deine Hilfe!“
Ich überlegte einen Moment, dachte mir, im Sinne der Integration könnte ich schon noch einen Schritt weitergehen.
So hob ich meine Hand und hielt sie ihm hin: „Freundschaft?“
Bernd schaute mich an, lächelte, schlug mit fester Hand ein, dieser männliche, entschlossene Handschlag gefiel mit gut.
Er bestätigte: „Sehr gern, natürlich, ja, Freundschaft!“
Ich schlug dann vor, noch ein Stück weiterzugehen. Und so spazierten wir noch ein wenig, drehten dann aber bald wieder ab zurück zur Kolonie.
So hatten wir einen schönen und entspannten Abschluß für den Tag und standen dann wieder vor unseren Zimmertüren. Wir verabschiedeten uns für die Nacht, der Termin für den Morgenlauf war ja bereits verabredet.
Nachdenklich stand ich dann in meinem Zimmer, hatte die Tür geschlossen und lehnte mich dagegen. Freundschaft also.
War das wirklich das, was ich wollte?
Wollte ich nicht doch etwas mehr herausholen?
Nun, vielleicht würde sich das ja noch so ergeben. Wie würde das ablaufen, wenn ich morgen nach dem Laufen Bernd aus seinem Anzug helfen würde?
So wild wie mit Susanne doch wohl kaum, konnte das aber wirklich nicht abschätzen. Ich hatte mich korrekt verhalten, so gab es also keinen Anlaß, nun bei der Aktion gleich übergriffig zu werden. Nun, ich würde einfach die Entwicklung abwarten und einfach mal erleben, wie sich unsere Freundschaft entwickeln würde.
Ich ging rüber zu meinem Bett, entkleidete mich und warf mich nackt auf dasselbe.
Ich sann weiter nach, auch über Susanne, hatte auch Sehnsucht nach ihr. Es tat immer noch weh, obgleich Bernd schon für etwas Ablenkung gesorgt hatte. Ich stellte mir vor, wie es mit Susanne gewesen war, stimulierte mich dabei ganz automatisch, erregte mich. Dann schweiften meine Gedanken ab. Ich stellte mir auch vor, wie Bernd sein könnte, wie sich sein stattlicher, männlicher Körper anfühlen mochte, wie er sich bewegen würde. Auch das regte mich an. Ich wurde auch sehr unruhig.
Ich brauchte nun doch dringend Entspannung.
Ich entschied mich dann, stand wieder auf und nahm den Vibrator zum Auflegen, alle waren ja inzwischen dank meiner Voraussicht komplett geladen, legte mich wieder hin, schwelgte einerseits weiter in meinen erotischen Phantasien, ließ mich vom Gerät erregen und stimulieren. Bald schon seufzte ich verzückt, atmete sehr schnell, wand mich in meiner Lust. Dann sorgte ich für eine intensive, lustvolle Ekstase mit anschließender Entspannung. Ich überlegte noch, lag noch länger wach, dann versuchte ich es mit einer Atemübung zur weiteren Entspannung. Das wirkte dann endlich und ich schlief ein.
Den nächsten Morgen weckte mich wieder der synthetische Hahnenschrei, den ich noch nicht geändert hatte. Ich lachte, irgendwie etwas albern war das schon, aber ich hatte mich nun schon dran gewöhnt, vielleicht sollte ich es mindestens so lange dabei belassen, wie draußen noch keine echten Hühner ihr akustisches Unwesen trieben.
Mit Schwung stand ich auf, erinnerte mich daran, Bernd zugesagt zu haben, heute auch noch einmal den Anzug zu tragen. So nahm ich ihn heraus, legte ihn an. Der saß wirklich gut. Auf einem Monitor schaute ich mir schmunzelnd mein Konterfei einer Kamera an, drehte mich, posierte ein wenig. Das konnte sich schon durchaus sehenlassen.
Ich vergaß nicht, den Vibrator wieder an seine Ladestation anzuschließen. Der hatte mir gute Dienste erwiesen, ein zuverlässiger Begleiter ohne eigene Ambitionen und Neigungen. Das erleichterte den Umgang schon sehr, die Vorhersagbarkeit und Einfachheit der Funktion ließ aber doch viele Möglichkeiten offen, die man nur mit Menschen würde genießen können.
Mit Schwung ging ich zu Bernd hinüber, der wirklich noch schlief. Ich streichelte wieder sanft seine Schulter, nannte mehrmals mit gut vernehmlicher Stimme seinen Namen, bis er sich dann regte. Bernd war nun auch wach, hatte mich wohl erkannt, lächelte mir zu.
Ich nickte ihm lächelnd zu und wies auf unser verabredetes Vorhaben hin: „Guten Morgen!
Nun los zum Morgenlauf.“
Munter wie ein junges Rehlein war ich auch schon aufgesprungen, zog ihn gleich an seinen Händen ebenfalls hoch und raus aus dem Bett, daß wir etwas verlegen dicht zusammenstanden. Aber das dauerte nicht lange, ich machte nur eine ausladende Geste mit der Hand, dann liefen wir los, ganz freundschaftlich und locker nebeneinander. Ich hatte eine andere Strecke gewählt und konnte ihm so neue Eindrücke vermitteln. Wir machten dann zwischendurch auch wieder ein paar Übungen, wobei auch Bernd Anregungen beisteuerte, die ich gerne aufnahm. Ich achtete aber schon auf die Zeit und hatte diese für unsere Zwecke schon mit Bedacht gekürzt, so daß wir früh wieder in der Kolonie waren, oben vor unseren Zimmern. Bernd mußte ja noch gezeigt werden, wie der Anzug abzulegen ist.
Ich fragte dann bei Ida noch nach: „Ida, meinst du, daß es in Ordnung ist, wenn Bernd nun seinen Anzug ablegt?“
Ida antwortete: „Ja, er ist gesundheitlich auf der Höhe, hat die Wiederauferstehung gut überstanden, sein Puls ist nur leicht erhöht, aber nach eurem Dauerlauf ist das völlig normal. Also ja, er kann den Anzug ablegen. Er braucht aber vielleicht eine Anleitung beim ersten Mal.“
Ich erwiderte dazu bestimmt: „Darum kümmere ich mich gern gleich!“
Ida entgegnete: „Gut. Sonst hätte ich ihm per Monitor eine Anleitung gegeben. Aber so geht es ja auch!
Viel Erfolg dabei!“
Ich entgegnete sachlich: „Kein Problem. Ich habe den Anzug ja schon einige Male aus- und wieder angezogen. Wir kommen schon zurecht.“
Ich bat Bernd, schon einmal in sein Zimmer zu gehen, sich Bademantel und Kleidung aus dem Schrank auszusuchen. Ich verschwand dann auch kurz in meinem Zimmer, holte auch meinen Bademantel, ging dann zurück zu Bernd. Und dann führte ich Bernd vor, was zu tun war. Bernd wurde schon etwas nervöser, als er mitbekam, daß man unter dem Anzug komplett nackt ist.
Ich lachte aber nur und meinte: „Ist doch nichts dabei. Zum einen ist der Anzug sowieso so eng, da sieht man die Körperkonturen doch ohnehin. Zudem habe ich schon nackte Männer gesehen, du nackte Frauen, also kein Grund, daß wir uns nun genieren. Also konzentriert bei der Sache bleiben, nicht albern werden.“
Bernd lachte auch etwas unsicher, war noch immer etwas nervös, konnte meiner Anleitung aber schon ganz gut folgen. So kamen wir dann voran. Und bald schon stand ich nackt vor ihm, posierte aber gar nicht einmal, nahm ohne besondere Eile oder Scham meinen Bademantel, legte ihn an. Da Bernd noch ein paar kleinere Probleme hatte, half ich ihm einfach, bis er es dann auch geschafft hatte. Wie im Anzug schon abzusehen war, hatte er einen attraktiven, jugendlichen, männlichen Körper mit wohlgeformten, aber nicht überproportionierten Muskelpartien. Das gefiel mir schon sehr gut, ich schaute aber nur unauffällig, konnte mir ein genüßliches Lächeln aber nicht ganz verkneifen. Bernd war einstweilen ohnehin mehr damit beschäftigt, seine Beine zu untersuchen. Da gab es aber nicht einmal eine Narbe oder irgendeinen Hinweis auf die Amputation und die spätere Rekonstruktion. Das sah schon alles perfekt und symmetrisch aus, vermutlich perfekter und symmetrischer als je zuvor. Ich lachte und bestätigte, was er ja selber sehen konnte: „Sieht doch prima aus, alles am richtigen Fleck, sehr symmetrisch, ästhetisch, männlich, ich mag es!“
Ich schaute dabei auch schon einmal etwas höher auf sein bloßes Gemächt, welches auch Eindruck machte. Bernd war noch ganz mit seinen Beinen beschäftigt, schaute rundum, meinte dann: „Keine Narben, sogar drei ältere Narben von früher sind weg.
Unglaublich.
Fast als wäre der Unfall im Wald, der Alptraum im Krankenhaus mit der Infektion gar nicht passiert!“
Ich lächelte, konnte doch nicht widerstehen, trat dichter heran, strich sanft mit dem Zeigefinger außen an seinem Oberschenkel entlang. Nun schaute er auch mich an, lächelte ebenfalls, etwas erstaunt.
Ich erwiderte: „In der Konservierung reparieren die Mikroroboterschwärme deutlich mehr als man denkt. Bei mir sind auch sämtliche Narben verschwunden, ist fast alles wie neu, quasi!“
Bernd nickte nur.
Ich reichte ihm seinen Bademantel, half ihm hinein.
Dann wechselten wir in die Dusche. Da gab es nun mehrere Duschköpfe, deutlich separiert, aber keine eigenen Kabinen, also auch hier ein eher offener Umgang.
So zuckte ich einfach die Schultern und meinte: „Ist hier nicht sonderlich getrennt, die Dusche und der Trockner sind technisch aber eine Wucht, macht Spaß!“
So zog ich ganz ungeniert auch schon wieder meinen Bademantel aus, hängte ihn auf, begab mich unter eine Dusche und ließ das warme Wasser rauschen.
Bernd hatte noch etwas gezögert, schaute einen Moment zu mir, ich lächelte vergnügt und entspannt zurück. Dann legte er auch seinen Bademantel ab, stellte sich unter einen Duschkopf. Ich erläuterte kurz die Funktion, dann löste auch Bernd für sich sein prickelndes, nasses, erfrischendes Erlebnis aus und erfreute sich daran.
Ich machte nicht so viel Aufhebens von der Sache, konzentrierte mich vorrangig auf mich, seifte mich dann in einer kleinen Pause auch kurz ein, ohne das nun so zu gestalten, extra für Bernd damit eine Schau abzuliefern. Und zwangsläufig reibt man sich dabei ja intensiver über die Haut, pflegt sich und genießt. Das kann dann schon Eindruck machen.
So aus dem Augenwinkel heraus meinte ich auch schon zu erkennen, daß Bernd durchaus interessiert, aber eher unauffällig durchaus beobachtete. Das erfreute mich schon, nahm das aber nicht zum Anlaß, die Aktion auszudehnen.
Bald spülte ich mich schon wieder unter der Dusche ab, sah dann unauffällig Bernd beim Einseifen zu. Und er gefiel mir natürlich schon ausnehmend, daß ich mich gerade noch zurückhalten konnte, mich zu stimulieren.
Jedenfalls duschten wir ganz brav zu Ende. Ich erläuterte Bernd dann auch die Funktion des Trockners und wir standen lachend im warmen Luftstrom. Dann zogen wir uns erst wieder beide den jeweiligen Bademantel an und dann einzeln zurück auf unsere Zimmer, um uns anzukleiden.
Wir schlenderten dann gemütlich zu den anderen zum Frühstück und kamen pünktlich an.
Und so schwelgten wir dann in einem üppigen und köstlichen Frühstück.
Der Tag verging mit munterer Arbeit, abends saßen wir dann wieder zusammen, diesmal bei einem Gesellschaftsspiel. Zu viert paßte ja ‚Mensch ärgere dich nicht‘ ganz gut, da hatte uns Esme ein Spiel erzeugen lassen und wir hatten viel Spaß und natürlich auch ein wenig gegenseitigen Ärger. Bernd entwickelte einen überraschenden Ehrgeiz und es war eine Lust für mich, ihn ein wenig zu ärgern und zu reizen. Gewinnen konnte ich so nicht, Bernd auch nicht, dafür aber Susanne. So ernst nahmen wir alles das natürlich nicht, so plauderten wir auch auch viel, philosophierten herum und spekulierten über Details unserer Mission und der weiteren Planung.
Nachdem wir uns für die Nacht verabschiedet hatten, schlug ich dann wieder vor, noch ein wenig zu schlendern. Bernd war gerne einverstanden und so drehten wir noch ganz entspannt eine Runde. Wieder zurück in der Kolonie und vor unseren Zimmern wünschten wir uns gegenseitig eine gute Nacht und gingen jeder auf sein Zimmer. Ich lehnte dann wieder an meiner Tür, ließ in Gedanken noch einmal die Eindrücke vom Tag passieren, insbesondere den so stattlichen Bernd nackt unter der Dusche, seufzte, hatte Lust. Ich entkleidete mich, griff mir zwei der Vibratoren, warf mich auf das Bett und stimulierte mich. Die beiden waren zuverlässige Helfer, brachten mich schnell in Fahrt. Ich seufzte und stöhnte bald leicht vor Vergnügen und Verzückung.
Plötzlich klopfte es an der Tür.
Erschrocken stellte ich das gerade benutzte Gerät ab, legte es neben mich ins Bett und rief laut vernehmlich: „Ja?“
Die Tür öffnete sich, Bernds Kopf lugte unsicher um die Türkante. Er schaute, sah mich nackt und stieß hervor: „Oh, tut mir leid, ich … ich … ich …“
Ich winkte ihn aber herein und erwiderte: „Macht doch nichts, komme schon rein, alles im grünen Bereich!“
Ich zog in aller Ruhe meine Decke um meinen nackten Leib, erst dann traute sich Bernd herein. Ich klopfte einfach neben mir auf das Bett. Bernd folgte und setzte sich zögernd.
Ich ermunterte ihn zum Sprechen: „Was gibt es?
Wie kann ich dir helfen?“
Vermutlich hatte er die vergnüglichen Geräte schon gesehen, vielleicht aber nicht auf die Funktion geschlossen, vielleicht aber auch schon, jedenfalls ging er nicht darauf ein.
Er schluckte jedenfalls und führte dann nervös und unsicher aus: „Naja, ich hatte heute so viele interessante, intensive Eindrücke. Da konnte ich einfach noch nicht schlafen, wollte einfach nicht alleine sein, mich noch etwas austauschen, wollte dich aber auch nicht stören …“
Ich versicherte: „Nicht so schlimm, damit kann ich auch später noch fortfahren. Ich bin auch noch ganz munter und noch gar nicht müde. Also keine bange.
Was hat dich heute besonders beeindruckt, was besonders gereizt?“
Bernd atmete tief durch, schluckte und seufzte, meinte dann: „Oh … ähm … also ehrlich gesagt … schon die Dusche heute Morgen.“
Ich lachte kurz auf, grinste ihn an: „Die Technik, die Frische, der schöne, warme Wind?“
Bernd rieb sich nervös über die Schenkel, schaute mich dann direkt an: „Das auch.
… aber … aber vor allem du … geht mir nicht mehr aus dem Kopf, macht mich wahnsinnig!“
Ich tätschelte ihm fürsorglich die Schulter: „Och, so arg hat dir das zugesetzt. Hätte ich das geahnt, hätten wir vielleicht doch getrennt duschen sollen. Aber naja, da wäre mir ja auch etwas entgangen, bist schon ein schmucker Bursche, muß ich schon sagen, hat mir sehr gefallen, was ich da zu sehen bekommen habe …“
Ich grinste ihn schelmisch an, er senkte verlegen den Blick, meinte dann ziemlich leise: „Ohoh, so … oha … ja also …“
Ich zwinkerte ihm zu: „Nun, durch unsere Offenheit haben wir beide schon etwas herausgefunden. Also ich finde dich sehr attraktiv und anziehend und auch so von unserem Umgang her nett und interessant.“
Bernd versicherte: „Das geht mir mit dir auch so. Ich war mir nur so unsicher, wie ich es anstellen soll.“
Ich lachte: „Naja, dafür bist du ja schon ziemlich weit gekommen.
Wie war nun dein Plan, was hattest du vor, als du geklopft hast?“
Bernd zuckte nur etwas hilflos die Schultern, entgegnete: „Wollte erstmal nur bei dir sein.“
Ich ließ einfach mal spontan meine Decke los, die rutschte herab, aber ich hatte Bernd auch schon umarmt und ihm einen zarten Kuß auf die Wange gegeben.
Ich schlug dann flüsternd vor: „Also wenn du Lust hast, könnten wir unsere Freundschaft schon vertiefen. Ich war ohnehin gerade dabei, mich etwas zu entspannen, naja, weil mich der Tag mir dir auch sehr angeregt hat. Aber jetzt, wo du hier bist, doch wohl ebenfalls ganz interessiert und angeregt bist, könnten wir ja gemeinsam eine andere Strategie verfolgen …“
Bernd hatte meine Umarmung erwidert, streichelte zart und vorsichtig meinen Rücken, meinte dann: „Ohohoh … du bist sehr offen, sehr direkt, oha … also … also … ich könnte mir das sehr gut vorstellen … also … mit der Vertiefung unserer Freundschaft …“
Ich stupste mit meiner Nase die seine, entgegnete: „Dann sollte uns nichts weiter verdrießen, dann brauchen wir nicht länger zu zaudern.“
Entschlossen drückte ich meine Lippen auf die seinen und fummelte nebenbei auch schon an seinen Klamotten herum. Erst einmal gab es dann aber eine ziemlich wilde, unkoordinierte Knutscherei und Züngelei, daß es eine erhebliche Freude war. Ich drängte aber weiter, bald standen wir und ich fummelte ihm die Klamotten vom Leib, zog ihn mit mir und auf meinen Leib, zwischen meine Schenkel. So überschlugen sich unsere Aktivitäten, ich spürte sein steifes Glied auf meiner Haut, klammerte mich leidenschaftlich an ihn, genoß diese schöne, junge Männlichkeit.
Erregt und bereit war ich ja schon ohnehin durch meine Spielerei mit den Vibratoren, durch diese unverhoffte Bereicherung des Spiels noch um so mehr, so zauderte ich nicht, nutzte die Chance und intensivierte zügig unsere erquickliche Vertraulichkeit, bis sein Glied fast von selbst in meine Scheide flutschte und darin sein vergnügliches, quirliges Treiben stoßweise vortrug. Blitzartig kam mir in den Sinn, was wir da gerade so leidenschaftlich trieben, so ganz ohne Verhütung. Kurz war ich verunsichert, dann aber ließ ich mich ganz drauf ein, ergab mich dem Gedanken, ja ich wollte einfach nur genießen. Wenn sich mehr daraus entwickeln würde, würde ich es annehmen. Mit dem Gedanken schien sich mein Leib noch einmal zu sensibilisieren, es wurde noch viel intensiver, heftiger, inniger. Diese Aktivitäten und Gefühle brachten uns sehr schnell voran, wir keuchten, stöhnten, schwitzten alles nur so heraus, strebten gemeinsam ungeahnte Höhen an, ließen es dann schießen, pulsen, explodieren, lagen uns dann sehr zufrieden und erleichtert in den Armen und entspannten so langsam von dieser aufwühlenden Aufregung. Das war für mich sehr intensiv, auch schon wegen des Gedankens, daß sich vielleicht daraus etwas entwickeln mochte, was ich nun vorbehaltlos akzeptierte, wobei ich meinen Körper einfach mal machen ließ.
Als er dann so befriedigt neben mir lag, stieß Bernd mit seiner Schulter an die Vibratoren, ruckelte ein wenig herum, bekam einen zu fassen und hielt ihn hoch, schaute mich erstaunt an.
Ich lachte heiter auf und meinte dann: „Naja, ich war ohnehin gerade dabei, meinem Trieb mit den kleinen Helferlein nachzugehen und mich zu vergnügen. Da bist du mir gerade recht gekommen, um das noch erheblich zu intensivieren.“
Er lachte nur und erwiderte: „Ohoh …“
So führte ich ihm dann die Geräte vor, zeigte auch noch andere aus meiner Sammlung, erzählte über die Historie und die Funktionen. Nachdem Bernd dann seine erste Scheu vor den Geräten und dem Gebrauch überwunden hatte, war das für uns beide sehr lustig, wir amüsierten uns köstlich, besonders als ich dann auch begann, die Geräte vorzuführen, wobei er natürlich auch Hand anlegen durfte, um die Wirkung an mir zu erproben, bei einem geeigneten Gerät auch bei ihm. So baute er seine anfängliche Verlegenheit und Scheu sehr schnell ab und wir hatten einfach nur Spaß, regten uns gegenseitig damit ordentlich an, daß der Druck wieder stieg, wir uns abermals in Wollust vereinten und vergnügten, bis wir uns dann wieder der Erlösung hingaben und glücklich und erschöpft aneinandergeschmiegt ruhten.
Bernd war nun nach dem wiederholten Koitus schnell müde, schlief in meinen Armen ein. Sein Atem war so schon wieder ruhig. Ich konzentrierte mich, paßte meinen Atem langsam an, wurde so im Gegentakt auch ruhiger, schlief dann auch bald glücklich und entspannt ein.
Die Weckfunktion kündete mit noch immer nicht geänderter Geräuschkulisse und abschließendem Hahnenschrei den Morgen an. Bernd brummelte etwas, ich rieb und kuschelte mich erst noch kurz an ihn, wurde dann aber munterer, küßte und kitzelte ihn ebenso munter und wir balgten ein wenig und vergnügt herum, bis ich dann zum Morgenlauf forderte. Ich war schon aufgesprungen, zog nur ein loses Kleidchen über, wie daraufhin Bernd vom Bett hoch und fort durch die Tür und dann in sein Zimmer. Ich gab ihm munter eine ähnlich lockere Bekleidung aus seinem Schrank heraus. Noch als er das anzog, gab ich ihm scherzend einen kleinen Schubs und rief lachend: „Fang’ mich!“
Und dann war ich auch schon aus dem Zimmer raus und dann auch gleich draußen, lief langsam los, drehte mich, um zu sehen, ob er folgen würde. Das tat er wirklich und so ging die wilde Jagd barfuß los. Das war hier gut möglich, wenn man nicht gerade in einen scharfen Stein trat. Und es tut den Füßen gut, massiert die Fußsohlen. Ich spurtete also möglichst schnell. Er holte auf. Ich hatte zwar den Vorteil, das Gelände besser zu kennen, er mußte ja aber nur folgen. Immerhin sprang ich an ein paar dafür geeigneten Stellen behende, wo er etwas vorsichtiger war, so ging es dann doch wieder ein Stück weiter, auf dem er mich noch nicht eingeholt hatte. An einer Stelle hätte er mich doch fast erwischt, ich tauchte aber gelenkig ab, er griff ins Leere und stolperte, was ich wieder nutzen konnte, um noch ein Stück weiterzukommen. Schon war der Badesee in Sicht. Munter jauchzte ich, gab volles Tempo, zog auf den letzten Metern schon das Kleid aus und sprang nackt in den See, daß es nur so platschte. Bernd brauchte etwas länger, um sich zu entkleiden, sprang dann lachend hinterher, verfolgte mich. Auch hier war er etwas schneller, aber nicht so viel, so erreichte ich noch ein anderes Ufer mit sonnenbeschienenen, glatten Felsen, wo er mich erwischte, mich kräftig auf einen Felsen drückte und mich entschlossen von hinten nahm, drängend und erfolgreich versuchte, seine trotz des Schwimmens im See noch erheblich stramme Morgenlatte in meiner Scheide zu versenken. Bei diesem Akt war er prickelnd wild und ungebremst, ungezügelt, unkontrolliert, ergoß sich schnell, keuchend und heftig in mich.
Dieser jugendliche Tatendrang war schon etwas ruppig grob, herrlich rücksichtslos männlich dominant. Gegenüber unseren diesbezüglichen Vergnüglichkeiten am Abend hatte er merklich deutlich an Selbstvertrauen und Initiative zugelegt. So war er für mich dann doch etwas zu stürmisch und ungeduldig vorgegangen, das reichte für mich nicht, ließ mich erregt nach vollendeter Kohabitation zurück. Bernd hatte sich aus mir zurückgezogen, lag auf dem Rücken auf dem sonnenbeschienenen, flachen Felsen und atmete schnell und laut.
Ich war schon erheblich erregt durch unsere Aktivitäten und wollte es so nun nicht dabei belassen. Ich drehte mich, stimulierte sein noch nicht schlaffes Glied erst mit den Fingern, dann mit Lippen und Zunge. Immerhin wirkte das, Bernd röchelte noch atemlos, aber schon wieder körperlich bereit. Kurzerhand bestieg nun ich ihn, ließ sein steif erhobenes Glied gänzlich in mich eindringen, genaugenommen war es so kurz nach dem vorherigen Koitus etwas elastischer als beim ersten Akt, was bei dieser Konstellation aber vielleicht sogar vorteilhaft war, denn so konnte ich mich etwas freier bewegen, schnappte mir seine kräftigen Hände, drückte sie neben seinem Kopf auf den Felsen und bewegte mich dann, wie es meine Erregung optimal steigerte.
Bernd wollte erst mit den Händen spielerisch gegenhalten, wäre wohl kräftiger als ich gewesen, hätte gewinnen müssen, aber ich senkte schnell meinen Oberkörper, drückte unsere Hände mit dem ganzen Gewicht nach unten, bis meine Lippen die seinen erreichten, sich darauf preßten, sie schubberten übereinander, dann klemmten meine Zähne und meine Lippen seine Unterlippe ein, während mein Unterleib kreiste, rieb und stieß, ich auch das Becken in eine leicht schwingende Bewegung versetzt hatte, so daß ich stark stimuliert wurde, auch weil ich meine Muskeln entsprechend angezogen hatte. Bernd hatte seine Beine angezogen, suchte aber nicht, mich abzuwerfen, im Gegenteil, so stützte er eher meinen Sitz, stabilisierte meine Bewegungen.
Während nun auch unsere Zungenspitzen ein wildes Spiel spielten, kam ich weiter unten sehr gut voran. Ich verzögerte nichts, hielt mich nicht zurück, stemmte mich dann hoch, ganz aufrecht, krümmte mich zurück, als es dann kam und sich meine ganze Lust in einem wohligen Schrei löste, Wellen der heißen Ekstase aufstiegen. Dieser Aufruhr und Tumult riß dann auch Bernd abermals mit, der dann auch kräftig unter mir zuckte und pulste, was mich weiter anregte und meine Höhepunkt noch intensivierte, verlängerte.
Dann klang es langsam ab, wir entspannten, ich stieg ab von ihm, legte mich atemlos und glücklich neben ihn auf den Felsen. So erholten wir uns einige Minuten, dann meinte ich, es sei Zeit für den Rückweg. Bernd war noch etwas fertig, ich im Grunde auch, so schwammen wir ruhig zurück, zogen am anderen Ufer wieder unsere Sachen an und dann ging es im Dauerlauf zurück zur Kolonie. Dort duschten wir wegen des Bades nur kurz und kamen so nur leicht verspätet zum Frühstück bei den anderen an. Allerdings hatten wir beide ein breites, sehr zufriedenes Grinsen im Gesicht.
Susanne schaute mich leicht schräg von der Seite an, ich nickte nur wortlos lächelnd.
Später, als wir schon wieder bei der Arbeit waren, nahm mich Susanne dann beiseite und fragte: „Sage mal, hast du ihn etwa vernascht?
Ich kenne doch deinen Gesichtsausdruck, da ist doch was gelaufen?“
Ich schaute sie lächelnd an, was sich aber mehr und mehr zu einem breiten Grinsen entwickelte.
Dann erwiderte ich: „Öhm, also hat sich so entwickelt. Abends stand er in meinem Zimmer, naja, hat mich überrascht, als ich mich selbst stimuliert habe und daher schon deutlich erregt war. Da kam er mir gerade zur richtigen Zeit. Auch er hatte wohl eine Menge Druck und nach dem Verlauf der Dinge hatte ich dann irgendwie ja auch das Bedürfnis, mich auszutoben, sozusagen Kompensation, da habe ich ihm vorgeschlagen, unsere Freundschaft ohne weiteres Zaudern zu vertiefen. Das haben wir dann eben ausgiebig vollzogen und dabei sehr intensiv genossen, eindringlich vertieft. Das haben wir dann eben beim Morgenlauf noch einmal fortgesetzt. Ich bin überzeugt, es läuft sehr gut, um nicht zu sagen äußerst befriedigend für uns beide.
Ich hoffe jedenfalls, daß wir das nun fortsetzen werden!
Also keineswegs Verführung, wir haben uns einfach beide nach Nähe gesehnt, uns kurz unterhalten, schnell geeinigt und sind dann leidenschaftlich und wild zur Tat geschritten, nachdem geklärt war, daß wir beide Lust aufeinander haben. Und ich kann dir sagen, es ist ein prächtiger, wilder, ungezähmter Hengst mit einem sagenhaften Gemächt, welches mich sehr erfüllt hat.“
Susanne verzog das Gesicht, schüttelte den Kopf: „Du bist mir etwas unheimlich, so entschlossen. Bekommst du immer, was du willst?“
Ich legte den Kopf etwas schräg: „Hmmm, also eigentlich wollte ich dich. Aber ich habe akzeptiert, daß du nun mit Peter zusammen eine Familie hast. Du bist doch glücklich mit ihm, da kannst du mir meinen stolzen, wilden, potenten Hengst schon gönnen!“
Susanne kritisierte: „Du könntest schon etwas respektvoller von ihm reden!“
Ich nickte: „Hast ja Recht, aber irgendwie mußte der Frust auch raus, daß ihr mich so vor vollendete Tatsachen gestellt habt. Und Bernd ist wirklich ein guter Junge. Ich mag ihn und es wird gut funktionieren. Ich weiß nicht, wie lange wir uns einig sind, insbesondere wenn andere ehemalige Kryo-Zombies hinzukommen, aber erst einmal können wir doch vorbehaltlos genießen, daß wir gut harmonieren.
Ich vermute nicht, daß du mal für ein paar Experimente tauschen würdest, von daher bleibt es wohl erst einmal bei der jetzigen Konstellation.“
Susanne kratzte sich am Kopf, schüttelte dann denselben: „Was du für Ideen hast. Also nein, ich habe mit Peter genug. Und naja, Melanie fordert ganz schön. Und auch der kleine Wurm macht sich bereits bemerkbar. Nachdem es hinsichtlich inniger Zweisamkeit zwischen mir und Peter schon nicht so gut lief, als ich mit Melanie schwanger war, fühle ich nun wieder Unwohlsein. Nach unserem kleinen Zwischenhoch habe ich nun wohl erst wieder einige Monate andere Sorgen.“
Ich nahm sie in den Arm, suchte zu trösten: „Du armes Knuffelchen. Nunja, auch dieses kleine Würmchen wirst du zu gleicher Pracht wie Melanie bringen, da habe ich gar keine Zweifel. Und dann erholst du dich. Rechtzeitig sollten wir dann wohl mit den Ais über Verhütung diskutieren, dann könnt ihr dann auch wieder bedenkenlos und lustvoll aufeinander eingehen und ineinander aufgehen und dann planen, ob oder wann ihr noch ein weiteres Kind möchtet. Und du kannst dich trotzdem ganz sorglos von der Schwangerschaft gründlich erholen.“
Susanne umarmte mich auch, sprach leise: „Lieb von dir, bin dir wegen Bernd nicht böse, gut, es bewegt mich schon, euch so zu sehen, aber du hast ja Recht, auch mit deinem Frust, wie sich das entwickelt hat. Da ist es dann auch wieder gut zu sehen, daß du dich wie erhofft mit Bernd so ausgezeichnet verstehst.
Und mit der Verhütung hast du auch Recht. Ich glaube, nach diesem Würmchen haben wir uns eine leidenschaftliche Pause durchaus verdient. Wie ist das eigentlich bei dir?
Wie regelst du das nun?“
Ich lachte leise und kurz, entgegnete dann: „Naja, ganz ehrlich gesagt, als ich dich mit Melanie so gesehen habe, euer Glück zu dritt, auch diese stimmige Befindlichkeit mit deiner jetzigen Schwangerschaft, da hast du mich irgendwie angesteckt. Ich hatte auch solch eine Lust auf ein eigenes. Da habe ich gar nichts unternommen.“
Susanne zog mich enger an sich, flüsterte zurück: „Ein wenig durchgeknallt bis du schon, oder?
Oder vermute ich das falsch?
Hast du das etwa auch sachlich mit Bernd ausdiskutiert bei eurer Vereinbarung der erweiterten, intensivierten, vertieften Freundschaft?“
Ich lachte und grinste: „Ich habe das mal sogleich bei der Intensivierung und Vertiefung einfach subsummiert und impliziert. Wie Männer eben so sind, gefragt hat er nach Verhütung auch nicht. Und wenn du jetzt nichts ausplauderst, wird er das wohl auch nicht und ich schwelge weiter einfach im Genuß und wir werden sehen, wie sich das entwickelt.
Erst als wir schon zusammen waren, ist es mir durch den Kopf gegangen. Und dann war sein Orgasmus, seine Ejakulation in mir viel intensiver, als ich mich darauf eingelassen habe, als ich es zugelassen habe, mich ergeben habe, als ich plötzlich von ihm schwanger werden wollte und auch noch will. Ich will es in vollen Zügen genießen, in mich aufnehmen, ohne Hindernisse und Schranken aufsaugen, aufnehmen, schwelgen, es sich entwickeln lassen. Ich weiß ja gar nicht, ob das wirklich so einfach Folgen haben will. Ich will es einfach auskosten, wenn es klappt, ist es toll, wenn nicht, haben wir einfach nur eine Menge unbeschwerten Spaß zu zweit, auch nicht verkehrt.
Wie war das bei dir?
War das auch intensiver, als du wußtest, daß du von dem Akt schwanger werden könntest?“
Susanne erwiderte: „Du bist wirklich unglaublich!
Aber gut, also bei uns war das so, wir waren irgendwie so hin und weg, so fasziniert, so verliebt, da habe ich da erst gar nicht dran gedacht, war komplett ausgeblendet im Rausch der Sinne. Ich habe erst gar nichts davon mitbekommen, daß ich bereits schwanger war. So bewußt habe ich das gar nicht erlebt, aber durch unsere Vertrautheit, unsere Liebe war es sehr intensiv, war es mit dir übrigens auch.
Und nunja, beim zweiten habe ich dumme Nuß auch gar nicht dran gedacht. Ich war nur so glücklich und erleichtert, wieder genießen zu können, mich wieder ganz fallenlassen zu können, wieder ganz und innig mit Peter zusammen zu sein. Und da ist es dann gleich wieder passiert. Nunja, ich mag mein kleines Würmchen, trotz der kleinen Beschwerden und Komplikationen freue ich mich sehr darauf.
Und wenn du wirklich schwanger werden willst, so gönne ich es dir. Und ich schweige darüber. Das mußt du dann schon mit Bernd ausmachen. Mein Rat wäre, besser früher als später. Wer weiß, wie er darauf reagiert.“
Ich gab ihr einen Kuß auf die Wange, entgegnete dann: „Ach, das wird sich schon geben, da bin ich mal ganz grundlos optimistisch!“
Wir lachten beiden und machten uns wieder an unsere Arbeiten.
Dezent schaute ich dann auch mal in meine persönlichen medizinischen Daten, zog schriftlich Esme hinzu, um bei der Interpretation zu helfen. Da ich den Anzug ja fast nicht mehr trug, nur noch solch ein kleines Teil als Armband, waren die Ergebnisse nicht sehr detailliert. Da ich aber gerade am Morgen den Anzug getragen hatte, hatten wir immerhin über die kurze Zeit detaillierte Daten. Ich kam dann mit Esme zu dem Schluß, daß ich Bernd die nächsten Tage auf jeden Fall fordern sollte, um die Chancen zu erhöhen, daß sich da etwas entwickeln könnte. Auch jetzt stand es eigentlich so schlecht nicht. Aber da es ohnehin ein sehr intensives Erlebnis mit Bernd war und ich meinen stolzen, wilden Hengst auch noch etwas einfangen und zähmen wollte, hatte ich so oder so Lust auf mehr davon. Von daher schon paßte das zusammen.
Vielleicht aber hatte ich auch nur so viel Lust, weil ich körperlich bereit war?
Und wieder war das die Frage, was eigentlich bewußt war und was längst entschieden, bevor man davon Kenntnis hatte. Mein Körper wußte längst um den Sachverhalt, und erst also wir schon aktiv waren, war es mir blitzartig durch den Kopf geschossen, daß es nun ernst werden konnte. Und nun zeigten die Daten, daß der Körper längst reagiert und entschieden hatte, es wollte, danach gierte. Das faszinierte mich irgendwie. Einerseits fühlte ich mich gar nicht so getrieben allein von meinen Trieben, andererseits mußte ich aber schon einräumen, das mein Bewußtsein da längst nicht alles unter Kontrolle gehabt hatte und nun einfach mal enthusiastisch die Führung zu übernehmen schien und Entschlossenheit demonstrierte.
Wir hatten dann auch weiterhin, eher mehrmals täglich intensiven Sex. Nachdem er beim ersten Mal ja eher harmlos war, wurde er dann deutlich entschlossener, dominanter. Ich hielt natürlich entschieden dagegen, genoß es aber auch, ihn einfach mal machen zu lassen, nicht alles zu entwickeln, zu planen, vorzubereiten, unter Kontrolle zu behalten. Es war nicht so einfach, Bernds ungezähmte Wildheit im Zaum zu halten, einerseits sollte er sich ja austoben, andererseits wollte ich das natürlich auch, so war es dann ein Geduldsspiel, das aufeinander abzustimmen, Bernd so ganz nebenbei etwas anzueignen, was jedenfalls mir ganz angenehm war, was mich stimulierte, daß wir beide intensiv und erschöpfend genießen konnten. Das klappte dann auch immer besser, ohne daß Bernd wirklich das Gefühl hatte, von mir belehrt zu werden, so war das ja auch gar nicht gemeint. Er ging dann darauf ein, vielleicht nicht einmal bewußt, allein schon deswegen, weil mit mehr Flexibilität und dem Eingehen aufeinander das Erlebnis ja auch noch erquicklicher, erfreulicher wurde, mehr wurde als das Abreagieren eines wilden Triebes. Ich genoß aber auch seine etwas rohe Wildheit, wollte das auch nicht zu sehr zähmen. Irgendwie ist es ja auch ein Kompliment, wenn er so ungezügelt auf mich abfährt. Es lief also wirklich gut mit uns beiden.
So war ich dann bei Peter, Susanne und Melanie und ihrem noch entstehenden Würmchen nicht mehr das fünfte Rad am Wagen, sondern erreichte mit Bernd eine eigene intime, traute Zweisamkeit, auch das half uns allen, uns zu entspannen und gut miteinander auszukommen.
Mit Esme prüfte ich immer wieder meine Vitaldaten. Und bald konnten wir feststellen, daß die wilde Stoßerei mit Bernd bei mir wirklich Folgen hatte. Ich war schwanger. Dies teilte ich zunächst allerdings mit Susanne, die sich für mich sehr freute, wir lagen uns in den Armen. Da Peter ohnehin gerade mit Melanie beschäftigt war, meldeten wir uns bei den beiden und bei Bernd kurzentschlossen ab, um einen kleinen Spaziergang zu machen. Der führte uns dann zum Stand, wo wir bald entspannt zusammen lagen. Ich fühlte schon einmal zärtlich und sanft nach Susannes Würmchen, dann lagen wir zusammen und waren glücklich mit unserer Situation. Susanne schlug dann erneut vor, ich sollte Bernd von meiner Schwangerschaft erzählen. Ich zögerte da noch etwas, wollte noch etwas Zeit haben, bis sich die Lage stabilisiert hatte, bis es sicher war, daß es sich weiter entwickeln würde. Das konnte Susanne gut nachvollziehen. So hatten wir dann erst einmal unser kleines Geheimnis, kehrten dann bald zurück und arbeiteten dann mit den anderen weiter. Irgendwie verband uns das nun wieder enger miteinander, wenn auch auf deutlich anderer Ebene. Wir hatten uns ganz versöhnt, waren über den Tiefpunkt deutlich hinweg und erfreuten uns nun zunehmend daran, unsere Schwangerschaft gemeinsam zu erleben und uns darüber auszutauschen.
Als mir die Entwicklung weit genug fortgeschritten erschien, war es dann Zeit, mit Bernd zu reden. Ich hatte seinen Enthusiasmus bereits hinsichtlich der Heftigkeit, nicht hinsichtlich der Häufigkeit gemäßigt. Mir ging es körperlich hervorragend, kein Anzeichen von Übelkeit, keine nennenswerten Begleiterscheinungen. Esme und Hildegard hatten ohnehin ja schon für Susanne das Essen hinsichtlich der Schwangerschaft optimiert, so fiel das gar nicht weiter auf, daß das nun auch für mich ideal war.
Dann also setzte ich meinen Plan um, ließ Bernd sich erst einmal ordentlich austoben, regte ihn dann noch weiter an, bestieg den noch keuchend schnaufenden Burschen dann gleich, um ihn richtig fertigzumachen.
Als wir dann so völlig erfüllt, ausgelaugt und befriedigt nebeneinanderlagen, allmählich entspannten, merkte ich dann nur so nebenbei an: „Oh, da ist noch etwas, worüber wir mal reden müssen …“
Bernd schaute mich von der Seite an, runzelte die Stirn: „Läuft etwas falsch?
Du bist doch eben noch so heftig dabeigewesen, irgendein Problem?“
Ich lachte und erwiderte: „Nein, bestimmt nicht. Nachdem es zunächst etwas gehakt hat, sind wir inzwischen doch ganz harmonisch und gleichberechtigt bei der Sache, das gefällt mir so sehr, dir hoffentlich auch?“
Bernd bestätigte: „Ja, mußten uns erst einmal aneinander gewöhnen. Durch dich bin ich da auch entspannter, flexibler geworden. Naja, wir sind ja eigentlich immer und häufig füreinander da. Das gibt mir auch mehr Sicherheit. Früher war das immer alles so flüchtig und ungewiß, so hektisch. So ist es richtig gut. Du bist selbstbewußter, entschlossener, aktiver dabei, als ich dachte, aber das hat seinen ganz eigenen Reiz, den ich sehr zu schätzen gelernt habe.“
Ich grinste: „Hmmm, ja etwas wild, schnell und ungestüm warst du mir anfangs auch, hat mich aber auch fasziniert und mitgerissen. Ich meine, so wie wir es jetzt hinbekommen haben, paßt es schon und wir finden ja doch auch immer noch mehr, was wir variieren und probieren könnten. Wir haben beide gerne intensiv und häufig Sex, toben uns gerne miteinander aus.“
Er entgegnete nach einem Lachen: „Stimmt, ich bin auch viel sicherer und lockerer dabei geworden. Ich glaube, ich war anfangs etwas unsicher, ungeduldig, ungezügelt, weil ich da irgendwie das Gefühl hatte, mehr Kontrolle haben zu müssen. Irgendwie wollte ich nicht wie ein kleiner Bube, ein Knabe erscheinen, schon wie ein ganzer Kerl, der weiß, wo es langgeht und was er will. Es hat sich dann ja aber schnell herausgestellt, daß es gar nicht darum geht, viel zu kontrollieren, weil wir uns doch ganz gut verstehen und uns aufeinander verlassen können. So überzeugt mich dann leicht, was wir so ausprobieren.
Auch mit deinen Spielgeräten haben wir ja reichlich herumprobiert und viel Spaß gehabt. Früher hätten mich solche Geräte sicher eher verunsichert, sie hätten irgendwie meine Männlichkeit bedroht, aber so mit dir bin ich da inzwischen ganz aufgeschlossen, interessiert und entspannt im Umgang, sie sind eine echte Bereicherung.“
Ich stieß ihm sanft in die Seite, meinte dann: „Gut, daß ich da sozusagen gleich deine Ansicht ändern konnte. So haben wir ja viel mehr Möglichkeiten des Vergnügens und der innigen Zweisamkeit.
Es gibt aber noch etwas, worüber wir sprechen müssen.“
Bernd lag nun seitlich neben mir, hatte sich auf seinen Ellenbogen aufgestützt: „So?
Was denn?“
Ich lächelte ihn verschmitzt an und offenbarte ihm: „Oh, du weißt schon, wenn man so intim und innig zusammen ist, was dann passieren kann?“
Er schaute mich etwas ratlos an, zuckte kurz mit der Schulter, so fuhr ich fort: „Also gut, um es kurz zu machen, unsere so innig vertiefte Freundschaft hat nun auch tief in mir gewisse Folgen, also ich bin schwanger von dir und freue mich auch darüber, daß deine so reichlich gewährte Saat in mir auf fruchtbaren Boden getroffen ist.“
Bernd atmete tief durch, preßte dann mit großen Augen heraus: „Oh!“
Ich führte aus: „Naja, wir haben nichts weiter unternommen, haben nichts geplant, waren täglich sehr aktiv, du warst von Anfang an sehr großzügig und freigiebig, ich habe das leidenschaftlich gerne aufgenommen und absorbiert, da ist das nur ein ganz natürlicher Vorgang, wenn sich da über das kurze Vergnügen hinaus dann deutlich mehr daraus entwickelt.“
Bernd schaute noch immer verblüfft.
Es entstand eine kurze Pause.
Dann meinte er unsicher: „Ähm … also … ja … natürlicher Vorgang … schwanger … hmmm mhm …“
Ich lächelte ihn an und hakte nach: „Und was meinst du nun dazu?“
Er rückte vorsichtig an mich heran und gab mir einen ganz sanften, vorsichtigen Kuß, viel viel vorsichtiger und zurückhaltender, als er sonst so bei unserer Zweisamkeit vorging und wir lagen uns glücklich in den Armen …
Ich war glücklich und erleichtert.
Ich hatte ihn wirklich sehr gern.
Und nun entwickelte sich eben mehr daraus.
Das fühlte sich nun sehr gut und richtig an.
Wir hatten eine neue Heimat, ein neues Zuhause.
Wir hatten unser Nest gebaut, unsere Gruppe, unsere Familie gegründet.
Wir waren angekommen.
Nun ging es eigentlich erst richtig los.
Mir kam es jedenfalls so vor, als hätten wir es nun vor uns, das unentdeckte Land: Die Zukunft.
Erst so, dann so
Bernd hatte nicht angeklopft. Ich hatte einfach nackt unter einer dünnen Decke geschlafen, nach der Grübelei und einer Atemübung zur Entspannung dann auch wirklich gut.
Morgens weckte mich wieder meine inzwischen etablierte Audio-Datei mit ländlicher Geräuschkulisse, gipfelnd in einem Hahnenschrei. Nun, wo wir hier auf Skylla waren, sollte ich das vielleicht doch einmal ändern, nun hatten wir ja reichlich Natur, wenn auch keine Hühner. Da war dieses Artefakt von der Raumstation dann doch allmählich etwas albern. Vielleicht sollte ich bei den Ais irgendwann einmal nachfragen, ob wir hier nicht auch richtige Hühner haben könnten. Das wäre doch ganz lustig. An die vegetarische Kost der Ais hatte ich mich gut gewöhnt, da würde ich die Hühner auch nicht gleich in die Pfanne hauen.
Susannes Entscheidung für Peter machte mir immer noch zu schaffen. Und Bernd hatte mich davon nur so zwischendurch abgelenkt. Ich konnte mich aber einfach nicht darauf konzentrieren, in ihm eine Lösung für mich zu sehen. Ich war immer noch unzufrieden und frustriert.
Würde daran Entspannung etwas ändern?
Ich hatte meine Zweifel, raffte mich aber doch auf, riß mich zusammen und zog in Erwägung, daß sich ja vielleicht doch etwas lockern würde, wenn es mir gelang, mich wenigstens körperlich zu entspannen, wenigstens alleine für mich, dann bei Bedarf eben auch mit technischer Hilfe. So stand ich auf und guckte etwas mißmutig nach der vernachlässigten Kiste mit Spielgeräten und kümmerte mich nun etwas lustlos darum, daß die Akkumulatoren aufgeladen wurden. Immerhin war unsere Kolonie gut durchdacht und daher auch kompatibel zu den Anschlüssen auf der Raumstation und im Raumschiff. So paßten auch die Ladegeräte der Spielzeuge gut. Die Geräte hatten unseren Dornröschenschlaf gut überstanden und das Laden klappte problemlos – wenn ich an meine Zeit zurückdachte, lobte ich hier diese Wunder der Technik, da hatte sich definitiv viel verbessert. Aber die Zielrichtung hier war ja auch eine andere. Hier ging es darum, etwas herzustellen und anzubieten, was funktioniert, ressourcenschonend seinen Zweck erfüllt und lange nutzbar ist. Zu meiner Zeit ging es den Konzernen eher darum, in der nächsten Saison oder jedenfalls nach Ablauf von Garantie und Gewährleistung neue Geräte verkaufen zu können. Da gab es keinerlei Interesse daran, langlebige und gut durchdachte Produkte zu entwickeln und anzubieten. Da gab es keinerlei Interesse daran, Ressourcen zu schonen und nachhaltig zu produzieren. Hier hatten wir keinerlei kommerzielle Interessen und die Dinge funktionierten viel besser und länger. Das lag nun nicht notwendig nur an der anderen Interessenlage, wohl auch an den fortgeschrittenen Möglichkeiten, etwas herzustellen.
Würden wir den Standard halten, wenn es in Zukunft deutlich mehr Menschen in der Kolonie geben würde?
Würde es dann doch wieder bergab gehen oder hatten wir das so weit im Griff, weiter nachhaltig zu wirtschaften und auch Spiel und Genuß in guter Qualität und nicht auf Kosten der Umwelt anbieten zu können?
Nachdem die Akkumulatoren der Spielzeuge geladen wurden, schaute ich in meinen Schrank. Den Anzug wollte ich heute nicht mehr tragen. Ich wählte ohne Zögern eine schlichte, praktische, unauffällige Bekleidung aus, einfach eine bequeme Hose, ein bequemes, luftiges Oberteil. Ich hoffte, damit schon einmal für einen gewissen Ausgleich des Wohlfühlens zu sorgen. Zudem eignete sich die Kombination zusammen mit bequemen Schuhen gut für das Laufen draußen. Ich zog mich also passend an für unseren kleinen Lauf durch die Gegend. Da konnte ich Bernd ja noch etwas mehr von unserer Insel präsentieren und mich gleichzeitig durch Plauderei in schöner Landschaft bei gleichzeitig sportlicher Aktivität ablenken.
Ich sann nach.
Wie stand es um Bernd?
Hatte er gestern nach mir gesehen, als ich diesen eng sitzenden Anzug wie er trug?
Ich meinte, da schon diesen oder jenen Blick gesehen zu haben, wollte mich da aber noch nicht festlegen, wie das zu interpretieren war. Wenn da was war, würde ich das nun nicht unbedingt vorantreiben. Bernd hatte an diesem ersten Tag so viele neue Eindrücke zu verarbeiten, da sollte ich nicht gleich ein paar Blicke auf mich überbewerten. Und wenn er was wollte, so würde ich es schließlich schon erfahren und würde dann entscheiden, wie ich dazu stehen würde.
Ich verließ also mein Zimmer, klopfte nebenan kurz, wartete etwas, klopfte noch etwas lauter, wartete wieder, öffnete vorsichtig die Tür. Bernd schlief noch friedlich in seinem Bett. So ging ich hinein, setzte mich einfach neben ihm auf das Bett und schaute ein wenig. Das war wirklich ein hübscher Bursche, so unvoreingenommen und ohne meine Vorgeschichte hätte ich vielleicht schon etwas Appetit auf ihn bekommen können. Ich genoß noch ein wenig den schönen Anblick, ließ die Gedanken etwas abschweifen, daß gemeinsame Unternehmungen doch eigentlich ganz schön mit ihm sein müßten. Ich wollte die Vergangenheit hinter mir lassen, wenn sie auch mit Peter, Susanne und Melanie jeden Tag wieder vor mir stand. Da könnte Bernd doch erst einmal ganz gut das Gegengewicht der Gegenwart und Zukunft repräsentieren. Auch wenn es nur eine Freundschaft wäre. Susanne und Peter hatten mit ihrer Familie ja genug zu tun, da erschien es mir sinnvoll, eben mehr mit Bernd zu unternehmen, auch ganz harmlose Ausflüge ohne dramatische Hintergedanken.
Und bereits jetzt so in der Gruppe ergab sich mit Bernd schon eine deutlich andere Konstellation, da war eben nicht nur die Familie auf der einen Seite, ich auf der anderen. Mit Bernd hatten wir nun eine weitere Person in unser soziales Geflecht gebracht, wir wollten uns alle um ihn und seine Ausbildung kümmern, damit er sich hier gut einleben konnte. Allein das ergab für uns alle bereits eine Möglichkeit für einen Neuanfang unter veränderten Bedingungen. Die Phase der Konfrontation war damit abgeschlossen.
Bernd regte sich, als ich ihm sanft mit der Hand seine Schulter streichelte und ich wiederholt seinen Namen mit sanfter Stimme aussprach. Dann zuckte er plötzlich, riß die Augen auf, starrte mich an.
Ich versuchte zu beruhigen: „Alles in Ordnung. Ich bin es doch nur. Wollte dich zum Morgenlauf abholen.“
Bernd brummelte, wischte sich die Augen, während ich erst einmal von seiner Schulter abgelassen hatte.
Bernd schaute mich wieder an: „Oh, oh, also kein Traum, ich bin wirklich hier, oder?“
Ich lachte heiter auf, spekulierte dann: „Vor ein paar Minuten hast du vielleicht schon noch geträumt. Ich jedenfalls fühle mich ganz echt. Wird also schon passen. Ich hoffe, ich erscheine dir nicht als Alptraum?“
Bernd schluckte, versicherte dann: „Nein, nein, bestimmt nicht. Du bist sehr nett. Ich seid alle nett zu mir.
Ich, ich brauche wohl nur noch etwas, um das wirklich zu verarbeiten, daß ich nun auf einem anderen Planeten, in einer ganz anderen Zeit lebe.“
Ich führte tröstend aus: „Ging mir ähnlich nach meiner ersten Wiederauferstehung, als ich da in dieser eigenartigen Kabine im Raumschiff lag, als plötzlich alles ganz anders war. Wir haben das alle erlebt, mußt du vor uns also nicht verbergen.“
Bernd nickte: „Ja, ja, natürlich.“
Ich fragte: „Und?
Bist du nun langsam entwirrt genug?
Fühlst du dich stark genug für einen Lauf?
Dann fordere ich dich etwas, oder soll ich dir aus dem Bett helfen?“
Bernd bestätigte: „Nein, nicht notwendig, bin schon voll da, geht schon, bin dabei!“
So stand ich auf, ging bereits zur Tür, drehte mich zu ihm um. Bernd war aufgestanden, reckte sich etwas, machte ein paar Dehnübungen, gähnte noch etwas, daß ich schmunzeln mußte. Er sah das, lächelte mich ebenfalls an.
Dann meinte er: „Gut, dann also los!“
Den Anzug mußte er ja noch tragen, so brauchte er kaum weitere Vorbereitung und wir konnten gleich los. Unser Lauf führte uns über einige Wege auf der Insel, so konnte ich ihm schon etwas von der etwas weiteren Umgebung zeigen, bis hinauf zum See, wo ich ihm erklärte, daß man hier auch gut baden könne, während das Meer aufgrund der vielen gelösten Stoffe dafür nicht so optimal sei, wobei es unten am Strand allerdings sehr schön sei. Da Bernd seinen Anzug noch anbehalten mußte, nahmen wir kein Bad, liefen weiter. Unter anderem zeigte ich ihm dann auch den schönsten Sandstrand, aber auch einige weitere schöne Aussichtspunkte. Unterwegs hatten wir einfach Spaß an der Bewegung, wir legten auch ein paar andere Übungen ein, liefen dann weiter, genossen die Landschaft, plauderten auch etwas über die Bedingungen auf Skylla und was hier bereits durch unsere Mission verändert war, wie schlecht es uns hier noch vor zweihundert Jahren ergangen wäre. Nun bewegten wir uns durch eine freundliche Umwelt, die primär noch im Meer etwas von ihrer ursprünglichen Feindlichkeit zeigte, allerdings schon merklich abgeschwächt, denn Anlagen der Ais entzogen dem Meer ja schon seit Jahrzehnten intensiv immer mehr Inhaltsstoffe als Ressourcen und um auch das Meer mit vielfältigerer Vegetation besiedeln zu können.
Nach dem Laufen waren wir dann wieder bei unseren Zimmern, das war schon ganz gut und harmonisch abgelaufen. Wir kamen offenbar gut miteinander zurecht, trotz, vielleicht auch gerade wegen einiger unterschiedlicher Voraussetzungen. Jedenfalls hatte der kleine morgendliche Sport auch Bernd ganz gut gefallen.
Ich wollte unter die Dusche.
Da Bernd sich noch nicht so auskannte, wies ich dann schmunzeld darauf hin: „Hey, bei dir kümmert sich ja noch der Anzug um die Körperhygiene, ich werde nun kurz dort duschen, dauert nicht lange.“
Ich wies dabei auf die Tür zum Duschraum.
Bernd schaute mich kurz an und nickte: „Kein Problem, ich warte einfach.“
Ich lächelte, machte eine Geste zu meinem Zimmer: „Ich sollte wohl erst noch etwas zum Umziehen holen, sonst habe ich ja gleich nichts, muß mich auch erst noch etwas dran gewöhnen, in diesem Bereich nicht allein zu sein …“
Wir lachten beide.
Ich führte weiter aus: „In Ordnung!
Bis gleich, hole dich dann in deinem Zimmer ab, einverstanden?
Frühstück bei Susanne, Peter und Melanie in etwa einer Viertelstunde.“
Er nickte: „Alles klar!
Bis gleich dann!“
Er ging in sein Zimmer, ich in meines, wählte ein anderes Oberteil für den Tag aus, einfach und aus etwas dickerem Stoff, in welchem ich mich ganz kuschelig fühlen würde. Dann eilte ich in die Dusche, zog mich eilig aus, duschte kurz, ließ mich auf höchster Stufe trockenpusten, zog dann die Hose und das ausgewählte, schlichte und kuschelige Kleidungsstück an, brachte dann den Rest zurück in mein Zimmer. Dann schlenderte ich zu Bernd, holte ihn ab, wonach wir dann hinübergingen. Bernd durfte beim Frühstück nur etwas trinken, aber wir unterhielten uns in der Gruppe immerhin gut und so wurde er gleich integriert, alberte dann auch wieder sehr lieb mit Melanie herum, was ein sehr schöner Anblick war.
Nach dem Frühstück wechselten wir dann in die Arbeitsecke. Ida hatte für Bernd schon Vorschläge vorbereitet, was dieser sich einmal ansehen könnte. Weil Bernd ja dringend etwas über das Schicksal seiner Familie wissen wollte, beauftragten wir Ida mit einer Recherche. Diese wies natürlich gleich darauf hin, daß sie auch aufgrund des langen Zeitabstandes in ihrem Archiv sicher nicht so viel finden würde, auf die Archive der Erde könnte sie ja wegen der Zeitverzögerung praktisch nicht zugreifen. Das verstand Bernd natürlich schon, Ida versprach aber, alles zu versuchen, um doch etwas zu finden.
Ich erklärte ihm derweil die Nutzung der Geräte. Idas Avatar war dann auch bald da und erklärte Bernd ein paar Besonderheiten seiner Erweiterung, beziehungsweise wie er diese effizient nutzen könnte, um auf Daten zuzugreifen. Einerseits konnte Bernd diese Erweiterung wirklich sehr effizient nutzen, weil sie ihm schon in jungen Jahren implantiert worden war, andererseits zeigte sich aber auch, daß er viel auch einfach wie wir erst einmal auf den Monitoren und Geräten las, ansah, anhörte, dann erst später wieder darauf über seine Erweiterung zugreifen würde. Er erläuterte, wenn er das alles erst einmal wirklich gesehen oder gehört habe, könne sein Gehirn diese Erinnerung besser mit den gespeicherten Daten verknüpfen, sie so deutlich besser verwerten. Zwar sei es ihm auch möglich, auf Daten ausschließlich aus seiner Erweiterung zuzugreifen, das sei aber weniger plastisch und lebendig als das direkte Erlebnis mit den Augen oder den Ohren. Einmal erlebt könne er aber gut eine Assoziation mit gespeicherten Daten herstellen, oft helfe das auch mit ähnlichen Informationen. Die reinen digitalen Daten zu unvertrauten Sachverhalten seien allerdings sehr abstrakt und flach, wenig eindrucksvoll, schon für eine Verarbeitung zugänglich, aber es fehle eine emotionale, sensorische Verbindung, eine persönliche Erinnerung.
Nun, um letzteres kümmerten wir uns natürlich gerne, insbesondere Peter und ich halfen ihm bei diversen Sachen, wir unterhielten uns über verschiedene Themen, regten an, schlugen vor, was ihn interessieren könnte, was wichtig sein könnte. Und das direkte Gespräch, unsere Erklärungen und Interpretationen, die direkte Interaktion waren natürlich ein weiterer Vorteil der üblichen Informationsbeschaffung gegenüber dem direkten Abruf der digitalen Information. Bernd hatte allerdings den Vorteil, das relativ schnell effektiv kombinieren zu können. Bevor oder während wir etwas erklärten, auch Visualisierungen zeigten, hatte er die Daten im Speicher und konnte diese so nebenbei manipulieren und so eine eigene Interpretation aufgrund dieser schnellen, groben Bearbeitungen einbringen, entwickelte so zügig einen eigenen Zugang zum Thema und überraschte uns bereits jetzt zu Anfang mit interessanten Beobachtungen.
Das interessierte natürlich auch Susanne, die dann auch wissen wollte, wie er umfangreiche Daten analysiert. Aus dem Gespräch heraus hatte sie dann auch noch Ideen, womit sich Bernd unbedingt beschäftigen sollte, um seine Analysen von Daten zu optimieren und zu verfeinern. Auch das interessierte Bernd, so hatten wir einen weiteren Baustein zu seinem Lehrplan, um den sich Susanne weiter kümmern wollte.
Mittags tat er uns dann etwas leid. Während wir anderen in Köstlichkeiten aus eigenem Anbau der Ais in den Gewächshäusern der Kolonie und vom Feld schwelgen konnten, durfte er nur etwas trinken und auch nur wenige kleine Kostproben vom Mittag zu sich nehmen. Wir achteten aber schon darauf, daß er damit schon einmal ganz besonders schmackhafte Leckereien bekam, was ihn bereits etwas darüber hinwegtrösten sollte, daß er noch darben mußte, ohne allerdings wirklich Hunger oder Durst zu haben, denn noch regelte das ja weitgehend der Anzug. Auf Nachfrage hin gab uns Ida den aktuellen Stand durch, Bernd würde abends schon etwas mehr zu sich nehmen dürfen, dann aber noch über Nacht den Anzug anbehalten. Der Anzug saß zwar perfekt, Bernd war damit aber trotzdem nicht komplett glücklich. Irgendwie rieb er oft und neugierig über das eine Bein, wo es einst die tragische Amputation gegeben hatte. Irgendwie kribbelte die Neugier in ihm, was da wirklich unter dem Anzug war, obwohl er ja seinen gesamten Körper spürte. Susanne sprach ihn kurz darauf an, dem dies etwas unangenehm war. Immerhin bekannte er sich dann zu seiner Unsicherheit und Anspannung darüber, was er dann unter dem Anzug vorfinden würde.
Nun, nach dem Schicksalsschlag konnten wir das gut nachvollziehen. Ich erzählte dann auch davon, daß mich ja ein Auto auf dem Rad erwischt hätte und ich so auch ziemlich angeditscht gewesen sei. Es hätte mich ja so schwer erwischt, daß ich mich nicht einmal richtig an den Unfall erinnert hätte. Ida hätte mir dann erst davon erzählt. Da sei ich natürlich auch besorgt gewesen, was unter meinem Anzug los sei.
Dabei strich ich mir in einer kleinen Pause über den Leib und erläuterte sachlich:
Nachdem der Anzug dann aus gewesen sei, hätte ich mich zu meiner Erleichterung aber persönlich davon überzeugen können, daß alles wieder gesund und heile gewesen sei. Peter und Susanne bestätigten das auch für ihre Blessuren von vor der Konservierung. Bernd war aber noch immer unsicher. Nun, ein paar Stunden mußte er schon noch aushalten.
Nach dem Mittag lernte er erst noch weiter.
Ida unterbreitete dann bereits die Ergebnisse ihrer Recherche. Sie hatte Glück gehabt, denn aus Bernds jüngster Schwester war eine Künstlerin geworden, nicht sehr berühmt, aber doch genug, daß es über sie eine Biographie gab und auch einige Werke in der Datenbank abgebildet waren. So erfuhren wir dann, daß sie über neunzig Jahre alt geworden ist, auch Kinder und Enkel hatte. Bernd schaute sich auch interessiert die Abbildungen an. Spannend wurde es dann besonders bei einem graphischen Werk, deutlich abstrahiert, aber trotzdem war Bernd eindeutig erkennbar, auch der Titel ‚Bruder‘ wies schon darauf hin. Auf der Abbildung erkannte Bernd dann aber auch seine ganze Familie, die jüngste Schwester inzwischen längst erwachsen, seine Eltern schon im Rentenalter. Man hatte sich quasi um die Graphik herum zu einem Familientreffen versammelt. In einem kurzen Artikel war dann auch von Bernds Schicksal die Rede und auch von ihren Bemühungen, jedes Jahr wieder etwas in Erfahrung zu bringen, um ihm doch noch zu helfen, bis dahin vergeblich. Und wie wir ja nun wußten, blieben ihre Bemühungen vergeblich. Bernd mußte tief durchatmen, hatte die Hände an den Monitor gedrückt.
Ich klopfte ihm sanft tröstend mit der flachen Hand auf die Schulter und wies dann darauf hin, daß er nun ja immerhin etwas über ihr Schicksal wisse, sie hätten ihr Leben gelebt und ihn nicht vergessen. Bernd nickte langsam und wortlos, war nachdenklich. Er brauchte weiter etwas Zeit, um das zu verarbeiten, ließ dann erst den Monitor los, nickte dann erneut und war langsam bereit, damit weitgehend abzuschließen.
Ich schlug dann allerdings vor, auch um ihn abzulenken, im Hellen einfach einmal mitzukommen und mit Hildegard etwas Praktisches zu machen. Damit war er gerne einverstanden. Hildegard zeigte uns dann ein paar Sachen im Garten. Heute arbeiteten wir also draußen und machten uns nützlich, halfen Hildegard, den Garten in gutem Zustand zu halten.
Wir waren gut beschäftigt, Hildegard fand engagiert Aufgaben, wo wir uns wirklich nützlich machen konnten. Bernd und ich stellten uns sogar ganz geschickt an, daß Hildegard ganz zufrieden mit uns war. So konnten wir uns natürlich gerne wieder bei ihr blicken lassen, wenn wir Lust hatten, etwas Praktisches zu tun.
Bei der Arbeit meinte ich, so aus dem Augenwinkel heraus wiederholt beobachtet zu haben, wie Bernd zu mir schaute, wenn er vermutete, ich würde es nicht sehen. Das war nun nicht so eindeutig, mochte vielleicht Interesse bedeuten, es war aber nicht abzuleiten, in welche Richtung das gehen mochte. Da blieb ich ganz gelassen und ging freundlich und ganz kollegial mit ihm um, ohne da etwas hineinzuinterpretieren, weswegen es auch gar keine Notwendigkeit gab, da weiter drauf einzugehen. Und so legte ich Wert darauf, mich nicht auch nur versehentlich auffällig zu exponieren oder gezielt Ansichten zu bieten, die ihn verunsichern oder auch stark anregen mochten. Das wäre ja schon nicht fair gewesen, weil er doch relativ hilflos in dem Anzug steckte, wo er notfalls nicht einmal abends Hand an sich legen konnte, um sich Erleichterung zu verschaffen. Bei der Gartenarbeit jedenfalls legten wir uns dann doch ordentlich ins Zeug, strengten uns an. Das tat auch Bernd gut, lenkte ihn wirklich von seinem Kummer, seiner Vergangenheit ab, half schon etwas dabei, damit abzuschließen, sich im Hier und Jetzt zu finden.
Während Bernds Anzug sich ja automatisch um Schweiß und andere gegebenenfalls austretende Körperflüssigkeiten kümmerte, war ich dann in meinem Eifer ganz durchgeschwitzt, so zogen wir dann gegen Abend wieder los zu unseren Zimmern. Dort angekommen merkte ich dann nebenbei an: „Da hatten wir ja gut zu tun. Das hat mich ja ganz schön erhitzt, aber die körperliche Anstrengung hat auch viel Spaß gemacht, meinst du nicht?“
Bernd stimmte zu: „Auf jeden Fall, das Lernen zuvor und dann diese Arbeit, all das hat meine Gedanken gut abgelenkt, ist ja doch nicht so einfach, so schnell die nicht selbst erlebte Vergangenheit zu akzeptieren. Das war aber insgesamt bislang ein schöner Tag.“
Ich lächelte und erwiderte: „Ist ja noch nicht vorbei. Ida wird dir diesen Abend ja schon etwas mehr zu essen und zu trinken gönnen. Das kannst du auch noch gut auskosten.
Naja, so durchgeschwitzt, wie ich bin, will ich zuvor noch schnell unter die Dusche. Aufgrund deines Anzuges bleibt dir der Spaß heute noch versagt, aber morgen hast du dann schon ganz andere Möglichkeiten, sobald du den Anzug ablegen kannst, der allerdings den Vorteil hat, sich um alles zu kümmern, kannst dich also einfach wohlfühlen darin.“
Bernd meinte jedoch: „Ich werde dann schon erleichtert sein, wenn ich ihn ausziehen darf. Obwohl er gut sitzt, ihr mir ja versichert habt, daß darunter alles in Ordnung ist, bin ich doch sehr neugierig.“
Ich nickte verständnisvoll, meinte dann sachlich: „Ja, stimmt, das kann ich schon nachvollziehen. Gibt aber wirklich keinen Grund für Mißtrauen, also ruhig bleiben, sich die Zeit angenehm vertreiben, dann kannst du dem schneller auf den Grund gehen, als es sich derzeit mit der Wartezeit anfühlt.
Also bis gleich, dauert nicht lange, ich halte mich nicht lange unter der Dusche auf, bin alsbald wieder da …“
Ich hatte mich schon zur Tür der Dusche gewendet, winkte nur kurz über die Schulter.
Bernd erwiderte nur: „Ja gut, bis gleich!“
Ich ditschte mir gegen den Kopf, merkte an: „Fast hätte ich schon wieder vergessen, mir erst Sachen herauszuholen, hätte schon komisch werden können, wenn ich dann nackt vor dir über den Flur geflitzt wäre!“
Ich lachte und Bernd stimmte mit ein.
So ging ich erst in mein Zimmer, zog mich dort aus, nahm einen Bademantel heraus, drehte dann um. Bernd hatte sich im Flur in einer Sitzecke niedergelassen und schaute hinaus in die Landschaft.
Ich winkte ihm kurz zu, er zurück, dann verschwand ich in der Dusche.
Ich beeilte mich unter der Dusche etwas, aber wir hatten es ja nicht wirklich eilig, so genoß ich einfach zur den Wasserschwall und die Massage der Haut durch die Strahlen, die ich hart eingestellt hatte, erst ganz warm, zum Schluß kurz etwas kälter, um der Haut Reize zu geben, die Poren zu schließen.
Nach dem kurzen Schauer kalten Wassers wärmte mich dann immerhin der Luftstrom des Trockners wieder, nachdem zunächst die Verdunstung des Wassers auf der Haut für ein zusätzliches, heftiges Frösteln gesorgt hatte. So war ich dann gleich ziemlich belebt und aufgedreht, zog mir wieder meinen Bademantel über, zuckelte ihn ordentlich zurecht und schloß ihn, schlenderte so mit nackten Füßen auf den Gang hinaus.
Bernd saß noch immer in der kleinen Sitzecke, blickte zu mir herüber und nickte mir lächelnd zu.
Ich lächelte entspannt zurück, kommentierte nur kurz „Moment noch, ich bin gleich fertig!“ und schlenderte gemütlich weiter in mein Zimmer.
Ich zog mir ein weites, kuscheliges, langes Abendkleid an, dazu passende flache Schuhe und kam so kurz darauf wieder aus meinem Zimmer, winkte Bernd lächelnd zu, er solle mitkommen. Bernd gesellte sich gleich munter zu mir. Und so zogen wir ab zu den anderen zum Abendessen.
Immerhin durfte er diesen Abend schon etwas mehr essen und trinken, so konnte er schon mehr teilhaben als zuvor. Später sahen wir dann noch gemeinsam einen Film, plauderten dann heiter und in guter Laune darüber.
In der Nacht verabschiedeten wir uns dann. Draußen schlug ich Bernd vor, noch eine kleine Runde zu gehen. Er war gerne einverstanden. So spazierten wir los und ich reckte mich und streckte mich, um nach dem Sitzen wieder locker zu werden. Bernd tat es mir gleich, wir lachten beide, nun wieder ganz munter, und schlenderten weiter. Ich lenkte unseren Weg zu einer Bank, wies nur mit einer Geste auf diese und schon saßen wir. Die Bank war groß genug, daher saßen wir gar nicht so dicht.
Um etwas Konversation zu treiben, fragte ich einfach: „Und?
Was meinst du, wie fandest du den Tag?
Wie geht es dir?
Wie fühlst du dich?
Was denkst du?“
Bernd nickte bedächtig, hatte seinen Kopf zu mir gewendet und lächelte mich dann entspannt an.
Er erläuterte: „Das waren viele, interessante, neue Eindrücke. Das war insgesamt ein spannender Tag. Ich habe viel erlebt, auch gelernt und getan. Ich habe immerhin etwas über meine Familie erfahren, muß mich nun damit abfinden, akzeptieren. Das wird sicherlich noch etwas dauern. Mit dem, was ich über sie erfahren habe, ist mir schon etwas geholfen, vermisse sie aber natürlich, also ist das nicht so einfach, da brauche ich noch etwas. Aber es ist, wie es ist, nicht mehr zu ändern. Ich habe sie leider verpaßt. Sie hatten ihr Leben. Was ich über meine kleine Schwester erfahren habe, hört sich sehr erfreulich an. Gut, sie war ja damals noch ein Kind, eine künstlerische, kreative Ader hatte sie da aber auch schon. Schön, daß sie etwas daraus gemacht hat. Und auf dem Photo sah es doch auch gut um meine Familie aus. Meine andere Schwester wirkte auch ganz entspannt, hatte ebenfalls Mann und zwei Kinder dabei. Meine Eltern hatten bis zu dem Photo gute Jahrzehnte. Und die Biographie meiner Schwester gab nun keine Hinweise auf weitere Schicksalsschläge. Da darf ich wohl hoffen, daß es so in Ordnung war, wie man es von einem ganz guten Leben erhoffen darf.
Die Gartenarbeit mit Hildegard und dir war auch ganz schön. Solch praktische Arbeit mit eigenen Händen in der Erde hat mir gutgetan.
Ich habe euch besser kennengelernt und ihr alle seid sehr nett zu mir, daß ich mich bei euch ganz wohlfühle. Melanie ist ein Schatz, ich mag sie sehr. Und Susanne und Peter sind auch sehr nett. Und du bist so aufmerksam zu mir, kümmerst dich so lieb um mich. Ich glaube, bei euch werde ich mich schon ganz wohlfühlen und einleben.
Sollte ich wohl irgendwie, denn was bleibt mir sonst?
Aber das ist euch ja auch so gegangen, da muß ich euch wohl nichts vorjammern. Aber ihr seid da, steht mir bei, das ist nett von euch.
Ich bin dann doch ganz froh, wenn ich morgen endlich aus dem Anzug herauskomme, mich selbst davon überzeugen kann, was ich so nur spüren kann, daß mit meinem Körper wieder alles in Ordnung ist.“
Ich sprach ihm Mut zu: „Wir bekommen das schon alles hin. Du hast gute Möglichkeiten. Du kannst lernen, mit Hildegard, Ida, Esme und Peter zusammen Vegetation gestalten und fördern. Da wir ja im Rahmen unseres Kolonieprojektes noch weitere Einwohner bekommen werden, in ein paar Monaten Kleinkinder, hast du da auch gute Möglichkeiten, weitere kleine Schätzchen zu betreuen, als großer Bruder oder auch Stiefvater zu wirken und dich einzubringen. Es gibt also viel zu tun. Und wir haben es hier doch gut, unsere Kolonie ist schön und friedlich. Und wir werden zusammenhalten, gemeinsam vorankommen.“
Bernd nickte und entgegnete: „Puh, weitere Kinder … das wird schon eine Herausforderung werden. Aber gut, wenn das eine Kolonie werden soll, muß natürlich auch Bevölkerung her!“
Ich erläuterte: „Ja, mit der Zeit werden wir natürlich auch andere Kryo-Zombies hinzuziehen und wiederauferstehen. Aber du merkst es ja selbst, es braucht etwas Zeit, sich einzuleben. Da wären mehrere Neue auf einmal etwas viel für uns, so müssen wir das bei jeder neuen Person immer wieder gut überlegen und uns dann auch drum kümmern, sonst bricht vermutlich Chaos aus, Konflikte entstehen aus Mißverständnissen und Frustrationen, bei denen niemand hilft, weil keiner die seine noch überwunden hat. Also müssen wir langsam vorgehen. Da sind die Kinder die einfachere Option, zudem wir mit diesen für die Kolonie auch eine plausible Altersstruktur aufbauen können.“
Bernd stimmte zu: „Das kann ich gut nachvollziehen. Natürlich bin ich dabei. Ich werde mich schon voll einbringen und tun, was ich kann, um die Kolonie gut zu entwickeln. Und die Möglichkeiten draußen in der Landschaft sind natürlich ungeahnt. Einen ganzen Planeten mit Vegetation besiedeln, planen, gestalten, eventuell schauen, wie man trockene Zonen besser bewässert. Das wird faszinierend!“
Ich lächelte ihn an, klopfte auf seine Schulter, wies auf Charybdis am Himmel: „Zwei Planeten sogar. Es freut mich sehr, daß du so begeistert bis, dich schon jetzt gut mit der Mission identifizieren kannst. Das macht alles viel leichter. Das ist gut. Nunja, wollen es aber erst einmal ruhig angehen. Ein Schritt nach dem anderen. Morgen darfst du dich erstmal vom Anzug trennen, dann bist du ja schon etwas freier. Wir machen das dann nach dem morgendlichen Lauf. Entweder ich helfe dir oder du fragst etwa Ida oder Esme um Hilfe und Anleitung.“
Bernd nickte, meinte dazu: „Ja, das Teil wirkt schon komplizierter, da werde ich Hilfe brauchen können. Du bist mir schon vertrauter als die Ais, an die muß ich mich wirklich noch ein wenig gewöhnen. Wenn du mir also wirklich helfen magst, gerne!“
Ich lächelte, nickte und schlug vor: „Mache ich selbstverständlich und mit Vergnügen. Ich zeige dir, wie man das Teil auszieht, helfe dir.“
Bernd lächelte und entgegnete: „Das ist sehr aufmerksam, sehr nett von dir, danke!“
Ich erwiderte: „Ist doch gar kein Problem. Ist eigentlich gar nicht so schwierig, wenn man es einmal hinbekommen hat. Ich helfe gerne, habe dir ja schon versprochen, ich kümmere mich, kannst dich auf mich verlassen.“
Bernd bestätigte: „Ich bin dir wirklich sehr dankbar für deine Hilfe!“
Ich überlegte einen Moment, dachte mir, im Sinne der Integration könnte ich schon noch einen Schritt weitergehen.
So hob ich meine Hand und hielt sie ihm hin: „Freundschaft?“
Bernd schaute mich an, lächelte, schlug mit fester Hand ein, dieser männliche, entschlossene Handschlag gefiel mit gut.
Er bestätigte: „Sehr gern, natürlich, ja, Freundschaft!“
Ich schlug dann vor, noch ein Stück weiterzugehen. Und so spazierten wir noch ein wenig, drehten dann aber bald wieder ab zurück zur Kolonie.
So hatten wir einen schönen und entspannten Abschluß für den Tag und standen dann wieder vor unseren Zimmertüren. Wir verabschiedeten uns für die Nacht, der Termin für den Morgenlauf war ja bereits verabredet.
Nachdenklich stand ich dann in meinem Zimmer, hatte die Tür geschlossen und lehnte mich dagegen. Freundschaft hatten wir also geschlossen.
Das war schon ganz in Ordnung, da war nichts dabei. Als Freunde kämen wir hier in unserer kleinen Gemeinschaft gut voran. Vertrauen ist wichtig und hier kommt es auf jede Person an.
Und wie würde es weitergehen?
Nun, das würde sich ja so oder so ergeben. Bernd hatte schon einen groben Lehrplan, wir hatten eine Idee für Aufgaben. Ich fand schon einmal, ich hatte doch ganz gut ausgewählt, geradezu sorgfältig geplant war das nicht gewesen, aber nun entwickelte sich das doch prima und in die richtige Richtung. Wenn wir das so mit weiteren Kryo-Zombies hinbekämen, wäre das eine gute Entwicklung, denn hatten es nicht letztlich alle verdient, endlich aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt zu werden und ihr Leben fortzusetzen?
Natürlich konnten wir nicht darauf setzen, daß es mit allen so gut klappen würde, es war nicht vorherzusehen, wie sich die Gemeinschaft mit weiteren Mitgliedern entwickeln würde. Bereits die Beziehung von Susanne und Peter war für mich ja zu mehr als einer Überraschung geworden. Immerhin hatten wir auch das zivilisiert hinbekommen. Das war doch schon ein Lichtblick, der hoffen ließ.
Ich ging rüber zu meinem Bett, entkleidete mich und warf mich nackt auf dasselbe, deckte mich zu.
Ich sann weiter nach, auch über Susanne, hatte auch Sehnsucht nach ihr. Es tat immer noch weh, obgleich Bernd schon für etwas Ablenkung gesorgt hatte. Ich stellte mir vor, wie es mit Susanne gewesen war, stimulierte mich dabei ganz automatisch, erregte mich. Dann schweiften meine Gedanken ab. Ich stellte mir auch vor, wie Bernd sein könnte, wie sich sein stattlicher, männlicher Körper anfühlen mochte, wie er sich bewegen würde. Auch das regte mich an. Ich wurde auch sehr unruhig.
Nun, Susanne hatte Peter und Bernd war ein junger Bursche, demgegenüber ich mich doch kollegial, freundschaftlich korrekt verhalten wollte. Also waren diese Gedanken und Aktivitäten nicht so gut. Ich sollte das vermeiden.
Aber ich brauchte nun doch dringend Entspannung.
Ich entschied mich dann, stand wieder auf und nahm den Vibrator zum Auflegen, alle waren ja inzwischen dank meiner Voraussicht komplett geladen, legte mich wieder hin. Nun mied ich die vorherigen erotischen Phantasien, fokussierte mehr auch mich und meinen Körper, ließ mich vom Gerät erregen und stimulieren. Bald schon seufzte ich verzückt, atmete sehr schnell, wand mich in meiner Lust. Dann sorgte ich für eine intensive, lustvolle Ekstase mit anschließender Entspannung. Ich überlegte noch, lag noch länger wach, dann versuchte ich es mit einer Atemübung zur weiteren Entspannung. Das wirkte dann endlich und ich schlief ein.
Den nächsten Morgen weckte mich wieder der synthetische Hahnenschrei, den ich noch nicht geändert hatte. Ich lachte, irgendwie etwas albern war das schon, aber ich hatte mich nun schon dran gewöhnt, vielleicht sollte ich es mindestens so lange dabei belassen, wie draußen noch keine echten Hühner ihr akustisches Unwesen trieben.
Mit Schwung stand ich auf, trat an meine Kleidersammlung heran, wählte für den Sport aber dieselbe Kombination wie am Vortag.
Ich vergaß nicht, den Vibrator wieder an seine Ladestation anzuschließen. Der hatte mir gute Dienste erwiesen, ein zuverlässiger Begleiter ohne eigene Ambitionen und Neigungen. Das erleichterte den Umgang schon sehr, die Vorhersagbarkeit und Einfachheit der Funktion ließ aber doch viele Möglichkeiten offen, die man nur mit Menschen würde genießen können.
Mit Schwung ging ich zu Bernd hinüber, der wirklich noch schlief. Ich streichelte wieder sanft seine Schulter, nannte mehrmals mit gut vernehmlicher Stimme seinen Namen, bis er sich dann regte. Bernd war nun auch wach, hatte mich wohl erkannt, lächelte mir zu.
Ich nickte ihm lächelnd zu und wies auf unser verabredetes Vorhaben hin: „Guten Morgen!
Nun los zum Morgenlauf.“
Munter wie ein junges Rehlein war ich auch schon aufgesprungen, zog ihn gleich an seinen Händen ebenfalls hoch und raus aus dem Bett, ging dabei aber sogleich auf angemessenen Abstand, um jegliche Situation der Verlegenheit zu vermeiden. Ich machte nur eine ausladende Geste mit der Hand, dann liefen wir los, ganz freundschaftlich und locker nebeneinander. Ich hatte eine andere Strecke gewählt und konnte ihm so neue Eindrücke vermitteln. Wir machten dann zwischendurch auch wieder ein paar Übungen, wobei auch Bernd Anregungen beisteuerte, die ich gerne aufnahm. Ich achtete aber schon auf die Zeit und hatte diese für unsere Zwecke schon mit Bedacht leicht gekürzt, so daß wir früh genug wieder in der Kolonie waren, oben vor unseren Zimmern. Bernd mußte ja noch gezeigt werden, wie der Anzug abzulegen ist.
Ich fragte dann bei Ida noch nach: „Ida, meinst du, daß es in Ordnung ist, wenn Bernd nun seinen Anzug ablegt?“
Ida antwortete: „Ja, er ist gesundheitlich auf der Höhe, hat die Wiederauferstehung gut überstanden, sein Puls ist nur leicht erhöht, aber nach eurem Dauerlauf ist das völlig normal. Also ja, er kann den Anzug ablegen. Er braucht aber vielleicht eine Anleitung beim ersten Mal.“
Ich erwiderte dazu bestimmt: „Darum kümmere ich mich gern gleich, habe es ihm gestern schon versprochen!“
Ida entgegnete: „Gut. Sonst hätte ich ihm per Monitor eine Anleitung gegeben. Aber so geht es ja auch!
Viel Erfolg dabei!“
Ich entgegnete sachlich: „Kein Problem. Ich habe den Anzug ja schon einige Male aus- und wieder angezogen. Wir kommen schon zurecht.“
Ich bat Bernd, schon einmal in sein Zimmer zu gehen, sich Bademantel und Kleidung aus dem Schrank auszusuchen. Ich verschwand dann auch kurz in meinem Zimmer, zog meine Sachen aus und nur meinen Bademantel an, ging dann zurück zu Bernd. Und dann erklärte ich Bernd im Detail, was zu tun war. Bernd wurde schon etwas nervöser, als er mitbekam, daß man unter dem Anzug komplett nackt ist.
Ich lachte aber nur und meinte: „Ist doch nichts dabei. Zum einen ist der Anzug sowieso so eng, da sieht man die Körperkonturen doch ohnehin. Zudem habe ich schon mehrfach nackte Männer gesehen, also kein Grund, daß wir uns nun genieren. Also konzentriert bei der Sache bleiben, nicht albern werden.“
Bernd lachte auch etwas unsicher, war noch immer etwas nervös, konnte meiner Anleitung aber schon ganz gut folgen. So kamen wir dann voran. Da Bernd noch ein paar kleinere Probleme hatte, half ich ihm einfach, bis er es dann auch geschafft hatte. Wie im Anzug schon abzusehen war, hatte er einen attraktiven, jugendlichen, männlichen Körper mit wohlgeformten, aber nicht überproportionierten Muskelpartien. Das gefiel mir schon sehr gut, ich schaute aber nur unauffällig, konnte mir ein genüßliches Lächeln aber nicht ganz verkneifen. Bernd war einstweilen ohnehin mehr damit beschäftigt, seine Beine zu untersuchen. Da gab es aber nicht einmal eine Narbe oder irgendeinen Hinweis auf die Amputation und die spätere Rekonstruktion. Das sah schon alles perfekt und symmetrisch aus, vermutlich perfekter und symmetrischer als je zuvor. Ich lachte und bestätigte, was er ja selber sehen konnte: „Sieht doch prima aus, alles am richtigen Fleck, sehr symmetrisch, ästhetisch, männlich, ich mag es!“
Ich schaute dabei auch schon einmal etwas höher auf sein bloßes Gemächt, welches auch Eindruck machte. Bernd war noch ganz mit seinen Beinen beschäftigt, schaute rundum, meinte dann: „Keine Narben, sogar drei ältere Narben von früher sind weg.
Unglaublich.
Fast als wäre der Unfall im Wald, der Alptraum im Krankenhaus mit der Infektion gar nicht passiert!“
Ich lächelte, konnte doch nicht widerstehen, trat dichter heran, strich sanft mit dem Zeigefinger außen an seinem Oberschenkel entlang. Nun schaute er auch mich an, lächelte ebenfalls, etwas erstaunt.
Ich erwiderte: „In der Konservierung reparieren die Mikroroboterschwärme deutlich mehr als man denkt. Bei mir sind auch sämtliche Narben verschwunden, ist fast alles wie neu, quasi!“
Bernd nickte nur.
Ich reichte ihm seinen Bademantel, half ihm hinein.
Dann wechselten wir in die Dusche. Da gab es nun mehrere Duschköpfe, deutlich separiert, aber keine eigenen Kabinen, also auch hier ein eher offener Umgang.
So zuckte ich einfach die Schultern und meinte: „Ist hier nicht sonderlich getrennt, die Dusche und der Trockner sind technisch aber eine Wucht, macht Spaß!
Ich habe kein Problem damit, wenn wir hier zur gleichen Zeit duschen. Und du?“
Bernd zögerte etwas, entgegnete dann: „Also, also gut, wenn du kein Problem damit hast, sollte ich es wohl auch nicht … obwohl …“
Ich hakte nach: „… obwohl was?“
Er schaute etwas verlegen und erwiderte: „Naja, ich befürchte etwas, es könnte leicht irritieren, also wenn ich das nicht so unter Kontrolle habe, du könntest was mißverstehen und beleidigt sein, einen schlechten Eindruck von mir bekommen …“
Ich staunte etwas und meinte dazu: „Aber warum denn?
Was meinst du, nicht unter Kontrolle zu haben?“
Bernd schluckte, machte eine vage Geste, stieß dann hervor: „Ja, also, du bist schon sehr attraktiv. Und, naja, da könnte sich bei mir schon etwas regen – und dann regst wiederum du dich vielleicht auf, weil das aufdringlich oder anstößig aussieht.“
Ich lachte munter, klopfte ihm leicht auf die Schulter: „Och, wenn es mehr nicht ist. Erektionen habe ich auch schon gesehen. Ich würde das dann einfach mal als Kompliment auffassen, also kein Problem. Das ist ganz natürlich. Du bist jung und gesund, da brauchst du das nicht zu unterdrücken versuchen. Wir können uns ja darauf einigen, jedenfalls nicht uns selbst hier unter der Dusche extra zu stimulieren, um die Situation heikel werden zu lassen. In Ordnung?“
Bernd machte erst große Augen, nickte nur etwas unsicher, zögerte noch unentschlossen.
Ich aber zog ganz ungeniert auch schon wieder meinen Bademantel aus, hängte ihn auf, begab mich unter eine Dusche und ließ das warme Wasser rauschen.
Bernd hatte noch etwas länger gezögert, schaute einen Moment zu mir, ich lächelte vergnügt und entspannt zurück, winkte. Dann legte er auch seinen Bademantel ab, stellte sich unter einen Duschkopf. Ich erläuterte kurz die Funktion, dann löste auch Bernd für sich sein prickelndes, nasses, erfrischendes Erlebnis aus und erfreute sich daran.
Ich machte nicht so viel Aufhebens von der Sache, konzentrierte mich vorrangig auf mich, seifte mich dann in einer kleinen Pause auch kurz ein, ohne das nun so zu gestalten, extra für Bernd damit eine Schau abzuliefern. Und zwangsläufig reibt man sich dabei ja intensiver über die Haut, pflegt sich und genießt. Das kann dann schon Eindruck machen.
So aus dem Augenwinkel heraus meinte ich auch schon zu erkennen, daß Bernd durchaus interessiert, aber eher unauffällig durchaus beobachtete. Tatsächlich hatte er eine Erektion, die mich schon beeindruckte, das sah prächtig aus, hätte schon Zuspruch und Anteilnahme verdient, wie verabredet ging ich aber nicht darauf ein, Bernd hatte sich damit etwas weggedreht. Ich faßte das einfach mal als Kompliment auf. Oder sollte ich doch nun so ganz unverbindlich zu ihm hinübergehen und das genauer untersuchen?
Ich riß mich zusammen und versuchte nun auch, an etwas anderes zu denken, um die Situation nicht doch noch heikel werden zu lassen. Bald spülte ich mich schon wieder unter der Dusche ab, sah dann unauffällig Bernd beim Einseifen zu. Und er gefiel mir natürlich schon ausnehmend, daß ich mich gerade noch zurückhalten konnte, mich doch zu stimulieren.
Jedenfalls duschten wir ganz brav zu Ende. Ich erläuterte Bernd dann auch die Funktion des Trockners und wir standen artig im warmen Luftstrom. Bernd versuchte noch immer, seine stattlich wippende Erektion so halbwegs vor mir zu verbergen, ich ließ mir nichts anmerken. Dann zogen wir uns erst wieder beide den jeweiligen Bademantel an und dann einzeln zurück auf unsere Zimmer, um uns anzukleiden.
Wir schlenderten dann gemütlich zu den anderen zum Frühstück und kamen pünktlich an.
Und so schwelgten wir dann in einem üppigen und köstlichen Frühstück.
Der Tag verging mit munterer Arbeit, abends saßen wir dann wieder zusammen, diesmal bei einem Gesellschaftsspiel. Zu viert paßte ja ‚Mensch ärgere dich nicht‘ ganz gut, da hatte uns Esme ein Spiel erzeugen lassen und wir hatten viel Spaß und natürlich auch ein wenig gegenseitigen Ärger. Bernd entwickelte einen überraschenden Ehrgeiz und es war eine Lust für mich, ihn ein wenig zu ärgern und zu reizen. Gewinnen konnte ich so nicht, Bernd auch nicht, dafür aber Susanne. So ernst nahmen wir alles das natürlich nicht, so plauderten wir auch auch viel, philosophierten herum und spekulierten über Details unserer Mission und der weiteren Planung.
Nachdem wir uns für die Nacht verabschiedet hatten, schlug ich dann wieder vor, noch ein wenig zu schlendern. Bernd war gerne einverstanden und so drehten wir noch ganz entspannt eine Runde. Wieder zurück in der Kolonie und vor unseren Zimmern wünschten wir uns gegenseitig eine gute Nacht und gingen jeder auf sein Zimmer. Ich lehnte dann wieder an meiner Tür, ließ in Gedanken noch einmal die Eindrücke vom Tag passieren, insbesondere den so stattlichen Bernd nackt unter der Dusche, das war schon ein schöner Anblick gewesen. Ohne die Vorgeschichte mit Susanne hätte ich da schon erhebliches Interesse aufbringen können, das genauer zu untersuchen und darauf einzugehen. So aber wischte ich erst einmal diesen Gedanken und auch den an Susanne beiseite, hatte aber trotzdem Lust. Ich brauchte einfach Entspannung. Da war kein Tiefsinn dabei, keine Gefühle für eine andere Person, da ging es einfach um die Lösung einer körperlichen und psychischen Anspannung, Verspannung vielleicht gar. Ich entkleidete mich, griff mir zwei der Vibratoren, warf mich auf das Bett und stimulierte mich. Die beiden waren zuverlässige Helfer, brachten mich schnell in Fahrt. Ich seufzte und stöhnte bald leicht vor Vergnügen und Verzückung.
Plötzlich klopfte es an der Tür.
Erschrocken stellte ich das gerade benutzte Gerät ab, legte es neben mich ins Bett, zog die Decke hoch, auch über die Geräte und rief laut vernehmlich: „Ja?“
Die Tür öffnete sich, Bernds Kopf lugte unsicher um die Türkante. Er schaute, sah mich schon im Bett unter der relativ dünnen Decke hocken und stieß merklich unsicher hervor: „Oh, tut mir leid, ich … ich … ich …“
Ich winkte ihn aber herein und erwiderte: „Macht doch nichts, komme schon rein, alles im grünen Bereich!“
Ich zuckelte in aller Ruhe meine Decke um meinen Leib in eine korrekte Position, erst dann traute sich Bernd herein. Ich klopfte einfach neben mir auf das Bett. Bernd folgte und setzte sich zögernd.
Ich ermunterte ihn zum Sprechen: „Was gibt es?
Wie kann ich dir helfen?“
Er schluckte und führte dann nervös und unsicher aus: „Naja, ich hatte heute so viele interessante, intensive Eindrücke. Ich fühle mich auch etwas unruhig, durchaus auch allein ohne meine Familie. Ich mußte einfach wieder hoch und plötzlich stand ich auch schon vor deiner Tür. Tut mir leid, dich zu stören. Ich konnte einfach noch nicht schlafen, wollte einfach nicht alleine sein, mich noch etwas austauschen, wollte dich aber auch nicht stören …“
Ich versicherte: „Nicht so schlimm, ich hatte nichts Wichtiges mehr vor, was nicht noch warten könnte oder auch auf morgen verschoben werden könnte. Ich bin auch noch ganz munter und noch gar nicht müde. Also keine bange.
Was hat dich heute besonders beeindruckt, was besonders gereizt?
Oder was davon beschäftigt dich noch immer?“
Bernd atmete tief durch, schluckte und seufzte, meinte dann: „Oh … ähm … also ehrlich gesagt … schon die Dusche heute Morgen.“
Ich lachte kurz auf, grinste ihn schelmisch an: „Die Technik, die Frische, der schöne, warme Wind?“
Bernd rieb sich nervös über die Schenkel, schaute mich dann direkt an: „Das auch. … aber … aber vor allem du … geht mir nicht mehr aus dem Kopf, macht mich wahnsinnig!
Es tut mir leid, ich weiß, das ist nicht korrekt. Und wie befürchtet hatte ich da schon eine Reaktion, habe versucht, es vor dir zu verbergen, um es für dich nicht unangenehm zu machen … “
Ich tätschelte ihm fürsorglich die Schulter, grinste dabei breit: „Ist mir nicht entgangen. Wie gesagt, eine ganz natürlich Reaktion des Körpers. Da ist nichts dabei. Hmmm, aber es scheint ja immer noch zu wirken, armer Kerl. Ich hatte gar nicht vor, solch bleibenden Eindruck zu hinterlassen, der dich so in Bedrängnis bringt. Hätte ich das geahnt, hätten wir vielleicht doch getrennt duschen sollen. Aber naja, da wäre mir ja auch etwas entgangen, bist schon ein schmucker Bursche, muß ich schon sagen, hat mir sehr gefallen, was ich da zu sehen bekommen habe …“
Ich grinste ihn verschmitzt an, er senkte verlegen den Blick, meinte dann ziemlich leise: „Ohoh, so … oha … ja also …“
Ich zwinkerte ihm neckisch zu: „Nun, durch unsere Offenheit haben wir beide schon gegenseitig etwas über uns herausgefunden. Also ich finde dich sehr attraktiv und anziehend und auch so von unserem Umgang her nett und interessant.“
Bernd versicherte: „Das geht mir mit dir auch so. Ich war mir nur so unsicher, aber du reagierst nun so ruhig und locker.“
Ich lachte: „Naja, es ist für mich in letzter Zeit nicht so gut gelaufen. Da werde ich mich über solch eine Reaktion deines Körpers bei meinem Anblick nicht gleich aufregen. Ich nehme das einfach mal als Kompliment. Darf ich das so anfassen … ähäm … auffassen … meinte ich?“
Bernd schluckte und nickte, antwortete dann: „Wenn du das so auffassen magst, bin ich erleichtert. Du bist wirklich sehr anziehend.
Und sofern ich dir damit nicht zu nahetrete:
Was ist für dich in letzter Zeit schlecht gelaufen?
Ich meine, wir haben Freundschaft verabredet, vielleicht hilft es ja, wenn du mir davon so von Freundin zu Freund erzählst?“
Ich schaute ihm in die Augen, überlegte einen Moment, dann nickte ich und begann kurz zu erzählen: „Also gut, du weißt ja schon, daß ich die erste war, die bei der Ankunft der Mission in diesem Sonnensystem wiederauferstanden wurde. Susanne war die zweite Person. Nun, zwischen uns hat sich dann etwas entwickelt, eine intensive gefühlvolle, emotionale, auch sexuelle Beziehung, es gab aber auch Konflikte, Mißverständnisse. Nach einer psychischen Krise aufgrund einer durch die Mission verursachten Katastrophe drüben auch Charybdis mußten wir Susanne dann wieder vorübergehend konservieren. Später haben wir dann Peter wiederauferstanden, ich habe mit ihm kollegial zusammengearbeitet. Irgendwann waren dann unsere Projekte an einem Punkt angelangt, wo die Ais erst einmal über einen langen Zeitraum alleine weitermachen sollten. Also wurden wir beide konserviert. Es kam dann zu einem unerwarteten Ereignis, was Peters Rat erfordert hat, nicht meinen. Im Laufe seiner Arbeit waren dann aber auch Susannes Fähigkeiten gefragt. So haben die beiden zusammengearbeitet. Nun, nicht nur gearbeitet, sie waren dann alsbald auch ein Liebespaar. Susanne wurde mit Melanie schwanger. Davon erfuhr ich dann erst, als ich hier gar nicht so lange vor dir und auch nach Susanne und Peter abermals wiederauferstanden wurde. Du kannst dir vielleicht denken, wie sehr mich das getroffen hat, wie stark verunsichert ich war, auch wie hilflos.“
Ich schwieg.
Nach einer kurzen Pause der Stille nahm Bernd mich dann zögernd in die Arme.
Ich begann zu weinen, umarmte auch ihn.
Bernd streichelte mich tröstend.
Irgendwie war meine dünne Decke heruntergerutscht und ich war nackt, heulend und hilflos an ihn gepreßt und mit meinen Tränen spülte mein ganzer Frust hervor, aber auch hinaus und bald auch langsam hinweg.
Wir hielten uns fest und ich ließ meinem Schmerz freien Lauf, bis dann die Tränen allmählich versiegten. Oh, ich kostete das aus, geborgen in den starken Armen dieses starken Burschen zu liegen, einmal die Zarte, Schutzbedürftige zu sein, mich ganz eng an diese starke, männliche Brust zu schmiegen und einfach nur ganz klein und hilflos zu sein, einmal nicht entschlossen den Weg zu weisen, sondern stattdessen nur die Wärme und den Trost der Zweisamkeit zu spüren, alles herauszulassen, alles fortzuspülen, was sich in mir aufgestaut hatte.
Ich schwelgte eine ganze Zeit in dieser Geborgenheit, die er mir so großzügig gewährte und wollte mehr davon.
Ich löste dann meine Umarmung etwas, schaute mit meinen verheulten Augen in seine Augen und fragte dann: „Magst du heute Nacht bei mir bleiben?“
Bernd schluckte, nickte dann. Hinter seinem Rücken schob ich erst dezent die Vibratoren aus dem Bett, zog ihn dann zu mir und die Decke über uns. Ich kuschelte mich vertraut an seine starke Schulter und er kraulte sanft durch mein Kopfhaar.
Wir schwiegen erst wieder etwas, dann fragte Bernd vorsichtig nach: „Also eine Beziehung mit Susanne. Das hätte ich jetzt nicht erwartet. Und was meint diese nun?“
Ich führte aus: „Naja, es hat sich eben so entwickelt, nun ist sie mit Peter zusammen, die Beziehung mit mir ist beendet, ist quasi zu einer normalen Freundschaft reduziert. Sie ist ja erneut schwanger und schafft neben ihrer Familie natürlich nicht mehr. Da will ich auch keinen Streß machen, das wäre für das in ihr heranwachsende Kind auch gar nicht gut. Also muß ich das akzeptieren …“
Bernd erwiderte: „Ja, das ist ein wichtiger Punkt, es geht plötzlich um mehr als zwei Personen
Publication Date: 05-11-2017
All Rights Reserved