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Es ist ein kalter Morgen. Ich verlege spontan den Stadtbummel auf frühmorgens, sollen die Radvereinskollegen mal ohne mich losfahren, mir ist es zu frisch. So mache ich mich um kurz nach acht schon mit der S-Bahn auf den Weg in die Stadt. Nachts zuvor fand die lange Nacht der Comedy auf 3sat im Fernsehen statt. Durch diese inspiriert, beschließe ich innerlich, alles auch ein bisschen von der komischen Seite her betrachten zu wollen. Das gelingt sehr gut, es ist überall wunderbar leer am frühen Vormittag und man kann deshalb problemlos kurze Dialoge mit den Verkäufern führen. Wie im Basic-Bio-Supermarkt, als der hübsche junge Mann an der Kasse fragt ‚kann ich ihnen helfen?’ und ich spontan erwidere ‚ich glaube nicht, ich habe es selber gerade schon probiert.’ Er grinst seine einzige Kundin – mich – an und als kleinen Dank überlasse ich ihm die Entsorgung des Umverpackungskartons meiner Sonderpreis-Körperlotion. Wie ich in Richtung Viktualienmarkt gehe, springt mir in dicken Lettern die Schlagzeile einer Tageszeitung ins Gesicht ‚Schützen sie ihr Geld!’ prangt auf der Titelseite. ‚Ja genau’, denke ich, ‚ich geb’s jetzt gleich aus, wenn es weg ist, braucht man sich keine großen Gedanken mehr ums Schützen zu machen. An einem Früchtestand auf dem Markt entdecke ich ein paar durchsichtige Beutel mit Inhalt, welcher laut dem dahinter angebrachten Schildchen aus glasiertem Ingwer besteht. Außerdem soll es ‚indische Ware, faserfrei’ sein. Ich komme kurz ins Grübeln, was Ingwer wohl so mit Stoffen zu tun hat. Neugierig erkundige ich mich beim Standbesitzer und bekomme einen kleinen Vortrag über Ingwerkunde. ‚Es liegt an der Sorte. Nur in Indien gibt es die einzige Sorte ganz ohne Fasern, das meiste dieses Ingwers wird über die Kolonien nach England verkauft.’ Während er spricht, bricht der Standlmensch vor meiner Nase ein kleines Stückchen vom herkömmlichen fasrigen Ingwer entzwei. ‚Wie lehrreich’, denke ich und setze meinen Weg fort. Ich will in den Hugendubel-Buchladen, auch der Kundentoilette wegen. Wie ich drinnen die Rolltreppen hinaufrolle, veranlassen mich in den verschiedenen Zwischenetagen immer wieder Bücher mit interessanten Titeln zum Stehenbleiben. Eins heißt ‚Der Darm denkt mit.’ Ich blättere kurz darin, neben fachmedizinisch klingendem Text ist bildlich daneben das Innenleben des Darms dargestellt. Mit der Überlegung ‚ da will ich meinen Darm mal beim Denken nicht stören’ lege ich das Buch beiseite, als mich eine spontane Blähung überrascht. Na, wollte ich nicht sowieso aufs WC. Am Karlsplatz, vor dem MC’ Donald’s dann hält, die DLRG-Wasserrettung eine großangelegte Spendensammelaktion ab. In rot-gelben Anoraks stehen viele Funktionsmitglieder mit ihren Büchsen vor Rettungsfahrzeugen samt Anhängern. Auf den Anhängern befinden sich Rettungsboote, sinnigerweise stehen diese alle ganz dicht am Rand des trockengelegten Stachusbrunnens. ‚Ob da wohl ein Zusammenhang besteht’ kommt mir kurz in den Sinn, bevor ich im Stachus-Untergeschoss auf die nächste Truppe seltsam gekleideter Menschen stoße. Die besteht aus drei Personen in grauen, ‚spaceman-artigen’ Overalls, dahinter ist ein Simulationsmotorrad vor einem Monitor aufgebaut. Auf dem Boden befinden sich blaue kleine seltsam aussehende Werbewürfel und Banner. ‚Glasfaser Maxi dsl’ heißt es darauf. M-Net UND Maxi dsl steht auf den spacigen Anzügen der werbenden Menschen. Ich lege den Kopf etwas schief, nicht alleine deshalb, weil einer der Raumfahrer sich gerade auf das Motorrad gesetzt hat und auf dem Bildschirm eine virtuelle Rennstrecke mit kurvigem Kurs dazu erscheint. Ich frage die Dame im Overall des Teams ‚Was hat das Motorrad mit DSL zu tun?’ und sie erklärt lächelnd ‚gar nichts, das dient nur zum Kunden anlocken.’ Ob ich nicht einmal rechts um die nächste Ecke schauen wolle, dort hätte der dazu gehörende neue M-Net-Shop gerade neu eröffnet und es gäbe für jeden ein kleines Geschenk, Gebäck, sowie interessante Neukundenrabattaktionen bei sofortigem Vertragsabschluß. Also schaue ich noch ein bisschen hinein in den Shop, dort sind als Ausstellungstücke iPhone und iPad zu besichtigen. Vor dem Laden stehen diesmal weiße Fahrräder als Werbeträger, sie ist schon etwas verwirrend, diese ganze Aktion. Wie innen dann bei Zimmertemperatur alles Personal in normaler Kleidung herumsteht, aber ein Spacecowboy in besonders dick wattiertem Anzug heraussticht, verzichte ich auf die Frage, welche mir auf der Zunge liegt. ‚Geht’s ihnen noch gut, ist’s nicht ein bisserl zu warm.’ Lieber trete ich die Flucht nach Hause an, mittlerweile ist es wärmer, vielleicht gehe ich ja jetzt Rad fahren. Ach, eins noch, das Geld habe ich zwischendrin fast ganz ausgegeben. Ob ‚ausgeben’ wohl auch als Tipp, ‚wie man sein Geld schützt’, mit in der Zeitung steht?


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Publication Date: 01-14-2012

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