Auf dem Stepwalk vor dem Saloon standen zwei Männer und unterhielten sich. Laute Musik klang aus dem Schankraum. Aus grölenden Kehlen sangen betrunkene Cowboys den Californien Song. Es klang fürchterlich schief, weil jeder seine eigene Kreation des Liedes hervor brachte.
Die Schwingtür wurde aufgerissen und torkelnd fiel den beiden Männern ein alter bekannter Trinker der Stadt Cutter in die Arme.
Mit glasigen Augen sah der Betrunkene auf und lächelte, als er den Mann erkannte, der ihn unter den Armen stützte.
„ Guten Abend Marshall.“ Lallte er. Bei dem Versuch seinen Hut anzuheben schwankte er rückwärts. Fast wäre er den Stepwalk hinunter gestürzt, doch Marshall Nick Ryder zog ihn zurück.
„ Boldie, was mache ich nur mit dir. Eines Tages finde ich dich tot in irgendeiner Ecke. Wenn es nicht der Alkohol ist, der dich fertig macht, dann wird es ein Sturz sein, der dein Genick bricht.“
Sheriff Jett Armstrong schüttelte den Kopf. Er war der zweite Mann vor dem Saloon. Auch er konnte nicht verstehen, dass Boldie sein Leben so achtlos wegwarf. Es waren nur wenige Momente, in denen er den alten Mann bei klarem Verstand antraf. Meistens kurz nach Mittag, denn dann hatte er seinen Mittagsschlaf gemacht und war einigermaßen Nüchtern.
„ Der Marshall hat Recht Boldie. Geh nach Hause und leg dich schlafen.“ Jett musste laut reden, denn im Saloon trat die schöne Sängerin Abby Lindsay auf die Bühne. Lauter Applaus und viele Zurufe schallten bis hinaus. Mit besorgtem Blick ließ Nick Boldie los, nachdem er ihm den Stepwalk hinunter half.
Boldie war schon ein Trinker als Nick vor zwölf Jahren nach Cutter kam und hier seine damalige Frau Lea kennen lernte.
Jeden Abend besuchte er den Saloon und bettelte um alles was Alkohol enthielt. Keeper George hatte längst aufgegeben ihn zu verweisen. Im tiefen Herzen tat ihm der Süchtige Leid und solange sich seine Kunden nicht belästigt fühlten, konnte Boldie im Saloon bleiben und um einen Trunk bitten. Er war ja nicht aufdringlich. Ließ die Neinsager in Ruhe und suchte nach spendableren Männern. Meistens hatte er Glück und einer erbarmte sich. Besonders bei Feierlichkeiten gab es reichlich Gönner, wie auch an diesem Abend.
Jett lehnte lässig gegen einen Pfeiler. Er tupfte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn und sagte nach einer Weile, „ so wollte ich nicht enden. Er kennt weder seine Vergangenheit, noch weiß wer er was ihm die Zukunft bringt. Er lebt immer nur für den Augenblick und ist wahrscheinlich nur die eine Stunde nach dem Mittagsschlaf Nüchtern.“
„ Wie die Zukunft aussieht weiß doch niemand.“ Sagte Nick nachdenklich. „ Und meine Vergangenheit würde ich sehr gerne vergessen.“ Sheriff Armstrong wusste genau was Nick damit sagen wollte. Sie waren feste Freunde seit dem Kindesalter. Niemand konnte ihre Freundschaft zerstören. Nicht einmal Jetts Vater, der sogar nach vielen Jahren noch einmal versuchte ihre Freundschaft zu zerstören. Auch nicht die Lehrerin, die Nick der Schule verwies, weil er eine Schlägerei mit dem reichsten und Jungen der Stadt hatte.
Der Junge war vier Jahre älter und viel größer, aber Nick nahm es trotzdem mit ihm auf, denn er drohte Jett Prügel und dass konnte Nick nicht zulassen.
Doch dann geschah etwas, was dem jungen Nick Ryder mit seinen damals neun Jahren nicht verkraften konnte.
Sein Vater saß betrunken in der Küche während Misses Ryder vor seinen Augen vergewaltigt wurde. Nick stand in der Tür, sah zu wie der Mann sein Messer zog und konnte nichts tun. Seine Mutter schrie ihn an, er solle weg laufen, aber der junge Nick stand wie versteinert da und musste mit ansehen wie der Vergewaltiger die Kehle seiner Mutter durchschnitt.
Dann erst rannte Nick davon. Er stand so unter Schock, dass er sich nicht mal von Jett beruhigen ließ, der ihm über den Weg lief. Er rannte einfach Ziellos weiter.
Es wurde nicht lange nach dem Jungen gesucht, schnell stand fest, dass ein wildes Tier ihn gerissen haben musste. Für die Stadt war es die bequemste Antwort auf das Verschwinden den jungen Ryders. Nachdem sein Vater dem Alkohol verfallen war, wandten sich die Bürger von der ganzen Familie Ryder ab. Niemand bot Hilfe an. Alle redeten nur und ließen dabei kein gutes Wort.
Nick aber fand zuflucht in einem Indianerdorf und wuchs bei ihnen auf. Sie halfen ihn die schrecklichen Träume zu verarbeiten und bauten ihm ein neues Leben auf in und mit der Natur. Durch sie fand Nick wieder kraft und den Einklang mit der Seele.
Das sich Jett und Nick hier in Cutter viele Jahre später wieder fanden, war reines Glück.
Mit gesenktem Kopf stand Nick an der Pferdetränke vorm Saloon und stütze sich mit beiden Händen darauf ab. Die schrecklichen Bilder der Vergangenheit stiegen wieder hoch kreisten durch seinem Kopf.
Jett beobachtete seinen Freund und schien seine Gedanken lesen zu können. Um ihn abzulenken sagte er.
„ Was hältst du von einem kühlen Bier?“ Er wollte die Stimmung wieder etwas anzuheben.
„ Wenn du bezahlst! Aber ich warte hier. Da drinnen ist es mir zu voll.“
„ Geht klar.“ Jett schob sich durch die Schwingtür und erkämpfte sich einen Weg zur Theke.
Die Nacht war warm und der Himmel klar. Wie kleine Lichter funkelten die Sterne über Cutter. Seit Monaten hatte es nicht mehr geregnet. Nick füllte seinen Hut mit dem Wasser der Tränke und goss sich die lauwarme Flüssigkeit über den Kopf. Es war nur für einen kurzen Moment eine Kühlung, aber dennoch tat sie gut. „Wenn Jett noch das Bier bringt, lässt sich die drückende Hitze etwas besser ertragen“. Dachte Nick und setzte sich auf den Rand der Tränke.
Ein gleichmäßiger Hufschlag ließ ihn aufhorchen. Ein Reiter kam auf ihn zu und führte seinen Rotfuchs Hengst zur Tränke. Im Sattel saß ein hoch gewachsener Mann gekleidet mit einem grauen Anzug nach neuster Bostoner Mode. Der dazu passende Hut sah aus wie eben erst gekauft.
Die schwarzen Stiefel glänzten wie frisch geputzt, was sofort auffiel bei dem trockenen Straßenstaub der bei jedem Schritt aufgewühlt wurde und auf sich auf alles absetzte.
„ Guten Abend Marshall“. Grüßte der Fremde und stieg wie ein König aus dem Sattel. Erst jetzt fiel Nick der Sattel auf, der ein Vermögen wert sein mochte. Er bestand aus schwarzem Leder, verziert mit weißen Nähten. Kunstvoll angebrachte silberne Nieten verzierten den Sattelknauf. Während sein Hengst das Wasser schlurfte, band der Fremde seine Satteltasche los und warf sie sich über die Schulter. Nick sah sich Pferd und Reiter genau an. Es war schon etwas ungewöhnlich, dass ein so vornehm gekleideter Mann, ohne Waffen zu so später Stunde allein Unterwegs war. Solche Reisenden beobachtete Nick genau. In den vielen Jahren, in denen er als Gesetzeshüter arbeitete, hatte er ein Gespür für Fremde die Unheil brachten. Der Ankömmling hatte nichts getan, außer höflich zu grüßen und doch stieg in Nick ein Argwohn auf.
Weitere silberne Nieten waren am Leder befestigt, die den Buchstaben V bildeten. Nick konnte sie erst jetzt sehen, da vorher die Satteltasche darüber hing.
Mit einem geküntzelten Lächeln blieb der Fremde vor Marshall Ryder stehen und fragte,
„ endschuldigen sie Marshall, würden sie bitte dem Peon holen, damit er mein Pferd versorgt?“
Nick ließ ein paar Sekunden verstreichen bevor er antwortete. Ihm entging dabei nicht das nervöse Zucken in den Kiefermuskeln des Fremden.
„ Am Ende der Straße ist ein Stall. Dort können sie ihr Pferd unterbringen. Einen Peon gibt es da nicht. Das müssen sie schon selber erledigen. Vier Häuser davor finden sie Peggy-Sue`s Hotel. Bis dort müssen sie so wie so gehen, wenn sie ein Zimmer haben wollen. Natürlich können sie auch fragen ob hier im Saloon noch Zimmer frei sind, aber gerade Heute feiert ein Rancher seinen Geburtstag dort und es wird eine laute Nacht wie sie hören können, Mister…..“
„ Oh Verzeihung, mein Name ist Rupert Victor. Sicher haben sie schon von mir gehört. Victor Agrartechnik. Ich verkaufe die besten Geräte für Farmer. Hier in meiner Satteltasche habe ich den neuesten Katalog mit qualitativen Angeboten. Möchten sie einen Blick hinein werfen?“
„ Glauben sie ein Marshall hat nebenbei noch Zeit ein Feld zu bearbeiten?“
„ Sie sind aber ein lustiger Marshall. Ähm… wie war doch gleich ihr Name?“ Nick atmete tief ein und blies die Luft hörbar wieder aus. Am liebsten wäre er aufgestanden und gegangen. Er konnte solch aufgeblasene Firmenbosse gar nicht leiden. Und dieser Mensch war einer der ganz schlimmen Sorte.
„ Ich bin Marshall Ryder. Einen schönen Aufenthalt in Cutter. Wie lange beabsichtigen sie zu bleiben?“
„ Es gibt kein Gesetz das mir vorschreibt wie lange ich mich irgendwo aufhalten darf. Marshall Ryder.“ Sagte Mister Victor in einem, nicht mehr so freundlichem Ton. Nick erhob sich vom Rand der Tränke und stellte sich aufrecht vor dem Fremden. Sie waren Beide etwa gleich groß, so dass Nick ihm geradewegs in die Augen schauen konnte. Victor versuchte dem Blick stand zu Halten, wich aber schon nach ein paar Sekunden einen Schritt zurück.
„ Warum fühlen sie sich gleich angegriffen?“ fragte Nick mit ernster, tiefer Stimme. Nur zögerlich und mit nicht mehr ganz so sicherem Ton gab Victor zurück,
„ Ich mache hier nur meine Geschäfte, da ist nichts Falsches dran. Wenn sie jetzt endschuldigen, ich muss mich in diesem Nest ja wohl selber um mein Pferd kümmern, guten Abend.“
Nick biss die Zähne aufeinander. Am liebsten hätte er noch was dazu gesagt. Dieser feine Pinkel nennt seine Stadt ein Nest. Aber er schwieg. Jedes weitere Wort würde nur eine neue Diskussion heraus fordern, auf die er nun wirklich kein Interesse hatte.
„ Hier ist dein Bier. Mit freundlichem Gruß von Rancher Sadler zu seinem Geburtstag.“
Jett tauchte auf einmal hinter Nick auf, tippte ihm auf die Schulter und reichte ihm ein Glas hin. Schon der erste Schluck tat gut in der ausgetrockneten Kehle.
„ Wer war der Mann, der eben bei dir stand?“ fragte Jett, der ihn noch gesehen hatte bevor er mit den Gläsern aus dem Saloon kam.
„ Ein Firmenboss. Sein Name ist Rupert Victor von Victor Agrartechnik. Er verkauft die grün gestrichenen Geräte mit dem gelben V.“
„ Wow!“ sagte Jett nur und nippte an seinem Bier.
„ Was heißt hier wow. Dieser Kerl ist unausstehlich. Eingebildet und Arrogannt. Ich hasse solche Leute.“
Angeekelt schüttelte Nick den Kopf. Sheriff Armstrong grinste und meinte.
„ Tja, Cutter ist nun mal eine große, beliebte Stadt geworden, da musst du auch solche Menschen akzeptieren.“
„ Nicht wenn sie Cutter als >Nest< bezeichnen.“
Noch bevor Jett etwas sagen konnte, fiel ein Schuss. Glas zersplitterte und schreie drangen aus dem Saloon. Mit einem Satz sprang Nick die Stufen rauf und öffnete die Schwingarme der Saloontür. Den Colt den er schon in der Hand hielt ließ er dezent wieder im Holster verschwinden als er die Situation erkannte.
Der junge Billy Boone stand mit gezogenem Revolver mitten im Schankraum und bedrohte George den Keeper, der seine Hände lässig auf der Theke liegen hatte.
„ Beruhige dich Billy. Steck den Revolver weg und geh nach Hause mein Junge.“ Versuchte George den aufbrausenden Boy zu beruhigen.
„ Ich bin nicht ihr Junge. Sie geben mir jetzt sofort einen Whiskey sonst schieße ich hier alles kurz und klein. Ich bin alt genug und habe ein Recht auf einen Drink!“ Ein harter Ton lag schon in der jungen Stimme und George spürte, dass er es ernst meinte. Umso erleichterter war er, den Marshall zu sehen, der nun von hinten heran kam.
„ Leg den Colt sofort auf den Tisch und dreh dich langsam um Billy.“ Ein eisiger Schreck durchfuhr den Jungen. Er erkannte sofort die Stimme des Marshalls. Nie hätte er gedacht, dass Marshall Ryder so schnell hier her kam. Fieberhaft überlegte was zu tun sei, da sprach der Marshall weiter.
„ Zwing mich nicht auf dich zu schießen. Na los, leg das Ding weg.“ Billy ließ den Revolver fallen. Langsam drehte er sich um. Verletzter Stolz war deutlich in seinem Gesicht zu lesen. Eine blonde Locke fiel von der Stirn hinunter und bedeckte sein linkes Auge. Obwohl Nick nicht mal einen Colt in der Hand hielt, traute sich der Junge nicht die Hand zu heben um die Haarlocke beiseite zu schieben. Mit verbissener Mine starrte er den Marshall an. Dann schrie er,
„ Ich wollte nur einen Whiskey haben aber dieser Fettsack will mir keinen geben. Er hat….“
„ Er hat die Anweisung von mir.“ Unterbrach Nick ihn.
„ Kein Alkohol an Kindern. Mindestalter sechzehn.“
„ Was ist denn das für ein Mist. Ich bin alt genug. Zu Hause trinke ich auch und das können sie mir nicht verbieten!“
Billys Gesicht lief rot an. Die Adern an seinen Schläfen wurden dicker.
„ Was du zu Hause machst ist mir egal. Hier gilt das Gesetz: Kein Alkohol unter sechzehn. Du bist gerade mal vierzehn. Setz dich auf dein Pferd und verlass die Stadt.“
Wütend stampfte Billy zur Tür und stieß noch einen Cowboy an, der ihm im Weg stand. Nick sah zum Keeper, der seufzend den leeren Rahmen betrachtete wo eben noch sein Wandspiegel drin war. Jetzt hingen nur noch ein paar Scherben darin fest.
„ Er wird für den Schaden aufkommen.“ Sagte Ryder und George nickte nur. Es war nun schon der siebte Spiegel, der dran glauben musste.
Billy verhielt seinen Schritt vor der Tür. Blitzschnell drehte er sich um. In den nächsten Sekunden ging alles rasend schnell. Der Cowboy der vorhin angerempelt wurde stellte fest, dass sein Colt weg war. Billy hielt ihn in seiner Faust und stieß ihn nach vorne. Jett rief einen Warnruf worauf sich Marshall Ryder sofort flach auf den Boden warf und seinen Colt im Fallen zog. Fast gleichzeitig schallten drei Schüsse auf. Der erste kam aus Nicks Waffe und traf Billy am rechten Unterarm. Die zweite Kugel kam aus Jetts Revolver und zischte an Billy vorbei, weil er durch den Treffer zur Seite geschleudert wurde. Billys Kugel fraß sich in der linken Saloonecke in die Holzvertäfelung und hinterließ ein weiteres hässliches Loch darin.
Trotz der Verletzung an seinem Arm hielt Billy immer noch die Waffe in der Hand. Da wurde es Jett zu Bunt. Er sprang den jungen von hinten an und zog ihm den Knauf seines Colts über den Schädel. Wie eine Fadenlose Marionette sank Billy in die Knie. Nick war längst wieder aufgestanden, schlug den Staun aus seinen Sachen und packte den Bewusstlosen am Kragen. Mit Jetts Hilfe trug er ihn über die Mainstreet in sein Office, legte ihn auf das Bett, dass an der Wand unter dem Fenster stand und gab seinem Deputy Cooper die Anweisung den Doktor zu holen.
„ Danke Jett. Das war in letzter in letzter Sekunde. Ich hab ihn nur einen Moment aus den Augen gelassen, weil ich nicht damit gerechnet hatte, dass er auf eine solche Idee kommt. So ein Fehler wird mir auch nie mehr passieren.“
Verärgert über sich selbst ballte Nick die Fäuste.
„ Aus Fehlern lernt man.“ Sagte Jett nur.
„ Aber auch nur wenn der Fehler nicht dein Leben kostet. Dem Teufel ist es egal warum du vor ihm stehst. Er gibt dir keine zweite Chance.“
Nachdem Doktor Leonard die Kugel aus der Schulter Billys entfernt hatte trugen sie den Jungen ins Jail.
Im Saloon war der Zwischenfall längst wieder vergessen. Schießereien und Schlägereien waren nichts außer gewöhnliches. Das Piano klimperte wieder, und Abby Lindsay sorgte mit ihrem Auftritt weiter für Stimmung. Für Nick war der Tag zu Ende. Müde ging er die Straße entlang bis er zu Hause ankam, sich ins Bett fallen ließ und schon bald darauf in einen tiefen Schlaf fiel.
Die Sonne stand hoch am Himmel, als ein kleiner, bunt gekleideter Mann vom Süden her in die Stadt einritt. Es saß auf einem pechschwarzen Rappen mit glänzender schwarzer Mähne, dessen Gang leicht tänzelnd war. Das Bild, das sich den Bewohnern von Cutter da bot war belustigend. Jeder der ihn sah kicherte und ließ irgendeine lustige Bemerkung fallen. Den Reiter kümmerte das nicht. Sein viel zu kleiner roter Hut wackelte im takt zum leichten Trab. Er trug eine gelb-grün gestreifte Weste und eine rote, viel zu kurze Hose, die mit Hosenträgern gehalten wurde.
Vor Murphys Mietstall ließ er sich aus dem Sattel gleiten und führte den Hengst durch das große Tor.
Murphy mistete gerade eine der Boxen aus.
„ Guten Morgen Mister. Mein Name ist Paul Sneider ich möchte ihnen mein Pferd zum Kauf anbieten.
Murphy schaute von seiner Arbeit auf und staunte nicht schlecht beim Anblick des Rappen. Bedenklich kratzte er sich am Nacken und sagte schließlich.
„ Tut mir leid Mister. Das ist wirklich ein schönes Tier, aber so was kann ich mir nicht leisten. Ich brauche einfache Gäule, die ich vermieten kann. Wenn ich so ein Tier abgebe bekomme ich es nie wieder zurück, oder ich müsste eine so hohe Miete verlangen, dass niemand es haben will.“
„ Nein, nein sie verstehen mich falsch. Ich mache ihnen ein Top Angebot. Was sagen sie zu fünfzig Dollar?“ Der kleine Mann verzog die Mundwinkel zu einem Grinsen.
„ Da ist doch was Faul! Entweder haben sie den Gaul gestohlen oder er ist krank. Für dieses Tier können sie das Zehnfache verlangen. Wenn sie ein Betrüger sind muss ich sie warnen. Marshall Ryder hütet das Gesetz hier in Cutter und ihn wollte ich nicht zum Feind haben.“
„ Ich mache keine krummen Geschäfte. Ich möchte dass er in gute Hände kommt und man hat mir ihren Stall empfohlen. Ich muss weiter mit der Bahn reisen bis nach San Francisco, da kann ich ihn nicht mitnehmen.“
Murphy wurde ersichtlich größer. Mit vorgestreckter Brust fragte Stolz,
„ wer hat mich denn da empfohlen?“
„ Seinen Namen weiß ich nicht mehr. Aber er war groß, ähm…hatte braunes Haar und, und blaue Augen.“
„ Oh das könnte Joe Harper gewesen sein. Sind sie an Harpers Ranch vorbei geritten?“
„ Ja richtig.“ Log der bunt gekleidete Mann und war ersichtlich erleichtert, dass alles so gut klappte.
Immer noch etwas skeptisch betrachtete Murphy den Hengst nun etwas genauer. Er kannte sich sehr gut mit Pferden aus und konnte an diesem Tier keine Makel feststellen. Es war ein sehr verlockendes Angebot aber eine Frage hatte er noch.
„ Warum hat Mister Harper bei ihrem Angebot nicht zugeschlagen?“
„ Tja weil ich ihn gar kein Angebot gemacht habe. Ich fragte nach dem Weg Richtung Cutter, da sprach er gleich in höchsten Tönen von Murphys Mietstall. Da dachte ich mir, hier hat er es gut. Hier wohnt ein echter Pferdekenner.“
„ Ich danke für die große Ehre, aber sie müssen verstehen, dass ich ihnen irgendwie nicht trauen kann. Das Tier haben sie doch sicher gestohlen, sonst könnten sie doch nicht so einen Preis dafür anbieten. Mir scheint, sie wollen sich schnell von ihm trennen. Das kann ich verstehen, denn es ist ein sehr auffälliges Pferd. Hm, fünfzig Dollar?“ Murphy kratzte sich wieder am Nacken. „
Der Fremde reichte ihm ein Papier hin und sagte,
„ Hier sind seine Papiere. Wie könnte ich diese besitzen, wenn er geklaut wäre? Den Kaufvertrag habe ich meinerseits schon unterschrieben“
Er tanzte unruhig von einem Bein auf das Andere und erwartete eine Antwort.
„ Also gut, der Deal steht.“ Sagte Murphy nach ein paar Sekunden, die dem Fremden endlos erschienen.
„ Das ist ja großartig. Dann kann ich gleich den nächsten Zug nehmen. Er kommt nämlich schon in zehn Minuten. Ich bin sicher, sie werden ihre heile Freude an dem Tier haben.“ Murphy holte das Geld aus der Schatulle in seinem Schrank und reichte es dem Fremden. Dann fiel ihm noch eine Frage ein.
„ Hat das Tier auch einen Namen?“
Sneider fasste ihn am Arm und führte ihn aus dem Stall. Im Flüsterton sagte er schließlich,
„ Er heißt Marshall.“ Dann lief Paul Sneider Richtung Bahnhof. Murphy schüttelte den Kopf.
„ Der ist nicht mehr ganz richtig im Kopf.“ Sagte er zu sich selbst, steckte die Papiere in seine Weste und ging wieder in den Stall zurück um das schöne Tier weiter zu bewundern.
Etwas mulmig war ihm schon, denn wenn das Pferd doch gestohlen war, bekommt er sicherlich Ärger. Aber vielleicht hatte der Fremde ja auch die Wahrheit gesagt, dann wäre es doch dumm gewesen dieses Angebot nicht anzunehmen.
Murphy stand noch einige Minuten nachdenklich da und rieb sein stoppeliges Kinn. Dann kam eine Idee.
Er führte den Hengst in die hinterste Box, schloss die Tür und wollte erst mal bei Marshall Ryder horchen, ob irgendein Pferdediebstahl gemeldet wurde. Wenn dem so war, konnte er behaupten, er hätte den Deal mit dem Dieb nur gemacht, um ihn zu identifizieren. Und wenn es keine Anzeige gab, konnte man ihm doch nichts vorwerfen. Murphys Stall befand sich genau gegenüber der Praxis von Doktor Leonard. Nick und der Doc standen auf dem Vorbau und unterhielten sich, als Murphy aus seinem großen Tor trat. Er sah ihn und grüßte über die Straße hinweg.
„ Hallo Marshall!“ Mit staksigen O-Beinen überquerte er die Mainstreet, gefolgt von seinem schönen neuen Hengst, der hinter seinem Rücken trottete.
„ Tag Murphy“, grüßte Nick tippte an seinen Hutrand und zwinkerte. Leonard staunte, “ Was für ein prachtvolles Tier.“
Verdutzt blieb Murphy stehen.
„ Aber woher wisst ihr schon davon? Ich habe ihn doch gerade erst bekommen?“
„ Dann solltest du besser auf ihn aufpassen. Ich habe es nicht gerne, wenn hier Pferde frei durch die Stadt laufen.“ Sagte Nick etwas ernster.
„ Frei?“ Murphy war fast sprachlos. Er hatte den Hengst hinter sich immer noch bemerkt.
„Aber Marshall, sie kennen….“ In dem Moment stieß ihn der Rappe mit seinem Kopf in den Rücken. Murphy stolperte nach vorne und fiel Nick genau in die Arme.
„ Wie kann das denn? Ich habe doch die Boxentür verschlossen!“ schimpfte der alte Stallinhaber.
„ Oh Murphy, ich glaube du wirst allmählich alt. Vergesslichkeit ist da ganz normal.“ Spottete Leonard.
Wütend zupfte Murphy seine Weste wieder gerade.
„ Ich brauche deinen medizinischen Rat nicht. Ich weiß genau, dass ich die Tür verschlossen habe. Mit dem Riegel wie bei allen anderen auch. Das mache ich schon seit vierzig Jahren so und noch nie habe ich das vergessen!“
„ Wie auch immer. Bring ihn in den Stall zurück. Aber vorher verrätst du mir noch, woher du ihn hast.“ Auch Nick war ein Pferdekenner. Er sah gleich wie wertvoll das Tier war und kannte keine Ranch in Arizona, die so einen Rappen besaß. So was Edles wäre doch lange aufgefallen.
„ Darüber wollte ich ja mit dir reden. Ich habe ihn sehr günstig einem Reisenden abgekauft. Das ist nicht illegal.“
„ Gibt es Papiere?“ harkte Nick gleich nach.
„ Natürlich. Hier sind sie. Alles da.“ Er griff in seine Westentasche, zog ein Stück Papier hervor und reichte es dem Marshall. Auf dessen Stirn bildete sich eine tiefe Falte zwischen den Augen als er das Schriftstück las. Leonard beobachtete ihn und fragte neugierig.
„ Ist was nicht in Ordnung?“ Nick begann laut vor zu lesen.
„ Farbe schwarz, Geschlecht Hengst, Name Marshall…. „
Weiter kam er nicht. Der Hengst machte einen Satz nach vorne und stieß Nick diesmal mit seinem Kopf an, so dass dieser rückwärts über die Stepwalk stufen flog und unsanft auf dem Gesäß landete. Murphy unterdrückte ein grinsen, Leonard reichte ihm die Hand und half ihm beim Aufstehen.
„ Alles Okay?“ fragte der besorgte Arzt. Nick ließ sich nicht anmerken, dass ihm der Rücken schmerzte. Er biss die Zähne zusammen und nickte nur.
„ Die Papiere kannst du ins Feuer werfen, die sind nichts wert. Und den Gaul will ich hier nicht mehr ohne Führstrick sehen. Ich hoffe für dich, dass es kein gestohlenes Pferd ist. Ich werde diesbezüglich mal etwas rum horchen.“
„ Tut mir wirklich leid, Marshall. Kommt nicht wieder vor.“
Und wieder wollte der Hengst Murphy anstupsen. Aber diesmal konnte der alte Pferdekenner ausweichen. Er führte ihn zurück in den Stall. In der letzten Box stand die Tür offen, der Riegel hing runter. Murphy überlegte, ob er tatsächlich zum ersten Mal in seinem Leben vergessen hatte den Riegel um zu legen. Also tat er es diesmal mit viel bedacht und drehte sich beim rausgehen noch einmal um. Die Tür war geschlossen, und verriegelt.
In Peggy-Sues Restaurant saß Mister Rupert Victor zu Tisch und las in einer Zeitung. Die Bedienung brachte ihm eine Tasse frisch aufgebrühten Kaffee und stellte diese auf die rot-weiß karierte Tischdecke ab. Ohne ein Wort des Dankes tastete Victors Hand den Tisch ab, während sein Blick an einem Zeitungsartikel hängen blieb. Er fand die Tasse, umklammerte sie und wollte sie zum Mund führen, als er laut aufschreiend hochsprang. Die Tasse zerschellte am Boden, der Kaffee verlief über die sauber geputzten Dielen.
„ Was sollte das denn?“ schrie er mit hochrotem Gesicht.
„Wollt ihr mich verbrühen? Das Zeug ist ja feuerheiß!“
Verlegen blieb die junge Frau, die ihn den Kaffee brachte in der Tür zur Küche stehen. Nachdem sie den Schrecken überwunden hatte, griff sie ein Tuch und eilte damit auf den aufbrausenden Gast zu.
„ Verzeihung Mister. Aber Kaffee wird nun mal heiß serviert. Die meisten Gäste mögen unseren Kaffee, weil er immer frisch aufgebrüht wird.“ Sie versuchte vergeblich die Flecken weg zu tupfen, die der Gast nun auf seinem feinen, grauen Anzug hatte. Immer wieder stieß er die Frau zurück, und fuchtelte mit seinen Armen in der Luft.
„ Sie wissen nicht mal meinen Namen? Eine Schande ist dieses Hotel. Ich zahle hier die überhöhten Preise und was ich dafür bekomme ist eine unfähige dumme Kuh, die mir viel zu heißen Kaffee anbietet!“
Noch einmal versuchte die Bedienung den Gast zu beruhigen indem sie ihm erklärte,
„ es tut mir wirklich leid. Aber unsere Tassen haben auch Henkel, damit man sich nicht die Finger verbrüht.“
„ Ah ha, sie geben also zu, dass man sich verbrühen kann.“
„ Das habe ich ihnen doch schon erklärt!“ gab die junge Frau nun auch mit etwas schärferem Ton zurück.
Klatsch! Rot brannte die Ohrfeige an ihrer linken Wange. Der Schlag war so heftig, dass sie sich einmal um die eigene Achse drehte und gegen den Nachbartisch fiel. Entgeistert starrte sie den kräftigen Mann an. Tränen rannen aus ihren Augen. Die linke Wange brannte nun noch mehr unter den salzigen Tränen.
Zu dieser Zeit befand sich nur ein weiterer Gast im Restaurant, der sich langsam Richtung Ausgang schlich. Victor bemerkte es aus den Augenwinkeln, aber er ließ ihn gehen. Mit Sicherheit holte dieser Mann jetzt den Sheriff, doch das war ihm egal. „Soll er doch kommen“, dachte er. „Ich bin Rupert Victor. Mir kann keiner was.“
Es dauerte gerade mal drei Minuten, da betrat Marshall Ryder den Speisesaal. Der unbeliebte Gast saß wieder auf seinem Stuhl und las in der Zeitung, als wäre nichts geschehen. Nick sah sofort die Scherben und den Kaffee auf dem Boden. Ein leises Weinen drang aus der Küche. Mit verschränkten Armen postierte er sich vor dem Gast.
„ Was ist hier vorgefallen?“ fragte er mit tiefer Stimme, doch
Rupert Victor reagierte nicht darauf. Er las weiter in der Zeitung.
„ Legen sie die Zeitung weg, Mister. Ich rede mit ihnen.“
Auch diesmal kam keine Reaktion von dem Mann.
Da trat Nick auf ihn zu und entriss ihm das Tagesblatt. Er stützte sich mit beiden Händen auf dem Tisch ab, so dass ihre Augen auf gleicher Höhe waren. Victor hielt diesem Blick diesmal stand. Lässig lehnte er sich in seinem Stuhl zurück.
„ Ah, Marshall. Wollten sie was von mir?“ tat er überrascht.
„ Sie haben eine Frau geschlagen. Sie kommen jetzt mit ins Office, dort werden wir die Anzeige schriftlich erledigen.“
„ Das ist nicht nötig Marshall. Es gibt keine Anzeige.“ Victor hob sein Kinn und posierte sich wie ein Löwe, der gerade sein Revier erfolgreich verteidigt hatte. Nick wandte sich ab und ging in die Küche. Die gedemütigte junge Frau stand wieder am Herd. Den Kopf verlegen nach unten geneigt rührte sie in einer Pfanne herum. Der Duft von Rührei lag in der Luft.
„ Miss Miller, würden sie mich zum Office begleiten? Ich muss ihre Anzeige schriftlich festhalten und brauche ihre Unterschrift.“ Zaghaft schüttelte sie verneinend den Kopf.
Ihre Stimme klang fein und etwas unterdrückt vom Weinen.
„ Ich verzichte auf eine Anzeige.“
Marshall Ryder stand mit offenem Mund da. Es dauerte eine Weile bis er seine Verwunderung überwunden hatte, dann fragte er.
„ Das verstehe ich nicht. Er hat sie geschlagen. Haben sie Angst vor ihm? Hat er ihnen gedroht?“ Langsam drehte er die Frau zu sich herum. Seine starke Hand lag auf ihrer zarten Schulter.
„ Sehen sie mich an Miss Miller. Er wird ihnen nie mehr was antun. Dafür kann ich aber nur sorgen, wenn sie ihn Anzeigen.“
„ Ich möchte nicht. Bitte, ich habe noch zu tun.“ Ihre Wange flimmerte immer noch rot. Bei genauem hinsehen waren sogar die einzelnen Finger zu erkennen. Nick brodelte innerlich vor Wut, aber er konnte nichts tun. Ohne ihre Aussage waren ihm die Hände gebunden.
Wieder zurück im Speisesaal grinste ihm Rupert Victor hämisch entgegen. Sein Spott war unüberhörbar, als er sagte,
„ Tja Marshall. Sieht wohl so aus, als brauche ich sie nicht zu begleiten. Ich bin eben der große Rupert Victor. Und noch einen Tipp für einen armseligen Sternträger wie sie. Mit Geld kann man sich alles kaufen. Zur Not auch eigene Gesetzte!“ Nick atmete tief ein. Jetzt wurde ihm einiges klar.
Er hat Miss Miller Geld gegeben damit sie schweigt. Eine Frau, die sich im Restaurant mühselig ein paar Dollar verdiente um sich, ihre drei Kinder und ihren behinderten Mann zu ernähren, bekommt auf einmal ein paar Dollar mehr in die Hand. Bei ihr brauchte es nicht mal viel gewesen zu sein. Sie hatte es so schon schwer und kämpfte um jeden Cent. Das Geld gönnte er der armen Frau, aber der Preis war zu hoch dafür. Ohne ein Wort zu sagen verließ Nick das Restaurant. Er schlenderte den Stepwalk entlang und besah sich die Schaufenster. Er brauchte Ablenkung um nicht ständig das Grinsen des eingebildeten Victor vor sich zu sehen. Am liebsten hätte er diesem aufgeblasenen Kerl eine rein gehauen, aber dass durfte er nicht. Er trug einen Stern und musste sich an die Gesetzte halten. Diese besagten keine Gewalt an Wehrlose. Victor trug weder eine Waffe, noch machte er eine drohende Geste.
Aus einer Seitengasse kam Misses Green heraus gelaufen. Sie hielt ihren Rock angehoben um nicht über den Saum zu stolpern. Schon von weitem erkannte sie den Marshall und rief ganz aufgeregt.
„ Oh was für ein Glück dass ich sie hier treffe. Kommen sie schnell. In meinen Garten, bitte beeilen sie sich.“
Sheriff Armstrong hatte alles mit angehört und kam ebenfalls angerannt.
„ Was ist denn los?“ fragte er außer Atem.
„ Keine Ahnung. Aber lass uns nach sehen.“ Sie rannten bis zum Ende der kleinen Gasse. Auf der rechten Seite befand sich das Haus der Familie Green. Es war ein sehr gepflegtes kleines Häuschen mit einem blühenden Vorgarten. Die vierzehn jährige Tochter stand inmitten der Wiese und schrie um Hilfe. Nick zog schon im Laufen seinen Colt, und war auf alles gefasst. Das Mädchen wies auf den dichten Heidelbeerstrauch, dessen Zweige hin und her wackelten. „Er ist dahinter!“ rief sie. Nick gab Jett Handzeichen. Er schlich sich rechts herum, während Jett sich von hinten heran pirschte.
„ Hier ist der Sheriff, kommen sie mit erhobenen Händen raus!“ befahl Jett, aber nichts tat sich. Die Zweige raschelten weiter wie zuvor. Nick schlich weiter in geduckter Haltung, immer auf einen Angriff vorbereitet. Nur noch einen Schritt, dann war Jett um den Strauch herum. Er hielt kurz inne und rief noch einmal,
„ Kommen sie raus. Der Marshall ist auch hier. Sie haben keine Chance.“
So schnell wie Jett dann angerempelt wurde, konnte er gar nicht reagieren. Aus dem Busch heraus stieß ihn die Nase eines schwarzen Pferdes an und ließ ihn nach hinten torkeln. Ein lautes Wiehern hallte hinterher. Nick steckte den Colt zurück ins Holster und seufzte.
„ Du schon wieder. Na warte, jetzt kann Murphy aber was erleben.“ Er wandte sich an Misses Miller und fragte,
„ Ist ihnen etwas geschehen?“
„ Nein. Aber das Vieh hat meine Heidelbeeren gefressen. Es ließ sich nicht vertreiben. Wem gehört es eigentlich? Ich verlange Schadenersatz.“
„ Ich kümmere mich darum. Misses Miller. Ehm.. haben sie vielleicht ein Seil für mich?“
Sie führten den Hengst zurück zum Stall. Den ganzen Weg dorthin schimpfte Jett. Sein helles Hemd war versehen mit blauen Flecken, die der Hengst, mit seinem verschmierten Maul beim anstupsen hinterließ.
Der Hengst Marshall schlug mit seinem Kopf auf und ab und zeigte dabei seine blau gefärbten Zähne.
„ Er lacht mich aus Nick.“ Sagte Jett und sah das Tier böse an. „ Sieh dir nur mein Hemd an. Musstest du deine Schnauze ausgerechnet daran abwischen? was bist du doch für ein blöder Gaul.“
„ Ja das ist er.“ Stimmte Nick zu. „ Dieses Tier sollte man schlachten oder in einen Wanderzirkus stecken. Hier in der Stadt bringt er nur Unruhe. Und außerdem, wer zum Teufel nennt sein Pferd Marshall.“ Schon wieder stupste der Hengst Nick von hinten an. Ryder machte einen unbeholfenen Satz nach vorne und drehte sich wütend um.
„ Jetzt reicht es aber wirklich. Jedes Mal wenn er seinen Namen hört, stößt er zu. Wenn Murphy da keine Lösung findet muss er das Tier verkaufen. --- Hey!“ Marshall hatte den Hut von Nicks Kopf gerissen und kaute genüsslich darauf rum. „ Gib ihn wieder her, dass ist meiner.“ Mit aller Gewalt versuchte Ryder dem Tier den Hut wieder ab zu nehmen. Marshall schlug weiter mit dem Kopf, aber Nick ließ nicht los. Es sah aus, wie ein Kräftemessen zwischen Mensch und Tier. Jett schaute sich das Schauspiel genüsslich an. „ Die Idee mit dem Zirkus finde ich gar nicht schlecht. Fehlt nur noch dein Clownkostüm, dann wäre es eine perfekte Nummer“, grinste er. Ryder umklammerte den Hut fest mit beiden Händen fest. Immer wenn Marshalls Kopf hoch ging, hob Nick fast mit den Füßen vom Boden ab, aber Beide ließen nicht los.
„ Her damit. Bevor er noch…“ Es war zu spät. Nick hielt nur noch einen Teil der Krempe in seiner Hand, der Rest verschwand im Pferdemaul.
„ Das kommt ihn teuer. Der Hut war gerade mal zwei Monate alt. Hier sieh nur Jett.“ Nick hielt seinem Freund das Überbleibsel hin. Er hatte genau den Teil gerettet in dem seine Inizialie eingestanzt war.
„ Jetzt darf ich aus N.R.4 eine N.R 5 machen. Zwei Hüte wurden mir vom Kopf geschossen, einer kam zwischen die Rinderhufe und Nummer vier wurde von einem Pferd gefressen.“
„ Sei froh, dass ihm nicht noch deine Haare schmecken. Sonst wärst du noch skalpiert worden.“
Mürrisch erreichte Nick den Stall, packte sich den Spaten der an der Wand stand und schlug auf eine Metallene Kiste in der Ecke. Der krach war so laut, dass Murphy erschrocken aus seinem Anbau angerannt kam.
„ Verdammt was ist hier los?“
„ Da steht dein Ungeheuer. Sperr ihn gut weg. Ich mache derweil die Rechnungen für dich fertig.“
„ Wovon redest du Marsh…“
„ Sprich es nicht aus!“ fiel Nick ihm barsch ins Wort.
„ Dieser Gaul spielt verrückt, wenn er seinen Namen hört. Wahrscheinlich war das auch der Grund, warum du ihn so günstig bekommen hast. Er wird dir noch teuer kommen.“
Murphy streichelte dem Hengst liebevoll über die Mähne.
„ Ich weiß gar nicht was du willst. Du bist doch nur neidisch.“
„ Neidisch? Vergiss es. Er hat Misses Greens Heidelbeeren verspeist und du weißt ja wie sehr sie ihren Garten liebt und pflegt. Das bedeutet auch, dass es keine Heidelbeermarmelade mehr gibt, bis die Nächsten reif sind. Das ist ein hoher Verlust für die alte Dame, die davon lebt. Außerdem hat dieses Biest meinen Hut gefressen. Die Rechnung dafür bekommst du Heute noch.“ Nick verließ wütend den Stall.
„ Ich finde er übertreibt es jetzt etwas.“ Sagte Murphy zu Jett, der außen am Tor lehnte und alles mit anhörte.
„ Lass dir was Einfallen, dass er nicht ständig abhaut. Und kauf Nick besser Heute noch einen neuen Hut, sonst kann ich für nichts garantieren“, riet er dem Murphy.
Im Office machte sich Deputy Lex Cooper darüber lustig, dass Nick den ganzen Tag ohne Hut rum lief. Er unterhielt sich darüber mit Benno Walker, dem anderen Deputy und Beide fragten sich was wohl der Grund dafür war. Benno vermutete schon Kopfschmerzen, weil Nick sich wieder mal über die Buchführung ärgerte und den ganzen Tag schlecht gelaunt war. Lex lachte und sagte“, nein ich weiß es. Er hat sich die Haare schneiden lassen und will es jedem zeigen. Benno fiel in sein Lachen mit ein. Indem Moment trat Nick herein.
„ Schön, dass wenigstens ihr was zu lachen habt. Benno, warst du schon im Postoffice? Für dich Lex habe ich auch einen Auftrag. Du gehst zu Misses Green und siehst dir den Schaden an ihrem Heidelbeerstrauch an. Ob noch Beeren dran hängen und wie viele Äste abgebrochen sind.“
Benno wollte gerade los laufen, blieb aber in der Tür stehen, als er kopfschüttelnd fragte.
„ Was soll denn das?“ Er strich sich mit der Hand durch sein dichtes braunes Haar.
„ Der neue Gaul von Murphy hat den Strauch abgefressen. Sie verlangt Schadenersatz. Meinen Hut hat das Vieh auch angefressen. Den kann er mir auch gleich Ersetzten.“
Mit großen Augen sahen sich die beiden Deputys an. Das war also der Grund. Lex grinste in sich hinein, und schob Benno zur Tür hinaus, weil er sein Lachen kaum noch unterdrücken konnte.
„ So witzig finde ich das gar nicht“, sagte Nick zu sich selbst und lehnte sich im Sessel zurück. In Gedanken erschien ihm wieder der schwarze Hengst mit seinem Hut im Maul und wie er verzweifelt versuchte ihm diesen ab zu nehmen. Dann fing er selber an zu lachen. Im Schrank lag ja noch der alte Hut. Er hatte zwar ein kleines Loch an der Seite, aber wenigstens hatte er erst mal eine Kopfbedeckung. Er hatte sich schon im kleinen Hutladen umgesehen, aber es war keiner dabei, der ihm gefiel. Der Inhaber hatte einen Katalog raus geholt, aus dem er genau den gleichen Hut bestellen konnte, was allerdings eine gute Woche dauern würde.
„ Die Rechnung geben sie bitte an Mister Murphy vom Mietstall weiter.“ Sagte er dem Verkäufer vor einer Stunde.
Gegen Abend füllte sich langsam der Saloon. Die Bewohner Cutters legten ihre Arbeit nieder und viele gönnten sich einen Abendtrunk. An der Theke konnte man viel erfahren. Fremde kamen von überall her und erzählten von anderen Städten, von ihren Reisen und was sonst noch los war in der Welt. Der Saloon war fast schon eine Konkurrenz zur Zeitung, welche sorgfältig von Richard Conway geführt wurde. Für alle die nicht lesen und schreiben konnten war der Tratsch im Saloon eine wichtige Informationsquelle.
Auch Rupert Victor hatte vor, heute Abend den Saloon zu besuchen. Nicht um sich dort einen anzutrinken. Auch nicht um neuen Klatsch zu hören. Nein, er wollte Geschäfte machen. Auf dem Tisch in seinem Hotelzimmer lagen die Werbeblätter schon bereit. Auf ihnen waren die neusten Farmergeräte abgebildet, die jedem Farmer die Arbeit erleichtern sollen.
Die Produkte der Firma Victor Agrartechnik waren weit bekannt und tatsächlich boten sie auch gute Qualität an. Wer sich ein Victor Pflug zulegte, musste zwar ein paar Dollars mehr ausgeben, aber es war das Geld wert.
Nick musste diesen aufgeblasenen Angeber dulden. Er hatte sich bisher nur aufgespielt. Gegen das unverschämte Verhalten im Restaurant konnte er, ohne Anzeige, nichts machen. Marshall Ryder hoffte daher, dass dieser Victor hier nur einige Geräte verkaufen will und dann zur nächsten Stadt weiter reist. Schließlich hat er nicht ohne Werbung und Engagement eine so große und mittlerweile weit bekannte Firma aufgebaut. Über den Boss dieser Firma hatte Nick bisher nur in der Zeitung gelesen. Allerdings wurde er stets als freundlicher, netter Mensch bezeichnet. Ryder stand am Fenster seines Office und schaute verträumt auf das Treiben vor dem Saloon gegenüber. Entweder haben alle Editoren gelogen oder sie wurden auch mit Dollars bestochen, stets nur gutes über Rupert Victor zu Schreiben.
„ Ich kann dich leider nicht aus der Stadt weisen, aber glaube mir, beim kleinsten Fehler habe ich dich.“ Dachte Nick bei sich.
Zur späteren Abendstunde verließ Rupert Victor das Hotel. Frisch rasiert und sauber gekleidet mit einem Stapel Blätter im Arm marschierte er zum Saloon. Die wenigen Damen, die noch auf den Straßen unterwegs waren grüßten freundlich. Es kam nicht oft vor, dass ein so feiner, nach Lavendel duftender Herr sich nach Cutter verirrte.
Der Hauptanteil der Gäste waren Cowboys die vom Viehtrieb kamen und furchtbar stanken, wenn sie nicht vorher im Badehaus vorbei schauten. Einfache Reisende oder eben auch Outlaws, von denen die meisten Mexiko zum Ziel hatten, machten hier einen Zwischenhalt.
Mit erhobenem Haupt öffnete Rupert die Schwingtür zum Saloon. An diesem Abend spielte keine Musik. Nur ein paar Angetrunkene grölten unverständliche Lieder. An den Tischen und an der Theke gab es laute Unterhaltungen. Man genoss einfach die Geselligkeit bei einem kühlen Bier oder einem Whiskey, der bei Keeper George besonders gut war. Er hatte enge Beziehungen zu einem schottischen Whiskyhändler, der zwei Mal im Jahr zu ihm kam. Natürlich verkaufte er auch einfachen Brandy oder Bourbon.
Die meisten Cowboys brauchten nur was billiges was in der Kehle brannte, für mehr reichte ihr bescheidener Lohn nicht aus.
Rupert fiel gleich auf, als er den Schankraum betrat. In der hinteren Ecke wurde es sofort still. Diese plötzliche Ruhe übertrug sich auf die Männer, die an der Theke lehnten und schon bald schauten auch die Pokerspieler auf. Rupert ging mitten durch die Menge und postierte sich auf der Bühne.
Nach zweimaligem Räuspern begann er sein Anliegen vor zu bringen. Gespannt hörte man ihm zu, aber schon nach drei Minuten kam Unruhe auf. Victor Rupert versuchte mit allen Mitteln wieder Aufmerksamkeit zu bekommen, jedoch stellte er sich nicht gerade geschickt dabei an. Nach weiteren drei Minuten hörte niemand mehr zu. Auch die vorher ausgeteilten Werbeblätter lagen am Boden und wurden achtlos betreten. Rupert Victor stand mit offenem Mund auf der Bühne. Dies war nun schon die vierte Stadt in der er keinen Erfolg mit seiner Werbung hatte. Wenn nicht bald ein paar Verträge geschlossen wurden, stand die ganze Firma vor dem Untergang. Das viele Geld, das er bei sich hatte würde nicht ewig reichen. Er musste neue Kunden gewinnen um nicht irgendwann vor der Pleite zu stehen. Schließlich wollte er dieses angesehene Leben nicht mehr aufgeben. Zu lange hatte er in Armut gelebt und wurde nur Hin und Her gestoßen. Nun war er ein Mann, dem die Frauen zu Füßen lagen, denn er konnte mit Dollars winken. Und wie sich im Restaurant herausstellte, war das viele Geld auch gut, um Hin und wieder Gesetzte zu umgehen.
Seine Ratlosigkeit schlug in Wut über. Er ballte die Fäuste und schrie in den Saal.
„ Ihr verdammten, dreckigen Cowboys. Ihr habt doch gar keine Ahnung von Landwirtschaft. Vergrabt euch hier am Ende der Welt und glaubt was Besseres zu sein! Ich kann auf euere mickerige, kleine Felder verzichten. Es gibt genügend Großfarmer, die mir mit Handkuss meine Geräte abkaufen, denn die wissen was Qualität ist. Ich habe es mir gleich gedacht, als ich hierher kam, in dieses Nest.“
Es war ganz schön mutig, solche Worte in den Raum zu werfen, wo doch der Saloon mit so vielen Einwohnern gefüllt war, die stolz auf ihre Stadt waren. Aber niemand schenkte Rupert Victor mehr Interesse. Sie hielten ihn für einen Verrückten und schüttelten nur die Köpfe.
Victor erkämpfte sich einen Weg nach draußen. Kurz vor der Schwingtür wurde er aufgehalten. Ein Mann hielt ihn am Arm fest und starrte ihn an. Er war um die fünfzig Jahre alt und trug einen angegrauten Schnauzer. Sein Haar dagegen war schon silbergrau und schimmerte unter dem braunen Texashut hervor. Er trug keinen Revolver. Sein Hemd war Kragenlos und mit Stickereien besetzt. Mit einem unerwarteten Griff riss der Alte den Hemdsärmel Victors hoch. Der Manschettenknopf sprang ab und kullerte unter einen der Tische. Der Alte stierte auf Ruperts Unterarm.
„ Hab ich doch gewusst“, sagte der Mann mit rauer Stimme.
„ So plump hat sich Rupert noch nie angestellt. Er war ein einzigartiger Geschäftsmann und konnte verdammt gute Reden halten. Ich weiß nicht was du hier im Schilde führst, aber du musst sein Zwillingsbruder Levi sein.“
„ Rupert zog seinen Arm zurück unter krempelte den Ärmel wieder herunter.
„ Du bist verrückt Alter. Ich habe keinen Zwillingsbruder“, sagte er Kopfschüttelnd.
„ Doch! Ich kenne deine Mutter. Sie hat mir im Sterbebett davon erzählt. Während Rupert bei ihr bleiben durfte musste sie dich als Baby abgeben, weil sie nicht genug zu essen hatte für zwei Babys. Sie hatte es nie richtig verkraftet und sich immer vorwürfe deswegen gemacht. Sie erzählte mir auch, dass sie dich nach langer Suche gefunden habe und du auf dem Weg nach Hause warst. Ich habe gedacht, sie hätte sich das nur im Fieber eingebildet. Sie starb nämlich an Typhus und phantasierte Tagelang wirres Zeug. Aber jetzt glaube ich, sie hatte Recht.
Erstens kennt Rupert mich, er hätte mich längst gegrüßt, zweitens hat er ein Muttermal auf dem linken Unterarm. Und drittens ist Rupert ein feiner Kerl und nicht so ein Stinkstiefel wie du.“
Unsanft schob Rupert den Mann wie ein lästiges Insekt von sich. Aber der Alte ließ nicht locker und rief hinterher.
„ Ich werde es beweisen. Ich sende ein Telegram nach Texas. Du wirst schon sehen was dann passiert.“
Erstarrt blieb Rupert stehen und trat wieder näher an den alten Mann heran.
„ Was soll passieren, Rupert gab mir den Auftrag ihn in seinem Namen zu vertreten. Ich bitte sie das für sich zu behalten. Es wäre sonst Geschäftsschädigend. Und das wollen sie ihrem alten Freund doch nicht antun.“
„Niemals würde Rupert dich in seinem Namen los schicken um seine Firma zu vertreten. Nicht einen solchen Trottel.“
„ Pass auf was du sagst Alter. Sonst schlag ich dir die letzten Zähne aus, die du noch im Maul hast.“
Der alte Texaner ließ Rupert stehen und ging mit großen Schritten aus dem Saloon heraus. Er marschierte die Mainstreet entlang bis zum Telegrafenoffice. Freudestrahlend sah er, dass noch Licht durch das Fenster schimmerte. Es war also noch jemand da. Er öffnete nach einem Klopfen die Tür, wie es im Westen üblich war und trat ein. Rupert beobachtete alles vom Stepwalk aus. Er stand in einer Schattigen Ecke und rieb sich sein Kinn.
„ Verdammt“, murmelte er. „Der Alte macht mir alles zu Nichte. Muss er auch ausgerechnet hier in Cutter im Saloon hocken. Mutter ist tot und ich dachte immer, außer sie weiß niemand von mir. Was mag er wohl für ein Telegramm aufgeben? Rupert ist tot. Niemand weiß davon. Sie halten alle mich für ihn. Er kann gar nichts aus Texas erfahren.“ Mit diesen Gedanken begab er sich zurück in sein Hotelzimmer. Stundenlang lag er wach auf seinem Bett und starrte gegen die Decke. Tausende Gedanken schossen durch seinen Kopf. Der einzige Beweis war dieses Muttermal. Es gab keine Zeugen mehr einer Zwillingsgeburt.
Sogar seine Zieheltern waren verstorben und hatten niemandem erzählt, dass er ein Adoptivkind war. Er musste trotzdem an das Telegramm kommen. Er musste wissen was darin stand. Zu so später Stunde war keine Antwort mehr aus Texas zu erwarten. Also musste er bis zum Morgen warten und den alten Texaner im Auge behalten. „Sobald dieser das Telegramm empfangen hat, werde ich dafür sorgen, dass auch der letzte Zeuge stirbt. Dann steht mir niemand mehr im Wege.
Die Firma gehört mir, mit allem Reichtum was dazu gehört.“
Mit diesem Gedanken fielen endlich seine Augen zu.
Noch bevor die ersten Sonnenstrahlen die Dächer der Häuser von Cutter berührten, stand Victor schon auf seinem Posten.
Unauffällig, stand er angelehnt an einem Pfeiler, vor dem Generalstore und ließ das Telegraphenoffice nicht aus den Augen. Nick Ryder saß im Office an seinem Schreibtisch und schlief. Die Füße lagen bequem auf der Tischplatte zwischen den Briefen.
An diesem Abend war nicht viel los. Nick las bis tief in die Nacht in einem Buch und schlief darüber ein. Das Buch lag noch immer aufgeschlagen auf seinem Schoß. Sein Sohn Jetty hatte es zuvor gelesen. Der Junge war so begeistert von der Geschichte, dass er von nichts anderem mehr erzählte. Das machte Nick neugierig und er fing ebenfalls an darin zu lesen. Vom Autor Jules Verne hatte er schon gehört. Die Einen verehrten ihn als großen Schriftsteller, Andere hielten ihn für einen Spinner. Nick wollte sich seine eigene Meinung bilden. Über die Geschichte eines U- bootes, dass zwanzigtausend Meilen unter dem Meer schwimmt.
Nick lag in einem tiefen Schlaf und träumte von so einem U-Boot. Er beobachtete zusammen mit Kapitän Nemo die bunten Fische. Ein riesiger Meeresbewohner schwamm am Bullauge vorbei. Er trug einen grauen Hut und als er sein Gesicht zu ihm drehte, grinste ihn Rupert Victor hämisch an. Im Unterbewusstsein zuckte Nick zusammen, dabei fielen seine Füße vom Tisch. Erschrocken wachte er auf, sah sich um, und stellte zu seiner Zufriedenheit fest, dass er noch in seinem Office war. Er rieb sich die verschlafenen Augen, sah auf das Buch, welches zu Boden gefallen war und murmelte, “ Was für ein blöder Traum. Jetzt verfolgt der Kerl mich schon im Schlaf.“ Er blickte zur Standuhr hinüber. Sie zeigte kurz vor sechs Uhr an. Gähnend nahm er seinen Waffengurt vom Haken und band ihn um. Es war höchste Zeit seine morgendliche Runde zu drehen und nach dem Rechten zu sehen. Seinen alten Hut drehte er in seinen Händen und lächelte, als er einen Finger durch das Loch in der Seite stecken konnte. Jetzt konnte er darüber lachen, damals aber war es bitterer Ernst. Ein kleines Inch weiter zur Mitte und er würde jetzt dort hinten am Rande der Stadt auf dem Boothill liegen, zerfressen von unzähligen Maden. Bei dem Gedanken schüttelte es ihm. So oft schon hatte er Glück gehabt in seinem Job. Wie lange wohl noch? Wann kommt der Tag an dem ihm eine Kugel aus den Stiefeln holt. Oder ein Messer. Wie viel Glück kann ein Mensch alleine haben? Nick überlegte, ob es da wohl eine Grenze gab. Ob man irgendwann da oben anklopft und jemand sagt, tja das war es. Dein Glück ist verbraucht.
Er stand so noch eine Weile neben der Tür, als diese plötzlich aufsprang. Mit roten Wangen und leicht verschwitzt trat Deputy Lex Cooper ein.
„ Guten Morgen Nick. Ich habe mit deinem Jungen ein Wettrennen gemacht und gewonnen.“ Sagte er außer Atem. Nick sah zum Fenster raus. Draußen lief eine kleine Gruppe Kinder Richtung Schulgebäude. Auch sein Sohn Jetty war dabei. Mit seinen zwölf Jahren übernahm er gerne die Aufsicht über die kleineren und gab großspurig Anweisungen. Er sah Nick am Fenster stehen und kam auf das Office zu gerannt.
„ Morgen Pa. Wir machen heute einen Ausflug zum See. Darf ich deine Angel mitnehmen?“
„ Da muss ich erst mal schauen, wo sie ist. Habe schon lange keine Zeit mehr zum Angeln gehabt.“
„ Ich brauche sie aber jetzt!“ drängelte Jetty. Lex zog sich den Hut tiefer ins Gesicht und meinte,
„ geh nur suchen Nick. Ich übernehme deine Runde.“
Ryder zögerte noch. Eigentlich sollten seine Deputys immer zu zweit gehen. Sie waren noch jung und unerfahren. Lex spielte gerne den großen Mann, aber Nick kannte seine schwächen.
„ Es ist noch nichts los da draußen. Außerdem kann ich ja bei Benno vorbei gehen und ihn aus dem Bett holen. Ich pass schon auf.“ Jetty trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. „ Bitte Pa, ich komme sonst zu spät“, bettelte er.
„Na gut. Halt die Augen auf Lex.“
„ Ich kann das Nick. Ich bin schon so oft mit dir mitgegangen.“
Ryder ging mit seinem Sohn nach Hause um die Angel zu suchen und Lex machte sich voller Stolz auf den Weg.
Er wollte erst die hinteren Gassen entlang gehen und dann bei Benno anklopfen. So wie er es von Nick gelernt hatte, prüfte Lex nun die Türen zum Generalstore und dem Waffenladen. Er schaute in die Schaufenster ob drinnen alles in Ordnung war. Dabei übersah er Rupert Victor der sich in einer schattigen Ecke versteckte. Marshall Ryder wäre dies sicher nicht entgangen, auch nicht, dass ein alter Mann mit Texanerhut im Telegrafenoffice verschwand und zwei Minuten später wieder rauskam. Lex stand mit dem Rücken zum Geschehen. Er bewunderte einen neun Remington Colt, der im Schaufenster auf einem roten Kissen ausgestellt lag. Nur den erstickten Schrei, den der Texaner durch Victors Hand hindurch presste, die ihm den Mund zuhielt, hörte Lex. Er drehte sich um, konnte aber niemanden sehen. Rupert hatte sein Opfer in die schmale Gasse zwischen zwei Häuser gezogen. Mit seiner Bärenkraft hielt er den schwachen Texaner fest im Arm, die Hand auf dessen Mund gepresst.
Es bedurfte nur einen kleinen Ruck und das zerbrechliche Genick des alten Mannes war gebrochen. Leblos sank sein Körper zu Boden. Victor suchte seine Westentaschen ab und fand das Telegramm. In steiler Schrift stand dort:
An Mister Dillen,
Er ist auf Geschäftsreise. Werden ihren unglaublichen Verdacht nachgehen. Weitere Informationen heute Abend.
Ranger Gilbert
Deputy Cooper schlich dem Geräusch nach , dass er eben vernommen hatte. Er erreichte die Ecke des Hauses, welches die Gasse zum Nachbargebäude bildete, und lugte vorsichtig hinein. Eisiger Schreck durchfuhr ihn, als er den toten am Boden liegen sah. Was er dann tat, war nur noch mechanisch. Unüberlegt zog er seinen Colt. In seinem Kopf war plötzlich eine Leere. Auch Nicks Warnungen und Befehle waren wie ausgelöscht. Immer wieder gab Nick ihm Anweisung nichts allein zu Unternehmen. Hole Hilfe, wenn es ernst wird. Aber Lex dachte in diesem Moment über gar nichts mehr nach.
Er sprang nach vorne und stand im Eingang der Gasse. Seine Hand zitterte leicht und Schweiß trat aus allen Poren aber er bemühte sich um eine feste Stimme.“ Die Hände hoch!“ rief er. Erschrocken sah Victor auf. Er hatte nicht damit gerechnet, dass ihn jemand beobachtete. Der Zettel fiel ihm aus der Hand und schwebte wie ein Blatt im Wind sanft zu Boden. Er kniff die Augen zu einem Spalt zusammen, damit die aufgehende Sonne hinter Lex Rücken ihn nicht mehr so blendete. Dann erkannte er den jungen Deputy. Lex machte noch einen Schritt vorwärts. Viel energischer kam nun sein Befehl.“ Los, die Hände an die Wand.“ Rupert kam diesen Befehl ohne Gegenwehr nach. Vor diesen blutjungen Burschen brauchte er keine Angst zu haben. Mit dem würde er leicht fertig werden.
Lex holte immer noch keine Hilfe. Wie in Trance stieg ein Gefühl der Überlegenheit in ihm hoch. Er musste ihn nur noch nach Waffen abtasten, dann konnte er ihm Handschellen anlegen und abführen. Wie stolz dann wohl Marshall Ryder auf ihn sein würde.
Deputy Cooper ging auf Rupert zu. Seinen Colt hielt er in der Rechten, während er mit der linken Hand die Hose des Firmenbosses abtastete. Dann geschah es. Blitzschnell wandte Rupert sich um, zog in der Drehung seinen Ellbogen hoch und traf Lex mitten ins Gesicht. Der junge Deputy stolperte zurück. In seiner Panik riss er den Colt hoch und schoss. Seine Kugel verfehlte Victor um einige Inches, denn der Mörder warf sich zu Boden zog den Revolver des toten Texaner aus dessen Holster und schoss zurück. Wie von einem Keulenschlag getroffen flog Lex rückwärts gegen die Mauer und sank an ihr herunter. Leblos blieb er liegen. Rupert suchte noch nach dem Telegramm, konnte es aber in der Eile nicht finden. Er musste weg. Die Schüsse waren Meilenweit zu hören und jeden Moment würde der Marshall hier auftauchen. Er nutzte die Kisten in der Ecke um die Mauer zu überwinden und verschwand durch die Seitengassen, bis er im Hinterhof des Hotels ankam. Unbemerkt von den Küchenfrauen schlich er den Flur entlang und gelang ohne Aufsehen in sein Zimmer. Dort wartete er ab.
Nick hatte die Angel für seinen Sohn schnell gefunden. Er nutzte die Auszeit um seiner Frau Carol-Ann den guten Apfelkuchenteig weg zu naschen. Carol-Ann schlug ihm auf die Finger. „ Jetzt ist aber Schluss sonst bleibt nichts mehr zum Backen übrig. Geh in dein Office, du hast doch bestimmt noch viel zu tun“, sagte sie lächelnd. Nick liebte ihr lachen. Er sah sie an und konnte einen Kuss nicht zurück halten. Leidenschaftlich gab sie sich hin, umklammerte seine Taille und drückte sich fest an ihn ran. In diesem Moment schallten die beiden Schüsse auf. Nick zuckte innerlich zusammen. Sein erster Gedanke galt sofort Lex, den er doch beim Rundgang wusste. Ohne ein Wort zu sagen rannte er aus dem Haus. Vor der Gasse bildete sich schon ein Auflauf an Menschen. Einer zeigte zu ihm hinüber und rief.
„ Da kommt der Marshall!“ Nick schob die Leute auseinander, bahnte sich einen Weg nach vorne und blieb geschockt stehen. Lex lag verkrümmt vor der Mauer. Blut lief aus seinem Mundwinkel und auf seinem Hemd war ein großer dunkelroter Fleck. Nick stürzte auf ihn zu, nahm dessen Kopf und legte ihn in seinen Schoß.
„ Alex, Junge hörst du mich?“ er kämpfte gegen seine Tränen an als Lex die Augen aufschlug und versuchte etwas zu sagen. Aber es kam kein Ton über seine Lippen.
„ Du darfst nicht sterben, hörst du?“ ein feines lächeln spielte sich um die Mundwinkeln des Deputy. Nick nahm den Jungen in seine Arme. Niemand stand ihm im Wege, als er den Verletzten über die Straße zum Arzthaus trug.
Auf halben Weg kam Sheriff Armstrong angerannt. Völlig außer Atem öffnete er die Praxistür und machte Platz für Nick und den Verwundeten.
Vorsichtig legte er ihn auf den Behandlungstisch. Lex stöhnte leise auf, sein Arm fiel kraftlos runter. Nick nahm dessen feine Hand und drückte sie.
„ Ich werde ihn finden Lex. Das verspreche ich dir. Ich werde das Schwein finden und wenn es bis ans Ende der Welt geht, er wird seiner Strafe nicht entkommen.“
Noch einmal versuchte Lex etwas zu sagen, aber so sehr er sich auch anstrengte, über seine Lippen drang kein Wort. Fest krampften sich seine Finger um Nicks Hand. Dann lockerte sich der Griff. Nick sah wie Lex Cooper eine Faust ballte und nur Zeige und Mittelfinger streckte.
„ Es waren zwei?“ fragte er aber Lex reagierte nicht mehr.
Doktor Jim Leonard betrat in diesem Moment das Behandlungszimmer. Seine Ärmel waren hoch gekrempelt und er hielt eines der neumodischen Instrumente in den Händen das er Stethoskop nannte.
„ Warte draußen.“ Befahl der Doc. Nick brauchte keine Fragen zu stellen. Er kannte Doktor Leonard gut genug und wusste, dass dieser nun sein Bestes gab. Er war ein großartiger Arzt. Ein Mediziner mit Leib und Seele, der immer und für jeden da war der Hilfe brauchte egal zu welcher Tageszeit und ob Reich oder Arm. In den drei Jahren die Leonard schon in Cutter lebte entstand zwischen ihm und Nick eine große Freundschaft.
Schweren Herzens verließ Nick die Praxis. Draußen stand Jett und wartete auf ihn.
„ Wie geht’s dir?“ fragte er besorgt.
„ Besser als ihm.“ Sagte Nick und wies mit dem Daumen über seine Schulter zur Praxis hin.
Nach einer kurzen Pause erklärte Jett.“ der Andere ist Tot, Genickbruch. Außer diesem Zettel habe ich nichts weiter feststellen können. Der Täter muss über die Mauer gesprungen sein und hat dabei die Holzkisten zum besteigen benutzt. Auf der obersten Kiste ist ein blutiger Fußabdruck zu sehen. Allerdings nur die Stiefelspitze.“
Bevor Nick einen Blick auf den Zettel warf sagte er.
„ Es waren zwei!“ Jett sah ihn überrascht an. „ Wie kommst du darauf?“
„ Lex hat mir zwei Finger gezeigt. Kannst du mit dem Telegramm was anfangen?“
„ Noch nicht. Aber es sollen Heute Abend noch weitere Informationen kommen. Ich schlage vor das wir bis dahin warten bevor wir Ranger Gilbert vom Tot des Mister Dillen Berichten.“
„ Ist der Tote denn auch dieser Dillen?“
„ Ja. Er wurde von George Identifiziert. Er hat sich Gestern im Saloon ins Gästebuch eingetragen und ein Zimmer gemietet. Soll ich das Zimmer untersuchen oder möchtest du es tun?“
„ Sieh dir den….den Tatort noch mal an, besonders den Abdruck. Ich kümmere mich um das Zimmer.“ Er wollte gerade gehen, da legte Jett seine Hand auf Nicks Schulter und drehte ihn zu sich um.
„ Er wird wieder. Du warst immer wie ein Vater zu ihm. Daher hat er auch deinen Dickschädel und deinen Kampfgeist.“
„ Ich hätte ihn nicht gehen lassen sollen. Das war meine Runde.“
„ Damit konnte niemand rechnen. Außerdem musst du langsam akzeptieren, dass er kein Kind mehr ist. Er wollte schon lange, dass du ihm mehr Verantwortung überlässt.“
„ Die hatte er ja nun bekommen, und was ist passiert? Er ist noch nicht so weit. Und das ich Recht habe siehst du ja hier.“
Eine Weile später untersuchte Nick das Zimmer in dem der Texaner wohnte. Viel hatte er nicht dabei. In seinen Satteltaschen waren nur Seife, Rasierzeug und etwas Kaffeepulver. Auf dem Tisch lag ein kleines Buch. Es waren Gedichte darin von verschieden Dichtern. Nick blätterte belanglos darin herum. Er fand keine Zettel, nicht einmal Lesezeichen, aber auf der ersten Seite stand etwas hand geschriebenes.
Alles Gute zum Geburtstag John. Deine Schwester Lisa. Lubbock, May 14.1875
Er hatte also eine Schwester. Heute Abend musste er dem Ranger zurück telegraphieren und ihm vom Tot des Mister John Dillen unterrichten. Nick war sich sicher, dass dieses Telegramm der Grund seiner Ermordung war. Jetzt galt es nur heraus zu finden was Mister Dillen so unglaubliches festgestellt hat, dass ihn jemand dafür umbringt. Das bisschen Eigentum des Toten nahm Nick mit ins Office und schloss es in den Safe. Wenn jemand kommt um die Leiche abzuholen kann er diese Sachen gleich mitnehmen, ansonsten wurden sie mit der Post verschickt.
Als Jett eintrat, goss sich Nick gerade einen Kaffee ein.
„ Hast du was raus gefunden?“ fragte Sheriff Armstrong.
„ Nein. Er hatte nicht viel bei sich. Hier ist die Liste. Wie war es bei dir?“ Er reichte Jett ein Blatt Papier auf dem er alles aufgelistet hatte, was Dillen gehörte.
„ Der Mörder ist in die Blutlache…..“ er stockte für einen Moment. Seine Kehle fühlte sich plötzlich ganz trocken an. Er musste einpaar Mal schlucken bevor er weiterreden konnte. Er ist Lex Blut getreten hat ein paar Abdrücke neben Mister Dillen hinterlassen und einen Fußabdruck auf der Kiste. Leider ist nur eine Stiefelspitze erkennbar. Sie gehört zu einem Standart Cowboystiefel, nichts besonderes. Ich frag mich nur warum er bei der Leiche war? Er muss dort etwas gesucht haben.“
„ Ja den Zettel“, sagte Nick.
„ Der lag aber etwas weiter weg in der Ecke.“
„ Dann hat er ihn auf der Flucht verloren.“ Nick schluckte den Kaffee belanglos runter. Seine Gedanken schweiften zum Deputy, der immer gerne eine Tasse mit trank und sich so viel Milch hinein kippte, dass Nick stets lachen musste.
Er hatte ihn mal gefragt warum er nicht gleich nur Milch trank. Lex antwortete, er sei nun ein Mann und Männer trinken nun mal Kaffee und keine Milch.
Jett riss ihn aus seinen Gedanken,
„ Da kommt Leonard.“ Sagte er nur und wie gebannt standen Beide im Office, starrten auf die Tür und hofften auf gute Nachrichten. Leonards Gesichtausdruck verriet nichts. Er ging zum Ofen, nahm sich ebenfalls einen Kaffee und begann zu berichten.“ Es war nicht leicht, aber die Kugel ist raus. Er hat viel Blut verloren und ist noch sehr schwach. Die nächsten Stunden sind noch kritisch, aber wenn er die Nacht übersteht, stehen seine Chancen gut.“
Nick zog die Luft tief in seine Lungen und schloss die Augen. Dann sah er Leonard ernst an und fragt.
„ Kann ich zu ihm?“
„ Nein er schläft. Er ist auch nicht in der Lage dir Fragen zu beantworten. Ich weiß wie sehr du darauf brennst. Er ist der einzige Augenzeuge und hat den Mann höchst wahrscheinlich gesehen, aber du musst warten.“
„ Es waren zwei. Lex konnte es mir noch mit den Fingern anzeigen.“
„ Dann finde sie. Ich muss jetzt zurück, die Krankenschwester kommt in einer Stunde und hält dann Wache. Viel Glück Nick.“
Nick und Jett standen unauffällig dicht an der Wand des Generalstores und beobachteten das Telegraphenoffice.
Um zweiundzwanzig Uhr erlosch das Licht im Büro und Edwards, der Telegraphist, schloss die Tür von außen zu.
Pfeifend machte er sich auf den Weg zum Saloon, wo er jeden Abend noch einen trank bevor er nach Hause zu seiner Frau ging, die er immer >Drache< nannte. Sie war in der ganzen Stadt bekannt und jeder hatte Mitleid mit ihm. Sie kommandierte nicht nur ihren Ehemann herum, sondern war auch Vorlaut und Zänkisch allen Anderen gegenüber. Sie hatte auch keine Skrupel zu zuschlagen, wenn es ihr passte, und so ging man ihr besser aus dem Weg und sprach sie möglichst nicht an. Niemand verstand, wie Edwards so eine Person heiraten konnte, aber der gebeugte Mann sprach nie darüber. Er ließ die Beschimpfungen seines >Drachen< über sich ergehen und lebte sein Leben im Saloon aus, worauf er sich jeden Abend freute.
Auf einen Wink des Marshalls hin, verfolgte Jett den Telegraphist bis zum Saloon. Niemand sonst war zu sehen. Die Hoffnung, dass der Mörder das Telegramm abpassen wollte war gebrochen. Sicher war ihm die Situation zu heikel, denn er musste davon ausgehen, dass das erste Telegramm vom Marshall gefunden wurde.
Rupert Victor war Vorsichtig geworden. So ein Fehler wie Gestern in der Gasse konnte er sich nicht noch einmal leisten. Er riskierte nur einen flüchtigen Blick zum Fenster raus und sah gleich die beiden Sternträger auf der Straße. Angstschweiß rann seiner Stirn hinunter. Was mochte in dem zweiten Telegramm gestanden haben? Wegreiten konnte er jetzt nicht. Es würde zu sehr auffallen, wenn er sich spät am Abend abmeldet und sein Pferd aus dem Stall holte. Hier bleiben war genau so riskant. Vielleicht wusste der Marshall nun bescheid. Der Deputy konnte auch längst geredet haben.
Aber der Marshall blieb draußen auf der Straße. Er machte keine Anzeichen ins Hotel zu gehen um ihn fest zu nehmen. Rupert entschloss sich unter das Volk zu mischen. Es war wohl am unauffälligsten und nur so konnte er erfahren, was der Marshall schon wusste. Er musste nur die Ohren aufhalten und zuhören, was die Leute sich draußen erzählten. Sobald der Morgen graute wollte er sein Pferd holen und die Stadt verlassen.
Dreist ging er die Mainstreet entlang und traf auf Marshall Ryder und Sheriff Armstrong. Nick seufzte und wandte sich ab. Er hatte kein Interesse daran sich mit diesem Mann zu Unterhalten. Jett kannte ihn noch nicht und grüßte ihn. Er hatte zwar von dem Zwischenfall im Restaurant gehört, wollte sich aber nun ein eigenes Bild von ihm machen.
„ Guten Abend. Sie müssen Mister Victor sein“, sagte er.
Rupert zuckte zusammen. Fieberhaft überlegte er, was zu tun war, falls der Sheriff ihn festnehmen sollte. Er wusste ja nicht, ob ein Telegramm angekommen war, und wenn ja, mit welcher die Nachricht? Hatten die Gesetzeshüter Beweise ihn fest zu nehmen? Innerlich brodelte ein Sturm in ihm, den er geschickt zu unterdrücken wusste. Er legte ein belangloses lächeln auf und grüßte zurück.
„ Sheriff Armstrong. Es ist mir eine Freude sie kennen zu lernen.“
„ Was machen die Geschäfte? Habe gehört, dass ihre Werbung nicht so gut ankam hier in Cutter. Die meisten sind Rancher. Aber mit Viehzucht müssten sie sich ja auch gut auskennen. Ihre Firma sitzt doch in Texas oder nicht?“
Nick wurde hellhörig. Wie konnte er das übersehen. Jetzt mischte auch er sich auch in das Gespräch.
„ Soso, Texas. Hier ist Heute Morgen ein Mann umgebracht worden. Er kam ebenfalls aus Texas. Sein Name war John Dillen. Kannten sie ihn?“ Scharf und eindringlich kam die Frage.
„ Aber Marshall. Haben sie eigentlich eine Ahnung wie groß Texas ist? Über das Doppelte von ihrem Arizona. Ich kann doch nicht alle Texaner kennen?“
„ Nein sicher nicht. Wo waren sie Heute Morgen so gegen sechs Uhr?“ Nick beobachtete Victors Gesicht genau. Er bemerkte das Zucken der Kieferknochen und die kleinen Schweißtropfen auf dessen Stirn. Rupert wurde leicht nervös und angelte nach seinem Taschentuch.
„ Eine schwüle Nacht ist das hier wieder. Texas hat angenehmere Luft.“ Er tupfte sich den Schweiß weg und sagte“, ich bin ein geschäftiger Mann. Die Tage sind lang, die Nächte kurz, aber um diese Zeit schlafe ich für gewöhnlich noch.“ Wie ein Blitz schoss ihm die nächste Frage des Marshalls entgegen.
„ Was heißt für gewöhnlich. Haben wir heute Morgen eine Ausnahme gemacht?“
„ Sie beschuldigen mich? Einen ehrenwerten Bürger dieses Landes?“
„ Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Wo genau waren sie Heute Morgen?“
„ Im Bett!“
„ Wann sind sie aufgestanden?“
„ Jetzt habe ich aber genug.“
„ Antworten sie!“ Nick trat einen Schritt auf ihn zu. Seine Rechte hing lässig über dem Revolverkolben.
„ Sie werden mich doch nicht erschießen wollen? Ich bin unbewaffnet. Ich bin Geschäftsmann und kann mit einer Waffe gar nichts anfangen.“
„ Vielleicht nicht, aber dennoch ist Mister Dillen tot.“
Rupert wurde langsam klar worauf der Marshall hinaus wollte. Er durfte sich jetzt nur nicht verplappern. Er wusste, dass er die wahre Todesursache nicht kennen durfte.
„ So, wie denn? Wie hat man ihn denn getötet?“
„ Ich dachte, dass würden sie mir sagen.“
„ Netter Versuch Marshall. Aber ich bin nicht der Mann den sie suchen, Guten Abend“ Rupert wurde das Gespräch zu gefährlich, denn offensichtlich versuchte der Marshall ihm Fallen auf zu bauen. Zu schnell hat man was Falsches gesagt.
„ Jett. Erkundige dich bei Peggy-Sue wann er gefrühstückt hat, und ob ihn jemand in der Früh gesehen hat. Ich hör mich mal im Saloon um.“ Jett grinste. Ja, geh du nur in den Saloon und ich zum Hotel.“
„ Wir können auch tauschen, wenn du willst. Peggy-Sue macht besseren Kaffee wie du und Kuchen ist bestimmt auch noch übrig vom Tag.“ Nick schlug schon die Richtung zum Hotel ein, doch Jett überholte ihn.
„ Du darfst dich gerne mit den betrunkenen Cowboys da drinnen rumschlagen und die Zigarettenluft einatmen. Ich gehe zum Hotel.“ Bevor Nick einen Einwand bringen konnte war Jett schon weg.
Ryder bestellte sich ein Glas Bier und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Theke. Rupert saß an einem Tisch in der Ecke und ließ sich vom einem Girl verwöhnen. Sie gehörte zu Big Olgas Freudenhaus, das am Ostausgang der Stadt lag. George erlaubte den Girls das Anwerben von Kunden in seinem Saloon, dafür kaufte Big Olga bei ihm den Alkohol, den sie ohne Schankgenehmigung sonst nirgends bekam.
Das junge Girl Namens Kathy verstand ihr Geschäft. Sie brauchte gar nicht lange, bis sie Victor so weit hatte, dass dieser ihr ins Freudenhaus folgte.
Big Olga war eine erbitterte Feindin des Marshalls. Sie hatte ihm nie verziehen, dass Nick damals ihren Liebhaber anklagte, der dadurch zum Tode durch den Strick verurteilt wurde.
Sie nahm jeden Outlaw auf der Hilfe suchte und machte dem Marshall die Ermittlungen schwer.
Kathy stellte Olga ihren Freier Mister Rupert Victor vor und verschwand mit ihm in ihr rosarotes Zimmer. Big Olga rieb sich die Hände. Einen so Reichen hatte sie lange nicht mehr im Haus. Den musste sie sich unbedingt warm halten.
Es war nicht viel los an diesem lauwarmen Abend. Keeper George hatte eine Pause und sprach Nick an.
„ Hey Marshall. Wie geht es Cooper?“
„ Er lebt. Und wenn er es Morgen noch tut, stehen seine Chancen ganz gut. Dieser Rupert Victor hat sich wohl ziemlich blamiert Gestern? In den Zeitungen wird er stets als tüchtigen, kompetenten Geschäftsmann beschrieben.“
„ Es war eine Katastrophe. Niemand hat ihm zugehört. Ich wollte ihn schon rausschmeißen. Er ruinierte schließlich auch meinen Laden. Die Gäste fühlten sich belästigt, aber da hatte er es bereits selber eingesehen und war gegangen. Hier sie dir mal seine Preise an.“ George reichte Nick eines der Werbeblätter die nach dem Vortrag auf dem Boden verteilt lagen.
Nick warf einen flüchtigen Blick darauf und wollte es zurück reichen, da fiel ihm etwas auf. Unten stand die Firmenadresse. Victor Agrartechnik Texas, Lubbock.
Er steckte den Zettel in seine Tasche.
„ Wollen sie Farmer werden? Da kann ich ihnen billigere und sehr gute Geräte empfehlen. Mein Schwager…“
„ Danke George. Aber ich brauche ihn für was anderes. Der Tote kam ebenfalls aus Lubbock. Mag ein Zufall sein, aber ich glaube nun mal nicht an Zufälle.“
„ Sie haben miteinander geredet.“ Sagte George.
„ Wer?“ Nick drehte sich neugierig zu ihm hin.
„ Dieser Victor und der alte Mister Dillen. Sie standen gestern Abend vor der Tür und hatten was zu besprechen. Dann ging Mister Dillen fort und Mister Victor verließ kurz darauf auch meinen Saloon.“
„ Das ist ja interessant.“ Am Ende der Theke stand der Telegraphist Mister Edwards. Marshall Ryder ging zu ihm und prostete ihm zu.
„ Guten Abend Mister Edwards. Ist wirklich kein Telegramm aus Texas mehr gekommen?“
„ Nein tut mir leid. Es war überhaupt ein ruhiger Tag heute.“
Nick schluckte. Ruhige Tage verliefen normalerweise anders. An solchen Tagen wurde niemand angeschossen. Und Leichen gehörten auch nicht dazu.
„ Bitte senden sie doch gleich Morgen ein Telegramm an Ranger Gilbert und benachrichtigen sie ihn über den Tot Mister Dillens. Und er möchte doch antworten um was es sich genau handelte bei dem Telegramm dieses John Dillen.“
„ Das mache ich Morgen gleich als Erstes, Marshall.“
„ Danke. Hatte Dillen noch irgendetwas gesagt oder angemerkt als er bei dir war?“
„ Nein. Er wirkte fröhlich. Trällerte sogar ein Lied.“
Die Sterne leuchteten hell am Himmel. Mit schweren Herzen ging Nick Richtung Arztpraxis. Doktor Leonard hätte bestimmt bescheid gegeben, wenn sich Lex Zustand verändert hätte. Aber er wollte Gewissheit. Durch das Fenster fiel ein gedämpfter Lichtschein auf die Straße. Die Krankenschwester hielt also Wache. Sachte klopfte Nick an die Scheibe und schon bald wurde das Fenster geöffnet.
„ Wie geht es ihm?“ flüstere Nick.
„ Er schläft immer noch. Aber er hat kein Fieber und seine Atmung ist gleichmäßig. Morgen wissen wir mehr.“
Über die Straße hinweg schallte ein lauter ruf.
„ Marshall“ Nick warf sich rum, den Revolver schon in der Hand, aber niemand war zu sehen. Kurze Zeit darauf erschien Murphy. In seiner Hand hielt er ein abgerissenes Seil. Erleichtert schob Nick seinen Colt zurück ins Holster und rief Murphy zu.
„ Ist er wieder weg?“
„ Dieses Miststück. Sieh dir das an. Er hat das Seil zerfressen und das Tor geöffnet. Jetzt weiß ich auch warum der vorherige Besitzer ihn so schnell loswerden wollte. Das Tier kostet mich ein Vermögen. Alleine der Heidelbeerbusch hat mich eine Tageseinnahme gekostet.“
„ Hörst du das? Da hinten flucht jemand. Ich kann mir schon Denken warum.“ Vom Bahnhof her drangen die schlimmsten Flüche durch die klare Nacht. Murphy und Nick gingen nachsehen und tatsächlich stand Hengst Marshall im Lager der Bahn und hatte schon mehrere Kisten umgestoßen und zertreten.
„ Oh, das ist nicht gut.“ Bemerkte Nick beim Anblick des Schadens. Der Rappe kaute auf einem Kleidungsstück herum, dass bei näherer Betrachtung das bestellte Hochzeitskleid der jungen Dolly Nielson war. Übermorgen sollte die Hochzeit mit dem Sohn des Großrancher Erik Dopsen sein. Sie hatte das Kleid aus Bosten bestellt. Es war eine extra Anfertigung mit vielen Perlen und Spitzen.
Murphy wurden die Knie weich. Er sank auf eine der Kisten und starrte entgeistert auf das Chaos nieder.
Der Lagerverwalter kam wütend auf ihn zu.
„ Sehen sie sich das Unheil an! Ihr Rindvieh hat hier gewütet wie der Teufel. Ich dachte eine ganze Bande wäre hier am Randalieren. Wie soll ich das Miss Nielson beibringen. Ihr zukünftiger Schwiegervater hat dieses Kleid bestellt, er wird sie dafür hängen und ihnen die Haut am lebendigen Leib abziehen. Mister Murphy!“ Der alte Stallbesitzer fuhr sich mit dem Zeigefinger durch sein Halstuch, als spüre er schon die enge Schlinge um seinen Hals.
Nick versuchte die Situation noch etwas zu retten und schlug vor“, Vielleicht kann die Frau des Chinesen Wang das Kleid noch retten. Sie ist eine sehr gute Schneiderin.“ Hengst Marshall hatte das Kleid fallen gelassen und fand neues Interesse an einer Schürze die an der Wand hing. Nick betrachtete den Schaden am Kleid. Es war ein großes Loch genau auf Gesäßhöhe. Er schmunzelte ein wenig, schob seine Hand durch das Loch und meinte.
„ Ist doch ganz praktisch. So kann die Braut ohne Probleme ihrem dringenden Bedürfnis nachgehen. Die Häuschen sind ja immer so eng.
„ Schön, dass du noch deinen Humor hast.“ Murmelte Murphy.
„ Bring dein Pferd zurück und besorge dir ein Schloss aus Metall. Ich frag bei Misses Wang nach ob es sich noch lohnt das Kleid zu nähen und ob die Flecken rausgehen.“
„ Marshall warten sie!“ rief der Lagerverwalter und wurde sofort vom Hengst angerempelt. Er stolperte Nick in die Arme und wäre sicherlich gestürzt, hätte Nick ihn nicht aufgefangen.
„ Es ist gefährlich mich zu rufen, wenn er in der Nähe ist.“ Ryder wies auf das Pferd, das wie immer freudig mit dem Kopf nickte, wenn er seinen Namen hörte und stupsen durfte.
Der Lagerverwalter zupfte seine Kleidung zu Recht. Ihm war der Zwischenfall sichtlich peinlich.
„ Wie Regeln wir das nun mit dem Schaden hier?“ wollte er wissen.“ Notieren sie, was zerstört wurde und geben sie die Liste in mein Office. Wir werden uns drum kümmern.“
Misses Wang versprach ihr bestes zu geben. Sie sah noch Hoffnung für das Kleid. Erleichtert ging Nick zum Office. Sheriff Jett Armstrong war mit einem Bericht beschäftigt.
Als er Nick sah, lehnte er sich zurück und sagte,
„ Ich habe über unseren Fall nachgedacht. Lex hatte doch zwei Finger angezeigt. Wenn wir diesen Victor verdächtigen, wer ist dann die Nummer zwei? Er läuft ganz klar als Einzelgänger hier rum. Egal wen ich gefragt habe, niemand hat ihn mit einem Anderen zusammen gesehen. Außerdem warst du dabei, als er allein in die Stadt kam.“
„ Das heißt nichts. Sein Komplize kann an einem anderen Tag gekommen sein. Da fällt mir ein, ich wollte Victor noch mal ansprechen. Der Tote hatte kurz vorher mit ihm gesprochen und Beide kommen aus Lubbock. Vielleicht ist Dillen unser zweiter Mann. Sie haben sich gestritten, Lex kam dazu und es kam zur Schießerei.“ Nick machte eine kurze Pause und fügte hinzu.“ Verdammt, das passt nicht. Dillen wurde das Genick gebrochen.“
„ Vielleicht beim Sturz?“
„ Nein. Alles weist auf brutalem überdrehen des Kopfes hin. Das kann nur jemand mit seinen Händen getan haben.“
„ Wir sollten uns nicht nur auf diesen Victor konzentrieren. Vielleicht jagen wir dem Falschen nach.“
Marshall Ryder dachte nach. Wenn nur Lex endlich wieder zu sich kam. Dann wäre das Geheimnis gelüftet.
„ Wir müssen bis Morgen warten. Edwards sendet ein Telegramm an Ranger Gilbert. Ich hoffe, dass von dort ein paar Antworten kommen. Jetzt gehe erst mal zum Hotel und überzeuge mich, ob Victor wirklich jede Nacht seiner Bettruhe nachgeht.“
In Peggy-Sues Hotel-Restaurant brannten nur noch zwei Lichter. Eine Kerosinlampe im Gästezimmer, Eine weitere im Treppenhaus. Die Eingangstür war verschlossen. Wer spät in der Nacht ein Zimmer suchte musste den schweren Türklopfer betätigen.
Ryder kannte aber die kleine unscheinbare Hintertür, die zum Schlafzimmer und in Peggy-Sues Büro führte. Sie befand sich im Hof hinter mehreren Fässern und einer Kletterpflanze in einer Nische.
Peggy-Sue brauchte diesen Ausgang für sich, wenn sie mal unbemerkt weg wollte. Manchmal wurde ihr die Arbeit in einem so großen Hotel zu viel. Dann zog sie sich in ihr Büro zurück, wollte nicht gestört werden und floh zur Hintertür hinaus ins Grüne. Sie hatte ein ganz besonderes Plätzchen am Ligasee gefunden, wo sie neue Kraft fand.
Sie wollte ihren Angestellten keine Schwäche zeigen. Gutes Personal braucht eine starke Führung. War ihr Erfolgsmotto.
Nick gehörte zu dem kleinen Kreis derjenigen, die über ihr Geheimnis bescheid wussten. Er kletterte über die Fenz, da das Hoftor ebenfalls abgeschlossen war und lugte durch das kleine Fenster der Hintertür. Vorsichtig hob er sie etwas an beim öffnen, damit die Scharniere nicht quietschten.
Dann stand er auch schon in der kleinen Hinterkammer. Hier bewarte sie ihre persönlichen Kostbarkeiten auf. Es waren Bilder die ihr Vater einst malte, und Briefe ihrer Mutter. Nick tastete sich bis zur vorderen Wand. Dort war wieder eine kleine Tür die in den Kleiderschrank des Vorzimmers führte. Hier hingen viele Kleider die die Tür in der Schrankrückwand verdeckten. Nick kam schließlich im Büro aus dem Kleiderschrank wieder raus.
Es war alles dunkel. Aus dem Nebenzimmer hörte er ihr gleichmäßiges Atmen. Peggy-Sue schien also tief und fest zu schlafen. Er schlich sich durch den Flur bis zum Treppenhaus und versuchte möglichst leise und ohne knarzende Stufen hinauf zu kommen. Vor der Zimmernummer Fünf blieb er stehen und horchte. Alles war ruhig. Der Türknauf ließ sich drehen, die Tür war also nicht verschlossen. Im Zimmer lag Rupert Victor schnarchend auf dem Bett. Seine Stiefel lagen verteilt auf dem Boden, sowie Hemd, Jackett und Hose.
Nichts war mehr zu sehen vom feinen vornehmen Mann. Nick hatte erwartet, dass das Zimmer aufgeräumt war und vor allem, dass seine Kleidung ordentlich am Haken hing, aber nichts von dem traf zu. Hier sah es aus wie nach einer ausgedehnten Feier. Eine leere Whiskeyflasche lag unter dem Bett. Auf dem Tisch lag ein umgekipptes Glas. Am Rasiermesser klebten noch die abgekratzten Bartstoppeln und ausgetrocknete Rasierseife.
„ So lebt also ein reicher Pinkel.“ Dachte Nick.“ Das ist ja ekelig.“ Dann sah er auf die Stiefel. Es waren texanische Cowboystiefel. Vorne Spitz, mit leichtem Absatz und verzierten Nähten.
Er nahm sie auf, zündete ein Streichholz an und betrachtete die Sohlen im Feuerschein.
Das Leder und die Fußsohlen waren sauber geputzt.
Er musste nach außen hin ja auch den gepflegten Geschäftsmann spielen. Er wollte sie gerade weglegen, da fiel ihm etwas auf. Es war nur winzig klein aber es war zu sehen. Das Streichholz in seiner Hand brannte ab. Nick ließ es fluchend fallen, weil die Flamme seine Finger ansenkte.
Victor machte einige unartikulierte Geräusche und wälzte sich im Bett herum. Nick hielt den Atem an. Er hatte wohl zu laut geflucht. Zum Glück schlief der Hotelgast weiter.
Er zündete ein neues Streichholz an und untersuchte die Stelle genauer. In der feinen Naht zwischen Sohle und Stiefelkappe sah er es. Der Faden mit dem der Stiefel zusammen genäht war, war in dem gleichen Braun wie das Leder. Nur an einer Stelle, genau am rechten Stiefel vorne nahe der Spitze war der Faden dunkeler. Nick hielt das Feuer näher ran und tatsächlich konnte man nun die Rotfärbung sehen. Anscheinend hatte der Faden das Blut in seine Fasern aufgesaugt und war nun verfärbt.
Draußen auf der Straße rollten die ersten Wagen wieder durch. Noch vor Sonnenaufgang erwachte die Stadt Cutter zu neuem Leben. Der Generalstore wurde beliefert mit neuer Ware. Victor drehte sich auf die andere Seite. Sein Schlaf wurde unruhiger und Nick hielt es für besser das Zimmer wieder zu verlassen. Als er sich noch einmal umdrehte sah er im leichten Schein seines Streichholzfeuers wie Victor der Sabber aus dem Mundwinkel floss. Schnell blies er die Flamme aus, hob vorher noch sein altes Hölzchen auf und verließ angeekelt das Zimmer.
Er verschwand wieder durch den Kleiderschrank und der Geheimtür. Unter freiem Himmel atmete Ryder tief durch. Immer mehr Indizien in diesem Mordfall wiesen auf Victor hin. Aber wo war der Zweite? Und wer war der Zweite?
Müde ging er zurück ins Office und legte sich auf dem Bett unter dem Fenster. Er lag nicht lange wach. Trotz der Sorge um seinen Deputy und dem unerklärlichen Mordfall fielen seine Augen zu.
Zwei Stunden später kam Deputy Benno Walker ins Office gestürmt.
„ Nick das Telegramm ist da!“ er wedelte mit dem Zettel in der Luft.
Ryder schnellte hoch. Noch halb benommen schwankte er zum Wasserkrug und goss sich das trübe Wasser ins Gesicht.
„ Gib her.“ Sagte er forsch.
„ Ich wünsche dir auch einen Guten Morgen.“ Gab Benno ebenso forsch zurück.
„ Tut mir Leid. War nicht so gemeint. Ich hatte eine lange Nacht“, entschuldigte sich Nick.
An Marshall Ryder
Werde Familie Dillen benachrichtigen.
Antworten auf Dillens fragen:
Rupert Victor hat ein Muttermal auf dem rechten Unterarm.
Ist seit vier Wochen auf Geschäftsreise.
Haben Unterlagen gefunden, die auf einen Zwillingsbruder hinweisen. Werden weiter suchen.
Ranger Gilbert
„ Ich liebe die Erfindung des Telegraphierens.“ Triumphierte Nick. „Die Schlinge um Victors Hals wird immer enger.“
Nachdem auch Jett eintraf und das Telegramm gelesen hatte waren Beide einig. Rupert Victor musste als Hauptverdächtigter festgenommen werden.
Sheriff und Marshall liefen zum Hotel. Die Eingangstür war mittlerweile geöffnet und so stürmten sie durch den Gang die Treppe rauf bis zum Zimmer mit der Nummer fünf.
Nick klopfte gar nicht erst, er riss die Tür auf und sah in einen leeren Raum. Victor hatte sie am Fenster kommen sehen. Er kletterte aus dem Fenster, sprang in den Hof und wollte hintenrum zum Stall. Aber dort war das Tor noch verschlossen. Verzweifelt rannte er durch zwei weitere Hinterhöfe bis zum Ostausgang der Stadt. Er erinnerte sich an die Worte der Big Olga vom Freudenhaus die ihm sagte es sei jeder willkommen nur der Marshall nicht. Kathy stand auf dem Balkon und sah ihn kommen.
„ Na Süßer. Plagt dich die Lust schon am frühen Morgen?“
Sie wurde von ihm in der letzten Nacht fürstlich für ihre Dienste entlohnt. Er steckte ihr Dollars zu, die sie an Big Olga vorbei schmuggeln konnte, denn es war wesentlich mehr als die vereinbarte Summe die jedes Girl an Big Olga abtreten musste. Dafür erhielten die Mädels Unterkunft, Essen und was das Wichtigste war, Schutz. Big Olga verstand da keinen Spaß. Benahm sich ein Mann daneben oder verletzte gar eines ihrer Girls, war sie ohne Gnade.
„ Da hinten gibt es eine Feuerleiter. Ich warte hier auf dich.“ Flüsterte Kathy ihm zu. Sie wollte es Geheimhalten, dann konnte sie das ganze Geld behalten. Big Olga sollte nichts davon erfahren.
Für Victor war es die beste Gelegenheit unter zu tauchen. Er hatte alles im Hotel zurück lassen müssen, sonst wäre seine Flucht nicht gelungen. Aber er wollte sein Geld nicht zurück lassen. Es waren eine menge Dollars, die er seinem Bruder gestohlen hatte. Nicht zuletzt auch dessen Wertpapiere.
Ein Pferd konnte jederzeit besorgt werden, da machte er sich keine Sorgen, es stand ja eine Menge auf der Straße herum.
Viele Fragen plagten ihn. Was wusste der Marshall bereits? Wie viel hatte er gegen ihn in der Hand? War der Deputy aufgewacht und hatte geredet? Oder gab es ein neues Telegramm aus Texas indem etwas Belastendes drin stand?
Hätte Kathy geahnt, dass Victor keinen Cent mehr in der Tasche hatte, hätte sie ihn im hohen Bogen raus geworfen. Aber sie versteckte ihn in ihrem Zimmer in der Hoffnung auf einen guten Verdienst. Und diesmal würde sie sich noch mehr bemühen ihm zu gefallen und seine lüsternen Wünsche erfüllen.
Marshall Ryder kletterte aus dem Hotelfenster und suchte nach Spuren. Im Hof waren so viele Fußspuren, dass man eine Einzelne nicht raus finden konnte.
„ Seine Sachen liegen noch hier.“ Rief Jett aus dem Fenster.
„ Die Satteltasche ist voll mit Dollarnoten und Wertpapieren. Er ist garantiert nicht weit weg. Ich würde dieses Geld nicht zurück lassen.“
„ Ja du hast Recht. Ich schau bei Murphy vorbei. Wenn sein Pferd noch da steht, soll er es gut im Auge halten.“
Nick fand den Rotfuchs im Mietstall. Laut Murphys Aussage war noch niemand dort um ihn zu holen.
Bevor Ryder den Stall verließ, sah er noch zur letzten Box und grinste.
„ Na Marshall! Hat man dich in Ketten gelegt? Das war es dann wohl mit deinen Alleingängen.“ Der Hengst schnaubte, als wolle er ihm sagen, dass auch dieses Eisenschloss kein Problem für ihn sei.
„ Bemüh dich nicht Junge. Das ist wie im Jail. Bei mir kommt auch niemand mehr raus ohne meine Zustimmung.“
Marshall Ryder, Sheriff Armstrong und Deputy Walker suchten die ganze Stadt ab. Sie durchsuchten alle Läden und Häuser, aber von Rupert Victor war keine Spur.
Nick überließ Jett die Durchsuchung des Freudenhauses. Er hatte keine Lust sich mit Big Olga rum zu streiten. Außerdem war Jett geschickter im Reden und bei ihr nicht so verhasst. Big Olga schwor den Mann nicht gesehen zu haben. Hätte sie gewusst dass der Gesuchte in ihrem Haus Schutz suchte, hätte sie ihn auch nicht verraten, und so war ihre Aussage nicht von Bedeutung.
Aber Jett besaß eine gute Freundschaft zu Marhta. Sie war die Jüngste im Haus und noch voller positiver Zukunftsträume. Sie schwärmte jede Nacht von Jett und wusste doch, dass sie ihn nie haben konnte. Sie war eine Prostituierte und er ein angesehener verheirateter Mann. Big Olga durfte das nie erfahren. Auch nicht, dass sie Informationen weitergab, die Big Olga streng Geheim hielt. Diesmal stand sie mittig auf der Treppe und lauschte dem Gespräch zwischen Sheriff Armstrong und ihrer Chefin zu.
Als Jett wieder draußen war hörte er einen leisen Ruf von einem der Balkone her. Martha winkte ihn heran und flüsterte hinunter.
„ Sie hat die Wahrheit gesagt. Der Gesuchte ist nicht hier. Jedenfalls habe ich hier heute keinen Mann gesehen. Sie war die ganze Nacht fort und kam erst vor einer Stunde wieder, allein.“
„ Danke Martha. Du hast was gut bei mir.“ Jett verabschiedete sich. Mit klopfendem Herzen sah Martha im nach. „ Wenn du wüsstest, was ich mir von dir wünsche.“ Sagte sie leise zu sich. Gegen Nachmittag saßen die drei Sternträger im Office. Es herrschte Stille. Jeder ging seinen Gedanken nach. Nick machte sich große Sorgen um Lex. Er lag noch immer im Tiefschlaf. Doktor Leonard war der Meinung, es sei normal bei so viel Blutverlust. Er sammelt Kraft, da ist Schlaf das beste Mittel.
Noch einmal gingen die Bilder des Unglücks durch Ryders Kopf. Wie Lex dalag in einer Blutlache. Wie er den leblosen Körper des Jungen zur Praxis trug. Und das Zeichen mit den Fingern weil Lex zum reden nicht mehr die kraft hatte.
Nick rieb sich mit den Händen durchs Gesicht. Er versuchte sich wieder auf die Suche nach Rupert Victor zu konzentrieren. Wenn sie ihn nicht finden konnten, dann mussten sie nach dem zweiten Mann fahnden. Dem Unbekannten, von dem jegliche Spur fehlte.
Und einen hundertprozentigen Beweis gab es auch noch nicht gegen Victor. War er der geheimnisvolle Zwillingsbruder und hatte den wahren Rupert ermordet um dessen Identität anzunehmen und sein Vermögen zu verwalten?
Wer er wirklich war, musste das Muttermal beweisen.
Aber wie konnte Nick ihn den Mord an Mister Dillen nachweisen und den Schuss auf Deputy Cooper. Ein kleines Indiz war der rot eingefärbte Nahtfaden am Stiefel. Aber das konnte vor Gericht auch als zu geringes Beweisstück angesehen werden.
Jett schien seine Gedanken lesen zu können. Er beugte sich über den Tisch, zeigte Daumen und Zeigefinger und meinte.
„ Wir sollten überlegen, wer der zweite war. Am besten fragen noch mal alle aus, die mit Victor Kontakt hatten. Vielleicht hat Peggy-Sue doch noch was gesehen, oder George kann sich noch an irgendwas erinnern.“
Nick starrte auf Jetts Finger und sah plötzlich wieder Deputy Coopers Finger vor sich. Dann kramte er in der Schublade herum und zog den Werbezettel von Victor Agrartechnik hervor.
„ Das ist es. Lex hat den Täter längst genannt. Ich Idiot, warum habe ich das nicht gleich gesehen!“
Er sprang vom Stuhl wie eine gespannte Feder, die man los ließ. „Das ist der Beweis. Rupert Victor hat Mister Dillen kaltblütig ermordet und einen Deputy Lebensgefährlich verletzt.“
„ Woher kommt deine plötzliche Erkenntnis?“ fragte Jett
„ Du hast mit Daumen und Zeigefinger die Zahl Zwei angezeigt. Lex aber benutzte Mittel und Zeigefinger. Er hat nie eine Zwei gemeint. Es sollte ein V sein. Ein V für Victor. Sieh dir sein Logo an.“
„ Da könnte was dran sein. Dann gibt es gar keinen zweiten Mann in diesem Mordfall. Bleibt nur noch die Frage wo sich unser Mann versteckt.“
„ Wir verbreiten die Nachricht, Deputy Cooper sei verstorben. Wir haben nichts in der Hand gegen ihn.
Vielleicht kommt er dann aus seinem Versteck weil er sich Sicher fühlt. Am besten geben wir noch an, dass die gefundenen Dollars und Wertpapiere mit der nächsten Kutsche zurück nach Lubbock gesendet werden, weil der Besitzer nicht auffindbar ist. Ich Wette der kommt aus seinem Loch.“
Nick und Jett wussten genau wem sie ihre Geschichte erzählen mussten, so das sie schnell weiter gegeben wurde.
Sie verkündeten ihre Botschaft im Frauenkreis.
Diese alten Ladies machten es sich zum Hobby, die Stadt mit zu regieren. Täglich gingen neue Beschwerden ein beim Bürgermeister. Sie organisierten sogar Demonstrationen mit Schildern um ihre Ideen durch zu setzen. Ihre Forderungen galten Hauptsächlich dem verbot von Alkohol in der Stadt und die Schließung des Freudenhauses. Auch ein Waffenverbot versuchten sie durchzusetzen.
Täglich versammelten sie sich zu einem Kaffeekranz und tratschten über die neusten Ereignisse und ihre nächsten Forderungen an Major Flint. Jett sprach die geschwätzigste der Runde belanglos an und erzählte ihr alles. Es dauerte tatsächlich keine ganze Stunde, da ging das Gerücht schon um. Doktor Leonard schwor Schweigsamkeit. Er zog das Papierrollo am Fenster zum Krankenzimmer runter, so das niemand einsehen konnte.
Jetzt hieß es Geduld zu haben. Nick sah aus dem Fenster und beobachtete die Straße. Bis zum Abend zogen sich die Stunden dahin. Erste Zweifel kamen ihm, ob sein Plan aufginge, doch dann geschah es.
Rupert Victor trat in voller Größe auf die Straße.
Hoch erhobenen Hauptes, so wie er vor Tagen in die Stadt kam. Nick trat aus dem Office und stellte sich ihm breitbeinig Gegenüber. Seine Arme waren vor der Brust verschränkt.
„ Guten Abend Rupert, oder sollte ich besser Levi sagen.“
Victor zuckte zusammen bei diesem Namen.
„ Was wollen sie Marshall.“
„ Ich werde sie festnehmen.“
„ Weshalb? Ihr Deputy ist tot habe ich gehört und sie haben nichts gegen mich in der Hand.“
„ Das sehe ich anders. Lex Cooper konnte mir noch sagen wer auf ihn geschossen hatte.“
„ Sie bluffen.“
„ Nein. Er hat es nicht gesagt aber angezeigt.“ Nick hob die Hand und bildete mit Zeige und Mittelfinger ein V.
„ V wie Victor. Zeigen sie mir mal ihren rechten Unterarm.“
Hämisch grinsend schob Rupert den Ärmel hoch. Auf dem Unterarm war ein brauner Fleck zu sehen.
„ Was sagen sie nun? Das mit dem Zwillingsbruder war nur ein Gerücht.“
Als Nick auf ihn zutrat verdeckte Rupert den Arm wieder.
Ryder blieb kurz vor ihm stehen. Sein stechender Blick durchbohrte Victors Augen.
„ Seien sie sich gewiss, dass Ranger Gilbert die Leiche des wahren Rupert Victor finden wird.“ Sagte er und riss dem Gegenüber so schnell den Ärmel wieder hoch, dass dieser kaum reagieren konnte. Nick zog das Taschentuch, das mit der Spitze aus Victors Jackettasche ragte hervor, spuckte darauf und scheuerte damit über das angebliche Muttermal.
Es lies sich ohne Probleme abwischen.
„ Sie sind verhaftet Levi.“ Sagte Nick im scharfen Ton.
Levi Victor lachte. „ Sie fühlen sich wohl sehr stark hinter ihrem Stern. Ich bedauere, dass ich nicht bewaffnet bin, sonst hätte ich sie hier und jetzt auf offener Straße erschossen wie einen alten Köter.“
„ Wollen sie mich zum Kampf rausfordern? Ich bin dabei. Das bin ich meinem Deputy schuldig. Es wird eine Genugtuung für mich sein ihnen die Visage einzuschlagen.“
Nick löste den Riemen der das Holster am Bein hielt und öffnete die Gürtelschnalle. Er warf den Revolvergurt seinem Freund Jett zu. Dann sagte er laut.
„ Ihr habt es gehört. Es ist ein faires Duell mit den Fäusten. Niemand mischt sich hier ein.“
Er zog den Stern vom Hemd ab und warf ihn ebenfalls Jett zu. Carol-Ann Ryder hatte alles mit angehört. Sie wollte auf Nick zu rennen und ihn aufhalten aber Jett hielt sie fest.
„ Es ist sein Kampf. Du darfst ihn nicht davon abhalten. Er tut es für Lex.“
Ein paar Sekunden standen sich beide Gegner reglos und mit erhobenen Fäusten gegenüber. Dann warf sich Levi nach vorne und landete einen rechten Haken durch Nicks Deckung hindurch. Ryder konnte nach Hinten ausweichen und steckte den abgeschwächten Treffer locker weg. Aber nun wusste er um die Gefährlichkeit seines Gegners. Er war ganz bestimmt kein einfacher Geschäftsmann. Dieser Mann hatte Kampferfahrung. Ohne sein ausweichen hätte dieser Schlag wahrscheinlich schon das Duell entschieden.
Nick konterte sofort. Im Schlagen war er mit der Linken immer gut gewesen und so konnte er auch hier einen Treffer genau auf Levis Solarplexus landen. Diese Überraschung gelang ihm nur dieses eine Mal. Denn nun wusste auch Victor um seine starke Linke. Es folgten Boxhiebe fast abwechselnd von Beiden. Einige brachen durch, andere wurden geblockt.
Nick war der Führende. Er ging Schrittweise vorwärts, während Levi nach Hinten auswich. Dann übernahm Levi die Führung und zwang Nick in die Rückwärts Bewegung.
Kurz vor Murphys Tor fielen Beide hin, weil Nick die Stufe vom Stepwalk hinter sich übersah. Sein Fuß knickte zur Seite weg, aber er unterdrückte den stechenden Schmerz und sprang Levi entgegen. Beide stürzten und wälzten sich im Straßenstaub.
Levi hatte seine Hände um Nicks Hals gekrallt und versuchte ihn zu würgen. Nick konnte dessen Arme beugen und schlug ihm den Ellbogen gegen die Schläfe, was den Würger lockerte. Victor bekam die Chance seinen Gegner ab zu werfen und sich gleich wieder drauf zu stürzen. Nun lag Nick auf dem Rücken und hatte fast einen Hebel perfekt sitzen, doch Levis Handgelenk war so verschwitzt, dass er aus dem Griff rausrutschten konnte. Sie kamen Beide wieder in den Kniestand und Nick landete einen schönen Schlag von unten Hochgezogen direkt an Levis Kinn. Aber der Mann aus Texas war hart im nehmen. Er stand auf, torkelte einen Moment und griff wieder an. Es trafen immer mehr Zuschauer ein, die dem Kampf beiwohnen wollten. Wetten wurden abgeschlossen und sie feuerten ihren Marshall an. Carol-Ann klammerte sich an Jett, und zitterte vor Angst um ihren Mann. So einen Kampf gab es noch nie in Cutter. Keiner der Beiden verschenkte auch einen Moment seiner Kraft. Unerbittlich schlugen sie auf einander ein. Beide hatten aufgeplatzte Lippen, blutende Platzwunden im Gesicht. Levis Nase war leicht schief. Aus ihr lief ebenfall Blut. Ryders letzter Schlag traf ihn mitten ins Gesicht. In den Faustknöcheln spürte Nick wie das Nasebein seines Gegners beim auftreffen brach.
Nick nutzte die Chance, dass Levi schwankte und sprang ihm entgegen. Sie fielen Beide durch das Tor des Mietstalles. Die Zuschauer blieben draußen stehen. Nun hatte nur noch eine kleine Gruppe Einsicht in das Geschehen.
Sie feuerten weiter ihren Gesetzeshüter an. Die hintere Reihe bekam nur die Jubelschreie mit, wenn Nick wieder mal die Oberhand gewann, und das ängstliche raunen wenn Levi seine Treffer landete.
„ Gib es ihm Ryder!“ rief einer. Weitere Rufe kamen aus den hinteren Reihen,
„ Mach ihn fertig. Marshall!“ In der letzten Box stand der Hengst und spitzte seine Ohren immer wenn er seinen Namen hörte. Er versuchte auszubrechen, aber das Metallschloss hielt stand. Immer wieder wurden Rufe laut,
„ Marshall, Marshall!“ Der Hengst wurde immer nervöser.
Nick gab alles. Er brachte seine härtesten Schläge an, aber Levi ging nicht zu Boden. Immer mehr Schläge durchbrachen seine eigene Deckung. Aber auch Nick gab nicht auf.
Ein mächtiger Schlag warf ihn nach Hinten. Er schlug gegen das Tor, welches krachend zuknallte. Durch die Erschütterung fiel der Riegel runter und verschloss den Eingang. Es war ein Metallarm, der sich quer über das Tor legte. Murphy hatte ihn vor Jahren angebracht nachdem ihm immer öfter Pferde gestohlen wurden. Das schwere Eichentor war nun verriegelt. Die Zuschauer standen draußen und hörten die Schläge. Das einzige Fenster im Stall war sehr klein und sehr hoch, so dass Niemand einsteigen konnte. Es half auch nichts, ein paar Kisten zu holen um hinein zu schauen, denn die Scheibe war längst Blind.
Nick spürte, dass er den Kampf nicht mehr lange durch stand. Es musste zum Ende kommen. Er nahm seine letzten Kraftreserven zusammen, wich einem Faustschlag aus und setzte alles in den so genannten Uppercut. Ein Faustschlag von unten her mit Hüfteinsatz. Er traf genau die Kinnspitze seines Gegners. Ein stechender Schmerz durchzog Ryders Arm, denn er hatte alle Energie darin gesetzt die er noch aufbringen konnte. Seine Rechte zitterte noch, als er erstaunt die Reaktion des Texaners auf diesen Schlag beobachtete. Levi blieb wie erstarrt stehen. So als hätte man einen Ausschaltknopf bedient. Dann trat das Weiße in seine Augen. Die Pupillen verdrehten sich und er kippte der Länge nach hin. Draußen wurde man unruhig, weil aus der Scheune kein Laut mehr drang. Sie klopften gegen das Tor und riefen, aber Nick brauchte eine kurze Auszeit. Er war nicht imstande den Riegel zu entfernen. Außer Atem stand er da und starrte auf den reglosen Körper. Dann endlich kam wieder Leben in ihm auf. Er wollte das Tor öffnen, aber der Riegel hatte sich etwas verkeilt. Es kostete ihm zu viel Kraft ihn anzuheben. Keuchend blieb er vor dem Tor stehen. Dann hörte er Levis Stimme hinter sich.
„ Dreh dich um. Ich will das du mir in Augen siehst, wenn ich abdrücke.“ Langsam drehte er sich um und sah in die Mündung eines fünfundvierziger Revolvers. Levi hielt ihn in der Hand. Er musste ihn aus einer der Satteltaschen genommen haben, die über dem Holm hingen.
„ Ich dachte du kannst nicht damit umgehen. Habe mich wohl geirrt. Oder sehe ich da eine zitternde Hand?“
„ Das kommt nur vom Kampf. Glaube mir ich bin ein guter Schütze.“
Nick wollte Zeit gewinnen. Er musste doch nur noch den Riegel hoch schieben, dann konnte Jett rein.
„ Ist etwas unfair. Ich hab meinen eben abgegeben.“
„ Pech für dich. Ich bin noch nie Fair gewesen. Ich will nur mein Geld und dafür habe ich auch keine Bedenken einen Sternschlepper zu erschießen.“
„ Das weiß ich. Meinem Deputy hast du auch keine Chance gegeben. Du glaubst doch nicht hier Lebend raus zu kommen. Was willst du machen nachdem du mich abgeknallt hast. Einen Hinterausgang gibt es hier nicht.“
„ Mach dir um mich keine Sorgen. Ich komme schon hier raus. Aber du wirst das leider nicht mehr miterleben. Schade eigentlich.“
Nick sah sich vorsichtig um. Es gab für ihn keine Möglichkeit der Gegenwehr. Hinter ihm war das Tor und vor ihm stand Levi Victor mit dem Revolver in der Hand.
In dieser aussichtslosen Situation musste Nick sogar etwas schmunzeln.
„ Wenigstens sterbe ich im weichen Stroh. Dann wird der Sturz nicht so hart sein.“ Dachte er.
Die Rufe von Draußen wurden immer lauter. Die Leute fingen an sich Sorgen zu machen.
Carol-Ann wurde von ihrer besten Freundin, Jetts Frau Mary in den Arm genommen. Sie versuchte sie zu trösten und machte ihr Mut.
„ Wir müssen dieses Tor doch irgendwie öffnen können!“ rief Jett, aber Murphy schüttelte den Kopf.
„ Vergiss es. Das habe ich Einbruchsicher gebaut. Da öffnest du nichts ohne entsprechendes Werkzeug.“
„ Das ist es!“ Jett pfiff Ole den Schmied heran.
„ Du hast doch sicher Werkzeug das Tor zu öffnen!“
Ole Swenson grinste. „ Natürlich, ich hole es.“
„ Hey und wer ersetzt mir dann meinen Schaden? Ich bin für die Schäden anderer auch aufgekommen“, bemerkte Murphy.
„ Was machst du dir Sorgen um dein Tor? Nick ist da drin und vielleicht ist er schon nicht mehr am Leben. Wir hören nämlich nichts mehr.“ Jett bemerkte nicht, dass Carol-Ann hinter ihm stand. Laut schluchzte sie auf und Mary schimpfte,
„ Musstest du das jetzt sagen? Ich versuche sie zu beruhigen.“
„ Dann geh mit ihr wo anders hin. Ich kann es nicht ändern. Nick und dieser Victor sind da drin und ich weiß auch nicht was da los ist.“
Carol-Ann fing an zu weinen. Nicks Sohn Jetty stand inmitten der Menschenmenge und starrte auf das Tor. Er hoffte, dass es sich nun öffnete und sein Pa herauskam. Aber nichts tat sich.
Nick suchte immer noch nach einem Ausweg. So einfach konnte er sich doch nicht hergeben. Nicht diesem Schwein, das seinen Deputy angeschossen hatte. Dem Jungen, den er wie seinen Sohn liebte.
War sein Glück nun aufgebraucht? Ihm fielen wieder seine Gedanken ein, die er vor ein paar Tagen im Office hatte. Würde ihn jetzt und hier die Kugel treffen, die sein Leben beendet? In seine Gedanken hinein brüllte Levis Stimme.
„ Fahr zu Hölle Marshall!“ knirschte Levi durch die Zähne.
Er spannte den Hahn des Revolvers, sein Finger krümmte sich und dann geschah es.
Hengst Marshall hatte sich befreit. Er hörte seinen Namen und stupste Levi von Hinten an. Der Schuss ging Meterweit über Nicks Kopf hinweg. Victor stolperte nach vorne. Er konnte sich nicht mehr fangen und fiel vor Nick auf die Knie. Marshall schlug wie immer freudig mit dem Kopf.
Nick konnte sein Glück noch gar nicht fassen. Schließlich sagte er.“ Du musst nicht gleich vor mir auf die Knie fallen. Ich gewähr dir so wie so keine Gnade.“
Draußen hörte man den Schuss. Ein Schrei ging durch die Masse. Jetty wollte zum Tor rennen, aber er kam nicht durch die Menge Erwachsener, die sich eng vor dem Stall drängten.
Carol-Ann wurden die Knie weich. Sie sank zu Boden und war einer Ohnmacht nahe.
Niemand wusste was dort im Stall vorgefallen war. Hatte Marshall Ryder einen Revolver und Levi Victor erschossen? Oder war es anders herum. Wurde überhaupt jemand verletzt?
Von Hinten zwängte sich nun Ole ran. Er hielt Brecheisen und Säge im Arm. Noch bevor er sich bis Vorne durch gearbeitet hatte öffnete sich endlich das Tor.
Alle hielten den Atem an, denn sie sahen Levi Victor. Er torkelte auf schwankenden Beinen aus dem Stall. Gleich dahinter trat Marshall Ryder heraus. Er hielt den Revolver auf Levi gerichtet. Auch ihm war es kaum möglich gerade zu gehen. Leicht humpelnd stieß er seinen Feind mit dem Revolverlauf vorwärts. Ihm folgte der Hengst Marshall.
Ein raunen der Erleichterung ging durch die Bürger von Cutter. Carol-Ann kam angerannt und fiel Nick um den Hals.
Auch Jetty umarmte seinen Pa und sagte,
„ Ich habe gewusst, dass du es schaffst. Du bist eben der Beste, Pa“
Murphy drängelte sich nach vorne durch. Fast alle Einwohner standen auf dem Platz vor dem Stall. Die Meisten waren froh über den gewonnen Kampf ihres Marshalls, aber es gab auch Einige denen das nicht schmeckte. Mürrisch standen sie inmitten der jubelnden Menschen. Einer von ihnen war Major Flint. Er konnte Nick Ryder von Anfang an nicht leiden und ließ keine Gelegenheit aus, ihm das Leben schwer zu machen. In den Jahren, die Nick den Stern für Cutter trug hatte er gelernt diesem Flint aus dem Weg zu gehen. Nicht dass er angst vor ihm hätte, nein, er wollte sich nur diese ewigen Diskussionen ersparen. Denn reden konnte der Mann. Dies brachte ihm auch jedes Mal genug Wähler ein um sein Amt weiter zu führen.
Major Flint stand Mitten drin und ließ den Kopf hängen. Erschrocken blickte er auf, als sich eine schwere Hand auf seine Schulter legte.
„ Nehmen sie es nicht so schwer, Major. Sagte Ole der Schmied mit seiner dunklen Stimme.
„ So können sie ihre Intrigen weiter spielen. Wäre doch langweilig ohne einen echten Rivalen.“
Flint hatte es die Sprache verschlagen. Wenn er auch sonst nicht auf den Mund gefallen war, so wusste er in diesem Moment nichts zu sagen.
Ole ging grinsend weiter. Er war ein sehr guter Freund des Marshalls und half ihm wo er konnte. Seine Familie waren die Werkzeuge die er jeden Tag in die Hand nahm. Seine Schmiede war sein Leben, das er, aber auch ohne zu zögern für den Marshall hergeben würde. Schon oft hatte er seinen Mut bewiesen und unterstützte Nick im Kampf für das Gesetz.
Ole fand Keeper George in der Menge und ging auf ihn zu.
„ Na wie sieht es aus George. Willst du nicht langsam deinen Saloon öffnen damit wir alle feiern können?“ fragte er mit glänzenden Augen.
George sah eher die Dollars in seinen eigenen Augen, die er dabei verdienen konnte und brüllte laut.
„ Kommt Männer das muss gefeiert werden. Das erste Bier geht aufs Haus!“ Ein Jubelschrei schallte durch die Straßen und gemeinsam kehrten sie in den Saloon ein. Die Frauen blieben auf der Straße und hatten genug Stoff für eine lange Unterhaltung. Nick schleppte Levi Victor ins Jail.
Und humpelte zu Doktor Leonard in die Praxis.
Außer einer gebrochenen Rippe und vielen Blessuren, hatte er den Kampf gut überstanden. Als das Blut aus seinem Gesicht gewaschen war, sah es gar nicht mehr so schlimm aus. Es waren nur zwei Platzwunden. Eine über dem rechten Auge, die Zweite an der Unterlippe. Den Fuß hatte er sich bei dem Fehltritt an der Stepwalk Kante verknackst, aber er war nicht gebrochen.
Kaum war Doktor Leonard fertig mit seiner Behandlung, da schrie die Schwester aus dem Nebenzimmer,
„ Doktor, kommen sie schnell!“
Leonard stürmte durch die Tür ins Krankenzimmer. Nick sprang vom Behandlungsstuhl. Sein Knöchel tat dabei höllisch weh, aber dennoch humpelte er dem Doc hinter her.
In der Tür blieb er stehen und sah zu seiner Bewunderung auf das Bett indem sein Deputy Lex Cooper lag. In den letzten Tagen kam keine Regung von ihm, er lag in einem Tiefschlaf. Doch nun sah der Junge Nick an und versuchte ein lächeln raus zu bringen. Gebrochen und heiser stotterte er“, Hei Nick. Es war dieser Rupert Victor.“
Lex wusste, dass dies immer die wichtigste Information war, wenn ein Zeuge reden konnte. Wie oft schon haben er und Marshall Ryder am Krankenbett gestanden und gehofft, dass der Patient noch sagen konnte wer ihm das angetan hatte.
„ Nicht ganz richtig. Der Name ist Levi Victor. Er ist der Zwillingsbruder von Rupert. Aber das erzähl ich dir, wenn es dir besser geht.“ Lex hob die Hand und wies mit dem Finger auf Nicks Gesicht.
„ Was ist mit dir passiert?“ hauchte er.
„ Ist nicht so Tragisch. Victor sieht schlimmer.“ Lex musste Lachen, aber er unterdrückte es sofort, da ihm die Wunde dabei sehr schmerzte.
Leonard fühlte dessen Puls und nickte zufrieden.
„ Geh raus hier. Der Patient braucht noch viel schlaf um sich zu erholen.“ Sagte er erleichtert über die Diagnose nach der Pulsmessung.
„ Wozu schlafen? Meine Krankenschwester hat mir schon gesagt, dass ich hier seit drei Tagen liege.“ Der lange Satz hatte Lex viel kraft gekostet. Er schloss die Augen und schlief wieder ein. Diesmal aber in einen sanften, leichten Schlaf der Erholung.
Schon am nächsten Tag kam ein Brief an. Ranger Gilbert aus Lubbock hatte ihn geschrieben.
An Marshall Ryder
Wir haben den Fall Victor gründlich untersucht.
Rupert Victor wurde Tot aufgefunden.
Todesursache: Erstochen mit drei Messerstichen.
Bargeld und Wertpapiere wurden aus dem Safe gestohlen, und durch Fälschungen ersetzt. Sollte sich bei Ihnen in Cutter ein Mann aufhalten, unter dem Namen Rupert Victor von Victor Agrartechnik, so ist er ein Betrüger und Wahrscheinlich auch der Mörder.
Misses Lisa Dillen ist bereits auf dem Weg zu Ihnen um den Leichnam ihres Bruders zu holen. Die Familie möchte ihn in seiner Heimat beerdigen. Misses Dillen kommt in Begleitung eines Rangers Namens Allan Colby.
Händigen Sie ihm bitte die Papiere und das Geld der Familie Victor aus.
Bitte Informieren sie mich über das Gerichtsurteil zum Fall Levi Victor.
Mit freundlichem Gruß,
Ranger Gilbert
Der Richter verurteilte Levi Victor zum Tode durch den Strang. Nur durch das Geständnis des Verurteilten wurde die Strafe auf lebenslängliche Arbeit im Straflager Fort Worth abgemildert. Victor konnte genau sagen, wo die Leiche vergraben lag und nannte die Todesursache. Damit war er als Mörder identifiziert. Schon nach einer Woche im Jail von Cutter kam eine Eskorte und brachte ihn nach Fort Worth.
Die Firma Victor Agrartechnik gab es von da an nicht mehr. Im Höhepunkt der Karriere des jungen Rupert ging sein Aufgebautes Imperium zu Grunde, durch einen, von Hass und Neid getriebenen Bruder.
Lex Cooper erholte sich erstaunlich schnell und war schon bald wieder ganz der Alte. Jeden Tag nörgelte er über das Essen und das er aufstehen wolle. Doch Doktor Leonard hatte da strenge Regeln.
Er bettelte Nick an ihm zu helfen.
„ Bitte. Sag Doktor Leonard, dass du mich unbedingt im Office brauchst. Hilf mir Nick, ich will hier raus. Ich werde noch verrückt. Die Schwester behandelt mich wie ein Baby. Stell dir vor, sie füttert mich immer noch. Ich darf nicht mal alleine Essen.“
„ Genieße deine Ruhe Lex. Wenn du wieder auf den Beinen bist musste du auch wieder die blöden Aufträge ausführen, die ich dir erteile.“ Lex sah ihn verwundert an.
„ Ich hab gehört, wie du mit Benno über die blöden Aufträge gemeckert hast. Also bleib lieber noch im Bett.“
„ Nick, er will mich bis Sonntag hier halten. Das sind noch vier Tage.“
Nick hatte sich längst abgewandt und schloss die Tür hinter sich. Vor Wut warf Lex Cooper ihm sein Kopfkissen hinter her, welches aber nur die Tür traf.
„ Verdammt Marshall!“ rief er ihm nach.
Plötzlich öffnete sich das Fenster hinter ihm. Die Beiden Flügel schlugen auseinander und ein schwarzer Pferdekopf schaute herein. Schnaubend hing seine Nase über dem Gesicht des Patienten.
„ Hau ab Marshall. Dich habe ich nicht gerufen.“ Er versuchte den Kopf zurück zu schieben, aber Marshall wehrte sich.
„ Na mach schon, du alter Esel raus aus meinem Zimmer.“
Lex gab ihm einen leichten klaps auf die Nase. Marshall riss erschrocken den Kopf hoch und schnaubte wieder. Dann biss er in die Decke. Noch bevor Lex reagieren konnte, hatte der Hengst die Steppdecke aus dem Fenster gezogen und schlug freudig mit dem Kopf. Lex zog sich am Fensterbrett hoch und sah den Hengst vor sich stehen. Er versuchte nach seiner Steppdecke zu greifen, aber Marshall trabte auf die Straße und zog sie durch den Straßenstaub.
Seufzend sank Lex wieder in sein Bett zurück. Ohne Kopfkissen und Steppdecke. Laut fing er an zu fluchen,
„ Na wartet alle zusammen. Wenn ich wieder hier raus komme, dann…..“
ENDE
Text: Andrea Rongen
Publication Date: 06-05-2012
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