Cover

Saramee – Himmelsstürmer

 

Saramee - Stadt der Vertriebenen

 

Himmelsstürmer

Autor: Michael Schmidt

Saramee Band 9

Der Tag SEINER Entdeckung

Der Tag SEINER Entdeckung

Haran Belo setzte ein Lächeln auf.

»Komm, ich kenne hier ein schönes abgelegenes Plätzchen, direkt am Meer. Es ist ein wenig erhöht, man hat eine sagenhafte Aussicht, trotzdem sind wir dort ungestört. Es ist umschlossen von Wildnis. Nur ein versteckter Pfad führt auf die Lichtung. Und außer mir kennt niemand die Stelle. Dort können wir alleine sein.«

Vorsichtig küsste er seine Begleitung und spürte es sofort an ihrer Körperhaltung. Es war endlich soweit: Bera Bork hatte die Anstandswoche hinter sich gebracht, jetzt würde es endlich zur Sache gehen.

Er nahm ihre Hand und führte sie den verschlungenen Pfad entlang. Links und rechts flankierte dichtes Gebüsch ihren Weg, immer wieder unterbrochen durch mächtige Bäume, deren Äste bis zu ihrem Pfad herunterreichten, sodass sie immer wieder ausweichen mussten und nur langsam vorankamen. Dennoch dauerte es keine Viertelstunde, dann hatten sie ihr Ziel erreicht. Das dichte Gestrüpp machte einer drei Mannslängen großen Lichtung platz. Man konnte das monotone Rauschen der Brandung noch hören, war aber den Blicken zufälliger Wanderer entzogen. Ein lauschiger Platz.

Der Boden war hart und steinig, mit einem kleinen Areal aus weichem Humus. Dieses Areal war groß genug für zwei Liebende, das wusste Haran aus praktischer Erfahrung.

»Sieh! Das ist es. Der Blick reicht bis weit in die Ferne. Dort, wo das erste Eiland der Inselvölker liegt. Man glaubt fast, man könne sie sehen, doch ist das natürlich reine Illusion. Keiner von uns beiden wäre in der Lage, sie ohne ein Schiff zu erreichen, geschweige denn, dass unser Auge soweit sehen kann. Aber konzentrier dich nicht auf die Inselvölker, die sind kein angenehmes Thema dieser Tage. Zu oft haben sie hilflose Segler aufgebracht, die kurz zuvor noch den Hafen Saramees mit ihrer Silhouette beehrt hatten. Sieh lieber hinauf, dort in den Sternenhimmel, der heute …«

Unwillkürlich stockte Haran. Was er dort sah, ließ ihn Bela für den Moment vergessen. Ein sich bewegender Stern leuchtete am Himmel

Das war er! Die lange ersehnte Ankunft. ER kam. Er musste Barmer verständigen.

»Haran, was ist los? Ist da oben etwas Besonderes? Komm schon her. Ich bin soweit. Wie lange willst du mich warten lassen? Oder hast du es dir auf einmal anders überlegt?«

Harans Blick wanderte zu Bera. Ihre Augen blitzten schelmisch, während sie die Oberbekleidung fallen ließ. Ihre Brüste waren ansehnlich und hatten die richtige Portion, so wie er es liebte. In Harans Hose erwachte seine Männlichkeit und so konzentrierte sich seine Aufmerksamkeit auf den eigentlichen Grund seines Hierseins. Bera trat näher an ihn heran, schmiegte ihren nackten Körper an den seinen. Ihre braunen Augen nahmen ihn gefangen und gaben ein Versprechen endloser Sinnlichkeit. Er wollte erneut in den Himmel schauen, doch sein Körper versagte ihm die Gefolgschaft, die kleinen festen Brüste befanden sich wie nichts in seinen Händen, ihre Wärme brachten ihn schier um den Verstand. Als sie zurücktrat und begann, langsam ihren Rock abzulegen, war es um seine Beherrschung geschehen.

Barmer musste warten. ER würde später auch noch am Firmament stehen.

Die Ankunft ihres Gottes konnte er auch in zwei Stunden noch melden. Für den Moment gab es Wichtigeres. Er hatte lange genug um Bera gebuhlt, sich Tag um Tag ins Zeug gelegt, um sie herumzubekommen. Jetzt wollte er die Früchte seiner Arbeit ernten und würde sich durch nichts auf der Welt davon abhalten lassen. Haran nestelte hastig an seinem Gürtel, streifte das Oberhemd ab. Dann entledigte er sich der restlichen Kleider, nahm die zierliche Bera in die Arme und gemeinsam sanken sie zu Boden. Seine Hände gingen auf Wanderschaft, streichelten ihre Wangen, ihre Schultern ihre Brüste, sein Mund und der ihre verschmolzen. Ihre Wangen erröteten, während ihre Hände ebenfalls auf Reisen gingen. Zuerst den Rücken entlang, dann den Hintern, bis sie in ganz intime Bereiche vorstießen. Dann konnte er sich nicht mehr zurückhalten. Haran spreizte Beras Beine, legte sich über sie und drang in sie ein, nur um wenig später den Höhepunkt zu erleben.

Der zweite Tag

Der zweite Tag

Barmer Org war ein großer und drahtiger Mann, dem man rein äußerlich nicht ansah, dass er eine Anstellung hatte, in der eher die geistigen Fähigkeiten beansprucht wurden. Sein muskulöser Oberkörper strahlte eine ungebändigte Wildheit aus. Das scharf geschnittene Gesicht verlieh ihm zusätzlich einen Ausdruck von Härte. Die gebogene Nase betonte durch ihre Größe das schmale Gesicht. Kohlenschwarze Augen lagen in tiefen Höhlen, die Partie um die Augen hob sich durch die graue Tönung ein wenig vom Gesamtbild ab. Barmer war insgesamt ein dunkler Typ, neben der braunen Haut wurde dies von pechschwarzen Haaren unterstrichen.

Barmer legte die Schriftstücke zusammen, öffnete das Ablagefach und packte die Dokumente hinein, an denen er die letzten Stunden gearbeitet hatte. Morgen würde er seine Arbeit vollenden, doch für heute hatte er genug geschuftet. Er konnte die Buchstaben kaum noch lesen, so sehr flimmerte es vor seinen Augen. Es wurde Zeit, heimzukehren und die Beine hochzulegen. Seine Frau Tirssin würde schon auf ihn warten und das Abendessen warm halten.

Das Licht löschend verließ Barmer die Schreibstube des Harus, dessen Sekretär er war. Einer von sieben, doch hatte er sich im Laufe der Zeit unverzichtbar gemacht. Arun Beran, der Harus von Saramee, hatte endlich beschlossen, einen Teil seiner Verantwortung abzugeben und sie an einen Stellvertreter zu delegieren, der damit ein möglicher Nachfolger sein würde. Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte Saramees, dass der Vertreter des Harus vom Stadtrat zu dessen Nachfolger gewählt wurde. Barmer war einer der Kandidaten für den vakanten Vertreterposten und sah aus seiner Sicht nur einen ernsthaften Konkurrenten: Torge Banster, diesen elenden Schleimer.

Der Harus wollte seine Entscheidung bald bekannt geben, doch wie bald hatte Arun Beran nicht festgelegt. Auf jeden Fall achtete Barmer darauf, in der momentanen Lage keinen Fehler zu begehen. So war er heute am längsten geblieben, damit sein Einsatz ersichtlich wurde, hatte aber dementsprechend langsam und konzentriert gearbeitet. Er war fast geneigt gewesen, nichts zu tun, schließlich passierten so die wenigsten Fehler. Aber dann hatte er Angst, dass es auffallen würde und sich dann doch richtig reingekniet.

Er trat auf die Turkonstraße und wollte sich gerade unter das Volk mischen, als Haran Belo heranstürmte. Belo war groß, braungebrannt und muskulös, der typische Frauenheld. Eigentlich trafen sie sich nur heimlich, da Barmer seine Mitgliedschaft zu den Himmelsstürmern verheimlichte. Zwar war er einer ihrer leitenden Köpfe, aber diese Glaubensrichtung war verpönt und so brauchte niemand wissen, dass er ihnen angehörte. Balduin Baal und die anderen prominenten Bürger taten es ihm gleich.

»Du sollst mich doch nicht in aller Öffentlichkeit treffen. Gerade jetzt, wo ich kurz davor stehe, den ersten Schritt zu machen, um den Harus zu beerben. Da kann ich mir kein negatives Getuschel erlauben. Wenn uns jemand sieht …«

»ER ist da. Ist das nicht Grund genug?«

»Wie? Er ist da?«

Dann dämmerte Barmer, wovon Haran sprach. Plötzlich hatte es Barmer sehr eilig.

»Lass uns hier einkehren«, befahl er, packte Haran am Ärmel und betrat die Taverne Das Thing. Seine Neugier war erwacht.


* * *


Die Nacht war still und dunkel. Der Mann kam aus einem der zahlreichen kleinen Wohnhäuser der Handwerkergasse. Mit seiner dunklen Haut verschmolz er beinahe perfekt mit der Nacht. Er bewegte sich selbstsicher, trotz der nächtlichen Stunde, als hätte er niemals von den gefährlichen Nachtgewächsen der Stadt gehört, denen schon viele ahnungslose Reisende zum Opfer gefallen waren.

Nein, er lief zielsicher mitten auf der Straße, ein etwaiger Betrachter hätte sich wohl ausgemalt, dass der Mann selbst Teil von Saramees dunkler Seite wäre.

Doch das Gegenteil war der Fall. Plötzlich löste sich nur wenige Schritte weiter ein gewaltiger Schatten von der Häuserwand. Der Schatten war nicht nur groß, sondern auch massig, ja gewaltig zu nennen. Er glitt fast lautlos durch die Nacht, aber nur fast. Ein kleiner Steinbrocken kullerte und ertönte in der bisherigen Stille fast wie ein Donnerschlag.

Der Passant hielt inne, drehte sich um. Jäh erschien ein ungläubiges Staunen auf seinem Antlitz, und machte schon bald einer haltlosen Panik Platz. Den aufkeimenden Schrei erstickte eine gewaltige Pranke.

Ein Messer blitzte auf und fuhr mit einem Schmatzen in den Körper, dann bäumte sich der Mann im Todeskampf auf, kämpfte gegen die Umklammerung, doch der Griff des Schattens war unerbittlich. Wieder und wieder stach er zu, den Widerstand abtuend wie bei einem lästigen Insekt, das man verscheuchen möchte. Das Opfer hatte keine Chance. Nach einigen Augenblicken nahm die Gegenwehr für kurze Zeit an Heftigkeit zu, nur um abrupt gänzlich zu erlahmen. Schlaff und haltlos hing der jetzt tote Mann in dem erbarmungslosen Griff. Der Mörder ließ sein Opfer zu Boden fallen, ehe er ihn am Kragen packte und achtlos hinter sich herschleifte

Der Täter schaute kurz nach hinten. Ein etwaiger Beobachter sähe jetzt einen kahl geschorenen Kopf gewaltigen Ausmaßes, kleine dunkle Augen unter feisten Gesichtszügen. Der Beobachter würde spätestens bei einem Blick in diese Augen das Weite suchen und erst wieder stehen bleiben, wenn die Muskeln ihren Dienst versagten. Doch da war kein etwaiger Beobachter, nur die diversen Schatten, von denen man nie wusste, ob sie wirklich da waren, oder ob man sie sich nur einbildete.

Doch für den großen und jetzt toten Mann war es keine Einbildung gewesen. Die Erkenntnis, dass Saramees Nacht tödlich sein konnte, kam leider zu spät. Er war ein Opfer von Dom, dem Schatten, geworden.

Der dritte Tag

Der dritte Tag

Es gab Tage, da hasste Naarson seine Arbeit. Tagein, tagaus, immer das gleiche Einerlei. Er konnte keine Schuhe mehr sehen und wünschte sich, es würde endlich vorbei sein. Seine Abschlussprüfung stand kurz bevor. Er hatte zwar noch keinen blassen Schimmer, was er danach machen wollte, aber allein die Aussicht auf Veränderung hellte seine Stimmung auf und gab ihm Zuversicht.

Dagegen trübte Enochs Verschwinden seine Stimmung merklich. Seit einer Woche war der Mong verschwunden. Enoch verschwand zwar immer mal wieder für ein paar Tage, aber so lange war er noch nie weggeblieben. Naarson machte sich Sorgen und hoffte, sein treuer Begleiter würde bald wieder auftauchen.

Er sah hinüber zu Ragun, der ebenfalls im Schneidersitz auf dem Boden saß, vor sich ein paar gewaltige Schuhe. Ragun, der zwei Jahre älter und mindestens vierzig Kilo schwerer, und auch wesentlich größer, war. Sein Freund hatte die Ausbildung schon hinter sich gebracht, hatte aber noch keine neue Beschäftigung gefunden. Der Dicke kokettierte mit der Schattengilde, doch hoffte Naarson, dass er von diesem Trip bald wieder herunter kam.

»Mensch, Ragun. Sind die Schuhe von einem Dorst?«

Naarson unterstrich mit einem Grinsen, was er vom Wahrheitsgehalt der Sage von den Dorst hielt.

»Warte, du Grünschnabel. Irgendwann wirst auch du erkennen, dass es noch viel mehr zwischen Himmel und Erde gibt, als du dir das in deinen kühnsten Träumen vorstellen kannst.«

»Klar, Ragun. Du bist ja sooo viel älter und erfahrener als ich. Der Weise unter den Jüngsten, sozusagen ein Greis in einem jugendlichen Körper.«

Naarsons schmächtiger Körper bebte vor Lachen. Der Schuh aus Mannischleder fiel ihm aus der Hand, während er sich krümmte und mühsam nach Luft schnappte. Raguns wütendes Gesicht reizte ihn noch mehr zum Lachen und so liefen ihm heiße Tränen die Wangen herunter.

»Du bist ein Spinner. Ein kurzsichtiger, phantasieloser Spinner. Was meinst du denn, wie unsere Welt entstanden ist? He! Wer ist wohl dafür verantwortlich, dass alles nach den bekannten Gesetzmäßigkeiten verläuft? Na, du Klugscheißer, erzähl mal. War es der Klapperstorch?«

»Oh, natürlich wurde die Welt in einer gewaltigen Explosion aus dem Nichts erschaffen. Verantwortlich ist einer deiner Vorfahren, der wahre Gott. Seine Kinder wollten die Last nicht mehr tragen und stiegen aus den göttlichen Gefilden zum Boden herab, wurden zu menschenähnlichen Wesen. Und Ragun, der letzte Nachkomme, sitzt hier neben mir, predigt und stopft nebenher Schuhe.«

Mit diesen Worten fiel Naarson endgültig zu Boden und konnte sich nicht mehr halten. Das meckernde Geräusch, das er ausstieß, erinnerte an eine Marge, und wurde immer wieder von heftigem, geräuschvollem Luftholen begleitet.

Derweil wurde Raguns Gesicht zornrot. Eine steile Falte erschien auf seiner Stirn, während er die kräftigen Backen aufblies. Seine kleinen Augen verschwanden fast vollkommen. Seine Hände schlossen sich zu Fäusten und er atmete tief und hektisch.

»Spotte nur. Aber du wirst früher oder später erkennen, wie kindisch dein Verhalten ist. Natürlich gibt es mehr als das, was du oder ich sehen. Auch mehr als die Gelehrtengilde weiß und auch mehr, als ihre Mitglieder beweisen können. Die wissen doch noch nicht mal ansatzweise, wie das alles um uns herum funktioniert.«

Ragun beschrieb einen großen Bogen mit beiden Händen, seine Augen glühten fanatisch und schienen Naarson bannen zu wollen.

»Hör mal, wenn du willst, zeige ich dir morgen etwas. Dann wirst du das Ganze nicht mehr ins Lächerliche ziehen.«

Ragun lehnte sich zurück, fast konnte man meinen, er würde das Gleichgewicht verlieren. Seine Wangen bebten. Dann beugte er sich vor und fixierte Naarson mit starrem Blick, sodass dieser schon fast befürchtete, sein Freund wäre besessen.

»Ja, das ist eine gute Idee. Komm einfach morgen mit zu den Himmelsstürmern, ich werde dich als Novize einführen. Dann reden wir noch mal. Ich bin sicher, du wirst deine Meinung ändern.«

»Was sind denn die Himmelsstürmer?«

»Die Himmelsstürmer sind eine Vereinigung von Gleichgesinnten. Wir glauben, dass das Leben von den Sternen kam. Und dass dieser Lebensbringer, unser Gott, derjenige ist, der die Welt erschaffen hat. Er ist es auch, der die Regeln erstellt hat, nach denen alles existiert. Die Sonne, der Regen, die Länge der Tage, du weißt schon. Und natürlich wir, die Menschen, Glisk oder Jinjends. Und irgendwann wird unser Gott wiederkommen. Ein Licht am Himmel, welches von Tag zu Tag größer werden wird, kündet dann von seiner Ankunft. Und dann wird ER kommen um nach seiner Schöpfung zu schauen. Und ich werde in der ersten Reihe stehen, während du auf den hinteren Plätzen verfaulen wirst. Aber noch hast du die Chance. Komm einfach mit und du wirst eine bessere Zukunft …«

»Hey, ihr beiden. Genug gefaulenzt, jetzt wird wieder etwas getan. Ihr sollt etwas arbeiten für euren Lohn, ihr seid nicht zum Vergnügen hier. Hab’ ich euch nicht oft genug gesagt, dass ihr zum Arbeiten da seid, nicht, um fortlaufend zu palavern. Ich werde euch Beine machen!«

Die imposante Statur von Ponrolf Methader ragte plötzlich

Imprint

Publisher: BookRix GmbH & Co. KG

Text: vss-verlag
Images: vss-verlag
Publication Date: 07-10-2014
ISBN: 978-3-7368-2488-1

All Rights Reserved

Next Page
Page 1 /