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Unser Sümmchen beschloss sich nur zur Wehr zu setzen, wenn es sich nicht vermeiden ließe. Kleinere Giftspritzen oder lächerliche Maßregelungen würde sie einfach ignorieren, abperlen lassen. Das müsste doch zu schaffen sein. Diese Leute sollten nicht an sie herankommen. Das ist, wenn man gut gestimmt ist, sehr leicht gesagt.

Es gab Tage, da war unser Sümmchen auch mal nicht so gut drauf. Sie fühlte sich auch ein wenig einsam. Ihr fehlte zuweilen ein mitfühlender Partner zu Hause, ein Mann und guter Freund an ihrer Seite, würde ihr schon die Sache wegzustecken, sehr erleichtern. Aber sie hatte Pech und fühlte sich verunsichert. Privat funktionierte in dieser Frage alles nicht so berauschend. Da war niemand und es war schwierig, den Richtigen zu finden. Also fehlte leider das so wichtige Hinterland, um solche Dinge locker abzufedern.

Sümmchen hatte ihre Kreativität entdeckt und schrieb und malte sich alles von der Seele. So konnte sie es einigermaßen aushalten. Manchmal besser und manchmal gar nicht. Dann hatte sie schlimme Träume. Jeder hat das einmal so oder ähnlich gewiss auch erlebt. Nicht jeder Job ist ein Traumjob, also ein Job, der nur gute Träume beschert. So geschah es eines Tages, dass unsere ahnungslose Buchhalterin wieder einmal zu ihrem Gartenführer gerufen wurde.

Er lächelte leicht und bat sich zu setzen. Sabine Sümmchen fand dieses Lächeln bedenklich und setzte sich bedächtig mit undurchdringlicher Miene. „Was will er?“, fragte sie sich, wenn er so scheuß-
lich lächelt, würde dies sicherlich nichts Gutes zu bedeuten haben. Er lächelte nämlich niemals bloß so.
„Gibt es etwas, was sie mir erzählen sollten?“, er fragte reichlich scheinheilig.
Unsere Buchhalterin überlegte immer noch krampf-
haft, welches Geheimnis er ihr wohl entlocken wollte. Ihr wurde dieses Affentheater allmählich zu viel, deshalb fragte sie einfach, was man ihr vorwerfen würde, sie wäre sich allerdings keiner Schuld bewusst. Dann rückte er damit raus. Warum sie als enge Mitarbeiterin zu ihm kein Vertrauen hätte. Sie hätte ihm doch schließlich sagen müssen, dass sein Schwager bei ihr gewesen sei, wegen des unerlaubten Frankierens von Privatpost.

Sabine Sümmchen dachte: „Aha, daher weht der Wind, die Schwager haben sich wieder einmal gekracht und sich alles an den Kopf geworfen, was die Leute sich so geleistet haben an Verbrechen. Allen voran die böse Buchhalterin. Sie sagte aber nur, dass sie diesem kleinen Vorkommnis keine große Bedeutung beimaß, denn die Firma hätte dadurch keinerlei Schaden genommen und sie hätte inzwischen dem Schwager nachgesehen, dass der sich wohl etwas im Ton vergriff. Sie würde allerdings den Grund der Aufregung schwer nachvollziehen können. Selbstverständlich hätte sie absofort keinen privaten Brief mehr frankiert, wenn dies hier so ein Problem wäre.

Dr. Gartenmeier holte tief Luft und zu einem zwanzig-minütigem Vortrag aus, wie die Gepflo-
genheiten in dieser Firma wären und dass auf keinen Fall nur das geringste Private hier etwas zu suchen hätte. Das müsse man doch einsehen.
„Stellen sie sich nur einmal vor, alle würden hier ihr persönliches Süppchen kochen. Nichts würde mehr an Arbeit geschafft werden. Diese Dinge sollten doch wenigstens Ernst genommen werden.
Wir müssen mit der Firma meines Schwagers einige Bürogeräte teilen, deshalb darf sich ein derartiger Fall nicht wiederholen. Sehen sie einmal Frau Sümmchen, im Ernstfall helfe ich doch, auch wenn es um private Dinge geht, also um Leben und Tod zum Beispiel. Dann dürfen sie auch einmal privat telefonieren. Aber sonst sollte auch das gefälligst unterbleiben. Dass sie kein Handy hier im Hause haben dürfen, das wissen sie hoffentlich“, sagte er noch. Er stand auf. Das Gespräch schien beendet. Sabine Sümmchen erhob sich ebenfalls, sagte nichts, war irgendwie per plex.

„Na dann werde ich mal die Post fertig machen, haben sie noch welche?“ fragte sie noch freundlich lächelnd, sehr beherrscht. Nein, er hatte keine.
„Gute Nacht, Frau Sümmchen!“
In Bayern sagt man scheinbar schon zum Feier-
abend als Abschiedsgruß um 17.00 Uhr gute Nacht. Das kennt man woanders so nicht. Sabine Sümmchen antwortete mit einem „Auf Wiedersehen“. Diese „Gute Nacht“ fand sie absolut unpassend. Was ging diesem Typen ihre Nacht an. Außerdem sagt man das nur, kurz bevor man im Bett verschwindet.
Der Chef scheint auch irgendwie krank zu sein, dachte sie noch (wahrscheinlich drückt das Brett am Kopf) und nahm den Stapel Briefe, um sie oben im Großraumbüro der „feindlichen“ Firma zu fran-
kieren. Na ja, die Kollegen waren ja soweit in Ordnung. Alle mussten die privaten Kämpfe der Firmenchefs irgendwie ertragen.

Die Streitereien wurden hemmungslos öffentlich ausgetragen. Man lachte heimlich darüber, aber witzig war der Zustand eigentlich nicht. Denn meistens fiel man irgendwann vereint über die Angestellten her, dann mussten die ihr Lachen noch mehr verbergen. Den meisten war es allerdings schon lange vergangen. Sabine Sümmchen ließ sich nichts anmerken, sie lachte trotzdem und nun gerade, wenn sie einmal mit den anderen zusammen war. Das kam schon vor. Mal in der Teeküche oder halt beim Briefe Frankieren.
Und sie schrieb, wenn man sie ganz besonders quälte, erst recht kleine Gedichtchen und anderes.

So entstand auch das Folgende:

Tag des Buchhalters



Es lebe der Buchungssatz
Er stärke den Hosenlatz

Fleißige Buchhalter flitzen mit spitzen Stiften
In dunkle Ritzen
und fitzen auseinander
Was findige Führungskräfte gebracht durcheinander

Sie rechnen die Rechnungen rauf und runter
Sie zählen die Zahlen drauf
Werden nicht schöner auch nicht bunter
Aber helfen beim Kauf

Buchhalter im Sessel
An den Füßen mit der Fessel
Jeden Tag die Zahlen singen
In Tabellen springen
Schwarze, rote

Oft auch tote
Aber es lebe der Buchhalter




Doch eines tat sie nicht, sie grüßte die Herren Geschäftsführer nicht ehrerbietig als erster so wie es viele machten. Sie ließ es darauf ankommen. Manchmal schien es, als warteten diese Typen auf die Grußerweisung. Nö, Sümmchen schaute sie freundlich an und wenn die Herren nichts sagten, dann sagte sie auch nichts. Sie war Frau und auch kein Lehrling mehr, schleimen wollte sie ganz bestimmt nicht.

Einmal wurde sie deswegen auch getadelt. Ihr Gartenführer sprach sie an, warum sie denn nicht grüßen würde. Das würde sich so gehören. Sabine Sümmchen sagte dazu nur ernst, dass wenn man sie mit einem freundlichen und hörbaren Gruß bedenken würde, dann käme ganz gewiss eine Antwort. Sie kenne das so als weibliche etwas ältere Mitarbeiterin. Der Chef sagte nur „Hm“ und damit war das Thema erledigt. Jedenfalls grüßte er fortan unser Sümmchen, wenn auch mit seiner typischen eisernen Miene, aber doch immer laut und vernehmlich und dies dreimal am Tage, wenn er denn im Hause war. Am Tage sagte er „Grüß Gott“, mittags „Mahlzeit“ und zum Feierabend „Gute Nacht“. Sabine Sümmchen antwortete mit einem „Guten Tag“, „Mahlzeit“ und abends sagte sie freundlich „Auf Wiedersehen und schönen Feierabend“ (wahrscheinlich hatte er nie einen solchen). Eigentlich ein ganz armes Würstchen, manchmal hatte Biene Sümmchen tatsächlich Mitleid. Aber das Mitleid verschwand rasch immer wieder, wenn sie nämlich aufs Neue traktiert wurde mit ungerechten und kränkenden Beschuldi-
gungen.

Sabine Sümmchen hatte einen Schlüssel zum Chefzimmer, denn sie musste, falls der Chef nicht im Hause war, die Unterschriftsmappen auf seinen Schreibtisch legen, damit er später noch die Post durchsehen könne. Soweit so gut. Der Chef ließ manchmal das Fenster auf. Schließlich braucht ein Büro hin und wieder Frischluft. Manchmal kam auch die Putzfrau nach Feierabend. Sie hatte auch einen Schlüssel. Eines Morgens hieß es im Hause sei eingebrochen worden. Man stand Kopf. Auch in der oberen Etage wären die Einbrecher einge-
drungen und hätten eine Menge Flurschaden angerichtet, Fenster und Türen wären kaputt. Sabine Sümmchens Zimmer hatten sie verschont. Warum auch immer. Jedenfalls waren sie durch ein geöffnetes Fenster im Büro des Gartenführers in der unteren Etage eingestiegen. Oh, oh, dachte Sümmchen schadenfroh. Der Chef hat sein Fenster vergessen zu schließen. Da wird der Schwager aber böse sein. Das gibt Ärger!
Sie war unheimlich froh, dass sie auf alles in ihrem Zimmer geachtete hatte. Und es gab Zoff, gewaltigen. Die Polizei schnüffelte durch das ganze Haus, befragte die Leute und so weiter. Die Versi-
cherung interessierte sich natürlich ebenfalls für alles. Wie konnte das passieren? Das war eigentlich die Lieblingsfrage von Dr. Gartenmeier, nun wurde diese ihm gestellt. Ja, es wurde eng.
Natürlich wusste er Rat, zumindest konnte er die Vorwürfe des Schwagers damit ein wenig dämpfen. Das Telefon klingelte:
„Frau Sümmchen, kommen sie doch einmal gleich rum.“

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Publication Date: 11-25-2011

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