Mein Glaube
Zunächst möchte ich meinen Ausführungen, die zum Teil sehr persönlicher Natur sind, einige Definitionen und Begriffserklärungen voranstellen.
„Als Religion
(lat: religio, wörtlich: ‚die Rückbindung‘. Auch zurückgeführt auf religere, ‚immer wieder lesen‘, oder religare, ‚zurückbinden‘; frei übersetzt: „wieder verbinden [mit Gott]“) bezeichnet man eine Vielzahl unterschiedlicher kultureller Phänomene, die menschliches Verhalten, Handeln, Denken und Fühlen prägen und Wertvorstellungen normativ beeinflussen. Es gibt keine wissenschaftlich allgemein anerkannte Definition des Begriffs Religion.“
Das deutsche Wort Glaube
wird in dem hier behandelten Sinn verwendet als Übersetzung des griechischen Substantivs pistis mit der Grundbedeutung „Treue, Vertrauen“. Das zugehörige Verb lautet pisteuein („treu sein, vertrauen“). Ursprünglich gemeint war also: „Ich verlasse mich auf..., ich binde meine Existenz an..., ich bin treu zu...“. Das Wort zielt demnach auf Vertrauen, Gehorsam (vergleiche: Gelöbnis, Verlöbnis), Treue. Das lateinische Wort credere (vgl. Credo und Kreditor) von cor dare: "das Herz geben/schenken" - ist direkt verwandt mit der altindischen Wurzel sraddha- „glauben“ und ist eine sehr alte (indogermanische) Verbalkomposition. Die Bestandteile bedeuten: „Herz“ und „setzen, stellen, legen“, zusammen also etwa „sein Herz (auf etwas) setzen“. Das unbestimmte „ich weiß nicht“ entspricht hingegen dem lateinischen Wort putare ("glauben, dass").“
„Atheismus
(von altgr. ἄθεος (átheos) „ohne Gott“ bzw. „gottlos“) bezeichnet im engeren Sinne die Überzeugung, dass es keinen Gott gibt. Zum Atheismus im weiteren Sinn gehören auch andere Abgrenzungen vom Glauben an Gott, beispielsweise Ansichten, nach denen die Existenz von Gott oder Göttern gegenwärtig ungeklärt oder sogar prinzipiell nicht erkennbar ist (Agnostizismus).“
Den Atheisten, und zu dieser Gruppe zähle ich mich, wird von einigen Religionswissenschaftlern unterstellt, dass mit dem fehlenden Glauben an Gott auch jegliche moralischen Wertvorstellungen nicht vorhanden sein können. Ohne ein höheres Wesen überhaupt, sei man jeden Wertes beraubt, heißt es.
Die Philosophen sind zum Teil ganz anderer Auffassung. Mit anderen vertrat z.B. Immanuel Kant die Auffassung, dass moralische Prinzipien auch ohne Rückgriff auf höhere Wesen in der menschlichen Vernunft bzw. in der Natur zu gründen seien. Recht und Moral gäben die Möglichkeit, Maximen von Freiheit und Handlungen unter allgemeinen (Vernunft-)Gesetzen bestehen zu lassen.
Auch empirisch ist das Verhältnis von Religion und Moral nicht geklärt. Einige Untersuchungen legen nahe, dass persönliche Moral nicht von persönlicher Religiosität abhängig ist. So fand z. B. Franzblau bei Atheisten größere Ehrlichkeit, und Ross bei Atheisten größere Hilfsbereitschaft gegenüber Armen. Gero von Randow entnimmt sozialpsychologischen Studien „eine auffallend geringe Kriminalität unter Nichtgläubigen. Das sollte umgekehrt auch nicht zu ihren Gunsten ins Feld geführt werden, denn sie sind tendenziell sozial besser gestellt und gebildeter als die Gläubigen, jedenfalls im Westen; wir haben es hier also nicht mit einem Religions-, sondern mit einem Klasseneffekt zu tun.
In Europa gibt es über 1 Milliarde nichtreligiöse Menschen, in Deutschland mehr als 26 Millionen. Das sind nicht ausnahmslos Leute ohne Moral und ohne Wertvorstellungen. Sie glauben nicht an ein höheres Wesen, dennoch besitzen sie Glauben. Er schaut nur etwas anders aus und genau über diesen könnten sich religiöse und nichtreligiöse Menschen nähern und miteinander friedlich leben, das glaube ich jedenfalls.
Jetzt komme ich auf meinen Glauben zu sprechen. Er ist ziemlich einfach gestrickt.
Ich glaube an das Gute und Böse im Menschen, beides in einer unendlichen Vielfalt und ich glaube an die Evolution, an die Gesetze der Natur, die das Leben der Menschen bestimmen und beeinflussen, denn der Mensch ist ein Teil von ihr und absolut keine Krone. Ich glaube, dass letztlich der Selbsterhaltungstrieb der Menschen, sein Verstand und seine Vernunft, den Untergang der Erde verhindern werden. Deshalb glaube ich auch immer noch, dass die Menschen sich im Großen, natürlich auch im Kleinen, in der Not insbesondere, unterstützen.
Für diesen Glauben benötige ich keinen Gott, nur Selbstvertrauen und eine gehörige Portion Optimismus für die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft. Mag sein, dass ich mir damit ein paar Illusionen mache, denn die Vergangenheit und die Gegenwart war und ist voller Kriege, die vielfach ihre Wurzel im Religiösen haben. Hochgläubige Menschen und Staaten, wie Israel und der Iran zum Beispiel, planen kriegerisch aufeinander loszugehen. Von Atombomben ist die Rede. Das macht mir Angst.
Ich lehne die Gewalt ab, von welcher Seite sie auch ausgeübt wird. Religiöse Regeln und Werte hören sich meistens sehr gut und zum Teil auch vernünftig an, dennoch handeln die Menschen entgegengesetzt. Der Glauben an Gott verhindert das Böse nicht.
Wir Menschen sitzen alle in einem Boot, die, die an Gott glauben und die, die es nicht tun. Wollen wir auch weiterhin auf unserer Erde leben, dann müssen wir uns einigen. Es gibt m. E. keine Alternative. Bekehrungsversuche bringen nur weiteres Unheil.
Es gibt viele Maßnahmen und Leitlinien, ja Gesetze, die diese Einsichten vermuten lassen, auch bestätigen. Das bestärkt mich in meinem positiven Denken und Glauben an die Vernunft, die sich mit dem Spirituellen zu einigen imstande ist.
In den meisten Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen wurde das Recht auf Religionsfreiheit inzwischen gesetzlich verankert, aber nicht unbedingt im Alltagsleben verwirklicht. Allerdings gibt es noch zahlreiche Länder, in denen keinerlei Recht auf freie Wahl der Religion besteht, so z. B. Saudi-Arabien und Nordkorea, oder in denen der Handlungsspielraum religiöser Individuen und Gruppen eingeschränkt ist. Demgegenüber gewähren die USA praktisch jeder Gemeinschaft, die sich selbst als religiös bezeichnet, den Status einer religious community mit entsprechenden Rechten.
Im Lauf der Geschichte kamen Atheisten vielfach mit politischen Autoritäten in Konflikt. Auf Atheismus stand in vielen Staaten sogar die Todesstrafe. So galt in der Antike die Leugnung der jeweiligen Staatsgötter und die oftmals damit einhergehende Weigerung, ihnen zu opfern, als direkt gegen den Staat gerichteter Akt und wurde geahndet. Das nur zur Erinnerung. Nicht zu vergessen die heilige Inquisition. Zum Glück sind wir im geistigen Bereich inzwischen weiter entwickelt. Das war ein langer schmerzvoller Weg.
In der Neuzeit wurden gesellschaftliche Bereiche einschließlich der Politik, des Rechts und der Religionsausübung zunehmend autonom. Die Trennung von Kirche und Staat wurde mit Hilfe aufklärender Bewegungen verfassungsrechtlich verankert und dann durch staatskirchenrechtliche Bestimmungen ausgeformt. Diese Trennung wird als atheistisch bezeichnet. In Abgrenzung zu religiös-politischen oder auch staatsatheistischen Machthabern garantiert das rechtsstaatliche Prinzip eine weltanschauliche Neutralität in einer prozessual grundlegenden Weise.
Rechtsstaatliche Verfassungsorgane sind in ihren Entscheidungen nicht nur von religiösen, sondern auch von sonstigen externen Einflüssen entsprechend entbunden und stattdessen vorrangig einer Verfassung verpflichtet, die in modernen Staaten auf Freiheitsklauseln basiert.
Die entsprechend neutrale Rechtsbildung führte auch gegen politische Widerstände zu einer zunehmend rechtswirksamen Tolerierung atheistischer Positionen und Lebensgestaltungen in der modernen Welt.
Heute enthalten die Verfassungen vieler demokratischer Staaten das Menschenrecht auf Religionsfreiheit und darin eingeschlossen das Recht, Atheist zu sein oder zu werden. Nicht in allen diesen Staaten gibt es eine strenge Trennung von Staat und Religion, zumal Religionen aus Kultur- und Selbstbestimmungsgründen unterschiedlich stark geschützt werden (beispielsweise durch ein Recht auf Religionsunterricht). Hinzu kommt der Gottesbezug in Verfassungen. So beginnt die Präambel des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland mit den Worten:
„Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen …“
Damit komme ich persönlich klar und das verdanke ich nicht zuletzt meinem Vater. Mein Vater war kein religiöser Mensch, er war ein bekennender Atheist, doch er hat sich immer mit den verschiedenen großen Religionslehren auseinander gesetzt, um sich ein halbwegs fundiertes Urteil zu bilden. Ich sah ihn in der Bibel aber auch im Koran und im Talmud lesen, darüber hinaus informierte er sich über die Lehren des Buddhismus, sogar über die Ansichten verschiedener großer Sekten aber er studierte natürlich auch, was Kant, Nietzsche und Marx zu sagen hatten.
Für all das bewunderte ich ihn.
Er lehrte mich zuzuhören, zu lernen und andere Denkweisen zu akzeptieren. Man muss sie deshalb nicht in allen Punkten tragen aber man darf sie deshalb nicht mit aller Gewalt bekämpfen, denn viele Grundwerte könnten Brücken bauen für ein friedliches Nebeneinander. Mein Vater war der Auffassung, dass das theoretisch klappen müsste. Dieser Meinung schließe ich mich an, auch wenn bislang die Menschen sich im geistigen Bereich furchtbar störrisch und dumm verhalten. Warum sie das tun, wäre ein Extrathema.
Anlage:
Religionen in Europa
(Quelle: adherents.com, 9. August 2007)[15]
• Christentum (2,1 Milliarden)
• Islam (1,5 Milliarden)
• Säkulare, Nichtreligiöse (1,1 Milliarden)
• Hinduismus (900 Millionen)
• Traditionelle chinesische Religionen (394 Millionen)
• Buddhismus (376 Millionen)
• Nichtafrikanische indigene Religionen (300 Millionen)
• Traditionell afrikanische Religionen (100 Millionen)
• Sikhismus (23 Millionen)
• Spiritismus (15 Millionen)
• Judentum (14 Millionen)
• Bahai (7 Millionen)
• Jainismus (4,2 Millionen)
• Shintoismus (4 Millionen)
• Caodaismus (4 Millionen)
• Zoroastrismus (2,6 Millionen)
• Tenrikyō (2 Millionen)
• Neopaganismus (1 Million)
• universalistischer Unitarismus (800.000)
• Rastafari (600.000)
• Scientology (500.000)
Religionen in Deutschland
(Quelle: Religionswissenschaftlicher Medien- und Informationsdienst)
• Säkulare, Nichtreligiöse (26,21 Millionen oder 31,9 %), Stand: 13/05/2009
• Römisch-Katholische Kirche (25,46 Millionen oder 31,0 %), Stand: 13/05/2009
• Evangelische Landeskirchen (24,83 Millionen oder 30,2 %), Stand: 13/05/2009
• Islam (gesamt: 3,5 Millionen oder 4,26 %), Stand: 25/09/2008
• Neuapostolische Kirche (0,37 Millionen), Stand: 31/12/2006
• Buddhismus (gesamt: 0,25 Millionen), Stand: 31/12/2005
• Judentum (gesamt: 0,20 Millionen), Stand: 31/12/2005
• Jehovas Zeugen (gesamt 0,165 Millionen), Stand 31/12/2006
• Hinduismus (gesamt: 0,088 Millionen), Stand: 31/12/2005
Publication Date: 11-11-2011
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