Moni und der Genuss
Moni hegt die Befürchtung, dass die Menschen nicht mehr wirklich genießen können, weil sie nur noch konsumieren. Sie haben Geld, erfüllen sich Wünsche und schon reifen in ihnen neue Bedürfnisse. Das heißt, der Handel macht ihnen weiß, dass sie diese Wünsche haben und sich unbedingt darum kümmern sollten. Das Gute sei streng limitiert, was natürlich schlicht Humbug ist. Darauf fällt die gute Moni nun schon lange nicht mehr herein. Man muss nicht alles sofort haben oder dafür in einer Schlange stehen. Eine gewisse Zeit, danach zu streben, sich darum zu bemühen, darauf zu warten, kann unter Umständen den Genuss erhöhen. Der spontane Genuss sei hierbei einmal bewusst ausgeschlossen, obwohl es ihn selbstverständlich gibt.
Zunächst sollte man sich auf alle Fälle die Frage stellen: Was ist Genuss? Nein, was wäre mein Genuss? Denn wir merken sehr schnell, dass die Menschen scheinbar darüber die unterschiedlichsten Vorstellungen besitzen. Die Liebe, das Essen und Trinken, der Schlaf, auch der Sport oder die Wiesen und der Ballermann, aber auch die Kunst, das Lesen und Schreiben oder gar das Zuhören und überhaupt, da gibt es unendliche Möglichkeiten, das Leben zu genießen.
Aber ist dies alles wirklich immer der wahrhaftige Genuss oder nehmen wir es meist nur Huschhusch im Vorbeigehen und ist es nicht so, dass wir beim Genießen schon immer ein schlechtes Gewissen suggeriert bekommen, weil’s so schädlich sein könnte?
Also dieses Übermaß an Gutem, wenn wir es haben und wir haben es, schmälert eigentlich den Genuss, sinniert Moni. Mal abgesehen davon, dass die Zeit immer bemessen ist und die eigentlichen Genussmittel, wie sie im Handel genannt werden, immer zur Verfügung stehen.
Manchmal können die Menschen, die in Mangelwirtschaften leben ganz anders genießen oder ist dies nur ein Trugschluss? Das Schwelgen, das Genießenkönnen, dieses wundervolle Gefühl etwas absolut auszukosten, dürfte für sich genommen gleich sein und kaum abhängig vom eigentlichen Produkt sein. Ein Durstender hat den totalen Genuss, wenn er einen kühlen Schluck Wasser bekommt, ein Hungernder ein Stück Brot, ein Einsamer ein wenig Zuwendung.
Es ist eine Spirale, die Maßstäbe verändern sich, die Genussmomente stellen sich seltener ein, so man alles hat und alles leicht bekommen kann. Und ist man an dem Punkt, flacht er rasch wieder ab. Die Jagd nach Genuss wird fortgesetzt.
Moni las erschrocken in einer Zeitschrift, die sich mit Psychologie befasst, dass Therapeuten, Menschen das Genießen beibringen wollen. Sie stellen Regeln auf, Genussregeln:
Genuss braucht Zeit.
Genuss muss erlaubt sein.
Genuss geht nicht nebenbei.
Genuss ist Geschmackssache.
Weniger ist mehr.
Ohne Erfahrung kein Genuss.
Genuss ist alltäglich.
Die Philosophen stritten sich und werteten ihn unterschiedlich, oft negativ. Hegel fand ihn schädlich. Kant sah in ihm ein Übel, der antike Kirchenvater Augustinus vermeinte, dass der weltliche Genuss eine schlechthinnige Perversion sei. Nun ja, in unserer Gesellschaft wird das Genießen auch oft als Sünde verstanden. Aber ist es nicht immer ein Bestandteil unserer geheimsten Wünsche, etwas genießen zu wollen? Jedes Tier, jedes Kind genießt, wenn es irgend geht und sich ein Moment dafür bietet. Die Natur scheint uns eigentlich dazu befähigt zu haben. Aber was machen die Menschen daraus, schimpft Moni, sie lassen es verkümmern, um es vom Psychotherapeuten natürlich nur für fettes Geld wieder zu lernen.
Und ob diese so genannten Genussregeln immer zutreffen, mag jeder für sich entscheiden. Aber eines ist klar, hier irren die zitierten Philosophen. Jedenfalls Moni ist ein Genussmensch und ein schlechtes Gewissen dafür, würde ihr niemand einreden können. Soviel steht auch fest.
Publication Date: 08-06-2009
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