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Die Nachbarin und ihr Fahrrad

Die Nachbarin und ihr Fahrrad



Unsere italienische Nachbarin Antonella fährt jeden Morgen mit ihrem Fahrrad zur nahegelegenen Arbeitsstelle. Eines Morgens traf mein Mann sie am Fahrradunterstand, als sie versuchte ihr Fahrgestell zu reparieren.

Es hatte sich ein Schutzblech durch eine fehlende Schraube gelöst. Mein Mann war so freundlich ihr zu helfen, ihr Fahrrad wieder fahrtüchtig zu machen.

Einige Zeit später trafen wir Antonella, unsere Nachbarin , auf dem Hof. Sie winkte meinen Mann zu sich, um ihm ihr Fahrrad zu zeigen. Sie wollte von ihm die Bestätigung haben, dass es sich um ihr Fahrrad handelt, welches er repariert hatte. Dabei erzählte sie ihm folgende Geschichte.

Als sie vor ein paar Tagen mit ihrem Rad losfahren wollte, stellte sie fest, dass sie etwas in ihrer Wohnung vergessen hatte. Deshalb stellte sie ihr Fahrrad vor unserem Hause ab., um noch einmal in ihre Wohnung in der zweiten Etage herauf zu eilen. Weil die Zeit drängte, , verzichtete sie darauf, das Rad abzuschließen. Sie wäre höchstens 5 Minuten weg gewesen, erzählte sie uns. Ich hatte mich, inzwischen neugierig geworden , zu den beiden dazu gesellt.

Wie groß war ihr Schreck, ja und auch ihre Ungläubigkeit, dass das Rad in der kurzen Zeit gestohlen wurde. Es war weg, es war einfach nicht mehr da. Es hatte sich auch niemand einen Scherz erlaubt und es woanders hingestellt.

Antonella räumte ein, dass es ein Fehler ihrerseits war, weil sie es nicht abgeschlossen hatte.
Anzeige erstatten, wäre sinnlos gewesen, da Antonella, bedingt durch einen Umzug vor zwei Jahren nicht mehr im Besitze der Rechnung für ihr Fahrrad war.

Da das Ganze an einem Sonntag passiert war, musste sie bis zum anderen Tag warten, um resigniert zum etwa 500 Meter entfernten Fahrradladen zu laufen, um sich ein neues Fahrrad zu kaufen, d. h. aus Kostengründen sollte es ein Gebrauchtes sein.
Der Verkäufer zeigte ihr, was er z. Zt. in seinem Sortiment hatte.

Sie traute ihren Augen nicht, als sie ihr geklautes Fahrrad im Laden erblickte. „ Aber das ist doch mein Fahrrad“ , rief sie aus,“ ich erkenne es an dem reparierten Schutzblech.

Als der Verkäufer hörte, dass sie nicht mehr im Besitze der nötigen Papiere war, die bewiesen hätten, dass es sich um ihr Rad handelt, zuckte er nur bedauernd mit den Schultern.

Ja, und die Nachbarin zückte ihr Portemonnaie und für 100.--¤ konnte ihr geklautes Fahrrad wieder in ihren Besitz übergehen.

Ich fürchte Antonella, unsere Nachbarin, hat den Glauben an das Gute im Menschen mit diesem Erlebnis verloren. Aber aus Fehlern lernt man. Sie wird das Fahrrad jetzt bestimmt nicht mehr ungesichert abstellen.

Bei mir taucht nun allerdings eine Frage auf. Was ist das denn für ein Fahrradhändler, der ein gebrauchtes Fahrrad aufkauft, ohne sich zu vergewissern, ob das Rad auch rechtmäßig erworben ist.? Welcher ehrliche Fahrradhändler lässt sich denn ein geklautes Fahrrad andrehen?

Vielleicht hätte Antonella dem mal nachgehen sollen.

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Text: Doris Frese
Publication Date: 05-30-2010

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