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So war das nicht geplant

Er betrachtete die Spitze. Sie war so schön, jedoch so unerreichbar hoch oben. Der große, goldene Stern glänzte und mit Sehnsucht in den Augen fixierte er ihn. Er war so schön. Zumindest der Stern. Der Rest des Baumes war so überfüllt, dass man das Grün der Äste kaum mehr sehen konnte. Große Kugeln in Rot, Gold, Silber und Lila Tönen hingen darauf. Sie wurden von mehreren Girlanden in denselben Farben umrundet und verhängt. Die Strohsterne waren kaum mehr zu sehen und hätte er nicht gewusst, dass sich auf ihm Christbaumkerzen befanden, hätte er sie nie gesehen.

 

Dennoch war es der Stern, der ihn anzog. Ihn wollte er. Das Glitzern der anderen Gegenstände interessierte ihn nicht. Der Stern war es. Nur der Stern. Vorsichtig schlich er ein Stück näher an den Baum heran und richtete seinen Blick wieder nach oben zu dem Stern. Nun konnte er ihn nicht mehr so gut sehen, da er schon fast unter dem Baum stand. Langsam bewegte er sich auf den Stamm zu und blickte durch die Äste hinauf. Der Stern war ganz schön weit oben, aber er konnte ihn immer noch ausmachen. Entschlossen legte er seine Pfote auf den Stamm und fuhr die Krallen aus.

Der Baum wankte ein wenig, als er es geschafft hatte mit allen vier Pfoten vom Boden weg zu sein. Er wartete kurz, bis sich der Baum wieder beruhigt hatte, dann kletterte er hinauf zur ersten Astgabel. Der Baum wankte noch stärker und ein kleines Klirr Geräusch deutete ihm an, dass eine der Kugeln zu Boden gefallen war. Es kümmerte ihn wenig und er zog sich weiter nach oben. Das Klirren wurde lauter und häufte sich in immer kürzeren Abständen.

 

Der Baum begann erst gefährlich zu wanken, als er schon fast ganz oben war. Unsicher blickte er hinunter, doch als er wieder nach oben zu dem Stern sah verschwand die Unsicherheit. Er zog sich das letzte Stück hinauf und schnappte nach dem Stern. Es dauerte eine Weile, bis er es geschafft hatten den Stern von der Spitze zu befreien. Er biss das letzte Stück ab und wollte nach dem Stern schnappen, doch dieser hatte seinen eigenen Willen und segelte nach unten auf den Boden. Mit den Augen verfolgte er dessen Flugbahn, dann ließ er sich den Stamm hinuntergleiten und etlicher weitere Christbaumschmuck tat es ihm gleich. Als er das letzte Stück fiel und hinuntersprang, schnellten die Äste nach oben und es regnete Christbaumkerzen.

 

Vorsichtig stupste er eine der zerbrochenen Kugeln mit seiner Pfote an. Sie machte ein helles Geräusch und rutschte ein Stück weiter über den glatten Boden wo sie zum erliegen kam. Der Lichtschein, der sich in ihr fing ließ sie glänzen.

 

Bevor er den Stern erreichen konnte, musste er sich erst durch den Schmuck des Baumes kämpfen. Dann hatte er ihn erreicht. Zufrieden saß er unter dem Baum und kaute an dem goldenen Stern herum. Er sah sich um und betrachtete den Baum. Nur einige vereinzelte Kugel ließen noch erkennen, dass es sich vor einigen Minuten noch um einen Weihnachtsbaum gehandelt hatte. So war das nicht geplant gewesen. Seine Menschen würden sicher nicht begeistert sein.

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Images: Anthea Rainel
Publication Date: 11-23-2021

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