Cover

Vorwort

 

Nach dem beachtlichen Erfolg unserer letztjährigen Spendenaktion für die Hochwassergeschädigten an der Elbe – über die „Aktion Deutschland hilft“, haben sich auch in diesem Jahr viele Autoren (im Alter von 12 bis 80 Jahren) der BookRix Community gefunden und Beiträge zum Thema „Dezembergeschichten“ geschrieben.

 

Das neue Spendenziel ist die Aktion „Gegen Kinderarmut“ in Deutschland. Die Autoren verzichten auf jegliches Honorar, BookRix GmbH & Co.KG sogar auf ihre Provision, somit geht der Nettoerlös vollständig als Spende an die „Deutsche Lebensbrücke e.V. - www.lebensbruecke.de – deren Leitmotiv ist: 

 

"Wo Wege nicht mehr möglich sind, schlagen wir Brücken"©

 

Allen Autoren ein herzliches Dankeschön und unser besonderer Dank geht an Heike Helfen, die uns das von ihr entworfene und gemalte Coverbild ebenfalls kostenlos zur Verfügung gestellt hat.

Dezembergeschichten

 

Die Originalausgabe erschien im September 2014

bei BookRix GmbH & Co.KG als E-Book

www.bookrix.de

und das Taschenbuch über Print on Demand by CreateSpace

Herstellung: Amazon Distribution GmbH Leipzig

Copyright © 2014 Gitta Rübsaat (Hrsg.)

Alle Rechte liegen bei den Autoren

Cover Illustration: ©Heike Helfen

 

 

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung ist nur mit Zustimmung der Autoren zulässig.

Das gilt vor allem für Vervielfältigungen, Übersetzungen sowie das Speichern und Verarbeiten in elektronischen Systemen.

Inhaltsangabe

1. Martina Pawlak - Ein Winter für Abay

2. Alexandra Seeger - Erlösung

3. Manuela Schauten -

    Urlaub für das Christkind und den Weihnachtsmann

4. GaSchu - Der Adventskalender

5. Phil Humor - Weihnachtsmarkt

6. Uschi Kollasch - Die Schneefrau

7. Martina Laurenz - Siene und Seppi

8. Lady Mara - Ein alter Turnschuh

9. Maren Bergmann - Du überstrahlst alles!

10. Petra Kania - Eisig kalte Winternacht

11. Susanne Leuders - Der Zauber eines Moments

12. GaSchu - Es gibt gar keinen Nikolaus

13. Dora Fries - 6. Dezember 1944

14. Manuela Schauten - 

      Unvergessen der 6. Dezember 1999

15. Gitta Rübsaat - Der reuige Sünder

16. RogerJud - Wenn der Nikolaus kommt

17. Annelie Heyer - Backes Anna

18. Monika Schoppenhorst - 

      Ein Handy für Ururgroßvater

19. Ute Look - Die Wichtelin

20. Martina Laurenz - Reto und der Winterkönig

21. Manuela Schauten -

      Am Mittagstisch zum Barbaratag

22. Angela Ewert - Paping

23. Roland Schilling – Mein Weihnachtsengel

24. Markus B. Hedstroehm -

      Weihnachten … das man nie mehr im Leben vergisst

25. Roland Schilling - Die Welt hinter Deinem Fenster

26. Brigitte Voß - Die Stimme

27. Anneliese Koch - Warten aufs Christkind

28. Katja Rübsaat - Die Weihnachtsfeier

29. Enya Kummer - Kleines Weihnachtswunder

30. Roger Jud - Weihnachtspost

31. M.M. Lang - Nick und der Weihnachtswichtel

32. Matthias März - Die Suppenküche

33. Roger Jud - Späte Einsicht

34. Rudolf Hamann - Alle Jahre wieder…

      die Sache mit dem Baum

35. Lisa Skydla - Hundeweihnachten

36. Sieglinde Holewecky - Meine Weihnachtsgeschichte

37. Phil Humor - 23. Dezember

38. René Deter - Weiße Weihnachten

39. Rainer Güllich - Das Weihnachtsgeschenk

40. Heike und Christof - Burnout am Nordpol

41. Sissi Kallinger - Viele Weihnachten hat ein Leben … 

42. Matthias März - Du sollst nicht stehlen

43. Ute Wunderling - 

      Das getauschte Weihnachtsglöckchen

44. Ralf von der Brelie - Die Vergessenen

45. Sophia Csar - Aoides Weihnachten

46. Rita Bittner - Die chinesische Winkekatze

47. Kerstin Linsmeier - Wundersame Dinge geschehen

48. Manfred Basedow - Maries erstes Weihnachtsfest

49. Rebekka Weber - Das Fahrrad...

      oder die Kleiderfrage am Heiligen Abend

50. Rainer Güllich - Das Lagerfeuer

51. Rudolf Hamann - Der Stern von B.

52. Anna Eichinger - “Die Bescherung”

53. Ute Wunderling - Stille Nacht

54. Anneliese Koch -

      Was machen die Engel nach Weihnachten?

55. Alke Bolte - Zwischen den Jahren

56. Gitta Rübsaat - Dantes letztes Silvester 

Martina Pawlak - Ein Winter für Abay

Traurig schaute der kleine Junge aus dem Fenster. Draußen nieselte es. Alles sah grau und irgendwie schmutzig aus. Wo war denn nur der Schnee, von dem sie ihm erzählt hatten, als er hier angekommen war? Sie, das waren die Ärzte und Krankenschwestern im Friedensdorf, in dem Abay, so hieß der kleine Junge, seit einiger Zeit lebte. Abay drückte seine Nase fest an die Scheibe. Er fror. Zu Hause ist es jetzt warm, dachte er sehnsüchtig. Aber zu Hause war Afrika und Afrika war weit weg.  Abay hatte fürchterliches Heimweh und vermisste seine Familie ganz schrecklich. Hier in Deutschland war alles so anders und fremd. Es kam ihm vor, als wäre er schon eine Ewigkeit hier, dabei waren es erst wenige Monate.

 

Abay wusste nicht mehr so genau, was im letzten Jahr passiert war. Er erinnerte sich nur noch daran, dass er am Nachmittag mit seinen Freunden außerhalb seines Dorfes gespielt hatte. Lange Zeit war das nicht möglich gewesen, weil in seinem Land ein Bürgerkrieg tobte. Jetzt war der Krieg endlich vorbei und so freuten sich die Kinder natürlich ganz besonders, dass sie nun wieder unbeschwert draußen herumtollen konnten. Doch plötzlich hatte ein lauter Knall die Luft zerrissen. Seine Freunde haben geschrien. Zuerst hat Abay gar nicht gewusst, warum sie schreien, aber dann hat er das viele Blut gesehen, das an seinem Bein herunterlief. Alle Leute aus dem Dorf kamen angerannt. Mama hat geweint. Papa auch. Was danach geschah, wusste Abay nicht mehr. Später sind dann die fremden Leute gekommen und haben mit Papa und Mama geredet. Papa hatte Abay erklärt, dass ihn die Leute nach Deutschland bringen und ihn dort wieder gesund machen würden.

 

Der lange Flug in dem großen Flugzeug, die Ankunft im Krankenhaus, das ganz anders aussah, als die Krankenhäuser in seiner Heimat, die vielen fremden Menschen, deren Sprache er nicht verstand, die Operationen … Abay hatte fürchterliche Angst gehabt. Jetzt war er hier im Friedensdorf, mit vielen anderen Kindern aus allen Teilen der Welt, um wieder laufen zu lernen, damit er bald in seine Heimat zu seiner Familie zurückkehren konnte.

 

Warum nur schneite es nicht? Abay hatte noch nie in seinem Leben Schnee gesehen. Über seinem Bett hatte Schwester Ursula ein Bild aufgehangen, direkt neben dem Foto seiner Familie. Das Bild zeigte eine wunderschöne Winterlandschaft. Vorne rechts sah man einige große Tannen, deren Äste sich unter der dicken, schweren Schneelast nach unten bogen. Unter den Tannen saßen friedlich einige Schneehasen. Weiter hinten erhob sich ein schneebedeckter Hügel. Am Fuße des Hügels stand ein kleines Haus, aus dessen Kamin weißer Rauch emporstieg. Über alles zog sich ein strahlend blauer Himmel und die Sonne brachte den Schnee zum Funkeln, sodass es aussah, als bestünde er aus lauter Diamanten. Jeden Abend vor dem Einschlafen betrachtete Abay das Bild und dann träumte er meistens davon, wie er lachend durch den Schnee lief und …

 

„Abay?“ Eine Frauenstimme riss ihn aus seinen Gedanken. „Abay, es wird Zeit für deine Übungen“. Schwester Ursula stand lächelnd in der Tür. Sie hatte den tapferen kleinen Jungen gleich nach seiner Ankunft fest in ihr Herz geschlossen. Es machte sie traurig, dass er nie lachte und immer so ernst aussah. Aber das war ja auch kein Wunder, nach allem was Abay durchgemacht hatte. Dabei hatte er unglaubliches Glück gehabt, dass er in Deutschland behandelt werden konnte. Sein Bein würde wieder ganz verheilen. Abays Genesung machte gute Fortschritte und er würde schon bald nach Hause fahren können. Er ist ein richtiger, kleiner Kämpfer, der jede Behandlung geduldig erträgt, dachte Schwester Ursula. Wenn er doch nur ein Mal lächeln würde. Hätte sie ihm nur nie erzählt, wie schön der Winter sein kann, wenn es schneit. Ausgerechnet in diesem Jahr zeigte sich der Winter von seiner hässlichen Seite. Und es tat ihr jedes Mal weh, wenn sie Abay dabei zusah, wie er sehnsüchtig in den Himmel schaute und jeden Tag aufs Neue enttäuscht wurde, wenn der Schnee ausblieb.

 

Abay sah Schwester Ursula an und nickte. Er mochte sie, weil sie immer fröhlich war und viel lachte. Manchmal erinnerte sie Abay ein bisschen an Mama. Seine Mama hatte bis zu diesem Nachmittag im letzten Jahr auch immer viel gelacht. Abay schluckte. Am liebsten würde er gleich auf der Stelle heimfahren. Doch nein, er würde jetzt nicht weinen. Sein Name bedeutete schließlich „einer, der nicht früh aufgibt“ und jetzt war die passende Gelegenheit zu beweisen, dass er seinen Namen zu Recht trug. Abay griff nach seinen Krücken und humpelte mühsam zu Tür.

 

Nach den Laufübungen war Abay jedes Mal völlig erschöpft. Er legte sich auf sein Bett und betrachtete das Foto seiner Familie. Eine Welle der Sehnsucht überrollte ihn und seine großen, dunkelbraunen Augen füllten sich mit dicken Tränen. Tränen, die er lange zurückgehalten hatte und die nun in Strömen seine Wangen herunterflossen. Sein tränenverschleierter Blick glitt hinüber zu dem Bild mit der Winterlandschaft. Wenn sich doch nur sein Wunsch nach Schnee erfüllen würde, dann könnte er vielleicht dieses brennende Gefühl von Heimweh für eine Weile vergessen. „Schnee, wann kommst du denn endlich?“, flüsterte Abay leise.

 

Plötzlich hatte er das Gefühl, dass es kälter im Zimmer wurde. Abrupt setzte er sich auf. 'Pling' machte es und noch einmal 'Pling'. Abays Tränen waren zu Eis gefroren, kullerten nun über seine Wangen und rollten wie Murmeln über den Fußboden. Und dann glaubte er seinen Augen nicht zu trauen, denn aus der Winterlandschaft kam eine Gestalt auf ihn zu. Immer näher und näher. Und als sie ganz vorne im Bild angekommen war, löste sie sich aus diesem und setzte sich an das Fußende seines Bettes.

 

„Brrrr“, machte die Gestalt und schüttelte ihre blonden Locken, aus denen die Schneeflocken nur so heraus stoben. Es war ein Mädchen, vielleicht etwas älter als Abay. Sie trug ein weißes Kleid, das genauso glitzerte wie der Schnee auf dem Bild. Ihre eisblauen Augen blickten Abay freundlich an. „Hallo Abay“, sagte sie, „schön, dass wir uns endlich kennenlernen“. Abay war ganz verdutzt. Das Mädchen sprach seine Sprache und als hätte sie seine Gedanken gelesen erklärte sie lachend: „Du brauchst dich nicht zu wundern. Ich bin die Eisfee und spreche alle Sprachen dieser Welt. Ich kenne all deine geheimsten Wünsche und Sehnsüchte und bin hier, um dir einen zu erfüllen. Deine Familie kann ich dir leider nicht bringen, aber ich kann dir den Winter zeigen. Magst du mitkommen?“ Sie streckte Abay die Hand entgegen. Abay zögerte einen Moment, doch dann nickte er. Als er zu seinen Krücken greifen wollte, schüttelte die Eisfee den Kopf. „Nein“, sagte sie lächelnd, „da wo wir hingehen, brauchst du die nicht.“ Die Eisfee nahm seine Hand und zog Abay ins Bild.

 

So schön hatte sich Abay den Winter in seinen kühnsten Träumen nicht ausgemalt. Staunend sah er sich um. Die Luft war klar und frisch. Es war kalt, aber Abay fror nicht. Vorsichtig berührte er einen schneebedeckten Tannenzweig. Der Schnee blieb an seinen Fingerspitzen kleben. Abay beobachtete fasziniert die winzigen weißen Kristalle auf seiner braunen Haut, die seine Körperwärme rasch zum Schmelzen brachte. Abay wurde übermütig und zog an einem der Äste. Eine dicke Ladung Schnee landete genau auf seinem Kopf. Die Eisfee lachte und Abay … Abay lachte auch. Zum allerersten Mal seit langer Zeit. Die Schneehasen hoben nur verwundert ihre Köpfe, aber sie liefen nicht davon. Abay bückte sich und streichelte das seidig zarte Fell. „Komm jetzt, Abay. Wir haben noch einiges vor“, sagte die Eisfee nach einer Weile. Schweren Herzens ließ Abay die Hasen, von denen er zu gerne einen mitgenommen hätte, zurück und lief der Eisfee, die bereits durch den hohen Schnee stapfte, nach. Hier hatte er keine Schmerzen und laufen konnte er fast so schnell wie früher.

 

Die Eisfee fasste ihn bei der Hand und gemeinsam rannten sie durch den unberührten Schnee. Plötzlich ließ sich das Mädchen sich einfach rücklings fallen und bewegte die Arme auf und ab. „Sieh mal, Abay. Ein Schnee-Engel. Los, mach auch einen“, forderte die Eisfee ihn auf. Das brauchte sie dem Jungen nicht zweimal sagen. Abay warf sich voller Freude in den Schnee und schon nach kurzer Zeit, konnte man zahlreiche Engel erkennen.

 

Beim Weiterlaufen bewarfen sich die Kinder lachend mit Schneebällen und erreichten schon bald das kleine Häuschen. Die Eisfee schob Abay in die warme Stube. „Nur kurz aufwärmen“, meinte sie zu Abay. Sie öffnete die Schublade einer Kommode und zog eine Mütze, Handschuhe und einen Schal heraus. „Damit du mir auf dem Schlitten nicht festfrierst“, sagte sie augenzwinkernd. Schlitten? Was meinte sie denn mit Schlitten? Abay machte große Augen, als sie wieder vor die Tür traten. Da stand ein merkwürdiges Gefährt aus Holz. Ein Wagen war es nicht, denn es hatte keine Räder. An dem Gefährt war ein Seil, das die Eisfee schon gepackt hatte und so das Gefährt hinter sich herzog. War das etwa ein Schlitten?

 

Sie zogen den Schlitten den Hügel hinauf, und als sie oben angekommen waren, nahm die Eisfee darauf Platz. „Setz dich hinter mich, Abay und halt dich gut an mir fest.“ Mutig schwang Abay sich auf den Schlitten und schon sausten sie auch schon den Hügel hinunter. Das war vielleicht ein Spaß. Abay jauchzte vor Freude. Als sie unten angekommen waren, rief er: „Das war toll! Können wir gleich noch mal fahren?“ Gemeinsam zogen sie den Schlitten wieder nach oben und dieses Mal durfte Abay vorne sitzen. Der eisige Fahrtwind wehte ihm um die Nase und trieb ihm die Tränen in die Augen, aber er genoss jeden Augenblick. Sie fuhren noch viele Male den Hügel hinunter, bis sie völlig außer Atem waren. „Ich kann nicht mehr“, japste Abay. „Ich auch nicht“, pflichtete die Eisfee ihm bei. „Lass uns zurück zum Haus gehen. Wie wäre es, wenn wir dort noch einen Schneemann bauen?“ Abay war einverstanden, auch wenn er nicht genau wusste, wie ein Schneemann aussehen musste.

 

Eifrig rollte er mit Hilfe der Eisfee große Schneekugeln, die sie anschließend übereinandersetzen. Eine dicke Karotte diente als Nase und zwei schwarze Kohlenstücke als Augen. Schließlich setzte Abay dem Schneemann noch seine Mütze auf und band ihm den Schal um den Hals. Zufrieden begutachtete er sein Werk. Das war eindeutig, der größte und schönste Schneemann, den er in seinem Leben gesehen hatte. Und dazu auch noch sein Allererster. Abay war sehr stolz auf sich. Die Eisfee trat an seine Seite. „Das ist wirklich der prächtigste Schneemann, den je ein Kind gebaut hat“, lobte sie Abay, aber dann fügte sie leise hinzu, „die Sonne geht bald unter. Wir müssen uns langsam auf den Weg machen. Du musst wieder zurück in deine Welt. Schweigend machten sie sich auf den Rückweg, zurück zu den Tannen, dort wo Abay das Bild betreten hatte. „Kommst du noch einmal zu mir?“, fragte Abay hoffnungsvoll die Eisfee. Doch sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich kann jedem Kind nur einen Wunsch erfüllen und nur ein einziges Mal in meine Welt mitnehmen. Bei Einbruch der Dunkelheit muss ich es wieder zurückbringen. Und es gibt unglaublich viele Kinder, die ein bisschen Freude brauchen, verstehst du? Aber würdest du mir zum Abschied auch einen Wunsch erfüllen, Abay?“

 

Abay hatte verstanden und nickte. „Ich werde dir jeden Wunsch erfüllen, liebe Eisfee, weil ich schon lange nicht mehr so viel Spaß gehabt habe“, versprach Abay. „Dann lächle, wenn du an die schöne Zeit mit mir denkst und lache, wenn es in deiner Welt schneit … und das wird es, Abay, vertrau mir“, bat ihn die Eisfee und fügte hinzu, „und damit du mich nicht vergisst, möchte ich dir etwas schenken.“ Die Eisfee zog aus einer Falte ihres Kleides, einen kleinen weißen Stoffhasen hervor, dessen Fell genauso seidig und weich war, wie das der Schneehasen und überreichte ihn Abay, der den Hasen fest an sich drückte. „Ich werde dich mein ganzes Leben lang nicht vergessen“, sagte er feierlich und kletterte mit dem Hasen in der Hand aus dem Bild. Die Eisfee winkte ihm noch einmal zu, dann drehte sie sich um und wurde kleiner und kleiner, bis ihre Gestalt mit dem weißen Schnee verschmolz und nicht mehr zu sehen war.

 

Als Schwester Ursula noch einmal nach Abay sah, schlief der Junge tief und fest. Ein seliges Lächeln zog sich über sein Gesicht. Fest umklammerte er einen kleinen weißen Stoffhasen. Draußen wurde es bereits dunkel und vor dem Fenster fielen dicke weiße Flocken sachte zu Boden. Der erste Schnee in diesem Winter, freute sich Schwester Ursula. Das würde eine riesige Überraschung für Abay werden und sie war schon gespannt, was für ein Gesicht er machen würde. Ja und vielleicht fand er sogar sein Lächeln wieder, das er im Traum anscheinend schon gefunden hatte. Versonnen sah sie Abay an und strich ihm sanft über die krausen schwarzen Haare. Dann verließ sie das Zimmer und schloss leise die Tür. Hätte Schwester Ursula doch nur einen Blick auf das Bild mit der Winterlandschaft geworfen. Dann hätte sie vielleicht die Spuren im Schnee und den winzig kleinen Schneemann neben dem kleinen Häuschen gesehen und sich am nächsten Tag nicht so gewundert, als Abay nicht einfach nur lächelte, sondern gleich sein fröhliches und lautes Lachen durch das ganze Haus schallte. 

Alexandra Seeger - Erlösung

Ein lüttes Mädchen

streift durch die Gassen -

so jung und traurig, in Lumpen gehüllt,

zieht vorüber an trunkenen Kassen,

ach, wäre ihr sehnlichster Wunsch nur erfüllt.

 

Mit hängendem Kopfe

riecht sie den Duft

der Lebkuchen und Schokoladen,

wie gern würd' sie in Frohsinn baden,

doch die Hoffnung schnell verpufft.

 

Sie sieht den edlen Tannenbaum,

wie königlich er strahlt,

verziert mit sel'ger Freud' und Ruh' -

ein herzensguter Traum.

 

Die Weihnachtszeit ist angebrochen,

Plätzchen werden nun gestochen.

Lichter funkeln in der Ferne,

glanzvoll wie des Himmels Sterne.

 

Die Fingerchen der armen Kleinen, 

an den Fensterscheiben kleben

in fernen, süßen Wolken schweben,

beinah' muss das Kindchen weinen.

 

Ein Mann kommt heraus,

mit verärgerter Miene

und scheucht sie hinfort

wie 'ne lästige Biene.

 

Hilflos bricht sie dann zusammen,

in einem schweren Schmerz gefangen,

wispernd züngeln schon die Flammen,

mit ihren Eltern just beisammen.

 

Schließlich ist sie endlich frei,

das ganze Leid ist nun vorbei!

Endlich kann sie wirklich feiern,

Weihnachtslieder munter leiern.

 

Fröhlich sein und Kuchen essen,

die Qualen sind schon längst vergessen.

Die Eltern liebevoll jetzt küssen,

keine Schmerzen leiden müssen.

 

Ihr innigster Wunsch hat sich erfüllt,

der Weihnachtszauber unverhüllt.

Manuela Schauten - Urlaub für das Christkind und den Weihnachtsmann

An einem wunderschönen Abend im Spätsommer gab es nach einem Regentag, als sich endlich am frühen Abend die Sonne wieder zeigte, einen tiefroten Sonnenuntergang. Meine kleine vierjährige Tochter saß auf meinem Schoß und fragte mich mit großen Augen. „Mama, warum ist denn der Himmel so rot, wir haben doch Sommer. Fangen die Engel jetzt schon an zu Backen.“

„Das kann gut möglich sein, denn ein Stollen, den wir so gerne Weihnachten essen, muss lange liegen, um richtig gut zu schmecken.“

„Dann fangen sie jetzt schon an? Bis zu meinem Geburtstag sind doch noch vier Monate“, ungläubig schaute sie mich an und blickte wieder fasziniert zum Himmel.

Sie kuschelte sich an mich und gähnte herzhaft.

 

Nachdem sie es sich in ihrem Bett gemütlich gemacht hatte und all ihre Kuscheltiere kunstvoll um sich herum gruppiert hatte, schoss ihre Frage wie aus einer Pistole heraus.

„Was macht das Christkind denn im Sommer, fährt es dann in Urlaub?“

 

Ich kannte ja meine Tochter und ohne eine Antwort, würde sie so lange bohren, bis eine käme, also setzte ich mich an ihr Bett und erzählte ihr eine kleine Geschichte:

 

„Im Sommer trifft sich das Christkind mit dem Weihnachtsmann in einer alten Hütte. Selbstverständlich bringt er dann auch all seine Rentiere mit, die dürfen dann Kräuter und Gras rings um die Hütte futtern, damit sie zu Weihnachten auch richtig fit sind.“

„Hat die Hütte auch ein rundes Fenster wie bei „Heidi“ und Tannen vor dem Haus?“, unterbrach sie mich.

„Ja, die Hütte hat auch ein rundes Fenster, von dem man ins Tal schauen kann. Tannenbäume gibt  es auch, sogar einen Zaun, damit die Rentiere sich nicht verirren können. – Das Christkind und der Weihnachtsmann lagen im Liegestuhl und sonnten sich. Als es dem Weihnachtsmann zu warm wurde, zog er seine dicke rote Jacke und die warmen Stiefel aus.“

„Was für Socken hatte er denn an?“ fragte sie mich aufgeregt und in einem Atemzug stellte sie gleich die nächste Frage. „Aber das Christkind hat ihr Kleidchen doch anbehalten oder hatte sie einen weißen glitzernden Bikini an.“

„Das Christkind trug ihr samtenes weißes Kleidchen mit den silbernen Streifen und den vielen Pailletten und der Weihnachtsmann hatte dicke rote Socken an, die er auch noch auszog. Er streckte seine Beine aus und wackelte mit den Zehen.“

„Da ist ja langweilig, wenn sie die ganze Zeit nur im Liegestuhl liegen!“, stellte meine Kleine enttäuscht fest.

„Nach einer Weile wurde es ihnen wirklich zu langweilig, obwohl der Weihnachtsmann ab und zu dem Christkind Witze erzählte. Bald standen sie auf und der Weihnachtsmann zog sich aber nicht seine Stiefel an, sondern zog aus seiner Tasche ein Paar Schlappen, die ihm die Elfen eingepackt hatten.

Die Beiden machten einen kleinen Spaziergang und schauten nach den Rentieren, ob auch wirklich keines von ihnen ausgebüxt war. Der Elfe Heini hatte dem Weihnachtsmann eingeschärft, dass sich Rudi gerne auf Wanderschaft begebe und er ihn immer suchen musste.

Zu ihrem Glück war Rudi, das Rentier aber bei den anderen und futterte was das Zeug hielt.

Ein kleines Glöckchen bimmelte ganz leise.

„Endlich gibt es etwas auch für uns zu essen“, freute sich der Weihnachtsmann, inzwischen knurrte sein Magen nämlich gewaltig.

„Und ich freue mich auf eine warme Schokolade mit ganz viel Sahne“, pflichtete ihm das Christkind zu.

Gemeinsam gingen sie in die alte Hütte hinein und setzten sich an einen schön gedeckten Tisch. Auf dem Tisch standen nicht nur die leckeren Kuchen und ein wunderbarer Strauß Blumen, nein, dort stand auch eine Kiste mit den Weihnachtswünschen von vielen Kindern aus der Welt.

Wie ein hungriger Wolf futterte sich der Weihnachtsmann durch die leckeren Kuchen und Plätzchen.

Auch das Christkind naschte von den leckeren Kuchen. Dabei tranken alle beide eine große Tasse heiße Schokolade mit einem dicken Berg Sahne drauf.

Als die beiden satt waren, schauten sie in die Kiste hinein und nahmen die ersten Karten heraus.

„Meine Güte, was haben die Kinder heutzutage für Wünsche“, stellte das Christkind mit Entsetzen fest.

„Was wünscht sich denn der Daniel aus Walkenbach?“, fragte der Weihnachtsmann neugierig.

„Daniels Wünsche sind eine Ritterburg, eine Carrerabahn, Wachsmalstifte, ein Fahrrad, einen Fußball, ein Nintendo DS, einen MP 3 Player, eine CD, einen Bagger, Inliner, Hockeyschläger und Fußballtore, dazu ein Deutschlandtrikot und dass seine Oma nicht mehr auf ihn böse sei, dass er ihre Blumenbeete beim Spielen zerstört hat“, las das Christkind vor.

„Na, den letzten Wunsch können wir ihm leicht erfüllen, aber bei den anderen ist es nicht so leicht“, meinte der Weihnachtsmann sehr ernst und dachte nach.

Währenddessen holte das Christkind eine weitere Karte heraus und begann vorzulesen:

„Sabrina,  5 Jahre, wünscht sich diverse CD‘s von Bibi Blocksberg, das Traumschloss und das große Puppenhaus von Playmobil, außerdem eine Baby Born mit Schlitten, einen Frisiertisch und verschiedene Spiele und Puzzles.“ Sie zog die nächste Karte heraus und las weiter. „Marius, 5 Jahre, wünscht sich einen Fußball, einen Tennisschläger, eine Autorennbahn, eine Tankstelle und das Piratenschiff von Playmobil und verschiedene Bücher.“

So ging es noch eine Weile, bis das Christkind plötzlich stoppte und meinte: „So geht das nicht, unsere Elfen können doch das alles gar nicht produzieren und an die Kosten darf ich gar nicht denken. So viele Spenden bekommen wir doch gar nicht. Wir müssen was dagegen unternehmen!“

„Ja, du hast recht, wir wissen ja gar nicht mehr, wie wir alles transportieren sollen und die Elfen beschweren sich inzwischen auch“, setzte der Weihnachtsmann dazu.

„Jetzt muss ich noch eine Tasse Kakao trinken und nachdenken, denn so geht es nicht weiter“, sprach das Christkind mit traurigen Augen und goss sich und dem Weihnachtsmann noch eine Tasse Kakao ein.

So saßen das Christkind und der Weihnachtsmann dann eine ganze Weile still zusammen und jeder von beiden dachte nach.

 

Nachdem sie ihren Kakao ausgetrunken hatten, machten sie einen kleinen Spaziergang und als sie am Zaun ankamen, setzte sich das Christkind darauf und ließ ihre Beine baumeln. Der Weihnachtsmann lehnte sich einfach dagegen und schließlich meinte er:

„Ich habe es, alle Kinder bekommen von uns nur noch drei Geschenke. Wie findest du die Idee?“

„Die Idee ist gut, sogar hervorragend und wir schauen den Kleinen ins Herz, welche drei größten Wünsche wir ihnen erfüllen können“, antwortete ihm das Christkind.

 

„Mama, dann habe ich ja drei Wünsche frei, die das Christkind mir zu Hause erfüllt, drei Wünsche bei Oma, drei bei Opa und drei bei Hannes“, stellte meine Tochter fest.

„Nein, mein Schatz, so ist das nicht, nur drei Wünsche erfüllt das Christkind dir, für alle anderen Wünsche müssen wir ins Geschäft gehen, diese Sachen kaufen und beim Christkind abgeben, damit es dir alles unter den Tannenbaum legen kann. Nur so kann das Christkind oder der Weihnachtsmann jedem Kind etwas auf der Welt bringen und alle Elfen wären auch wieder zufrieden und können euch eine Freude machen“, versuchte ich, ihr es zu erklären.

„Ich finde die Idee von den Beiden ganz gut, auch wenn ich nicht alles bekomme, was ich mir wünsche“, antwortete sie mir.

 „Ja, dann träume mal schön vom Christkind und dem Weihnachtsmann, wie sie so da im Liegestuhl liegen und sich erholen, um für die große Aufgabe zur Weihnachtszeit wieder fit zu sein!“, schloss ich meine kleine Geschichte, gab ihr noch einen Gutenachtkuss und verließ das Zimmer.

GaSchu - Der Adventskalender

„Mama, wann ist Weihnachten?“ Meine „Große“ sieht mich erwartungsvoll an.

Ich stöhne, diese Frage habe ich doch nun schon so oft gehört, langsam müsste auch sie es verstanden haben… „Schatz, Weihnachten, das dauert noch etwas. Gestern war der erste Advent und heute holen wir dir einen schönen Adventskalender, da darfst du dann jeden Tag ein Türchen aufmachen und siehst dann, wie viele Tage es noch bis Weihnachten sind, gell?“ Sie sieht zufrieden aus, erleichtert gehe ich mit ihr durch den Supermarkt. 

Da hinten, da ist der Stapel mit den Adventskalendern, schnell hin und einen sichern. Sie sieht sich alle genau an und nimmt einen ganz Bestimmten vom Stapel, obwohl doch alle genau gleich aussehen. Ich frage nicht warum, das verstehen nur Kinder, das ist mir klar.

Zuhause muss Papa einen kleinen Nagel in die Kinderzimmerwand schlagen und der Kalender wird aufgehängt. Zusammen begucken wir ihn. Es ist eine Zeichentricklandschaft mit Nikolaus und Kindern im Schnee zu sehen. Sandra hat Freude an dem Motiv, das ist die Hauptsache.

„Morgen früh darfst du das erste Türchen aufmachen, Schatz!“ Ich erkläre ihr das Prozedere und sie nickt ernsthaft.

Ihr kleiner Bruder weint, ich muss ihn füttern und Sandra widmet sich ihren Spielsachen.

Alles ist wieder okay und Weihnachten zum Glück zunächst im Hintergrund versunken.

Am nächsten Morgen gehen Sandra und ich als Erstes zum Adventskalender. Noch vorm Frühstück darf sie das erste Türchen öffnen und - oh Wunder! - es ist ein Stückchen Schokolade darin und dahinter ein Bildchen von einem kleinen Teddy. Sandra ist begeistert. Sie lutscht hingebungsvoll ihre Schoki und versucht, die noch bleibenden Türchen zu zählen.

Das ist ein schwieriges Unterfangen, wenn man mal gerade bis 10 zählen kann und alles darüber hinaus ‘ne Million ist!  Sandra wirkt leicht gestresst.

„Mama, ich hab noch eine Million Türchen aufzumachen!“ Ich muss lachen.

„Nein, Schatz, es sind noch genau 23 Türchen!“ „Sag ich doch! Eine Million! Das DAUERT! Mama, wann ist denn nun Weihnachten?“ Oh nein, ich halte diesen Stress nicht bis Weihnachten aus, Mütter haben es wirklich nicht leicht! Wie soll ich diese Diskussion nun noch 23-mal ertragen? Ich seufze und beschließe, dass ich das können muss als Mama. Schließlich haben es ja meine Mutter und Millionen anderer Mütter auch geschafft.

 

Am zweiten und am dritten Dezember genau dieselbe Fragerei und es wird langsam zur Routine. Wir gehen morgens das Türchen öffnen, Sandra lutscht ihre Schokolade und zählt die Türchen, die noch bleiben, kommt immer wieder zum selben Ergebnis, es bleibt eine Million, und  fängt an zu nörgeln. So hatte ich sie mir irgendwie nicht vorgestellt, die Sache mit dem Adventskalender. 

Der vierte Dezember, wir gehen zum Adventskalender, da schreit ihr kleiner Bruder. Er hat schlecht geschlafen heute Nacht, anscheinend ist er etwas erkältet.

„Schatz, sieh mal, hier ist das vierte Türchen, das darfst du heute öffnen, das kannst du ja schon. Ich muss zu Björn.“ Mit diesen Worten lasse ich sie im Kinderzimmer allein. 

Der Kleine jammert ein wenig, beruhigt sich auf dem Arm aber schnell. Das Näschen läuft etwas, doch es scheint mir nicht allzu schlimm zu sein. Ich setze mich an den Küchentisch und lasse ihn auf dem Schoß etwas schaukeln, dabei lausche ich in Richtung Kinderzimmer. Ja, sie scheint wieder die Türchen zu zählen, ich lache in mich hinein. „Eine Million! Immer eine Million!“ Diese Zahl drückt für sie einfach alles aus, was viel ist.

 

Sie grummelt und raschelt, ich lausche. Was macht sie nur? 

„Mama!“, strahlend kommt sie in die Küche gerannt. Der Mund ist total schokoverschmiert. „Mama, heute ist  Weihnachten!“ Fassungslos sehe ich sie an. „Wie kommst du denn darauf, Schatz? Du weißt doch, du musst noch einige Türchen aufmachen!“ „Muss ich gar nicht, Mama! Guck doch!“ Sie schwenkt den Adventskalender triumphierend in der kleinen Hand. 

Ich schaue darauf und traue meinen Augen nicht!

ALLE Türchen sind sperrangelweit auf! Kein Schokostückchen mehr zu sehen!

 Voller Freude ruft sie mir entgegen: „Mama, du hast doch gesagt, wenn alle Türchen auf sind, dann ist Weihnachten!“

Phil Humor - Weihnachtsmarkt

Weihnachtsmarkt ganz ohne Weihe.

Wo bleibt Erhabenheit - nur Business-Haie?

 

Rambozambo - selbst das Christkind wär verwirrt.

Oder es trinkt reichlich Glühwein - das entwirrt:

 

Man sieht die Welt als glühender Verehrer.

Sinnlosigkeit verpufft; und wird's auch immer leerer -

 

beim Weihnachtsmarkt, da ist die Chance auf heile Welt.

Budenzauber, weil es einem gefällt.

 

Buden aneinandergereiht - und Rücken an Rücken;

man kann die Welt mit Glück bestücken.

 

Dort gibt's dann Punsch.

Marktplatz für jeden Wunsch.

 

Welt als Weihnachtsmarkt, Weltenbaum als Tannenbaum.

Man strolcht von Genuss zu Genuss - ein Traum.

 

Bis einem übel wird - selbst vom Zuschauen.

Zu süß, zu hell in dunkler Nacht. Vertrauen 

 

auf diese vorübergehende Pracht?

Das Naschen, Glücklichsein - man lacht.

 

Und weiß genau, um uns herum die Nacht, ein paar Sterne.

So beieinander, wird es schon zu viel? Menschenschwärme.

 

Letztlich alles Zuckerwatte: aufgebauscht, es soll was sein.

Man ist voll Erwartung - das Fest rückt an; wie Glühwein

 

soll es wärmen; von innen - einen berauschen, beglücken.

Ja, Alltag kann sich schmücken.

 

Bummel mit Dir über den Weihnachtsmarkt.

Wenn es immer so wär. Ein paar Lichter zaubern, was behagt.

 

Ist Glück so einfach? Folgt Reue wegen Kalorien-Sünden?

Ach, man braucht's ja nicht der Vernunft zu sagen, ihr nicht verkünden,

 

dass man während der Albernheit die größere Weihe findet.

Das Leben erscheint mit einmal ernstnehmbar; bindet

 

einen an die Welt; man will gar nicht fort.

Annehmbarer Ort.

 

Trotz allem, was an Unweihevollem auf dem Lebensfest passiert.

So kommt es, dass man inmitten der Kälte nicht friert:

 

Menschen, die Ähnliches empfinden, freuen sich über Nähe.

Glühwein tut wohl auch seinen Teil - das Gefühl, man verstehe

 

die Welt in all ihrer Kompliziertheit; lichter Moment.

Wenn alles erleuchtet mit kleinen Lichtern - nichts trennt

 

einen mehr vom Zusammengehörigkeitsgefühl. 

Bis es einem zu viel wird, das Gewusel, das Gewühl.

 

Dann möchte man sie plötzlich alle zum Teufel jagen.

Man will wieder eigenes Revier. Sich alleine plagen.

 

Zwischen Besinnlichkeit und Business-Zeit,

steht der Weihnachtsmarkt für Dich bereit.

 

Beziehst Du es aufs Leben: Nicht immer ist es erleuchtet, gemütlich;

manchmal musst Du selber für Licht sorgen. Tu Dich gütlich

 

an Lichterglanz in Deinem eigenen Weihnachtsmarkt. Welch Entzücken:

Erinnerungsbuden stehen aneinandergereiht - und Rücken an Rücken.

 

In Erwartung auf das Fest, dass Dir der Heiland gnädig sei.

Erlösung, Rettung wäre sehr willkommen; Welt überwunden, frei.

Uschi Kollasch - Die Schneefrau

Im Winter 1980 gab es im Dezember viel Schnee, auch in Norddeutschland. Ich erinnere mich noch genau daran, wie wir Kinder uns freuten – im Gegensatz zu vielen Erwachsenen, die eher fluchten, mussten sie doch nun täglich Schnee schippen und ganz vorsichtig Auto fahren.  

 

Doch für die Kinder aus meiner Straße und mich war es toll, dass jeden Tag die dicken, weißen Flocken herunter rieselten und sich bald bergeweise der Schnee türmte.   

Wir veranstalteten Schneeballschlachten, legten uns auf die weiße Pracht, um Schneeengel zu kreieren, zogen unsere Schlitten zum Deich, um immer wieder hinunter zu rasen und Heike, meine beste Freundin „aus gutem Hause“, die fast alles besaß, holte sogar ihre Skier raus, auch wenn man damit in unserem nordischen Flachland gar nicht so viel anfangen konnte.  

 

Außerdem starteten wir Kinder einen kleinen Wettbewerb: Wer baut den schönsten Schneemann in seinem Vorgarten? Bis zum 10. Dezember hatten wir Zeit, dann sollte abgestimmt werden. So einiges wurde dafür, auch heimlich, aus dem Haus geschleppt, jeder wollte den besten und speziellsten Schneemann erschaffen.

Leider kassierte meine Mutter Papas Hut und Krawatte sowie die Pfeife, ein Erbstück von meinem Großvater, wieder ein, sodass mein Beitrag zum Wettbewerb leider recht kahl im Garten stand.

 

Uns schräg gegenüber wohnte eine alte Dame namens Frau Schubert. Sie lebte allein und bekam nur selten Besuch von ihrem Sohn. Wir Kinder hatten ziemliche Angst vor ihr, denn sie war eine mürrisch dreinblickende, wortkarge Person mit pechschwarz gefärbtem Haar und seltsam aufgemalten Augenbrauen.

Wenn sie, was selten vorkam, draußen gesichtet wurde, humpelte sie leicht O-beinig und ächzend die Straße hinunter, trug immer ein Kopftuch oder einen Hut.  

 

Wie sie selbst, strahlten auch ihr Haus und ihr Garten etwas Dunkles und Ungepflegtes aus und ihre Vorhänge waren stets zugezogen. Manchmal sahen wir sie vor ihrem Haus einen Zigarillo rauchen, dabei hustete sie sich dann die Seele aus dem Leib. In der Nachbarschaft war sie nicht sonderlich beliebt. 

Einige Gerüchte über sie machten die Runde. Sie sei eine "streitsüchtige, alte Hexe, die nicht einmal grüßte" und würde "trinken", schnappte ich auf. Unter der ersten Aussage konnte ich mir im Alter von sieben Jahren ja etwas vorstellen. Was jedoch so schlimm daran sollte, wenn jemand etwas trank, war mir nicht klar. Das tat ich auch doch auch jeden Tag...  Dennoch war die alte Nachbarin etwas schaurig und geheimnisvoll.

 

Dann kam der 6. Dezember, und wir Kinder freuten uns schon den ganzen Tag auf den frühen Abend, an dem wir uns zum Nikolauslaufen verabredet hatten. Neben Heike und mir nahmen auch die vorlaute Birte, die eher schüchterne, stille Wiebke und zwei weitere Mädchen daran teil.  

Wir hatten uns auf zwei Lieder geeinigt, die wir an den Haustüren zum Besten geben wollten: "Schneeflöckchen, Weißröckchen" und "Lasst uns froh und munter sein". 

 

Als es dunkel geworden war, trafen wir uns dick eingemummelt vor Wiebkes Haus, machten uns gemeinsam auf den Weg und klapperten die Häuser der Nachbarschaft ab. Überall wurden wir freundlich empfangen, eine nette, alte Dame überreichte uns sogar Becher mit warmen Kakao. Unsere Beutel füllten sich und mit jedem Ständchen, das wir erfolgreich hinter uns gebracht hatten, wurde auch die scheue Wiebke etwas mutiger, die zuvor noch still hinter uns gestanden hatte, bis sie schließlich kräftig mitsang. 

 

Da unsere Eltern den Nikolausgang auf unsere zwei Wohnstraßen beschränkt hatten, dauerte es nicht lange, bis nur noch ein einziges Haus übrig war, an dessen Tür wir noch nicht geläutet hatten: Das von Frau Schubert.  

 

Übermütig durch unseren bisherigen Erfolg fragte ich in die Runde: "Wollen wir bei der Schubert klingeln?" Einen Moment standen alle stumm und wir betrachteten das finstere Haus, das aussah, als wohne dort gar niemand. Es war das einzige, das in vollkommener Dunkelheit lag. 

„Nö, ich finde, wir haben genug. Wir gehen jetzt nach Hause", gab Birte von sich und wandte sich bereits um. Da Birte und ich öfter kleine Reibereien miteinander hatten, weil sie sich in meinen Augen für die unangefochtene Anführerin und Bestimmerin hielt, regte sich in mir leichter Widerstand. 

Wieso sollte eigentlich immer sie entscheiden?  Und so tat ich, als hätte Birte gar nichts gesagt und fragte: „Also, wer kommt mit?“  Letztendlich folgten mir alle, Birte wahrscheinlich aus Neugier. Doch blieben die fünf Mädchen auf dem Gehweg stehen, während ich langsam auf die finstere Haustür zuschritt. Etwas mulmig war mir jetzt doch… 

Wer eine große Lippe riskiert, muss auch mutig sein, erinnerte ich mich an die Worte meines großen Bruders. Die Blamage, jetzt einzuknicken, wollte ich mir – vor allem unter Birtes Augen -  nicht geben. Also läutete ich. Nichts tat sich. Gerade wollte ich mich fast erleichtert umwenden und lässig mit den Schultern zucken, da wurde es im Hausflur etwas heller und kurz darauf drehte sich ein Schlüssel im Schloss. 

 

Die Tür ging auf und Frau Schubert erschien, an ihr vorbei wehte mir der Gestank von Zigarillorauch entgegen. Sie sagte nichts, funkelte mich nur aus ihren kleinen, dunklen Augen an. Mein Herz klopfte. „Lasst uns froh und munter sein“ erschien mir als Darbietung nicht sonderlich passend, automatisch sang ich „Schneeflöckchen“ und befürchtete die ganze Zeit, Frau Schubert würde mich anmotzen, so wie sie sich da im Türrahmen aufgebaut hatte. 

 

Doch seltsamerweise ließ sie mich die erste Strophe beenden, nach der ich sogleich verstummte.  Auch traute ich mich nicht, ihr meinen Beutel entgegenzuhalten. „Du kannst nicht sonderlich schön singen.“ Ihre Stimme knarrte wie eine alte Türangel. „Aber das ist immer noch besser, als da hinten dumm ´rumzustehen!“, fuhr sie dann die anderen über meinen Kopf hinweg an.

Dann verschwand sie im Haus, ließ die Tür jedoch offen. Trotz meiner Furcht überwiegte die Neugier und ließ mich einen Schritt vortreten und den Kopf in den mit allerlei Möbeln und Gold-Nippes vollgestopften Flur recken. Dort standen unter anderem große Porzellanwildkatzen herum, ich erkannte einen Jaguar und einen Tiger. Seltsam…  Als sich ihre schlurfenden Schritte näherten, trat ich wieder zurück. Jetzt bemerkte ich plötzlich Birte, die sich dreist neben mir mit ihrem Beutel aufgebaut hatte. 

 

Frau Schubert tauchte auf, griff nach meiner Tüte und steckte eine große Schachtel hinein. Dann drückte sie mir meine Schätze wieder in die Hand. „Du kriegst nix“, ranzte sie Birte noch an, bevor sie die Tür schloss und wir im Dunkeln standen. Anscheinend hatten die anderen gar nicht bemerkt, wie viel Angst ich gehabt hatte. Wiebke schaute mich mit ihren großen Augen als wäre ich eine Heldin und hauchte: „Das hätte ich mich nicht getraut."  Auch Heike strahlte mich mit einer gewissen Ehrfurcht an. Nur Birte kniff verbiestert die Lippen zusammen. „Nun zeig schon, was hat sie dir ´reingepackt?", fragte Heike. 

 

Unter einer Straßenlaterne zog ich die Schachtel hervor und las: Sprengel Weinbrandbohnen.  Gut, dass wir alle keine Bohnen mochten und der Gabe eher etwas misstrauisch gegenüberstanden, vielleicht hätte ich sonst noch auf der Straße eine Runde ausgegeben. 

Zuhause hat man mir die Pralinen natürlich sofort abgenommen und meine Mutter murmelte noch irgendetwas von wegen: Alkohol für Kinder! Unmöglich, diese Frau...

Bereits am nächsten Abend sollte ich eine Erfahrung machen, die mich vollkommen überraschte. Und mich auf gewisse Weise auch prägte. Meine Mutter wies mich an, den Müll rauszubringen und in die Tonne zu stopfen, die am nächsten Tag geleert werden sollte und am Straßenrand stand. Sie drückte mir die Tüte in die Hand und ich stapfte los.

Draußen war es bereits dunkel und sehr kalt, doch für den kurzen Gang hielt ich es nicht für nötig, eine Jacke oder Schuhe anzuziehen und schlurfte in meinen Hausschuhen hinaus auf den Gehweg. Als ich den Müll in die Tonne gesteckt hatte, fiel mein Blick auf die gegenüberliegende Straßenseite. Ich kniff ein wenig die Augen zusammen. Was war denn das? Auf dem Weiß des Schnees, der in der Dunkelheit leuchtete, machte ich etwas großes Schwarzes aus. Etwas lag vor Frau Schuberts Haus! Eisige Windböen fuhren durch meinen Pullover, als ich fröstelnd die Straße in Richtung des dunklen Etwas dort drüben überquerte. 

 

Ich weiß noch, dass mein Herz plötzlich heftig klopfte und dass ich schon ahnte, was ich sehen würde, bevor ich es wirklich tat. Vor dem Haus lag Frau Schubert in ihrem dunklen Mantel und dem Kopftuch, sie regte sich nicht.  

Ich berührte sie an der Schulter. „Frau Schubert?" Ich hatte schreckliche Angst, sie wäre tot, trotzdem rüttelte ich sie leicht. Sie stöhnte. „Ich kann nicht aufstehen. Bin umgeknickt." 

Ganz leise krächzte mir ihre Stimme unter dem Kopftuch entgegen. Nichts Herrisches oder Unheimliches war mehr an ihr, als ich in ihr verzerrtes, bleiches Gesicht guckte. In diesem Moment war sie für mich einfach nur eine arme, alte Frau, die Schmerzen hatte. „Ich hole meine Eltern!", sagte ich und rannte los.

 

Mein Vater hatte ihr dann aufgeholfen, sie gestützt und in ihr Haus gebracht. Den Krankenwagen gerufen.  Frau Schubert war ausgerutscht und hatte sich den Knöchel verstaucht. In unserem eher beschaulichen Wohnviertel war abends nicht viel los. Hätte ich sie nicht gefunden, hätte Frau Schubert wahrscheinlich sehr lange dort in der Kälte im Schnee gelegen. Ich hörte meine Eltern über die Nachbarin reden.

 

Am nächsten Tag schickte mich meine Mutter mit einem frisch gebackenen Kuchen zu Frau Schubert hinüber. Es dauerte ein wenig, bis sie zur Tür gehumpelt kam, auf zwei Krücken gestützt. Doch ich hatte keinerlei Furcht mehr vor ihr. „Meine Eltern wünschen gute Besserung. Der ist für Sie." Ich hielt ihr den Kuchen entgegen. „Stell ihn mal da hin und komm rein", sagte sie und nickte mit dem Kopf zu einem Tischchen. Ich tat wie geheißen und folgte ihr in ihr muffiges Heim.

Auch das Wohnzimmer war überfüllt mit Möbeln, Kissen,

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Publisher: BookRix GmbH & Co. KG

Text: Autorengemeinschaft der BookRix-Community
Images: Cover Heike Helfen
Publication Date: 08-31-2014
ISBN: 978-3-7368-4131-4

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