New Jersey in Venedig
Rhiana Corbin
Inhalt
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Danksagung
Bücher von Rhiana Corbin
Deutsche Erstausgabe
Copyright © 2020, Rhiana Corbin
Covergestaltung: Andrea Wölk
Unter Verwendung folgender Fotos:
© MirasWonderland– Getty Images
© Malija– Getty Images
Andrea Wölk, Lutherstr. 16, 46414 Rhede
www.mybooklove.de
Kapitel 1
Zum wiederholten Mal las ich den letzten Satz meines Skripts und konnte doch nicht begreifen, was ich da gerade geschrieben hatte. Was war nur los mit mir? Das war ja zum Verrücktwerden. Ich konnte mich einfach nicht mehr konzentrieren, dabei musste ich das Buch in einer Woche abliefern und ich hatte keine Ahnung, woran es lag, dass es nicht rund lief. Immer wieder änderte ich Handlungsstränge, kürzte Sätze, strich ganze Passagen.
Ich hielt mir die Ohren zu, weil ich den Krach, der aus der Etage über mir kam, nicht mehr ertrug. So ging das schon den ganzen Tag. Es war nicht nur die laute Musik, hinzu kam noch ein undefinierbares Kratzen auf dem Echtholzpaket. Keine Ahnung, wie es dort oben aussah, aber ich stellte mir vor, wie Frau von Castelstayn einen Herzinfarkt bekam, wenn ihrem neu verlegten Parkettboden etwas zustieß.
Die Musikauswahl war etwas gewöhnungsbedürftig, aber nicht schlecht. Tango Argentino war toll, doch ununterbrochen konnte es einem doch auf die Nerven gehen. Ich klappte meinen Laptop zu, bei dem Lärm konnte man einfach nicht arbeiten. Verdammt! Die neuen Mieter hatten es nicht besser verdient. Jetzt würden sie mich von einer ganz anderen Seite kennenlernen. Pia Jansen war wirklich die Gutmütigkeit in Person, doch ich konnte auch anders.
Also schnappte ich mir meine Schlüssel und lief die zwei Treppenabsätze hinauf in die zweite Etage. C. Medina stand an der Klingel. Wütend drücke ich auf den Knopf, doch nichts passierte. Bei der Lautstärke war das auch kein Wunder. Erneut klingelte ich, doch immer noch keine Reaktion. Also musste ich zu härteren Mitteln greifen. Meiner Faust! Laut hämmerte ich gegen die solide Holztür, als ich endlich eine Reaktion erwirkte. Lautes Hundegebell. Immerhin etwas.
Kurz darauf hörte ich Schritte und die Tür wurde aufgerissen.
»Entschuldigung, ich störe nur ungern, aber ...«
»Psst! Einen Moment … ich telefoniere … kommen Sie herein und schließen Sie die Tür, damit New Jersey nicht entwischt.«
Ein gut aussehender Mann zerrte mich an meinem Handgelenk in seine Wohnung und schloss die Tür hinter mir ab.
Tja, Gefangen!, ging mir durch den Kopf. Weiter kam ich nicht, denn ein großer brauner Hund, mit dunkelbraunen Knopfaugen sprang an mir hoch, legte seine Vorderpfoten auf meine Schultern und leckte mir zur Begrüßung einmal quer über das Gesicht. Na ja, so groß war er nun doch nicht, aber ich gehörte auch eher zu den Sitzriesen mit einem Meter zweiundsechzig.
»New Jersey! Aus! Mach Platz und sei ein lieber Junge!«, rief der attraktive Mann hektisch, dann wandte er sich ab und lief ins Wohnzimmer, überließ mich einfach dem Hund. Ich konnte nur hoffen, dass er nicht bissig war. Aber so, wie er sich aufführte, war er eher lammfromm.
New Jersey machte keine Anstalten auf sein Herrchen zu hören, daher musste ich das wohl selbst in die Hand nehmen.
»Runter und aus!«, rief ich streng, und stieß den Hund von mir, packte ihn sanft in den Nacken, sah ihm tief in die Augen und sofort hörte er und machte Sitz. »So ist gut, mein Junge. Und bleib«, befahl ich, hielt meine Hand senkrecht in die Höhe. Aufmerksam blickte er mich an und bewegte sich nicht, nur seine wunderschönen Augen verfolgten mich. Selbst als ich vorsichtig das Wohnzimmer betrat, blieb er im Flur zurück. Fernsehen bildet, Rütter sein Dank.
»Ja, ich weiß, dass es nicht richtig war, dich einfach zu verlassen. Ja, ohne ein Wort. Ja, ich weiß, dass ich dein Ex-Freund bin. Und ja, ich bin ein Mistkerl, du hast natürlich recht, aber würdest du diesem Mistkerl vielleicht einen klitzekleinen Gefallen tun ... Ja? Wirklich? ... Könntest du New Jersey für einige Tage zu dir nehmen?«
Plötzlich hielt er das Telefon in die Höhe und blickte mich überrascht an. »Aufgelegt! Wer glaubt es denn? Und das war schon die Vierte!«
Er schien völlig perplex. Nach dem Motto: Wie konnte man es wagen ...
»Wie viele Ex-Freundinnen haben Sie denn?« Die Frage rutschte mir einfach so über die Lippen, dass ich sie am liebsten zurücknehmen wollte, doch einmal ausgesprochene Worte konnte man nicht mehr gutmachen, einen ersten Eindruck übrigens auch nicht.
Verdutzt schaute er mich einen Augenblick an, dann schüttelte er den Kopf. »Zu viele«, meinte er und schenkte mir ein Lächeln. Eines dieser, die einem das Herz erwärmten und man schlucken musste, weil einem das Wasser im Mund zusammenlief. Wenn das mein neuer Nachbar war, dann durfte er gerne die Musik wieder laut aufdrehen. Erst jetzt bemerkte ich, dass sie verstummt war und sich mein Beschwerdegrund in Luft aufgelöst hatte.
Er fuhr sich nervös durch das Haar. Ein paar glänzende braune Strähnen blieben verwirrt stehen. Er trug es ein wenig länger, was ihm diesen modischen Bad-Hair-Day-Look verlieh, und ihn unwiderstehlich aussehen ließ. Er war groß, mindestens einen Kopf und Hals größer als ich, schlank und seine muskulösen Beine steckten in ein paar modischen Jeans. Das karierte Hemd war nicht zugeknöpft und darunter klebte ein weißes Rippunterhemd wie eine zweite Haut an ihm. Er sah aus, wie der Typ aus dieser Cola Werbung, der stark verschwitzt den Mädels im Büro eine kleine Abkühlung, in Form von braunem Wasser mit mindestens fünfundzwanzig Zuckerwürfeln auf hundert Milliliter, vorbeibrachte. Einfach so, als hätte er im Augenblick nichts anderes zu tun. Eben hipp und cool dazu. Mit der passenden Stimme, die einem bis in die Eingeweide fuhr, und ein Kribbeln hinterließ. Einem das feuchte Höschen von selbst auszog.
»Wie kann ich Ihnen eigentlich helfen?«, fragte er, als würde ihm erst jetzt auffallen, dass ich gar nicht in seine Wohnung gehörte.
»Entschuldigen Sie, dass ich hier so einfach eindringe, aber ich bin Ihre Nachbarin und bewohne die Wohnung unter Ihnen ...«
»Oh, Sie sind das. Frau von Castelstayn hat mir schon von Ihnen erzählt. Natürlich nur Gutes. Ich bin so froh diese Wohnung bekommen zu haben, bei der Wohnungsnot, die hier in München herrscht, ist das ein echtes Wunder.«
»Ja, Wunder geschehen. Kommen Sie aus München, Herr ...?«
»Entschuldigung, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Medina, Christian Medina. Ich komme ursprünglich aus Frankfurt, wohne aber schon einige Jahre hier in München. Leider hat es bisher nur für eine WG gereicht, dies ist meine erste eigene Wohnung.«
»Vermutlich auch die letzte, wenn Sie die Musik weiterhin so laut aufdrehen.« Oh, verdammt! Schon wieder rutschte mir etwas heraus, dass ich erneut bereuen würde.
Doch, anstatt sauer zu reagieren, begann er laut zu lachen. »Ja, Sie haben recht. Aber ich bekomme New Jersey sonst nicht ruhig. Er bellt, wie ein Verrückter, wenn es still in der Wohnung ist. Wo ist er eigentlich?«, suchend blickte Christian sich um.
»Er mach Sitz im Flur und wartet«, erklärte ich schnell. Ungläubig schüttelte er den Kopf. »New Jersey macht niemals Sitz, besonders nicht, wenn er es soll.«
Mit großen Schritten eilte er in die Diele und blieb abrupt stehen. »Wie haben Sie das gemacht?«, rief er verblüfft. Er kam zurück, schaute mich an und diesmal schien er mich wirklich wahrzunehmen. »Entschuldigung, ich habe Ihren Namen vergessen.«
»Ich bin Pia … Jansen und wenn Sie nichts dagegen haben, können wir uns gerne duzen.« Ich ging auf ihn zu und hielt ihm die Hand entgegen. »Willkommen in der Villa Castel. So nennen wir das Haus hier.«
»Pia, also. Okay, schön, dich kennenzulernen. Villa Castel, ja der Name passt zum Haus. Sag mal,
Publisher: BookRix GmbH & Co. KG
Text: Rhiana Corbin
Images: © MirasWonderland– Getty Images, © Malija– Getty Images
Cover: Andrea Wölk
Publication Date: 02-07-2023
ISBN: 978-3-7554-3185-5
All Rights Reserved