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Die Hoffnung stirbt zuletzt

Die Hoffnung stirbt zuletzt….

 

Die Sonnenstrahlen fallen durch einen Spalt in den Fensterläden. Inihrem Schein sieht man Staubkörnchen tanzen.Ich liege auf meiner Couch und schaue den Staubkörnern zu.
Das ist sehr entspannend. Während ich so vor mich hindöse, ist die beste aller Ehefrauen im Nebenzimmer damit beschäftigt, Wäsche zu bügeln. Der Duft von frisch gebügelter Wäsche und die anstrengende Beobachtung der schwebenden Körnchen haben mich fast einschlummern lassen.

Wie durch Watte hindurch dringt ein Brummen an mein Ohr. In regelmäßigen Abständen brummt es. Ich zähle in Gedanken mit. Doch beim vierten Mal hört es auf und ich höre meine Frau aus dem Nebenzimmer sprechen. Es war also das Telefon, das mich in meinen Gedankengängen gestört hat.Verzweifelt versuche ich, mich wieder in die Stimmung zu versetzen, aber es gelingt mir nicht. Der Stachel der Neugier hat mich aufgeschreckt und ich versuche zu hören, mit wem die Gute spricht. Doch schon nach drei „Ja“ und einem „Also dann…“ hat sie das Gespräch beendet.

Jetzt steht sie vor mir und strahlt übers ganze Gesicht. „Am Wochenende ist Ernte-Dank und die Kinder kommen zu uns zum Essen.“ Das ist auch für mich eine freudige Überraschung, denn seit die Beiden aus dem Haus sind, ist es doch recht still geworden.

Aber nun wollen wir für das Festmahl einkaufen. Zum Glück hab ich den alten Kombi, den wir uns wegen der Kinder angeschafft haben, immer gut gepflegt. So kann er uns jetzt würdevoll zum Einkaufszentrum fahren und alle Einkäufe sicher transportieren.

Mit meiner Ruth einzukaufen ist immer ein Erlebnis. Selten akzeptiert sie den Preis, der an der Ware angebracht ist. Meist findet sie etwas zu Bemängeln und lässt sich dann mit dem Filialleiter auf eine Diskussion ein. Wenn der sie so kennen würde wie ich, würde er sofort nachgeben. Aber so wird um den Preis gefeilscht wie im Orient. Nur bei Lebensmitteln akzeptiert sie den Preis.

So sind wir denn auch schon nach einigen Stunden wieder auf dem Parkplatz angekommen. Ich schiebe den schweren Einkaufswagen Richtung Auto, während die Beste aller Ehefrauen den Kassenbon kontrolliert.
So kommt es, dass keiner bemerkt, dass ein rücksichtsloser Mensch eine Bananenschale auf den Boden geworfen hat. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie sie die Beine in die Höhe wirft, wie ein Tanzmariechen. Aber das Gelächter stellt sich nicht ein, denn ich höre erst den Knochen brechen und dann die Frau schreien.
Mühevoll kommt sie wieder auf die Beine, aber das rechte Bein sieht irgendwie komisch aus. Also schiebe ich ihr den Einkaufswagen hin, damit sie sich daran aufstützen kann und so humpelt sie zum Auto. So schnell ich darf, fahren wir ins Krankenhaus, wo ein Oberschenkelhalsbruch festgestellt wird. Das ist zwar schmerzhaft, aber mit einem Nagel wieder zu beheben. Natürlich nicht sofort und auch nicht so schnell. Aber immerhin ist die Operation noch am selben Tag. Da ich hier nichts mehr machen kann, fahre ich nach Hause und informiere die Kinder.

Julia hat gottlob Urlaub und kann schon am nächsten Morgen kommen. Thomas muss arbeiten. Aber er wäre auch keine große Hilfe.
Eigentlich wollen wir das Festmahl ausfallen lasen. Doch es sind alle Sachen eingekauft. Und Ruth freut sich sicher, wenn wir ihr ein Stück von dem Festtagsbraten ins Krankenhaus bringen.

Voller Tatendrang binde ich mir also am Sonntag die Schürze um, wasche die Hände und krempele die Ärmel vom Hemd über die Ellenbogen. Tochter Julia sitzt schon am Tisch und schält die Kartoffeln.

Als Hobbykoch weiß ich natürlich, dass dem Fleisch meine besondere Aufmerksamkeit gebührt. Das gute Stück liegt vor mir auf dem Brett und wartet darauf mit der köstlichen Marinade, die Ruth immer auf Vorrat macht, eingerieben zu werden. Mutig verteile ich mit einer Schöpfkelle die Soße über das Fleisch und reibe es mit den Händen kräftig in alle Fasern ein. Sodann gebe ich es in den Bräter, den Julia schon mit Zwiebeln, Karotten Lauch und Gewürzen gefüllt hat, zum Anbraten. Heißa wie das zischt. Der Duft der angebratenen Zwiebeln erfüllt die Küche.

Jetzt lösche ich alles ab und gebe dann den Bräter in den Backofen. Für die nächsten Stunden brauche ich mich nicht um ihn zu kümmern. Und weil Julia schon die Kartoffeln gerieben und zum Kloßteig verarbeitet hat, bleibt im Moment nicht viel zu tun. Der Rotkohl wird erst später gemacht.
Das ist genau der richtige Moment, um mit meiner Enkelin Viktoria zu spielen. Die ganze Zeit über hat sich das liebe Kind alleine mit seinem Kaufmannsladen beschäftigt. Aber jetzt können wir gemeinsam spielen. Ich darf der Verkäufer sein. Viktoria möchte ein Telefon kaufen. Als ich ihr das Spielzeugtelefon reiche, nimmt sie es in die Hand, dreht es in alle Richtungen und sagt: „Das ist ja schon schmutzig. Haben sie nicht ein anderes?“ Zerknirscht schaue ich mich um und stelle fest, dass natürlich kein zweites Telefon da ist: „Na gut,“ sagt sie. „Dann müssen wir etwas mit dem Preis machen!“ Woher ich das nur kenne?

Jedenfalls bin ich so vertieft ins Spiel, dass ich nicht merke, wie die Zeit vergeht. Und ich merke auch nicht, dass Julia schon die ganze Zeit mit ihrer Freundin telefoniert. Erst der Geruch von verbranntem Fleisch erinnert mich wieder an meine Pflichten. Ich renne in die Küche und reiße die Backofentür auf. Eine schwarze Qualmwolke versperrt mir die Sicht und nimmt mir den Atem.
Mit einem Handtuch um die Finger gewickelt, nehme ich den Deckel hoch. Im Topf liegt ein Stück schwarzes Etwas. Ich kann nicht erkennen, daß es einmal Fleisch war.
Jetzt ist auch Julia hinzugekommen. Sie lüftet den Deckel der Klöße. Aber auch die sind irgendwie aus der Form geraten. Das Wasser ist fast verkocht und die Klöße liegen am Boden des Topfes. Als Julia einen Kloß zur Probe aus dem restlichen Wasser heben will, fällt er auf den Boden und springt dreimal hoch, um dann unter den Küchenschrank zu rollen.

Wir sehen uns an und trotz der Misere müssen wir lachen. Wir sind schon zwei Superköche.

Im Telefonbuch findet sich sodann die Nummer vom Pizzaservice und die Bestellung wird aufgegeben. Bis der Lieferant kommt, haben wir die Küche gelüftet, Viktorias Tränen, die sie wegen des verkohlten Fleisches vergossen hat, getrocknet und Thomas hat schnell noch den Müll mit unseren Kochkünsten entsorgt.

Trotz des Fiaskos gibt es also ein Happy-End. Denn zuletzt hat der Pizzaservice unser Festtagsmenü gerettet.

Die Hoffnung stirbt eben zuletzt.

 

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Publication Date: 10-11-2013

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