Hallo liebe Leser*innen,
nun möchte ich euch meine Geschichte erzählen. Meine Geschichte, die sich während der Schulzeit und während der Ausbildungszeit zutrug. Ich will nicht jammern, "rumheulen" und mit dem Zeigefinger auf andere zeigen, nach dem Motto: „Ihr seid Schuld an meiner Misere!"
Ich will für mein Erlebtes auch nicht bemitleidet werden und auch keine Portion "Extra-Aufmerksamkeit". Der Sinn, warum ich meine Geschichte schreibe, ist dass ich vor dieser Art der psychischen und physischen Folter warnen möchte. Ich möchte Betroffenen zeigen, dass sie nicht allein sind. Ich weiß aus eigener Erfahrung selbst, wie sich Mobbing, Ausgrenzung, Diskriminierung und Gaslighting anfühlen. Vielleicht erlebt ihr auch Mobbing oder habt es erlebt. Vielleicht kennt ihr auch jemanden, der es gerade erlebt oder in der Vergangenheit erlebt hat. Deswegen ist es so enorm wichtig, offen und ohne Vorurteile darüber zu reden und das als Gesellschaft.
Heutzutage kommt Mobbing kommt nahezu in jeder Schule, in jedem Kindergarten, in jeder Ausbildungsstätte/Uni und auch bei vielen Freizeitaktivitäten vor. Auch am Arbeitsplatz wird zunehmend gemobbt. Geschätzt gibt es 500.000 bis eine Millionen Mobbingopfer an unseren Schulen. Ungefähr jeder Siebte ist davon betroffen. Es gibt unterschiedliche Arten von Mobbing. Häufig wird Mobbing mit körperlicher und verbaler Gewalt verbunden. Häufig taucht diese Art von Mobbing bei Kindern auf, besonders häufig bei Jungen. Mädchen bevorzugen es unbeliebte Mädchen auszugrenzen, deren Ruf zu verderben und sie zu schneiden. Meist fühlen sich die Gemobbten allem schutzlos ausgeliefert. Meist wird die Mobbingproblematik zu spät erkannt oder auch einfach weggesehen. Es kann Betroffene richtig krank machen, wenn die Angriffe über einen längeren Zeitraum stattfinden. Laut der Aussage von Carsten Stahl nimmt sich jeden zweiten Tag in Deutschland ein Kind/Jugendlicher aufgrund von Mobbing das Leben. Viele Menschen, die Mobbing durchstehen oder durchstehen mussten, bleiben durch die seelischen Verletzungen unter ihren schulischen oder beruflichen Möglichkeiten. Viele Menschen, so wie ich, die sich durch die Mobbinghölle quälen mussten, um Schule und Ausbildung zu bestehen, fühlen sich dadurch auch noch Jahre später erschöpft und antriebslos.
Dieses Buch beruht großteils auf meinen persönlichen Erfahrungen aus meiner Schulzeit auf dem Gymnasium und während der Ausbildung. Auf meinen beiden Grundschulen bin ich irgendwie noch halbwegs unbeschadet durchgekommen, obwohl ich auch schon damals Probleme damit hatte, dass über mich Lügen verbreitet und ich öfter angefeindet oder gehänselt wurde. Ich war weder beliebt noch das "größte" Mobbingopfer". Es gab in meiner Klasse drei/vier Kinder, die deutlich schlimmer gemobbt wurden als ich und ich profierte davon, dass ich etwas älter und größer als meine Klassenkameraden war. Nichtsdestowenigertrotz fühlte ich mich nicht selten ausgeschlossen und allein stehen gelassen. Am heftigsten bekam ich es zu spüren, wenn Einladungskarten ausgteilt wurden und ich in den meisten Fällen leer ausging. Ich weiß noch, wie ein Mädchen um Ostern herum Geburtstag feierte und fast die gesamte Klasse einlud, während die Außenseiter und ich übergangen wurden. Am nächsten Tag kamen (fast) alle mit Osterhüten zur Schule. Ein anderes Mal kamen fast alle Mädchen in Indianerkostümen zur Schule. Am Wochenende davor hatte ein Mädchen seinen Geburtstag gefeiert, dort hatten sie Indianerkostüme gebastelt und natürlich war ich neben Sophia die Einzige, die nicht eingeladen wurde. Nicht einmal die Lehrer sagten etwas zu der Verkleidung. Ich weiß noch, dass meine Gefühle zwischen irritiert und ausgeschlossen sein schwankten.
In der 3. und 4.Klasse gab es massive soziale Spannungen und viele Streitigkeiten. Angefangen hat es damit, dass ein Mädchen namens Felicitas ab dem Beginn der 3.Klasse mich immer mehr aus ihrer Clique ausschloss und mir gegenüber zunehmend fies wurde. Sie kapselte mich von unseren beiden gemeinsamen Freundinnen Ellen und Marie ab. Eindeutig war Felicitas die Rädelsführerin, die mich mit gemeinen Sprüchen bedachte, mich bei jeder Gelegenheit anzickte, mich wie Luft behandelte und mir sogar ins Gesicht sagte, dass ich "behindert" sei und "stinken" würde. Nicht selten kam ich heulend von der Schule nach Hause, zumal es in der Klasse auch noch mehr gemeine Kinder gab, die mich hin und wieder ärgerten. Ich stand somit wieder alleine da, bis ich mir ein Herz nahm und auf andere Kinder zuging. Auf diese Weise freundete ich mich mit Marta und Paula an, die unserer Klasse ebenfalls gemobbt und ausgeschlossen wurden. Zudem sprach ich Luzia aus der Parallelklasse an, die meist allein auf dem Schulhof stand. Mit der Zeit wurden wir Freundinnen. Mit weiteren Außenseiter*innen aus anderen Klassen gründeten Luzia, Paula, Marta und ich eine Bande. Gemeinsam im Schutz der Freundesgruppe verbrachten wir die Pausen und wurden somit seltener Ziel von Ärgereien und Angriffenen anderer Mitschüler*innen.
Bereits nach den Osterferien in der 4.Klasse begann ich die Tage bis zu den Sommerferien auf dem Kalender zu zählen und strich jeden überstandenen Schultag durch. Ich wollte einfach nur noch weg - raus aus dieser Klasse. Ich stimmte ein innerliches Jubelfest an, als endlich der letzte Schultag bevorstand und ich einige der blöden Mitschüler*innen zum letzten Mal sehen musste. Kurz vor den Sommerferien hatten es eine Hand voll Mitschüler*innen auf mich abgesehen, mich immer wieder zu hänseln und mich vor anderen bloßzustellen. Daher konnte ich es kaum erwarten, dass die Grundschulzeit ein Ende nahm. Endlich hatte ich die Grundschule hinter mir gelassen und träumte von einer schönen Schulzeit auf dem Gymnasium, wo ich endlich gute Freundinnen finden würde. Leider wurde ich dann auch dort - bitter enttäuscht: Ich kam vom Regen in die Traufe. Naja, ich war durch einige negative Erlebnisse aus der Grundschulzeit sehr schüchtern geworden und zudem ich war ich auch verunsichert. Verunsichert allein deswegen, weil ich zum Teil Mobbingerfahrungen machen musste und dann kam ich auch schon in die Pubertät. während die anderen Kids noch total kindlich waren.
Dieses Buch behandelt zum überwiegenden Teil von meiner Schullaufbahn auf dem Gymnasium, aber auch die Zeit nach dem Abitur wird Gehör finden. Die Hauptmotivation dieses Buch zu schreiben war, dass ich die Erlebnisse verarbeite und gleichzeitig soll es auch eine Mahnung sowie ein Weckruf sein. Mobbing mit seinen ganzen Facetten ist kein Kinderspiel und muss ernst genommen werden. Dafür muss das ganze Bildungssystem anders strukturriert sein, damit Mobbing und Co keinen so großen Nährboden mehr haben und sich Schüler ihrem wahren Potential nach sich entwickeln können. Daher meine Forderung an Politik und vor allem an das Bildungssystem: Tut endlich etwas dafür, dass unsere Kinder Kindergärten, Schulen und Unis besuchten können und sich dabei SICHER fühlen. Es kann nicht sein, dass bereits viele Kinder, Jugendliche und Erwachsene durch Mobbing, Ausgrenzung und Co traumatisiert sind und ggf. sogar therapeutisch behandelt werden müssen.
Liebe Eltern und Angehörige, ich habe einen Appell an euch. Bitte nehmt die Erziehung eurer Kids ernst und lebt ihnen die wichtigsten Werte des Zusammenlebens vor. Dazu zählen: Respekt, Höflichkeit, Hilfbereitschaft, Verantwortung, Toleranz, Empathie, Zivilcourage, Umsichtigkeit, Rücksicht, Akzeptanz und Gerechtigkeit. In kurzen Worten: Lehrt eure Kinder menschlich und nett zu sein. Bringt euren Kindern bei, wie man auf sachlicher Ebene Konflikte lösen kann, ohne sich anzuschreien und zu schlagen. Das wichtigste allerdings ist, dass ihr den Kindern zeigen müsst, dass ihr sie liebt und das dazu keine guten Noten, gutes Aussehen, viele Freunde oder Trophäen im Sport notwendig sind. Eure Kinder werden es euch danken, wenn ihr sie bedingungslos liebt und ihr euch Zeit für sie nehmt, ihnen zu zuhören und ihre Probleme ernst nehmt. Kinder sollten auf jeden Fall auch Kinder sein dürfen: Draußen frei spielen, sich dreckig machen und mit Freunden um die Wette lachen dürfen. Kinder, die gefestigt und glücklich sowie frei von Zwängen/Erwartungen ihres Elternhauses sind, treten viel ruhiger und entspannter in der Schule auf. Glückliche Kinder haben in den meisten Fällen kein Bedürfnis ihre Mitschüler oder Lehrer zu mobben.
Aufmerksam starrte ich in den Spiegel und durchsuchte mein Aussehen nach jeder Kleinigkeit. Meine Seele fragte mal wieder, „Wer bin ich denn eigentlich?“ Es gab verschiedene Möglichkeiten mich zu definieren. Meine Eltern, mein Bruder, meine Freunde und meine Verwandten nahmen mich wie ich war. Sie beschrieben mich als ein nettes, sanftes, lebensfrohes, liebe- und phantasievolles Mädchen. Hätte man meine Klassenkameraden gefragt, hätten sie gesagt: komisch, merkwürdig, mürrisch, still und eigenbrötlerisch. Wenn ich in den Spiegel schaute, entdeckte ich nichts Besonderes, was mich von den anderen Mädchen unterschied. Nur trug ich sehr selten Schmuck und war nicht geschminkt, denn ich mag es nicht so aufgestylt durch die Gegend zu tippeln. Am meisten mochte ich meine auffallend grünen Augen, sie passten exzellent zu meinen dunkelblonden langen Haaren, die mir leicht gewellt bis auf die Schultern herabhingen. Wie gesagt, hässlich war ich nicht. Ich bewunderte mich noch länger im Spiegel, abends fand ich mich immer am Schönsten. Wieso auch immer? Ich drehte mich immer ein wenig und starrte mich von der Seite an. Ich war ein gewöhnliches 17-jähriges Mädchen, 1,70m groß, ovalförmiges Gesicht, freundliche große Augen, hervorstehende Kinnknochen und sportlicher Körperbau. Ich sah mindestens zwei Jahre jünger aus als ich war.
Wieder bekam ich ein komisches Gefühl im Bauch und diesmal wurde mir sogar richtig schlecht. Ich verließ das Badezimmer und setzte mich auf einen Stuhl in meinem Zimmer. „Hey Nikola, was ist mit dir los?“, fragte mein Verstand besorgt, „Bist du mal wieder am rum spinnen?“ „Nein, ich weiß gar nichts“, antwortete ich meinem Verstand kühl, „Frag doch lieber meinen Magen, er kann bestimmt mehr sagen“ „Ich kann schon gar nichts bei dem Thema beitragen“, hörte ich meinen Magen irgendwo in der Tiefe grummeln, „Bei mir ist nichts Falsches angekommen und du bildest dir deine Magenschmerzen nur ein“ „Genau, da hat dein Magen etwas Wahres gesagt“, mischte sich nun mein Herz aufgebracht ein, „Mit mir bist du auch nicht zufrieden und behauptest, du hättest Herzschmerzen. Dabei arbeite ich einwandfrei und ich sorge dafür, dass du sportlich bist“ „Nikola, ich weiß nicht, was mit dir heute nicht stimmt. Du hast immerhin eine Zwei in Erdkunde und eine Drei in Physik wieder bekommen. Dann hast du eine Stunde lang mit deinem Freund Sven telefoniert, dich mit deinen besten Freunden Klara und Nicolas am Samstag verabredet und heute Abend hat dein Vater dir eine Pizza spendiert. Was soll daran ein schlechter Tag gewesen sein? Nikola, bist du noch zu retten?!“, riss mein Verstand das Wort an sich.
Unter meinem Herz, meinen Lungen, meinem Magen und meinem Verstand brach eine lebhafte Diskussion aus. Ich bekam nur Wortfetzen mit wie, „Die spinnt doch total!“ oder „Sie ist andauernd so mies drauf“ Unerwartet mischte sich mein Gefühl ein, dass sich zuvor zurückgehalten hatte. „Hey, seit mal alle einen Augenblick ruhig. Es ist unfair unserer Nikola solche Vorwürfe zu machen. Sie hatte heute zwar einen relativ guten Tag, aber habt ihr nicht mitbekommen, wie unglücklich sie heute in der großen Pause war. Keine ihrer Klassenkameradinnen hat ein einziges Wort mit ihr gewechselt, sie ist alleine Toilette gegangen und hat sich zu ihren Klassenkameradinnen gestellt. Ihre Klassenkameradinnen haben sie nicht in ihren Kreis herein gelassen und haben ihr den Rücken zugedreht. Ihr müsst euch vorstellen, Nikola hat sehr wenige Freundinnen an ihrer Schule und sie wird seit sechs Jahren von ihren Mitschülern ausgegrenzt. Ihre schlechte Laune ist gerechtfertigt“, sagte mein Gefühl sanft. Ich dankte meinem Gefühl, dass es die anderen Gesprächsteilnehmer zur Ruhe gebracht hatte. Es war nicht das erste Mal, dass so eine Diskussion in mir vorging. Leider ging es mir öfters schlecht und vor Einsamkeit hatte ich nicht wenig Lust einen See in mein Zimmer zu weinen. Das Weinen sparte ich mir meistens doch, außer in ganz wenigen Momenten gönnte ich es mir, wenn mich alles überrumpelte. Es war für mich ein reines Luxusgut. In dem Augenblick spürte ich, dass mir etwas Feuchtes über die Wange kroch. Verdammt noch mal, mir sind wieder ein paar Tränen abgehauen! „Wein ruhig, wein ruhig“, bestärkte mich mein Gefühl, „Es tut dir gut und jetzt schaut niemand zu“
Ich hörte auf meine beste Freundin, meinem Gefühl. Während ich meine Umgebung mit Salzwasser beregnete, schrie mein Kampfgeist energisch auf. „Nikola, wehr dich! Schlag deine Peiniger in die Pfanne! Klage sie an! Schände ihren Ruf! Posaune deine Geschichte in die Welt hinaus, damit jeder weiß, wie beschissen deine Schulkameradinnen sind“ „Nein, das darfst du nicht, wenn deine Schulkollegen wüssten, was du da schreibst, würden sie dich in die Hölle verbannen“, rief mein Verstand entsetzt und bekam dafür einen energischen Boxhieb meines Kampfgeistes ab. „Na gut, Kampfgeist, du hast den Battle gewonnen! Ich werde meine Geschichte ans Tageslicht tragen. Nur so kann man mir helfen“, entschied ich, „Es gibt einige Menschen, die dafür Verständnis haben und mir helfen“ Ich fühlte, dass ich wirklich Lust hatte, das zu erzählen was mir in den ganzen Jahren widerfahren ist. Ich war noch nie das Mädchen, das der Mainstream haben wollte. Ich weiß, ich war schon immer eigensinnig und pflegte meine inviduellen Charakterzüge. Aber nie hätte ich vorher gedacht, dass mir andere Menschen mir deswegen das Leben schwer machen. Ich war noch nie die Herrscherin der vielen Freunde. Auch im Kindergarten und in den fünf Grundschuljahren beschränkte ich mich auf fünf oder sechs Freunde, mit denen ich dort spielte. Zwar hatte ich auch blöde Kinder in der Grundschule, aber das hatte mir nicht so viel ausgemacht, weil ich Freunde und nette Kinder um mich hatte. In dritten und vierten Klasse hatte ich sogar eine Clique mit acht anderen Kindern. Dennoch will ich euch lieben Freundinnen, Freunden, Bekannte und Verwandten meine Geschichte erzählen.
Am 25.August 2005 war mein erster Schultag an einem Gymnasium in einer Stadt in Nordwestdeutschland. Aufgeregt stand ich neben meiner Freundin Luzia, die ich aus der Grundschule kannte. Wir freuten uns riesig, dass wir gemeinsam in eine Klasse gekommen waren. Auf dem Weg von der Kirche zur Schule hakte ich mich bei ihr ein und wir waren sehr erleichtert, nicht alleine zu sein. Ich freute mich auch mit zwei anderen Freundinnen, Ellen und Marie, in die gleiche Klasse gekommen zu sein. Außerdem kannte ich auch Felicitas, die Tochter von Bekannten meiner Eltern, mit der Marie und Ellen sehr gut befreundet waren. Ich fühlte mich sehr glücklich und behaglich mit Marie, Luzia und Ellen in einer Reihe im Klassenraum zu sitzen. Unser Klassenlehrer hieß Herr Lohmeier. Er war ziemlich jung, sehr locker drauf und versprach uns eine tolle gemeinsame Zeit. Er war sehr freundlich und machte lustige Kommentare, die uns zum Lachen brachten. In den nächsten Tagen erforschte ich mit Luzia das Schulgebäude und wir verstanden uns gut mit zwei anderen Mädchen. Sie hießen Celina und Aylin. Wir veranstalteten Wettrennen mit ihnen und spielten mit ihnen Rundlauf an der Tischtennisplatte oder Verstecken.
Leider hatte ich zwei Fieslinge bei mir in der Klasse, sie hießen Momo und Tom. Es fing an, dass sie nach ein paar Tagen spitze Bemerkungen über mich machten. Als wir in der ersten Sportstunde ein Ballspiel spielten, schrie Tom durch die ganze Halle: „Nikola, du kannst wohl nichts anderes als auf deinen widerlichen Pferden sitzen und durch Stallmist zu galoppieren!“
Ich muss zugeben, ich war noch nie eine besonders gute Ballspielerin. Aber ich fand es gemein, sich so über mein Hobby zu äußern und mir war nur einmal dieser blöde Ball von der Hand abgerutscht. Ich ließ mich zunächst von den Jungs nicht beeindrucken und freundete mich Anna, Celina und Sarah an. Er war nicht so, dass ich mich mit ihnen verabredete, aber ich verstand mich ihnen gut. Im September wurde ich zu Maries Geburtstagsparty eingeladen.
Kurz vor den Herbstferien entpuppte sich Celina als Zicke und machte blöde Bemerkungen über meine Kleider. Es fielen Sätze wie „Läufst immer in diesen alten Pullis herum?“
Ein anderes Mal fragte sie mich: „Hast du sonst keine anderen, vernünftigen Klamotten? Zieh dir doch mal schönere Sachen an!“
Einmal sagte sie: „Haben deine Eltern kein Geld, um dir richtige Kleidung zu kaufen?“
Als sie hörte, dass ich Meerschweinchen besaß, rümpfte sie die Nase und sagte: „Igitt, Meerschweinchen stinken nach Mist und sind so dumm wie Stroh. Schaff dir doch lieber einen Hund an, mit dem kann man viel besser spielen. Meerschweinchen sind doch nur etwas für Kleinkinder.“
Offensichtlich hatte sie noch nie ein Meerschweinchen gesehen oder sie wusste nicht einmal, was eins war. Celinas Familie besaß einen kleinen nervigen, kläffenden und ungezogenen Jack Russel. Ich wusste davon nur, weil sich Luzia schon mit ihr verabredet hatte. Der Hund trug den Namen Jenny und war kaum zu bändigen, er schaffte es schon einmal andere Kinder zu beißen. Seien wir mal ehrlich, ein friedliches Meerschweinchen ist besser als eine nervige, kläffende Töle. Das war sehr verletzend, wie sie sich über meine Vorlieben äußerte und ich verteidigte mich, indem ich sagte: „Ich mag meine Vliespullis und ich trage sie nicht, damit sie dir gefallen.“
Wann erwiderte ich: „Dich brauch es doch gar nicht zu stören, dass ich Meerschweinchen habe oder? Die sind bei mir zuhause und ich bringe sie nicht mit in die Schule, sodass du sie nicht sehen musst.“
Ich hielt mich fern von Celina, denn so eine Ziege wollte ich nicht als Freundin haben. Aylin hielt sich auch von mir fern, als sie merkte, dass ich Celina nicht ausstehen konnte, da sie mit ihr gut befreundet war. Generell konnte ich zwei Dinge an Celina überhaupt nicht leiden: Sie zickte mich bei jeder Kleinigkeit an und sie versuchte mir meine Freundin Luzia wegzunehmen.
Die ersten Wochen vergingen rasch und unter den Mitschülern wurden viele Freundschaften geknüpft. Irgendwie kam ich selbst nicht so richtig in die Klassengemeinschaft rein und geriet immer mehr in die Position der Außenseiterin. Es könnte daran gelegen haben, dass ich eher ein vorsichtiger Mensch war und länger brauchte, um Bekanntschaften zu schließen. Aber es war so immer so, dass ich schnell Freunde fand, wenn ich merkte, dass sie in Ordnung waren und ich einen guten Draht zu ihnen hatte. Hier war es nicht der Fall, also musste etwas faul sein.
Um die Adventszeit nahm die Zahl der Angriffe gegen mich zu. Es hatte sich eine Jungenclique um Tom herum gebildet, die mich wiederholte Male beleidigte und mir die unmöglichsten Sachen unterstellte. Zu ihnen gehörten Tom, Fabian, Momo, Bastian, Fatih und Ömer. Bastian und Fatih hielten sich bei der Sache raus, aber ihre Kumpels waren vier kleine Teufelchen. Einmal waren wir bei einem Mädchen um Holzweihnachtsmänner für den Adventsmarkt zu basteln. Ihre Eltern hatte eine Holzwerkstatt im Keller. Tom und Momo beschmutzten die Toilette während sie arbeiten sollten. Tom kam wieder und schrie durch die ganze Werkstatt: „Habt ihr diese Schweinerei gesehen? Nikola hat auf die Klobrille gekackt.“
Mareike und Jana schauten mich entsetzt mit angeekelten Gesichtern an und sagten: „Pfui, das ist ja eklig!“
Ich war wütend und brüllte: „Ich war es nicht, ich war die ganze Zeit hier und habe gearbeitet.“
„Nikola hat recht. Sie war die ganze Zeit in der Werkstatt“, bekräftigte mich meine Co-Klassenlehrerin Frau Keller. Puh, da war ich aber erlöst!
Neben den fiesen Jungs und Celina, hatte mich eine andere Clique auf dem Kieker. Sie bestand aus Mareike, Jana, Sina und Sophia. Die Mädchen verbrachten häufig ihre Pausen mit unseren russischstämmigen Klassenkameraden Vladislav und Alexander. Einmal hatte ich sie in der Pause gefragt, ob ich mich neben sie setzen und mit ihnen die Pause verbringen könnte. Darauf warf mir Vladislav an den Kopf: „Nein, das kannst du nicht und wir wollen gar nicht, dass du zu uns gehörst.“
Geplättet ging ich weg. Mareike, Jana und Sina hielt es nicht davon ab, in der Zwischenzeit über mich zu lästern. Bald verbreiteten sich üble Gerichte über mich, die wie die Samen von Pustblumen vom Wind überall hingetragen wurden. Böse Zungen behaupteten, ich wäre behindert und könnte nicht richtig sprechen. Schon nach dem ersten Halbjahr zersplitterte unsere Klasse in mehrere Cliquen. Zu der coolen Jungenclique gehörten Tom, Fabian, Momo, Ömer, Fatih, Noah und Bastian. Die Mitglieder der gemischten Clique waren Mareike, Jana, Sina, Sophia, Vladislav und Alexander. Dann gab es noch die große Mädchenclique mit Marie, Ellen, Felicitas, Anna, Aylin, Celina, Sarah, Malory und Lotta. Luzia und ich gehörten nirgendwo dazu und außer uns gab es noch drei Außenseiterjungs Jens, Johann und Elias, die miteinander befreundet waren. Die fiese Jungenclique hatte es sehr oft auf Elias abgesehen und als ich ihn einmal verteidigte, schrieen sie im Chor: „Nikola liebt Elias. Sie machen uns bald ein paar nette Kinderchen.“
In der Grundschule war Sport noch mein Lieblingsfach, aber das änderte sich auf dem Gymnasium. Das war die perfekte Gelegenheit um mir eins rein zu hauen. Ömer schrie mir jedes Mal auf dem Turnhallenflur entgegen: „Igitt, da kommt Nikola!“
Einmal spielten wir in der Sportstunde Fußball und ich war ausgerechnet mit meinen Erzfeinden Tom, Celina und Ömer in einer Mannschaft. Ich spielte sonst gerne Fußball und hatte angefangen mit meinen Freunden Klara, Nicolas, Simon und meinem Bruder Jan in der Freizeit Fußball zu spielen. Doch diesmal verabscheute ich es und hatte keine Lust. Als mir ein Abwehrfehler unterlief und wir fast noch einen Gegentreffer kassiert hatten, schrie Ömer mich an: „Hast du keine Augen im Kopf? Weißt du etwa nicht, was deine Beine machen?“
„Außerdem haben wir gerade wegen dir fast ein Gegentor kassiert“, zickte Celina mich an.
„Lasst doch Nikola in Ruhe!“, verteidigte mich Sarah. „Jedem kann mal ein Fehler unterlaufen und wir spielen hier nicht um den Weltmeistertitel.“
Da war ich Sarah echt dankbar. Sie war wirklich eine der freundlicheren Mitschüler aus meiner Klasse. Unter andere hatte ich mich mit ihr prima auf Luzias Geburtstagsfete verstanden. Doch leider kam ich im Normalfall sehr schlecht an sie heran, da sie ständig von ihren ganzen Freundinnen belagert wurde und einige Mädchen aus ihrer Clique bereits nonverbal zu verstehen gaben, dass sie mich nicht in ihrer Clique dabei wollten.
Nach den Halbjahreszeugnissen geschah etwas Schönes, ich freundete mich mit Leonie an, sie war zwei Klassen über mir und ebenfalls Außenseiterin in ihrer Klasse. Sie kam eines Tages einfach in der Pausenhalle auf mich zu und fragte mich, ob wir zusammen über den Schulhof gehen sollten. Ich habe natürlich die Gelegenheit genutzt und wurden wir rasch gute Freundinnen. Ich verbrachte mit ihr oder mit Luzia die Pausen. Endlich hatte ich Freundinnen und ich war nicht mehr so einsam. Ich verabredete mich häufiger mit ihr und sie schickte mir immer wieder Karten aus dem Urlaub oder machte mir andere Geschenke. Wegen ihr ging ich eine Zeit lang wieder gerne zur Schule. Doch leider hatten es Tom und Fabian in dieser Zeit besonders auf mich abgesehen und machten mir das Schulleben zur Hölle. Jedes Mal, wenn ich mich meldete, fingen sie an zu lachen und blöde Kommentare durch den Klassenraum zu posaunen. Damit noch nicht genug, an meinem Geburtstag behauptete Tom vor der ganzen Klasse: „Nikola ist bevor sie hier hin kam auf eine Behindertenschule gegangen“
Echt nett und das sagt man Jemanden zum Geburtstag. Danke auch!
Die Wochen vor den Osterferien glichen einem reinen Horrortrip: Momo stellte mir immer wieder ein Bein, Ömer klebte mir Sticker auf den Rücken und wagte es mich zu schubsen. Manchmal verfehlte mich ein Ball nur ganz "knapp". Auch einige der Mädchen mischten fleißig mit, indem sie hinter meinem Rücken tuschelte, über mich lästerten oder loskicherten, wenn sie mich sahen. Zwei Mädchen sagten sogar deutlich, dass ich nicht ihr ihr Posiealbum oder in ihr Freundschaftsbuch schreiben sollte. Nun kam hinzu, dass auch Kinder aus den Parallelklassen ebenfalls involviert waren und mich anfingen zu ärgern und zu demütigen. Je schlimmer das Mobbing wurde, desto weniger Freunde hatte ich. Bald blieben mir nur noch Marie und Luzia. Aber auch Marie nahm immer mehr Abstand von mir und wechselte in der Schule kaum noch ein Wort mit mir. In den Pausen stand ich nun vermehrt wie ein Ausrufezeichen in der Pausenhalle, wenn ich Leonie nicht auffinden konnte und schlenderte zum schwarzen Brett.
Das war mal wieder typisch! Kaum wurde man massiv gemobbt, da machten die sogenannten "Freundinnen" die Fliege, obwohl sie alle gemeinsam hätten helfen und somit den Fluch stoppen können. Auch Luzia hatte manchmal Tage, da traute sie sich nicht in meine Nähe und wandte sich der großen Mädchenclique zu. Mittlerweile saß ich allein an einem Tisch in der ersten Reihe, weil niemand neben mir sitzen wollte. Die Lehrer respektierten es, wenn jemand nicht neben einer bestimmten Person sitzen wollte und dafür keinen triftigen Grund hatte. Sie lasen jeden Wunsch der Schüler von ihren Lippen ab und erfüllten ihn. Ich fand das richtig schlecht, weil man dadurch meine Ausgrenzung nur noch mehr förderte. Das war es doch, die Schüler wollten nur neben ihren Freunden sitzen und dabei versäumten sie, dass man, wenn man neben fremden Schülern saß, auch nette Bekanntschaften machen konnte.
Zum Glück hatte ich in dieser schwierigen Zeit Leonie. Manchmal nervte es mich leicht, dass sie immer mitkam, auch wenn ich mal die Pause mit Luzia allein verbringen wollte. Doch ich genoss es, wenn ich ein bisschen Aufmerksamkeit bekam und außerdem nahm sie mich in den Arm, wenn es mir schlecht ging. Als die ganzen Mobbingattacken ganz schlimm wurden, erzählte ich es meinen Eltern. Meine Mutter bekam einen Wutanfall und rief meinen Klassenlehrer an. Mein Klassenlehrer Herr Lohmeier hat sich die Übeltäter sofort geschnappt und ihnen einen derben Einlauf verpasst. Kleinlaut kamen Tom, Fabian, Momo, Ömer, Mareike, Jana, Sina und Anna auf mich zu und gaben mir zur Versöhnung die Hand.
„Es tut uns fürchterlich leid und wir werden dich in Zukunft nicht mehr ärgern“, versprach mir Tom.
„Es war echt doof, dich zu ärgern, nur weil wir dich komisch fanden“, gestand Jana.
"Nikola, wir werden nie wieder gemein zu dir sein, versprochen?", entschuldigte sich Fabian. Wie man noch sehen wird, wird dieses Versprechen nicht für ewig halten.
Es gab damals wirklich Eigenarten von mir, die meine Klassenkameraden nicht mochten oder an mir komisch fanden. Sie lästerten über meine kurzen gelockten Haare, die mir bis zum Kinn gingen und über meinen buschigen Pony, der wirklich etwas merkwürdig aussah. Ehrlich gesagt, ich hasste die Frisur auch. Doch meine Mutter fand die Frisur totschick und ließ sie mir so schneiden. Außerdem trug ich Outdoor- oder Jogginghosen. Jeans waren für mich der absolute Graus, da sie total eng an den Beinen saßen. Zudem zog ich mir am liebsten Sportjacken, Vliespullis und Fußballtrikots an. Ich trug nur Fußball- und Straßenschuhe mit Klettverschluss, aber dafür keine Stoffturnschuhe oder Ballerinas. Mit Mädchenmode konnte ich nichts anfangen.
Meine Oma schenkte mir zu Weihnachten lila Ballerinas, ein dunkelblaues Kleid und eine Strumpfhose. Ich musste diese Kleidung sogar tragen, als wir bei ihr zum Geburtstag eingeladen waren. Dazu musste ich mir meine Haare zusammenbinden. Ich fühlte mich dabei so eklig, als ich diese Sachen tragen musste. Schnell verschwanden sie in den Tiefen meines Kleiderschrankes. Röcke, Kleider und Mädchensweatshirts waren nichts für mich. Ich mochte es lieber wild und jungenhaft. Ich spielte Fußball mit meinen Freunden, fuhr mit dem Fahrrad durchs Gelände, kletterte auf die höchsten Bäume, hatte Spaß am Skaten und spielte im Wald Indianer. Außerdem ging ich einmal pro Woche Reiten, weil es mich inspirierte, wie gut die Indianer mit Pferden umgehen konnten. Ballett, Schminke, Geige, Kleider und Schmuck verabscheute ich. Ich war eben ein halber Junge. Heutzutage könnte man echt den Eindruck gewinnen, dass ein wenig anders sein ausreichte, um jemanden systematisch fertig zu machen.
Nach dem Donnerwetter besserte sich die Lage in der Klasse erheblich und ich konnte wieder befreiter zur Schule gehen. Doch Celina und Aylin pieksten weiter und versuchten mir Luzia wegzunehmen. Immer wenn ich auf sie zukam, flitzten sie weg als wäre ich eine Katze und sie die Mäuse. In der 5.Klasse war es Mode auf den Collegeblöcken seiner Mitschüler zu unterschreiben. Also unterschrieb ich auch, weil es alle so taten. Ich bekam von Tom, Fabian, Jana und Anna zu hören, dass ich nicht auf ihren Blöcken unterschreiben sollte. Irgendwann in einer Pause kam Celina auf mich zu und warf mir an den Kopf: „Verstehst du nicht, dass wir es nicht wollen, dass du auf unseren Blöcken unterschreibst. Sina wollte zum Beispiel auch nicht, dass du auf ihrem Block unterschreibst.“
Ich war sprachlos, was konnten sie nur dagegen haben, dass ich auf ihren Blöcken unterschrieb das tat doch sowieso jeder. Es waren immer solche unnötigen Kleinigkeiten, womit einen die Leute einen fertig machen wollten.
Im Sommer unternahmen wir eine Kanutour mit der ganzen Klasse. Zuvor wurden Absprachen getroffen, wer mit wem in einem Kanu sitzt. Ich bekam zu spüren, wie sehr ich außen vor war. Ich hatte derbe Angst, dass ich alleine fahren müsste oder Klassenkameraden überredet werden mussten, damit sie mit mir in ein Kanu stiegen. Deshalb wandte ich mich an meinen Klassenlehrer, er hatte Verständnis für mich und loste die Gruppen aus. Dafür bekam ich feindselige Blicke meiner Klassenkameraden. Ich hatte Glück und Pech zugleich. Ich saß mit Luzia und Celina in einem Kanu. Leider klappte es mit dem Steuern nicht richtig. Wir fuhren im reinsten Zickzack und klapperten jede Uferböschung ab. Einmal rauschten wir auch in einen Brennnesselbusch, aua! Zwischen mir und Celina brach ein heftiger Streit aus. Sie schmiss mir heftige Beleidigungen an Kopf und ich konterte. Celina gab hauptsächlich mir die Schuld, dass wir nicht vorankamen, doch dabei waren wir doch zu dritt und wenn sie das Paddeln gekonnt hätten, wären wir nicht immer Pingpong gefahren. Bei der Rast war ich so unglücklich, dass ich anfing zu weinen. Nach dem wir Positionen getauscht hatten, klappte es viel besser und Celina schimpfte, wie anstrengend das Paddeln sei. Nach dem Paddeln grillten wir mit unseren Familien an einem Badesee. Dabei schauten wir das Eröffnungsspiel der Fußballweltmeisterschaft 2006 und grillten. Da es an diesem Tag sehr heiß war, sprangen mein Bruder und ich angezogen in den See.
Am letzten Tag verließ Jens unsere Klasse und war froh darüber, weil er häufig Ärger mit der fiesen Jungenclique hatte. Ich fand es trotzdem ein wenig schade, da er eigentlich ganz okay war und mich auch schon mal in Schutz genommen hatte, als Momo und Tom einmal richtig fies wurden. Eine Sache blieb mir noch lange in Erinnerung. Felicitas verteilte in aller Öffentlichkeit Einladungskarten. Alle Mädchen, außer Sophia und ich bekamen eine Einladung. Bei Sophia hatte sie keine Chance gehabt, da sie nicht in der Schule war und ihre Mutter das Zeugnis für sie abgeholt hatte. Selbst zwei Mädchen aus der Parallelklasse bekamen eine Einladung von Felicitas und auch Luzia, die so gut wie gar nichts mit ihr zu tun hatte. Felicitas lud auch drei Jungs aus unserer Klasse und auch drei weitere Freundinnen aus der Grundschule ein. Um mich machte sie einen Bogen, obwohl ich früher auch sehr gut mit ihr befreundet war und auch unsere Mütter miteinander befreundet waren. Jeden Morgen fuhren wir zusammen Bus. Felicitas saß dann immer neben Fiona, einer alten Grundschulfreundin und mich beachtete sie nur, als wir aus dem Bus ausstiegen und sie Fiona nicht mehr an ihrer Seite hatte. Dass Felicitas mir somit zu verstehen gab, dass sie mich nicht dabei haben wollte, tat mir gerade sehr weh. Ich konnte nicht verhindern, dass mir Tränen über die Wangen rollten. Beinahe nie wurde ich eingeladen, wenn es um Geburstage, Übernachtungspartys, Kinonachmittage, Bowlingpartys und co ging. Mir kam es bereits jetzt vor, als wäre ich von allem abgekapselt. Als ich Luzia mein Leid klagte, fauchte sie mich nur an: "Kein Wunder, dass du so ein Außenseiter bist, wenn du mit niemanden redest oder du nett auf andere zugehst."
Toll und das soll eine Freundin sein?! Ich weinte noch doller und nun kam unsere Kunstlehrerin vorbei, die mir tröstend den Arm auf die Schulter legte und meinte, dass demnächst sich wieder alles einrenkt.
In der 6.Klasse wurde es erstmal besser und ich freundete mich auf Anhieb mit Nora an, die neu in der Klasse war an. Ich war froh wieder eine Sitznachbarin zu haben. Nora lud mich schon eine Woche später zu sich nach Hause ein. Sie wohnte auf einen Bauernhof außerhalb außerhalb unserer Stadt im Landkreis. Ihre Mutter fand mich auf Anhieb nett und lobte mich, dass ich Nora bei der Eingewöhnung geholfen habe. Oft kam sie in den ersten Wochen nach der Schule zu mir oder ich fuhr mit ihr. Auch die zweitägige Klassenfahrt nach Bad Bentheim war bis auf wenige Augenblicke ganz in Ordnung. Ich hatte viel Spaß mit Nora und den anderen Mädchen. Auf der Abschlussparty der Klassenfahrt fand ich mich inmitten eines Tanzreigen meiner Klassenkameradinnen wieder und lachte viel.
Zwischen Schulanfang und Herbstferien wurde ich zu Maries, Ellens und Noras Geburtstagen eingeladen. Ich fühlte mich wieder wohler in der Klasse, weil ich nicht mehr so das Gefühl hatte, eine unbeliebte Außenseiterin zu sein. Dennoch konnte ich fast der Hälfte der Mitschüler in meiner Klasse nach den Mobbingvorfällen in der 5.Klasse immer noch nicht trauen. Wieso sollten mich diese Fieslinge auf einmal mögen und so tun, als wäre alles wieder gut? Leider hielt die Freundschaft zu Nora nur bedingt und nach wenigen Monaten war ich meine neue Freundin ziemlich schnell an die große Mädchenclique um Marie und Felicitas los.
Je nehr die Zeit voranschritt, desto mehr stellte ich fest, dass ich mich gut mit Sophia verstand. Ich hatte schon länger beobachtet, wie Sophia alleine über den Schulhof ging. Sie erzählte mir, dass sie aus ihrer ursprünglichen Clique ausgegrenzt wurde und sehr traurig deswegen war. Also gab es bei uns neben mir noch mehrere Außenseiter. Luzia, Ellen und ich freundeten uns mit ihr an und zu viert gingen wir über den Schulhof. Des Öfteren gesellte sich auch Leonie dazu, sodass wir zu fünft waren. Endlich schien ich dazu zugehören und hatte ein paar Freundinnen. Endlich wurde ich nicht mehr angestarrt, als wäre ich ein "Alien".
Leonie war zu der Zeit meine engste Schulfreundin. Sie ging in die 8.Klasse und hatte in ihrer Klasse keine richtigen Freundinnen. Deshalb war sie dankbar, dass sie mich gefunden hatte und ich war ebenfalls froh, dass ich sie hatte. In meiner Klasse hatte ich wenigsten Luzia und Sophia. Zusammen mit ihnen machte es mir Spaß im Unterricht Schabernack zu treiben, ohne erwischt zu werden. Auch in den Pausen hing ich mit den beiden ab. Mir machte die Schule wieder viel mehr Freude und ich kam morgens viel leichter aus den Federn. Ich lernte in der Zwischenzeit ein anderes Mädchen aus meiner Parallelklasse kennen, sie hieß Kira und fühlte sich in ihrer Klasse sehr unwohl. Dina und ich verstanden uns ziemlich gut und ich ging nach der Schule öfter mit ihr nach Hause. Sie wohnte ganz in der Nähe unserer Schule, sodass ich einige Male nach dem Unterricht mit zu ihr kam. Bei ihr aßen wir zu Mittag und machten anschließend die Hausaufgaben. Später spielten wir auf dem Bolzplatz neben ihrem Reihenhaus noch eine Runde Fußball oder wir gingen im Wald spazieren.
Nachdem mich Tom, Momo und Co mich wieder eine Woche lang gehänselt und ausgelacht hatten, gab es ein Klassengespräch mit beiden Klassenlehrern und der ganzen Klasse. Die fünf beteilligten Schüler mussten sich bei mir entschuldigen und mir versprechen, dass sie mich nicht mehr beleidigten und verunglimpflichten. Von da an hatte ich bis zu dem Weihnachtsferien erstmal Ruhe. In der Zeit, wo ich von den Jungs und von ein paar Zicken in Frieden gelassen wurde, steigerten sich meine Noten wieder, sodass ich es in einigen Fächern auf Einsen und Zweien brachte. Nur in Englisch haperte es nach einer Fünf und einer schwachen Vier. Vor allem meine Aussprache ließ zu wünschen übrig, weswegen ich im Mündlichen nur eine Vier plus bekam und auch im Halbjahreszeugnis eine Vier hinter dem Fach Englisch stand.
Zu Beginn des zweiten Halbjahres fing dieses verdammte Mobbing wieder an, erst waren es nur blöde Fragen und danach steigerte es sich zu abwertenden Gesten und Geräuschen, Fabian begrabschte mich und Momo erzählte blöde Sache über mich. Ich hatte jeden Abend ein bisschen Angst am nächsten Tag in die Schule zu gehen. In einer Französischstunde musste ich mit Fabian, Momo und Sina Gruppenarbeit machen. Fabian und Momo nutzten diese Gelegenheit um mich wieder schön auf die Palme zu bringen. Sie bombardierten mich mit sexistischen Fragen und dann begrabschte mich Fabian erneut. Sina kicherte dabei, anstatt mir zu helfen. Er fasste mich am Po an, wackelte an meinen Brüsten und griff mir in den Bauch. Das war der Augenblick, indem es mir zu viel wurde und ich aufsprang und Fabian so heftig ins Gesicht schlug, dass er hinfiel und seine Nase blutete. Er rannte sofort zu Frau Keller und heulte: „Nikola hat mich gerade ganz doll gehauen.“
„Das hat sie zu recht getan, ich habe gesehen, wie du Nikola die ganze Zeit mit Momo fertig gemacht hast. Sie hatte die ganze Zeit Tränen in den Augen, wie soll sie hier richtig lernen“, entgegnete Frau Keller scharf. Sie hielt Fabian und Momo einen ordentlichen und verdienten Vortrag, auch Sina bekam ihr Fett weg. Ich habe Frau Keller erzählt, dass sie mich ausgelacht hat. Sina war am meisten geschockt: „Nikola, es tut mir unglaublich leid, das wollte ich nicht“, stammelte sie.
Frau Keller beschloss mit Herrn Lohmeier, einen Tag mit uns das Thema Mobbing zu behandeln. In Zwischenzeit hatte mir Sophia erzählt, dass Celina überall rum erzählte, dass ich behindert wäre. Celina war für viele fiese Gerüchte über mich verantwortlich, deshalb beschwerte ich mich wegen ihr bei Herrn Lohmeier. Bei dem großen Klassengespräch, wobei es um Mobbing ging, durfte ich mich in die Mitte stellen und erzählen, was alles passiert ist. Ich hatte panische Angst Namen zu nennen, weil ich die Beziehung zwischen mir und den Klassenkameraden nicht noch mehr schädigen wollte. Die üblichen Mobber bekamen einen derben Ärger, aber Celina bekam zum ersten Mal eine Standpauke zu hören. Ich konnte sehen, dass Celina nach dem Gespräch weinte und sich sehr ausführlich bei mir entschuldigte. Meine Klassenkameraden waren wieder freundlicher zu mir und ließen mich in ihren Kreis herein. Ich unterhielt mich mit ihnen in den Pausen und hatte den Eindruck, es wäre wieder in Ordnung mit ihnen.
Nun hatte ich noch ein Vierteljahr bis zu den Sommerferien. Mit den Mädchen verstand ich mich wieder relativ gut. Ich bekam wieder Vertrauen zu ihnen und wollte mich mit ihnen verabreden. Sie sagten mir jedes Mal, dass sie keine Zeit hätten und schrecklich viel zu tun hätten. Komisch und wieso verabredeten sie sich immer mit den Anderen? Irgendwann gab ich es auf. Bis zu den Sommerferien gab es nur noch ein einziges negativ Erlebnis. Im Musikunterricht sollten wir zu fünft ein Lied komponieren. Die Mädchen in meiner Reihe hatten sich zusammengeschlossen und ich hatte noch keine Gruppe. Die Mädchen in der Reihe vor mir waren nur zu viert.
„Ich kann doch sicher bei euch mitmachen“, sagte ich optimistisch und beugte mich über den Tisch.
„Nein, es geht leider nicht“, meinte Mareike. „Eigentlich sollte Ellen bei uns mitmachen, aber sie ist heute nicht da.“
„Ihr lasst Nikola mitmachen!“, bestimmte Frau Mars. Meine Mutter war mit Frau Mars sogar entfernt befreundet und deshalb kannte ich sie gut. Frau Mars und ihre Söhne waren öfters bei uns zu Besuch. Mit ihrem ältesten Sohn verstand ich mich sogar relativ gut.
Frau Mars hatte einmal meine Mutter auf dem Markt getroffen und war geschockt, wie ich von meinen Klassenkameraden behandelt wurde.
„Es ist eine Unverschämtheit, was einige Schüler mit Nikola machen, dabei ist Nikola so ein fröhliches, ideenreiches und aufgeschlossenes Mädchen“, sagte sie zu meiner Mutter. Frau Mars war eine der verschriensten Lehrerinnen an der ganzen Schule, weil sie eiskalt gegen unmögliche Schüler durchgriff. Aber eigentlich war sie sonst voll in Ordnung. Gerade wenn es um Mobbing ging, war sie mit Leib und Seele dabei und unterstützte die Betroffenen. Bis zu den Sommerferien passierte nichts Schlimmes mehr, aber die Mädchen redeten die ganze Zeit auf mich ein, dass es blöd war, mich auszugrenzen. Sie redeten wieder offen mit mir und nahmen mich in der Pause mit auf den Schulhof. Allerdings fragten sie mich dauernd, wo ich meine Kleidung gekauft habe, ob ich öfter zum Friseur ginge oder mich Schminke. Mir kamen diese Fragen etwas spanisch vor. Hatten sie wieder etwas an meinem Aussehen auszusetzen? Ich antwortete nur vage auf diese Fragen. Immerhin trug ich am liebsten meine Outdoorhosen, Turnschuhe und Sport T-Shirts. Meine Haare sahen nicht mehr so schlimm aus, sie sind länger geworden und ich hatte meinen Pony wachsen lassen.
Nach diesem Schuljahr verließ Ellen unsere Klasse, weil sie besonders in Englisch, Physik und Mathe große Probleme hatte und dem Leistungsdruck nicht mehr Stand hielt. Von zwei Mitschülerinnen bekam sie einen großen Kuchen und von Sophia ein Geschenk zum Abschied. Meine Trauer darüber, dass Ellen nach den Ferien auf die benachbarte Realschule gehen würde, hielt sich in Grenzen. Nun ja, wir hatten nicht mehr viel miteinander zu tun und irgendwie waren wir in den letzten beiden Jahren deutlich auseinander gerückt. Eine Sache nahm ich ihr auch ein wenig übel, dass sie KEIN EINZIGES MAL für mich Partei ergriff, wenn ich so von einigen Klassenkameraden angegangen und erniedrigt wurde. Auch bezog sie mich nie in ihren eigenen Freundeskreis mit ein, obwohl unsere Mütter seit einigen Jahren gute Freundinnen waren und Ellen mich fast acht Jahre kannte. In den letzten Wochen und Monaten hatte sie mich nicht mal mehr eines Blickes gewürdigt.
In der 7. Klasse fühlte ich mich am wohlsten und wurde sogar als Klassensprecherin gewählt. Das machte mich natürlich sehr stolz und bemühte mich eine gute Klassensprecherin zu sein. Ich plante mit Vladislav und Alexander zusammen ein Grillfest im Herbst und übernahm andere Aufgaben. Ich durfte sogar an den Zeugniskonferenzen teilnehmen. Dadurch bekam ich das Gefühl wieder etwas wert zu sein. Eines Tages überbrachte mir Leonie die traurige Nachricht, dass sie die Schule verlassen musste, weil ihre Familie umzog. Ich war so schockiert, dass ich an diesem Tag nichts mehr gebacken bekam. Nach den Herbstferien hatte ich dort eine Freundin weniger. Ich verbrachte meine Pausen zusammen mit meinen Klassenkameradinnen, die sich wieder gerne mit mir unterhielten. Aylin erzählte mir, dass manche Schüler es geplant hätten, mich zur Klassensprecherin zu machen, um mich damit zu verarschen. Ich nahm mir das nicht zu Herzen und der Stolz Klassensprecherin zu sein überwog mehr. Mittlerweile wurde ich kein bisschen aktiv gemobbt. Ich war wieder zufriedener mit mir selber und beschloss, mich für bestimmte Veranstaltungen in der Schule zu engagieren.
Neben der Schule spielte ich sehr viel mit meinen Freunden Fußball und schaute mir die Spiele unseres örtlichen Fußballvereins life im Stadion an. Zweimal war ich dort mit meinem Bruder, meinem Vater, Klara und Nicolas. Jedes Mal wenn wir unser Team anfeuerten, stand ein Sieg auf der Anzeigetafel. Dann ging ich einmal in der Woche zum Konfirmandenunterricht und bis zum Ende des Jahres auch zum Reiten. Mit dem Reiten hörte ich dann auf, weil unsere Gruppe immer mehr zerfiel und ich in eine andere Gruppe wechseln musste, in der es mir nicht besonders gefiel. Die Mädchen waren aus irgendwelchen Gründen oft genervt, ließen mich nicht mitreden und warfen mir auch schon mal zickige Kommentare an den Kopf. Irgendwo her kannte ich das noch aus dem letzten Schuljahr, dass ich in meiner Klasse nicht dazu gehörte. Außerdem fand ich das Reiten zunehmend auch langweilig, sodass ich an einem grauen regnerischen Dezembertag zum Hof fuhr und ein wenig Wehmut spürte, da ich meine beiden Lieblingspferde vermissen werden.
Der Konfirmandenunterricht war auch soweit ganz in Ordnung. Einmal in der Woche mussten wir nachmittags dorthin und wurden in Kleingruppen unterrichtet, die aus 8 Jugendlichen bestanden. Es gab bei uns mehrere Konfirmandengruppen, denn schließlich waren wir ca. 50 Konfirmanden. In meiner Kleingruppe mit Klara, Marie, Felicitas und ein paar anderen Jugendlichen war alles in Ordnung. Niemand hatte mich auf dem Kieker, hänselte mich oder wollte mich ausschließen. Klara und ich verstanden uns sogar ziemlich gut mit zwei Jungs, mit denen wir manchmal nach dem Unterricht Tischkicker oder Billiard spielten. Einmal gingen wir sogar mit ihnen ins Kino.
Im ersten Halbjahr der 7.Klasse setzte ich mich auch für eine Mädchenfußball-AG ein. Es trugen sich neben mir noch sechs oder sieben andere Mädchen ein. Zwei davon waren Celina und Sina aus meiner Klasse. Leider wurde die Liste verhunzt, es trugen sich Donald Duck, Krümelmonster, Arschloch, Motherfucker, Erni und Bert ein. Zusammen mit Herrn Uchtmann, der die Fußball-AG leiten wollte, nahm ich die Zettel ab. Immerhin haben sich doch ein paar Mädchen eingetragen. Also konnte die Fußball-Ag doch stattfinden. Celina und Sina machten nur einmal mit und spielten nicht richtig. Sie nahmen die Sache gar nicht ernst und kamen nicht noch mal. Danach waren wir nur noch zu fünft oder zu sechst. Es machte den Mädchen, die noch verblieben waren, sehr viel Spaß. Als Neele nicht mehr kommen konnte, wurde vier Monate später die Fußball-AG eingestampft. Das war wirklich enttäuschend, weil ich mir so viel Mühe gemacht habe und dafür bin ich ziemlich verarscht worden, weil nicht einmal die Hälfte der Mädchen gekommen ist oder gleich wieder abgesprungen ist. Traurig, wenn man sich Mühe gibt und alles wieder kaputt gemacht wird.
In der Mitte des Schuljahres freundete ich mich mit Malory und Lotta an. Sie wollten mich näher kennen lernen und bezogen mich mehr in die Klassengemeinschaft ein. Ich ging mit ihnen öfter in die Stadt und sie wollten mich überreden, modische Mädchenklamotten, Schmuck und Schminke zu kaufen. Aber so einfach wollte ich mich nicht überrumpeln lassen, schließlich wollte ich mich nicht in ein Korsett pressen lassen, in welches ich nicht hineinpasste. Ich blieb stur und sie redeten auf mich ein, dass ich mit Schminke und Kleid viel besser aussähe. Ich konnte anhand ihrer Gesichter erkennen, dass sie enttäuscht waren, dass ich mich mal wieder für einen Sportpulli von Adidas entschied. Malory und ich arbeiteten öfter bei Gruppenarbeiten zusammen. Deshalb kam sie öfter mit zu mir nach Hause und aß mit uns Mittag. Während ich mich um die eigentliche Aufgabe kümmerte, chattete sie bei OSC mit anderen Klassenkameraden. Natürlich überließ sie mir das Meiste und meine Mutter war richtig sauer auf sie. Nach den Halbjahreszeugnissen freundete ich mich seltsamerweise mit Celina an. Sie wurde seit Ende der 6.Klasse von ihrer Clique ausgestoßen und hatte jetzt keine richtige Freundin mehr bei uns in der Schule. Sie hängte sich an mich wie ein klebriges Kaugummi. Irgendwie war ich froh um jede Anerkennung und wir verabredeten uns mehrmals. Wir gingen sogar für einen ganzen Tag zusammen in den Zoo und erledigten eine Partnerarbeit zusammen. Endlich war ich nicht mehr der letzte Arsch meiner Klasse und hatte nie zuvor so viel Anerkennung. Dennoch sollte die Freundschaft mit Celina nicht all zu lange dauern, die "Freundschaft überlebte" danach nur noch ein halbes Jahr.
Bei der Englandfahrt im April lernte ich die Kinder aus den Parallelklassen kennen. Aber da waren leider einige blöde Hunde und Ziegen dabei. Schon am zweiten Tag fingen Mira und Finja an, mich mit fiesen Fragen zu überhäufen: „Nikola, hattest du schon mal Sex?“, „Hast du schon deine Tage?“ oder „Magst du deine eigenen Popel?“
Samuel, Adrian, Maurice und paar andere Jungs hatten es auch auf mich abgesehen und brüllten durch den ganzen Bus: „Nikola liebt Willi! Nikola liebt Willi!“
Schnell gingen mir diese Schüler auf die Nerven. Ich versuchte mich zu wehren und stellte fest, dass es gegen sechs oder sieben Schüler unmöglich ist. Nicht einmal Malory und Lotta kamen mir einmal zur Hilfe. Ich dachte, sie wären meine Freundinnen. Wenn wir bei den Gastfamilien waren, hatten wir zusammen sehr viel Spaß. Unsere Gasteltern waren total nett, hatten viele Haustiere und einen tollen Garten. Einmal wurde uns erlaubt, dass wir mit den Hunden spazieren gingen. Nur einmal waren sie wütend auf mich, als ich beim Essen ganz dringend auf Toilette gehen musste. Mal ganz ehrlich, ist es besser sein Geschäft bei Tisch zu erledigen als auf dem Klo?! Ab und zu übertrieben diese Mädels ganz gewaltig mit ihrer Höflichkeit!
Das unschönste Erlebnis hatte ich als wir einen Tag in London waren. Wir teilten uns in kleine Gruppen auf und wir durften die Stadt entlang der Themse erkunden und sogar die U-Bahn nutzen. Ich ging zusammen mit Malory und Finja zusammen. Zu dritt teilten wir uns einen Stadtplan, wo auch das U-Bahnnetz ausführlich abgebildet war. Den Plan brauchten wir wirklich zur Orientierung, schließlich war London nicht sehr überschaubar. Wir fuhren zusammen in der voll gestopften U-Bahn und diese beiden Gören stiegen heimlich aus und ich blieb alleine sitzen, weil die beiden sich im Menschengewusel davon gestohlen hatten. Toll, ich hatte noch nicht einmal den Plan, weil Malory ihn eingesteckt hatte. Ich bekam einen Schock und weinte. Zum Glück hatte ich die Handynummer meiner Lehrerin und ich stieg an der nächsten Haltestelle aus. Aber so was ist echt nicht witzig! Frau Keller holte mich an der U-Bahnstation ab und zum Glück erreichten wir Lotta, die zufällig vor Ort war. Lotta kam und holte mich ab. Zusammen gingen wir die Themse entlang. Am Abend entschuldigte sich Malory für ihr Verhalten und schenkte mir dafür eine Tüte Chips und Weingummi. Auf der Rückfahrt wurde ich von den fiesen Kids solange geärgert, bis mir schlecht wurde. Den Rest der Fahrt im Bus nahm ich vorne neben Frau Keller Platz. Das war ein beschissenes Ende einer mittelmäßigen Fahrt. Ich fand die Orte, die wir besichtigt haben sehr schön, aber dafür gefielen mir meine Schulkameraden nicht gut. Ich hätte diese Reise viel lieber mit meiner Familie gemacht oder mit meinen besten Freunden Klara, Jennifer, Sven und Nicolas. Meine Schulfreundinnen Luzia und Sophia waren auch nicht dabei. Als Reisebegleiter wünschte ich mir für das nächste Mal nettere Menschen. Doch so viel stand schon mal fest, ich werde nie wieder freiwillig mit der Schule irgendwo hinfahren.
Die Plagegeister der Englandfahrt belästigten mich noch eine ganz lange Zeit weiter, doch ich ging auf ihre dämlichen Fragen und Verarschungen nicht ein. Jedes Mal, wenn sie mich sahen, scharten sie sich um mich und fingen mit ihrem hirnverbrannten Gelaber an. Einmal griffen mich ein paar dieser Jungs zusammen mit ein paar Freunden von der benachbarten Realschule nach der Konfirmandenstunde ab, da wir mit allen Konfis ein Seminar hatten. Danach lauerten sie mir mitten auf dem Weg auf, weil ich mich zuvor noch ein wenig mit der Pastorin unterhalten habe. Da standen plötzlich sieben Jungs vor mir und wollten mich nicht mit meinem Fahrrad durchlassen. Sie bedrängten mich, stellten mir blöde Fragen und Joel (der Schlimmste von ihnen) zog mich heftig an der Jacke. Der Spuk hätte nicht geendet, wäre da nicht ein altes Ehepaar den Weg entlang gekommen. Nur die Anwesenheit zweier Erwachsener reichte aus, um sieben freche Teenager zu verjagen.
In der Schule wurde nicht nur ich gemobbt, sondern auch mein Bruder auf der benachbarten Realschule. Meine Bruder gesellte sich in den Pausen auch zu mir und meinen Klassenkameradinnen, da wir uns mit der Realschule den Schulhof teilten. Manchmal kamen mehrere Schüler, sowohl von unserem Gymnasium als auch von der Realschule, um meinen Bruder zu beleidigen und über den Schulhof zu jagen. Unter den Peinigern waren auch Klassenkameraden von meinem Bruder. Hätte ich nicht Luzia und Sophia gehabt, wäre ich auf dem Schulhof gnadenlos untergegangen und ich hätte es nicht geschafft, diese Ziegen und Idioten zu verjagen. Dies führte auch dazu, dass mein Bruder dadurch in den Pausen einen gewissen Schutz hatte. Nur einmal rächten sich die Klassenkameraden meines Bruders, als sie mich einmal nach der Schule abfingen, mich beschimpften und Spottlieder sangen. Ein etwa 11-jähriges Mädchen versuchte mich zu schubsen und ein Knirps trat mir vor das Schienbein. Ich wehrte mich und mit wutentbranntem Gesicht suchte ich das Büro des Schulleiters auf. Zum Glück war der Schulleiter der Realschule noch da und hatte sehr viel Lob für mich übrig, dass ich die Attacke bei ihm gemeldet habe. Kurz darauf gab es ein Gespräch mit der Klassenlehrerin, den Mobbern, meinem Bruder und seiner Klassenlehrerin. Meine Mutter und ich waren auch dabei. Nach der Standpauke war Ruhe! Nie wieder wurde ich von seinen Klassenkameradinnen angegriffen.
Es war sehr gut zu wissen, dass man zwei solch zuverlässige Freundinnen wie Luzia und Sophia an seiner Seite zu haben. Zum einen war ich nicht alleine und dann konnte es mit ihnen oftmals sehr lustig sein. In den Unterrichtsstunden hatte ich Spaß mit Luzia und Sophia Unfug zu machen und so landete nicht selten eine Papierkugel in den Haaren unserer Mitschüler oder auf dem Lehrerpult. Zu dritt waren wir ein unschlagbares Dreiergespann. Kurz vor den Sommerferien machten wir eine Fahrt in einen Freizeitpark und natürlich ging ich zusammen mit Sophia und Luzia durch den Park. Wir fuhren bestimmt tausendmal Achterbahn und mit den anderen turbulenten Fahrgeschäften. Es wurde viel gelacht und herum gealbert. "Das ist großes Kinoooo!", riefen Sophia und ich jedes Mal übermütig, wenn wir von einem Fahrgeschäft durchgeschüttelt wurden. Das war eines meiner positivsten Erlebnisse, die ich mit meiner Klasse hatte. Nur das Klettern in der 6.Klasse war genauso gut. Eigentlich war das Kanufahren in 5.Klasse auch schön, nur der Zoff mit Celina damals, hatte das Erlebnis getrübt.
Zwei Tage vor den Sommerferien passierte das Unfassbare. Ich war so naiv und hatte Sophia für eine sehr gute Freundin gehalten. Tage zuvor erzählte sie mir eine fiese Lüge und schaffte es, mich vor allen bloß zu stellen. Wütend hielt ich ihr einen Vortrag, wie fies es wäre, das Vertrauen seiner Freunde zu missbrauchen.
„Tja, wenn deine Mutti heute bei uns petzen will, geht es leider nicht. Unser Telefon ist nämlich kaputt“, spukte sie mir ins Gesicht. Dann machte sie sich eine Liste, wen sie am besten fand und wen sie nicht mochte.
„Tut mir leid, Nikola, du bist bei mir an letzter Stelle. Ich kann dich nicht ab und weiß nicht warum“, blaffte sie mich an. Ich war den ganzen Vormittag so fertig, dass ich nur noch heulte. Sophia hat mich reingelegt und mich ausgenutzt und so eine Ziege nannte ich über ein Jahr Freundin! Offenbar war die Freundschaft nur Schein und zerbrach in eine million klitzekleiner Scherben. Luzia und Mareike versuchten mich zu trösten und Mareike bot mir an, dass wir uns in den Sommerferien verabreden könnten. Doch daraus wurde nie etwas, da sie immer etwas anderes vorhatte, wenn ich anrief. Ich bekam durch Celina heraus, dass sie alles versuchten, um sich nicht mit mir zu verabreden, weil sie mich nicht leiden konnte. Pah, diese blöde Kuh von Mareike hatte mich reingelegt. Leider erlebte ich mit Sarah das Gleiche, auch mit ihr schaffte ich es mich nie zu verabreden, da sie angeblich nie Zeit hatte.
Nach den Sommerferien hatte ich mich mit Sophia vertragen und im ersten Monat des achten Schuljahres passierte nichts Schlimmes außer ein paar kleine Sticheleien, über die ich sogar noch lachen konnte. Ich stand mit den anderen Mädchen ganz normal im Kreis auf dem Schulhof. An einem Wochenende im September wollte Sophia unbedingt mit mir ins Kino gehen. Als sie mich anrief, lag ich mit Fieber im Bett. Offenbar hatte ich mich bei einem Fußballspiel am vorigen Tag ziemlich verkühlt. Ich sagte Sophia ab, weil es mir extrem kacke ging und sie außerdem nicht anstecken wollte. Doch Sophia war tierisch sauer auf mich und fing mich an, auf OSC (einer Internetplattform) zu beleidigen. Dabei konnte ich nicht einmal was dafür, dass ich krank war. Sie schrieb mir: „Kein Wunder, dass wir dich hassen. Du willst eh nichts mit uns zu tun haben. Sei froh, dass wir dich nicht jeden Tag beschimpfen oder dir eine klatschen. Den ganzen Mist hast du dir selbst eingebrockt. Alles deine Schuld und jetzt halte bitte deine Fresse!!“
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich nicht gewusst, dass dieser Konflikt während des ganzen Schuljahres schwelen würde. Jetzt hetzte sie ihre ganzen Schulfreundinnen auf mich. Nun hatte ich Sina, Jana, Mareike, Anna und Sophia gegen mich. Jana und Mareike holten zum Mobben noch Verstärkung aus zwei Parallelklassen und einer Klasse über uns, das waren Mira, Finja, Mattis und ein paar Andere. Ich hatte auf einmal knapp 15 bis 25 Leute gegen mich, die mich größtenteils zuvor noch nicht kannten. Diese Leute verletzten mich nicht körperlich oder beschimpften mich, sondern sie bevorzugten die verbale Art. Nur einmal wurde ich sehr derbe auf der Treppe geschubst, sonst wurde ich eher ernniedrigt. In jeder Pause scharten sich an die zehn seltendämliche unreife Teenager um mich und bombardierten mich mit ihren dümmlichen Fragen oder wollten mich an der Nase herumführen. Die peinlichsten Fragen waren zum Beispiel: „Rasierst du deine Schamhaare, deine Achseln und deine Beine?“ oder „Wie oft hattest du Sex mit verschiedenen Männern?“
An manchen Tagen filmten sie mich sogar dabei mit dem Handy. Immer wieder baute sich Mareike vor mich auf und fing ihr dämliches Lied zu trällern: „Hey Nicki, what is up? Can we have an autogramm? Hey Nicki, hey, hey, hey Nicki hey, hey!“
Dabei klatschte sie im Takt und verzog ihr Gesicht. Jedes Mal zischte ich genervt: „Kannst du nicht mit diesem Mist aufhören?“ oder ich zeigte ihr einen Vogel und ging weg. Einmal schlich ich mich heimlich weg, als sie dieses Lied sang und sie sang weiter, obwohl ich weg war. Luzia und ich lachten uns hinter ihrem Rücken scheckig. Mein größtes Problem war, dass mich niemand von den Klassenkameraden ernst nahm, egal was ich tat. Ich beschwerte mich wegen Sophia sogar bei Frau Keller. Sophia nahm mir es so übel, dass sie mir lange Bedrohungs- und Beleidigungsbriefe auf OSC schrieb. Unter anderem schrieb sie: „Wir hassen dich und finden dich behindert. Ich bin bei weitem nicht die Einzige, die das sagt. Es ist kein Wunder, dass du keine Freunde hast.“
Kurz vor den Herbstferien fuhren wir für einen Tag nach Bremerhaven. In der Bahn saß ich natürlich alleine, aber ich konnte die Zeit glücklicherweise mit einem Buch vertreiben. Als wir am Bahnhof ankamen, ging es zuerst zum Auswandererhaus. Ich versuchte mit Luzia und Sophia Schritt zu halten, die immer schneller und schneller wurden. Sina gesellte sich zu ihnen. Zu dritt gingen sie nebeneinander, kicherten und gaben mir das Gefühl, dass sie mich nicht dabei haben wollten. Im Auswandererhaus waren sie plötzlich wieder freundlicher zu mir und boten mir an, dass ich mit ihnen durch das Museum gehen könnte. Zwar bezogen sie mich nicht sonderlich in ihre Gespräche ein, aber wenigstens waren sie nicht mehr fies zu mir. Später, nach dem Museumsbesuch, durften wir noch zwei Stunden in der Innenstadt verbringen. Beinhahe die ganze Klasse steuerte den erstbesten Mecces an. Ich schloss mich meinen Leuten an und merkte, dass Luzia und Sophia wieder verschwunden war. Egal, nachdem ich mein Menü gegessen hatte, schlenderte ich alleine durch die Einkaufsstraße. Dann traf ich Sarah und Marie in der Fußgängerzone, die mich mit auf einen Bummel durch die Stadt nahmen.
Um Weihnachten herum nahm das Mobbing immer mehr an Fahrt auf. Es ging so weit, dass Sina und Sophia großen Spaß daran hatten, meine Sachen zu verstecken und mich in jeder Stunde mit Papierkügelchen abzuwerfen. Die Papierkügelchen waren für mich das Ekeligste, weil sie vor dem Werfen angeleckt wurden. Die Papierknüller fand ich regelmäßig in meiner Kleidung und in meinen Haaren wieder. Sina fand es total toll, mich Knäckebrot zu bewerfen und mir ihr Knäckebrot unter den Stuhl zu legen, sodass mein Platz an zwei Tagen durch kleine weiße Krümel markiert war. Ab dem dritten Tag schaute ich immer nach, ob nicht irgendwas unter oder auf meinem Stuhl lag, wie eine kleine süße Reißzwecke, die es sich dort einmal bequem machte und dann behutsam von mir entfernt wurde. Durch Lotta erfuhr ich, dass Jana, Sina, Mareike und Sophia die blödesten Gerüchte über mich in Umlauf brachten. Bald machte auch Luzia bei dem Mobbing mit, weil Sophia sie dazu angestiftet hatte. Luzia merkte sich jeden Fehler, den ich machte und lästerte mit ihren Kameradinnen halblaut darüber ab, während ich dabei war. Ich bekam alles mit, was sie sagte und mir blieb der Mund offen stehen. Luzia war doch meine Freundin? Oder etwa doch nicht? Wenn man mich zu dem Zeitpunkt gefragt hätte, hätte ich geantwortet: „Sie ist alles Andere, aber nicht meine Freundin.“
Aber das war auch schwierig, weil ich sonst keine andere richtige Freundin in der Klasse hatte. Noch vor Weihnachten, sagte Luzia mir, dass sie es ganz gemein findet, was die Mädchen mit mir machten. Doch einen Monat später ließ sie eine ihrer besten Freundinnen im Stich und wechselt auf die Seite der Mobberinnen. Einmal setzte ich mich in der Physikstunde zu Sophia, Luzia und Sina in die Reihe. Ich hörte, wie Luzia leise zu Sina und Sophia sagte: "Wenn sich Nikola diese Stunde zu uns setzt, werden wir das auch überleben."
Dann lästerte sie mit ihren beiden Freundinnen, wie blöd und dämlich ich mich generell im Unterricht anstellte. Ich merkte, wie sich mir die Kehle zuschnürte, sodass ich nichts sagen konnte. Ich war zutiefst verletzt. Im Inneren weinte ich, obwohl ich nach außen hin keine Regung zeigte.
Nun gehörte Luzia auch zu der Gruppe der Mädchen, die mir das Leben zur Hölle machten. In mir stiegen Wut, Unverständnis und Verzweiflung hoch. Wie feige mussten diese Gören sein, um zu fünft bzw. zu sechst gegen eine allein stehende Person vorzugehen und sie immer wieder zu quälen? Kann mir das mal einer verraten? Häufig war ich zu dieser Zeit sehr schlecht gelaunt und hatte außer langen Spaziergängen und Fußball, Bock auf Nichts. Besonders meine drei Meerschweinchen Emily, Jule und Trixie konnten mich aufmuntern und mit meinen Tieren verbrachte ich häufig meine Zeit, als ich kaum Freunde hatte.
Nicht nur in der Schule war ich außen vor, sondern auch im Konfirmandenunterricht und in der Fußballmannschaft. Im Konfirmandenunterricht belästigten mich immer wieder die sechs gleichen Jungs und drei Mädchen, die zum Teil auf meine Schule oder auf die benachbarte Realschule gingen. Ganz schlimm waren zum Teil die Konfirmandentage, die einmal im Monat an einem Samstag stattfanden. Immer um 13 Uhr aßen wir im Gemeindehaus zu Mittag und die Pause dauerte immer genau eine Stunde. Immer wenn ich mich zu anderen Leuten an den Tisch setzen wollte, sagten sie, dass der Platz dort schon für eine andere Person besetzt gewesen sei. Ganz schlimm wurde es, wenn Klara mal krank war, denn dann hatte ich niemanden und war genauso alleine wie in der Schule und ich musste zusammen mit den Betreuern essen.
Beim Fußball erging es mir nicht unbedingt besser, da ich viele launische, zickige, alberne und unreife Mädchen in der Mannschaft hatte. Ich spielte in der B-Jugend und auch dort gelang es mir nicht eine richtige Freundschaft zu schließen. Ich war im Frühsommer neu in das Team gekommen und fand auch keinen richtigen Anschluss. Teilweise versuchten sie mich zu veräppeln, als Megan und Luna mehrfach behaupteten, dass sich mich als neuen Kapitän wählen wollten, aber dabei ein wenig fies grinsten. Nach einem Spiel kamen selbst gegnerische Spielerinnen auf mich zu und sprachen mich an, dass ihnen aufgefallen sei, dass man mich im eigenen Team ziemlich ausgrenzte, worauf ich nur bestätigend nicken konnte.
Selbst im engsten privaten Kreis, erlebte ich Ausgrenzung durch Marie und Felicitas. Seit der Grundschulzeit waren die Eltern von Felicitas und Marie mit meinen Eltern befreundet.Unsere Eltern kannten sich, weil ich ursprünglich in der Grundschule mit ihnen befreundet war, bis mich Felicitas in der 3.Klasse mich aus ihrer Clique mobbte. Auch die Eltern von Sabina gehörten zu dem Freundeskreis. Sabina ging mit den anderen beiden Mädchen und mir in die gleiche Grundschulklasse. Allerdings besuchte sie seit der 5.Klasse eine andere Schule als wir und meist sahen wir sie nur, wenn unsere Familien etwas gemeinsam unternahmen. Sabina war von drei Mädchen am freundlichsten zu mir. Sie versuchte mich immer mit einzubziehen, aber manchmal war sie auch mit Marie und Felicitas verschwunden, ohne mir bescheid zu sagen. Einmal waren wir zusammen frühstücken und auf einmal brachen die drei Mädchen zu einem Spaziergang um den See auf. Bescheid gesagt hatte mir keine von ihnen, denn plötzlich waren sie weg. Nach knapp anderthalb Stunden kamen sie wieder, bestens gelaunt und verstanden nicht, dass ich sie finster anstarrte.
Das gleiche Spiel wiederholte sich an Silvester, als unsere Eltern die Gastgeber der Feierrunde waren. Wieder verschwanden Marie, Felicitas und Sabina ohne Vorankündigung zu einem Spaziergang im Dunkeln. Diesmal beschloss ich die Mädchen suchen zu gehen und rief ihre Namen in die Dunkelheit hinein. Plötzlich hörte ich wie mein Name gerufen wurde und tatsächlich fand ich die drei Mädchen auf einer Parkbank am Museumsteich auf. Sie waren ganz überrascht, dass ich gar nicht mitbekam, dass sie zu einem Spaziergang aufgebrochen waren. Ich fühlte mich wirklich ein wenig "verarscht" und mir lag eine schnippische Bemerkung auf der Zunge. Trotzdem verbiss ich mir diese Bemerkung, weil ich in dem Moment keine Lust hatte, einen Streit mit Felicitas anzufangen. Plötzlich war diese ganz freundlich zu mir und ich wusste nicht, wie mir geschah. Ich ließ mir nichts anmerken und lief zusammen bis kurz vor Mitternacht mit den Dreien durch die Gegend. Auf einmal schien es, als würde ich doch zu ihnen gehören. Dennoch zählte ich höchstens nur Sabina zu meinen Freunden, da die anderen Beiden mich in der Schule meist geflissentlich ignorierten und ich mich auch sonst nicht mit ihnen verabredete.
Gott sei Dank gab es Klara, meine beste Freundin. Sie ging auf eine andere Schule als ich. Ich kannte sie noch von meiner allerersten Schule und wir schafften in Kontakt zu bleiben, nachdem wir auf verschiedene Schulen gingen. Fast jeden Freitag und Samstag verabredeten wir uns. Oft spielten wir zusammen mit meinem Bruder und Nicolas Fußball und feierten Übernachtungspartys. Natürlich unternahmen Klara und ich Dinge, die normal für Teenagermädchen in unserem Alter waren: So gingen wir zusammen Shoppen, Schwimmen, ins Kino oder auch ins Mädchenzentrum. So eine Freundin wie sie, die mir die Treue hielt, war wertvoller als ein Diamant. Am meisten schätzte ich, dass sie sehr gut zuhören konnte und mich auf bessere Gedanken brachte. In ihrer Gegenwart war ich plötzlich wie verwandelt. Plötzlich konnte ich wieder lachen, albern sein und fühlte, wie eine Last von mir abfiel. Somit war sie einer der allerwichtigsten Stützen zu dieser schweren Zeit.
Ein Teil des Mobbings verlagerte sich ins Internet. Am Anfang des zweiten Halbjahres tauchte eine Gruppe bei OSC mit dem harmlosen Namen „Nickis Friends“ auf. Der Name sagt nichts Schlimmes aus, aber es war auffällig, dass alle Leute, die mich verarschten und mich nicht ernst nahmen, der Gruppe beitraten. Jemand hatte auch ein Handyfoto in die Gruppe gestellt, auf dem ich etwas bedeppert guckte. Das Foto wurde auf der Bahnfahrt nach Bremerhaven aufgenommen, ohne dass ich davon wusste. Das was gepostet wurde, war auch reine Verarsche. Am Anfang habe ich mich gewundert, dass meine richtigen Freunde der Gruppe nicht beigetreten sind. Aber im Endeffekt wunderte es mich nicht. Klara, Nicolas, Jennifer und Sabina sind ganz schnell aus der Gruppe ausgetreten, als sie gemerkt haben, dass das Ganze nur eine große Verarschung war. Sie waren meine richtigen Freunde. Meine Klassenkameradinnen gaben sich dauernd als meine Freundinnen aus. Das sah ich nicht so, ich wusste ganz genau, was ein wahrer Freund ist und was nicht.
Die letzten vier Monate des Schuljahres waren für mich wie eine Qual, ich hatte nun niemand bei mir in der Klasse, den ich als Freund oder Freundin bezeichnen konnte. Bei der Schulparty in einer Disco waren Sophia, Jana und co erst ganz freundlich und ich lieh Jana mein Handy, weil sie jemand anrufen musste und kein Guthaben mehr hatte. Erst tanzte ich ausgelassen mit Sophia, die seit einigen Tage wieder nett zu mir war. Dann ließen sie und ihre Freundinnen mich einfach stehen. Sie bildeteten einen engen Tanzreigen und ich war außen vor. Ich versuchte mich auch bei Marie, Felicitas, Nora, Sarah, Aylin und co in den Tanzreigen einzureihen, aber vergeblich! Meine Güte, sie hielten sich alle an den Händen und nur ich stand daneben wie ein begossener Pudel. Peinlich wurde es, als ich nach Sarahs Hand griff und sie diese immer wegzog.
Ich verzog mich schnell nach hinten, wo die Oberstufenschüler saßen. Ich muss ziemlich geknickt ausgesehen haben, da mich zwei ältere Mädchen mich ansprachen, ob es mir gut ginge. Kurz darauf bekam ich eine Cola von ihnen spendiert. Um 22.30 wollte ich nach Hause. Ich fragte Noras Eltern, die mich kannten, ob sie mich mitnehmen könnten.
"Gerne kannst du bei uns mitfahren, wir wissen doch wo du wohnst", sagte ihre Mutter freundlich fragte dann. "Wie war eigentlich nochmal dein Name? Felicitas?"
"Nein, das ist Nikola!", antwortete Nora murrend. "Felicitas ist größer, schlanker, deutlich hübscher, viel schlauer und fast zwei Jahre jünger."
Generell war Nora gar nicht begeistert, dass ich mit im Auto saß und starrte mich düster an. Sie redete nicht mit mir und sagte noch nicht einmal "Tschüss!" als ich ausstieg.
Auch in der Schule wurde ich nun gänzlich gemieden. Die Schüler der Paraklassen zogen Frazten, wenn sie mir auf den Gängen entgegenkamen. Es wurde gekichert und gelästert. Die Pausen wurden in der Bibliothek der benachbarten Realschule oder bei meinem Bruder verbracht. Ich musste jede Partnerarbeit mit Paul zusammen machen, da wir beide gleichermaßen unbeliebt waren. Paul war auch ein großer Außenseiter und das männliche Mobbingopfer der Klasse. Er wurde meistens von der fiesen Jungenclique bearbeitet und hatte auch keine Freunde, obwohl er versuchte sich zwanghaft mit Elias anzufreunden, den er aus der Grundschule kannte. Elias schenkte ihm wenig Beachtung und hing lieber mit zwei anderen Kumpels ab. Paul wurden die schlimmsten Sachen nachgesagt und ich habe manchmal mitgemacht, um wenigstens ein bisschen Anerkennung zu erhalten, die mir so fehlte. Dennoch war es hundsmiserabel, was mit Paul abgezogen wurde. Als er in der 7.Klasse zu uns kam, antwortete er auf die Frage, woher er denn käme, nur mit "Deutschland!". Dies war ein Anlass ihn die ganze Zeit damit aufzuziehen.
"Woher kommst du, Paul?", fragte die Schüler aus Spaß.
"Aus Deutschland!", wurde feixend geantwortet.
Der Sportunterricht, den ich eigentlich immer mochte, machte mir auch keinen Spaß mehr. Beim Basketballspielen fand ich nie einen Partner, obwohl ich generell gut in Sport war. Während sich immer zwei Spieler einen Ball zuwarfen, spielte ich mit der Wand. Wir mussten die Partner ab und zu wechseln, aber die anderen suchten sich schnell Jemand neues, bevor ich meinen Mund aufmachen konnte. Jedes Mal, wenn ich fragte, kam die Antwort: „Geht nicht. Tut mir leid, ich mache schon mit Anna zusammen.“
Einmal war ich so gedemütigt, dass ich mich weinend auf die Bank setzte. Jedes Mal wenn ich mal weinte, kamen mindestens fünf meiner Mitschüler und fragten, was mit mir los wäre. Doch niemand tröstete mich richtig oder legte seinen Arm um mich. Sowieso versuchte jeder Körperkontakt mit mir zu vermeiden, als könnte ich stechen oder beißen. Fast jedes Mal musste der Sportlehrer vermittelnd eingreifen, damit ich einen Partner bekam. Auch als wir in einer Sportstunde Fußball spielten, wurde ich als Letzte in die Mannschaft gewählt. Dabei war ich das Mädchen, das bei weitestem die beste Fußballerin unter den Mädchen war. Doch fast niemand nahm meine Stärken ernst und lobte mich deswegen.
Bei vielen Sportstunden machten wir ein Aufwärmprogramm, bei dem in der Halle vier oder fünf Matten ausgelegt wurden und wir um diese Matte herumlaufen mussten. Jeder Gruppe gehörte eine Matte und wenn der Sportlehrer pfiff, rannte jede Gruppe zu ihrer Matte und musste bestimmte Übungen machen. Mein Problem war, das meine Gruppe nur aus mir selbst bestand. Am schwersten war es für mich, Partner zu finden, wenn es um Akrobatik ging. Da hatte man auch Körperkontakt mit seinen Partnern. Ich wurde Sarah, Felicitas und Marie zugeteilt, die anscheinend nichts dagegen hatten. Sophia, Mareike, Jana, Sina und Anna tyrannisierten mich währenddessen munter weiter und schafften, dass sich niemand in meine Nähe traute. Ich fühlte mich wie eine verlassene Insel, die weit auf dem Meer der Einsamkeit lag und wohin so schnell hin mochte.
Kurz vor meinem 16. Geburtstag tauchten merkwürdige Gerüchte auf, dass ich demnächst zu Germany’s Next Topmodel gehen würde. In meiner Konfirmandengruppe, in der fünf oder sechs Schüler aus meinem Jahrgang waren, wurde ich während der gesamten Konfirmandenfreizeit mit dieser Frage genervt und sie nannten mich durchgehend nur noch „Unser Topmodel“.
„Gehst bald zu Germany’s next Topmodel?“, wurde ich gefragt. Ich schüttelte einfach nur den Kopf.
„Wieso denn nicht? Du hättest eine große Chance zu gewinnen“, wurde mir widersprochen. Was in Wirklichkeit hinter dieser Kampagne steckte war, dass meine Schulkameraden mich wegen meines Aussehens bloßstellen wollten. Ich war auf gar keinen Fall so blöd, dass ich gesagt hätte, dass ich dort auf jeden Fall hingehen würde. Anscheinend mokierten sich besonders die Mädchen darüber, dass ich mich nicht schminkte, keine modische Frisur hatte, nicht so modische Sachen trug und nicht in Schickimicki-Stiefeln herum lief.
Noch schlimmer als der Sportunterricht, war der Schwimmunterricht. Ich bekam von Sophia den Spitznamen „Kotelett“. Sie behauptete, es würde gut zu mir passen, weil ich so aussehe wie ein gebratenes Kotelett. Die Demütigungen in der Umkleidekabine waren am schlimmsten. Sophia raunte ihren Freundinnen zu: „Schaut mal, was für eine üppige und flauschige Achselbehaarung Kotelett hat, boah ist da ekelig!“
Dabei lachten ihre Freundinnen und sie zynisch. Ich tat so, als hätte ich das nicht gehört. Verstohlen schaute ich unter meine Achseln, doch so eine dichte Achselbehaarung hatte ich doch nicht. Sophia machte sich über jeden kleinen Makel an mir lustig und stellte mich vor der ganzen Klassengemeinschaft bloß. Das Gelache ging schon los, wenn sie bei mir ein Muttermal entdeckte oder ich fettige Haare hatte.
In Zukunft achtete ich darauf, dass ich mir immer fein säuberlich meine Achseln rasierte. Die nächste Schmach kam, als wir mit der Klasse Begriffe erraten spielten. Ich musste vorne an die Tafel und jemandem, der vorher vor der Tür stand, Begriffe erklären. Sophia meldete sich und schlug ein paar peinliche Begriffe vor, die ich erklären musste. Sie nannte einige Begriffe, mit denen sie mich identifizierte: Meerschweinbraten, Achselbehaarung, Schlampe, Kotelett und Orgasmus. Ich wurde rot, als mir bewusst wurde, dass ich diese Begriffe vor der ganzen Klasse erklären musste. An einem anderen Tag kam Aylin auf mich zu: „Sag mal Nikola, warum bist du noch in unserer Klasse? Es kann doch nicht sein, dass du noch in der 8.Klasse bist, wenn du schon 16 bist. Wir würden es besser finden, wenn du in eine höhere Klasse gehen würdest, sonst hast du Probleme einen Job zu finden, weil dich kein Arbeitgeber so haben möchte.“
Vielen Dank, Aylin! Das war sehr lieb von dir, so einen Blödsinn zu behaupten. Ich kann dir das nächste Mal, wenn du beim Sport versagst, dir genauso eine fiese Bemerkung an den Kopf werfen.
In den nächsten Tagen kam es öfter vor, dass meine Sachen versteckt wurden und ich ständig meine Jacke suchen musste. Stifte, Füller, Arbeitszettel, Taschenrechner und Tuschkasten verschwanden ebenfalls auf mysteriöse Art und Weise. Manchmal tauchten die Sachen urplötzlich wieder auf, wenn ich Anstalten machte, einen Lehrer darüber zu informieren. Einmal nahm Jana mir meine Jacke weg, Sina schnappte sich meine Schwimmtasche und Mareike meinen Ranzen. Ich rannte hinter diesen Ziegen her und wollte meine Sachen wiederhaben, bis sie mir die Sachen vor die Füße warfen. Kichernd verschwanden die drei Freundinnen und ich hatte zwar meine Sachen wieder, aber in mir brodelte es. Wenn mich nichts täuschte, stand am Rand des Szenarios eine weitere Person, die das Ganze mit dem Handy filmte.
Die größte Bombe platzte wenige Wochen vor den Sommerferien: Wir hatten Vetretung bei einem Lehrer, den wir nur vom "Hören Sagen" kannten. Er kam bereits schlechtgelaunt in unsere Klasse, als er anfing hysterisch alle Schüler anzuschreien, die noch nicht auf ihren Plätzen saßen. Dazu gehörte auch Marie, die dadurch den Tränen nahe war. Es reichte mir. Ich stand auf und baute mich vor ihm auf, um Marie in Schutz zu nehmen. Nun fing dieser Lehrer auch mich anzubrüllen und noch lauter als zuvor. Er machte mich mit Worten wie "widerspenstiges Mädchen", "dreist" und "unerzogen" richtig runter. Als ich wieder auf meinem Platz saß, weinte ich leise. Nun merkte der Lehrer, dass er es mit seiner "Ansage" übertrieben hatte und bot mir an, dass ich nach draußen gehen durfte. Sarah begleitete mich vor die Tür, aber redete währenddessen kaum mit mir.
Später erfuhr ich, dass einige Schüler mich mit dem Handy filmten, wie ich geweint hatte und wollten das Video ins Netz stellen. Dadurch, dass Marie und Felicitas dies unserer Klassenlehrerin meldeten, wurde dies verhindert. Stattdessen gab es mit den betreffenden Schülern Elterngespräche und es wurde damit gedroht, dass dieser Fall zur Schulleitung gehen sollte, wenn das das Video nicht gelöscht würde. Meine Mutter und ich wurden darüber nicht in Kenntnis gesetzt und somit erfuhr ich später durch Zufall von diesem Vorfall.
Ein reinigendes Gewitter gab es am letzten Tag vor den Sommerferien. Meine Mutter hatte sich zuvor an die Vertrauenslehrerin gewandt und ganz schnell hatten Mareike, Jana und Sina ein Gespräch mit ihr. Luzia und Anna mussten nicht mit, weil sie nur Mitläuferinnen waren und Sophia war im Krankenhaus, deswegen konnte sie nicht belangt werden. Die Mädchen weinten dicke Krokodilstränen, als sie sich die ganzen Vorwürfe anhören mussten.
„Das ist doch alles gar nicht so passiert“, schluchzte Jana. Mein Gott, für wie blöd hielten sie einen?! Diese Mädchen haben sie sich dieses Gespräch selber eingebrockt und ich bin beileibe niemand, der Leute aus reinem Spaß beschuldigt. Unsere Beratungslehrerin, Frau Spinne, wurde ganz sanft anstatt die Mädels richtig ran zu nehmen. Der Trick mit dem Weinen hialf bei ihr immer. Dennoch entschuldigten sich die Mädchen bei mir und schworen, mich nie wieder zu mobben.
„Eigentlich war das noch kein richtiges Mobbing“, behauptete Sina und glaubte immer noch an ihre Unschuldigkeit. „Wir haben dich gemobbt, als wir in der 6.Klasse waren, aber danach nicht mehr.“
Was soll es sonst gewesen sein außer Mobbing?! Für mich beginnt Mobbing da, wenn man eine Person über einen längeren Zeitraum gezielt verletzt und ihr schadet.
„Weißt du was, Nikola, ich bin richtig froh darüber, dass das Mobbing geklärt wurde. Ich fand es blöd, dass ich bei dem Mobbing mitgemacht habe, weil du auch eine gute Freundin von mir bist. Sophia hat mich dazu überredet und ich hatte Angst dir zu helfen, weil Sophia sonst ihre Freundinnen auf mich gehetzt hätte“, sagte Luzia zu mir. Heute war auch der letzte Tag, an dem wir Frau Keller als Klassenlehrerin hatten.
„Ihr seid mir in diesem beiden Jahren sehr ans Herz gewachsen und ich hatte noch nie so eine nette Klasse wie ihr“, sagte sie in ihrer Abschiedsrede. Das war das Gegenteil, was sie sonst über uns sagte. Sonst hatte sie sich ziemlich oft über unser schlechtes Verhalten aufgeregt und musste ständig mit uns etwas besprechen, weil die Jungs um Tom und Fabian dauernd Ärger machten. Warum tat sie plötzlich, als ob alles in letzter Zeit Friede, Freude und Eierkuchen gewesen sei? Zum Glück war dieser Tag, der letzte Schultag von Ömer und Momo. Im nächsten Jahr werde ich zumindest zwei Mobber weniger haben. Paul verließ auch die Schule, weil er durch das Mobbing krank wurde und unter Asthmaanfällen litt. Mareike, Tom und Fabian behaupteten fest, dass Paul zu doof sei für das Gymnasium. Eigentlich wunderte ich mich, dass ich immer noch an dieser Schule blieb und bis zum Schluss durchhielt. Nach diesem schlimmen Schuljahr, hätte ich die Schule wechseln müssen. Doch ich war mir nicht sicher, ob es an einer anderen Schule besser gewesen wäre. Ich wollte nicht noch einmal so enttäuscht werden und deshalb blieb ich.
Nun hatten wir Frau Spinne unsere Vertrauenslehrerin seit Beginn des Schuljahres neu als Klassenlehrerin. Sie redete schon am Anfang die ganze Zeit davon, was für eine liebe und nette Klasse wir doch seien. Dabei waren wir nicht einmal besonders lieb, wir verhielten uns nicht besser als andere Klassen auch. Sophia kam erst sechs Wochen nach den Sommerferien aus dem Krankenhaus zurück. Im Spätsommer war die Klassenfahrt ein großes Thema. Wer würde mit wem in einem Ferienhaus wohnen? Wir hatten nach den Sommerferien zwei neue Mädchen in die Klasse bekommen, sie hießen Lisa und Mandy. Lisa war ein Gothic-Girl und Mandy war ein asoziales Mädchen, die mit lauter Strafanzeigen prahlte.
Gleich zu Anfang versuchte ich mich ein wenig mit Lisa anzufreunden und zeigte ihr die Schule. Während der ersten zwei, drei Tage verstanden wir uns relativ gut, auch wenn wir verschiedene Interessen hatten. Lisa erzählte mir, dass sie an ihrer alten Schule auch gemobbt wurde und deshalb zu uns wechselte.
"Ich weiß, wie mies es ist, gemobbt zu werden", sagte sie am zweiten Tag zu mir. Ein engerer Kontakt im Sinne einer Freundschaft ergab sich nicht. Dass ich mich mit Lisa näher anfreundete, wurde erfolgreich durch Aylin, Malory und Nora verhindert. Nun schloss sich Lisa der beliebten Mädchenclique an und ich war abgemeldet. Als ich mich einmal in ein Gespräch einbringen wollte, sagte Lisa angefressen und leicht boshaft: "WIR REDEN NICHT MIT DIR! Und jetzt GEH BITTE!"
Ich brach in Tränen aus. Nun war mir bewusst, dass ich auch bei Lisa keine Chance mehr hatte und ich würde auch NIEMALS hier wieder eine Freundschaft schließen.
Die Klassenfahrt im Herbst war für mich wieder ein typisches Negativerlebnis mit meiner Klasse. Zuerst stritten sich unsere beiden Mädchencliquen, wer mich bei der kommenden Klassenfahrt in ihr Ferienhaus aufnehmen musste. Sie trugen sogar eines Tages nach der Schule ein Basketballspiel aus, das erfuhr ich von Lucia. Mareike, Sina, Jana und Anna traten gegen Aylin, Felicitas und Nora an. Es wurde um mich und Celina gespielt. Das Gewinnerteam nahm Celina zu sich ins Ferienhaus und die Verliererinnen bekamen mich. Echt krass, dass mir hinter meinem Rücken so viel Aufmerksamkeit einräumte. Ohne Witz, man spielte um mich!Auch wenn es nicht unbedingt im positiven Sinn war. Am Ende verloren Aylin, Nora und Felicitas das Spiel und somit landete ich bei ihnen im Haus. Nachdem wir angereist waren, stellten wir fest wie klein die Ferienhäuser an der Ostsee waren. Dort war es sehr eng und da kam es oft zu Zoff. Ich legte mich manchmal mit Aylin und Malory an, weil wir uns nicht riechen konnten. Ich mochte ihre zickige und launische Art nicht. Als ich Aylin half auf einen Baum zu klettern und sie unabsichtlich zwischen Oberschenkel und Gesäß anpackte, unterstellte sie, dass ich sie sexuell belästigt hätte. Ich entschuldigte mich sofort, doch Aylin war immer noch aufgebracht und hakte weiterhin auf mir herum.
Während der fünftägigen Klassenfahrt unternahmen wir Wanderungen und zwei Ausflüge. Ein Ausflug führte uns nach Kiel und war einigermaßen in Ordnung. Als wir nachher in Kleingruppen durch die Innenstadt liefen, durfte ich mich der Gruppe von Nora, Lotta, Marie und Sarah anschließen. Am Tag darauf fuhren wir in den Hansapark bei Lübeck. Auch hier sollten wir uns in mehrere Kleingruppen mit mindestens drei Personen einteilen. Natürlich war ich diejenige, die nicht gefragt wurde. Schließlich landete ich bei Luzia und Sophia, die mich zähneknirschend herbeiwinkten und zuerst nicht wirklich begeistert zu sein schienen. Nachher legte sich ihre anfängliche Abneigung und sie waren wieder sehr freundlich zu mir. Als wir in ein Kettenkarussell mit Doppelsitzen einsteigen wollten, schnappten sich Luzia und Sophia einen Doppelsitzer. Ich wollte mich gerade in den benachbarten Sitz niederlassen, da kam der Typ, der sich um das Fahrgeschäft kümmerte, auf mich zu und meinte, ich sollte mich zu einer anderen Person in den Sitz setzen.
Gerade als ich mich in den zugewiesenen Sitz setzte, blökte Tom in guter Lautstärke: „Leute, guckt mal! Nikola hat sich in Kotze gesetzt!"
Was zum Teufel?! Ich traute meinen Augen nicht, bis ich meinen Blick senkte und auf meine dunkle Jeans sah. Tatsache! Es ist passiert. Ich hatte Kotze am äußeren Oberschenkel kleben. Weder ich noch der Karussellbetreiber hatten gesehen, dass vorher jemand auf dem Sitz saß, der während der vorigen Fahrt gekotzt hatte. Der Sitz war gelb und die Kotze hatte fast die gleiche Farbe. Mareike und einige andere Klassenkameraden in Hörweite bekamen von meinem Fauxpaus mit. Einigen von ihnen konnten sich ein süffisantes Grinsen nicht verkneifen, während ich einer meiner peinlichsten und ekligsten Momente meines Lebens erlebte. Noch Minuten später, als ich auf der Toilette meine Hose sauber machte, war ich am zetern.
„Meine Güte, jetzt hör doch auf zu schimpfen. Du kannst es doch nicht nicht mehr ändern, was passiert ist. Außerdem war es nicht deine Schuld, sondern die des Karussellbetreibers", klang Sophia genervt, als ich mich weiterhin echauffierte.
Ich wurde die meiste Zeit während der Fahrt von meinen Klassenkameraden wie gewohnt links liegen gelassen. Ich ging alleine am Strand entlang und schrieb mehrere SMSs nach Hause und an meine Freunde. Schnell bekam ich Antworten von meiner Mutter, von Klara, Jennifer und Nicolas. Vor Heimweh musste ich fast weinen. Mich lenkte es ungemein ab, dass ich nachmittags mit den Jungs Fußball spielen konnte. Mittlerweile nahmen sie mich für voll. Das war eine gute Ablenkung, weil die Mädchen mich nie kochen ließen. Normalerweise waren meine Freunde immer begeistert, wenn ich ihnen etwas kochte oder buk. Aber meine Klassenkameraden zählte ich sowieso nicht zu meinen Freunden. An mir wurde es als Erste ausgelassen, wenn es bei uns im Ferienhaus dicke Luft gab. Manchmal wurde ich ohne Grund rausgeschmissen und am letzten Abend bin ich vor Wut explodiert. Aylin und ich haben uns solange angeschrieen, bis wir beide geweint haben.
In der letzten Nacht fand eine große Lästerrunde über mich statt. Die Mädchen waren so dämlich und haben in normaler Lautstärke geredet, obwohl die Wände sehr dünn waren. Anhand der Stimmen wusste ich, wer daran teilnahm. Es waren Aylin, Malory, Lisa, Felicitas und Marie. Sie hatten eine Menge an mir auszusetzen. Einer der Gründe war, dass ich sie nervte, dass ich mich versuchte in ihre Gespräche einzumischen und manchmal leise vor mich hinredete. Zudem nervte es sie, dass ich dauernd ihren Gesprächen lauschte. Kunststück! Wir waren auf engsten Raum zusammengefecht und da konnten wir uns nicht einfach mal eben aus dem Weg gehen. Bla, Bla, Bla: Die Klatschrunde ging weiter. Ich lag in meinem Bett, war den Tränen nah und hörte wie sich diese Mädchen echauffierten. Ich fühlte mich so, als würden sie es mir verbieten, dass ich überhaupt etwas sage. Mir kam es vor, als dass sie gewollt hätten, dass ich abseits daneben sitze und einfach nur meine Klappe halte. Nein! Ich wollte mir nicht einfach so den Mund verbieten lassen und deshalb sagte ich auch mal ein Wort.
Im Gesamtverlauf der 9.Klasse litt ich daran, dass ich sozial isoliert war. Um mich hatten sich hohe, unüberwindbare Mauern gebildet. Dies war mein persönliches soziales Verlies. Meine ehemaligen Freundinnen Malory und Lotta ließen mich endgültig wie eine heiße Kartoffel fallen. Lotta ließ mich stehen, als ich sie einmal fragte, ob wir zusammen für Französisch lernen wollten. Einmal nach der Schule war ich ziemlich wütend auf Malory.
„Ich habe gedacht, du wärst meine Freundin. Ich finde es gemein, dass ihr mich so fallen gelassen habt und mich ignoriert“, sprach ich sie an.
„Das ist doch gar nicht so, wir sind immer noch deine Freundinnen. Du musst nicht immer gleich anfangen zu heulen, bloß weil du mal alleine bist“, erwiderte Malory darauf. Offensichtlich war sie sich keiner Schuld bewusst. Malory konnte ich nicht mehr als richtige Freundin bezeichnen, wer mich so behandelte, konnte nicht meine Freundin oder mein Freund sein.
Auch alle anderen Klassenkameraden spielten am liebsten „unsichtbare Nikola“. Manchmal waren Luzia und Sophia recht nett zu mir. Trotzdem waren sie mit einer gewissen Vorsicht zu genießen, da sie durchaus auch launisch sein konnten und mich aus dem Nichts heraus wieder für eine Zeit lang schnitten. Trotzdem bezeichnete ich sie irgendwie als "Freundinnen". Luzia hatte ich schon längst verziehen und wir vertrugen uns wieder, aber Sophia traute ich immer noch nicht. Sophia wurde ebenfalls von ihren Freundinnen fallen gelassen, als sie heraus bekommen haben, dass Sophia unter einer heftigen Depression litt. Anscheinend ist man nur so lange gut in unserer schwachsinnigen Gesellschaft, bis man eine Schwäche zeigt. Ich habe Sophia nicht zu sehr an mich heran gelassen, weil ich Angst vor einer neuen Enttäuschung hatte. Aber ich wollte Sophia auch nicht ausgrenzen, weil ich ganz genau weiß, wie sich so was anfühlt. Sophia schloss im Laufe des Schuljahres immer mehr Bekanntschaft mit Mandy, die versuchte überall mit dazu zu gehören. So lernte ich auch Mandy besser kennen. Eigentlich war das Mädchen gar nicht übel und lachte über meine Cartoons und ironischen Bemerkungen, die ich über Lehrer machen konnte. Richtig mit Mandy befreundet sein wollte ich auch nicht. Sie gab immer noch mit ihren Anzeigen und Straftaten an und daher war sie mir nicht ganz geheuer. Trotzdem war ich nett zu Mandy und ließ sie meine Hausaufgaben abschreiben.
Eine andere Sache neben der Schule darf ich nicht vergessen zu erwähnen. Seit dem Ende der Sommerferien besuchten wir einen Tanzkurs für den Abschlussball. Meine Klassenkameraden trafen Absprachen, wer mit wem in einen Kurs geht. Ich wurde nicht gefragt. Sophia wurde auch nicht gefragt und Luzia wollte partout nicht teilnehmen. Ich geriet in einen Tanzkurs, der freitagsabends stattfand. Dort kannte ich ich keinen, weil meine Mitschüler sich auf andere Kurse verteilt hatten. Ich meldete mich erst sehr spät an. Daher blieb mir nur dieser Kurs. Dort lernte ich Silvia, ein Mädchen von einem anderen Gymnasium kennen. Auch sie kannte niemanden und daher verstanden wir uns auf Anhieb. Oft tanzten wir zusammen, weil wir keine anderen Partner fanden. Ich machte mir Gedanken darum, wie ich einen Partner finden sollte. Das war nicht leicht, schließlich kannte ich niemanden und alle anderen waren mit ihren Cliquen da. Silvia machte mir Mut, dass ich einen Partner finden würde. Eigentlich ging ich nur wegen ihr zu diesem Kurs. Nach dem Tanzen gingen wir auch mal ins Cafe oder zum Dönerimbiss und ich fühlte mich wie neugeboren und so frisch mit einer neuen Freundin an meiner Seite.
Silvia und ich machten Bekanntschaft mit zwei Jungen, die uns fragten, ob wir mit ihnen zum Ball gehen wollten. Als "Silvia&Jan" und Oliver&Nikola" trugen wir uns in die Liste ein. Man, war ich happy, dass ich endlich einen Partner hatte. Aus Freude spendierte ich Silvia später zur Feier des Tages einen Döner. In den Herbstferien fand der Mittelball statt, so eine Art Generalprobe für den richtigen Ball. Ich wurde unruhig, als ich in den Massen von Jugendlichen Silvia und Oliver nicht entdeckte, aber Tom fand mich als erstes. Er hatte zwei seiner Kumpel im Schlepptau.
"Hi, das ist Nikola!", stellte er mich mit einem falschen Lächeln vor.
"Haaaiiii Niiikola!", grüßte mich einer seiner Kumpels verachtend und dann zogen sie von dannen. Silvia war es, die mich dann schließlich fand. Der Ball war dann doch ganz okay. Ich tanzte mit Oliver und Silvia mit Jan. Später konnten wir uns einen Tisch für uns ergattern, schlürften Cola und knabberten Chips.
Kurz vor dem Ball ließ Oliver mich wie eine heiße Kartoffel fallen: Er hatte eine andere gefunden, mit der er tanzen wollte. Mir reichte es! Ich cancelte den Kurs und machte nicht mehr mit. Ich war nicht sehr traurig gewesen, dass er mir eine Absage erteilte, aber trotzdem war ich wütend, geschockt und auch verletzt. Als ich das Sophia erzählte, sagte sie, sie habe auch mit dem Tanzkurs aufgehört. Mareike, Sina, Jana und co hätten mit ihr einige unschöne Dinge angestellt, um sie vor den anderen Kursteilnehmern zu blamieren.
Kurz nach Weihnachten erzählte mir Sophia, dass mein Gesicht auf dem Klassenfoto durchgestrichen wurde. Ich fragte sie, ob sie wüsste, wer es gewesen wäre.
„Ich habe es mit eigenen Augen gesehen, wer es war, aber ich darf es dir nicht sagen, sonst bekomme ich Ärger“, erwiderte sie. Ich erzählte es meiner Klassenlehrerin Frau Spinne, die darüber sehr entsetzt war. Gleich in der nächsten Stunde, als wir sie hatten, besprachen wir diesen Vorfall. Viele meiner Mitschüler murmelten vor sich hin: „Nikola muss mit so etwas lockerer umgehen. Wahrscheinlich war das nur ein dummer Jungenstreich.“
Wie bitte, das soll ein dummer Jungenstreich gewesen sein?! Mein Gefühl sagte mir da etwas ganz Anderes. Naja, ich war wegen der ganzen negativen Erlebnisse schon ziemlich überempfindlich, aber man konnte es mir nicht verdenken. Viele Menschen, die noch nie solche Erfahrungen gemacht haben, konnten sich so eine Einstellung kaum vorstellen. Wie soll man auch, wenn man überall everybody’s Darling war. Ich war noch nie beliebt in sozialen Gruppen, außer bei Menschen, die meinen Charakter zu schätzen wussten. Am Ende bekam man heraus, dass es Ömer gewesen war, der früher in unserer Klasse ging und nun die 8.Klasse wiederholte.
Immer wieder kam es vor, dass Malory, Mandy und ein paar andere Mitschüler mir Autismus oder andere psychische Krankheiten unterstellten. Das war so ein ähnliches Spiel wie vor ein paar Jahren, als es noch hieß: "ich hätte eine Behinderung".
„Warum sollte ich einen Autismus haben?“, stellte ich die Frage an Malory zurück.
„Weil du eben anders bist und dich nicht anpassen willst“, sagte sie und in ihrer Stimmes schwang ein leicht genervter Unterton mit.
„Ist es eine Pflicht genauso zu sein, wie alle andere auch?“, fragte ich.
„Wenn du dich nicht so kleiden willst, wie wir, willst du nicht dazu gehören. Wenn du nicht die gleichen Hobbies hast, willst du mit uns nichts zu tun haben“, erwiderte Malory in einem zugleich zickigen Tonfall.
„Das ich anders bin, hat nichts damit zu tun, dass ich nicht dazu gehören möchte. Ich brauche Freundschaft und Anerkennung wie ihr auch“, erklärte ich ihr. Ich wusste ganz genau, was Autismus war. Meine Mutter kannte eine Frau, die ein autistisches Kind hatte. Das was sie von diesem Kind erzählte, traf nicht auf mich zu.
Mandy konnte ich generell schlecht einschätzen, weil sie manchmal auch sehr freundlich zu mir war und sogar vorschlug, dass wir uns auch mal nach der Schule verabreden konnten. Eine Verabredung kam dennoch nicht zustande, da Mandy plötzlich doch keine Zeit mehr hatte. Dennoch spürte ich, dass da irgendetwas im Argen war und ich mich vor ihr in Acht nehmen sollte. Nach den Osternferien saß ich im Physiksaal mit ihr, Elias und Jonathan in einer Reihe. Mandy hatte ihre Ratte dabei, die sie so gut versteckte, sodass sie vom Lehrer nicht bemerkt wurde. Passte ich mal einen Moment lang nicht auf, dann konnte es mal vorkommen, dass ein Köttel von der Ratte auf meinem Block lag. Genervt ließ ich die Köttels klangheimlich unter dem Tisch verschwinden. Ein anderes Mal wollte mich Mandy dazu dingen irgendwelche zwielichtigen Tropfen während des Physikunterrichts zu mir zu nehmen. Ich wusste nicht einmal was für ein Medikament es war, weil es asiatische Schriftzeichen waren, die auf der Flasche standen. Als mich Mandy eine halbe Stunde lang nervte und auffordete Tropfen des Medikaments vom Tisch zu lecken, schaltete sich Jonathan ein und meinte, dass sie der Ratte einen Tropfen von dem zwielichtigen Zeug geben könnte. Entrüstet schüttelte Mandy den Kopf und meinte, dass sie einem Tier sowas nicht geben könne. Als der Lehrer die Unruhe an unserem Tisch bemerkte, war Mandy wieder ganz ruhig und tat so, als wäre nichts gewesen.
Vermehrt fühlte ich mich isoliert und das vor allem, wenn ich zuhause war. Dies lag keineswegs an meiner Familie oder an Klara, meiner damals einzig wahren Freundin, sondern an diversen anderen Freunden. Eigentlich konnte ich fast niemand außer Klara als guten Freund oder Freundin betiteln. Nicholas hatte kaum Zeit für mich und meinen Bruder, seitdem er seine tolle Clique hatte, sodass wir uns manchmal nur alle zwei bis drei Monate verabredeten. Eine Freundin aus meiner alten Fußballmannschaft fing mich plötzlich einfach an, mich im Chat zu beleidigen und cancelte mir die Freundschaft. Sabina hatte ebenfalls nie Zeit, wenn ich bei ihr anrief und sie fragte, ob wir uns treffen sollten. Jennifer, die ich noch von der Sprachheilschule kannte, sagte an einem Nachmittag zu mir, dass ich mit meinem uncoolen Outfit niemals einen Freund finden würde. Somit blieb mir nur noch Klara, mit der ich mich oft privat traf. Aus diesem Grund feierte ich meinen 17.Geburtstag nur mit ihr und meinen Bruder, da ich niemanden sonst eng befreundet war. Naja, da war immerhin noch Nicholas, aber dieser hatte sich von sich aus bereits zwei Monate nicht mehr gemeldet und deshalb hatte ich keine große Lust ihn auch einzuladen.
Im Spätfrühling, um Pfingsten herum, behandelten wir im Deutschunterricht die Lektüre „Andorra“ von Max Frisch. Hierbei ging es um einen jungen Mann namens Andri, der vom Dorflehrer adoptiert und als jüdisches Findelkind ausgegeben wurde. In Wirklichkeit war Andri der uneheliche Sohn des Lehrers und erlebte im Dorf Ausgrenzung und Anfeindung, weil die anderen Dorfbewohner dachten, er sei ein Jude. Mit Andri konnte ich mich sehr gut identifizieren, denn ich fühlte mich in der Schule genauso abgelehnt wie er sich in seinem Dorf fühlte. In der Klausur schrieb ich mit einer Eins die beste Klausur der Klasse und meine Klassenlehrerin sagte zu mir, dass ich als Einzige die Thematik des Buches 100% verstanden hätte. Die Thematik der Ausgrenzung in „Andorra“ behandelten wir in einem Theaterworkshop. Dazu kam eine Theaterpädagogin an unsere Schule. In einem vierstündigen Workshop stellten wir einige Szenen des Stückes da. Zu Beginn des Workshops gingen wir zum Aufwärmen durch den Raum und machten dazu bestimmte Dehn- und Körperübungen. Auf einmal spürte ich, wie ich angerempelt wurde und dann folgte hinterlistiges mehrstimmiges Gekicher. Als ich mich umdrehte, verstummte es wieder. Ich wusste nicht, wer mich anrempelte und wer darüber gelacht hatte.
Im Anschluss daran sollten wir in Kleingruppen Standbilder bestimmter Szenen darstellen. Ich bekam mit, wie die Gruppe neben uns eifrig diskutierte. Sina, Jonathan und zwei weitere Mitschüler sollten in ihrem Standbild darstellen, wie Andri auf offener Straße angefeindet wurde. Jonathan, der den Andri darstellen sollte, wusste nicht, wie er seine Rolle verkörpern sollte.
„Mach doch so wie Nikola“, hörte ich Sina sagen. Ich traute meinen Ohren nicht. Was sagte sie da? Jonathan sollte sich von Mimik, Gestik und Körperhaltung her so geben wie ich, damit er das perfekte Opfer darstellte? Ich glaubte, ich war im falschen Film! Jonathan schien erst verlegen zu sein, doch dann nahm er die „Opferhaltung“ein.
Am Abend des selbigen Tages besuchten wir die Theateraufführung dieses Stückes am Stadttheater. Ich war schwer beeindruckt von dem Darsteller, der den Andri spielte. Ich fühlte Andris Schmerz nur zu gut und konnte mich mit ihm am besten identifizieren. Auch ich fühlte ich mich allein, obwohl ich zwischen meinen Mitschülern saß. Vor der Vorstellung und während der Pause war ich wieder allein und lief zwischen all den Menschenmengen durch, als wären sie Watte. Ein schöner Trost war immerhin, dass mir die Vorstellung sehr gut gefallen hatte.
Kurz vor den Sommerferien hatte jemand Zettel mit Beleidigungen in mein Etui gelegt. Das war während einer Geschichtsstunde bei einer Gruppenarbeit. Leider bekam ich nicht mit, was hinter meinem Rücken passierte, da ich mit dem Rücken zu meinem Platz saß. Meine Stifte und mein Radiergummi flogen durch die Klasse und mein Etui fand Nora hinter der Heizung wieder.
„Das ist nicht fies gemeint“, sagte Mandy zu mir. „Das war doch nur ein Spaß und ich finde ein wenig Spaß muss zwischendrin auch mal sein.“
Ich glaubte dem was sie sagte nicht, ich deutete es als etwas Schlechtes, weil ich von der Klasse sowieso wie Luft behandelte wurde. In Mandys Gruppe waren außerdem noch Sophia, Tom und Fabian, da hatte ich irgendwie alle gleichzeitig in Verdacht, da Tom und Fabian mir gegenüber nicht wohl gesonnen waren. Natürlich gab es ein Gespräch mit Frau Spinne, aber sie konnte nicht herausfinden wer es war. Ein paar Monate stellte es sich heraus, dass es Mandy war. Doch nun konnte Mandy nicht mehr belangt werden, weil sie nicht mehr auf unserer Schule war. Ich war auch sehr froh, dass Mandy nicht mehr auf unsere Schule ging. Ich liebe solche Menschen, die vorne herum nett waren und hinterm Rücken eine Hetzjagd veranstalteten.
Kurz nach dem Ferienbeginn lief ich zum letzten Mal für unsere Fußball-Damenmannschaft auf. Es war mein letztes Spiel und ich wollte nicht länger dort spielen. Auch dort fühlte ich mich irgendwie fehl am Platze und wurde selten aufgestellt, obwohl ich regelmäßig trainierte. Hier konnte ich auch keine Freundschaft knüpfen. Ich war wie immer außen vor und wenn ich mitreden wollte, nörgelten mich immer die beiden gleichen Zicken an, ich solle mich nicht in ihre Gespräche drängen. Durch die stetige Zurückweisung verlor ich immer mehr den Mut auf andere zu zugehen. Bei Partnerübungen blieb ich immer als einer der Letzten übrig und wenn wir eine ungerade Anzahl waren, dann machte ich die Übungen mit unserem Trainer.
Zu Beginn der 10.Klasse gab es einige Veränderungen im Klassengefüge. Da eine unserer Parallelklassen aufgelöst wurde, bekamen wir drei neue Mitschüler und zwei Mitschülerinnen. Darunter war auch Kira, mit der ich eine kurze Zeit lang in der 6.Klasse befreundet war. Leider verlief unsere kurze Freundschaft schnell im Sande und ein, zwei Jahre später schien sie mich auch nicht mehr zu kennen. Neben den Neuzugängen, musste Mandy unsere Schule nach der 9.Klasse verlassen. Ich fuhr es erst später, dass sie eine Hetzjagd hinter meinem Rücken gegen mich organisierte. Sie selber hatte auch kaum richtige Freunde bei uns in der Klasse, sondern nur larifari-Freunde. Keiner weinte ihr eine Träne hinterher und nach wenigen Tagen wurde ihr Name nicht mehr erwähnt.
Am ersten Schultag erfuhren Luzia und ich, dass Sophia vier Monate wegen ihrer Krankheit im Krankenhaus bleiben musste. Luzia war geschockt und den Tränen nahe. In der Zeit als Sophia fehlte, hielt sich Luzia mehr an mich als sonst. Obwohl sie auch krampfhaft versuchte sich Anna, Sina und Celina anzuschließen. Eigentlich mochte Luzia die Mädchen nicht so gerne, nachdem was sie mir erzählte, aber dennoch wollte sie nicht mit mir im Abseits stehen. Ich fühlte mich in der Schule doch ziemlich einsam, obwohl ich Luzia als Freundin wieder zurückgewann. Dennoch ließ Luzia keine richtig enge Freundschaft zu und hatte fast nie Lust sich privat mit mir zu verabreden. Doch in dieser Situation hätte ich eine richtig enge Freundschaft gebraucht. Ich war häufig traurig und manchmal den Tränen nahe. Einmal im Englischunterricht lief ich, als die Lehrerin kopieren war, aus der Klasse, weil ich nicht vor den anderen weinen wollte. Es war furchtbar sich so zu fühlen.
Richtig grässlich fand ich, dass die Mädchen allesamt eingehakt oder Händchen haltend durch die Schule liefen oder sich ständig in den Armen lagen. Vor allem Sarah, Marie, Felicitas und ihre Freundinnen taten es ständig. Schon seit der 5.Klasse liefen sie eingehakt umher, aber so richtig darüber bewusst wurde es mir ab der 8./9.Klasse. In 2er- bis 6er-Reihen blockierten sie ständig die Flure und Gänge. Auch andere Mädchen taten es ihnen gleich. Dadurch, dass sich niemand bei mir unterhaken oder mit mir Hand in Hand gehen wollte, bekam ich noch mehr zu spüren, wie allein und ausgegrenzt ich war. Ab dem zweiten Halbjahr der Zehnten begannen viele Mädchen auch einige ihrer besten Kumpels unterzuhaken, während man mich immer noch fleißig mied. Auch wurde ich nie umarmt, noch nicht einmal am Geburtstag. Auch wenn ich Leuten näher kam, rückten sie immer ein Stück weg. Ich fühlte mich irgendwie, als wäre ich "dreckig" oder von einer "Krankheit befallen"
Manchmal versuchte ich mich auch mit Marie und Sarah zu unterhalten, die ich eigentlich ganz okay fand. Gleich zweimal fuhr mir Sarah mit den barschen Worten "Das geht dich nichts an!" über den Mund. Ich war verletzt und hatte Tränen in den Augen, weshalb ich zur Toilette rannte. Falls ich mir nicht das Weinen verkneifen konnte, dann durfte es nicht vor all den anderen passieren. Jetzt trug die sonst so gutmütige und ruhige Sarah dazu bei, dass ich mich bald gar nichts mehr traute zu sagen. Abgewiesen und ausgegrenzt hatte sie mich schon länger. Ich wusste ganz genau, dass sie nichts gegen mich hatte, aber sie war genauso ein Schisshase wie Marie und ein paar andere Mitschüler, die mich leiden konnten, aber es nicht trauten offen zu zeigen. Generell hatte ich eine Riesenabneigung zu den Worten "Das geht dich nichts an!" entwickelt. Das sagte man eigentlich nur, wenn man jemanden hart abweisen wollte. Genau das wollten meine Klassenkameraden. Sie wollten, dass ich schwieg und nicht meinen Senf dazu gab.
Oberstes Gebot war, dass nur "angesagte" Klamotten getragen wurden. Malory, Elias und Lotta wussten ganz genau, welche Klamotten "Go's" und welche "No's" waren. Besonders Malory hatte mit den "coolen" Kids Kontakt und wusste daher, was "in" und was "out" war. Früher fragten Malory und Lotta mich häufiger, ob ich mit ihnen in die Stadt gehen wollte. Nun gingen sie stattdessen mit Marie, Aylin, Sarah und Co in die Stadt, um sich mit ihnen neu einzukleiden. Ein unbedingtes "Musthave" waren in den Jahren 2010 und 2011 Röhrenjeans. Die musste einfach jeder tragen. Dafür waren Schlag-, Wander- und Cordhosen richtig out und wurden mit schiefen Blicken bedacht. Auch ich legte mir zwei Röhrenjeans zu, aber auf die Chucks, die zudem noch nicht mal ein richtiges Fußbett hatten, hatte ich keine Lust. Stattdessen bevorzugte ich bequemere Adidas-Sneaker. Nasenrümpfend bemerkten einige Mädchen aus der einen Nachbarklasse, dass dies "Jungenschuhe" seien. Trotzdem blieb ich meinem Style treu. Als ich mir blonde Ströhnchen in meine dunkelblonden Haare machen ließ, war die Meinung geteilt. Einige Mitschüler betonten, dass mir blonde Strähnen stünden. Dennoch bekam Sophia mit, wie sich ca. ein Drittel der Klasse über meinen neuen Look lustig machte. Generell passte ich mich äußerlich dem "Mainstream" zunehmend an, doch ich merkte schnell, dass ich dadurch nicht beliebter oder unbeliebter wurde.
Kurz vor den Herbstferien stand ein Betriebspraktikum an, welches zwei Wochen dauerte. Ich absolvierte meins in einer Umweltbehörde. Als ich am ersten Tag dort ankam, staunte ich nicht schlecht, als ich zwei Mädchen aus der Parallelklasse in der Eingangshalle traf. Lara und Kim kannte ich nur flüchtig. Ich hatte bisher weder gute noch schlechte Erfahrungen mit ihnen gemacht. Da ich nicht unhöflich war, grüßte ich sie und prompt verabredeten wir uns für das Mittagessen in der Katine. Dabei fiel mir schon von Anfang an, dass Lara deutlich freundlicher und aufgeschlossener zu mir war als Kim. Kim zeigte sich ein wenig reserviert und rollte kurz mit den Augen, als ich mich Lara unterhielt. Sie brachte noch nicht einmal ein "Hi" über die Lippen, sodass ich mich in ihrer Gegenwart wie ein Eindringling fühlte und dies war beileibe kein schönes Gefühl. Es schien so, dass mir mein "Ruf" wieder vorauseilte. Somit erhielt meine Vorfreude schon am ersten Tag einen Dämpfer. Doch meine anfänglichen Befürchtungen, dass das Praktikum irgendwie blöd werden könnte, trafen zum Glück nicht ein. Die Kollegen aus meiner Abteilung waren sehr freundlich zu mir und ich wurde von einem älteren Kollegen gut in meine Aufgaben eingearbeitet.
Als ich in der Pause mich mit Lara und Kim in der Kantine traf, hatten sie ein Mädchen mit blonden, gewellten Haaren bei sich. Lara stellte mir dieses Mädchen als Kristina vor. Laut Lara saßen sie und Kristina im gleichen Büro. Nun waren wir zu viert und das passte genau, da in der Kantine an den meisten Tischen vier Leute sitzen konnten. Während sich Lara und Kim miteinander unterhielten, hörte ich die meiste Zeit nur zu. Auch hier hatte ich wieder da Gefühl, dass ich höchstens geduldet war. Was in mir wiederum ein blödes Gefühl in der Magengegend und inneren Stress auslöste war, als die beiden Kristina anfingen in ihre Aktivitäten miteinbezogen, mit ihr Handynummern austauschten und nach der Praktikumszeit in die Stadt gingen, während ich nicht gefragt wurde. Auch wenn vier eine gute und vor allem gerade Zahl war, so war ich wieder das fünfte Rad am Wagen. Wieder hatte ich das Gefühl, dass dies überwiegend an Kim lag, die sich ziemlich abweisend mir gegenüber verhielt.
Einmal nahm eine Mitarbeiterin mich und Kim zusammen mit auf einen ganztägigen Außentermin. Obwohl ich versuchte, ein lockeres Gespräch mit Kim anzufangen, schlugen alle meine Versuche fehl. Sie kriegte ihre Zähne nicht auseinander und einmal blaffte sie mich wegen einer kleinen Nichtigkeit an, sodass meine Motivation mit ihr zu reden, in den Keller ging. Im Auto machte sich eine bleiernde Atmosphäre breit, denn auch die Mitarbeiterin der Behörde war nicht besonders zu Gesprächen aufgelegt. Wieder hatte ich das Gefühl, dass es an mir lag und dass ich irgendwas "Nerviges" an mir hatte. Ich war mehr als erleichtert, als der Tag vorbei war. Am darauffolgenden Tag erlebte ich Kim in der Gegenwart von Lara und Kristina wieder als ganz normal gesprächig und viel mehr bestätigte dies, dass Kim irgendetwas gegen mich hatte. Einmal als Kim krank war, kam ich wunderbar mit Lara und Kristina aus, sodass wir nach Feierabend zusammen ein Stück Kuchen aßen.
Nach den Herbstferien hatte die Schule mich leider wieder. Zusätzlich zu der Ablehnung meines gesamten Jahrgangs wurde ich von ungefähr 6 bis 8 Jungs aus unteren Klassen und aus der benachbarten Realschule gehänselt und mit Schmährufen bedacht. Ich kannte diese Jungs vom Bolzplatz. Dort traten sie als Clique auf und mobbten dort wiederholte Male meinen jüngeren Bruder und einen guten Kumpel von mir. Da ich meinen Bruder und meinen Freund oft in Schutz nahm, hatten sie es auch auf mich abgesehen. Deshalb warfen sie mir, wenn sie mich in der Pausenhalle sahen, irgendwelche Gemeinheiten an den Kopf oder machten sich über mich lustig.
"Ihhh, was stinkt denn hier nach Fisch?", grölte der eine durch die Pausenhalle.
"Bah, das kann nur Niikoolaa sein", antwortete einer seiner Kumpels feixend. Ich wehrte mich verbal, aber allein gegen eine handvoll Angreifer war man meist unterlegen. Dies passierte vor den Augen meiner Klasse und fast niemand griff ein. Das war noch viel verletzender als die Schmähungen. Manchmal nahmen mich Luzia und Sophia in Schutz. Wenn die Idioten mitkriegten, dass sich Leute auf meine Seite stellten, dann verzogen sich die kleinen Feiglinge schnell.
Generell ging es mir auf gutdeutsch "beschissen" und hatte immer wieder die "schwarze Katze" zu Besuch. So nannte ich damals meine depressiven Verstimmungen. Ich nahm sogar die Hilfe unserer Beratungslehrerin Frau Spinne in Anspruch und hatte gefühlt alle zwei bis drei Wochen bei ihr einen Termin.
„Nikola, ich weiß echt nicht, wie wir dir helfen können. Ich finde überhaupt nicht, dass du gemobbt oder von deinen Mitschülern angegriffen wirst. Was ich wohl sehe, dass du immer wieder alleine bist. Ich weiß nicht warum, aber ich würde an deiner Stelle einen Psychologen oder einen Sozial-Couch aufsuchen. Er kann dir bestimmt weiter helfen“, legte sie mir ans Herz. Frau Spinne konnte eigentlich darüber nicht urteilen, sie hatte uns nur vier Stunden pro Woche und sie beobachtete uns in nicht in den Pausen. Hätte sie es getan, wäre es ihr garantiert aufgefallen, dass ich keinen Anschluss hatte.
Frau Spinne hatte mir versprochen mit der Klasse über das Thema zu reden und etwas gegen meine schlechte Situation zu tun, aber daraus wurde nie etwas. Sie war total ratlos, wenn es um Mobbing ging. Dabei hatte sie speziell dafür eine Ausbildung absolviert, doch bei ihrem Auftreten konnte ich es ihr nicht glauben. Auch meine Klassenkameraden nahmen sie nicht ernst, weil sie sehr chaotisch, vergesslich und verpeilt war. Was soll eine Person gegen Mobbing ausrichten, die keiner ernst nimmt. Mich nervte es am Meisten, dass sie unserer Klasse in dem Himmel lobte.
„Ihr seid die netteste und Liebste Klasse, die ich in meinem Leben hatte“, schwärmte sie. Unsere Klasse war bei Weitem nicht "lieb und nett", wie stets von Frau Spinne behauptet wurde. Nicht wenige Lehrer und sogar die Kids aus der 8. und 9.Klasse beschwerten sich über das unmögliche Verhalten bei unserer Klassenlehrerin.
Zu Beginn des 2.Halbjahres bekamen wir eine neue Mitschülerin, die Elena hieß. Sie war relativ klein und zierlich, hatte schulterlange rotbraune Locken und wirkte sehr ruhig. Schnell erfuhr ich, warum sie kaum redete. Als ich ihr in der ersten Pause die Schule zeigte, erzählte sie mir, dass sie stark stotterte und eine ausgeprägte Sprachbehinderung hatte. In der kommenden Kunststunde ging der nächste Ärger los. Ich saß mit drei weiteren Mitschülerinnen in einer Viererreihe und ausgerechnet ich sollte meinen Platz räumen, damit Elena dort sitzen konnte. Stattdessen sollte ich ganz alleine in der letzten Reihe sitzen.
„Nein, ich will dort sitzen bleiben", beharrte ich.
„Bitte, Nikola, Elena ist ganz neu und soll Anschluss finden", versuchte meine ehemalige Freundin Kira mich umzustimmen, worauf ich sie grimmig anschaute. Der Dialog ging gefühlte zehn Minuten. Kira und ihre Freundin Johanna redeten so lange auf mich ein, bis ich nachgab. Nun hockte ich ganz alleine in der letzten Reihe und saß mit einer "Minusmotivation" an meinem Bild. Auf einmal überkam es mich, sodass ich aus dem Kunstraum rannte und vor der Tür bitterlich anfing zu weinen. Nun war ich wieder diejenige, die ganz an den Rand geschoben wurde. Natürlich war mir auch niemand gefolgt, um nach mir zu sehen.
Während ich vor der Tür weinte, kam unsere Kunstlehrerin, die damals noch Referendarin war, vom Kopieren wieder und fragte mich schockiert, was los sei. Ich erzählte ihr kurz vor dem Vorfall und sie bot mir an, dass ich noch weitere fünf bis zehn Minuten vor der Tür verweilen durfte. Derweil kamen drei Zwölftklässlerinnen an mir vorbei, die sich nach mir erkundigten und mich kurz trösteten. Erst in der nächsten Kunststunde wurde der Vorfall besprochen und eine neue Sitzordnung vereinbart, sodass ich nicht ganz alleine sitzen musste.
Wieder versuchte ich mich mit einer neuen Mitschülerin anzufreunden und war sehr nett zu ihr. Dennoch ließ mich Elena kaum an sich heran, sodass auch dieser Versuch eine neue Freundschaft zu knüpfen, im Sande verlief. Als Elena im Musikunterricht mehrmals Stücke auf dem Klavier und dem Keyboard vorspielte, wurde sie gleich von Sarah und Marie gefragt, ob sie nicht ihrer Band und dem Jugendorchester beitreten wollte, indem sie und ihre Freundinnen spielten. Nun verbrachte Elena die Pausen meist mit Sarah, Marie, Sina und ihren Freundinnen. Zwar stellte ich mich oft dazu, aber ich konnte kaum mitreden, da sich ihre Gespräche oft um Musik, Pferde, Fantasyromane und Mangas drehten. Auch Luzia stand oft in der gleichen Ecke wie sie und konnte selbst wenig bei den Gesprächen beisteuern. Dennoch wurde sie im Gegensatz zu mir manchmal in die Gespräche mit einbezogen. Sagte ich mal etwas, wurde es von null auf hundert still und manchmal drehten sie mir einfach den Rücken zu.
Selbst als ich zu meinem 18.Geburtstag sieben Leute aus meiner Klasse einlud, kamen nur Luzia, Malory und Marie. Elena und Sophia sagten mir ab, da sie an dem Wochenende keine Zeit hatten. Die anderen beiden waren einfach nicht erschienen und hatten mir vorher auch nicht Bescheid gesagt. Erst als ich Malory auf meinem Geburtstag fragte, wo die anderen beiden blieben, gab sie mir die pampige Antwort, dass sie einfach nicht kämen. Generell gestaltete sich der Abend als merkwürdig. Marie und Malory saßen während der Feier in unserem Partykeller lustlos in der Ecke. Selbst Luzia, die eher verklemmt war, wippte ein wenig zur Musik mit. Als ich gegen Mitternacht schließlich 18 wurde und meine Geschenke ausgepackt hatte, gingen Luzia, Malory und Marie wieder nach Hause, sodass nur noch meine vier wahren Freunde blieben, mit denen ich bis um drei Uhr morgens feierte.
In der Mitte des zweiten Halbjahres bekam ich mit, dass es meiner Klassenkameradin Sophia ebenfalls ziemlich schlecht ging. Sie schwänzte sehr häufig die Schule, nachdem sie aus der Klinik wieder kam. Luzia und ich haben mit ihr ein Dreiergespann aufgemacht, weil wir sozusagen von der Außenwelt abgeschnitten waren. Ich war ziemlich in meiner Isolation gefangen, obwohl das schlimmste Mobbing schon vorüber war. Ich merkte es daran, dass ich von meinen Schulkameraden gar nicht oder nur spärlich begrüßt wurde. Ich blieb als Letzte bei Gruppenarbeiten übrig, deshalb hasste ich Gruppenarbeiten. Ich arbeitete meist mit Sophia und Luzia zusammen. Einmal mussten wir in Erdkunde etwas zusammen ausarbeiten, dazu mussten wir uns privat treffen. Jedes Mal trafen Luzia und ich uns, aber Sophia blieb fern. Ab März schwänzte sie nur noch und unseren Erdkundevortrag mussten wir nun zu zweit halten. Luzia und ich waren so blöd, dass wir uns von Sophia ausnutzen ließen und ihr die Hausaufgaben und Schulmaterialien gaben. Kurz vor den Sommerferien lieh sich Sophia Luzias Französischmappe aus, doch Sophia kam darauf zwei Wochen nicht zur Schule und ihr passierte ein Malheur. Die Colaflasche in ihrer Tasche lief aus und versaute die ganze Mappe. Sophia schrieb mir per Facebook, dass sie morgen wieder zur Schule kommen würde und die Mappe komplett neu gestalten möchte. Gekommen war sie dennoch nicht. Kurz vor Schuljahresende brachte Sophia die Mappe in die Schule mit und drückte sie Luzia in die Hand. Luzia bekam einen Schock, die Mappe war immer noch ganz braun von der Cola und verschmutzt. Luzia war geknickt und den Tränen nahe, sodass ich sie trösten musste.
Luzia bekam trotzdem eine gute Note und unsere Französischlehrerin lobte sie wegen ihrer Kameradschaftlichkeit. Luzia und ich beschlossen, Sophia zur Rede zu stellen und ihr weniger Beachtung zu schenken. Ich fand so einen Verhalten auch unmöglich und ich hielt lieber zu meiner richtigen Freundin als zu so einer gemeinen Gans. Luzia und ich beschwerten uns wegen Sophias Verhalten bei unserer Klassenlehrerin, die ihr Fehlverhalten wieder nur entschuldigte.
„Sophia kann nichts dafür, sie leidet an heftigen Depressionen und deshalb weiß sie nicht, wie sie auf andere wirkt“, meinte Frau Spinne. Ganz links liegen lassen konnten wir Sophia nicht, schließlich war sowas ganz ganz schrecklich und ich wusste genau, wie es es war, wenn niemand mit einem sprach. Zu dritt schworen wir auch, dass wir nicht am Abschlusszelten der 10.Klasse teilnehmen würden. Stattdessen lästerten Sophia und ich immer halblaut und wünschten, dass es bei der Abschlussfete der anderen einen EHEC-Salat geben würde. Anderen eine schlimme Krankheit zu wünschen, war schon ziemlich hässlich, aber ratet mal was jahrelanges Mobbing mit einem machen kann. Dann wird man selbst aus unbändiger Wut zur Bestie! Irgendwann machen die ganzen Stigmatisierungen einen selbst nicht ganz unschuldig.
Wie immer war ich erleichtert, dass ich wieder ein Schuljahr geschafft hatte. Am Tag der Zeugnisse hatten wir einen Klassenstuhlkreis und jeder, der sein Zeugnis und eine Rose von unserer Klassenlehrerin überreicht bekam, saß für wenige Minuten in der Mitte auf einem Stuhl. Frau Spinne bat darum, dass jedem Schüler, der in der Mitte saß, ein paar freundliche und wertschätzende Komplimente gemacht wurden. Meist zeigten Freundinnen und Freunde desjenigen auf und sagten nette Dinge über ihn oder sie. Auch Elena, die kaum ein Wort in der Klasse sprach, aber mit Marie und Sarah befreundet war, wurde von einigen Mitschülern mit Anerkennung und netten Worten bedacht. Bei Sophia und mir herrschte erstmal schweigende Stille, als wir auf dem Stuhl im Stuhlkreis saßen. Schließlich zeigte Luzia auf und sagte, dass ich eine treue Freundin wäre. Ein anderes Mädchen meinte, ich sei von Natur aus sehr freundlich, hilfsbereit und mitfühlend.
„Nikola ist beharrlich", zeigte Mareike auf.
„Wie meinst du das?", hakte Frau Spinne nach.
„Sie gibt nicht auf, Freunde zu finden", erwiderte Mareike.
Nach dem Klassenstuhlkreis und den verteilten Zeugnissen wurden wir endlich in die Ferien entlassen. Nun umarmten sich die Klassenkameraden gegenseitig. Auch Luzia und Elena wurden von Aylin, Sarah und einigen ihrer Freundinnen umarmt. Da ich nicht fehl am Platz sein wollte, ging ich auf Aylin zu, die gerade Tom und Fabian kurz in den Arm genommen hatte. Abweisend verschränkte sie ihre Arme vor sich und schaute mich grimmig an. Erst als sie sah, dass Frau Spinne neben ihr stand, umarmte sie mich lose und kurz, was wiederum bei mir ein merkwürdiges Gefühl hinterließ.
Im Juli hatte ich zudem noch meine beiden Aufführungen mit der Musicalgruppe, in der ich insgesamt nur ein Jahr Mitglied war. Leider ergab sich auch hier keine Freundschaft und teilweise wurde ich angefaucht, wenn ich mich in Gespräche einbringen wollte. Mal wieder typisch, dass dieses widerliche Gesetz galt: MIT NIKOLA REDET MAN NICHT! Ich bekam solche Dinge zu hören: "Das geht dich doch nichts an!" oder "Halt dich da raus!".
Jedes Mal, wenn ich so angewiesen wurde, verlor ich immer mehr Mut mitzureden und ich verstummte. Ich war nur noch ein passives Mitglied der Gruppe und so wurde ich nur noch geduldet, ohne mich zugehörig zu fühlen. Gegen meine körperlich Anwesenheit war nichts einzuwenden, aber nur gegen meine Stimme, sofern ich sie erklingen ließ. Selbst meine Eltern bemerkten bei den Aufführungen der Musicalgruppe, dass ich nicht richtig dazu gehörte und die Gruppe mich schnitt.
Zum Glück schaffte ich es auf anderen Wegen außerhalb der Schule neue Freund- und Bekanntschaften zu knüpfen. Im Mädchenzentrum meiner Stadt wurde ein dreimonatiges Seminar mit dem Namen "Schluss mit Frust - Sei selbstbewusst!" angeboten, an dem ich teilnahm und dort freundete ich mit Carolin und Julia an. Als ich mich einmal mit Carolin am Anfang der Sommerferien zum Eisessen in der City traf, begneten wir Johanna aus meiner Klasse und zwei ihrer Freundinnen aus der Parallelklasse. Als ich Johanna nur kurz freundlich grüßte, kicherten sie und ihre Freundinnen und drehten sich demonstrativ von mir weg.
"Waren die fies!", bemerkte Carolin und fragte mich, woher ich diese Mädchen kannte. Nun erzählte ich ihr, was mir täglich in der Schule wiederfuhr und meine Freundin erzählte mir, dass sie ebenfalls in der Schule gemobbt wurde.
Als ich ein paar Wochen nichts mehr von ihr hörte, fing ich an mir Sorgen zu machen. Warum schrieb mir Caro nicht mehr? Erst ein Monat später, erreichte mich ein mehrseitiger Brief von ihr: Caro war wegen ihrer Magersucht in einer Spezialklinik, weil sie bei einer Größe von 1,72m inwzischen bei einem Gewicht von 37kg angelangt war und sie dort aufgepäppelt wurde. Ich erfuhr, dass sie wegen dem Mobbing und der daraus resultierenden sozialen Isolation keinen Hunger mehr hatte, sodass sie manchmal nur zwei Äpfel und einen Joghurt am Tag aß. Ich war erschüttert und gleichzeitig wusste ich nun, warum meine Freundin so dermaßen spindeldürr war. Gleichzeitig braute sich eine irre Wut in mir zusammen. Wie konnte eine Schule und ein soziales Umfeld so lange wegschauen, bis sich jemand beinahe zu Tode hungerte?!
Zu meiner riesigen Enttäuschung änderte sich in der Oberstufe rein gar nichts an meiner prekären Situation: Nach wie vor war ich die Außenseiterin, die geflissentlich ignoriert wurde, über die manchmal gelacht wurde und die nie zu Partys eingeladen wurde. Am Anfang der 11.Klasse verließ Sophia unser Gymnasium, da sie in ein betreutes Wohnen für junge Menschen zog und ab sofort in einer anderen Stadt wohnte. Kurz vor ihrem Umzug besuchte sie mich und Luzia während einer großen Pause, um sich von uns zu verabschieden. Ich konnte ihr anmerken, dass sie erleichtert war, da sich an der Schule ebenfalls ziemlich unwohl fühlte. Nach Sophias Weggang noch ein paar ungeheuerlich schmerzhafte Wahrheiten ans Licht, denn Sophia hat bis zuletzt hinter meinem Rücken schlecht über mich geredet und mich als Deppen dargestellt. Von Luzia erfuhr ich, dass Jana und Sophia Kontakt per Chat hatten. Demnach teilte Sophia Jana folgendes mit: „Nikola will sich unbedingt an einem Wochenende mit mir treffen. Ich will mich aber nicht mit ihr treffen. Sollte ich mit der Bahn anreisen, um meine Familie zu besuchen, werde ich einen Zug später oder früher nehmen, um Nikola nicht über den Weg zu laufen."
Was für eine blöde Ziege! Ich war stinkwütend auf Sophia, als ich dies erfuhr und vor Enttäuschung kamen mir beinahe die Tränen. Sophia war keine Freundin, so viel stand nun fest! Sie spielte seit zwei Jahren weiterhin ein falsches Spiel mit mir, nur diesmal hinter meinem Rücken. Oder lag ich etwa falsch? Keine Ahnung, aber zumindest war mal wieder Gaslighting im Spiel, wie sie oft zuvor. Bereits zuvor behauptete Sophia, dass mich die anderen mich partout nicht ausstehen konnten. Währendessen bekam ich manchmal hin und wieder von ein paar anderen Mitschülern gesteckt, dass Sophia mich nicht leiden konnte. Hä? Inzwischen verstand ich gar nichts mehr. Es war ein Verwirrspiel hoch hundert, in dem ich beinahe verrückt wurde.
Darüber hinaus gab es noch eine andere Sache, die mir auffiel. Sophia schien seit ein, zwei Jahren vermehrt Luzia auszunutzen, da diese oft gute Noten in den Klausuren schrieb und ihre Mappe/Hefte immer sehr ordentlich führte. Der Grund, warum Sophia Luzias und manchmal auch meine Nähe suchte, war eben, dass sie ebenfalls keine Freunde in unserer Klasse hatte. Auch sonst hatte sie an der gesamten Schule genauso wenig Schnitte wie ich, während Luzia ein wenig mehr Anschluss zu haben schien. Manchmal versuchten Luzia und ich Sophia zu überreden, dass wir uns mal außerhalb der Schule treffen könnten. Dennoch kam es innerhalb von zwei Jahren nie zu einer Verabredung mit ihr. Luzia behauptete jedes Mal, dass sie keine Zeit hätte, da sie Verwandte besuchte oder viel für die Schule lernen müsste. Luzia und mir war bewusst, dass sie einen "Grund" vorschob und deswegen wagten wir am Ende der 10.Klasse gar nicht mehr danach zu fragen.
Obwohl ich sehr wütend und enttäuscht von Sophias Verhalten war, so tat sie mir auch leid. Ich wusste von ihrer Depression und ihren familiären Problemen. Zudem war sie genauso eine krasse Außenseiterin wie ich. Trotzdem entschuldigte dies längst nicht so ein fieses und vertrauenbrechendes Verhalten. Ich machte mir prompt selbst Vorwürfe, dass ich Sophia so lange vertraut habe. Schließlich war sie noch in der 8.Klasse eine meiner Hauptmobberinnen und ab der Neunten war sie dann überwiegend "scheißenfreundlich", bis auf einige zickige/launische Intermezzo, in denen sie mich zusammen mit Luzia alleine stehen ließ. Da muss es eigentlich heißen: Finde den Fehler!
„Meine Güte, Nikola! Warum warst du nur so leichtgläubig und naiv? Du hättest dieses hinterhältige Ding am besten genauso ignorieren müssen wie die anderen", schalt ich mich in Gedanken selbst. Somit ärgerte ich mich, dass ich diesem Mädchen erneut vertraut hatte und mich letztendlich emotional ausnehmen ließ wie eine Weihnachtsgans.
Gute Freunde waren in der Schule Fehlanzeige. In der 11.Klasse hatte ich leider den Eindruck, dass ich mehr isoliert war als eh und je. Das mag wohl daran gelegen haben, dass ich meinen Schulkameraden nicht mehr hinterher gelaufen war und mich nicht mehr angebiedert hatte. Schließlich es war ein dummes Gefühl sich an Leute ranzuhängen, die einem sowieso keine Achtung schenkten. Lieber verbrachte ich die Pausen allein, als ein duckmäuserisches Anhängsel zu sein. In meinem Englisch-Leistungskurs, im Fußballkurs und bei Werte und Normen fand ich die Ablehnung seitens meiner Mitschüler am Schlimmsten. Dort waren ausschließlich diese ganzen Idioten, die mir jahrelang so böse mitgespielt hatten. Im Fußballkurs wurde ich von meinen Mitschülern kaum wahrgenommen und meist noch nicht einmal begrüßt. Dort hatte ich riesige Probleme bei den Gruppenübungen Partner zu finden. Wenn es am Ende der Stunde ein "Match" gab, wurde ich wie Luft behandelt. Mir wurde selten der Ball zugespielt, egal ob ich mich freilief oder günstig vor dem Tor stand. Merkwürdiger Weise hatte ich es doch geschafft, immer wieder Tore zu schießen. Ich wurde überhaupt nur von Sandra, Fatih oder Mario angespielt. Außer mir waren nur vier weitere Mädchen in meinem Kurs, sie steckten immer die Köpfe zusammen, machten die Gruppenübungen zusammen und nahmen von mir kaum Notiz. Einmal bei einem Spiel sagte Sandra zu Fabian und Tom: „Meine Fresse, bezieht mal Nikola endlich mit ein! Sie spielt die ganze Zeit mit und hatte noch nicht den Ball. Sie kann mehr, als ihr denkt.“
Ich schenkte Sandra ein dankbares Lächeln und bekam einen Pass von Fabian. Ich nahm den Ball an, täuschte einen Pass vor, umspielte einen Gegner, flankte in die Mitte vor die Füße eines Mitspielers und Tooor! Ein Mitspieler klatschte mich ab: „Super gemacht, Nikola!“
In Werte und Normen war mindestens genauso fürchterlich wie der Fußballkurs. Ich musste natürlich wieder alleine an einem Tisch sitzen und hatte keine Möglichkeiten bei Gruppenarbeiten mitzumachen. Wenn ich eine inkorrekte Antwort gab, wurde gestöhnt oder ein überflüssiger Kommentar gemacht. Ich hörte immer wieder: „Typisch, Nikola. So etwas könnte nur sie sagen.“
Ich fühlte mich dort richtig unwohl, da wir einen jungen Referendar hatten, der sich kaum durchsetzen konnte. Herr Schmitz wurde von meinen Kurskameraden überhaupt nicht ernst genommen. Ich hatte ihn nach einem halben Jahr auf mein Problem angesprochen. Er meinte: „Es fällt mir schon auf, dass Sie von manchen Mitschülern gemobbt werden bzw. fies behandelt werden. Es passiert immer auf die subtile Art, dass niemand mit Ihnen zusammen arbeiten will. Ich kann leider nichts machen, da ich selbst nicht ernst genommen werde. Sprechen Sie am besten mit unserer Beratungslehrerin darüber, die kann Ihnen helfen.“
Mein Gott noch mal, ich hatte schon tausend Gespräche mit Frau Spinne gehabt und nie hatte es was gebracht. Sie hatte nicht einmal mit den Leuten geredet, die mich ausgrenzten. Stattdessen legte sie mir nahe, zu einem Psychologen oder zu einem Verhaltenscoach zu gehen, der mir Tipps bezüglich meines Auftretens geben sollte. Mir wurde nahe gelegt selber offener zu meinen Mitschülern sein und mit ihnen reden. Dann würde das alles von alleine kommen.
Vor den Herbstferien war ich bei einem Mobbingberater in einem Nachbarort. Ich hatte mich zwei Stunden mit ihm unterhalten. Er war überzeugt, dass es Mobbing ist, was mir jahrelang in der Schule wiederfuhr. Am Ende des Gespräches legte er mir eine Rechnung vor. Und zack: ich war um 50 Euro erleichtert worden. Eine derbe Abzocke! Er hatte mir vorher am Telefon noch nicht einmal gesagt, dass es Geld kosten würde. Oder war ich einfach nur naiv? Er hatte mir kurzzeitig ein gutes Gefühl gegeben, dass ich mit meinem Bauchgefühl richtig lag. Aber als ich sein Büro verließ, machte sich eine schwere, bittere Enttäuschung in mir breit. Toll! Ich gab einen Fuffi aus, damit mir ein Mobbingexperte bestätigte, dass ich seit Jahren systematisch gemobbt wurde. Mein Vertrauen in freiberufliche Mobbingcoaches war somit innerhalb von zwei Stunden perdu.
Kurz vor Weihnachten war ich zum Kurstreffen von unserem Erdkundekurs gegangen. Herr Schmälert, unser Lehrer, war bekannt dafür, dass er gerne tief ins Glas schaut. Schließlich ging er öfter mit seinen Schülern saufen. Wir trafen uns auf dem Weihnachtsmarkt. Ich hatte mir vorgestellt, dass wir Bratwurst mit Pommes essen und gemütlich über den Markt schlendern. Stattdessen klapperten wir alle Glühweinstände ab, die wir finden konnten. Herr Schmälert gab uns mehrmals Glühwein oder Kakao mit Rum aus. Nach einem Kakao mit Schuss war mein Verstand noch sehr klar. Danach gingen wir zur nächsten Bude, er spendierte für uns eine Runde Glühwein mit Schuss. Das Zeug war richtig widerlich und leider musste ich davon ganze 0,3 Liter trinken. Bei der nächsten Runde schüttete ich meinen Glühwein zur Hälfte unauffällig weg. Herr Schmälert wurde immer lauter und lästerte über manche seiner Kollegen ziemlich fies ab. Ich war darüber ziemlich empört, schließlich sind die Lehrer Vorbilder für ihre Schüler. Kein Wunder, dass die Schüler diese Verhaltensweisen übernahmen, wenn ihnen es so vorgemacht wurde.
Nach sieben Glühweinen mit Schuss war Herr Schmälert nicht mehr zurechungsfähig. Während er seine Glühweine trank, brüllte er über den ganzen Markt: „Lecker, dieser Glühwein ist lecker, lecker, lecker, lecker, lecker geil!“
Am späten Abend war es offensichtlich meinem Kurs nicht genug und wir gingen zum grünen Jäger. Ich trank noch ein Biermischgetränk und ging nach Hause, weil ich am nächsten Tag eine Freundin aus Bielefeld erwartete. Montag in der Schule, als ich den Klassenraum betrat, rief mir eine Mitschülerin entgegen, „Hey, Nikola. Du sollst auf dem Kurstreffen am Freitag total besoffen gewesen sein“ Sie brüllte es durch die ganze Klasse, so dass es jeder mitbekam. Fest stand für mich: Das war mein erstes und letztes Kurstreffen. Generell machte es mich stocksauer, dass über mich geredet (gelästert) wurde, anstatt dass man mit mir sprach.
In den Pausen fiel mir auf, dass die Cliquen- und Freundschaftsstruktur überwiegend gleich geblieben war. Die alten Cliquen aus der Mittelstufe hingen in der Pause gemeinsam herum und das bedeutete für mich: keine Chance. Ich versuchte mich mit Luzia zu unterhalten, was nicht immer einfach war. Stand sie mitten im Pulk meiner alten Klassenkameradinnen und da kam ich nur schwer an sie heran. Sie grüßte in dieser Situation auch nicht von alleine oder sprach mich an. Meist musste ich auf sie zugehen und manchmal bisschen aufdringlich werden, was mir wiederum auch unangenhem war. Obwohl Luzia nicht richtig gut mit Felicitas, Sarah, Marie, Aylin und den anderen Mädchen befreundet war, stand sie sehr oft bei ihnen. Manchmal wurde sie z.B. von Sarah mit in die Gespräche einbezogen. Sie war um Einiges beliebter als ich, aber was daran lag, dass sie als "Hausaufgabenhilfe“ oder als „Kalender“ fungierte. Gott sei Dank gab es Tage, an denen wir uns doch richtig gut unterhalten konnten. In Mathematik saß sie neben mir und half, wenn ich etwas nicht auf Anhieb verstand.
Auch bei einer Jahrgangsveranstaltung gesellte sich Luzia zu vier Leuten aus ihrem Englischkurs. Ich setzte mich zu ihr, aber Luzia redete stattdessen fast nur mit Mary. Alle Versuche mich am Gespräch zu beteilligen schlugen fehl. Es wurde so getan, als würden sie mich nicht hören. Als Mary auch noch Süßigkeiten austeilte, wurde ich übergangen. Ab diesen Moment beschloss ich mich von ihnen wegzusetzen und mitten in der Veranstaltung schaffte ich es nicht meine aufsteigenden Tränen zu unterdrücken, sodass ich geräuschlos weinte. Nun wurde mir geradezu deutlich vor Augen geführt, dass ich die uncoolste/unbeliebteste Person im Jahrgang war und ich es nicht wert war, dass mit mir ein paar nette Worte gewechselt wurde.
Auch Luzia war manchmal ziemlich von unseren Mitschülern "bedient". Sie äußerte sich zum ersten Mal negativ über unsere Schulkameraden, als wir zu einer Messe nach Köln gefahren sind. Die Leute hinter uns im Reisebus turnten auf ihren Sitzen oder auf den Gängen herum und machten durchgehend Lärm. Mareike brüllte immer wieder durch den ganzen Bus: „Mach die Schotten dicht, Olaf!"
Olaf, das war der Busfahrer, der uns nach Köln fuhr und sich zu seinem Leid vorher vorgestellt hat. Draußen war es Winter, deshalb forderte Mareike, dass man die Türen und Fenster (Schotten) schließen sollte. Irgendwie konnte ich verstehen, dass Mareike kalt war. Gleichzeitig schockierte es mich, wie respektlos sie mit einem erwachsenen Mann umging, den sie nicht kannte. Luzia war von dem kindischen Verhalten unserer Jahrgangskameraden sehr genervt gewesen, aber mir ging es auch richtig auf den Zeiger. Nach der Messe durften wir uns frei in Köln bewegen. Luzia und ich liefen zum Dom und aßen eine Currywurst. Wir kamen danach auch wieder pünktlich zum Treffpunkt zurück. Leider hatte das uns nichts genützt, denn unsere Schulkollegen waren in irgendwelche Stadtbahnen gestiegen und hatten die Orientierung verloren. Fabian und seine Freunde waren mit der Straßenbahn zum Stadion gelangt und wussten nicht, wie sie zurückkamen. Erst mit knapp einer Stunde Verspätung konnten wir wieder in Richtung fahren. Luzia und ich waren darüber etwas verärgert.
„Wenn wir mit über einer Stunde Verspätung zurück kommen, dann kann ich meine Klavierstunde knicken", schimpfte meine Freundin.
Luzia war meine einzige "Schulfreundin". Manchmal gab es Momente, da war sie ziemlich merkwürdig drauf, als stünde sie auf der Seite der anderen, um bloß nicht anzuecken. Sie machte im Gegensatz zu mir bei den meisten Mottotagen mit. Beim Mottotag "Penner" äußerte ich mich ein wenig verächtlich, weil alle aus unserem Jahrgang in Jogginghosen und Tennisstrümpfen erschienen.
„Die sind alle so unkreativ, bestimmt haben sich alle abgesprochen, was sie anziehen wollen", lästerte ich in der Gegenwart meiner Freundin. Ja, auch ich konnte lästern, vor allem nachdem ich jede kleinste Bemühung eine Freundschaft aufzubauen eingestellt hatte. Sollten diese einfältigen Idioten doch denken, was sie wollten. Ich schiss mittlerweile auf ihre Meinung. Luzia passte diese Einstellung zu unseren Schulkameraden gerade gar nicht.
„Wenn du die ganze Zeit so lästerst und auf stur stellst, brauchst du dich über deine Unbeliebtheit nicht zu wundern!", wies sie mich rechtl laut und scharf zurecht, sodass der ganze Innenhof es mitbekam. Ihre Worte schlitzten mich geradezu auf.
„Mir doch egal!", erwiderte ich pampig.
„Super, dann wirst du später auch im Beruf Probleme kriegen und achtkantig gefeuert werden", fuhr sie mich an, sie wandte sich Jana zu und dann ließ sie mich stehen. Die Tränen rollten mir über mein Gesicht. Meine Güte, war das eine Abfuhr! Nun stellte meine "beste" Schulfreundin mich als unkooperativ und sozial ungeschickt da. Toll! Mir ging es so mies, dass ich der Geschichtslehrerin "vorlog" Kopfschmerzen zu haben und nach Hause ging. Dort weinte ich mein letztes verbliebenes Meerschweinchen nass, da mein anderes Meeri zwei Tage zuvor gestorben war.
Schulveranstaltungen, wie Vorträge und dergleichen, fand ich schon immer verdammt ätzend. Schulpartys und Kurstreffen vermied ich inzwischen sogar gänzlich. Ich fühlte mich bei schulischen Veranstaltungen noch mehr ausgegrenzt als sonst. Einmal schlich ich mich bei der Projektwoche heimlich davon, aber keiner hat es gemerkt. Ich muss zugeben, dass ich mich etwas "verarscht" fühlte, wenn wir Themen zu Antirassismus und Antisemitismus durchnahmen, aber dann an uns appelliert wurde, dass wir offen und tolerant sein sollten. Offen und tolerant waren meine Mitschüler überhaupt nicht, zumindest nicht mir und anderen Außenseitern gegenüber. Themen wie Mobbing, Ausgrenzung, Gruppenzwang/-dynamik und Depressionen wurden hingegen totgeschwiegen. Dabei hätte es wirklich dringend angesprochen werden müssen. Versteht mich nicht falsch, dass ich Rassismus und Co verharmlosen möchte, natürlich müssen diese Themen auch behandelt werden. Aber warum tat meine Schule dann nichts gegen Mobbing? Zwar sind Mobbing und Rassismus bzw. Antisemitismus nicht das Gleiche, aber beide haben gemein, dass Menschen anhand Äßerlichkeit herabgewertet werden.
Mir stank es, dass bei uns Mobbing so behandelt wurde, als hätte es dies bei uns nicht gegeben. Genau deshalb schwänzte ich immer wieder Veranstaltung der Projektwoche aus lauter Protest. Die Lehrer interessierte es sowieso nicht, wenn wir gingen oder gleich ganz fern blieben. Es hatte wegen Schwänzens noch keine schwerwiegenden Konsequenzen gegeben und dabei hatte bei uns fast jeder einmal geschwänzt. In der letzten Stunde vor den Ferien schwänzte sogar unser ganzer Französischkurs den Unterricht. Irgendwie eine beschissene Mentalität, wo sich unsere Französischlehrerin Frau Schönig immer so viel Mühe für ihren Unterricht gab und sehr freundlich zu ihren Schülern war. Auch die Hausaufgaben in vielen Fächern wurden kaum noch oder unzureichend gemacht. Es blieb den meisten Lehrern ein Rätsel, wie die Schüler mit dieser Arbeitseinstellung ihr Abitur machen wollten.
Das 12.Schuljahr begann mit einem Paukenschlag. Während einer Freistunde logge ich mich bei Facebook ein und stellte fest, ein Schüler hatte ein Penisvideo auf meine Pinnwand gepostet. Es hieß „Sprinter Penis“ und kam von Nippel-TV. Ich versuchte das Video zu öffnen, aber mein Virenschutzprogramm verhinderte es. In der Beschreibung las ich: „US-amerikanischer Sprinter bekommt ne Latte, die ihm aus der Hose rutscht“.
Sowas fand ich total widerlich und pervers! Schockiert löschte ich dieses Video von meiner Seite und schickte eine „unfreundliche“ Nachricht an Daniel, der dieses abscheuliche Video auf meine Pinnwand gepostet hatte. Er antwortete mir kurz später: „Es tut mir leid, das sollte nur ein Spaß sein. Ich wollte dich nicht verletzen.“
Ich nahm seinen Entschuldungsversuch nicht an und schrieb ihm zurück: „Das kannst du ruhig den Hühnern oder deinem Friseur erzählen, aber nicht mir.“
Wenige Minuten später entschuldigte er sich erneut. Ich antwortete diesmal: „Selig sind die geistig Armen. Hast du schon deinen IQ messen lassen?!“
Als Antwort bekam ich von ihm, dass ich mich selber dissen würde und selber einen geringen IQ hätte und in der Schule dauernd versage. Dann fand ich noch mehrere öffentliche Kommentare dieses Jungen. Er hatte ein Bild eines von meinem verstorbenen Meerschweinchen ziemlich abartig kommentiert. Da fielen einmal das Wort „Judenjäger“ und einige andere Schmähungen. Ein paar Freunde von mir hatten das gesehen und waren entsetzt, wie man sowas schreiben kann. Da ich nicht mit Antisemitismus in Verbindung gebracht werden wollte, löschte ich diesen Kommentar schleunigst. Ich war traurig und empört darüber, dass mein verstorbenes Meerschweinchen so dermaßen verpönt wurde. Das war nicht die erste Mobbingattacke über Facebook. Vor einem Jahr wurde auf meine Pinnwand geschrieben: „Nehmen deine Freunde Geld von dir, damit sie deine Freunde bleiben?“
Jetzt hatte ich endgültig die Schnauze voll! Mobbing per Internet ist noch fieser als das normale Mobbing, da es jeder sehen kann. Aber es ist zugleich dämlicher und feiger. Noch an diesem Abend schrieb mich Katja an, die ich noch von der Förderschule eher vom Sehen, als persönlich kannte, da sie damals zwei Jahrgänge unter mir war. Ich hatte sie auch nur deswegen in der Freundesliste, da sie mit meiner besten Freundin befreundet war. Auch Katja fand diese Art der Bloßstellung unmöglich und ermutigte mich, dass ich mich wegen des Videos bei meinem Schulleiter melden soll. Darüber hinaus fand Katja es ziemlich gemein, wie mich meine Mitschüler seit Jahren behandelt haben und versprach mir unter die Arme zu greifen, wenn ich noch einmal so derartig gemobbt werde.
Am nächsten Tag schalteten meine Eltern den Direktor ein. Es gab ein Gespräch mit unserem Schulleiter, dem betreffenden Schüler und mir. Eigentlich wollte ich die Sache allein klären, aber meine Mutter ließ sich nicht mehr bremsen. Sie war ungehalten wütend, dass ihre Tochter schon sieben Jahre an dieser Schule gemobbt wurde. Der Schüler mit dem dummen Facebookeintrag hatte sich noch einmal entschuldigt. Ich machte meinem Ärger wegen dem jahrelangen Mobbing Luft. Der Schulleiter knöpfte sich den Schüler noch einmal richtig vor und kündigt eine Schulkonferenz an, an der ich auch teilnehmen musste. Der Junge versuchte seine Tat zu rechtfertigen und sagte mir, wieso meine Mitschüler mich so merkwürdig behandelten. Angeblich sei mein Englisch abgehakt, ich würde komisch gucken, alte Kleidung tragen und zu ernst sein. Er riet mir cooler und gelassener zu sein. Ich nahm mir davon nichts an, aber gleichzeitig juckte es mich nicht mehr, was meine Schulkameraden über mich dachten. Trotzdem war ich gespannt, was die Schulkonferenz bringen wird. Aus der angekündigten Schulkonferenz wurde nichts. Unser Schulleiter meinte, dass dieses Video nicht schlimm genug gewesen sei. Stattdessen gab es nur einen Tadel für diesen Jungen.
Die Wochen vergingen schnell und die Studienfahrt nach Edinburgh stand bevor. Mir graute es davor, Tag und Nacht alleine zu sein und niemanden zu finden, der sich mit mir das Zimmer teilen will. Am Abend vor der Abfahrt war mir deswegen schon ganz schlecht. Auf der Busfahrt zum Flughafen saß ich alleine. Irgendwann musste ich ganz dringend auf Toilette, aber das wurde mir verwehrt. Meine ehemalige Klassenlehrerin hatte angekündigt, dass während der Fahrt niemand zur Toilette gehen sollte. Da die Busfahrt zum Flughafen fast drei Stunden dauerte, bis ich ich nach fast zwei Stunden sehr dringend auf Toilette. Ich musste richtig betteln, bis ich auf Klo gehen durfte. Gerade noch in letzter Minute. Vor meinen Schulkameraden mir in die Hose zu machen, wäre für mich derzeit die schlimmste Katastrophe auf Erden gewesen.
Auf dem Flughafen war ich ganz random mit Linus ins Gespräch gekommen und im Flugzeug hatten wir auch nebeneinander gesessen. In Edinburgh lief ich oft mit Linus durch die Stadt und haben uns beim Essen mit einer alten Irin unterhalten, die ursprünglich aus Donegal kam. In der Jugendherberge lernte ich noch einige andere nette Leute kennen. Mit der Japanerin Yuka, zwei Iren, einer Belgierin und einem Münchner Studenten haben Andre und ich mehr unternommen als mit unseren eigenen Mitschülern. Ich war sogar mit Yuka in der Princessstreet shoppen und danach gingen wir in eine Pizzeria. Einmal begegneten uns Nora, Celina und Lotta auf dem Bürgersteig vor dem Hostel. Celina und Lotta taten so, als würden sie mich nicht kennen und Nora rannte beinahe in mich und Yuka hinein und schnalzte dabei genervt mit der Zunge. Es war krass und unglaublich verletztend, dass meine Schulkolleginnen nun auf offener Straße in einer fremden Stadt, gar in einem fremden Land, so taten als sei ich eine fremde Person.
Jeden Abend ging ich so spät wie möglich in mein Zimmer, damit ich nicht so lange mit meinen Zimmergenossinnen abhängen musste. Nur manchmal kamen von Nora irgendwelche unfreundlichen Bemerkungen, wenn ich mal was gesagt habe, aber das störte mich nicht. Meist waren meine Mitschüler bis tief in die Nacht in der Jugendherberge unterwegs und haben ziemlich viel Mist gebaut. Innerhalb von wenigen Tagen bekam unsere Gruppe ca. 30 Beschwerden und wir standen kurz vor dem Rausschmiss. Gerade in der vorletzten Nacht war es schlimm. Über die Hälfte unserer Reisegruppe betrank sich und machte Radau bis um drei Uhr nachts. Mindestens zehn bis zwölf Schüler von uns machten Lärm auf den Fluren, rannten durch das Treppenhaus, hörten laut Musik und bollerten gegen fremde Türen. Die Situation eskalierte, als sich vier von unseren Jungs mit englischen Jugendlichen anlegten. Unsere Gruppe bekam mächtig Ärger und wir wurden von den Leuten der Jugendherberge schief angeguckt. Linus und ich waren uns einig: dieses Verhalten war oberpeinlich und wir gönnten es manchen Mitschülern insgeheim, wenn sie auf der Straße hätten übernachten müssen.
Doch zu einem Rausschmiss kam es nicht, meine Schulkollegen rissen sich in der letzten Nacht zusammen. Am nächsten Tag reisten wir wieder ab, einerseits war ich ganz froh darüber, andererseits war ich traurig, dass ich Abschied von Yuka nehmen musste. Es hätte nicht viel gefehlt und ich hätte angefangen zu weinen. Yuka und ich umarmten uns noch zum Abschied, ehe eine wütende Lara angestürmt kam und mich unwirsch von der Seite anmotzte.
„Meine Güte, Nikola, wo warst du?", fauchte sie mich ungehalten an. „Du hast noch gar nicht dein Bett abgezogen und dein Koffer liegt da auch noch offen rum."
„Mir hat aber niemand bescheid gesagt", erwiderte ich leicht verdattert.
„Das wurde schon vor einer Viertelstunde gesagt, dass wir das Zimmer aufräumen sollen", blaffte Lara weiterhin in einem unfreundlichen Ton. In Windeseile zog ich mein Bett ab, packte alle Sachen in den Koffer und kämpfte währendessen mit den Tränen, die ich mir nur mit Mühe und Not verkneifen konnte. Erst auf dem Weg zum Flughafen, als ich mich Linus unterhielt, hellte sich meine Laune merkbar auf.
Am Nikolaustag fand wie jedes Jahr eine Nikolausaktion statt, diesmal bekam sogar ich einen Schokoladenweihnachtsmann und war ziemlich überrascht. Er kam von Linus, was mich noch mehr überraschte. Auf einem kleinen Zettelchen stand: „Für Nikola! Ich will dir sagen, ich habe dich immer noch ganz doll lieb. Edinburgh war so geil mit dir. Dein Linus in aller Liebe!“
Nach der Studienfahrt hatten wir nur noch wenig miteinander zu tun gehabt. Linus wagte sich nicht mehr richtig in meine Nähe, nachdem Mitschüler ihn schief anschauten und ihr Gift versprühten, als er mit mir unterwegs war. In einer Freistunde kaufte ich eine kleine Packung Pralinen für Linus und übergab ihn sie in der zweiten großen Pause. Linus fiel aus allen Wolken.
„Ich habe dir keinen Schokoladenweihnachtsmann geschenkt und ich mache generell bei solchen Aktionen nicht mit“, sagte er überrascht und geschockt zugleich. Mir stiegen vor Enttäuschung Tränen in die Augen. Wie konnte man uns nur so bloßstellen?! Da musste sich ein Idiot sich einen miesen Scherz erlaubt haben und gleichzeitig war derjenige so blöd, dass er für Mobbing zwei Euro ausgab.
„Geht zur Beratungslehrerin, das ist hier eindeutig Mobbing“, riet uns Marilyn, eine Freundin von Linus.
„Macht das auf jeden Fall. Sowas ist total gemein“, fügte Kathleen, Marilyns beste Freundin, hinzu.
Noch bevor es zur fünften Stunde klingelte, gingen Linus und ich zu unserer Beratungslehrerin Frau Spinne.
„Ich kann da leider auf nichts dagegen machen“, sagte die Beratungslehrerin sofort: „Aber trotzdem ist so etwas richtig gemein und kann nicht toleriert werden. Wir können denjenigen nicht ausfindig machen, der dir den Weihnachtsmann geschenkt hat, Nikola!“
Ohne, dass sich etwas an der Tatsache verändert hatte gingen wir wieder weg. Bei der Beratungslehrerin aufzuschlagen, half wie immer gar nicht. Danach waren die eigenen Probleme genauso groß wie vorher. In meinen Augen war Frau Spinne ein zahnloser Tiger. Vor Wut hätte ich am liebsten gegen die Feuerschutztürgetreten, die den Verwaltungstrakt von der Pausenhalle abgrenzte. Egal! Immerhin waren es nur noch ca. drei Monate, die ich in diesem "Schulgefängnis" absitzen musste. Daher dachte ich mir nur: „Schramm drüber: wisch und weg!"
Das letzte Vierteljahr verging wie im Flug, da wir sehr eingespannt waren und sehr viel lernen mussten. Seit den Vorabiklausuren war ich gänzlich abgetaucht und verzichtete auf Discobesuche, Fußball, Freunde und andere Hobbys. Es wurde in der Zeit zwischen Ende November bis Mai fast nur noch gelernt und manche Freunde hatte ich inzwischen seit dem Sommer nicht mehr gesehen. Dass ich von Mitschülern ausgegrenzt und von manchen blöd behandelt wurde, machte mir am Ende der Schulzeit nur noch wenig aus. Erstens ich hatte mich daran gewöhnt, zweitens hatte ich außerhalb der Schule ziemlich viele Freunde und drittens war ich ziemlich abgehärtet. Dennoch langweilte ich mich in den kleinen Pausen fast zu Tode, weil die Gespräche über meinen Kopf hinweg gingen und ich ziemlich abgeschottet auf meinem Platz saß. Nach den Osterferien mussten wir nur noch zu den Abiturprüfungen antreten und somit musste ich mich nicht mehr der Ausgrenzung ausliefern.
An einem Tag, mitten im Mai, betrat ich zum vorletzten Mal das Schulgebäude, um zur mündlichen Prüfung in Geschichte anzutreten. Die Prüfung lief erstaunlich gut, obwohl ich zuerst verdammt aufgeregt war und heftig gestottert hatte. Aber als ich merkte, dass ich Einiges wusste, wurde ich immer selbstsicherer und mein Wissen sprudelte aus mir heraus. Nach der Prüfung wartete ich mit ein paar Mitschülern vor einem Raum, in dem uns die Ergebnisse für die mündliche Prüfung bekannt gegeben werden. Meine Mitschüler standen in kleinen Grüppchen zusammen und unterhielten sich über ihre Prüfungen, während ich nervös mit meinem Glücksbringer spielte und darauf wartete, dass ich aufgerufen werde. Ich war glücklich als ich mein Ergebnis zu hören bekam, das ist das beste Ergebnis, was ich bisher bei Frau Wagner hatte. Zuvor hatte ich keine besonders guten Noten bei ihr, deswegen war ich sehr zufrieden mit dem jetzigen Ergebnis.
Plötzlich schlug meine Aufregung in pure Freude um und mit Vollspeed sauste ich mit meinem Fahrrad nach Hause. Das war der beste Tag seit Langem und endlich fühlte ich mich wieder frei. Nun gab es keine Prüfungen mehr, nachmittags gab es keine Hausaufgaben mehr, ich war meine stoffeligen Mitschüler los und musste die teilweise echt unfreundlichen Lehrer nicht mehr sehen. Yippie! Das musste in den nächsten Tagen richtig gefeiert werden! Ich telefonierte mit mehreren Freunden und verabredete mich für die nächsten Tage. Es war für mich ein besonderes Gefühl, endlich von seinen Fesseln befreit zu sein und gibt enormen Auftrieb. Nie wieder diese Schule, in der ich nie eine besonders gute Schulzeit erlebte.
Ich fuhr nicht mit auf Abifahrt und nahm auch nicht am Abiball teil. An einem Samstag im Juni fand der Abiball statt. Ich saß mit meiner Mutter, Luzia, Sarah und deren Freund. Sarah fing sofort an mit Luzia über ihren bevorstehenden 18.Geburtstag zu schnacken und erzählte, wer noch alles kommen würde. Gefühlt hatte sie den halben Jahrgang eingeladen, aber ich wurde wie immer übergangen. Traurig war ich nicht wirklich, schließlich konnte ich auch Sarah überhaupt nicht mehr leiden, nachdem sie mich ebenfalls jahrelang mit ausgegrenzt hatte. Nachdem ich das Zeugnis überreicht bekam, fuhren wir zusammen mit der Familie essen. Das war viel besser, als mit meinen Schulkamerade zu feiern, die mich über acht Jahre geschnitten haben. Am Anfang der fünften Klasse hatte ich mehr Freunde in der Schule als jetzt. Doch nun war es mir egal, ich werde diese Leute nie wieder sehen. Ein paar Tage später gab ich bei mir zuhause eine große Gartenparty und feierte mein Abitur sowie meinen 20.Geburtstag nach. Daheim im Garten meiner Eltern und ca. 12-15 guten Freunden feierte ich bis in den frühen Morgen hinein.
Leute, eine Sache muss ich euch gestehen: Ich war damals nach der gemeinsamen Schulzeit selbst einmal sehr hinterfotzig. Über Facebook arrangierte ich mit zwei Facebookkumpels selbst eine sogenannte "Dissaktion". Ich fertigte eine Liste mit über 50 Namen an. Das waren Leute, die mir in den letzten acht Jahren immer wieder weh getan haben. Auf der Liste standen die Namen von Celina, Tom, Sarah, Mareike, Sina, Fabian und so weiter. Meine Facebookkumpels fingen an die Auserwählten wüst zu beschimpfen und zu bedrohen. Von Mareike und Sarah bekam ich prompt ne Antwort, sonst meldete sich niemand. Von Felicitas Eltern erfuhr ich, dass sie so heftige Beleidigungen abbekam, dass sie im Urlaub geweint und ihren Eltern erstmal wortlos das Smartphone hingehalten hatte.
Ich muss zugeben: Ich wurde dadurch selbst bei der Aktion zu einer widerlichen feigen Mobberin. Das tat auf der anderen Seite gut. Endlich mal Genugtuung! Nochmal Leute, ohne Grund würde ich niemals sowas Ekliges und Feiges tun. Es war nun mal so, dass ich eine irre unbändige Wut in mir hatte, die mindestens bis zum Jupiter reichte und ab dem Grad verlor ich die Selbstbeherrschung. Aus dem Grund trat ich so so übel nach.
Auf der anderen Seite hätte ich mir gewünscht:
- Marie, Lotta und Sarah: Ich wollte mit ihnen befreundet waren, da sie besonnene und freundliche Charaktere waren. Eigentlich hatten sie einen Sinn für Gerechtigkeit und auch Mitleid, auch wenn sie es nicht offen gezeigt haben. Wären sie mutiger gewesen und hätten eingegriffen, wäre mir so einiges erspart geblieben.
- Tom, Fabian und co: Sie hätten wegen Mobbings, permanenter Unterrichtsstörung und einiger Delikte höhere Strafen kriegen müssen bis hin zu Schulausschluss und Schulverweis.
- Mareike, Sina und Clique: Sie hätten massiven Ärger wegen mehrfachen Mobbings kriegen müssen und man hätte ihnen auch mit härteren Konsequenzen drohen müssen.
- Luzia: Sie hätte mehr zu mir stehen sollen, anstatt sich immer wieder gegen mich zu stellen, obwohl das sauschwer ist. Ich hätte sie mehr und intensiver gebraucht
- Aylin, Nora, Malory und Celina: Auch sie hätten wegen Mobbings und Ausgrenzung gehörig einen auf den Deckel bekommen müssen und auch ihnen hätte man mit Konsequenzen drohen müssen.
-Sophia: Von ihr hätte ich mir mehr Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit gewünscht.
- Lehrer: Warum haben sie nichts bewirken können und haben zum Teil weggeschaut? Ist ihnen nicht entgegangen, dass ich nicht selten mit Tränen in den Augen im Unterricht saß? Sie hätten früher aggieren müssen und die Schüler konsequenter bestrafen müssen. Aber noch wichtiger wäre es gewesen, dass sie einen besseren Draht zu ihren Schülern zu haben, zu sie zu erreichen. Der Lehrer soll ein fairer Leitwolf sein, der die Richtung vorgibt und dann auch kein bisschen Mobbing und Ausgrenzung duldet.
-Schulleiter: Ein Direx soll keine Art von Mobbing dulden und eine strikte zero-tolerance-Politik bei dem Thema führen. Er muss sich durchsetzen und Mobbing so gut wie möglich bekämpfen. Er darf nicht einknicken und muss einen "Arsch in der Hose haben"
Nach den Sommerferien fing ich eine rein schulische Ausbildung als biologisch technische Assistentin an. Ich war sehr gespannt, was mich erwartete und auf wen ich traf. Hoffentlich waren meine neuen Mitschüler freundlicher und offener zu mir. Gleich am ersten Tag lernte ich Giulia, eine Halbitalienerin und Carolin, ein blondes Mädchen aus Münster kennen. Beide fand ich auf den ersten Blick sympatisch und kam mit ihnen ins Gespräch. Wir setzten uns zu dritt in eine Bankreihe, sodass ich zwischen ihnen saß. Die ersten Tage waren prima. Ich kam mit fast allen Leuten prima zurecht und freundete mich zusätzlich mit Irina und Luisa an. Besser konnte es nicht laufen und ich fühlte mich zwischen meinen neuen Freunden pudelwohl.
Besonders mit Guilia verstand ich mich blendend. Wir gingen nach der Schule in die Stadt, aßen gemeinsam Pizza, bemalten zusammen unsere Laborkittel und einmal besuchte ich sie zuhause. Meine Freundin hatte sich eine Überraschung ausgedacht und so sind wir zu ihrer Tante gefahren, die einen kleinen Reiterhof hatte. Ein toller Ausritt wartete auf uns. Es hatte sehr viel Spaß gemacht und ich dachte in Giulia eine gute Freundin gefunden zu haben. In der Schule machten wir fast alles zusammen und arbeiteten im Labor zusammen. Auch mit den anderen Mitschülern lief es prima, so freundete ich mich ebenfalls mit Luisa, Carolin und Nele an. Nur Franzi, ein hellblondes Mädchen, konnte nicht viel mit mir anfangen und machte manchmal zickige Bemerkungen, wenn ich etwas sagte. Das war mir egal, schließlich hatte ich noch die anderen Mitschüler, die total cool waren. Eine weitere Zicke gab es dann noch, das war Alison, ein Mädchen mit schwarz gefärbten Haaren, die sehr unfreundlich wirkte. Immer wenn ich ein paar Reagenzien im Labor von ihrem Tisch nahm, fuhr sie mich zickig von der Seite an, dabei hatte ich sie freundlich gefragt und ich brauchte die Sachen in dem Moment wirklich dringend.
Nach fast zwei Monaten ging es wieder los, wie ich es gewohnt war. Meine "Freundinnen" wandten sich von mir zunehmend ab. Nun machten Giulia und Carolin alle Partnerarbeiten zusammen und ich stand wieder alleine da. Mein Chemielehrer, der schon von Anfang an, ein paar Schüler auf dem Kieker hatte, machte immer wieder dumme Bemerkunngen über mich und Irina. Er nannte mich vor allen "lahme Ente" und behauptete, dass ich Probleme bekommen würde, wenn ich weiterhin so langsam sei im Labor. Ich war wirklich nicht die Schnellste, aber dafür gründlich und genau. Jedes Mal wenn ich nicht schnell genug war, wurde ich von der Seite angeherrscht. Das waren die Tage, an denen ich mich nicht mehr so wohl fühlte und ich mir innerlich Vorwürfe machte, warum ich gerade diese Fachschule gewählt hatte. Ich redete mit Monika, der Klassensprecherin darüber, dass ich mich unwohl fühlte. Aber die meinte nur, dass es auch an mir läge, dass die Mitschüler nicht gut mit mir zurrecht kämen.
Noch schlimmer wurde es nach den Herbstferien. Jeden morgen als ich die Klasse betrat, verstummten die Leute und drehten mir den Rücken zu. Fast niemand grüßte mich. Giulia und ihre Freundinnen blockierten mit Stühlen den Weg zu meinem Platz. Inzwischen hatte man mich so positioniert, dass ich ganz außen am Rand zur Wand hin saß. Jedes Mal wenn ich durch wollte, musste ich die Mädchen mindestens dreimal ansprechen. Guilia legte immer ihre Sachen auf meinen Stuhl und meinen Tisch. Erst als ich sie zweimal aufforderte, nahm sie ihre Sachen weg. Mich nervte es, dass Giulia, Carolin, Luisa und ihre Freundinnen die ganze Zeit redeten und herum alberten. Dadurch bekam ich nur die Hälfte des Unterrichts mit. Sogar die Lehrer schlugen sich auf die Seite der beliebten Schüler und duldeten die Quasseleien und alberten teilweise mit herum.
Um die Adventszeit nahm das Mobbing mehr und mehr Fahrt auf. Jedes Mal, wenn ich mich in den Gesprächen in den Pausen einbringen wollte, fuhr irgendjemand von Giulias Clique über den Mund oder man hörte mir nicht zu. Carolin, Monika und Franzi warfen mir vor, dass man mit mir kein vernünftiges Gespräch führen könnte. Um Weihnachten herum hatten wir ein Mottotag "Weihnachtsmann, Rentier und co", da machte ich mit und stellte mich auf das Gruppenfoto. Allerdings musste ich mir von Guilia und Franzi anhören, dass man mich auf dem Foto nicht dabei haben wollte. Immer wieder geriet ich mit Giulia per Internet oder verbal aneinander. Ich wollte mir es nicht länger gefallen lasse, wie sie mich behandelte. Von da an fingen Alison, Nele, Sophie und co mich an ganz zu ignorieren. Ich fand für das Labor keine Arbeitsgruppe mehr und musste mit zwei Jungs machen, die nicht regelmäßig anwesend waren.
Einen Tag vor den Weihnachtsferien war es so schlimm mit dem Ausgrenzen, dass ich während der Deutschstunde auf den Flur lief, mich unter der Treppe versteckte und dort weinte. Ich musste mir schmerzlich eingestehen, dass das Mobbing wieder angefangen hatte. Ich war wieder ganz alleine. Warum musste mir das immer passieren? Wieso immer ich? Zwei Monate lang war es prima, aber dann fing der ganze Mist von vorne an.
„Nikola, was ist los?", hörte ich die Stimme von meiner Deutschlehrerin Frau Engels.
„Ach nichts", seufzte ich.
„Ich sehe doch, dass mit dir etwas nicht in Ordnung ist", ließ sie nicht locker. Nun erzählte ich ihr die ganze Wahrheit, wobei ich vor Tränen kaum sprechen konnte. Irina, ein russisches Mädchen, bekam mit, wie dreckig es mir ging und tröstete mich während eines Spaziergangs. Frau Engels meinte, man müsste meine Situation in der Klasse mit unserer Klassenlehrerin Frau Horstmann ansprechen. Ihr sei auch aufgefallen, dass die Hälfte der Klasse die Augen verdrehe, sobald ich einen Beitrag zum Unterricht lieferte. Aber Frau Horstmann tat so, als wäre in der Klasse alles paletti und sah keinen Grund für ein Gespräch.
Es ging weiter rund. Wieder wollte mich keiner in der Arbeitsgruppe für das Chemiepraktikum haben. Irina, die mit Giulia und Alison zusammen arbeitete, überredete ihre beiden Kolleginnen, dass man mich aufnimmt. Es wurde ein reiner Spießrutenlauf, sobald es ins Chemiepraktikum gingen. Dauernd musste ich mir gemeine Sachen von Giulia und Alison anhören.
„Beweg deinen Arsch, du Schnecke! Wir machen die verdammte Arbeit für dich mit", fauchte Alison mir ins Gesicht.
„Hallo?! Wie redest du mit mir? Du kannst mich auch freundlich bitten, wenn ich etwas holen soll. Außerdem könnten wir uns besser absprechen, wer was macht", setzte ich mich zu Wehr.
„Halt den Mund, du dumme Nuss", kam die entsprechende Antwort. Damit ich wegen meiner langsamen Arbeitsgeschwindigkeit angemacht wurde, beschloss ich mich zu bessern und studierte schon vorher die Arbeitsanweisungen genaustens durch. Bald war zu merken, dass ich weniger Angriffsfläche bot, da ich schneller und sicherer arbeitete. Die Zickereien nahmen deutlich ab, obwohl ich meine Gruppenkolleginnen immer noch nicht ausstehen konnte. Immerhin hatte ich Irina, die meine einzige Freundin in der Klasse war. Da sonst keiner mit mir sprach, war sie die einzige, die mit mir redete und mit der ich die Pausen verbringen konnte.
Meine Situation in der Klasse besserte sich, da einige Jungs ganz nett zu mir waren. Die Freundinnen um Giulia herum ignorierten mich weiterhin, aber das war mir egal. Ich hatte außerhalb der Schule viele Freunde und Freundinnen, sodass ich meine Freundschaften nicht unbedingt in der Klasse knüpfen musste. Zunehmend fiel mir auf, wie Alison aus Giulias Clique ausgeschlossen wurde. Zu dieser Zeit war Alison sehr impulsiv, weinte schnell und flippte immer wieder aus. Zwar mochte ich sie nicht, aber sie tat mir schon leid. Sie war nach mir, Pierre und Dimitri das vierte Opfer des Zickenclubs, bei dem auch drei Jungs mitmachten. Nun kam es öfter vor, dass sich Giulia und Alison heftig stritten. Einmal fingen sie eine Prügelei im Labor an, wo unser Chemielehrer dazwischen gehn musste. Es war nicht mehr schön mit anzusehen, dass sich unsere Klasse immer mehr in einen Mobberclub verwandelte. Ich war nicht mehr das Opfer an erster Stelle, aber dafür wurden immer Neue auserkoren. Mir passierte nicht mehr viel, außer dass Luisa und Nele mich einmal unsanft gegen eine Wand schubsten, da ich angeblich im Weg stand.
Nach den Osterferien begann das Wunder. Plötzlich konnte ich ganz normal mit Alison reden. Ich hatte ihr gesagt, dass ich es ziemlich mies finde, dass die anderen Mitschüler so gemein zu ihr waren. Irgendwie hatte Alison auf einmal nichts mehr gegen mich. Es war wie verhext, dass wir auf dem Wege waren Freundinnen zu werden. Zwar hatte sie manchmal ihre Launen, aber ich nahm es ihr nicht krumm. In den Pausen war ich nun immer mit Irina und Alison draußen am Fluss unterwegs. Zu dritt unterhielten wir uns häufig, über die Klassensizuation. Am meisten ärgerte uns, dass Monika und Max, die beiden Klassensprecher, die wichtigsten Anliegen nur mit ihren Freunden besprachen und wir davon erst im allerletzten Moment davon erfuhren. Von angeblichen Klassenfeten und Grillabenden erfuhren wir eh immer im Nachhinein. Wunderbar, wie man fünf oder sechs Personen einfach so ausgrenzte! Unserer Lehrer förderten es auch noch, indem sie auf drei oder vier Schülern rumhackten und wiederholte Male vor der Klasse bloßstellten. Das konnten nicht im Ernst Pädagogen sein!
Was mir unglaublich half, war, dass ich mir die Sache nicht mehr zu sehr zu Herzen nahm. Immerhin hatte ich zuhause meine Familie und einen Freundeskreis, mit dem ich inzwischen viel unternahm und bei uns regelmäßig Cocktail- und Grillpartys feierte. Zudem ging ich oft joggen und spielte ich sehr viel Fußball: das sowohl in einer Hobbymannschaft, als ich privat mit einer Handvoll Freunden. Inzwischen ging ich auch mit ein paar Freundinnen regelmäßig Feiern und auf Festivals. Die größte Leidenschaft war dennoch das Schreiben, da ich seit dem Abitur an einer Buchreihe über eine Mädchenbande arbeitete.
Im zweiten und letzten Ausbildungsjahr bekamen wir zwei neue Mitschüler, Joel und Ayla. Joel war ein großer leicht pummliger Junge und Ayla ein türkisches Mädchen mit welligen schwarzen Haaren mit beiden kam ich prima zurrecht. Sie waren längst nicht so kindisch und albern, wie der Rest der Klasse. Allerdings fanden sie auch schwer Anschluss. Dafür machten Alison, Irina und ich viel mit Joel und Ayla zusammen. Ab und zu schlossen sich Pierre und Valentin uns an. Nun war es nicht mehr so schwer Partner für eine Arbeitsgruppe zu finden. Ich bildete mit Irina, Alison und Ayla ein Quartett. Sogar mein Chemielehrer war beeindruckt, dass es mit meinen Noten nach oben ging. Zudem verstand ich mich auf einmal sogar mit Monika und Alena.
Trotzdem merkte ich, dass mindestens die Hälfte der Klasse nicht viel mit mir zu tun haben wollte. Giulia, Luisa, Carolin, Sophie und co waren immer noch so ignorant wie vorher und ließen mich abblitzen. Mir war das allerdings egal, da ich Mitschüler hatte, mit denen ich mich ganz gut verstand. Dennoch hatte es Alison sehr schwer, da sie von einigen Zicken ständig dumm angemacht wurde und die meiste Abneigung zu spüren bekam. In den Pausen ging ich oft mit ihr spazieren und dann lästerten wir richtig über den Zickenclub ab. Am meisten störte uns die Rücksichtslosigkeit die von einigen Mitschülern ausging. Naja, unsere Lehrer peilten auch nicht, was bei uns los war oder sie ignorierten es schön. Ihrer Meinung nach waren wir alt genug, um Konflikte alleine zu klären. Monika versuchte immer wieder zwischen Alison und den Zicken zu schlichten. Allerdings kam es nie zu einer gerechten Lösung, schließlich war Monika mit einigen von den Mobbern gut befreundet.
Mich staunte es, dass ich mittlerweile kaum noch Probleme hatte. Die Zicken ignorierten mich und ich ignorierte sie ebenfalls, also waren wir quitt. Ich konzentrierte mich lieber auf die netten Leute, von denen es doch einige gab. Ich wurde wesentlich selbstsicherer, was bei den Lehrern nicht unbemerkt blieb. Kurz vor den Herbstferien kam es noch zu einem blöden Vorfall, als ich in Englisch einen Vortrag halten sollte. Kaum als ich anfing zu sprechen, hörte ich erstes Gekicher. Auf einmal krabbelten Max, Timo, Giulia, Franzi und auf dem Boden herum.
„Wenn ihr euch nicht sofort auf eure Plätzte setzt, könnt ihr meinen Votrag halten", wies ich sie zurrecht und gab ihnen per Handzeichen zu verstehen, dass sie sich setzen sollten. Zu meiner Überraschung gehorchten sie sofort und ich konnte meinen Vortrag zuende bringen. Dennoch ärgerten sich meine Freunde darüber, dass einige Klassenkameraden sich so kindisch und respektlos verhielten. Unsere verträumte Englischlehrerin Frau Scholle hatte noch nicht mal etwas davon mitbekommen, dabei bastelten die Kindsköpfe dauernd bei ihr aus Papier irgendwelche Tierfiguren und spielten mit ihren Handys.
Zwischen den Herbstferien und Weihnachten kehrte vermehrt Ruhe ein und selbst Pierre, der zuvor oft verspottet wurde, kam inzwischen gut zurrecht. Wir bildeten sogar Lerngruppen und halfen uns gegenseitig bei den Protokollen. Erstaunlicherweise bekam ich sogar manchmal Hilfe von Luisa, Carolin und Isabelle, die sonst immer so abweisend zu mir waren. Offenbar waren sie nicht immer so unfreundlich, so wie sie sich oft zeigten. Jeder Mensch hatte eben zwei Seiten. Was unsere Klassensprecher besser machten, dass sie Themen direkt vor der ganzen Klasse ansprachen. Trotzdem geriet Alison wieder ins Hintertreffen, da sie als Einzige von uns kein WhatsApp hatte. Kurz nach Neujahr hatte unser Chemielehrer Herr Baale Max angeschrieben, dass er die Protokollbücher einsammeln will. Dies tat Max auch in unserer WhatsApp-Gruppe kund, allerdings hatte niemand Alison bescheid gesagt. Leider war mir nicht klar, dass sie nichts davon gewusst haben könnte. Zu spät! Alison war dementsprechend sauer auf Irina, Ayla und mich. Ich sagte ihr, dass ich es nicht mit Absicht getan hätte. Ich dachte, man hätte ihr bescheid gesagt. Zurrecht hatte Alison bei unserer Klassenlehrerin beschwert, die zwischendrin in die Klasse kam und uns gesagt hat, dass wir in Zukunft jeden informieren müssten. Das Verhalten unseres Chemielehrers und der Klassensprecher war in dem Fall wirklich unter aller Kanone.
Im zweiten Halbjahr bekam ich immer häufiger mit, dass über einige Mitschüler gelästert wurde. Natürlich waren es immer Giulia, Carolin, Leonie, Luisa, Monika, Max, Oliver, Sven und Henrike, die ihre Köpfe zusammensteckten und darüber entschieden, wer in und wer out war. Es traf nun immer häufiger Franzi und Hanna, die zuvor auch in der Clique waren. Während Hanna ganz ausgeschlossen wurde, war Franzi noch halb drin im Freundeskreis. Franzi war eben sehr gut in allen Lernfeldern und hatte Bestnoten in all ihren Protokollen. Viele ihrer "Freunde" waren vornherum immer noch nett zu ihr, damit sie von ihr abschreiben konnten und von ihr profitierten. Ich glaube, Franzi hat nie gemerkt, wie sie von denen ausgenutzt wurde. Jedes Mal bevor Franzi morgens in die Klasse kam, wurde darüber gelästert, wie nervig sie sei und das man sich nicht mit ihr abgeben könnte außerhalb der Schule. Von Alison bekam ich mit, dass Franzi nicht mehr zu Verabredungen und Geburtstagsfeten eingeladen wurde.
Wesentlich schlimmer traf es Hanna, die inzwischen ganz außen vor war und von fast allen gemieden wurde. Naja, es war auch nicht leicht, mit ihr in Kontakt zu treten. Oftmals wirkte sie abweisend und desinteressiert, da sie selten von ihren Comics aufblickte und kam reagierte, wenn jemand sie ansprach. Bei Gruppenarbeiten wirkte sie wie das fünfte Rad am Wagen. Vor den Osterferien kam es noch einmal ganz dicke. Wir sollten neue Arbeitsgruppen zusammenstellen für das Labor und mussten neue Partner wählen. Alison, Hanna und ich blieben bis zum Schluss übrig.
„Es ist unnmöglich mit Nikola, Hanna und Alison zusammen zu arbeiten, da sie bei jeder Gelegenehit ausrasten", wagte es Franzi vor der ganzen Klasse zu sagenn, worauf sie sich einen Einlauf von unserer Klassenlehrerin einhandelte. Trotzdem hatten Alison und ich vor Wut Tränen in den Augen. Wenig später kam Franzi doch noch angeschlichen, um sich bei uns dreien zu entschuldigen.
Nun musste ich doch mit Giulia, Sophie und Lilli in eine Gruppe. Lilli gehörte nicht zu den schlimmsten Zicken, aber ich bekam im Labor dauernd irgendwelche schlechtgelaunten Bemerkungen zu hören und sie machte mich verantworlich, sobald etwas nicht klappte. Meine Lust mit ihr zusammen zu arbeiten, sank von Praktikumstag von Praktikumstag stetig. Teilweise setzte mich meine Gruppe ein, um Reagenzien zu holen.
„Ich bin nicht euer Hand, der das Stöckchen bringt", platzte mir eines Tages der Kragen. Besserung war nicht in Sicht, Giulia und Lilli ließen mich meist kaum mitmachen, wenn es sich um Gruppenversuche handelte. Zudem wurden mir manche wichtige Ergebnisse nicht gegeben, obwohl ich höflich danach fragte. So bekam ich Probleme beim Anfertigen der Protokolle. Zwar hatte ich meine eigenen Mitschriften, aber ich brauchte auch noch die Einwagen meiner Kolleginnen, die sie mir entweder nicht geben wollte oder verschlampt hatten. Das hatte zu Folge, dass wir in unseren Protokollen ein paar Vieren kassierten.
Die Zeit verstrich und wir legten unsere Examensprüfungen ab. Im Juli bekamen wir die Ergebnisse. Ich hatte mit soliden bis guten Leistungen bestanden, allerdings waren fast alle meine Freunde durch die Prüfung gefallen, was ich sehr schade fand. Am Tag der Notenvergabe ging ich mit Irina, Alison und Ayla Eis essen. Als Alison und ich später einige Mitschülerinnen trafen, gingen sie uns schnell aus dem Weg. Inzwischen war mir egal, was einige Zicken über uns dachten, sie gehörten nun der Vergangenheit an. "Jetzt bin ich die Idioten los", dachte ich erleichtert, gleichzeitig würde ich die freundlichen Mitschüler und unsere Lehrerin in Zoologie vermissen. Obwohl ich immer mit den Gedanken gespielt hatte, die Ausbildung abzubrechen, hielt ich durch und hatte es allen Kritikern gezeigt.
Eine Woche später fand die Abschlussfeier in Monikas Garten statt. Meine Freundin Chiara war mitgekommen und Irina hatte ihren Freund mitgebracht. Es wurde ein schöner Abend mit Lagerfeuer, Cocktails, Musik, leckerem Essen und Fackeln. Wer hätte das gedacht, dass es zum Schluss nochmal schön werden könnte. Selbst die Zicken und Idioten waren plötzlich ganz freundlich, als wir zusammen saßen und Sangria aus langen Strohhalmen tranken. Trotzdem hielt ich mich an meine richtigen Freunde. Etwas abseits hatten wir es unter einer alten Eiche bequem gemacht. Joel spielte Gitarre und Pierre saß auf einer Sitztrommel, die er mitgebracht hatte. Hanna, die ich dazu geholt hatte, entfaltete ihr Gesangstalent. Ich mochte Hanna wirklich gerne, auch wenn sie anfangs uns gegenüber misstrauisch war.
In diesem Kapitel stelle ich meine heutige Sicht nach all den ganzen Jahren dar. Sowohl auf dem Gymnasium als auch in der schulischen Ausbildung gab es aktiv und passiv beteilligte Personen bei dem Mobbing. Hier erfahrt ihr, wie ich nun über bestimmte Personen denke und warum sie aus meiner Sicht eine bestimmte Rolle während des Mobbingprozesses eingenommen hatten.
Gymnasium
Mitschüler
Ich wurde nie von allen Schülern gleichzeitig aktiv gemobbt, sondern einzelne Personen/Gruppen wechselten sich ab. Mal wurde ich von dieser "Partei" gedisst, gehänselt und bloßgestellt. Zu einem anderen Zeitpunkt wurde ich von anderen Personen und Gruppen gemobbt. Natürlich gab es eine ganze Reihe Wiederholungstäter. Auch wenn ich nicht von allen offen angegangen wurde, eine Sache hatte die Mehrheit der Mitschüler gemein: Sie schlossen mich fast durchgehend aus und das alle zusammen, zur selben Zeit. Somit war die gesamte Klasse und auch der ganze Jahrgang am Mobbingprozess beteilligt.
Lehrer
Die Lehrer schauten entweder weg, trauten sich nicht einzugreifen oder waren ratlos, wie sie am besten intervenieren sollten.
Ausbildung
In der Ausbildung erlebte ich Mobbing durch Ausgrenzung erneut, obwohl es nicht so schwerwiegend wie zuvor war. Ich war verzweifelt und geschockt, dass ich es wieder erleben musste.
Mitschüler
Lehrer
Die Lehrer unternahmen nichts gegen die Mobbing- und Ausgrenzungsstrukturen in unserer Klasse. Meist waren sie auf der Seite der beliebteren Schüler und ignorierten meist die soziale Probleme innerhalb der Klassengemeinschaft.
Mobbing kann Leben zerstören
Mobbing ist wie eine Abrissbirne, die Stück für Stück die Seele zertrümmert. Wird diese Abrissbirne früh genug gestoppt, ist das Ausmaß der Schäden in einem überschaubaren Bereich und können wieder "gefixt" werden. Das Selbstbewusstsein/ -vertrauen und verletzte Gefühle der betroffenen Person können wieder (fast) nahtlos verheilen. Oftmals wird diese seelische Abrissbirne gar nicht oder nur unzureichend gestoppt. Viele Lehrer, Chefs, Abteilungsleiter, Erzieher und Trainer sind überfordert, wenn in ihrer Gruppe Mobbing auftritt und traurigerweise interessiert es einige auch nicht oder sie machen bei der Sache sogar aktiv mit.
Wird Mobbing geduldet und "laufen gelassen", so verfestigt sich diese Situation und ohne Hilfe kommt das Mobbingopfer aus dieser Abwärtsspirale nicht mehr raus. Das kann schwere körperliche und psychische Schäden für die betroffene Person haben. Depressionen, Arbeits-/Ausbildungsunfähigkeit, Sozialphobie, Unfähigkeit Freundschaften zu schließen, (Drogen-, Spiel-)Sucht, Burnout, Selbstverletzung, Selbstmord: Die Liste der Folgen, die während des Mobbings und danach auftreten ist lang.
Mobbing ist brandgefährlich für die Seele, auch stummes Mobbing (Ausgrenzung/Nichtachtung). Es ist schockierend, dass immer noch viele Menschen sagen, dass Ausgrenzung immer noch kein Mobbing sei. Das ist natürlich ein Irrtum. Ausgrenzung ist ein Tatbestand des Mobbing und/oder eine Folge davon, schließlich hat die Schikane das Ziel bestimmte Personen aus der Gruppe heraus zu ekeln (,also zu isolieren).
Wie habe ich die Tortur überlebt?
In erster Linie habe ich überlebt, weil ich sehr viel Rückendeckung durch meine Familie hatte. Ohne sie wüsste ich nicht, ob ich heute noch existieren würde. Vor allem meine Mutter fing mich nach der Schule emotional auf, wenn ich geknickt, wütend oder den Tränen nah heim kam. Beim Mittagessen erzählte ich ihr, was vorgefallen war. Nachmittags ging ich häufig mit ihr spazieren und konnte mir Frust und Sorgen von der Seele reden. In der 5.Klasse entdeckte ich die Leidenschaft für Fußball. Jeden Samstag guckte ich die Sportschau und fieberte mit meinem damaligen Lieblingsverein Hannover 96 mit. Mit meinem Bruder und einer Handvoll Freunden ging ich des Öfteren selbst Fußball spielen und ballerte mir auf dem Bolzplatz den angestauten Frust von der Seele.
Als das Mobbing stärker wurde und sich immer mehr Freunde abwandten, zog ich mich in meine selbsterfundene Fantasiewelt zurück. Diese bestand aus Fußballstars, Schauspielern und Musikern, die ich sehr mochte. Im Geiste unterhielt ich mich mit ihnen und sie schätzten mich sehr wert. Immer wieder sagten, die Menschen in der Fantasiewelt zu mir, dass sie es unfair finden würden, wie man mich in der Klasse behandeln würde und das ich dies nicht verdient hätte. Auch wenn es auf den ersten Blick ein wenig sonderbar scheint für andere Menschen, in einer Fantasiewelt zu leben, war dies eine gute Taktik, um meine Seele über Wasser zu halten.
Als ich 18 war, ging ich immer mehr aus mir heraus: Ich fand neue Freunde/Bekannte auf dem Bolzplatz, im Mädchenzentrum, im Haus der Jugend und im privaten Kreis. Die neuen Freunde, die ich fand, gaben mir eine große Portion Zuversicht und Energie. Endlich konnte ich auch Dinge tun, die junge Erwachsene so machten: Shoppen gehen, im Club feiern und Ausflüge mit Freunden in die Umgebung. Dass ich nun nicht nur meine Eltern hatte, die etwas mit mir unternahmen, war eine große Erleichterung und für mich begann ein Abnabelungsprozess. Mit meinen Freunden ging ich Feiern, in die Eishalle, ins Kino, zum Shoppen in die Stadt, abends in die Bar und im Sommer ins Freibad. Erst ab 18 begann ich meine Jugend nachzuholen, die mir zuvor durch Prozesse der Ausgrenzung und Einsamkeit verwehrt blieb.
Wie fühlte sich das Mobbing damals an
In erster Linie fühlte mich komplett allein gelassen und machtlos. Ich war jahrelang dieser Situation ausgeliefert und wenn das Mobbing mal "Pause" machte, so war ich immer wieder bedroht, dass es wieder von Neuem anfing. Ich war quasi ein "Spielball" der Laune meiner Mitschüler. Ganz willkürlich waren sie freundlich zu mir und dann wieder ohne Vorwarnung verdammt fies. Ich wurde immer unsicherer und leiser. Auch privat zog ich mich zurück. Das unsichere Verhalten spiegelte sich auch in der Freizeit wieder, sodass sich das Mobbing zum Teil auch in meine Freizeitaktivitäten verlagerte. Es war nicht so schlimm, wie in der Schule, aber trotzdem war ich beim Konfirmandenunterricht, beim Fußball, beim Reiten und in der Musicalgruppe "außen vor". Vereinzelt wurde ich auch dort ausgelacht, angezickt und für dumm verkauft. Ich merkte, wie ich sozial nirgendwo richtig ankam. Auch einige Freunde und Bekannte außerhalb der Schule wandten sich von mir ab, als ich zwischen 15 und 17 Jahre alt war. Das war für mich sehr schmerzhaft und deswegen zog ich mich immer mehr zurück.
Als ich 16/17 war, nahmen meine mentalen Probleme zu, sodass ich durch mehrere depressive Phasen ging. Ich konnte nächtelang kaum schlafen, konnte mich kaum noch auf die Schule konzentrieren und fühlte mich ausgelaugt. Wut, Trauer, Verzweiflung, Selbstmordfantasien und Amokgedanken machten sich in meinem Kopf breit. Ich hasste meine Klasse, weil sie mich so massiv ausschlossen. Gleichzeitig war es mein größter Wunsch dazu zu gehören und dort Freunde zu haben. Dadurch, dass ich mich schlecht konzentrieren konnte, blieben meine Noten in den meisten Fächern unter meinen Möglichkeiten. In meinem Kopf drehte sich alles um das Thema Mobbing. Es war so, dass ich in einem endlos drehenden (Gedanken-)Karussell gefangen war. In vielen Fächern hatte ich Dreien oder Vieren. Nur in Sport, Bio, Mathe, Erdkunde, Geschichte und Kunst schaffte ich es oft noch auf eine Zwei oder auf eine gute Drei zu kommen. Auf dem Zeugnis hatte ich meist einen Schnitt zwischen 2,7 und 3,0. Somit blieb ich unter meinen Möglichkeiten.
In der 10./11.Klasse fing ich an zu resignieren und mir war klar, dass ich niemals mehr dazu gehören werde. Der Wagen hatte sich dafür schon viel zu sehr festgefahren. Für mich gab es nur noch eine Sache, die ich unbedingt haben wollte: mein Abi! Ohne mein Abitur wollte ich nicht von der Schule abgehen und ich wollte nicht die Schule wechseln, weil ich Angst hatte, dass mir dies auf einer anderen Schule auch passieren konnte. Also harrte ich aus und zog mein Abi durch, auch wenn es mir sehr viel Kraft raubte.
Wie fühlt sich das Mobbing nach all den Jahren an?
Ich trage nun die Folgen von jahrerlanger Schikane, Ausgrenzung und Erniedrigung immer noch mit mir herum. Ich habe seit Jahren Probleme mit meinem Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl sowie mit selbstbewussten Auftreten vor fremden Leuten. Daher habe ich den Eindruck, dass ich bei Bewerbungsprozessen im Nachteil bin, da es mir ein wenig an Selbstsicherheit fehlt. Zudem plagen mich immer noch Selbstzweifel, die ich auch während der Ausbildung und des Studiums hatte. "Trauen Sie sich doch mal mehr zu", diese Worte meiner Klassenlehrerin in der Ausbildung habe ich immer noch im Ohr. Ja, ich zweifle nicht selten an meinen Fähigkeiten, auch wenn ich keinen handfesten Grund dafür habe.
Viel zu oft wurden meine Fähigkeiten von Mitschülern (und einigen Lehrern) angezweifelt. Nicht selten wurde mir zu verstehen gegeben, dass ich nicht besonders fähig und intelligent sei. Auswirkungen hatte dies auf verschiedene Lebensabschnitte, wie während des Studiums und der Ausbildung. Selbst bei den Fahrstunden kämpfte ich mit (Versagens-)Ängsten und Selbstzweifeln. Ich fuhr anfangs sehr unsicher und brauchte viele Fahrstunden, bis ich sicher Autofahren konnte und deshalb brauchte ich für den Erwerb meines Führerscheins 10 Monate. Generell entwickelte sich bei mir während der Zeit auf dem Gymnaium eine mittelschwere Prüfungsangst, die mir momentan immer noch zu schaffen macht.
Trotz allem verspüre ich auch einen riesigen STOLZ, der mich immer wieder stark macht, wenn ich auf meinen Werdegang zurückblicke. Ich biss mich trotz angeschlagener Psyche durch und schaffte daher Abitur, Führerschein, Ausbildung und Bachelorstudium. Im Endeffekt bin ich mir nicht sicher, ob jeder so ein krasses Stehvermögen mitgebracht hätte. Ich bin schon immer zu stur gewesen, um mich von meinen Vorhaben abbringen zu lassen und ich wollte nicht meine Mobber gewinnen lassen, indem sie mich rausekelten. So gehe ich weiterhin MEINEN WEG und lasse mich von niemanden mehr von diesem Pfad abbringen. Nun weiß ich wer ich bin und darauf bin ich stolz.
Was ich Mobbingopfern mitteilen will
Bitte holt euch Hilfe, wenn ihr das Gefühl habt, ihr werdet gemobbt, angefeindet und ausgegrenzt. Von alleine hört es in den seltesten Fällen auf, sofern es sich einen richtigen Mobbingprozess handelt. Gegen eine Mehrheit von zig Leuten könnt ihr nicht gewinnnen. Vertraut euch euren Liebsten (Eltern, Familie, Ehepartner, gute Freunde), Kollegen/Mitschülern oder eurem Vorgesetzten bzw. Lehrer an. Ihr müsst euch nicht dafür schämen, dass ihr gemobbt werdet. Vielmehr müssen sich Mobber, Mitläufer oder diejenigen SCHÄMEN, die euch alleine hängen lassen. Mobbing kann potentiell jeden treffen: egal ob dünn, dick, reich, arm, klug usw. Häufig reicht es schon aus, wenn ihr euch ein wenig von der Gruppe unterscheidet und andere Vorlieben/Interessen habt. Auch wenn es zuvor einen Konflikt gab, so darf sich niemand das Recht rausnehmen, euch zu mobben, dauerhaft auszuschließen oder auf sonstige Weise zu erniedrigen. Ein Konflikt gehört immer sachlich gelöst, sodass niemand als Verlierer oder Außenseiter hervorgeht. Dies erfordert von Lehrern/Vorgesetzten und allen Beteilligen ein sehr feines soziales Fingerspitzengefühl, damit sich niemand verletzt/brüskiert fühlt.
Wenn ihr in der Situation seid, dass ihr gemobbt werdet, führt auf jeden Fall ein "Mobbingtagebuch" mit Datum, Ort, Uhrzeit, Beteilligten und Art der Tat. Werden Bücher, Hefte, Unterlagen oder Blöcke beschmiert oder Sachen beschädigt, bewahrt diese Dinge als Beweismaterial auf und macht Fotos davon. Solltet ihr körperliche Verletzungen durch eine Mobbingattacke davon tragen, lasst Verletzungen durch einen Arzt dokumentieren und macht Fotos als Beweismaterial. Beleidigungen, Drohungen, Verleumdung und Bloßstellungen im Internet könnt ihr als Screenshots speichern.
Wird das Mobbing immer stärker und schlägt sogar in pure Gewalt/Hass um, scheut nicht davor, weitere Instanzen einzuschalten. Niemand hat das Recht eure Sicherheit zu gefährden, eure Würde zu verletzen, euch körperlich anzugreifen, eure Sachen zu stehlen/beschädigen/verstecken oder euch bloßzustellen. Wenn ihr Schüler seid, wendet euch an Schulleitung oder auch an das Schulamt/Schulaufsichtsbehörde. Als Abeitnehmer kann man sich z.B. an den Betriebsrat oder an die Dienstaufsicht wenden. Ihr könnt, sofern ihr Beweise und Zeugen habt, auf jeden Fall auch zur Polizei gehen, denn euch steht es zu, dass eure Psyche, euer Ruf und euer Körper unversehrt bleiben.
Mobbing in Büchern und Serien
Nun will ich euch einige gute Bücher und Serien nennen, die das Thema Mobbing vorgründig behandeln. Bestimmt kennt ihr die Serie "Tote Mädchen lügen nicht" auf Netflix. Eins vorweg: Diese Serie ist nichts für zarte Gemüter. Es geht um Hannah Baker, die in der ersten Staffel Suizid begeht, weil sie in der Schule gemobbt wurde und zunehmend in die soziale Isolation geriet. In mir rief diese Serie Gefühle wie blinde und nicht endende Wut hervor. Auch bei der Serie "Glee" handelt es sich um eine US-amerikanische Higschool-Serie, in der Themen wie Mobbing, Homophobie, Gewalt und Ausgrenzung behandelt werden. Der motivierte Lehrer Will Schuster gründet einen Show-Chor, dem zunächst nur Außenseiter beitreten. Mit der Zeit kommen weitere Schüler hinzu, die in der Beliebtheitsrangliste weiter oben stehen, wie z.B. Cheerleader und Footballspieler. Auch wenn es zunächst Differenzen und Konflikte gibt, so schafft es Will Schuster aus der zuerst heterogenen Gruppe eine Einheit zu schaffen und das Selbstbewusstsein jedes Einzelnen zu stärken.
Es gibt auch viele gute Bücher, die das Thema behandeln. "Böses Spiel", so lautet der Titel der Autorin Brigitte Blobel. In dem Buch wechselt eine 14-jährige Schülerin auf ein privilegiertes Privatgymnasium, an dem sie vom ersten Tag an, von ihren neuen Mitschülern skeptisch beäugt und ausgeschlossen wird. Damit nicht genug, gipfelt sich das Ganze zu einem handfesten Mobbing und Cybermobbing. Am Ende ist das Mädchen so verzweifelt, dass sie versucht sich das Leben zu nehmen. Ein weiteres Buch, welches mir sehr gefällt, stammt von der Autorin Astrid Frank und heißt "Unsichtbare Wunden". Hierbei geht es um ein junges Mädchen, das zuvor beliebt bei ihren Mitschülern war, in der 7.Klasse in die Mobbingspirale gerät. Es fängt damit an, dass eine neue Mitschülerin ihr die beste Freundin ausspannt und zunehmend andere Mitschüler gegen sie aufbringt. Aus der Situation kann sich die betroffene Schülerin nicht befreien. Zum Schluss endet die Geschichte sehr tragisch.
Was müsste sich ändern?
Mobbing darf nicht mehr so salonfähig sein wie momentan und sollte in der Gesellschaft stark verpöhnt sein. Jeder, der Menschen führt, wie Lehrer, Chefs und Trainer müssen immer wieder Schulungen zu diesem Thema durchlaufen. Auch in Lehrerausbildung müsste es eigenständige Module zum Thema Mobbing geben. Das Problem ist, dass viele Lehr- und Führungskräfte überfordert sind. Mit Schulungen und bestimmten Handlungsaufforderungen bei Mobbingfällen soll ein Handlungskonzept erstellt werden, um Mobbing an der Wurzel zu packen und eine allgemeinverträgliche Lösung zu finden. Aus diesem Grund muss bereits jeder Ansatz von Mobbing im Keim erstickt werden, bevor sich so ein so Prozess verfestigt. Daher müssen Lehrer und Vorgesetzte Mobbingstrukturen in ihrer Anfangsphase erkennen, wenn ein Mitschüler/Kollege vermehrt außen vor ist oder über eine Person getuschelt wird.
Mobbing müsste auch in der Politik veemehrt in den Fokus rücken, denn hier handelt es sich um allgegenwärtiges Problem der Gesellschaft, denn gemobbt wird (beinahe) überall. Es müsste mehr Menschen wie Carsten Stahl geben, die in der Gesellschaft darauf aufmerksam machen. In meinen Augen muss man darüber frei reden können, ohne ein Stigma aufgedrückt zu bekommen. Es darf einfach kein Makel-/Tabuthema mehr sein, wofür sich (Ex-)Betroffene schämen müssen. Laut neusten Studien wird/wurde mehr als jeder dritte Schüler gemobbt und deshalb sage ich ganz klar, "Our schools are on fire!" Wir müssen endlich was tun: Die Schule kindgerechter und menschlicher gestalten, damit Mobbing nicht mehr so einen großen Nährboden hat. Genauso müssen wir auch in der Arbeitswelt darauf schauen, dass auch dort die Stimmung erträglich ist und die Menschen nicht zu krass überlastet werden.
Publication Date: 05-24-2013
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Dedication:
Diese Geschichte ist in Berichtsform aus meiner Perspektive geschrieben, allerdings habe ich die Namen verändert, aber Vieles ist mir genauso passiert. Ich will ein Zeichen setzen, dass Mobbing nicht toleriert werden darf und daher widme ich dieses Buch allen Gemobbten, deren Angehörigen und Freunden.