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Bier auf Wein, das lass sein

 

 

 

Kerle saufen Bier und Schnaps,

um nicht als Schlappschwaenze zu gelten.

Damen nippen an Wein und Likör,

um nicht als Strassendirnen zu gelten.

 

Männer nutzen Alkoholidays, um ihre Kameradschaft zu pflegen, Frauen fürchten, dass ihre trunksüchtigen Gatten außerstande sind, für die Familien zu sorgen.

Oder gibt es heute viele Ehen zwischen Trunkenbolden und Schnapsdrosseln?

 

Wenn ein Mann eine Frau so behandeln würde, wie er seine Kumpels behandelt, würde sie ihn auf der Stelle hinauswerfen. Das Einzige, was Frauen niemals kapieren, ist die Art, wie angeheiterte Männer miteinander umgehen, schrieb Chesterton. Nicht das Einzige, was Männer nie kapieren, ist die Art, wie nüchterne Frauen stundenlang miteinander reden. Frauen gelten im Schnitt als reizbarer und wortgewandter, Männer als ruhiger und vergnügungssüchtiger, mit oder auch ohne Stoff und Sprit. Weltweit wird täglich viel Ethylalkohol (Ethanol) konsumiert –  außer in muslimischen Ländern. Neben Tabak gilt er als Volksdroge Nummer Eins, um sich die Last des Lebens zu erleichtern, zuweilen oder immerzu.

 

Alle Versuche, den Menschen alle Drogen zu verbieten, sind bisher aus guten Gründen gründlich gescheitert, denn alles kann zur suchtbringenden Droge werden, auch und gerade seine radikalisierte Verfolgung.  Wie der moderne Gesundheitswahn längst zur veritablen Geisteskrankheit wird, so auch z. B. Prohibition und Veganismus, Prostitutionsverbot oder Atheismus.

 

 Die wahre Alternative ist nicht bedingungslose Abstinenz oder anonymer Alkoholismus, sturzbesoffen oder stocktrocken, sondern richtiges oder falsches Trinken, aber die Vernunft liegt nicht wie bei den Tugenden in der vermeintlich goldenen Mitte zwischen den Extremen, wie Aristoteles lehrte. Wer die Welt nur noch ertragen und die Menschen nur noch genießen kann mit einem beduselten und befuselten Kopf, hat es offenkundig ebenso übertrieben wie jemand, der nach einem einzigen Bierchen schon Busen grabscht.  

 

Verboten wurde der Alkohol vor allem immer dem gemeinen Volk, damit seine Arbeitsfähigkeit für die Herrschaften nicht zu lange leidet. Aus Angst um die heilige Produktivität neidet man dem gewöhnlichen Sterblichen sogar noch den armseligsten Rausch und prügelt den Verkaterten lieber an die Werkbank. (Die außergewöhnlichen Sterblichen, wenn sie unter sich sind, behalten sich den Genuss von extraordinärerer Edel-Chemie vor.)

 

Der Pater-Brown-Erfinder Gilbert Keith Chesterton schrieb 1914 als Vierzigjähriger den ebenso ernsthaften wie übermütigen Roman „Flying Inn“ („Das fliegende Wirtshaus“), wo der gesunde Menschenverstand einiger weniger Männer Großbritannien vor der Dystopie eines landesweiten Pub-Verbots noch gerade bewahren kann. Die weiblichen Leser, ob sie nun stille Säuferinnen sind oder glühende Milchfanatikerinnen, sind aufgefordert, sich ihr Urteil zu bilden und zu verkünden. Ohne ihr Plazet oder Veto läuft stets gar nichts.

 

 Chestertons dezidierte Meinung zu diesem Thema machen wir uns hier gern zu eigen. Richtiges Trinken ist nicht einfach regelmäßig mäßiges, also mittelmäßiges Entdursten, sondern liegt allein im Motiv. Man sollte nämlich nicht trinken, um fröhlich zu werden, sondern nur trinken, wenn man schon fröhlich ist. Alkohol in jeder Dosierung wird zum Gift, wenn er zum verabreichten Medikament wird, um den Trübsinn zu vertreiben. Wein hiift nicht gegens Weinen, sondern Lachen verhilft zum Wein. Alkohol sollte nicht missbraucht werden zum Antidepressivum, sondern umgekehrt begrüßt sein von überschäumender Lebensfreude, die es heutzutage aber eben nicht mehr gibt.

 

Im „finstersten Mittelalter“ schlugen die Wogen der Lebenslust laut Katholik Chesterton so hoch, dass sie besänftigt und gezügelt werden musste, um nicht selbstmörderisch zu wirken, z. B. von der barmherzigen Kirche. Heutzutage sei die allgemeine Lebensfreude auf einem so niedrigen Stand herabgesunken, dass sie von allen Massenmedien uns unablässig aufgeschwatzt und eingepeitscht werden muesse, damit wir nicht in Lebensüberdruss versinken. Das ist das ganze Ergebnis der vielgerühmten Aufklärung des 18. Jahrhunderts und der gepriesene heidnische Hedonismus unserer von aller bevormundenden Religion emanzipierten Zeitgenossen, ob nun Männlein oder Weiblein. Brot und Wein sind nicht umsonst christliche Symbole, und Jesus versorgte eine Hochzeitsgesellschaft neben Spirituellem auch mit genügend Spirituosen, ohne sie besinnungslos unter den Tisch trinken zu wollen.

 

Wahre Demokratie herrscht nur noch in Kneipen, wo hemdsärmelige Männer bei Bier und "Kurzen" sich wilde Diskussionen liefern, kampflustig palavern, lautstark tanzen oder mit der göttlichen Rebe im Kopf handgreiflich rangeln, um ihre Meinungsverschiedenheiten auszutragen und die politische Willensbildung voranzutreiben. Die Gastwirtschaft an der Straßenecke ist das wahre republikanische Parlament des „Pöbels“, und das ist gut so. Nur hier herrscht noch die allgemeine Freiheit des offenen und öffentlichen Worts, die in den offiziösen (und von Reichen beherrschten) Medien längst verspielt wird. Und der Alkohol, wenn er nicht der giftige Trost des Einsamen ist, spielt dort unter den erwachsenen Männern eine segensreiche Rolle.

 

 Aber ob unter Drogeneinfluss wohl jemals ein Kunstwerk besser geworden ist?

 

 

 

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Publication Date: 05-21-2024

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