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Danke!
Mein weiterer Beitrag zum Wettbewerb Tierisch gut
Das helle, kalt wirkende Licht der Sonne fiel auf den erst in der Nacht gefallenen, neuen Schnee und lies ihn geheimnisvoll funkeln. Ich schlich hinter meinen Rudelgefährten hinterher. Ara, Kov, Serpas, Pira und ich stellten die eine Jagdrotte da. Die andere hatte sich auf Futtersuche im Wald gemacht. Wir würden auf freiem Land nach Beute schauen. Aufgeregt peitschte ich mit dem Schwanz. Dies war meine erste richtige Jagd im Beisein der anderen Wölfe. Kov, der Führer der Gruppe, blieb stehen. Mit einem Zucken seines Ohres bedeutete er uns, das Gleiche zu tun. Er hob die Schnauze, die Anderen taten es ihm gleich. Ich ließ die Witterungen der schönen, in weiß gehüllten Gegend an meine Geruchsknospen gleiten. Ich spitzte die Ohren und schnüffelte erneut. Ich hatte Recht gehabt. Hase! Die Augen wachsam darauf ausgerichtet, das kleine Geschöpf irgendwo im Schnee zu sehen, lies ich meinen Blick über die Landschaft gleiten. Schließlich entdeckte ich es in der Nähe eines kleinen Hügels. Mein Herz klopfte. Der Hase war nicht weit von uns entfernt. Würde ich Kov rufen, würde die Beute uns hören und fliehen. Langsam und darauf bedacht, keine plötzlichen Bewegungen zu machen, pirschte ich zu Kov. Der große, weiße Wolf hatte das Tier anscheinend nicht bemerkt. Mit meiner Schwanzspitze berührte ich ihn an der Schulter. Er wandte den Kopf und blickte mich fragend an. Ich hob eine Pfote und deutete mit ihr auf den Hasen. Nun wurde auch Kov aufmerksam. Mit einem Nicken seines Kopfes forderte er die Jagdrotte auf, sich um ihn zu versammeln. Dann teilte er uns flüsternd den Plan mit.
Ich schauderte, als der Schnee mein Fell in Windeseile durchnässte. Ich versuchte, mich noch tiefer in die weiße Kälte zu kauern. Lautes Gebell erregte meine Aufmerksamkeit. Da kam auch schon Pira angerannt, den Hasen vor sich herjagend. Ein heißes Kribbeln erfasste meine Brust. Gleich würde ich sie ablösen. Ich war der Letzte der Staffel. Wenn ich die Beute nicht fangen würde, wäre Alles umsonst gewesen. Andererseits würde ich leichtes Spiel haben: Jeder dieser Jagdrotte hatte das Tier bereits vor sich hergehetzt, und ihm war anzusehen, dass die Verfolgung es zunehmend erschöpfte. Doch was, wenn ich den Hasen entkommen ließe? Was, wenn ich mich vor allen Wölfen blamieren würde? Ich versuchte, diesen unangenehmen Gedanken zu verdrängen. Pira war fast da. Gleich, in wenigen Herzschlägen würde ich losspringen, der kleinen Kreatur hinterher jagen, nun konnte ich bereits die den Schnee unter den Pfoten der Wölfin knirschen hören, meine Ohren zuckten aufgeregt, was wenn ich mich dadurch dem Hasen verraten hatte? Doch das Tier bemerkte mich nicht, es hastete weiter vor Pira her, die kleinen Augen in der Angst weit aufgerissen. Ich spannte die Muskeln meiner Hinterläufe an, hielt es kaum noch aus zu warten, doch ich durfte nicht zu früh springen. Meine Schwanzspitze zuckte. Jetzt! Ich stieß mich kräftig mit meinen Beinen ab, flog durch die Luft und landete direkt hinter dem Hasen. Der erschrak, und begann noch schneller zu rennen. Ich hetzte hinter meinem Ziel her. Plötzlich spürte ich, wie eine wilde Freude mich erfasste, als würde ein Fluss voll glühender Kraft durch meine Adern fließen. Wie wunderbar das Gefühl doch war, hier durch die endlosen, in weiß gehüllten Landschaften rennen. Ich konzentrierte mich wieder auf den Hasen. Krampfhaft versuchte ich, meine Beine immer schneller zu bewegen, mein Tempo immer weiter zu erhöhen. Das kleine Geschöpf wurde immer langsamer. Ich wollte gerade darauf losspringen, als mir ein anderer Wolf zuvorkam. Er schoss hinter einem in Schnee eingedeckten Hügel hervor, packte den Hasen am Genick und schüttelte in wild. Ich stutzte. War ich etwa doch nicht der letzte der Staffel gewesen? Nein. Ich kannte diesen Wolf nicht, doch wer immer es war, es hatte die Beute gestohlen die wir erjagt hatten. Damit würde er nicht so leicht davonkommen. „ He, du!“, rief ich heftig. Das große, cremeweiße Tier richtete sich zu voller Höhe auf. Dann fragte es:
„ Ja?“. Ich schluckte. Der Wolf war männlich und mindestens doppelt so groß wie ich. Unschlüssig stand ich da. Einfach mit dem Hasen verschwinden lassen konnte ich ihn nicht. Aber was vermochte ich schon zu tun? Als ich Welpe gewesen war, hatte ich immer im Schatten meiner Brüder gestanden. Ich war der Schwächste gewesen. Plötzlich kamen meine Rudelgefährten angerannt. Kov blieb neben mir stehen. „ Eev, kannst du mir bitte erklären, was das hier zu bedeuten hat?“, fragte er scharf. Ich wollte gerade antworten, dass auch ich diesen Wolf nicht kannte, doch Pira kam ihm zuvor. „ Kov, wer immer das ist, er gehört nicht zu unserem Rudel.“ Dann wandte sie sich an den Fremden. „ Ich kenne dich nicht, aber diesen Hasen haben wir gejagt. Er ist also rechtmäßige Beute unseres Rudels“, meinte sie mit freundlicher, aber fester Stimme. Der Angesprochene zog verächtlich die Lefzen zurück. „ Rechtmäßige Beute!“, höhnte er, „ Was ihr euch nicht alles einfallen lasst.“ Dann trat er ein paar Schritte, beugte sich vor, und knurrte: „ Ihr könnt Arp sagen, dass er sich auf was gefasst machen soll. Denn wir wollen jetzt den Wald als Jagdgebiet, und wir werden uns nicht von einem Haufen träumender Flohsäcke wie euch aufhalten lassen!“ Ich schnappte nach Luft. Woher wusste dieser Wolf, wie unser Alphawolf hieß? Eine Moment lang herrschte Schweigen, als ob der Schnee seine Stille auch über uns gelegt hatte. Dann trat Kov vor: „ Du wirst uns ganz bestimmt nicht verjagen. Du bist allein, es ist der Anfang eines harten Winters und wir sind ein ganzes Rudel.“ Der fremde lachte finster.
„ Ich sagte wir!“
Noch immer schockiert von dem Zusammentreffen mit dem fremden Wolf trabte ich hinter den Anderen her. Alle waren tief in Gedanken versunken, bis Pira schließlich fragte: „ Kov, du bist der Betawolf. Was gedenkst du zu tun? Wer weiß, vielleicht gehört der Unbekannte ja auch einem Rudel an. Was machen wir dann? Es ist bald Winter, können wir uns einen Kampf überhaupt leisten?“ Kov wandte den Kopf ab. Nach einer Zeit murmelte er düster: „ Ich denke, wir werden nicht um eine Schlacht drum rum kommen.“
Im Wald angekommen, trafen wir auf die Andere Jagdgruppe. Auch sie hatten eine Begegnung mit einem Fremden gehabt. Nun schlossen die beiden Gruppen sich zusammen und begaben sich gemeinsam auf den Heimweg. Ich ließ mcih zu meinem Bruder zurückfallen. Wir unterhielten uns leise bis wir am Lager angekommen waren. Dort berichteten Kov und Fjie Arp die Vorfälle. Er rief unverzüglich eine Versammlung ein. „ Wir alle haben gehört, dass fremde Wölfe die Beute unserer Jagdgruppen geklaut haben. Nun, wenn dieses Rudel wirklich vorhat, uns zu vertreiben, müssen wir auf alles gefasst sein. Ich denken, wir-„ Er wurde von lauten Gebell und Gejaule unterbrochen. Mir stockte der Atem. Die fremden Wölfe hatten ihre Worte ernst gemeint. „ Kämpft“, brüllte Arp seinem Rudel zu, Kämpft!“ Dann stieß auch er zu der Schlacht. Angst kroch in mir hoch, doch ich hatte keine Wahl. Ich musste für mein Rudel kämpfen! Ich stürzte mich auf den nächsten Wolf, der in mein Blickfeld geriet. Er war relativ klein und sein Pelz war von einem glänzenden Weiß. Er hatte mich nicht erwartet. Ich sprang auf seinen Rücken und fuhr mit meine Krallen seine Flanke hinab. Er heulte vor Schmerz und versuchte verzweifelt, sich frei zu kämpfen. Doch ich behielt ihn eisern im Griff, grub meine Klauen tief in sein Fleisch und biss ihm ins Genick. Schließlich ließ mein Opfer sich auf den Rücken fallen. Ich ließ von ihm ab und er floh. „ Dreckiger Kot!“, rief ich ihm hinterher. Dann erblickte ich Bloves. Was ich sah konnte ich nicht fassen. Dieser miese Verräter flüsterte einem Feind etwas ins Ohr. Ich stürmte zu ihm hinüber, spannte meine Muskeln an und rammte ihm mit voller Kraft meinen Körper in die Seite. Bloves keuchte und stürzte. „ Du dreckige Ratte!“, zischte ich ihm ins Ohr, „ Wie kannst du es wagen!“ Gerade wollte ich im einem schmerzhaften Biss in die Schulter versetzen, als Jemand mich am Genick packte, mich wegschleuderte und sich dann auf mich stürzte. Wer immer es war, mit eiserner Kraft hielt er mich am Boden gepackt. Verzweifelt versuchte ich, mich freizukämpfen, wand mich, biss und schnappte in alle Richtungen, doch vergebens. Entsetzt sah ich zu, wie sich ein geöffnetes Maul meiner Kehle unweigerlich näherte. Plötzlich spürte ich einen stechenden Schmerz an meinem Hals. Blut strömte unaufhaltsam daraus, und in Windeseile färbte sich mein weißes Fell rot. Meine Sicht verschwamm und langsam wurde mir schwarz vor Augen. Ich wusste, was geschah. Ich würde für mein Rudel gestorben sein. Schließlich legte sich eine betäubende Dunkelheit über mich....
Publication Date: 09-25-2011
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