Cover

Die Kathedrale



Es war ein schwarzer Aktenkoffer, merkwürdigerweise mit braunen Riemchen verziert, der jetzt im Kofferraum seines Taxis lag. Seine Größe ließ vermuten, dass es sich nicht um ein Behältnis zur Verwahrung von einigen dünnen Papieren, Apfel, Butterbrot und Atemfrisch handelte. In ihm waren Papiere größeren Ausmaßes befördert worden, etwa die Akten von Patienten eines Arztes oder gar eines Krankenhauses.

Es war nicht Mungos Standardverhalten an einem Sperrmüllhaufen anzuhalten. Von diesem fühlte er sich jedoch in unerklärlicher Weise angezogen. Ihn faszinierte schon sein Aufbau. Es sah so aus, als ob ein Architekt die Kathedrale seines bisherigen Wohlstandes errichtet hätte. Das Fundament bildeten Bretter aus verschiedenen auseinandergeschraubten Möbeln, auf dem einige Sessel standen, die wiederum die Basis für einen Turm aus Stühlen bildeten. Auf der Spitze des Turms stand der Aktenkoffer. Er wirkte leicht bedrohlich wie einer der Wasserspeier der Kathedrale von Notre Dame in Paris und seine messingverzierten Klappverschlüsse blitzten hämisch in der untergehenden Sonne.

Die Seitenschiffe dieses Bauwerks waren aus allerlei sonstigen Hausrat erbaut, wobei jedes Schiff aus Teilen eines bestimmten Zimmers gefüllt war. Die beiden Schiffe linkerhand enthielten den etwas ansehnlicheren Müll aus Schlaf- und Kinderzimmer, die beiden rechterhand verbrauchte Sachen aus Küche und Keller.

Ein Windzug fuhr durch den Haufen und Mungo wehte ein Geruch entgegen den man von Müll nicht unbedingt erwartet. Möbelpolitur und der Geruch zerbrochener Sperrholzplatten, mischten sich mit einem Hauch von Leder, Cremes und Waschmitteln. Eine Spur leicht feuchter Keller kam hinzu. Ein Gemisch, das vom Zusammenleben einer Familie zeugte.

Mungo stand staunend vor der von Sperrmüllplünderern noch unberührten Fassade. Sie überragte ihn, obwohl er mit seinen hundertundachtzig Zentimetern Körpergröße nicht zu den Kleinsten seiner Art gehörte. Die restlichen Strahlen der Sonne wärmten seinen Rücken. „Wenn ich mich richtig strecke“, dachte er bei sich, „ dann komme ich an den Koffer ran.“

Mungo hatte keine Ahnung, was er mit dem Koffer anfangen sollte. Er überlegte. „ Ich könnte mal versuchen, das Ding bei Ebay zu verkaufen. Der sieht doch fast aus wie neu. Versuch macht klug.“ Und da Mungo etwas schüchtern war und die Situation als solche aus unerfindlichen Gründen schlicht peinlich fand - schließlich war er nicht der einzige Mensch auf Erden, der zuweilen versuchte vom Wohlstand anderer Menschen zu profitieren, und er schadete ja auch niemanden, rechtfertigte er sich selbst - schaute er sich mehrmals um, bevor er sich streckte und lang machte, um nach dem Koffer zu greifen.

Er hatte sich verschätzt. Der Koffer lag doch höher als er dachte und der Turm aus Stühlen behinderte ihn zusätzlich. Er ging auf die Zehenspitzen und konnte die untere rechte Ecke des Koffers greifen. Er zog und merkte, dass der Koffer ziemlich schwer war, gleichzeitig merkte er, dass er das Gleichgewicht verlor und in einem lauten Geklapper und Geknatter von fallenden Holzstühlen begrub ihn der Turm unter sich.

Im Fallen hatte Mungo den Koffer gegriffen, den er nun unter seiner Decke aus aussortierten Möbelstücken im Arm hielt. Die Stuhlbeine und Rückenlehnen gaben einen vergitterten Blick auf das gegenüberliegende Haus frei, von wo aus er von einer alten Frau beobachtet wurde, die sich auf ein Kissen gestützt aus dem Fenster lehnte. Mungo rappelte sich hoch und schob dabei einige der herab-
gefallenen Stühle auf die glücklicherweise wenig be-
fahrene Strasse. Sofort machte er sich daran die Möbel von der Straße zu entfernen und beobachtete weiter die ihn beobachtende Frau.

Sie tat nichts. Er hatte die Kathedrale des Wohlstands zerstört und diese Frau zeigte keine Reaktion. Kein Lachen, kein Weinen, kein Ruf nach Polizei und Feuerwehr, kein Anzeichen von Mitgefühl. Reglos saß die Alte in ihrem Fenster und tat so als wäre es alltäglich, dass ein zwei-
undvierzigjähriger Taxifahrer mit leichtem – wirklich nur leichten – Bauchansatz, beim Versuch einen Koffer zu bergen mit gefühlten einhundert Küchenstühlen auf die Straße stürzt.

Während Mungo mit hochrotem Kopf fortfuhr Möbel von der Straße auf den Haufen zu packen, der jetzt gar nicht mehr wie eine Kathedrale des Wohlstands aussah sondern nur noch wie ein ganz normaler Sperrmüllhaufen, hörte er eine Stimme von der gegenüberliegenden Straßenseite rufen. Mungo blickte sich um, sah niemanden, erinnerte sich an die Alte im Fenster und sah sie ihm zuwinken.

Was wollte sie jetzt nur? Wollte sie sich über die zerstörte Kathedrale beschweren? Ihn dazu zwingen den Original-
zustand wieder herzustellen? Na hoffentlich hatte Sie ein Foto davon. In kürzester Zeit hatte er sich in Rage gedacht, überquerte die Straße und fragte die Alte aufgeregt, was sie wolle.

„ Schöner Koffer“, sagte sie, richtete sich auf, nahm das Kissen von der Fensterbank, drehte ihm den Rücken zu und verschwand.


Straßenbahn



Dreimal musste Mungo den Platz umrunden, bevor er einen Parkplatz fand, der wenigstens einigermaßen in der Nähe seines Hauseingangs lag. Sobald er den Motor abstellte und die Klimaanlage nicht mehr lief, umgab ihn ein leicht muffiger Turnhallenduft. Mungo beeilte sich heraus-
zukommen. In aller Eile schrieb er das Taxameter ab, packte Taxibörse, Pausenliteratur und seine Handys – eins geschäftlich, eins privat, eins in die linke Brusttasche seiner Taxifahrjacke, eins in die Rechte – schloss mit der Fernbedienung den Wagen ab und machte sich über den Platz auf den Weg zu seiner Haustür.

Gedankenverloren zückte er den Haustürschlüssel und umrundete ein paar Jungs, die sich in der herannahenden Dunkelheit einen Ball zukickten. Wenn er versucht hätte, sich durch die Gruppe der zehnjährigen zu bewegen, um auf direkten Wege zu seinem Haus zu gelangen, hätten ihn die Racker gnadenlos unter Beschuss genommen. Das ging übrigens nicht nur ihm sondern jedem so, und Mungo hatte schon mehrere erfolgreiche und weniger erfolgreiche Strategien, den unfreiwilligen Ballkontakt zu vermeiden, beobachtet und auch selber ausprobiert.

Er überlegte gerade, ob er über die rechte oder die linke Flanke ausweichen sollte, wobei die Linke wegen des besseren Raumangebots erfolgversprechender aussah, als er wie angewurzelt stehenblieb. Der Ball traf ihn mittelhart am linken Ohr. Es folgte eine gekrähte Entschuldigung und maßloses Gekicher.

Mungo winkte ab, gönnte den Kleinen ihren Spaß. „ Der Koffer“, schoss es ihm durch den Kopf. „ Ich hab doch tatsächlich den Koffer vergessen.“ Obwohl sein linkes Bein vom vorangegangenen Sturz noch etwas schmerzte, ein Stuhlbein hatte die Chance ergriffen und sich für die Zerstörung des Hauptturms der Kathedrale gerächt, indem es sich in seinen Oberschenkel gebohrt hatte, drehte er auf der Stelle um, und ging zurück zum Auto. In seinem linken Ohr piepte etwas, wurde aber immer leiser.

Kurz bevor er den Wagen erreichte, öffnete er den Kofferraum per Fernbedienung und in einer flüssigen Bewegung trat er hinter das Auto, langte in den Kofferraum und griff den von ihm unter Schmerzen erbeuteten Koffer. Er verschloss das Gefährt und machte sich zum zweiten mal auf den Weg nach Hause.

Er wich den fußballspielenden Jungs weiträumig nach rechts aus und warf immer mal wieder einen warnenden Blick nach links. Sein Ohr hatte sich entschlossen wieder ohne Nebengeräusche zu funktionieren und so konnte er den offensichtlich ihn geltenden Ruf deutlich hören. „ Hallo Herr Anwalt, möchtest du was trinken?“

Es war Iris, die wie immer gut gelaunt hinter der Theke der umgebauten Straßenbahn stand. Im Spätsommer waren die Abende eigentlich schon zu kalt, um draußen eiskaltes Bier zu trinken. Aber einige Unentwegte, die sich in den sonnigen Nachmittagsstunden schon warmgetrunken hatten, hielten den Betrieb noch aufrecht.

Mit neugierigen Augen, die unter ihrem schwarzen Haarschopf hervorblitzten nahm Iris den Koffer unter die Lupe. „ Fällt ganz schön Bürokram an bei so einem Taxibetrieb oder bist du doch Anwalt geworden?“, fragte sie und deutete mit einem Kopfnicken auf den Koffer. „ Ach den“, sagte Mungo und machte eine kurze Pause, „den hab ich gefunden“. „ Am Straßenrand“, fügte er zur Erklärung hinzu. Sein Blick wanderte von Iris braunen Augen seinen linken Arm hinunter dessen Verlängerung nun der Koffer bildete. „ Ist was Spannendes drin ?“, fragte Iris. Mungo zuckte mit den Schultern, wobei er mit der rechten etwas höher zuckte, weil die linke vom Gewicht des Koffers leicht hinuntergezogen wurde. „ Ich hab noch nicht reingeschaut, hab ihn gerade erst gefunden.“ antwortete Mungo. Iris nickte wissend. „Ein Gutschein für einen Friseurbesuch wäre gut.“, dachte Sie und fragte laut, „was darfs denn sein?“

Das war nun, da er schon vor der Theke stand, eine berechtigte Frage. Mungo bestellte ein Bier und blieb gleich an der Theke stehen. Er nahm sein Bier in Empfang, begrüßte es freudig indem er einen tiefen Schluck nahm und drehte sich von der Theke weg. Sein Blick irrte über den Platz. Im Biergarten gegenüber waren die Bänke auch nur noch spärlich besetzt und der Club der Freunde des Alkohols, der sich alltäglich auf den Bänken traf, die den Platz auf der gegenüberliegenden Seite säumten, löste seine Versammlung auf und machte sich im Schein der nun erglimmenden Straßenlaternen auf den Heimweg.

Aus der Straßenbahn zog ihm ein unwiderstehlicher Duft in die Nase. Fred der Gastwirt hatte trotz der herauf-
ziehenden Dunkelheit und Kälte noch eine Ladung frisch gebratener Frikadellen gebracht. Mungo bestellte sich gleich zwei und noch ein Bier und genoss die Fleischklopse mit scharfem Senf.

Die Bouletten bildeten eine gute Grundlage für noch ein paar weitere Biere und weil es nun wirklich zu kalt wurde, um draußen weiterhin seinen Durst zu stillen, schnappte sich Mungo seinen Koffer und zog vor die Theke der zur Straßenbahn zugehörigen Kneipe. Dort machte er es sich gemütlich, nahm noch einige Getränke zu sich und als Fred die Kneipe abschloss, schwankte er stark, als er sich auf seinen Hauseingang auf der gegenüberliegenden Straßenseite zubewegte.

Er brauchte etwas um Haustür und Wohnungstür zu öffnen, zumal er nur mit einer Hand arbeiten konnte, da er in der anderen wieder den Koffer trug. Er torkelte in die Küche und nahm verschwommen den Geruch von fauligem Obst und Gemüse, den ranzigen Geruch von Müllkippe war, der dem übervollen Abfalleimer entströmte, der schon längere Zeit auf seine Leerung wartete. „ Morgen ist auch noch ein Tag“, dachte Mungo, was – wenn er es laut ausgesprochen hätte – ungefähr wie „Mmmrgnsauchnonnnntg“ geklungen hätte und öffnete das Fenster, um den Geruch abziehen zu lassen.

Er stellte den Koffer auf die auf zwei Böcken ruhende Sperrholzplatte, die ihm als Küchentisch diente, schaffte es irgendwie aus seinen Klamotten zu kommen, wobei es ihn beinahe lang in den Flur schlug und fiel auf die Matratze, die sein Bett ersetzte und schlief tief und fest zwei Stunden lang, bis ihn seine Blase in vehementer Weise an ihre Funktion erinnerte und er aufs Klo wankte. Dort ließ er sich nieder blinzelte in die nackte Glühbirne und dachte, „ Schöner Koffer ist das“


Erwachen



Mungo hatte sich zum Aufwachen die denkbar schlech-
teste Position erwählt. Er fror. Durch die geöffnete Balkontür wehte der kalte Hauch des nahenden Herbstes und Mungo wagte es die Augen zu öffnen. Anstatt seinen Blick über eine wunderbar geweißte Decke oder Wand schweifen zu lassen, blickte er durch die geöffnete Balkontür, vom wo ihm einige vertrocknete Balkonpflanzen traurig zuwinkten. Ein schaler Biergeruch fuhr ihm in die Nase. Er drehte den Kopf und vermerkte, dass seine Kissen, die er für eine bequeme Lage immer hoch auftürmte, verschwunden waren. Auch sein Nachtlager war ver-
schwunden, stattdessen hatte er mit dem blanken Laminat vorlieb genommen als er sich im Schlaf von der Matratze gerollt hatte. Er drehte den Kopf etwas weiter und sah auf eine verloren wirkende, zu Boden geworfene, halbleere Bierflasche. Die Hälfte des Bieres war aus dem Flaschen-
hals, über das Laminat direkt unter seinen Kopf geflossen, von wo aus der Geruch nach Kneipe sein Schlafzimmer füllte.

Er versuchte, sich zu erheben. Das fiel ihm nicht nur deshalb schwer, weil er offensichtlich eine ganze Weile auf dem nackten Boden zugebracht hatte und sein Rücken sehr schmerzte, sondern auch aus dem einfachen Grund, dass seine Haare in der trocknenden Bierlache festgeklebt waren.

Es war ein reizender Einstieg in einen wunderschönen Tag. Mungo zerrte seinen Kopf von der Auslegeware und einige Haare blieben in dem gräulich schimmernden Fleck am Boden kleben. Angewidert torkelte Mungo in die Küche, schnappte sich seine Teetasse und trank direkt aus dem Hahn gezapftes, kaltes klares Wasser. Er trank wie ein Mitglied einer verunglückten Wüstenexpedition, das unvermutet auf eine Oase gestoßen war. Wasser tropfte ihm das Kinn hinunter und er füllte die Tasse ein zweites und ein drittes Mal. Durch das schnelle Trinken war er etwas außer Atem. Er drehte sich vom Wasserhahn weg und starrte auf eine Tüte verschimmeltes Toastbrot.

Nachdem der Expeditionsteilnehmer durch die Aufnahme des köstlichen Trankes nun weidlich erfrischt war, galt es nun sich der Nahrungsaufnahme zu widmen. Natürlich war es ein Ding der Unmöglichkeit sich in seinem Zustand vor der Haustür blicken zu lassen. Der Kater ermöglichte es ihm seine Haare zu spüren. Sie standen ihm wild vom Kopf, einige schon leicht angegraut und sandten Schmerzsignale an seine Kopfhaut. Er musste sich, soweit das möglich war, wieder etwas in Form bringen.

Mungo ging ins Bad und schaute in den Spiegel. Die Person auf der anderen Seite sah aus wie jemand, der am gestrigen Abend ganz schön tief ins Glas geschaut haben musste. Unter dem wirren Haarschopf, tränte ihm ein blutunterlaufenes Augenpaar entgegen. Aus seinem blassen Gesicht stachen Bartstoppeln in den Schat-
tierungen blond, schwarz und grau. Seine Mundwinkel hingen herab und bildeten mit dem gespaltenen Kinn fast eine Linie. Um die Augen herum hatten sich Falten gebildet, die wie mit den Zinken einer Gabel eingekerbt wirkten.

Er stellte sich unter die Dusche und genoss den heißen Strahl. Völlig eingeseift vernahm er ein erschreckendes Geräusch. Ein leises Knacken war zu hören, das vom Boiler verursacht wurde. Es war kein regelmäßiges Tuckern oder ein Knacken wie das von einem zersplitternden Ast, sondern ein kleines verschämtes Knock. Das Wasser eben noch heiß, wurde nun zum Schmelzwasserfall eines Gletschers. Zischend schnappte Mungo nach Luft, fuhr mit beiden Händen fahrig über seinen Körper, um sich von dem Seifenmantel zu befreien, entschied sich aber nach kurzem Innehalten diesem Mantel eine neue Heimstatt in seinem Handtuch zu bieten und stolperte aus der Dusche. Wach war er nun.

Missmutig wischte er das Kondenswasser vom Spiegel, drückte etwas Rasiercreme in seinen Rasierpinsel und seifte sein Gesicht ein. In dem Moment, als er seinen Rasierer griff, klingelte es an der Tür. Mungo erstarrte. „ Wer, verdammt noch mal, kann denn um diese Uhrzeit, und wie spät ist es überhaupt“, dachte er als es zum zweiten Mal, schon etwas vehementer, schellte. Mungo schnappte sich sein klammes Handtuch, wickelte es irgendwie um seine Hüften und ging zur Tür, denn seine Neugier hatte seine Schamhaftigkeit besiegt. Auf dem Weg zur Tür warf er einen Blick auf die Uhr und stellte fest, dass es gerade erst Zehn war. Irgendwie schien er nicht zu realisieren, dass er eigentlich für einen wie auch immer gearteten Besuch nicht gerade passend gekleidet war. Erst als er zur Türklinke griff und ihm sein Handtuch von den Hüften rutschte wurde er seines Bekleidungszustandes wieder gewahr.

Mungo hatte Glück. Es war weder eine neue Postbotin, die kreischend ihren Weg zur Polizei fand, noch stand er nackt bis auf die Haut mit einem Bart aus Rasierschaum vor einem Paar Zeugen Jehovas, die ja auch erst den Weg zu ihm rauf hätten finden müssen. Nein es war sein Freund Werner, der auch für die irrwitzigsten Auftritte Mungos Verständnis zeigte.

Werner stand mit zwei Papiertüten in den Händen vor der Tür und aus seinem feisten Gesicht brach Erstaunen. Er hatte sich offensichtlich einen Begrüßungssatz zurecht-
gelegt, der ihm bei Mungos Anblick aber im Halse stecken geblieben war, sodass seine Züge zunächst erstarrt wirkten. Hallo sollte wohl das erste Wort dieser Begrüßung werden, da er aber schon beim Ha stecken geblieben war, sah er aus wie ein Soldat, der schreiend, das Bajonett in der Hand, auf den vor ihm liegenden Feind zurannte. Die Schrecksekunde dauerte aber nur kurz an und Werner schloss seinen Mund, seine buschigen Augenbrauen machten sich auf eine lange Wanderung zu seinem stoppelhaarigen grauen Haaransatz, worauf er dann in schallendes Gelächter ausbrach. Mungo reagierte sofort und warf die Tür ins Schloss, hatte aber gleichzeitig die beiden Tüten registriert, von denen die eine vom Bäcker, die andere vom Schlachter stammte und öffnete die Tür im gleichen Zug wieder.

„ Mach nicht so einen Radau und komm rein. Was meinst Du wenn die Alte von nebenan sieht, wie ich dich hier empfange, die bringt Dir nie wieder ein paar Schuhe“, flüsterte Mungo hastig, zog Werner in seinen Flur, und rief auf dem Weg ins Bad noch, „ Ich mach gerade mal fertig, kannst schon mal in die Küche gehen.“

Werner schloss die Tür und folgte Mungos Vorschlag, wobei er aus dem Lachen nicht herauskam. „ Tut mir leid Mungo, aber den Empfang hatte ich nicht erwartet“, prustete er. In der Küche angelangt blickte er mitleidig auf die Tüte verschimmelten Toast und dann auf den auf der als Küchentisch dienenden Staffage platzierten Koffer.

„ Das ist ja ein toller Koffer, wo hast Du den denn her?“, fragte ihm Werner hinterher.

Und der Werner der musste das wissen. Denn der Werner kannte sich mit so was aus. Dem Werner gehörte nämlich der Schusterladen unten im Haus. „ Aus diesem Tag kann ja doch noch was werden.“ dachte Mungo, während er sich den Schaum und damit auch die Stoppeln aus dem Gesicht kratzte.


Imprint

Text: Alle Copyrights bei Frank Ritter (2008)
Publication Date: 09-13-2008

All Rights Reserved

Dedication:
Widmen und Danken muß man.In diesem Fall besonders gerne. Ich danke Alexandra, ohne die ich dieses Wagnis nie eingegangen wäre, für die Inspiration.

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