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1

 

Die Lexington Avenue war der Vorhof zur Hölle.

Okay, hier sprangen keine roten Teufel mit Dreizacken herum, und auch den Schwefelgestank suchte man vergebens. Stattdessen roch es nach Benzin, nach Zigarren – und nach Verzweiflung. Tausende von armen Sündern drängten sich vor dem imposanten Gebäude der East Coast Savings Bank. Einige von ihnen rüttelten an den herabgelassenen Eisengittern vor dem Eingang, als ob sich dahinter das Paradies befände.

Einige berittene Cops trieben ihre Gäule in die Menschenmenge und verteilten großzügig Kopfnüsse. Doch sie wurden mit dem Mob nicht fertig. Seit am vergangenen Donnerstag die Börsenkurse ins Bodenlose gefallen waren, hatten scheinbar neunzig Prozent der New Yorker den Verstand verloren.

»Gebt mir mein Geld!«, schrie ein hünenhafter Kerl in Werftarbeitermontur und andere Männer stimmten in den Ruf mit ein. Steine flogen, ein paar Fensterscheiben gingen zu Bruch. Und ich suchte weiterhin fieberhaft nach Lucy.

Meine Sekretärin hatte mich gebeten, sie zu begleiten. Auch meine Vorzimmerperle wollte nämlich ihr Erspartes abheben. Aber da zeitgleich mit ihr die meisten Bewohner des Big Apple auf diese geniale Idee gekommen waren, ging den Banken die Puste aus. Die Regierung versorgte die Bevölkerung per Rundfunk mit Durchhalteparolen, doch davon bekamen die frischgebackenen Arbeitslosen ihre Familien nicht satt.

Die Leute standen so dicht an dicht, dass ich kaum noch Luft bekam und mich mit dem Strom aus Leibern treiben lassen musste. Endlich gelang es mir, etwas Platz zu bekommen und einen langen Hals zu machen. Ich hoffte wirklich darauf, dass Lucys Dauerwelle nicht mit einem Gummiknüppelschlag ruiniert würde. Denn es war ihr zuzutrauen, dass sie sich bis ganz zum Absperrgitter vorgekämpft hatte.

Da ich selbst mein Geld stets für Zigaretten, Benzin und Schmuggel-Whisky ausgab, musste ich mir nicht den Kopf über den Verlust meines Ersparten zerbrechen. Was nicht vorhanden ist, kann auch nicht verschwinden. Mit ein paar kräftigen Ellenbogenstößen bewegte ich mich nach links. Durch die nachrückenden Kleinsparer wurde ich gegen einen geparkten Ford Model T gedrückt. Wenig später erblickte ich den rostfarbenen Mantel, der die dralle Figur meiner blonden Sekretärin umhüllte.

»Lucy!«

Sie drehte den Kopf in meine Richtung, als sie meinen Ruf hörte. Ihr Make-up war verschmiert, das kesse Filzhütchen saß reichlich schief auf ihrer Frisur, aber ansonsten schien ihr nichts zu fehlen. Meine Sekretärin kann sich durchaus selbst verteidigen, sie trägt nicht umsonst stets in ihrer Handtasche ein Hufeisen spazieren. Doch momentan waren ihr buchstäblich die Hände gebunden, weil sie – eingequetscht wie eine Ölsardine in der Dose – mit ihrer Tasche einfach nicht ausholen konnte. Ich machte ein paar Schwimmbewegungen durch das Menschenmeer und schaffte es, ihre Hand zu nehmen.

»Bring mich hier raus, Chef«, bat sie mit brüchiger Stimme. Ihre Augen schimmerten feucht. Üblicherweise hat meine resolute Schreibmaschinenbändigerin nicht so nah am Wasser gebaut. Doch was war in diesem verrückten Oktober 1929 schon normal? Wenn ich Ersparnisse gehabt hätte, würde mich ihr Verlust auch nicht kalt lassen. Außerdem verstand niemand wirklich, was sich gerade an den Börsen abspielte. Noch nicht einmal die Eierköpfe von den Universitäten fanden befriedigende Antworten. Immerhin gelang es ihnen, ihre Ohnmacht hinter ganzen Batterien von Fremdwörtern zu verstecken.

Das Land ging pleite, doch das war mir in diesem Moment egal. Ich konzentrierte mich lieber darauf, Lucy in Sicherheit zu bringen. Wir mussten uns jetzt gegen die nachdrängenden Menschen stemmen, denn aus den Nebenstraßen strömten weiterhin Hunderte auf das Bankgebäude zu. Die Schreie der Empörten, die Trillerpfeifen der Cops, das Wiehern und Hufgetrappel der Polizeipferde – meine Trommelfelle brummten ganz gewaltig, Freunde. Und ich war sicher, dass sowohl Lucy als auch ich am nächsten Morgen durch zahlreiche blaue Flecken an diesen Besuch der Lexington Avenue erinnert würden. Aber irgendwann ließen wir die Menge hinter uns und flüchteten in meinen Plymouth, den ich vor der St. John Baptist Church geparkt hatte. Hier herrschte kein Andrang. Die New Yorker suchten in der Krise offenbar mehr nach Bargeld als nach göttlichem Beistand.

Ich ließ den Motor an und wir fuhren zu meinem Büro. Lucy kann nieihre Klappe halten, wenn es darauf ankommt. Dass sie jetzt so schweigsam war, nahm ich als ein Alarmzeichen. Als wir unser Fahrtziel erreicht hatten, holte ich als Allererstes meinen Schmuggelwhisky aus dem Versteck und füllte eine Kaffeetasse zur Hälfte damit.

»Trink, Lucy. Das ist eine dienstliche Anweisung!«

Sie verzog ihre anbetungswürdigen roten Lippen zu einem traurigen Lächeln und kippte sich die illegale Spirituose hinter die Binde. Das tat sie, ohne mit der Wimper zu zucken. Sie kann einiges vertragen.

»Tja, meine Aktien werden jetzt wohl futsch sein«, stellte sie mit schwerer Zunge fest. »Aber warum soll es mir besser gehen als den meisten Amerikanern?«

»Ich hab keine Aktien.«

»Ich jetzt auch nicht mehr«, erwiderte meine Sekretärin und lachte ohne Humor. Während der letzten Jahre war der Kauf von Wertpapieren groß in Mode gekommen. Wenn man den Zeitungen glauben durfte, spekulierten jetzt sogar Klomänner und Putzfrauen an der Börse. Die Aussicht auf schnellen Reichtum hatte ganz Amerika infiziert. Wer kein Geld für Aktien hatte, nahm einen Kredit auf. Und in diesem Oktober 1929 folgte das böse Erwachen, wie ein Kater nach einer durchsoffenen Nacht.

Lucy saß auf ihrem Bürostuhl im Vorzimmer meines Detektivbüros. Ich hatte meinen Allerwertesten auf ihrer Schreibtischkante geparkt. Plötzlich wurde die Tür geöffnet, auf der in goldfarbenen Lettern die Worte JACK REILLY PRIVATERMITTLUNGEN prangten. Eine äußerst attraktive junge Lady betrat den Raum, als ob sie auf eine Bühne kommen würde.

Meine Sekretärin schaute sie an – und verlor das Bewusstsein!

2

 

Ich bin ziemlich reaktionsschnell. Es gelang mir, meine Sekretärin zu halten, bevor sie von dem Stuhl zu Boden glitt. Sie war totenbleich, ihr Kopf kippte nach hinten. Während ich die Schublade aufzog und nach dem Riechsalz tastete, warf ich einen Seitenblick auf die Unbekannte.

Zugegeben, die Schöne war ein echter Hingucker. In dem taubengrauen Reisekostüm machte sie eine gute Figur, und mit dem Pelzmantel war sie für einen New Yorker Herbst wahrscheinlich zu warm angezogen. Andererseits: Wer trägt einen Zobel, weil er friert? Man wirft sich in eine solche Edelmontur, weil man mit dem eigenen Kontostand angeben will. Oder es soll zumindest der Eindruck entstehen, dass der Träger oder die Trägerin eines solchen Angeber-Outfits zu den oberen Zehntausend gehört.

»Das kommt gelegentlich mal vor«, sagte die Fremde. Ihr Gesichtsausdruck war so unbewegt, als ob sie am Pokertisch sitzen würde.

»Na, da bin ich aber beruhigt!«, gab ich gereizt zurück, während ich das Riechsalz unter Lucys süßes Näschen hielt und mit der anderen Hand vorsichtig ihre Wange tätschelte. Am liebsten hätte ich das Pelzflittchen eigenhändig rausgekantet, doch sie war eine mögliche Klientin. Lucy und ich konnten einen lukrativen Auftrag dringend gebrauchen.

Jetzt mehr als jemals zuvor.

Es dauerte nicht lange, bis meine Sekretärin die Augen öffnete. Sie war nur kurz weggetreten gewesen. Wann war sie jemals aus den Latschen gekippt? Das passierte nur alle Jubeljahre, obwohl wir gemeinsam schon ein paar echt haarsträubende Fälle gelöst haben.

»Bist du okay?«, fragte ich besorgt. »Was machst du denn für Sachen?«

Lucy deutete mit zitterndem Zeigefinger auf die Besucherin.

»Ich war einfach geplättet, als völlig unverhofft Cherry Finn in unser Büro geschneit kam, Chef!«

»Wer?«

Dieses kurze Wort reichte aus, um beide Damen gleichermaßen gegen mich aufzubringen. Meine Vorzimmerqueen und diese Cherry Finn schauten mich an, als ob ich einem hungernden Waisenkind das Erdnussbuttersandwich geklaut hätte.

»Du kennst Cherry Finn nicht?», hakte Lucy empört nach. »Lebst du hinter dem Mond, Chef? Sie hat in Sklavin des Scheichs die Hauptrolle gespielt! Und in Montana-Mädchen in New York, Admiral Nelsons englische Rose, Niagara-Verlobung, Braut des Texas Rangers … «

»Ein Filmstar, ich habe es kapiert!«, unterbrach ich Lucy, bevor sie noch mehr Liebesschnulzen aufzählen konnte. Diese Streifen sagten mir nur vom Titel her etwas. Ich meine, gelegentlich verirre ich mich schon mal ins Kintopp. Aber kennen Sie einen Kerl, der sich freiwillig einen solchen Schmachtfetzen anschaut?

Eben.

Da Lucy anscheinend wieder putzmunter war, machte ich eine einladende Bewegung in Richtung auf mein Allerheiligstes.

»Sorry, Miss Finn. Folgen Sie mir bitte, dann können Sie mir in Ruhe Ihr Anliegen vortragen. – Kochst du bitte einen Kaffee?«

Die Bitte war natürlich an meine Sekretärin gerichtet. Immerhin schien Lucy für den Moment ihren Kummer angesichts ihrer finanziellen Pleite vergessen zu haben. Ihre Augen leuchteten, während sie sich in Bewegung setzte.

»Selbstverständlich … und ein Autogramm hätte ich auch gern, wenn es sich machen lässt ...«

»Das dürfte kein Problem sein«, erwiderte Cherry Finn. Sie öffnete ihre Handtasche, die vermutlich mehr als ein Gebrauchtwagen gekostet hatte. Dann fischte sie eine Postkarte heraus, die sie selbst als leicht bekleidete Haremsdame zeigte. Die Filmschauspielerin schraubte ihren sündhaft teuren Parker-Füllfederhalter auf und versah die Karte mit einer schwungvollen Unterschrift. Dann überreichte sie Lucy das Papier so feierlich, als ob es sich um die Unabhängigkeitserklärung der USA handeln würde.

Jetzt hatte meine Sekretärin wieder etwas in ihrem Besitz, das für sie wertvoller war als ihre abgestürzten Aktien. Nachdem Lucy sich überschwänglich bedankt hatte, stürzte sie sich in die Kaffeezubereitung. Ich ging in mein Büro und Cherry Finn nahm auf meinem Besucherstuhl Platz. Nachdem ich mir eine Lucky Strike angezündet hatte, kam ich zur Sache.

»Wie kann ich Ihnen helfen, Miss Finn?«

»Es geht um meinen Vater, Mr. Reilly. Die Polizei geht davon aus, dass er Selbstmord begangen hat. Aber das würde er niemals tun, er hat sich vor wenigen Wochen noch eine Hochseeyacht gekauft und sich auf Trips in die Karibik gefreut. So etwas macht man doch nicht, wenn man freiwillig aus dem Leben scheiden will, oder?«

Darauf erwiderte ich zunächst nichts. Ich führte mir vor Augen, dass Cherry Finn sich ihren Lebensunterhalt mit Illusionen verdiente. Sie spielte auf der Leinwand Rollen, also konnte sie das auch in meinem Detektivbüro tun. Entweder verfügte sie über eine beachtliche Selbstbeherrschung oder sie spielte nicht mit offenen Karten. Doch vielleicht gab es Gründe dafür, dass sie über den Tod ihres Vaters so teilnahmslos sprach wie über das letzte Spiel der New York Yankees. Vor allem, wenn man ein Dodgers-Fan ist.

»Ich brauche mehr Fakten«, forderte ich.

»Am vorigen Freitag stürzte Dad vom Dach einer Privatbank an der Wall Street. Die Polizei kombinierte messerscharf, dass sein Tod in einer Reihe mit den Selbstmorden einiger anderer Börsianer zu sehen wäre. Ja, mein Vater hat durch den Börsencrash ein Vermögen verloren. Doch er war eine Kämpfernatur, Mr. Reilly. Dad sagte immer, dass man besser neues Geld verdienen könne als altem Geld nachzutrauern.«

Ich begann, mir Notizen zu machen.

»Um welche Privatbank geht es, Miss Finn?«

»Sullivan & Sons. Dad hat dort mehrere Konten, der Direktor Edgar Sullivan ist … war sein Freund. Ansonsten hätte mein Vater sich dort wohl nicht ungehindert bewegen können.«

»Und warum vermutet die Polizei einen Freitod?«

»Angeblich ist mein Vater allein aufs Dach des Bankhauses gestiegen und sprang von dort aus in den Tod. Aber das ist doch Unsinn, Mr. Reilly! Nur, weil es keine Zeugen gab, kann trotzdem ein anderer Mann mit ihm dort oben gewesen sein. Die Angestellten bei Sullivan & Sons hatten doch wegen des Börsencrashs alle Hände voll zu tun! Von denen wird niemand darauf geachtet haben, wer die Treppe nach oben genommen hat. Sie merkten ja auch nicht, dass Dad aufs Dach stieg.«

Die schöne Schauspielerin hatte im Prinzip recht. Natürlich konnte der Börsianer auch gestoßen worden sein. Und die momentane Weltuntergangsstimmung an der Wall Street war die perfekte Kulisse für einen Mord, der sich als Freitod kaschieren ließ. Das führte mich zu meiner nächsten Frage.

»Wer könnte Ihrem Vater nach dem Leben getrachtet haben?«

Bevor Cherry Finn antwortete, holte sie ein silbernes Zigarettenetui aus ihrer Handtasche, steckte einen Glimmstängel auf eine Zigarettenspitze und ließ sich von mir Feuer geben. Außerdem nippte sie an dem Kaffee, den Lucy inzwischen gebracht hatte. Die Filmschauspielerin verströmte Wohlstand, von den Seidenstrümpfen bis zum sorgfältig nach neuester Mode ondulierten Haar.

»Mein Vater war ein erfolgreicher Aktienhändler, Mr. Reilly. Und Sie kennen gewiss die Redensart: Wo viel Licht ist, findet man auch viel Schatten. Ja, Jeremias Finn hatte zahlreiche Neider. Diese Leute konnten es nicht ertragen, dass er sich mit viel Fleiß ein Vermögen geschaffen hat.«

Und dieses Geld dürfte sich während der letzten Tage in Luft aufgelöst haben, dachte ich. Doch ich sprach meine Überlegung nicht offen aus. Mir fiel auf, dass die Klientin meiner Frage ausgewichen war.

»Haben Sie ein paar Namen für mich?«, fragte ich so beiläufig wie möglich.

»Auf Anhieb fällt mir Arturo Scapese ein, dieser Fisch-Mogul. Er bildete sich sein, dass Dad ihn in Finanzfragen schlecht beraten hätte. Und seitdem verfolgt er unsere Familie mit seinem Hass.«

Viele Amerikaner im Landesinneren wissen nicht, dass New York auch einen bedeutenden Fischereihafen besitzt. Und Scapese war einer der Männer mit den meisten Trawlern, die ihre Netze im Nordatlantik auswarfen. Ich war ihm bisher nie über den Weg gelaufen, doch das würde sich jetzt wohl ändern.

»Womöglich fallen mir noch weitere Namen ein, Mr. Reilly. Ich möchte auf jeden Fall, dass Sie die Wahrheit über Dads Tod herausfinden. Hier ist eine Anzahlung.«

Mit diesen Worten legte sie einen Briefumschlag auf meinen Schreibtisch. Darin befanden sich Bilder von toten Präsidenten, gedruckt auf grünes Papier. Ich bin ein großer Kunstliebhaber – besonders, wenn es um Banknoten geht.

Und fünfhundert Dollar waren ein Betrag, zu dem man einfach nicht nein sagen konnte. Vor allem nicht in dieser Zeit. Eine Frage hatte ich trotzdem noch.

»Wie kommen Sie eigentlich auf mich, Miss Finn? Wurde ich von einem anderen Klienten empfohlen?«

Ihre Antwort war ebenso kurz wie ernüchternd.

»Ich habe mein Glück bei mehreren seriösen und angesehenen Detektivbüros an der Fifth Avenue versucht. Doch niemand war bereit, für mich zu arbeiten.«

3

Ich ließ mir von meiner Klientin noch ihre Telefonnummer und Adresse geben, dann verschwand sie auf ihren hochhackigen Pumps aus meinem schäbigen Büro. Lucy schwärmte immer noch von dem Filmstar, als ich ins Vorzimmer zurückkehrte:

»Ist sie nicht der Hammer, Chef? Du musst dir unbedingt mal einen Film mit Cherry Finn anschauen. Ich wäre beinahe vom Stuhl gefallen, als du ihren Namen nicht kanntest. Ich dachte immer, du stehst auf schöne Frauen.«

»Jedenfalls eher als auf schöne Männer«, gab ich trocken zurück. »Ich haue jetzt ab, um den Tod von Miss Finns Vater zu untersuchen. Und falls in der Zwischenzeit Douglas Fairbanks hier auftauchen sollte, muss er eben warten.«

»Verschaukeln kann ich mich alleine, Chef!«, rief Lucy und streckte mir zum Abschied die Zunge heraus. Ich grinste, nahm Hut und Mantel und ging nach draußen. Ich war erleichtert, weil sie über den Verlust ihrer Ersparnisse zumindest für den Augenblick hinweggekommen war. Denn ich hatte keine Ahnung, wie ich sie hätte trösten können. Mit Geld bestimmt nicht, davon besaß ich selbst niemals genug. Es reichte immer nur, um gerade über die Runden zu kommen. Doch jetzt war nicht die Zeit, um über verschüttete Milch zu greinen. Mir stand der Sinn sowieso nach einer stärkeren Flüssigkeit, die es wegen der Alkohol-Prohibition in unserem schönen Land eigentlich nicht hätte geben dürfen. Außerdem wollte ich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Wie sich herausstellte, hatte mich mein Instinkt nicht getäuscht.

Als ich nämlich wenig später Chubby Boys Flüsterkneipe betrat, hockte dort mein Freund Alan Leary an der Theke. Er hatte eine Tasse vor sich, die gewiss keinen Kaffee enthielt. Ich pflanzte mich neben ihn und gab dem Lieutenant vom New York Police Department die Hand.

»Na, gönnen wir uns eine feuchtfröhliche Mittagspause, Alan?«

Er wandte mir sein verhärmtes Gesicht zu.

»Deine Witze waren auch schon mal besser, Jack. Meine Aktien sind jetzt nur noch Altpapier.«

»Tut mir leid für dich, Alan. An der Wall Street ist aktuell ja wirklich die Hölle los. Meine neue Klientin hat auch damit zu tun. Es geht um einen Börsenmakler, der in den Tod gesprungen ist.«

Der Lieutenant verzog den Mund und nahm einen Schluck Schmuggelwhisky.

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Publisher: BookRix GmbH & Co. KG

Cover: Germancreative, www.fiverr.com
Editing: Christiane Geldmacher, www.textsyndikat.de
Publication Date: 05-11-2020
ISBN: 978-3-7487-4047-6

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