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Kapitel 1

HINWEIS AN ALLE LESER!!!!

Und zwar hat sich etwas ergeben. "Imagine me without you" wurde von einem Verlag angenommen. Das bedeutet, die Fortsetzung werdet ihr in Buchform lesen können ;-)Das heißt aber auch, dass ich nicht mehr weiterposten kann. Ich hoffe, ihr habt alle dafür Verständnis. Aber das erste Kapitel bleibt als Leseprobe online. Und wenn ich weiß, wann das Buch erscheinen wird, gebe ich euch allen natürlich gleich Bescheid. Also am Besten auf der Favo-Liste stehen lassen ;-)

http://autorinannetteeickert.wordpress.com/2013/08/03/imagine-me-without-you-wird-bei-bookshouse-erscheinen/

 

Die Sonne schien. Endlich. Bereits seit Wochen hatte sie sich hinter einer nicht enden wollenden dunklen Wolkenfront versteckt und nur hervorgeblinzelt, wenn es einmal nicht regnete. Heute waren die trüben Wolken verschwunden und einem strahlend blauen Himmel gewichen. Obwohl dies keine außergewöhnlichen Wetterverhältnisse für den Frühsommer in England waren, stimmte der Sonnenschein die Menschen gleich ein wenig fröhlicher.

Lucas lag im Gras, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, die Augen geschlossen. Schon lange hatte er das nicht mehr getan. Einfach faul in der Sonne liegen und nichts tun. Die Seele baumeln lassen, in den Tag hinein leben, ohne Verpflichtungen und die ständige Angst, wieder etwas falsch zu machen. Denn das war sein Schicksal. Lucas tappte von einem Fettnäpfchen ins nächste. Er war der Unglücksrabe der Familie. 

Manchmal wünschte er sich an einen anderen Ort. An einen Platz, wo er frei war, ohne Verpflichtungen, ohne ständiges Gezeter, ohne Unterdrückung. Doch dafür fehlten ihm der Mut und ganz besonders das Geld, um seinen größten Traum Wahrheit werden zu lassen. Aber vor allem würden seine Adoptiveltern es zu verhindern wissen. Susanne und Franklin Patton hatten ihn zwar adoptiert, aber nur auf dem Papier.

Mit zehn Jahren waren Lucas richtige Eltern bei einem schweren Autounfall in Frankreich ums Leben gekommen. Obwohl Lucas ebenfalls in diesem Auto gesessen hatte, war er lediglich mit leichten Verletzungen davongekommen. An die Zeit im Krankenhaus und die Monate danach, bis die Familie Patton sich seiner annahm, besaß er kaum Erinnerungen. Nur noch schemenhafte Bilder verfolgten ihn in seinen Träumen, die jedoch verschwanden, sobald er die Augen öffnete.

Inzwischen hatte Lucas sich mit seinem Leben abgefunden. Was nutzte es, der Vergangenheit nachzutrauern und sich an verschwommene Erinnerungen zu klammern, wenn die Gegenwart ihn völlig vereinnahmte. Morgens um sechs Uhr klingelte sein Wecker, täglich. Danach wartete die Arbeit auf ihn. Mit kleinen Pausen, in denen er schnell etwas aß, hörte sein Tag meistens erst spät abends auf. Manchmal half er morgens noch vor seinen täglichen Verpflichtungen der Köchin Rosalin bei den Vorbereitungen für das stets üppige Mittagessen der Familie Patton. Anschließend war es seine Aufgabe, das viertausend Quadratmeter große Grundstück in Ordnung zu halten. 

»Warum das Geld einer Gärtnerfirma in den Rachen schieben, wenn Lucas das genauso gut kann«, pflegte Susanne Patton zu sagen, wenn das Gespräch auf die Pflege des großen Grundstückes kam.

Wenn Lucas seine Arbeit nicht zu ihrer vollsten Zufriedenheit erledigt hatte, diskutierte sie abends mit ihrem Mann darüber, Lucas als Strafe die neuen Privilegien zu streichen, die er inzwischen genießen durfte. Franklin stand nicht auf der Seite seines Adoptivsohns, dennoch ergriff er oft Partei für ihn, aus dem einfachen Grund, da er keine Lust verspürte, mehr Geld als notwendig auszugeben.

»Schatz, das Grundstück ist groß und macht eine Menge Arbeit. Wenn er es nicht schafft, muss er eben am nächsten Tag mehr arbeiten. Außerdem kostet er uns nichts.«

Dass Lucas bei solchen Gesprächen lauschte, ahnte niemand. Falls jemand ihn dabei erwischen würde, wären seine Sonderrechte mit sofortiger Wirkung gestrichen und diese wollte er auf keinen Fall verlieren. Daher war er immer sehr vorsichtig. 

Seit zwei Jahren durfte er die Köchin zu den wöchentlichen Großeinkäufen begleiten, die wiederum von dem Butler Maximilian gefahren wurde. Dabei ließen es sich die drei richtig gut gehen, ganz nach dem Motto: »Was Susanne und Franklin Patton nicht wissen, können sie auch nicht bestrafen.« Auf diese Weise machten sie oft einen Abstecher in einen Eissalon oder in eines der zahlreichen Fastfood-Restaurants. Entweder auf die Rechung von Rosalin oder Maximilian.

Außerdem besaß Lucas zum ersten Mal einen eigenen Fernseher. Nicht einen modernen Flachbildschirm oder sonstigen Schnickschnack, nur ein einfaches Röhrengerät mit einer Zimmerantenne. Aber für ihn war das schon etwas Außergewöhnliches. 

Alles hatte angefangen, als die Familie vor zwei Jahren von dem Städtchen Cheltenham in den äußeren Westen Londons gezogen war. Hillingdon hieß dieser Stadtteil. Dort hatten sich Susanne und Franklin eine neue, größere Villa im Stil der alten viktorianischen Herrenhäuser bauen lassen. Das alte Haus vermieteten sie zu einem horrenden Preis. Das neue Grundstück war ein wenig größer als das alte und grenzte direkt an einen erstklassigen Golfclub mit Hotel an. Das Bakerfield Black Forest, wie der Club hieß, gehörte inzwischen ebenfalls der Familie Patton.

Zahlreiche Angestellte kümmerten sich dort um alles, während Franklin als Manager fungierte und von seiner Frau tatkräftig unterstützt wurde. Das wiederum hatte Susanne auf eine Idee gebracht. Seit vier Monaten musste Lucas ebenfalls auf dem Grundstück des Golfclubs und der weitläufigen Parkanlage aushelfen. Inzwischen betrachtete ihn jeder als Mädchen für alles im Golfclub.

»Lucas? Wo bist du? Lucas, wo steckst du schon wieder?«, rief plötzlich eine schrille Frauenstimme, die sich ihm näherte.

Die Worte fuhren ihm durch Mark und Bein und rissen ihn aus seinen Gedanken. Erschrocken setzte er sich auf. Seine ohnehin kurze Mittagspause hatte so angenehm ruhig angefangen und endete abrupt.

»Was will sie denn jetzt schon wieder«, flüsterte Lucas und erhob sich nur widerwillig. Gerade rechtzeitig, bevor die knirschenden Kieselsteine unter Susanne Pattons Absätzen ihr Kommen verrieten. Er klaubte die Spritzdüse des Wasserschlauchs auf, drehte am Wasserregler und ein feiner Sprühregen ergoss sich über den grünen Rasen. Im selben Moment tauchte eine schlanke Frau hinter einer Hecke auf. Lucas schielte zu ihr herüber, tat aber so, als hätte er nichts gesehen. 

Susanne war Mitte Fünfzig, doch durch ihre ständigen Beautykuren und zwei Schönheitsoperationen, wollte sie zwanzig Jahre jünger aussehen – dass ihr Vorhaben leider erfolglos war, konnte jeder sehen. Wie so oft, trug sie ihre roten Haare zu einer Hochsteckfrisur, während sie in einem maßgefertigten dunkelblauen Kostüm steckte. Manchmal fragte Lucas sich, ob ihr Kleiderschrank außer Kostüme und extravagante Abendkleider noch etwas anderes beherbergte. Eines stand jedoch fest, Susanne war eine knallharte Geschäftsfrau, genauso wie ihr Mann. Franklin war ihr männliches Gegenstück. Arroganz war Susannes hervorstechendste Charaktereigenschaft, gefolgt von ihrem unersättlichen Schönheitswahn und maßloser Überheblichkeit.

»Verdammt, Lucas! Hörst du nicht, wenn ich dich rufe?«, warf sie ihm vor und überbrückte die restlichen Schritte, bis sie neben ihm stand. Dabei wäre sie beinahe mit ihren hochhackigen Pumps in den Kieselsteinen hängen geblieben und der Länge nach auf dem Boden gelandet. 

Lucas unterdrückte ein schadenfrohes Grinsen und beobachtete Susanne, die verärgert die Hände in die Hüften stemmte. Sie hatte sich wieder viel zu viel Make-up ins Gesicht geschmiert.  Damit wirkte sie nicht wie eine Zwanzigjährige, die sie gerne vorgab zu sein, sondern wie eine Frau, die sich gewaltsam verjüngte, ganz zu ihrem eigenen Nachtteil.

»Was machst du da?«, fragte sie und rümpfte die Nase. »Du stinkst!«

»Ich arbeite«, antwortete er schlicht und gab vor, sich ganz auf das Gießen des Rasens zu konzentrieren. Doch innerlich ahnte er bereits, dass sie gleich einen Anschlag auf ihn verüben würde.

»Das sehe ich auch«, entrüstete sich Susanne und seufzte. »Du musst heute früher fertig werden. Danach gehst du erstmal duschen. Hast du verstanden?« 

Lucas stöhnte innerlich auf. Was erwartete sie von ihm? Dass er bei der schweißtreibenden Arbeit in der prallen Sonne duftete wie ein Rosenbusch? Er schluckte einen bissigen Kommentar herunter und sagte stattdessen überrascht: »Wieso? Ich brauche mindestens noch zwei Stunden für den Rasen. Und dann sollte ich Mr. Talbot am Bootssteg helfen. Eine Verankerung hat sich …«

»Frag nicht so dumm. Mr. Talbot kann das auch alleine. Wir erwarten die Familie Lancford um 18 Uhr zum Essen. Du musst vorher Rosalin bei den Vorbereitungen in der Küche aushelfen. Ich habe dir einen Anzug aufs Bett gelegt. Den wirst du anziehen und bei uns am Tisch essen.« 

»Mit euch essen?« Konstatiert schaute er sie an, als hätte sie eben Suaheli mit ihm gesprochen.

Dass er mit der Familie Patton an einem Tisch saß, war bisher nur ein einziges Mal vorgekommen, und zwar bei der Einweihungsparty vor zwei Jahren. Ansonsten waren seine Adoptiveltern um keine Ausrede verlegen, dass er solchen Ereignissen fern blieb. Am liebsten sahen sie es, wenn ihre Gäste Lucas erst gar nicht kannten und sahen.

»Ja, bist du taub?« Susanne verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte ihn an. Das tat sie immer, wenn sie genervt von ihm war. »Keine Ahnung wer es war, doch jemand hat von dir erzählt. Da Viktoria in Oxford ist und Samuel erst in zwei Wochen zurückkommt, sitzt du eben an ihrer Stelle am Tisch. Und jetzt beeile dich gefälligst und mach später was mit deinen Haaren.« 

Sie machte auf dem Absatz kehrt und lief unbeholfen den Kiesweg zurück, der bis zur Terrasse der Villa führte. Als sie schließlich außer Sicht war, drehte er den Wasserschlauch ab und setzte sich auf den Weg. Lucas Gedanken überschlugen sich. Er durfte beim Abendessen dabei sein. War das eine Ehre oder doch eher ein zweifelhaftes Vergnügen? Auf jeden Fall würde er diesen Tag im Kalender anstreichen. Nur von den eingeladenen Gästen, die Familie Lancford, wusste er überhaupt nichts. Wenn er sich nicht irrte, dann spielte Mr. Lancford regelmäßig im Bakerfield Black Forest Golf. Und diese Information kannte er auch nur, weil er erst letztens Susanne und Franklin belauscht hatte, als sie sich über die neuen Nachbarn unterhielten. 

So groß das Privileg für den heutigen Abend war, so nervös und ängstlich war Lucas aber auch. Sehnsüchtig wünschte er sich seine beiden Stiefgeschwister herbei, damit er sich in Ruhe mit einem einfachen Sandwich in sein Kellerzimmer zurückziehen konnte.

Viktoria Patton war nur ein Jahr älter als er. Letztes Jahr hatte sie ihren zwanzigsten Geburtstag gefeiert. Eigentlich war er froh sie nicht zu sehen, da sie inzwischen in Oxford studierte und nur ab und zu nach Hause kam. Sie konnte ihn nicht leiden und das beruhte auf Gegenseitigkeit. Auch sein älterer Stiefbruder Samuel bildete da keine Ausnahme, der zum Glück nur zwei Mal im Jahr nach England zurückkehrte. Er studierte Jura an einer Eliteuniversität in Amerika und war sogar mit einer reichen Amerikanerin verlobt. Lucas hatte sie zu Weihnachten einmal aus der Ferne gesehen, aber für ihn stand fest, sie war genauso eingebildet wie Samuel. Doch selbst Samuel und seine ständigen Sticheleien, wie wichtig ein gutes familiäres Umfeld, eine gute Schulbildung und persönliche Beziehungen in der modernen Zeit waren, hätte Lucas stillschweigend ertragen, wenn er sich vom Essen hätte fernhalten können. Aber es war beschlossene Sache, also hatte er sich ohne Widerworte zu fügen.

Lustlos stand er auf, nahm die Spritzdüse des Wasserschlauchs in die Hand und ging an die Arbeit. Schließlich machte sie sich nicht von alleine.

 

Auf die Minute pünktlich kam Lucas die Kellertreppe nach oben geschlurft und stand in der Küche, wo es bereits herrlich duftete. Er schloss die Tür hinter sich, welche den Keller von den oberen Wohnbereichen trennte und lief dann hinaus in den Flur. Im Vorbeigehen schenkte ihm Rosalin ein anerkennendes Lächeln. In der großen Eingangshalle wurde er schon ungeduldig von Susanne und Franklin erwartet.

Susanne trug ein enges, weinrotes Cocktailkleid, das ihren freien Rücken und ihre schmalen Schultern betonte. Ihre Frisur vom Mittag war einer neuen Hochsteckvariante gewichen. Sie hatte eine dicke Schicht Make-up aufgelegt und zu viel Lippenstift benutzt.

Franklin rückte das Jackett seines dunklen Anzugs und den roten Schlips zurecht, als auch schon Motorengeräusche auf der Auffahrt zu hören waren. Die erwarteten Gäste kamen genau zur richtigen Zeit. Doch vorerst war er den kritischen Blicken der beiden ausgeliefert. Lucas mochte den schwarzen Anzug und die graue Krawatte nicht, beides war unbequem. Die Kleidung, ebenso die Schuhe, gehörten eigentlich Samuel. Da sie die gleiche Größe trugen, hatte seine Adoptivmutter schon öfter zu diesem Mittel gegriffen. Wenigstens wusste Samuel nichts davon, denn der hätte das nicht besonders lustig gefunden. Außerdem sah sein Stiefbruder in dem Anzug viel besser aus, als er sich momentan fühlte. Am liebsten trug Lucas eine alte Jeans, darüber ein T-Shirt oder einen Pullover und ein paar Sneakers.

»Hatte ich nicht gesagt, du sollst was mit deinen Haaren machen?«, mokierte sich Susanne und stöckelte auf ihn zu. Sie hasste Lucas verwuschelten strohblonden Haare. Er dagegen mochte sie genau so. Um sie zu ärgern, hatte er sie absichtlich nach dem Duschen mit ein wenig Gel verstrubbelt. Jetzt musterte sie ihn skeptisch von oben bis unten, überprüfte selbst, ob er saubere Fingernägel hatte. Obwohl es nichts zu meckern gab, denn Lucas hatte auf alles geachtet und sogar die Schuhe poliert und die Krawatte ordentlich gebunden, kräuselte sie die Lippen.

Franklin nickte lediglich. »Alles in Ordnung, Liebling.« Er legte ihr dabei einen Arm um die Hüfte und drehte sie bestimmt zur Haustür um, wo es gerade klingelte. Aber bevor er sich ebenfalls umdrehte und wartete, dass der Butler Maximilian den Gästen die Tür öffnete, flüsterte er Lucas zu. »Du benimmst dich gefälligst, haben wir uns verstanden? Du redest nicht, nur wenn du direkt gefragt wirst. Ich war von Anfang an dagegen, dass du dabei bist. Aber Mr. Talbot hat leider ausgeplaudert, dass du unser Adoptivsohn bist. Das wird für ihn auch noch Konsequenzen haben. Ein Ersatz ist schnell gefunden. Auf geschwätzige Hausmeister kann ich gut verzichten.«

Lucas schloss die Augen, atmete einmal tief durch und öffnete sie wieder. Sein Pulsschlag beschleunigte sich und seine Kehle war plötzlich ganz trocken. Franklins Drohung hatte er sehr deutlich verstanden. Er wusste, was passieren würde, wenn er sich nicht an die Regeln hielt. Bei Verstoß erwarteten ihn mindestens ein Monat doppelt so viel Arbeit und die Großeinkäufe wären gestrichen, was nicht so schlimm wäre, wenn er nicht zusätzlich für Franklins Wutausbrüche als Punchingball benutzt werden würde. Nicht zum ersten und auch nicht zum letzten Mal. Das letzte Mal war an Viktorias Geburtstag vor drei Monaten gewesen, als eine von ihren Freundinnen sich mit ihm unterhalten hatte. Dass es sich dabei von Anfang an um einen Streich seiner Stiefschwester gehandelt hatte, die das Ganze extra so arrangiert hatte, dass Franklin Zeuge wurde, dachte er nur ungern zurück. Blaue Flecken, Quetschungen und Prellungen hatten ihn wochenlang begleitet.

Aus den Augenwinkeln nahm Lucas wahr, wie Maximilian Mr und Mrs Lancford einließ, die sofort von Susanne und Franklin heuchlerisch gut gelaunt in Empfang genommen wurden. Überraschenderweise wirkten die neuen Nachbarn auf den ersten und auch auf den zweiten und dritten Blick offenherzig, freundlich und keineswegs arrogant. Das schmälerte ein wenig Lucas wachsende Nervosität.

Aufgrund des belauschten Gespräches wusste Lucas, dass die beiden Gäste im gleichen Alter wie seine Adoptiveltern waren, aber ihnen sah er es nicht an. Sie schienen ganz anders zu sein, anders, als er es gewöhnt war. An Susannes versteinertem Gesichtsausdruck konnte er deutlich erkennen, dass ihr dies missfiel, vor allem, was Mrs Lancford trug. Sie hatte sich für ein knielanges schwarzes Cocktailkleid mit Pailletten entschieden, ihr Mann trug einen schwarzen Anzug und einen modernen, bunten Schlips. Die beiden Gäste boten einen sympathischen und freundlichen Eindruck. Mrs Lancford strahlte zudem eine natürliche Jugendlichkeit und Leichtigkeit aus, die Lucas gefielen.

»Und das ist wohl ihr Sohn Lucas"«, sagte Mrs Lancford und nährte sich ihm mit einem Lächeln.

Er verbeugte sich höflich und hauchte ihr einen angedeuteten Handkuss auf die dargereichte Hand. Ihrem Mann drückte er die Hand. »Guten Abend. Ich freue mich, sie kennenzulernen«, begrüßte er sie leise. Auf die plötzliche Aufmerksamkeit war er nicht vorbereitet gewesen.

»Ganz unsererseits. Du bist ein hübscher junger Mann. Schade, dass Benjamin nicht mitkommen konnte. Er ist unser Sohn. Zurzeit ist er jedoch in Spanien. Es hätte ihn bestimmt gefallen, dich ebenfalls kennenzulernen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.«

»Ihr Sohn ist in Spanien?«, lenkte Susanne ein und nahm Mrs Lancford am Arm und führte sie in Richtung Speisezimmer. Hauptsache weg von Lucas.

Franklin kümmerte sich um Mr Lancford. Lucas blieb alleine zurück und folgte nur langsam. Der Abend hatte nicht einmal begonnen und war jetzt bereits eine Katastrophe. Denn wenn Franklin und Susanne eines hassten, dann, dass man Lucas ansprach, als würde er zur Familie gehören und ihn auch so behandelte. Bevor er selbst das Speisezimmer betrat, sah er Maximilian, der ihm aufmunternd zuzwinkerte, was ihm wiederum ein Lächeln entlockte. Er musste das Beste aus der Situation machen. Vielleicht würde es gar nicht so schrecklich werden, wie befürchtet, versuchte er sich Mut zu machen.

»Benjamin hat ein Fotoshooting in Andalusien«, hörte er dem Gespräch der beiden Frauen mit halbem Ohr zu, die mit ihren Männern an der zwölfköpfigen Tafel Platz nahmen. »Er macht dort Aufnahmen für ein bekanntes Männermagazin. Benjamin wird oft gebucht. Nächste Woche fliegt er nach Australien.«

So ging es eine Zeitlang weiter. Susanne brachte schließlich die eigenen Kinder ins Gespräch mit ein, wobei sie immer wieder betonte, dass ihre Tochter Viktoria auf der Suche nach dem Mann ihres Lebens wäre und wie erfolgreich ihr Studium verlief. Die Männer fachsimpelten über Golf. Lucas saß da und hoffte, der Abend würde schnell vorbei gehen.

 

 

Fortsetzung folgt

Imprint

Text: Annette Eickert
Publication Date: 06-22-2013

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