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Außer Plan oder: Wie wir kommunizieren



Mit dem ICE, das ist cool. Der rauscht am Bahnsteig immer so vorbei, dass man fast wegfliegt. Und im Zug kriegt man gar nix mit. Regionalexpress ist dagegen die reinste Langweilernummer.

Und erst diese Wege: Zum Bahnhof im Regen. Den Schirm in Windrichtung gestemmt, Hose und Koffer sind schutzlos. Kalte Beine und die Hose unten schön nass. Jetzt aber ab auf Gleis 1. Gerade Bauarbeiten, am Aufzug wird geschweißt, das Kofferband außer Betrieb. 50 Stufen die Treppe hoch.

Wer kann das eigentlich? Erst mit Koffer 50 Stufen hochlaufen und dann einen ICE 1 Meter neben sich vorbeirasen lassen. Alle Omis und Opis – und von denen fahren ja so einige Zug – werden dabei doch umgepustet, wenn sie außer Atem oben ankommen.

Drei Minuten vor „planmäßiger Ankunft“: 20 Minuten Verspätung, wegen „Störungen im Betriebsablauf“, sagt die zusammengeschnittene Frauenstimme.

Dann später: Der Zug rollt an, bleib wieder stehen. Ein ICE überholt, wir über die Güterstrecke – schön langsam.

Irgendwann steigen zwei Schülerinnen ein. Das Abteil fast leer, mittwochsabends, 22 Uhr. Erdkunde? Nicht gut? Der Stoff in Englisch? Quatsch! Achja, die behütete Schulzeit…

Zwei junge Männer schreien. Alles ruhig, nur die beiden reden aufgeregt, nicht im Streit, sondern einfach nur laut. Beide haben Ohrstöpsel und steigen mit aus. Der Osteuropäer neben kämmt sich kurz vorm Ausstieg die Haare, begutachtet das Ergebnis im Zugfenster.

Der Bahnhof am Ausstieg so schön still und ruhig. Sogar der verbeulte Zug rollt leise und langsam wieder an. Vor mir die Schreihälse, reden weiter aufgeregt, mit Ohrstöpseln. Hinter mir kommt Gangster-Musik im Handy-Sound, überholt mich. Davor die Schreihälse. Auf der Treppe dann alle vier nebeneinander. Plötzlich verstummt die Schreierei. Vier paar Augen gucken leicht verblödet nach links.


Kapitel 2 Ohne Ausgang oder: Wer den Kindern böses lehrt



Zehn Minuten Verspätung, halb fünf schon. Neben mir ein Mann mit Holzbein, ausgestreckt. Ein Vater hat drei Kinder dabei, gute Laune, für die Kinder. Setzt sich auf die Treppe, blockiert die ganze Treppe. Kann ich mal vorbei? Klar doch, wir sind im Rafting-Team für guten Zusammenhalt im Zug. Wer will was zu essen? Danach trinken? Wer will was trinken? Saft? Keine Ruhe.

Gegenüber ein Mann, der mit durchdringendem Blick. Sehe ich genervt aus? Ja – und er sieht es.

Im Viererabteil. Ein Junge stiert auf einen tragbaren Computer. Die Mutter stumm daneben, die Kinderjacke in der Hand. Wenn Sonne ins Abteil leuchtet, gräbt sich der Junge in der Jacke ein. Sieht den Bildschirm sonst nicht. Sie zieht ihm beim Aussteigen die Jacke an, der Junge behält seinen Computer genervt in der Hand, kein Blick nach oben. Er beim rausgehen: Mist, fast 2000 Punkte.

Dreiersitz an der Aufwärtstreppe: Mama mit zwei Kindern. Sag doch mal die Zahlen von eins bis zehn auf italienisch und französisch. Mama bittet die schmollende Tochter um gute Laune. Nach dem Abendessen gibts noch ein Eis, wenn Du jetzt lieb bist. Nicht die Finger ablecken und dann den Sitz anfassen. Handy rausholen.
Woher wissen wir nur, welcher Satz jetzt kommt? Wir sitzen grad im Zug. Sie: Wir sitzen grad im Zug. Hilfe! Musik lauter. Nicht zu laut, ich will es trotzdem mitbekommen. Jacke aus, wenn sie ankommen nicht vergessen. Und vor dem Aussteigen Jacke an, und bitte 10 Minuten vorher schon im Gang stehen. Wir wollen ja die Ersten sein. Wo geht’s nur raus?

Fortsetzung folgt


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Text: Alle Rechte vorbehalten
Publication Date: 01-08-2009

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Dedication:
Gewidmet dem Froschkönig

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