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Dante strich mit dem Daumen über süßes, duftendes Fleisch und verweilte ein wenig bei der Halsschlagader, dort, wo der menschliche Puls am stärksten schlägt. Auch sein eigener Herzschlag beschleunigte sich, glich sich dem Rhythmus ihres Blutes an, das unter der Oberfläche ihrer zarten, weißen Haut dahinströmte. Dante beugte seinen dunklen Kopf hinunter und küsste die empfindliche Stelle, umspielte mit der Zunge das schnelle Flattern ihres Herzschlags.
„Sag mal, du“, murmelte er in die warme Haut, seine Stimme ein tiefes Grollen gegen den dröhnenden Technobeat des Clubs, „bist du eine gute oder eine böse Hexe?“
Die junge Frau räkelte sich auf seinem Schoß, ihre netzbestrumpften Beine pressten sich an seine Oberschenkel, das schwarze Spitzenbustier drückte ihm ihre Brüste unters Kinn. Lasziv spielte sie mit einer Strähne ihrer fuchsienroten Perücke und ließ dann den Finger langsam abwärts wandern, vorbei an dem Tattoo eines keltischen Kreuzes, das auf ihrer Schulter prangte, bis mitten in ihren wogenden Ausschnitt hinein. „Oh, ich bin eine sehr, sehr böse Hexe.“
Dante stieß einen Knurrlaut aus. „Die mag ich am liebsten.“
Er lächelte in ihren betrunkenen Blick und machte sich dabei nicht die Mühe, seine Fangzähne zu verbergen. In diesem Bostoner Tanzclub war er in der Halloween-Nacht nur ein Vampir von vielen, obwohl die meisten anderen nur so taten als ob, Menschen, die sich mit Plastikgebissen, künst lichem Blut und allerlei lächerlichen Kostümen ausstaffiert hatten. Er und einige andere dagegen – eine Handvoll Männer aus den Vampirreservaten, den sogenannten Dunklen Häfen – waren echt.
Dante und die anderen waren Abkömmlinge des Stammes, die nicht viel gemein hatten mit den bleichen Vampiren aus den Gruselromanen, so wie die Menschen sie sich vorstellten. Dantes Rasse, weder untot noch vom Teufel gezeugt, war eine warmblütige Hybride von Homo sapiens und einer todbringenden außerirdischen Spezies. Die Vorväter des Stammes, eine Schar außerirdischer Eroberer, die vor Jahrtausenden auf der Erde Schiffbruch erlitten hatten und schon seit undenklichen Zeiten ausgestorben waren, hatten sich mit Menschenfrauen gepaart und ihren Abkömmlingen den Durst – den Urtrieb nach dem lebensspendenden menschlichen Blut – vererbt.
Diesen außerirdischen Genen hatte der Stamm große Stärken, aber auch vernichtende Schwächen zu verdanken. Nur ihre menschliche Seite, die Eigenschaften, die über die mütterliche Linie vererbt wurden, sorgte dafür, dass die Rasse zivilisiert bleiben und sich an Ordnung und Regeln halten konnte – wie beispielsweise den Ehrenkodex seiner Bruderschaft, des Ordens der Stammeskrieger. Trotzdem konnten Stammesvampire ihrer dunklen, wilden Seite verfallen und zum Rogue mutieren, einer Existenzform, die in einer Sackgasse von Blut und Wahnsinn endete.
Dante verachtete dieses Element seiner Rasse, und als Stammeskrieger war es seine Pflicht, seine Roguebrüder auszulöschen, wo immer er ihnen begegnete. Als Mann, der gerne seinen Vergnügungen nachging, war Dante nicht sicher, was er mehr genoss: eine warme, saftige Frauenvene, auf die er seinen Mund pressen konnte, oder das Gefühl einer titan beschichteten Stahlklinge in der Hand, wenn seine Waffe sich in die Körper seiner Feinde fraß und sie in Straßendreck verwandelte.
„Darf ich mal anfassen?“ Die pinkhaarige Hexe auf seinem Schoß starrte fasziniert auf Dantes Mund. „Wow, deine Zähne sehen ja so echt aus! Die muss ich einfach mal anfassen.“
„Vorsichtig“, warnte er sie, als sie ihre Finger an seine Lippen hob. „Ich bin bissig.“
„So?“, kicherte sie, ihre Augen wurden größer. „Du siehst mir ganz danach aus, Süßer.“
Dante saugte ihren Finger in seinen Mund und überlegte, was wohl die schnellste Art war, diese Kleine flachzulegen. Er musste Nahrung zu sich nehmen, aber wenn es dabei auch zu einer kleinen Nummer kam, hatte er nie etwas dagegen – als Vorspiel oder gleichzeitig, während er trank, das war ihm einerlei. Gut war es immer.
Gleichzeitig, entschied er jetzt impulsiv, als seine Fangzähne in ihre fleischige Fingerkuppe drangen, gerade als sie den Finger wieder zurückziehen wollte. Sie keuchte, als er an der kleinen Wunde saugte, noch wollte er sie nicht fortlassen. Der Geschmack von Blut, auch wenn es nur die paar winzigen Tropfen waren, erregte ihn und schärfte die Pupillen seiner goldfarbenen Augen zu vertikalen Schlitzen. Heißes Verlangen durchzuckte ihn und sammelte sich in der anschwellenden Beule zwischen seinen Beinen, unter seiner schwarzen Lederhose spannte sich sein Schwanz.
Die junge Frau stöhnte und schloss die Augen, sie räkelte sich katzenartig auf seinem Schoß. Dante ließ ihren Finger los, schloss die Hand um ihren Kopf und zog ihren Hals näher zu sich heran. Eine Quelle in der Öffentlichkeit zu nehmen war eigentlich nicht sein Stil, aber ihm war todlangweilig, jetzt brauchte er einfach Zerstreuung. Außerdem würde es heute Nacht, wo die Stimmung im Club von Gefahr und offener Sinnlichkeit pulsierte, bestimmt niemand bemerken. Was die Kleine auf seinem Schoß anging, so würde sie nur Lust spüren, während er sich von ihr nahm, was er brauchte. Danach würde sie sich an nichts erinnern, er würde vollständig aus ihrem Gedächtnis getilgt sein.
Dante beugte sich vor und zog ihren Kopf in Position, vor Hunger lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Beiläufig warf er noch einen Blick über ihre Schulter und merkte plötzlich, dass er beobachtet wurde. Zwei junge Männer – gewöhnliche Vampire, Bewohner der Vampirreservate, der sogenannten Dunklen Häfen – sahen ihm aus ein paar Metern Entfernung zu. Es waren noch Jugendliche – ohne Zweifel gehörten sie der aktuellen Generation des Stammes an. Sie flüsterten miteinander, hatten ihn klar als Stammeskrieger erkannt und überlegten anscheinend, ob sie es wagen sollten, ihn anzusprechen.
Verpisst euch, dachte Dante in ihre Richtung, öffnete die Lippen und machte sich daran, seiner Blutwirtin die Halsschlagader zu öffnen.
Aber die jungen Vampire ließen sich von seinem abweisenden Blick nicht abwimmeln. Der Größere der beiden, ein blonder Junge in Armeehosen, Motorradstiefeln und schwarzem T-Shirt, kam schon auf ihn zu, im Schlepptau seinen Gefährten, der weite Jeans, hohe Turnschuhe und eine übergroße Lakers-Jacke trug.
„Verdammt.“ Im Grunde hatte Dante nichts dagegen, wenn ihm gelegentlich jemand zusah, aber ein glotzendes Publikum aus nächster Nähe, wenn er Nahrung zu sich nahm, hatte ihm gerade noch gefehlt.
„Was hast du denn?“, jammerte seine Beinahe-Blutwirtin, als er sich von ihr losmachte.
„Nichts, Schätzchen.“ Er legte ihr die Hand flach auf die Stirn und wischte die letzte halbe Stunde aus ihrer Erinnerung. „Geh jetzt zurück zu deinen Freundinnen.“
Folgsam erhob sie sich von seinem Schoß und ging davon, verschmolz mit den durcheinanderwimmelnden Körpern auf der Tanzfläche. Die beiden Vampire aus den Dunklen Häfen würdigten sie kaum eines Blickes, als sie an Dantes Tisch traten.
„Was ist los, Jungs?“ Dante warf ihnen die Begrüßung achtlos entgegen, er hatte wirklich null Interesse an Small Talk. „Hallo.“
Blondie in der Armeehose schenkte ihm ein Nicken und warf sich in Positur, die muskelbepackten Arme vor der Brust verschränkt. Keine einzige Dermaglyphe war auf dieser jungen Haut zu sehen. Definitiv die aktuelle Generation des Stammes, wahrscheinlich noch keine dreißig. „Entschuldige, wir haben da wohl eben was unterbrochen, aber wir müssen dir einfach sagen, Mann – das war hammermäßig, wie ihr Jungs vor ein paar Monaten die Rogues fertiggemacht habt. Alle reden noch davon. Der Orden jagt in einer einzigen Nacht eine ganze Kolonie von diesen Arschlöchern in die Luft – also, denen habt ihr’s wirklich gegeben, Mann. Wahnsinn.“
„Echt stark“, fügte sein Begleiter hinzu. „Also, und da haben wir uns gefragt … Ich meine, wir haben gehört, dass der Orden neue Rekruten sucht.“
„So, habt ihr das?“ Dante lehnte sich in seinem Stuhl zurück und stieß einen gelangweilten Seufzer aus. Es war nicht das erste Mal, dass er von jungen Vampiren aus den Dunklen Häfen angesprochen wurde, die sich den Kriegern anschließen wollten. Der erfolgreiche Schlag gegen die bisher größte Zusammenrottung von Rogues in einer ehemaligen Nervenheilanstalt im letzten Sommer hatte dem einst geheimen Kader der Stammeskrieger eine Menge ungewollter Aufmerksamkeit eingebracht. Seither, so schien es, wurden sie von den jungen Vampiren
Um ehrlich zu sein, es konnte einem tierisch auf die Nerven gehen.
Dante kickte seinen Stuhl vom Tisch weg und stand auf. „Da bin ich nicht der Richtige“, sagte er zu den beiden hoffnungsvollen Möchtegerns. „Und außerdem erfolgt die Aufnahme in den Orden nur per Einladung. Tut mir leid.“
Er schlenderte davon und fühlte sich fast etwas erleichtert, als sein stumm geschaltetes Handy in seiner Jackentasche zu vibrieren begann. Er fischte es heraus und nahm den Anruf entgegen, er kam von der Zentrale im Hauptquartier der Stammeskrieger.
„Ja?“
„Wie läuft’s denn so?“ Es war Gideon, das Computergenie des Ordens, der in der Zentrale als Dispatcher fungierte. „Irgendwelche Oberflächenaktivität zu melden?“
„Nicht viel los hier. Ziemlich tot momentan.“ Dante ließ seinen Blick über den bevölkerten Club schweifen und bemerkte, dass die beiden jungen Vampire sich anschickten weiterzuziehen, sie gingen mit ein paar kostümierten jungen Frauen auf den Ausgang zu. „Bislang keine Rogues zu sehen. Ist das nicht öde? Ich werde noch verrückt, wenn’s hier nicht bald ein bisschen ordentliche Action gibt, Gid.“
„Kopf hoch, alter Junge“, sagte Gideon, ein Grinsen in der Stimme, „die Nacht ist ja noch jung.“
Dante lachte leise. „Sag Lucan, dass ich ihn schon wieder vor ein paar Möchtegerns gerettet habe, die sich bei uns verpflichten wollten. Weißt du, mir war es viel lieber, als wir noch nicht so prominent waren, als wir noch gefürchtet waren und die Leute Abstand hielten. Kommt Lucan mit der Anwerbung voran? Oder wird unser verehrter Anführer zu sehr von seiner atemberaubenden Stammesgefährtin in Beschlag genommen?“
„Ja und ja“, erwiderte Gideon. „Was die Anwerbung angeht, wir haben einen neuen Kandidaten aus New York reinbekommen, und Nikolai hat bei einigen seiner Kontakte in Detroit vorgefühlt. Wir müssen bald mal ein paar Tests für die Neuen arrangieren – du weißt schon. Sie sollen das Ganze erst mal durchlaufen haben, bevor wir verbindlich zusagen.“
„Du meinst, wir werden ihnen ihren Hintern auf einer Platte servieren und dann schauen, welche von ihnen wiederkommen und um mehr betteln?“
„Wieso, geht das denn auch anders?“
„Bin dabei“, knurrte Dante, als er durch den Club auf die Tür zuging.
Er schlenderte in die Nacht hinaus, ging einer Gruppe von Clubbern aus dem Weg – Menschen in zerschlissenen Kleidern und schauderhafter Gesichtsbemalung, Marke aufgewärmter Tod, die wohl Zombies darstellen sollten. Sein hochsensibles Gehör nahm Hunderte von Geräuschen wahr – den üblichen Verkehrslärm, durchsetzt vom Kreischen und Gelächter betrunkener Halloween-Feiernder, die sich auf den Straßen und Gehsteigen drängten.
Und da war noch etwas anderes.
Etwas, das ihn aufhorchen ließ. Das seinen Kriegerinstinkt blitzartig in Alarmzustand versetzte.
„Muss los“, sagte er zu Gideon am anderen Ende. „Jetzt habe ich doch einen Blutsauger geortet, den hol ich mir. So wie’s aussieht, ist die Nacht noch nicht ganz verloren.“

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Publication Date: 08-08-2011

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