Wow, diese Augen. Für diesen Kerl würde ich wirklich alles machen... Sogar meinen Schwur brechen, bis zu meinem Sechzehnten Jungfrau zu bleiben... Nur leider würde das nichts nützen. Denn Sebastian – So hieß dieser wundervolle Typ- war schüchtern. Sehr schüchtern! Und er ließ jedes Mädchen abblitzen. Ich seufzte und wendete mich von diesem makellosen Gesicht wieder der Lehrerin zu. Wir hatten Englisch und eigentlich liebte ich den Unterricht bei Frau Smith, aber seit Basti gestern neu in unsere Klasse gekommen war, konnte ich mich in der Schule auf nichts mehr konzentrieren.
Schnell schickte ich meiner Freundin eine SMS:
- Gleich in der Pause zu Mcis? ;) -
- Klar doch, muessen nur aufpassen, dass wir nicht erwischt werden :D Sag paar anderen Bescheid, dass die kommen sollten^^
- Jo, warte kurz... :D -
Kurzerhand schickte ich ein paar anderen aus meinem Jahrgang eine Message:
- 10 min- fuer Mcis am Schultor treffen. Macht pronto, wenn ihr mitkommen wollt. Bg -
,,Was machst du denn hier?,“ fragte ich meinen Ex- Freund erschrocken, der mir vom unteren Ende der Treppe grinsend entgegenblickte. ,, Ich wollte dich sehen Babe,“ meinte er , wobei er ein anschmachtendes Lächeln aufsetzte. ,, Adrian, es ist aus!,“ knallte ich ihm an den Kopf, ,, Lass mich in Ruhe!“ ,, Chill dich! Hab ne SMS bekommen, ich soll hier hin kommen für Mcis, " erklärte er mir grinsend.
,, Hey Lena!,“ begrüßte er das überhübsche Mädchen, das genau so doof war, wie ihr Haar blond, ,, Danke für die Einladung!“ ,, Ich konnte bei dir einfach nicht widerstehen.“ Sie lächelte ihr aufgesetztes, pinkes Lächeln mit einem Augenaufschlag.
Bitch please!
Langsam trudelten auch die anderen Leute ein. Hauptsächlich aus meiner Clique, aber auch 3 Typen, mit denen ich nicht so viel zu tun hatte und die Zwillinge aus meiner Parallelklasse. ,, Auf geht’s,“ spornte und Layla, meine beste Freundin an, ,, Sonst sind wir grade aus der Tür raus, wenn die Pause vorbei ist.“ Ich stöhnte, als sie einen schnellen Schritt anschlug. Ich hatte heute schon genug Morgensport betrieben! Ich hatte vor der Schule meine heißgeliebten Pumps nicht gefunden und sie noch suchen müssen!
Schwer atmend kamen wir in dem kleinen Fast Food Restaurant an. Wir waren die einzigen. Ich meine, wer sonst kommt schon auf die Idee, in einer Pause -?!- zu McDonalds zu laufen? Wir waren halt ein bisschen bescheuert... Unser Lebensmotto war schließlich auch ,, Bekloppt und stolz drauf!“
Das kleine Flittchen Lena hing die ganze Zeit an Adrians Arsch, als wollte sie dort einziehen, was mich gewaltig nervte. Doch diesem schien es zu gefallen, und so ignorierte ich die Beiden einfach. Adrian war ohnehin ein mieser Player. Wir waren gerade mal eine Woche nicht mehr zusammen und schon jetzt fögelte er anscheinend mit einer Neuen rum.
Wir rückten einige Stühle an den größten Tisch und ich nahm die Bestellung meiner Freunde entgegen. ,, Was wollt ihr haben,“ fragte ich die beiden Turteltäubchen genervt, denn die Beiden waren anscheinend so ineinander vertieft, dass sie nicht merkten, dass ich sie jetzt schon eine gefühlte Ewigkeit anstarrte. ,, Na, was willst du haben Hübsche,“ säuselte Adrian an Lena gewandt. ,, Ein Ei,“ meinte diese dusselig grinsend. OMG, warum musste ich mir das anhören? ,, Ich hätte zwei Eier im Angebot, sagte der Dunkelhaarige mit der hochgegeelten Frisur. ,, Also ein McBakon, " fuhr ich dazwischen und funkelte den perversen Kerl an, ,, Für dich?“ ,, Zwei McToast mit Bacon and Egg und ein McCroissant mit Nutella,“ zählte er mit einem breiten Grinsen auf. Er sah gut aus. Sehr gut! Er hatte eisblaue Augen, mit denen er jeden Blick fesselt konnte, einen groß gebauten, durchtrainierten Körper und einen guten Kleidungsgeschmack.
Nur eine Sache störte mich gewaltig. Das Mädchen, was ihm so am Arm hing. Ich wollte nichts mehr von ihm, naja, glaubte ich auf jeden Fall. Gerade hatte er wieder einen seiner Witze gerissen und Lena war ihrem Kopf zurück, schwenkte ihre Haare durch die Luft und lachte glockenhell.
Vor nicht einmal einer Woche war ich noch das Mädchen an seiner Seite gewesen. Ich hatte in seinen Armen gelegen und über seine Witze gelacht. Aber ich hatte mir geschworen, nicht mehr dran zu denken! Ich wollte ihn vergessen und im Hier und Jetzt leben! Ich verdrängte die aufkommenden Gefühle in die hinterste Ecke meines Hirns und ging zur Kasse um die Bestellung aufzugeben Mit drei vollen Tabletts mit Fast Food machte ich mich wieder auf den Weg zum Tisch und schob sie den anderen hin. Mir selber nahm ich einen Milchshake und nippte vorsichtig daran. Hmm... lecker!
Hach wäre es schön, wenn Sebastian auch hier sitzen würde... - Oh man, ich war keinen Deut besser als Adrian!-
„Erde an Julie!,“ weckte mich Anne, ein anders Girl aus meiner Clique, aus meinen Tagträumen. „ Hmm... Was...?,“ fragte ich verwundert. ,, Gib's zu, du hast an Basti gedacht!;“ neckte sie mich. „ Hä? Wie kommst du denn darauf?“ Layla und auch ein paar andere Mädchen kicherten. ,, Süße, du weißt, dass du nicht lügen kannst,“ sagte sie zu mir grinsend. Ich zog die linke Augenbraue hoch. Meine Spezialität.
„ Ach, sie einer an, " mischte sich Adrian in das Gespräch ein, der anscheinend die ganze Zeit mitgehört hatte.
Fuck Junge! Wie Peinlich!!!
,,Das hast du mich ja schnell vergessen!" Er hatte einen spöttichen Blick aufgesetzt. Aber ich kannte ihn leider gut genug um zu merken, dass für eine Millisekunde etwas Traurigkeit in seinen Augen lag. Aber es war direkt wieder verschwunden. Auch ich trauere der Beziehung hinterher. Ich hatte ihn wirklich geliebt. Aber er war mit seiner Aktion zu weit gegangen und das würde ich ihm nicht verzeihen. Niemals.
,, Also ich würde nichts mit dem anfangen," meinte er verbissen. ,, Du bist schließlich, wie ich schon feststellen durfte, nicht schwul," antwortete ich überheblich, ,, Und im Nachhinein hätte ich auch gerne Jemanden gehabt, der mich vor dir gewarnt hätte. Ich würde auch nie wieder mit dir zusammen sein wollen." Das hatte gesessen. Mit einem resignierten Blick und arogannt hochgezogenen Augenbrauen wendete er seinen Blick ab.
*
Genervt schloss ich die Haustür auf und schmiss meine Schuhe unter das Regal - Vielleicht sollte ich mir merken, dass sie da unten lagen, sonst würde ich sie morgen schon wieder suchen müssen – und stellte meine Tasche ans untere Ende der Treppe. Dann ging ich weiter in die Küche um mir eine Pizza in den Backofen zu schieben. Ich entdeckte ein kleines 'Post It ' auf dem Esstisch und verwundert merkte ich, dass es von meinem Vater war. Naja, von wem auch sonst, schoss es mir durch den Kopf. Meine Mutter war, als ich 5 Jahre war nach Afrika abgehauen, um sich um die armen Kinder zu kümmern. Wie es mir dabei gegangen war, hatte sie völlig kalt gelassen. Nun war ich fast immer alleine zu Hause, weil mein Vater beim Militär arbeitete. Ich hatte mich dran gewöhnt, ich kam gut alleine zurecht. Aber trotzdem vermisste ich sie manchmal.
- Vergiss nicht Jeanne zu schreiben. Kuss, dein Daddy - stand auf dem kleinen Stück Papier. Ich stöhnte leise. Nicht schon wieder! Jeanne war eine Austauschschülerin aus Frankreich, die wir übermorgen vom Flughafen abholen sollten. Sie würde einen Monat bei uns wohnen und heute sollte ich ihr das letzte Mal schreiben.
Ich nahm meine Smartphone aus der hinteren Hosentasche und ging ins Internet. Oh man, jetzt musste ich alles noch ins Französische übersetzten, schoss es mir durch den Kopf. Ich stand in Franze 4, und das merkte man deutlich an meinem Wortschatz. Also klickte ich kurzerhand auf den Google Übersetzer und tippte folgenden Text ein:
Liebe Jeanne,
wie du weißt, kommst du in zwei Tagen in Deutschland an. Wir holen dich direkt vom Flughafen ab und fahren anschließend in ein typisch deutsches Restaurant. Wir haben dein Zimmer schon für dich eingerichtet. Wenn du möchtest, kannst du noch ein paar persönliche Sachen mitbringen. Ich hoffe, dass wir viel Spaß zusammen haben werden und freue mich sehr auf dich.
Viele liebe Grüße, Juliette
Was dabei raus kam war ziemlich erschreckend, denn der Übersetzter war noch schlechter als ich und das musste schon was heißen! Naja, Google eben. In diesem Moment hatte ich aber keinen Bock, in mühevoller Kleinstarbeit den Text zu korrigieren. Ich würde es warhscheinlich eh nur noch schlimmer machen. Also schrieb ich noch darunter ,, Sorry für die Grammatikfehler, ich habe grade ziemlich viel Stress“ und schickte die Mail ab. Mir doch egal, was sie von mir dachte. Das Mädchen würde ja nur einen Monat bleiben. Und das würde ich schon aushalten.
In diesem Moment fing der Backofen an zu piepsen und ich machte mich eilig daran, die Pizza auf einen großen Teller zu legen und in Stücke zu schneiden. Ich nahm mir mein Essen und den Rucksack und ging dann die Treppe rauf, um mich auf mein Bett zu chillen und Musik zu hören.
*
Wir standen im der Empfangshalle der Kölner Flughafens und warteten. Ich hatte ein riesigen Plakat mit der Aufschrift „ Jeanne Dupont- Airline 284 aus Frankreich, Willkommen in Deutschland“ in der Hand. Seit gefühlten drei Stunden standen wir schon hier lauschten nach der Computerstimme, die und mitteilte, dass der Flieger gelandet war. ,, Ich geh noch mal kurz auf Toilette,“ sagte ich zu meinen Dad und drückte ihm das Schild in die Hand.
Ich stand am Waschbecken und starrte in mein Spiegelbild. Ich sah schrecklich aus. Meine dunkelgrünen Augen waren von dunklen Schatten umrandet und ich hatte mir nicht die Mühe gemacht, mich ordentlich zu schminken. Meine Augenbrauen waren sanft geschwungen, ohne je eine Pinzette gesehen zu haben und eine zierliche Nase saß in der Mitte meines Gesichts. An meinen Ohren steckten kleine Perlenohrringe, die jedoch größtenteils von meinen langweiligen, blonden Haaren, welche mir glatt bis zum Bauchnabel fielen, überdeckt wurden. Frauen, die vom WC kamen, musterten mich, und ich kam mir plötzlich schrecklich overdressed vor, in meinen Schucks, der ausgeleierten Boyfriend- Hose, und dem schlichten, schwarzen Top. Schnell wusch ich mir die Hände und beeilte mich, wieder in die Eingangshalle zu gelangen.
Ich schaute mich noch einmal um und entdecke schließlich meinen Vater in dem Getümmel. Anscheinend war das Flugzeug gelandet. Er hielt das Plakat in die Höhe und schwenkte es über seinen Kopf. Ich lächelte. Das war mein Vater. Er war der liebenswürdigste Mensch, den ich kannte, und dass trotz seiner Arbeit. Plötzlich entdeckte ich ein Mädchen mit einem riesigen Handgepäck und überdimensionaler Reisetasche, welches geradewegs auf meinen strahlenden Dad zuging.
Das war sie also? Ich hatte sie mir irgendwie anders vorgestellt... Vielleicht nicht so... eingebildet? Ich denke, das war es. Sie wirkte arrogant, wie sie meinem Vater auf beide Wangen küsste und ihn überschwänglich begrüßte. Ich bannte mir einen Weg zwischen der Menschenmasse hindurch und blieb dann vor Jeanne stehen. ,, Ach da bist du ja endlich,“ sagte mein Vater und man konnte ihm die Erleichterung wirklich ansehen, ,, Ich dachte, du hättest dich verlaufen oder so was!“ Oh man, ich war doch keine 5 mehr, ich konnte schon auf mich aufpassen! Eine kurze Pause entstand. ,, Ach ja, Julie,dass ist übrigens Jeanne, Jeanne, dass ist Juliette,“ stellte er uns vor. Schweigend musterten wir uns.
Jeanne hatte gewellte, wunderschöne, braune Haare, die ihr sanft über den Rücken fielen. Ihre großen, braunen Augen wurden von langen Wimpern umrahmt. Sie war eine typische Französin, sowohl vom Körperbau, als auch vom Kleidungsstil. Aber sie war wunderschön. In diesem Moment waren wir uns wohl das erste und letzte Mal einig. Wir mochten uns nicht.
*
,, Hier ist dein Zimmer,“ sagte ich an sie gewandt und öffnete das eigentliche Arbeitszimmer meines Vaters. Ich hatte aufgeräumt, sodass genügend Platz für ein Bett, Nachtschränkchen und einen Schrank - Wie bitte wollte sie ihre ganzen Kleidungsstücke da verstauen? - war. Ich ließ sie eintreten und blieb selber im Türrahmen stehen. ,, Falls du noch etwas braucht, dann sag Bescheid,“ erklärte ich ihr gespielt höflich, doch sie beachtete mich gar nicht und schmiss ihre Koffer auf den dicken Teppich. ,, In etwa einer halben Stunde gibt es essen.“ ,, Dankeschön, au revoir,“ erwiderte , stieß mir die Türe vor der Nase zu und ließ mich geschockt auf dem Flur zurück. Okay, vielleicht hatte ich es ein bisschen mit der Mail übertrieben, aber musste man sich dann direkt so affig benehmen? Schließlich hatte ich mich direkt im Anschluss dafür entschuldigt. Aber wie sagte man so schön, 'Schlampen sind wie Affen, verrückt nach Bananen' und naja, der erste Teil passte ja.
Ich seufzte und ging dann runter, um meinem Dad in der Küche zu helfen. Das würde der schlimmste Monat meines Lebens werden! Vor allem, wenn man bedachte, dass da auch noch Adrian und Basti waren!
*
,, Jeanne, Julie, aufstehen! Ihr müsst in die Schule!,“ schrie mein Vater morgens um 7 Uhr und ich schreckte aus einem wunderschönen Traum, indem ich keine Probleme hatte, auf. Ich mein, wer will schon nicht nach dem Aufwachen das Wort - Schule – als erstes hören? Ich drehte mich auf die andere Seite und war kurz davor wieder einzunicken, da stand mein Dad schon in der Türe und machte das Licht an. ,, Komm schon, sei nicht so ein Morgenmuffel,“ sagte er bestimmt, ,, Jeanne ist direkt aufgestanden, sie ist schon im Bad!“ Na toll. Das Zweite, an das ich so früh am Morgen nicht hören wollte. Das Jeanne da war! Ich wusste schon jetzt, dass sie mir das Leben zur Hölle machen würde. Als ob ich es nicht schon schwer genug hätte.
Seufzend setzte ich mich in meinem Bett auf. Was sollte ich anziehen? Jeden Tag diese scheiß Frage, aber mein Kleiderschrank war irgendwie immer leer! Schließlich entschied ich mich für eine kurze Hose und ein bordeauxrotes Spitzenshirt. Gestern hatte der Wetterbericht vorhergesagt, dass heute endlich mal wieder schönes Wetter sein würde. Wir hatten kurz vor den Sommerferien, doch trotzdem war die Sonne bis jetzt nicht richtig durch gekommen. Voller Vorfreude packte ich meine neue Sonnenbrille in den Rucksack, zog mich dann an um anschließend ins Bad zu gehen. Jeanne war in der Zwischenzeit zu meinem Vater nach unten gegangen und aß mit ihm Frühstück. Ich beeilte mich und so kam ich zehn Minuten später in der Küche an, wo die beiden Anderen schon ungeduldig auf mich warteten.
,, Und Jeanne, bist du schon aufgeregt,“ fragte meine Dad das Mädchen, was neben mir auf dem Rücksitz saß. Sie hatte mich bis jetzt erfolgreich ignoriert und starrte entweder aus dem Fenster auf die trostlose Landschaft, oder zu meinem Vater, der um Welten aufgeregter aussah, als die Französin selbst.
,, Ein bisschen,“ erklärte sie ihm und ich fragte mich nicht zum ersten Mal, wieso es Leute gab, die sich so verstellen konnten. Ich mein, sah mein Vater durch die Masse an Schminke nicht mehr ihr wahres Gesicht?
*
Wir gingen den überfüllten Flur entlang. Die Schüler des Mariengrotten- Gymnasiums drehten sich massenhaft zu uns um, in dieser Schule kannte irgendwie jeder jeden – was auch nicht wirklich schwer war – und so fiel Jeanne direkt auf. ,, Wir suchen dir jetzt jemanden, der dir das Gebäude zeigt,“ sprach ich sie von der Seite an, worauf sie nicht im geringsten reagierte. ,,Ich hab erstens keinen Bock und zweitens besseres zu tun, ich muss noch Mathe abschreiben.“ Überheblich grinsend guckte sie die Schüler an, welche sich sofort peinlich berührt ihren Spinden – ja, wir hatten diese alten Dinger, die in jedem guten, amerikanischen Teenie- Film vorkamen - zu wandten.
Plötzlich stellte sich uns eine große, mir sehr bekannte Person in den Weg und ich fing spöttich an zu grinsen. ,, Da haben wir doch schon jemanden gefunden. Einfach ihm anschließen, der zeigt dir bestimmt gerne alles, nicht war Adrian?“ Während das Mädchen neben mir ein aufreizendes Lächeln aufsetzte, guckte mich mein Ex nur ein wenig verwundert an.
,,Können wir vielleicht kurz reden?,“ fragte er mich direkt und schaute mir tief in die Augen. Er wusste, dass ich diesem Blick nicht wiederstehen konnte.,, Wenn du danach Jeanne rum führst. Sie ist aus Frankreich und wird einen Monat hier bleiben. Ich wette, ihr werdet gute Freunde!,“ spielte ich auf Lena an.
Er ignorierte es geflissentlich, zog mich um eine Flurecke und ließ die Austauschschülerin da stehen, wo sie war. Er schleifte mich durch eine Glastüre und augenblicklich war es still. Erwartungsvoll schaute ich ihn an, achtete dabei nicht auf meine Hand,die er noch immer fest umschlossen hatte. ,, Es tut mir alles so leid Ju,“ flüsterte er gerade mal so laut, dass ich es noch verstehen konnte. Er benutzte den Spitznamen, den er mir am Anfang unserer Beziehung gegeben hatte.
Schlechtes Zeichen.
Was passierte hier eigentlich gerade?
,, Ju, es war ein Fehler, ich weiß! Ich werde ihn wieder gut machen, ich versprech's! Bitte verzeih mir einfach! Ich vermisse dich doch...“
Was bildete sich dieser Typ eigentlich ein? Was er gemacht hatte war nicht einfach nur ein Fehler gewesen! Und wieder ,,gut“ machen konnte man das erst recht nicht. Ich IHM verzeihen? Pah, dass ich nicht lache, dieser Kerl hatte echt beim Fußball spielen was gegen den Kopf bekommen! Oder noch besser! Sein Kopf war der Fußball! Waren die denn hohl?.... Naja, egal, ich sollte mich auf das Hier und Jetzt konzentrieren.
Und das war, dass mein Ex vor mir stand, meine Hand hielt – okay, das ging schon mal gar nicht! - und von mir verlangte, dass ich die Vergangenheit vergaß, die Scheiße, die er fabriziert hatte. Ich war nicht bereit dafür. Nicht jetzt. Ich weiß auch nicht, ob sich das je ändern würde.... Ich hoffte nicht, ich wollte einfach nicht darüber hinwegsehen.
Plötzlich legte er seine Hand unter mein Kinn, hob es leicht hoch und bevor ich reagieren konnte, hatte er seine Lippen auf meine gelegt. Mit stockte der Atem. Es fühlte sich an wie früher, viel zu vertraut und wunderschön. Für einen Moment bekam meine Körper die Oberhand, erwiderte den Kuss leidenschaftlich, bevor mein Verstand wieder einsetzte und ich Adrian von mir weg stoß.
Geschockt blickte ich ihn an, sah, dass er leicht lächelte und verpasste ihm eine Ohrfeige, die sich sehen lassen konnte. Enttäuschung breitete sich auf seinem Gesicht aus, er presste seine Lippen aufeinander und und brachte zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: ,, Ju, ich habe doch gespürt dass du mich auch noch liebst. Ju, ich weiß es doch, sag es mir einfach.“ Er hatte einen flehentlichen Unterton in der Stimme und einen Moment fragte ich mich, wie verzweifelt er sein musste.
Armselig.
Er könnte eigentlich Jede haben, warum also ausgerechnet mich verarschen?! Ich wurde aus diesem Kerl einfach nicht schlau, meinte er es vielleicht am Ende doch ernst, und es tat ihm aufrichtig leid? Nein, dass bezweifelte ich. Adrian war nicht der Typ für so was, er hatte für 2, 3 Monate ein Girl am Start und wenn sie ihm dann zu langweilig wurde, oder er merkte, dass er bei ihr nicht landen würde, dann ließ er sie fallen. So war es doch gewesen, oder?
,, Lass mich in Ruhe. Mach dir Jeanne klar und sei glücklich. Und jetzt wirst du sie erst mal durch die Schule führen. Viel fun.“ Mit diesen Worten drehte ich mich um und stolzierte durch die Glastüre in den noch immer überfüllten Gang. Ich ignorierte die Französin, die mir verwundet nachblickte und ging zu meinem Klassenraum. Ich hatte in der ersten Stunde Französisch - Was für eine Ironie -.
*
Ich schloss meinen Spinnt und lehnte mich dagegen. Die zwei Stunden Französisch waren schrecklich gewesen und die Nächsten würden auch nicht besser werden. Nach der Pause standen Physik und Geschichte an. Ich seufzte einmal, wollte mich dann zu den Physik-/ Chemie- Sälen begeben, als ich IHN sah.
Sebastian war ganz in seinen Schrank vertieft und schien irgendetwas zu suchen. Seine blonden Haare hingen ihm in seine Stirn, welche in tiefen Falten lag und seine strahlenden, eisblauen Augen waren zu Schlitzen verengt. Ohne, dass ich es bemerkt hatte, hatte sich ein Lächeln in mein Gesicht verirrt. Bevor ich es mir anders überlegen konnte, hatte ich mich schon in Bewegung gesetzt und schlenderte zu ihm.
,, Hey,“ meinte ich lächelnd zu ihm. Er kramte weiter in seinem Spinnt, sah nur kurz auf, um ein ,, Hallo,“ zu murmeln. ,, Ich bin Juliette, aber du kannst mich auch einfach Julie nennen. Kann ich dir beim Suchen irgendwie behilflich sein?“ Nun drehte er sich doch ganz um, richtete sich auf und gab mir die Hand – Oh mein Gott, er gab mir die Hand!!! -. ,, Sebastian,“ meinte er mit einem Nicken, ,, Ich finde an meinem dritten Schultag schon nicht mehr mein Physikbuch.... Aber ich bin mir sicher, dass ich alle Bücher hier rein gelegt habe!“ Völlig verzweifelt schlug er gegen sein Fach.
Ich fing an zu lachen. ,, Wir haben keine Bücher in Physik,“ stieß ich prustend hervor, ,, Herr Noak zieht es vor, die Bücher nach der Stunde einzusammeln, damit wir sie nicht so viel bemalen.“
Er knallte seine Hand vor die nun wieder makellose Stirn. ,, Stimmt! So was hat die Sekretärin auch gesagt! Und da habe ich mich noch so gewundert!“ Er stimmte schüchtern in mein Lachen mit ein. „Danke“ Er fuhr sich mit der linken Hand durch das Haar und ließ es dadurch noch zerzauster wirken.
Aber es stand ihm. Naja, eigentlich sah es sogar richtig hot aus! Ich schmolz nur so dahin, während er die Türe seines Schranks verschloss und sich wieder zu mir umdrehte. ,, Hast du jetzt auch Physik?,“ fragte er mich unvorbereitet. Ich nickte stumm. ,, Könntest du mir dann vielleicht zeigen, wo der Raum liegt?,“ fragte er verlegen und ließ mich grinsen. ,, Klar doch, komm mit. Es klingelt in zwei Minuten,“ forderte ich ihn auf und ging neben ihm her zum Unterricht.
Dass ich mich in der ganzen Physikstunde mal wieder überhaupt nicht konzentrieren konnte, hatte ich mir schon vorher gedacht. Ich mein, er hatte meine Hand geschüttelt! Er hatte mich angelächelt! Ich vergaß dabei sofort die Aktion von Adrian vor Schulbeginn und himmelte nur noch Basti an.
Damals wusste ich nicht, dass ich es irgendwann noch bereuen würde....
*
In den letzten Tagen hatten Basti und ich immer wieder miteinander gesprochen – freu -. Naja, eigentlich ich mit ihm, denn er fing nie Gespräche an. Wie süß es doch war, wenn Jungs schüchtern waren! Ich hatte ihn sogar schon gefragt, ob er Donnerstags mit zu McDonalds kommen wollte. Er hatte gesagt, er würde mal schauen und hatte mich dabei auf diese niedliche Art und Weise angelächelt, die die Schmetterlinge in meinem Bauch flattern ließen.
Ich war mir eigentlich ziemlich sicher, dass ich in ihn verknallt war, wobei ich wieder ständig an Adrian denken musste. Wenn er es vielleicht doch ernst gemeint hatte! Auf jeden Fall hatte er bis jetzt keine andere mehr am Start gehabt, und es waren ja immerhin seit Lena drei Tage plus Wochenende vergangen!
Jeanne und ich hassten uns immer noch wie die Pest und machten uns gegenseitig das Leben schwer. Sie hatte es sich angewöhnt eine Stunde das Bad zu besetzten und fünf Minuten, bevor wir fahren mussten raus zu kommen und mir scheinheilig zu sagen, dass das WC nun frei wäre. Und das mit einem schrecklichen Akzent. Wenigstens hatte ich währenddessen genug Zeit, auf der Einkaufsliste ihr Obst - bitte keine Bananen! -, Gemüse und Diät- Zeugs wegzustreichen und durch Süßes und Fettiges zu ergänzen. - Haha, Rache ist eben doch süß -.
Ich glaube, ich würde Adrian anbieten, sich einmal auszusprechen. Das hatte doch auch keinen Sinn, alles so zu verschweigen. Er sollte mir sagen, warum er das gemacht hatte! Wenn ich ihm doch anscheinen so wichtig war, warum war hatte er dann nicht vorher über seine Aktion nachdenken können? War das zu viel verlangt? War er dazu einfach nicht fähig? Ich mein, Männer waren einfach nicht so sensibel wie Frauen und hatten überhaupt kein Feingefühl. Vielleicht lag es daran und er meinte es am Ende einfach nur gut mit mir...
Sebastian war nicht gekommen.
Ich hatte also trübselig in meinem Softeis gestochert und wahrscheinlich das erste Mal in meinem Leben keinen Hunger gehabt. Layla hatte mich weites gehend in Ruhe gelassen. Ich hatte ihr nicht von der Sache mit Adrian erzählt. Wie auch? Sie war eigentlich nie da, wenn ich sie brauchte. Im Moment hatte sie nur zum Shoppen Zeit.
Aber ich konnte sie auch verstehen. Sie hatte derzeit genug eigene Probleme. Ihre Eltern steckten in einer Beziehungskrise und aus Kummer war ihr in den letzten Wochen alles egal gewesen. Sie besäufte sich, rauchte, kiffte und feierte regelmäßig auf Partys bis in die Nacht. Langsam machte ich mir wirklich Sorgen um sie. Sie war normaler Weise die Erste, die sagte, dass Trinken total schädlich sei und Partys der absolute Schwachsinn - Zitat von ihr – waren. Mit ihr musste ich definitiv auch noch ein Wörtchen reden.
Nach der Schule fing ich Adrian an seinem Motorrad ab. Ein wenig verwundert starrte er mich an, musterte mich von oben bis unten, bevor er einfach um mich herum ging und seinen Helm aufsetzten wollte. Ich hielt ihn am Arm fest. ,, Ich glaube, wir müssen mal reden,“ stellte ich klar, sah ihn dabei auffordernd an. Er zog die Augenbrauen hoch: ,, Und ich glaube, dafür ist es schon zu spät.“ ,, Jetzt fang' DU nicht an, MIR blöd zu kommen! Wer hat denn so 'ne Scheiße gebaut? Du oder ich??? Du willst mir jetzt nicht auf einmal erklären, dass das Alles meine Schuld war, oder? ICH komme, um DIR den Vorschlag zu machen, über Alles zu reden, und DU hast nichts Besseres zu tun, als mich dumm von der Seite anzumachen! Langsam frag ich mich echt, wie ich auf so 'ne bescheuerte Idee kommen konnte, dass zwischen uns alles wieder so wird wie Früher....“
Tränen der Wut stiegen mir bei den letzten Worten in die Augen. Ich hatte mich doch in ihm getäuscht. Son ein mieses Arschloch!
Wie hatte Johnny Depp nicht mal in einem seiner vielen Filme gesagt :
Wenn du gleichzeitig zwei Menschen liebst, wähle den zweiten, denn, wenn du den ersten richtig lieben würdest gäbe es keinen zweiten.
Vielleicht hätte ich doch mal auf ihn hören sollen!
,, Du willst also nicht mit mir reden?,“ fragte ich, als er immer noch schwieg. Er schaute mich aus großen, ausdruckslosen Augen an. ,, Wann und wo?“
*
Ich saß in einem kleinen Eis- Kaffee mitten im alten Stadtteil, indem Adrian und ich uns für 2 Uhr verabredet hatten. Ich war gut eine viertel Stunde zu früh, was eigentlich recht gut war, denn ansonsten hätten wir bestimmt keinen Sitzplatz mehr bekommen. Der Tisch, an dem ich saß, hatte Platz für zwei Personen und stand in einer Ecke abseits des Geschehens. Von meinem Stuhl aus hatte ich eine gute Sicht auf die Straße und seit einer gefühlten Ewigkeit starrte ich nun schon auf das Treiben hinter der großen Glaswand. ,, Darf ich ihnen etwas zu Trinken bringen,“ fragte ein junger Kellner und lächelte mich freundlich an. ,, Danke, ich warte noch etwas,“ antwortete ich ebenso freundlich und wandte mich wieder den Fenstern zu.
Und da sah ich Adrian. Hecktisch überquerte er die Straße und betrat darauf hin das Kaffee. Er blickte sich suchend um, fing dann leicht an zu lächeln, als er mich in der Nische ausmachte. Gekonnt bannte er sich einen Weg durch die Menschenmassen und blieb dann vor meinem Tisch stehen. ,, Darf ich mich setzten?“ ,, Nur zu,“ meinte ich und schob ihm den zweiten Stuhl entgegen. Seufzend ließ er sich darauf fallen und nahm sich die Speisekarte. ,, Hast du schon bestellt?,“ erkundigte er sich bei mir. ,, Nein, ich wollte auf dich warten,“ erwiderte ich und hob die Hand, um einen Kellner herbei zu rufen.
Nachdem wir die Bestellung aufgegeben hatten, starrten wir uns eine Weile stumm an, denn Keiner konnte so recht einen Anfang finden. Schließlich räusperte sich mein Gegenüber: ,, Du wolltest mit mir reden?“ ,, Ähm ja... eigentlich wollte ich wissen, warum du das gemacht hast. Gab es irgendeinen Grund mich so zu behandeln?,“ fragte ich gerade raus. ,, Ich weiß, es war ein Fehler,“ antwortete er ein wenig genervt, ,, Ich fühlte mich halt ausgenutzt und wollte mich an dir Rächen... Ist halt ein bisschen nach hinten los gegangen...“ ,, Das hättest du dir irgendwie auch denken können, oder? Die erste Sache hätte ich sicher noch vergessen können. Aber die Scheiße danach ist unverzeihlich.“
Ich brach es einfach nicht über mich, die Worte in den Mund zu nehmen. Ich war nicht bereit dazu. Zu lange hatte ich alles Verdrängt. Selbst in meinen Träumen hatte ich keine Gedanken an die Nacht und den darauffolgenden Tag geduldet.
,, Und ich habe dich nicht ausgenutzt. Wieso sollte ich?,“ setzte ich hinzu. ,, Naja, ich bin der beliebteste Junge der Schule... Die meisten Mädchen wollen nur mit mir zusammen sein, um ihr Image aufzubessern. Ich hatte gedacht du bist anders.“ ,, Bin ich auch,“ fiel ich ihm ins Wort, doch er fuhr unbeirrt fort. ,, Dann wolltest du nicht, und ich weiß, da habe ich mich ein bisschen scheiße benommen und danach noch mehr.... Aber ich war einfach verletzt,“ schloss er seine Rede, seufzte einmal tief und vergrub sein Gesicht in den Händen. In diesem Moment konnte ich mir nicht vorstellen, dass er mich angelogen hatte und er tat mir einfach fürchterlich leid, wie er da zusammengesunken auf seinem Stuhl saß.
Der Keller kam, brachte uns das Eis und verschwand dann gestresst wieder in der Menge. Die Armen. Es war schon verdammt viel los.
Vorsichtig legte ich Adrian eine Hand auf die Schulter und strich beruhigend mit dem Daumen über sein Schlüsselbein. Es zerbrach mir das Herz, ihn so traurig zu sehen. ,, Lass uns noch mal von vorne beginnen,“ bat ich ihn, infolgedessen er lächelnd aufschaute. ,, Ich habe dich vermisst, Ju,“ flüsterte er gerade so laut, dass ich es verstand.
*
Schweißüberströmt und schwer atmend wachte ich auf. Ich hatte von der Nacht geträumt. Davon, was er fast gemacht hätte... Die verdrängten Erinnerungen kamen hoch und und übernahmen mich für einen kurzen Moment. Bilder drängten sich vor mein inneres Auge.
Adrian, wie er mich gegen die Wand drängt.
Wie er sich scheinbar nicht mehr unter Kontrolle hat.
Ich habe immer noch keine Ahnung, was ihn so angemacht hat. Aber Tatsache ist, er wollte es mit mir. Und er wollte nicht mehr lange warten.
Ich hatte ihn angeschrien, das er mich in Ruhe lassen soll, aber er hatte nicht reagiert. Ich hatte ihn von mir weg gedrückt, ihn geschubst, bis er zurück getaumelt war.
Er hatte mich geschockt angesehen, verwirrt und auch etwas verletzt.
Dann hatte er mich eine verfickte Schlampe genannt, hatte sich seine Jacke und den Picknickkorb geschnappt und war geräuschvoll die Treppe runter gepoltert. Ich hatte auch, nachdem er die Haustüre zu geschlagen hatte, weiterhin seine donnernden Schritte gehört. Laut hatten sie in meinem Kopf wiedergehallt. So wie jetzt auch wieder.
Für einen kurzen Moment hatte ich mich wirklich schuldig gefühlt. Hatte ich einen Fehler gemacht? Hätte ich ihn nicht wegschubsen dürfen? Doch dann fing mein Gehirn wieder an zu denken. Ich hatte das Richtige getan... Und es war vorbei.
Ich dachte an den Sonntag danach zurück. Adrian war noch ein Mal bei uns aufgetaucht. Mein Vater hatte ihm die Tür aufgemacht, woraufhin er ihm erklärte, was für eine Hure ich doch sei und dass mein Dad bloß aufpassen sollte, dass ich nicht irgendwann noch auf dem Strich landete. Außerdem hatte er ihm an den Kopf geworfen, er hätte in seiner Erziehung so einiges falsch gemacht. Das hatte mein Vater sich schwer zu Herzen genommen. Ich hatte stillschweigend am oberen Treppenabsatz gehockt und diesem Jungen, den ich mal geliebt hatte, zugehört.
Es war eigentlich nicht so drastisch gewesen, dass er mich bedrängt hatte. Nein, schlimm war gewesen, dass er meinen Vater mit rein gezogen hatte. Er hatte immer versucht alles richtig zu machen, auch nachdem meine Mutter nicht mehr da gewesen war. Er war immer stolz auf mich und meine Erziehung gewesen, hatte sie nie angezweifelt. Bis jetzt.
Ich schaute auf den Wecker. In 5 Minuten würde er mein Vater hoch kommen um uns zu wecken. Dann würde Jeanne auf ihrem Zimmer stürmen und das Bad besetzten. Innerlich grinste ich in mich hinein. Wie wäre es, wenn wir den Spieß ein Mal umdrehen?
*
Jeanne hat sich tierisch über die Bad- Aktion aufgeregt. Das hat mich eigentlich soweit nicht gestört, bis mein Vater an die Tür klopfte und mich anschnauzte, warum ich Jeanne so behandeln würde und dass das nicht ginge. Ich meine, hallooo? Wer braucht denn immer so lange, um sich zu schminken? Das mein eigener Dad sich so gegen mich stellte fand ich echt zumutbar. Aber für ihn war die Französin ja ein Engel -Also für mich war sie auch einer..... Ein Racheengel!-. Denn diese ließ nicht lange auf mich warten. (die Rache)
Als ich aus dem Haus gehen wollte, um ins Auto zu steigen, musste ich nämlich feststellen, dass abgeschlossen war. Von außen. Und das alle Schlüssel auch draußen waren - Natürlich purer Zufall -, weswegen wir letztenendes zu spät zum Unterricht kamen. Super! Ich konnte also meinen Vater anrufen, dass er mich doch bitte aus unserem Haus befreien möge.
Als ich in der großen Pause vom Mädchenklo kam, lehnte Adrian ganz lässig an der gegenüberliegenden Wand und schien auf mich gewartet zu haben, denn als er mich sah, stieß er sich von der Wand ab und kam auf mich zu. ,, Hey Ju,“ meinte er lächelt und umarmte mich fest. Für ihn war anscheinend alles schon wieder beim Alten. ,, Ähm Adrian..... ,“ ich stockte, ,, Bevor du jetzt denkst, dass wir wieder zusammen sind....“ ,, Ich versteh schon,“ unterbrach er mich, ,, Ich geb' dir alle Zeit der Welt.“ Er gab mir einen Kuss auf die Wange.
Eigentlich wusste ich gar nicht, ob ich die Zeit haben wollte. Ich war mir nicht mehr so sicher, ob ich noch mal mit ihm zusammen sein wollte. Ich hatte nach dem Traum viel nachgedacht und je mehr ich überlegt hatte, desto unrealistischer war es mir vorgekommen, ihn noch zu lieben. Er hatte mich als eine verfickte Schlampe bezeichnet. So etwas tat man nicht einfach so und vor allem nicht unüberlegt, auch nicht in einem Streit und wenn man sauer war.
Nebeneinander schlenderten wir auf den Schulhof und ließen uns auf einer Bank nieder. Während er sich auf die Sitzfläche setzte, machte ich es mir auf der Lehne bequem. Bloß so viel Platz wie möglich zwischen uns bringen.
,, Ich habe am Wochenende ein Fußballspiel,“ erklärte er zu mir hochblickend, ,, Möchtest du zugucken kommen? Ich hole dich auch zu Hause ab.“ Adrian war schon 19, das heißt, er hatte schon ein Auto – der Glückliche und durfte hin fahren, wohin er wollte. 19 war er, weil er die 8 Klasse hatte wiederholen müssen. Nicht weil er dumm war, sondern weil er in diesem Jahr einfach keine Lust auf lernen gehabt hatte. Wer könnte es ihm auch verübeln, in diesem Jahr war er beliebt geworden und hatte sich vor Girls nicht mehr retten können.
,, Hmm... Ich weiß nicht, ob ich was mit Jeanne unternehmen muss,“ redete ich mich raus. ,, Ach komm schon! Du kannst sie mitbringen! Das würde ihr bestimmt auch viel Spaß machen!“ Na hallelulia, da freute ich mich doch richtig! Ich würde diese Barbie einen ganzen Tag ohne Unterbrechung ansehen müssen – jetzt noch krank zu werden, war unrealistisch, oder? -.
Was soll's, auf in den Kampf!
*
Zu Hause angekommen schnappte ich mir als erstes einmal Jeanne und erzählte ihr von unserem Ausflug am Wochenende. Nicht im geringsten begeistert blickte sie mich an. Ich musste grinsen.
,, Ach komm schon Jeanne, das wird witzig! Du kannst dir ja eine heißen Fußballer angeln...“, versuchte ich ihr den Trip schmackhaft zu machen, ,, Dad wäre auch total begeistert, wenn du mitkommen würdest. Du brauchst dich auch nicht neben mich setzten oder so! Wir werden sogar abgeholt!“
Der misstrauische Ausdruck auf ihrem Gesicht blieb, aber sie entspannte sich etwas. ,, Das heißt, isch muss nischt mit dir den Tag verbringen?,“ fragte sie mit ihrem schrecklichen Akzent. ,, Genau,“ ich redete extra langsam, damit sie mich verstand, ,, Du kannst machen, was du willst“
Zufrieden stieg ich die Treppe rauf in mein Zimmer und rief Layla an. Ich hatte schon so lange nichts mehr mit ihr gemacht. Eigentlich, um genau zu sein, seit Jeanne da war. Wie ich dieses Miststück doch hasste! Ich zog mein Handy aus der Hosentasche und ging in meine Kontakte, dann suchte ich die Nummer meiner besten Freundin raus und drückte auf wählen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit – Es hatte 2 Mal getutet – ging Layla auch schon dran.
,, Hey Süße, was gibt’s?“
,,Hey, nichts Besonderes... Wollte deine Stimme hören. Hast du Zeit für mich?“
,,Klar doch, für dich immer! Nur wir beide? Oder soll ich Anne, Marvin, Marcel und Eva fragen, ob sie mitkommen?“
,, Hmm... Weiß nicht.... Wie wäre es, wenn sie nachher dazukommen würden? Muss mit dir reden.“
,, Ist es das, was ich denke, was es ist?“
Ich lächelte leicht, auf Layla konnte man sich immer verlassen.
,, Es geht um Adrian. Ich weiß einfach nicht, was ich gegenüber ihm empfinde. Auf der einen Seite mag ich ihn noch, sehr sogar, aber auf der anderen Seite glaube ich, dass es nie mehr so wird wie früher...“
,, Ich verstehe genau, was du meinst. Wie wäre es, wenn ich jetzt erst mal zu dir komme und wir danach alle ins Kino gehen? Ablenkung wird dir jetzt gut tun.“
,, Lass lieber im Skaterpark treffen. Du weißt schon, Jeanne ist hier. Aber Kino hört sich gut an, sagst du den Anderen Bescheid?“
Ich hörte ihr Lachen durch das Telefon und musste sogleich mit lachen. ,,Haha, alles klar, bring Schokolade mit, hab grad' voll Bock auf Essen... Nach dieser ewigen Diät, die nichts gebracht hat darf ich mir doch auch noch mal was gönnen. Bis gleich, okay?“
,, Bis gleich mein Schatz, danke, dass du dir die Zeit nimmst.“
,, Gerne, bye.“ und schon hatte sie aufgelegt. Ich zog mir wieder meine lieblings- schlabber- Jacke über mein dunkles Top, schlüpfte in meine roten Vans und rannte die Treppe hinunter. Dabei griff ich nach meiner kleinen, schwarzen Tasche mit den Nieten und füllte sie mit etwas Geld, schaute dann noch in der Küche vorbei, kramte 2 Schokoladentafeln aus dem Schrank, und schon war mein ,,Bye“ und das Zuschlagen der Haustüre zu hören.
Schnellen Schrittes trat ich den Weg zum Skaterpark an. Er war riesig und an solchen schönen Tagen, wie dieser einer war, gab es dort immer viel zu gucken. Layla erkannte ich schon von Weitem, sie saß auf einer der Bänke, die den Park säumten und unterhielt sich mit einem wirklich heiß aussehendem Typen. Als sie mich jedoch sah, verabschiedete sie sich mit einem großen Grinsen von ihm, welches dieser anzüglich erwiderte. Layla nahm es mit Beziehungen nicht so ernst. Sie hatte für höchstens eine Woche einen Kerl am Start, aber genau so schnell, wie er gekommen war, wurde er auch schon wieder abgeschossen. Nicht, dass Layla eine Schlampe war.... Sie war nur – hmm, wie kann man das jetzt nett ausdrücken... - anders!
,, Hallo Süße,“ begrüßte ich sie, als ich bei der Bank angekommen war und gab ihr einen Schmatzer - wie sich das jetzt anhört, aber Kuss kann man nicht sagen, das passt irgendwie nicht - auf den Mund. ,, Hast du die Schokolade?,“ bombardierte sie mich direkt und riss mir schon fast die Tafel aus der Hand, die sie soeben erblickte. Layla war das typische deutsche Mädchen. Hellblonde, leicht gewellte Haare bis unter das Schulterblatt, strahlende, blaue Augen, und eine wunderschöne, weibliche Figur. Üppige Oberweite, schmale Taille und megalange Beine. Sie war einfach DER Hingucker. Sie meckerte oft, sie wäre zu fett und machte immer wieder Krash- Diaten, aber eigentlich wusste sie ganz genau, dass sie nicht dick war. Das erkannte man alleine daran, dass sie im bauchfreien Top neben mir saß.
,, So, dann erzähl mir mal, was los ist!,“ forderte sie mich auf und sah mich abwartend an. Wo sollte ich bloß mit Erzählen anfangen? ,,Also...,“ begann ich meine Geschichte, ,, Du weißt ja, dass ich mit Adrian Schluss gemacht habe..... Er... Wollte mit mir schlafen, obwohl er genau weißt, dass ich noch warten möchte! Und dann hat er mich, also er hat mich halt bedrängt, aber ich habe ihn von mir gestoßen....“ Layla hörte mir einfach weiter zu, ließ mich ausreden. ,, Am nächsten Tag ist er wieder gekommen und hat mich als Schlampe bezeichnet. Er hat so getan, als wäre ich die Böse gewesen... Und mein Dad war danach total am Arsch, weil er dachte, seine Erziehung wäre doch scheiße gewesen..... Ja, und du weißt ja, wie stolz mein Dad immer war, dass ich, obwohl Mum nicht mehr da ist, trotzdem so gut erzogen bin...“
,, So ein Wixxer!“
,, Ja warte.... Donnerstag hat er ja die ganze Zeit mit dieser Lena rum gemacht, als gäbe es kein' morgen mehr und Montags, nachdem Jeanne angekommen war, hat er mir auf einmal gesagt, dass es ihm alles so leid tun würde und das er mich zurück haben will... Und ich habe einfach nur keinen Plan, was ich machen soll! Weil..... Da ist ja auch noch Basti...“ Ich wurde leicht rot.
,, Wusste ich's doch!,“ schrie sie, ,, Ich wusste, dass du auf Basti stehst! Ich mein', er ist auch ein echt hotter Typ!“ ,, Layla? Hast du dir auch nur ein Wort gemerkt, was ich in den letzten zwei Minuten gesagt habe?... Was nicht mit Basti zu tun hat?!“ Sie wollte gerade anfangen zu reden, da unterbrach ich sie noch mal: ,, Sag mal, hast du grade ernsthaft die leere Schokoladenpackung in den Müll geschmissen?“
,, Sorry, ich hatte halt Hunger!,“ verteidigte sie sich, ,, Aber um zum Thema zurück zu kehren, klar hab ich dir zugehört, was denkst du denn bitte von mir?“ ,, Nur das Beste...,“ murmelte ich, doch sie überhörte es geflissentlich. ,, Du fragst also mich, was du machen sollst?,“mit einem Grinsen auf dem Gesicht sah sie mich an. ,, Höre auf dein Herz!,“ gab sie danach theatralisch von sich und fuchtelte mit den Händen rum. ,, Hör auf, das ist nicht witzig,“ zickte ich sie heftiger an, als vorhergesehen, ,, Adrian hat mich zu einem Fußballspiel am Wochenende eingeladen... Ich nehme Jeanne mit, vielleicht könnte man sie verkuppeln... Aber ich weiß nicht, ob ich das überhaupt will! Ich weiß es einfach nicht!“
,, Süße, auch wenn das jetzt wieder so gehoben rüber kommt, aber wenn du nicht hundert Prozent weißt, dass du ihn liebst und dass du ihm verzeihen kannst, dann solltest du auch nicht wieder mit ihm zusammen kommen... Und diese Entscheidung kann dir keiner abnehmen, so scheiße es sich auch anhören mag...“ Hmm, irgendwie hatte sie Recht. Da war was dran.
,,Auch wenn du grade geredet hast, wie deine Mutter, du hast doch etwas Sinnvolles gesagt. Ich gucke mal, wie's am Wochenende wird,“ lächelnd blickte ich sie an. Und jetzt sollten wir aufhören Trübsal zu blasen. Lass uns den Anderen Bescheid sagen und zum Kino gehen, 'kay?“
,,Wird gemacht Chef!,“ stimmte mir Layla mit verstellter Stimme zu und salutierte vor mir. Daraufhin mussten wir Beide so sehr lachen, dass uns die Tränen in den Augen standen. Layla würde nie Schauspielerin werden. Das war schon mal sicher! Für einen kurzen Moment vergaß ich all' meine Sorgen und lebte nur im Hier und Jetzt. Doch die Vergangenheit holte mich schneller, als geplant wieder ein
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Publication Date: 07-14-2013
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Dedication:
Für meine Freundin Fia, weil sie mich so tatkräftig unterstützt hat :*