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Er wurde in einer sternenklaren kalten Nacht im November geboren. Seine Mutter hatte sich geweigert, sich ins Bezirkskrankenhaus fahren zu lassen, um ihn zur Welt zu bringen, weil sie wusste, dass sie sich das Krankenhaus und die Behandlung nicht leisten konnten.
Sie musste es allein schaffen. Ihre jüngere Schwester half ihr bei der Geburt, während ihr Mann die Kinder fortschickte und vor der Hütte wartete.
Sie brachte ihr fünftes Kind zur Welt in dieser Nacht und Vater wusste, dass mit dem Jungen etwas anders war. Er war etwas Besonderes, das hatte ihm sein Totem gesagt. Er würde anders sein als seine älteren Geschwister.
Die Geburt dauerte drei Stunden, von der ersten bis zur letzten Wehe, dann brachte seine Schwägerin seinen kleinen Sohn in ein sauberes Laken gehüllt zu ihm nach draußen.
„Ein Junge“, sagte sie. Er wusste es bereits. Vorsichtig nahm er seinen Sohn entgegen, trug ihn hinaus in die Wüste, sang dabei vor sich hin. Seine Frau weinte in der Hütte, sie weinte nach jeder Geburt, weil sie wusste, dass sie es schwer haben würden.
So viele Babys starben, bevor sie wussten, dass es etwas anderes gab außer den ärmlichen Hütten und die Wüste. Sie wurden krank und starben. Schafften sie es, am Leben zu bleiben, kamen sie aus der Wüste nicht heraus. Sie alle waren verdammt zu diesem Leben.
Der Vater trug seinen neugeborenen Sohn unter den schwarz-klaren Himmel, sang das alte Lied, mit dem er den Geist rief, der das Baby segnen würde. Er sang und hob ihn hoch über seinen Kopf.
Das Baby schrie und griff mit den Händen nach dem Himmel. Während des ersten lauten Schreiens erschien eine Sternschnuppe im Osten, zerriss den dunklen Himmel wie mit einer Rasierklinge aus Licht und verschwand im Westen. Der Lichtschweif teilte den Himmel über der Wüste und verblasste langsam. Die Wüste war totenstill. Der Vater drückte seinen Sohn an sich, brachte ihn zu seiner Mutter zurück, wo er seine erste Mahlzeit bekam.
Die Kinder, die er fortgeschickt hatte, als seine Frau ihm sagte, es sei Zeit, kamen wenige Stunden später zurück und fragten, welchen Namen das Baby bekommen würde.
Punweakaje’onwikeji, sagte der Vater.
Das war der Name, den er von dem Geist der Nacht bekam, der sich als Sternschnuppe am Himmel gezeigt hatte, aber niemand rief ihn so. Es war ein geheimer Name.
Zwei seiner älteren Geschwister starben, aber er blieb am Leben. Er lauschte den alten Geschichten, die sein Vater erzählte und er sagte seiner Familie, er würde irgendwann fortgehen und ein besseres Leben haben. Er sagte, sein Totem, der alte Wolf, würde ihn führen. Er würde den Weg beschreiten, der ihm vorbestimmt war und dann würde er zurückkommen.
Als er fünfzehn Jahre alt war, verschwand er. Sho, sein Totem, der ihm als alter Wolf erschien, war gekommen und hatte ihn mitgenommen.
Zehn Jahre lang zog er durch das Land, Freunde kamen und gingen, ein Freund blieb, mit dem er von Stadt zu Stadt zog und sein Glück suchte. Sie waren wie Herbstlaub, das im Wind herumwirbelte.
Als er sich entschloss, seine Familie wiederzusehen, hatte er Schwierigkeiten, den Ort seiner Kindheit zu finden. Seine Familie war verschwunden. Die Hütten standen nicht mehr. Sie fanden nicht einmal mehr Überreste von menschlichen Spuren.
In einer sternenklaren Nacht saßen sie in der Wüste, rauchten und flüsterten miteinander, was sie als Nächstes tun wollten.
„Sho sagt, ich soll nach Westen gehen.“
Die Glut der Zigarette leuchtete in der Dunkelheit, der Wind ließ winzige Funken in den Himmel steigen. Unbemerkt zog eine Sternschnuppe über ihre Köpfe hinweg und verschwand.


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Publication Date: 09-04-2010

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