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Das papierne Gefängnis Teil 1

 

Kapitel 1

 Das alte Antiquariat…

 

 

Während der Regen an diesem trüben Dezembertag vom Himmel rauschte, drückte ich mich noch ein wenig tiefer in die Ecke des Hauseingangs, um einigermaßen trocken zu bleiben.

Als Privatdetektiv war ich es gewohnt, unter den widrigsten Bedingungen stundenlang auf jemanden warten zu müssen. Aber meine Auftragslage war so kurz vor Weihnachten nicht gerade optimal und so stand ich hier mehr in eigener Sache vor der Tür des immer noch verschlossenen Antiquariates. Verdammt, dachte ich, wenn dieser Laden hier nicht bald öffnet, werde ich sicher noch komplett einregnen und womöglich sogar durchweichen. Ewig würde ich hier jedenfalls nicht warten wollen und beschloss dem Buchhändler noch zehn Minuten Karenzzeit zu gewähren, dann wäre ich weg. Aber irgendetwas Magisches hielt mich jedoch vor dieser Tür und ich konnte nicht einmal sagen was genau es war, oder warum ich diesem unbekannten Zwang nachgab.

Ein Blick auf meine Armbanduhr sagte mir, dass das Antiquariat schon vor zwanzig Minuten hätte öffnen müssen, wenn man dem alten, emaillierten Schild mit den Öffnungszeiten an der Ladentür Glauben schenken wollte. Ein paar Minuten wollte ich noch ausharren, obwohl das allseits bekannte akademische Viertel Stündchen bereits mehr als um war. Aber was nimmt man nicht alles in Kauf, wenn man wie ich, ein passionierter Schachspieler ist.

Dieses altehrwürdige Antiquariat verkaufte unter anderem, uralte Schachbücher und ich würde mir gern wieder einmal ein paar von diesen historischen Partien anschauen, die so exzellent, wie genial von den alten Meistern dieser Kunst gespielt worden sind. Viel zu langsam verging die Zeit und nun war ich doch beinahe schon entschlossen zu gehen, weil mir der kalte Regen schon in den Kragen meiner durchnässten Lederjacke lief.

In diesem Augenblick bog ein kleiner, grauhaariger Mann in einem langen, schwarzen Wintermantel um die Ecke. In der Hand schwenkte er einen schwarzgrau, karierten Regenschirm, der auch schon einmal bessere Tage gesehen hatte.

»Junger Mann, warten Sie auf mich?«, fragte er in meine Richtung, als er mich bemerkte und fingerte dabei geräuschvoll ein großes Schlüsselbund aus seiner Manteltasche.

»Nee, ganz bestimmt nicht«, antwortete ich leicht verärgert aus dem Halbdunkel des Hauseingangs heraus. »Ich warte hier nur auf Alice Schwarzer, mit der ich mich vor Ihrem Laden vor zwanzig Minuten zu einem heißen Rendezvous verabredet hatte. Aber so viel Whisky, um sie mir wenigstens in Gedanken vorher ein bisschen schön zu saufen, gab's leider nicht...«

 Der Alte grinste breit.

»Bitte entschuldigen Sie mein heutiges Zuspätkommen, aber die U-Bahn fährt im Moment nicht, es soll sich wieder einmal jemand vor den Zug geworfen haben und so war ich gezwungen den Bus zu nehmen. Ja, in der Weihnachtszeit da soll das ja öfter vorkommen. Allmächtiger, die Leute kommen aber auch auf Ideen, die sollten zuhause lieber mal ein gutes Buch zur Hand nehmen und was Gescheites lesen, dann würden sie in ihrem eigenen Leben bestimmt auch besser zurechtkommen und nicht so einsam sein«, meinte er kopfschüttelnd. Inzwischen hatte er die Ladentür geöffnet und langte mit der Hand ins Halbdunkle, um das Deckenlicht einzuschalten. Träge flammten die in zwei Reihen aufgehängten Leuchtstofflampen an der Decke auf und erhellten den kleinen Verkaufsraum dieses urigen Antiquariates. Durch die Schaufensterscheiben fiel das gelbliche Licht nach draußen auf die in der Nässe glänzenden Pflastersteine.

Der Alte klappte seinen alten Regenschirm zusammen und betrat den Verkaufsraum. Die drei messingfarbenen Türglocken schellten lautstark, als er die Eingangstür noch ein Stückchen weiter geöffnet hatte.

»So kommen Sie doch schon herein, junger Mann, sonst weichen Sie mir ja noch völlig durch. Ich werde nur rasch meinen Mantel zum Trocknen aufhängen und dann stehe ich Ihnen sofort zur Verfügung. Sie können sich ja in der Zwischenzeit schon mal etwas umsehen«, bedeutete mir der Alte und verwies mich auf die vielen, frei im Raum stehenden hölzernen Bücherregale.

Die doppelflammige Leuchtstofflampe über dem altertümlichen Ladentisch kämpfte offensichtlich immer noch unentschlossen mit der Entscheidung, ob sie dem Hausherren noch einmal ihr Dauerlicht spenden sollte. Ein paar Mal klimperte der Starter die Lampe noch an, doch dann blieb sie plötzlich eingeschaltet und verteilte ihr müdes und mittlerweile funzliggelb gewordenes Licht über den Verkaufstresen. Die metallisch schimmernden, schwarzen Flecken an den Enden der Leuchtstoffröhren verrieten nur allzu deutlich ihr abgelaufenes Lebensalter.

»Ja, ja«, beklagte sich der Alte erneut. »Ein paar von den Lampen müssten auch wieder einmal erneuert werden, aber wer kann sich denn das heutzutage noch leisten. Dieser kleine Laden hier, er wirft es nicht mehr ab. Ach wissen Sie, junger Mann, ich hab manchmal den Eindruck, dass so alles langsam, aber sicher irgendwie den Bach hinunter geht. Sehen Sie das denn nicht auch so?«

Ich hatte nach ihm nun ebenfalls den Verkaufsraum betreten und meine nasse Jacke aufgeknöpft. Die Regentropfen rannen an dem aufgeweichten Leder hinab und fielen auf den trockenen, abgetretenen Dielenboden. Es roch überall nach alten Büchern und dem Staub von Jahrzehnten. Meine Augen suchten inzwischen nur das Regal mit der alten Schachliteratur. Dann bemerkte auch der alte Buchhändler mein spezielles Interesse,

»Ha‘ Schach«, meinte er. »Auch so ein Überbleibsel aus der alten Zeit. Dieses edle und königlichste aller Spiele, das spielt doch heute auch kaum noch jemand. Außerdem muss ja heutzutage alles auf dem Computer oder im Internet stattfinden. Virtuell natürlich. Kann man sich denn nicht wie früher, einfach einmal in aller Ruhe hinsetzten und eine interessante Partie Schach spielen? So mit richtig schön gearbeiteten, hölzernen Figuren, auf einem anständig furnierten Schachbrett? Vielleicht sogar mit einem Glas edlen Cognac in der Hand? Vergebliche Liebesmüh. Nichts funktioniert mehr, wie es früher einmal war. Ich sag‘s ja, es geht alles den Bach hinunter.« Er winkte müde lächelnd ab. »Ja, junger Mann, schauen Sie sich nur in Ruhe um, vielleicht finden Sie ja doch noch etwas Brauchbares unter den Neuzugängen. Aber warten Sie, da fällt mir gerade ein, ich hatte doch neulich erst ein ziemlich altes Schachbüchlein von einem freundlichen Spender aus dessen Nachlass erhalten. Verflixt, wo hab ich es denn nur hingetan?«

Der Alte setzte eine winzige Lesebrille mit kleinen, halbkreisförmigen Gläsern auf und begann unter seinem Ladentisch zu kramen. Nach einer Weile kam er ächzend unter dem Verkaufstisch wieder hervor und hielt dennoch lächelnd ein blassblaues Büchlein im Postkartenformat in seiner Hand. »Gut, es sieht zwar nicht mehr ganz so fabelhaft aus, wie es damals dereinst aus der Druckerei kam, aber dafür hat es ja auch schon reichlich über einhundert Jahre auf dem Buckel. Wie wär‘s denn damit, junger Mann? Ich hatte das Buch zwar für jemanden anders zurückgelegt, aber derjenige hat sich auch schon über vier Wochen lang, nicht mehr hier blicken lassen. Ich mach‘ Ihnen auch einen fairen Preis,  wenn Sie sich dafür interessieren sollten.«

Da hatte der Alte es doch tatsächlich geschafft, meine schachspielerische Neugier zu wecken. Ich ging zurück zum Ladentisch und griff nach dem ehemals hellblauen, aber inzwischen doch schon stark verblassten Einband.

Jean Dufresne  Schachmeisterpartien1 stand in einem edlen, altdeutsch gedruckten Sütterlin auf dem unscheinbaren Cover des Leineneinbandes.

Ich klappte das Büchlein auf und blätterte die gelblich verblichenen, mit dem Alter schon leicht transparent gewordenen Seiten durch. Tatsächlich enthielt es dutzende aufgezeichneter Schachpartien, die zwischen den Jahren 1887 und 1890 von renommierten Schachspielern jener Zeit gespielt worden sind. Na das war es doch, durchfuhr es mich wie elektrisiert. Nach genau so etwas hatte ich doch gesucht. Nur durfte ich es dem Alten natürlich nicht so offen zeigen, denn wenn der nämlich mein sprunghaft gestiegenes Interesse bemerkt hätte, bekäme dieses Büchlein gewiss einen fantastischen Mondpreis und er würde mich garantiert über den Tisch damit ziehen wollen. Also spielte ich ihm erst mal ein abwartendes, eher mäßiges Interesse vor und fragte recht scheinheilig, was denn dieser 'Schinken' überhaupt kosten solle.

Der Alte taxierte mich nur den Bruchteil einer Sekunde lang über seine halbrunden Brillengläser hinweg, wackelte etwas mit dem Kopf und sagte dann vorsichtig abschätzend,

»Nun ja, es ist schon ziemlich alt wissen Sie und mit Büchern ist es wie mit dem Wein, je älter sie werden, desto interessanter und wertvoller erscheinen sie uns mit der Zeit. Also ich würde Ihnen dieses Büchlein hier, sagen wir mal für fünfzehn Euro überlassen, als Freundschaftspreis sozusagen.«

Ich lachte,

»Netter Witz, guter Mann, das hier ist eine billige Phillip-Reclam-Taschenausgabe. Massenware. Vielleicht von 1900 und dieses Dingelchen hatte damals garantiert so um die achtzig Pfennige gekostet. Also schon zu Kaisers Zeiten, ein äußerst volksverbundener Preis und da sprechen Sie mir heute bei fünfzehn harten Euronen von einem angemessenen Freundschaftspreis? Außerdem, schauen Sie sich den Schmöker doch mal richtig an. Hier, die Fettflecke, dort ist mal Kaffee drüber gelaufen und an dieser Stelle hat es sogar schon einmal mit dem Feuer Bekanntschaft geschlossen und dafür wollen Sie, dass ich Ihnen satte fünfzehn Euro berappen soll? Ich bitte Sie, das war doch wohl eher ein Scherz.«

»Na wenn schon!«, ereiferte sich der Alte regelrecht. »Gerade das macht es ja erst so authentisch und berechtigt seinen Preis. So etwas kriegen Sie heute nämlich nicht mehr. Sie werden sehen, es ist so wie ich sage und vor allem, glauben Sie mir, dieses Büchlein ist in der Tat wirklich etwas ganz Besonderes.«

Er legte den schmalen Band vor sich auf den Ladentisch und schaute mich erwartungsvoll an. Ich zog die Augenbrauen hoch.

»Na Sie können es sich ja noch überlegen, vielleicht finden Sie ja dort im Regal noch etwas anderes«, sagte er sichtlich enttäuscht und suchte urplötzlich heftig nach Atem ringend, ganz schnell in seiner Hosentasche nach einem Taschentuch. Als er es heraus hatte, tat er einen gewaltigen Nieser in das Tuch hinein und schnäuzte sich lautstark die Nase.

»Sehen Sie, ich musste es sogar beniesen. Also überlegen Sie sich mein Angebot noch einmal in Ruhe.

Ich griente. Plötzlich vernahm ich eine angenehme junge Frauenstimme mit einem unwahrscheinlich charmanten, französischen Akzent,

»Zögere nicht zu lange, für weniger als zehn Euro wird er es dir sicher nicht überlassen.«

Ich schaute den Buchhändler überrascht an,

»Sagten Sie eben etwas?« Der Alte hatte immer noch mit seiner Nase zu tun und bereits zum zweiten Male, mit einem maskenhaft verzerrtem Gesicht, lautstark in sein Taschentuch gebrüllt. Er schüttelte zwischendurch seinen hochroten Kopf und man konnte das nächste Niesgewitter bereits schon vorausahnen, welches er erneut in sein Taschentuch ableiten würde. So kam es denn auch.

»Zur Gesundheit!«, brachte ich gerade noch hervor, als er bereits die nächste Ladung Bazillen in sein Taschentuch donnerte. Er nickte dankbar.

»Ja, das ist furchtbar bei diesem Wetter, es ist viel zu warm für diese Jahreszeit und dann der ewige Regen und der Wind. Kein Wunder wenn sich die Leute an Weihnachten umbringen, bei diesem Mistwetter muss man ja beinahe schon depressiv werden.«

»Gut«, konterte ich grinsend. »Dann mach‘ ich Ihnen jetzt mal ein Angebot, ich gebe Ihnen, sagen wir mal fünf Euro für Ihr fettiges, auch schon angegrilltes Büchlein da und obendrein wünsch‘ ich Ihnen sogar noch Frohe Weihnachten und eine gute Besserung, wie wär es denn damit?«

»Zehn Euro, mein letztes Angebot und ich hebe Ihnen künftig solche Sahnestücke extra für Sie auf, wenn Sie mögen«, feilschte er weiter mit mir.

Ich vernahm erneut ein süßes Frauenlachen,

»Sahnestücke ist gut, nimm es und du wirst es bestimmt nicht bereuen.« Wieder dieser angenehme französische Akzent, jener unsichtbaren Frau, mit dem stark erotischen Timbre in der Stimme. Ich stutzte und drehte mich herum. Aber außer mir und dem Buchhändler, schien allerdings niemand sonst in dem alten Antiquariat zu sein. Langsam glaubte ich schon zu phantasieren.

»Also, was ist nun, nehmen Sie das Buch für zehn Euro?«

»Okay, Sie haben mich überredet«, sagte ich nach kurzem Überlegen und zückte mein Portemonnaie. Er nickte sichtlich erleichtert. Ich legte einen Zehner auf den Ladentisch, den der Alte sogleich blitzartig wie ein Industriestaubsauger einzog. So schnell, wie das Geld vom Tisch verschwand, so schnell zauberte er auch einen winzig kleinen Bogen festen, goldbraun, glänzenden Packpapiers hervor und schlug das Büchlein recht kunstvoll darin ein. Zum Schluss riss er noch zwei Punkte Tesafilm von der Rolle ab und befestigte damit auf der Rückseite, die zu gefalteten Spitzen umgeschlagenen Enden.

»Ach und weil bald Weihnachten ist, gibt es noch einen passenden Aufkleber gratis drauf. Vielleicht wollen Sie ja das Buch an jemanden sehr Liebes verschenken?«, meinte er hintergründig schmunzelnd.

 Mit einem hörbaren Ritsch, zog er die rückseitige Schutzfolie von dem bunten Aufkleber eines pausbäckig grinsenden Santa Claus ab. Dann pappte er das von einem flammenden Rot und einem adipösen Weihnachtsmann mit langem, weißen Bart und runder Knollennase beherrschte Bild voll auf die Frontseite meines edel eingeschlagenen Buches. »Also dann, viel Spaß damit und frohe Weihnachten für Sie, junger Mann.« Ich nickte, bedankte ich mich und steckte das Büchlein in die noch halbwegs trockene Innentasche meiner Jacke.

Mit hochgeschlagenem Kragen verließ ich bei weiter heftig strömenden Regen wieder das Antiquariat. Auf dem Heimweg grübelte ich noch eine Weile über die sympathische Frauenstimme mit diesem süßen französischen Akzent nach und kam aber leider zu keinem schlüssigen Ergebnis. Wer weiß, mit welchem Taschenspielertrick der Alte mir da etwas vorgegaukelt hatte, womöglich war am Ende doch noch jemand in den hinteren Räumen. Ich würde es höchst wahrscheinlich wohl nie erfahren.

Vielleicht waren es aber auch nur ein paar Halluzinationen, jene sinnestäuschenden Vorboten, einer möglicherweise bereits im Anmarsch befindlichen Fiebergrippe...

 

 

***

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 2

 Die Stimme der Französin...

 

 

Tage später, ich hatte kein Fieber bekommen und das Büchlein wegen der bevorstehenden Weihnachtsfeiertage beinahe schon wieder vergessen, doch dann fiel es mir plötzlich wieder ein. Ich hatte es eilig in das Schubfach meines Schreibtisches getan und holte es nun hervor, um mir endlich in aller Ruhe einige dieser interessanten Partien anzuschauen.

Dieser pausbackige Weihnachtsmann grinste mich nach wie vor aufdringlich von der goldbraunen Papierverpackung an. Ich riss das stabile Packpapier auf und schälte den kostbaren, literarischen Schatz heraus. Mit wachsenden Interesse blätterte ich sehr aufmerksam und hochkonzentriert in dem historischen Schachbüchlein, welches zweifellos aus dem Jahre 1901 stammte.

Da, schon die zweite Partie war eine echte Sensation. Im Geiste sah ich sofort das hölzerne Schachbrett mit seinen vierundsechzig Feldern und der vorgegebenen Figurenbelegung vor mir. Weißer Bauer auf c4. Warum nur, dachte ich sofort, das ist doch totaler Schwachsinn. Kein Zweifel, aber aus meiner Sicht ein fataler Fehler, denn der dorthin gezogene Bauer hatte doch auf diesem Feld überhaupt keine Chance. Er würde zweifellos der nächsten Attacke des Gegners zum Opfer fallen. Was also blieb, war nichts weiter, als eine halsbrecherische Unverständlichkeit. Weiter, schwarzer Läufer auf… ? Ups. Keine Ahnung wohin der ging.

Diese Information musste mir das Büchlein schuldig bleiben, denn an exakt jener Stelle der ohnehin schon hauchdünnen Buchseite gähnte ein kleines, punktförmiges, schwarzes Loch. Es sah aus, als hätte jemand mit einem Brennglas, ein schwarzes Löchlein in das Papier gebrannt. Aber so punktgenau, dass exakt nur die betroffene Buchstaben-Zahlen-Kombination kreisförmig herausgebrannt worden war.

So konnte man textlich leider nicht mehr nachvollziehen, wohin der schwarze Läufer tatsächlich gezogen hatte, noch zumal er ohnehin mehrere Zugmöglichkeiten hatte. Das war ziemlich ärgerlich, denn wenn Schwarz seinen Läufer im Verlaufe dieses Spiels nicht mehr bewegte, verhielt sich diese Figur auf dem Schachbrett in der Tat, auch wie ein schwarzes Loch im Sternensystem. Man sieht es nicht, weiß aber, dass es mit tödlicher Sicherheit irgendwo da draußen auf einen lauert. Ich wollte gerade die exakte Gegenprobe machen, ob der schwarze Läufer nicht doch noch irgendwann während des Spieles wieder auftaucht, da hörte ich erneut eine sympathisch klingende, weibliche Stimme mit starkem französischen Akzent,

»Der schwarze Läufer zieht im fünfzehnten Zug, auf das Feld d4...«

Ich schreckte auf. Was war das denn jetzt? Das klang doch genau nach derselben Frauenstimme, die ich doch schon im Antiquariat gehört hatte. Da war ich mir auf einmal einhundertprozentig sicher. Diese erotische Stimme hätte ich unter Dutzenden anderen zweifellos sofort wiedererkannt.

»Wer ist da?«, rief ich nun etwas verunsichert.

Keine Antwort.

Nach einer Weile dann ein leises Kichern. Wieder eine Zeitlang tiefste Stille. »Wer zum Donnerwetter fährt mir hier laufend in die Parade?«, rief ich nun schon mehr ärgerlich als neugierig. Wieder ein leises Kichern, das ich nicht orten konnte. Ja, konnte man sich denn überhaupt selbst noch trauen, ohne gleich wahnsinnig zu werden?

Ich wusste absolut nicht, was ich davon zu halten hatte und blätterte erneut durch das schmale Büchlein mit den zweihundertfünf hauchdünnen und zart durchscheinenden Seiten. Diesmal aber erscholl ein ziemlich lautes weibliches Lachen, derselben Stimme.

»So wirst du mich sicherlich niemals finden, mon cher...«, sagte die weiche Frauenstimme zärtlich und begann wieder herzlich zu lachen.

»Wer bist du und wo bist du?«, rief ich diesmal laut ins Zimmer.

»Oh, la la, das sind ja gleich zwei Fragen auf die einmal!«, kam diesmal sofort die prompte Antwort. Danach etwas zögerlicher,

»Du wirst es mir so oder so nicht glauben wollen, aber ich bin tatsächlich nur eine kleine schwache Frau und zugleich aber auch die schwarze Dame aus die schmale Schachbuch, welches du jetzt besitzt. Ich existiere für dich aber nur da drinnen und wann immer du dich für ein aufgeschriebenes Spiel aus diesem Buch interessierst, bin ich in jeder dieser Partien für dich von die Anfang bis zu die Ende immer mit dabei. Ich begleite dich auf dieser Reise in die Schachabenteuer des 19.Jahrhundert, von die erste bis zu die letzte Seite. Und wenn du mich am Ende noch magst, werde ich dich ganz bestimmt sogar noch etwas weiter begleiten, mon cher«, lachte sie hintergründig.

Erst einmal war ich wie vom Donner gerührt und verstand nicht die Bohne von dem, was hier rings um mich herum passierte. Was war das denn? Ein Albtraum, oder eine göttliche Verheißung? Die Haare stiegen mir jedenfalls zu Berge, wenn ich an die erste bewusste Wahrnehmung dieser unglaublich attraktiven Frauenstimme dachte. Ich schwankte immer wieder zwischen Neugier und Spannung, auf der einen und zwischen Zuneigung und Ablehnung, auf der anderen Seite. Mein inneres Gefühlsleben wechselte deshalb auch ständig zwischen zart bitter nach honigsüß und war geprägt von einer emotionalen Achterbahnfahrt mit dem typischen Schmetterlinge-im-Bauch-Gefühl, bis hin zu einer traumatisch, lethargischen Skepsis. Auch musste ich mich hin und wieder regelrecht zwingen, sehr viel ruhiger zu atmen, um nicht irgendwann einmal in ein unkontrolliertes Hyperventilieren zu verfallen, sobald ich wieder ihre erregende Stimme in meinem Kopf vernahm...

Dem soeben Erlebten stark misstrauend und einer plötzlichen Eingebung folgend, begann ich das Buch nach einer versteckten Elektronik abzusuchen, die manchmal in einer diesen trivialen Klappkarten aus Taiwan oder Hongkong integriert war. Diese Elektronik konnte, wenn auch ziemlich grauenhafte musikalische Töne von sich geben, klappte man die Karte auseinander. Warum also sollte nicht auch eine zielgerichtete Auswahl von bestimmten Wortfetzten möglich sein. Irgendwo zwischen den Seiten dieses Buches musste sich dann ja mit Sicherheit ein solches Ding verbergen. Das wird sich doch feststellen lassen, dachte ich und ergriff erneut nach dem Büchlein. Nachdem ich es wiederholt Seite für Seite durchgeblättert hatte, stellte ich enttäuscht und auch ein wenig frustriert fest, dass es so rein gar nichts mit jenen simplen Musikkarten gemein gehabt hatte. Alles wäre dann wenigstens erklärbar gewesen und dieser unheimliche Spuk hätte mit Sicherheit ein Ende gehabt. So war ich zwar einigermaßen ratlos, aber als ich dann erneut das überaus süße Lachen dieser Frau aus dem Buch vernahm, ließ es unweigerlich meinen Adrenalinspiegel schlagartig wieder heftig ansteigen.

»Da ist nichts eingebaut, mon cher. Du wirst nichts Derartiges finden, so glaub es mir doch einfach nur. Sei auch mit die zarten Papierseiten dieses Buches in die Zukunft bitte etwas vorsichtiger, denn wenn du auch nur eine davon beschädigst oder gar herausreißt, so würde das für mich in jedem Falle definitiv eine irreparablen Schaden für meine Gesundheit bedeuten«, erklärte mir die nun etwas besorgter klingende Frauenstimme.

Altermirano, dachte ich, was ist das denn. Ich hatte doch überhaupt nichts gesagt, kein einziges Sterbenswörtchen war mir über die Lippen gekommen. Ich hatte einfach nur so für mich selbst nachgedacht, als ich das Büchlein untersucht hatte. Ein fürchterlicher Schrecken durchfuhr mich nachträglich noch siedend heiß. Konnte sie etwa in meinen Gedanken lesen? Das war alles schon äußerst merkwürdig und ich hatte überhaupt keine Ahnung, auf was ich mich da eingelassen hatte.

Gewiss kenne ich etliche Bücher, in denen Frauen eine höchst wichtige Rolle spielen, aber so real, dass sie sich sogar mit mir unterhalten konnten? So etwas Unwirkliches hatte ich bislang noch nie erlebt und ließ mich ernsthaft an allem zweifeln, was ich je für möglich gehalten hatte. Ich überlegte auch, ob hier nicht doch bereits schon allererste Fieberphantasien einer versteckten Infektion am Werke waren und befühlte dazu meine Stirn, ja ich zwickte mich sogar nach bekannter Manier kräftig in den Arm um sicherzustellen, dass ich nicht träumte. Der plötzliche Schmerz und der rote Fleck an meinem Bizeps signalisierten mir, dass ich putzmunter war und an heftiges Fieber glaubte ich danach allerdings eher noch weniger. Gleichwohl, der Alte aus dem Antiquariat hätte mich ja durchaus auch langfristig angesteckt haben können. Eine ziemlich üble Erkältung hatte er auf jeden Fall, das stand schon mal fest. Und mich unwissentlich infiziert haben, das wäre sicherlich auch möglich gewesen. Ganz auszuschließen war es jedenfalls nicht. Da ich mich auch von Drogen jeglicher Art fernhielt, konnte ich das also auch schon mal ausschließen, ebenso wie einen tiefen Alkoholrausch, den ich das letzte Mal erlebt hatte, als ich volljährig wurde.

Aller meiner Sinne mächtig, wagte ich mich deshalb noch einmal wenig hervor und stellte laut in den Raum die entscheidende Frage,

»Woher weiß ich denn, dass dies nicht irgendein blödsinniger Hokuspokus ist, bei dem anschließend ich auf die Nase falle?«

Schallendes weibliches Gelächter, wie aus einer Hexenküche,

»Das weißt du natürlich nicht und da wirst du mir wohl vertrauen müssen.«

Ich schüttelte widerstrebend den Kopf,

»Das ist völlig unmöglich, ich brauche einen wirklich realen Beweis für das alles hier, sonst kann ich es einfach nicht glauben und es fällt mir ehrlich gesagt, jetzt schon ziemlich schwer, dies alles überhaupt für bare Münze zu nehmen«, stieß ich skeptisch geworden hervor und wischte mir inzwischen ein paar Schweißperlen von der Stirn.

»Was glaubst du denn, woher ich wusste, wann der schwarze Läufer auf dieses d4-Feld ziehen würde? Denk doch einmal darüber nach«, meinte die im gebrochenen Deutsch klingende Frauenstimme mit dem französischen Akzent leicht verstimmt. »Woher sollte ich denn das alles so genau wissen, wo ich doch selbst noch nicht einmal Schach spielen kann.«

Ihre Stimme klang überzeugend und irgendwie auch ehrlich. Die Antwort leuchtete mir nach einem prüfenden Blick auf das Schachpiktogramm des fünfzehnten Zuges auch sofort ein. Spätestens von da an war mir eigentlich klar, dass sie die Wahrheit gesagt haben musste, zumindest was die erwähnte Schachkonstellation anbetraf. Was ich tief in meinem Innersten bereits vermutet hatte, traf also ohne Zweifel zu. Ich erschauderte nun richtiggehend, denn das war mir dann doch etwas zu hastig und vielleicht auch einen kleinen Tick zu viel, für meine arme genarrte Seele.

Danach musste ich jedenfalls erst mehrmals tief und kräftig durchatmen und daran denken, dass es justament möglicherweise also doch weitaus mehr Dinge zwischen Himmel und Erde geben müsse, als ich mir jemals hätte träumen lassen. Obwohl ich mich eigentlich immer noch wie der ungläubige Thomas verhielt, entschied ich mich dazu, mich dennoch dieser unerwarteten und geheimnisvollen Entwicklung nicht gänzlich zu verschließen. Gerade deshalb wollte ich aber auch trotzdem weiterhin hellwach und auf der Hut zu sein.

Dennoch, so ganz allmählich begann ich diese attraktive weibliche Stimme mit dem liebreizenden Akzent regelrecht zu mögen und ehrlich gesagt, sogar mehr für sie zu empfinden, als gut für mich war. Ich ertappte mich dabei, mich ernsthaft dafür zu interessieren, welches Gesicht sich wohl hinter dieser Stimme mit diesem unglaublich erotischen Timbre verbergen würde. Welche Augenfarbe sie hatte und ob sie hübsch oder eher durchschnittlich ansehnlich war. All dies beschäftigte mich in zunehmendem Maße und ich hoffte insgeheim sogar, dass sie ein sehr hübsches Weib, mit anziehenden Proportionen sein möge, weil mir meine Phantasie vorgaukelte, dass ich in ihr vielleicht die Frau meiner Träume entdeckt haben könnte. Ja und die durfte dann durchaus auch richtiggehend hübsch sein, über Geist, Witz und Charme verfügen und letztlich sogar verführerisch daherkommen, was meiner ganz und gar beinahe sträflichst vernachlässigten romantischen Seite einen bedeutsamen Vorschub leisten würde.

Erst ganz langsam und allmählich begann sich in winzig kleinen Schritten, so zusagen stufenweise, so etwas ähnliches, wie ein gegenseitiges Vertrauen zwischen uns in den lang andauernden Gesprächen aufzubauen.

Mit nicht geringer innerlicher Erschütterung bemerkte ich allerdings, dass diese geheimnisvolle Frau in unglaublicher Weise in der Lage war, meine eigenen Gedanken zu erfassen. Sogar noch bevor ich selbst die passenden Worte dazu formulieren konnte. Und leider auch noch viel eher, als ich sie denn überhaupt auch aussprechen konnte. Das war mir gelinde gesagt, schon etwas mehr, als nur unheimlich. Das war in vielerlei Hinsicht erschreckend und in gewisser Weise auch furchteinflößend. Aber es machte mich auch wahnsinnig neugierig…

 

 

***

 

 

 

Kapitel 3

 Charlotte Bonnet...

 

 

»Warum fragst du mich nicht, wie ich in dieses Buch geraten bin und was ich hier drinnen tue? Das wolltest du doch schon die ganze Zeit wissen. Ich habe diese Frage von dir doch bereits schon anklingen hören. Du hast es nur nicht gewagt, sie bis zu Ende zu denken und dich dann gescheut, sie auch auszusprechen«, fragte sie mich einige Tage später. Nun war ich doch etwas überrascht, weil sie mir peinlich genau auf den Kopf zusagte, was mir eigentlich schon längst auf der Seele brannte.

»Das wäre sicherlich eine meiner nächsten Fragen gewesen«, log ich und begriff im selben Moment, dass ich sie ja nicht anlügen konnte, denn sie hätte an meinen wahren Gedanken sofort erkannt, dass ich die Unwahrheit sagte. Meine Gesichtsfarbe wechselte derweil in ein kräftiges dunkelrot, was sie ja zum Glück an mir nicht sehen konnte. Sie lachte erneut, offenbar hatte sie trotzdem meine Verlegenheit bemerkt und überspielte meine kleine Flunkerei mit einer charmanten Antwort,

»Oh, la la la, nicht so schnell, ma cher. Für den Moment nur so viel, es war einer von diese noir magicien. Oh‘ Pardon, aber sehr wahrscheinlich hat mich ein schwarzer Magier vor langer Zeit, sogar auf ewig in dieses Buch verbannt, weil ich ihm vielleicht damals nicht zu Willen sein wollte. Aber darüber können wir uns später gern noch ausführlicher unterhalten, wenn wir uns erst etwas besser kennengelernt haben. Oder hast du es nun etwa mit der Angst zu tun bekommen und plötzlich kein Interesse mehr an mir?«

Was sollte die Frage, natürlich interessierte ich mich für diese Frau, das keine Frage. Ich hatte nur so gar keine Vorstellung, wo und vor allem, wie das noch enden würde, aber selbst diese Bedenken versuchte ich so gut es eben ging, gedanklich vor ihr zu verbergen.

Nachdem ich lange genug mit ihr geplaudert hatte, begriff ich allmählich immer mehr von diesen merkwürdigen Zusammenhängen und langsam begannen sich in meinem Kopf sehr viele winzig kleine Mosaikbausteinchen zu einem skurrilen, aber immer noch ziemlich unvollständigen Bild formieren. Dennoch kam mir alles ziemlich unheimlich, ja geradezu suspekt, nicht ganz geheuer, aber natürlich auch wunderbar neu und sehr interessant vor.

Was konnte mir denn anderseits schon passieren, ich trug doch überhaupt kein Risiko und hatte auch keinerlei Verpflichtungen. Ich hatte nichts mit Blut unterschrieben, mit niemandem einen dubiosen Vertrag geschlossen, ich hatte lediglich nur ein verdammt altes Buch in einem technischen Antiquariat gekauft. Dieses Buch konnte ich zu jeder Zeit immer wieder an jemand anderes verkaufen, oder weiterverschenken, wenn mir danach war. Schlimmstenfalls konnte ich es wegwerfen oder nötigenfalls sogar vernichten. Dennoch, manchmal machte mir diese ganze, scheinbar so unglaubliche Geschichte immer noch tüchtig zu schaffen und gemahnte mich hinlänglich immer wieder zur Vorsicht. Eine wichtige Frage beschäftigte mich dabei allerdings pausenlos.

Wie weit konnte man in dieser verzwickten Sache gehen? Konnte ich der schwarzen Dame tatsächlich vertrauen, oder wachte ich eines schönen Tages auf und fand mich nun meinerseits in diesem Buch wieder, aus dem ich dann nicht mehr heraus käme. Am Ende hätten wir womöglich nur die Plätze getauscht und ich wäre anstatt der schwarzen Dame dann selber jener unglückselige Gefangene.

Ähnlich so, wie einem der Fährmann zur Toteninsel nur wortlos die Stake in die Hand drücken musste und fortan war man selbst der Fährmann und musste bis in alle Ewigkeiten die Toten auf die Insel übersetzen. Schließlich konnte man ja nie wissen, worauf man sich einließ, wenn man so Knall auf Fall, mit einer völlig neuen und unbekannten Situation konfrontiert wurde. Nochzumal, wenn die einen im Handumdrehen in Teufels Küche bringen konnte, wenn man dabei nicht gar höllisch aufpasste.

Das wirklich Kuriose und Ungewöhnliche an der Unterhaltung mit meiner neuen, französisch sprechenden Bekannten war, dass nicht etwa meine Ohren ihre Stimme hörten, sondern mir schien es, als spräche sie mir direkt in meine Gedanken hinein. Ich hörte die phantastische Stimme dieser Frau also nicht über akustische Schallwellen, sondern ich vernahm lediglich ihre erregende Stimme in meinem Kopf. Was ich ihr auch sagen wollte, ich brauchte es also nur denken. Bei dieser Art Unterhaltung musste man sich allerdings auch sehr auf die richtige Wahl seiner Gedanken konzentrieren, um nicht etwa was Falsches, oder gar Leichtfertiges zu denken. Auch wenn es immer heißt, die Gedanken seien frei, die meinen waren es nach der Erfahrung mit jener unbekannten Dame nicht mehr. Denn auch das nur gedachte Wort kam bei ihr ebenso zielsicher an, wie ein originäres Mahnschreiben von einem Inkassobüro, für eine noch nicht bezahlte Rechnung.

 Das klingt im Nachhinein alles etwas verworren, aber so war es nun mal. Ich hatte das Buch gekauft und nun musste ich da wohl oder übel auch durch. Insofern hatte der Alte natürlich recht, dass dieses Buch etwas ganz Besonderes war. Wusste das alte Schlitzohr etwa von der schwarzen Dame in dem Buch und wollte es nur deshalb schnell loswerden, weil ihm der Besitz des Büchleins Unglück gebracht hatte, oder hatte er einfach nur Angst von dem Unbekannten, dem Außergewöhnlichen? Vielleicht hatte er mir ja nur den Unwissenden vorgespielt und war im Grunde seines Herzens heilfroh, dieses angstmachende Monster endlich losgeworden zu sein. Wie ein abgefeimter Lügner kam er mir allerdings nicht unbedingt vor. Wie dem auch sei, jetzt war ich der neue Besitzer dieses Büchleins und musste mich von nun ab selbst damit auseinandersetzten. Was künftig geschehen würde, ließ sich nicht immer eindeutig vorhersagen und genau so wenig konnte man auch nicht immer allen noch so ungewöhnlichen Dingen aus dem Weg gehen, nur weil man noch nie von ihnen gehört hatte.

Deshalb nahm ich mir vor, erst einmal alles so wohlwollend, wie möglich anzuschauen und mich später dann zu entscheiden, wie es mit dieser höchst seltsamen Geschichte weitergehen sollte. In meinem Kopf spukte immer noch die lächerlich, abstruse Vorstellung herum, ich verstünde es, jederzeit mit der Situation umgehen zu können und hätte scheinbar alles im Griff. Selbstverständlich ohne natürlich zu ahnen, wie tief ich mittlerweile selbst schon in dieser Geschichte drinnen steckte.

Zu Beginn unserer ungewöhnlichen Bekanntschaft begleitete mich die schwarze Dame lediglich bei den Analysen, der in diesem Büchlein enthaltenen Schachspiele. Wann immer ich das Buch aufschlug, begrüßte mich diese überaus angenehme Frauenstimme stets sehr freundlich. Und wie ein lebendiges Lesezeichen erklärte sie mir jedes Mal, bei welchem Spiel wir unsere letzte rein schachbezogene Zusammenkunft unterbrochen hatten. Oder wenn ich die nächste Buchseite umblätterte und sie mich aufgeregt vor einer dieser heimtückischen Schach-Fallen in diesem aufgezeichneten Spiel warnte, von denen es in diesem Buch nur so wimmelte, obgleich sie ja eigentlich gar kein Schach spielten konnte, wie sie selbst immer von sich behauptete.

Und letztendlich gelang es mir immer besser, mich auf die mir immer sympathischer werdende Frau einzustellen. War es anfänglich nur ihre Stimme, die mich schon beim bloßen Zuhören erregt hatte, kam nach und nach ihr Charme, ihr Witz und ihre ehrliche Art, mit einfachen Worten Wahrheiten zu verkünden hinzu.

Eines schönen Tages im Februar des neuen Jahres, begannen wir mit unserer stummen Konversation, die sich weit über das bloße Kommentieren von Schachspielen hinaus erstrecken sollte. Lautlos unterhielten wir uns immer öfter über alle mögliche Probleme miteinander. Dabei sparten wir auch heikle Themen, geheime Wünsche und Träume, ja sogar erotische Phantasien nicht aus. Lautlose Kommunikation durch diverse Gedankenübertragung. Telepathie nennt man diese unglaubliche und wohl auch außergewöhnliche Form der Unterhaltung. Wenn ich es nicht selbst erlebt hätte, wäre es mir nie in den Sinn gekommen, derartig skurrile Dinge überhaupt für möglich zu halten.

Für Außenstehende musste es immer nur so ausgeschaut haben, als läse ich unablässig in diesem sehr interessanten Büchlein. Beobachtet man jedoch eine Zeitlang jemanden, der intensiv in einem Buch liest, wird man sehr schnell erkennen, dass der aufgeschlossene Leser mit seinen Helden, den Protagonisten aus diesem Buch, quasi mit lebt. Die Protagonisten lassen den Leser emotional an ihren Abenteuern teilhaben, besonders wenn die Geschichte mit dem Herzen geschrieben ist. Er lacht, wenn er eine Situation in dieser Geschichte heiter findet und bangt mit seinen Protagonisten, wenn ihnen eine ernsthafte Gefahr droht. Manchmal erging es mir nicht viel anders, so musste ich sogar unvermittelt oft lachen, wenn die schwarze Dame, von der ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal den Namen kannte, übersprudelnd mir ihr Herz ausschüttete und währenddessen dabei mit eloquenter Hochgeschwindigkeit ins Französische abglitt, dessen ich leider nicht mächtig bin. Le bœuf, der Ochs, la vache, die Kuh und raus bist Du. Aber das war‘s dann auch schon beinahe mit meinen bescheidenen Französischkenntnissen. Als ich ihr das genauso wortwörtlich erklärte, schüttete sie sich förmlich aus vor Lachen.

Hin und wieder lieferten wir uns auf diese Weise gegenseitig und ganz unauffällig einige kleinere Vertrauensbekundungen.

So begannen sich ganz allmählich zwischen uns sogar eine zarte, freundschaftlich liebevolle Bande zu entwickeln, an deren Festigung uns beiden irgendwie doch sehr gelegen schien.

 

*

 

Die schwarze Dame gestand mir später, dass sie eigentlich mit richtigem Namen, Charlotte Bonnet hieß, in Paris als Tochter einer Pariser Wäscherin und eines Schreiners geboren wurde, ledig sei und sich bereits seit dem Jahre 1902 in diesem Buch befand. Von Beruf sei sie zwar eigentlich ein Photographenmodell, stehe aber auch bekannten Malern als Akt, Modell. Zuvor war sie aber auch eine Zeit lang als Straßendirne tätig gewesen und das war vielleicht auch irgendwie der Grund, warum sie zwischen den Seiten dieses Buches feststeckte und es nicht verlassen könne. Fest stand nur, dass sie nur solange lebte, wie dieses Buch als Buch, existieren würde. Was immer man dem Buch antat, das würde man im übertragenen Sinne auch Charlotte selbst antun. Jede, aus einer Schusswaffe abgefeuerte Kugel, die alle Buchseiten inklusive der Buchdeckel durchschlagen hätte, würde ihr sofortiges Todesurteil bedeuten. Die Wirkung käme einer Hinrichtung durch Erschießen gleich. Feuer würde das Buch und damit beide gleichermaßen verbrennen. Im Wasser würde sich das dünne Papier ziemlich schnell auflösen und sie müsste dann elendig ertrinken, noch zumal sie selbst auch niemals richtig schwimmen gelernt hatte. Wenn man aus dem Buch ganze Seiten herausriss, würde sie für jede herausgerissene Seite, ein komplettes Lebensjahr abgezogen bekommen, selbst wenn es ihr jemals irgendwann einmal gelingen sollte, dieses Buch unversehrt wieder zu verlassen. Unter Eselsohren, eingerissene Seiten und Schmutzflecken würde ihre jugendliche Schönheit leiden. Sie würde dadurch einfach viel schneller altern, tiefe hässliche Falten und eine schlechtere Haut wären die unabdingbaren Folgen. Wenn jemand mit einem Bleistift, oder was noch weitaus schlimmer wäre, mit einem Silberstift in dem Buch herummalen würde und man bekäme das Geschreibsel später dann nicht mehr herausradiert, so wären das quasi bleibende Tattoos, die Charlotte dann auf immer und ewig an ihrem Körper mit sich herumtragen müsste.

 

Mit zunehmendem Erschrecken vernahm ich ihre Worte und nahm das Büchlein daraufhin ganz vorsichtig in die Hand. Akribisch blätterte ich dann Seite für Seite durch und stellte danach höchst erleichtert fest, dass immer noch alle Seiten des Buches vollzählig erhalten waren und sich sogar im bibliophilen Bestzustand befanden. Wenn man einmal von den verschmutzten und angesengten Buchdeckeln absah. Aber das wäre nur ihr leuchtend rotes Haar, sagte sie, und das würde ihr später sicherlich auch wieder nachwachsen. Waschen und frisieren würde man es dann bestimmt auch wieder können. Noch niemals zuvor hatte sie je in den vielen Jahrzehnten, einem Besitzer des Buches so viele Details über sich preisgegeben und lebte fortan ständig in der Angst, einfach bei jedem neuen Besitzer in Ungnade fallen zu können, achtlos weggeworfen oder gar vernichtet zu werden. Das alles hatte der noir magicien ihr damals deutlich wissen lassen, als er sie vor über einhundert Jahren in das Buch eingeschlossen und es anschließend magisch versiegelt hatte. Und nicht bevor mindestens einhundert Jahre vergangen wären, sogar bis auf den Tag genau, sollte sie ihr fragiles papiernes Gefängnis nicht verlassen dürfen, wenn es bis dahin das dünne Buch überhaupt noch geben würde. Nun, die angedrohten einhundert Jahre waren schon lange um und zum Glück existierte das Buch auch immer noch, aber Charlotte wusste beim besten Willen nicht, wie sie es wieder verlassen konnte. Wie das praktisch funktionieren sollte, dass hatte ihr der schwarze Magier natürlich nicht gesagt. Sie wusste lediglich, dass es mit ihrer Person und ihrer eigenen Vergangenheit zu tun haben musste. Und dass eine gewisse anzügliche Nacktphotographie von ihr aus dem Jahre 1896, darin eine entscheidende Rolle spielen würde...

All dies beichte sie mir nach und nach und an manchen Stellen flossen immer dann besonders heftig ihre Tränen, wenn sie sich unmittelbar mit der hoffnungslosen Ausweglosigkeit ihrer Situation konfrontiert sah. Es kostete mich jedenfalls nicht geringe Mühe, sie immer wieder zu beruhigen und erst als sie mir das Versprechen abgerungen hatte, ihr nach Kräften aus diesem merkwürdigen Gefängnis heraus zu helfen, fasste sie wieder etwas mehr Mut und so kehrte gelegentlich sogar ihr süßes Lachen wieder zu ihr zurück. Eines Tages begann mir Charlotte unter dem Siegel der Verschwiegenheit, ihre eigene Lebensgeschichte zu erzählen, die in weiten Teilen auch zugleich die absurde Geschichte dieses unscheinbaren Büchleins war...

 

*

 

Charlotte wurde an einem Valentinstag, also am 14.Februar des Jahres 1875, an einem sehr kalten Wintertag, als siebentes Kind und einziges Mädchen ihrer Eltern, in äußerst bescheidenen Verhältnissen in Paris geboren.

Ein rabenschwarzes Wintergewitter donnerte mit riesigen Hagelkörnern, Unmengen von Schnee und gleißenden Blitzen während ihrer Geburt über Paris herunter, gerade in dem Augenblick, als sie das Licht der Welt erblickte. Es hatte den Anschein, als hätten sich alle finsteren Mächte gegen das Zustandekommen des neuen Lebens zwar verbündet, aber dennoch vergeblich dagegen angekämpft. Möglicherweise lag ein geheimnisvoller Fluch auf der Geburt des unschuldigen Kindes, der das Leben dieser ohnehin schon gezeichneten Familie restlos zerstören sollte. Das Leben aber obsiegte und das kleine Mädchen war nun auf der Welt. Charlotte, so nannte ihre Mutter sie, war ein Nachkömmling, denn ihre sechs Brüder waren alle schon aus dem Haus und sorgten nur für sich selbst. Von ihrer neuen Schwester wollten sie allesamt nichts wissen und hielten sich darum vom ihrem Elternhaus dauerhaft fern.

Sie war ein Nesthäkchen, um das sich ihre Mutter liebevoll kümmerte, solange sie es jedenfalls noch konnte, denn sie starb bereits, noch ehe das Kind sein erstes Lebensjahr vollendet hatte an der Schwindsucht und das Schicksal nahm seinen Lauf.

Charlotte hatte ihre Eltern so gesehen also niemals richtig kennengelernt, denn dem völlig überforderten Vater, der schon lange Jahre zuvor keinen einzigen Hobel mehr über ein Brett gezogen hatte, wurde das Sorgerecht für seine einzige Tochter entzogen. Er war rettungslos dem Alkohol verfallen und das Kleinkind verwahrloste alsbald zusehends unter seiner fehlenden Obhut.

Jede Menge leere Flaschen Absinth stapelten sich bei einer Kontrolle durch die Behörden in der kleinen Souterrainwohnung des stark alkoholisierten Tischlers bereits zu Hauf und führten letztlich dazu, dass das kleine Mädchen auf höchstrichterlicher Anordnung in ein Waisenhaus überstellt wurde. Ein paar Wochen später hatte sich ihr armer Vater vor Kummer und Gram bereits totgesoffen, wie sie selbst wortwörtlich berichtete. So wuchs sie in einem Gestrandeten Asyl auf, ohne jemals eine richtige Familie gehabt zu haben. Von fehlender Nestwärme gar nicht erst zu reden.

Als Jugendliche entfloh sie zusammen mit ihrer nur wenige Jahre älteren Freundin dem Heim für obdachlose Waisenkinder und schlug sich mit Betteln und Stehlen, mehr schlecht als recht auf den Straßen der Großstadt durch das Leben. Später gingen die beiden jungen Mädchen auf den großen Pariser Boulevards auf den Straßenstrich, um sich auf diese Weise ihren Lebensunterhalt zu verdienen...

 Mit sechzehn machte Charlotte zufällig die Bekanntschaft des bedeutenden Malers, Henri de Toulouse-Lautrec, der sie gegen Bezahlung in seinem Atelier, als einziger Künstler auch nackt malen durfte. Da sie für ihr Alter, rein körperlich gesehen, schon etwas frühreif und überentwickelt war, fiel es auch nicht weiter auf, wenn er sie mit auf die wöchentlich stattfindenden Bälle und Tanzvergnügen mitnahm. Er führte sie auch in die Gesellschaft der Maler und Photographen ein, die ihr alltägliches Vergnügen in dem Viertel rund um den Montmartre, in der Rotlichtscheune des Moulin de la Galette und dem sündigen Varieté Moulin Rouge suchten, welches gerade erst zwei Jahre zuvor eröffnet hatte. Toulouse-Lautrec, der gern dem Alkohol kräftig zusprach, hielt indes schützend seine Hand über Charlotte und wählte unter seinen zahlreichen Photographenfreunden sorgfältig diejenigen aus, für die sie dann später auch als Nacktmodell arbeiten durfte. Denn einige von ihnen hatten die äußerst schlechte Angewohnheit, ihre Modelle niemals zu bezahlen und verdienten aber anderseits mit dem Verkauf von erotischen Photographien ihrer Modelle, ein riesiges Vermögen. Wiederum andere nutzten schamlos die Unerfahrenheit der vornehmlich jungen Modelle aus und betätigten sich nebenher ebenso als Zuhälter. So gesehen, war es auch natürlich ein großes Glück, dass Charlotte ausgerechnet mit Toulouse-Lautrec bekannt wurde, auch wenn der ein Trinker und kein Kostverächter war, was Frauen anbelangte, so war er dennoch von einer gewissen edlen Gesinnung. Wegen seiner großzügigen Fürsprache musste sie seit dem auch nie wieder als Prostituierte arbeiten. Charlotte bekam nun durch ihre Tätigkeit als Modell regelmäßig einen guten Lohn und konnte sich sogar eine kleine Wohnung am Montmartre zur Miete leisten. Leider war es von schon je her nicht besonders gut um die Gesundheit von Henri Toulouse-Lautrec bestellt gewesen, dann kam auch noch sein extrovertierter Lebensstil dazu, der ihn zunehmend krank machte und seine ohnehin schon angeschlagene Gesundheit ständig weiter untergrub. Als er dann am 9.September 1901 auf Schloss Malromé dem Landsitz seiner Eltern in der Gironde verstarb, verlor Charlotte, die zu diesem Zeitpunkt sechsundzwanzig Jahre alt war, ihren einflussreichsten Gönner und Förderer. Sie war inzwischen bei den Malern und Photographen der Boheme ein allseits beliebtes und sehr begehrtes Künstlermodell. Nächtelang zog sie mit ihren vielen Freunden und Modellkolleginnen durch die Varietés und Absteigen des Amüsierviertels rund um den Montmartre und wurde nun selbst zu einer attraktiven Ingredienz jener Zeit, die man später die Belle Epoque nennen würde...

 


 

 

 ***

 

 

 

 

 

 

Kapitel 4

 Der schwarze Magier...

 

Eines Tages jedoch, als Charlotte Bonnet auf dem Höhepunkt ihrer Karriere schien, brach das Unglück über sie herein.

Dies geschah ausgerechnet an ihrem siebenundzwanzigsten Geburtstag, am 14.Februar des Jahres 1902 und diesen Tag feierte Charlotte ausgelassen mit ihren Freunden und einigen sehr bekannten Malern und Photographen im Moulin Rouge.

Es wurde laut gelacht, manche derbe, gar üble Zote gerissen, viel getanzt und ausgiebig dem Champagner zugesprochen. Zu vorgerückter Stunde wurde das Fest immer lauter und mit steigendem Alkoholgenuss, einige Herren den anwesenden Damen gegenüber immer zudringlicher. Ein paar der gut situierten Gäste hatten sich bereits in die angrenzenden Séparées mit einigen Damen zurückgezogen, wovon allerdings nicht  alle auch dem horizontalen Gewerbe angehörten.

Tatsächlich war es ein sehr ausgelassenes Fest und es schien, als wollte jeder der noch anwesenden Herren in dieser rauschenden Ballnacht dem Geburtstagskind seine Aufwartung machen. Mindestens aber, um einen Tanz mit ihr zu wagen und um danach wenigstens einen Kuss von ihr zu erhalten.

 

 

Die illustre Gesellschaft hatte an diesen Abend schon reichlich Champagner fließen lassen, als kurz vor Mitternacht, ein stattlicher Mann mit seinem Spazierstock schwungvoll die Pendeltür zu dem Festsaal aufstieß. Der Unbekannte, der einen grau melierten Kinn, und Backenbart trug, war in einen festlichen schwarzen Frack und Zylinder gekleidet und hinterließ bei einem oberflächlichen Betrachter den Eindruck eines seriösen Mannes. Scheinbar handelte es sich um einen verspäteten Geburtstagsgast, der sich dem Aussehen nach, schon in einem deutlich vorgerückten Alter befand. Er hatte bereits seinen schwarzen Mantel geöffnet und ihn sich nur lose über seine Schultern gehängt. Schon bei seinem zügigen Eintritt in den Ballsaal zeichnete sich allerdings bei näherem Hinsehen in seinem wutverzerrten Gesicht bereits ein grenzenloser Hass ab.

Trotzdem begab er sich weiter schnellen Schrittes zu der launigen, im trunkenen Feierrausch befindlichen Gesellschaft. Er ging direkt auf das schon leicht beschwipste Geburtstagskind zu, packte die junge Frau brutal bei den Armen und riss sie gewaltsam von ihrem Stuhl empor. Dies alles geschah so überraschend schnell, dass keiner ihrer Freunde überhaupt die Zeit fand, angemessen auf diesen gewalttätigen Übergriff zu reagieren. Der Fremde schrie die völlig verstörte Charlotte lautstark an, die nun schlagartig ernüchterte und beschimpfte sie mit höchst unflätigen Worten,

»Ha‘, hier also finde ich dich, Hure. Na schön, dann sollen deine sogenannten Freunde aber auch alle sehen, was für eine Art Dreckstück du bist. Zieh dich aus, ich will, dass du hier für diese voyeuristischen Kerle nackt auf dem Tisch tanzt!«

Mit diesen Worten riss er ihr brutal das Oberteil ihres hochgeschlossenen Kleides auf, sodass die meisten der kleinen messingfarbenen Metallknöpfe von ihrem samtblauen Kleid abrissen und auf dem Parkettfußboden umhersprangen. Die Musik verstummte und alle Gäste starrten fassungslos auf den vornehm gekleideten Mann, dessen wohl situiertes Äußeres überhaupt nicht zu seinem rücksichtslosen und brutalem Benehmen passte.

Plötzlich erhob sich einer der Gäste von seinem Stuhl und ging entschlossen auf den rabiaten Besucher zu. Er zog die vor Entsetzen wie gelähmte und nun gänzlich verstörte jungen Frau von ihm weg und stellte sich entschieden zwischen dem wutschnaubenden Grobian und seinem vor Angst zitternden Opfer. Dann wandte er sich mit seltsam gelassener Stimme mutig an den unbeherrscht agierenden, unbekannten Eindringling.

»Monsieur, ich kenne euch zwar nicht, aber dieses unangebrachte Verhalten gegenüber jener Dame ist, mit Verlaub gesagt, mehr als nur im höchsten Maße, als inakzeptabel anzusehen. Sie beleidigten eine unbescholtene Lady, die zugleich eine gute Freundin von Monsieur Henri de Toulouse-Lautrec war und deshalb haben Sie auch mich zutiefst beleidigt. Mein Name ist, Piotr Graf von Lubomirski. Zurzeit, Rittmeister in der Armee seiner Majestät. Ich fordere von euch umgehend Satisfaktion. Ihr könnt mir heute Nacht noch euren Sekundanten in mein Hotel schicken, es ist das Grand-Hotel.«

Der Angreifer war zunächst etwas verblüfft, aber seine dunklen Augen funkelten weiterhin vor übermächtigem Zorn. Dann aber griff er rasch in seine Manteltasche, zog daraus eine chamoisfarbene Photographie hervor und hielt sie dem Grafen unter die Nase. Das Bild zeigte eine etwas jüngere, unbekleidete Charlotte Bonnet in einer charmant gewagten, aber deutlich freizügigen Aktpose.

»Das da, Monsieur, das ist die Hure Bonnet, die Ihr als 'Dame' zu bezeichnen geruht. Und nun könnt Ihr euch gern selbst einen Reim darauf machen, mit wem Ihr es hier zu tun habt.«

Der Graf würdigte die ihm dargebotene, postkartengroße Photographie mit keinem einzigen Blick. Er schaute dem Wüterich nur unablässig fest in die Augen. Unterdessen zog er betont langsam seine weißen Glacéhandschuhe aus und schlug dem Rüpel damit nonchalant ins Gesicht. Fassungslos starrte der Herausgeforderte den Grafen an.

»Das wird Ihnen noch leidtun, Monsieur, denn ich verfüge über Kräfte, an die Sie nicht einmal in Ihren kühnsten Träumen zu denken wagen. Morgen, nachdem ich Ihnen eine angemessene Lektion, bezüglich Ihrer Freveltat erteilt habe, werde ich dieses widerliche Frauenzimmer auf ewig in Ihr lächerliches Schachbuch verbannen, welches Sie belieben ständig mit sich herumzutragen. Damit werden Sie dann dieses Weibsstück auch jederzeit bei sich haben dürfen, Rittmeister. In Ihrem Sarg, bei Ihnen in der Innentasche Ihres Jacketts. Dort wird das Buch dann ganz allmählich verfaulen, so wie Sie selbst verfaulen werden, werter Herr. Und ich schwöre Ihnen, niemals wieder soll dieses Weib Ihr Buch auch nur für eine einzige Sekunde verlassen dürfen«, stieß er Fremde leise und bedrohlich hervor. Dann griff er in gekonnter Taschenspielermanier dem Grafen in die Fracktasche und zog daraus geschwind einen schmalen, blassblauen Bucheinband hervor.

Er hielt das Buch mit einem triumphalen Grinsen im Gesicht, wie einen unschlagbaren Beweis für die Wahrhaftigkeit seiner Worte, aufgeklappt und für alle gut sichtbar in die Höhe. Ein Raunen ging durch die Reihen der geladenen Geburtstagsgäste, die bislang mucksmäuschenstill diese höchst ungewöhnliche Auseinandersetzung mitverfolgt hatten. Er steckte die vermeintlich kompromittierende Photographie von Charlotte in das Buch und klappte es wieder zu.

»Damit Sie das infame Weibsstück immer vor Augen haben, Herr Graf, als kleine Grabbeigabe sozusagen«, sagte er grinsend.

Dann warf er das Büchlein hasserfüllt auf den Tisch und wandte sich voller Verachtung wieder an Charlotte. Mit seinem Zeigefinger wies er drohend auf das Buch,

»Darin wirst du enden, Metze. Voller Qualen sollst du langsam in dem Buch verrotten, an der Seite der Leiche deines Freundes vermodern, so wie auch dieses Buch dereinst in seinem Sarg vermodern wird. Das schwöre ich, so wahr ich der beste schwarze Magier aller Zeiten bin«, rief er mit einem teuflischen Grinsen im Gesicht aus. Dann wandte er sich noch einmal an den Grafen,

»Heute Nacht noch werde ich Ihnen meinen Sekundanten schicken und morgen schon wird der Herold den Namen eines Lebendigen aus dem Stammbaum Ihres Adelsgeschlechtes streichen müssen, Herr Graf. Ich fürchte, es wird der Ihre sein. Am Ende werdet Ihr mir gewiss zustimmen, dass dies ein äußerst schlechter Tausch gewesen sein wird. Eine geborene Hure, die auf immer im Tode verbannt ist, gegen Ihr Leben, Herr Rittmeister. Wie konnten Sie sich nur so billig verkaufen...«

Angewidert drehte sich Graf Lubomirski von dem ungehobelten Flegel weg und ignorierte ihn, während dieser daraufhin wutentbrannt und mit wehenden Rockschößen den Festsaal des Moulin Rouge wieder verließ.

Noch in derselben Nacht erschien der Sekundant jenes abscheulichen Fremden im Grand-Hotel und man vereinbarte, dass man sich am nächsten Morgen in der neunten Stunde in dem Westen von Paris gelegenen Stadtpark Bois de Boulogne, duellieren würde. Man einigte sich auf Pistolen.

Vergeblich hatte Charlotte noch versucht, dem Grafen dieses unsägliche Duell auszureden. Man werde diesen fürchterlich bösartigen Menschen einfach vergessen und nicht mehr über die vergangene Nacht nachdenken. Dieser ungeschliffene Laffe sei es doch überhaupt nicht wert, dass man sich seinetwegen einer so unkalkulierbaren Gefahr aussetzte, wie es ein ohnehin längst  verbotenes Duell immer mit sich brächte. Der Graf war jedoch nicht mehr umzustimmen. Er bestand darauf, mit diesem elenden Kerl abzurechnen und kurzen Prozess zu machen. Obwohl Charlotte immer wieder beteuerte, diesen abscheulichen Menschen überhaupt nicht zu kennen und schon gar nicht zu wissen, warum sie sogar an ihrem Geburtstag das Opfer einer solch rüden Attacke wurde. Der Graf gab an, er hätte seine guten Gründe dafür, diesen Banditen zu eliminieren und er gedenke auch nicht, sich jetzt Charlotte umfänglich zu erklären. Morgen, wenn alles geregelt und erledigt wäre, dann würde sie es gewiss auch verstehen.

 

Stille lag noch über Paris, als am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang drei schwarze Droschken nacheinander aus der Stadt nach Westen, in den Wald von Boulogne fuhren. Es hatte in der Nacht leicht geschneit und die Pferde dampften vor Kälte aus ihren Nüstern. Kurz vor dem vereinbarten Zeitpunkt trafen sich die unversöhnlichen Widersacher in dem menschenleeren Park und die persönlichen Sekundanten vereinbarten die letzten Modalitäten. Geschossen werde von jedem Duellanten aus einer Vorderlader-Duellpistole, wechselseitig jeweils nur einmal und das aus einer Entfernung von zwanzig Schritt. Wobei der Herausgeforderte den ersten Schuss haben sollte. Sollte allerdings nach einem dreimaligen Schusswechsel keine der beteiligten Parteien getroffen haben, gilt der Händel als erledigt und die verletzte Ehre, als wiederhergestellt. Würde einer der Duellanten bei diesem Schusswechsel verletzt, so kümmere sich der anwesende Doktor Pierre Gache um den Getroffenen. Zugleich kann der Sekundant dann das Duell als für beendet erklären, sollte der Verwundete selbst nicht mehr dazu in der Lage sein. Alles andere liege von nun an allein in Gottes Hand.

Rücken an Rücken nahmen die beiden Duellanten Aufstellung und gingen mit gezogener Waffe auf ein Kommando hin, ein jeder zehn Schritte in die entgegengesetzte Richtung. Dann drehten sie sich zueinander um. Der Fremde hatte wie vereinbart, den ersten Schuss. Er senkte seine Waffe und zielte auf den Grafen. Der Graf indes stand ruhig und gelassen da, als ergäbe er sich seinem unabänderlichen Schicksal. Ein leichter Wind spielte mit seinem weißen Schal, als der Schuss des Herausgeforderten plötzlich in der Stille des Waldes brach. Erschrocken flatterten ein gutes Dutzend pechschwarzer Rabenvögel von den schneebedeckten Bäumen auf und drehten laut schimpfend ihre Kreise über den ansonsten verwaisten morgendlichen Wald.

Dem Grafen war sein schwarzer Zylinder vom Kopf geflogen und in einer frischen Schneewehe gelandet. Völlig unbeeindruckt nahm Graf Lubomirski die Tatsache zur Kenntnis, dass die Kugel seines Gegners die Frontseite seines Zylinderhutes durchschlagen hatte, sein Haar gestreift und auf der Rückseite des Zylinders wieder ausgetreten war. Zum Glück blieb der Rittmeister dabei unverletzt. Der Fremde erbleichte zwar etwas, als er sah, dass sein erster Schuss keinerlei Schaden bei seinem Gegner angerichtet hatte, bot aber seinem Widersacher dennoch siegessicher grinsend die Stirn.

Der Wind hatte noch nicht einmal den weißen Pulverdampf des abgefeuerten Schusses richtig verweht, als nun der Graf seinerseits die Waffe auf den Fremden richtete. Als erfahrener Offizier war er es gewohnt, dem Feind bewaffnet, Auge in Auge gegenüberzustehen und er sollte sich nicht irren. Er zielte sorgfältig und feuerte nun die Pistole auf seinen Gegner ab. Einen Augenblick später brach der Magier nach einem kurzen Aufschrei und mit einem verständnislosen Ausdruck im Gesicht zusammen. Der bereitstehende Arzt, Doktor Gache, eilte daraufhin mit seiner braunledernen Instrumententasche zu dem Verwundeten, um ihm Erste Hilfe zu leisten. Mit einem Ausdruck des Entsetzens blieb er jedoch zwei Schritte vor dem am Boden Liegenden stehen und betrachtete aus sicherer Distanz das Sterben, des tödlich Getroffenen. Der Graf begab sich nun ebenfalls zu dem Verwundeten und wollte sich zu ihm hinunterbeugen. Doch der Doktor hielt ihn aber mit einer Armbewegung davon ab, näher an den Getroffenen heranzutreten. Die Kugel war dem Duellanten die Brust eingedrungen, genau dort, wo sich dessen Herz befand. Jene Stelle also, die der am Boden liegende Magier nun mit der Breite seiner Handfläche abdeckte.

Der Arzt wandte sich an den Grafen,

»Hier kommt jede Hilfe zu spät, Herr Rittmeister. So etwas hab ich in meiner gesamten ärztlichen Praxis noch nicht erlebt. Und wissen Sie, was ich überhaupt nicht verstehe? Dieser Mann hatte mich im Augenblick des Todes noch lächelnd angesehen und dabei gemurmelt, ...trotzdem, nicht unter einhundert Jahren...«

Graf Lubomirski nickte zustimmend, als hätte er diese Antwort erwartet. Er wandte sich an den Mediziner,

»Und denken Sie, dass dieser Unhold jetzt wirklich tot ist, Doktor Gache?«

»Nicht nur das«, antwortete der Doktor rasch erbleichend. »Er scheint sich sogar im Tode noch zu verändern, großer Gott…«

Nun starrten die beiden Männer wie gebannt auf den Leichnahm des Magiers, der innerhalb kürzester Zeit eine erstaunliche Metamorphose durchmachte. Zuerst skelettierte sein Körper in dem schwarzen Mantel, um danach dann schnell zu grauem Staub zu zerfallen. Zurück blieben nur die leere Hülle seiner Kleidung und eine silbrig glänzende Kugel zwischen all dem Staub. Inzwischen war auch der stumme Sekundant des Getöteten still an den Ort des Geschehens herangetreten und hatte mit einem Blick erfasst, was vorfallen war. Er verbeugte sich kurz vor dem Grafen. Zügig raffte er dann mit emotionslosem Gesicht die wenigen Überbleibsel des Fremden zusammen. Danach trug er alles zu der Equipage des Magiers, stopfte dessen Sachen achtlos in die hintere Gepäckkiste und gab dem Kutscher mit seinem Stock ein Zeichen. Nachdem er selbst die Kalesche bestiegen hatte, lies er sich kommentarlos nach Paris zurück kutschieren.

Der Doktor hob inzwischen die liegengebliebene Duellpistole auf und betrachtete sie kritisch. Dann er schnupperte am Lauf der zuvor abgefeuerten Waffe, dessen Mündung noch immer nach frischem Pulverdampf roch. Ungläubig schüttelte er den Kopf und übergab sie den Grafen, der sich zuvor schon nach der Kugel gebückt hatte, welche aus den Sachen des Magiers in den frischen Schnee gefallen war. Gelassen betrachtete er die in der Morgensonne silbrig glänzende Kugel zwischen Daumen und Zeigefinger und steckte sie anschließend in seine Rocktasche.

»Ich hatte es geahnt«, sagte der Graf nachsinnend. »Ich sah es bereits gestern Abend in seinen Augen, darum habe ich meine Waffe durch meinen Sekundanten auch mit einer echten Silberkugel laden lassen. Eine gewöhnliche Bleikugel hätte ihn wohl niemals verletzen oder gar töten können. Er war sich seiner Sache sehr sicher, dass ihm nichts geschehen würde. Zu sicher, wie wir jetzt wissen«, betonte Graf Lubomirski.

Dann hob er seinen durchlöcherten Zylinderhut auf, begutachte den angerichteten Schaden, schüttelte den Kopf und setzte sich den durchschossenen Zylinder wieder auf.

»Kommen Sie, Monsieur le Doktor, es gibt hier nichts mehr zu tun, diese unsägliche Geschichte ist damit endgültig aus der Welt geschafft«, konstatierte der Graf und wandte sich bereits seiner Kutsche zu. Ohne allerdings zu ahnen, wie sehr er sich in seiner Meinung irren sollte.

Der Doktor nickte,

»Sie haben recht, Graf, wir sind hier in der Tat nicht mehr von Nöten.«

Dann stiegen sie beide in ihre Droschken und fuhren durch den frostklaren Morgen in die Stadt an der Seine zurück.

In seinem Hotel bemerkte Graf Lubomirski kurze Zeit später, dass Charlotte auf merkwürdige Art und Weise verschwunden war. Während sich ihre Tasche, ihr kostbarer Pelzmantel und ihr pelzener Muff, noch immer unter sicherem Verschluss in der Garderobe des Hotelrestaurants befanden, war sie selbst allerdings nirgends wo anzutreffen. Der Graf ließ selbstverständlich im ganzen Hotel überall, in allen Räumen nach ihr suchen. Vergeblich.

Plötzlich keimte ein fürchterlicher Verdacht in ihm auf.

Er rannte in sein Hotelzimmer, riss die Schublade seines Sekretärs auf, durchwühlte seine Sachen und suchte nach dem blauen Schachbuch. Als er es gefunden hatte schlug er es auf und sofort vernahm er laut und deutlich Charlottes Stimme, die verzweifelt um Hilfe rief.

Wie vom Donner gerührt, stand der Graf da und begriff mit einem Schlag das gesamte Ausmaß dieses unglaublichen Dramas, welches sich hinter dieser tragischen Geschichte verbarg. Aber diesmal vermochte er ihr nicht zu helfen. Charlotte blieb in dem Buch gefangen. Ganz so, wie es ihr jener schwarze Magier am Abend zuvor prophezeit hatte.

Keiner ihrer Freunde wusste sich das plötzliche Verschwinden von Charlotte genau zu erklären, aber in versteckten Andeutungen wurde gelegentlich von geheimer schwarzer Magie gemunkelt. Besser man schwieg jedoch darüber und verbrannte sich nicht die Finger an irgendwelchen heißen Eisen. Graf Lubomirski, der als einziger glaubte, die ganze Wahrheit zu kennen, hüllte sich indes in tiefes Schweigen. So kam es, dass Charlotte nach und nach, bei den Künstlern in Vergessenheit geriet und bald schon sprach man auch nicht mehr über ihr unerklärliches Verschwinden.

Gelegentlich erschienen sporadisch noch einige Wochen nach ihrem rätselhaften Verschwinden in der einschlägigen Boulevardpresse ein paar Zeitungsartikel. Vor allem solche, die sich reißerisch und spekulativ mit der Frage beschäftigten, mit wem oder wohin denn das überaus attraktive Nacktmodell der Pariser Boheme Szene, so plötzlich verschwunden sein könnte.

Der Graf indes, zog sich gänzlich aus der Gesellschaft der Boheme zurück und widmete sich ausschließlich nur noch seiner wertvollen Büchersammlung. Fortab trug er allerdings jenes blaue Schachbuch nun wirklich ständig mit sich herum. Seine wenigen verbliebenen Freunde betrachteten es als einen besonderen Spleen des Rittmeisters. Sogar wenn er sich zur Nachtruhe begab, legte er das blaue Buch neben sich auf seinen Nachtschrank. Er selbst begründete sein Verhalten mit seiner ungewöhnlichen Leidenschaft für schöne und ausgefallene, ja meisterlich gespielte Schachpartien. Ebenso gewöhnte sich seine Frau Adele an die skurrile Marotte ihres Mannes und akzeptierte diese, als eine singuläre Kuriosität, deren wahres Geheimnis der Rittmeister allerdings niemals jemanden offenbarte, nicht einmal seiner geliebten Frau...

Diese obskure Photographie jedoch, welche ihm der Magier in das Buch gesteckt hatte, dunkelte seltsamerweise im Verlauf der Zeit immer stärker nach, bis das Bild eines Tages nur noch eine einzige schwarze Papierfläche war, welche dann irgendwann einmal verloren ging.

 

 

 

***

 

 


 

 

 

 Fortsetzung folgt...

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

Cover: selfARTwork

Covermotiv: Egon Schiele_Frauenbildnis mit großem Hut Gerti Schiele_1910

Picture inside: la belle Epoque,

Text: Bleistift

© by Louis 2013/8   Update: 2020/12

Imprint

Text: © by Louis 2013/8 Update: 2020/12
Images: Egon Schiele, Henri de Tolouse-Lautrec, uva.
Cover: selfARTwork, 2020/12
Publication Date: 12-23-2020

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