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Leseprobe

 

Überblick zu den handelnden Personen

 

Name                          Funkname        Art                      Funktion/Rang

Ernest W. Dunford        Boss                   Panther               Admiral

Miles Hollings               Ice                     Löwe                   Commander

Cayden Pride                Blue                   Wolf                    Lt. Commander

Alan Redwood              Woody               Wolf                    Lieutenant

Noél Dubois                 Rock                  Kodiakbär           Lieutenant

Ben Miller                    Bee                    Grizzly                Lieutenant

Jordan Cummings         Ghost                Puma                   Lieutenant

Mitch Foley                  Whity                 Polarfuchs           Officer

Tybor Lykow                Steel                   Tiger                   Sergeant

 

 

 

  1. Kapitel

 

Schwungvoll warf sich Ty seinen Seesack über die Schulter, bevor er sich in die Richtung wandte, in die der Wachposten am Kontrollpunkt des Headquarters soeben deutete. Der ehrfürchtige Blick, den der Mann ihm zugeworfen hatte, als er seine Papiere und seinen Ausweis kontrollierte, war ihm nicht entgangen. Oh ja, er hatte es geschafft. Aus vermutlich mehreren hundert Bewerbern war er für die Spezialeinheit Wild Forces ausgewählt worden. Wurde ja auch Zeit. Seine Dienstakte war einwandfrei, seine Qualifikation für den Job hervorragend. Zwar musste er noch die übliche Probezeit von sechs Monaten überstehen, aber das war ein Klacks. Nebensächliche Formalität. Genau auf diesen Tag hatte er sich in den letzten Jahren akribisch vorbereitet, hatte kein Risiko gescheut und sich niemals vor einer Aufgabe gedrückt, auch wenn sie noch so unangenehm war.

Wahrscheinlich hatte er durch den verdeckten Einsatz in der Türkei glänzen können, und so die Oberbefehlshaber der Navy Seals auf sich aufmerksam gemacht. Es war ihm und seinen Männern gelungen, das Nest von Mustafa Özkans Anhängern auszuheben. Zwar war die Befreiung von Geiseln und der Häuserkampf sein Spezialgebiet, aber bei den Anti-Terror-Einsätzen, mit denen sich die Wild Forces befassten, ging man schließlich ähnlich vor. Umzingeln, stürmen, den letzten Widerstand zerschlagen. Obwohl ein solcher von vornherein zwecklos war, versuchten es manche dennoch.

Für die schlichte Eleganz des Kasernenbaus, der wohl aus der wilhelminischen Zeit stammte, hatte er keinen zweiten Blick übrig. Ebenso wenig für den jungen Sekretär, der jetzt dienstbeflissen hinter seinem Schreibtisch aufsprang, ihm zuvorkommend seinen Seesack abnahm, ihn zum Büro des Admirals geleitete und  ihn mit den Worten »Sir, Sergeant Lykow ist hier« ankündigte.

Ty trat zügig ein, nahm vor dem großen Schreibtisch des Admirals Haltung an und salutierte.

»Sergeant Tybor Lykow meldet sich zum Dienst, Admiral Dunford«, grüßte er formvollendet. Der dunkelhäutige Mann hinter dem Schreibtisch schaute von den Papieren auf, mit denen er gerade beschäftigt war, und musterte ihn prüfend. Sein Blick wanderte ungeniert an Tys Gestalt hinab und es kam ihm vor, als würde der Kommandant ihn mit Röntgenaugen scannen. Unbewegt wartete Ty ab und richtete, wie es beim Militär üblich war, seine Augen stur geradeaus. Ihm war bekannt, dass der Admiral ein Panther war, doch obwohl er darauf vorbereitet gewesen war, fiel es ihm schwer, seine tierischen Instinkte unter Kontrolle zu halten. Der Tiger in ihm knurrte angespannt, die Nervosität seines Tieres, das sich einer anderen gefährlichen Raubkatze gegenüber sah, war nur schwer zu verbergen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, die aber bestimmt nicht mehr als fünf Sekunden dauerte, erhob sich der Admiral von seinem Sessel.

»Rühren, Sergeant«, befahl Dunford und Ty lockerte automatisch seine Haltung, ohne sich vom Fleck zu bewegen. Er senkte seine noch zum Salut erhobene Hand und verschränkte sie mit der anderen hinter seinem Rücken.

»Lykow, Sie sind jetzt der dritte Bewerber, den Commander Hollings angefordert hat. Die beiden vor Ihnen haben den Test nicht bestanden«, informierte ihn der Admiral anstelle einer Begrüßung. Tys Augen verengten sich unbewusst. Er war nicht die erste Wahl gewesen? Und was sollte das heißen, es gab einen Test? Aber Dunford schien keine Antwort von ihm zu erwarten, denn er sprach ohne Pause weiter: »Die Wild Forces ist die Eliteeinheit der Navy Seals. Nur die Besten der Besten werden hierfür ausgewählt, aber nur ein kleiner Teil von ihnen schafft tatsächlich den Sprung in das Team. Sie werden in den nächsten Wochen und Monaten rund um die Uhr einsatzbereit sein müssen. Keine Feiertage, keinen Urlaub, keine Besuche von Familienangehörigen. Ist Ihnen das klar?«

»Jawohl, Sir!« Damit hatte er sowieso kein Problem. Die Army war sein Zuhause, seit er volljährig geworden war, mit seiner Familie hatte er kaum Kontakt. Weder brauchte er Urlaub, noch wollte er überhaupt einen antreten. Was sollte man denn auch mit so viel Freizeit anfangen, ohne sich zu langweilen? Aber was zum Geier war das für ein Test, den man ihn unterziehen wollte?

»Gut. Commander Hollings …«, wollte der Admiral gerade anheben, als es kurz an der Tür klopfte und hinter Tys Rücken jemand eintrat, ohne auf eine Antwort zu warten.

»… ist gerade verhindert, Admiral«, ertönte eine tiefe Stimme, die jeden militärischen Ernst vermissen ließ und vor Ironie nur so triefte. Verwundert wandte Ty den Kopf. Mit einem Blick maß er den Mann, der an seine Seite trat und mehr als nachlässig salutierte. Die Rangabzeichen seiner Uniform wiesen ihn als stellvertretenden Commander aus, daher war Ty sofort klar, wen er vor sich hatte.

Cayden Pride, einen Wolf. Schließlich hatte Ty seine Hausaufgaben gemacht und sich bereits im Vorfeld so umfassend wie möglich über die Teammitglieder der Wild Forces informiert.

Der Admiral runzelte lediglich die Stirn, schien sich aber über das unflätige Verhalten der Nummer Zwei im Team nicht großartig aufzuregen.

»Irgendetwas, über das ich unterrichtet sein sollte?«, fragte er nur knapp.

»Nein. Nicht wirklich, Sir.« Pride hob bedauernd die Schultern und grinste breit.

»Okay. Ich will es eigentlich auch gar nicht so genau wissen«, grummelte Dunford, anscheinend mehr zu sich selbst. Dann wandte er sich wieder direkt an Ty. »Lieutenant Commander Pride wird Ihnen Ihr Quartier zeigen. Ich wünsche Ihnen viel Glück, Lykow.«

»Das wird er brauchen«, hörte Ty den schwarzen Wolf leise murmeln.

Der Admiral entließ sie mit einem knappen Nicken und Ty musste sich beeilen, standesgemäß zum Abschied zu salutieren und anschließend Pride zu folgen, der sich ohne ein weiteres Wort umdrehte und mit langen Schritten vorausging. Ihr Weg führte sie aus dem Hauptgebäude heraus, das sie zügig umrundeten. Auf einem asphaltierten Platz exerzierte ein Trupp von acht Männern nach den Anweisungen eines Drill Sergeant – Menschen, wie Ty verächtlich feststellte. Das erkannte er schon an den eckigen Bewegungen, dafür brauchte er nicht einmal seinen Geruchssinn einzusetzen. Warum blieb man hier auf diesem Stützpunkt nicht unter Ihresgleichen? Merkwürdiger Haufen.

Sein Unverständnis wuchs weiter, als Pride sogar kurz stehenblieb, ein paar belanglose Worte mit dem menschlichen Sergeant dieser Truppe wechselte und ihm zum Abschied freundlich auf die Schulter klopfte.

Fast jeder Soldat, egal ob Mensch oder Gestaltwandler, begegnete ihnen mit einem höflichen Kopfnicken, aber auch mit einem offenen Lächeln im Gesicht. Ty runzelte brüskiert die Stirn. Seit seinem Eintritt in die Navy vor gut zehn Jahren hatte man ihm den militärischen Drill eingebläut, der ihm in Fleisch und Blut übergegangen war. Dieses äußerst laxe Verhalten der Soldaten war ihm nicht nur fremd, er fand es einfach unangemessen. Als würde allen hier der nötige Ernst fehlen.

In den Einheiten, in denen er bislang gedient hatte, blieb man zudem ganz bewusst unter sich. Es gab schließlich gute Gründe dafür, weshalb die Gestaltwandler sich von gewöhnlichen Homo Sapiens fernhielten. Die Gefahr, dass ihre Existenz verraten und der Weltöffentlichkeit preisgegeben werden könnte, war immens groß geworden, seit überall Überwachungskameras installiert wurden und jeder Mensch ein Handy mit Kamerafunktion in der Tasche hatte.

Sie betraten nun das Nachbargebäude und Ty lauschte aufmerksam den knappen Erklärungen, wo sich welche Räume befanden. Die Küche und die Mensa waren im Erdgeschoss, die Wohn- und Gesellschaftsräume des Teams befanden sich im ersten Stock. Der Commander hatte sein Reich, das auch für Besprechungen genutzt wurde, eine Etage weiter oben. Pride führte ihn direkt zu dem Zimmer, in dem sich Tys Unterkunft befand und das er sich künftig mit Mitch Foley, einem Polarfuchs, teilen sollte. Nun, bisher war es Ty gewohnt, mit mindestens fünf Mann auf einer Stube zu sein, das sollte für ihn daher kein Problem darstellen.

Ohne anzuklopfen öffnete Pride die Zimmertür. »Hey, Mitch, dein neuer Mitbewohner ist da.«

Aufmerksam sah sich Ty in dem geräumigen Zimmer um – und runzelte überrascht die Stirn. Das sah nicht nach einer Stube aus, wie er sie als Soldat gewohnt war. Eher nach einem Jugendcamp. Alles war hell und freundlich, geradezu erschreckend wohnlich. Ein hellgrauer Teppich bedeckte den Boden. Die Wände, an denen geschmackvolle Bilder mit irgendwelchen Naturszenen hingen, waren in einem zarten Gelbton gestrichen. Zwischen den beiden Betten, die getrennt voneinander an den Wänden standen, gab es zwei Schreibtische vor großen Fenstern. Rotgemusterte Vorhänge verstärkten den wohnlichen Charakter. Beide Tische waren über und über mit technischem Zeug beladen. Mehrere Computer, ein halbes Dutzend Monitore und nicht weniger als drei Drucker standen dort neben- und übereinander. Über den Boden zog sich ein unordentliches Kabelgewirr. Jede einzelne Steckdose dieses Zimmers schien belegt zu sein, manche davon mit langen Steckerleisten.

Erst, als der Typ am Schreibtisch sich bewegte und sich samt seinem Bürostuhl zu ihnen umdrehte, nahm Ty ihn in dem ganzen Chaos überhaupt richtig wahr. Ein schmächtiger, etwas blasser junger Mann riss jetzt einen riesigen Kopfhörer herunter und beäugte ihn sichtlich überrascht.

»Äh ... Hi«, grüßte Foley ihn. Seine ungewöhnlich hellblauen Augen weiteten sich erstaunt und er fuhr sich durch die dichten, kaffeebraunen Haare, mit dem Ergebnis, dass diese noch verstrubbelter aussahen, als zuvor und in alle Himmelsrichtungen abstanden.

»Ich hatte niemanden erwartet, Cayden. Hattest du etwas zu mir gesagt? Dann hätte ich doch aufgeräumt.«

Der Wolf neben ihm seufzte betont genervt auf. »Mann, echt jetzt, Mitch. Ich habe dir bereits vorgestern erzählt, dass Lykow kommt. Hörst du mir auch manchmal zu, wenn ich dir was sage?«

Foley zuckte nur mit den Schultern, sprang dann aber auf und streckte Ty seine Hand entgegen. »Natürlich höre ich dir immer zu. Dann habe ich es wohl vergessen. Na, auch egal. Freut mich, Lykow. Nennen dich deine Freunde Tybor? Zu mir sagen alle Mitch anstelle von Mitchell, aber das ist auch okay. Meine älteren Brüder nennen mich dagegen Squirrel – doch das ist eine andere Geschichte. Warte, ich räume meinen Kram schnell weg, dann kannst du dein Bett überziehen.«

Noch bevor Ty überhaupt dazu kam, in die dargebotene Hand einzuschlagen oder auf das überschwängliche Geplapper etwas zu erwidern, wirbelte der Polarfuchs schon wieder herum und begann eines der Betten von dem Zeug zu befreien, das darauf ausgebreitet war. In Windeseile raffte er ein paar herumliegende Zeitschriften zusammen und warf sie auf den nächstbesten freien Platz neben dem Schreibtisch, während ein paar Klamotten einfach in hohem Bogen auf dem anderen Bett landeten.

Pride verdrehte nur die Augen, lachte dann aber leise.

»Viel Spaß wünsche ich euch beiden!«, meinte er süffisant grinsend und zwinkerte Ty zu, bevor er das Zimmer verließ. Dabei pfiff er deutlich die Melodie von »Eye of the tiger« aus dem Rocky-Balboa-Film vor sich hin, als würde er ihn mit Foley in einem Boxring zurücklassen. Diese kleine Stichelei ging an Ty nicht spurlos vorbei. Wollte Pride ihn verarschen? Oder gar mit dieser Wahl seines Zimmergenossen herausfordern? Wütend warf Ty seinen Seesack auf das freigemachte Bett. Nun denn, wenn er ihn provozieren wollte, würde er sich die Zähne an ihm ausbeißen. Als Tiger hatte er ein ziemlich dickes Fell und konnte einiges ertragen – aber wehe, man trieb es auf die Spitze. Wenn er ausrastete, war es zu spät, dann musste jeder in seiner Nähe um sein Leben fürchten.

In der offengebliebenen Zimmertür erschien ein weiterer Mann, der ihm nur kurz zunickte und sich an Foley wandte.

»He, Mitch, hast du die Sachen schon bestellt, die ich brauche?«

Aus den Augenwinkeln sah Ty, dass der kleine Polarfuchs bis unter die Haarspitzen errötete und nervös auf seiner Unterlippe herumkaute. Mit großen Augen schaute er den Mann an, den Ty dem Geruch nach sofort als Wolf erkannte.

»Du meinst das Bier aus England, Woody? Das mit dem komischen Namen?«

Der andere nickte und verschränkte sichtlich genervt die Arme vor der Brust. »Foley, ich brauche das Guinness Draught am Samstag. Was wäre denn unsere Pokerrunde ohne ein anständiges Guinness? Und es ist aus Irland, nicht aus England, du Schnösel! Also – sieh zu, dass es noch rechtzeitig ankommt. Und vergiss die Essig-Chips nicht!«

Damit drehte der Wolf auf dem Absatz um und verließ grußlos ihr Zimmer. Mit automatischen Bewegungen begann Ty, seine Sachen aus dem Seesack in die Fächer des Kleiderschrankes zu räumen, der neben seinem Bett stand. Die ganze Atmosphäre auf diesem Stützpunkt verwirrte ihn. Vor allem die Art, wie die Männer miteinander umgingen. Diese Disziplinlosigkeit, die ihre lässige Haltung ausdrückte und die sich auch in irgendwelchen Pokerrunden zeigte, die sie hier anscheinend abhielten. Prüfend wanderte sein Blick über seine Klamotten. Er hatte nur das Nötigste dabei, denn normalerweise wurde man bei einer Versetzung neu eingekleidet.

Er wandte sich zu dem jungen Polarfuchs um, der jedoch wieder das Headset auf den Ohren hatte und in rasend schneller Geschwindigkeit etwas auf der Tastatur eines Rechners eintippte. Neugierig trat Ty hinter ihn und versuchte, aus den Daten auf dem Bildschirm schlau zu werden. Aber konnte nicht einmal erkennen, an was Foley gerade arbeitete. Die merkwürdigen Zahlenkolonnen auf dem Monitor, die oszillierenden Diagramme, die blinkenden Zahlen und Zeichen und eine Menge anderer merkwürdiger Tabellen sagten ihm nichts. Nun ja, wenigstens sah es nicht nach einer Bierbestellung für eine Pokerrunde aus, die sicherlich am Rande des Legalen war.

»Hey Foley«, versuchte er, sich bemerkbar zu machen – keine Reaktion. Der Junge tippte ungerührt weiter, hatte vielleicht auch schon wieder vergessen, dass er überhaupt da war. Ty verdrehte genervt die Augen.

»Officer Foley!«, bellte er etwas schärfer, als beabsichtigt – mit dem Ergebnis, dass der Polarfuchs wie von der Tarantel gestochen aufsprang, herumwirbelte und sich erneut das Headset vom Kopf riss. Sein Blick irrte verwirrt umher, erfasste schließlich Ty und dieser sah, wie Foley erleichtert aufatmete.

»Mensch, Lykow, erschreck mich doch nicht so. Ich dachte schon, der Admiral steht hinter mir!«, keuchte er. Dann jedoch lachte er fröhlich. »Du hast jedenfalls den gleichen Tonfall drauf wie Dunford, wenn er wütend ist. Das ist witzig!«

»Ich weiß nicht, was daran witzig sein soll«, knurrte Ty verständnislos. »Mir wurde noch nicht gesagt, wo ich mich hier einkleiden kann. Wo also befindet sich die Kleiderkammer des Stützpunktes?«

»Im Gebäude C neben den Hangars … ach, warte, ich bringe dich hin. Soweit ich mich erinnere, hatte der Commander mir sowieso den Auftrag gegeben, dich herumzuführen. Glaube ich wenigstens. Irgendetwas in der Richtung hat er zu mir gesagt. Komm mit, ich zeige dir den Weg!«

Eifrig lief Foley in den Flur hinaus, nur, um dann postwendend zurückzukehren und in seine Stiefel zu schlüpfen. »Jetzt wäre ich fast auf Socken losgelaufen. Na ja, wäre nicht das erste Mal«, murmelte er vor sich hin.

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Publication Date: 07-29-2016

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