Ich hatte vor, eine einfach gestrickte und klischeehafte Liebesgeschichte zu schreiben. Vielleicht, weil ich mal wieder in einem KreaTief steckte, dessen Abgrund tiefer war als der Grand Canyon. Vielleicht, weil ich mir beweisen wollte, dass ich besser war als diese ganzen Klischee-Storyschreiber.
Warum auch immer, meine Finger gleiten auch jetzt schwer über die Tasten; langsam und zögerlich tippen sie schwarz auf weiß und trotzdem weiß ich schon, dass diese Worte nicht lange überdauern werden. Möglicherweise werden sie Minuten verweilen, vielleicht auch Stunden, aber keinesfalls Monate oder Jahre.
Dazu ist der innere Fehlerteufel zu streng, sucht schon jetzt wieder nach nicht grammatikalisch korrekten Formulierungen und Worten, die man durch Synonyme ersetzen kann. Man mag sagen, was man will. Doch die Perfektion hat mich zu fest in ihrem Griff. Es gelingt mir nicht, mich von den Worten davontragen zu lassen. Weil ich schlichtweg Angst habe.
Angst davor, zu versagen. Angst davor, nicht gut genug zu sein. Nur, sind diese Ängste nicht längst Teil der Gesellschaft geworden? Hat nicht jeder Angst davor, nicht zu genügen? Unter den Radar des „Normalus“ zu fallen?
Wenn wirklich die gesamte Gesellschaft von diesem Angstsein geprägt ist, warum schaffe ich es dann nicht, mich davon loszusagen? Warum Angst vor Fehlern haben, wenn dessen Wurzeln doch in jedem von uns ruhen? Warum keine Fehler wagen, wenn sie sich doch ausbessern lassen?
Fakt ist, der Perfektionismus ist ein Feind der Kreativität. Er mag uns in manchen Dingen als Helfer zur Seite stehen, doch in meinem Fall stelle ich ihn mir als peitschenschwingenden Bösewicht vor, der mich mit Sporen vorantreibt, obwohl ich noch nicht so weit bin. Es mag nicht schlecht sein, weil ich zu den Personen gehöre, die einen Tritt in den Allerwertesten benötigen, um einmal anzufangen. Dennoch stört mich dieser ständige Perfektionismus. Weil es mir nicht gelingt, überhaupt anzufangen.
Trotz peitschenschwingendem Bösewicht mit Sporen.
Wie komme ich zu einer Lösung? Problemstellung erkannt, erster Schritt getan, würde der Psychologe sagen. Dank dieser Analyse weiß ich nun, dass mein ständiger Drang nach Perfektionismus gleichzeitig mein größter Feind ist.
Doch wie besiege ich diesen Feind?
Soll ich ihn mit dem Hammer bewusstlos schlagen, ihn mit Titanketten fesseln und in der Eiseskälte der Beringsee versenken? Nein. Denn auch wenn der Fehlerteufel mir beim Anfangen im Weg herumsteht – beim Korrigieren mag er behilflich sein.
Mein nächster Schritt besteht darin, den Fehlerteufel auszublenden.
Die Therapie heißt Tippen. Schreiben, schreiben, schreiben. Egal ob sich tausende von Rechtschreibfehlern einfinden, das Genetiv dem Dativ sein Tod ist oder Logiklücken auftauchen, durch die ein U-Boot fahren könnte. Ist das nicht alles komplett egal? Warum schreibe ich, sollte ich mich an dieser Stelle fragen. Warum tippe ich diese Worte, die doch jeder tippen könnte? Was ist mein „Warum“?
Jeder hat ein „Warum“. Bei manch einem mag es der Profit sein, anderen geht es um den Ruhm. Wieder anderen geht es allein um den Spaß am Schreiben, der Freude, wenn ihre Charaktere zum Leben erwachen. Eine andere Gruppierung will lediglich erschaffen. Etwas in dieser Welt zurücklassen, das Bestand hat.
Zu welcher Gruppierung zähle ich mich? Ich schreibe, weil ich es will. Vielleicht ist es auch dieser Wille, schreiben zu wollen, der mir im Weg steht. Ich selbst setze mich unter Druck. Ich bin mir selbst mein Fehlerteufel und damit mein eigener Feind. Wenn ich aufhöre zu wollen, fängt das Schreiben möglicherweise wieder an, Spaß zu machen.
Und wenn das Schreiben wieder Spaß macht, kommt die Freude von ganz alleine.
Also schlage ich mir selbst mit dem Hammer auf den Kopf, fessle mich mit Titanketten und versenke mich in der Beringsee. Mithilfe dieser Therapie sollte es mir gelingen, über dem Grand Canyon eine Brücke zu spannen.
Niemandsland, 18.02.2015, 17:30
Yeirah
Worte zu finden ist nicht einfach. Belanglose Worte zu finden, die verletzen können wie Messerstiche und nicht mehr aufzuhalten sind, ist leicht. Doch die richtigen Worte zu finden? Wie findet man die richtigen Worte, wenn man nicht weiß, was man ausdrücken soll? Wie Gefühle in kalte, klare Buchstaben verpacken, die gesagt in der Luft schweben und dann vergehen? Was ist Sprache? Was sind Worte? Und wie benutze ich sie? Fragen, die an meinem Inneren nagen und mich nicht ruhen lassen, betreffen sie doch etwas, das von Wichtigkeit ist. Wichtigkeit. Drang. Zwang? Da – da ist es wieder, das Fragezeichen. Besteht nicht die ganze Welt aus diesem kleinen Symbol? Ein winziges Symbol, welches die Weltordnung erklärt. Wie viel wissen wir schon?
Ich weiß jetzt, was eine Frage ist. Es ist ein erster Schritt, um die Sprache verstehen zu können. Ich kann fragen: „Hast du Hunger?“ Und ein anderer antwortet: „Ja, habe ich.“ Ist das das Geheimnis hinter der Kommunikation? Geht es nur darum, das Offensichtliche auszusprechen? Oder müssen Geheimnisse hinter Worten verpackt werden, unauffällig, gut getarnt? Sollte ich nicht eher derjenige sein, der gefragt wird und dann antworten, mit der stillen Aufforderung, bekocht zu werden? Läuft so Kommunikation? Ruhend auf Erwartungen, Unausgesprochenem und Konflikten? Was bringt einem die eigene Sprache, wenn sie nicht gesprochen wird? Wenn lediglich die falschen Worte gebraucht werden, immer und immer wieder – Tag für Tag. Wer soll da wissen, wann die richtigen Worte gebraucht werden – und wie man sie benutzt?
Niemand.
Die Sprache ist ein weites Gefilde aus Linien und Klängen, unerforscht, ungezähmt. Viele versuchen sie zu beherrschen und in eine Form zu pressen, die ihnen gefällt. Doch nur den Wenigsten vermag das im Ansatz zu gelingen. Wer will, der scheitert. Wer bittet, gefühlvoll bittet, hat eine Chance. Denn nur durch Gefühle lassen sich die Worte herbeilocken, zögernd und zaghaft, aber mit stetig sicheren Schritten. Gefühle lassen Texte zum Leben erwachen, lassen einen ansatzweise die richtigen Worte finden. Nur, die ganz richtigen Worte – die gibt es nicht. So vermag der Schriftsteller noch so zu betteln und flehend vor den Buchstaben zu sitzen; sie kommen eben, wann sie kommen wollen, die Worte.
Publication Date: 02-18-2015
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