"Es geht um die Zukunft Madame Chancellor. Einige meinen, die Zukunft wäre das Ende der Geschichte. Ich meine, es fängt für uns alle gerade jetzt eine neue Zukunft an. Ihr Vater nannte sie "das unentdeckte Land." Viele fürchten sich vor Veränderungen."
Captain James T. Kirk
während der Khitomer-Konferenz
zum Frieden mit den Klingonen, 2293
A´kebur blätterte in einem altmodischen Buch. Die Seiten rochen merkwürdig nach Staub und knisterten leise. A´kebur überlegte, ob er das Buch zu einem Restaurator bringen lassen sollte. Es würde nicht mehr lange dauern und das Papier brauchte kundige Hände, damit es nicht unter unkundigen zerbröselte.
Geschrieben hatte es Alexandre Dumas und es trug den Titel "Der Graf von Monte Christo". Es war das Lieblingsbuch seines Gefährten gewesen. Es schien lange her zu sein, dass jemand in diesem Buch gelesen hatte und dem war auch so. Das letzte Mal waren Etienne und er vor zehn Jahren hier gewesen. Etienne hatte auf das Meer hinausgeschaut und die Wellen beobachtet. Die Meere von Risa hatten es ihm schon immer angetan und in den letzten Jahren seines Lebens war der Wunsch, hier zu leben, immer größer geworden. A´kebur hatte daher seinen Dienst bei Starfleet quittiert und war ihm gefolgt.
A´kebur spürte einmal mehr die Beklemmung und die Trauer. Der Tod von Etienne hatte eine Wunde hinterlassen, die sich wohl nie mehr schließen würde. A´kebur hatte immer gewusst, dass die Lebensdauer seines Seelengefährten nicht die seinige erreichen würde. Wie alt er, A´kebur, einmal werden würde, war angesichts seiner gemischten Herkunft schwer zu sagen gewesen. Doch jetzt schätzten die Ärzte, dass er gut die Konstitution eines gleichaltrigen Vulkaniers hatte und damit noch sehr lange leben würde.
Seine Seele daher mit einem Menschen verbunden zu haben, war ein merkwürdiger Scherz des Universums.
A´kebur packte das Buch sorgfältig in eine der Reisekisten. Mochte es sein, dass Etienne dieses Buch am liebsten gehabt hatte, so wusste er auch, dass dieser nicht unfrei gewesen war wie dieser Graf. Die Jahre auf der Dragon waren dahingeflogen. Sie hatten gute und schlechte Zeiten erlebt. Doch die guten überwogen und sie sahen mit Stolz, wie ihre Tochter heranwuchs, auf die Akademie ging, heiratete, zwei eigene Kinder, einen Sohn und eine Tochter, zur Welt brachte und jetzt als Admiral kurz vor dem eigenen Ruhestand stand.
Ihre Kinder wiederum zeigten denselben Ehrgeiz und den gleichen Familiensinn, so dass Etienne und er irgendwann zwei Enkel und fünf Ur-Enkel zu ihrer Familie hatten zählen können, von denen die Ältesten jetzt an ihrer eigenen Familie planten.
Von ihren jeweiligen übrigen Familien einmal abgesehen, die sie noch um unzählige Cousins, Halbcousins, Nichten und Neffen, Onkel und Tanten und noch viele mehr bereicherten. Doch als Etienne vor zehn Jahren starb, auf der Terrasse in seinem Lieblingsstuhl mit Blick auf den Sonnenuntergang, verließ A´kebur Risa und kehrte nach Vulkan zu seiner vulkanischen Familie zurück. Es war der einzige Schritt, der ihm verblieben war, bevor ihn der Schmerz so sehr überwältigte, dass er glaubte, den Verstand zu verlieren.
A´kebur sah zum Fenster hinaus. Noch immer war Etienne ein Teil seiner Gedanken, seines Lebens und seiner Seele. Doch manchmal vermisste er seine Gegenwart so sehr, dass er nicht glaubte, das Ende des Tages zu erleben. A´kebur war niemand, der den Tod suchte. In den letzten Jahren hatte er ihn sich jedoch herbeigesehnt.
"Urgroßvater?", hörte er die geliebte Stimme seiner Urenkelin. Sie war die Jüngste und würde bald auf eigenen Wunsch auf die Akademie gehen. Er drehte sich zu ihr um und neigte leicht den Kopf. "Das Shuttle soll morgen früh kommen. Sie werden dann alles aufladen. Kann ich dir hier noch helfen?"
A´kebur schüttelte den Kopf. "Nein, ich bin gleich fertig hier, Emilie. Wann musst du zur Akademie?" Er wusste es genau, aber wie Menschen nun einmal waren, nahmen sie gern die Gelegenheit zum Smalltalk wahr, und so war auch Emilie dankbar für ein anderes Thema.
"In acht Tagen ist es soweit. Wirst du dabei sein?"
A´kebur erinnerte sich, dass er sich noch nicht dazu geäußert hatte. Er nickte. "Ja, werde ich", versprach er. "Man wird wohl Großes von dir verlangen."
Emilie verzog das Gesicht. "Ja, ich weiß. Ich gehöre mit zu einer der Familien, deren Mitglieder sich in eine lange Reihe von Persönlichkeiten reiht, dass einem Angst und Bange werden könnte."
A´kebur sah sie ausdruckslos an. Für ihn gab es das Thema Angst eigentlich nicht – so lange es sich vermeiden ließ und es nicht die alltäglichen Dinge betraf. Und Emilie erinnerte sich dessen auch. Sie lachte, kam zu ihm und zog ihn auf die Terrasse.
"Weißt du", eröffnete sie wohl ein Geständnis, "wenn ich sehe und lese, was du und Urgroßvater Etienne geleistet haben, dann kann man nur stolz sein. Und meine Oma und meine eigenen Eltern. Es kann ziemlich überwältigend sein. Eigentlich ist es nicht zu schaffen, was alle denken."
A´kebur drückte ihre Hand und drehte sie zu sich. "Eines solltest du nie vergessen: Sei immer du selbst. Gehe den Weg, der dir richtig scheint und bleibe dir treu. Es wird Zeiten geben, wo das das einzige ist, was noch Gültigkeit hat. Egal, was du tust oder nicht. Tue aus ganzem Herzen und ohne Feigheit. Der Rest spielt keine Rolle. Es ist eine Ehre, auf die Akademie zu kommen. Du wirst deinen Weg finden. Und wenn er eines Tages außerhalb der Akademie und Starfleet liegt, dann wirst du dich zu entscheiden wissen. Nur, eines tue nicht. Bereue deinen Weg."
Emilie sah ihn mit leicht feuchten Augen an, dann umarmte sie ihn stürmisch. A´kebur wurde klamm ums Herz.
In den Augen der Kinder und Kindeskinder seines Gefährten sah er ihn immer wieder aufblitzen. Es war wie ein Licht am Horizont, von dem er wusste, zu wem es gehörte. Er drückte Emilie vorsichtig. Sie war zwar wie alle Kindeskinder Etiennes im Kampf geschult, doch sie blieben allesamt Menschen und die waren auch in ihrer Jugend nicht annähernd so robust wie Klingonen oder Vulkanier, geschweige denn als Kinder.
"Lass uns die restlichen Sachen zusammenräumen. Ich denke, deine Mutter wird dich gern noch vor der Initiation sehen wollen."
Emilie gluckste. "Es ist eine Aufnahme, keine Initiation", stellte sie klar. A´kebur wusste, dass sie es anders sah. Aber er wusste es ebenso besser. Es war nicht vergleichbar mit dem Ersten und Zweiten Aufstiegsritual eines Kriegers. Doch für die Menschen war es ein Ritual. Ihre Kinder gingen den Weg des Kriegers und des Wissenschaftlers auf andere Weise und das drückte sich auch durch andere Rituale aus. A´kebur hatte das irgendwann gelernt zu verstehen und zu akzeptieren. Genauso wie er die vulkanischen Rituale schätzen gelernt hatte.
Sie räumten die restlichen Sachen von Etiennes und seinem Haus zusammen. Es würde verkauft werden und A´kebur konnte mit dem Teil seines Schmerzes gehen, der nur seiner war und den er gegen nichts tauschen wollte.
Am nächsten Tag kam, wie vereinbart, das Shuttle vom Transportschiff, und sie luden alles ein. Es handelte sich um ein Passagierschiff mit dem nächsten Stopp Richtung Erde. Dort würde A´kebur ein Teil des Erbes Etiennes an seine Familie übergeben. Den Rest würde er nach Vulkan mitnehmen. Bis zur Aufnahme Emilies in die Akademie wollte er wieder zurück sein.
Die neuen Schiffe mit der dritten Generation Antriebe, die er mit dem ersten Para-Warpantrieb begründet hatte, brauchten nur noch einen Bruchteil der Zeit, wie es in der Zeit davor üblich war und so würde seine Zeitplanung problemlos aufgehen.
Zusammen mit dem Shuttle ließen sie sich zum Passagierschiff fliegen. Die kostbare Fracht hatte er nicht einem Transporterstrahl anvertrauen wollen, auch wenn diese Transportmethode die sicherste im Universum war.
Nachdem alles von der Mannschaft verstaut worden war, wurden sie zum Aufenthaltsbereich komplimentiert, wo sie sich die nächsten zehn Stunden aufhalten würden. Sie konnten auch in kleinen, recht komfortablen Holosuiten verweilen, sollte die Zeit zu lang werden oder sie sich ausruhen wollen.
A´kebur wollte jedoch die Sterne betrachten, die nicht mehr zu betrachten waren. Zu schnell flogen sie, als das Licht sie noch erreichen konnte. Eine undurchdringliche Nacht würde ihn erwarten, sobald das Schiff Reisegeschwindigkeit aufgenommen hatte.
"Ah, Captain A´kebur Lanar Re", hörte er seinen vollen Namen samt Rang von einer ihm unbekannten Stimme. Er wandte sich langsam um. Es war immer damit zu rechnen, dass ihn jemand erkannte oder die Passagierlisten durchlas, um eine mehr oder weniger bekannte Persönlichkeit zu treffen. In dem Fall war es der Captain des Schiffes höchstselbst, der die Uniform seiner Linie trug, und sich bemüßigt fühlte, ihn persönlich zu begrüßen.
Er hatte ein gerötetes Gesicht und freute sich ganz offen. A´kebur hob seine Hand und grüßte ihn auf vulkanische Art. Im ersten Moment war der Mann irritiert, doch dann kopierte er die Geste brav. "Captain Redbird", stellte er sich vor. "Es ist mir eine Ehre, Sie auf meinem Schiff willkommen zu heißen. Wenn Sie etwas brauchen, so werde ich alles tun, damit Sie es erhalten."
A´kebur neigte leicht sein Haupt und bedankte sich zurückhaltend. Der Captain lächelte erleichtert und ging dann.
"Warum bist du eigentlich immer so grantig, wenn dich jemand anredet, den du nicht kennst?", fragte Emilie. Wie immer zeigte sie sich wenig beeindruckt, wenn ihr Uropa sich von der abweisenden Seite zeigte. Sie kannte das und wusste es besser.
"Ich weiß nicht, was er von mir will", meinte A´kebur eher ausweichend.
"Dir alle Wünsche von den Lippen ablesen?", fragte Emilie rein rhetorisch. "Ich würde alles dafür geben, wenn ich mal so berühmt bin, dass die Leute mich erkennen."
A´kebur konnte sich etwas viel Besseres vorstellen, schwieg aber dazu. "Ich bin kein Captain", meinte er nur.
"Doch", erwiderte Emilie und ging mit einem Lächeln zu einem der Replikatoren. A´kebur folgte ihr. Er bestellte sich einen Ginger Ale, als Emilie ihren Kakao heraus genommen hatte.
"Ich bin als Captain entlassen worden. Aber ich war nie als Captain auf einem Schiff", stellte A´kebur in seiner üblichen Genauigkeit klar und erzählte damit etwas, was Emilie schon lange kannte. Aber für sie stellte das kein echtes Hindernis dar. Zudem sie wusste, dass A´kebur immer den Posten abgelehnt hatte, um bei seinen Maschinen zu sein. Er war Ingenieur mit Leib und Seele und selbst auf Risa hatte er eine Arbeit gefunden, die irgendetwas mit großen Maschinen zu tun gehabt hatte. Es war nicht ganz so herausfordernd, wie es vielleicht der Antrieb eines der größten Flottenschiffe von Starfleet sein mochte, aber für A´kebur genügte das, hatte er doch andere Gründe gehabt, auf Risa zu weilen.
"Wirst du wieder zu Starfleet gehen?", fragte Emilie ihn.
A´kebur musste zugeben, dass er mit dem Gedanken gespielt hatte. Aber er hatte noch keine Entscheidung gefällt. Aber das sagte er nicht. Emilie erkannte jedoch, dass A´kebur darüber nicht weiter reden wollte. Sie nippte an ihrem Kakao und sah sich die anderen Passagiere an. Es gab einige Jugendliche. Irgendwie hatten sie allesamt denselben Verhaltenscode, wie A´kebur feststellen musste. Emilie erkannte auf Anhieb die neuen Mitglieder der Akademie. A´kebur sah es ihr an.
"Vielleicht solltest du hingehen", meinte er knapp und unbestimmt. "Interessante Gespräche müssen nicht nur auf der Akademie geführt werden."
Wie auch immer er das meinte, Emilie verzog den Mund. "Entschuldige", nuschelte sie dann jedoch und ging betont lässig zu einem Jungen.
A´kebur konnte sich darauf verlassen, dass Triebe und Begierden ihr Übriges tun würden, damit es auch eine nächste Generation von Piraten gab. Er freute sich schon darauf.
Eher zögernd ging er zu den Fenstern. Bis zum Start dauerte es noch eine ganze Zeit. Er sah zum Planeten, der über ihnen war. Im Gegensatz zu den meisten Passagieren an Bord war er solche Anblicke längst gewöhnt, doch er fühlte in diesem Moment wieder ein unbestimmtes Sehnen. Das Reisen lag ihm im Blut und die Wahrscheinlichkeit, dass er Ja sagen würde, sollte ihn jetzt jemand fragen, ob er wieder zu Starfleet ging, war keine mehr. Es war Gewissheit.
A´kebur vermisste seinen Piraten. Aber er vermisste auch das Abenteuer. Einfach würde es nicht werden, sollte er weitab von Vulkan seinen Dienst tun. Ohne einen Partner oder eine Partnerin, die wussten, was er brauchte, war er auf Gedeih und Verderb seinem Verlangen ausgeliefert. Aber es gab mittlerweile schon bessere Medikamente, so dass er im Falle eines Falles eine ganze Zeit ruhig blieb, bis sich die eine oder andere Möglichkeit ergab, sein Blut zu beruhigen.
Das Schlimmste aber war, dass sein zerrissenes Seelenband nach einem neuen Gegenstück suchte - wobei es wohl eher um einen bekannten Geist ging. Eine Seele, die er kannte. Es war unwahrscheinlich, so war ihm erklärt worden, dass es noch einmal ein Wesen für ihn gab, das ihm entsprach. Er musste sich also mit dem Gedanken abfinden, nie wieder vollständig zu sein. Das hieß aber auch, dass er keinen Partner mehr finden würde.
Lial hatte sich einmal mit ihm darüber unterhalten, als offenbar wurde, dass A´kebur die Langlebigkeit seiner vulkanischen Seite geerbt hatte. Sie hatte ihn auch vorgewarnt, was es für ihn bedeuten würde, wenn Etienne eines Tages seine Seele verlassen würde. "Ein Teil", so hatte sie gesagt, "bleibt immer da. Er wird bei dir sein. Niemals allein, aber getrennt, bis der Tod auch dich geholt hat."
Sie hatte ihn angesehen und dann seine Hand gedrückt. Lial war kurz danach gestorben. Nach der Trauerzeit hatte ihre Schwiegertochter Amaris den Platz des Familienoberhauptes eingenommen. A´kebur hatte dabei auch seit langer Zeit wieder seine Mutter getroffen. Sie blieb und kehrte nicht wieder in die Enklave zurück.
Vieles hatte sich geändert und je mehr A´kebur darüber nachdachte, umso mehr gewann er den Eindruck, dass ein Teil seines Lebens geendet hatte und ein neuer Teil begann.
Lakon hatte ihn kontaktiert, als er von einer Mission zurückgekehrt war. Sein eigenes Blut hatte ihn wieder zurückgerufen, um seine Lebenspartnerin aufzusuchen. Sein letztes Ponfarr lag erst zwei Wochen zurück, so dass A´kebur damit rechnete, dass er seinen Onkel auf Vulkan antreffen würde. Vielleicht kam er sogar zur Erde, um dabei zu sein, wenn Emilie in die Akademie aufgenommen wurde. Bisher war immer ein Familienmitglied da gewesen, wenn etwas Wichtiges anstand und ein Nachkomme Etiennes betroffen war. Das Versprechen, dass dieser und seine Nachkommen ein Teil des Clans Re waren, bestand unerschütterlich trotz der Kurzlebigkeit der Menschen.
A´keburs klingonische Familie hatte vor Jahren ebenfalls einen Wechsel hinter sich und es war absehbar, wann sein Bruder den Sitz des Familienoberhauptes an seinen eigenen Sohn abtreten musste. A´kebur hatte seine Heimatwelt nur noch ein einziges Mal betreten: Als sein Vater zu Grabe getragen worden war. Merkwürdigerweise wurde A´kebur erst in diesem Moment offenbar, dass er nicht mehr den Wunsch verspürte, den Zweiten Aufstieg als Krieger zu machen.
Ihm war auch bewusstgeworden, dass er auf Vulkan noch eine ganze Zeit lang als jung angesehen wurde. Angesichts der Langlebigkeit dieser Rasse eher weniger verwunderlich. Nach einiger Zeit hatte er dort das Ritual des Zweiten Aufstiegs gemacht - oder besser dessen Äquivalent. Es machte ihn zum Mann unter Vulkaniern. Nur sein Haar ließ er so lang, wie es bei den Klingonen üblich war. Das war der Tribut, dem er den Teil in sich zollte, der auch klingonisch war. Lial war sichtlich stolz auf ihn gewesen. Sie hätte es aber niemals vor irgendjemand gesagt, doch das war auch nicht notwendig gewesen.
A´kebur spürte, wie sich das Schiff in Bewegung setzte. Es war ein Gefühl, dass man nicht als Passagier eines Passagierschiffs merkte. Erst wenn man in den Tiefen so eines Schiffes versunken war, wenn man es auseinandernahm und wieder zusammensetzte, dann spürte man jede noch so kleine Veränderung. Und dagegen halfen auch keine noch so guten Trägheitsdämpfer. A´keburs Sicht wurde wieder schärfer. Die Aussicht änderte sich. Risa verschwand am oberen Rand der Aussichtsplattform, und das Kraftfeld ließ die samtene Schwärze des Alls aufglühen. Erst am Rande des Sonnensystems würden der Para-Warpantrieb aktiviert werden. Das war ein Sicherheitsabstand, der irgendwann festgeschrieben worden war. A´kebur wusste, woher die Vorschrift stammte. Es war seine!
Auch das war damals nur ein Gefühl gewesen. Jetzt war diese Maßnahme im Grunde schon lange nicht mehr notwendig. Der Bewahrerantrieb war stabil und lief ruhig. Keines der oszillierenden Energiefelder entfaltete seine zerstörerische Kraft mehr. Mittlerweile galt er als so stabil, dass man sogar den alten Warpantrieben eine größere Gefährlichkeit zuschrieb. Nach und nach waren erst die großen Schiffe überholt worden, jetzt folgten die kleineren.
Als der letzte Ring des Sonnensystems hinter ihnen lag, fühlte A´kebur die Veränderungen des Para-Warpantriebs. Er lächelte minimal. Dann war nur noch die Schwärze des lichtlosen Himmels um sie.
Die anderen Passagiere waren bei jeder Veränderung in lautstarkes Bekunden und Kommentieren verfallen. A´kebur wandte sich von der Aussicht ab und verließ nach einem kurzen Nicken an Emilie gerichtet die Plattform. Er lief die Gänge entlang, die ihm als Passagier offenstanden. A´kebur musste zugeben, dass er nur zu gern in den Maschinenraum gegangen wäre. Aber so konnte er ebenso einen Teil seiner Energie wieder loswerden.
Die zehn Reisestunden verliefen daher für ihn eher unruhig. A´kebur störte das jedoch weniger. Umso mehr war er davon überzeugt, dass er wirklich wieder eine Aufgabe brauchte, die ihn forderte.
Irgendwann kurz vor der Ankunft im Sonnensystem des Erdplaneten fand ihn Emilie wieder. Sie hatte sich ausführlich mit einem künftigen Kadetten unterhalten und fand ihn ganz apart, wie A´kebur es eher diplomatisch ausdrückte, wäre es Etienne gewesen, der eben diese Zusammenfassung hätte machen müssen.
Gegenüber der weiblichen Nachkommenschaft war mehr Feingefühl nötig, als A´kebur es für gut befand. Daher war er manchmal eher im Heimlichen direkter gewesen.
Irgendwann hatte er auch herausgefunden, dass Etienne es gewusst hatte. In einer Beziehung, die telepathisch ihre Fortsetzung fand, war das auch eher normal. Doch eingeschritten war er nur, wenn A´kebur diese Wesensart zu sehr in seiner Gegenwart ausspielte. Seine Mädchen, und damit bezog er alle ein, waren anders zu behandeln als die robusteren Jungen. Aber Etienne war A´kebur nie lange böse gewesen. Eigentlich war er es nie.
A´kebur ließ sich von Emilie zur Transporterplattform begleiten. Man hatte versprochen, die Kisten, die hier auf Terra bleiben würden, mit dem Shuttle zu transportieren. Sie brauchten nicht darauf zu warten. A´kebur blieb misstrauisch, ließ sich jedoch dennoch beschwichtigen. Im Raumhafen selbst wurden sie schon erwartet.
In der großen Halle stand, angetan in eine Admiralsuniform, seine Tochter. Cindys Haar war noch immer blond. A´kebur vermutete den einen oder anderen kosmetischen Trick. Aber egal ob oder nicht, sie wirkte strahlend und wunderschön auf ihn. Sie lächelte und trat ganz einfach zu ihm, umarmte ihn und ignorierte die Tatsache, dass Admiräle sich wohl zurückhaltender zu verhalten hatten.
"Ich habe dich lange nicht mehr gesehen", erklärte sie, und A´kebur konnte ihren Vorwurf verstehen.
"Ich habe dich auch vermisst", raunte A´kebur. Er lächelte versonnen und drückte sie nachdrücklich. Sie bekamen als merkwürdiges Paar einige fragende Blicke zugeworfen. A´kebur konnte es nachvollziehen: Er, ein Klingone, wohl eine Unterart davon, umarmte eine terranische Frau, die offensichtlich Admiralin von Starfleet war. Eigentlich ein eher denkwürdiger und historischer Akt, auch wenn die Klingonen schon seit mehreren Menschengenerationen Partner der Förderation waren. So freundschaftlich gingen sie in der Regel nicht miteinander um.
A´kebur störte es wenig. Er war in diesem Moment nur ein Vater, der seine Tochter umarmte.
Cindy ging etwas auf Abstand, als er sie wieder losließ, und musterte ihn. Er konnte die winzigen Fältchen sehen. Das Alter war dennoch mit ihr milde umgegangen. Sie war eine attraktive Frau und zog immer noch Blicke auf sich.
"Gut siehst du aus, beneidenswert", beschied sie ihm jedoch unverblümt. "Vulkan hat dir gutgetan. Ich hatte Angst, dich zu verlieren."
Emilie wandte sich betroffen ab. Das war nicht für ihre Ohren bestimmt gewesen. A´kebur drückte Cindy stumm die Hand und sah seiner Tochter fest in die Augen. Kurzentschlossen gab er ihr einen Kuss auf die Stirn - ein Leichtes, war sie doch immer noch kleiner als er.
"Ich wollte dir keine Sorgen machen. Vulkan hat mir gut getan. Das stimmt. Aber deswegen bin ich nicht hier. Ich bringe Etiennes Sachen. Ich denke, dass sie hierhergehören."
Cindy nickte. "Ja, aber du wirst nicht gleich wieder abreisen. Deine Familie will dich auch mal wiedersehen. Du hast keine Chance. Also ergib dich einfach."
Emilie verzog das Gesicht zu einem Grinsen und strahlte. Keiner redete so mit ihrem Urgroßvater. Nur seine Tochter, ihre eigene Oma und sie tat es immer mit einem vergnügten Lächeln. A´kebur beugte sich ihr meist.
Irgendwann, als Emilie noch ganz klein war, hatte sie einmal gehört, dass Cindy ihren Vater von Anfang an buchstäblich um den Finger gewickelt hatte. Eigentlich unverstellbar, war er doch groß, stark und ein nicht zu unterschätzender Gegner. Zudem sah er ehrfurchtgebietend aus. Jedoch war er der einzige, der es mit Meisterschaft verstand, die Haare der zahlreichen Mädchen zu binden und zu flechten. Und er verlor irgendwie nie die Geduld dabei. Selbst sie, Emilie, hatte diese großen Hände bewundert, die es schafften, zierliche Zöpfe mit noch kleineren Perlen zu versehen.
A´kebur sah sie für einen Moment an. Emilie wurde hochrot und ließ etwas hastiger ihre Haare los. "Entschuldige", nuschelte sie.
A´kebur neigte leicht seinen Kopf. "Deine Haare sind jetzt zu kurz", kommentierte er. Emilie trat vorsichtig einen Schritt zurück und leckte sich peinlich berührt über die Lippen. "Ich hole mal das Gepäck", murmelte sie und stob davon.
Cindy sah A´kebur an. Dieser zeigte sich gewohnt unschuldig. "Sie schwelgte in Erinnerungen, wie man bei den Menschen so schön sagt", antwortete er ihr dennoch. "Es war ihr genau anzusehen."
Cindy lachte, da sie jetzt eine ziemlich genaue Vorstellung davon hatte, was eben passiert war.
Sie brauchten knapp eine Stunde, um die Stadt zu verlassen und in das Umland zu kommen, wo Cindy und die gesamte übrige Familie Duval lebte. Irgendwann hatte sich fast die Hälfte der Familie Duval hier angesiedelt und so etwas wie ein eigenes Dorf gegründet. Dem war natürlich nicht so. Auffällig war es dennoch.
A´kebur war aufgeregt erwartet worden. Schon Tage vorher hatten alle begonnen, die angemessenen Vorbereitungen für ein Familienfest zu treffen. Eine weitere Tochter ging auf die Akademie und ein langvermisstes Familienmitglied kehrte für einen Kurzbesuch bei ihnen ein.
Auch die neue Generation war aufgeregt und stolperte zwischen den langen Beinen der Erwachsenen umher. Sie hatte von A´kebur zumeist nur in den Erzählungen gehört und wollten ihn dementsprechend sehen. Auch wenn keine wirkliche genetische Verwandtschaft bestand, so sahen sie ihn alle als den zweiten Stammvater an, den es nicht nur zu ehren galt, sondern den man einfach ehren musste. Schließlich war es auch ihm zu verdanken, dass sie alle hier waren.
Als also das Fahrzeug an dem ersten Haus vorbeifuhr, folgten schon die ersten Menschen. A´kebur schüttelte den Kopf. "Es werden immer mehr", murmelte er.
Cindy grinste. "Ich weiß nicht, es muss an dir liegen", schob sie ihm einfach die Verantwortung zu. "Alle wollen sie kleine Mädchen haben, damit man sieht, wie du ihnen die Zöpfe machst. Ich habe es wohl einfach zu oft erzählt." Sie sah ihn unschuldig an und lächelte dann verschmitzt.
A´kebur musste zugeben, dass das unlogisch war. Das Ergebnis dieser Unlogik ließ sich jedoch nicht leugnen und es war etwas, was ihn auch irgendwo tief berührte.
Kaum dass sie vor Cindys Haus hielten, waren sie von Menschen umgeben. Jeder wollte als erster die Hand von A´kebur schütteln oder Cindy mit Küsschen begrüßen. Cindy kämpfte daher ziemlich schnell mit einem halbes Dutzend sehr anhänglicher Kinder von zwei bis sechs Jahren. Die älteren zeigten sich etwas zurückhaltender.
A´kebur wusste, dass nicht alle aus der direkten Linie Etiennes stammten. Aber sie stammten aus der Geschwisterlinie und damit gehörten sie auch dazu.
Mit viel Lärm wurden Cindy, Emilie und A´kebur in das Haus von Cindy begleitet. Essensgerüche schlugen ihnen entgegen und ein fröhliches Hallo von allen Seiten. A´kebur verlor deutlich etwas von seiner stoischen Haltung, die der eines Vulkaniers ebenbürtig war. Er taute auf und grinste breit. "Schön, dich zu sehen", war der häufigste Gruß, den er entgegennehmen konnte.
"Geht schon einmal raus in den Garten", rief Etienne junior. Er war das erste Kind von Cindy und winkte fröhlich. A´kebur hatte nichts dagegen, etwas mehr Raum um sich zu erfahren. Nach der distanzierten Höflichkeit auf Vulkan war das hier das extremste Kontrastprogramm, das man erleben konnte.
Wäre es das erste Mal für ihn gewesen, wäre das Wort Kulturschock noch eine sehr milde Umschreibung gewesen. Als er in den Garten trat, erinnerte er sich, dass sie sich im Spätsommer von Terra auf dieser Seite des Planeten befanden. Die Bäume hingen schwer mit Äpfeln und anderem Obst. Es duftete verschwenderisch nach Blumen, Obst und allen möglichen Dingen.
Da, wo Vulkan karg und wenige vertrauenserweckend war, war die Erde mild, verschwenderisch und ein reicher Ort des Lebens. Der Kampf ums Überleben erstreckte sich nur auf wenige Bereiche und Landstriche. Und selbst in denen war Leben und überschäumende Freude kein Fremdwort.
Vulkan war unendlich in seinem Staub. Auf der Erde kannte man die Unendlichkeit in anderer Form. Denn kein Landstrich glich dem anderen und es war ohne Weiteres mögliche, auch in der Vergangenheit schon, von einem in den anderen zu wechseln.
A´kebur erinnerte sich nur zu gut, wie er das erste Mal die Erde betrat. Er konnte nicht behaupten, dass seine Heimat und der Planet Qo'noS so karg wie Vulkan war. Doch die Üppigkeit hatte er erst hier kennengelernt. Das Klingonische Reich war und blieb arm.
Er hatte Jahre gebraucht, um zu verstehen, wie die Menschen ihren kriegerischen Zug hatten entwickeln können. Es war in ihrer Umwelt nicht nötig, derartig große Zähigkeit zu entwickeln. Aber sie hatten das Potential dazu, wie die zahlreichen Mutationen des menschlichen Genoms auf den unzähligen Kolonien zeigten. A´kebur begriff irgendwann, dass es die unglaubliche Hartnäckigkeit und Anpassungsfähigkeit an die verschiedensten Umgebungen es den Menschen ermöglichte, ein ernsthafter Gegner für die Klingonen und andere Völker zu sein. Aber gerade deswegen auch ihre Partner. Sie waren so unterschiedlich wie ihr Planet. Das Lebenskonzept ihres Planeten prägte sie, so wie es bei den anderen Völkern auch der Fall war.
A´kebur hatte lange Zeit darüber gegrübelt. Letztlich war es dieses Ergebnis, was ihn auch ein wenig mit seinem Schicksal versöhnte, dass es ein Mensch gewesen war. Kein Klingone und noch nicht einmal ein Vulkanier, der sein Seelengefährte wurde. Die menschliche Anpassungsfähigkeit war auch Grund, dass er einen Gefährten unter den Menschen hatte finden können. Und sie war auch der Grund, warum er das Familienoberhaupt einer menschlichen Familie werden konnte. Bei allen anderen nervigen, anstrengenden, unlogischen und sonst wie gearteten Charaktereigenschaften und Temperamenten, die Menschen noch so an sich hatten.
"Heute so nachdenklich", flüsterte ihm Cindy zu. Sie hatte sich neben ihn gesetzt und goss ihm Kaffee ein, während der Tratsch und Klatsch um sie gerade im vollen Gang war. Niemand störte sich daran, dass A´kebur dazwischen saß und ihnen garantiert nicht folgen konnte. Dieser wusste jedoch genau, stellte er auch nur eine Frage, würde er innerhalb einer Stunde alles wissen, was wichtig war, um die Zusammenhänge nachvollziehen zu können.
"Ich habe über meine Familie nachgedacht", wisperte A´kebur.
Cindy lächelte breit. Sie reichte ihm Milch und Zucker. A´kebur nahm von beiden reichlich und trank dann. Kaffee war angenehm und wenn er unter Menschen war, genoss er ihn immer wieder mal.
"Sie ist wieder gewachsen. Und es steht wohl eine Hochzeit an", meinte Cindy. "Genaues weiß ich auch noch nicht. Man sagt mir nicht sofort alles. Aber spätestens dann, wenn die Einladungen geschrieben werden, denkt man daran, die alte Schachtel von Starfleet zu informieren."
Sie gluckste, als sie A´keburs Blick traf. "Halb so schlimm", wehrte sie ab. "Hier ist immer viel Trubel. Es gibt nichts Schöneres, als wenn man weiß, dass alles seinen Gang hat und alles weitergeht. Als Daddy starb, dachte ich, dass die Zeit still stände. Aber hier begriff ich, dass sie es nie würde. Heute bin ich dankbar. Dankbar auch meiner Mutter, dass sie mir die Gelegenheit schenkte, euch beide kennenzulernen. Bei euch zu sein und einen Weg zu wählen, den ich vorher nicht gehabt hätte. Und ich bin dir dankbar, dass du hier bist. Sie haben alle immer wieder gefragt, wann du zurückkommen würdest."
A´kebur ließ seinen Blick schweifen. Er merkte und fühlte, dass Cindy und er immer wieder der Mittelpunkt des einen oder anderen Gespräches waren. So richtig traute sich jedoch keiner, ihn direkt anzusprechen. Er schnappte auf, wie einem Neffen erklärt wurde, wo er die ganze Zeit gewesen war. A´kebur zuckte unmerklich mit der Schulter und grinste in sich hinein. Er wusste schon lange, dass es für ihn mehr als ein Zuhause in diesem Universum gab. Das hier war nach vulkanischen Maßstäben akzeptabel und er fühlte er sich geehrt. Nach menschlichen Maßstäben war er dankbar und erfreut. Nach klingonischen wiederum geehrt.
Er nahm sich vom Kuchen und gab auch Cindy etwas, die leise protestierte und etwas von einer Diät sagte. A´kebur ignorierte den Einwand. Er wusste, Cindy aß diesen Kuchen besonders gern.
"Willst du Gagh?", fragte ihn Etienne Jr. "Wir haben noch keines da. Aber ich habe einen Feinkosthändler darauf angesetzt und ich hoffe, dass er es heute noch liefern kann. Aber wenn du nicht möchtest, disponiere ich um."
"Ich mag Gagh", meinte A´kebur, "Wenn es jedoch keines gibt, dann ist es nicht dramatisch." Diese Antwort war menschlich. Er erntete dafür erleichterte und neugierige Blicke.
"Schmeckt Gagh eigentlich?", fragte ihn eine Frau, deren Name er nicht kannte. Auch in seinen Erinnerungen war dieses Angesicht nicht zu finden. Er schlussfolgerte also, dass es sich um die neueste Partnerin eines Familienmitgliedes handeln musste.
"Es schmeckt gut, aber für menschliche Gaumen eher gewöhnungsbedürftig", erklärte A´kebur ihr geduldig.
Cindy gluckste. "Am besten schmeckt es mit Pfannkuchen und reichlich Ahornsirup", meinte sie dazu. Sie sah in entsetzte Gesichter.
"War das bisher noch auf keinem Tisch hier?", fragte A´kebur sie.
Cindy schüttelte den Kopf. "Nein, nicht einmal. Aber glaube mir, der Stab hatte in etwa gleich reagiert, als ich diese Kombination vortrug. Die Gesichter hier am Tisch sehen verdammt ähnlich aus."
Die ersten kicherten verschämt, dann brach von allen Seiten brüllendes Gelächter aus. A´kebur und Cindy stimmten mit ein.
"Nein, nein", gelang es Cindy alle mehr oder weniger zu übertönen. "Es schmeckt wirklich. Wenn man sich einmal daran gewöhnt hat, dass das Essen wegkriecht, ist das völlig okay. Aber ich mag mehr die süße Variante. So ohne alles ist es auch verdammt schwer, dass Zeug in den Mund zu kriegen."
"Iiih", wisperte der eine oder die andere am Tisch.
A´kebur enthielt sich mit Mühe eines süffisanten Grinsens. Cindy amüsierte sich ebenfalls prächtig. "Aber du hast recht", wandte sie sich an ihn. "Eigentlich könnte ich das mal wieder essen. Ich werde versuchen, dass das irgendwie mit auf die Karte der Akademie kommt. Wenn man zu sehr an der Speisenfolge seiner Heimat hängt, könnte es sein, dass man aus Versehen im Erstkontakt Essen von sich weist, weil es nicht in das eigene Schema passt. Gagh ist eine gute Übung für irdische Mägen. Und es ist nicht gefährlich."
"Eher eine Übung, wie man es isst", konkretisierte A´kebur trocken.
"Sind das wirklich Würmer?", krähte eines der Kinder fragend und bekam ein einhelliges "Ja" zur Antwort. Die Kinder sahen die Erwachsenen mit einem Blick der Verständnislosigkeit an.
"Peter hat schon mal Regenwürmer gegessen", meinte ein knapp sechsjähriges Mädchen, das nach den Gesichtszügen zu urteilen nicht zur Verwandtschaft gehörte, wie A´kebur zu analysieren versuchte. Aber Peter kannte er. Er war einer der vielen Großneffen. "Gagh-Würmer sind kleiner und nicht feucht", erklärte A´kebur.
Cindy knuffte ihn ungesehen. Er sah sie mit hochgezogener Augenbraue an. "Ich glaube, wir bringen sie alle auf falsche Gedanken. Nicht, dass sie hier etwas aus der Fauna verspeisen, was nicht gut für ihren Magen ist", erklärte sie.
A´kebur erkannte nicht das Problem, schwieg aber dazu. Er kannte sich in der Exobiologie nicht sonderlich gut aus und die irdische Fauna und Flora gehörte für ihn mit zu den Exoten. Er wusste nur den üblichen Stoff dieser Wissenschaft, den er auf der Akademie studierte hatte, und das war schon einige Zeit her. Eines wusste er jedoch mit Gewissheit: Es gab nur eine übersichtliche Anzahl von giftigen Tieren in diesen Breitengraden der Erde.
Während die Sonne sich dem Horizont neigte, wechselte das Thema an der langen Tafel. Bald lag der Geruch von Feuer und Holzkohle in der Luft. Fleisch wurde archaisch auf dem offenen Feuer gegrillt, Salate gereicht. Nichts von allem war noch lebendig. Aber A´kebur hatte auch irgendwann akzeptiert, dass Vulkanier es ein wenig problematisch fanden, ihn öfter als zweimal die Woche mit winzigen Portionen Fleisch zu versorgen.
Dafür war seine Portion an Salat, Kuchen und Brot, beziehungsweise das passende Äquivalent dazu, regelmäßig größer als die der anderen, so dass er die Energie bekam, die sein klingonischer Anteil forderte. Jetzt bekam er vor allem Fleisch, auf seinen Wunsch hin auch teilweise blutig, und viel von Salat und Brot.
A´kebur aß mit Genuss und freute sich, sich langsam bis obenhin satt zu essen. Gelage waren dazu da, dass man das tat. Diese Tradition brach er nie. Nur noch die Kinder und die neu hinzugekommenen Mitglieder der Familie, sowie Freunde, wunderten sich, dass er das schaffte. Die übrigen störten sich nicht daran. Im Gegenteil. Es war eher ein Wettbewerb dessen, wie viel sie auftischen konnten, bis selbst er die Segel einstrich.
Irgendwann, als die Kinder im Bett waren und der Mond hoch über ihnen stand, entführte Cindy ihn. Sie gingen bis zum Rand des Waldes und lauschten den Geräuschen der Nacht. Die Luft war lau und es lag ein wenig Feuchtigkeit in ihr. A´kebur empfand sie als aromatischer als auf Vulkan. Aber mit Risa kam die Erde nicht mit. Risa war jedoch für manche feine Nerven manchmal schon wieder ein wenig zu stark.
Cindy räusperte sich leise. A´kebur spürte schon lange, dass sie etwas mit ihm besprechen wollte.
"Ich habe deine Anfrage gelesen", begann sie zögernd. A´kebur ging an ihrer Seite und schwieg, wartete, was sie noch sagen würde. "Du möchtest wieder in den aktiven Dienst?", fragte sie ihn.
"Ich habe mich noch nicht beworben", meinte A´kebur.
"Das ist keine Antwort auf meine Frage", erwiderte Cindy etwas verärgert. "Bitte spiel hier nicht den Vulkanier. Du verstehst genau, was ich meine."
A´kebur blieb stehen und sah sie an. Er sah besser als sie und konnte die steile Falte zwischen ihren Augen erkennen. Alle Gelassenheit war von ihr gefallen und eine gewisse Anspannung hatte sie erfasst. A´kebur fragte sich, ob sie es schon im Raumflughafen gewesen war. Er brauchte einen Atemzug und bejahte es dann. Doch Cindy hatte es schon immer verstanden, bestimmte Dinge voneinander zu trennen und ganz dem Augenblick verhaftet zu sein, wenn es darum ging, von allem Ärger Abstand zu bekommen; damit verbarg sie sehr gut, was sie wirklich bewegte.
Cindy schaltete jetzt jedoch auf einen Level, der ihre Arbeit berührte, und A´kebur fragte sich, was sie verbarg und ihm jetzt auf typisch menschliche Weise zu offenbaren versuchte. Er neigte leicht den Kopf und sah sie musternd an.
"Bisher habe ich noch überlegt, ob ich wieder in die Dienste von Starfleet trete", begann er zu erklären. "Aber es würde meinen Fähigkeiten besser entsprechen, wenn ich wieder Offizier bin. Zudem sind die Möglichkeiten der Erforschung größer und das ist etwas, was mich schon seit einiger Zeit wieder fasziniert. Ja, ich denke, dass ich wieder zu Starfleet möchte. Ich habe mich aber noch nicht beworben, weil ich nicht weiß, wie Starfleet sich entscheidet. Ich bin seit mehr als fünfzehn Jahren aus dem aktiven Dienst heraus. Es hat sich vieles geändert. Es gibt genug gute Offiziere und Kadetten. Starfleet braucht niemanden wie mich. Allein auf meine Vergangenheit kann ich nicht verweisen. Die Zeit ist nicht stehen geblieben. Die Technik ist besser geworden."
Cindy nickte. Sie ließ zischen die Luft aus ihren Lungen entweichen. A´kebur war besorgt. Sie hatte etwas, was sie sehr belastete und er kannte den Grund nicht.
Sie tippte gegen ihren verborgenen Kommunikator, den sie ständig bei sich trug und kontaktierte ihren Adjutanten. "Lieutenant Sö`woll, ich brauche einen Transport für zwei Personen zur Werft."
A´kebur hob ungesehen eine Augenbraue. Dann jedoch bleckte er die Zähne, als der Transporterstrahl sie erfasste. Er mochte es nicht sonderlich, wenn er von einem Ort zum anderen gebracht wurde, ohne den Grund zu erfahren.
Sie wurden direkt neben einem Shuttle abgesetzt. A´kebur roch den Metallstaub in der Luft und das Ozon.
Sie befanden sich nicht mehr auf der Erde, sondern in ihrer Umlaufbahn. A´kebur hatte die neue Werft noch nie so nahe gesehen. Sie war kurz nach dem Bau der Dragon erbaut worden, größer und leistungsfähiger als die alte. Sie folgte dem Mond auf einer sehr viel größeren Umlaufbahn um die Erde. Um ihn und Cindy hierher zu schaffen, waren sie über mehrere Transporterstationen gereicht worden. Es war wohl ein besonderes Privileg einer solchen Position, wie Cindy sie innehatte, damit man diesen aus A´keburs Sicht zweifelhaften Komfort genießen konnte.
Cindy bedeutete ihm, das Shuttle zu betreten, und A´kebur wusste, dass das hier alles geplant war. Ihre Haltung und ihr Blick hatten sich zudem geändert. Sie war jetzt ein Admiral von Starfleet und weniger seine Tochter. A´kebur war jedoch immer noch neugierig und im Zweifel, so resümierte er, würde er ihr einfach verzeihen.
Cindy nahm an den Kontrollen des Shuttles Platz und initiierte den Start. A´kebur setzte sich neben sie und wartete. Die Schotten des Hangars öffneten sich und gaben den Blick auf ein atemberaubend schönes Schiff frei, das sich nach A´keburs Einschätzung in der Endphase seiner Erschaffung befand. Die Form war eine Variante, die Starfleet schon des Öfteren gewählt hatte, war sie für die Erforschung des Weltraumes und die Bedürfnisse vieler Rassen ideal. Zudem war durch das Abkoppeln des Schiffes in mehrere unabhängige Teile der Sicherheitsaspekt für Mannschaft und Passiere sehr viel größer.
A´kebur wusste, dass die Enterprise-D das erste Schiff gewesen war, das über diesen Mechanismus verfügte. Dieser hier wirkte jedoch weitaus effektiver. Was ihn am meisten faszinierte, war die nahtlose Haut des Schiffes und die Antriebsgondeln. Er erkannte den Tribut, den man an die Bewahrerenergie zollen musste. Er erkannte jedoch auch an bestimmten Merkmalen, dass dieses Schiff über eine neue Generation eines Warpantriebs verfügte.
A´kebur hob angesichts derartiger Verschwendung von Ressourcen und Energie eine Augenbraue.
"Warum zeigst du mir das?", fragte er endlich.
Cindy flog langsam näher, damit A´kebur den Anblick auch aus der Nähe genießen konnte.
"Ich habe ein Problem", gestand sie nach fast einer geschlagenen Minute. "Aber vorher will ich, dass du dir das Schiff ansiehst."
Das nächste Warum blieb A´kebur im Hals stecken. Sie war um die Gondeln herumgekreist und hielt direkt auf die Untertassensektion zu. Was früher in schwarzen Lettern auf dieser prangte, war jetzt fast ein kristallenes Glitzern. Dennoch war der Schriftzug eindeutig zu lesen und brachte A´kebur einen Schauer ein. "Enterprise", las er endlich auch laut.
In der Geschichte Starfleets war es irgendwie immer die Enterprise gewesen, die erbaut wurde, um ein neues Kapitel in der Geschichte der Förderation aufzuschlagen. Das letzte Schiff mit diesem Namen war weit über 60 Jahre alt und schon lange von der einstmals einmaligen Technologie, die es trug, von anderen Schiffen überholt worden. Sie war vor fast vier Jahren außer Dienst gestellt worden und seitdem gab es kein Schiff mehr dieses Namens. Ein anderes Schiff hatte den Status des Flaggschiffes für sich eingenommen.
Dieses Schiff hier jedoch war ein neuer Typus der Universe-Class. Es würde das neue Flaggschiff sein und die Botschaft war eindeutig.
"Warum?", fragte nun A´kebur erneut. "Besteht ein Bedarf für dieses Schiff?", setzte er hinzu und sah Cindy an.
"Du weißt, was es bedeutet?", fragte sie ihn.
A´kebur nickte. "Ja, ich denke schon. Legt euch nicht mit uns an!"
Cindy lächelte. "Ich glaube, ich hätte es nicht besser zusammenfassen können. Schönheit und Tod in einem Schiff vereint. Ich glaube, diese Enterprise ist bis jetzt das beste Schiff, das wir jemals erbaut haben. Es wird wieder ein größeres und besseres Schiff geben. Aber du hast Recht: Wir sehen, dass wir für diese Zeit ein Schiff dieser Art brauchen. Es gibt dafür einen Grund." Cindy atmete tief durch. "Weiß du?", fragte sie. "Dass jedes Schiff, das den Namen Enterprise trug, bisher nur einen menschlichen Captain hatte?"
A´kebur wollte widersprechen. Es gab eine kurze Zeit, in der ein Erster Offizier ganz offiziell vorübergehend Captain der Enterprise gewesen war und dieser war nur zur Hälfte Mensch gewesen. Aber vom Grundsatz her hatte Cindy recht. Denn sie spielte auf einen anderen Punkt an. Sie sah ihn an, als würde sie seine Gedanken lesen können. "Ich biete dir hiermit an, die Enterprise zu führen!", erklärte sie. "Nicht als Chefingenieur. Ich biete dir das Kommando an!"
A´kebur suchte in ihren Augen etwas, was ihm eine Antwort auf seine Fragen geben konnte. Aber Cindy wartete einfach nur.
"Ich bin kein Captain", meinte A´kebur endlich frustriert.
"Ja, ich weiß, wie du denkst", fiel ihm Cindy ins Wort. "Du hattest nie ein Kommando. Aber du bist Captain und ich biete dir hiermit das Kommando über die Enterprise an. Und bevor du sagst, dass du dafür nicht qualifiziert bist, du bist es und du weißt es. Ich weiß, dass du lieber an Maschinen basteln würdest. Doch das sind nicht deine einzigen Fähigkeiten." Sie verstummte kurz und ihr Blick brach für Sekunden. "Ich brauche dich, Dad!", flüsterte sie. "Das sage ich nicht nur als Admiral. Ich brauche dich als deine Tochter."
A´kebur hatte sich nur mit Mühe zurückhalten können, doch jetzt neigte er seinen Kopf und war besorgt. "Erzähl!", forderte er sie auf.
Cindy griff wieder in die Steuerung des Shuttles und flog zurück zum Hangar. "Ich brauche dich, weil du der Einzige bist, dem ich vertraue", erklärte sie. "Ich kann niemandem trauen. Die Enterprise wurde für eine heikle Mission gebaut. Und du hast recht. Die Botschaft ist: Legt euch nicht mit uns an, verarscht uns nicht, oder ihr werdet es bereuen. Die neue Enterprise ist ein Forschungsschiff. Aber auch ein vollwertiges Kriegsschiff. Die Bewaffnung und die Schilde sind die neueste Generation." Sie unterbrach sich kurz, ehe sie fortfuhr: "Und diesmal geht es wieder darum, jemandem zu zeigen, dass mit uns nicht zu spaßen ist. In letzter Zeit war es ruhig, niemand hat uns herausgefordert. Aber hinter der Neutralen Zone sitzen noch immer die Romulaner. Der große Krieg mit ihnen ist lange her, aber wirklichen Frieden haben wir nie erreichen können, nur einen halbwegs dauerhaften Waffenstillstand. Dies wird sich aber bald ändern." Cindy blickte ihren Vater an. "Ich habe für die Romulaner nicht viel übrig, und dass du sie nicht leiden kannst, weiß ich. Aber diese Chance kommt vielleicht nie wieder."
"Was willst du mir damit sagen?", fragte A´kebur vorsichtig. Doch er ahnte die Antwort schon und hielt für einen Moment unbewusst die Luft an, ehe vulkanische Disziplinen griffen.
"Einige Senatoren des Romulanischen Rates haben mit unseren Diplomaten endlich ernsthafte Dialoge begonnen. Erst sah es nach einer Sackgasse aus, aber als eine der einflussreichsten Senatorinnen ihre Stimme erhob ... jedenfalls soll nun eine Konferenz stattfinden. Innerhalb des Föderationsgebietes." Cindys Ausdruck wirkte plötzlich wieder etwas hilflos. "Wir wissen, was vor fast zweihundert Jahren passierte, von den Zwischenscharmützeln abgesehen, bevor wir wirklich Frieden mit den Klingonen schlossen, ist immer wieder Blut geflossen und das Abkommen war mitunter weit weniger wert als das Papier, auf dem es stand. Um ehrlich zu sein, ich habe Muffensausen, Dad." Dieser saloppe Ausdruck wurde von einem schiefen Lächeln begleitet, das unglaublich an Etienne erinnerte.
A´keburs Gesicht verschloss sich und Cindy wusste, dass sie auf schwerem Terrain stand. A´kebur wandte sich ab. Ihr Vater stand einige Zeit still da, so dass Cindy eine Abfuhr befürchtete. Doch dann wandte er sich ihr wieder zu. "Du willst, dass ich dabei bin und dafür sorge, dass der Frieden zwischen Romulanern und der Föderation hier seinen Anfang nehmen kann und ich mit diesem Schiff als Leibwächter und Zeuge dastehe? Gibt es keinen Menschen, dem du vertrauen kannst, diesen Posten zu übernehmen? Wenn die Föderation sich nicht einig ist, dann genügt ein misslungenes Attentat und wir stehen am Rande eines Krieges. Das ist nicht, was du willst."
"Nein, das will ich nicht. Ich sitze jetzt seit einigen Jahren im Flottenkommando und es sind viele gute Leute dort. Wir haben fähige Captains. Aber ich vertraue niemandem so blindlings wie dir. Gerade weil du die Romulaner nicht magst, gerade weil du kein Mensch bist, ist es dein Job und deiner allein. Ich weiß, du kannst darauf aufpassen, dass beide Seiten keine Dummheiten machen."
"Und wenn ich dich verrate?", fragte A´kebur leise. "Du weißt, wer ich bin. Du weißt, dass ich die Romulaner nur zu gerne töten würde."
Cindy trat auf ihn zu. "Daddy hat dir vertraut und ich vertraue dir ebenfalls. Und die Ehre gebietet es, den Frieden zu verteidigen."
"Romulaner haben keine Ehre, Cindy, und du weißt das besser als jedes andere Menschenkind. Du bist nicht mit deiner Geburt Admiral geworden. Ich sehe keinen Grund, mit den Romulanern an einem Tisch zu sitzen", wies A´kebur sie zurecht. Er bemerkte, dass er sogar seine Stimme erhob. Seine Gefühle waren auch nach zehn Jahren Vulkan nicht abgestorben. Lediglich ungeübt und ungeschliffen in ihre Kraftwirkung.
"Weißt du, dass sie dasselbe von uns sagen? Ich gebe mich da der dummen, menschlichen Hoffnung hin", gab Cindy zurück. "Die Chance ist einfach zu kostbar, um sie wegzuwerfen. Sieh es als Erstkontakt der etwas anderen Art. Auch wenn du sie am liebsten erwürgen würdest."
A´kebur zog seine Augenbrauen über der Nasenwurzel zusammen, dass es aussah, als wären sie zusammengewachsen. "Das ist kein Erstkontakt. Ich bin mit dem Wissen über die romulanische Feigheit und Ehrlosigkeit aufgewachsen und vom Rest weißt du. Ich denke, dass sie dich um deine Hoffnung betrügen werden."
"Wir alle sind mit solchen Geschichten aufgewachsen. Verdammt, ich weiß doch selber genau, wozu sie fähig sind. Ich erinnere mich immer noch daran, wie Toran mich entführte." Cindys Augen blitzten. "Und trotzdem. Es sind nicht alle genau so, wie nicht alle Klingonen blutrünstige Tiere sind und alle Vulkanier eiskalte Spitzohren."
A´kebur berührte aus einem Reflex heraus seine Ohrspitzen. Er wandte seinen Blick ab. "Es ist schwer, Cindy, und ich traue mir selbst nicht das zu, was du mir zutraust. Ich bin Ingenieur, kein Captain, der Diplomaten beschützen kann."
"Aber du steckst nicht in der Politik, du bist nur deinem Gewissen und der Föderation verpflichtet, und niemand kann dich erpressen", wandte Cindy ein. "Wie viele können das von sich behaupten? Davon abgesehen bist du ja nicht allein. Hochrangige Diplomaten begleiten dich und ich habe schon eine großartige Mannschaft ausgewählt." Nach dieser Bombe ließ sie auch gleich noch die nächste Bombe fallen: "Botschafter Spock wird ebenfalls dabei sein - inoffiziell."
A´kebur suchte ihren Blick. "Botschafter Spock ist sicher ein integrer Mann, Cindy, aber er ist schon damals gescheitert, und die Vulkanier sind noch unbeliebter bei den Romulanern als die Klingonen und das, in Menschenworten ausgedrückt, will schon etwas heißen, sind sie doch verwandt. Sollten sie von ihm erfahren, dann ist die gesamte Mission gefährdet." Von seiner eigenen Person vollkommen abgesehen, die allein zwei verhasste Völker in sich vereinte, fügte er stumm hinzu.
"Trotzdem. Er hat darum gebeten, gerade weil er damals gescheitert ist. Er wird sich zurückhalten, keine Sorge." Cindy ließ nicht locker. "Hast du von Commander Mariko Aera gehört? Die junge Frau hat die kürzeste Akademielaufbahn hinter sich seit James Kirk und dient seit drei Jahren als erster Offizier auf der USS Unicorn, das Nachfolgeschiff der Dragon, du erinnerst dich. Sie hat bereits Erstkontakte hinter sich und Zusammenstöße mit Warbirds friedlich gelöst. Sie wird deine Nummer Eins werden."
"Ich habe also eine Mannschaft, bevor ich Captain bin!", fasste A´kebur zusammen.
"Nein, ich habe ein Schiff und eine Mannschaft ohne Captain, was viel schlimmer ist. Willst du mich wirklich hängen lassen, Dad?"
A´kebur sah sie verärgert an. "Cindy, du lässt mir keine Wahl. Das ist dir bewusst. Ich dachte, egal, was es ist, ich würde dir verzeihen. Aber das hier wiegt schwer. Bring mich zurück zur Erde."
Die Admiralin wandte sich ab. "Glaub mir, ich mache das nicht gerne, Dad. Aber ich habe auch keine Wahl. Zuviel hängt davon ab. Ich hoffe, du verstehst das noch." Sie gab die Koordinaten zur Rückkehr ein, den Mund zu einer Linie zusammengekniffen.
"Bis wann muss ich mich entscheiden?", brach A´kebur die gedrückte Stimmung.
"Spätestens in einer Woche, je eher, je besser. Lieber wäre mir, du würdest innerhalb von 24 Stunden zusagen ", gab Cindy zurück. "Die Konferenz ist bereits angesetzt."
A´kebur sah zu den Sternen. Er hatte als Ingenieur zurückkehren wollen. Diplomatie war nicht sein Gebiet, und er wusste, dass er nur scheitern konnte. "Ich muss nach Vulkan und wollte die Initiation von Emilie sehen. Gib mir die Daten der Mannschaft", murmelte er.
"Ich habe sie dir schon aufs Datenpad geschickt", erwiderte Cindy. "Wirf raus, wen immer du für ungeeignet hältst."
"Diese Zeit haben wir nicht mehr, wenn ich deinen Zeitplan berücksichtige. Alles, was kurzfristig ist in der Diplomatie, wird schiefgehen. Wie steht es mit der Integrität der Mannschaft?"
"Dreimal durchgesiebt und handverlesen. Ich will kein Risiko in der Hinsicht eingehen." Das Shuttle beschrieb einen Bogen und landete sanft.
A´kebur schwieg. Es gab keine Sicherheit, nur Wahrscheinlichkeiten. Aber er hatte nicht vor, Cindy mit seinen Gedanken zu behelligen. Es spielte keine Rolle. Sie hatten nicht die Zeit, die Mannschaft noch einmal zu sieben.
Cindy verabschiedete sich von A´kebur. Sie hatte noch viel zu tun im Rahmen der diplomatischen Mission. Zum Abschied drückte sie ihn fest und lange. "Bitte melde dich bald!", flüsterte sie.
A´kebur verbarg den Schmerz über den abrupten Abschied. Er wusste, dass Cindy im Moment die Konfrontation scheute. Er war wohl das einzige Wesen, bei dem sie das nicht konnte.
Er neigte leicht sein Haupt. "Bring mich zurück zur Familie. Ich werde morgen früh abreisen und dann zur Zeremonie mit Lakon zurück sein. Er wollte ebenfalls dabei sein."
"Natürlich. Richte allen meine Grüße aus." Cindy gab ihrem Adjutanten die Koordinaten zum Beamen, damit sie A´kebur wieder genau da abliefern konnte, wo sie ihn abgeholt hatte.
"Wir sehen uns dann." In ihren Augen sah A´kebur noch immer eine stumme Bitte, als er sich in einem Energieschleier auflöste.
A´kebur spürte den Ärger noch immer in sich. Er hätte nie gedacht, dass Cindy eines Tages zu den Menschen gehörte, denen er nicht mehr trauen konnte. Er hatte den schalen Geschmack von Verrat in sich. Allein ging er zurück zur Siedlung am Rande des Dorfes, wo er schon erwartet wurde.
"Wo ist Mum?", fragte Etienne Jr.
A´kebur neigte sein Haupt. "Sie ist zurück. Sie musste etwas erledigen. Ich werde in zwei Stunden auch abreisen."
"Hattet ihr Streit?", wollte Etienne wissen. Er hatte einen Blick für derlei Dinge und kannte A´kebur neben Cindy am besten.
"Wir streiten nicht", stellte A´kebur jedoch klar. "Cindy ist beschäftigt. Sie ist Admiralin."
"Ja, natürlich." In typischer Manier der Familie Duval verzog Etienne Jr. den Mund. "Ihr schmollt. Alle beide. Aber ich halte mich da raus."
Von Etienne hatte er diesen Vorwurf auch schon einmal gehört. Das Prinzip des Schmollens war ihm nie verständlich gewesen, wenn es ihn betraf. Er war verärgert. Er schmollte nicht und er wollte nicht über seinen Ärger reden.
"Das ist gut so", schloss er jedoch hart. "Du und Cindy, ihr seid zu alt, dass ich euch über das Knie legen kann, wie Etienne meinte. Ihr wisst selbst, wenn ihr Dinge macht, die nicht in Ordnung sind." Damit wandte er sich ab. "Ich bin in meinem Zimmer."
Die anderen Familienmitglieder sahen sich nur an und zuckten mit den Schultern. Sie ließen A´kebur besser in Ruhe in dieser Stimmung, das wussten sie. Was auch immer er mit sich ausmachen musste, er würde es wie immer mit sich ins Reine bringen. Vielleicht eher später als früher, aber er tat es.
Am nächsten Morgen verabschiedete sich A´kebur, so wie er es gesagt hatte. Er umarmte Emilie, die still vermutete, dass ihr Urgroßvater nicht kommen würde. Dann kontaktierte er das Starfleet-Hauptquartier und ließ sich mit Cindy verbinden. "Aktiviere meine Kapitänsrechte. Ich brauche außerdem einen Transport zum Raumflughafen. Ich werde in 3,45 Tagen zurück sein", gab er nach einem knappen Guten-Morgen-Gruß durch.
Auf Cindys Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. "Danke", erklärte sie schlicht. "Ich stehe tief in deiner Schuld. Ich werde mich sofort um alles kümmern."
"Cindy, meine Tochter, du stehst in einer Schuld, die kein Kind seinen Eltern je zurückzahlen kann und soll. Aber für dieses Manöver hast du meine Bewunderung. Aber auch meinen Zorn. Ich werde dir die Früchte pflücken, die du wünschst", knurrte A´kebur.
"Die Ahnen werden mit Stolz auf dich herabblicken und dir Kraft geben", erwiderte sie feierlich auf Klingonisch und neigte den Kopf. "Ich bin sicher, du wirst ein mittleres Wunder vollbringen, Dad."
"Und danach lege ich dich übers Knie. A´kebur Ende!"
Cindy brauchte ein paar Sekunden, um sich zu fangen. A´kebur war noch immer zornig, aber nicht minder entschlossen, die Kohlen, wie beauftragt, aus dem Feuer zu holen. Er hatte eine neue Herausforderung gewollt und jetzt war sie da. Damit musste er klarkommen.
Sie gab ihrem Adjutanten die nötigen Befehle, dann wusste sie A´kebur auf der Raumstation. Er würde Richtung Vulkan reisen und dort Onkel Lakon abholen. Sie hatte ihn schon lange nicht mehr gesehen. Aufgrund einer privaten Angelegenheit war er auf Vulkan.
Der Flug nach Vulkan war kurz. A´kebur kalkulierte zwei Tage Aufenthalt. Nicht mehr. Er wurde erwartet und von einem Diener zum Anwesen der Familie Re gefahren. Gewohnt zurückhaltend war die Begrüßung. A´kebur akzeptierte es. Seine ersten Schritte führten in zu Amaris.
Seine Großmutter war nun das Oberhaupt der Familie, und obwohl sie nicht viel älter aussah als bei ihrer ersten Begegnung, waren die Würde und die Autorität um sie herum fast greifbar, genau wie früher bei Lial.
Amaris wandte sich um. "Es ist akzeptabel, dich zu sehen, Enkel."
"Ich freue mich auch, dich zu sehen", erwiderte A´kebur und nahm die irdische Floskel, weil sie seinen Empfindungen am nächsten kamen. Er leugnete seine Gefühle nicht.
"Lakon wird in 0,32 Stunden wiederkommen. Er wurde aufgehalten." Amaris musterte ihren Enkel. "Ich hätte nicht gedacht, dass du so schnell zurück nach Vulkan kommst."
Sie wandte sich ab in der Gewissheit, dass A´kebur ihr im angemessenen Abstand folgen würde. "Meine Pläne sind konkretisiert worden", erklärte A´kebur. "Ich habe ein Kommando erhalten. Der Zeitplan muss eingehalten werden und ich möchte zu Emilies Aufnahme in die Akademie. Lakon äußerte den Wunsch, dabei zu sein."
Amaris nickte. "Unsere Gedanken begleiten deine Urenkelin", erklärte sie, was das Äußerste war, was ein Vulkanier um Thema "wir wünschen ihr viel Glück" sagen würde. "Dass du zu Starfleet zurückkehrst, ist eine logische Wahl."
"Eher im letzten Schritt eine Erpressung meiner Tochter. Aber im Moment kann ich darüber kein Wort verlieren. Ich weiß nur, dass es ein Zeitlimit gibt", versuchte A´kebur zu erklären.
Amaris fragte nicht weiter. "Unsere Gedanken werden auch dich begleiten. Du übernimmst große Verantwortung."
A´kebur grummelte. "Wie man es nimmt."
Amaris ging noch ein paar Schritte und blieb dann stehen. "Da ist noch eine Angelegenheit, Lanar. Du bist ohne Bindung und dein Ponfarr wird in 3,2 Jahren wieder eintreten. Es ist unwahrscheinlich, dass du während eines eigenen Kommandos zurück nach Vulkan kannst. Deswegen habe ich eine Alternative für dich." Sie klang nicht so, als wäre es ihr besonders angenehm, über diese Angelegenheit zu reden.
A´kebur war stehen geblieben. Damit war zu rechnen gewesen, dass sie das nicht unter den Tisch fallen ließ. Sie war in diesem Punkt genauso direkt wie Lial. Es war einfach notwendig. Aber A´kebur hätte dieses Problem lieber wieder vergessen. Die Alternative kannte er. Meist wählten die Eltern und Großeltern den Bindungspartner oder Bindungspartnerin für den betreffenden Nachwuchs; damit dieser, wenn er in seine Zeit kam, nicht an dem Blutfieber starb. Dass sie über eine Alternative sprach, bedeutete für ihn, dass sie ihn nicht wirklich zwang. "Was für eine Alternative ist das?", fragte er leise.
"Ich gebe dir eine Begleitung mit. Diese Person wird im Notfall für dich da sein und ansonsten die Aufgaben eines Adjutanten übernehmen", erklärte seine Großmutter. Und öffnete die nächste Tür. "Ich hoffe, du findest meine Wahl akzeptabel." Im Raum dahinter wartete ein junger Vulkanier in schlichten Gewändern. Auf die typische, asketische Art seines Volkes war er gutaussehend zu nennen. Er hob die Hand.
"Langes Leben und Wohlergehen", grüßte er, "ich bin Kaval Re."
A´kebur presste die Lippen aufeinander. Es war keine Wahl, die er hatte. Er sah es in Amaris Augen, als er sie anblickte. "Langes Leben und Wohlergehen", murmelte A´kebur. "Meinst du wirklich, dass das notwendig ist?", wandte er sich wieder Amaris zu.
"Ja. Es ist logisch, Vorkehrungen zu treffen." Ihre Stimme duldete keinen Widerspruch. "Komm in 0,2 Stunden ins Atrium, um mit Lakon zu sprechen, mein Enkel." Damit ließ sie die beiden Männer allein.
A´kebur beäugte Kaval misstrauisch. "Du bist ohne Partner?", fragte er.
"Ja, ich bin ungebunden, um mit Euch gehen zu können", erwiderte Kaval förmlich. "Ich hoffe, ich kann Euch auch in anderen Dingen hilfreich sein. Meine Grundausbildung an der Akademie der Wissenschaften ist abgeschlossen. Wünscht Ihr weitere Informationen über meine Person?"
A´kebur wusste, dass Kaval Re sein Cousin war. Es war nicht unüblich, bei überlebenden Bindungspartnern diesem jemanden zur Seite zu stellen, der die Stelle einnehmen konnte, wenn noch kein neuer Partner gefunden war. Fand A´kebur vor seiner Zeit jemanden, dann war das Thema erledigt und Kaval konnte sich seinem eigenen Leben widmen, sofern das innerhalb der strengen Strukturen dieser Familie überhaupt möglich war.
A´kebur wusste jedoch durch den kurzen Hinweis hinsichtlich des vor kurzem abgeschlossenen Studiums an der Akademie, dass dieser selbst noch kein ausgereiftes Blutfieber gehabt haben konnte. Er war ein Kind. Die Irritationen der Kindheit und Jugend waren leicht zu steuern und die Gefühle in geeignete Bahnen zu lenken.
A´kebur hatte eine Weile gebraucht, um seine frühen Erinnerungen in dieser Hinsicht richtig einzuordnen. Am Anfang war es seine Mutter gewesen, die das getan hatte. So wie es meist die Mütter waren, wenn es keinen versprochenen Partner einer anderen Familie oder eines anderen Clans gab. Oder wenn es überhaupt niemanden gab, wie es bei A´kebur auf einer klingonischen Welt gewesen war. Doch spätestens, wenn das Blutfieber in gedanklicher Nähe stand und die Natur ihr Recht einforderte, war Umsicht und Eile geboten.
Kaval würde in absehbarer Zeit sein erstes Mal erleben. A´kebur vermutete es in sehr viel weniger als sieben Jahre.
"Keine weiteren Informationen", murmelte A´kebur. "Du wirst hierbleiben." Damit wandte er sich ab, seine Großmutter aufzusuchen. Die Wahl war inakzeptabel. Er würde kein Kind auf eine gefährliche Mission nehmen.
"Bin ich in Euren Augen nicht akzeptabel?", hielt Kaval ihn auf. "Ich habe dieses Angebot gemacht, als die ehrenwerte Amaris nach jemand Geeignetem suchte."
"Deine Entscheidung ehrt dich. Und ich bin niemand, der mit Euch angesprochen werden muss", knurrte A´kebur. "Die Entscheidung von dir und meiner Großmutter ist zweifelsfrei logisch. Aber für mich nicht alleinige Basis ..."
"Was ist dann Ihre Entscheidungsbasis?", wollte Kaval wissen und ging in eine weniger archaische Form der Anrede über.
A´kebur machte eine abwehrende Bewegung. "Ich bin nur zur Hälfte Vulkanier und werde niemals einen genetischen Beitrag für diese Familie leisten. Dein Leben an mich zu verschwenden, ist unlogisch."
"Bei allem Respekt, Sir, ich verschwende nichts. Die ehrenwerte Amaris hat mir von Ihrem kürzlichen Verlust des Lebenspartners berichtet", für Vulkanier waren zehn Jahre keine Zeitspanne, "und es ist nur logisch, Ihnen in dieser instabilen Phase zur Seite zu stehen. Davon abgesehen werde ich nützliche Erfahrungen sammeln, wenn ich Sie begleite. Es ist keine vergeudete Zeit, Sir."
"Ich bin nicht dein Partner", schnappte A´kebur.
"Nein. Aber solange wir beide niemanden haben, ist es nur logisch", ließ Kaval nicht locker. "Ich will mich nicht aufdrängen, Sir, aber Ihre Effizienz könnte leiden. Bedenken Sie das."
A´kebur presste die Kiefer aufeinander. "Wir sind nicht auf der Erde", murmelte er, weil er sich hier auf einem Gebiet befand, mit dem er nie aufgewachsen war und es trotz aller Rituale und eigenen Empfindungen nicht allumfassend verstand. Er wechselte daher kurzerhand das Thema und brummte: "Sir ist angemessen auf der Erde. Nicht hier." Abrupt wandte er sich ab. "Vulkanier", schimpfte er in Standard.
Kaval neigte nur den Kopf. "Wie Sie meinen, Lanar. Ich habe lediglich Rücksicht auf Ihren Starfleetrang genommen."
A´kebur schaute über seine Schulter. Er hob provozierend eine Augenbraue. "Kaval, du hörst zuviel Buschfunk. Ich bin auf meinem Zimmer und treffe dann Lakon. In zwei Tagen werde ich abreisen. Und bevor du jetzt wegen der ungenauen Termini eine Augenbraue hebst: Du wirst in der nächsten Zeit mit sehr vielen Menschen zu tun haben. Gewöhne dich daran!"
Täuschte A´kebur sich oder zuckte da ein Mundwinkel im Gesicht seines Gegenübers?
"Das werde ich."
A´kebur nahm sich vor, Kaval ein wenig auf den Zahn zu fühlen, wie die Menschen so schön bildhaft beschrieben. Wenn es stimmte, was er gesehen hatte, waren die Disziplinen dieses jungen Vulkaniers noch nicht so stark, wie er vielleicht glauben machen wollte. A´kebur wandte sich ab und ging in sein Zimmer. Dort tauschte er nach einer Dusche seine Kleidung. Er hatte in Anbetracht des anhaltenden vulkanischen Sommers und der damit einhergehenden Wasserknappheit auf eine Wasserdusche verzichtet und nur kühlen Wind neben einer Ultraschalldusche genommen. In der von Amaris genannten Zeit war er fertig und ging auf die Terrasse, um Lakon zu treffen.
Sein Onkel wartete dort schon auf ihn. Er trug ein besticktes Gewand und wirkte auf irgendeine unbestimmbare Weise zufrieden. "Es ist akzeptabel, dich zu sehen, Neffe", begrüßte er A´kebur. "Du siehst gesund aus." Was heißen sollte: du hast dich endlich aufgerafft und bist den nächsten Schritt gegangen. Wurde auch Zeit! A´kebur verstand den Hinweis und zeigte kurz seine Zähne. "Die Zeit der Trauer war angemessen und ich trauere noch immer. Aber Cindy braucht meine Hilfe. Leider ist es mir verboten, darüber zu sprechen. Es wird nicht lange dauern, bis es Aufruhr in der Föderation gibt und bis dahin sollte jeder die Ruhe nutzen." Er lächelte kurz. "Du siehst jedoch auch gesund aus", setzte er hinzu. "Amaris wird sich sicherlich freuen, wenn es einen neuen Spross gibt."
Lakon nickte. "Es ist noch zu früh für derlei Vermutungen", erklärte er ungerührt. "Aber ich weiß deine Anteilnahme zu schätzen. Jemand muss schließlich für den Fortbestand der Familie sorgen."
"Ich schätze, dass schaffst du ganz gut!" A´kebur kniff die Augen zusammen.
Lakon legte die Fingerspitzen aufeinander. "Ich schlage vor, wir wenden das Gespräch wichtigeren Dingen zu. Du gehst also zurück zu Starfleet." Es war keine Frage.
A´kebur wusste zwar nicht, was wichtiger als die Familie war, aber er neigte gehorsam sein Haupt. "Ja, gehe ich. Cindy hat mir ein Kommando angeboten und ich habe angenommen."
"Sehr löblich." Wenn Lakon überrascht war, zeigte er es natürlich nicht. "Es wurde höchste Zeit, dass deine Talente wieder einem guten Zweck dienen."
"Du weißt, dass meine Fähigkeiten nicht in der Führung und in der Diplomatie liegen. Aber aus einem bestimmten Grund wird das ignoriert. Wenn diese Mission zuende ist, werde ich mich auf einen Ingenieursposten bewerben. Es mag vielleicht deswegen Unverständnis geben, aber das ist meine Angelegenheit."
"Das wird sich zeigen", gab Lakon kryptisch zurück. "Aber ich bin mir sicher, dass du deine Aufgabe gut erfüllen wirst. Admiralin Duval hat ein ausgezeichnetes Urteilsvermögen und ich glaube nicht, dass sie davon beeinflusst wurde, dass du ihr Adoptivvater bist. Du unterschätzt dich, Neffe."
A´kebur suchte den Blick in den hellen Augen, die seinen so ähnelten. "Es wird mehr von mir abhängen, als es für ein Wesen wie mich gut ist. Eine stabilere Persönlichkeit wäre die bessere Wahl gewesen, Onkel. So denke ich. Nun, es ist wie es ist. Wenn ich scheitere, wird es Krieg geben."
"Dann darfst du nicht scheitern, A´kebur." Lakon war der Einzige aus der vulkanischen Seite der Familie, der ihn so ansprach. "Du bist kein Jüngling mehr. Mach dir all das zunutze, was du gelernt hast. Vertrau auf deine Stärken und triff die logischen Entscheidungen. Und wenn das nicht geht, triff die richtigen." Lakon sah seinen Neffen eindringlich an.
A´kebur grinste. "Und dieser Vorschlag kommt von einem Vulkanier. Die Menschen haben einen schlechten Einfluss auf dich, Onkel!", rügte er nicht wirklich ernst.
"Das haben sie in der Tat! Aber Logik ist der Anfang aller Weisheit, Neffe, nicht das Ende. Ich bin nicht der Einzige, der so denkt."
"Lass das nicht Amaris hören", wisperte A´kebur. Er räusperte sich. "Darf ich indiskret sein?", fragte er vorsichtig.
Lakon hob eine Augenbraue. "Diese Frage ist ein Oxymoron. Aber sprich weiter."
A´kebur verzog das Gesicht, aber er ging nicht weiter darauf ein. "Es geht um deine Gefährtin."
"Und?"
"Deine Wahl ist ungewöhnlich. Gab es dafür einen Grund?", fragte A´kebur.
"Du weißt selbst am besten, dass die Wahl unserer Gefährten wenig von Logik bestimmt wird", gab Lakon trocken zurück. "Es stimmt, dass unser Clan und der meiner Gefährtin T'Selra nie miteinander eine Verbindung eingegangen sind. Aber das hat sich nun geändert."
A´kebur faltete seine Hände. "Bitte behalte die Information für dich. Der ehrenwerte Spock wird Berater auf meinem Schiff sein. Die Synchronizität der Ereignisse ist bemerkenswert. Deine Wahl und meine."
Lakon zog nun auch die andere Augenbraue hoch; er begriff langsam, auf was für eine Mission A´kebur geschickt werden würde. "Es gibt Zeiten, in der die Dinge in Bewegung geraten. Es liegt an uns, sie in die richtige Bahn zu lenken."
Darauf gab es nichts mehr zu sagen. Auch wenn A´kebur das Gefühl hatte, dass es eigentlich noch mehr zu sagen gäbe. Er schwieg dennoch.
Die beiden Männer blieben nebeneinanderstehen, bis Amaris sie schließlich zum gemeinsamen Mahl hereinbat. Auch wenn nicht alles geklärt war, standen sie doch im stillen Einverständnis.
Die Familie traf sich zum Essen. Lediglich T'Selra, die Gefährtin Lakons, war nicht da. Sicherlich war sie bei ihrer Familie, die zum Clan des Botschafters gehörte, dessen Weg sich bald mit dem seinigen kreuzen würde. Manche Dinge waren kompliziert und würden sich wohl für immer A´keburs Verständnis entziehen. Er akzeptierte es schlicht, so wie er einfach akzeptiert wurde in seiner gesamten Emotionalität. Das Essen wurde schweigend eingenommen und A´kebur durfte sich sogar über Fleisch freuen. Gut gewürzt und durchgegart.
Hin und wieder spürte er Amaris’ Blick auf sich ruhen, aber das war auch alles. Wenigstens war nicht auch noch Kaval anwesend. Dies hätte sein Nervenkostüm wahrscheinlich zu einer Reaktion hingerissen. So richtig konnte er sich immer noch nicht an den Gedanken gewöhnen, jemanden mitzunehmen, der für seine Bedürfnisse zuständig war. Es war ein übliches Mittel angesichts der Natur, die die Männer dazu zwang, sich einen Partner zu suchen, wollten sie nicht sterben. Aber A´kebur wollte das nicht. Es jedoch nicht zu akzeptieren, würde seinen Tod bedeuten – oder zumindest seinen Körper und seinen Geist so sehr schwächen, dass es keinen Unterschied machte. Das wusste er nur zu gut. Wohl musste er sich mit diesem Arrangement aber noch lange nicht fühlen.
Als Amaris schließlich die Tafel aufhob, war er erleichtert; die Stimmung, wenn man es denn so nennen konnte in einem vulkanischen Haushalt, war im Augenblick alles andere als angenehm.
Lakon bat ihn mit einer kleinen Geste, ihm zu folgen. A´kebur tat dies, und so gingen sie gemeinsam in den Garten. "Du musst Kaval nicht als Bindungspartner akzeptieren", meinte Lakon leise.
A´kebur seufzte. "Du weißt, wie ich denke. Du bist wohl der Einzige, der mich am besten kennt."
Lakon nickte. "Niemand will dir hier eine so persönliche Sache abnehmen. Es soll eine vorübergehende Lösung sein, die für beide Seiten von Vorteil ist. Kaval ist noch jung, er wird von deiner Gegenwart profitieren. Er kennt bisher nur die Akademie."
A´kebur verstand. "Ich soll eine Art Lehrer, ein Mentor für ihn sein. Dieses Konzept ist mir bekannt. Dennoch bin nicht sonderlich glücklich bei dem Gedanken, einen Jungen vor seiner Zeit mit Dingen zu konfrontieren, die ihn noch früh genug ereilen."
"Es ist eine übliche Vorgehensweise und Kaval ist kein Kind mehr. Außerdem hat er sich freiwillig gemeldet", erwiderte Lakon.
A´kebur atmete tief durch. "Kann ich mir vorstellen. Und ich weiß, dass meine Wahl nicht gegeben ist. Amaris wird es nicht zulassen, dass ich ohne einen Begleiter abreise. Zudem wird mir sicherlich jede Art von Logik ausgebreitet, die hier auf Vulkan zu beziehen ist."
Lakon nickte. "Also akzeptiere es. Vielleicht ergibt sich auch noch eine Alternative. Noch bist du nicht in einer Notlage, Neffe. Und wenn du wieder unter Menschen bist ..."
"Ja, was dann?", hakte A´kebur nach und ließ keinen Rückzug zu.
"Wir binden uns schließlich nicht nur einmal im Leben, Neffe. Vielleicht findest du wieder einen geeigneten Kandidaten."
A´kebur verstand. Lakon vermutete, dass er einen Partner oder eine Partnerin unter den Menschen finden würde. Er glaubte daran nicht. Es war eine einmalige Sache gewesen. Er würde keinen Partner mehr finden. Dieser Behelf war das Einzige, was ihm blieb. Er würde auch das lernen zu akzeptieren, selbst wenn sich sein klingonisches Naturell mit Vehemenz meldete.
Lakon schien seine Gedanken zu kennen. "Warte ab und tue nichts als unmöglich ab. Soviel solltest du unter den Menschen gelernt haben. Wir werden später noch miteinander sprechen, wenn wir gemeinsam abreisen."
A´kebur nickte. Er wusste, dass das, was er brauchte und suchte, nicht an eine Rasse gekoppelt war. Vor allen Dingen nicht in seinem Fall. Er war kein sesshaftes Individuum. Irgendwann zog es ihn weiter.
Langsam ging er zum Haus zurück. Er würde nachdenken müssen, aber er konnte das auch verschieben und sich die Mannschaftsdaten ansehen. A´kebur empfand das als eine recht gute Option in seiner aktuellen Lage. Damit war er dann auch die nächsten Stunden beschäftigt.
Cindy hatte nicht untertrieben; sie hatte nur die Besten der Besten ausgewählt und nicht nur Leistung in den Vordergrund gestellt, sondern auch Anpassungsfähigkeit, Teamgeist und vor allem Loyalität. Es versprach eine gute Mannschaft für ein gutes Schiff zu werden. Hinsichtlich des Captains war A´kebur sich allerdings weiter nicht sicher.
Er traute sich selbst am wenigsten. Seine Erfahrungen waren nicht gerade von Stabilität geprägt. Es war eine ungeheure Verantwortung, eine ganze Besatzung zu führen. Und das nicht in einem kleinen Schiff, sondern bei einem Flaggschiff. So etwas war nicht einmal ansatzweise in seiner Vorstellung gewesen, als er daran gedacht hatte, wieder zu Starfleet zu gehen. Und noch jetzt glaubte er nicht wirklich, dass er der Captain der Enterprise-F war. Das war einfach unmöglich, obwohl es dort stand: Weiße Schrift auf blauen Bildschirm. Er hatte zugesagt.
A´kebur rieb sich die Nasenwurzel, während er in seiner Erinnerung unvermittelt eine vertraute Stimme hörte: "So ein großer Krieger wie du hat Angst? Das glaubst du ja selber nicht. Los, zeig ihnen, was 'ne Harke ist, und wer dir dumm kommt, wird in den Hintern getreten. Ich habe mir kein Weichei als Partner gesucht!"
"Selber Weichei", murmelte A´kebur.
Er stand auf und ging langsam zum Fenster. Die Nacht war kühl und angenehm. "Ein Krieger ist das letzte, was man für eine Friedensverhandlung braucht und ich würde nur zu gern die Waffen heben. Es braucht ein Weichei. Keinen Krieger."
Müde seufzte er. Sich selbst als Weichei zu sehen, war nicht akzeptabel. Aber er war auch keines. Cindy zählte auf ihn. Sie hatte sich davon blenden lassen, dass er ihr Vater war. Sie idealisierte ihn wie jedes Kind seine Eltern idealisierte.
Politik war unter dieser Voraussetzung ein Minenfeld. Dennoch wusste A´kebur, dass ein Rückzug im Moment nicht zur Debatte stand, als sie heimlich alle Vorbereitungen getroffen hatte. Seine Antwort war nur eine rhetorische gewesen. Eine Formalität. Nicht mehr. Er hatte keine Angst vor dem Kampf. Aber hier musste er dem Kampf ausweichen – ihn am besten ganz verhindern. Er durfte keinen Romulaner ungespitzt in den Boden rammen. Es gab weit leichtere Aufgaben.
Und jetzt sollte er auch noch andere davon abhalten, die Romulaner anzugreifen? Wie schlau war es, ausgerechnet ihn als Friedensstifter einzustellen? Cindys Beweggründe waren nach wie vor nicht einleuchtend. Menschen eben.
Und wieder war es sein ehemaliger Gefährte, der ihm in Gedanken zuraunte: "Nutze die Chance und mach deinen Job!"
"Pirat!", murmelte A´kebur. "Du solltest hier sein und mir nicht nur schlaue Ratschläge geben." Er schlang den Umhang um sich. "Du solltest bei mir sein."
A´kebur entschied, dass er noch nicht schlafen wollte. Leise verließ er das Haus und ging in die Wüste. Er wusste, dass es nicht ungefährlich war. Aber wirklich abgehalten hatte ihn das noch nie.
Erst gegen Morgengrauen hatte er das Gefühl, dass er müde wurde und kehrte zurück in das stille Haus, in dem er zwar Frieden, aber dennoch keine Ruhe fand. Es war erstaunlicherweise Kaval, der ihn empfing.
"Guten Morgen, Lanar", begrüßte er ihn höflich. "Die ehrenwerte Amaris hatte bereits nach Ihnen gefragt, aber ich wollte Ihren Spaziergang nicht unterbrechen, sonst wäre ich Ihnen nachgegangen."
"Guten Morgen, ist etwas passiert?" A´kebur sah ihn alarmiert an.
"Nein, man war nur überrascht", der menschliche Ausdruck wäre wohl besorgt gewesen, "dass Sie nicht hier waren."
A´kebur sah ihn ausdruckslos an. "Es ist nicht das erste Mal", gab er zu bedenken und ging an Kaval vorbei.
Dieser sah ihm nur kurz nach und zog es vor, nicht zu antworten. Man hatte ihm eine Menge über A´kebur Lanar berichtet, aber nichts davon hatte ihn wirklich auf die Gegenwart dieses Mannes vorbereitet. Der zutiefst unvulkanische Schmerz, der in A´keburs Augen eingraviert war, sprach von Dingen, die Kaval nicht nachvollziehen konnte. Er konnte nur still danebenstehen und ihn unterstützen, wie es seine Aufgabe war.
Er sah, wie A´kebur in sein Zimmer ging. Die leisen Geräusche verrieten, dass der merkwürdigste Spross der Familie sich hinlegte. A´kebur Lanar hatte offenbar einen ganz anderen Rhythmus. Es war ungewöhnlich.
Erst nach fast vier Stunden kam A´kebur wieder. Er sah ausgeruht aus. Aber die Müdigkeit war in seinen Augen geblieben. Dennoch musterte er Kaval, als er ihn sah. Langsam trat er zu ihm. "Hast du die ganze Zeit hier gewartet?", fragte er.
Dieser nickte. "Meine Aufgabe, Ihnen zur Seite zu stehen, hat mit dem ersten Tag begonnen, den Sie hier sind", erklärte er. "Verlöre ich Sie aus den Augen, wäre die ehrenwerte Amaris nicht zufrieden mit mir."
A´kebur riss fast die Augen auf. "Bitte?", fragte er verblüfft.
Kaval lege den Kopf schief. "Waren meine Worte unverständlich?"
"Nein, der Inhalt war es. Wie nahe musst du mir sein, damit du deine Aufgabe erfüllst?"
"Dafür wurden keine Parameter festgelegt, aber es genügt, wenn ich weiß, wo Sie sind und dass Sie meine Assistenz nicht benötigen. Falls dies jedoch der Fall sein sollte, bleibe ich in Ihrer unmittelbaren Nähe. An Bord des Starfleetschiffes ist dies natürlich einfacher, ich werde Ihnen dort nicht im Weg sein."
A´kebur konnte es nicht fassen. "Du bist mein Assistent, nicht mein Aufpasser. Ich brauche dich nicht auf Schritt und Tritt, und ganz sicher brauche ich deine Assistenz vor allen Dingen erst in etwas mehr als drei Jahren. Daher kann ich deine Worte nicht nachvollziehen."
"Wie gesagt, falls meine Gegenwart Sie stört, werde ich mich zurückhalten. Aber ich hatte gehofft, von Ihnen lernen zu können", gab Kaval zurück.
Er bekam einen erstaunlich emotionalen Blick für diese Bitte.
"Was willst du von mir lernen? Du bist dein ganzes Leben auf einer Akademie gewesen. In deinem Kopf steckt mehr Wissen, als ich jemals gelesen habe."
"Aber dieses Wissen ist rein theoretisch. Sie haben draußen im Weltraum gelernt, Sir", Kaval verfiel wieder in die bei Starfleet übliche Anrede. "Sie haben Forschung betrieben und selbstständig neue Wege gefunden. Das ist nichts, was man in Datenbänken nachlesen kann, dessen bin ich mir sicher. Praktische Erfahrungen sind nicht vergleichbar."
"Ist es nicht?", fragte A´kebur angesichts des glühenden Enthusiasmus. "Wie kommst du zu diesem Wissen?"
Kaval faltete die Hände. "Botschafter Spock besuchte vor einigen Jahren die Akademie und hielt Vorlesungen. Seine Worte erschienen mir logisch, auch wenn viele nicht dieser Ansicht waren."
A´kebur sah ihn misstrauisch an. "Es hat sicherlich einen Grund, warum man Spocks Ansicht nicht teilt. Sie wird unlogisch sein und unbegründet."
Kaval schüttelte den Kopf. "Logik ist kein starres System. Viele Vulkanier glauben, es gibt immer nur eine Antwort, aber auch wenn ich noch jung bin, habe ich genug gehört und gelesen, um zu wissen, dass dem nicht so ist."
"Also hat Spock Recht und die anderen nicht!", schloss A´kebur.
"Wie gesagt, es gibt nicht immer nur ein Richtig und Falsch. Zu enges Denken schränkt den Horizont ein. Das sagte bereits Surak."
A´kebur hob eine Augenbraue. "Ein wandelndes Lexikon. Könnte nützlich sein", murmelte er.
"Sir?" Kaval hob die Augenbraue.
"Ein Scherz auf deine Kosten", wisperte A´kebur. "Und nein, es gefällt mir nicht. Ich werde etwas essen. Hast du schon gegessen?"
"Nein. Das Frühstück ist üblicherweise in 1,34 Stunden." Kaval ging neben A´kebur.
"Ist das ein Gesetz?", fragte dieser ihn.
"Nein, nur eine Tradition. Ich leiste Ihnen beim Frühstück Gesellschaft."
A´kebur neigte kurz sein Haupt. Er ging vor und Kaval folgte ihm. Sie nahmen schweigend ihr Frühstück ein. A´kebur musterte ihn dabei immer wieder von der Seite. Er verstand die Beweggründe nicht, konnte sich aber durchaus Gefühle vorstellen, die damit verbunden waren. Kaval war kein gefühlsbefreiter Vulkanier, schloss er. Dieser ließ A´keburs Blick ruhig über sich ergehen. Offenbar wurde dieser mit Kavals Gegenwart etwas vertrauter, was diesem seine Aufgabe leichter machen würde.
Das ruhige Beisammensein wurde erst aufgestört, als T'Lis in die Küche kam. Sie sah sie beide an und neigte ihren Kopf. "Ich habe gehört, dass du da bist. Es ist akzeptabel, dich zu sehen, Lanar", grüßte sie dann A´kebur direkt.
A´kebur lächelte. "Ja, ist es. Du kennst Kaval?"
"Natürlich. Sei gegrüßt, Cousin." Die beiden nickten einander zu, aber an der Art, wie Kaval respektvoll den Kopf neigte, war deutlich, dass T'Lis die Ältere war. "Bleibst du lange, Lanar?", wollte sie wissen.
"Nein, Kaval, Lakon und ich werden morgen früh abreisen. Emilie, meine Urenkelin, wird in die Akademie aufgenommen. Wir werden ihrer Zeremonie beiwohnen. Ich habe dich lange nicht gesehen."
"Ich war sehr beschäftigt im wissenschaftlichen Zentrum", erwiderte T'Lis, schenkte sich Tee ein und nahm Platz. "Mein Sohn Livet ist bereits 3,67 Jahre alt. Das letzte Mal hast du ihn gesehen, als er noch ein Baby war."
A´kebur hörte die Kritik. Aber er fürchtete, dass er Livet erst wiedersehen würde, wenn er die Lehren Suraks auswendig rezitieren konnte und sogar die Kommentierungen kannte. Das war etwa mit sieben Jahren. Er war zu sehr damit beschäftigt gewesen, seine Wunden zu lecken. Er hatte kaum wahrgenommen, wie sich alles nach und nach änderte. Er bat stumm um Entschuldigung. "Ist er hier?", fragte er.
T'Lis verneinte. "Mein Gefährte hat ihn mit zum Tempel in Krael'Tir genommen; seine Mutter ist dort Priesterin. Ich wäre geehrt, wenn du uns bald einmal besuchen würdest."
A´kebur wusste, dass Lakon noch seine Zeit brauchte. Die Reise nach Krael'Tir war nicht weit. Den Tempel innerhalb eines Tages zu erreichen, war möglich. Da er keine Aufgaben hier hatte und auch nicht weiter belastet wurde, konnte er dorthin reisen. Zudem wusste er, dass es eine lange Zeit vergehen würde, ehe er seine vulkanische Familie wiedersah. Vielleicht sah er auch sie nie wieder. Daher teilte er kurzentschlossen seinen Entschluss mit. T'Lis kommentierte das nicht weiter. Sie schien irgendwie damit gerechnet zu haben, was Kaval für einen Moment einen fragenden Blick abverlangte.
Aber er schwieg.
Amaris sah es mit Wohlwollen, dass sich A´kebur in der kurz bemessenen Zeit noch um Familienbelange kümmern wollte; außerdem war die Reise zum Tempel in Krael'Tir etwas, das er bisher versäumt hatte.
Die Stadt selbst war noch stiller, als man es von vulkanischen Städten gewohnt war, was vor allem daran lag, dass um den Tempel herum uralte Mausoleen lagen. Hier wurde vor allem den Verstorbenen und ihren unsterblichen Katras gedacht, auch wenn die Vulkanier weit davon entfernt waren, auf die sentimentale Art und Weise wie Menschen Gräber zu pflegen. Es war schlichtweg ein Ort der Meditation über die Sterblichkeit allen Lebens.
A´kebur hatte Krael'Tir gerade deswegen gemieden. Als Etienne starb, wäre es für ihn als offizielles Mitglied von A´keburs Familie eigentlich vorgesehen gewesen, ihn ebenfalls hier auf Vulkan zu bestatten. Doch Etiennes Wunsch war deutlich gewesen: Seine Asche sollte im Meer von Risa verstreut werden. Somit war nichts Greifbares mehr von ihm geblieben außer dem Wichtigsten: Der Erinnerung. A´kebur war in solchen Momenten dafür dankbar, als er die düsteren Grabmäler sah. Er beeilte sich, T'Lis' Gefährten und ihr Kind zu finden. An einem solchen Ort war es gut, jemand ganz jungen zu sehen.
Schließlich kehrten A´kebur und Kaval zurück zum Sitz der Familie, um sich zu verabschieden. Es dauerte nicht halb solange, als wenn A´kebur von seiner menschlichen Familie wegging, waren sie doch in dieser Hinsicht einfach disziplinierter und taten, was notwendig war. Gefühle wurden einfach verborgen.
Ehe er sich versah, waren sie zu dritt zusammen auf dem Passagierschiff zurück zur Erde. A´kebur suchte, so lange er es noch konnte, die Zurückgezogenheit genießen, die ihm hier möglich war. Bald würde er nichts mehr von der Ruhe haben, die ihm bis jetzt eher verhasst gewesen war. Wie er schon bemerkt hatte, würde der Schmerz wohl immer bleiben. Aber er wollte auch leben und dazu waren die nächsten Schritte einfach notwendig.
Auf der Erde wurden sie schon erwartet. Die Vorbereitungen zur Zeremonie waren im vollen Gange. A´kebur hatte Lakon und Kaval gefragt, ob sie einen Gang über den Campus machen wollten. Er selbst hatte vor, einen Gang durch die Enterprise zu machen. Er wollte das Schiff sehen, bevor es offiziell vom Stapel lief.
Die beiden anderen Vulkanier stimmten zu und ein kurzer Blick Lakons zu Kaval bestätigte diesem, dass er A´kebur problemlos alleine lassen konnte. Zudem war der junge Vulkanier neugierig, die Akademie zu besichtigen, auch wenn er sich das natürlich nicht anmerken ließ.
A´kebur hatte keinerlei Probleme, zur Enterprise zu kommen. Zwei kurze Befehle, und er wurde zur Dockstation gebeamt, in der das Schiff im Augenblick noch lag. Die letzten Vorkehrungen zum Start wurden getroffen, aber im Großen und Ganzen war sie startbereit. Es war allerdings ein seltsames Gefühl, durch die noch unbelebten Korridore zu wandern.
Zarte Grau- und Silbertöne, ganz im Stil der Vorgängerinnen, prägten das Interieur. Auch die Brücke war von der Grundstruktur her gleich geblieben; es galt, eine jahrhundertealte Tradition zu wahren. A´keburs Finger strichen über die Lehne des Kommandantensessels und er sah sich um. "Computer, Status?", rief er.
"Bereit, Captain A´kebur", antwortete ihm eine weibliche Stimme. A´kebur hatte einmal gehört, dass auf einem klingonischen Schiff eine männliche Stimme antwortete. Die Kultur entschied sich meist nur in dem Wie, selten in dem Ob. Es gab sprechende Computer, aber die Stimmen waren gänzlich unterschiedlich. Er lachte, weil sich das alles wie eine Ironie des Universums darstellte. Wahrscheinlich wussten Klingonen nicht einmal, was Ironie war. A´kebur erinnerte sich, dass er das auch nicht gekannt hatte, bis er einen Menschen näher kennen gelernt hatte.
"Computer, welche Besatzungsmitglieder sind an Bord?", fragte er neugierig.
"Erster Offizier, Commander Mariko Aera. Standort: Maschinenraum", erwiderte der Computer.
Da nichts weiter folgte, hob A´kebur eine Augenbraue. "Reichlich wenig. Wer sind die übrigen?", fragte er, während er an die wissenschaftliche Konsole ging und den Status des Schiffes dort ablas.
"Fünfzehn Konstrukteure der Raumstation, zweiundzwanzig Programmierer, zehn Wartungsmannschaften zu je fünf Personen. Wünschen Sie weitere Details?"
"Nein, danke. Bitte den Zeitplan auf den Bildschirm legen. Wann wird die Enterprise bestückt?", änderte A´kebur seine Abfrage.
"Die offizielle Bemannung der Crew beginnt in 43 Standardstunden", gab der Computer Auskunft. Auf dem Bildschirm erschienen die Details, wann welche Stationen besetzt wurden.
Wenn die Rumpfmannschaft an Bord war, würden die Lager aufgefüllt werden und die ersten Probleme auftauchen. Letzteres stand nicht auf dem Zeitplan, aber A´kebur hätte sich gewundert, wenn alles reibungslos ablaufen würde. Was ihn jedoch am meisten interessierte, war, wann man mit seiner Ankunft rechnete: In drei Tagen.
Dann war die Enterprise fast vollständig bestückt. Dann würde auch die offizielle Einweihung stattfinden - im kleinen Kreise. Es hatte wohl noch nie eine so kleine Feierlichkeit für den Stapellauf einer Enterprise gegeben. Dennoch war die Gästeliste umfangreich: Es würden fünfhundert Gäste erwartet - von Starfleet einmal abgesehen. A´kebur zückte sein Datenpad und rief die Daten der Seniorcrew auf. Dann ging er damit zum Aufzug und ließ sich auf Deck 2 fahren, wo der Maschinenraum war. Er wollte das erste Mitglied seines Schiffes persönlich in Augenschein nehmen.
Der Turbolift führte ihn binnen Sekunden an sein Ziel; A´kebur entschied, dass etwas zartbesaitetere Leute dieses Tempo nicht sehr erträglich finden würden.
Das vertraute Summen der Maschinen begrüßte ihn, das typische Pulsieren eines Warpantriebes und das leise, helle Singen des Para-Warpantriebs hingegen fehlten noch. Die Maschinen waren noch nicht gestartet worden. An den Hauptkontrollen stand eine kleine, zierliche Frau in roter Uniform und studierte die technischen Pläne. Sie hatte kinnlange schwarze Haare und wirkte sehr jung und zerbrechlich. Als A’kebur nähertrat, sah sie auf. Ihr Gesicht wies asiatische Züge auf, doch ihre mandelförmigen Augen waren grün. Sie nahm augenblicklich Haltung an. "Captain A´kebur."
"Stehen Sie bequem, Commander Aera", erwiderte A´kebur. Er musterte sie offen und neigte dann leicht sein Haupt, als wollte er ihr es nicht allzu schwermachen, zu ihm aufzusehen. "Wie ich sehe, ist alles in bester Ordnung", meinte er.
"Nein, Sir. Die neuen Maschinen wurden noch nicht zum dritten Mal gewartet und ich persönlich halte es für unklug, die Antriebe praktisch kalt zu starten", gab sie prompt zurück. "Aber da der Chefingenieur noch nicht an Bord ist, konnte ich bisher keine zweite Meinung dazu einholen, Sir."
A´keburs Blick ging mit den Händen auf dem Rücken zu den Antriebskontrollen und sah sich die Werte an. Das Protokoll war einwandfrei. Faszinierend fand er den Umstand, dass man im Maschinenraum zur Not alles durch eine einzige Person steuern konnte. Das Prinzip der Einhand-Steuerung der Brücke war übertragen worden. "Computer, Initiation des Startprotokolls 1", rief er.
"Initiiert. Bereitschaft in fünf Minuten", kam die prompte Antwort. Lichter an den beiden Antrieben gingen an. Commander Aera musterte ihren neuen Captain. "Wenn ich frei sprechen dürfte, Sir: Ich freue mich zu sehen, dass Sie meine Einschätzung teilen." Ganz leise begann das Summen der gestarteten Maschinen.
A´kebur streifte sie mit einem Blick und hob eine Augenbraue. Er wandte sich ab und ging zum Antrieb, sah das Farbenspiel und befand es für gut. "Captain A´kebur an Kontrolle, ich bitte um Freigabe für einen Probeflug der Enterprise."
"Hier Dockkontrolle. Sir, die Admiräle haben noch keine Starterlaubnis erteilt", meldete sich ein hörbar verwirrter junger Mann. "Die Arbeiten am Schiff sind nicht abgeschlossen."
A´kebur lächelte. "Dann sorgen Sie für die Starterlaubnis. Ich werde mit keinem Schiff fliegen, das es nicht einmal bis zum Mond schaffen würde, selbst wenn die Arbeiten nicht abgeschlossen sind." Er schloss die Leitung. "Wenn es nicht in diesem Zustand fliegen kann, dann wird es auch nicht fliegen, wenn man auf uns geschossen hat und der Para-Warpantrieb fünf Lichtjahre entfernt zu Staub zerfällt."
"Ich stimmte Ihnen zu, Sir. Aber ich glaube kaum, dass man so schnell die Erlaubnis gibt", ließ sich Commander Aera vernehmen. Gleich darauf ertönte wieder die Stimme des Computers: "Eine Nachricht von Admiral Duval für Captain A´kebur."
Cindys Gesicht erschien auf einem der kleinen Bildschirme. "Kannst du es wieder nicht abwarten?", fragte sie mit einem breiten Grinsen.
A´kebur neigte leicht sein Haupt. "Du weißt, dass ich es nicht mag, wenn die Dinge nicht so funktionieren, wie sie es sollen. Das gilt vor allen Dingen für Antriebe. Ich will wissen, wo die Enterprise klappert und ob sie in drei Tagen wirklich einsatzbereit sein kann. Es gibt außer dem Ersten Offizier hier niemanden, der zur Crew gehört. Von daher: Ich denke, eine Probefahrt ist nötig. Die Enterprise ist noch nie geflogen."
"Da will ich dir nicht widersprechen. Aber die Konstrukteure werden einen mittleren Herzanfall erleiden, ich warne dich." Cindy schmunzelte noch immer. "Ich habe die Starterlaubnis erteilt. Mach bitte keine Beulen in das Schiff, ja? Und sei zurück, ehe jemand was merkt."
"Pünktlich um Mitternacht, gute Fee. A´kebur Ende!" Das Bild verschwand, und die Antriebe meldeten Bereitschaft. "Enterprise an Kontrolle, öffnen Sie die Schleusen."
"Schleusen werden geöffnet. Andockklammern werden gelöst", kam die Antwort. "Enterprise, bitte mit den Antriebsdüsen aus dem Dock manövrieren."
A´kebur hatte die entsprechenden Kontrollen schon aufgerufen und steuerte das Schiff nach draußen. Eine leichte Aufregung erfasste ihn. Sanft flog das Schiff aus der Werft - nur beobachtet von der Nachtschicht. Vor dem Mond flog es eine kleine Schleife, dann nahm A´kebur Kurs auf den Saturn, programmierte dann den ersten Warpsprung, den er manuell einleiten wollte.
Commander Aera beobachtete das Ganze schweigend und warf nur hin und wieder einen Blick auf die Anzeigen. Sie hatte sehr schnell begriffen, dass ihre Hilfe zur Steuerung absolut nicht nötig war.
"Sir, möchten Sie auch den Para-Warpantrieb testen?", fragte sie schließlich, obwohl die Antwort fast klar war.
"Wenn Sie wünschen, dann initiieren Sie den Start", übergab A´kebur freimütig. Er spürte nichts, was störte. Und es klapperte auch nichts.
"Sehr gerne, Sir." Commander Aera stellte die entsprechenden Berechnungen an und programmierte dann einen Kurs "einmal um den Block", wie es bei Starfleet hieß: Einmal zum Rande des Sonnensystems, bis nach Alpha Centauri und wieder zurück.
A´kebur sah ihr dabei nicht auf die Finger, er schaltete die vielen Monitore so um, dass sie einen Teil eines Gesamtbilds zeigten und so ein großes ganzes Bild wiedergaben. "Sie sollten einen weiteren Kurs programmieren. Ich will die volle Last des Antriebs", meinte A´kebur. Es war kein Befehl, auch wenn er wusste, dass sein Erster Offizier es so auffassen würde. Er löste die Verschlüsse seines Umhangs. Die Vorzüge vulkanischer Kleidung waren zweifellos vorhanden. Aber jetzt wollte er mehr Freiraum.
"Aye, Sir", gab Commander Aera prompt zurück. "Das würde uns bis zum Rande des Betaquadranten führen. Falls Sie etwas auf Qo'noS zu erledigen haben, können wir dort noch Station machen."
"Nein, wir werden von dort in den Warp wechseln, eine Schleife und wieder zurück zur Erde mit dem Hauptantrieb", meinte A´kebur.
"Aye, Sir." Die entsprechenden Befehle wurden gegeben, und kaum, dass das Schiff den Orbit der Erde verlassen hatte, begannen die Maschinen wirklich zu arbeiten. Die Art, wie die Enterprise auf die Steuerung reagierte, konnte A´kebur nur mit dem menschlichen Ausdruck butterweich beschreiben. Was brauchte er überhaupt eine Mannschaft? Es flog sich fast von selbst.
Alle Werte waren auf normal und auch Commander Aera, die zwischendurch losging, um einen Blick in die Hauptleitungen in den Jeffriesröhren zu werfen, kam mit zufriedener Miene zurück.
A´kebur gab seine Einschätzung, dass sie nicht mehr als drei Stunden bräuchten, um zu testen, ob der Bewahrerantrieb unter Volllast das hielt, was die Ingenieure versprachen. Der Commander teilte die Ansicht. Nur kurz schaute jemand von den Ingenieuren vorbei und fragte, ob alles zur Zufriedenheit sei. A´kebur sagte dazu nichts und überließ Aera die Antwort, die fast das Prädikat vulkanisch verdiente. Das allein genügte, dass sie bald wieder ungestört waren.
"Commander? Nun, da wir ein wenig Zeit haben, würde ich gern die Liste der Senior-Crew mit Ihnen durchgehen", meinte A´kebur mit Blick auf die Energieanzeige, die jedoch alles im normalen Bereich anzeigte.
"Natürlich, Sir. Ich habe noch nicht alle von ihnen persönlich getroffen, aber ich habe mich genauestens mit ihren Lebensläufen und Referenzen beschäftigt." Der Commander rief die entsprechende Liste auf. "Da wäre zuerst William Thomas Troi III. Seine Großeltern waren Comander Riker und Deanna Troi, erster Offizier und Schiffscounselor der Enterprise D und E." Commander Aera erlaubte sich ein minimales Lächeln. "Der junge Mann hat sowohl Menschen als auch Betazoiden als Vorfahren. Ich bin mit ihm zusammen zur Akademie gegangen. Er ist außerordentlich."
A´kebur sah das Bild an. "Ich hatte das Vergnügen", meinte er knapp. "Der nächste wäre dann Doktor McCoy. Er hat auch einen Vorfahren in der Ahnenreihe, der ebenfalls auf der Enterprise gedient hat. Persönlich kenne ich jedoch weder ihn noch seinen Vorfahren. Er soll sich einen Namen in der Exobiologie gemacht haben und im Bereich der Biologie gemischtrassiger Individuen."
Der Commander nickte. "Man sollte denken, man habe diese Leute nur ihrer Vorfahren wegen ausgesucht, aber dem ist nicht so. Sie sind schlicht die Besten. Ich habe Dr. McCoy nur kurz getroffen, aber er ist tüchtig und geradeheraus. Noch mehr als ich", warnte sie. "Der Ingenieur sollte Ihnen auch ein Begriff sein. Lieutenant Commander Madeleine Delacroix. Sie hat persönlich bei der Konstruktion der Antriebe der Enterprise mitgewirkt."
"Gibt es einen Grund, warum sie nicht hier ist? Ich hätte niemanden an die Maschinen rangelassen, wenn ich an ihrer Stelle gewesen wäre", meinte A´kebur.
"Sie war auch bis vorgestern hier, Sir, aber dann kam eine Nachricht von ihrer Familie auf Alpha. Ihr Sohn hatte einen Unfall. Sie wird aber sicher pünktlich zu Start wieder hier sein."
A´kebur nickte. "Verständlich. Dann wollen wir mal hoffen, dass ich den Antrieb nicht kaputt mache", meinte er. "Der Sicherheitschef ist ungewöhnlich. Ich kann mich nicht erinnern, jemals einem Exemplar seiner Rasse mit seinen Spezifikationen begegnet zu sein. Hatten Sie die Gelegenheit?" Das Holobild wechselte und ein zerfurchtes Gesicht erschien. Für einen Menschen sicherlich ein ungewohnter Anblick. Selbst das Aussehen eines Cardassianers konnte darauf nicht wirklich vorbereiten.
"Ja, ich bin Rigelianern bereits begegnet", erwiderte Commander Aera. Die Rigelianer hatten blasse Haut und die zerknautscht wirkenden Gesichter waren von wie Muster wirkenden, dunklen Adern durchzogen. Die langen Haare waren mit Perlen durchflochten. "Lieutenant Ch'Grawbil ist einer der wenigen von ihnen, die bei Starfleet dienen, und ein erster Beschützer." Sie bemerkte A´keburs fragenden Blick und setzte hinzu: "Rigelianer haben nicht wie die meisten Spezies nur zwei Geschlechter, sondern vier. Gebärer, Pfleger, Erzeuger und Beschützer. Man könnte die ersten beiden weiblich nennen und die beiden anderen männlich, aber es trifft die Sache nicht wirklich."
A´kebur ließ sich die wenigen Details, die über diese Rasse bekannt waren, anzeigen. Sein eigenes Pad hatte ihm darüber nichts sagen können und auf Vulkan hatte er keine Zeit gehabt. Zudem waren die Datenbanken der Föderation in dieser Hinsicht vollständiger. Tatsächlich waren sich die Biologen nicht so ganz einig, wie man die Geschlechter in das enge Schema der Zweigeschlechtlichkeit presste, zudem die jeweilige biologische Aufgabe nicht wirklich festgeschrieben war. Doch war jeder, so lange er die eine Rolle spielte, darauf vollständig festgelegt und wurde durch einen entsprechenden Hormonhaushalt versorgt. Ein Beschützer war demnach deutlich aggressiver, dominant und besaß eine sehr viel schärfere Sinneswahrnehmung als die übrigen. Allesamt zeigten sie jedoch einen ausnehmend scharfen Verstand.
"Faszinierend", murmelte A´kebur. "Er dürfte eine Bereicherung darstellen."
"Ja, Sir. Lieutenant Ch'Grawbil hat bereits mehrere Auszeichnungen für Tapferkeit erhalten, als er auf seinen letzten Missionen mehreren Besatzungsmitgliedern das Leben rettete. Seine Akte erklärt ihn für schweigsam und vorsichtig, aber das halte ich für Vorzüge."
A´kebur nickte. "Ich denke auch. Wichtig sind seine Loyalität und seine Fähigkeiten. Ich habe gesehen, dass er fast vollständig die Sicherheitsmannschaft besetzt hat. Wir werden eine Mission haben, in der die Sicherheit oberste Priorität hat. Wie ich schon Admiral Duval sagte, ich kann die Mannschaft in der kurzen Zeit nicht neu besetzen. Daher werde ich mich auf Ihr Urteil verlassen, Commander."
"Das weiß ich zu schätzen, Sir." Commander Aera rief die Daten des wissenschaftlichen Offiziers auf. Das Bild einer bildhübschen Frau mit dunkler Haut erschien; es wirkte menschlich. "Lieutenant Commander Yamilu. Sie ist eine Hanalan, und sie hat eine unglaubliche Intuition für ungewöhnliche Lösungsansätze und das Gedächtnis eines Computers. Ihre Spezialgebiete sind Stellarkarthographie, Exoarchäologie und komparatistische Politik."
A´kebur entging die Tonlage in der Stimme seines Ersten Offiziers nicht. "Sie mögen sie nicht", meinte er daher glatt. "Gibt es dafür Gründe?"
Commander Aera versteifte sich unwillkürlich. "Verzeihen Sie, Sir. Rein persönliche Gründe. Sie ist ein fähiger Offizier und ich werde keine Probleme haben, mit ihr zusammenzuarbeiten."
A´kebur notierte es geistig. Er würde das im Auge behalten. "Nun, dann", meinte er knapp. "Steuerfrau, Navigator ..." Er ging Stück für Stück die Crew durch, mit denen er in der nächsten Zeit eng zusammenarbeiten würde. Commander Aera ließ sich persönliche Gefühle nicht mehr anmerken. Sie wirkte ausdruckslos. A´kebur jedoch fing ab und an den mentalen Zustand seines Ersten Offiziers auf und nahm das als Indikator ihrer Ehrlichkeit. Er hatte gleich im ersten Augenblick gewusst, dass Commander Aera ihm den Posten des Captains nicht nur nicht gönnte, sondern selbst Anspruch darauf erhob. Er würde vorsichtig sein.
Der restliche Flug verlief problem- und ereignislos. Der Antrieb hielt auch höherer Belastung stand, und nur einige Dinge würden noch justiert werden müssen. Nach Erdenzeit war es bereits tiefe Nacht, als sie die Enterprise wieder ins Dock manövrierten.
Einige der unfreiwilligen Besatzungsmitglieder wirkten erleichtert, als sie gehen durften. A´kebur hingegen war zufrieden.
"Commander!", meinte er leise, bevor er in den Bereich der Türsensoren kam.
"Sir, ich freue mich darauf, wenn wir die Enterprise offiziell einweihen können", erklärte Commander Aera. "Es war eine Ehre und ein Vergnügen, bereits im Vorfeld Ihre Bekanntschaft machen zu können." Ob sie nun das Schiff oder A´kebur meinte, blieb offen.
A´kebur neigte knapp sein Haupt. "Die Ehre lag auf meiner Seite. Ich werde morgen in der Akademie sein. Ich nehme nicht an, dass etwas sein wird. Wenn doch, kontaktieren Sie mich unverzüglich. Meine Tochter braucht nicht erfahren, wenn etwas nicht klappt."
"Aye, Sir. Ich werde mich um die letzten Vorbereitungen zum offiziellen Start kümmern."
Cindy rieb sich die Schläfen. Ihr Kopf schien zerbersten zu wollen. Seit mehreren Stunden brütete sie über Protokollen, Depeschen und anderem Papierkram. Sie hatte die letzten vierzehn Stunden mit Arbeit zugebracht und wollte nun endgültig Feierabend machen, damit sie morgen zur Aufnahmefeier der neuen Rekruten in die Akademie nicht einschlief. Auch wenn sie immer noch nicht alles fertig hatte. Irgendwie schien sich die Arbeit heimlich zu vermehren. Cindy stand auf und streckte sich, als es an der Tür summte. "Herein?"
Sie hatte nicht mit dem späten Besucher gerechnet, aber im Grunde doch wieder. Sie lächelte gequält und versuchte die Maske höflicher Distanz aufrechtzuerhalten.
"Admiral Castellano, was führt Sie zu mir?", fragte sie sich, während sie sich fragte, warum ihr Adjutant sie nicht vorgewarnt hatte.
Der Admiral, groß, breitschultrig, etwas jünger als Cindy, nickte höflich. "Es tut mir leid, sie noch so spät zu stören, Admiral Duval." Er sah dabei keinen Deut so aus, als täte ihm irgendetwas leid. "Aber ich muss noch einige wichtige Angelegenheiten mit Ihnen besprechen in Ihrer Eigenschaft als Beauftragte für die neue Enterprise."
Cindy ahnte, was das Thema sein würde. Gäbe es Terra Prime noch, Admiral Castellano wäre ihr Präsident. Ein paranoider Mensch mit dem Wahn des reinen Blutes behaftet. Der Grund, warum er dennoch in der Admiralität war, lag darin, dass er es verstand, seine Ansichten in große Worte und kleine Gesten zu wickeln. Man konnte ihm schlicht nichts nachweisen und er hatte sich zudem offen nie über andere Rassen ausgelassen. Dennoch waren seine Ansichten unzweifelhaft.
Cindy seufzte stumm, lehnte sich jedoch gespielt entspannt zurück und deutete auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch. "Ich weiß nicht, was es da noch zu besprechen gibt, aber ich höre Ihnen gern zu", meinte sie mit deutlicher Zurückhaltung in der Stimme, wenn auch nicht in ihren Worten.
Castellano nahm Platz. "Ich habe erst vor Kurzem über die ganze Sache Auskunft erhalten", begann er. "Und ich wollte sichergehen, dass die Informationen nicht übertrieben sind. Starfleet Command schickt die neue Enterprise zu einer Friedensmission mit den Romulanern und Sie setzen Ihren halbklingonischen, halbvulkanischen Ziehvater in den Sessel des Captains?"
Cindy sah ihn ausdruckslos an und legte die Fingerspitzen gegeneinander. "Hätte ich Sie darüber informieren müssen, Admiral?", fragte sie seidenweich.
"Ich denke lediglich, es ist nicht gut, wenn die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut, werte Kollegin", gab der Admiral ebenso zuckersüß zurück.
"Ich habe die Information weitergegeben, lange bevor ich das entsprechende Angebot Captain A´kebur Lanar Re unterbreitet habe. Und es hat nichts damit zu tun, dass er mein Ziehvater ist. Sie können mir Begünstigung unterstellen, wenn ich ihn als Chefingenieur der Enterprise gewählt hätte. Und selbst dann wären seine Ergebnisse über jeden Zweifel erhaben. Die Gründe, warum er jedoch der Captain ist, sind dargelegt. Ich weiß, dass Ihre Aufgaben umfangreich sind. Von daher ist Ihr später Einspruch nachzuvollziehen. Aber ich werde nicht über mein Schreiben hinaus eine Begründung abliefern."
"Ich verlange auch keine Begründung; Ihren Bericht habe ich", gab Castellano zurück. "Ich möchte Ihre Gründe wissen. Wer könnte die Föderation besser repräsentieren als ein menschlicher Captain? Warum dieser, entschuldigen Sie, absolute Irrsinn? Ein reiner Vulkanier als Captain wäre schon Affront genug, ebenso ein Klingone, aber beides gemischt. Bei allen Galaxien, die Romulaner werden ihn in Stücke reißen, noch ehe er zu einem Grußwort ansetzen kann!"
Cindy lächelte minimal. "Er ist nicht im diplomatischen Corps. Das waren die Bedingungen der Romulaner, wenn ich mich recht erinnere", täuschte sie minimale Unwissenheit vor. "Von daher können sie mit den Waffen drohen. Aber sie haben die Bedingungen gestellt, wir haben sie erfüllt. Doch wir werden ihnen nicht in den Allerwertesten kriechen. Und das ist die Botschaft, die ich vermitteln werde und die auch die Föderation vermitteln wird. Haben Sie etwas dagegen?"
"Keinesfalls. Trotzdem bin ich mit dieser Entscheidung nicht einverstanden. Die geringen Chancen dieser Mission werden nur noch weiter verschmälert. Das wollte ich Sie wissen lassen." Er lächelte erneut. "Aber es liegt dann ja in Ihrem Verantwortungsbereich, wenn etwas nicht glatt läuft."
"Sie sind also nicht an einem Gelingen interessiert?", fragte Cindy und ihre Stimme verdunkelte sich gefährlich.
Der Admiral sah ihr fest in die Augen. "Natürlich bin ich das. Ich messe diesem Unternehmen nur geringe Erfolgschancen zu. Romulanern ist nicht zu trauen; es wird ein Vorwand zum Krieg sein."
Cindy lehnte sich wieder vor. "Nun, Sie sagen es selbst: Wenn die Romulaner den Krieg wollen, werden wir nicht wirklich diejenigen sein, die es verhindern können, dass sie ihn ausrufen. Aber ihnen mit diesem Hintergrund alles zu geben, was sie wollen, wäre der größte Fehler, den wir machen können. Ein Mischling ihrer am meisten gehassten Völker ist die adäquate Antwort auf das, was wir sind. Wir haben viele Rassen und sie werden jede davon, einschließlich unserer Partner, akzeptieren müssen. Ansonsten ist ihr Angebot das, was Sie gesagt haben: Eine Farce. Eine Lüge, um Krieg zu führen. Aber dieser Mischling wird gleichzeitig noch eine andere Botschaft übermitteln: Wir sind bereit und wir werden kämpfen. Wie sehen Sie es nun, Admiral?"
Castellano verschränkte die Arme. "Ihre Logik ist makellos, meine Liebe. Aber Romulaner sind nicht logisch. So oder so schüren Sie an dieser Stelle einen Konflikt. Wir hatten seit Jahrzehnten keinen Konflikt mehr mit dem Romulanischen Imperium und unsere Agenten drüben berichten nichts Neues. Aber das heißt nicht, dass sie keinen planen. Wir haben keine Ahnung, inwieweit sie ihre Technologien vorangetrieben haben, um unseren Fortschritt mit dem Bewahrerantrieb auszugleichen."
"Ich weiß", murmelte Cindy und seufzte. "Ich weiß. Aber diese Verhandlungen können genau dazu dienen, dass zu erlangen. Wie, ist ihnen egal. Wenn wir die Verhandlungen ausgeschlagen hätten, hätten wir dasselbe Problem auch ohne Captain A´kebur. Wenn wir also davon ausgehen, dass sie uns sowieso nur quer durch die Galaxie schießen wollen, dann sollten wir ihnen auch zeigen, dass wir uns das nicht gefallen lassen werden. Es ist eine Katze, die sich in den Schwanz beißt. Ich hätte nichts dagegen gehabt, diese Nachricht hätte uns nie erreicht und die Romulaner beließen es bei Grenzübertritten. Aber das ist irrelevant. Wir haben eine Verabredung am Ende des Universums, und ich gedenke sie zu bestimmen und uns nicht am Nasenring vorführen zu lassen."
Admiral Castellano ließ ein erneutes kaltes Lächeln aufblitzen. "Nun, dann wollten wir das Beste hoffen, werte Kollegin. Falls sie die Feuerwehr brauchen, komme ich mit meiner Flotte."
"Wenn alles so funktioniert, wie ich es denke, dann nicht. Aber ich fürchte, dass das Universum wie immer seinen eigenen Scherz macht auf unsere Kosten. Von daher: Ich habe nichts gegen einen Joker in der Hinterhand, und wenn Sie das sind, umso besser."
"Dann sind wir uns zumindest in einer Sache einig. Ich wünsche Ihnen viel Glück bei dieser Sache, Admiral, Sie werden es brauchen." Castellano stand auf und verabschiedete sich.
Cindy unterdrückte den Wunsch, ihm die Zunge rauszustrecken. Über dieses Alter sollte sie ihrer Meinung nach hinaus sein.
Frustriert drehte sie sich in ihrem Sessel und sah zum Fenster hinaus. Sie hatte mehr als nur eine Flotte in der Hinterhand. Sie würde den Teufel tun und ihren Vater allein da rausschicken. Doch sie hatte wahr gesprochen, als es darum ging, was er symbolisierte. Sie wusste aber auch, dass es kein anderes Wesen in diesem Teil des Universums gab, das mit mehr Ruhe und Verstand und Leidenschaft an diese diffizile Angelegenheit herangehen würde als er.
Sie hatte ihn kennengelernt, als er noch aufbrausend war. Davon gab es immer noch ein gutes Stück. Aber er hatte schon lange davor begonnen, zu taktieren und die Dinge zu durchschauen. Genauso wie er seine eigene Tochter durchschaut hatte. Er hatte allen Grund, wütend zu sein. Aber er tat dennoch das, was getan werden musste und sie wussten beide, dass sie sich aufeinander blind verlassen konnten.
Ohne Worte.
Und allein das war ein Grund mehr für Cindys Überzeugung, dass ihre Entscheidung richtig war. Sie mochte zwar weder in die Zukunft sehen können noch telepathische Fähigkeiten haben, aber genau wie Etienne hatte sie ein untrügliches Gespür dafür, was in ihren Augen richtig und was falsch war. Dass es nicht immer rechtens war, war eine andere Sache. Aber sie glaubte fest an ihre Überzeugung und würde sie bis zum letzten Atemzug verteidigen.
Sofern es nicht jemanden gab, der es schaffte, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Und sie wusste, dass es A´kebur war, der das schaffte. Sollte er etwas tun, was ihrer Überzeugung zuwiderlief, so wusste sie zwei Dinge: Er hatte dringende Gründe und sie würde ihm vertrauen können. Vertrauen war das Schlüsselwort dafür, warum er dort saß, wo er jetzt saß. Sie hatte keinen anderen, dem sie vertraute.
Selbst den Diplomaten traute sie nicht. Im Grunde sah sie fast die Fronten, die quer durch die Föderation liefen, und sie war dankbar für jeden eindeutig loyalen Mitstreiter an ihrer Seite. Aber auch diese konnten Verräter sein, die in einem unbedachten Moment das Messer tief in ihre Brust stießen. Cindy musste sich eingestehen, dass das fast der Grund gewesen war, A´kebur nicht zu fragen. Doch sie hatte auch gewusst, dass sie keine Alternative hatte und ihr Vater hatte das verstanden.
"Wir werden es ihnen zeigen", murmelte sie, während sie es bedauerte, in diesen Zeiten als Admiral an ihren Schreibtisch gebunden zu sein.
Am nächsten Tag wanderte A´kebur über den Campus der Sternenflottenakademie, der wie immer von summendem Leben erfüllt war. Es schien eine Ewigkeit her zu sein, dass er selbst hier studiert hatte. Von der anderen Seite kamen ihm Lakon und Kaval entgegen, die offenbar die Bibliothek besucht hatten.
Es war kein wirklicher Zufall, als in diesem Moment Emilie von der anderen Seite kam. A´kebur hatte ihr gesagt, dass er sie hier treffen wollte. Er hatte seine Nacht auf der Enterprise verbracht. Schlaf brauchte er weniger als noch vor Jahren. Er mochte zudem kaum mehr schlafen, doch den Gedanken daran verdrängte er.
Stattdessen sah er mit deutlichem Wohlgefallen seiner Urenkelin entgegen, die es nicht ruhig hielt und auf vollkommen menschliche Art auf ihn zugerannt kam.
"Großvater, da bist du ja! Ich dachte schon, du vergisst mich!" Und prompt hatte die junge Frau ihn fest umarmt. Sie ließ erst wieder los, als sich Lakon mit einem "Ähem" bemerkbar machte. Errötend ließ sie A´kebur los. "Oh, hallo Onkel Lakon. Ich wusste nicht, dass du schon hier bist. Und wer ist das?" Sie blickte neugierig zu Kaval.
A´kebur zog eine Augenbraue hoch - ebenso wie Lakon. Doch er kannte überschwängliche, junge Menschenfrauen, daher überging er die Unhöflichkeit. "Das ist Kaval. Ein Cousin deines Großvaters!" Er wandte sich an Kaval. "Emilie Duval", erklärte er.
Kaval hob die Hand zum traditionellen vulkanischen Gruß, doch dann überlegte er es sich anders und streckte Emilie die Hand entgegen. "Guten Tag, Miss Duval. Ich gratuliere Ihnen zu Ihrer Aufnahme in der Akademie."
Emilie war erst etwas verdutzt, dann ergriff sie die Hand und strahlte Kaval an. "Danke!"
A´kebur bot Emilie seinen Arm an, den sie bereitwillig nahm, während sie mit deutlich beschlagenem Blick und rotem Gesicht nach Kaval schielte.
"Seit wann seid ihr hier?", fragte sie.
"Seit gestern. Aber wir waren beschäftigt genauso wie du, so dass es akzeptabel ist, uns jetzt zu sehen", meinte A´kebur.
"Ach so, natürlich. Ich bin eben nur aufgeregt wegen der Zeremonie nachher", murmelte Emilie. "Ich hoffe nur, ich bin nicht so nervös und falle über meine eigenen Füße und mache dir und Großmutter Schande."
"Ich denke, dass du das schaffen wirst. Deine Füße sind in Ordnung. Haben sich die anderen schon angemeldet, wann sie da sein werden?"
"Ja, sie wollten heute Mittag eintreffen", erwiderte Emilie. "Großmutter hatte heute noch keine Zeit, sie ist mit Arbeit zugeschüttet wegen der neuen Enterprise. Ich würde sie unglaublich gerne sehen. Du warst schon drauf, oder, Urgroßvater?"
"Woher weißt du von der Enterprise?", fragte A´kebur sie überrascht. "Soweit ich weiß, ist das noch nicht sonderlich bekannt."
Emilie grinste. "Denkst du, man kann in unserer Familie etwas geheim halten? Großmutter meint, ich komme da schrecklich nach Urgroßvater Etienne und bekomme ständig Sachen heraus, die ich gar nicht wissen soll. Aber ich habe niemandem etwas gesagt, keine Sorge."
A´kebur beruhigte das nicht im Mindesten. Er beließ es jedoch dabei. Die hochgezogenen Augenbrauen von Kaval und Lakon ignorierte er. Der Name des Schiffes war Programm, und beide wussten sie, dass Starfleet und die Föderation nicht ohne Grund ein Schiff so nannten und dass es das neue Flaggschiff sein würde. Beides war eher beunruhigend angesichts der aktuellen Nachrichten.
Aber auch darüber schwiegen sie. Emilie hingegen erzählte fröhlich weiter und berichtete A´kebur, dass sie bereits einige Freunde gefunden hatte. Alles in allem merkte man der jungen Frau an, wie nervös sie war. Und dass sie des Öfteren zu Kaval schielte, machte die Sache auch nicht einfacher. Unbemerkt von ihr verständigten sich Lakon und A´kebur über Blicke. Dieser wirkte für einen Moment erstaunt. Dann meinte er jedoch, dass er und A´kebur noch etwas zu besprechen hätten und man sich ja zur Zeremonie wiedersehen würde.
Emilie war deutlich enttäuscht. Aber Kaval, der nicht mitbekommen hatte, was geschehen war, wurde bedeutet, bei Emilie zu bleiben.
Also ließen sie die beiden jungen Leute allein; A´kebur bemerkte mit hochgezogenen Augenbrauen, wie Emilie sich bei Kaval unterhakte und dieser nicht zu protestieren schien.
Auch Lakon bemerkte es. "Mir scheint, Mutter hat in ihrer Wahl einiges nicht ganz vorhergesehen."
Der berüchtigte Duval’sche Charme kannte offenbar wieder einmal keine Grenzen. A´kebur sah es mit Besorgnis. "Sie weiß, dass Vulkanier nicht berührt werden wollen. Ich verstehe ihr Verhalten nicht", murmelte er irritiert.
"Sie ist ein Mensch. Du müsstest doch inzwischen wissen, dass das Verhalten von Menschen irrational ist, Neffe." Lakon klang fast amüsiert.
"Weiß es auch Kaval?", erwiderte A´kebur.
"Humanoide Verhaltensweisen ist ein Fach in der Akademie. Außerdem muss er lernen, damit umzugehen", gab sein Onkel ungerührt zurück. Er schwieg einen Moment, dann fragte er: "Was hat es mit dieser Enterprise-Sache auf sich?"
"Enterprise-Sache?", wiederholte A´kebur. "Die Enterprise ist ein Schiff."
"Das weiß ich, Neffe. Aber Emilie sprach soeben davon, dass wieder ein neues Schiff dieses Namens gebaut wurde und du es bereits gesehen hast. Gibt es Grund zur Geheimhaltung?"
A´kebur blieb stehen und zwang damit auch Lakon dazu. "Ich weiß es nicht. Ich denke nur, dass es hier um einen Zeitfaktor geht. Es wird nicht mehr lange dauern und alle Völker der Föderation wissen, dass es ein neues Flaggschiff gibt. Was den tatsächlichen Grund angeht: Auch das wird sich wohl ziemlich bald enthüllen."
Lakon kannte die Politik gut genug, um A´keburs Worte einschätzen zu können. Er hatte gestern Abend den Befehl erhalten, sein Kommando alsbald auf der Sovk wieder aufzunehmen. Unweit zur Neutralen Zone hatte er eigentlich ein schon bekanntes Gebiet zu karthographieren. Das war ineffizient. Er wusste, was das bedeutete.
Sein Auftrag war ein anderer und auch er würde zu dem Kreis derer gehören, der schneller als andere erfahren würde, was dann eines Tages in den Geschichtsbüchern stand. Offenbar waren Verhandlungen mit den Romulaner im Gange, aber noch inoffiziell. Die Enterprise wäre das Schiff, das wohl das diplomatische Corps aufnehmen würde und als offizielle Repräsentanz der Föderation den Romulanern zeigte, mit wem sie hier verhandelten. Waffengerassel war gegenüber einem kriegerischen Volk einfach unabdingbar. Ansonsten bestand die Gefahr, dass Zurückhaltung mit Schwäche verwechselt wurde.
Lakon suchte den Blick von A´kebur. "Ich wünsche dir viel Glück."
"Ich denke, Cindy weiß, dass wir mehr als nur Glück brauchen werden. Ich werde nicht allein da sein. Die Enterprise mag ein starkes Schiff sein. Aber die Romulaner werden nicht nur ein Schiff schicken. Ich denke, dass es eine Falle ist."
"Dann sei darauf vorbereitet und habe ebenfalls ein oder zwei Pläne im Hintergrund, wenn etwas nicht so läuft, wie es sollte", riet Lakon.
A´kebur grinste verhalten. "Ich habe eine Crew, die ich nicht kenne. Mit ihr zu planen, ist etwas schwierig. Ich denke eher, dass ich mich an andere wenden könnte. Sagen wir mal, an den Captain der Sovk." A´kebur sah Lakon unschuldig an.
"Und dieser wird jederzeit bereit sein, gewisse Subraumbotschaften aufzufangen und entsprechend zu interpretieren." Lakon zog verschwörerisch eine Augenbraue schief.
A´kebur neigte leicht sein Haupt. Er lächelte. "Ja, nur, die Sovk ist kein Kriegsschiff", sinnierte er. "Es wäre fatal, käme sie in ein Gefecht ..."
"Die Sovk ist immer noch ein Starfleetschiff und hat in ihrer langen Dienstzeit einige technische Verbesserungen gesehen. Von außen wird sie jedoch weiterhin unterschätzt. Kümmere du dich um dein eigenes Schiff, Neffe und teste die Waffen, nur zur Sicherheit."
"Ich weiß nicht, wie deine Befehle sind. Aber ich denke, dass du erwägen solltest, sie zu ignorieren", gab A´kebur den Anschein auf, als wüsste er nicht, wovon er redete. "Niemand weiß, was letztlich weitergegeben wird, weil es im Interesse einiger Gruppen steht. Terra Prime gibt es nicht schon lange mehr. Aber ich habe heute Morgen eine Nachricht erhalten, die in Anbetracht der Zeiten, die vor uns liegen, ein anderes Gewicht erhalten. Ich gehe davon aus, dass ich keine Rückendeckung habe, Lakon, weil mein Scheitern erwünscht ist. Die großen Kriege sind schon lange her. Die Waffenlager sind voll. Die Wut ist immer noch groß. Auf ein Schiff wie die Enterprise kann man verzichten. Ich habe gesehen, dass eine nagelneue Flotte startbereit ist. Frage mich nicht, woher ich diese Informationen habe."
Sein Onkel nickte. "Wie schon damals, als es um den Frieden mit den Klingonen ging. Damals gab es eine Verschwörung zwischenhochrangigen Mitgliedern von Starfleet Command, den Klingonen und den Romulanern, um den Frieden zu verhindern. Es wäre nicht verwunderlich, wenn ähnliche Dinge wieder geschehen. Aber andererseits: Ohne Vertrauen kann es keine dauerhafte Allianz geben. Und wenn es keine Allianz gibt, wird irgendwann der Krieg ausbrechen und beide Seiten löschen sich gegenseitig aus."
A´kebur zögerte einen Augenblick, dann sagte er: "Ich glaube, es gibt Kräfte in dieser Sache, denen das egal ist. Und es geht ihnen nicht um die Ehre." Er drückte Lakon ein Datenpad in die Hand. "Das sind die Informationen, die ich gekauft habe. Einmal ein Pirat, immer ein Pirat", flüsterte er.
Der Vulkanier nickte nur und ließ die Daten schnell in der Tasche seiner Galauniform verschwinden. "Es ist akzeptabel, auf alles gefasst zu sein", erklärte er stoisch.
A´kebur war dankbar. Er hatte kein Interesse daran, eine Mannschaft in den Tod zu schicken, wenn es nicht darum ging, in einem Kampf zu sterben, sondern in einer aussichtslosen Situation. Es lag weder Ehre noch Logik darin. Es war inakzeptabel sowohl für seine klingonische wie auch für seine vulkanische Seite. Er war bereit zu kämpfen.
Aber gegen eine Flotte konnte er selbst mit der Enterprise nur die Flucht antreten. Für das Image der Föderation war dieser Schritt jedoch eine Katastrophe. Er brauchte einen anderen Weg. Er durfte nicht allein da sein. Unabhängig davon, ob die Befehle von Cindy ihre Adressaten erreichten oder nicht. A´kebur ging davon aus, dass alle Informationen früher oder später abgefangen wurden. Er war von dem Moment an allein gewesen, als er das Kommando übernommen hatte. Einen anderen Weg zu beschreiten, war ihm verwehrt. Er hatte einiges an Geld ausgegeben, um alte Kanäle zu öffnen und an mehr Hintergrundinformationen heranzukommen, sofern diese bekannt waren.
"Urgroßvater!", hörte er Emilie rufen. Sie kam auf ihn und Lakon zugerannt. "Es ist raus!", rief sie. "Die Enterprise!"
Augenblicklich war es in unmittelbarer Umgebung still. Einige hoben ihr Datenpad und sahen darauf, weil Emilie ihres in die Luft hielt. Noch bevor sie A´kebur erreicht hatte, wurde ein Raunen laut.
Lakon warf seinem Neffen einen Blick zu, der besagte: "Es war nur eine Frage der Zeit." Jedenfalls kamen nun mehrere interessierte Leute auf sie zu. Emilie wimmelte sie alle ab und trat stattdessen zu A´kebur. "Sie geben den Jungfernflug während der Zeremonie bekannt! Ich glaube, Großmutter wird zu dem Thema noch eine kurze Ansprache halten." Eilig strich die junge Frau sich über die Haare. "Kann ich mich so sehen lassen? Es geht gleich los. Ich habe Kaval bei Großmutter gelassen, sie wollte noch mit ihm sprechen. Kommt ihr?"
A´kebur nahm ihr das Datenpad ab. Neben der Nachricht stand noch etwas anderes. Die Romulaner hatten Friedensverhandlungen angeboten. A´kebur wunderte die Abstimmung nicht. Diese Informationen zu veröffentlichen, war notwendig bevor die Presse davon Wind bekam und die Nachrichten unkontrolliert entließen.
"Wir kommen", murmelte er. "Geh schon mal vor."
"Gut. Bis gleich!" Mit einem Wirbel dunkelblonder Haare war Emilie wieder verschwunden. Stumm reichte A´kebur Lakon das Datenpad. Dieser wirkte ebenfalls so, als habe er es fast erwartet. Schließlich hatte er sich einige Dinge schon zusammenreimen können. "Faszinierend", murmelte er. "Und höchst prekär."
Aber genauso, wie sie es erwartet hatten, dachte A´kebur. "Lass uns gehen. Die Zeremonie fängt gleich an!", murmelte er. Er fasste seinen Umhang und ordnete ihn. Er war nicht als Captain der Enterprise hier und trug daher seine vulkanische Kleidung. Er war nur der Urgroßvater von Emilie, der Vertreterin einer weiteren Generation von Duvals, die für die Föderation da sein wollten. Auf die eine oder andere Weise.
Lakon hingegen war offiziell als Starfleet-Captain hier. Er verließ A´kebur am Eingang zum großen Festsaal, um sich zu den Repräsentanten zu stellen. Er wusste, dass A´kebur dort im Leben nicht hatte sein wollen.
Nachdem unter den Gästen etwas Ruhe eingekehrt war, marschierten vom Seiteneingang her die neuen Kadetten ein und wurden mit Applaus begrüßt. Es mochten an die fünfhundert sein. Auch sie nahmen Platz, dann trat einer der ältesten Admiräle von Starfleet vor und begrüßte die Gäste, wünschte den Kadetten alles Gute und mahnte daran, die Ehre von Starfleet hochzuhalten. A´kebur erinnerte sich daran, dass er zu seiner Kadettenzeit exakt die gleiche Rede zu hören bekommen hatte. Nur der Admiral war damals ein anderer gewesen.
Dann kam der Schwur. Die Kadetten erhoben sich und schworen, dass sie ihre Ehre, ihr Leben, ihre Kraft, ihren Geist und ihr Herz Starfleet und den Völkern der Föderation widmen würden, so lange sie lebten. A´kebur erneuerte in diesem Moment seinen eigenen Schwur. Denn hier war er aufgenommen worden. Keine Vorbehalte. Es war nicht das Klingonische Reich. Aber hier war er willkommen. Lange noch hallte der Schwur in ihm nach, als die Zeremonie schon beendet war. Lakon sah ihn, als er wie verloren an seinem Platz stand und nichts zu sehen schien. Doch dann fokussierten A´keburs Augen ihn.
"Ich bin auf der Enterprise. Bitte sag Emilie, dass ich an sie denke", sagte er rau.
"Das werde ich. Langes Leben und Wohlergehen, A´kebur. Und viel Glück", erklärte Lakon. "Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder." In seinen blauen Augen schwammen für ein paar Augenblicke deutliche Gefühle. Sorge, Zuneigung, Hoffnung.
A´kebur war sich sicher, dass es bei ihm ähnlich aussah. Dann änderte sich etwas in ihm. Seine Gestalt straffte sich. "Enterprise, eine Person hochbeamen", gab er den Befehl, als er seinen verborgenen Kommunikator berührt hatte.
Lakon ließ ihn nicht aus dem Blick bis A´kebur sich vollkommen in einer Energiesäule aufgelöst hatte. Das vertraute Summen des Warpantriebs begrüßte den neuen Captain. An der Transporterkonsole stand bereits ein Chief, der nun Haltung annahm. "Willkommen an Bord, Sir."
"Sie haben mir die Frage verwehrt, ob ich an Bord kommen darf", meinte A´kebur. "Aber danke, Mr. Miller!"
Der junge Mann errötete. "Verzeihung, Sir. Aber Sie sind der Captain."
"Stehen Sie bequem. Und ja, ich bin es. Machen Sie weiter!" A´kebur lächelte in sich hinein. So langsam begann die Position des Captains in den kleinen Teilen Sinn zu machen, auch wenn er sich immer noch fehl am Platze fühlte. Er ging durch die Gänge und traf auch endlich die ersten Mitglieder seiner Crew.
Sie alle wussten, wer er war und begrüßten ihn respektvoll. Einige konnten sich ihre neugierigen Blicke nicht verkneifen, aber niemand war feindselig, im Gegenteil. A´kebur ging unbewusst etwas langsamer, um den Eindruck eines vernünftig bemannten Schiffes in sich aufzunehmen. Die Enterprise hatte nun das, was vorher noch gefehlt hatte, das war deutlich. Das Schiff bekam eine Seele. A´kebur war zufrieden. Selbst, als es auf einmal mächtig vor ihm knisterte, weil etwas durchgebrannt war. Ein Techniker fluchte hingebungsvoll. A´kebur griff kurz ein, umging den Stromkreis und drückte dem Mann ein neues Gelpack in die Hand. "Falsche Sicherung", murmelte er noch.
Der Techniker sah auf die Sicherung in seiner Hand, dann auf die Anweisung im Datenpad, die die durchgebrannte als richtig auswies und sah dann seinem neuen Captain nach. Hätte A´kebur sich noch einmal umgesehen, hätte er erneuten Respekt in dessen Augen gelesen und auch Sympathie. Welcher Captain legte schon höchstselbst Leitungen? Es gab sicherlich nicht viele, die da durchblickten und vielleicht sogar Pläne als fehlerhaft erkannten.
A´keburs Weg führte indessen direkt auf die Brücke. Da er noch nicht offiziell hier war, laut Zeitplan erst morgen, dachte er auch nicht daran, eine Uniform überzuziehen. Dafür hatte er das ausgesprochene Vergnügen, die Brücke voll besetzt zu sehen. Die ersten Tests mit der Crew und ihrem neuen Schiff liefen. Das endete erst, als jemand rief: "Captain auf der Brücke!"
A´kebur sah in erwartungsvolle Gesichter. "Weitermachen!", forderte er auf.
Dem Befehl wurde auch gleich nachgekommen. Commander Aera war aufgesprungen und begrüßte ihren Captain ebenfalls. Sie hatte auf ihrem eigenen Platz rechts neben dem Captainsstuhl gesessen. "Captain, willkommen. Ich habe bereits alle Berichte für Sie über den momentanen Status. Wir liegen sogar ein wenig vor dem Zeitplan."
"Einschließlich meiner Person. Danke, Commander!" A´kebur griff das Datenpad und setzte sich auf seinen Platz. Er überflog die Positionen auf der Liste und las ihren derzeitigen Erfüllungsstand ab. "Sind die Nachrichten auf der Erde an die Crew übermittelt worden?", fragte er mehr beiläufig.
"Aye, Sir. Ich habe mir die Freiheit genommen, einen Intercomruf durch das ganze Schiff zu machen, in dem ich ankündigte, Sie würden alles Weitere erläutern, sobald Sie hier wären, Sir", erwiderte Commander Aera. Offenbar war sie nicht minder neugierig.
"Wir haben noch keine offiziellen Befehle", meinte A´kebur und gab damit zu verstehen, dass es schon inoffizielle gab. "Die Enterprise ist im Moment unser einziges Ziel und ihre Einsatzbereitschaft. Ich möchte, dass die Seniorcrew in einer Stunde im Besprechungsraum zusammentrifft." Er erhob sich und wirkte zufrieden. "Ich bin bis dahin in meinem Quartier erreichbar."
"Aye Sir." Wieder standen alle auf, als A´kebur die Brücke verließ. Jetzt wurde es für ihn allerdings nötig, in seine Uniform zu wechseln. Eine Uniform, die er seit Ewigkeiten nicht mehr getragen hatte, schon gar nicht mit diesen Rangabzeichen. Es war mehr als ungewohnt.
A´kebur musterte sich in seinem Quartier in dieser neuen Aufmachung im Spiegel. Das dunkle Rot des Kommandooffiziers stand ihm, verlieh ihm eine gewisse Würde. Was hätte Etienne gesagt, wenn er ihn so gesehen hätte?
"Die Verschlüsse sind genauso schlecht aufzubekommen wie die vorherigen. Und das soll eine Verbesserung sein?", murmelte er. Genau das wäre es, was er gesagt hätte. Praktisch veranlagt für die gewissen Stunden. Sie hatten beide nie Geduld gekannt, wenn es um Nähe ging. A´kebur grinste und grollte leise, als wollte er Etienne noch im Jenseits herausfordern, sich in einen Balzkampf zu begeben. Für einen kurzen Moment hörte er das Echo einer Antwort, aber das bildete er sich natürlich nur ein. Etienne war nicht mehr da, er würde dennoch für immer bei A´kebur sein. Andere mochten diese stumme Zwiesprache mit einem Toten alles andere als gesund halten, doch Gnade demjenigen, der es A´kebur verbieten wollte.
Im nächsten Augenblick piepte der Kommunikator. "Dr. McCoy an Captain A´kebur. Würde es Ihnen sehr viel ausmachen, hinunter in die Krankenstation zu kommen, Sir?", meldete sich eine etwas heisere, dunkle Stimme.
A´kebur runzelte die Stirn. "Doktor?", erwiderte er etwas verblüfft. "Ich komme!"
Er fragte sich, was der Doktor schon jetzt von ihm wollte. Wenn zudem jemand krank war, schaffte er es sicherlich gut allein, damit fertig zu werden. Dennoch beeilte sich A´kebur in die Krankenstation zu kommen. Schon der erste Eindruck vermittelte im das Gefühl, dass auf dieser Station alles an seinem Platz war. Der Arzt schien keine Zeit verloren zu haben, um einsatzbereit zu sein. Es war recht ruhig und bis auf einen Fähnrich, der gerade eine kleine Verbrennung behandelt bekam, war kein Patient zu sehen. A´kebur sah sich suchend um.
"Sir?" Hinter einer Glaswand, die zum Büro führte, tauchte ein Mann im blauen Kittel auf. Er schien um die 40, hatte schon etwas schütteres Haar, Lachfalten und fast so stechend blaue Augen wie A´kebur selbst. Er streckte ihm die Hand entgegen. "Ich freue mich, Sie endlich kennenzulernen, Sir. Doktor James McCoy, zu Diensten. Sie haben ja alle Senioroffiziere zur Besprechung gebeten, aber ich dachte, ich nutze vorher die Zeit, um Sie in Augenschein zu nehmen." Er lächelte.
"In Augenschein!", wiederholte A´kebur und reichte ihm ohne zu zögern die Hand. "Und, genügt mein Anblick jetzt diesem Zweck?", fragte er.
"Nun, teilweise." Dr. McCoy lachte wieder entschuldigend. "Sobald wir erst gestartet sind, ergibt sich sicher nicht so schnell wieder eine Gelegenheit hierzu, also würde ich gerne mit Ihnen über einige Dinge sprechen. Untersuchen muss ich Sie nicht, die letzten Berichte von vor vier Wochen liegen mir vor."
A´kebur sah ihn verständnislos an. "Nun, was für Dinge wollen Sie ansprechen, Doktor, wenn doch anscheinend alles klar ist?"
"Nicht alles steht in Berichten, Sir, das wissen Sie doch." Der Doktor legte sein Datenpad beiseite. "Aber es geht vor allem um Ihr psychologisches Gutachten. Wenn ich das richtig verstanden habe, haben Sie vor zehn Jahren Ihren Lebenspartner verloren und sind seitdem in sich gekehrter. Keine Beziehungen, keine neuen Kontakte. Ich will mich nicht in Ihr Privatleben einmischen, Sir", erklärte McCoy hastig, als er A´keburs Stirnrunzeln sah, "aber ich habe oft genug gesehen, was mit Kommandooffizieren geschieht, die allein auf sich gestellt sind."
A´kebur sah sich um. Warum die Station auf einmal leer war, wusste er nicht, aber es genügte ihm. "Das Problem ist gelöst. Mir ist ein Adjutant meiner Familie zur Seite gestellt. Er wird in meiner Zeit da sein und meine Wut aufnehmen. Genügt Ihnen das, Doktor?"
McCoy hob die Augenbrauen. "Mir scheint, Vulkanier sind logisch bis zum Schluss. Aber es ging mir nicht nur darum, Sir. Allgemein ist deutlich geworden, dass Kommandooffiziere mit persönlichen Bindungen weitaus ausgeglichener und verlässlicher sind. Wie gesagt, Ihr Privatleben ist allein Ihre Sache, Sir, aber wir alle würden es begrüßen, wenn Sie sich in der Freizeit nicht allzu fern von uns hielten."
A´kebur hob eine Augenbraue. Dann lächelte er. "Sie nehmen den Captain also in Geiselhaft? Nun, ich denke, wenn Sie Poker können, dürfte meine Freizeitgestaltung durchaus auch bei Ihnen Anklang finden."
McCoy strahlte. "Sie gedenken also die auf der Enterprise traditionellen Pokerrunden wieder aufleben zu lassen? Das wäre großartig, Sir."
"Traditionen sollten gepflegt werden, Dr. McCoy. Wie ich sehe, sind Sie derselben Meinung. Sind Ihre Bedenken bezüglich meiner Seelenpflege jetzt ausgeräumt oder haben Sie noch etwas auf dem Herzen?"
"Nein, ich bin zufrieden, Sir. Aber ich würde mich freuen, wenn Sie mir berichten, wenn sich Ihr Privatleben zum Positiveren wendet. An Angeboten wird es Ihnen jedenfalls nicht mangeln. Selbst meine Schwestern hier schwärmen heimlich für Sie." McCoy zwinkerte.
A´kebur hob augenblicklich zwei Augenbrauen. Ein untrügliches Zeichen, dass der Doktor gerade gefährliches Terrain betreten hatte. "Nun", meinte A´kebur zögernd. "Wenn Sie hier ein Verkupplungsbüro aufmachen sollten, können Sie davon ausgehen, dass ich dagegen vorzugehen weiß."
Der Doktor hob die Hände. "Das war ein Beispiel, Sir, keine Aufforderung. Ich wollte damit nur sagen, dass Sie unter der Mannschaft bereits sehr beliebt sind, obwohl man sie noch nicht einmal kennt."
"Erstaunlich. Hing mein Konterfei mitsamt meinen Vorlieben am Schwarzen Brett?" A´kebur verschränkte seine Hände hinter seinem Rücken. "Wir werden sehen, ob ich den Beliebtheitswettbewerb gewinne bis zur nächsten umfassenden Simulation inklusive Angriff bei ausgestoßenen Antrieb inmitten des Romulanischen Imperiums."
"Sir, das wird nicht helfen. Vielleicht sollten Sie sich drei Wochen nicht waschen und Ihre Haare nicht mehr kämmen; mit etwas Glück fällt dann die Hälfte der Interessenten weg. Oder auch nicht", schmunzelte McCoy. "Ob Sie es wollen oder nicht, Sir, sie sind eine Legende. Und man sieht Sie endlich wieder in Action, den einsamen Wolf am Steuer in die Zukunft. Was erwarten Sie da?"
"Einsamer Wolf?", buchstabierte A´kebur, der langsam nicht mehr wusste, was er von diesem Gespräch halten sollte. "Warum sagen Sie mir das alles?"
"Damit Sie vorgewarnt sind und sich nicht wundern, wenn Ihre Crew vielleicht mal etwas merkwürdig reagiert."
"Hauptsache, sie macht den Mund zu, wenn ich Befehle gebe", knurrte A´kebur. "War es das?"
"Ja, Sir. Ich hoffe auf gute Zusammenarbeit, Sir. Vielleicht sollten wir die anderen nicht länger warten lassen", forderte McCoy sein Glück nicht weiter heraus.
"Dann sollten wir jetzt gehen", flüsterte der Captain und McCoy hatte das untrügliche Gefühl, dass es besser war, jetzt nichts weiter zu sagen.
Die Seniorcrew war schon anwesend, als sie den Besprechungsraum betraten. A´keburs Zeitgefühl teilte ihm mit, dass sie pünktlich waren. Wie auf Kommando standen alle Offiziere auf und nahmen Haltung an. A´kebur zollte seinen Respekt. Dann trat er an den Tisch. "Setzen Sie sich!", forderte er sie auf. Die Offiziere taten wie geheißen. A´kebur ließ seinen Blick schweifen: Counselor Troi saß links neben ihm; der junge Mann hatte große, dunkle Augen, denen nichts zu entgehen schien. Trotz seiner zierlichen Erscheinung und unschuldigem Gesicht sollte man ihn sicher nicht unterschätzen. Daneben saß Chefingenieurin Delacroix; die schon etwas ältere Frau wirkte handfest, kompromisslos und tüchtig, jemand, auf dem man sich immer verlassen konnte. Auf der anderen Seite neben Commander Aera hatte Lieutenant Commander Yamilu Platz genommen, die Wissenschaftsoffizierin. Die dunkelhäutige, bildhübsche Frau musste sich ihrer Verehrer garantiert mit einem Phaser erwehren, aber A´kebur hielt sich zurück, sie einzuschätzen. Ihr Ausdruck verriet nicht viel außer einem Lächeln. Lieutenant Ch'Grawbil schließlich, der Rigelianer, bildete einen geradezu schockierenden Kontrast zu der Schönheit neben sich. Sein Gesicht wirkte so fremdartig, dass A´kebur erst recht nicht einordnen konnte, was er dachte. Aber seine Augen waren wachsam. Ein Wesen, dem er die Sicherheit der Enterprise und der Besatzung blind überantworten konnte.
"Willkommen auf der Enterprise, auch wenn die offizielle Begrüßung noch kommen wird", begann A´kebur. "Leider hatten wir nicht die Gelegenheit, uns vorher kennenzulernen, und so wie es aussieht, werden wir uns erst während unserer Mission besser kennen lernen können. Ihnen ist sicherlich nicht die Nachricht entgangen, die außer der Nachricht über ein neues Flaggschiff der Föderation zu hören war. Noch haben wir keinen offiziellen Einsatzbefehl, doch wir werden ein diplomatisches Corps aufnehmen und zu einem Ort bringen, der noch genannt werden wird. Ich möchte Sie bitten, vorerst mit Informationen zurückhaltend zu sein und keine Spekulationen in der Crew zuzulassen. Wir haben einen engen Zeitplan, der durch eine Kleinigkeit in Frage gestellt werden kann." A´kebur sah jeden bei seinen Worten in die Augen. "Um ein umfassendes Bild zu bekommen, möchte ich, dass jeder sagt, wie der derzeitige Stand jeder Station ist. Ich hätte auch nichts dagegen, wenn jeder vorher seinen Namen sagt, damit er korrekt ausgesprochen werden kann. Mein Name ist A´kebur Lanar Re. Captain oder Captain A´kebur genügen jedoch."
Diese Aussage erntete ein leises, zustimmendes Lachen; keiner der Anwesenden hatte gewusst, wie man diesen klingonischen Namen vernünftig aussprach. Danach begann Commander Aera neben ihm: "Mariko Aera. Ich habe in den letzten Tagen den allgemeinen Status des Schiffes und der Crew sondiert. Bis auf einige Details sind wir meiner Meinung nach aufbruchsbereit, aber die Experten hier am Tisch werden es in einigen Dingen besser wissen."
Man schien beschlossen haben, den Damen den Vortritt zu lassen, denn Commander Yamilu folgte Commander Aeras Vorstellung. Sie sprach ihren Namen weich aus und ihre Stimme, dunkel und sanft, hatte einen leichten, A´kebur unbekannten Akzent. "Die Datenbanken sind vollständig und ich habe bereits alle Informationen, die wir über die Romulaner haben, zusammengestellt und sortiert", erklärte sie. "Ansonsten schließe ich mich Commander Aera an."
Nun war Chefingenieur Delacroix an der Reihe. A´kebur hatte von Etienne genug Französisch aufgeschnappt, um zu wissen, dass man es "Delahkroh-a" und nicht "Delekroy" aussprach.
Sie sah ihn ernst an. "Der Antrieb und die Systeme sind einwandfrei", berichtete sie. "Wir machen die letzten offiziellen Tests, doch die Protokolle des Testfluges sind äußerst aussagekräftig. Die Enterprise ist in einem perfekten Zustand. Der Zeitplan ist zu halten. Ich erwarte noch Crewmitglieder und zwar morgen Mittag."
Als nächstes sprach der Sicherheitschef. Ch'Grawbil sprach seinen Namen langsam aus, aber irgendwie entzogen sich Buchstaben dem Hörvermögen. Trotzdem war der Name mit einiger Übung aussprechbar. "Die Sicherheitssysteme sind überprüft, die Crew auf ihren Posten. Doch mir machen die Sperren auf den Decks eins, drei und fünf Sorgen. Sie scheinen, ein Mensch sagte das, einen Wackelkontakt zu haben. Wir können den Fehler nicht finden. Wir wechseln jetzt systematisch einen Kontrollpunkt nach dem anderen aus und schalten die Sicherheitsprotokolle neu. Doch, um die Sicherheit bei dieser Mission sicherzustellen, würde ich ein vom Schiff unabhängiges System vorschlagen. Das würde bis zum Funktionieren der Sicherheitssysteme der Enterprise auch die Lücken auffangen." A´kebur zog die Augenbrauen zusammen. "Haben Sie eine Alternative im Sinn?", fragte er.
Ch'Grawbil nickte. "Ja!" Er gab etwas auf sein Datenpad, woraufhin ein holographisches Bild erschien. Offenbar hatte er vor, wirklich ein vollkommen unabhängiges System innerhalb des Schiffes zu installieren. Es umfasste alle sensiblen Bereiche und sorgte für absolute Isolierung nach außen hin, sollte es notwendig sein. Die Steuerung war auf der Brücke. "Der Zeitplan ist nicht zu halten", stellte A´kebur fest, der dafür ein Nicken seines Ersten Offiziers erhielt.
"Aber der Vorschlag ist gut", meinte sie. "Captain, ich schlage vor, dass wir damit trotzdem schon beginnen. Wenn wir auch nur einige Bereiche damit abgesichert haben, wäre das eine große Verbesserung."
A´kebur überlegte. "Machen Sie einen Plan, Ch'Gra..." Er sah seinen Sicherheitschef ratlos an. "Ich fürchte, ich muss passen", meinte er dann.
Der Rigelianer war nicht beleidigt. "Commander Yamilu spricht es auf Hamalan aus, das ist vielleicht einfacher. Und ich werde mich sofort an die Arbeit machen, Sir."
Die Wissenschaftsoffizierin nickte, und A´kebur merkte, dass die beiden sich offenbar schon länger kannte. Ein merkwürdiges Paar, ohne Zweifel. Aus ihrem Mund klang der Name, sie sprach es "Tsche-Grabil" aus, doch tatsächlich so, als könne man ihn aussprechen.
Er dankte auf menschliche Weise. Er wandte sich Dr. McCoy zu, der im ersten Moment zusammenzuckte, als hätte er ein schlechtes Gewissen. "Doktor, bitte, Sie haben sicherlich auch etwas zu sagen."
Commander Aera hob erstaunt eine Augenbraue. Ihr war der feine Unterton nicht entgangen. Sie nahm sich innerlich vor, hier darauf zu achten. Sie hatten keine Zeit, dass der Doktor und der Captain einen Disput austrugen.
Ersterer stellte sich ebenfalls vor und gab dann einen kurzen Bericht. "Rein klinisch sind alle Crewmitglieder in hervorragendem Gesundheitszustand. Aber wichtiger erscheint mir der enorme Druck, der unmittelbar auf alle ausgeübt wird. Natürlich sind sie darauf trainiert, aber die Umstände ..." Er hob vielsagend die Hand. "Counselor, ich denke, Sie können da mehr zu sagen."
Counselor Troi nickte, und seine großen dunklen Augen ruhten auf A´kebur. Es war etwas beunruhigend. "William Thomas Troi. Und ja, ich teile diese Einschätzung. Wir alle sind für das Unmögliche ausgebildet, aber die Sache mit den Romulanern macht allen zu schaffen. Das Vertrauen in Sie, Captain, ist bereits vorhanden, aber ich denke, Sie müssen sich trotzdem unter Beweis stellen."
"Haben Sie da eine konkrete Vorstellung?", fragte A´kebur vorsichtig.
"Sobald Sie nähere Informationen haben, wäre eine Ansprache nicht schlecht, Sir. Machen Sie den Leuten Mut, ihre Arbeit besser als nur möglich zu tun. Immerhin ist das hier die Enterprise. Die Crew wird an ihren Vorgängern gemessen."
A´kebur wusste, dass das eine enorme Bürde war. Er hatte im Moment nur den Kopf dafür, die Mission erfolgreich zuende zu bringen. Aber der Hinweis war wichtig, wollte er Vertrauen einflößen. "Vermerkt!", erklärte er. "Vielen Dank. Haben Sie noch etwas hinzuzufügen, Dr. McCoy, Counselor Troi?"
"Nein, Sir. Vielleicht werden wir später noch etwa hinzuzufügen haben, wenn die Dynamik der Crew sich entwickelt hat", erklärte Troi. "Ich werde Sie auf dem Laufenden halten, Sir."
"Danke!" A´kebur hob eine Augenbraue, sah Commander Aera an und dann die übrigen. "Es ist mir eine Ehre, mit Ihnen zusammen zu arbeiten", erklärte er. "Ihre Arbeit wird es sein, die über den Erfolg oder den Misserfolg, über Frieden oder Krieg, Leben oder Tod entscheiden wird. Ich werde eine Ansprache an die Crew nach den Feierlichkeiten der Taufe der Enterprise halten. Bis dahin wissen wir alle mehr und auch den Zeitplan."
Kollektives Nicken antwortete ihm und er beendete das Treffen offiziell. Die Gewissheit, gute, verlässliche Leute um sich zu haben, gab enorme Sicherheit. Einige waren zwar schwer einzuschätzen, aber A´kebur würde noch dahinterkommen. Er stand auf und ging zum großen Panoramafenster, das im Augenblick die Nordhalbkugel der Erde zeigte. Was hätte Etienne von diesen Leuten gehalten? Vermutlich hätte er ihm geraten, Leuten nicht zu trauen, die nicht lächeln oder zuviel lächeln. Und ihn gewarnt, hübschen Frauen erst recht nicht zu glauben.
A´kebur spürte, dass er nicht allein gelassen wurde. Er sah kurz über seine Schulter und wunderte sich nicht, den Counselor zu sehen. "Ich kenne Ihre Großmutter", meinte A´kebur leise. "Und Ihren Großvater. Sie sind ehrenvolle Menschen."
"Danke, Sir. Ich habe so einiges zu hören bekommen von ihnen, als ich berichtete, dass ich auf der neuen Enterprise dienen werde. Die beiden werden auch zur offiziellen Einweihung da sein, obwohl sie kaum mehr laufen können", erwiderte Troi. "Aber ich wollte noch etwas mit Ihnen besprechen Sir, unter vier Augen. Dem Blick nach, den Sie Dr. McCoy zuwarfen, hatten Sie beide schon ein ähnliches Gespräch. Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, Sir, aber es ist meine Aufgabe."
"Es ist erstaunlich, wie sehr mein Privatleben meine Crew beschäftigt. Ich werde veranlassen, dass ein Schwarzes Brett aufgehängt wird, auf dem Daten meines Metabolismus und meine derzeitige Flamme abzurufen ist", murmelte A´kebur verärgert.
Der Counselor hatte den Anstand, etwas verlegen dreinzuschauen. "Der Doktor ist in solchen Dingen immer sehr direkt, fürchte ich. Aber darum ging es mir gar nicht."
"Oh, nein? Dann sagen Sie mir, was Sie anzumerken haben. Sonst habe ich den Anstand, Sie zum Training einzuladen und Dr. McCoys Kunst in Anspruch zu nehmen."
Der Counselor ließ sich aber nicht einschüchtern. "Was ich vorhin sagte, dass Sie der Mannschaft Zuversicht geben sollen, das können Sie nur, Sir, wenn Sie diese Zuversicht auch selber haben. Aber Sie zweifeln an sich. Sich zu hinterfragen ist eine Sache, aber Sie glauben nicht, dass Sie als Captain geeignet sind."
A´kebur musterte ihn. "Worauf basiert Ihre Meinung, Mr. Troi?", fragte er. "Soweit ich weiß, sind Sie Empath, und meine Schranken sind unangetastet. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Ihre Quelle offenlegen."
Der Counselor lächelte. "Ihr Gesichtsausdruck, Ihre Gestik, Ihre Akte und ein Gespräch mit Admiral Duval", gab er zu. "Man muss kein Hellseher sein, um zu erkennen, was Sie bewegt, Sir. Ich verstehe Ihre Besorgnis, aber Sie haben es selbst gesagt: von den winzigsten Dingen hängt es ab, ob wir Erfolg haben oder scheitern."
"Scheitern ist nicht vorgesehen", erwiderte A´kebur. "Ich habe nicht vor, Zweifel aufkommen zu lassen. Und Sie können davon ausgehen, dass ich weiß, was ich tue und dass ich nicht zögern werde. Ich bin der Captain der Enterprise und Sie sind der Counselor der Enterprise."
"Aye, Sir. Ich bitte Sie nur darum, das nicht zu vergessen. Danke, dass Sie mich ausreden ließen." Mit einem Lächeln wandte sich Troi um.
"Mr. Troi! Ich habe im Übrigen jemanden für Sie!"
Dieser wandte sich wieder um. "Sir?"
"Ich wünsche, dass Sie sich meines Adjutanten annehmen, soweit Sie Zeit dazu haben. Er ist Vulkanier und möchte menschliches Verhalten studieren", erklärte A´kebur.
"Natürlich, Sir. Sie können ihn unbesorgt zu mir schicken", versprach Troi ihm. "Vermutlich wird er hier mehr menschliches Verhalten sehen, als ihm lieb ist."
"Ich fürchte, er wird nicht genug davon bekommen. Er zeigt für einen Vulkanier erstaunlich undiszipliniertes Verhalten. Sie dürften also Ihre Freude daran haben. Es könnte eine Bereicherung in seinen Fähigkeiten sein. Leider habe ich nicht die Zeit, ihm in der nächsten Zeit Objekt seiner Untersuchung zu sein. Ich bin für ein wenig Bewegungsfreiheit dankbar."
"Ich verstehe." Trois Lächeln wurde etwas zu wissend für A´keburs Geschmack. "Ich werde ihn beschäftigt halten."
A´kebur entließ seinen angehaltenen Atem, als Mr. Troi gegangen war. "Mischlinge", fluchte er. Unberechenbar, merkwürdig und meist nicht das, was man brauchte.
Er schüttelte den Kopf und seufzte.
Den Rest des Abends jedoch hatte er keine Zeit mehr daran zu denken. Er sortierte die hereinkommenden Informationen, um bereit zu sein, bevor der Ernstfall eintrat. Bisher behielten die Offiziere Recht: Sie würden rechtzeitig fertig sein. Sie bekamen die letzten Informationen herein, wie der Zeitablauf der Feierlichkeiten sein würde.
A´kebur entschied sich, die Nacht erneut auf der Enterprise zu verbringen. Er hatte hier alles, was er brauchte. Er war mit wenig Gepäck gekommen. In seinem Quartier würde er erreichbar sein, sollte etwas passieren, und er hatte gleichzeitig Ruhe genug, um ein wenig nachzudenken. Lediglich den Weg der Krankenstation mied er und fuhr dafür sogar einen Umweg zu seinem Quartier, um nur nicht in Gefahr zu geraten, Dr. McCoy zu begegnen.
Dieser neugierige Mensch mischte sich seiner Ansicht nach viel zu sehr in die Belange anderer Leute an. Es erinnerte ihn ein wenig an Shana. Aber die Andorianerin hatte mehr Takt bewiesen. Zumindest bei den wichtigen Sachen.
A´keburs Umweg hatte zur Folge, dass er durch Sektionen ging, in denen der Turbolift noch nicht justiert war. Aufgrund der hohen Geschwindigkeit konnte man ihn erst in Betrieb nehmen, wenn er genug getestet war. Natürlich machte es niemandem etwas aus, wenn er etwas zu Fuß gehen musste, aber A´kebur empfand es als unangenehm. Bis zum Start sollte es funktionieren.
Er wich ein paar Technikern von der Andockstation aus, die dabei waren, den Lift zu programmieren. Auch ein Sicherheitsschott wurde neu eingestellt, weil es noch nicht richtig schloss.
Er ging hindurch, besah es sich und machte sich geistige Notizen. Morgen würde er nachschauen, ob dann alles funktionierte. Ansonsten schickte er die Chefingenieurin durch, alles zu prüfen. Sie fand sicherlich einen Weg, dass auch die Turbolifte langsamer fuhren. Ansonsten überlegte A´kebur, ob er selbst durchging, um dem Computer die Werte für angenehmes Reisen zu geben.
Er merkte nicht, dass er beobachtet wurde. Es waren nicht nur die üblichen Blicke, die ihn streiften, wenn er vorbeiging. Einer der Techniker der Station blickte ihn aus den Augenwinkeln an, setzte aber seine Arbeit mit schlafwandlerischer Sicherheit fort. Er sah den Captain der Enterprise nun zum ersten Mal und obwohl er sich jahrelang vorbereitet hatte, war es doch ein Unterschied, A´kebur in Fleisch und Blut zu sehen statt eines Holobilds. Als der Techniker sah, dass der Captain erneut stehen blieb, um ein loses Schaltpanel zu begutachten, beendete er seine momentane Arbeit mit zwei Handgriffen und ging hinüber zu der Tafel, um dort weiter zu machen. Diesmal blieb der Blick auf die Arbeit gerichtet, aber er wusste genau um A´keburs Präsenz und auch dessen plötzlichen Blick im Nacken. Aber da gab es nichts zu sehen. Nur einen vulkanischen Techniker.
Er hörte, wie dieser sich fast lautlos räusperte. Kein typisches Geräusch für einen Vulkanier und auch nicht wirklich für einen Klingonen. Er schien etwas irritiert zu sein. Der Instinkt dieses Mannes war gut, auch wenn er wohl nicht einschätzen konnte, was ihm sein Instinkt gerade mitteilte. Captain A´kebur ging, nicht jedoch ohne noch einen Blick zurückzuwerfen.
Mit einem erneuten Seitenblick bemerkte der Mann, der wie ein vulkanischer Techniker aussah, das Weiten der Nasenflügel und wusste, dass es funktionierte. Er hatte es nicht hundertprozentig gewusst, deswegen war ein erster Test notwenig gewesen. Betont konzentriert sah er wieder auf das Schaltpanel vor sich.
Er wusste, dass er nur noch heute Gelegenheit haben würde. Dann war der größte Teil der Crew da und die restlichen Arbeiten mussten erledigt sein. Es war ein Glücksfall, dass der Captain schon heute zugegen war. Das war etwas, was es auszunutzen galt.
A´kebur hatte das Gefühl, dass sich ein Spalt im Universum aufgetan hatte. Er fühlte und spürte etwas, was er schon lange nicht mehr gefühlt hatte. Er schüttelte den Eindruck ab und suchte Zuflucht in seinem Quartier.
Er wusste nicht, was es war, dass ihn so plötzlich erfasst hatte. Etwas Flüchtiges und doch unsäglich Vertrautes. Ohne dass A´kebur es bemerkt hatte, hatte er sich eine Hand über die Augen gelegt. Er war so verwirrt, dass er kaum hörte, wie es an seiner Tür summte und das Schott aufging. "Verzeihung, Sir, ich wusste nicht, dass Sie hier sind. Ich komme später wieder, um Ihren Replikator zu justieren", meldete sich eine leicht akzentuierte, dunkle Stimme.
Der vulkanische Techniker, erkannte A´kebur. "Sie können den Replikator jetzt justieren", erlaubte A´kebur.
"Aye, Sir." Der junge Mann ging hinüber zu dem Gerät, das bisher wirklich nur heißes Wasser statt Kaffee ausgespuckt hatte und nahm die Verkleidung ab. Er ging nicht wirklich dicht an A´kebur vorbei und doch war es da wieder, dieses Vertraute, nicht Greifbare.
A´kebur verbarg in einem Moment der Schwäche sein Gesicht. Seine Wunde und ins Leere gehende Verbindung regte sich in einem Reflex und nur mit Mühe konnte er verhindern, dass er leise stöhnte. Es schmerzte und die Wunde würde sein Leben lang nicht heilen. A´kebur hätte blind danach greifen können und doch wusste sein Verstand, dass er nicht berühren würde können, was ihm seine Gefühle vorgaukelten.
"Sir? Alles in Ordnung?" Der junge Vulkanier hatte seine Arbeit unterbrochen und sah zu A´kebur, während er innerlich jubelte.
Oh, und wie es funktionierte!
A´kebur zuckte zusammen und sah ihn an. "Alles in Ordnung. Sind Sie fertig?", fragte er hastig und hoffte, sich nichts mehr anmerken zu lassen.
"Fast, Sir. Sind Sie sicher, dass Sie nichts brauchen?" Der Techniker trat nun auf A´kebur zu, die hellbraunen Augen aufmerksam und doch... besorgt sicher nicht? Vielmehr abwartend. Fast lauernd. A´kebur begriff nun auch endlich, was ihn so entsetzlich ins Wanken brachte. Es war der Geruch, den sein Gegenüber umgab.
So bekannt und einfach unmöglich. Verändert. Er schloss die Augen und keuchte. "Gehen Sie!", zischte er. "Verlassen Sie mein Quartier!"
Der Vulkanier bewegte sich nicht. Stattdessen streckte er eine Hand aus, um A´kebur zu berühren. Seine Fingerspitzen glitten über die Schläfen bis hin zum Ohr.
A´kebur schrie geistig auf. Doch er war nicht in der Lage, sich zu bewegen. Ein Teil seines Verstandes bemerkte mit erschreckender Klarheit, wie verwundbar er wirklich war. Nur diese Erkenntnis kam zu spät.
Verständnislos sah er in dieses fremde Gesicht, während sein Geist auf eine Art berührt wurde, wie er es niemandem mehr erlaubt hatte.
Und er sah etwas, das für einen Vulkanier völlig fehl am Platze war. Sein Gegenüber lächelte. "Captain, ich schlage vor, Sie entspannen sich."
Er hob auch die andere Hand und presste nun beide Hände gegen A´keburs Schläfen. Die richtigen Druckpunkte zu finden war nicht schwer, aber ob er wirklich Erfolg haben würde, war die andere Frage. Er durfte kein Risiko eingehen.
Der junge Mann, der definitiv kein normaler Vulkanier war, setzte all seine geistige Kraft ein, um jeglichen Fehlschlag zu vermeiden. Er hatte nur diese Chance.
A´kebur erinnerte sich seines Trainings. Er griff nach den Handgelenken und versuchte seinen Geist gegen den Invasor zu stemmen, während er merkte, dass ihm mehr und mehr der Boden unter den Füßen weggenommen wurde, weil er nicht wollte. Weil er diese schreckliche Einsamkeit nicht wollte ...
Er knurrte. Er war sein eigener Feind. Das durfte nicht sein! Seine Erinnerungen gaukelten ihm einen vertrauten Duft vor, ersetzte das feindliche Gesicht gegen eines, das er so lange vermisst hatte. "Nein", wimmerte er. "Nein, du bist tot!"
"Ich bin hier. Ich bin immer bei dir", flüsterte eine Stimme, doch es war falsch, zu real. Etienne war eine Erinnerung, klar, aber nicht greifbar. Das hier war falsch!
Der Vulkanier, der keiner war, lächelte grimmig. A´keburs Widerstand schien abzunehmen, aber noch wehrte er sich - auch körperlich. Kurzerhand drückte er ihn aufs Sofa hinunter, ein Knie auf dessen Bauch. Die Hände um seine Handgelenke blieben eisern an ihrer Stelle, doch jetzt wurde der geistige Widerstand wirklich spürbar schwächer. Wie beschrieben, sah der junge Mann das Band. Sein einziges Ziel in diesem Moment. Er hatte dergleichen noch nie gesehen, aber er wusste, dass dort der Punkt war, der die meisten Vulkanier wie einen Baum zu fällen vermochte. Er hörte den seelischen Schrei A´keburs, als er das Band berührte.
Im nächsten Moment war nur noch Zeitlosigkeit. In einem uralten Reflex, geboren aus dem Drang zu überleben, dehnte sich das Band aus, berührte den Invasor und A´kebur, verband sie aneinander und flocht sich auf bekannte und doch fremde Weise neu.
A´kebur stöhnte auf. Seine Hände hielten immer noch die Handgelenke fest, jetzt nur ohne Kraft. Er spürte, wie er losgelassen wurde. Noch immer halb blind spürte er mehr als er sah, wie etwas in ihn injiziert wurde. Das leise Zischen war nahe seinem Ohr. Dann folgte eine zweite Injektion.
Er blinzelte. Schwere erfasste seine Glieder. Ehe er vollkommen jegliche Spannung aus seinem Körper verlor, wurde er hochgezogen und zum Laufen gezwungen. Als er kurz darauf wieder lag, fühlte er, dass er sich im Bett befand. Ein Teil seines Verstandes feuerte ihn an, sich zu erheben, zu fliehen. An einen Kampf war nicht mehr zu denken. Jeder weitere Atemzug raubte ihm Kraft, sich überhaupt umzudrehen. Der Vulkanier, der keiner war, beugte sich erneut zu A´kebur hinunter. Das Band, das er gewaltsam geknüpft hatte, war nicht stabil genug mit nur einer flüchtigen Berührung. Es musste noch gefestigt werden.
Im Stillen verfluchte er die Verschlüsse von Starfleetuniformen, während er sich daranmachte, A´kebur der Kleidung zu entledigen. Dieser sah ihn nur mit glasigen Augen an und erhob keinen Protest. Mit etwas Mühe war der Stoff schließlich aus dem Weg.
A´kebur schloss seine Augen und versuchte seine strudelnden Gedanken zu konzentrieren. Er musste sich wehren, den Angreifer unschädlich machen. Dann konnte er sich um den Rest kümmern. Mit Mühe hob er seine Hände und versuchte seinen Angreifer damit wegzudrücken.
Aber stattdessen wurden seine Handgelenke festgehalten und unnachgiebig nach unten gedrückt. Erneut raschelte Stoff.
Sein Angreifer zögerte einen Moment. Dann, mit einem raubtierhaften Lächeln schob er A´keburs Beine auseinander.
"Nicht Etienne", murmelte A´kebur. "Nein, nein..."
Er wand sich und versuchte den Händen auf seiner Haut zu entkommen. Er war müde. Jede Bewegung schmerzte. Als er seinen Blick fokussieren konnte, ahnte er entfernt, was dieser Vulkanier wirklich war. Aber wieder drifteten seine Gedanken davon.
Tiaren Nevius, Centurio des Romulanischen Imperiums, lächelte auf den Captain der Enterprise hinunter, während er jeden Augenblick genoss. Der berühmte A´kebur Lanar, hilflos unter ihm wie eine gewöhnliche Hure. Mit spöttischer Zärtlichkeit beugte er sich vor und biss den Klingonenmischling leicht ins Ohr.
Selber Hure, hallte es unvermittelt in seinem Kopf, während A´kebur zeitgleich gegen die unwillkommenen Gefühle kämpfte.
"Soso, es funktioniert also", wisperte Tiaren. Er hatte zwar gelernt, eine Verbindung zu schaffen, aber ein Telepath im eigentlichen Sinne war er nicht. Dementsprechend konnte er A´kebur gar nicht gedanklich antworten.
"Was?", ächzte A´kebur.
Doch Tiaren lächelte nur und ließ seine Hände über A´keburs Oberkörper wandern. Die Haut wurde bereits deutlich wärmer. Nun, er musste zugeben, auf eine exotische Art sah der Mischling gut aus. Es war das, was Tiaren verabscheute.
A´kebur schluckte. Er fühlte, wie seine Gedanken an Kontur gewannen. Er wusste nicht, ob da so gewollt war. Die Intention dieses Romulaners, und dessen war er sich mit jeder Sekunde mehr und mehr sicher, war eindeutig. Er wollte ihn binden. Das Warum entzog sich ihm aber. A´kebur spürte aber, dass dieser Romulaner unsicher war und so sah er eine Chance.
Er hatte vielleicht nicht die Kraft, diesen Spion von sich zu stoßen, aber er konnte verhindern, dass er sein Werk vervollständigte. Während sein Körper den Streicheleinheiten folgte, konzentrierte er seinen Geist auf die vage Verbindung, begann sie grob zu zerfetzen und ignorierte die Schmerzen, die er sich dabei selbst zuzog.
Tiaren knurrte, als er merkte, was A´kebur tat. Er war darauf vorbereitet. Kurzerhand entfernte er die letzten physischen Barrieren zwischen ihnen und drang in den Klingonen ein. Diesmal körperlich.
A´kebur riss die Augen auf. Sein Mund öffnete sich, doch ehe er schreien konnte, wurde sein Mund grob zugehalten.
Tiaren war zwar sonst eher für elegantere Methoden, aber in diesem Fall war das der einzige Weg. Und der Klingone fühlte sich verdammt gut an. Die freie Hand presste Tiaren erneut an dessen Schläfe.
Er spürte, wie sein Opfer litt. Es war etwas anderes, wenn man von außen zusah. Doch jetzt befand er sich mittendrin. Was ihm der Körper an Bewegungen verweigerte, geschah in seinem Kopf. Er kämpfte, aber durch den Schmerz war er blind wie ein wilder Berserker. A´kebur allerdings jetzt wieder zu beruhigen, war ein Ding der Unmöglichkeit in Tiarens Augen. Hauptsache, das Band war fest. Und auch wenn es zu glühen schien, so wob sich doch Faden für Faden immer enger mit jedem Mal, als sich Tiaren in den Körper unter ihm versenkte.
Endlich fühlte er, wie der Mischling ihm nachgab, das Band zuließ, es nicht weiter attackierte und nicht einmal daran dachte. Ohne Hilfe war es nach diesem Angriff nicht mehr lösbar. Und mit Hilfe auch nur, wenn sie auf Vulkan unter Aufsicht einer Priesterin stattfand. Tiaren rechnete nicht damit, dass dieser Mischling das über sich ergehen ließ. Die Scham dürfte groß genug sein und die Verunsicherung.
Mit anderen Worten: Er hatte Erfolg auf der ganzen Linie gehabt. Dieser Gedanke war unaussprechlich erregend, und Tiaren gönnte sich den Moment der Ekstase. Mit einem befriedigten Lächeln löste er sich von A´kebur. Jetzt ging es nur noch darum, diesem die Erinnerung ein wenig zu vernebeln. Tiaren suchte ein drittes Hypospray aus der Tasche seiner Kleidung.
Mit einem Zischen entleerte er es an A´keburs Hals. Der Captain war noch lange nicht wieder Herr seiner Sinne und würde es auch so schnell nicht werden. Tiaren zog sich ungerührt wieder an. "Egal, was du tust", flüsterte er und leckte A´kebur über die Wange. "Ich bin ab jetzt immer bei dir. Sieh dich vor."
Der schmale Spalt der Augen schloss sich bei den Worten. Tiaren spürte, wie der Mischling bewusstlos wurde. Dieser Teil der Mission war damit abgeschlossen.
Als Tiaren ging, ließ er den Captain dieses föderalen feuchten Traumes in der Position zurück, die diesem deutlich machten, dass etwas passiert war, was unaussprechlich war. Gleichzeitig besaß er keine bewussten Erinnerungen daran. Tiaren war mit sich zufrieden.
Zwar bestand immer noch das Risiko, dass jemand an Bord, der psi-begabt war wie beispielsweise der Counselor oder die Wissenschaftsoffizierin etwas mitbekommen hatte, aber selbst wenn, wer würde schon glauben, dass der Captain von einem Romulaner auf der Enterprise flachgelegt worden war. Jedenfalls war Tiaren dann schon lange hier weg.
Er vergewisserte sich, dass im Gang niemand war, dann ging er zum nächsten Turbolift.
Zwei Decks weiter schreckte Counselor Troi aus einem unruhigen Schlaf hervor. Er hatte ziemlich wirres Zeug geträumt, was den Captain betraf, aber gleichzeitig war da ein dumpfes Gefühl, dass etwas nicht in Ordnung war. Noch schlaftrunken stieg er aus dem Bett und ging zur Konsole. "Counselor Troi an Captain A´kebur."
Niemand antwortete. Er wusste jedoch, dass der Captain auf dem Schiff war und die Entfernung auch bis zur Erde kein Problem darstellen sollte. William griff nach einem Poncho und warf ihn sich über die Schultern. Das Gefühl der Gefahr war dringend, daher lief er, so schnell er konnte. Noch bevor er vor der Tür stand, rief er: "Computer, Status von Captain A´kebur!"
"Der Captain schläft, Counselor Troi!"
Die Antwort war keinesfalls befriedigend. Jeder Starfleetoffizier wurde darauf gedrillt, augenblicklich aufzuwachen, wenn er einen Intercomruf bekam. William betätigte den Summer an der Tür. Wieder nichts. Kurzerhand trat er einen Schritt vor, um festzustellen, dass offen war. Der Captain hielt wohl nichts von verschlossenen Quartieren.
"Captain? Alles in Ordnung?" William durchquerte das geräumige Quartier bis zum Schlafzimmer, um dort abrupt stehenzubleiben. A´kebur lag ausgestreckt und völlig nackt auf dem Bett.
William musste zugeben, dass dieser Anblick irritierend war. "Captain?", rief er laut genug, dass er eigentlich damit den Captain wecken müsste. Doch nichts geschah. Captain A´kebur bewegte sich nicht einmal. Langsam kam William näher. Das hier war nichts, was er seinen Kindern erzählen würde, stellte er fest. Captain A´kebur lag wie hingegossen da. Angestreckt konzentrierte sich William auf das Gesicht. Irritiert bemerkte er, dass an den Wimpern etwas glitzerte. Ganz vorsichtig berührte er die Augen.
"Tränen!", wisperte er. Gleichzeitig spürte er, dass der Captain nicht wirklich schlief. Dieser Schlaf war zu tief für einen natürlichen Schlaf.
William griff nach der Decke und zog sie über den Captain, dann versuchte erneut, vorsichtig ihn zu wecken. Nichts. Er betätigte den Kommunikator. "Counselor Troi an Krankenstation. Doktor, bitte kommen Sie zum Quartier des Captains."
"Ich komme", hörte er einen Atemzug später den Arzt. So sollte es auch sein und nicht dieser totenähnliche Schlaf. Troi blieb ratlos stehen und wartete die endlos scheinenden Minuten ab, bis Dr. McCoy endlich da war. Wider besseres Wissen jedoch versuchte er immer noch den Captain zu wecken.
Als der Arzt endlich durch die Tür trat, war er erleichtert. "Was ist los?", brummte er eindeutig verschlafen. Dann jedoch schien er den Anblick zu sortieren. Hastig hob er seinen Tricorder, um ihn jedoch gleich darauf wieder sinken zu lassen. "Er schläft. Warum wecken Sie mich?", flüsterte er.
"Versuchen Sie mal, ihn zu wecken", gab der Counselor zurück. "Ich hatte vorhin ein ungutes Gefühl und bin nachsehen gegangen."
Dr. McCoy bedachte ihn mit einem Blick, der ihm gerade nicht unbedingt eine geistige Gesundheit beschied. "Er reißt mir den Kopf ab! Er ist sowieso nicht gut auf mich zu sprechen!", zischte McCoy.
"Sie können alles auf mich schieben. Aber geben Sie ihm irgendetwas, Doktor. Hier stimmt was nicht", beharrte Troi.
Der Doktor sah ihn misstrauisch an, dann den Captain. Langsam kam er näher, hob wieder seinen Tricorder und scannte.
"Merkwürdig", murmelte er. "Egal, wie tief er schläft, er hätte jetzt irgendwann aufwachen müssen! Ich messe keine Rückstände einer Droge, er ist nicht in Trance. Laut dem hier, schläft er normal!" McCoy sprach immer lauter, den letzten Satz schrie er sogar. Doch der Captain rührte sich noch immer nicht. "Das ist nicht gesund", murmelte er deutlich leiser.
"Glauben Sie mir nun? Vielleicht sollten Sie ihm eine Stimulanz geben, aber es ist Ihr Fachgebiet, Doktor", gab Troi besorgt zurück. "Sie kennen sich besser mit klingonischer und vulkanischer Anatomie aus als jeder andere."
Dr. McCoy sah ihn an, als hätte er den Vorschlag gemacht, eine Kröte zu schlucken. "Mag sein, der Captain ist dennoch für mich Neuland. Wie auch immer!" Der Doktor trat näher und ließ seinen Tricorder nahe über den Körper des Captains gleiten. "Faszinierend", murmelte er. "Wenn ich das mit seinen normalen Daten abgleiche, ist sein gesamter Metabolismus verlangsamt. Nicht viel, aber so, dass er nicht aufwacht. Selbst wenn eine Bombe neben ihm hochgeht. Das deutet auf künstliche Zugaben hin, Drogen oder ähnliches. Der Punkt ist, dass ich nichts finde, was es an üblichen Drogen gibt." Er runzelte die Stirn. Dann riss er jedoch die Augen auf. "Oh, oh", murmelte er. "Das ist nicht gut."
"Was ist?" Williams große Augen wurden noch größer, als er den Doktor alarmiert ansah.
"Minimale zerebrale Blutungen im Neocortex. Aber nicht nur da. Doch da sind sie gefährlich. Ich bin mir nicht sicher, aber das sieht nach einem erzwungenen Mentalkontakt aus. Das ist nicht gut. Wir brauchen einen Telepathen. Einen Heiler. Das kann ich nur aufhalten, aber schwer heilen."
"Doktor, finden Sie sofort heraus, welche Besatzungsmitglieder mit telepathischen Fähigkeiten in Frage kommen. Ich werde solange versuchen, ihn zu erreichen", beschloss William. "Ganz unbedarft bin ich ja auch nicht."
McCoy schüttelte den Kopf. "Vulkanier. Wir brauchen einen Vulkanier. Und der wird für ihn immer noch besser sein als ein Heiler einer anderen Spezies. Er wird weniger Erfahrung mit anderen Kontakten haben. Ich weiß nicht, wie er auf andere reagieren wird."
Troi überlegte einen Moment. "Dann benachrichtigen Sie Captain Lakon. Soweit ich weiß, ist die Sovk noch nicht aufgebrochen. Er ist Captain A´keburs Onkel."
Dr. McCoy überlegt kurz und nickte. "Tun Sie das. Er wird nicht begeistert sein. Ich werde die Sicherheit kontaktieren. Wir müssen davon ausgehen, dass sich jemand nicht nur im Kopf des Captains Zugang geschaffen hat. Wir halten aber erst einmal Funkstille. Bevor wir nicht wissen, was passiert ist, sollte erst einmal niemand was hören. Der Captain hatte etwas angedeutet heute. Ich habe zwischen den Zeilen gelesen."
"Angedeutet? Wann?" Troi eilte zur Computerkonsole, während Dr. McCoy einen stummen Eindringsarlaum aktivierte.
"Sagen Sie bloß, Sie haben nicht gemerkt, dass es Gründe hat, warum er hier ist. Und es war eher interessant, was unser Captain nicht gesagt hat. Sie haben keine Ahnung von Politik, mein lieber Troi", murmelte Dr. McCoy.
"Hier Ch'Grawbil", schaltete sich der Sicherheitschef dazwischen. "Das hier ist eine sichere Leitung. Commander Aera hört zu."
"Ich bin gerade beim Captain. Mr. Troi kontaktiert die Sovk. Der Captain scheint angegriffen worden zu sein. Ich weiß nicht, ob der Eindringling auf dem Schiff ist. Wir wissen nur ungefähr, wie lange der Angriff her sein muss. Knapp fünf Minuten oder auch eine Viertelstunde. Der Counselor hatte etwas gespürt."
"Ich werde augenblicklich die Standardmaßnahmen einleiten", gab Ch'Grawbil zurück. "Ch'Grawbil Ende."
"Doktor, Counselor, bleiben Sie beim Captain" meldete sich nun auch Commander Aera. "Ich bin in zwei Minuten bei Ihnen."
Dr. McCoy wechselte einen Blick mit dem Counselor. Dieser sah genauso besorgt aus. McCoy sah wieder auf seinen sehr stillen Patienten und versuchte die Werte zu interpretieren, während Troi endlich einen Kontakt zur Sovk bekam.
Auf dem Bildschirm erschien Captain Lakons Gesicht, das trotz allen vulkanischen Stoizismus nicht erfreut aussah. Noch düsterer wurde es, als Troi die Lage schilderte.
"Wir sind erst 1,2 Parcec entfernt", erklärte Lakon. "Ich werde mit den Langstreckentransportern hinüberbeamen."
"Sagen Sie ihm, dass wir definitiv einen Heiler brauchen!", zischte McCoy, während er noch immer überlegte, welche Drogen ohne Spuren im Organismus sein konnten und dennoch wirkten. "Der Doktor ist der Ansicht, es habe eine Art telepathische Verletzung gegeben, die direkt das Gehirn angegriffen hat", setzte Troi hinzu. "Er wagt sich nicht mit den Instrumenten daran."
Captain Lakon wirkte für einen Moment wie erstarrt. "Ich verstehe", meinte er. "Ich werde einen Heiler mitbringen. Lakon Ende!"
Gerade als der Bildschirm dunkel wurde, öffnete sich die Tür, und Commander Aera trat ein. Mit schnellem Blick erfasste sie die Situation. "Doktor, was können Sie im Augenblick tun?", wollte sie wissen.
"Finden Sie denjenigen, der das gemacht hat. Dann finden wir vielleicht heraus, was passiert ist. Im Moment habe ich nur Vermutungen. Drogen hätte er sich selbst einwerfen können. Die Verletzungen in seinem Gehirn jedoch hätte er sich nicht selbst zuziehen können."
Commander Aera bedachte ihn mit einem Blick, der besagte, dass Sternenflottencaptains niemals Drogen nehmen würden. "Lieutenant Ch'Grawbil hat bereits alles eingeleitet. Wir überprüfen auch sämtliche Transportvorgänge der letzten Stunde. Wenn wirklich ein Attentäter hier war, dann finden wir ihn."
"Commander Aera, hier Transporterraum. Captain Lakon in Begleitung ist gerade auf der Enterprise angekommen."
Sie blickte zu Troi und McCoy, die stumm nickten. "Schicken Sie ihn zum Quartier des Captains", gab sie den Befehl an den Transporterraum.
"Meine Herren, ich weiß Ihr schnelle Handlungsweise zu schätzen, aber Sie hätten mich informieren können", richtete sie sich wieder an Doktor und Counselor.
"Ich dachte, dass hätten wir", murmelte McCoy, wusste aber, dass sie nicht wirklich genau gewesen waren. "Aber wir haben keine Zeit, nach einem Heiler zu suchen und ich weiß, dass der Captain der Sovk hier ist, weil er den Feierlichkeiten auf der Akademie beiwohnte."
"Ich kritisiere Sie ja nicht. Aber ..." Sie unterbrach sich, als die Tür zu A´keburs Quartier aufging und Lakon eintrat, gefolgt von einer älteren Vulkanierin in der Uniform der medizinischen Abteilung. Sie ging zu seinem reglosen Neffen und legte ihm vorsichtig zwei Finger an die Schläfe. Fast augenblicklich zuckte sie zusammen.
"Doktor, haben Sie Pentracordrenol?" fragte sie McCoy. "Wir müssen ein paar Regionen seines Gehirns betäuben. Captain, ich brauche danach Ihre Assistenz."
Ohne zu fragen, holte McCoy das seiner Meinung nach gefährlichste Narkotikum seines Bestandes. Die beiden Vulkanier beugten sich über A´kebur und versanken in geistigem Kontakt. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, ehe sie wieder aufsahen. A´kebur rührte sich noch immer nicht, aber seine Atmung schien wieder schneller zu gehen.
"Er sollte innerhalb der nächsten fünfundvierzig Minuten aufwachen", erklärte die Heilerin. "Die Schäden im Neocortex sind beseitigt, aber er wird noch eine Weile desorientiert und emotional reagieren."
Lakon sah sichtlich erschüttert aus, was eigentlich bei einem Vulkanier unmöglich war. Als er jedoch zum Commander blickte, sah er aus, wie sie es erwartet hatte. "Der Captain befindet sich in der Heiltrance. Er wird Assistenz benötigen. Wenn Mr. Kaval hier ist, wird er wissen, was zu tun ist. Leider ist es mir nicht möglich, länger hier zu sein. In Abwesenheit des Captains erlauben Sie mir zu fragen, welche Maßnahmen bisher getroffen worden sind."
"Unser Sicherheitschef führt bereits eine umfassende Suche durch und kontrolliert auch alle Transporte der letzten Stunde. Wir haben stummen Eindringlingsalarm", erwiderte Commander Aera. "Es ist anzunehmen, dass sich ein Eindringling am leichtesten unter die Techniker der Station gemischt haben könnte." Sie musterte Lakon. "Captain, was genau ist mit Captain A´kebur passiert?"
Lakon zögerte sichtlich. "Es ist nicht einfach zu sagen", erklärte er ausweichend. "Sie können davon ausgehen, dass der Angriff von einem ungeformten Telepathen kam. Die Schäden sind heilbar. Captain A´kebur wird jedoch noch Beistand brauchen. Ob er dienstfähig ist, müssen Sie entscheiden, Dr. McCoy! Sie sollten darüber hinaus, wenn noch nicht geschehen, nach anderen körperlichen Schäden sehen." Lakon sah ihn an. Er faltete seine Hände auf den Rücken.
Der Doktor begriff, wusste jedoch nicht, ob er die versteckte Information richtig interpretierte. Er fluchte stumm, nickte aber.
Auch Counselor Troi verstand. "Was sollte ein solcher Angriff bezwecken?", wollte er wissen, "Offenbar wollte man den Captain nicht töten und können Sie feststellen, was für ein Telepath es war? Doch sicher kein Vulkanier?"
"Diese Information stand nicht direkt zur Verfügung, ohne weitere Schäden zu verursachen", erklärte die Heilerin statt Lakon. "Captain A´kebur hat den Angreifer gesehen. Aber er wird Zeit brauchen, um sich zu erinnern. Spekulationen sind nicht angebracht. Aber um Ihnen weitere Informationen zu geben: Das Ziel war, eine Bindung zu A´kebur Lanar herzustellen. Eine Partnerbindung."
Nun rissen alle anwesenden Menschen die Augen auf, selbst Commander Aera. "Das ist doch absurd! Ich verstehe nicht viel davon, aber was soll das für einen Sinn haben? Und … hat es etwa funktioniert?"
Lakons Gesicht wirkte, als wäre es in Stein gemeißelt worden, als er "Ja" sagte. "Um das Band zu lösen, müssen die Wunden erst einmal heilen. Die Bindung kann auf Vulkan wieder gelöst werden. Was für einen Sinn das hat, kann ich Ihnen nicht sagen, Commander!"
Troi schüttelte den Kopf. "Das alles ergibt keinen Sinn. Bedeutet das, dass unsere Mission verschoben wird, wenn Captain A´kebur erst nach Vulkan muss? Ging es vielleicht darum? Ihn auf besonders perfide Weise aus dem Weg zu räumen?"
"Das könnte möglich sein. Doch dann ist der Aufwand beträchtlich", meinte Lakon. "Ein ungeschulter Telepath … Ich denke, was auch immer die Gründe sind, wir werden sie nicht heute mehr erfahren. Doch richtig ist, sollte der Captain nicht dienstfähig sein, dann wird dieses Schiff einen neuen Captain benötigen."
"Und wann können wir das entscheiden?", wollte McCoy wissen.
"Das kann ich nicht sagen. Aber Captain A´kebur dürfte morgen soweit wieder einsatzbereit sein, dass der Taufe des Schiffes nichts entgegenstehen wird." Er neigte leicht sein Haupt. "Unsere Zeit hier ist begrenzt. Mein Schiff wird uns in 15,6 Minuten nicht mehr erreichen können."
"Ja, Sir. Wir werden Sie auf dem Laufenden halten. Ich bringe Sie beide zum Transporterraum. Und vielen Dank für die schnelle Hilfe", meinte Commander Aera.
Keine halbe Stunde später, nachdem sie die unverhofften Gäste mehr oder weniger unauffällig das Schiff wieder verlassen hatte, war sie wieder in der Kabine des Captains. "Lieutenant Ch'Grawbil hat nichts gefunden", teilte sie mit. "Er überprüft alle einschließlich des technischen Personals der Station. Aber es hat vor dem Einschluss einen Wachwechsel gegeben. Er vermutet, dass unser Attentäter mittlerweile schon vor einer Stunde das Schiff verlassen hatte. Das würde dann auch mit Ihren Empfindungen zusammenpassen, Mr. Troi."
"Haben Sie einen Suchbefehl an die Station weitergegeben? Wenn der Täter erst einmal von dort weg ist, haben wir keine Chance, ihn wiederzufinden. Es sei denn, der Captain erinnert sich." Troi blickte bei diesen Worten auf A´kebur herunter, der kurz davor schien, aufzuwachen. Seine Lider zuckten leicht.
"Ja, habe ich. Aber daran hatte der Sicherheitschef schon selbst gedacht. Er informiert uns." Aera trat näher und sah den Captain prüfend an. "Erwacht er schon?", fragte sie.
"Scheint so. Seine Körperfunktionen sind wieder auf normal", meinte McCoy, als er seinen Tricorder begutachtete.
"Captain? Hören Sie mich?", fragte Commander Aera.
"Wir sollten Mr. Kaval rufen", erinnerte Counselor Troi. Er wusste, dass dieser noch keinen Kommunikator hatte, aber der Schiffscomputer wusste Bescheid.
Während er dies tat, beugten sich Aera und McCoy weiterhin über A´kebur. Dieser blinzelte nun und gab ein Knurren von sich. Das war Warnung genug. "Zurück", rief Dr. McCoy. "Ich habe nicht vor, Knochenbrüche zu behandeln oder Schlimmeres."
Schon bei "Zurück" reagierten alle augenblicklich. Dr. McCoy sah kurz auf seinen Tricorder und nickte. "Okay, er wird wach, und es ist eine typische Heiltrance für Vulkanier. Da helfen nur kräftige Ohrfeigen."
Commander Aera hatte keine Angst. Sie trat vor und verpasste A´kebur eine Ohrfeige, um augenblicklich wieder außer Reichweite zu gehen. Der Captain keuchte. Ein weiteres, aber eher unterschwelliges Knurren war zu hören, doch die Augen waren klar. Die Verwirrung und die Fragen darin einen Moment später machten mehr klar, dass die eine Ohrfeige vollkommen genügt hatte.
Langsam richtete sich A´kebur auf. Er ignorierte die plötzlich aufsteigende Übelkeit und sah misstrauisch in die besorgten Gesichter seiner Seniorcrew. "Was suchen sie hier?", fragte er mit heiserer, gebrochener Stimme.
"Sie wurden angegriffen, Sir", begann McCoy und gab A´kebur einen kurzen Abriss dessen, was sie herausgefunden hatten. Er sprach langsam und ließ die schlimmsten Vermutungen fürs Erste beiseite. "An was erinnern Sie sich, Sir?"
A´kebur lüftete kurz die Decke, die seine Blöße bedeckte. Misstrauisch sah er dann die Offiziere an. "An gar nichts", murmelte er. "Verlassen Sie mein Quartier!"
Troi und Aera kamen dem nach, aber McCoy blieb noch kurz. "Bitte melden Sie sich so schnell wie möglich in der Krankenstation, Sir. Ich muss noch einige Tests machen."
Für einen Moment konnte er den Ausdruck von sehr starken Schmerzen sehen, dann war das Gesicht das Captains nur noch eine Maske der Verachtung und Abweisung. "Ich werde zu den Tests kommen, Doktor, und nun gehen Sie!"
"Aye, Sir. Ruhen Sie sich aus." Damit war McCoy zur Tür hinaus. Auf dem Gang standen zwei Sicherheitsleute; A´kebur war zumindest jetzt sicher.
Auf dem Weg zur Krankenstation lief ihm Kaval über den Weg. "Wo waren Sie?", blaffte er ihn an. "Wo zum Teufel waren Sie?"
Der junge Vulkanier erbleichte doch tatsächlich. "Es tut mir leid, Sir. Man hat mich über die Vorfälle unterrichtet. Ich habe versagt in meiner Aufgabe. Ich hätte an seiner Seite bleiben müssen, ganz gleich, ob er es wollte oder nicht."
Dr. McCoys Ärger verflog. Er hatte noch nie einen Vulkanier so zerknirscht gesehen. Er wusste jedoch auch, dass ihn das nicht weiter misstrauisch machen musste, war der Adjutant doch von der Familie A´kebur selbst eingesetzt worden. Es hatte wohl seinen logischen Grund, warum ein emotionaler Vulkanier gewählt worden war. "Gehen Sie zu ihm", murmelte er milder gestimmt. "Ich weiß nicht, was ein Vulkanier telepathisch braucht, wenn das passiert ist. Ich bin nur Knochenklempner."
"Jawohl, Sir." Kaval neigte den Kopf. "Ich werde tun, was ich kann."
McCoy sah ihm nach. Doch dann erinnerte er sich, dass er auf der Krankenstation die Ergebnisse auswerten musste, die ihm der Tricorder aufgenommen hatte. Der Angriff hatte einen Grund gehabt, und wenn Captain Lakon Recht behielt, dann würden sich die Auswirkungen vielleicht erst später bemerkbar machen. McCoy hatte nicht vor, unvorbereitet zu sein.
Kaval brauchte einige Versuche, bis auf sein Türsummen hin ein "Herein" ertönte, und auch dann klang es eher unwillig. Der junge Vulkanier trat ein. "Sir? Kann ich Ihnen behilflich sein?"
A´kebur saß noch immer auf dem Bett. Er hatte seine Hand um ein Stück der Bettdecke gekrallt und wirkte nicht, als wollte er auf die Frage antworten. "Nein, geh!", murmelte er jedoch abwehrend.
Kaval blieb, wo er war. "Tut mir leid, Sir, aber ich werde denselben Fehler nicht noch einmal machen."
"Was für einen Fehler?", flüsterte A´kebur matt und berührte sich vorsichtig an den Schläfen.
"Ich habe Sie alleingelassen, Sir. Wäre ich hier gewesen, wären Sie sicher nicht einfach angegriffen worden."
"Ich kann mich an keinen Angriff erinnern, Kaval", murmelte A´kebur. Unter anderen Umständen hätte es vielleicht ironisch geklungen. Doch jetzt zeigte der stumpfe Blick, dass A´kebur nicht an solche Feinheiten dachte. "Mein Onkel war hier gewesen." Es war keine Frage, mehr eine Feststellung. Aber auch das war nichts, was ihn wirklich beschäftigte. A´keburs Blick fiel auf eine Injektion neben dem Nachtisch an seinem Bett. Verwirrt nahm er sie an sich. "Was ist da drin? Computer, Analyse!"
"Cordrophenal."
A´kebur war dankbar, als er das hörte. Sein Kopf brauchte dringend eine Klärung und seine Barriere einen Moment Ruhe. Sie waren so löchrig, dass sie quasi nicht mehr vorhanden waren. Kaval griff nicht ein, als er sich das Mittel injizierte. Nur einen Atemzug später traten die Kopfschmerzen in den Hintergrund und seine telepathischen Fähigkeiten wurden gedämpft. Erst jetzt konnte er sich den dringlichsten Problemen stellen: Dem Schiff und der Sicherheit. Denn erst jetzt konnte er überhaupt so etwas wie eine Vorstellung davon erringen, was passiert sein musste. "Captain A´kebur an Sicherheit!"
"Ja, Sir?", meldete sich Lieutenant Ch'Grawbil augenblicklich.
"Welche Befehle führen Sie gerade aus?"
"Commander Aeras, Sir. Wir durchsuchen das Schiff und die Station nach Spuren des Angreifers, Sir. Meine Leute werden auch noch Tiefenscans in Ihrem Quartier vornehmen müssen", gab der Rigelianer zurück.
"Geben Sie mir, wenn Sie fertig sind, einen Bericht. Wenn Sie nicht fertig sein sollten, will ich in einer Stunde einen Zwischenbericht. A´kebur Ende." Müde schloss A´kebur die Augen. Offenbar war die Seniorcrew schon selbst zu einem Urteil gekommen. Dabei wusste er wohl selbst noch am wenigsten. Als er wieder aufschaute, sah er wieder Kaval an.
"Sir?" Dieser blickte in fragend an.
"Du solltest gehen!", murmelte A´kebur matt.
"Nein, Sir."
A´kebur hob eine Augenbraue. "Was willst du verhindern, Kaval? Es ist passiert. Nichts weiter wird mehr geschehen. Es ist zu spät. Und falls du an Schuld denken solltest: Erst wenn du wirklich an das Unmögliche denkst und davon weißt, und du es dann nicht verhinderst, bist du schuldig."
"Sie haben recht, Sir, aber trotzdem. Ich nehme meine Aufgabe von nun an ernster und werde sie nicht aus den Augen lassen, sofern Sie nicht in Gesellschaft Dritter sind", gab der Vulkanier zurück. "Ihre Großmutter würde mich sonst aus der Familie werfen."
"Das glaube ich weniger", erwiderte A´kebur. Er schlug die Decke zur Seite und versuchte aufzustehen.
Kaval wandte sich ab, als er sah, dass A´kebur nichts anhatte. "Fühlen Sie sich etwas besser, Sir?"
A´kebur ignorierte ihn und wankte ins Bad. Er wollte nicht reden. Er wollte nicht nachdenken. Trotz des Schmerzmittels hatte er das Gefühl, als würde jemand in seinem Schädel die Innenwände abkratzen und alles in der Mitte ablegen, kräftig durchrühren und dann wieder von vorn anfangen. Er wusste, dass er nur in eine kurze Heiltrance geschickt worden war. Trotz allen Trainings hatte er es bisher nicht geschafft, selbst diese Fähigkeit zu nutzen. Aber jetzt war er dankbar, dass es zumindest mit Assistenz gelang. Er hielt sich am Türrahmen fest und zog sich halb ins Bad.
Er spürte Kavals Blick im Nacken, als sich die Badtür hinter ihm schloss.
Dieser wandte sich schließlich um, griff sich einen Tricorder vom Regal und begann den Raum zu scannen. Wahrscheinlich hatte die Sicherheit das schon gemacht, aber er wollte selbst wissen, was hier geschehen war.
Der Tricorder zeigte allerdings nichts Ungewöhnliches an, keine Fingerabdrücke oder sonstige Spuren. Kaval ging durch den Schlafraum hinüber ins Arbeitszimmer. Auch hier war nichts, nur Spuren von A´keburs DNA. Wenn wirklich jemand hier gewesen war, dann musste er Spuren hinterlassen haben, es ging gar nicht anders. Kaval ging wieder zurück zum Bett, und einer plötzlichen Eingebung folgend, schob er es beiseite. Unten, am Teppichrand lag ein schwarzes, kurzes Haar.
Es war nicht identisch mit A´keburs Haaren. Sogar optisch nicht. Kaval änderte die Einstellung des Tricorders und analysierte die genetische Struktur. Das Ergebnis war nichts, womit er gerechnet hatte – andererseits war es logisch. Die Gene stammten von einem Vulkanier oder Romulaner. Beides ließ sich leider nicht zweifelsfrei auseinanderhalten. Noch immer waren sich beide Rassen zu ähnlich in dieser Hinsicht. Was jedoch logisch war, war erst einmal von einem Romulaner auszugehen. Kaval konnte aber auch Gründe anführen, die einen Vulkanier zu einer Sabotage veranlassen konnte. Nur, es war die Frage, ob er es auf diese Weise tun würde.
Die Tür des Badezimmers ging wieder auf. A´kebur trat heraus. Er wirkte noch immer nicht wirklich gesund. Aber er war angezogen, seine Haare glänzten feucht. "Etwas gefunden?", fragte er leise.
"Ja, Sir." Kaval deutete auf das Haar, ohne es anzufassen. "Es stammt weder von mir noch von Captain Lakon. Haben Sie sonst einen Vulkanier in Ihrem Quartier gehabt, Sir?"
A´kebur sah ihn ausdruckslos an. "Nein, ich kann mich nicht erinnern, überhaupt schon jemanden in dieses Quartier gelassen zu haben. Diese Nacht ausgenommen. Wobei: Gelassen ist relativ."
"Ich werde alle Logs der Techniker durchsehen, die in Ihrem Quartier gearbeitet haben", erwiderte Kaval. "Doch es erscheint mir unwahrscheinlich, dass sie nach ihrer Arbeit nicht eine gründliche Reinigung durchgeführt hätten." Er sah zu A´kebur. "Und wenn wir von Reinigung sprechen, Sir, es besteht die Möglichkeit, dass der Angreifer an Ihnen Spuren hinterlassen hat. Das hätte der Doktor schon feststellen müssen."
A´keburs Blick irrlichterte kurz. Er wandte sich um, ging ins Bad und kam gleich darauf wieder. Er hatte einen kleinen Tricorder in der Hand. "Ich habe Daten aufgenommen, bevor ich mich geduscht habe. Ich ... ich ... habe nicht nur Schmerzen im Kopf."
Kaval nahm ihm den Tricorder ab und begann DNA-Vergleiche zu machen. Der Besitzer des Haares war tatsächlich der Angreifer gewesen. Er zeigte A´kebur wortlos die Daten. "Das ist eine Spur, Sir."
"Er hat das Band von Etienne und mir aktiviert. Ich kann es spüren. Noch ist es gedämpft durch die Medikamente. Aber ich weiß, was er getan hat. Auch, wenn ich daran keine Erinnerungen habe", erklärte A´kebur.
"Können Sie denn einen Kontakt herstellen?", wollte Kaval wissen. "Spüren Sie jemanden am anderen Ende?"
A´kebur schüttelte den Kopf. "Nein, gar nichts. Es ist anders. Es fühlt sich falsch an. Und im Moment habe ich eher den Wunsch, das alles aus meinen Kopf zu reißen. Ich glaube, ich habe es auch versucht."
"Dr. McCoy hatte die Daten der vulkanischen Heilerin und sagte. Ich vermute, Sie werden sich gewehrt haben und daher rühren Ihre Verletzungen. Das Band wird jetzt stabil sein. Sie und der andere müssten nach Vulkan, um es zu lösen."
"Es ist kein Seelenband." Es hörte sich an wie eine Feststellung, aber Kaval konnte die Frage hören. "Es muss lösbar sein. Ich will diesen ... töten!"
"Sir, ich bin in diesen Dingen nicht sehr bewandert, aber eine derartige Verbindung bewirkt, dass Sie sich praktisch selbst töten, wenn sie den anderen umbringen. Die Verbindung muss vorher gelöst werden", warnte Kaval.
A´kebur lächelte bösartig. "Wir werden sehen. Und jetzt geh! Ich habe vor, eine Tradition wiederaufzunehmen."
"Sir?"
"Ich werde das Zimmer umdekorieren!"
Kaval sah verwirrt aus, aber als der erste Stuhl flog, ging er hastig in Deckung und flüchtete praktisch zur Tür hinaus. Die Sicherheitsleute sahen ihn alarmiert an, als sie Gepolter hörten. "Der Captain war mit der Einrichtung unzufrieden", erklärte Kaval. Besser, er sprach mit dem Counselor.
Der Computer verriet ihn, wo er ihn fand: bei Doktor McCoy. Sie saßen im Büro des Doktors und versuchten herauszufinden, was passiert war.
"Wenn Sie den Commander suchen, müssen Sie zur Brücke, aber da Sie zu uns gekommen sind, gehe ich mal davon aus, dass Sie was gegen Kopfschmerzen suchen", meinte der Doktor. "Wir wissen ehrlich nicht, was wir machen sollen. Wir wissen nicht einmal, ob wir das Flottenkommando informieren dürfen oder nicht."
Kaval hob eine Augenbraue. "Wenn, dann würde ich Admiral Cindy Duval informieren", meinte er knapp. " Und ich habe hier etwas für Sie." Kaval gab McCoy die Tricorderdaten und das Haar. "Der Angreifer war Vulkanier oder Romulaner. Und auf keinen Vulkanier hier an Bord trifft das Muster."
Dr. McCoy und Counselor Troi sahen sich erstaunt an. "Natürlich", meinte Troi. "Warum sind wir nicht gleich auf den Admiral gekommen?"
"Weil wir Anstand haben und ihr nicht sagen, was mit ihrem Vater passiert ist?", schlug Dr. McCoy vor.
Der Counselor verzog das Gesicht. "Wir müssen. Besser sie als die Falschen. Wir wissen nicht, wer den Saboteur eingeschleust hat. Und vor allen Dingen nicht, warum!"
"Ich hasse es, wenn Sie Recht haben", knurrte McCoy. "Aber Sie führen das Gespräch! Ich gehe diese Daten analysieren."
Troi nickte. "Mr. Kaval, gehen Sie doch dem Doktor zur Hand?", bat er.
Kaval neigte sein Haupt.
"Äh, Mr. Troi", ließ sich der Doktor vernehmen. "Wir sollten vorher den Commander informieren, nicht, dass sie denkt, dass wir zu eigenmächtig sind." Er räusperte sich und sah Kaval und Troi unschuldig an.
"Das hatte ich vor, Doktor, keine Sorge", gab der Counselor lächelnd zurück. "Ich darf doch Ihr Büro benutzen?" Damit verschwand er hinter die Trennwand, um die wenig angenehmen Gespräche zu führen.
Der Doktor zuckte mit der Schulter. "Okay, Mr. Kaval. Ich kenne leider Ihre Fähigkeiten nicht. Aber Sie scheinen ganz patent zu sein. Haben Sie Lust, ein wenig zu spekulieren, während wir die Daten sortieren?
"Spekulieren, Sir? Vulkanier spekulieren nicht gut, aber ich versuche es", gab er zurück. "Zuerst würde ich jedoch gerne Ihre Einschätzung hören."
"Meine Einschätzung, junger Freund?" McCoy seufzte. "So, wie ich das sehe, will ich es gar nicht aussprechen, was in dieser Kabine passiert ist. Sehen Sie das genauso?"
"Menschliche Scham ist hier nicht angebracht, Doktor. Aber ich würde es begrüßen, wenn wir den Captain mit derlei Äußerungen nicht weiter belasten. Bleibt immer noch das Warum. Und warum der Captain den Unbekannten überhaupt in sein Quartier gelassen hat."
"Nun, weil er keinen Anlass hatte, ihn des Quartiers zu verweisen. Vielleicht hat er ihn auch überrascht. Wissen Sie, dass sein Quartier nicht abgeschlossen war, als wir eintraten? Ich weiß nicht, ob das üblich ist. Aber auffällig ist es schon."
"Ich bin mit Ihren Vorschriften noch nicht vollkommen vertraut, aber es ist unüblich", gab Kaval zurück. "Ich vermute auch, der Captain wurde irgendwie in Sicherheit gewogen. Ein Mann wie er würde sich nie einfach überraschen lassen." Er überlegte kurz. "Es kann auch sein, dass er die Tür nicht abschloss, weil es auf Vulkan keine abgeschlossenen Türen gibt."
McCoy überlegte. "Faszinierend", meinte er. "Nun, verboten ist es nicht. Aber auch nicht üblich. Ich denke, es kommen hier mehrere Dinge in Betracht. Dummerweise scheinen die Kameras nichts aufgezeichnet zu haben. Unser Lieutenant Ch'Grawbil hat nichts gefunden. Er meint, dass die Bilder manipuliert worden sind. Fragen Sie mich nicht, was er da noch erklärt hat."
"Eines ist jedenfalls offensichtlich: Diese Sache war von langer Hand geplant. Und man wusste auch, dass A´kebur als Captain eingesetzt wird. Allein die Tatsache, wie mühelos ein Attentäter hier an Bord gelangen konnte, ist besorgniserregend, Doktor. Entweder ist Starfleet so nachlässig oder der Eindringling extrem kompetent." Kaval faltete die Hände. "Die dritte Alternative ist, er hatte Hilfe."
"Sie machen mir Angst, mein Freund", murmelte McCoy. Er rieb sich das Kinn. "Schauen Sie, ich habe einen Datenabgleich mit den Proben gemacht. Es war kein Vulkanier. Ein Romulaner. Es liegt an dem weiblichen Teil der Gene. Aufgrund der geöffneten Archive Vulkans weiß man heute, auf wie viele weibliche Vorfahren die Rasse der heutigen Vulkanier zurückblickt und wer genau damals den Planeten verließ, um das Romulanische Reich zu gründen. Die Wahrscheinlichkeit, dass unser Saboteur ein Vulkanier ist, liegt bei gerade mal 15 Prozent."
"Nun, ein feindlicher Agent des Imperiums macht Sinn. Aber wie kam er herein? Er muss sich ja offenbar getarnt haben", gab Kaval zu bedenken. "Und ein Romulaner kann relativ einfach als Vulkanier durchgehen. Aber Romulaner haben nicht die telepathischen Fähigkeiten, die einige Vulkanier haben. Sie kennen auch das Konzept der Seelenbande nicht. All das haben sie im Zuge der Großen Abspaltung willentlich abgeschüttelt."
"Das ist eines der faszinierendsten Gebiete, die man beackern könnte", meinte Dr. McCoy. "Aber Sie sind bisher der einzige Vulkanier, soweit ich weiß, der damit einigermaßen offen umgeht. Wenn ich das mal so sagen darf, ich bin hocherfreut. Vielleicht hilft uns das Wissen. Wir haben es also mit einem Romulaner zu tun, der diese verschüttete Fähigkeit heraufgeholt hat. Und das nur, um eine Bindung auszuführen? Was auch immer: Das ist verrückt!"
Kaval musste dem zustimmen. "Es macht logisch keinen Sinn, aber Romulaner sind nicht logisch, Sir. Es geht um einen taktischen Vorteil, ganz sicher, aber nicht nur. Ich bin allerdings kein Experte auf dem Gebiet, und ob der Captain in der Vergangenheit schon einmal mit Romulanern zu tun hatte, weiß ich nicht."
Dr. McCoy sah ihn überrascht an. "Vielleicht… vielleicht ist es das!" Er sprang auf. "Genau, die Vergangenheit." Er ging zum Computer und fragte nach A´keburs Akte. "Begegnungen mit Romulanern", murmelte er. "Ah, hier! Während seiner Zeit als Chefingenieur auf der USS Dragon, und davor auch schon. Kaum Details, aber offenbar ging es um eine Privatfehde, die sein Gefährte Etienne Duval mit einem Romulaner mit Namen Toran hatte. Über den Romulaner gibt es keinerlei Daten." Kaval sah sich die kargen Daten an. "Das könnte ein Grund sein."
Plötzlich wurde der Bildschirm schwarz.
"Akte gesperrt", informierte sie der Computer.
"Was zum… Computer, Doktor James McCoy, Priorität 14XW3! Zugang zu der Akte freigeben!", knurrte McCoy.
"Wer hat die Priorität?", fragte Kaval statt seiner, als der Computer den Zugang immer noch verweigerte.
"Captain A´kebur."
Kaval schüttelte den Kopf, als McCoy zum Kommunikator greifen wollte. "Der Captain befindet sich in einem meditativen Zustand der Dekonstruktion seines Interieurs. Sie sollten ihn vielleicht nicht stören."
"Häh?" McCoy sah ihn verwirrt an.
"Er hielt es für nötig, sein Quartier zu verwüsten", machte sich Kaval deutlicher.
"Und das ist seine Meditation?" McCoy schüttelte den Kopf. "A´kebur an Dr. McCoy. Ich bin in zehn Minuten bei Ihnen!"
Der Arzt sah Kaval ein weiteres Mal verblüfft an. Kaval konnte dieses Gefühl bis zu einem gewissen Punkt sogar nachvollziehen.
A´kebur sah auf den Bildschirm. Das hilflose Gefühl, das sich seiner bemächtigt hatte, hatte sich buchstäblich in Luft aufgelöst. Mochte es sein, dass sein Verhalten nicht dem eines Captain anstand. Aber darauf hatte er in diesem Moment auf dieses Detail in seinem Leben keine Rücksicht nehmen können. Jemanden dabei jedoch zu verletzen, stand außer Frage. Seit gut zehn Minuten jedoch war er wieder ruhig und zu klaren Gedanken fähig. Er hatte, während er sein Quartier wieder in einen respektablen Zustand gebracht hatte, seine eigenen Gefühle sortiert und erste Gedanken zugelassen. Mit einem gewissen Gefühl der Befriedigung hatte er immer wieder zwischendurch seinen improvisierten Sandsack geboxt, während er Sessel, Sofa und Tisch wieder an seinen Platz rückte. Kurzerhand aus seiner Bettdecke und seiner Matratze gefertigt, hatte ihm der Sandsack gute Dienste geleistet und das übrige Inventar seines Quartiers geschont.
Jetzt lag er achtlos in der Ecke und A´kebur blätterte in den Datenbanken der Enterprise. Die Aktivitäten des Doktors waren ihm dabei aufgefallen. Dass dieser Interesse für seine Personalakte gezeigt hatte, fand er nicht wirklich ungewöhnlich. Als er dann jedoch sah, worauf sich das Interesse des Doktors bezog, hatte er kurzerhand alles gesperrt.
Wieder und wieder las er die mageren Zeilen, während seine Erinnerungen auf Hochtouren liefen.
Das, was mit ihm geschehen war, war auf einer sehr persönlichen Ebene gemacht worden. Allein diese Tatsache verlangte besondere Beachtung. Daher auf einen Romulaner aus seiner Vergangenheit zu tippen, war etwas, worauf er hätte selbst kommen müssen. Doch Toran war tot. Langsam schüttelte er den Kopf. Toran galt offiziell als tot, erinnerte er sich. Er selbst hatte Etienne damals gesagt, dass es eine Wahrscheinlichkeit gäbe, dass Toran überlebt hätte. Doch selbst wenn, wieso diese Form? Um ihn zu demütigen?
A´kebur musste zugeben, dass das durchaus der Fall war. Tiefer hätte ihn kein Wesen treffen können. Doch wie viel wusste davon schon ein Romulaner? A´kebur bemerkte, dass seine Gedanken und Gefühle Stück für Stück wieder ihre Balance fanden. Ein Umstand, der ihn beruhigte. Er war nicht mehr buchstäblich ohnmächtig und musste akzeptieren. Ihm war ein Schachzug eröffnet worden und er gedachte, diesen Zug und das Spiel anzunehmen. A´kebur bleckte kurz die Zähne, hörte das eigene Grollen in der Kehle.
Menschen waren geradezu zahm, Vulkanier zurückhaltend, Klingonen aufbrausend. Aber jetzt galt es etwas zu verbinden, was weder vulkanischer noch klingonischer hätte sein können. Und seine Erinnerungen an Etienne würden ihm als menschlicher Beobachter helfen.
A´kebur erhob sich und streifte seine bereitliegende Uniform über. Die Sachen, die er getragen hatte, bevor er seine Erinnerungen verlor, hatte er nicht mehr finden können. A´kebur vermutete, dass einer der Seniorcrew sie mitgenommen haben musste. Kaval war es nicht gewesen. Kurz informierte er über den Computer den Quartiermeister, dass er ein neues Bett samt Ausstattung benötigte. Aus einem Impuls heraus bestellte er auch einen Sandsack. Sicherlich konnte er etwas Haltbareres gebrauchen.
Als er aus seinen Quartier trat, sah er ohne Überraschung die zwei Wachen. Sie nahmen Haltung an und einer der Männer folgte ihm, ohne dass ein Wort gefallen wäre. Vorerst war diese Sicherheitsmaßnahme unabdingbar und A´kebur akzeptierte das.
In der Krankenstation wurde er schon ungeduldig empfangen. Er sah, wie Counselor Troi über ein Terminal gebeugt war. A´kebur erkannte das Gesicht seiner Tochter auf dem Bildschirm. Für einen Moment stockten seinen Bewegungen, dann jedoch ging er zum Doktor. Es war logisch, Admiral Duval zu informieren. Wer auch immer dem Eindringling geholfen hatte, er konnte fast überall sitzen. Informationen an die falsche Stelle gesandt, waren katastrophal. Dass jedoch ausgerechnet seine Tochter derartige Details mit als erste erfuhr, machte A´kebur klar, dass er nachher noch dringend mit ihr reden musste. Vorerst genügte das Wissen, dass er lebte und bei Gesundheit war.
"Captain?", grüßte ihn Dr. McCoy. Der prüfende Blick war nicht angenehm, A´kebur ließ ihn stoisch über sich ergehen. Kavals Blick war weniger intensiv.
"Doktor! Kaval!" A´kebur neigte leicht sein Haupt und sah ihn ruhig an.
Dr. McCoy schien das nicht wirklich zu reichen. Er zückte seinen Tricorder und sah sich die Werte des Captains eingehender an. Dann deutete er jedoch auf die Diagnoseliege. A´kebur legte sich hin und wartete, bis Dr. McCoy mit seiner Untersuchung fertig war.
"Sie haben Cordrophenol im Blut, ich vermute, dass dämpft einige Rezeptoren", meinte er nach einer Weile. "Ansonsten kann ich nur sagen, dass Ihr Körper die Heilung bis morgen abgeschlossen haben wird. Was das Übrige angeht, kann ich nichts weiter feststellen. Die zerebralen Blutungen sind gestillt, der Heilungsprozess ist auch hier im vollen Gange. Mehr weiß ich nicht. Ihren telepathischen Sinn werden Sie wohl erst frühestens morgen wieder einsetzen können."
A´kebur setzte sich auf und schwang die Beine von der Liege. "Danke, Doktor!"
Dr. McCoy presste die Lippen aufeinander. A´kebur entschied, dass er anfangen sollte, einige Karten auf den Tisch zu legen. "Sie waren in meiner Akte und Ihre Schlussfolgerungen, die Sie zweifellos haben, sind interessant."
"Ach, Sie spekulieren?", fragte McCoy halb erfreut.
A´kebur schüttelte den Kopf. "Nicht wirklich. Sagen wir, ich bevorzuge Wahrscheinlichkeitsrechnungen. Aber ich weiß, dass die Spekulationen der Menschen je nach persönlicher Ausprägung und Fähigkeiten mitunter sehr gut sind. Es besteht die Möglichkeit, dass dieser Angriff nichts mit unserer bevorstehenden Mission zu tun hat. Aber die Wahrscheinlichkeit ist höher, dass diese Mission eher eine alte Fehde wieder aktiviert hat, die ich meinerseits für beendet hielt. Über Toran ist nur bekannt, dass er aus einer angesehenen Familie stammt. Das ist keine Spekulation, auch wenn der Name und die Herkunft Torans unbekannt sind. Persönliche Bindung, Nachkommen und dergleichen sind gleichfalls unbekannt. Die Annahme, dass er direkt oder indirekt mit dem Angriff zu tun haben könnte, lässt sich daraus schließen, weil der Angreifer auf einer persönlichen Ebene vorgegangen ist. Die Diagnosen der Enterprise zeigen, dass sie einsatzfähig ist. Das zweite Sicherheitssystem erlangt jedoch erhöhte Priorität, und ich habe Lieutenant Ch'Grawbil entsprechend instruiert und Commander Aera darüber informiert. Lieutenant Ch'Grawbil hat vor dem Hintergrund festgestellt, dass die Störungen der Sicherheitssysteme auch auf Sabotage zurückzuführen sein könnten. Jedoch sind diese dann so gut, dass sich das nicht feststellen lässt."
Counselor Troi trat zu ihnen und lehnte sich an die Tür. "Das würde einiges erklären", meinte er.
A´kebur nickte. "Das tut es. Was Sie über Toran wissen sollten: Er ist ein kalt kalkulierender Gegner, der auf anderen Ebenen innerhalb des Reiches Karriere gemacht hat. Er sammelte Antiquitäten, Informationen und verkaufte alles gewinnbringend. Dabei war er jedoch immer ein loyaler Angehöriger des Reiches. Der persönliche Kontakt kam aufgrund des Charon-Zwischenfalls zustande. Captain Etienne Valor Duval hatte ihm ein Artefakt der Bewahrer beschaffen sollen. Die Auswirkungen dieser Tat können Sie der Datenbank entnehmen. Toran sah die Zusammenarbeit Etienne Duvals mit der Föderation als persönlichen Verrat an. Als er die Gelegenheit sah, entführte er Cindy Duval auf sein Schiff und erpresste den Captain der Dragon. Das Motiv war Rache. Die Dragon war nur als eine nette Beigabe gedacht, auch wenn ihm das großen Ruhm eingebracht hätte."
"Davon stand nichts in der Akte", meinte Kaval.
A´kebur verzog kurz den Mund. "Die Logbücher des Captains enthalten alle Details. Sie sind für die Offiziere zugänglich." Er stand auf und gab etwas ins Terminal ein. "Commander Aera ist entsprechend informiert. Da nicht zu ersehen ist, welchen Hintergrund dieses Attentat auf mich hat, unterliegt ab sofort alles der Geheimhaltung. Wir müssen auch davon ausgehen, dass die Mannschaft der Enterprise infiltriert ist. Ich werde das Flottenkommando, genauer Admiral Duval, darüber informieren."
Die Anwesenden nickten. Diese neuen Erkenntnisse waren mehr als nur besorgniserregend. Und wenn solche Vorfälle möglichen Friedensverhandlungen mit den Romulanern vorausgingen, war es umso kritischer. Sehr leicht konnte das zukünftige Schicksal des Quadranten von dieser alten Fehde abhängen.
Sokala Nevius steckte ihre Haare auf, wie sie es jeden Morgen tat. Dennoch lag an diesem Tag in dieser Geste eine Entschlossenheit, dass zu befürchten war, dass sie sich ihre Haare lieber herausriss. Ihr blieb ihre eigene Ungeduld nicht verborgen, aber ihre Gefühle spielten gegen sie, um sich wieder zu beruhigen.
"Tiaren?", rief sie. "Wann ist der Adjutant endlich da? Ruf ihn an!"
"Sofort, Mutter." Tiaren Nevius, der geduldig am Eingang des Schlafzimmers auf sie gewartet hatte, trat zum Com-Gerät. Sein Ton war höflich, aber ein gewisser Unterton versprach nichts Gutes, wenn der Adjutant nicht augenblicklich zur Stelle war. Dann wandte sich Tiaren wieder seiner Mutter zu. "Ansonsten ist alles zum Aufbruch bereit. Die Nei'rrh wartet bereits startbereit darauf, die Botschafterin an Bord zu nehmen. Ich habe vorhin mit dem Commander gesprochen."
Das edelste Schiff der Romulanischen Flotte, ausgestattet mit der neuesten Technik, auf eine diplomatische Mission zu schicken, schien auf den ersten Blick unklug, doch in den Augen eines Romulaners war es der einzig vernünftige Schachzug. Das Romulanische Reich würde sich nicht klein machen. Schließlich waren die Friedensverhandlungen nicht das Eingeständnis einer Niederlage. Auch wenn es einige Individuen im Reich so ausdrückten. Hier ging es um die größeren Ziele, die unterbemittelte Lichter niemals nachvollziehen würden können. Das Romulanische Reich würde daraus größer und mächtiger hervorgehen, als es in einem offenen Krieg jemals der Fall sein könnte.
Tiaren schloss seinen Umhang und trat zu seiner Mutter. Ihre beiden Gesichter im Spiegel nebeneinander verrieten sofort die Verwandtschaft. Sokala hatte noch immer viele Bewunderer und galt nach romulanischen Maßstäben als besonders schön mit den sanft geschwungenen Stirnknochen, dem spitz zulaufenden Gesicht, den vollen, sinnlichen Lippen und leicht schrägstehenden goldenen Augen. Tiaren kam in den letzten beiden Aspekten eindeutig nach seiner Mutter; die Gesichtsform hingegen war ganz der Vater. Allerdings sah Tiaren zu seinem Leidwesen augenblicklich einem Vulkanier ähnlicher als einem Romulaner, da für seinen kleinen Ausflug ins Föderationsgebiet die Stirnwülste komplett entfernt worden waren. Auf diese Weise sah er geradezu scheußlich harmlos aus. Aber es ging nicht anders.
"Botschafterin, sind Sie bereit zum Aufbruch?" Der Adjutant war endlich erschienen und salutierte eilends.
"Natürlich bin ich das!", meinte Sokala spitz. Sie musterte den Adjutanten. "Sie haben sich verspätet. Ich erwarte, dass ich künftig nicht mehr warten muss." Sie sah Tiaren kurz an, der sich hinter sie stellte und ihr dann folgte.
Sie traten in das Atrium des Anwesens, und Tiaren gab Nachricht zur Nei'rrh. Fast augenblicklich wurden die drei an Bord gebeamt. Der Commander Setrian begrüßte Sokala ehrerbietig und führte sie und ihre beiden Begleiter in ihr Quartier. Kurz darauf trafen auch die restlichen Delegierten ein. Ein weiterer Senator sowie drei ihm untergeordnete Beamte. Außerdem war noch eine Eliteeinheit der Romulanischen Marine an Bord. Für alle Fälle.
Das Schiff selbst wurde von einer Flotte von Warbirds begleitet. Das Ziel war die Neutrale Zone und dort ein Planet, der seit gut zwei Monaten für dieses Treffen vorbereitet worden war. Die Föderation hatte sich als sehr kooperationswillig gezeigt. Angesichts ihrer eher schlechten Erfahrungen war das ein sehr seltsames Verhalten. Aber es kam ihnen entgegen. Die Nei’rrh würde dabei der Ausgangspunkt einer neuen Ära für das Romulanische Reich werden. Sokala besah sich ihr Quartier für die nächsten Wochen. Sie schien zufrieden und sah dann zu ihrem Sohn.
"Wenn du noch etwas brauchst, Mutter, ich bin nebenan. Und wir müssen uns sprechen", wandte er sich an den noch immer nervösen Adjutanten. Es ging nicht an, dass sie hier mit unfähigen Untergebenen zurechtkommen mussten. Besser, Tiaren bläute ihm vorher noch ein paar Manieren ein. Sokala sah es mit einem Blitzen in den Augen. Sie war in solchen Momenten stolz auf ihren Sohn, war er doch genauso kompromisslos wie sie, wenn es darum ging, Probleme zu lösen.
Er befahl ihm zu folgen. Der junge Mann war gehorsam. Kaum jedoch schlossen sich die Türen zur Unterkunft des Sohnes der Botschafterin, wandte dieser sich ihm zu.
"Dein Ton und dein Verhalten lässt schwer zu wünschen übrig", erklärte Tiaren, und obwohl seine Stimme weich klang, sprach die Kälte in seinen Augen eine ganz andere Sprache. "Offenbar werden auf der Imperialen Akademie in letzter Zeit zu lasche Methoden angewandt. Ich bevorzuge da eher traditionelle Methoden. Also sag mir, was ist laut Kodex die Strafe für ungebührliches Verhalten?"
Der Adjutant wurde sichtlich fahl. Doch er wagte es nicht, zurückzuweichen. Er schluckte. Sein Blick war starr gerade aus. "Die traditionelle Methode ist der Neuralstimulator in frei wählbarer Stärke, die im Ermessen des Vorgesetzten liegt", erhob er klar seine Stimme.
"Aha. Nun, du hast offenbar doch etwas gelernt." Tiaren zückte das winzige, harmlos aussehende Gerät aus seinem Gürtel und lächelte tückisch, während er die Stärke einstellte. Es hinterließ keine bleibenden Schäden, wirkte aber direkt auf das Schmerzzentrum des Gehirns. "Sobald du schreist, stelle ich es eine Stufe höher, also sieh zu, dass du deine Disziplin wahrst", drohte er.
Der Adjutant konnte nur wieder nicken, während ihm Angstschweiß den Nacken herunterrann. Aber er war ein Legionär des Imperiums und würde auf keinen Fall schreien.
Fünf Minuten später tat er es doch.
Tiaren sah etwa eine halbe Stunde danach auf die zusammengebrochene Gestalt des nunmehr sicherlich gehorsamen und ausreichend demütigen Adjutanten seiner Mutter. "Steh auf und bringe dich in einen akzeptablen Zustand. Deine Dienste werden in einer Stunde wieder benötigt", befahl er ihm.
"Sofort, Sir", kam die prompte Antwort, obwohl es dem Romulaner sichtlich schwerfiel, überhaupt zu antworten. Aber er hatte es eilig, aus Tiarens Blickfeld zu kommen. Dieser gestattete sich ein zufriedenes Lächeln. Es war doch immer am besten, wenn jeder seinen Platz kannte. Und wenn nicht, nun, es gab immer Mittel und Wege, selbst die Stolzesten zu brechen. Eine Erinnerung war in diesem Fall besonders befriedigend. Die an den Kll'inghann-Mischling A´kebur, ach so stolzer Captain der ach so stolzen Enterprise. Nur eine winzige Spritze und ein wenig spezielles Pheromon-Extrakt, und er hatte es geradezu genossen, wie ein rolliges fvai-Weibchen genommen zu werden. Es war wiederholungsbedürftig. Aber bald würde Tiaren den Captain ja wiedertreffen und sehen, wie dieser reagieren würde.
Doch jetzt ging er wieder zu seiner Mutter. Diese las gerade die neuesten Depeschen durch, die sie von den Agenten aus dem Föderationsgebiet erhalten hatte. Ein Agent des Tal Shiar hatte sie ihr gebracht.
"Nun", begann sie grußlos. "Die Enterprise ist abgeflogen. Es hat ein großes Fest gegeben. Und der Captain ist auch weiterhin der Captain. Soweit sind also die Wahrscheinlichkeiten richtig. Captain A´kebur ist niemand, der sich so leicht aus der Bahn werfen lässt. Die Frage ist, ist er für uns weit genug aus der Bahn geraten, Sohn." Sie sah ihn missbilligend an. "Es gibt keine Hinweise, dass es ihm an etwas mangelt."
"Vermutlich haben sie vulkanische Heiler angeschleppt, um ihn wieder auf die Beine zu bekommen", erwiderte er. "Ich habe das Band geknüpft und ohne diese Schlampen von Priesterinnen auf Vulkan kann er es nicht lösen. Und nicht ohne mich."
Die goldenen Augen seiner Mutter verschwanden kurz hinter ihren Lidern, ehe sie ihn wieder intensiv musterte. "Nun, ich muss dein Scheitern bedenken. Du bist kein erfahrener Telepath. Ich weiß nicht, ob sich noch Gelegenheiten ergeben werden, den Captain unter Kontrolle zu bekommen. Er muss nach unseren Liedern singen und tanzen, und die Föderation soll denken, dass sie einen loyalen Mann haben, dem sie vertrauen können. Wer könnte denn integerer sein als der Ziehvater eines Admirals." Sie lachte leise.
"Keine Sorge, Mutter. Du wirst sehen, sobald wir auf die Enterprise treffen, werde ich die Sache in die Hand nehmen. Dieser Kll'inghann", er spuckte das Wort verächtlich aus, "wird nicht wissen, was ihn getroffen hat."
"Nun, ich hoffe, dass er es doch weiß", erwiderte sie spitz. "Lass uns gehen. Das Schauspiel will vorbereitet sein. Zudem müssen wir sichergehen, dass wir keinen Verräter an Bord haben. Hier, lies! Offenbar haben die Verräter versucht, die Föderation zu warnen. Wir müssen davon ausgehen, dass es noch mehr Versuche geben wird. Auch unter den Botschaftern Vor allen Dingen unter den Botschaftern, wenn ich da an den Vulkanier Spock denke."
"Spock? Dieser Bastard hat schon genug Schaden angerichtet. Können wir ihn nicht beseitigen?"
Sokala hob eine Augenbraue. "Sohn, du musst dein Blut zügeln. Du bist kein Soldat!", maßregelte sie ihn. "Mancher Feind ist lebendig mehr wert als tot. Und sein Handeln hat dazu geführt, dass wir uns über die Verräter unter uns klarer wurden. Wir sollten ihm danken. Er wird wie ein Spiegel auch die übrigen Verräter entlarven."
"Wie du meinst, Mutter. Ich werde mich zurückhalten", versprach Tiaren. Ihm fiel nicht ein, die Mission durch unüberlegtes Verhalten zu gefährden. Dafür stand zuviel auf dem Spiel. "Gibt es im Vorfeld sonst noch etwas für mich zu tun?"
"Halte deine Augen offen und erkenne unsere Feinde, Tiaren. Ich bedauere manchmal, dass wir nicht mehr das telepathische Potential unserer Vorfahren haben. Aber vielleicht empfängst du etwas."
"Ich werde es versuchen. Aber je geringer die Entfernung ist, desto einfacher wird es gehen."
Sokala verstand. "Ja, tu das. Es trainiert dich auch, wenn du den Mischling kontrollieren sollst."
Tiaren nickte. "Er hat allerdings sehr starke eigene Barrieren, ohne weiteres werde ich nicht an ihn herankommen. Aber wie gesagt, je näher ich an ihm bin, umso einfacher ist es", erwiderte er.
Sokala nickte. "Gut, das wird geschehen." Sie lächelte minimal und erhob sich. Es wurde Zeit. Im Saal wurden sie schon erwartet. Mochte es sein, dass die Enterprise größer war, doch die Nei'rrh war nicht sehr viel kleiner und entsprach dem letzten Stand der Technik. Ein Saal fand sogar Platz, in dem mehr als hundert Diplomaten sich versammeln konnten. Jetzt waren die gut zwanzig Vertreter des Romulanischen Reiches anwesend und hatten sich in sehr viel kleinerer Runde am Tisch versammelt.
Man stand höflich auf, als Sokala eintrat und Platz nahm. Sie musterte die Anwesenden; sie kannte sie alle auf das Genaueste. Mindestens zwei von ihnen befürworteten den Frieden mit der Föderation rückhaltlos. Doch die anderen hielten sich mit ihrer Ansicht eher zurück.
Jeder von ihnen jedoch würde seine Rolle spielen, die ihm zugedacht war. Befürworter, Gegner, Neutrale. Sie würden die Föderation in einen Taumel ihrer eigenen Gefühle schleudern. Denn jeder Botschafter und Unterhändler war nur für das Romulanische Reich. Und wer es nicht war, der würde die Verhandlungen nicht überleben.
Sokala sah in jedes einzelne Gesicht und rief sich die Vergangenheit, Verwandtschaftsgrade, Verbindungen und persönliche Antriebe eines jeden in Erinnerung. Sie lächelte. "Wir befinden uns auf der größten Mission unserer Zeit", eröffnete sie. "In unseren Händen liegt die Zukunft von Romulus."
Einhelliges Nicken bekräftigten ihre Worte. In der Hinsicht war man sich definitiv einig. Tiaren, der hinter seiner Mutter Stellung bezogen hatte, lauschte dem Vortrag und den darauffolgenden Gesprächen nur mit halbem Ohr. Es war ohnehin nicht von Bedeutung; die Schachfiguren waren alle in Position, selbst die, die gar nicht wussten, dass sie überhaupt auf einem Brett standen. Hin und wieder streckte Tiaren seine geistigen Fühler aus, doch noch konnte er nichts spüren. Ab und an drang ein verschwommener Gedanke oder ein Gefühl der Anwesenden zu ihm durch, aber er konnte nichts damit anfangen. Wie ein Blinder, dem mit Mühe das Augenlicht ersetzt wurde und der von alleine nicht wusste, wie die Farbe Blau aussah, konnte er es nur registrieren, aber nicht einordnen.
Als das Treffen vorbei war, war er froh darüber. Schleichende Kopfschmerzen hatten sich eingestellt und er brauchte dringend Ruhe. Noch während seiner Rückkehr hatte er immer wieder Rückkopplungen erlebt und stechende Schmerzen bei den Schläfen und hinter seinen Augen. Er hatte es seiner Mutter verschwiegen. Es lag an seiner eigenen Unvollkommenheit, dass er diese Umstände nicht einfach abstreifen konnte. So war er erleichtert, als sich die Tür seines Quartiers hinter ihm schloss und er für einen Moment jegliche Zügel fahren lassen konnte.
Tiaren ließ sich aufs Bett fallen, knurrte den Bordcomputer an, das Licht zu dämpfen und schloss die Augen. Es half nicht viel, war aber besser. Und im Augenblick konnte er sich derartige Schwächen einfach nicht leisten, sonst gefährdete er die Mission. Aber es gab nicht viel, was er tun konnte.
Romulaner hatten keine Erfahrung mit Telepathen, und das wenige, was es an Aufzeichnungen gab, stammte noch von vor der Zeit der Auswanderung nach Romulus oder von gefangenen Vulkaniern. Es war ein mittleres Wunder gewesen, dass es überhaupt möglich gewesen war, in Tiaren die noch immer angeborene Fähigkeit zu erwecken. Auch war er der einzige Kandidat dafür gewesen; allein unter Vulkaniern waren starke Telepathen schon nicht allzu häufig, auch wenn sie alle zu Partnerbindungen in der Lage waren. Und all das, was er wusste, hatte er mehr oder weniger erraten müssen. Natürlich hatte seine Mutter recht, es konnte alles fürchterlich schiefgehen, wenn er einen Fehler machte. Aber deswegen blieb nur die Alternative, eben keinen Fehler zu machen.
A´kebur zitterte. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Seit einer Stunde versuchte er nun schon seinen galoppierenden Metabolismus zu dämpfen, es wollte ihm jedoch nicht gelingen. Sein Kopf dröhnte und drohte seinen Schädel zu spalten. Erst als er das Zischen des Injektors spürte, stellte sich Erleichterung ein.
Dr. McCoy sah ihn stumm an. Es war keine Frage in den Augen des Menschen. Nur eine Mischung aus Wut und Unverständnis. Keine von den dahinterstehenden Fragen konnte A´kebur ihm beantworten. Jetzt wollte er nur schlafen. Er brauchte die Zeit, und selbst der Weg zurück in seine Kabine war verschwendete Zeit. Noch während er wegdämmerte, berührte er das ungeliebte Band. Es zitterte rötlich und verriet, was mit ihm geschehen würde. Es war vor der Zeit. Zu früh. Seine Hoffnung war, dass es wieder abklang. Aber A´kebur wusste, wenn der Prozess einmal begonnen hatte, ihm nicht mehr übrigblieb, als es zu akzeptieren.
Irgendwo am Rande seines Bewusstseins nahm Tiaren die Verbindung wahr, die er zu dem Captain geknüpft hatte. Da regte sich etwas, wie das Vibrieren einer Instrumentensaite. Vermutlich versuchte der Mischling schon wieder, es zu lösen, aber es würde vergebens sein. Außerdem würde ihm die Auswirkung der Injektion weiter zu schaffen machen. Unaufhaltsam würde er in den Strudel primitivster Gefühle stürzen, nur noch getrieben von dem Verlangen, seinen Partner zu finden. Tiaren lächelte in die Dunkelheit. Der Mischling würde ihn noch auf Knien anflehen.
Knapp eine Woche flogen sie ohne große Ereignisse zum angegebenen und vereinbarten Treffpunkt. Der Admiral der Flotte zeigte dabei kein großes Interesse an Eile. Vielmehr flog man gemächlich. Die Taktik war klar: Wer den Gegner warten ließ, zeigte, dass er auf ihn nicht angewiesen war. Es war bekannt, dass die Menschen zur Pünktlichkeit neigten und sie waren es auch, die die administrative Arbeit in dieser Hinsicht beeinflussten. Sicherlich kochte der eine oder andere Sicherheitschef daher, als sie buchstäblich für die meisten Augen - weniger für die Sensoren - aus dem Nichts auftauchten. Ein, zwei Alarmsysteme mussten dabei ausgeschaltet werden. Dennoch richtete sich keine Waffe auf sie. Die Föderation und mit ihr Starfleet hatte sich wohl ziemlich unter Kontrolle.
Um die Nei’rrh herum hatte sich eine riesige Flotte angesiedelt. Sie glitzerte im Licht der Sonne des abgelegenen Zentralgestirns.
"Offenbar ist die Föderation im Krieg", meinte Sokala spöttisch. "Haben sie ihre gesamte Flotte hier stationiert?" Sie lachte.
"Man könnte fast denken, sie hätten Angst vor uns", stimmte der Commander zu. "Soll ich einen Kanal öffnen, Botschafterin?"
"Tun Sie das, und schicken Sie einen freundlichen Gruß", meinte Sokala jovial. Sie lächelte ihren Sohn an. "Ich schätze, unsere Ankunft ist bemerkt worden."
"Oh ja. Und der Captain der Enterprise ist derjenige, der mit dir sprechen wird." Tiaren lächelte unheilvoll. "Ich kann ihn jetzt deutlicher spüren."
Durch Troi ging eine Welle des Hasses und der Verwirrung, und die Quelle dafür war der Captain. Doch dessen Grund konnte er nicht spüren. Besorgt sah er ihn an. In seinem Äußeren war nichts von den Gefühlen zu sehen.
Er war der Captain.
Angetan in Galauniform war er das Bild eines Offiziers von Starfleet, der wusste, was er tat und der wusste, dass er zu den Besten gehörte. Hatte der Counselor noch gedacht, dass A´kebur eher vorsichtig und zurückhaltend sein würde, so sah er sich getäuscht. Er war durch und durch Klingone, dem einzig eine gewisse vulkanische Ausbildung und Erziehung den Habitus eines Gentlemans verlieh. Er zuckte nicht einmal mit einer Wimper, als man ihn von der romulanischen Seite warten ließ. Der Affront schien ihn offensichtlich nicht weiter zu berühren. Innerlich sah es anders aus.
"Enterprise hier. Captain A´kebur. Ich grüße Sie im Namen der Föderation", eröffnete er, als sich endlich jemand meldete mit neutraler Stimme.
Auf dem Bildschirm erschien die Brücke des Flaggschiffes der Romulaner. "Ich bin Commander Setrian vom romulanischen Diplomatenschiff Nei’rrh, stellte sich der kommandierende Offizier vor, ein mittelalter Romulaner mit undurchdringlichem Gesicht. Er wies auf die Frau seiner Rechten. "Dies ist Botschafterin Sokala, die Leiterin unseres diplomatischen Corps."
Die Romulanerin trat vor. Sie trug entgegen dem, was A´kebur kannte, keine Uniform mit breiten Schulterpolstern, sondern eine lange Robe von beinahe vulkanisch anmutendem Schnitt. "Ich grüße Sie, Captain", begann sie und nickte leicht. "Es ist beruhigend zu sehen, dass Sie unsere Verabredungen bisher eingehalten haben."
Counselor Troi sah instinktiv zum Captain, als der Bildschirm hell wurde. Er spürte deutlich, dass wieder etwas in A´kebur vorging, und es hatte mit den Romulanern zu tun. Er selbst konnte von der Botschafterin keine feindlichen Absichten erkennen. Sie klang ehrlich bestrebt, die Verhandlungen zu beginnen.
"Nun, die Zweifel lagen eher auf Ihrer Seite. Weniger bei uns", wagte sich A´kebur auf schlüpfriges Parkett. "Sie können Ihre Positionen einnehmen. Sollte Ihnen der Platz im Orbit nicht zusagen, können Sie sich an mich wenden. Bitte erlauben Sie uns die Ehre, Sie und die Vertreter des Romulanischen Reiches zu einem Bankett auf der Enterprise einzuladen. Auch die Offiziere der Nei’rrh sind gern gesehene Gäste."
"Wir nehmen dieses großzügige Angebot mit Freuden an, Captain A´kebur", erwiderte Sokala und lächelte leicht. "Schicken Sie uns Zeit und Koordinaten, wird werden pünktlich erscheinen. Sokala Ende."
A´kebur lehnte sich zurück und rieb sich das Kinn. "Ratet mal, wer zum Essen kommt!", murmelte er. Die umstehenden Offiziere schmunzelten. "Ich bereite alles für das Bankett vor, Captain und weise die Mannschaft ein", erklärte Commander Aera. Troi sah wieder ernst zum Captain. "Alles in Ordnung, Sir?"
"Natürlich, Counselor. Lassen Sie die Schwerter schleifen. Ach ja, geben Sie bitte die Koordinaten und die Zeit an unsere werten Gäste durch." In Gedanken setzte er hinzu: Und vergessen Sie das Gift in einem der Becher nicht.
"Aye, Sir. Aber wenn ich daran erinnern darf: Wir sollen Frieden schließen." Er wandte sich zum Com-Panel um. "Die diplomatische Delegation ist ebenfalls informiert; Botschafter Chioma möchte vorher noch mit Ihnen sprechen, ebenso Botschafter Spock."
A´kebur nickte und wandte sich um. "Sagen wir in zwanzig Minuten. Counselor, auf ein Wort vorher in meinen Besprechungsraum!" Er erhob sich und erwartete, dass Mr. Troi ihm folgte. Dieser folgte ihm in den angrenzenden Raum und sah den Captain erwartungsvoll an. "Ich vermute, Sie möchten meine Einschätzung von Botschafterin Sokala?"
"Ja, ich würde gern hören, was Sie gespürt haben", erwiderte A´kebur. Er setzte sich und stellte die Fingerspitzen gegeneinander.
"Nun, sie will in jedem Fall die Verhandlungen führen", erwiderte er. "In der Hinsicht habe ich nur feste Entschlossenheit gespürt. Alles andere ist schwieriger festzustellen, weil Romulaner sehr starke natürliche Abschirmungen haben. Aber unmittelbare Feindlichkeit habe ich nicht erkennen können." Er zögerte. "Nur von Ihnen, Captain."
A´kebur hob beide Augenbrauen. Dann lächelte er unheilvoll. "Wir haben einen nicht unerwarteten Gast auf diesem Schiff. Und ich bin sicher, er freut sich genauso sehr wie ich. Ich möchte Sie bitten, mich daran zu erinnern, dass ich der Captain der Enterprise bin, wenn der Empfang ist. Es könnte sein, dass es sonst ein Blutbad gibt, sollte ich meinen Gegenpart treffen und ich bin mir sicher, dass er alles tun wird, meine Barrieren anzugreifen."
"Sir, wollen Sie etwa sagen, dass wer immer Sie angegriffen hat, auf dem Diplomatenschiff der Romulaner ist?", fragte Troi erstaunt. "Das hieße, dass sie wirklich nicht mit der ehrlichen Absicht zu verhandeln gekommen wären."
"Haben Sie tatsächlich daran geglaubt, dass das hier eine nette kleine Friedensverhandlung wird? Ich bezweifle, dass wir überhaupt hier über den Frieden reden werden. Nun, wie auch immer. Das ist Aufgabe der Diplomaten. Unsere ist es, dass es hier nicht zu einem Blutvergießen kommt. Schicksal, dass ausgerechnet ich das sagen muss."
"Aye, Sir. Aber warum sind wir dann hier, wenn es sowieso eine Falle ist? Weiß Admiral Duval davon?"
A´kebur unterdrückte den Drang, mit der Schulter zu zucken. "Ich vermute, dass es einen Faktor gibt, den man Hoffnung nennt. Und vielleicht denkt Starfleet, dass es neben den anderen auch die gibt, die wirklich den Frieden wollen. Ich weiß es nicht. Ein haltbarer und belastbarer Waffenstillstand wäre aus Sicht der Förderation schon von Vorteil."
"Natürlich. Und wir sollen jetzt einfach gute Miene zum bösen Spiel machen? Wir können ja nicht einmal Ihren Angreifer in Gewahrsam nehmen, weil die Romulaner sofort alles abstreiten wurden und es als Affront auffassten."
"Deshalb brauchen wir Beweise." A´kebur erhob sich und ging zum Replikator. "Auch etwas?", fragte er Mr. Troi.
"Nein, danke. Ich werde jetzt Commander Aera zur Hand gehen und mit Lieutenant Ch'Grawbil sprechen, was die Sicherheitsvorkehrungen betrifft. Oder gibt es sonst noch etwas, Captain?"
A´kebur sah ihn an, als wollte er noch etwas sagen. Doch er schüttelte den Kopf. "Nein, Mr. Troi. Gute Arbeit."
Der Counselor nickte und verließ den Besprechungsraum mit einem unguten Gefühl in der Magengegend. Besser, alle auf dem Schiff waren vorbereitet.
A´kebur hingegen kontaktierte wie gewünscht die Botschafter und bat sie in den Konferenzraum. Er hatte Chioma und Spock bisher nur kurz gesprochen, als sie an Bord kamen. Botschafter Chioma war ein kleiner, dünner, dunkelhäutiger Mensch, dessen sanftes Gesicht über seinen scharfen Verstand und sein Verhandlungsgeschick hinwegtäuschten. Er hatte in den letzten Jahren entscheidend zur Beendigung diverser Konflikte mit anderen Völkern beigetragen und hatte ausdrücklich darum ersucht, in dieser Mission das diplomatische Corps zu leiten.
"Ah, Captain. Schön dass Sie Zeit für uns haben", begrüßte er A´kebur mit einem offenen Lächeln und einem Händedruck. Ich wollte vor dem Diner mit unseren Gästen noch mit Ihnen reden."
"Genauso wie ich. Ich hoffe, der Aufenthalt auf der Enterprise war bisher angenehm. Die Wartezeit hat mit den Romulanern jetzt ja endlich ein Ende."
Der Botschafter lächelte breit. "Natürlich, sehr angenehm, und ich stimme Ihnen zu." Er ließ A´keburs Hand los. Dieser sah zu dem Vulkanier. "Botschafter Spock", grüßte er einen Hauch steifer. Er wusste mit diesem Mann nicht das Geringste anzufangen. Er war genauso warm wie ein Vulkanier, der frisch ins Leben zurückgekehrt war nach einer langen Zeit in Gol, wo er die höchste Stufe der Logik und Gefühllosigkeit erreicht hatte.
"Langes Leben und Wohlergehen, Captain A´kebur." Spock hob die Hand zum traditionellen Gruß. "Wir hatten bisher ebenfalls noch keine Gelegenheit zu einem Gespräch, was unter den gegebenen Umständen sehr bedauerlich ist. Obwohl ich offiziell nicht zur Delegation gehöre, möchte ich Ihnen doch in jedem Fall mit Rat zur Seite stehen."
"Spock und ich kennen uns schon seit Jahren, und er ist ein Experte, was die Romulaner betrifft", meinte Chioma. "Verlassen Sie sich auf seine Vorschläge, Captain."
A´kebur deutete zu den Sesseln. "Ihr Rat trifft auf offene Ohren. Auch wenn ich persönlich Ihre Ambitionen nicht nachvollziehen kann. Die Romulaner hatten Sie damals verraten. Es ist nicht nur eine Wahrscheinlichkeit, sondern für mich Gewissheit, dass dieses Mal etwas Ähnliches passieren wird. Ich denke jedoch, da der Rahmen größer ist, wird der Schaden, der entsteht, auch entsprechend größer sein. Verzeihen Sie, wenn ich so offen rede. Aber für einen diplomatischen Diskurs haben wir keine Zeit."
"Es ist gut, wenn wir offen miteinander sind", erwiderte Spock. "Ich weiß, meine Ambitionen damals waren nicht von Erfolg gekrönt, aber die Tatsache bleibt bestehen, dass es Romulaner gibt, die ernsthaft den Frieden wünschen. Ich habe diesen Leuten versprochen, dass ich alles in meiner Macht Stehende tun werde, um ihrem Traum eine Chance einzuräumen, und daran halte ich fest." Er überlegte kurz. "Ich kann Ihnen über Botschafterin Sokala nicht viel sagen, nur, dass sie bisher eine gemäßigte Position im Senat vertreten hat. Erst, als es um die Frage ging, ob Gespräche geführt werden sollten, ergriff sie vehement Partei dafür."
"Also könnte sie diejenige sein, die vielleicht auf romulanischer Seite die Verhandlungen zum Erfolg führt. Ich rate dennoch zur Vorsicht. Es gibt definitiv jemanden an Bord des romulanischen Kreuzers und hier auf der Enterprise, der die Verhandlungen gefährden könnte." A´kebur hoffte, dass diese Warnung genügte, damit die Diplomaten nicht ins offene Messer liefen.
Die beiden nickten grimmig. "Wir haben von den Vorfällen gehört, die sich kurz vor dem Start ereigneten", meinte Botschafter Chioma. "Wir werden so vorsichtig wie möglich sein. Aber Mr. Spock hat recht, solange es eine Chance gibt auf Verhandlungen, müssen wir diese ergreifen."
A´kebur hob eine Augenbraue. Er fragte sich ernsthaft, wo das Schwarze Brett bei Starfleet war. Er hatte es bisher nicht herausgefunden - aber dieses Mal war wohl seine Tochter dafür verantwortlich. "Gut, dann sollte es von meiner Seite her keine weiteren Bedenken geben. Die Besatzung ist damit beschäftigt, die Sicherheit zu gewährleisten, so dass Sie morgen die Verhandlungen aufnehmen können."
"Sehr gut. Wichtig zu bedenken ist, dass die Romulaner annähernd so stolz sind wie die Klingonen und ebenso emotional reagieren können, aber gleichzeitig eine nahezu vulkanische Kühle und Sachlichkeit an den Tag legen können", gab Spock zu bedenken. "Ich denke, Sie wissen, was ich meine, Captain, wenn ich sage, dass eine besondere Balance im Umgang mit ihnen vonnöten ist."
A´kebur spürte die Ehrlichkeit und Offenheit. Er nickte. "Wer, wenn nicht ich, wüsste das besser", meinte er mit offenen Lächeln. "Danke für Ihre Zeit. Entschuldigen Sie meine Eile. Aber bis zum Empfang ist noch einiges zu erledigen. Wenn ich jedoch etwas für Sie tun kann, werde ich alles tun, damit Sie es erhalten."
"Vielen Dank, Captain. Ich bin gespannt, wie das Essen heute Abend ausfallen wird. Ich werde noch an meiner kleinen Rede schreiben", verabschiedete Chioma sich.
"Captain, wenn ich noch kurz privat mit ihnen sprechen könnte", hielt Spock A´kebur auf.
Es war offensichtlich, dass der Captain nicht wollte. Aber er blieb zurück und deutete an, dass er bleiben durfte. Als Chioma gegangen war und sie allein waren, neigte er leicht seinen Kopf. "Sprechen Sie!", forderte er Botschafter Spock auf.
Dieser sah A´kebur eindringlich an. "Verzeihen Sie meine Offenheit, aber ich denke, bevor die Situation kritisch wird, sollte ich mit Ihnen darüber gesprochen haben. Es ist jetzt existenziell, dass wir all unsere Kräfte fokussieren. Aber Sie stecken in einem tiefen emotionalen Konflikt, Captain, der unter den gegebenen Umständen verständlich ist. Er darf Sie jedoch nicht behindern." Bevor A´kebur etwas erwidern konnte, fuhr er fort: "Wir beide wissen wohl am besten, wie schwer es ist, zwischen zwei Welten zu leben, um schließlich eine Heimat in einer dritten gefunden zu haben. Wir wissen beide, was es bedeutet, unseren Gegenpart zu verlieren und wie sehr man bestrebt ist, diese Lücke wieder zu füllen."
A´kebur glaubte zu ersticken. "Ich habe ihn nicht darum gebeten, mich zu vergewaltigen", zischte er fast bösartig und wich vor Spock zurück, weil er fürchtete, dass der sich mit ihm schlagen würde, sollte er auch nur noch ein Wort verlieren.
Doch Spock sah ihn nur ruhig an, fast schon mitfühlend. "Ich wollte Sie nur daran erinnern, dass Ihr Feind nur soviel Macht über Sie hat, wie Sie ihm es erlauben. Es lag nicht in meiner Absicht, Sie zu beleidigen, Captain, im Gegenteil."
A´kebur fühlte fast ungläubig, wie sein Blick verschwamm und kurz darauf Tränen seine Wangen hinabliefen. "Gehen Sie", flüsterte er rau. "Lassen Sie mich allein."
"Natürlich." Spock stand auf, verließ den Konferenzraum und ließ A´kebur mit seinen Gefühlen allein.
A´kebur hatte den innigen Wunsch, einfach nur zu schreien. Doch alles blieb wie unter einer dicken Decke. Er brauchte einige Zeit, ehe er sich beruhigen konnte. Irgendwann war ihm der Gedanke gekommen, einfach die Tränen zu weinen, die in ihm steckten, auch wenn er dieses Gefühl des Selbstmitleids hasste. Doch, was hier verborgen in seinem Besprechungsraum passierte, brauchte er nur mit sich auszumachen und vor niemandem rechtfertigen. Danach war er wirklich ruhiger, auch wenn sich in ihm alles ziemlich wund anfühlte. Er spürte die Blicke, die ihm folgten. Aber er war sich sicher, dass das weniger mit dem zu tun hatte, was passiert war. Nichtsdestotrotz hatte er jetzt noch einiges zu erledigen, bevor er sich beim Dinner von seiner besten Seite zeigen konnte und das musste er. Schwäche zeigen war inakzeptabel. Er betrachtete sich im Spiegel. Zum Glück hatte sein kleiner Ausbruch keine Spuren in seinem Gesicht hinterlassen. Als er die Augen kurz schloss, vermeinte er für einen Moment, Etiennes Umarmung zu spüren und seine Stimme zu hören: "Zeig es ihnen!"
Zum ersten Mal wieder seit dem Beginn dieser Mission.
Er hatte geglaubt, Etiennes Gedanken für immer verloren zu haben. Jetzt fühlte er Erleichterung. "Entschuldige", flüsterte er. "Ich konnte es nicht verhindern. Und ich werde es ihnen zeigen."
Die romulanische Delegation beamte pünktlich hinüber. Die Senioroffiziere standen Spalier im Transporterraum und warteten gespannt, als die ersten Gestalten materialisierten. Botschafterin Sokala und Commander Setrian traten vor und begrüßten A´kebur und den Botschafter höflich. Auf dem Bildschirm war es nicht zu spüren gewesen, aber die Romulanerin strahlte eine beeindruckende Präsenz aus. Als nächstes beamten ihre Begleiter hinüber und machten der Reihe nach ihre Aufwartung, während Sokala sie vorstellte. Als Letztes trat ein junger, gutaussehender Mann vor, der der Botschafterin recht ähnlich sah, aber sonst eher vulkanisch wirkte. "Mein Sohn Tiaren", stellte sie vor. Tiaren trat auf A´kebur zu und reichte ihm die Hand. "Sie glauben nicht, welche Ehre es ist, Captain", erklärte er. Seine Stimme war sanft und dunkel, beinahe sinnlich, mit einem leichten Akzent.
A´kebur blinzelte kurz. Er hatte das Gefühl, in einen Spalt zu fallen. Dennoch verweigerte er nicht die Hand. Er verschloss nur im gleichen Moment alle seine mentalen Barrieren auf eine Weise, dass Mr. Troi ihn erstaunt ansah. A´kebur war nach dem Gespräch mit den Botschaftern schon wie eine Auster gewesen, doch jetzt ähnelte er mehr einer Festung.
"Es ist mir auch eine Ehre", erwiderte A´kebur rau. "Willkommen auf der Enterprise. Meine Offiziere", stellte er vor. Nacheinander nannte er Name und Rang, während ein Teil seines Verstandes auf Hochtouren lief. Woran erinnerte ihn dieser Romulaner, fragte er sich. Es war leicht zu sagen, wenn nicht sogar verführerisch, dass er der Angreifer war. Doch dafür gab es kein Indiz. Einzig, dass er sich vor dessen Nähe fürchtete und dass seine Stimme etwas in ihm auslöste, was er als widerwillige Faszination beschrieben hätte.
Immer wieder glitt sein Blick zu dem Romulaner, der ihn, sooft er es bemerkte, erwiderte, aber auf höfliche, unbestimmte Weise. Es wirkte so, als habe er überhaupt keine Ahnung. Aber Romulaner waren hervorragende Schauspieler.
Als die Begrüßung beendet war, siedelten sie in das große Speisezimmer über. Es war dem Anlass entsprechend geschmückt, und der Tisch war mit typisch irdischen und romulanischen Speisen gedeckt. Auch das Ale fehlte nicht. Als sie sich alle gesetzt hatten, hob Botschafter Chioma das Glas.
"Als die Föderation vor fast zweihundert Jahren mit den Klingonen Frieden schloss, zitierte deren Botschafter einen berühmten irdischen Dichter und sprach einen Toast auf Das unentdeckte Land aus: Die Zukunft. Ich möchte mich ihm anschließen in der Hoffnung, dass diese Verhandlungen friedlicher ablaufen werden, aber ebenso von Erfolg gekrönt sein mögen."
Jeder erhob sich darauf hin, und Botschafterin Sokala bekräftigte: "Es soll so sein, dass unsere Völker eines Tages gemeinsam das unbekannte Land entdecken. Wir werden an diesem Ort die Grundlage für diese Zusammenarbeit schaffen. Es ist die Hoffnung, die uns alle treibt. Auf eine gemeinsame Zeit und das unbekannte Land!"
Allgemeine Zustimmung war zu hören und zu spüren. Als alle getrunken hatten, setzten sie sich wieder. Alsbald war der Raum von Stimmengewirr erfüllt. So problematisch sich das Zusammenleben sonst gestaltete, man unterhielt sich geradezu gesittet und artig miteinander.
Der Captain sah sich jedoch mit dem Problem konfrontiert, dass der Sohn der Botschafterin nicht weit von ihm entfernt saß. Die Botschafterin saß neben Chioma. A´kebur konnte auf einmal kurz neben sich Bewegungen spüren. Überrascht sah er auf, als Botschafter Spock den Platz mit seinem Counselor wechselte. Was hatte das zu bedeuten?
Spock nahm neben ihm Platz, sagte aber nichts. Doch der stumme Beistand war für ihn unübersehbar. Ansonsten fuhr er fort, sich mit dem Counselor zu unterhalten, als wäre nichts gewesen. Tiaren hingegen sah wieder zu A´kebur hinüber, diesmal neugierig.
Im Moment ohne wirklichen Gesprächspartner war das eine stumme Aufforderung an ihn, sich mit ihm zu unterhalten. A´kebur räusperte sich und lächelte zurückhaltend. Es war jedoch eher eine verhaltene Geste des Zähnebleckens, wie ihm bewusst wurde. "Mr. Tiaren, Sie sind auch als Botschafter hier?", fragte A´kebur.
"Oh, ich bin nur zur Unterstützung der Botschafterin hier. Die offiziellen Dinge überlasse ich denjenigen, die darin geschult sind", gab Tiaren zurück und erwiderte das Lächeln, jedoch eindeutig wärmer. Nur seine golden schimmernden Augen blieben irgendwie kalt. "Ich bin in erster Linie Taktiker."
"Sie sind also Offizier", schloss A´kebur. "Es ist ungewöhnlich, dass Sie keine Uniform tragen." Noch während er das sagte, wusste A´kebur auch warum. Er hatte jemanden vom Geheimdienst vor sich. Seine Miene verriet nichts und auch seine Gedanken blieben wohlverborgen.
"Ich bin nicht mehr im aktiven Dienst, Captain. Aber wir Romulaner sind im Herzen alle Offiziere mit einem festen Pflichtgefühl, mit Uniform oder ohne. Das verstehen Sie sicher."
"Natürlich", erwiderte A´kebur. Eine Lüge, sagte ihm sein Verstand. Dieser Romulaner war zu jung, um schon aus dem Dienst ausgeschieden zu sein.
"Aber sagen Sie mir, Captain, was halten Sie von uns? Ganz sicher ist das Feindbild noch immer sehr ausgeprägt, dass die Föderation von uns hat, oder? Von Klingonen und Vulkaniern ganz zu schweigen." Tiaren lächelte, als würde er nur über das Wetter reden.
"Ich denke, dass wir alle lernen müssen, in unserem Feind den Freund zu sehen", antwortete A´kebur nach einem Moment. "Ich denke sogar, dass an diesem Tisch Individuen sitzen, die das lernen werden. Vielleicht in diesem Moment, vielleicht später. Doch die Zeiten ändern sich. Das heißt, wir müssen uns alle ändern."
"Sehr weise Worte, Captain. Dann hoffe ich, Sie werden selbst mit gutem Beispiel vorangehen und mit uns in Freundschaft verbunden sein. Dann werden Sie auch sehen, dass wir Romulaner sehr konsequente Geschöpfe sind. Wenn wir uns einer Sache wirklich hingeben, dann mit Geist, Körper und Seele." Tiaren hob wie zum Toast sein Glas.
A´kebur hob auch sein Glas. "Ich weiß es." Das "Ich hoffe, Sie wissen es auch" unterschlug er, als er urplötzlich Spocks Hand auf seinem Oberschenkel spürte. Die Geste war klar, wie sie auch verborgen war: Er sollte sich auf keinen Schlagabtausch einlassen. Er trank, den Blick fest auf Tiaren geheftet. Er war sein Gegenpart, wusste er in diesem Moment.
Der junge Romulaner schwieg ebenfalls, aber über den Rand seines Glases warf er A´kebur einen Blick zu, der Bände sprach: Wir haben gerade erst begonnen, du und ich.
A´kebur hatte am Ende des Banketts das Gefühl, einen Zehnkampf gegen hundert Klingonen geführt zu haben. Er war froh, dass die Romulaner weg waren. Seine Kopfschmerzen waren wieder da und er fieberte leicht. Wie auch immer er das hier überleben konnte, war ihm noch schleierhaft. Aber er hatte nicht vor aufzugeben. Seiner Meinung nach war das Bankett erfolgreich gewesen und Botschafter Chioma sprach noch voller Begeisterung davon. Er hatte sich ausgiebig mit der Botschafterin unterhalten und war nun voller Hoffnung, dass die Friedensverhandlungen ein Erfolg werden würden - gegen jegliche berechtigten Bedenken.
Die Senioroffiziere berichteten ebenfalls von positiven Erfahrungen, aber Spock blieb vorsichtig. Auch Counselor Troi hatte neue Zweifel, als A´kebur alle Beteiligten am nächsten Morgen zu einem Briefing bat. "Wie ich schon sagte, bisher habe ich keine feindlichen Absichten spüren können, aber sie verbergen etwas", erklärte der Betazoide. "Besonders der Sohn der Botschafterin. Er ist vermutlich vom Tal Shiar."
"Ja, sein Verhalten ist so offensichtlich, als wollte man, dass wir es als Provokation erfahren. Er ist noch immer Offizier!", meinte A´kebur. "Und ich glaube, er war vor der Einweihung der Enterprise an Bord in meiner Kabine." A´kebur ließ die Worte wirken. "Ich habe keinen Beweis. Aber selbst wenn: Die Botschafterin wird darin involviert sein. Ich will Ihren Enthusiasmus nicht dämpfen, Botschafter Chioma, aber ich denke nicht, dass wir uns am Vorabend eines neuen Friedens befinden."
Chioma nickte verstehend. "Wie Sie meinen, Captain. Aber ich bin weiterhin bereit, nach Strohhalmen zu greifen. Finden Sie mir einen Beweis, dass dieser Tiaren oder gar Sokala für den Übergriff auf Sie verantwortlich waren, und ich werde entsprechend reagieren. Bis dahin …" Er breitete vielsagend die Hände aus.
A´kebur nickte. "Gut, wir werden die Stellung halten und für Ihren Schutz sorgen. Wir behalten die Schiffe im Auge."
"Wir hatten eigentlich gehofft, Sie begleiten uns zu den Verhandlungen auf den Planeten, Captain", meinte Spock. "Als Zeichen guten Willens wird Commander Setrian es ebenfalls tun. Wenn beide Kommandanten nicht auf ihren Schiffen sind, ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass diese sich in Auseinandersetzungen verwickeln."
"Nun gut, ich werde mitkommen. Commander Aera wird das Kommando übernehmen. Ich werde Mr. Kaval mitnehmen. Irgendwelche Ideen, wie wir den Romulanern den richtigen Eindruck vermitteln?" A´kebur sah vor allen Dingen seine Senioroffiziere an.
"Am unerlässlichsten ist es, dass wir uns keine Blöße geben", erklärte Counselor Troi. "Romulaner respektieren Stärke und Intelligenz, Schwächen dulden sie wenig. Keinen Konfrontationskurs fahren, immer möglichst ruhig und gefasst bleiben, sich nicht provozieren lassen. Das ist das Wichtigste, denke ich."
Spock lehnte sich vor und deutete an, dass er sprechen wollte. Er war sich sicher, die Aufmerksamkeit auf sich zu haben, als jeder ihn anschaute. "Ich kann dem nur zustimmen", erklärte er. "So lange wir, egal was passiert, den Eindruck von Souveränität und Stärke vermitteln, werden sie sich genausowenig eine Blöße geben. Innerhalb dieses Rahmens ist auch eine ritualisierte Herausforderung möglich. Ehre und Geschicklichkeit können also genauso zu einem Ergebnis führen wie kluge Worte."
Die Anwesenden nickten.
"Bitte bleiben Sie regelmäßig in Kontakt mit mir, Captain", meinte Commander Aera. "Ich hoffe zwar nicht, dass es zu Zwischenfällen kommt, aber wir sind besser vorgewarnt. Alarmstufe Gelb bleibt an Bord bestehen, ist mein Vorschlag."
"Tun Sie das!", stimmte A´kebur zu. "Und ich werde im Kontakt bleiben." Er hob mokierend einen Mundwinkel. Er war sich sicher, dass Aera verstand, denn sie wurde augenblicklich ein paar Nuancen dunkler im Gesicht. Natürlich war es berechtigt, vorsichtig zu ein, aber sie war schließlich nicht sein Kindermädchen. Da es keine weiteren Fragen gab, Lieutenant Ch'Grawbil bestand nur auf einer Ehrengarde zur Begleitung des Captains, lösten sie die Besprechung auf und bereiteten sich auf die eigentlichen Verhandlungen auf dem Planeten vor.
Argos III war ein recht wohnlicher Planet mit viel Wasser und Vegetation, aber keiner eigenen intelligenten Kultur. Man hoffte, dass die angenehme Atmosphäre zum allgemeinen Gelingen der Dinge beitragen würde.
A´kebur sah sich auf dem Gelände um. Man hatte in kürzester Zeit eine komplette Stadt aus dem Boden gestampft. Er empfand das als reichlich übertrieben. Zudem diese Welt sicherlich wieder ihren eigenen Rhythmus aufnahm, sobald die Eindringlinge weg waren. A´kebur hatte nur einen kurzen Blick in sein üppiges Apartment geworfen. Dann hatte er sich kurzentschlossen zu einem Sightseeing entschlossen. Er hatte bisher nicht die Gelegenheit gehabt, obwohl er ab dem Moment seiner Ankunft bis auf die Verhandlungen eher arbeitslos war.
Unbewusst zupfte er am Kragen seiner Uniform. Sie saß zwar perfekt, aber er mochte es lieber, wenn ein Kragen, sofern vorhanden, sich nicht so eng um den Hals schloss. Aber da zu den offiziellen Anlässen die Galauniform vorgesehen war, hatte er bisher diesen unbequemen Schnitt ertragen müssen.
"Sir?" Kaval, der ihm wieder einmal wie ein Schatten folgte, machte sich bemerkbar. Der junge Vulkanier schien mehr denn je entschlossen, seine Aufgabe zu erfüllen und wich A´kebur nicht mehr von der Seite. Außerdem hatte er vor Kaval auch nicht verbergen können, dass sich sein Körper langsam, aber sicher und viel zu früh aufs Ponfarr hinbewegte.
Aber er schwieg. Das stille Einverständnis genügte. "Man müsste den Schneidern von Starfleet sagen, dass die Kragen zu unbequem sind", murmelte A´kebur. "Und den Architekten, dass sie zur Übertreibung neigen."
"Ich glaube nicht, dass das Sinn machen würde, Sir. Die Gebäude stehen und die Uniformen sind produziert. Aber da Sie im Augenblick nicht im Dienst sind, könnten Sie doch etwas Bequemeres tragen", erwiderte Kaval in typischer Logik.
"Dann erzähl mir mal den Zeitplan", meinte A´kebur gutmütig. Er kannte ihn, aber es schadete sicher nicht.
"Natürlich, Sir. Heute Mittag um 1300 nach planetarer Zeit ist ein kleiner Lunch geplant, danach ziehen sich die Botschafter bis zum Abend zurück. Ein Staatsbankett um 2000 beendet den offiziellen Rahmen für heute. Morgen früh um 900 treffen die Diplomaten wieder zusammen."
"Und wir haben zwei Stunden Zeit", schloss A´kebur. Er wandte sich um und ging, gefolgt von Kaval, zurück in sein Quartier. Dort suchte er sich vulkanische Kleidung heraus und zog sich um. "Ich schätze, damit ist das mit dem Kragen gelöst. Jetzt brauchen wir nur noch einen Katalysator für die Verhandlungen. Ideen?"
"Nein, Sir. Hier ist wohl eine gewisse Kreativität gefragt, die sich der Logik entzieht. Was würden Sie vorschlagen?"
"Ich weiß noch nicht", gestand A´kebur. "Aber vielleicht finden wir beide es heraus, wenn wir uns diese Stadt einmal näher ansehen. Interesse?"
"Sicher, Sir, ich bin mit dem Layout der Anlage vertraut, aber allzu viel gibt es hier nicht. Hauptsächlich sind hier Handelsposten stationiert in der Hoffnung auf neue Kontakte. Sie werden aber auch jetzt bereits einen großen Gewinn gemacht haben, indem sie die Güter für die Bewirtung der Delegationen liefern. In der Mitte befindet sich das Konferenzgebäude, und die Apartmentkomplexe sind in zwei Teile aufgeteilt. Im Süden für die Mitglieder der Föderation, im Norden für die Romulaner. Der Rest ist kultivierte Flora zur ästhetischen Untermalung." Kaval legte den Kopf schief. "Das wussten Sie aber alles schon vorher, Sir."
"Ach wirklich?" A´keburs Stimmung hob sich. Er schob den Umhang zurück und trat durch die Tür. "Dann wollen wir uns mal das Ergebnis anschauen, was es hier so alles an kultivierter Flora zur ästhetischen Untermalung gibt. Außerdem Fluchtwege, mögliche Attentatspunkte und was man noch so braucht."
Kaval nickte. Zusammen gingen sie den exakt geharkten Kiesweg von den südlichen Apartments hinunter zu den Gärten. Blumen und Büsche aus allen Teilen der Galaxis waren hier zu prachtvollen Gärten angelegt; es erinnerte A´kebur ein wenig an Risa. Nur mit dem Unterschied, das es auf Risa nicht so künstlich wirkte. Hier und da stand ein Starfleetoffizier und schien Wache zu halten. Vor dem Komplex der Romulaner war es genauso, nur mit einem romulanischen Soldaten. Ansonsten wirkte alles friedlich.
"Was denkst du, Kaval?", fragte A´kebur. Er hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt und wirkte so, als schlenderte er wirklich. "Wie lange kann ich durchhalten?"
"Es kommt darauf an, Sir. Zusammen mit den neuentwickelten Präparaten würde ich auf eine oder zwei Wochen schätzen. Es wird allerdings kompliziert, wenn Sie wirklich mit einem neuen Band verbunden sind. In dem Fall werde ich Ihnen nicht helfen können, Sir." Kaval sah besorgt aus, wenn man wusste, wie man die Miene eines Vulkaniers zu deuten hatte.
A´kebur nickte. Er wusste, würde man sie beobachten, würde niemand bemerken, dass sie ein schweres Thema wälzten. Er schätzte Kavals Aufmerksamkeit. Sie war ein Anhaltspunkt, wie es um ihn stand. Bis jetzt hatte er noch keine Mühe, die Auswirkungen auszugleichen. Doch die Nähe seines aufgezwungenen Gegenparts würde alles beschleunigen. "Ich denke, du kannst mir doch helfen", meinte A´kebur. "Vielleicht nicht so, wie es hätte sein sollen, aber auf eine andere Art."
"Ich werde alles tun, was ich kann, Sir", erwiderte der junge Vulkanier. "Zögern Sie nicht zu fragen."
A´kebur lächelte. "Oh, das hatte ich nicht vor. Was hältst du von einer Entführung?"
"Sir?" Kaval sah ihn verwirrt an.
A´kebur blieb stehen und betrachtete scheinbar interessiert einen in voller Blüte stehenden Busch. "Nun, ich weiß nicht, womit der Romulaner rechnet. Aber ich denke, er hofft darauf, dass ich meine Kontrolle verliere und er mich lenken kann wie eine Marionette. Wie viele Märchen mögen über diese Art Verbindung im Romulanischen Reich kursieren? Es werden eine ganze Menge sein. Ich denke, dass er lernen wird, dass es kein Spiel ist. Er hat mich herausgefordert, ich nehme an. Wenn er einen Vulkanier im Ponfarr sucht, wird er ihn bekommen. Aber nach meinen Regeln."
"Ich verstehe. Aber wir würden damit einen diplomatischen Eklat verursachen. Die Romulaner würden es sofort als feindliche Absicht werten", gab Kaval zu bedenken.
"Wenn sie es bemerken, Kaval. Und würde ein Romulaner darüber reden?" A´kebur wandte sich um und sah ihn an.
"Nun ..." Kaval verschränkte die Hände hinter dem Rücken. "Wie ich schon sagte, es ist Ihre Verantwortung, Sir. Aber ich helfe Ihnen. Wie sollen wir das allerdings angehen?"
"Wir werden ein wenig beobachten. Eine Woche habe ich ganz sicher noch mit Medikamenten." Hoffentlich.
A´kebur nahm den Spaziergang wieder auf. "Ich denke, dass die Hauptarbeit bei den Diplomaten liegt. Wir sind die hübsche Dekoration und die ausgetauschten Krieger und unausgesprochene Geiseln." Sie hatten also viel Zeit, gab er zu verstehen. Und in der Zeit würden sie sich einen vernünftigen Plan überlegen. Der große Vorteil war, dass Tiaren ebenfalls nicht zu den Diplomaten gehörte und nur bei den allgemeinen Anlässen zu erscheinen hatte, genau wie A´kebur selbst.
Ihn in einem unbedachten Moment zu erwischen, sollte also möglich sein. Einfach würde es jedoch auf keinen Fall. Zwar war Tiaren immer alleine unterwegs, wenn er den Apartmentkomplex verließ, stellten A´kebur und Kaval fest, aber das hieß nichts. Auch ohne Waffen würde er sicher nicht leicht zu überrumpeln sein. Diese waren ganz zu Anfang feierlich abgelegt und verschlossen worden.
Die ersten zwei Tage waren insgesamt damit angefüllt, dass sich beide Seiten beschnüffelten, wie es der Botschafter ausdrückte. Spock war als unerwünschter Berater nicht dabei. Ihm wurde offen Misstrauen entgegengebracht. Kaval und A´kebur entging das nicht. Sie behielten neben Tiaren auch alle anderen im Auge.
Ihnen entging dabei aber auch nicht, dass sie ebenfalls beobachtet wurden. Es war ein interessantes Katz-und-Maus-Spiel. Nur A´kebur bemerkte, dass er langsam mehr brauchte. Er brauchte die Nähe und die Präsenz von Tiaren. Dieser jedoch schirmte sich vehement ab.
Und obwohl das Band zwischen ihnen unangetastet blieb und Tiaren weiterhin so tat, als wüsste er nicht, was los wäre, gab doch ein Blick hin und wieder A´kebur zu verstehen, dass der Romulaner jeden Augenblick genoss, den er den Captain zappeln ließ. Dass er damit mit dem Feuer spielte, schien er einzukalkulieren oder die Auswirkungen zu unterschätzen.
Tatsächlich tat Tiaren beides. Er bemerkte ganz deutlich, wie A´keburs Verhalten sich änderte und dessen Blick ihn ab und an nahezu zu verbrennen schienen und das nicht nur vor Wut. Aber Tiaren wollte den richtigen Moment abwarten, die Verbindung wieder zu öffnen. Wenn der Klingone wirklich nicht mehr Herr seiner Sinne war, würde es einfacher sein.
Dr. McCoy stellte seinen Tricorder ein. Er stand auf der Transporterfläche und fluchte ausgiebig. "Blöde Technik", wiederholte er dabei öfter. "Ich brauche einen anderen Tricorder." Er tippte gegen den Kommunikator. "Ich komme noch mal zurück, Schwester Kalow. Ich brauche einen anderen Tricorder. Können Sie einen heraussuchen, der auch einwandfrei funktioniert?"
"Der, den Sie haben, sollte aber funktionieren, Doktor. Aber ich bringe Ihnen schnell einen Neuen und teste ihn vorher", meldete sich seine Assistentin.
"Heute scheint sich alles gegen uns verschworen zu haben", bemerkte Counselor Troi neben McCoy. "Ich hoffe nur, es klappt alles wie geplant, sonst sind unsere Hintern im Feuer, um meinen Großvater zu zitieren."
"Wieso?", fragte McCoy unschuldig. "Ich bin hier, um die Flora und Fauna zu inspizieren und meines Wissens gibt es keine wilden Tiere auf Argos."
"Oh, ich denke da an zwei sehr seltene Spezies, beide mit spitzen Ohren." Troi verschränkte die Arme. "Gut, dass nicht noch mehr davon wissen."
"Schreien Sie es heraus, dann könnte sich das ändern." McCoy gab es auf, dem Gerät vernünftige Werte zu entlocken und sah erleichtert auf, als seine Assistentin kam. "Sie sind meine Rettung", rief er. Erleichtert nahm er ihr das Gerät aus der Hand und gab ihr dafür seines. "Ich danke Ihnen!"
"Kein Problem, Doktor." Die Schwester lächelte. "Viel Spaß auf dem Planeten. Er soll ja sehr hübsch und ruhig sein."
"Nicht mehr lange", murmelte Troi und gab dann dem Transporterchief den Befehl, mit dem Beamen zu beginnen, bevor Schwester Kalow sie noch fragend anschauen konnte.
"Das hätten Sie sein lassen können, Mr. Troi", maßregelte ihn Dr. McCoy. Er hob seinen Tricorder. "Nett hier", brummte er. "Sehr nett. Angenehme milde Temperaturen, perfekt für einen Landgang. Was machen wir? Wir gucken von oben herab. Wer kommt nur auf solche famosen Ideen?"
"Die Vorschriften?", gab der Counselor zurück und atmete tief durch, um die frische Luft zu genießen. "Kommen Sie, Mr. Kaval wollte dort drüben auf uns warten."
Troi ging kurz auf die Zehenspitzen, um über eine Pflanzenrabatte zu schauen. "Da, ich sehe ihn", meinte er und lotste Dr. McCoy drumherum. "Hallo, Mr. Kaval", grüßte Troi zwanglos und freute sich ganz offen darüber, den Vulkanier zu sehen.
"Guten Morgen, Counselor, Doktor." Kaval sah ein wenig unruhig aus. "Ich hoffe, Sie sind auf unseren kleinen Ausflug vorbereitet? Mrs. Bronsky vom Cateringservice im Handelskontor erwartet uns bereits. Sie hat einen Kurzstreckentransporter, der nur für Geschäftszwecke auf dem Planeten genutzt und deshalb nicht vom Orbit aus überwacht wird."
"Warum so eilig?", brummte McCoy. "Ich dachte, ich könnte mich ein wenig umsehen." Er wechselte einen Blick mit dem Counselor. "Ich wollte mir erst einmal einen Eindruck machen."
"Wir haben eine halbe Stunde, Doktor, mehr nicht", gab Kaval zu bedenken. "Im Augenblick sind die Diplomaten beim Gespräch und für die Delegationen wird ein Unterhaltungsprogramm geboten."
Troi grinste breit. "Dann lassen Sie uns gehen. Wo ist der Captain?"
Kaval führte sie und erzählte ihnen die letzten Dinge, die sie an Informationen benötigten. Im Moment hatte A´kebur die Fährte von Tiaren aufgenommen. Er registrierte das selbstgefällige Auftreten der Romulaner. Es hatte erste Provokationen gegeben.
Aber da er auf Tiaren fixiert war, hatte A´kebur diese noch nicht einmal richtig wahrgenommen. Es interessierte ihn nicht. Er war sich jedoch bewusst, dass es einige Romulaner gab, die ihn genau im Auge hatten und wussten, was mit ihm war. A´kebur machte sich geistig Notizen, welche es waren.
Im Augenblick jedenfalls hatte er neben einem der Wege durch das Gelände Stellung bezogen und wartete darauf, dass seine drei Mitverschwörer eintrafen. Sie hatten nur eine Chance, und wenn es schiefging, hatten nicht nur sie den Ärger, sondern die ganze Föderation. Und das Schlimme daran war, dass die Romulaner wohl genau darauf spekulierten.
Dr. McCoy nahm ihn aus der Entfernung mit seinem Tricorder ins Visier. "Er wird selbst mit Medikamenten nicht mehr viel Zeit haben. Ich habe sein Blut noch viermal untersucht. Ich denke, es war mit künstlichen Hormonen versetzt worden. Aber ich kann es nicht beweisen."
Während er das sagte, gab A´kebur seinen Platz auf und näherte sich Tiaren. Ein paar Wachen gingen in Habachtstellung. Doch A´kebur verhielt sich so, wie man es von einem Captain eines Flaggschiffes erwartete. Tiaren schien jedoch mit etwas anderem gerechnet zu haben. Dennoch entspannte er sich wieder ein wenig.
"Guten Morgen, Captain", begrüßte er ihn höflich. "Wie es aussieht, interessiert Sie das Unterhaltungsprogramm ebenso wenig wie mich."
"Es ist nicht ganz das, was mich faszinieren könnte", meinte A´kebur. Er kontrollierte bewusst Atem und Körpertemperatur. Noch hatte er diese Kontrolle.
"Und darf ich fragen, was das sein könnte, Captain?" Tiaren ging langsam weiter und A´kebur bemerkte aus den Augenwinkeln, wie sich die Wachen entfernten. Tiaren war sich seiner so sicher, dass er als einer der wenigen Romulaner völlig ohne Begleitung draußen herumlief. Er rechnete damit, ihn kontrollieren zu können. A´kebur würde dafür sorgen, dass er nie wieder dieses Vertrauen hatte. Er lächelte minimal.
"Nun, auf jeden Fall nicht das hier", meinte er eher ausweichend. "Ich bin kein Diplomat."
"Oh, ich denke doch. Sie erwägen Ihre Worte sehr gut, Captain. Außerdem, hätte man Sie sonst auf diese Mission geschickt?"
McCoy, Troi und Kaval sahen hinüber zu den beiden, nickten einander stumm zu und gingen dann langsam weiter, einander zugewandt wie im kurzweiligen Gespräch. Sie durften auf keinen Fall verdächtig aussehen, wenn sie sich A´kebur und Tiaren näherten.
Aber so einfach war es nicht.
"Captain A´kebur, gibt es einen Grund dafür, warum Ihre Offiziere uns verfolgen?", wollte Tiaren wissen, noch immer amüsiert. "Denken Sie, sie müssten Ihren Captain beschützen?"
A´kebur wandte sich halb um. Die Geste wirkte harmlos, zeigte sie doch, dass er um die Anwesenheit der drei Männer wusste und andererseits, dass er nichts Böses annahm. "Ich weiß nicht, sie sind sich ihrer Pflichten bewusst. Ich denke, dass sie auch jetzt ihren Pflichten nachgehen. Wenn Sie wollen, können Sie sie ja fragen!"
Tiaren lächelte hintergründig. "Wenn Ihre Männer nur ihre Pflicht tun, werde ich sie nicht aufhalten. Kommen Sie, meine Herren, Sie müssen keinen Respektabstand wahren."
Der Counselor und der Doktor schafften es, nicht ertappt auszusehen, als sie zusammen mit Kaval näherkamen. Niemand war mehr zu sehen, es war die Gelegenheit.
Als Tiaren sich wieder A´kebur zuwandte, ergriff Kaval blitzschnell die Gelegenheit und wandte einen Nervengriff im Nacken an. Wunschgemäß sackte Tiaren zusammen, und A´kebur fing ihn auf.
"Vielleicht wäre es doch besser, das Ganze zu vergessen", murmelte dieser.
"Bei allem Respekt, Captain, reden Sie keinen Unsinn. Wir stecken schon bis zum Hals drin, also ziehen wir das durch", schnauzte McCoy und hob seinen Tricorder. "Ich habe keine Ahnung, wie lange der Nervengriff bei Romulanern wirkt, also beeilen wir uns besser."
"Dieser Weg führt zum Hintereingang des Kontors." Kaval deutete nach links.
A´kebur machte es irgendwie stolz, das Vertrauen dieser Männer zu haben. Sie kannten einander noch nicht allzu lange. Doch Etienne hätte wohl gesagt, dass man mit ihnen Pferde stehlen konnte. Im Moment stahlen sie jedoch nur einen Romulaner. Aber Etienne hätte das auch nicht allzu kleinlich angesehen. Letztlich zählte das Ergebnis.
Sie schafften es ohne Aufsehen, Tiaren außer Reichweite der beschäftigten Delegation zu bringen. Das Kontor war offen und niemand kam ihnen entgegen. A´kebur schob Tiaren auf die Transporterplattform. Er wusste, dass Transporter dieser Art nur für Waren bestimmt waren und daher nicht die Feinabstimmung für Personentransporter besaßen. Er hoffte, dass nichts geschah, was er bereuen musste. Aber die Einstellungen sahen gut aus. Die Koordinaten waren schnell eingegeben. Gut 200 Kilometer entfernt von der Stadt, in einem überschaubaren Gebiet. Die anderen stellten sich ebenfalls auf die Plattform, und A´kebur aktivierte den Transporter, um sich dann selbst schnell in Reichweite des Strahls zu begeben. Licht flirrte um sie, dann war das Gebäude verschwunden und mit einer sonnigen Landschaft ausgetauscht, ähnlich der um die Stadt herum. Allerdings wuchsen die Pflanzen hier wild und offenbarten die wirkliche Schönheit des Planeten.
"Meine Herren, ich habe nichts dagegen, wenn Sie sich ein wenig der Landschaft widmen", meinte A´kebur und betonte dabei fast jeden Buchstaben. Er stützte persönlich Tiaren, und eine winzige Bewegung genügte, dass niemand anderer sich dem Romulaner näherte. Er gehörte jetzt ihm und zwar ganz und vollkommen. Ohne auf die Zustimmung seiner Leute zu warten, hob er Tiaren an und warf ihn sich über die Schulter. Dann ging er.
Seine drei Begleiter blickten ihm nach. "Denken Sie, er kommt alleine zurecht?", wollte Troi zweifelnd wissen.
"Er hatte schon einen Partner", gab Kaval zu bedenken. "Er weiß, wie man mit ihnen umgeht. Und er ist im Vorteil. Der Romulaner ist kein voll ausgebildeter Telepath. Er wusste nicht, was er tat. Er wird es erfahren."
A´kebur brachte Tiaren ein gutes Stück in den eher undurchdringlichen Wald. Das würde eine Flucht erheblich verlangsamen. Vorsichtig legte er Tiaren ab. Egal wie wütend er gewesen war und was er immer noch fühlte, er mochte keinen Wehrlosen quälen. Was auch immer der Romulaner glaubte, ungestraft tun zu dürfen, er würde heute die Lektion seines Lebens erfahren. A´kebur fühlte, wie dieser langsam erwachte. Daher setzte er sich unweit von ihm und beobachtete ihn.
Tiaren blinzelte und war dann in Sekundenschnelle aufgesprungen. Die Hand griff automatisch zur Hüfte, nur um festzustellen, dass dort keine Waffe war. Als er A´kebur sah, stahl sich wieder ein Lächeln auf sein Gesicht. "Kompliment, Captain. Sie haben mich tatsächlich in einem unbedachten Moment erwischt. Kann ich erfahren, wo wir sind?"
"Immer noch auf Argos III. Was glaubst du?", wurde A´kebur persönlich. "Ich habe keinen Grund, von hier fort zu gehen. Du etwa?"
"Nein, natürlich nicht. Wir haben hier noch einiges zu tun." Tiarens Haltung wurde etwas entspannter, blieb aber wachsam. Er hasste es, dermaßen überrumpelt worden zu sein. Dass der Captain solche Maßnahmen ergreifen würde, hätte er nicht gedacht. "Also, was wird das hier? Politisches Kalkül oder persönlicher Racheakt?", wollte er wissen.
A´kebur lehnte sich zurück. "Ich würde gern ein paar Dinge wissen, Tiaren", eröffnete er. "Hast du eine Ahnung davon, was du getan hast? Wenn ja, dann bist du nach diesen Verhandlungen tot. Wenn nein, dann wirst du es wissen, wenn diese Verhandlungen geendet haben. Ich werde dir so oder so zeigen, was du getan hast. Glaubst du, dass du stark genug bist, einen voll ausgebildeten Telepathen aufzuhalten? Schätzt du deine Kraft so hoch ein? Du solltest vielleicht jetzt erwägen, fortzulaufen. Es könnte sein, dass du damit deinen Verstand rettest. Oder das, was du Verstand nennst."
Der Romulaner verschränkte die Arme. "Ich vermute, wir sind hier weit genug von der Stadt weg, als dass ich zu Fuß irgendeine Chance hätte. Und ja, ich weiß, was ich getan habe. Und deswegen weiß ich auch, dass du mich nicht töten wirst, A´kebur. Ich bin derjenige, der gerade deinen Verstand rettet."
"Oh, das tue ich allein." A´kebur ließ seine Barriere fallen und griff die von Tiaren wie einen Rammbock an. Tiaren konnte gar nicht so schnell Luft schnappen, wie er sich nicht mehr allein fand.
Nie allein und nie getrennt, flüsterte A´keburs Stimme in seinem Kopf. Das Band verschafft mir direkten Zugang zu dir. Hast du gedacht, dass du dieses Spiel kontrollieren kannst, wenn du mich demütigst? Du hast dich angeboten, mein Partner in meiner Zeit zu sein. Nun, ich werde dein Angebot annehmen, Tiaren von Romulus.
Tiaren versuchte, A´kebur wieder aus seinem Kopf zu bekommen, musste aber feststellen, dass er keinerlei Möglichkeit hatte, dazu überhaupt anzusetzen. Das Band, das er selbst geknüpft hatte, war jetzt in beiden Richtungen gleichermaßen aktiv. "Raus aus meinem Kopf", keuchte er. "Du kannst dort gar nicht sein!"
A´kebur lehnte sich vor und kam auf allen Vieren näher, bis er sich ganz aufrichtete und Tiaren mit leisen Grollen musterte. "Ich kann und ich bin, Tiaren", flüsterte er. "Du hast mir das Blutfieber verschafft. Du hast dich mit mir verbunden. Dieses Band ist ein Band der Partnerschaft. Es ist ein Versprechen. Es ist aber ein Verbrechen, es zu erzwingen. Du bezahlst mit deinem unfreiwilligen Versprechen. Du wirst mir das geben, was ich brauche. Sonst wirst du genauso sterben wie ich. Sterbe ich, stirbst du. Vulkanier sind gar nicht so kompliziert, wie alle denken." Hart griff er Tiaren in den Nacken und zog ihn näher. "Fühlst du es?", fragte er. "Dein Werk, und du gehörst mir!"
Tiarens goldene Augen funkelten wütend, während er weiterhin erfolglos im Geiste gegen A´kebur kämpfte. Er begriff nicht, warum er keine Kontrolle mehr hatte. Alles hätte ganz anders laufen sollen. Aber er würde sich garantiert nicht erniedrigen lassen. Mit einem Ruck riss er sich los und versetzte A´kebur einen Schlag. Dieser taumelte zurück und sah ihn ungläubig an. Dann lachte er schallend.
"Aber gern", meinte A´kebur spöttisch zu Tiaren. "Ich hätte nicht gedacht, dass du auf die Balzrituale der Klingonen stehst." Im nächsten Moment versetzte er Tiaren einen Schwinger, dem nicht wirklich aufging, was A´kebur meinte. Er konnte gerade noch so ausweichen. Dennoch berührte die Faust des Captains die Spitze seines Kinns.
Tiaren konnte sich noch fangen, bevor er zu Boden ging; A´kebur war ihm kräftemäßig eindeutig überlegen. Und was faselte er da von Balzritualen? Aber im nächsten Moment war dem Romulaner doch klar, was hier vor sich ging. Er wich einen Schritt zurück und taxierte sein Gegenüber. Die einzige Hoffnung bestand darin, schneller zu sein als A´kebur.
Wenn er geglaubt hatte, dass ihn dieser Mischling sofort wieder angriff, so sah er sich getäuscht. Er rieb sich vielmehr sein Kinn und musterte ihn.
"Mhm, Sorge und ein Hauch von Angst", murmelte er.
Ehe Tiaren widerlegen konnte, dass er keine Angst hatte, senkte A´kebur seine eigenen Barrieren so, dass er glaubte, von einer Feuerwand überrollt zu werden. A´kebur fing ihn auf. Geradezu sanft berührte er Tiarens Schläfen.
"Getrennt und doch zusammen", flüsterte er. "Für diesen Tag gehörst du mir!", bekräftigte er erneut.
Tiaren versuchte erneut, sich zu entziehen, aber der geistige Griff A´keburs war zu stark. Das ganze Ich des Romulaners wurde mit Emotionen überschwemmt, die ihm nicht gehörten, mit Gedanken, die ihm nichts sagten, und mit einem Verlangen, dass er nicht einmal ansatzweise begreifen konnte, weniger noch es abwehren. Die fremde und doch nun so entsetzlich vertraute Präsenz brannte sich durch sein Innerstes.
Und dahinter, noch immer erstaunlich klar, lag die Persönlichkeit A´keburs. Dieser überlegte und ehe der Romulaner es erfassen konnte, was es war, zog sich A´kebur zurück. "Du wirst das ab sofort immer fühlen", erklärte er Tiaren. "Mich, meine Gefühle, mein Verlangen. Du wirst sterben, wenn du dich mir verweigerst. Du wirst mich fühlen bis zu meinem letzten Atemzug und mir dann folgen. Du wirst wissen, wenn es soweit ist." Damit wandte sich A´kebur abrupt ab und ging den Weg wieder zurück.
Tiaren atmete tief durch und stellte zu seinem Schrecken fest, dass ihm fast die Beine wegknickten. Er brauchte ein paar Momente, um sich wieder zu sammeln. Aber was gab es da zu sammeln? Die Präsenz des Klingonen brannte noch immer in seinem Hinterkopf wie ein Leuchtfeuer, beobachtete ihn, bewachte ihn. Tiaren hatte plötzlich den dringenden Wunsch, sich sein Gehirn herauszuschneiden, es gründlich zu waschen und dann wieder einzusetzen. Aber der Gedanke war so absurd, dass er fast lachen musste. Andererseits war es wohl die einzige Möglichkeit. A´kebur hatte recht, wenn er sagte, dass Tiaren ihn nicht mehr los wurde. Die mühsam errichteten und in all den Jahren perfektionierten Barrieren waren eingerissen worden wie Papier. Jeder mit auch nur einem Hauch von Telepathie konnte nun in Tiaren wie in einem offenen Buch lesen.
Die Mission war gescheitert. Schlimmer noch, all die sorgfältige Planung war nach hinten losgegangen. Und jetzt hatte ein Starfleetcaptain einen Romulaner in seiner Gewalt. In dieser Situation gab es nur einen Weg. Tiaren tastete hinter sein Ohr und fand dort unter einer Schicht von synthetischer Haut versteckt eine winzige Kapsel.
A´kebur brauchte nur eine Sekunde, um die Situation zu begreifen. Er spürte es in der Rückkopplung. Er drehte abrupt auf dem Absatz um. Den letzten Abstand überwand er mit einem Sprung. Er dankte noch kurz seinen Reflexen, als er Tiarens Hand zu fassen bekam und ihn daran hinderte, die Kapsel in den Mund zu stecken. "Nein!", brüllte er wütend. "Feigling, dich in mein Quartier schleichen, aber nicht genug Mut, um die Konsequenzen zu ertragen!"
Der Romulaner sah ihn finster an. "Ich trage gerade die Konsequenzen! Ich hatte eine Mission und sie ist gescheitert; das Mindeste, was ich tun kann, ist, die Sache zuende zu bringen. Denkst du, ich lasse dir die Genugtuung, mich versklaven zu können?"
A´kebur gab ihm eine Ohrfeige. Er machte sich nicht einmal die Mühe, seine Hand zur Faust zu ballen. "Kind!", knurrte er. "Kleines, dummes Kind! Was hattest du denn mit mir vor, Tiaren? Einen Nachmittagstee mit mir trinken?"
"Schau doch in meinen Kopf, Klingone!", fauchte er. "Und finde es selbst heraus! Aber wenn du denkst, du könntest das zum Vorteil der Föderation verwenden, vergiss es!"
"Im Gegensatz zu dir, Romulaner, habe ich eine Ausbildung. Ich nehme mir nur, was mir gehört. Deine Gedanken würde ich erst durchsuchen, wenn ich denke, dass du ein Attentäter bist. Im Moment bist du nur ein kleines Rad in einer Verschwörung. Irgendwie bin ich mir verdammt sicher, dass du gar nichts weißt. Und wenn du es weißt, wirst du es so weit von deinem Denken weghalten müssen, dass du es niemals ausführen kannst, ohne dass ich es weiß. Wie du siehst, ich bin mir sicher. Einer Sache kannst du dir gewiss sein: Ich bin kein solch ehrloser Mann, wie du es bist", zischte A´kebur.
"Ehre! Ehre ist Ansichtssache! Für mich ist es eine große Ehre, dem Imperium loyal zu dienen! Also erzähl mir nichts davon, ich kenne meine Pflicht!"
A´kebur sah ihm in die Augen. Kurzerhand zog er ihm am Nacken auf die Beine. Eine weitere Demütigung. Doch dann schubste er ihn auch noch vorwärts. "Ich diene der Föderation", meint er knapp.
Tiaren wandte sich um und überdrückte den Drang, sich erneut mit A´kebur in einen Kampf zu verwickeln. Obwohl, wenn er den Klingonen wütend genug machte, brach dieser ihm vielleicht das Genick. "Föderation, na und? Ein Haufen weichgesichtiger Menschen und Vulkaniergesocks. Selbst ein echter Klingone würde nie so tief sinken, ihnen zu dienen!"
"Ich bin ja auch nur ein halber", meinte A´kebur eindeutig amüsiert, wie Tiaren aus dem Tonfall heraushören konnte.
"Kein Wunder. Areinnye'n-hnah, y'kllhe Kll'inghann![1]", knurrte Tiaren zurück und schloss dieser Beleidigung noch ein paar interessante Bemerkungen über diverse Vorfahren A´keburs und dessen Vorlieben für Verkehr mit aldebaranischen Maulschalen an. A´kebur tat ihm jedoch nicht den Gefallen und brachte ihn um. Er gab ihn nur kurz hintereinander ein paar Kopfnüsse.
Tiaren fing sich noch, bevor er stolpern konnte. Langsam machten sich Kopfschmerzen bemerkbar, aber er versuchte es zu ignorieren. "Ach ja, klingonische Rituale, ich erinnere mich. Macht es dich an, mich zu schlagen? Mit ein bisschen Glück bringst du mich ja doch noch um."
"Im Moment denke ich eher in menschlichen Maßstäben. Was sagen sie? Schläge auf den Hinterkopf erhöhen das Denkvermögen", verspottete ihn A´kebur. "Und ich werde dich nicht anrühren, bevor wir nicht auf Vulkan waren und danach werde ich dich nicht anrühren, weil du genug von allem haben wirst. Es ist Strafe genug. Als fast Nicht-Telepath hast du dich in Bereiche gewagt, die du niemals hättest betreten dürfen. Da du aber nicht geschult bist und du mich ohne Chemie nicht kontrollieren kannst, sorge ich für deine Strafe und deine Ausbildung. Ganz einfach, kleiner Romulaner."
Jetzt hatte Tiaren genug. Sein Kopf war wieder etwas klarer, auch wenn sich die Innenseite seines Schädels noch immer irgendwie wund anfühlte. Aber er würde auf keinen Fall zulassen, dass man ihn ins Gebiet der Föderation schleppte. Er gab vor, erneut zu stolpern, machte dann einen Satz zur Seite und versetzte A´kebur einen gezielten Schlag zwischen die Rippen.
Doch dieser wehrte sich nicht, als er sich auf ihn stürzte. Die blauen Augen sahen ihn auf eine Weise ernst an, die die vorigen Worte zum Teil konterkarierte. "Du bist nicht Etienne", meinte er mit ruhiger Stimme. "Aber es ist unlogisch, sich gegen das offensichtlich Notwendige zu wehren."
"Notwendig ist nur, dass wir beide sterben!", knurrte Tiaren. "Und vergleiche mich nicht mit diesem Menschen. Schlimm genug, dass ich …" Er verstummte und setzte zu einem erneuten Schlag an, diesmal in Richtung Nackengegend.
A´kebur war schneller und fing den Schlag ab. Er nutzte die Kraft, die darin lag, und zog Tiaren über sich, so dass er im nächsten Gebüsch landete. Schnell war er auf den Beinen. Schneller als Tiaren, der sich daraufhin im Schwitzkasten wiederfand und mit Fingerkuppen, die seine Schläfen berührten. "Dann eben jetzt und ohne deine Bereitschaft", flüsterte A´kebur.
Tiaren biss die Zähne zusammen, als erneut eine Flut von Gefühlen und Verlangen auf ihn einhämmerten.
Verdammt, geh weg, lass mich zufrieden!, war alles, was er denken konnte, um nicht vollkommen in diesem Sog zu verschwinden. Aber es nützte nichts, sein Körper reagierte unbarmherzig auf die Reize, die sein Gehirn umspülten. Ihm wurde heiß, und er spürte überdeutlich den Körper des Klingone neben sich. Er konnte auch die suchenden Hände fühlen, die ihn grob abtasteten und dann kurzerhand ihn der notwendigsten Sachen entledigten. Doch dies dauerte nur kurz, denn A´kebur ließ die letzten Zügel fahren, die er noch über sein Fieber hatte und überließ sich Instinkt und Erfahrung. Er erregte Tiaren, verwob das Band neu und eroberte dessen Körper, bis sie beide vor Schmerz und Lust schrieen.
Kaval presste die Lippen zusammen. Das war eindeutig. Er hatte auch die anderen Dinge gehört, obwohl sie weitergegangen waren. Aber sein Gehör war auch feiner als das seiner Begleiter. Die telepathische Invasion blieb ihm ebenfalls nicht verborgen. Am Rande seiner Wahrnehmung fühlte er mehr, als er es selbst gewollt hatte.
Counselor Troi sah ihn von der Seite an. "Es muss schwer für Sie sein", bemerkte er leise. Auch er hatte gespürt, was dort hinter den Bäumen vonstattenging.
"Es ist nicht richtig", erwiderte Kaval. "Es hätte nicht so sein sollen. A´kebur leidet. Er will es nicht."
Der Counselor zuckte hilflos mit den Schultern. "Seine Biologie ist da anderer Ansicht. Ich frage mich nur, was danach wird. Der Captain ist mit diesem Romulaner auf Gedeih und Verderb verbunden, oder? Das kann kaum gut gehen."
"Sie müssen beide nach Vulkan. Die Bindung muss getrennt werden. Sie können nicht zusammen sein." Kaval fand keinen Punkt, von wo aus eine Beziehung möglich war. Er fühlte, dass A´kebur sich beruhigte. Es wurde alles ruhiger. Es konnte sein, dass das einzige Mal genügte. Dann war es jetzt wirklich vorbei. Gut eine Stunde warteten sie unruhig, da ihnen die Zeit buchstäblich davonlief. Dann knackte es endlich im Unterholz. A´kebur kam zu ihnen. Er wirkte etwas derangiert, aber sonst bei klarem Verstand.
Wortlos hob der Doktor seinen Tricorder, um die Körperfunktion des Captains zu überprüfen. "Der Adrenalinspiegel sinkt", erklärte er. "Sie scheinen es überstanden zu haben, Captain."
Counselor Troi war da anderer Ansicht. "Was tun wir jetzt mit dem Romulaner?", wollte er wissen.
"Verhindern, dass er sich umbringt, bevor wir nicht auf Vulkan sein können. Er neigt zu Kurzschlusshandlungen. Also typisch romulanischen Handlungen", erwiderte A´kebur, ohne ihn anzuschauen.
"Ähm, aye, Sir." McCoy und Troi sahen sich besorgt an, dann ging der Doktor los, um nach Tiaren zu sehen. Unter den Umständen war es wohl besser, diesen ruhigzustellen.
"Sollen wir zurückkehren, Captain?", fragte der Counselor.
"Ich denke, es steht außer Frage, dass wir müssen. Unser Zeitfenster ist überstrapaziert. Es könnte sein, dass Tiaren und ich vermisst werden. Und mit uns alle, wie wir hier stehen." A´kebur rieb sich dezent die Rippen. "Tiaren wird sagen, was passiert ist und er wird sich rituell töten. Ich habe keine Lösung für das Problem."
"Wenn er stirbt, sterben Sie möglicherweise auch, Sir", erinnerte Kaval. "Wir müssen den Romulaner unbedingt davon abhalten, bis wir nach Vulkan reisen können. Oder wir sollten den Planeten kontaktieren, ob eine Priesterin bereit ist, herzukommen. Es ist immerhin ein Notfall."
"Das ist logisch!", meinte A´kebur. Die Feststellung hatte er schon lange vorher getroffen. Und Kaval sicher auch. Nun, für einen halben Menschen war das jetzt sicherlich neu.
Tiaren derweil fühlte sich, als wäre einmal quer durch den Warpantrieb eines Schiffes gesaugt und hinten wieder ausgespuckt worden. Alles an ihm schmerzte, und obwohl er genug Training besaß, um dies weitgehend ignorieren zu können, fühlte sich sein Schädel am Schlimmsten an. Dieser verdammte Klingone hatte ihn erfolgreich seine eigene Medizin kosten lassen. Und obwohl Tiaren dessen Widerwillen deutlich gespürt hatte, hatte A´kebur sich doch nicht zurückgehalten. Es herrschte eben Krieg.
Langsam stand der Romulaner auf und rückte seine Kleidung wieder zurecht, nur um festzustellen, dass das meiste davon buchstäblich zerfetzt war. Mit einem Fluch richtete er es so gut als möglich und überlegte, was er jetzt tun sollte. A´kebur umbringen konnte er nicht; das Band würde diesen rechtzeitig warnen. Sich selber töten ging auch nicht ohne entsprechende Mittel. Zurückkehren war ein großes Problem, da er versagt hatte; anstatt dass er die Föderation in Misskredit brachte, wie er es erhofft hatte, hatte nun die Föderation etwas gegen das Imperium in der Hand.
Tiaren sah alarmiert auf, als er Schritte hörte und den Doktor der Enterprise erkannte.
"Oh, Sie sind ja leider schon wach", meinte dieser. "Ich hatte ja gehofft, dass Sie noch ein wenig weggetreten wären."
Kaval legte seine Hände auf den Rücken und musterte den Romulaner. Er enthielt sich der Worte. Der Mensch sprach ihm aus der Seele.
"Das hätte Ihnen so gepasst!" Tiaren bemühte sich, seine Stimme ruhig klingen zu lassen. Wenn er für dieses Chaos eine Lösung finden wollte, musste er nachdenken.
"Ja, dann hätte ich Sie besser zusammenflicken können. Aber jetzt, wo Sie schon mal wach sind, könnten Sie auch braver Romulaner spielen und ich scanne mal Ihre Körperfunktionen. Ach ja, sollten Sie sich umbringen, lassen Sie es!" Dr. McCoy wartete nicht auf eine Zustimmung. Er hob seinen Tricorder, brummte etwas in seinen nichtvorhandenen Bart und scannte weiter.
Tiaren hielt tatsächlich still. "Sie sehen, Ihr Captain hat weniger Schaden angerichtet, als man denkt", meinte er kühl.
"Erstaunlich, wenn man bedenkt, was Sie ihm angetan haben!", meinte McCoy spitz. "Wenn Sie übrigens mit zurück wollen und hier nicht für den Rest Ihres Lebens Tarzan spielen möchten, sollten Sie vielleicht jetzt Ihre Sachen zusammensuchen."
Mit einem sehr vulkanischen Augenbrauenhochziehen folgte Tiaren ihnen. "Kein Wunder, dass wir euch Menschen nicht trauen mit euren seltsamen Ausdrücken", stichelte er zurück.
"Tja, dann lernen Sie doch diese seltsamen Ausdrücke! Aber ich würde mir an Ihrer Stelle auch nicht trauen. Und jetzt los!"
A´kebur tippte gegen seinen Kommunikator, um das Handelskontor zu benachrichtigen zum Rücktransport. Überraschenderweise meldete sich Botschafter Spock. "Captain, verzeihen Sie meine Einmischung, aber ich hielt es für das Beste, mich persönlich Ihrer Sache anzunehmen. Da Sie noch am Leben sind, gehe ich davon aus, dass es gut verlaufen ist; den Umständen entsprechend."
A´kebur hob eine Augenbraue und sah Troi überrascht an. "Ich vermute, unsere Abwesenheit ist entdeckt worden", erwiderte er knapp. "Können wir ungesehen wieder zurück?"
"Ja, das können Sie. Ich habe die Sensoren, nun, sagen wir, gefiltert. Aber sobald Sie wieder in der Stadt sind, sollten Sie besser eine gute Erklärung parat haben, Captain."
"Das wird nicht einfach, zumal Tiaren versucht hat, sich umzubringen und es garantiert wieder tun wird", knurrte A´kebur.
"Das war zu erwarten, Captain. Romulaner haben eine ausgeprägte Abneigung dagegen, in Gefangenschaft zu geraten und kennen deswegen nur diese Alternative. Ich schlage vor, Sie behalten ihn im Auge", war Spocks Rat. "Falls Sie beweisen können, dass man ein Attentat auf Sie versuchte, kann Tiaren offiziell von der Föderation verhaftet werden."
A´kebur musterte den Romulaner, der das Gespräch zweifellos gehört hatte. "Nun, das wäre eine Möglichkeit. Fragt sich nur, wie wir die Beweise zusammenbekommen. Die Frage ist auch, will dieser Romulaner leben."
"Sie wissen, dass es hier nicht darum geht, was ich will, und das weiß er auch." Tiarens Stimme war frostig. "Es ist eine Frage der Pflicht." Er, Dr. McCoy und Kaval hatten sich bei ihm eingefunden, wobei die Freiwilligkeit von Tiaren einfach angenommen wurde. Die beiden Herren ließen ihn einfach nicht aus den Augen.
"Nun, dann ist es deine Pflicht, mir zu dienen", meinte A´kebur knapp und erntetet dafür vier hocherhobene Augenbrauen. "Nach vulkanischem Recht gehörst du mir, bis ich dich freigebe."
Tiaren schnaufte abfällig. "Und womit hast du dir meinen Respekt verdient? Romulaner folgen nur dem Stärkeren."
A´kebur lächelte. Tiaren riss die Augen auf, als er spürte, was dieser mit ihm tat.
"Nun, ich schätze, diese Frage ist auch beantwortet. Noch einen Kommentar?", fragte A´kebur eher rhetorisch.
"Fahr zur Hölle", knurrte Tiaren, aber es klang schon fast nachgiebig, denn er musste seine Kraft darauf verwenden, nicht in die Knie zu sinken oder sich die verbleibenden Kleider vom Leib zu reißen, weil ihm schrecklich heiß wurde. A´kebur hatte erneut von dem Teil seines Gehirns Besitz ergriffen, das die Hormone regelte.
Dieser trat nun näher und berührte nur ganz leicht seine Schläfen. Tiaren zwang sich dazu, nicht zurückzuweichen. Was immer A´kebur in ihm las, es schien ihn zufrieden zu machen. Er trat wieder zurück. "Vier Personen beamen, Mr. Spock", gab er über den Kommunikator an den Berater weiter.
Gleich darauf fanden sie sich in der Stadt im Handelskontor wieder. Botschafter Spock stand an den Kontrollen des Transporters. "Willkommen zurück."
"Danke, Mr. Spock, ich fürchte, wir brauchen Ihre Hilfe auch noch dabei, um ungesehen in unsere Quartiere zu kommen." A´kebur hatte sich halb vor Tiaren gestellt. Er wusste, dass der Romulaner ihm nichts antun würde.
Der Botschafter nickte. "Das sollte sich als nicht zu schwierig gestalten. Die Verhandlungen sind noch in vollem Gange, und die Delegationsmitglieder haben sich größtenteils schon zurückgezogen." Er sah zu Tiaren. "Werden Sie Schwierigkeiten machen?"
Der Romulaner lächelte leicht. "Ihr habt schon genug Schwierigkeiten. Ich bin brav. Vorerst." Dieser Sinneswandel kam nicht von ungefähr. Tiaren war nach wie vor dem Imperium treu und würde es bis zum letzten Atemzug auch bleiben. Aber so, wie die Dinge standen, konnte er im Augenblick nichts ausrichten. Doch wenn er mitspielte, ergab sich vielleicht doch noch eine Chance, den Spieß wieder umzudrehen. Davon abgesehen musste er A´kebur zähneknirschend ein wenig Achtung einräumen.
Dieser sah über seine Schulter und musterte ihn scharf. Doch er war damit nicht allein. Niemand glaubte ihm. Der Captain schon, doch im gleichen Atemzug nicht weiter, als er seinen Arm ausstrecken konnte. Er berührte die Verbindung und dachte: Du wirst in dein Quartier gehen und alles tun, was nötig ist, damit niemand weiß, was geschehen ist.
Tiaren konnte nur nicken. Erneut fühlte er A´keburs übermächtige Gedankenkraft, die die Erinnerung wegsperrte. Andererseits, was hätte er Sokala auch sagen sollen? Es war vielleicht besser, sie vorerst im Glauben zu lassen, dass der ursprünglich Plan noch lief.
"Wir können", erklärte A´kebur.
Spock nickte. Er strich kurz über seinen Umhang und zauberte einen Tricorder hervor. "Die Suchmannschaft bewegt sich in einem unlogischen Muster", meinte er und wirkte dabei etwas pikiert.
Troi grinste. "Ich denke, Dr. McCoy und ich können für die nötige Ablenkung sorgen."
A´kebur nickte und die beiden machten sich auf den Weg. Schon bald hörte man eine lautstarke Unterhaltung mit den haarsträubendsten Theorien, wo der Captain der Enterprise wohl abgeblieben sein könnte. Als McCoy schließlich unauffällig seinen Kommunikator aktivierte, wagten sich die anderen nach draußen. In der Tat drehte sich die Aufmerksamkeit der Wachen um den Doktor und den Counselor, und der Weg war frei. Tiaren hielt es im Grunde für unwürdig, sich einfach davon zu schleichen. Aber A´kebur zwang ihn fast dazu.
Als sie außer Sicht- und Reichweite waren und Tiaren in dessen Quartier abgeliefert hatte, ging A´kebur seines eigenen Weges und suchte sein Quartier auf. Spock hatte sich nach einem kurzen Zögern ebenfalls verabschiedet, so dass das möglich war. Dr. McCoy und Mr. Troi hatten ihre Tiraden derweil anderen Themen zugewandt, so dass sie selbst aus dem Fokus der Suchenden verschwanden.
A´kebur war erleichtert, für einen Moment allein zu sein. Erst in seinem Quartier erlaubte er sich mehr Gedanken über das, was passiert war. Er fühlte sich nicht wohl. Ganz und gar nicht. An sich war die Situation noch schlimmer geworden, als sie so schon gewesen war. A´kebur war Tiaren einerseits verpflichtet, andererseits musste er ihn ausliefern, wollte er nicht selbst als Verräter abgestempelt werden. Tat er das jedoch, waren die Friedensverhandlungen gescheitert und die Föderation und das Romulanische Reich traten in einen neuen Krieg ein. Wie er es drehte und wendete, er sah bis jetzt keinen gangbaren Ausweg.
[1] Fahr zur Hölle, du elender Klingone (y'kllhe = Wurm oder ähnlich nette Beleidigung)
Tiaren hatte, da Sokala noch bei den Verhandlungen war, zum Glück etwas Zeit, um sich zu überlegen, was er tun sollte. Er spürte deutlich, dass er nicht imstande war, irgendetwas von den Ereignissen preiszugeben. Aber Sokala würde eine Erklärung fordern, wo er gewesen war und da wurde es schwierig.
Doch wenn er einfach schwieg, würde er eine unverzeihliche Insubordination begehen; Sokala würde vermutlich nicht soweit gehen, ihn von seiner Mission abzuziehen, aber er musste mit einer Strafe rechnen. Die Aussicht begeisterte Tiaren nicht, aber er war Romulaner. Mit einem Klingonen Sex haben zu müssen, war garantiert schlimmer.
Er hatte nur die Alternative und musste lügen. Doch das ging nicht an. Das war der noch größere Verrat, den er weit mehr fürchtete. Er suchte seine Sachen zusammen und ging unter die Dusche. Er war fast angezogen, als es an der Tür piepte. Jemand verlangte Einlass und die Konferenz war noch nicht zu ende. Wenn er es richtig sah, dann war sein Quartier schon durchsucht worden, ob er sich hier befand. Wer also wollte etwas von ihm?
Vorsichtig ging Tiaren zur Tür und erlaubte den Einlass. Erneut musste er den Drang unterdrücken, einen Schritt zurückzuweichen, als A´kebur vor ihm stand.
"Was willst du?"
A´kebur legte seine Hände auf den Rücken. Er trug vulkanische Kleidung und wirkte auf seine Art formell. "Ich möchte die intergalaktischen Beziehungen verbessern und frage, ob Sie Lust auf eine Partie Schach haben. Interessiert?"
Tiaren glaubte sich verhört zu haben. Schach? War der Captain jetzt vollends verrückt geworden? Nach einem kurzen Moment trat er beiseite. Er war wider Willen neugierig, was das werden würde.
"Kommen Sie herein, Captain", erklärte Tiaren mit einem spöttischen Unterton.
"Haben Sie denn ein Schachspiel hier?", fragte A´kebur.
Tiaren nickte. "Ja, es gehörte zum Unterhaltungssortiment des Quartiers." Er ging zu einem der Schränke und holte ein 3D-Schachbrett heraus. "Bringen Sie mir die Grundzüge bei, Captain?" Dieser Frage folgte ein unschuldiger Augenaufschlag.
"Ich denke, dass wir beide etwas lernen werden." A´kebur ging zum Replikator und gab zweimal Getränke in Auftrag. Jeweils Kaffee. Plötzlich blitzte eine Erinnerung auf. Tiaren stand vor dem Replikator und trug den Overall eines Technikers. "So war das also", murmelte er. "Zucker, Milch?"
"In dieses seltsame Gebräu, das die Menschen so lieben, beides, und zwar reichlich", gab Tiaren zurück. "Und einen Schuss saurianischen Brandy." Er baute das Schachspiel auf und wusste immer noch nicht, was er von der Situation halten sollte.
A´kebur sah ihn merkwürdig an. "Warum?", fragte er. "Warum so?"
"Weil es anders nicht schmeckt! Haben Sie ein Problem damit?" Tiaren klang gereizt. Die Situation wurde immer bizarrer nach seinen Maßstäben, und er musste auch noch stillhalten.
A´kebur blinzelte überrascht. Die Antwort war ehrlich. Er wählte diese Kombination nicht, um ihn zu ärgern. Er sorgte für alles und reichlich in dem Kaffee von Tiaren und nahm selbst nur reichlich Milch und Zucker in seinen eigenen Kaffee. Damit ging er zum Tisch, wo Tiaren fertig war mit seinen Vorbereitungen.
Offenbar sollte er anfangen, da er den weißen König und die Dame auf seiner Seite stehen hatte. "Auf ein Stück gestohlene Zeit", meinte er und setzte die Dame.
Tiaren rückte mit seinem Springer vor. Natürlich konnte er Schach spielen; seine Mutter hatte seit frühester Kindheit darauf bestanden, dass er nur Spiele lernte, die seinen Sinn für Strategie schulten, und dieses irdische Spiel war dafür besonders gut geeignet. Er musterte A´kebur. "Sie wollten also wissen, woran Sie sind, bis Sie mich wieder loswerden können." Es war keine Frage.
"Sie wissen, warum ich hier bin", wich A´kebur der Frage aus. "Sie wissen, dass ich alles dafür tun werde, damit die Verhandlungen ein Erfolg werden. Leider ist dieser Erfolg auch daran gekoppelt, dass Sie leben. Und falls Sie sterben, dass der Eindruck entsteht, dass die Föderation niemals etwas mit Ihrem Tod zu tun hatte. Das ist so offensichtlich, dass sogar die Worte überflüssig sind. Hätten Sie mich ein paar Jahrzehnte früher kennengelernt, ich hätte Sie mit meinen Händen umgebracht. Langsam und qualvoll. Ich werde niemals wirklich ein Vulkanier sein, aber genausowenig werde ich jemals wieder in meinem Verhalten dem Klingonen ähneln, der ich einmal gewesen bin. Daher: Ich will Sie nicht loswerden. Doch wenn ich es wollte, dann nicht so, wie Sie es denken."
"Ach? Soll mir das Angst machen?" Tiaren zog eine Augenbraue hoch. "Und dass Sie Angst um Ihre kostbaren Verhandlungen haben, war mir schon klar. Aber sagen wir so: Ich kann noch immer hingehen und behaupten, der große, böse Klingone hätte mich bedroht. Was dann?"
"Dann würde Ihre Mama Sie verhauen", meinte A´kebur trocken und brachte Tiarens Turm in Bedrängnis.
Der Romulaner lächelte kühl. "Da haben Sie wohl recht. Aber es wird schon nicht schlimmer sein als das, was Sie Sex nennen. Ein Wunder, dass Ihr Mensch das freiwillig ausgehalten hat."
A´kebur sagte darauf nichts. Nur ein winziges Zögern in seinen Bewegungen verriet, dass Tiaren einen wunden Punkt getroffen hatte. Doch dafür musste der auch kein Hellseher oder Telepath sein. Er kannte A´keburs Lebenslauf wohl besser als dieser selbst.
"Er starb vor über zehn Jahren am telorischen Fieber. Man hat ihm nicht einmal die Schmerzen nehmen können in den letzten Wochen vor seinem Tod. Er hat mich geliebt und ich habe ihn geliebt und liebe ihn noch immer. Sind Sie schon einmal geliebt worden?" A´kebur sah über das Schachspiel hinweg in Tiarens Augen.
"Weiß ich nicht. Ich hatte anderes zu tun, als mir einen Tross von Verehrerinnen oder Verehrern zuzulegen, Captain." Tiaren schob seinen Läufer weiter und nahm einen Bauern von A´kebur vom Brett. "Liebe überlassen wir Romulanern denen, die die Muße dafür haben."
"Dann verstehe ich nicht, warum Sie gerade Schach mit mir spielen", konterte A´kebur. Er nahm einen Bauern vom Brett, den er geopfert hatte. Der nächste Zug war klar. Doch es handelte sich nur um eine Schlacht. Wie der Krieg ausging, war noch offen. "Ich werde Ihnen nichts über die Liebe erzählen. Entweder sie kommt zu einem oder sie meidet den Weg eines Wesens, welcher Rasse auch immer. Ich weiß nicht, ob ich Sie beneiden soll oder bedauern. Aber ein Leben ohne Liebe ist keines. Aufgabe bis zur Selbstverleugnung. Gedankenlosigkeit in den Gedanken. Tote Gefühle in engen Grenzen. Ich habe nicht den Eindruck, es mit einem Wesen zu tun zu haben, das wirklich lebt."
"Nun, dann ist Ihr Auge ein wenig trüb", gab Tiaren zurück, rückte seine Dame vor und brachte damit A´kebur ins Schach. "Aber ich sehe nicht ein, warum ich mich rechtfertigen müsste. Ich kenne die Aufregung während eines Kampfes, die Ekstase, den Gegner niederzustrecken und den süßen Geschmack des Sieges auf der Zunge. Für solche Momente lebe ich, Captain." Seine goldenen Augen hielten A´keburs blaue fest.
"Dann kann ich für Ihr Leben nur wünschen, dass sich alle Ihre Wünsche in dieser Hinsicht erfüllen." Damit setzte der seinen Springer in den Lauf der Dame und gab gleichzeitig den Weg frei für seinen zweiten Springer, dem König Schach zu bieten. Doch egal, welchen Weg der König nehmen würde, er traf unweit davon überall auf weiße Feinde. Noch war es kein Schachmatt. Erst in den nächsten drei Zügen würde Tiarens König fallen.
Dieser studierte kurz das Brett und schob dann kurzerhand einen seiner Bauern in die hinterste Linie A´keburs, um so eine zweite Königin zu gewinnen, die nun den weißen König erneut ins Schach setzte. Gleichzeitig schützte dies seinen eigenen König vor A´kebus Springer.
"Oh, das tun sie meistens", gab er zurück und lächelte geradezu herausfordernd. "Wollten Sie sonst noch etwas wissen, Captain?"
A´kebur schaute sich die Situation an und neigte den Kopf. "Remis", meinte er. "Keiner hat verloren und keiner hat gewonnen. Wie ärgerlich für einen Romulaner."
Der Romulaner schob seine erbeuteten Figuren zurück zu A´kebur, damit sie erneut beginnen konnten. "Aber nicht doch. Das war nur eine Schlacht, nicht der ganze Krieg", sprach er A´keburs eigenen Gedanken aus.
A´kebur nippte an seinem Kaffee. Er lächelte. "Wir bekommen Besuch", meinte er. In dem Moment klingelte es wieder an der Tür. Mit Überraschung sah er einen Teil der Suchmannschaft vor seiner Tür, die ihn ihrerseits eindeutig überrascht ansahen. "Centurio Tiaren", wurde er gegrüßt. Sofort hob sich A´keburs Augenbraue wie im Reflex. Er hatte also richtig vermutet und dieser Mann hatte gerade mehr verraten, als er es hätte dürfen. Schließlich war Tiaren in Zivil hier.
"Was gibt es, Daise'Erein?", fragte Tiaren den Lieutenant, als wäre er die ganze Zeit hier gewesen.
"Wir haben Euch gesucht und nicht gefunden. Es wurde vermutet, dass …" Der Daise'Erein stockte immer wieder, weil sein Blick unruhig zu A´kebur wanderte. Dieser hatte sich erhoben und sich mit voller Bedacht in eine Aura unterdrückter Aggressivität gehüllt. Er ließ auch sexuelle Dominanz einspielen. A´kebur spekulierte einfach darauf, dass es wichtig sein konnte, dass er verstärkt unkalkulierbar eingestuft wurde. Als Bedrohung. Die Romulaner mussten bis zum Schluss im Unklaren gelassen werden.
"Was immer vermutet wurde, es entspricht nicht den Tatsachen. Der Captain und ich haben lediglich etwas Zeit außerhalb der Stadt verbracht." Tiaren stellte fest, dass er nicht mehr sagen konnte. Zwar entsprach das der Wahrheit, unterschlug jedoch den Hauptteil des Sachverhaltes. Aber der mentale Befehl hallte noch immer in seinem Kopf und hielt ihn davon ab, etwas zu verraten.
"Dann entschuldigt bitte die Störung. Wir werden gehen!" In dem Satz schwang ein kurzes Zögern mit, als ob der Soldat vermutete, dass ihm Tiaren noch etwas sagen wollte. Doch Tiaren nickte nur knapp, dann schloss sich die Tür wieder, als der Soldat zurücktrat.
A´kebur hatte die Arme vor der Brust verschränkt und musterte ihn.
Tiaren zog eine Augenbraue hoch. "Denken Sie, ich würde dem Erstbesten etwas erzählen, Captain? Dafür ist das, was ich weiß, viel zu wichtig."
"Dem zweitbesten?", fragte A´kebur amüsiert. "Deiner Mutter?", fragte er leiser.
"Muss ich das wirklich beantworten? Sie wissen es genau, Captain. Und wenn ich ihr nichts sagen kann oder nur zuwenig, werde ich ziemlich ausgiebig bestraft werden. Mit etwas Glück bekommen Sie das alles mit Dank des Bandes." Der Romulaner verzog die Mundwinkel zu der Andeutung eines Lächelns.
"Das wäre nicht das erste Mal!", wisperte A´kebur ernst. Er wandte sich ab und ging wieder zum Schachspiel. Er hatte eine schwarze Figur in der Hand und setzte sie dann an ihren Platz.
Aus den Augenwinkeln beobachtete Tiaren ihn. "Na, erstes Bedauern, Captain?"
"Bedauern?" A´kebur schnaubte kurz. "Das hört sich so an, als hättest du mir eine Wahl gelassen. Was gibt es zu bedauern? Ich habe alles getan, um zu überleben und diese Verhandlungen nicht zu gefährden."
"Süß, diese Ehrlichkeit. Nun, dann müssen wir wohl vorerst damit leben." Er trat näher an A´kebur heran, "Und was war dieses kleine Schauspiel eben? Du hast den Daise'Erein angesehen, als hätte er uns bei privaten Aktivitäten gestört", verfiel er ebenfalls wieder in die private Anrede und schmunzelte amüsiert.
"Nun, meines Wissens bin ich unter den Romulanern mit Vorsicht zu genießen. Ich hatte nicht vor, aus der Rolle zu fallen", erwiderte A´kebur geradezu unschuldig. "War ich überzeugend? Es dürfte auch verhindern, dass mehr erklärt werden muss als unbedingt notwendig."
"Oh doch, in jedem Fall überzeugend. Richtiggehend eifersüchtig."
"Es war mir ein ausgesprochenes Vergnügen. Ich tue, was ich kann."
"Aber dir ist schon klar, dass du mir damit in die Hand spielst? Ob du mich mit dem Band hältst oder ich dich, ist ja fast schon gleich. Aber ich habe es einfacher, beiden Parteien klarzumachen, dass der große, böse Klingone mich da zu etwas gezwungen hat." Tiaren schob seine Königin über das halbe Feld.
A´kebur besah sich den Zug und empfand ihn als angemessen aggressiv. Eine würdige Eröffnung. Er nickte leicht und setzte seine Dame dagegen. "Es ist die Frage, was dabei herauskommt. Ich halte nichts davon, wenn der Sohn der Botschafterin während der Verhandlungen ums Leben käme. Die Romulaner mögen vielleicht diesen Frieden nicht, doch dann werden sie es sagen müssen. Von mir bekommen sie nicht die Erlaubnis, weil ich einen der ihren getötet habe. Darum ging es doch, oder? Ich sollte dich angreifen. Oder jemanden, der dich schützt. Ein Akt der Aggression begangen von der Föderation."
Tiaren zuckte mit den Schultern. A´kebur hatte natürlich recht, aber das musste er ja nicht zugeben. "Meine Pläne sind noch nicht vollends gescheitert, wie ich zuerst dachte. Von daher ist alles noch möglich."
"Und dein Ziel ist das Scheitern der Verhandlungen. Warum?" A´kebur sah ihn interessiert an. "Weil es unfein ist, mit unreinem Blut zusammenzuleben? Weil die Völker der Föderation nicht einmal annähernd gut genug sind, um mit den Romulanern dieselbe Luft zu teilen, sofern sie nicht sowieso schon einen anderen Stoff bevorzugen?"
"Oh, so xenophobisch bin ich nicht. Gegen Vulkanier und Klingonen habe ich etwas, der Rest ist mir recht egal", provozierte Tiaren weiter. "Und warum sollte ich dir alles erzählen?"
A´kebur verzog die Mundwinkel und wirkte amüsiert. "Weil wir einige Zeit miteinander verbringen werden. Also können wir uns auch so austauschen. Es ist eine Art Schach. Züge sind sichtbar, aber was letztlich dabei herauskommt, ist immer wieder eine Überraschung. Also keine Vulkanier und keine Klingonen. Sehr merkwürdig. Dabei sind Vulkanier und Romulaner ziemlich eng miteinander verwandt."
"Bei uns heißt es: Kein zahmer Shu'Kri jagt so gerne wilde Kris wie einer mit einem Kri als Vorfahren. Und obwohl wir physisch fast identisch sind, sind unsere Geister doch vollkommen gegensätzlich. Wir sehen Gefühl nicht als Schwäche, im Gegenteil. Und doch können wir eiskalt und logisch sein, wenn es nötig ist", meinte Tiaren. Sein Springer schlug A´keburs Turm mit einem recht gewagten Manöver.
Doch im nächsten Moment sah er, dass er damit den Zug auf seinen eigenen Turm freigegeben hatte. A´kebur kassierte ihn und sah ihn an. "Nun, es ist der Hass des Shu'Kri auf seine Ahnen. Es ist unlogisch. Und nur ein Tier würde diesem Drang nachgeben und es zu einem Teil seinem Leben machen. Aber wer weiß, als was sich die Romulaner empfinden."
Tiaren lächelte. "Als Romulaner. Nicht mehr und nicht weniger. Ich mochte diesen irdischen Ausdruck für unser Volk lange Zeit nicht. Aber dann erfuhr ich von der alten irdischen Legende des Romulus, der seinen Bruder Remus erschlug und die Stadt Rom gründete, deren Reich fast tausend Jahre hielt und einen großen Teil der damals bekannten Erde ausmachte." Damit schob er seine scheinbar achtlos in der Ecke stehende Dame wieder hervor und setzte sie zwei Ebenen nach oben. "Schach."
A´kebur neigte sein Haupt und besah sich die Konstellation. "Einen Namen aufgrund einer irdischen Legende für gut befinden. Ein faszinierender Charakterzug. Ich habe übrigens meine vulkanische Seite gehasst. Ich wollte ein Klingone sein mit allen Konsequenzen. Es ist mir bis heute verwehrt. Mein Vater hat mir die klingonischen Weihen verweigert, damit ich der anderen Seite meiner Familie in die Augen schaue. Ich denke, die Romulaner und die Vulkanier sollten ihre Familienzwistigkeiten endlich angehen und sich den Respekt zollen, den jeder verdient." Er nahm seine Kaffeetasse und ging damit zum Fenster und sah nach draußen.
"Sagen Sie das den Vulkaniern, Captain. Unsere Arroganz ist nichts im Vergleich zu ihrer." Tiarens Tonfall wurde wieder etwas frostiger. "Aber ich sagte Ihnen doch: Ich überlasse die Politik lieber den Diplomaten."
"Nun, dafür mischst du dich aber fleißig ein. Und wenn Arroganz ein Verbrechen ist, dann müssten noch einige andere Völker vor den Richter." A´kebur sah über seine Schulter, als ob er sich versichern müsste, blickte dann aber gleich wieder Tiaren an. "Wir sollten das übrigens von vorhin bei Gelegenheit wiederholen. Ich fürchte, was immer du mir gegeben hast, es ist ein wenig anders als das, was mir normalerweise beim Blutfieber passiert."
"Oh ja, unser nettes, synthetisches Hormon. Wir konnten es nie vernünftig testen, aber das Ergebnis war doch eindeutig zufriedenstellend." Tiaren schmunzelte. "Und ja, es ist stärker. Sonst hättest du mich wohl kaum auch nur angefasst."
"Mhm, dann zieh dich aus und such dir etwas zum Festhalten", grollte A´kebur dunkel. Er fühlte die Unruhe ansteigen. Eben noch hatte er sich darüber gewundert, warum er von einem Moment auf den anderen zu kaum einem klaren Gedanken fähig war, als es darum ging, den nächsten Schachzug zu überdenken. Das hier war ganz sicher nichts, was er zu wiederholen wünschte. Aber Tiaren würde es sich ganz sicher überlegen, wenn es noch einmal darum ging, einen Vulkanier mit seinem Blutfieber zu schlagen.
Der Romulaner musterte ihn mit einem unleserlichen Blick. "Ich schätze, ich komme hier nicht mit intakter Würde heraus. Aber andererseits, das war ja auch nicht meine Absicht." Er ging in Richtung des angrenzenden Schlafzimmers. Oh ja, A´kebur hatte bei ihrer ersten Begegnung schon recht gehabt: Tiaren war selbst die Hure. Aber im Augenblick gehörte das mit zur Mission.
A´kebur senkte den Blick. Er hatte daran keinen Gefallen. Zu gern wäre er auf dem nächsten Weg nach Vulkan zurückgeflogen mit Tiaren im Handgepäck. Es war unmöglich. Es war aber auch unlogisch, das zu bedauern. A´kebur bedauerte sich selbst, auch wenn das weniger ein Wesenszug war, den er an sich leiden mochte. Langsam wandte er sich um und folgte Tiaren.
Dieser stand vor dem Bett und knöpfte nahezu seelenruhig seine Jacke auf. Dem Romulaner gefiel das ebenso wenig; nach wie vor empfand er es als Zumutung, diesem Mischling so nahe kommen zu müssen. Aber es war immer noch weitaus effektiver, seinen Feind zu demütigen, als ihn zu töten, auch wenn man dabei eine eigene Demütigung im Kauf nahm. Tiaren zauberte ein nahezu verführerisches Lächeln auf sein Gesicht, doch die Augen bleiben kalt.
A´kebur hingegen ertrug auf einmal den Anblick nicht. Er schloss seine Augen. Er erwog, dass es auch so gehen musste. Schließlich hatte er schon den Höhepunkt vollzogen. Aber sein Körper verriet ihn.
"Und, willst du doch einen Rückzieher machen?", spottete Tiaren. Er spürte ganz deutlich die Macht, die er mit einem Mal wieder über A´kebur hatte. Dessen Körper war so angespannt wie eine Bogensehne und erregt. Der Romulaner kam einen Schritt näher. Das Pheromonparfüm sollte sein Übriges tun.
A´kebur öffnete wiederwillig seine Augen. "Es ist und bleibt falsch", murmelte er. "Kaval war dazu ausersehen, für meine Zeit da zu sein. Er tat es freiwillig. Es wäre noch immer nicht das gewesen, was mir Etienne bedeutet hat. Aber es hätte sich nicht so schmutzig angefühlt." Er schnupperte leicht. "Etiennes Geruch macht es auch nicht wahrer und reiner", fügte er leise hinzu.
"Dann mach die Augen wieder zu. Die Pheromone sind bei mir implantiert", erwiderte Tiaren, der sich schon gefragt hatte, wann A´kebur endlich bemerkte, warum ihn dieser Geruch so verrückt machte. "Ich werde bis an mein Lebensende nach deinem Menschen riechen, A´kebur."
Dieser sah ihn entsetzt an. "Wie weit bist du gegangen? Wie viel Hass? Das ist Rache. Aber es ist nicht deine!" Fassungslos hob er die Hand und berührte die Konturen, strich über die Augenbrauen und den Mund. "Toran", flüsterte er. "Torans Rache, und sein Kind vollzieht sie." Auf einmal passte alles zusammen. Jedes Puzzlestück war an seinem Platz - mit einem Ruck hatte sich das ganze Bild geklärt. "Es geht gar nicht um die Verhandlungen. Ging es nie …" Er lachte hart auf.
Sein Gegenüber wusste nicht, ob er ärgerlich sein sollte, dass A´kebur endlich die Wahrheit erkannt hatte oder lieber amüsiert. Er entschied sich für Letzteres. Der Klingone war schließlich nicht so dumm, wie sein Vater immer behauptet hatte. "Das hat lange gedauert", erklärte er. "Und ja, du hast recht. Ich bin Torans Sohn. Er lässt besondere Grüße ausrichten."
"Er hat also überlebt!" A´kebur wankte. Er hatte das Gefühl, als ob das Universum in ein schwarzes Loch gesaugt werden würde. Aber dieser Moment dauerte nur einen Atemzug lang. A´kebur ballte unwillkürlich die Hände. Ehe Tiaren begriff, was er in den Augen von A´kebur glitzern sah, hatte dieser ihm einen Kinnhaken verpasste. A´kebur schlug nicht wahllos zu, aber jeder Schlag vermittelte die Wut, die er in sich hatte.
Tiaren sah zu, dass er auswich. "Aber ja, er lebt. Er wurde schon öfter für tot erklärt, als man noch zählen kann. Vater hat immer einen Fluchtweg parat. Nur diesmal hatte er sich verkalkuliert. Er hatte vergessen, wie kurz die Lebensspanne eines Menschen ist, und als Etienne dann noch unvermutet früher starb. Oh, er hat getobt. Mindestens so wie du jetzt!"
A´kebur hielt inne, als er Etiennes Name hörte. "Das alles nur seinetwegen? Weil dein Vater es nicht verwinden kann zu verlieren? Weil das Universum noch existiert? Es wäre zu Pulver zerfallen, hätte Etienne ihn nicht aufgehalten. Niemand würde heute noch leben!", brüllte er. "Und er hat nicht einmal genug Ehre im Leib, seinen Sohn da rauszuhalten. Er macht ihn zur Hure!"
Tiaren zog die Augenbrauen zusammen, aber seine Stimme blieb kühl. Er tastete nach seiner Lippe und wischte ein wenig grünes Blut fort. "Es ist eine Frage der Ehre. Er konnte Etienne nicht mehr erwischen, also geht es gegen dich. Mein Vater kann es nicht mehr riskieren einzugreifen, also bin ich hier. Und ich weiß selbst, dass wenn mein Vater damals gewonnen hätte, es nur Unheil gebracht hätte. Aber wir Romulaner pflegen unsere Rechnungen zu begleichen."
"Und was muss passieren, damit diese Rechnung ausgeglichen ist?", fragte A´kebur mit mühsam gezähmten Zorn.
"Ist das nicht offensichtlich? Wenn ich dich hätte töten wollen, hätte ich es schon längst getan. Oh nein. Jede Minute, die wir hier sind, wird der Ehre bereits Genüge getan. Welch bessere Ironie gibt es, als dass der Feind gezwungen ist, die Erinnerung an seine große Liebe mit dem Sohn von dessen Erzfeind zu betrügen, hm?"
A´kebur wich langsam zurück. "Ich glaube, es gibt nur einen Weg, deinen Vater um seine Rache zu betrügen, nicht wahr? Seinen Sohn als Krüppel zurücklassen mit dem Aussehen eines Vulkaniers, dem Duft seines Erzfeindes und einem Band im Kopf, das ihn in den Wahnsinn treibt, weil es kein Pedant mehr besitzt", flüsterte er. "Und alles das würde nicht einmal die Verhandlungen verhindern. Es ist logisch."
Tiarens goldene Augen wurden schmal. "Oh nein, so leicht kommst du mir noch nicht weg. Seit wann laufen Klingonen feige davon?"
"Nicht feige, logisch. Alles andere wird mit dem Scheitern der Verhandlungen enden, denn das ist es, was du weiterhin betreiben wirst. Nur, weil du dich als das Rachewerkzeug deines Vaters siehst, der einem Toten nachjagt."
"Oh, wenn du dich umbringst, werden die Verhandlungen auch scheitern. Dann habe ich dich nämlich umgebracht und die Föderation wird entsetzt reagieren. Dann wird das Reich sagen, es war Notwehr, weil der Starfleetcaptain Unaussprechliches mit einem armen kleinen Delegierten vorhatte. Und schon haben wir Krieg." Tiaren lächelte lauernd.
A´kebur schüttelte den Kopf. "Die Gelegenheit wirst du nicht mehr haben. Du wirst nicht mehr leben und du wirst niemandem etwas sagen können." Er sah ihn mitleidig an und wandte sich ab.
"Noch schöner. Wir haben uns gegenseitig umgebracht. Das gibt immer noch Krieg." Tiaren ließ sich keine Angst machen. "Und für Generationen wird man dich verantwortlich machen, dass es soweit kam. Die Schwelle zum Frieden wurde zum Rande des Abgrunds, und nur deinetwegen."
A´kebur hielt es nur für einen Moment inne. "Eine schöne Nacht", wünschte er.
Tiaren sah ihm kurz nach. Er wusste, A´kebur würde nach einem Weg suchen, seine jämmerliche Seele aus der Affäre zu ziehen. Dazu durfte er keine Gelegenheit habe. Tiaren ging hinüber zum Computerterminal, der ihm zur Verfügung stand und gab einige Sicherheitscodes ein, um eine verschlüsselte Verbindung ins Romulanische Reich aufzustellen. Toran musste wissen, was hier vor sich ging. Er brauchte nicht lange warten. Sein Vater war schon sein ganzes Leben lang gut zu erreichen gewesen. Doch persönlich hatten sie sich erst zweimal gesehen.
"Tiaren", schnarrte Toran und sah ihn missbilligend an. "Dir ist bekannt, dass es Funkstille gibt." Der Vorwurf war überüberhörbar.
"Es tut mir leid, Vater. Aber ich habe wichtige Neuigkeiten, die keinen Aufschub dulden. A´kebur hat die ganze Wahrheit herausgefunden. Und um uns eins auszuwischen, will er sich umbringen." Tiaren klang zwar sachlich, aber je mehr er darüber nachdachte, desto weniger gefiel ihm der Gedanke. Wenn A´kebur starb und er noch immer mit ihm verbunden war, dann war sein Gehirn buchstäblich Matsch danach, dafür würde der Klingone sorgen. Sterben war eine Sache, aber derartig weiterexistieren zu müssen, hilflos, verzweifelt ...
Toran sah ihn wütend an. "Dann sorge dafür, dass es so aussieht, als ob du ihn im Kampf getötet hast, weil er dich angriff. Ich sehe das Problem nicht. Töte ihn! Aber lasse ihn dabei leiden. Toran Ende!" Tiaren sah auf den schwarzen Bildschirm. Seinen Vater erneut zu kontaktieren hatte keinen Sinn. Und es würde auch keinen Unterschied machen, wenn er es war, der A´kebur tötete.
Das Ergebnis für ihn war das Gleiche.
Wie es aussah, musste er selbst doch als Erster abtreten.
Einen Moment später begriff Tiaren, dass er gerade darüber nachdachte, wie er dem Befehl seines Vaters entkommen konnte und war erschrocken darüber. Wie kam er eigentlich dazu, an sich zu denken? Wenn sein Vater sagte, er solle A´kebur töten, dann würde er das auch tun, ganz gleich ob Tiaren hinterher nur noch ein geistiges Wrack war oder nicht. Er konnte sich nicht einfach drücken. Und trotzdem, die Vorstellung, so derartig verkrüppelt leben zu müssen, war erschreckender als der Gedanke an den Tod. Viel erschreckender.
A´kebur kämpfte gegen seine wirren Gedanken und das Gefühl, dass er verbrannte. Offenbar hatte er nur eine kurze Ruhepause gehabt. Sein Körper schrie mit Vehemenz nach Erfüllung und Vereinigung. Schwer atmend hielt er sich kurz fest, als Schwindel ihn überfiel. Er brauchte Ruhe für einen Moment. Kurz schaute er sich um, ob ihn auch niemand so sah. Niemand brauchte zu wissen, dass er angreifbar war. Es wäre ein taktisch unkluger Fehler, den es zu vermeiden galt. Mühsam richtete er sich wieder auf und presste die Zähne aufeinander. "Los!", gab er sich selbst den Befehl. Er musste in sein Quartier.
Tiaren wollte eigentlich ein wenig meditieren, er wusste, dass der Captain der Enterprise noch nach einem Ausweg suchte, mit seinem Freitod nicht doch noch die Verhandlungen zu unterbrechen. Aber der Versuch, Ruhe zu finden, gelang Tiaren nicht. Der Aufruhr war in seinem Kopf. Und dann traf ihn unvorbereitet durch das Band eine heiße Woge unkontrollierter Lust.
Überrascht keuchte er auf. Offenbar hatte A´kebur sich noch nicht wieder unter Kontrolle. Aber so sachlich Tiaren das auch zu erfassen versuchte, spülten diese Empfindungen sein rationales Denken davon. Plötzlich war ihm nichts wichtiger, als hinter dem Klingonen herzulaufen, ihn zurück ins Zimmer zu zerren und sich bis zum Morgengrauen von ihm einnehmen zu lassen. Tiaren fluchte leise, doch es klang fast wie ein Flehen.
Er handelte kurz entschlossen. Was er jetzt genau tat, darüber konnte er später immer noch wütend sein. Jetzt hatte er andere Probleme. Offenbar tagten die Diplomaten noch immer, obwohl der Himmel sich zugezogen hatte und die Sonne schon halb hinter den Bergen verschwunden war. Ein Bankett stand zum Glück für die übrigen Zuschauer nicht an, sofern sie nicht selbst sich dazu entschieden. Daher waren die Wachen überall auf dem Gelände auch nicht sonderlich aufmerksam, als er sich aus seinem Quartier schlich und der Spur des Klingonen folgte.
Er fühlte ihn, je näher er ihm kam. Offenbar hatte A´kebur erhebliche Probleme, denn als er seiner ansichtig wurde, sah er ihn stocksteif neben seinem Haus stehen. Mit einer Hand hielt er Kontakt zur Wand, als wollte er sich der Realität versichern. A´kebur sah sich um. Natürlich spürte er ihn. Dennoch nahm er die Witterung auf. Sehr viel sensibler war seine Wahrnehmung in dieser Zeit, und Tiaren wusste das nur zu gut. Er konnte das Verlangen und den Schmerz geradezu sehen. A´kebur wollte nicht. Und gleichzeitig hatte er keine Wahl.
Wie von einem Magneten angezogen kam Tiaren näher, ließ sein Gegenüber nicht aus den Augen. Wenn sie nicht endlich etwas taten, wurden sie noch beide verrückt.
"Mach endlich die Tür auf", flüsterte Tiaren heiser.
Mit geradezu schlafwandlerischer Sicherheit suchte A´kebur seine Nähe, schloss die Augen und folgte allein seiner Nase. "Tür", flüsterte er und Tiaren begriff, dass dieser Föderationscaptain jenseits jeglicher Vernunft war. Mit einem Ruck fand er sich rücklings gegen das Schott gepresst vor und konnte gerade noch nach dem Öffnungsmechanismus tasten, bevor auch ihm jegliche Klarheit abhanden kam. Sie taumelten ins Innere.
A´keburs Fieber erfasste ihn und ließ ihn sogar den Schmerz ihrer körperlichen Vereinigung vergessen. Dieses Mal dauerte es länger, das wusste er jedoch erst, als er aus seiner Ohnmacht erwachte. Es war tiefe Nacht und sein Zeitgefühl sagte ihm, dass gut fünf Stunden vergangen sein mussten. A´kebur hatte seine Arme um ihn geschlungen und schien ihn nicht loslassen zu wollen. Fast vertrauensvoll ruhte die Stirn des Mischlings an seinem Hals. Gleichmäßig strich der Atem des Schlafenden über seine bloße Haut, die sich merklich abgekühlt hatte.
Tiaren starrte an die Decke.
Jetzt, da er wieder Herr seiner Sinne war, trat der Befehl seines Vaters wieder in den Vordergrund. Er musste A´kebur töten. Und jetzt war die Gelegenheit. Ein gezielter Schlag in den Nacken, ein paar in die Wirbelsäule, weil Klingonen ein gebrochenes Genick noch lange nicht umbrachte, und alles wäre vorbei.
Tiaren rührte sich nicht. Der weiche Teppich unter ihm war angenehm und obwohl A´kebur nicht gerade leicht war, war auch dieses Gewicht nicht störend. Im Gegenteil. Und ehe der Romulaner noch gemerkt hatte, was er tat, hatte er ein paar von A´keburs Haarsträhnen, die ausgebreitet neben ihm lagen, genommen und sich sie sich um den Finger gewickelt. Sie waren seidenweich.
Tiaren hasste sich selbst dafür, aber er konnte seinen Feind nicht töten. Und er selbst wollte auch leben.
A´kebur seufzte im Schlaf. Er umfasste Tiarens Handgelenk und blieb dann wieder ruhig liegen. "Nicht ziehen", murmelte er, zumindest klang es in Tiarens Ohren so. Dieser ließ die Strähnen los, als hätte er sich verbrannt. Was tat er hier überhaupt? Das hier war immer noch sein Feind! Und doch ...
Tiaren fluchte lautlos und blieb so liegen, wie er war.
Richtig schlafen konnte er nicht mehr. Gut eine Stunde später fühlte er mehr, als er es sah, dass A´kebur erwachte. Der Mischling bewegte sich verschlafen und atmete tief durch.
A´kebur roch Etienne und wusste im gleichen Moment, dass es nicht stimmte. Er bedauerte es erneut, dennoch war er ohne Wut, als er sich aufrichtete. "Tiaren", murmelte er.
Dieser sah ihn an und wusste noch immer nicht, was er tun sollte. Fühlte es sich so an, wenn man begriff, dass die Welt um einen herum zu zerbrechen begann? Dass nichts mehr war, wie man es kannte?
"Und, gehst du dich jetzt umbringen?", fragte er trocken, die Stimme etwas heiser.
"Ich wollte eher fragen, ob du einen Brandy haben willst", meinte A´kebur mit schwerer Zunge.
"Wenn du saurianischen hast, sicher doch. Und vermutlich stehen wir schon wieder auf der Vermisstenliste." Tiaren versuchte sich ebenfalls aufzurichten, aber noch hielt A´kebur ihn am Boden fest. Trotz seiner ausgezeichneten Verfassung und der Begabung, Schmerzen zu ignorieren, hatte der Romulaner das Gefühl, dass er doch einiges abbekommen hatte.
"Ja, saurianischer Brandy." A´kebur richtete sich auf. Er wirkte dabei etwas unbeweglich und steif. Tiaren fühlte sich gemustert. Was auch immer er für einen Anblick bot, er schien A´kebur nicht zu gefallen. Doch er sagte kein Wort. Er ließ den Computer das Licht anmachen und ging dann zu einer Bar.
"Im Schrank ist etwas zum Anziehen und in der oberen Schublade der Kommode ist ein Regenerator."
Tiaren stand auf und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, während er zur Kommode hinüberging. Es nützte keinem etwas, wenn er nicht voll einsatzfähig war. Was auch immer er tun wollte.
Im Schrank fand er zum großen Teil nur Starfleetuniformen und einige vulkanische Roben. Er wählte Letzteres und damit das kleinere Übel. Dann kehrte er zum Hauptraum zurück.
A´kebur hatte sich in eine Art Bademantel gehüllt und reichte ihm ein Glas. "Ich habe die Kontrolle verloren", erklärte er das Offensichtliche. "Sag, wie das funktioniert, damit es abgestellt werden kann."
Tiaren nahm das Glas entgegen und tat einen tiefen Zug. "Um ein Gegenmittel hat sich nie jemand bemüht, soweit ich weiß", erwiderte er. "Warum auch? Ich vermute, es klingt irgendwann ab."
A´kebur trank seinen Brandy in einem Zug und setzte sein Glas hart ab. "Wieso wirkt es so nachhaltig? Hast du Informationen darüber? Mir ist egal, ob das der Geheimhaltung unterliegt oder nicht. Wenn du einigermaßen heil bleiben willst, sollte ich wieder die Kontrolle über mich haben."
"Mir wurde das Mittel nur übergeben und die Wirkung erklärt; ich weiß nichts über die Zusammensetzung. Aber ich vermute einfach, da es für reine Vulkanier konzipiert wurde, wirkt es bei dir stärker." Tiaren blickte A´kebur an. "Und seit wann interessiert dich, dass ich heil bleibe, Captain?"
A´kebur kniff die Augen zusammen. "Ich bekämpfe einen Gegner auf dem Schlachtfeld, sei es mit Waffen, sei es diplomatisch. Doch ich vergewaltige ihn nicht. Und ich hasse es, die Kontrolle auf diese Art zu verlieren."
"Nun, in diesem Fall ist es ja nur Auge um Auge, Zahn um Zahn", erinnerte Tiaren ihn daran, dass er auch keine Hemmungen gehabt hatte, sich an einem Wehrlosen zu vergreifen. "Und ich weiß wirklich nichts über das Mittel. Du kannst dich ja bei meinem Vater melden, er wäre sicher entzückt."
"Das ist nicht sehr hilfreich", murmelte A´kebur. Er ging in sein Schlafzimmer, um sich dort etwas zum Anziehen herauszusuchen. Die zerrissenen Sachen hatte er vernichtet. Er brauchte keine Indizien. Tiaren sah ihm schulterzuckend hinterher. "Schon vergessen, dass ich hier nur meine Aufgabe erledige?" Dabei war er sich dessen schon gar nicht mehr sicher.
A´kebur hob eine Augenbraue. Er trat aus dem Schlafzimmer. "Nun, du tust etwas Unvernünftiges. Du stirbst damit ehrlos!", meinte er. "Du merkst nicht einmal, dass deine Ehre beschmutzt wird. Du denkst, du bist ein Krieger. Doch du bist nur ein Bauer auf einem Schachbrett. Austauschbar. Du bist nur der Bote!"
"Es hat keinen Sinn, mich zu provozieren", gab Tiaren zurück. "Meine Ehre ist meine Sache, und ich diene dem Imperium. Ich werde meinen Ahnen ohne zu Zögern entgegentreten können." Aber da war er sich auch nicht mehr so sicher. Wenn er den Befehl seines Vaters missachtete, war seine Stellung passé.
Ehe die Diskussion noch weitergehen konnte, summte es an der Tür, und fast augenblicklich traten Dr. McCoy und der Counselor ein. "Ich hoffe, wir stören nicht, Captain." Der Doktor warf Tiaren einen abschätzenden Blick zu. "Aber wir wollten nach Ihnen sehen."
A´kebur war verärgert, dass sein Quartier gestürmt wurde. "Was soll das?", rief er. Auch Tiaren war überrascht über das Verhalten. Seeleruhig erwiderte McCoy: "Sie sind schon wieder von der Bildfläche verschwunden gewesen, Sir. Es hätte alles Mögliche passieren können. Wir tun hier unsere Pflicht." Er sah von seinem Captain zu Tiaren. "Irgendwelche Blessuren?"
"Meinen Sie mich?", fragte Tiaren spitz. "Ich kann mich um mich selbst kümmern."
A´kebur presste die Lippen aufeinander. "Doktor", knurrte er warnend.
"Reichen Sie meinetwegen eine Beschwerde ein, aber ich mache meine Arbeit." McCoy hob seinen Tricorder und sondierte die beiden. Dabei pfiff er leise durch die Zähne. Troi sah ihm über die Schulter. "Die Werte waren gestern aber noch anders", sprach er das Offensichtliche aus.
McCoy nickte. "Diese Droge scheint jetzt anders zu wirken."
Tiaren wurde das zu bunt. Er wollte an den beiden Starfleetoffizieren vorbeigehen, doch der Doktor setzte ihm buchstäblich den Tricorder auf die Brust. "Ich habe keine Ahnung, warum Sie überhaupt noch geradeaus gehen können, aber Sie suchen besser Ihre Mediziner auf."
"Danke für den Rat, Doktor", erwiderte Tiaren sarkastisch und verließ das Quartier.
A´kebur sah die Szene mit Erstaunen. Er trat näher, um einen Blick auf die Werte zu nehmen. Aber Biologie war nicht seine Stärke. "Was ist mit ihm?", fragte er daher geradeheraus. "Und keine ärztliche Verschwiegenheit oder so!", warnte er.
McCoy sah ihn ernst an. "Romulaner sind ziemlich robust gebaut, aber noch lange nicht so unempfindlich wie Klingonen, Sir. Schätzungsweise 60 Minuten ununterbrochen Sex auf, äh, wenig rücksichtsvolle Weise hinterlässt ihre Spuren. Wollen Sie noch mehr Details, Sir?"
"Ich soll mich also um ihn kümmern und ihn dazu überreden, sich behandeln zu lassen?" A´kebur sah Dr. McCoy wütend an. "Er ist Romulaner. Er weiß, was er tut. Das sagt er ständig. Er handelt ehrvoll im Namen des Romulanischen Reiches und seines Vaters. Ich bin der, den er zerstören soll. Was geht er mich an? Gehen Sie doch zu ihm. Sollten Sie danach noch bei Gesundheit sein, können Sie zurückkommen und mir das noch einmal erklären, warum Sie mir jetzt Vorwürfe machen!"
"Ich mache Ihnen keine Vorwürfe, Captain. Aber ich bin Arzt, und kein Politiker. Ich kümmere mich um jeden, der mich braucht, egal, auf welcher Seite er steht. Und um Sie mache ich mir übrigens mehr Sorgen." Er tippte auf seinen Tricorder. "Wenn ich diese Werte richtig deute, dann baut Ihr Körper die Droge bereits ab. Aber die klingonischen Hormone arbeiten massiv dagegen. Also wird es wohl noch zu weiteren Ausbrüchen kommen. Und bevor Sie fragen: Ich kann nichts dagegen machen. Selbst Sie ruhigzustellen, würde nur bewirken, dass Ihr Körper sich buchstäblich selbst verbrennt."
A´kebur brauchte solche Nachrichten nicht. Er bekam Kopfschmerzen. Langsam fühlte er sich wie ein Raubtier in einem Käfig, in dem ihm immer wieder Schmerzen zugefügt wurden, ohne dass er sich dagegen wehren konnte. "Also benehme ich mich weiter wie ein brünftiger Vulkanier mit klingonischer Kontrolle. Demnach keiner. Wenn Sie mir nicht helfen können, dann gehen Sie. Vielleicht können Sie sich ja um unseren Feind kümmern. Möglicherweise lässt er sich ja zu einer ärztlichen Behandlung überreden. Nehmen Sie jedoch reichlich Sedativum mit. Am besten in einem Blasrohr."
Seine beiden Untergebenen sahen sich an. "Ich werde auf die Enterprise hochbeamen, um diese Daten auszuwerten. Vielleicht finde ich doch eine Möglichkeit, den Abbau der Droge zu beschleunigen", beschloss McCoy.
"Und ich werde Botschafter Spock um Rat bitten", meinte der Counselor.
A´kebur senkte den Kopf und wandte sich ab. "Tut mir leid, meine Herren. Aber ich habe keine Geduld für so etwas. Wie benehmen sich die Romulaner im Moment? Wie sind die Verhandlungen gelaufen? Ich fürchte, für so etwas habe ich weder Gehör noch Augen."
"Die Verhandlungen laufen recht gut, soweit wir das mitbekommen haben. Botschafter Chioma war gestern Abend hochzufrieden. Und die Romulaner verhalten sich ruhig." Troi rümpfte die Nase. "Ich traue dem Braten noch nicht, aber es sieht ungeahnt gut aus."
"Wer steht offen zu den Verhandlungen?" Er rief die Namen der Teilnehmer auf. "Welche Föderationsmitglieder, welche Romulaner?"
"Unser Botschafter und seine Kollegen sind bisher rückhaltlos dafür, nur ein, zwei halten sich noch zurück. Bei den Romulanern ist man vorsichtiger, aber Botschafterin Sokala steht leidenschaftlich hinter dem Dialog. Sie und Chioma haben noch bis in die Nacht hinein diskutiert."
A´kebur nickte. "Ich will mit Commander Aera reden und mit ihnen. Computer, gesicherte Leitung zur Enterprise."
Auf dem Bildschirm des Terminals erschien das Gesicht des ersten Offiziers. "Captain, Sie haben sich lange nicht gemeldet. Ist alles in Ordnung bei Ihnen?"
"Wir leben noch, Commander. Ist Ch'Grawbil bei Ihnen?" Der Sicherheitschef trat ins Bild und grüßte ihn. Gleichermaßen Lieutenant Commander Yamilu.
"Ich habe sie rufen lassen, weil Ihre Nachricht mit Dringlichkeit versehen war", erklärte Aera.
"Danke!" A´kebur sah seine Offiziere an und schloss dabei auch den Counselor und den Doktor mit ein. "Ich denke, dass die Botschafterin mit falschen Karten spielt oder zumindest etwas verschweigt. Ihr Sohn, Tiaren, ist auch der Sohn von Toran. Tiaren hat zugegeben, dass er Rache im Namen seines Vaters ausübt und dabei auch das Scheitern der Verhandlungen vorantreibt. Die Botschafterin ist darüber informiert."
Die drei Offiziere auf dem Bildschirm wurden ernst, und auch der Troi und McCoy sahen wenig begeistert aus. "Sie sollten darüber mit dem Botschafter reden", meinte Commander Aera. "Und soll ich das Flottenkommando benachrichtigen?"
"Sie müssen dafür sorgen, dass diese Nachricht nur an Admiral Duval geht. Wie weit sind Sie gekommen, was unsere gemeinsamen Freunde anbelangt und deren Freunde in unseren Reihen?"
"Bisher nicht viel, Sir. Es ist alles viel zu vage, um konkrete Schlüsse ziehen zu können", meldete sich Commander Yamilu zur Wort.
Ch'Grawbil stimmte ihr zu. "Es ist, als würde man veganische Aale jagen", knurrte er. "Alles schlüpft einem durch die Finger."
"Finden Sie es heraus. Leider ist das, was mit mir passiert ist, nicht ganz so harmlos, wie ich gehofft hatte. Commander, Sie haben das Kommando über diese Mission. Sobald Sie und der Doktor es für notwendig halten, sind Sie bis auf Weiteres der Captain."
"Aye, Sir. Wir werden unser Möglichstes tun", versprach seine Erste Offizierin. "Und passen Sie auf sich auf." Die anderen Offiziere auf der Enterprise nickten.
A´kebur unterbrach die Verbindung. "Doktor, halten Sie mich noch für fähig, das Kommando zu führen?", fragte er.
Dieser kratzte sich hinterm Ohr. "Solange Sie nicht in einem dieser Schübe sind, ja. Aber sobald Sie merken, dass es wieder anfängt, sollten Sie besser keine wichtigen Entscheidungen treffen."
"Ich hoffe, Sie haben jetzt keinen Witz gemacht", knurrte A´kebur. Er atmete sichtbar durch und meinte dann: "Sie können gehen. Danke!"
"Ich melde mich, sobald ich etwas herausgefunden habe", versprach McCoy und kontaktierte die Enterprise, damit sie ihn hochbeamten. Troi verabschiedete sich ebenfalls, um mit Spock zu sprechen.
Sokala las immer wieder den Bericht durch. Ihr Sohn war mitsamt dem Captain der Enterprise für fast zehn Stunden nicht auffindbar gewesen, und ihr Sohn selbst schien darauf keine Antwort geben zu wollen. Zumindest keine, die ihr gefiel. Sie sah ihn mit brennenden Augen an. "Jetzt erzähl mir das noch einmal und zwar so, dass ich das auch verstehe", forderte sie Tiaren drohend auf.
"Ich würde das ja gerne, Mutter, aber ich kann es nicht", erwiderte Tiaren, Nach wie vor verhinderte A´keburs mentaler Befehl, etwas über die Ereignisse zu sagen. "Der Captain und ich habe Zeit miteinander verbracht. Und ich bin weiterhin meiner Mission nachgegangen."
"Du sollst keine Zeit mit ihm verbringen, er soll dich oder andere Romulaner angreifen", zischte sie. "Was muss noch geschehen, damit er die Kontrolle verliert? Tue es, egal was es ist!"
Tiaren wollte erwidern, dass dieser die Kontrolle schon längst verloren hatte. Aber es ging nicht. Das Einzige, was er sagen konnte, war: "Sieh dir bitte meine momentanen Biowerte an."
Seine Mutter sah ihn verwirrt an, dann jedoch scannte sie ihn. Sie riss die Augen auf. "Warum sagst du nichts?", rief sie.
Tiaren konnte sie nur ansehen; es war, als habe man ihm buchstäblich den Mund zugeklebt.
"Was?", fragte sie leiser. "Was!"
Tiaren schüttelte nur den Kopf. "Ich kann es nicht sagen, Mutter. Das ist keine freie Entscheidung. Du weißt, was Vulkanier können", presste er unter Anstrengung hervor.
Sokala begriff. Sie lächelte teuflisch. "Er hat es verhindert. Gedankenbeeinflussung. Ein Angriff auf einen Romulaner. Und eine Vergewaltigung. Gut, sehr gut. Ich werde einen Arzt rufen und einen Telepathen. Sie werden dich untersuchen, und morgen werde ich Captain A´kebur anklagen. Die Föderation wird winseln und alles tun, damit wir nicht gehen." Sie lachte.
Tiaren erwiderte nichts. Er hatte geschafft, was er sollte. Aber dennoch hinterließ dieser Triumph einen bitteren Nachgeschmack. Tiaren jedenfalls wusste trotz allem nicht, wie es weitergehen sollte. Nach wie vor waren er und A´kebur verbunden, und dieser würde sie noch beide in den Wahnsinn treiben dank der Hormondroge.
Seine Mutter kontaktierte alle und kurz daraufhin wurde das Quartier gestürmt. Unter den Blicken des Arztes fühlte er sich auf einmal weniger als ein Romulaner. Die Untersuchung war schnell und wurde ohne ein Wort vollzogen. Der Bericht war fast genauso kurz: "Er ist telepathisch überwältigt und zudem vergewaltigt worden." Der Arzt sah sich nicht genötigt, Tiaren zu behandeln. Auf einen Wink von Sokala ging er wieder. Er sollte sich für morgen bereithalten, um die Aussage zu machen.
"Gut", murmelte Sokala. "Perfekt. Du weißt, was du zu tun hast. Mach es dramatisch genug und nach deiner Aussage morgen. Dein Tod wird dem Romulanischen Reich dienen."
"Natürlich, Mutter. Alles zum Ruhm des Reiches. Ich hoffe, Vater wird zufrieden sein."
Tiaren verneigte sich. Also war die ganze Sache doch von vornherein darauf angelegt gewesen, dass er nicht heil wieder herauskam. Wie hatte A´kebur ihn genannt? Einen Bauern auf dem Spielfeld der Politik? Nun, es mochte so sein. Es war seine Aufgabe. Und davon abgesehen hätte Tiaren sowieso nicht mehr zurückgekonnt.
Wenn das Band ihn nicht wahnsinnig machte, war da immer noch die Tatsache, dass er allein schon körperlich kein Romulaner mehr war. Er war ein gezüchtetes, zurechtgebogenes Geschöpf, einzig diesem Zweck gewidmet. Früher einmal hätte Tiaren es stolz gemacht. Jetzt nicht mehr.
Sokala musterte ihren Sohn. "Weigerst du dich?", fragte sie scharf und drohend.
"Wie kommst du darauf, Mutter?", gab er zurück.
"Du wusstest, was der Preis ist. Ich werde kein Versagen dulden", flüsterte sie. "Jetzt geh, und bereite dich vor. Wir werden das Rückgrat dieser schwachen Föderation brechen und sie unter unsere Füße zwingen."
"Natürlich. Ich ziehe mich zurück." Mit einem weiteren, knappen militärischen Nicken verließ Tiaren die Unterkunft der Botschafterin. In seiner Tasche ruhte der winzige Zeremoniendolch, den sie ihm gegeben hatte. An Vorbereitung bedurfte es wenig. Ein Romulaner war stets bereit für den Tod, und Tiaren hatte seine Pflicht erfüllt. Und doch tobte tief in seinem Inneren etwas, das überleben wollte. Etwas, das ihm zuschrie, er dürfe sich nicht einfach wie eine Spielfigur beiseiteschieben lassen. Darin läge keine Ehre, keine Würde, sich zu opfern wie ein Tier auf der Schlachtbank, um seine Herren zu nähren. Und doch, was blieb ihm anderes übrig?
Tiaren suchte sein eigenes Quartier auf. Seine Gefühle und sein Denken waren durcheinander. Er führte das auf A´kebur zurück. Schließlich hatte er alles getan, was seiner Pflicht entsprach. Nur mit Mühe fand er Ruhe und erst am Morgen konnte er einschlafen.
Doch auch der Schlaf versprach keine wirkliche Ruhe. Diffuse Träume durchwebten Tiarens Gedanken. Er sah Orte und Personen, die so vertraut schienen, aber er ganz sicher wusste, dass er sie nie zuvor gesehen hatte. Und dann tauchte inmitten dieses Chaos eine Gestalt auf. Zuerst dachte Tiaren, er sähe sich selbst in einem Spiegel, aber dann erkannte er, dass es ein Mensch war. Und obwohl Tiaren ihn zu Lebzeiten nie gesehen hatte, wusste er doch, dass er Etienne Duval vor sich hatte. Dieser stemmte die Hände in die Hüften und legte den Kopf schien. "Und ich dachte schon, du schläfst überhaupt nicht mehr ein, Kleiner."
Tiaren stutzte. Er träumte sonst so gut wie nie, und erst recht nicht so etwas Seltsames. "Mach den Mund zu, die Mücken fliegen rein." Etienne grinste ihn an. "Und bevor du mich anmotzt, ich solle verschwinden, sorry, Kumpel. Geht nicht. Ich bin jetzt ein Teil von dir. Eigentlich hatte ich ja auf was anderes gehofft, aber gut." Er trat direkt vor Tiaren. "Und jetzt hör mir mal gut zu: Du wirst es gefälligst sein lassen, dich umzubringen. Du bist jetzt mit A´kebur verbunden, und ich will, dass er glücklich wird. Und diesen Plan lasse ich mir auch nicht durch so ein läppisches Spitzohr wie dich vereiteln. Pflicht, pah! Deine Pflicht ist jetzt A´kebur. Also sieh zu, wie du das wieder geradebiegst und euch beide dabei am Leben lässt. Oh, und den Krieg verhindern solltet ihr auch besser."
Endlich schaffte es Tiaren, etwas zu sagen. "Warum bist du hier?"
Etienne verzog den Mund. "Genaugenommen bin ich gar nicht hier. Kennst du die vulkanische Vorstellung, dass eine Seele ein real existierendes Objekt ist, das man an ein anderes Lebewesen weitergeben kann? Und dass man bei einer Seelenbindung je ein Stück der Seele mit dem anderen tauscht? Um es kurz zu machen: A´kebur hat, ohne es zu wissen, den Teil von mir, den er in sich trug, an dich weitergegeben. Oder", der Pirat grinste wieder, "du hast einen verdammt seltsamen Traum und bildest dir das Ganze nur ein. Deine Entscheidung. Wenn du jedenfalls beschließt, dass dir an deinem Leben doch was liegt, dann akzeptiere mich und ich bringe uns heil heraus. Wenn nicht, sind wir alle morgen tot. Du, A´kebur, und alles, was von mir noch da ist. Und das fände ich verdammt blöd."
Der junge Romulaner zögerte. Offenbar drehte er selbst im Schlaf schon langsam durch. Aber was schadete es, mit einer Traumfigur zu reden? "Natürlich will ich leben. Aber ich sehe im Moment keinen Ausweg", erwiderte er.
Etienne zwinkerte. "Oh, je aussichtsloser die Lage, desto besser die Chancen." Er streckte seine Hand aus. "Okay, Kleiner. Zeigen wir es ihnen."
Als Tiaren die Hand ergriff, stellte er erstaunt fest, dass seine und Etiennes miteinander verschmolzen. Der Mensch schien sich buchstäblich aufzulösen und in Tiaren zu verschwinden. Mit einem Keuchen schreckte Tiaren aus dem Schlaf hoch. Die Erinnerung an den Traum verblasste mit jeder Sekunde, und doch blieb da ein seltsames Gefühl, dass etwas an den richtigen Platz gerückt worden war. Kurzerhand schwang Tiaren sich aus dem Bett und ging zur Dusche. Sein Körper schmerzte noch immer, und in seinen Schläfen hämmerte es. Ein Blick zum Terminal sagte ihm, dass es nach Planetenzeit noch lange nicht Morgen war.
Aber schlafen konnte er nicht mehr. Er hatte soviel Adrenalin in sich, dass an Schlaf nicht mehr zu denken war. Seine Zweifel waren einer anderen Entschlossenheit gewichen. Er wollte nicht sterben. Aber er hatte auch nicht das Reich verraten wollen. Es war ihm bis vor kurzem noch nicht einmal in den Sinn gekommen. Doch jetzt hatte sich etwas in ihm geändert. Es war Zeit, dass er sich als Opfer des Reiches verweigerte. Und als erstes musste er den Arzt loswerden. Er würde einen Unfall erleiden müssen. Einen anderen Weg gab es nicht, ihn an seiner Aussage zu hindern.
Den Arzt ausfindig zu machen, war nicht schwer. Da es keine Überwachungskameras gab im beiderseitigen Vertrauen, war es Tiaren ein Leichtes, in den zentralen Kontrollraum zu schleichen. Zwei Kurzschlüsse in den richtigen Leitungen, und die Klimafilter des Gebäudeteils würden keinen Sauerstoff mehr durchlassen. Damit kein Verdacht aufkam, durchtrennte Tiaren noch einige weitere Leitungen und verkohlte sie angemessen, damit es wirklich wie ein Unfall aussah. Zwar würde dieses kleine Attentat noch gut zehn weitere Romulaner in Mitleidenschaft ziehen, aber Tiaren kannte da keine Skrupel.
Damit war aber auch jeglicher Verdacht, dass es nur um eine Person ging, ausgeräumt. Es sah wie ein Unfall aus. Niemand würde erkennen, dass die Leitungen manipuliert worden waren. Natürlich, die Föderation kam ein wenig ins Schwanken in der Hinsicht, dass sie schlechte Technik geliefert hätten, aber als Tiaren ein kleines totes Tier dieses Planeten fand, das sich wohl vor der Manipulation seiner Umgebung hier ziemlich heimisch gefühlt hatte, wusste er auch, wem er für alles die Schuld zuschieben konnte. Er legte das Tier neben den Brandherd und versenkte es noch leicht. Niemand würde mehr glauben, dass ein Mensch oder ein Romulaner die Hand im Spiel gehabt hatte. Und seine Mutter würde niemals mehr an ihr Ziel gelangen.
Zufrieden mit seinem Weg huschte Tiaren wieder aus dem Gebäude. Er schätzte, dass bis zum Tagesanbruch alle erstickt waren. Der nächste Schritt war allerdings komplizierter: Wie dem Zorn seiner Mutter entgehen? Und wie verhindern, dass sie A´kebur doch noch in Misskredit brachte?
Es war wohl besser, zuerst mit dem Captain zu sprechen. Er war einerseits erstaunt, andererseits auch wiederum nicht, dass der Captain seine Tür noch immer nicht abschloss. Er hatte offenbar ein unendliches Vertrauen, woher er das auch immer nahm. Es machte ihm den Zugang leicht.
"Willst du vollenden, was du begonnen hast?", hört er seine Stimme aus der Dunkelheit. Offenbar hatte A´kebur nicht schlafen können.
"Könnte man so sagen", gab Tiaren leise zurück und trat langsam auf den Klingonen zu. Und bevor dieser wusste, was geschah, hatte der Romulaner ihn an sich gezogen und geküsst.
A´kebur hatte Mund und Augen aufgerissen, was Tiaren ausnutzte.
"Was...?", fragte er, sobald er wieder Luft bekam, ohne wirklich zu wissen, was genau er jetzt fragen sollte.
"Wenn du was gegen dieses Attentat hast, Captain, sag es jetzt oder schweig", wisperte Tiaren.
A´kebur spekulierte für einen Moment, dass er doch noch eingeschlafen war. Aber er wusste nicht, was er von dem Attentat halten sollte. "Was tust du hier?", wagte er dennoch zu fragen.
"Ich dachte, das wäre offensichtlich. Und du schließt ja deine Tür nicht ab", war die nur allzu logisch klingende Antwort.
"Du bist Tiaren?", fragte A´kebur vorsichtig.
"Mach das Licht an, Klingone, wenn du es nicht glaubst."
A´kebur wollte nicht glauben, was sich abspielte. Ganz langsam drückte er Tiaren zurück und suchte seinen Blick. "Du bist verwirrt", beschied er. "Du solltest zurück in dein Quartier gehen."
Tiaren schmunzelte. "Im Gegenteil, ich war selten so klar. Und du kannst mir nicht erzählen, dass du mich wirklich wegschicken willst." Betont tastete er über A´keburs Brust bis hinunter zum Beweis seiner Aussage.
Tiaren spürte jedoch auch deutlich die Zweifel und die Vermutung eines Hinterhalts. "Du wirst noch früh genug wieder zu mir kommen", knurrte A´kebur. "Lecken Sie Ihre Wunden. Gehen Sie, Centurio!"
"Nein, Captain. Ich bleibe hier und lecke etwas viel Interessanteres." Damit küsste Tiaren A´kebur erneut und wanderte mit den Händen unter dessen Oberteil. Doch dieser dachte nicht daran, sich aufheizen zu lassen. Er hatte genug davon, die Kontrolle an seine Hormone abgeben zu müssen. Hart hielt er Tiarens Handgelenke fest und rief: "Aufhören!"
Dieser sah ihn schmunzelnd an. "Dir kann man es auch nicht recht machen, Captain, oder?"
"Ich lasse mich nicht zweimal benutzen, Centurio!", zischte A´kebur aggressiv.
Der Romulaner machte einen Schritt zurück. "Wie Sie wollen. Dabei hatte ich wirklich keine Hintergedanken."
A´kebur sah ihn an mit einem Blick, der sagte, dass er nicht daran glauben konnte. "Was ist los mit Ihnen?", knurrte er. "Sie können kaum gehen und machen mich hier an. Was ist in Sie gefahren? Zuviel Ihrer eigenen Medizin?"
"Sagen wir eher, ich habe ein paar Prioritäten geändert, was auf lange Sicht für uns beide wohl besser ist. Aber je weniger ich davon rede, umso besser. Sie werden es sehen, Captain." Damit wandte sich Tiaren zum Gehen.
A´kebur hatte Mühe, seinen Mund wieder zu zu bekommen. "Was heißt das?", fragte er und folgte ihm. "Was für Prioritäten und warum?"
Tiaren grinste nur und es lag zum allerersten Mal echter Humor darin. "Sagen wir einfach, ich habe keine Lust zu sterben. Und dich will ich auch nicht tot sehen."
Der Gesichtsausdruck von A´kebur war seiner Meinung nach köstlich anzuschauen. Verblüffung war eine pure Untertreibung. A´kebur war geradezu fassungslos. Dann schien er zu begreifen. "Keine Lust, sich noch länger benutzen zu lassen und weil das Verrat ist, gehen Sie zu denen, die Sie vorher verraten sollten."
"Könnte man so sagen. Aber wie gesagt, es ist besser, nicht laut über so etwas zu reden. Und, gewährst du mir Asyl, Captain?"
A´kebur kniff die Augen zusammen. „Du meinst das ernst?“, fragte er. Tiaren nickte er nur. A´kebur tippte seinen Kommunikator an. "Commander, wir haben einen Flüchtling mit der Bitte um politisches Asyl. Alarmstufe Rot ab sofort und eine Person zum Hochbeamen."
Commander Aera meldete sich sofort. "Aye, Sir. Was sollen wir mit ihm machen?"
"In Gewahrsam nehmen. Informieren Sie den Botschafter über die neue Entwicklung und stellen Sie Wachen auf." A´kebur schloss die Verbindung und sah Tiaren mit undeutbaren Blick an. "Was auch immer dein Ziel war: Die Verhandlungen sind wohl in diesem Augenblick beendet worden."
"Besser, diese Farce ist beendet, bevor die Föderation wirklich beschlossen hätte, Frieden zu machen." Tiaren zuckte mit den Schultern. "Und wenn es beiden Seiten ehrlich meinen, wird dieser Vorfall sie nicht abhalten."
A´kebur wusste, dass man ihn verfluchen würde. Doch wenn jemand politisches Asyl beantragte, gewährte man es erst und trat dann in Verhandlungen: Genauer, man untersuchte die Umstände und das Begehren der Gegenseite. A´kebur gab die Koordinaten durch und Tiaren verschwand in einer Wolke von Energie.
In der nächsten Sekunde fluchte A´kebur, dass die Wände wackelten. Wie hatte alles nur so schiefgehen können? Und je mehr er darüber nachdachte, umso mehr gewann er den Eindruck, dass er schuld an allem war. Wäre er nicht hier, hätte man nicht diesen Feldzug gestartet. Vielleicht wäre es nie zu diesen Verhandlungen gekommen. Aber wie Tiaren schon sagte: Es ging um Ehrlichkeit. Doch die Rache würde Leben kosten, wenn sie sich jetzt nicht auf Zehenspitzen bewegten. Die Romulaner würden sie zerfetzen.
Aber er hatte nicht lange Zeit, sich darüber zu ärgern. Im nächsten Morgen summte es an seiner Tür und Botschafter Spock bat um Einlass. Durch die Alarmstufe an Bord waren alle Föderationsmitglieder benachrichtigt worden. Schließlich waren sie in Gefahr, sollten die Romulaner es als Angriff werten, dass ein Mitglied ihres Stabes als Asylsuchender auf einem Schiff der Föderation war.
"Botschafter", begrüßte A´kebur ihn.
"Sie haben den Alarm ausgelöst! Ich nehme an, es geht um Tiaren Nevius?", brachte Spock es auf den Punkt.
"Ja, er hat um politisches Asyl gebeten. Genaueres werden wir dennoch so schnell nicht herausfinden. Doch ich denke, es hat sich eine Art Attentäter unter unsere Fittiche geflüchtet."
Der ältere Vulkanier nickte. "Es ist logisch, von einer Falle auszugehen. Wir sollten so schnell wie möglich Klarheit in diese Angelegenheit bringen. Sie sollten über das Band Näheres erfahren können."
A´kebur wich ein Stück zurück und ging dann zum Replikator. "Tiaren hat versucht, mich anzumachen, bevor er Asyl beantragt hat. Ich weiß nicht, ob sein Antrag etwas mit diesem Stimmungswechsel zu tun hat. Aber ich kann mich nicht überwinden, seine Gedanken zu berühren."
Spock nickte. "Es ist etwas sehr Persönliches, Captain, aber andererseits: Vorerst sind Sie beide verbunden. Und ich habe immer noch das Vertrauen darauf, dass sich das Universum so entwickelt, wie es soll. Vielleicht kommt doch etwas Gutes dabei heraus."
A´kebur ließ sich einen Kaffee ausgeben mit sechs Stück Zucker. "Ich wusste nicht, dass Sie Philosoph sind. Ich werde Tiaren fragen, ob ich seinen Geist berühren darf."
"Tun Sie das, Captain. Und nein, ich bin sicher kein Philosoph, ich habe nur im Laufe der Jahre einiges gelernt, das ist alles." Spock setzte sich. "Und das Wichtigste davon habe ich von den Menschen gelernt, nicht von den Lehren Suraks."
A´kebur fühlte sich bei diesen Worten ein wenig versöhnt. Er wusste jedoch nicht, warum. Dennoch schloss er dankbar seine Hände um die Tasse und trank. "Sie waren sehr lange mit Menschen zusammen." Es war eine Tatsache. Er kannte die Biographie von Spock. Jeder kannte sie, wenn er die Akademie abgeschlossen hatte. Viele seiner Bücher waren Lehrstoff. A´kebur hatte sie alle gelesen.
"Und, was können die Menschen jetzt für Weisheiten sagen?", fragte er ohne Spott.
"Sie haben doch ebenfalls sehr lange unter Menschen verbracht, da sollten Sie es wissen", gab Spock beinahe nachsichtig zurück. "Manchmal muss man seinen Geist auch gegen alle Widerstände dem öffnen, was einem den besten Weg verspricht. Und der beste Weg ist meist der Schwerste. Ich erinnere mich daran, dass ich einmal die Möglichkeit hatte, meine inneren Konflikte hinter mir zu lassen durch einen allzu leichten Weg. Und es war mein Captain, der damals ablehnte, als auch ihm es angeboten wurde. Er sagte: "Ich brauche meinen Schmerz, um zu wissen, wer ich bin." Danach hatte für mich jeder leichte Weg endgültig seinen Reiz verloren."
A´kebur lächelte. "Ein sehr weiser Mann", gab er zu. "Ich fürchte, dass es jedoch einen Grund hat, warum man Vulkanier erst nach einer gewissen Zeit als Erwachsene ansieht. Aber ich kann für mich behaupten, dass ich den einfachen Weg nicht kenne. Und den leichten zu wählen, widerspricht meiner Natur. Doch durch einen Fehler, der bei mir begann, ist diese Mission gefährdet. Ich bin der falsche Mann an der falschen Stelle."
Spock sah auf. "Nein, ich denke, Sie sind genau dort, wo Sie sein sollen. Noch sind die Verhandlungen nicht verloren und falls es Mr. Tiaren wirklich ernst meinen sollte mit seiner Bitte um Asyl, dann haben Sie bereits etwas zum Besseren gewendet."
"Ich? Er hat Angst. Toran ist sein Vater und dieser kalkuliert seinen Tod wie einen Bauern auf einem Schachfeld. Ich habe mit Tiaren darüber geredet. Und von einem Augenblick auf den anderen hat er Angst. Ob das gut ist, weiß ich nicht. Wissen Sie, dass ich nicht einmal mitbekommen habe, wie die Verhandlungen bisher verlaufen sind?" A´kebur lachte humorlos. Er trank seinen Kaffee aus und stellte die Tasse in den Replikator.
"Es ist in Anbetracht der Umstände verständlich", räumte ihm der Botschafter ein. "Und da beide Seiten offenbar nicht mit offenen Karten spielen, kann auch kaum von wirklichen Verhandlungen geredet werden. Botschafterin Sokala verbirgt etwas und Botschafter Chioma ist vollkommen seinen hoffnungsfrohen Gefühlen erlegen."
"Ein Idealist. Überzeugter Diplomat im Namen des Friedens. Was werden Sie jedoch tun, Spock?"
"Abwarten und versuchen zu retten, was zu retten ist. Aber dieser Frieden wird einem nicht geschenkt, wenn er denn jemals kommt."
A´kebur wurde endlich ruhig genug, um sich zu setzen. Er nahm den Sessel gegenüber Spock. "Ich habe Cindy versprochen, dass dieser Frieden kommen wird. Oder etwas, was diesem sehr nahe ist."
"Admiralin Duval weiß ebenso gut, wie schwierig die Dinge sind. Es mag noch hundert weitere Jahre dauern. Aber ich denke auch, wir waren einem Frieden nie so nahe wie jetzt, auch wenn es vielleicht im Augenblick nicht so aussieht. Denn auf beiden Seiten sind diejenigen, die Frieden wirklich wollen. Und sie werden sich über kurz oder lang durchsetzen."
"Wie ein Mensch einmal sagte: Ihr Wort in Gottes Gehörgang." A´kebur sah Spock dankbar an. "Ich war ehrlich gesagt nicht davon begeistert, als ich hörte, dass Sie mitkommen würden. Ich habe meine Meinung geändert. Danke, Botschafter Spock."
"Es ist nur vernünftig, wenn wir gut zusammenarbeiten, Captain." Spock erhob sich. "Halten Sie Ihre Augen offen, Ihren Verstand wach und ihre Intuition aufmerksam. Mehr kann ich Ihnen nicht raten", meinte er und wandte sich zur Tür. "Ich werde nun mit Botschafter Chioma beraten. Ich setze Sie dann von den Entwicklungen in Kenntnis."
A´kebur nickte.
Als er allein war, erwog er, sich zur Enterprise beamen zu lassen. An Schlaf war nicht zu denken. Und warum sich an Abmachungen zu halten, wenn es hier offenbar niemand tat? Er gab den Befehl, dass man ihn hochbeamte und wurde direkt von Commander Aera willkommen geheißen.
"Haben Sie mich erwartet?", fragte er gelinde erstaunt.
"Ja, Sir. Wir haben unseren Gast in eines der gesicherten Quartiere gebracht mit Wachposten an der Tür", berichtete sie ihm. "Er hat sich allerdings als ausgesprochen kooperativ und ruhig erwiesen."
"Welches Quartier?", fragte A´kebur sie.
"Deck 23, Sektion C", antwortete der Commander. "Die Senioroffiziere und ich sind auf der Brücke, Sir, und in Bereitschaft."
A´kebur nickte. "Halten Sie die Waffen bereit, wobei Alarmstufe Gelb vorerst wieder reicht. Jeder Angehörige der Föderation ist in den Fokus des Transporters zu nehmen. Sollten die Schiffe der Romulaner auch nur die Energie ihrer Waffen erhöhen, wird jeder an Bord gebeamt", gab er den Befehl.
"Aye, Sir. Wir erwarten Sie auf der Brücke."
A´kebur suchte die Gästequartiere auf. Die Wachen vor der Tür machten weitere Angaben zum Ort eher überflüssig. Er wurde eingelassen und sah in das wenig überraschte Gesicht von Tiaren.
"Noch einmal von vorn", befahl er ihm ohne eine Begrüßung.
"Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt, aber gut: Ich will nicht länger am Racheplan meines Vaters teilhaben. Er hatte Streit mit Mr. Duval, das geht uns beide nichts an. Und wenn meine Mutter davon erfährt, bin ich tot." Tiaren rückte sich im Sessel zurecht. "Übrigens denke ich immer noch, dass ich damit dem Imperium diene. Persönliche Rachefeldzüge verdunkeln nur den Blick auf das Wesentliche, das habe ich jetzt begriffen."
"Du willst dem Reich also auf andere Weise dienen. Auch als Verräter", schloss A´kebur. "Wie passe ich da in deine geänderte Gesinnung? Es passt nicht. Es ist nicht notwendig."
Tiarens Augen drückten aus, dass er die Frage nicht ganz zu verstehen schien. "Du gehörst mir", erwiderte er, als wäre es eine Selbstverständlichkeit. "Und ich will weder Wahnsinn noch Tod für uns."
In A´kebur löste dieser eifersüchtige Anspruch eine Kaskade von Gefühlen aus, die er schon lange nicht mehr gespürt hatte. Nur, er verstand nicht, warum Tiaren nun selbst Gefühle von Besitzgier pflegte. Er verstand jedoch, dass dieser nicht wahnsinnig werden wollte oder gar sterben. Zumindest nicht um diesen Preis. "Du wirst nicht wahnsinnig. Wir werden nach Vulkan gehen, und dann wird das Band gelöst."
"Willst du das wirklich?"
"Mich erstaunt, dass du diese Frage stellst. Ein Romulaner gebunden an einen Klingonen-Vulkanier-Mischlung. Was für eine Schmach."
"Für wen, für dich? Jeder, der es nicht weiß, hält mich erst einmal für einen Vulkanier."
A´kebur hatte das Gefühl, es mit einer anderen Persönlichkeit zu tun zu haben. Unwillkürlich tippte er auf eine gespaltene Persönlichkeit. Seelisch gepeinigt, flüchtete sich dieser Mann in eine andere Welt und hörte auf, das zu tun, was man von im verlangte. "Ich werde den Counselor zu Ihnen schicken. Er wird sich mit Ihnen unterhalten. Sie werden alle Hilfe erhalten, die Sie brauchen."
Tiaren sah ihn ernst an. "Ich weiß, was du denkst: Dass ich nicht ganz beieinander bin. Aber im Gegenteil, ich weiß ganz genau, was ich hier tue und sage. Ich …" Er brach ab. Vorher war er doch anderer Ansicht gewesen, woher kam sein Sinneswandel? Er konnte sich nicht mehr erinnern. "Ich weiß selbst nicht, wieso, aber ich tue zum ersten Mal das Richtige."
A´kebur entschied, dass er wirklich mehr Informationen brauchte. "Darf ich deinen Geist berühren?", fragte er und wurde wieder persönlicher und vertraulicher.
Sein Gegenüber sah ihn verwundert an. "Natürlich. Dann glaubst du mir vielleicht endlich."
"Ich weiß es nicht. Ich werde einfach deinen Geist berühren. Ich werde nur sehen, was dein Geist mir zeigt. Das, was deine Wahrheit ist. Aber ich spüre, wenn du manipuliert worden bist."
"Wahrheit?" Tiaren schmunzelte. Da wollte A´kebur allerdings etwas sehr Kompliziertes ausgraben. Er lehnte sich leicht vor und wartete ab. Er hatte ja jetzt nichts zu verbergen.
A´kebur setzte sich ihm gegenüber und hob zögerlich seine Hände. Er hatte so etwas noch nicht allzu häufig gemacht. Bei Etienne war dergleichen nie notwendig gewesen. Sie waren einander näher gewesen als alle anderen Wesen in diesem Universum. Das Band, das zwischen Tiaren und ihm existierte, reichte im Grunde für einen Kontakt. Aber er wollte eine Mentalverschmelzung. A´kebur suchte auch noch das stumme Einverständnis in Tiarens Augen, dann berührte er die Schläfen und formulierte die Ritualworte, die seinen Geist fokussieren würden.
Stumm sahen die beiden einander an. Tiaren wollte sich instinktiv abschotten, aber dann ließ er es geschehen. A´kebur musste wissen, dass er keine feindlichen Absichten mehr hegte, auch wenn Tiaren in diesem Moment seinen allerletzten Rest an geistiger Privatsphäre aufgab.
Aber wenn er geglaubt hatte, dass dieser grobe Klingone in seinem Geist herumpoltern würde, sah er sich getäuscht. A´kebur ging geradezu vorsichtig vor. Er betastete, zeigte Respekt und ging nicht in Bereiche, von denen er spürte, dass sie für ihn nicht weiter wichtig waren. Dennoch fand er das, was er suchte, oder genauer: Er fand es nicht. Tiaren sagte die Wahrheit und er hatte ein enormes Verlangen ihm gegenüber gepaart mit einem übergroßen Besitzanspruch, der sich neu anfühlte und A´kebur ziemlich verwirrte. Langsam zog er sich zurück. "Faszinierend", murmelte er.
Tiaren atmete tief durch, noch ein wenig benommen. "Und, zufrieden?", fragte er leise.
"Das weiß ich nicht", gestand A´kebur. "Aber du solltest Begehren nicht mit wirklichen Gefühlen verwechseln." A´kebur hätte nie gedacht, dass er es eines Tages sein würde, der das einmal sagte. Etienne hatte sehr viel Zeit gebraucht, um ihn auf die feinen, aber bedeutenden Unterschiede aufmerksam zu machen. "Zudem kann es sein, dass deine Gefühle durch die Verbindung aufgewühlt sind."
Der Romulaner zuckte auf sehr menschliche Weise mit den Schultern. "Wirkliche Gefühle, was heißt das schon in solchen Momenten? Und ich glaube nicht, dass es nur die Verbindung ist." Er legte den Kopf schief. "Andererseits, wenn du wirklich nur deine Gefühle auf mich projizierst, hieße das ja, du begehrtest mich …"
"Ich projiziere nicht und ich begehre dich nicht", wehrte A´kebur ab. "Und es spielt bei mir auch keine Rolle. Du hast dich entschieden, deine offizielle Loyalität zu wechseln. Du glaubst an das, was du sagst. Und weil du denkst, dass du Anspruch auf mich erheben kannst. Nun, wie auch immer, die romulanischen Vertreter des Reiches wissen jetzt Bescheid, und ich denke, dass im Moment schon die ersten, sehr heftigen Worte ausgetauscht werden."
"Vermutlich. Aber wir sind ja hier in Sicherheit", Tiaren schmunzelte etwas spöttisch. "Und was hast du jetzt vor, Captain?"
"Diese Mannschaft samt den Diplomaten heil aus dieser Angelegenheit herauszuholen." A´kebur erhob sich. "Und dabei einen kühlen Kopf bewahren."
Tiaren nickte. "Aber einfach alle einsammeln und wegrennen? Willst du den Frieden so schnell aufgeben?"
"Wie du schon sagtest: Wenn er nicht ehrlich gemeint ist, ist er nicht einmal den Dreck unter meinem kleinen Fingernagel wert. Ich renne nicht weg. Ich sorge dafür, dass die Föderation das Romulanische Reich vor sich hat, nicht im Rücken."
"Nun, das ist auch besser so. Wie ich einige kenne von uns, werden sie, wenn Plan A scheitert, zu Plan B oder C übergehen, wie immer der aussehen mag. Als kleine Schachfigur war ich nicht eingeweiht."
A´kebur nickte. "Und daher werde ich den Rückzug antreten. Ich erwarte, dass meine Entscheidungen respektiert werden. Solltest du sie noch einmal in Frage stellen, werde ich dich nicht mehr darüber in Kenntnis setzen, was außerhalb dieser Kabine passiert. Ich hoffe, wir verstehen uns." Er bleckte kurz die Zähne und seine Augen blitzten warnend. "Verstehe dich als Gast, so lange du hier bist. Aber ich werde nicht vergessen, unter welchen Umständen wir uns kennen gelernt haben."
"Danke. Mehr kann ich kaum erwarten." Tiaren verneigte sich, aber ein Rest von Spott schien sich in seinem Gebaren zu erhalten. Dennoch waren seine Augen ernsthaft dankbar. A´kebur hätte ihn auch in die Arrestzelle sperren können.
A´kebur musste zugeben, dass ihn dieser Mann aus der Bahn warf. Er schüttelte diesen Eindruck ab. Er würde Tiaren innerhalb von 24 Stunden, wenn nicht sogar früher, brauchen, um bei Verstand zu bleiben. Jetzt wurde er jedoch auf der Brücke gebraucht. Doch das, was er vorher tat, darüber wollte er nicht nachdenken. Dafür hatte er keine Zeit. Allein die Tat zählte: So wie dieser Kuss, den er Tiaren raubte, ehe der überhaupt begriff, was er da gerade tat.
"Ich reflektiere nie!", flüsterte er und verließ das Quartier.
Auf der Brücke warteten bereits die Senioroffiziere auf ihn. Ohne dass A´kebur fragen musste, gab Commander Aera ihm einen Lagebericht: die Romulaner zeigten sich wie erwartet empört darüber, dass Starfleet einen ihrer Leute festhielt. Sie gaben zwölf Stunden, um Tiaren zurückzubekommen, ansonsten drohten sie mit dem Ende jeglicher Verhandlungen und nähmen es als einen kriegerischen Akt hin.
"Öffnen Sie einen Kontakt zur Botschafterin. Ignorieren Sie Commander Setrian. Es geht nicht um ihn. Aber lassen Sie ihn hören, was wir sprechen." A´kebur setzte sich auf seinen Platz. Er wusste, dass das allein ihm schon den Habitus der Macht gab, die er jetzt brauchte. Fürs Umziehen war keine Zeit geblieben. Gleich darauf erschien die Botschafterin auf dem Bildschirm, hinter ihr stand der romulanische Commander. "Captain", begrüßte sie ihn kühl. "Ich nehme an, Sie haben von unseren Bedingungen erfahren?"
"Ich habe davon Kenntnis erhalten. Ich muss Ihre Ansicht jedoch korrigieren, Botschafterin. Tiaren hat um politisches Asyl ersucht und ich bin verpflichtet, dem Ersuchen nachzukommen. Soweit ich weiß, wird ihm kein Verbrechen zur Last gelegt von politischen abgesehen. Er steht daher unter dem Schutz der Föderation. Leider kann ich Ihnen keine weiteren Auskünfte geben. Ich kann Sie nur um Ihr Verständnis bitten. Sollte Ihr Sohn einen Kontakt zu Ihnen wünschen, werde ich diesem selbstverständlich nachgeben. Sie haben mein Wort."
Sokalas Augen verengten sich und A´kebur musste an ein Sehlat kurz vor dem Sprung denken. "Ich will mit meinem Sohn sprechen", verlangte sie. "Was immer er Ihnen erzählt hat, ist es nicht wert, dass Sie ihm zuhören. Geben Sie ihn heraus, damit wir ihn für sein Verhalten angemessen bestrafen können. Ein Romulaner flüchtet sich nicht ins Exil."
"Ich werde ihn nicht herausgeben. Daher erübrigen sich Ihre Pläne. Enterprise Ende." A´kebur machte ein knappes Zeichen, und augenblicklich wurde die Leitung geschlossen. "Meinungen", fragte er.
Commander Aera sah ihn ernst an. "Wir können es vor dem Föderationsrat kaum verantworten, dass die Verhandlungen auf diese Weise enden. Ich bin dafür, festzustellen, ob Tiaren wirklich Asyl will oder ob es nur ein Trick der Romulaner ist, um uns in Misskredit zu bringen."
Die übrigen Offiziere stimmten dieser Einschätzung zu.
"Und Sie sollten vorsichtig sein, Captain: Botschafterin Sokala glaubt, was sie sagt. Für sie ist es undenkbar, dass ein Romulaner zum Feind überläuft", meinte Counselor Troi.
"Wenn es also ein Plan der Romulaner ist, dann ist sie nicht involviert. Haben Sie sich schon Tiaren angesehen, Counselor? Ich glaube, ich habe nicht getan, was sie sich wünschen, und es könnte durchaus sein, dass unsere Freunde jetzt etwas Neues ausprobieren, auch ohne den Köder in alles einzuweihen." A´kebur sah Troi neugierig an.
"Ich sage nur, dass Romulaner sehr unberechenbar sein können und wir auf alles gefasst bleiben müssen", gab Troi zurück. "Und die Frage ist, ob wir die Verhandlungen überhaupt noch retten können."
"Wenn es nicht im Plan der Romulaner lag, dann gibt es nichts zu retten. Commander Aera, Sie haben das Kommando. Ich bin bei unserem unverhofften Gast. Counselor, Sie begleiten mich."
Die junge Frau nickte und nahm den Kommandosessel in Beschlag. Falls die Romulaner unverhofft angriffslustig werden sollten, wollte sie nicht überrascht werden. Counselor Troi folgte dem Captain zum Turbolift und von da aus zu Tiarens Quartier.
Kurz vor dessen Tür im Gang stoppte A´kebur, so dass sie noch außerhalb der Hörweite der Wachen waren. "Ich weiß nicht, was genau Sie über mich denken und das ist ungünstig, wenn man unsere beiden Positionen bedenkt. Ich weiß nicht, was ich von Tiaren halten soll und das ist noch bedenklicher. Ich überdenke meine Position an Bord und überlege, mein Kommando für die gesamte Mission niederzulegen. Ihre Aufgabe ist es, dass ich dieses Gespräch zu einem Punkt bekomme, wo ich mich nicht gezwungen sehe, diesen Romulaner umzubringen, besser noch, eine Lösung für das Problem zu finden."
Counselor Troi große Augen wurden noch ein wenig größer, dann nickte er. "Aye, Sir. Mord wäre keine Lösung, da stimme ich Ihnen zu. Aber wenn wir aus dieser Sache heil herauskommen wollen, muss ich Ihnen eines offen sagen: An Bord sind über hundert Sternenflottenoffiziere und sie alle vertrauen darauf, dass Sie die richtigen Entscheidungen treffen. Für Zweifel darf kein Platz sein. Das hier ist keine Trainingseinheit, die Sie unterbrechen können. Unser aller Leben könnte davon abhängen, ob Sie auf der Brücke sind, Sir."
A´keburs Mundwinkel verzogen sich. "Glauben Sie tatsächlich, ich würde meinen Gefährten töten? Ich glaube Ihnen auch so, dass Sie meine Gefühle nicht lesen. Aber stellen Sie sich vor, ich denke, dass genau sein Tod einen Teil aller Probleme lösen würde. Seien Sie wachsam." Damit wandte er sich ab und ging zum Quartier.
Troi folgte ihm, nicht wirklich beruhigt. Er würde seinem Captain inzwischen fast alles zutrauen. Die Wachen an der Tür ließen sie sofort durch. Tiaren stand auf, als er die Tür hörte. "Das ging schnell", kommentierte er A´keburs Rückkehr. "Ich vermute, die Botschafterin will, dass du mich auslieferst, Captain?"
"Nichts, was man zu vermuten braucht. Es ist Gewissheit. Tiaren, ich bin hier, um mit dir zu sprechen. Du wirst mir Beweise für deine Verfolgung liefern müssen. Oder zumindest eine glaubhafte Geschichte. Warum suchst du hier Asyl? Warum erst jetzt?" A´kebur sah ihn vorwurfsvoll an; seine Haltung drückte eine Spannung aus, die mehr verriet, als es hätte sein dürfen. Aber es spielte sowieso keine Rolle, kannte doch hier jeder im Raum das Problem.
Tiaren sah von ihm zu Counselor Troi. "Und Sie sind hier, um sicherzugehen, dass der Captain nicht den Kopf verliert, nicht wahr? Ich kann eigentlich nur wiederholen, was ich dir zuvor sagte. Ich habe keine Lust zu sterben. Ich war zur Botschafterin gegangen, um ihr Bericht zu erstatten, und sie befahl mir, nachdem ich möglichst dramatisch vor allen Beteiligten erklärt habe, dass der Captain der Enterprise sich an mir vergriffen hat, dass ich Selbstmord begehen solle. Doch die Verhandlungen sind so oder so zuende, und die Föderation steht schlecht da. Mein Dienst am Imperium ist getan."
Ein Romulaner, der leben will, schoss es A´kebur durch den Kopf. Die Reaktion war so menschlich. Weder ein Romulaner noch ein Klingone würde es verstehen.
Counselor Troi und A´kebur sahen sich an. Troi nickte. "Er sagt die Wahrheit!", bestätigte er.
A´kebur wandte sich um und wanderte auf und ab. "Es kann sein, Tiaren, dass du auch bei uns nicht leben kannst. Wir sind von romulanischen Schiffen umgeben und befinden uns unweit des Imperiums. Wenn diese Verhandlungen nur eine Farce waren, dann sind wir schon jetzt tot."
"Diese Verhandlung war von Anfang an eine Farce. Und die Föderation ist mit ebensovielen Schiffen hier wie das Imperium. Die Chancen stehen gut, dass die Enterprise hier noch heil wegkommt. Doch der Krieg ist dann ausgebrochen. Und das Flaggschiff der Botschafterin", Troi fiel auf, dass Tiaren von ihr nicht als seiner Mutter sprach, "ist technisch der Enterprise nicht überlegen."
"Krieg war und ist nicht das Ziel der Föderation. Wir sind hier für Verhandlungen. Aber es ist unlogisch, über vergossene Milch zu lamentieren", murmelte A´kebur.
"Wer lamentiert denn? Ich bin nur ehrlich, das solltest du zu schätzen wissen, ist selten bei uns", Tiaren grinste. "Und, wirfst du mich raus?"
"Ausgeschlossen. Ich überlege, ob ich deinen Kopf deiner Mutter vor die Füße lege und behaupte, du hast dich ehrenvoll selbst getötet. Es würde sie in Zugzwang setzen."
Tiaren verschränkte die Arme. "Nur zu, wenn du das wagst."
Die Antwort alarmierte Troi und er trat sicherheitshalber einen Schritt vor, um sich zwischen die beiden Männer zu bringen. "Ich denke, es gibt eine bessere Lösung", erklärte er entschieden. "Wir brauchen unseren Captain intakt und die Föderation schützt ihre Gefangenen." Der letzte Satz ging an A´kebur.
"Lassen Sie nur, Counselor" gab Tiaren zurück. "Ihr Captain wird mir kein Haar krümmen oder jedenfalls nicht mehr als zuvor. Mein Kopf ist sicher. Andere Körperteile weniger."
Troi wurde sichtlich rot.
A´kebur schüttelte den Kopf. "Danke für deine Offenheit. Gut, wenn es nichts weiter zu bereden gibt, wird es Zeit, dass wir einen Plan entwickeln. Die Offiziere sollen sich im Konferenzraum treffen. In einer Stunde."
"Aye, Sir, ich veranlasse das." Troi nickte Tiaren kurz zu und befand, dass er die beiden allein lassen konnte. Dann ging er.
A´kebur lehnte sich gegen den Replikator und musterte Tiaren von Kopf bis Fuß. "Du hast keinen Gedanken daran verschwendet, als du mir das gesagt hast, was wir tun müssen und welche Macht wir haben."
"Ja, und?"
"Willst du dich selbst umbringen? Willst du nur nicht allein Selbstmord begehen? Du denkst nicht mehr wie ein Romulaner, und meine Gedanken sind verwirrt. Meine Vernunft ist irgendwo zwischen hier und der Erde verloren gegangen. Wenn du dir durch mich Hilfe erwartest, dann kommst du zu spät. Ich bin nicht mehr kommandofähig. Ist dir das klar?"
"Ich erwarte keine Hilfe. Und ob du kommandofähig bist, entscheidest nicht du, oder? Für mich wirkst du noch ziemlich klar, Captain. Und ich will keinen Selbstmord begehen. Ich will leben. Muss ich es für dich aufschreiben?" Tiaren trat auf A´kebur zu. "Ich hätte vor einer Woche auch nicht geglaubt, dass ich so denken würde. Aber es ist so."
"Und wenn du mich nicht für irre hältst, dann, so fürchte ich, bist du der einzige auf diesem Schiff." A´kebur raufte sich die Haare. "Ich habe nicht einmal soviel Kontrolle, um zu verhindern, dass ich dich …"
"Wenn du irre bist, dann nur, weil ich dich irre gemacht habe", erwiderte Tiaren. Da sie so nah beieinanderstanden, spürte er deutlich A´keburs Präsenz in seinem Kopf und dessen emotionalen Aufruhr.
"Oh ihr Götter von den heiligen Hallen von Gol." A´kebur zitterte vor Schwäche.
Tiaren hob beinahe instinktiv die Hand und strich leicht durch A´keburs Haare. "Ich sollte wohl dafür sorgen, dass du einen klaren Kopf behältst. Wenn die Botschafterin hätte angreifen wollen, dann hätte sie es augenblicklich getan."
"Wir haben keine Zeit", flüsterte A´kebur. "Mir ist so heiß. Wie oft noch?"
"Ich weiß nicht. Es kann nicht mehr lange dauern. Und wir haben Zeit. Wenn wir keine mehr haben, sind wir bereits tot."
Tiaren fühlte, wie A´keburs Temperatur von Atemzug zu Atemzug höher stieg. Irgendwann verlor dieser Mann, der das Erbe eines alten Kriegergeschlechts in sich trug, die Kontrolle, die seine Vorfahren vor wenigen Generationen erst erlernt hatten. A´kebur litt, und jede Vereinigung schien ihn glauben zu machen, dass es niemals mehr aufhören würde. Tiaren spürte diese Verzweiflung wie seine eigene, konnte es nicht ausschließen. Er konnte nicht anders, als sich ebenfalls zu wünschen, dass die Droge bei A´kebur endlich zu wirken aufhörte. Diese erzwungene Nähe brachte sie beide langsam um.
A´kebur hielt sich an ihm fest und suchte blind seine Lippen. Er fand sie, küsste erst zaghaft, dann kraftvoll voller Leidenschaft. Tiaren spürte in seinem Geist, wie A´kebur alle Kontrolle fahren ließ, weil es einfacher war, weniger Kraft kostete. Das Seltsame war, dass A´kebur ihn akzeptierte, keinen Widerstand mehr leistete und keinerlei Vorbehalte. Es war auf seltsame Weise so einfacher, weniger schmerzlich in ihren beiden Gedanken. Tiaren wusste trotzdem nicht, warum A´kebur ihn auf einmal nicht mehr so sehr ablehnte.
Doch auch er selber spürte, dass seine eigene Abneigung gegen den Klingonen und Vulkanier, gegen den Sternflottenoffizier und Föderationsbeauftragten immer mehr dahinschmolz. In seinem Hinterkopf vermeinte er ein leises, zufriedenes Lachen zu hören, doch dann verschwand dieser Eindruck. Und zum ersten Mal, seit er sich erinnern konnte, schloss Tiaren Nevius beim Küssen die Augen.
Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, doch als er wieder klar denken konnte, fühlte er die Schwere von A´kebur auf sich und dessen Atem, der über seine schweißfeuchte Haut strich. A´kebur ruhte buchstäblich auf ihm. Seine Gedanken und Gefühle trieben wie ein träger Fluss. Dahinter fühlte er die Kraft, die in diesem Geist und in diesem Körper steckte. A´kebur erwachte langsam und widerwillig. Erneut hatten sich fast wie von selbst Tiarens Finger in den langen Haarsträhnen des Klingonen vergraben, und diese Berührung hatte etwas unsäglich Vertrautes. Der Romulaner hatte noch immer die Augen geschlossen und war selbst erleichtert, dass die Glut nicht mehr so wild in A´kebur tobte. So oder so war das auch seine Bürde seit dem Moment, in dem er die Ereignisse ausgelöst hatte. Jetzt wusste er es.
Er spürte den Blick der blauen Augen auf sich gerichtet. A´kebur war wirklich wach, aber er sagte kein Wort. Vorsichtig erhob er sich halb. "Danke", hörte Tiaren geflüstert, dann war das Gewicht von ihm, mit ihm aber nicht die Bürde.
A´kebur zog sich an, langsam und eher widerwillig.
"Dir geht es etwas besser", stellte Tiaren fest und erhob sich ebenfalls langsam. "Weißt du jetzt, was du tun willst? Die Botschafterin wird erst Rücksprache mit dem Senat halten."
"Wir haben unseren Botschafter noch unten. Er sondiert auch die Lage. Wir werden in den Konferenzraum gehen und uns anhören, was die Offiziere haben. Wenn es uns gelingt, sie in die Enge zu treiben und sie dabei auf keinen Fall ihr Gesicht verliert, dann könnten wir es schaffen. Aber zurück wirst du nie wieder können. Wenn du nicht sterben willst, ist die Verbannung die einzige Möglichkeit. Die Klingonen werden den Teufel tun, um dich aufzunehmen und die Föderation... Warum sollten sie?" A´kebur hielt inne und sah ihn durchdringend an. "Du hast einen Offizier angegriffen."
"Das ist mir klar. Ich sagte dir, ich habe meinen Teil getan fürs Vaterland. Wohin ich jetzt gehe …" Tiaren zuckte mit den Schultern. "Vielleicht werde ich Pirat."
A´keburs Gesicht verriet Verblüffung und Tiaren musste zugeben, dass der Anblick köstlich amüsant war. "Wie kommst du darauf?", brauste dieser auf. "Noch so einen Mann kann ich nicht gebrauchen, wenn er an mich gebunden ist."
"Wieso, du hast doch schon Erfahrung damit." Tiaren griff nach seiner Kleidung und beschloss, doch besser etwas anderes anzuziehen.
A´kebur ballte die Hände. "Drecksromulaner", fluchte er. "Hätte dein Vater doch nie deine Mutter geschwängert."
Tiaren verriet mit keinem Zucken seines Gesichts, dass ihn das traf, auch wenn A´kebur ja recht hatte. "Dann hätten wir alle weniger Ärger", gab er kühl zurück und ging zum Schrank, um frische Sachen herauszusuchen. "Beschwer dich bei meinem Vater."
"Kenne ich ihn?", erwiderte A´kebur spitz, aber rein rhetorisch. Er kannte Tiarens Vater, auch wenn er nur kurz das zweifelhafte Vernügen gehabt hatte, Toran persönlich zu treffen.
"Besser als ich. Du bist ihm persönlich begegnet. Ich hatte diese Ehre zum Glück zum letzten Mal als Kind."
"Wenn ich ihm begegne, werde ich es nicht dabei belassen. Und wenn ich die Gelegenheit bekomme, dann werde ich ihn jagen", versprach A´kebur, ohne mit der Wimper zu zucken. "Doch du wirst nicht eher Pirat, bis wir auf Vulkan gewesen sind. Ich werde dich töten, wenn du es vorher tust."
"Das hatten wir doch alles schon. Erst einmal müssen wir hier lebend wegkommen, dann können wir uns um Vulkan oder überhaupt die Zukunft Gedanken machen." Tiaren schlüpfte in eine schwarze Hose. Der Inhalt des Schrankes war nicht sonderlich einfallsreich, aber in schlichtem Schwarz fühlte er sich noch am präsentabelsten. A´kebur sah ihn an, als hätte er einen Geist gesehen. Er wandte sich sichtlich blass ab. Dem Romulaner war das nicht entgangen. "Was ist? War es doch nicht genug?"
"Nein, es war genug. Du solltest nur etwas anziehen, was farbiger ist", murmelte A´kebur tonlos.
"Farbiger? Das Einzige, was Starfleet sonst für seine Gäste hier gelagert hat, sich orangefarbene Overalls. Und das nur über meine Leiche", knurrte Tiaren. "Was hast du gegen Schwarz?"
"Ist egal. Gehen wir!" A´kebur ging mit steifen Beinen zur Tür, die sich gehorsam öffnete.
Obwohl Tiaren noch immer keine Ahnung hatte, was vorging, folgte er dem Captain. Er wollte mit eigenen Augen sehen, wie sich seine Zukunft entschied, eine Zukunft, von der er nie gedacht hatte, dass er sie haben würde.
Sie wurden schon erwartet. Ob es A´keburs Zeitgefühl war oder einfach nur Glück, dass die Stunde schon vorüber war, konnte Tiaren nicht sagen. Man sah ihnen entgegen, aber nicht wirklich neugierig. Nur der Captain wurde intensiv gemustert. Sein Zustand entschied darüber, wer die Mission weiter befehligte. Doch dessen Schritt war kraftvoll und sein Blick klar. Selbst Troi konnte nichts merken, was gegen A´kebur sprach.
"Haben wir Kontakt zum Botschafter?", fragte A´kebur. Dass es ruhig geblieben war, war ein gutes Zeichen. Noch immer war Alarmstufe Gelb vergeben und die Waffen schwiegen.
"Ja, Sir." Commander Aera gab den Befehl und auf dem Bildschirm erschien Botschafter Chiomas besorgtes Gesicht. "Captain, ich verstehe das nicht!", rief er. "Botschafterin Sokala hat die Verhandlungen abgebrochen und behauptet, Sie würden einen ihrer Leute gefangen halten! Sie sagen, dass es Asyl ist. Klären Sie das!"
"Hat man Sie nicht darüber in Kenntnis gesetzt, dass der Sohn der Botschafterin bei der Föderation um Asyl gebeten hat? Ich dachte, Sie wären über die Ereignisse der letzten anderthalb Stunden in Kenntnis gesetzt worden", meinte A´kebur kalt.
"Ja, das hörte ich. Und was soll ich nun dazu sagen, Captain? Ich habe hier die letzten Tage hart gekämpft und wir waren so weit gekommen mit den Verhandlungen! Und jetzt ist alles umsonst!" Das sonst so freundliche Gesicht des kleinen Mannes drückte deutlich Wut und Enttäuschung aus. "Und nur wegen so eines billigen Tricks!"
"Der Trick war nicht billig. Er kommt uns teuer zu stehen", korrigierte A´kebur. "Die Bitte um Asyl ist geprüft und sie ist echt. Sollte es sich um eine geistige Manipulation handeln, dann müssen wir das noch näher prüfen. Doch egal, was dabei herauskommt, Botschafter, man wird es der Föderation ankreiden. Wie schätzen Sie ihre persönliche Lage ein? Ich bin immer noch der Meinung, Sie besser vom Planeten zu holen."
"Nein, auf keinen Fall! Botschafterin Sokala ist ebenfalls noch hier und solange sie nicht wieder zurück auf dem Weg nach Romulus ist, werde ich versuchen, die Gespräche irgendwie wiederaufzunehmen. Vielleicht sollten Sie auch herunterkommen, Captain und den jungen Mann gleich mitbringen. Die Botschafterin sagte, sie verlangt ihn persönlich zu sprechen", gab Chioma zurück. "Ich will retten, was noch zu retten ist."
"Botschafter, ich würde gern. Doch solange das Asylgesuch von den Romulanern nicht akzeptiert wird, kann ich mit ihm nicht hinuntergehen. Ich kann aber jederzeit zu Ihnen kommen." A´kebur suchte kurz Aeras Blick, die ihm bestätigte, dass sie das Kommando übernahm.
"Und die Forderung der Botschafterin ist eindeutig. Sie wird sonst garantiert kein Wort mit mir wechseln, wenn diese Sache nicht vorher geklärt ist", beharrte Chioma.
"Dann steht es ihr frei, an Bord der Enterprise zu kommen. Botschafter, die Bestimmungen sind eindeutig. Ich habe hierbei keinerlei Spielraum." A´kebur beugte sich vor. "Das wissen Sie!"
"Denken Sie, ich habe hier Freiraum? Die Botschafterin wird unter Garantie nicht zu Ihnen hochkommen. Captain, ich bitte Sie!"
Tiaren sah zu A´kebur. "Vielleicht sollte ich wirklich mit ihr reden."
"Das steht in Ihrer Entscheidung, Mr. Tiaren. Sie haben Asyl beantragt. So lange dieser Antrag steht, werde ich Sie niemandem ausliefern."
"Von Ausliefern ist ja keine Rede. Geben Sie mir ein par Aufpasser mit, Captain." Trotz der ernsten Situation musste Tiaren ein Schmunzeln unterdrücken angesichts A´keburs förmlicher Anrede, die jeden Verdacht von Privatheit sofort ausräumte.
"Ich kann Ihre Sicherheit auf dem Planeten nicht gewährleisten. Entweder Sie bleiben hier oder Sie ziehen Ihren Antrag zurück", erwiderte A´kebur erbarmungslos.
"Weglaufen kann ich nicht. Ich gehe hinunter", erklärte Tiaren fest. "Sie sagten ja, die Föderation würde mich sowieso nicht aufnehmen, Captain. Also ist es gleich. Und wenn das Imperium und die Föderation sich meinetwegen nicht sofort an die Kehle gehen, war es wenigstens für etwas gut." Tiaren hatte diese Entscheidung ohne Zögern getroffen. Natürlich wusste er, dass es lebensgefährlich war. Aber wo sollte er hin? Wenn er schon vorhatte, seiner Existenz einen Sinn zu geben, der übers bloße Marionettendasein hinausging, konnte er die Dinge auch gleich richtig angehen.
"So hatte ich das nicht gesagt!", wandte A´kebur ein, wenn er auch zugeben musste, dass er es so gemeint hatte. Aber das lag wiederum in der Zuständigkeit von Leuten, mit denen er nichts mehr zu tun hatte. "Ihr Opfer, Mr. Tiaren, kann von eher zweifelhaftem Wert sein, wenn das, was Sie sagten, wahr ist. Wenn die ganzen Verhandlungsgespräche nur eine Farce waren, um einen Krieg vom Zaun zu brechen. Soweit ich das sehe, ist das hier ein Patt. Ihre Anwesenheit auf dem Planeten mag dieses Patt wenden, nur sollte dabei auch Ihren Rechten genüge getan werden."
"Rechte? Nach wie vor bin ich Bürger des Imperiums und Centurio der imperialen Streitkräfte. Selbst die Botschafterin kann mich nicht ohne Rücksprache hinrichten, auch wenn sie das wollte. Und ich glaube auch nicht, dass mich jemand angreifen wird, wenn Sie dabei sind." Etwas Waghalsiges, beinahe Übermütiges lag in Tiarens Blick, etwas, das A´kebur sehr vertraut war.
"Also sind Sie bereit, sich unter dem Schutz der Sicherheit dieses Schiffes zu begeben und die Gespräche zwischen der Föderation und dem Imperium wieder zum Laufen zu bringen. Und das einfach so! Was wollen Sie dafür?"
"Ein Leben, Captain, weiter nichts", gab Tiaren ruhig zurück.
A´kebur hielt Tiarens Blick für einige Sekunden, dann sah er seine Crew an. "Was halten sie davon?", fragte er.
"Riskant, aber ich sehe auch keinen anderen Weg, Captain", meinte Troi, und der Doktor nickte.
Commander Aera hingegen schüttelte den Kopf. "Wir sollten unseren Vorteil nicht hergeben. Und wenn die Romulaner uns bisher nur belogen haben, warum sollten sie jetzt damit aufhören?" Ihr abschätzender Blick durchbohrte Tiaren.
"Mr. Tiaren als Unterpfand also. Ich neige auch dazu, Commander. Aber wir finden es nicht heraus, wenn wir weiter untätig bleiben. Bitte vermerken Sie im Protokoll Ihren Einwand. Ich werde zusammen mit Mr. Tiaren zurückbeamen. Wir werden mit einer Sicherheitseskorte kommen. Halten Sie die Schiffe in der Umlaufbahn in Alarmbereitschaft. Sollten die Romulaner uns als Geiseln nehmen, dann schießen Sie auf alles, was sich Ihnen in den Weg stellt. Gehen Sie aber davon aus, dass die Föderation noch ein Flaggschiff für den Krieg braucht. Fliegen Sie also zurück, wenn es keinen anderen Ausweg gibt. Es wird kein Austausch von Geiseln auf meinem Schiff geben."
"Aye, Sir." Augenblicklich stand Lieutenant Ch'Grawbil auf, um die Vorkehrungen zu treffen, ein Sicherheitsteam zusammenzustellen. Commander Aera ging, um die anderen Schiffe zu informieren. Schließlich blieb Tiaren mit A´kebur allein zurück. "Du willst also deinen Hals mit riskieren?", fragte er.
"Nenne mir die Stelle, in der steht, dass ich nichts mit den Ereignissen zu tun habe und nicht die Verantwortung trage. Meines Wissens bin ich immer noch der Captain und jetzt gehen wir!", brummte A´kebur und erhob sich.
"Gut, gehen wir." Tiaren wusste nicht, was er davon halten sollte. Aber sie hatten nicht wirklich die Wahl, etwas musste passieren. Und was auch immer sie taten, riskant war es sowieso. A´kebur Charakter hätte er so nicht eingeschätzt. Wenn er nicht gerade die Kontrolle über sich verlor, neigte er zu der Ausdrucksfähigkeit eines Vulkaniers. In dieser Hinsicht war er eher undurchschaubar.
A´kebur zog sich noch kurz in seinem Quartier um. Er wählte die formellere Uniform und irgendwie war Tiaren nicht erstaunt, die übrigen Mitglieder der Lande-Crew ebenfalls in der formellen Uniform zu sehen. Sie gingen in keinen Kampfeinsatz. Sie erwiesen der Botschafterin ihre Referenz. Dass sie keine zahnlosen Tiger waren, bewiesen die Phaser im Halfter.
Tiaren nahmen sie in die Mitte, halb zum Schutz von außen, halb ihn zu hindern, sich zu verdrücken, falls dem Romulaner doch nicht zu trauen war.
Man fand sich im großen Konferenzsaal ein; all die Botschafter und ihre Entourage waren versammelt. Botschafter Chioma sah blass und besorgt aus, Spock verzog keine Miene und die Romulaner schienen nur mühsam ihren Ärger unterdrücken zu können. Die Leibgarde der Botschafterin war ebenfalls bewaffnet.
Die Hand des Sicherheitschefs der Enterprise lag auf dem Rückholknopf, die andere lag auf dem Phaser. A´kebur trat einen Schritt vor und fasste die Botschafterin fest ins Auge. Höflich neigte er seinen Kopf. "Botschafterin. Leider ist es uns nicht vergönnt, uns unter entspannteren Umständen zu treffen. Um dem Recht der Föderation Rechnung zu tragen, dürfen Sie mit Mr. Tiaren Nevius nur unter Bewachung der Sicherheitswache der Enterprise reden und nur Sie allein. Ihr Sohn ist ansonsten bereit, mit Ihnen zu sprechen."
Sokala musterte ihn abfällig. "Ist das so?" Dann sah sie zu ihrem Sohn, die schönen Augen kälter als Eis. "Ich will eine Erklärung. Kein wirklicher Romulaner würde je das Reich verraten. Sind die Veränderungen, die wir vorgenommen haben, in dein Gehirn eingedrungen? Hat man dich unter Drogen gesetzt? Was war es?"
Tiaren lächelte seltsamerweise. Ihre Beleidigungen berührten ihn nicht. "Vielleicht? Dann wäre die Verantwortung für mein Verhalten bei meinem Vater oder bei anderen zu suchen, nicht bei mir."
"Was hat dein Vater damit zu tun?", fauchte Sokala, ehe sie an sich halten konnte. "Lass uns unter vier Augen sprechen", erklärte sie in der Hoffnung, Tiaren aus den Fängen seiner geistigen Umnachtung zu reißen.
Tiaren sah zu A´kebur. "Wir gehen außer Hörweite, nichts weiter", erklärte er. Dieser sah zu Ch'Grawbil, der nickte. "Hier entlang", bestimmte dieser. Er lotste Sokala und Tiaren in den Vorraum und bezog mit seinen Kollegen an der Tür Stellung; neben ihm die Romulaner, die ihre Botschafterin im Auge behalten wollten.
"Ich gehe nicht zurück, Botschafterin", erklärte Tiaren, als er mit seiner Mutter außer Hörweite der Wachen war. "Und ich werde auch keinen Selbstmord begehen. Mein Dienst für das Imperium ist getan und offiziell beendet. Erklär mich für tot."
"Du hast wohl den Verstand verloren!", fauchte Sokala ihn an. "Du bist der Sohn der Botschafterin. Du hast Pflichten. Du begehst gerade Hochverrat? Was soll mit mir werden? Ich, die Mutter eines Verräters? Das ist inakzeptabel, Sohn. Diese Schande werde ich nicht tragen. Töte dich oder ich werde es tun, wenn du deiner Aufgabe nicht mehr nachkommen kannst. Alles andere steht nicht zur Debatte!"
"Ich bin schon tot, Mutter, was macht es für einen Unterschied? Ich verschwinde von hier und werde nie wieder irgendwo auftauchen, wo es für das Imperium von Belang ist. Deinen Sohn gibt es nicht mehr." Tiaren beugte sich vor, all sein Respektdenken hatte er vor dieser Frau abgelegt. "Vielleicht hat es ihn auch nie gegeben. Alles, was Vater wollte, war ein Instrument für seine Rache."
Sokalas Augen wurden größer. Sie bekam kein Wort über die Lippen. "Du hast nicht das Recht", hauchte sie endlich. "Das hast du nicht."
"Nein, weil es mir niemand je gegeben habt. Entschuldige vielmals, dass ich ein Lebewesen mit eigenem Willen bin", gab Tiaren zurück.
"Du wagst es wirklich, so mit mir zu reden. Du wirst diesen Raum nicht mehr lebend verlassen und die Föderation hat nicht das Recht, mich daran zu hindern! Du wirst sterben und ich werde um dich trauern."
"Ich werde das Vorta'Vor[1] sehen, wenn es soweit ist. Aber nicht heute." Tiaren trat ein paar Schritte zurück. "Wenn das alles war, sollten Sie wieder zu Ihren eigentlichen Pflichten zurückkehren, Botschafterin."
Sokala wandte sich abrupt ab und würdigte ihren Sohn keines weiteren Blickes. Was immer die Botschaft ihrer Haltung war, sie entspannte die Lage in dem Konferenzsaal damit nicht. A´kebur versicherte sich, dass Tiaren wieder in der Mitte seiner Leute war und gab den Befehl, den Romulaner an Bord zu beamen.
"Sir", kontaktierte ihn sein Erster Offizier. "Wir haben Annäherungsalarm. Fremde Schiffe nähern sich und sie reagieren nicht auf unsere Anfragen. Ich habe angewiesen, die Schilde hochzufahren."
"Seit wann sind sie auf dem Schirm?", fragte A´kebur.
"Seit knapp einer Minute. Die Schilde sind seit 10 Sekunden oben und ich wollte Sie gerade kontaktieren. Wir können Sie noch alle hochbeamen. Phaserreichweite wird in zehn Minuten erreicht."
A´kebur wollte soeben den Befehl dazu geben, doch es drang nur noch Rauschen aus dem Kommunikator. "Lieutenant, bekommen Sie Funkkontakt?", fragte er Ch'Grawbil.
Im nächsten Augenblick erbebte das Gebäude und ein großes Stück der Decke brach mit ohrenbetäubendem Getöse zusammen. Erschrocken stoben die Anwesenden auseinander, doch es gab keinen Ausweg. Eine halbe Sekunde später durchschlug eine Explosion die Seitenwand. Reflexartig hatten die Romulaner die Botschafterin in ihre Mitte genommen, während sie feststellen musste, dass auch ihr Funkkontakt gestört war. Tiaren hatte nur einen Gedanken: A´kebur in Sicherheit wissen. Er schubste den Klingonen beiseite, als eine Säule umstürzte.
Dann hörte die Welt auf zu existieren. Tiaren und A´kebur reagierten nur noch. Letzterer zog, nachdem er sich wieder aufgerappelt hatte, den nächstbesten hinter sich her und er wusste, dass es Tiaren und sein Sicherheitschef war. Der Zustand war egal. Irgendwann fühlte er, dass diese von allein liefen. Bis auf die gefährlichen Explosionen war kein einziger Schrei zu hören. Nur von entfernt hörte er das Stöhnen von Verletzten, die unter den Trümmern lagen. A´kebur sah in den Himmel. Wieder loderte ein Phaserstrahl herunter, strich über die Gebäude und brachte sie zum Einsturz. "Weg hier!", befahl er allen, die laufen konnten, während er gleichzeitig die Lage überblickte, um zu sehen, wer noch laufen konnte, wer fehlte und wo derjenige sein mochte.
Die Romulaner schienen sich ebenfalls organisieren zu können. Spock stützte Botschafter Chioma, der verletzt schien, und weitere Sicherheitsleute der Enterprise halfen ihm. Doch sie hatten keine Zeit, innezuhalten, denn geradezu systematisch zerstörten weitere Phaserstrahlen die angrenzenden Gebäude. Es schien so, als wollte man die ganze Kolonie dem Erdboden gleichmachen. Die Frage nach dem Warum musste auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. A´kebur lief dem Botschafter und Spock entgegen und nahm eine Gesandte an seine Seite, die schwer humpelte und deren Augen von Schock kündeten. A´kebur sah die schwere Wunde an der Hüfte. Kurzerhand nahm er sie auf und lief nach einem knappen Befehl, jeden mitzunehmen, der es nicht selbst schaffte, selbst in den Wald.
Immer wieder bebte die Erde von den schweren Einschlägen der Waffen und Brandgeruch erfüllte die Luft. Doch alle zwangen sich, nicht zurückzublicken, sondern sich ihren Weg vorwärts zu suchen in Sicherheit. Ob sie wirklich sicher sein würden, stand auf einem anderen Blatt. Auf dem Boden waren sie verloren, wenn sie stehen blieben. Soviel stand fest. A´kebur sah immer wieder, ob seine Leute zusammengeblieben war. "Wo ist Tanner?", rief er, als er einen der Sicherheitsmänner vermisste.
"Er ist zurückgeblieben in der Hoffnung, noch jemanden da rausholen zu können, Sir. Ich konnte ihn nicht mit Gewalt mitzerren", entschuldigte sich Ch'Grawbil. Der Rigelianer hatte je einen bewusstlosen Verletzten über der Schulter liegen und beim besten Willen keine Hand mehr frei. "Wir sollten möglichst viel Abstand zwischen uns und die Kolonie bringen, Sir. Ich glaube nicht, dass die Enterprise uns so schnell helfen kann." Selbst wenn sie noch existiert, war der unausgesprochene Zusatz.
A´kebur nickte. "Gut, wir werden einen gut zu verteidigenden Platz suchen, dann werde ich noch einmal zurücklaufen, um nach Verletzten und Verschütteten zu suchen", teilte er mit.
"Bei allem Respekt, Sir, aber Ihre Sicherheit ist das Wichtigste", knurrte Ch'Grawbil. "Sie gehen nirgendwo alleine hin!"
"Ich stimme dem Lieutenant zu", meldete sich auch Spock zu Wort. "Noch wissen wir nichts über diese Angreifer und wir können es uns nicht leisten, Sie zu verlieren."
"Besser, wir verlieren die Botschafter nicht", wandte A´kebur ein. "Aber ich weiß Ihre Besorgnis zu schätzen. Sie können mich begleiten, Mr. Spock, Sie, Lieutenant werden unsere neue Basis verteidigen und versuchen, das Schiff zu kontaktieren oder irgendein Schiff, das zu uns gehört."
"Ich komme auch mit", erklärte Tiaren. "Ich will wissen, womit wir es zu tun haben. Romulanische Disruptoren sehen anders aus und Starfleet-Phaser auch."
"Und die fremden Schiffe waren noch 10 Minuten außerhalb der Phaserreichweiten. Es waren definitiv fremde Schiffe und unbekannte Technik." A´kebur drehte sich. "Ich glaube, die Enterprise hatte hier eine Felsenformation gescannt, die sie nicht durchdringen konnte. Wir werden da Unterschlupf suchen."
Es wurde kein Protest erhoben. Es war nicht allzu weit; wegen der Verletzten sie kamen wegen nur langsam voran. Aber schließlich erreichten sie die Felsen, in denen sich einige natürliche Höhlen befanden. Ch'Grawbil scannte das Gestein. "Natürliche Duranium-Vorkommen. Uns bekannte Scanner dringen dort nicht durch." Was die Fremden betraf, so konnte man nur hoffen. Fürs Erste schien der Ort gut geeignet; der Boden war sandig und weich, und im hinteren Teil floss frisches Wasser. Spock half Ch'Grawbil, sich um die Verletzten zu kümmern und überraschenderweise ging ihnen auch Tiaren zur Hand. In seiner Ausbildung hatte dieser gelernt, mit möglichst simplen Mitteln eigene Verletzungen zu versorgen.
A´kebur prüfte, wer alles da war. Von den Romulanern war nur einer hier. Abgesehen von Tiaren. Sie hatten sich, so erinnerte er sich, auf die andere Seite des Konferenzraumes und dann der Kolonie geschlagen. Wo die übrigen waren, war im Moment nicht feststellbar. Der Romulaner, ein einfacher Soldat, fühlte sich sichtlich unwohl. "Kümmern Sie sich um die Verletzten", wies ihn A´kebur an, als wäre er einer seiner Männer. Das Unbehagen würde gehen, wenn der Mann beschäftigt war. "Helfen Sie!" Der Romulaner nickte, warf einen noch unbehaglich anmutenden Blick zu Tiaren und machte sich dann ans Werk. A´kebur griff erneut zum Kommunikator, um Justierungen daran vorzunehmen. Weiterhin drang nur Rauschen aus dem Äther. Irgendetwas störte den Funkverkehr, soviel war sicher. Das zu umgehen würde ohne entsprechende Hilfsmittel schwer sein, aber vielleicht ließ sich unter Zuhilfenahme des Tricorders etwas machen.
"Mr. Spock", rief er nach dem ehemaligen vulkanischen Botschafter, der gerade einen anderem Vulkanier in die Heiltrance verholfen hatte. "Sind Sie hier entbehrlich?"
"Ja, Captain. Niemand ist lebensbedrohlich verletzt und Lieutenant Ch'Grawbil hat ausgezeichnete medizinische Kenntnisse für einen Sicherheitsoffizier. Mr. Tiaren übrigens auch." Spock bewertete seine eigene Aussage nur mit einem leichten Hochziehen der Augenbraue. "Der Botschafter ist allerdings psychisch sehr mitgenommen."
A´kebur trat näher, um seine Stimme senken zu können. "Vorschläge?", fragte er. Seine medizinischen Kenntnisse reichten kaum über die eines dilettantischen Sanitäters hinaus, wenn er auch über pflegerische Erfahrungen verfügte.
"Ich habe noch nicht genug Informationen, um die Lage einschätzen zu können, Captain", gab Spock zurück. "Ein Trost zumindest ist die Tatsache, dass die Romulaner genauso überrascht waren wie wir."
"Gut. Dann werden wir sehen, wen wir noch rausholen müssen und können. Vielleicht finden wir auch heraus, warum wir angegriffen wurden. Mr. Spock…?" A´kebur machte eine einladende Geste.
Der Botschafter nickte.
Tiaren trat ebenfalls zu ihnen und sein Gesichtsausdruck verriet, dass er sich garantiert nicht abwimmeln ließ. Doch ehe er etwas sagen konnte, fühlte er, wie A´kebur nach seinem Geist griff und er taumelte. Etwas verblüfft fing ihn jemand auf. Spock bedachte A´kebur mit einem fragenden Blick. "Es reicht, wenn er in meinem Kopf ist", brummte dieser jedoch nur und verließ die Höhle mit dem festen Wissen, dass Spock ihm folgen würde.
"So können Sie das Problem auf Dauer nicht lösen, Captain", meinte der Botschafter, als er zu A´kebur aufgeholt hatte.
"Ja, ich weiß. Aber ich weiß nicht, ob ich ihn lieben oder hassen soll und für einen Disput ist es im Moment die falsche Zeit. Ich kann ihn in meiner Nähe nicht gebrauchen. Er lenkt ab." A´kebur blieb stehen und musterte Spock. "Ich kann mit Menschen umgehen. Auch mit Klingonen. Ab und an sogar mit Vulkaniern. Aber nicht mit einem liebestollen Romulaner. Und dieser Romulaner liebt mich. Ich weiß es, er nicht."
Zuckten da tatsächlich Spocks Mundwinkel? "Romulaner sind nicht so schwer zu verstehen, wie Sie denken", meinte er. "Sie sind stolz wie die Klingonen, können analytisch sein wie wir Vulkanier und ebenso irrational wie Menschen. In der Tat sind sie Menschen, wie es sie in antiken Kulturen der Erde gab, in vielerlei Hinsicht sogar sehr ähnlich. Sie werden damit umgehen können. Und was die ungelösten Emotionen zwischen Ihnen beiden betrifft: Ich wage zu behaupten, dass Sie Mr. Tiaren in dieser Situation nicht aus dem Weg gehen können. Davon abgesehen ist Ihre Körpertemperatur wieder um 0,43 Grad gestiegen innerhalb der letzten halben Stunde."
"Danke für diese umfassende Auskunft. Ich kann Tiaren nicht gebrauchen, wenn wir mitten im Kriegsgebiet sind. Wir sind wieder zurück, wenn ich meine halbtägliche Dosis Sex benötige." A´kebur wandte sich ab und verfiel nach nur drei Schritten in einen Lauf, der an die Schrittfolgen erinnerte, die Vulkanier in den Bergen machten, um Energie zu sparen und Luft.
Spock folgte ihm mühelos und nach kurzer Zeit waren sie wieder zurück in der Kolonie oder was davon übrig war. Das Bombardement war eingestellt worden. Kein Stein stand mehr auf dem anderen. Spock griff nach dem Tricorder, den er von einem der Offiziere geborgt hatte. "Captain, hier ist ein Störfeld aktiv", erklärte er, "Ich empfange kaum Werte."
"Was sagen Ihre Sinne?" A´kebur schaute unverwandt auf das Trümmerfeld, als wollte er es mit seinen Augen scannen.
"Ich halte es für unwahrscheinlich, dass noch jemand hier ist, der überlebt hat", meinte Spock und kniff die Augen zusammen. "Aber da die Möglichkeit besteht, sollten wir nachsehen."
"Wir müssen unsere Leute finden, wenn sie noch leben!", murmelte A´kebur. "Und wenn nicht, dann ihre Leichen." A´kebur hatte noch kurz zvor die Information überflogen, dass die Leute vom Handelskontor sich nach dem Asylgesuch Tiarens vorsichtshalber zurückgezogen hatten und im Abstand zum Planeten abwarteten. Ob sie in Gefahr waren, wusste niemand. Also blieb ihnen nur die Suche nach Vermissten und Verletzten – ob Romulaner oder andere Rassen, spielte im Moment nur eine geringe Rolle.
Es war mühsam vorwärts zu kmmen, weil viele der eingestürzten Gebäude ein Durchkommen schwer oder ganz unmöglich machten. Hier und da fanden sie die Leichen von Romulanern und Menschen. A´kebur rutschte einen Steinhaufen hinunter und kam damit am Ende des Trümmerfeldes an. Er spürte niemanden in der Nähe. "Offensichtlich hat sich niemand heruntergebeamt. Ich hoffe, die Flotte ist noch einigermaßen vorhanden und sie sind geflohen. Das hier sind Waffen, denen wir nichts entgegnen können. Flucht ist logisch."
"Wir können darüber nur spekulieren, aber im Augenblick ist unser eigenes Überleben die oberste Priorität", gab Spock zu bedenken. "Da der Planet ein angenehmes Klima, keine großen Raubtiere oder giftige Pflanzen hat, sind unsere Chancen gut, auch wenn es für längere Zeit sein sollte."
"Sofern unsere Besucher uns am Leben lassen", knurrte A´kebur, der gerade hart aufkam. Er lauschte sofort. Aber außer der Fauna dieses Planeten und dem Rauschen der Bäume im Wind konnte er nicht sehr viel hören. "Hier ist keiner mehr. Wir werden wohl zurück müssen und herausfinden, wer uns angegriffen hat und wie wir die Föderation erreichen können."
Spock nickte und verkniff sich die Bemerkung, dass er nicht wusste, wie sie das anstellen sollten. Er selbst hatte schon unzählige brenzlige Situationen gemeistert und war ihnen immer mit viel Glück, guter Planung und einem hervorragenden Captain entkommen. Letzteres hatte er auch diesmal an der Seite. Aber ob das Glück sie im Stich ließ oder nicht, war die andere Frage.
Diesen Faktor Glück hatte er irgendwann in seine Berechnungen eingefügt, weil das ihm zu oft an Seite der Menschen passiert war. Dinge, die sich jeder Wahrscheinlichkeit entzogen. Er folgte Captain A´kebur auf dem Fuße. Er spürte, dass dessen Blut wieder in Wallung geriet. Die Nähe seines Bindungspartners konnte das Verlangen dämpfen, wie es mit ihm aber auch noch schneller wachsen konnte. Es hing von einigen anderen Umständen ab. Die Aufregung und das Adrenalin sorgten für einen schnelleren Zusammenbruch der psychischen Kontrollen, da es sein eigener Körper war, gegen den A´kebur arbeitete. Jede Aufregung war auch immer mit Erregung verbunden. Ein uralter Bund von Gefahr und Erregung, der das Verlangen nach Nähe und Fortpflanzung anheizte. Spock kannte all diese Mechanismen nur zu gut und er beschloss, ein Auge auf den Captain zu haben, damit dieser bei klarem Verstand blieb. Wenn dem nicht so war, musste er selbst das Kommando übernehmen. Im Augenblick konnten sie sich Ausfälle nicht leisten.
Sie brauchten einige Zeit, ehe sie das Trümmerfeld umrundet und wieder auf dem Weg zurück waren. Sie nahmen immer wieder Umwege. Doch es verfolgte sie niemand und sie trafen auch niemanden an. Es schien, als wären sie allein auf diesem Planeten.
Sie wurden mit fragenden Blicken empfangen, als sie wieder an ihrem Zufluchtsort ankamen, doch diese veränderten sich, als sie an der Haltung der beiden erkannten, dass sie keine guten Nachrichten mitbrachten. A´kebur stellte sich in die Mitte der Gestrandeten und sah einen nach dem anderen an. "Das Zentrum ist vollkommen zerstört. Es gibt kein Gebäude mehr, das noch zugänglich wäre. Unter den Trümmern sind die Leichen von Romulanern und Menschen. Wir können Sie im Moment nicht bergen. Zudem wissen wir nicht, ob wir beobachtet werden. Alles, das gesamte Gebiet ist von einem Störfeld umgeben. Wir haben keinen Kontakt zu auch nur einem der Schiffe. Die Umgebung kann nicht gescannt werden. Wir haben niemand gefunden, der noch lebte. Wir wissen nicht, wo die anderen sind. Ihre Spuren verlieren sich auf einmal. Ob sie ausgewischt wurden oder sie jemand gebeamt hat, konnten wir nicht feststellen."
"Dann bleiben wir hier und sehen zunächst zu, dass wir alle wieder einsatzfähig sind", erklärte Ch'Grawbil, praktisch wie immer. Der Rigelianer wirkte so, als strande er zweimal täglich ohne jegliche Hilfsmittel auf einem unbewohnten Planeten. "Der Romulaner ist übrigens weg, Sir. Ich wollte ihn nicht mit Gewalt aufhalten. Und Mr. Tiaren ist noch nicht wieder aufgewacht."
A´kebur verzog kurz die Mundwinkel. Dann nickte er. "Ich hoffe, wir sehen ihn lebendig wieder. Dann wissen wir auch, ob die anderen noch leben. Wie ist ansonsten der Status, Mr. Ch'Grawbil?"
"Botschafter Chioma ist eingeschlafen, sein Zustand ist stabil. Alle anderen sind versorgt, nur ohne entsprechende Ausrüstung besteht immer noch die Gefahr von Entzündungen. Wir haben bereits einige essbare Früchte und Pilze gesammelt", berichtete der Rigelianer.
A´kebur nickte. Er gab den Mittelpunkt auf und ging zu ihm. "Danke. Hervorragende Arbeit. Ich würde sagen, wir ruhen erst einmal. Ich werde als Erstes wachen."
"Sir, ich habe mir erlaubt, Alarmsensoren am Eingang der Höhle zu postieren. Ich trage diese Geräte immer für den Notfall bei mir", meinte Ch'Grawbil. "Davon abgesehen habe ich einen leichten Schlaf. Sie können sich ausruhen, Sir."
A´kebur zögerte einen Moment, dann stimmte er zu. "In Ordnung. Tun Sie das." Von einem Augenblick zum anderen jeglicher Aktivität enthoben, fühlte A´kebur sich unwirklich und irgendwie weit entfernt von allem. Er blinzelte verwirrt. Ihm war warm und seltsam zumute. Die Hitze kam nicht von außen; die Luft war angenehm mild, ein Feuer war noch nicht nötig.
Spock musterte A´kebur mit einem Seitenblick und deutete dann mit einem leichten Nicken weiter ins Innere der Höhle. Einige Gänge verzweigten hier und schufen kleine Räume, die dank winziger Leuchtfackeln erhellt waren. Ch'Grawbil schien für alles vorbereitet gewesen zu sein. Die Verletzten hatten es auf provisorischen Matten aus weichen Gräsern erstaunlich bequem.
A´kebur schaute in ein, zwei der Kammern hinein, aber er hatte kein Verständnis mehr dafür, was er sah. Wie ein Leuchtfeuer war der Vulkanier für ihn und ihm folgte er. Stumm verfluchte er seine Schwäche. "Ich glaube, ich werde ein wenig ruhen", murmelte er.
"Das ist eine vernünftige Entscheidung, Captain. Wenn Sie etwas brauchen, ich werde es mitbekommen", erwiderte Spock leise. "Sobald eine Veränderung eintritt, werde ich Sie informieren."
A´kebur nickte dankbar. Suchend sah er sich um. Dann folgte er einfach einer Eingebung und ging in einen Nebeneingang, der gleichermaßen von einer Fackel erhellt war. Spock blieb stehen, wartete für einen Moment, dann ging er den Weg wieder zurück. A´kebur fand Tiaren bewusstlos vor, er legte sich zu ihm und versuchte das unwirkliche Gefühl abzustreifen. Jetzt erst erkannte er Symptome von Schock. Eigentlich unmöglich beschied er sich. Das war etwas, in das er ausgebildet worden war. Auch wenn es schon Jahre zurücklag. Trotzdem fühlte er sich seltsam leicht, fast neben sich und die Wärme war einer Eiseskälte gewichen.
"Nggghh…" Tiaren blinzelte und rieb sich die Schläfe, dann sah er sich etwas desorientiert um. Als sein Blick schließlich auf A´kebur neben ihm zum Ruhen kam, runzelte er die Stirn. "Du denkst also, du kannst mich einfach außer Gefecht setzen, wenn es dir passt, ja?"
Dieser sah ihn aus müden Augen an. "Ich hätte es nicht mit dir gekonnt", flüsterte A´kebur.
"Ach, vergiss es", knurrte Tiaren. "Ich hoffe nur, das kommt nicht wieder vor." Er musterte A´kebur. "Dir geht es nicht gut", stellte er fest.
"Nein, aber ich fürchte, ich werde es überleben", erwiderte A´kebur mit einem Anflug von schwarzen Humor und einem schiefen Grinsen.
"Das fürchte ich auch. Du stehst unter Schock", stellte Tiaren ganz richtig fest. "Davor ist niemand gefeit." Er griff nach A´keburs Händen und rieb sie fest zwischen seinen eigenen, um sie zu wärmen. Er sah, wie sich diese blauen Augen schlossen. Augen, die kein Vulkanier haben sollte. Selten wie Edelsteine waren sie auch bei den Romulanern.
Tiaren wusste, dass A´kebur sie dennoch von seiner vulkanischen Seite hatte. Dieser Mann war in mehr als nur in einer Hinsicht anders als andere. Und dieser Mann begab sich in diesem Moment sogar in seine Hände. Aber Tiaren war kein Agent des Imperiums mehr und es brachte ihm keinen Vorteil, den Captain anzugreifen. Vorerst waren sie aufeinander angewiesen. "Übrigens, wenn du nicht willst, dass ich dir folge, schlag mich lieber bewusstlos, als in meine Gedanken zu greifen", meinte Tiaren leise. "Das macht nicht soviel Kopfdröhnen."
"Entschuldige, es hätte merkwürdig vor einem deiner Männer ausgesehen. Er ist im Übrigen geflohen. Du bist hier allein unter Föderationsleuten." A´kebur seufzte, als seine Hände wieder so etwas wie Leben aufwiesen. Aber fror dennoch weiter.
"Das war zu erwarten. Kein Romulaner lässt sich gefangen nehmen", gab Tiaren zurück. "Wenn ich das Gefühl hätte, ich wäre eingesperrt, würde ich auch gehen."
"Ich hatte ihn helfen geschickt. Wenn er gefangen gewesen wäre, hätte man ihn aufgehalten." A´kebur rutschte näher und öffnete die Augen.
"Wir lernen es nicht anders. Aber wenn er die Botschafterin erreicht, wird diese unter Garantie sehr erfreut sein, dass ich noch lebe. Dann kann sie mich noch persönlich umbringen." Der Romulaner verzog leicht den Mundwinkel.
"Sie vergisst, dass ich das Vorrecht habe. Ich glaube, ich muss wohl ganz archaisch darauf aufmerksam machen. Und jetzt tu deine Pflicht. Ich friere", brummte A´kebur.
Tiaren griff nach A´keburs Uniformverschlüssen, doch unvermittelt drückte er den Klingonen unsanft zurück auf den Boden. "Ich bin nicht dein Sklave, verstanden? Wenn du etwas willst, dann komm und hol es dir." In seinen hellbraunen Augen blitzten Ärger und unterdrückte Lust gleichermaßen. Aber Tiaren sah nicht ein, sich derartig befehlen zu lassen. A´kebur hustete und lachte gleichermaßen. Doch schon hatte er sich einen Kinnhaken eingefangen, und Tiaren drückte ihm mit seinem Knie warnend in die Magengrube. "Und ich fing schon an, mir Sorgen um dich zu machen, Captain. Ich lasse offenbar nach."
A´kebur stöhnte, wehrte sich aber nicht sonderlich. Nur aus dem Augenwinkel konnte Tiaren sehen, dass die Hand des Captains zitterte. Er blieb für Sekunden stillsitzen. Es war im ganzen Körpern des Mannes. A´kebur grinste jedoch noch immer. "Die Götter mögen bewahren, dass sich ein Romulaner Sorgen um einen Mann der Föderation macht, der dazu noch nicht einmal die Reinheit des Blutes bewahren kann und ein Mischling der schlimmsten Feinde des Imperiums darstellt. Du hast alles getan, um mir näher zu sein als jedem anderen Wesen in diesem Universum. Selbst deine Mutter ist Lichtjahre von dir entfernt, wenn sie neben dir das Büffet vernichtet."
"Ich weiß! Aber denkst du, das war meine Entscheidung? Mir fällt es nicht ein, herumzujammern, aber nur, weil wir verbunden sind, heißt dass nicht, dass ich für dich jetzt die verdammte Ehefrau spiele. Das hat ja nicht mal dein Mensch gemacht!"
A´kebur blinzelte ihn überrascht an. "Woher weißt du das? Du hast ihn nie kennengelernt."
Tiaren stutzte. "Ich… keine Ahnung, woher ich das weiß. Aber es stimmt ja offensichtlich." Er wusste wirklich nicht, warum ihm diese Tatsache plötzlich ins Bewusstsein gekommen war. Sein Vater hatte ihn nur mit ganz speziellen Informationen über Etienne Duval versorgt und ansonsten nur klare Anweisungen gegeben, dies oder jenes zu tun. Er hatte nicht einmal ein Bild dieses Menschen bei seiner Ausbildung zu sehen bekommen. Erst als er in Föderationsgebiet gewesen war, hatte er ihn auf einem seiner wissenschaftlichen Arbeiten gesehen, die er Jahre vor seinem Tod geschrieben und veröffentlicht hatte. Doch das war kein Ersatz für privates Wissen.
"Etienne und ich waren uns nicht von Anfang an einig", begann A´kebur zu erzählen, als Tiaren weiterhin schwieg. "Wir haben recht oft Gefechte austragen müssen. Aber jedes Gefecht war es wert." Er verzog das Gesicht. "Kann sein, dass du es aus meinen Gedanken hast. Manchmal bekommt man mehr mit, als man bewusst wahrnimmt."
"Ja, vermutlich." Tiaren entließ A´kebur aus seinem unsanften Griff, doch seine Hände bleiben auf dessen Brust ruhen. "Er muss ein außergewöhnlicher Mensch gewesen sein, dass mein Vater bis heute so von ihm besessen ist."
"Etienne hat ihn bis aufs Blut gereizt. Er hat es gewagt, ihm ins Gesicht zu spucken. Bildlich gesprochen. Dabei war er nur ein Mensch und dann auch noch nur ein Handlanger, der für ihn Artefakte stehlen sollte. Etienne war Pirat und Schmuggler."
"Und du hast ihn geliebt. Nein, du tust es immer noch." In Tiarens Stimme lag keine Wertung. "Ich an deiner Stelle hätte jemanden wie mich vermutlich auf der Stelle umgebracht, der als billige Kopie daherkommt."
"Kopie?" A´kebur schüttelte den Kopf. "Ah, du meinst den Duft. Ich habe mich daran gewöhnt. Ansonsten kann ich nicht sagen, dass ihr euch ähnelt. Gar nicht."
"Ist das nun gut oder schlecht? Oder will ich es nicht wissen?"
"Woher soll ich das wissen? Aber da, wo du gerade sitzt, wärmst du auch. Es könnte jedoch mehr sein. Mir ist kalt."
Diesmal schmunzelte Tiaren. "Immer noch?" Er ließ kurzerhand seine Hände unter A´keburs Uniformoberteil wandern, streichelte dort über die wirklich zu kühle Haut und attackierte dann den Verschluss der Hose.
A´kebur zog ihn ganz auf sich. "Mehr so", flüsterte er. "Ich brauche deine Nähe, weil ich sonst glaube, dass ich sterbe."
"Du kommst noch früh genug ins Vorta’Vor", murmelte Tiaren. "Aber nicht meinetwegen, wenn ich es verhindern kann." Er beugte sich vor und küsste den Klingonenmischling hart. A´kebur zitterte wirklich, und seine Temperatur war deutlich unter normal. Spätestens als A´kebur Tiaren umarmte, merkte er das. Dennoch erwiderte der Mischling seinen Kuss, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern. Tiaren wusste nicht, ob Sex wirklich so eine gute Idee war, um einen Schock zu bekämpfen, aber immerhin war er so dicht genug an A´kebur, um diesen zu wärmen. Mit ein paar Handgriffen und einigen leisen romulanischen Flüchen darüber, dass Starfleet-Uniformen so unpraktische Verschlüsse hatten, räumte er die störende Kleidung zwischen ihnen aus dem Weg. Dann machte er es sich wieder der Länge nach auf A´kebur bequem und küsste ihn erneut.
Die Antwort war eher die eines Mannes, der verzweifelt war.
Tiaren schwor sich, nie wieder auf Äußerungen von A´kebur einzugehen, wenn dieser ihn offensichtlich ablenkte, welche Gründe er dazu auch immer hatte. Für eine zeitlang waren sie nur damit beschäftigt, sich zu berühren, Wärme und Nähe zu schenken, und doch dauerte es etwas, ehe A´keburs Temperatur sich wieder der von Tiaren anglich. "Danke", murmelte dieser zwischen zwei Küssen.
"Man braucht dich schließlich noch, Captain", wisperte Tiaren, dem inzwischen mehr als nur warm war. Aber er war hier schließlich derjenige mit Selbstdisziplin.
A´kebur strich ihm über Rücken und Hintern, knetete immer wieder grob und seufzte untypisch während der Küsse. "Egal", brummte er aber dennoch irgendwann. Es war ganz offensichtlich so, dass wirklich nur er, Tiaren, noch seinen Verstand hatte.
Nach wie vor wütete die Droge in A´kebur, Todesgefahren hin oder her. Und Tiaren war inzwischen auch genügend angeheizt, teils durch die Nähe, teils durch das Band zwischen ihnen, das immer noch Empfindungen hindurchließ. Darauf bedacht, den Captain besser nicht zu sehr zu fordern, ließ Tiaren sich auf dessen Erregung sinken. A´kebur schloss die Augen und kam ihm entgegen. Dieses Mal war ihre Begegnung nicht allzu lange. A´kebur war deutlich schwächer und langsamer als sonst und Tiaren bezweifelte, ob er überhaupt Sex gebraucht hatte. Doch dafür strahlte A´kebur endlich wieder Wärme aus und seine Haut war besser durchblutet. Die Blässe, die ihm vorher kaum aufgefallen war, hatte sich verflüchtigt.
Tiaren beugte sich erneut hinunter und küsste ihn. Es war eine seltsame Sanftheit in ihrer Begegnung, die sie sonst beide nicht kannten. Als ginge es diesmal wirklich nur um Nähe und nicht um Macht, Lust oder Gier. A´kebur blinzelte und sah ihn endlich an. Erleichterung durchflutete Tiaren. Langsam begann er sich wirklich Sorgen zu machen. Irgendwie hatte er das sichere Wissen, dass sich dieser Mann normalerweise schneller erholte.
A´kebur lächelte und wirkte dabei fast melancholisch. "Merkwürdiger Romulaner", murmelte er, schlang seine Arme um ihn und zog ihn zu sich an die Seite.
"Selber merkwürdig", knurrte Tiaren, doch es klang nicht wirklich feindselig. Er hätte jedem, der je behauptet hätte, er würde gerne kuscheln, augenblicklich die Haut abgezogen, aber das hier war angenehm. Zudem, er hatte eine perfekte Ausrede und ganz sicher würden sie erst gestört, wenn die Welt unterging. A´kebur zog die Augenbrauen zusammen. "Ich könnte darauf verzichten. Ich will mein Schiff zurück."
"Wenn es noch existiert", gab Tiaren zurück. "Und hör auf, in meinen Kopf zu schauen."
"Das war laut", beschwerte sich A´kebur. "Im Moment fühle ich mich nicht wirklich kampffähig. Das macht mir Sorgen. Ich brauche meinen Kopf und meinen Körper. Und zwar schnell."
Tiaren sah ihn an. "Die Droge sollte dich in der Hinsicht eigentlich nicht beeinträchtigen."
"Ich hasse es sagen zu müssen, aber ich fühle mich krank. Was die Droge auch immer machen sollte. Sie leistet wohl ganze Arbeit."
"Dein Schiffsarzt hat nichts festgestellt. Ich denke, das hat eine andere Ursache", gab Tiaren zurück. "Aber da ich daran die Schuld trage, sollte ich zusehen, dass ich dir irgendwie helfen kann."
"Gib mir zwei Minuten", bat A´kebur. "Auch, wenn ich behaupte, dass ich dich nicht brauche. Ich bin der Captain. Ich brauche eine Crew." Er lachte leise, als hätte er einen Witz gemacht.
Doch der Romulaner zog nur eine Augenbraue hoch. "Schlaf!", knurrte er. Er merkte schnell, dass es das eigentlich gar nicht mehr gebraucht hätte. A´kebur schlief ein und würde wohl auch nicht von dem prophezeiten Weltuntergang geweckt werden. Wie lang hatte A´kebur die letzten Nächte geschlafen?
Vulkanier und Romulaner konnten sehr lang ohne Verlust ihrer Fähigkeiten wach sein. Aber im Zusammenhang mit dem künstlichen Blutfieber und den äußeren Umständen stand es um die Widerstandskraft des Captains wirklich nicht mehr weit. Der Zeitpunkt dafür war leider schlecht gewählt. Nur daran ließ sich nichts ändern. Tiaren, der ebenfalls etwas erschöpft war, blieb noch eine Weile wach, um sich zu vergewissern, dass alle in Ordnung war, dann schloss auch er die Augen. Er war es nicht gewöhnt, neben jemandem einzuschlafen, aber es fiel ihm leichter, als er dachte.
[1] Jenseits
Ihr Schlaf war nur von kurzer Dauer. Zumindest hatte A´kebur das Gefühl. Er erwachte jedoch für die Verhältnisse gut erholt. Tiaren hatte sich an ihn geschmiegt und wärmte ihn. Der Schock schien sich verflüchtigt zu haben. Im Nachhinein konnte er noch weniger nachvollziehen, warum er nicht weiter hatte reagieren können. Zwar endete irgendwann jeder Adrenalinschub. A´kebur seufzte stumm. Nach dieser Mission würde man ihm einen Planeten suchen, den er allein belebte, dessen war er sich sicher.
Tiaren blinzelte; er hatte einen sehr leichten Schlaf. "Dir geht's besser", stellte er fest.
A´kebur hob eine Augenbraue. "Dir auch", brummte er. "Du hast ausgezeichnete Arbeit geleistet."
"Ah ja, dann bin ich ja beruhigt." Der Romulaner fand das nicht sonderlich witzig. "Du könntest ja auch wieder die Barriere zwischen uns hochziehen, dann muss ich deine Schwächeanfälle nicht immer mitmachen."
"Zieh selber welche hoch!" A´kebur wich abrupt zurück und setzte sich auf. Tiaren spürte von einem Moment zum anderen, wie A´kebur nicht mehr bei ihm war. Selbst die feine Verbindung schien nicht mehr zu existieren.
Das war erleichternd und zugleich ein wenig beunruhigend, aber Tiaren hörte sich aufatmen. "Wenn ich wüsste wie, hätte ich es längst gemacht", brummte er.
A´kebur streifte ihn mit einem Seitenblick. "Romulaner sollte die Finger von Dingen lassen, von denen sie keine Ahnung haben", meinte er kalt.
Tiaren zuckte mit der Schulter. "Ich habe nicht darum gebeten."
"Ich auch nicht!", gab A´kebur genauso spitz zurück.
"Aber bei Vulkaniern ist es nicht so selten und ihr wisst, wie damit umzugehen ist." Tiaren erhob sich und suchte seine ziemlich ramponierte Galauniform zusammen. A´kebur sagte darauf nichts mehr. Er zog sich ebenfalls an und wurde ganz wieder der Captain seines Raumschiffes, wenn er auch im Moment alles dafür gegeben hätte, mehr Informationen zu haben, als er jetzt besaß. Ohne weiter auf Tiaren zu warten, verließ er das Separée und ging den Gang zurück zur Haupthöhle. Einige seiner Leute, für die er die Verantwortung trug, sahen auf. Die, die nicht verletzt waren, widmeten sich ihrem technischen Equipment genauso wie ihren Waffen. A´kebur sah seinen Sicherheitschef an, der ihm grüßend zunickte. "Wie ist der Status?", fragte er ihn.
"Unveränderter Status, Captain", gab Ch'Grawbil zurück. "Nach wie vor kein Kontakt zur Enterprise."
A´kebur unterdrückte einen Fluch. "In Ordnung", murmelte er. "Ich werde mit zwei Männern in die Richtung gehen, wohin die Romulaner gegangen sind. Wir müssen herausfinden, wohin es sie verschlagen hat. Vielleicht haben Sie Kontakt zu ihren Schiffen."
Der Rigelianer nickte. "Ich werde mit Ihnen kommen, Sir", erklärte er, und sein Gesichtsausdruck ließ kein Gegenargument zu. "Meinen Einschätzungen nach können die Romulaner nur südsüdöstlich der Kolonie sein; die anderen Richtungen sind karges Felsgebiet und der Fluss.
"Also keine Sicherung. Ich werde jetzt zu den Verletzten gehen. Sorgen Sie für unsere Ausrüstung!"
"Aye, Sir." Der Befehl war allerdings unnötig, da Ch'Grawbil bereits für alles gesorgt hatte. Aber es würde den Leuten guttun, wenn sie den Captain sahen. Das wusste A´kebur wohl auch. Ch'Grawbil sah, wie die Leute lächelten, obwohl sie Schmerzen hatten, wenn der Captain mit ihnen leise ein paar Worte wechselte. Sie alle schienen zuversichtlich, dass er sie wieder von hier wegbringen konnte und alles gut werden würde, auch wenn niemand wusste, wie. Ch'Grawbil wartete geduldig, bis A´kebur seine Runde beendet hatte, dann folgten er und ein weiterer Sicherheitsoffizier dem Captain aus der Höhle.
Die Sonne neigte sich dem Horizont zu. Es war nicht ungefährlich, sich in einen Dschungel zu begeben. Aber wilde Tiere und giftige Pflanzen gab es nicht, so dass sie allerhöchstens über eine Wurzel stolpern konnten und sich vielleicht den Fuß brachen. Dennoch, die Nacht war auch ihre Verbündete, verbarg sie sie vor den Romulanern.
Vor ihren Feinden im All weniger. Dass diese sich noch nicht hatten sehen lassen, konnte alles Mögliche bedeuten. A´kebur hoffte, dass sie aufgehalten wurden und nur technische Einschränkungen der Suchmannschaft ihrer eigenen Schiffe im Wege stand.
Eine ganze Weile kamen sie gut voran, suchten sich ihren Weg durch den Wald. Hin und wieder sah Ch'Grawbil auf seinen Tricorder, doch dann verließ er sich eher auf seine Sinne, denn noch immer wurden ihre Signale gestört. Schließlich tauchte zwischen den Bäumen ein Lichtschein auf.
A´kebur gab einen leisen Laut von sich und gab das Zeichen, dass sie sich verteilen sollten. Augenblicklich schwärmten sie im Halbkreis aus, A´kebur ging jedoch den direkten Weg gerade aus. Er machte mehrere Wachen aus, aber trotz ihrer Blindheit aufgrund des eigenen Feuers machten sie auf ihn keinen sehr wachsamen Eindruck. Er konnte sich jedoch auch täuschen, so dass er dafür sorgte, dass sie ihn nicht entdeckten.
Es waren recht wenig Romulaner und kein Kommandooffizier war zu sehen, schon gar nicht die Botschafterin. War diese nicht davongekommen oder versteckten sie sich woanders? A´kebur rechnete mit letzterem. Er zog sich wieder zurück. Ch'Grawbil gab ihm ein Zeichen, und vorsichtig schlichen sie wieder aufeinander zu. "Sie erwarten uns", wisperte der Rigelianer. "Wir können von hier aus nicht feststellen, wo die anderen von ihnen sind."
"Wir sollten nicht gemeinsam das Risiko eingehen. Ich werde zu ihnen gehen, Sie bleiben zurück. Ich will herausfinden, wie es bei ihnen steht. Aber wenn sie noch hier sind, ist es unwahrscheinlich, dass es ihren Schiffen besser geht oder sie Kontakt zu ihnen haben."
Ch'Grawbil nickte. "Seien Sie vorsichtig, Sir."
A´kebur trat aus den Schatten der Bäume und ging langsam auf die Romulaner zu. Diese hatten ihn nun auch endlich bemerkt und griffen nach ihren Waffen. "Stehenbleiben! Identifizieren Sie sich!", rief einer von ihnen auf Romulanisch. A´kebur trat näher, so dass das Licht auf ihn fiel. "Ich möchte zur Botschafterin", sagte er grußlos.
Einer der Romulaner ging los, um Bescheid zu geben, während die anderen A´kebur bewachten, Schließlich kam der eine zurück und sie bedeuteten A´kebur, ihnen zu folgen, aber nicht, bevor sie ihm den Phaser abgenommen hatten. Sie führten ihn weiter in den Wald hinein, bis sie an einem größeren Felsen stehenblieben, der eine Art Höhleneingang aufwies. Diese Höhle war offener als ihre eigene Zuflucht und A´kebur vermutete hier ebenso Duranium zur Abschirmung. Das konnte jedoch keiner von ihnen mehr feststellen. "Botschafterin", grüßte er höflich, als würden sie sich auf einem Bankett treffen. Sokala wirkte recht mitgenommen, bedachte man ihre sonst makellose Erscheinung, aber ihr Gesicht war kühl und arrogant wie immer. "Captain. Was verschafft uns die Ehre?", wollte sie wissen.
"Ich bin auf der Suche nach Ihnen gewesen und wollte Ihnen den Austausch von Informationen und Hilfe anbieten."
Sokala musterte ihn. "Ich höre."
"Sind Ihre Leute verletzt? Brauchen Sie Hilfe?"
"Nein, nichts Ernstes. Bei Ihnen?"
"Leichtere Verletzungen. Es gibt zahlreiche Tote in den Trümmern der Stadt. Wir haben keinen Kontakt zum Schiff." Bei dieser Auskunft zögerte A´kebur keine Sekunde. Er wusste, dass er früher oder später darüber sprechen musste. Sie hatten wahrscheinlich keine Zeit, sich gegenseitig im Wege zu stehen, statt einander zu helfen. Sokala nickte, nicht wirklich überrascht. "Wir auch nicht", erwiderte sie, "das Störfeld scheint durchgehend zu sein. Wir haben versucht, es irgendwie zu durchbrechen, aber es war bisher nicht möglich."
A´kebur nickte. Er schätzte diese Information. "Es scheint, dass es sich um einen unbekannten Angreifer handelt, der mit einer sehr starken Technologie die Enterprise zehn Minuten vor Erreichen der Standardphaserreichweite beschießen konnte", fügte er als weiteres Puzzleteil hinzu.
"Das ist keine Technologie, die uns bekannt wäre", stimmt Sokala zu. "Die Frage ist nur, warum man ohne Vorwarnung angriff. Das hier ist die Neutrale Zone."
"Für uns, Botschafterin. Ich vermute, dass es keine Partei ist, die uns bekannt ist."
"Aber diese Quadranten hier sind erforscht. Wenn, dann kommen sie von außerhalb. Und trotzdem hat sie niemand bemerkt, Ich schätze daher, dass sie eine Tarntechnologie haben."
A´kebur glaubte das weniger, meinte jedoch, dass das ein interessanter Gedanke sei. "Wir werden es herausfinden", erklärte er. "Wollen Sie und ihre Leute hier bleiben?"
"Es ist einigermaßen sicher hier", gab die Botschafterin, "aber in Anbetracht der Umstände scheint es mir vernünftig, dass wir zusammenarbeiten."
"Das würde ich auch vorschlagen. Wir müssen unsere Kräfte bündeln. Ich schlage vor, dass wir Wachen abstellen, die das Konferenzgebiet beobachten. Ich rechne damit, dass unsere Feinde hierherkommen werden, sollten sie sich sicher fühlen. Wenn das jedoch so ist, dann sind unsere Schiffe im All aufgebracht oder zerstört worden."
"Wir müssen auf alles gefasst sein", stimmte Botschafterin Sokala zu. "Gut, vorerst Frieden, Captain A´kebur. Mein Wort darauf."
A´kebur neigte respektvoll sein Haupt. "Brauchen Sie Hilfe bei den Verletzten? Wir haben noch medizinisches Material und einen Sanitäter", wiederholte er sein Angebot vom Anfang.
"Nein, danke. Wie sieht Ihre Bewaffnung aus?"
"Vorhanden aufgrund der vorherigen Situation. Wir haben Waffen aus den Trümmern sichern können. Es gibt sicher noch mehr."
"Wir haben auch einiges geborgen", erwiderte die Botschafterin, "aber ob es gegen die Angreifer reicht, wird sich zeigen." Sie zog eine Augenbraue hoch. "Ich nehme an, Tiaren ist noch am Leben."
"Natürlich. Auf ihn trifft dieser Waffenstillstand auch zu. Akzeptieren Sie das?" A´keburs Haltung hatte sich unmerklich geändert.
"Ja, vorerst. Wir brauchen jede Ressource, uns gegenseitig zu schwächen, wäre Selbstmord, solange wir unsere Feinde nicht kennen." In ihren Augen war keine Lüge zu sehen. "Aber erwarten Sie nicht, dass ich ihn weiterhin als Romulaner sehe. Wenn ich ihn nicht töte, können Sie ihn behalten."
"Ich nehme ihn gern als Geschenk an", meinte A´kebur mit einem süffisanten Ton.
"Dann habe ich ein Problem weniger." Sokalas Ton war nicht minder spöttisch. "Sehen Sie zu, dass er mir nicht unter die Augen kommt."
"Was sich in der nächsten Zeit nicht ändern lässt. Er gehört mir, daher bitte ich um Zurückhaltung. Sollten Sie das vergessen, werde ich Sie daran erinnern." A´kebur verneigte sich knapp und wandte sich um. Es war alles gesagt; wenn die Feinde auftauchten, würde man zusammenarbeiten und sich bis dahin aus dem Weg gehen. Ch'Grawbil, der abseits gewartet hatte, und während er seinen Phaser zurücksteckte, warf der den Romulanern noch einen abschätzigen Blick zu, dann folgte er seinem Captain "Ich trauen ihnen nicht, Sir", brummte er als sie außer Hörweite waren.
"Ich auch nicht. Aber weder sie noch wir haben eine Wahl."
"Leider." Unzufrieden stapfte der Rigelianer neben A´kebur her.
Schweigend gesellten sich die anderen zu ihnen, sicherten sie ab. A´kebur überlegte kurz und entschied, dem Trümmerfeld noch einen Besuch abzustatten. Sie folgten ihm. Aber es hatte sich nichts geändert. "Wenn sie nicht kommen und niemand hierherkommt, werden wir eine ganze Weile überleben müssen", murmelte A´kebur.
"Ich vermute, dass sie kommen", meinte Ch'Grawbil. "Allein um sicherzustellen, dass wir alle tot sind." Er sah sich um, die Hand stets an der Waffe.
"Wir werden Wachen aufstellen. Sie haben es gehört!" A´kebur sprach über seine Schulter und versuchte an der Haltung seines Sicherheitschefs zu erkennen, was dieser dachte.
"Natürlich. Ich denke, sie werden vorerst mit uns zusammenarbeiten, da sie in einer gleich schlechten Lage sind wie wir. Aber sobald es ihnen einen Vorteil verschafft, werden sie uns in den Rücken fallen."
"Dann müssen wir aufpassen. Zudem, wir haben einen Romulaner bei uns, der uns auf die Gepflogenheiten seiner Landsleute aufmerksam machen kann. Keiner kennt seine Mutter besser als der eigene Sohn." A´kebur grinste vergnügt. "Ein Vorteil!"
"Stimmt. Wenn er denn etwas verrät oder Sie etwas aus ihm herausbekommen, Sir."
A´kebur atmete tief durch. "Nicht so pessimistisch, Mr. Ch'Grawbil", meinte er.
"Ich bin nur realistisch, Sir. Auch Ihrem Romulaner traue ich nicht. Wie sollen wir ihn übrigens behandeln? Als Gast, Gefangenen oder", er hustete, "Ihren Privatbesitz?"
"Mr. Ch'Grawbil, was auch immer ich mit den Romulanern bezüglich Tiaren verhandle, er ist erst einmal unser Gast. Was sich später ergibt, werden wir sehen müssen. Aber wenn sie ihn mir schenkt, darf sie sich nicht an meinem Besitz vergreifen. Tiaren ist damit für sie tabu. Logisch, oder?"
Der Rigelianer grinste und offenbarte scharfe Zähne. "Ja, Sir. Wir werden auf Mr. Tiaren aufpassen."
"Ich bin froh, Sie auf unserer Seite stehen. Lassen Sie uns zurückgehen."
Das taten sie dann auch. Im Camp hatte sich nichts geändert, außer dass einige der Verletzten etwas besser aussahen. Tiaren hatte offenbar weiterhin geholfen, sich um sie zu kümmern. Er sah auf, als er Schritte hörte. "Und?"
"Wir haben einen Waffenstillstand erreicht. Das schließt jeden hier ein. Wir werden gegen den Angreifer vorgehen, sobald sich dieser blicken lässt. Vorher brauchen wir jedoch erst einmal Informationen über ihn. Wir werden Wachen entsenden. Die Romulaner ebenso." A´kebur sah sich um. Seine Leute hatten sich erholt, er konnte Wachen entsenden. Ch'Grawbil zog also mit einigen der unverletzten Sicherheitsleute los. Zuerst machten sie jedoch einige primitive Signale aus, um sich auch ohne Funkkontakt verständigen zu können. Da der Sicherheitschef einige Leuchtfackeln im Gepäck hatte, einigte man sich, diese zu benutzen. Es war zwar auch für jeden anderen sichtbar, aber es gab kaum eine andere Alternative.
A´kebur blieb mit dem Rest zurück. Er hatte vor, sich die nähere Umgebung der Felsen anzuschauen und für eine bessere Verteidigung zu sorgen. Auf dem ersten Blick war ihr Lager ideal. Aber sie würden diesen Unterschlupf keine fünf Minuten verteidigen können, sobald der Angreifer Phaser einsetzte. Sie brauchten eine andere Taktik. Das Beste war, sie wurden erst gar nicht gefunden. Wenn ihre Sensoren sie erfassten, dann war das jedoch unmöglich, sie daran zu hindern, dass sie einen nach dem anderen hochbeamten. Aber vielleicht halfen Fallen. Angesichts dessen, dass ihnen jegliche Informationen bezüglich der Anatomie ihrer Feinde fehlten, war der Effekt von Fallen eher zweifelhaft. Aber wiederum war es besser als gar nichts.
A´kebur entschied sich für Raubtierfallen, wie die Klingonen sie manchmal noch benutzten, um Targs zu fangen, nur in etwas größerer Variante. Tiaren folgte ihm ungefragt und sah sich die Versuche mit leicht spöttischer Miene an.
"Was hast du?", fragte A´kebur ohne aufzusehen.
"Oh, nichts. Ich frage mich nur, was das wird, wenn es fertig ist."
"Eine von mehreren Fallen. Interessiert?" A´kebur richtete sich auf. "Oder hast du eine bessere Idee?"
"Wir wissen zwar nicht, was wir darin fangen sollen, aber die Idee ist nicht schlecht." Tiaren trat näher und begutachtete die Sache. "Aber das muss besser getarnt werden, jeder Blinde sieht das sofort." Er griff nach Blättern und Ästen, um die Falle besser abzudecken.
"Ich war ja auch noch nicht fertig. Hast du an allem etwas auszusetzen? Wie konnte man ausgerechnet dich dazu überreden, dich an einen Captain der Föderation ranzumachen."
"Habe ich schon gesagt, dass ich nicht überredet wurde? Und was willst du hören? Liebster, ich bewundere deine Technik? Kannst du meinetwegen auch haben." Der Romulaner grinste.
A´kebur richtete sich auf und in seinen Augen funkelt etwas Unheilvolles. Im nächsten Moment flog Tiaren im hohen Bogen ins Unterholz. "Noch so etwas und du kannst deine Nahrung auf Suppe umstellen, Liebster", knurrte A´kebur. Doch er bekam nur ein Lachen als Antwort, als Tiaren sich wieder aufrappelte. "Denkst du, das macht mir Angst? Du magst es doch sicher, wenn dir jemand an den Ohren herumknabbert, oder?" Scheinbar arglos trat er auf A´kebur zu, um ihn dann in Richtung Falle zu schubsen. A´kebur konnte nicht anderes, als einen Schritt zurückzumachen, wobei er prompt in die Schlinge trat und kopfüber an einem Bein hochgezogen wurde. "Mir scheint, die Falle funktioniert", bemerkte Tiaren grinsend.
A´kebur biss die Zähne zusammen. Würdelos schwang er hin und her und konnte Tiaren nicht fassen. "Natürlich funktioniert sie. Aber wenn du soviel besser bist, warum bringst du deine überragende Qualität nicht ein?"
"Oh, das hatte ich gerade vor, Liebster. Willst du weiter da herumhängen oder soll ich dir helfen?"
"Hol mich runter!", befahl A´kebur. "Oder ich erwürge dich, wenn ich wieder unten bin."
Tiaren lachte noch lauter, aber dann erbarmte er sich und knüpfte die Liane los, an der A´kebur hin, um ihn langsam hinunter zu lassen. "Machen wir noch ein paar davon", erklärte er, während sich sein Lieblingsfeind wiederaufrichtete.
"Heißt das, du bist überzeugt?"
"Bin ich." Tiaren rollte das provisorische Seil auf, um eine neue Schlinge zu knüpfen. "Lernt ihr Klingonen das standardmäßig?"
A´kebur neigte sein Haupt. "Ja, auch Klingonen haben eine Ausbildung. Zudem habe ich eine vulkanische Ausbildung. Sehlats fangen ist auch sehr nett. Was lernen Romulaner?"
"Feinde foltern, Raumschiffe fliegen, politisches Kalkül und kochen", gab Tiaren mit ernster Miene zurück.
"Kochen?", fragte A´kebur. "Gut, soweit ich weiß, sind unsere Rationen sehr bescheiden. Vielleicht kannst du dem abhelfen. Schicke jemanden, der mir helfen kann mit den Fallen."
"Ich werde hier kein Fünf-Gänge-Menü kochen. Das spare ich mir für später", gab Tiaren zurück. "Und von Fallen verstehe ich auch genug. Davon abgesehen überlasse ich dich keinem im Augenblick, Captain."
A´kebur sah ihn verwirrt an. "Wie soll ich das verstehen? Ich unterstehe meines Wissens nicht deinem Schutz. Eher du meinem. Geh und schicke jemanden. Wenn ich angegriffen werde, dann rufe ich dich."
"Wer ist jetzt besorgt um wen? Ich bleibe."
A´kebur schüttelte nur den Kopf. "Dann schwing hier keine Reden", knurrte er.
"Aye, Sir." Tiaren zog A´kebur die nächste Liane aus der Hand, um mit sicherer Routinen einen Knoten zu machen. "Die nächste Falle sollte weiter da vorn sein."
"Ja, ich gehe hier entlang, du da!", meinte A´kebur und machte sich an die Arbeit.
Sie trennten sich für eine kurze Strecke, um weitere Fallen auszulegen und möglichst viel Gebiet abzudecken. Schließlich trafen sie sich an dem kleinen Fluss wieder, der das Ende des Waldstücks markierte. "Es ist immer noch ruhig", bemerkte Tiaren.
"Zu ruhig. Ich habe langsam den Verdacht, wir sind in ein Gebiet eingedrungen und jetzt, da wir außer Gefecht sind und wir nicht weiter als Feinde betrachtet werden, lassen sie uns hier zurück. Ich verstehe es nicht. Es ist unlogisch." A´kebur lauschte in die Nacht. "Aber das Kraftfeld besteht noch immer."
"Die Feinde müssen ja nicht in unserem Sinne logisch handeln. Und ich würde an ihrer Stelle eine Weile warten und dann Bodentruppen schicken", meinte Tiaren.
"Dann denken sie wie Romulaner." A´kebur kniete sich nieder und trank einen Schluck Wasser. Er merkte erst jetzt, dass er schon seit einiger Zeit Durst gehabt hatte. "Wir sollten Wasser in die Höhle bringen", meinte er. "Die Quelle ist für so viele Leute nicht ausreichend."
"Gute Idee." Tiaren zog seine Jacke aus, knotete die Ärmel zu und machte aus ihr einen provisorischen Wasserbeutel. Dank des synthetischen Materials drang nichts durch. Und so konnten sie sich leicht mit ihrer Beute zurück auf den Weg machen. Sie wurden erfreut empfangen. Dass der Romulaner dafür sogar seine Jacke verwendet hatte, brachte ihm bei einigen Hochachtung ein oder zumindest Anerkennung.
Im Lager hatte sich noch nichts getan, auch Ch'Grawbil hatte sich nicht gemeldet, was als gutes Zeichen gewertet wurde. Spock saß auf einem Felsen und meditierte, doch er sah auf, als A´kebur wiederkam.
"Spüren Sie, wenn sich jemand nähert?", fragte A´kebur ihn. Er wollte gerade etwas sagen, als der inzwischen abendlich dämmernde Himmel von einem weißen Signalfeuer erleuchtet wurde. Es war das Zeichen für die Ankunft der Feinde, wer immer sie waren.
Unten in der Ebene, wo die Kolonie gelegen hatte, flackerte Phaserfeuer auf. A´kebur kletterte augenblicklich zur höchsten Erhebung und versuchte Einzelheiten zu erkennen. "Die Romulaner werden angegriffen", erklärte er Spock, was er sah. "Das ist die Richtung, wo ihr Lager liegt. Die anderen Schüsse kommen vom Konferenzzentrum. Wir müssen hier weg."
Augenblicklich machten sich alle bereit aufzubrechen; dank der permanenten Alarmbereitschaft dauerte es nicht lange. "Wir sollten weiter nach Osten, parallel zur Ebene", meinte Spock.
A´kebur nickte. "Vorwärts", rief er. Die Stellung hier aufzugeben, war bedauerlich. Doch das schnell verstummte Phaserfeuer in beiden Richtungen ließ jeglichen Kampf zu ihren Gunsten als sinnlos erscheinen. Auf einmal hörten sie ein laut schnatternde und dann ein merkwürdig peitschendes Geräusch, es ließ sie kurz stehen bleiben. Aber A´kebur begriff: Die Fallen schnappten zu: "Los!", zischte er. "Keine Zeit verlieren!"
Sie stürmten los, so leise und schnell wie möglich, was Kompromisse an beiden Dingen forderte. Hinter ihnen vermeinte A´kebur bereits Schritte hören zu können. "Gib mir eine Waffe, verdammt!", knurrte ihn Tiaren leise an, der neben ihm war. A´kebur zog einen Ersatzphaser aus seinem Gürtel und reichte ihm diesem. "Vergiss nicht, wem du Loyalität schuldest", meinte er und eilte weiter.
Tiaren wäre zwar ein Disruptor lieber gewesen, aber ganz ohne Waffe hatte er sich nun doch nackt gefühlt. Der Dschungel wurde immer dichter, aber dafür schienen die Schritte hinter ihnen sich weiter zu entfernen.
Er sah, wie immer wieder der eine oder andere der Förderationsleute zurückblieb, um einem Verletzten weiterzuhelfen. Dieses Prinzip war nur begrenzt bei den Romulanern üblich. Es galt nicht für jeden und nicht für jede Situation. Doch die Leute der Föderation schienen das anders zu sehen. Auch A´kebur tat dies und der Vulkanier Spock berührte Menschen, deren Gedanken sicherlich nicht angenehm für ihn waren. Erst als das Gestrüpp beinahe undurchdringlich wurde, hielten sie inne. Tiaren sah sich um, dann deutete er nach oben. "Die Äste sind dicht genug beieinander, um sich ein Stockwerk höher weiterzubewegen", flüsterte er.
"Das schafft nicht jeder mehr!", murmelte A´kebur. "Aber du hast Recht."
"Dann ziehen wir sie hoch!" Tiaren winkte die Verletzten her, um ihnen auf die unteren Äste zu helfen. Sie brauchten nicht sehr lange, dann war niemand mehr auf dem Boden. Es ging schwerer vorwärts, aber im Gestrüpp unten war es gar nicht mehr möglich.
Vorsichtig tasteten sie sich vor und störten den einen oder andere Baumbewohner auf. Einige Tiere verrieten sie auch, aber ihre Verfolger hörten sie nicht mehr.
Zumal Tiaren, bevor er als Letzter hochkletterte, seinen Phaser in Richtung des Weges abfeuerte, damit es so wirkte, als hätten sie sich den Pfad freigeschossen und wären weitergelaufen. Gut drei Meter über dem Erdboden bahnten sie sich ihren Weg schräg in Richtung des Camps der Romulaner. Immer wieder lauschten sie, aber es war nichts zu hören. Dass ihre Feinde zu Fuß nach ihnen suchten, bedeutete auch, dass deren Scanner ebenfalls nicht einwandfrei funktionierten, solange ihr eigenes Störfeld aktiv war.
A´kebur rechnete zumindest mit einer erheblichen Einschränkung. Doch auf einmal funktionierten ihre Scanner wieder. Spock, der immer wieder probiert hatte, blieb auf einmal abrupt in einer Astgabel und sah auf die Werte. "Wir werden erfasst, Captain", murmelte er. Alle Flüchtlinge blieben stehen. "Sie haben uns!" Er sah auf und suchte A´keburs Blick. "Phaser bereithalten, aber deaktivieren. Es kann sein, dass wir transportiert werden." Kaum, dass er das gesagt hatte, blitzte ungewöhnlich grüner, aber eindeutig als Transporterenergie zu erkennende Lichtregen um sie herum auf. Tiaren reagierte blitzschnell und warf sich gegen A´kebur, so dass wo auch immer sie hingebeamt wurden, sie nicht getrennt waren. Er spürte noch, wie A´kebur einen Arm um ihn schlang. Irgendwoher wusste er, dass in der anderen ein Phaser war. Nicht aktiviert, um sie nicht von vornherein als Waffe identifizerbar zu machen. Als sie jedoch wieder materialisiert waren, sahen sie nichts.
Sie waren von Dunkelheit umgeben. A´kebur atmete hörbar ein und das Geräusch wurde von Wänden reflektiert. Die Luft war eindeutig aufbereitet, wenn auch frisch und für sie geeignet. Vorsichtig ließ Tiaren A´kebur los und streckte tastend seine Hand aus. Nach einigen Metern fand er eine glatte Metallwand, an der er sich entlang tastete, um die Größe des Raumes und eine mögliche Tür zu entdecken. Er fluchte leise auf Romulanisch.
"Eine Gefängniszelle, würde ich sagen", flüsterte A´kebur, der noch immer versuchte, allein mit seinen Augen einen Unterschied in der Dunkelheit auszumachen. Aber hier war wirklich kein Restlicht. Er ging auch vorwärts und orientierte sich an Tiaren. "Wir sind allein. Dein Plan hat offenbar funktioniert. Ob das aber uns zum Vorteil verhilft, wage ich erst einmal zu bezweifeln."
"Jedenfalls war mein Verdacht korrekt, dass man uns alle separat einsperrt", gab Tiaren zurück. "Ich bin gespannt, ob wir unsere Feinde überhaupt zu sehen bekommen. Aber da man uns nicht getötet hat, denke ich, die Chancen stehen gut."
A´kebur enthielt sich eines Kommentars. Er spürte einen Luftzug. "Wir sind nicht mehr allein", flüsterte er. Als er wieder etwas spürte, griff er zu, ohne etwas zu fassen. Tiaren jedoch hatte dasselbe Gefühl. Sie waren nicht mehr allein. "Sie sehen uns", meinte A´kebur lauter. Er hatte die Augen geschlossen, um ihre Besucher besser orten zu können. Es war trotzdem schwer. Was auch immer diese Wesen waren, sie lebten im Dunkel oder sie besaßen die technische Ausstattung im Dunkeln zu sehen. Und sie beobachteten, warteten ab. Dann hörten A´kebur und Tiaren einige Geräusche, die zischend und wispernd klangen, fast schlangenhaft. Er schlug danach, als es in seine Nähe kam. Augenblicklich wurde er in etwas gebannt, dass sich wie ein Kraftfeld anfühlte.
"Verdammt", fluchte er, während sein Brustkorb eingeschnürt wurde und er immer weniger Luft bekam. Der Phaser wurde ihm aus der Hand gerissen.
Die zischenden Geräusche wiederholten sich und Tiaren kam zur Ansicht, dass es eine Sprache sein musste. Wohlweislich bewegte er sich nicht. "Was wollen Sie von uns?", fragte er in Föderationsstandard, dann auf Romulanisch.
Wieder war nur Zischen zuhören. Es wurde plötzlich ein wenig heller. Nicht viel, doch nach der Nacht war es genug, um Einzelheiten zu erkennen. A´kebur kniete und versuchte sich von etwas Unsichtbarem zu befreien. Unweit von ihnen standen drei Fremde, deren Äußeres trotz des Zwielichtes sehr bunt wirkte. Etwas war über ihren Augen, was wie eine Brille aussah. Die Gestalten waren humanoid in ihrer Form, doch weitaus größer als Menschen oder gar Klingonen. Sie waren schlank und geschmeidig gebaut und offenbarten ihre körperlichen Reize durch äußerst spärliche, prächtig verzierte Bekleidung. Die Haut war hell, fast weiß, und die Haare schimmerten in schwer zu bestimmenden Farben. Auch die Gesichter, mit filigranen, unterschiedlichen Mustern tätowiert, konnte man nicht anders als schön bezeichnen; was sie als vollkommen unbekannte Rasse auswies, waren die wie durchsichtige Fledermausflügel gefächerten Ohren und die großen, pupillenlosen, blauen Augen, die unter den Brillen schimmerten. Dass sie das alles erkennen konnten, schien mit der besonderen Frequenz des Lichts zusammenzuhängen, denn alles, was hell war, reflektierte und setzte sich scharf vom dunkleren Untergrund ab.
Insgesamt waren es zwei Männer und eine Frau, die mit ihnen in diesem Raum waren; sie trug besonders prächtige Muster im Gesicht, und ihre langen Haare waren mit einer Metallfeder geschmückt. Die Frau trat nun vor und musterte A´kebur, dann erklärte sie erneut etwas in der zischenden Sprache.
A´kebur kniff die Augen zusammen. Dann neigte er sein Haupt, als lausche er etwas, was nur er hören konnte. "Wiederholen", sagte er knapp. Die Frau schien ihn zu verstehen. Sie sprach dieselbe Lautfolge noch einmal. A´kebur sah sie verwirrt an. Dann formte er mit seinem Kehlkopf, seinen Lippen und seinen Stimmbändern Worte, die er schon lange nicht mehr gesprochen hatte. Er wusste, dass er einen starken Akzent hatte, doch der Effekt war überraschend.
Die Frau wandte sich an einen der Männer, der wiederum A´kebur anstarrte. Er hatte eine Hand auf den Gürtel gelegt, in dem ein kurzer Stab steckte. Die Frau hob ihre Hand und er entspannte sich. Sie gab ein paar Zischlaute von sich, die wie Befehle wirkten. Dann kippte A´kebur haltlos noch vorn. Er konnte wieder seine Arme bewegen und frei atmen. Das Kraftfeld war entfernt worden. Dann gingen die drei wieder. Dafür kamen jetzt andere rein, die die zwei Gefangenen grob auf die Beine zogen. A´kebur musste zugeben, dass die Kraft, die in diesen Wesen steckte, ihn überraschte. Obwohl die Schwerkraft auf dem Schiff erdähnlich war, schienen die Wesen selbst von einem Planeten zu kommen, der eine höhere Schwerkraft aufwies. Wohlweislich wehrten die beiden sich vorerst nicht; sie wollten erst erfahren, wohin man sie brachte. Es ging einige dunkle Gänge entlang, die alle mit dem gleichen, glatten Metall ausgekleidet waren, aber hier und da komplizierte Muster trugen.
Schließlich wurden sie in einem größeren Raum mit mehreren Liegen und dampfenden Wasserbecken abgeliefert. Dass sie alles sehen konnten, konnte nur bedeuten, dass man entweder für sie das Licht angemacht hatte oder dies der Standardeinstellung dieser Rasse entsprach. Das herauszufinden, konnte ihnen einen strategischen Vorteil bringen. Da aber alle diese Brillen vor denAugen hatten, ließ den Schluss zu, dass man nur wegen ihrer fehlenden Nachtsicht etwas Licht gemacht hatte, damit sie nicht ständig geführt werden mussten.
Die Wachen zischten etwas und bezogen Posten an der Tür, während aus dem Seitenraum zwei andere Gestalten traten. Sie waren weitaus schlichter und dezenter gekleidet und auch ihre Hautfarbe war anders, weniger hell leuchtend. Und ehe A´kebur und Tiaren sich versahen, hatten die beiden sie ergriffen und begannen, ihnen die Kleider vom Leib zu reißen. Tiaren unterdrückte den Reflex, sich zu wehren, die Präsenz der Wachen nur zu deutlich im Nacken. Aber A´kebur schien es sich nicht gefallen lassen zu wollen. Doch dann bäumte er sich stumm auf.
Der Soldat hatte ihn mit seinem Stab an der Schulter berührt. A´kebur brach zusammen und blieb auf allen Vieren keuchend am Boden. Der Soldat schien zufrieden, denn er zog sich wieder auf seinen Posten zurück.
Dafür wurde A´kebur um so grober ausgezogen und einfach in eines der Becken gestoßen. Luft schnappend kam er wieder nach oben und versuchte dort auch zu bleiben. Das Becken war tiefer als er gerechnet hatte. Ihm fehlte jeglicher Bodenkontakt.
Doch einer der Diener, oder wer auch immer sie waren, hielt ihn fest und begann ihn mit einem schwammähnlichen Gegenstand gründlich abzuschrubben. Das Gleiche wurde mit Tiaren gemacht, der allerdings auch nicht viel würdevoller behandelt wurde. Als die beiden schon dachten, ihre Haut wäre komplett abgeschabt, zog man sie wieder heraus und drückte sie auf die Liegen. A´kebur versuchte zu verhindern, dass man ihn betastete. Aber seine Bewegungen wurden immer träger. Die Wärme und die Anspannung der letzten Stunden ließen ihn alle Kontrolle über seinen Körper verlieren. Er erkannte einen der Männer wieder, die er zuerst gesehen hatte. Er hielt etwas über ihn, was ein Tricorder sein konnte.
Dann gab er dem anderen Anweisungen und er wurde einfach in etwas eingekleidet, was sich angenehm anfühlte, hochgeschlossen war und ihn sich dennoch fühlen ließ, als hätte er nichts an. Es schien eine Art schmuckloser Overall zu sein. Aber A´kebur hatte dafür kein Auge. Er versuchte herauszufinden, ob dieser Mann so etwas wie ein Arzt war. Denn ähnlich untersuchte er auch Tiaren, der sich stoisch hatte abtasten lassen. A´kebur hatte den Eindruck, dass sie über die Struktur ihrer Haut erstaunt schienen. Sie war eindeutig anders. Grober hatte er das Gefühl im Gegensatz zu dem, was er von den Händen dieser Diener gespürt hatte. Jedenfalls schienen die Fremden interessiert an ihrer Beute zu sein, soviel war deutlich. Schließlich scheuchte man die beiden wieder auf und die Wachen nahmen sie erneut in Empfang. Schließlich fanden die beiden sich in ihrer Zelle wieder, die auch hier leicht beleuchtet war. Dann waren sie wieder allein.
"Was hast du zu ihnen gesagt?", wollte Tiaren wissen, sobald sich die Tür geschlossen hatte.
A´kebur wankte und sah ihn finster an. "Schilde hochfahren und Waffen aktivieren. Alarmstufe rot. Sicherung des Geländes", murmelte er und ließ sich mit dem Rücken zur Wand zu Boden gleiten.
"Kannst du mir verraten, warum sie uns gerade so behandelt haben? Und woher kennst du diese Worte?", fragte Tiaren weiter. "Und dann noch: Wir waren ihnen offenbar zu dreckig."
"Das ist die Sprache der Bewahrer. Sie hatte ein Wort verwendet und es klang wie die Sprache der Bewahrer. Doch ich kannte es nicht. Es gibt viele Worte, die noch nicht übersetzt sind. Und das Baden: Ich habe auch das Gefühl. Merkwürdiges Verhalten ist es dennoch."
"Die Bewahrer? Wir haben von ihrer Sprache nichts herausbekommen, ihr habt da ganze Arbeit geleistet. Das heißt aber, diese Rasse hat etwas mit ihnen zu tun", sinnierte Tiaren. "Du kannst nicht zufällig noch mehr in der Sprache, was und helfen könnte?"
A´kebur schüttelte den Kopf. "Nicht viel. Das war Etiennes Arbeit. Ich habe da nur in bestimmten Teilen partizipieren können. Mehr nicht."
"Etienne konnte die Sprache?" Tiaren setzte sich und lehnte sich an eine Wand. "Ihn könntest du jetzt besser hier gebrauchen."
"Er dürfte nicht einmal in diesem Moment in meiner Nähe sein. Er wäre auf dem Schiff und ich würde beten, dass es ihm gut geht." A´kebur kratzte sich. Seine Haare waren nass und eigentlich hätte er sie kämmen müssen. Aber man hatte es unterlassen. Es würde Stunden dauern, wieder alles zu entfilzen.
"Ich vermute, er hätte nicht auf dich gehört. Und komm mal her. Ich mache das." Tiaren deutete auf A´keburs Haare. Dieser sah ihn nur kurz an, dann drehte er sich und überließ Tiaren das Problem. "Nein, er war auch nicht meine Frau", meinte er knapp. "Ich denke, dass die Crews der Schiffe noch leben. Die Frage ist nur, was mit ihnen geschehen ist", wechselte er abrupt das Thema.
"Entweder sie wurden gefangen oder sie konnten fliehen", gab Tiaren zurück und machte sich daran, A´keburs Haare zu entwirren. "Wenn ersteres der Fall ist, werden wir es sicher bald erfahren."
"Ja", brummte A´kebur und Tiaren spürte, dass sich die Barriere bewegt hatte. A´kebur war müde bis ins Mark. Was auch immer die Wirkung des Bades sein sollte, offenbar war es die, dass er sich kaum noch wach halten konnte und wenn Tiaren ehrlich war, ging es ihm nicht besser. Doch er konzentrierte sich auf seine Tätigkeit und flocht die Haare schließlich zusammen. Erst dann gab er seiner eigenen Erschöpfung nach und lehnte sich leicht gegen A´kebur. Dieser war schon halb wegdämmert und legte kurz seine Hand auf die von Tiaren. "Ungünstiger Zeitpunkt. Aber wir sollten schlafen, um überhaupt eine Chance zu haben", flüsterte er rau. Tiaren nickte, die Augen bereits geschlossen. "Egal, was passiert, es kommt noch früh genug", murmelte er.
A´kebur hatte irgendwann das Gefühl, dass sie nicht mehr allein waren. Er hatte nur wenig geschlafen. Dessen war er sich sicher. Er maß etwa eine halbe Stunde. Sein exaktes Zeitgefühl hatte ihn schon vor einiger Zeit verlassen. Wieder hörte er das Zischen und ein kurzes Schnattern. Mühsam öffnete er die Augen und sah in die leuchtend hellen Gesichter ihrer Feinde. Er fragte sich, warum er sie überhaupt so klarsehen konnte. Doch die Frage wurde nicht beantwortet.
Plötzlich wurde er gepackt und flach auf den Boden gedrückt, ehe er sich auch nur wehren konnte. Das nächste war etwas Kaltes, das in seine Adern gedrückt wurde, dann fühlte er nur noch Schwere und weitere Injektionen. Tiaren war es nicht anders gegangen. Obwohl er nicht so erschöpft gewesen war wie A´kebur, konnte er ebenfalls wenig tun, als man ihn niederdrückte und er eine Art Hypospray in seinem Nacken fühlte, das ihm etwas injizierte.
Als die Frau, die sie schon vorher gesehen hatten und die alles überwacht hatte, schließlich wieder sprach, stellten die beiden fest, dass sie sie verstehen konnten. Sie hatten offenbar Translatoren eingesetzt bekommen.
"Unwürdige, da ihr uns nun verstehen könnt, hört gut zu: Wir sind Ssleath Tirr'Dran, Erste Offizierin des Kriegsschiffes Endal unter dem Kommando von Generalin Athir Sseneirr. Ihr seid nun in der Hand des Großen Reiches von Ka'oss. Ihr werdet erst einmal wieder zu euren Leuten gebracht werden. Dann, wenn das Betäubungsmittel nachlässt, erwarten wir Gehorsam und Antworten."
Tiaren und A´kebur wurden augenblicklich aus ihrer kleinen Zelle gebeamt und kamen in einem Raum an, der noch einmal deutlich heller war. Stimmen waren um sie. Standard und romulanisch. "Captain" hörte er von allen Seiten, ohne sich bewegen zu können. Er spürte, wie er anders gelagert wurde, dann gab es nur noch heiße Fingerkuppen an seinen Schläfen und der Geist eines Vulkaniers. Spock, stellte er fest. Der Botschafter unterbreitete ihm nach einer kurzen Inspektion seines Zustandes das Angebot einer kurzen Heiltrance und er nahm an. Spock assistierte, dann sank sein Bewusstsein tiefer.
Tiaren hatte sich das Ganze misstrauisch angesehen, als eine Art Klick in seinem Kopf spürte, das im mitteilte, dass A´kebur nicht mehr für ihn erreichbar war. Doch fürs Erste musste er wohl dem Botschafter vertrauen, da dieser mehr Ahnung von solchen Dingen hatte. Er hatte kaum Zeit, sich aufzurichten, als Lieutenant Ch'Grawbil auf ihn zutrat, jeder Zoll von ihm Unruhe ausstrahlend. "Was ist passiert?", verlangte er zu wissen.
Tiaren berichtete kurz, was ihnen widerfahren war und teilte auch die Informationen über ihre Feinde mit, die er nun hatte. Zwischen den Romulanern, die auf der anderen Seite des Raumes standen, sah er seine Mutter.
Sie waren in Abteilungen getrennt worden. Es gab in einer Art leerem Lagerraum nur diese Kraftfelder. Erstaunt sah er, dass in einem dritten Kraftfeld Romulaner und Menschen zusammen eingeschlossen waren und von einigen wusste er, dass sie vermisst worden waren. Es hatte offenbar doch Überlebende gegeben. Als er sich weiter umsah, erkannte er, dass sie alle in denselben Overalls steckten und mehr oder weniger verwuschelt wirkten. Der Vulkanier Spock schien da die einzige Ausnahme zu spielen. Abgesehen von A´kebur, dem er ja selbst geholfen hatte, seine Haarpracht zu bändigen.
Offenbar waren aller dieser Reinigungszeremonie unterworfen worden und man hatte ihnen den Übersetzer eingepflanzt. Dass man sie alle jedoch zusammen eingesperrt hatte beziehungsweise man sich auch durch die Kraftfelder mühelos unterhalten konnte, gab Anlass zur Hoffnung.
Ch'Grawbil nickte ihm zu. Er sah zum Captain. Spock hatte sich nicht von seiner Seite bewegt. Er schien über ihn zu wachen. Nur wenige wussten, was er gemacht hatte. Er als Sicherheitschef wusste es aber und es machte ihm mehr als nur ein klein wenig Sorgen. Tiaren räusperte sich: "Wir werden befragt werden, hat uns diese Frau gesagt."
"Ob wir Fragen stellen dürfen, das ist das Wichtigere, und ob wir Antworten bekommen", knurrte der Rigelianer. "Allein solche Worte wie Großes Reich sind wenig beruhigend. Ich vermute, niemand der Anwesenden hat je von diesen Ka'ossianern gehört?" Einhelliges Kopfschütteln.
"Captain A´kebur hat sie in der Sprache der Bewahrer angesprochen und sie haben ihn verstanden", gab Tiaren schließlich das Merkwürdigste an der Sache preis. "Ich habe wenig Ahnung davon, aber möglicherweise haben die Ka'ossianer etwas mit den Bewahrern zu tun oder zumindest ganz oder in Teilen ihre Technik, die Sprache und ihre Kultur übernommen."
Spock hob bei dieser Feststellung eine Augenbraue. "Faszinierend", murmelte er. "Der Captain hat mit Hilfe …" Er stoppte abrupt. "Wir werden sicherlich abgehört. Die Ka'ossianer werden sicherlich nicht grundlos unsere Sprache so schnell gelernt haben, wenn wir einander so unbekannt sind. Sie werden Datenbanken haben und sie werden uns zuhören."
"Vielleicht ist das nicht das Schlechteste; dann erfahren sie wenigstens, dass wie keine Tiere sind, mit denen nach Belieben umgesprungen wird", knurrte Ch'Grawbil und erinnerte an einen eingesperrten Tiger. Tiaren setzte sich wieder. Am liebsten hätte er sich gegen diese Kraftfelder geworfen oder an den Wänden gekratzt, um irgendwie freizukommen, aber dieser instinktive Impuls wurde von seinem Verstand unterdrückt.
Die Zeit zum Kämpfen würde kommen, aber gegen eine Übermacht hatten sie keine Chance; jedenfalls nicht, solange sie nicht mehr wussten.
Spock nickte. "Ja, aber wir sollten erst einmal mit Informationen zurückhaltend sein. Es kann sein, dass wir noch etwas zum Verhandeln brauchen." Er strich sich über die Stelle, wo auch Tiaren das wusste, dass ihm dort hinein der Translator injiziert worden ist.
"Nun, sie wissen nicht alles, sonst müssten sie nicht fragen. Und Telepathen sind sie ebensowenig", meine Tiaren und warf einen bedeutungsvollen Blick zu Spock, die Tatsache, dass zumindest zwei der Anwesenden über Psi-Kräfte verfügten, geheimzuhalten.
"Wie lange wird der Captain noch schlafen?", wagte Ch'Grawbil zu fragen.
"Ungefähr 45,2 Minuten", gab Spock zurück. "Wir sollten alle unsere Kräfte sammeln." Bei dem Wort ungefähr blieb bei einigen der Mund offenstehen. Aber man nickte allgemein zu dem Vorschlag und bettete sich so, dass man einigermaßen Entspannung bekommen konnte. Tiaren setzte sich an die andere Seite von A´kebur. Er würde ihm nicht von der Seite weichen. Aber Ruhe brauchte er auch.
A´kebur wachte tatsächlich nach der vermuteten Dreiviertelstunde auf, gerade rechtzeitig, bevor die Tür aufging und die Erste Offizierin erneut erschien. Hinter ihr kamen mehrere Wachen. "Wir sind nun hier, um Antworten zu erhalten." Ihre hellen Augen fixierten Spock, A´kebur und Tiaren. Sie hatten sie zielsicher als die Anführer ausgemacht. A´kebur rieb sich unbewusst seine Wange. Spock hatte ihn traditionell geweckt.
Der Vorteil war, dass er sehr wach und bei voller Kraft war. Besser als nach jeder Meditation. "Was sind die Fragen?", fragte er und wirkte dabei unverschämt entspannt. Die Frage war nur, ob diese Rasse über ein ähnliches Repertoire an Körpersprache verfügte. Die glatten Gesichtszüge der Ka'ossianerin verriet jedenfalls nichts. "Du sprichst nur, wenn wir dich fragen, Unwürdiger", erklärte sie. "Wir wollen wissen, was ihr auf einem Planeten unseres Territoriums tatet." A´kebur erhob sich und Tiaren musste zugeben, dass er alles andere als das Bild eines Unwürdigen abgab. Eine Bewegung aus dem Nachbarkraftfeld lenkte kurz seine Aufmerksamkeit ab. Alle hatten sich langsam erhoben und schauten offen interessiert, teilweise auch aggressiv auf ihre Feinde.
"Dieser Planet liegt zwischen den Territorien mehrerer Herrschaftsgebiete und wurde dazu auserkoren, um auf ihm Verhandlungen zu führen. Welchen Anspruch erheben Sie darauf?"
Ssleath Tirr'Dran musterte A´kebur kühl. "Dieser Planet und die umliegenden Systeme gehören seit 521 Morrthoth-Einheiten zum Großen Reich. Wir haben genug über eure Sprache gelernt, um zu wissen, dass dies 9.856.001,46 Föderationsjahre sind. Welchen Anspruch ihr Unwürdigen auch immer erhebt, unserer ist älter."
Einige schnappten hörbar nach Luft. "Nun, wann waren Sie denn das letzte Mal hier?", fragte A´kebur. "Vor 9.856.000 Jahren? Dann würde ich sagen, dass Sie Ihren Anspruch nie deutlich gemacht haben. Andere Völker haben sich entwickelt und wir sind keine Unwürdigen."
"Ich sagte, du sprichst nur, wenn wir es wünschen!" Ssleath Tirr'Dran hob warnend den Schockstab. "Die Signatur des Großen Reiches ist unverkennbar in die Atmosphäre des Planeten graviert. Damit gehört er uns."
"Ist sie das? Keiner von uns hier kann sie lesen und ich werde mich mit Ihnen unterhalten, wie es Gleichgestellten gebührt. Im Übrigen betrachte ich mich als Gefangener. Nicht als Unwürdiger." A´kebur hatte nicht vor, eine Handbreit Boden nachzugeben.
"Wenn ihr zu unterentwickelt seid, unsere Zeichen zu verstehen, ist das nicht das Problem des Großen Reiches. Und als was du dich siehst, ist nicht von Belang. Nur Unwürdige lassen sich von uns besiegen."
A´kebur verzog angewidert die Mundwinkel. Diese Art Denken war ihm nicht ganz fremd. Aber hier bekam er es in Reinkultur serviert. "Wenn Ihr Volk so denkt, dann dürfte es außer Ihrer Rasse wohl keine andere mehr geben, die es würdig ist, als gleichstehend betrachtet zu werden. Nun denn, dann sehe ich auch keinen Grund, warum wir noch ein Wort miteinander wechseln sollten. Dass dieser Planet Ihrem Volk gehört, ist für uns nur eine bloße Behauptung. Ihr seid in unser Gebiet eingedrungen in kriegerischer Absicht, und wir werden das entsprechend beantworten. Einen Feind in den Rücken zu fallen ist ehrloses Verhalten und zeugt davon, dass ihr keine Krieger, sondern Feiglinge seid."
Die Erste Offizierin zog die feinen, hellen Augenbrauen zusammen. "Wir haben das Recht, unser Gebiet zu verteidigen. Da ihr keine entschuldbaren Gründe für euer Eindringen vorbringen könnt, halten wir an unserem bisherigen Urteil fest." Damit drehte sie sich um und winkte ihren Soldaten, A´kebur zu ergreifen. "Da du der Anführer bist, wirst du die Ehre haben, mit der Generalin sprechen zu können und um Gnade zu bitten."
A´keburs Augen leuchteten unheilvoll. Botschafter Chioma rang seine Hände. Bis jetzt hatte er stillgehalten. Doch er war versucht, selbst einzugreifen. Ein warnender Blick von Spock genügte, dass dieser A´kebur die Situation überließ. Es war ein Kräftemessen und der Captain hatte das durchschaut. Hier wurde nicht mit diplomatischen Maßstäben gerechnet. A´kebur schien sich für einen Augenblick aber nicht wehren zu wollen. "Ich bin durchaus in der Lage, allein zu gehen. Ich werde mit der Generalin sprechen. Um Gnade werde ich sie nicht bitten. Die Ka'ossianer sind in unser Gebiet eingedrungen. Beweist das Gegenteil!"
Ohne zu zögern, zog Ssleath Tirr'Dran eine Waffe. "Ich wiederhole mich nicht. Folge mir freiwillig oder ich betäube dich und lasse dich tragen."
"Ich verweigere mich nicht einem Kampf und ich verweigere auch nicht, deiner Generalin gegenüber zu treten", A´kebur grinste sie zähnestarrend an. Es lag in seiner Absicht, sie und ihr Volk zu beleidigen und ein kurzes Zeichen an seine Crew informierte auch diese darüber. Augenblicklich traten alle im Stück vor und zogen finstere Mienen. "Deine Generalin ist feige wie eine aldebaranische Maulschale. Bisher habe ich noch keinen von euch kämpfen sehen. Ihr haltet euch für würdig? Ich lache über euch."
Ohne mit der Wimper zu zucken, drückte die Erste Offizierin ab. Tiaren wollte den Impuls unterdrücken, A´kebur zur Seite zu stoßen, doch eher er selbst begriff, hatte er bereits gehandelt. Ob A´kebur damit gerechnet hatte oder nicht, wusste er nicht. Doch ihre Bewegung war eine und A´kebur drehte sich mit ihm, nutzte das zusätzliche Drehmoment, so dass der Schuss ins Leere ging. Tiaren noch halb im Griff richtete er sich auf und ließ ihn dann los. Er sah Ssleath Tirr'Dran kühl an. "Wie ich schon sagte, du bist nur feige. Einen offenen Kampf scheut deine gesamte Rasse. Doch, geh vor, ich folge dir. Ich werde mit deiner Generalin reden."
Die Ka'ossianerin sah zu Tiaren. "Du kommst auch mit", entschied sie. "Vielleicht kannst du deinen Captain zu mehr Kooperation überreden. Euch alle beseitigen zu müssen, wäre Verschwendung." Sie winkte einladend mit der Waffe. A´kebur schoss noch auf Tiaren einen Blick ab, dann ging er vor ohne auch nur die geringsten Anzeichen von Beunruhigung zu zeigen. Er schien sich sicher zu sein und sollte er es nicht sein, so schien es ihn entweder nicht zu kümmern oder er konnte es gut verbergen.
Die beide wurden ein paar Gänge entlanggeführt, dann eine Treppe hoch, ein ungewöhnliches Baudetail in einem Raumschiff. Schließlich kamen sie in einen großen Raum, an dessen Ende eine Ka'ossianerin in einer Art Thron saß, flankiert von vier Wächterinnen. Die Generalin, um die es sich ja nur handeln konnte, trug mehrere goldene Federn in ihrem kompliziert geflochtenen Haar, aber dafür noch weniger Kleidung. Sie musterte A´kebur und Tiaren mit kalten, hellen Augen. Sekunden später hatten beide einen heftigen Stoß in die Kniekehlen erhalten, der sie automatisch zusammenknicken ließ.
A´kebur sah sich kurz amüsiert um, als würde es ihn überhaupt nichts angehen, dass er sich in demütiger Position befand. Er lächelte auch noch breit, als er sich auf seinen Fersen niederließ, was auf diese Art so wirkte, als habe er es sich bequem gemacht, um von Gleich zu Gleich zu sprechen. "Ich danke für die zuvorkommende Unterbringung meiner Leute auf Ihrem Schiff. Eure Gastfreundschaft ist überragend", spottete er.
Das brachte ihm einen erneuten, heftigen Schlag ins Kreuz ein.
"Unsere rechte Hand berichtete uns schon, dass ihr widerspenstig seid", meinte Generalin Athir Sseneirr. "Doch eure Rassen sind interessant und für Wesen außerhalb des Großen Reiches recht intelligent. Wir werden euch behalten."
"Sehr zuvorkommend. Ich werde jedoch nicht bleiben. Meine Mannschaft genauso wenig", meinte A´kebur gespielt gelangweilt.
Sie lächelte. "Und wie willst du von hier fortkommen, ohne Waffen, ohne Kenntnis des Schiffes, ohne Möglichkeit, von ihm zu entkommen?"
A´kebur lächelte nur. "Ich bin ein Unwürdiger, warum sollte ich Ihnen so etwas sagen?", erwiderte er. "Sie sagen mir auch nicht, was Sie hertreibt, warum Sie uns angegriffen haben, was Ihre Pläne sind. Sie haben uns ohne Vorwarnung angegriffen. Sie haben sich nicht offenbart. Sie sagen nur, dass Sie uns behalten wollen. Sie sind ehrlos und feige!"
"Dein Gedächtnis scheint nicht sehr gut zu sein", gab die Generalin zurück. "Wir haben euch sehr deutlich erklärt, wer wir sind und warum wir hier sind. Von euren barbarischen Staaten ringsherum wissen wir übrigens: Föderation und Romulanisches Imperium nennt ihr sie. Daran haben wir kein Interesse, keine Sorge. Aber dieses Gebiet hier gehört zu unserem Reich."
A´kebur warf Tiaren einen überraschten Blick zu, der die ganze Zeit über ruhig geblieben war. "Generalin, wie der Captain bereits zu erklären versuchte, haben wir nicht gewusst, dass Ihr Volk diesen Planeten beansprucht, Das Gebiet, in dem er liegt, trennt unsere beiden Reiche, und auch wir erheben keinen Anspruch darauf. Wie brauchten nur einen neutralen Ort. Waffengewalt Ihrerseits war nicht nötig."
Die Generalin bedachte ihn mit einem undeutbaren Blick. "Wie ich schon sagte", erklärte sie spitz, "ihr hättet die Zeichen lesen können. Sie waren deutlich. Unwissenheit schützt nicht vor der gerechten Strafe und jetzt beugt euer Haupt in Demut, wie es einem Sklaven gebührt."
A´kebur, der aufspringen wollte, hielt sich mit Mühe davon ab. Niemand versklavte ihn oder seine Mannschaft. Er presste die Zähne zusammen und schwieg. Tiaren sagte ebenfalls nichts, doch auch in ihm kochte die Wut. Er wusste, sie konnte im Augenblick nur stillhalten, aber wenn sich die erste Gelegenheit bot, zu kämpfen und zu gewinnen, würde er sie ergreifen.
"Unsere rechte Hand sagte, euch beide verbinde eine starke Loyalität, obwohl eure etymologischen Ursprünge gegensätzliche Kulturen verraten", fuhr die Generalin fort. "Wir werden dafür noch Nutzen haben, besonders, da ihr euch offenbar als Krieger versteht."
A´keburs Gesicht wurde ausdruckslos, als hatte er einen Schalter umgelegt. Tiaren merkte, dass sich hinter der Barriere der Geist seines unfreiwilligen Gefährten beruhigte.
"Vorerst werden wir euch separat unterbringen. Eure Untergebenen werden sich dann besser fügen. Alles Weitere werdet ihr sehen." Generalin Athir Sseneirr winkte mit einer krallenbewehrten, reich beringten Hand. "Bringt sie weg."
A´kebur erhob sich und ließ sich ungewohnt widerstandslos wegführen. Plötzlich, Tiaren schätzte irgendwo auf der halben Wegstrecke zurück, wich A´kebur aus, versetzte dem einen Wächter einen Schlag und raubte dem anderen mit einem vulkanischen Nervengriff das Bewusstsein. Um sicher zu gehen, tat er dies auch noch bei dem anderen. Tiaren sah ihn verblüfft an. A´kebur jedoch schüttelte nur den Kopf. Er solle schweigen. Dann sah Tiaren, was A´kebur dazu verleitet hatte, so ein Risiko einzugehen. Sie waren an etwas vorbeigeführt worden, was nach einer technischen Abteilung oder Station aussah - und sie war unbesetzt. "Vorhin war hier jemand", flüsterte A´kebur. "Wir müssen uns beeilen und sie dürfen nicht mitbekommen, dass wir hier dran waren."
Tiaren nickte. Er sah beide Gänge hinunter, aber keiner kam. Die filigranen Muster an den Wänden pulsierten in leicht grünlichem Licht, aber sie hatten sich inzwischen an die sparsame Beleuchtung gewöhnt, und dass sonst überall Dunkelheit herrschte; die Ka'ossianer waren definitiv nachtaktiv. Jetzt jedoch trug keiner mehr diese Brillen, was A´kebur vermuten ließ, dass sie etwas mit den Augen ihrer Gefangengen gemacht hatten oder etwas mit ihrer Schiffsbeleuchtung, so dass sie sie nicht ständig gezwungen waren, ihre Gefangenen davor bewahren zu müssen, vor Wände zu laufen. Was es genau war, mussten sie noch herausfinden. Da sie andererseits einige Zeit bewusstlos gewesen waren, bestand eindeutig auch die Möglichkeit, dass mit ihren Augen etwas gemacht worden war.
"Kommst du hinein?" Tiaren wusste nicht, ob er das laut sagte oder nur dachte.
"Ist nur eine Hilfsstation. Aber egal wie, wir müssen, wenn sie uns hier wegbringen, eine Brotkrumenspur legen", wisperte A´kebur. Tiaren wusste nicht genau, was A´kebur tat. Plötzlich leuchtete die Station. Ob das so richtig war, konnte er nicht sagen, A´kebur schien nicht beunruhigt. Er lächelte nur einmal, dann rief er ihn in Gedanken: Und jetzt versuchen wir mal zu fliehen!
"Und wohin?", wollte Tiaren skeptisch wissen. "Oder weißt du, wo hier Rettungskapseln oder die Shuttlehangars sind?"
"Nein, wäre aber hervorragend, wenn wir es herausfinden könnten. Fliehen werde ich sowieso nicht von hier. Nicht ohne unsere Leute!" Damit schlich er los in der Hoffnung, soweit weit möglich zu kommen und soviel wie möglich herauszufinden. Sie huschten den Gang entlang, um einige Ecken und verschwanden schließlich in einen größeren Raum, der mehrere Computertermnials enthielt. An einer Wand glühte sanft ein Blueprint des Schiffes. Obwohl Tiaren die Schrift nicht lesen konnte, verstand er doch einiges von Technik und prägte sich das Layout ein.
A´kebur nickte, dann blieb er abrupt stehen und ging einen Schritt zurück. "Noch mehr Pläne", flüsterte er und deutete auf ein leuchtendes Bild an der anderen Wand. Dieses zeigte offenbar an, wo die Gefangenen waren, wo sich das Shuttledeck befand und die Transporterräume. Genau unter ihnen befand sich der Maschinenraum. A´kebur hörte, dass sie schon verfolgt wurden und zog Tiaren mit sich, der noch einen letzten Blick hatte riskieren wollen. Sie kamen nicht weit: An der nächsten Kreuzung der Gänge fanden die beiden sich auf der falschen Seite von Laserwaffen wieder. Die Soldaten zögerten nicht lange, sondern schlugen A´kebur und Tiaren zu Boden, um sie dann mit Energiefesseln bewegungsunfähig zu machen. A´kebur zog sich augenblicklich in sich selbst zurück und unterdrückte jeden Schmerzeslaut. Tiaren blieb ebenfalls stumm und sie wurden eindeutig voller Wut wieder auf ihre Beine gestellt. "Für diesen Ungehorsam werdet ihr bestraft", informierte man sie lapidar. Die Stimme war fremd, aber das spielte auch keine Rolle.
Sie wurden vorwärts gestoßen und erst als sie sich in einer Zelle befanden, grob zu Boden gestoßen. Die Soldaten umringten sie erneut und hielten sie fest, dann traten zwei von ihnen mit Schockstäben vor und stellten sie auf die niedrigste Stufe. Immer mit kleinen Pausen traktierten sie die beiden mit elektrischen Schlägen, die zu leicht waren, um sie bewusstlos zu machen und zu durchdringend, als dass sie wirklich erträglich gewesen wären.
A´kebur und Tiaren schwiegen stoisch, kein Laut kam über ihre Lippen. Die Genugtuung, eine Reaktion zu zeigen, würden sie ihren Feinden nicht gönnen. Auch nicht, als A´kebur dachte, sein Körper würde verbrennen. Er hatte in den letzten Tagen jedoch zu oft im Blutfieber gelegen, um die Schmerzen dieser Bestrafung höher anzusetzen. Er nahm den Schmerz an genauso wie Tiaren, der irgendwann einfach seine Augen geschlossen hatte. Wütend über die fehlende Reaktion erhöhte der Mann die Stärke, bis er feststellen musste, dass er damit genauso wenig erreichte. Lediglich der Schweiß der Gefangenen verriet ihm, dass er irgendwo Erfolg hatte. Dennoch blieb der Geschmack der Niederlage.
"Ihr werdet keine Nahrung und nichts zu Trinken bekommen", informierte er sie und verließ dann mit den Wachen die Zelle. A´kebur blieb liegen, wo er war und seufzte.
Tiaren rückte zu ihm hinüber. "Sie haben sich in uns die Falschen ausgesucht", wisperte er. "Ich denke, wir haben damit etwas deutlich gemacht."
"Dass wir barbarische Männer sind, die nicht wissen, dass man bei Schmerz schreit", murmelte A´kebur rau. "Es war nicht unbedingt wirklich schlau. Aber wenn sie wütend werden, machen sie genauso Fehler wie jede andere Rasse auch. Und sie machen mehr Fehler, weil sie denken, dass sie unfehlbar sind."
"Und sie haben schon welche gemacht, in dem sie uns entkommen ließen. Aber wir werden nicht noch einmal so unterschätzt werden, vermute ich." Tiaren ließ seinen Blick an den abgerundeten Wänden entlang gleiten, doch gleich darauf wurde es stockdunkel. Man ließ sie ohne jeden Anhaltspunkt zurück.
"Gut, dass sie nicht wissen, womit man uns wirklich beikommen kann", murmelte Tiaren und rückte sich so zurecht, dass er für A´kebur Kopfkissen spielen konnte. Er zog ihn mit Leichtigkeit zu sich und er wunderte sich nicht, dass dieser sich das einfach gefallen ließ. In ihrer Verbindung hatte er gespürt, dass das Blut wieder rief. Der letzte Auslöser waren die Energiestäbe gewesen. Aber es war nicht mehr so schlimm wie bei ihren letzten Begegnungen. A´kebur presste seine Stirn an Tiarens kühlere Haut und atmete tief durch. "Geht schon", murmelte er. Da sie nicht wussten, ob sie beobachtet oder sonst wie gescannt wurden, war es wirklich keine gute Idee. Aber Tiaren konnte die steigende Hitze in A´kebur genausowenig ignorieren wie dieser selbst. Ohne sich sonst zu rühren, strich Tiaren an A´keburs Vorderseite entlang und fand die Verschlüsse des Overalls über dem Schritt. Mit einigen minimalen Handbewegungen hatte er sie geöffnet. A´kebur versuchte sich zu entziehen. "Nicht", murmelte er, während er gleichzeitig spürte, dass alles andere seinen Verstand verriet und durchaus mehr wollte.
"Pscht", brachte Tiaren ihn geradezu sanft zum Schweigen. "Frustriert nutzt du niemandem etwas", setzte er gedanklich hinzu, während er seinen Klingonen streichelte. A´kebur hörte tatsächlich auf, während sein Atem deutlich schwerer ging. "Sie dürfen nichts merken", flüsterte er.
"Dann sei still und rühr dich nicht."
Tiaren spürte ein kurzes Zögern, dann stimmte A´kebur ihm in Gedanken zu. Es war zwar alles andere als einfach, unter diesen Umständen ruhig zu bleiben, viel weniger einfach als noch unter der Folter, aber A´kebur schaffte es. Tiaren quälte ihn nicht lange, sondern zögerte es nur soviel hinaus, dass die Befriedigung eine Weile vorhielt und nicht sofort wieder verschwand. Nur minimale Bewegungen. Als A´keburs Stirn ruhig an seiner Schulter lag, spürte er, dass es genug war. A´keburs Verstand war ruhig und sein Körper kühlte wieder auf Normaltemperatur ab. Noch mit geschlossenen Augen machte er unter Tiarens erstaunten Gedanken eine rudimentäre Verbindung zu Spock auf. Tiaren selbst bekam die Unterhaltung nur wie durch eine geschlossene Tür mit, aber er begriff doch, worum es ging.
Captain? Geht es Ihnen gut?, wollte der Vulkanier wissen. Die Mannschaft zeigt eine gewisse Besorgnis.
A´kebur teilte ihm mit, dass sie in einer gesonderten Zelle untergebracht worden seien. Dann spürte Tiaren, wie A´kebur Informationen weitergab mit der Bitte an Spock, diese an seine Mannschaft weiterzugeben. Tiaren "sah" sogar, dass bestimmte Muster mit Bedeutungen oder möglichen Bedeutungen belegt worden waren. A´kebur hatte offenbar weitaus mehr gelernt, als er hatte durchblicken lassen. Sagen Sie der Mannschaft, dass sie die Gelegenheit wahrnehmen sollen, dass Schiff zu verlassen oder zu entern. Wir befinden uns noch immer im Orbit. Was immer die Ka'ossianer hier hält, es ist noch nicht für sie beendet, informierte er ihn.
Das werde ich, Captain. Seien Sie vorsichtig!
A´kebur gab so etwas wie einen zustimmenden Gedanken, dann war wieder Stille und Spocks Gedanken schienen nie durch diese Tür gedrungen zu sein.
"Denkst du wirklich, das reicht?" wisperte Tiaren. "Ich habe da meine Zweifel."
"Das allein? Nein! Aber vielleicht hilft es", murmelte A´kebur.
"Hoffen wir es." Unbewusst strich Tiaren durch A´keburs Haare. "Ich frage mich nur, was sie jetzt mit uns vorhaben."
"Mürbe machen. Folter. Willen brechen, bis wir ihnen dienen und vergessen, wer wir sind, wer wir waren, dass wir die Sterne berührt haben. Krieger, Kämpfer, Forscher …" A´keburs Stimme wurde immer träger. Er wusste, dass sein Schlafbedürfnis stärker war, als es sein durfte. Aber er konnte nichts dagegen machen. Schlief er nicht, würde er noch schwächer werden.
"Dann kennen sie uns schlecht" gab Tiaren leise zurück. "Weder das Romulanische Reich noch die Föderation." Er war nicht wirklich müde; eher arbeitete sein Verstand fieberhaft an einer Idee, einer Lösung, einem Ausweg. Doch während er sich im Kreis drehte, in seinem Geist Dinge betastete auf ihre Verwendbarkeit, spürte er den ruhigen Atem von A´kebur auf seiner Haut. Der Captain schlief und irgendwie hatte Tiaren die Gewissheit, dass er nur so lange schlafen würde, wie er brauchte, um wieder kräftig genug zu sein. Nicht eine Minute länger.
Tiaren hielt ihn fest, das warme und gleichzeitig seltsame wütende Gefühl in ihm, diesen Mann unter allen Umständen zu beschützen. Sie würden hier lebend und heil herauskommen, ganz gleich, wie. Der junge Romulaner starrte in die völlige Finsternis der Zelle, die für ihn nicht mehr undurchdringlich war, und wunderte sich einmal mehr, woher diese Gefühle kamen. Er konnte es nicht wirklich greifen.
Spock sah in die Gesichter der Männer und Frauen, die nicht Mitglied der Crew waren, die er kannte. Dennoch waren sie von der Enterprise. Er spürte A´keburs Kraftanstrengungen nach, ihm alle Informationen zu geben, die er besaß. Jede Spekulation, jedes Gefühl. Es war viel. Ein gefühlsbelasteter Geist, der zur vulkanischen Analyse fähig war. Alles, wie er es gesehen und gefühlt hatte, hatte er in dem Zustand belassen, wie er war. Die Bewahrerkultur war kompliziert. Captain A´kebur kannte sie nur von der Technik her. Dieses Schiff schien offenbar eine ganze Menge dieser Technik zu haben mitsamt einer fortgeschrittenen Version der Sprache.
Dann erkannte Spock das, auf was ihn A´kebur im ersten Bild hatte aufmerksam machen wollen, ohne es weiter mit Worte zu erläutern. A´kebur vermutete in der äußersten Ecke des kleinen Kraftfeldes, wo sich sein Sicherheitschef befand, eine Möglichkeit, auf die Kraftquelle zuzugreifen. Die Ahnung war vage, da A´kebur nicht viel hatte vergleichen können, aber eine Chance war es.
Der Teil des Schiffes, in dem sie eingesperrt waren, war eher als Lagerraum denn als richtiger Gefangenentrakt konzipiert, das war Spock sofort aufgefallen. Dementsprechend schloss das Kraftfeld an einer Seite nicht bündig mit der Wand, da ein Panel im Weg war. Wenn sie es schafften, dieses Panel aufzubekommen und die vermutlich dort verborgene Stromversorgung zu schwächen, würde die Situation schon besser aussehen. Spock erhob sich und ging zur anderen Seiten ihres Gefängnisses und ließ sich dort am Kraftfeld nieder. Er sah kurz zu Ch'Grawbil und schaute dann wieder auf seine Füße. Dieser verstand und trat langsam, wie beiläufig näher, um sich dann ebenfalls zu setzen. Sie wussten schließlich nicht, ob sie beobachtet oder abgehört würden. "Sir?", fragte er fast lautlos.
"Der Captain vermutet in der hinteren Ecke des Kraftfeldes eine Schwachstelle. Vielleicht könnten Sie dem nachgehen. Er vermutet, dass man von da aus vielleicht das Kraftfeld schwächen kann", informierte ihn Spock leise.
Der Rigelianer nickte und blieb noch eine Weile so sitzen, ehe er sich wieder erhob. Er hatte die wahrscheinlichsten Stellen für verborgene Sensoren ausgemacht, die er selbst ausgewählt hätte, wenn er sie angebracht hätte, und wanderte nun zwischen seinen Leuten umher, um ihnen Anweisungen zu geben, sich entsprechend zu platzieren und die Sicht auf ihn zu versperren. Erst als sie alle in Position waren, fischte Ch'Grawbil einen metallenen Stift aus seiner Haarpracht. Selbst beim Baden hatte das niemand bemerkt. Vorsichtig begann er, die Verkleidung des Panels abzulösen. Er war erstaunt, dass das so einfach ging. Er hätte selbst so eine Stelle niemals in einen Gefangenenbereich belassen. Aber er erkannte auch, dass es keine andere Möglichkeit gab, das Kraftfeld so auszurichten, dass der Raum groß genug für ihre kleine Gruppe war. Aber im Ganzen war es merkwürdig, dass man sie nicht in einem einzigen großen Kraftfeld untergebracht hatte. Ch'Grawbil hatte keine Vermutung, warum ihre Feinde das getan hatten. Vielleicht war es noch wichtig. Jetzt jedoch hatte er neue Einblicke hinter die kleine Verkleidung, die also solche weder auf den ersten noch zweiten Blick auszumachen gewesen war. Dahinter war etwas, was den EPM-Leitern der Enterprise entsprechen konnte. Sicher war er sich nicht. Doch da er noch keinen Schlag bekommen hatte, war es zumindest nicht gegen Eingriffe gesichert.
Vorsichtig schob der Rigelianer den Metallstift zwischen die beiden oberen Leitungen, ohne diese anzufassen. Er wusste, wenn er die falschen Kontakte überbrückte, würde er gegrillt werden. Doch die Leitungen waren genau angeordnet wie die auf der Enterprise - nach dem Prinzip der Bewahrer. Kaum merklich begann das Energiefeld zu flackern, das zum Eingangsbereich führte, doch es reichte noch nicht, um hindurch zukommen. Davon abgesehen waren ganz sicher Warnsensoren dort angebracht. Die beiden Energiefelder hingegen, die die Zellen trennten, zischten kurz besorgniserregend und gingen dann aus.
Sie brauchten in jedem Fall noch einen weiteren Gegenstand, um auch noch das Kraftfeld zum Gang hin zum Zusammenbrechen zu bekommen. Das war seine einzige Haarklammer gewesen. Ch'Grawbil sah sich fragend um in die erstaunt blickenden Gesichter von Freund und Feind. "Wir brauchen noch etwas!", konkretisierte er. Die Romulaner sahen sich einander an. Dann tastete die Botschafterin in ihre Haare. Sie hatte sie sich vor einiger Zeit geordnet und zusammengebunden. Sie hatte drei weitere Haarnadeln, wenn auch feiner als die von Ch'Grawbil.
"Genügt das?", fragte sie.
Der Rigelianer nickte und nahm die Nadel entgegen. Mit äußerster Umsicht führte er sie zwischen die unteren Leitungen, aber bevor er den Energiefluss überbrücken konnte, hielt Spock ihn auf. "Wir müssen unsere weiteren Schritte bedenken", meinte er. "Meiner Einschätzung nach haben wir drei Minuten, nachdem dieses Kraftfeld zusammengebrochen ist. Die Gänge werden gut bewacht sein und laut des Schiffslayouts sind vitale Systeme mindestens 3 Decks über uns. Meiner Meinung nach haben wir mehrere Möglichkeiten: versuchen, zu Transportern oder dem Shuttlehanger zu kommen oder in irgendeiner Hinsicht die Tarnung des Schiffs zu sabotieren, damit unsere Flotten sie orten können. Letzterem räume ich weitaus höhere Chancen ein."
Nicht nur einer der Anwesenden sah ihn verblüfft an. Doch es war die Botschafterin, die das Wort ergriff. "Woher wissen Sie das? Niemand von uns hier hat jemals ein Schiff dieser Art gesehen und niemand ist einem Vertreter dieser Rasse begegnet. Soweit ich weiß, hatten Sie auch keinen Rundgang durchs Schiff."
"Zeit ist kostbar, Botschafterin. Nur soviel, dass die Informationen zuverlässig sind", gab Spock zurück. "Stimmen Sie mir ansonsten in meiner Einschätzung zu?"
"In der Zeit kann ich Sie nicht bestätigen, aber es ist damit zu rechnen, dass wir hier nicht ohne Schwierigkeiten herauskommen." Ihr Adjutant stellte sich an ihre Seite und nickte bedeutungsvoll. Jetzt, da sich alle an den Gedanken gewöhnt hatten, doch eine Chance zu haben, sahen alle ziemlich hoffnungsvoll aus.
Spock kannte das von den Missionen. Vor allen Dingen Menschen neigten dazu, aus jedem Detail Hoffnung zu schöpfen. Doch ihre Motivation war dann umso schlagender. "Wir brauchen einen Plan", meinte er und in seinen Augen funkelte es. "Da mir Hilfsmittel fehlen, werde ich Ihnen erklären, wie dieses Schiff wohl aufgebaut ist. Mein Wissen ist nicht vollständig, aber anhand dessen, was ich habe, können wir verschiedene Möglichkeiten durchspielen."
Alle traten näher, während Spock kurz erläuterte, was er von A´kebur erfahren hatte; am Ende war man sich einige, dass Sabotage die größten Chancen hatte.
"Und was ist mit dem Captain?", wollte ein Besatzungsmitglied schließlich wissen.
"Im Moment können wir ihn nicht befreien. Ich weiß darüber hinaus auch nicht, wo er sich befindet. Zudem hat er befohlen, dass wir entweder das Schiff verlassen, es sabotieren oder es entern sollen. Das hängt davon ab, welche Chancen wir haben. Verlassen stand jedoch an erster Stelle. Je mehr wir wissen und weitergeben können, um so mehr können wir berichten. Dann können wir auch vielleicht den Captain befreien."
Einhelliges Nicken. Ch'Grawbil griff erneut nach der Haarnadel und unterbrach mit einiger Mühe den letzten Kontakt.
Mit einem letzten, schwachen Flackern ging das Kraftfeld aus, und die Gefangenen liefen in den Vorraum. Ch'Grawbil bezog an der Tür Wache, während Spock sich an einem er der Kontrollpanels einen Überblick verschaffte.
Er berührte ein paar Felder, dann flüsterte: "Es scheint sich jemand zu näheren. Schätzungsweise in 10 Sekunden, 7, 5, ..."
Das Schott glitt auf, doch ehe der Wachsoldat reagieren konnte, hatte Ch'Grawbil ihn bereits überwältigt und ihm die Waffe abgenommen. Der Rigelianer knurrte leise. "Verstärkung ist garantiert unterwegs. Wohin jetzt?"
"Wir warten. Wir brauchen noch eine Waffe", murmelte Spock, der den Mann untersuchte und ihn dann mit einem Nervengriff tiefer in das Reich der Träume brachte. "In etwa selber humanoider Aufbau wie Menschen, Romulaner, Vulkanier oder Klingonen. Und bevor es zu rassistischen Äußerungen kommt. Ich rede vom Grundaufbau."
"Wir sind alle erwachsen hier, Botschafter", meinte Sokala. "Und dass wir alle gemeinsame Vorfahren haben, ist kein Geheimnis."
Den einen oder anderen schien das nicht so bewusst zu sein, aber einige schien mehr zu interessieren, dass offenbar ihre neueste Entdeckung auch mit ihnen verwandt war. Spock wandte sich wieder der Tafel zu und veränderte sie so, dass er mehr Informationen erhielt. Keiner wunderte sich wirklich darüber, dass er die Sprache beherrschte. Dann murmelte er: "Der zweite und er ist allein. Bewaffnung wahrscheinlich wie eben. Er geht langsam. Die Sensoren sind wirklich ausreichend sensibel eingestellt. In fünf, vier, drei..."
Erneut bezog Ch'Grawbil Position und konnte die zweite Wache ebenso mühelos überwältigen und schon waren sie im Besitz von zwei Waffen. "Schätzungsweise 5 bis 10 Minuten haben wir jetzt, bis man unsere Flucht entdeckt. Ich rechne mit Sensoren. Wir sollten uns in Gruppen von vier bis fünf aufteilen und versuchen zu fliehen. Sabotagen an den geeigneten Stellen sind, soweit möglich, absolute Pflicht. Das Schiff muss im Orbit bleiben", erklärte Spock schnell. Ch'Grawbil übernahm die Einteilung der Föderationsleute, während die Botschafterin selbiges mit ihren Leuten tat. Bevor sie losging, wandte sie sich noch einmal zu Spock und Botschafter Chioma um. "Viel Glück."
Diese verneigten sich halb, dann räumten auch sie das Feld. Spock rechnete nicht damit, dass auch nur einer Gruppe die Flucht gelingen würde. A´kebur hatte eine Vermutung angedacht, die er nicht hatte zu ende denken wollen oder können. Das Schiff musste riesig sein in seinen Ausmaßen. Sie selbst befanden sich fast in der Mitte davon und der Weg zu Transportern, eventuell vorhandenen Shuttledecks oder anderen Punkten im Schiff glich einem Hindernislauf.
Sie hatten nur die Möglichkeit, dass Schiff ihrer Feinde so gut sie konnten zu beschädigen und damit vielleicht zu erreichen, dass es von außerhalb angreifbar war. Spock führte seine kleine Gruppe an und verhinderte, dass sie gleich an der nächsten Ecke gesehen wurden. Von jetzt an konnte jeder Schritt entscheidend sein.
Tiaren lauschte noch immer ins Dunkel. A´keburs Atem war etwas schneller geworden und auch seine Körpertemperatur war gestiegen. Tiaren beruhigte das nicht sonderlich, doch er wollte A´kebur auch nicht wecken. Er sollte so viel Schlaf bekommen, wie es nur ging. Nur A´kebur bewegte sich bereits wie ein Erwachender. Er stöhnte leise, als ob er Schmerzen hätte. Reflexartig strich Tiaren ihm über die Stirn. "Dir geht es wieder schlechter", konstatierte er leise. "Ich wünschte, ich könnte etwas tun." A´kebur wehrte ihn halb ab und schüttelte den Kopf. "Mir geht es gut!"
"Erzähl keinen Mist! Du glühst. Und ich merke deine Kopfschmerzen", gab Tiaren zurück.
A´kebur lächelte ungesehen. "Ich werde das nächste Mal ein Hypospray einpacken", versprach er.
"Pack lieber einen Arzt ein. Wenn unsere Kerkermeister das nächste Mal auftauchen, frage ich nach medizinischer Versorgung für dich."
A´kebur hielt ihn fest. "Nein!" Er richtete sich halb auf. "Es geht wirklich. Und McCoy sagte, dass es bald aufhört. Die Zeit ist fast um – glaube ich zumindest."
"Und du denkst, du hältst das noch solange aus?", wollte Tiaren wissen. "Ich habe da so meine Zweifel."
"Ich muss. Ich habe keine Wahl. Und sie werden mich nicht behandeln. Du vergisst, als was sie uns sehen."
"Aber sie interessieren sich für uns. Ansonsten wären wir schon tot, soviel steht fest." Tiaren strich weiter über A´keburs Kopf, bis dieser sich an ihn lehnte.
"Wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich das Kommando abgeben. Aber ich bin jetzt sowieso allein."
Tiaren lachte ins Dunkel hinein. "Allein? Ich bin auch noch da, schon vergessen? Und wen willst du hier kommandieren?"
"Unbestechliche Logik", murmelte A´kebur. Er versteifte sich kurz. "Sie sind geflohen", flüsterte er. "Es ist ihnen gelungen. Wie lange habe ich geschlafen?"
"Ich weiß nicht, etwa eine Stunde. Man verliert hier das Zeitgefühl. Und wenn sie geflohen sind, besteht vielleicht doch noch eine Chance." A´kebur versank ein Stück in den Bereich, in dem ihm Tiaren nicht wirklich folgen konnte. Aber er fühlte jetzt, was A´kebur bemerkt hatte. "Ich glaube, ich habe doch weniger Zeit, als ich dachte", meinte er dann unvermittelt.
Tiaren hielt ihn fest. "Und warum sagst du mir das erst jetzt?", knurrte er.
A´kebur lachte humorlos. "Warum hätte ich herumjammern sollen?", fragte er.
"Denkst du, du nützt tot irgendjemandem etwas? Das hat nichts mit Jammern zu tun, du veruul[1]!" Tiaren war jetzt wirklich wütend. "Ich verstehe nicht genug von vulkanischem Blutfieber, aber ich weiß, dass es irgendwann den Körper überbelastet!"
"Stimmt", antwortete A´kebur ruhig. Er hatte Durst und seine Sinne wurden unscharf. Er atmete tief durch.
"Und ich will jetzt wissen, ob ich dir helfen kann und wenn ja, wie!" Tiaren klang nun eher besorgt denn wütend. A´kebur tastete nach seiner Hand. Ungesehen schüttelte er den Kopf. "Nein, ich glaube nicht. Noch einmal Sex überstehe ich ehrlich gesagt nicht. Ich fürchte, ich brauche Medikamente. Mineralien. Stärkungsmittel. Ich weiß nicht, ich bin kein Arzt."
"Irgendwann wird man uns sicher etwas zu essen und zu Trinken geben. Aber bis dahin …" Tiaren überlegte. "Ich kann dir nur mein Blut anbieten."
A´kebur merkte, wie er die Kontrolle über sich verlor und zur Seite sank. Tiaren fluchte leise. "Hey, bleib gefälligst hier!" Er schüttelte A´kebur leicht. Offenbar war dies wirklich ein Notfall. Kurzerhand zog Tiaren A´kebur näher zu sich, schob dessen Kiefer auseinander und stach mit dessen scharfen Zähnen in sein eigenes Handgelenk. Er schaffte es, A´kebur das Blut, das nun floss, einzuflößen. Er hielt ihm die Nase und halb den Mund zu, damit er schluckte und tatsächlich spürte er die Schluckbewegungen. Immer wieder, bis die Wunde versiegte, flößte er A´kebur etwas ein, zwang ihn zum schlucken und ließ ihn wieder atmen. Dann hielt er ihn, selbst erschöpft, einfach nur in den Armen.
Tiaren fühlte, dass A´kebur nicht wirklich wach war, aber auch nicht ohnmächtig. Die Flüssigkeit, die Salze und Mineralien im Blut halfen. Es war wenig, aber es war erst einmal genug, damit dieser ihm nicht entglitt. "Wehe, du stirbst", flüsterte Tiaren. "Ich verzeihe dir nie, wenn du draufgehst!"
Er hörte A´kebur im Geiste lachen, doch das wirkte seltsam schwach. Werde ich nicht.
Hoffentlich.
Tiaren wusste nicht, wieviel Zeit verging, doch irgendwann hörte er ein leises Zischgeräusch von der Wand her. Kurz darauf wurde es deutlich heller im Raum. Blinzelnd sah Tiaren hinüber zu den Ka'ossinanern. Sie schienen für einen Moment wie erstarrt, dann schienen sie das, was sie sahen, zu begreifen.
Jemand rief nach einem Arzt. Für Tiaren klang es so, dann wurden sie grob voneinander getrennt, wobei A´kebur sich nicht bewegte und wie eine Marionette in unerfahrenen Händen wirkte. Jedenfalls war klar, dass die Fremden ihn nicht sterben lassen wollten. Man schleifte sie einige Korridore weiter in eine Art Krankenstation, wo eine Ka'ossianerin sie mit mehreren Scannern abtastete. "Seine Körperfunktionen sind alle künstlich erhöht", erklärte Tiaren, damit sei nicht noch mehr Zeit verloren. "Er braucht Nährstoffe und Beruhigungsmittel."
Sie sahen ihn an, weil er ungefragt sprach. Dann nickte sie, dass er weitersprechen sollte. "Was heißt das? Warum hat er das getan? Ist das eine Art Selbstmord?"
"Es ist eine Droge, die das bewirkt, er hat keine Kontrolle darüber. Sie sollte eigentlich in einigen Tagen abklingen, aber bis dahin hält er nicht durch."
Die Ärztin winkte ihrer Assistentin und wählte dann unter einigen Geräten, die wie Hyposprays aussahen und versorgte erst mit einem davon A´kebur. "Er will also die Kontrolle über sich verlieren. Ist das so eine Art Ritual oder eine Initiation?"
"Er will es nicht. Es war ein Unfall", Tiaren sah nicht ein, dass es die Ka'ossianer etwas anging, dass er und A´kebur ursprünglich Feinde waren.
"Und es gab oder gibt kein Gegenmittel oder unsere Ankunft verhinderte, dass er das Gegenmittel bekam", schloss sie. Sie schaute auf und kontrollierte die Werte. "Ich weiß nicht, was für Werte er haben muss. Doch wenn ich sie vergleiche mit der Zeit, in der es ihm augenscheinlich gut ging, ist das immer noch nicht optimal. Was für Dinge braucht er? Feuchtigkeit? Du hast ihm Blut gegeben, weil er etwas braucht! Mineralien, Essen?"
"Alles davon. Seine Energiereserven sind erschöpft." Tiaren sah zu den Anzeigen. "Orientieren Sie sich in etwa an meinen Werten, nur mit höherer Temperatur und langsamerem Puls."
Die Ärztin wies ihm eine Liege zu und sah sich seine Werte an. Dann gab sie in ihrer Sprache Anweisungen, schnell, präzise. In steter Reihenfolge bekam A´kebur verschiedene Mittel, wobei sie immer wieder Pausen einlegen ließ. Tiaren merkte, dass sie eigentlich fast immer die Gleichen nahm, wobei sie vergleichsweise geringen Mengen nahm und wartete, ob A´kebur sie vertrug. Dann nahm sie etwas anderes und wirkte zufrieden. "Ich weiß nicht genau, was das Mittel bewirkt, aber er wirkt kräftig. Wie belastbar ist sein Körper normalerweise?"
"Sehr belastbar. Aber jetzt war er an der Grenze." Tiaren wusste, dass er damit entscheidende Informationen preisgab, aber das ließ sich nicht vermeiden.
"Wie lange war er in diesem Zustand?"
"Über eine Woche in Standardtagen."
Die Ärztin sah ihn prüfend an. "Das ist eine große Belastung. Die Bestrafung hätte ihn umbringen können. Warum ist er in seinem Zustand dann noch geflohen? Das ist selbstmörderisch."
Tiaren schmunzelte. "So sind wir eben konstruiert."
"Sie sind erschaffen worden?"
"So wie Sie auch. Ihre Vorfahren, die Bewahrer, haben uns auf verschiedenen Planeten ausgesetzt und wir haben uns entwickelt", wagte Tiaren einen Versuch ins Blaue. Die Ärztin sah ihn an, als würde sie ihn nicht verstehen. "Das Konzept Bewahrer ist mir nicht bekannt. Aber euer Gottbild scheint recht primitiv. Nun, wie es scheint, ist das Denken eurer Rassen selbstzerstörerisch. Aber ich denke, dass dieser hier leben wird. Wir werden ihn hierbehalten, damit wir eingreifen können, wenn sich sein Zustand wieder verschlimmert. Du kannst in deine Zelle zurück."
"Ich bleibe. Er ist mir anvertraut und ich bleibe bei ihm."
"Was ist das für ein Konzept: Er ist dir anvertraut!"
"Kennt ihr die Verantwortung für jemand anderen nicht?", fragte Tiaren zurück.
Die Ärztin nickte. "Aber das gilt nur für wichtige Persönlichkeiten…" Sie musterte Tiaren. "Er ist der König? Der Anführer? Eine hochgestellte Persönlichkeit?"
"Er ist mir wichtig", unterließ Tiaren es, weitere Details zu geben.
Die Ärztin schwieg einen Moment. Dann meinte sie kalt: "Unwürdige haben keine Liebe zu empfinden. Ihre Loyalität gehört ihrem Herrn. Aber das wirst du noch verstehen. Im Moment wird es nützen, das Leben dieses Unwürdigen zu retten."
"Wir sind es gewöhnt, unsere eigenen Herren zu sein", gab Tiaren ungerührt zurück.
"Nicht relevant." Sie winkte ab und gab weitere Anweisungen, die offenbar allein A´kebur betrafen. "Er scheint eine höhere Temperatur zu bevorzugen. Sein Metabolismus weist entsprechende Anzeichen auf. Ist das richtig?"
"Ja."
Die Ärztin streifte ihn mit abfälligem Blick. Ihr nächster Befehl sorgte dafür, dass A´kebur grob von seinem Overall entkleidet wurde und sich um ihn eine Art Kraftfeld aufbaute, welches die Sicht auf ihn erheblich trübte. "Gut, dann wird er dort drinbleiben und du wirst wieder in Einzelhaft genommen."
"Ich sagte, ich bleibe. Er wird sich schneller erholen, wenn ich hier bin." Tiaren hatte nicht vor, A´kebur alleine zu lassen.
"Die Schnelligkeit wird ausreichend sein." Sie winkte und wandte sich ab. Tiaren wurde im selben Moment gepackt. Er knurrte etwas auf Romulanisch. Eigentlich hatte er vorgehabt, sich soweit wie möglich friedlich zu verhalten, um nicht noch mehr Konflikte heraufzubeschwören, aber jetzt reichte es ihm. Er trat blitzschnell nach einer der Wachen, die ihn auch prompt losließ und Tiaren in die Lage versetzte, dessen Schockstab in die Hände zu bekommen. Damit entledigte er sich kurzerhand der zweiten Wache, die ihn festhielt. Sie hob nur eine Augenbraue hinter ihrer Brille und lächelte abfällig. "Barbar. Mehr bist du nicht. Nur ein Barbar!"
Tiaren grinste. "Geben Sie unsereins Ihre Technik und Waffenstärke, und die Plätze wären vertauscht. Und ich finde, für einen Barbaren komme ich gerade ziemlich weit."
Sie zischte und vor ihr baute sich ein Kraftfeld auf. "Nun, Ansichtssache. Aber es ist interessant, dass du an diesem hier so hängst. Ich glaube, es wird dich sehr zahm machen, wenn ich ihn an deiner Stelle bestrafe."
Die Vorstellung behagte Tiaren nicht, aber in ihm war noch immer genug romulanische Ausbildung, um sich auf so etwas nicht einzulassen. "Ich bin nicht so schwach. Und er auch nicht. Töten Sie ihn, töten Sie mich."
"Nein, ich werde ihn nicht töten. Diese Anwandlungen sind interessant. Aggressivität. Kämpferisches Verhalten. Ein Ehrenkodex. Wirklich faszinierend. Sie ähneln einer anderen Rasse. Wir haben sie gezähmt. Jetzt sind sie zufrieden, uns zu dienen." Sie machte ein zufriedenes Geräusch.
Tiaren lächelte noch immer. "Vergessen Sie es."
"Natürlich. Absurd in deinen Gedanken. Aber es wird so kommen", meinte sie sanft. Tiaren hörte, wie sich hinter ihm weitere Wachen sammelten. Sie schienen zu warten. "Diesen hier, den du A´kebur nennst, was ist er genau?", begehrte die Ärztin nun genau zu wissen. "Ihm gegenüber zeigten auch die anderen ein interessantes Verhalten. Ganz besonders der, der auch so geformte Ohren hat wie du."
"Wenn Sie so überlegen sind, finden Sie es heraus. Warum sollte ich Ihnen mehr erzählen als nötig?"
"Wir vermuten, dass er das Alphatier ist. Wobei interessant ist, dass man ihn trotz seiner Schwäche akzeptiert. Dass er krank ist, haben auch die anderen gewusst. Dennoch haben sie ihn nicht durch einen anderen, gesunden Anführer ersetzt. Es gab und gibt immer noch einige andere Kandidaten dafür. Aber nun genug unterhalten. Nehmt ihn mit!"
Tiaren hatte nach wie vor nicht vor, sich abführen zu lassen. Er ging in Verteidigungsposition, sobald die anderen Wachen sich rührten.
"Bitte macht das draußen!", meinte die Ärztin abweisend. "Hier ist zu wenig Platz. Sorgt dafür, dass er weiß, wo sein Platz ist."
Tiaren sah amüsiert in die ratlosen Gesichter seiner Gegner, die dann den ersten Ausfallschritt wagten. Tiaren reagierte blitzschnell, doch die Wachen schienen das vorhergeahnt zu haben, denn urplötzlich befand er sich in der Zange und mehrere Schmerzstöcke berührten ihn. Rote Blitze zuckten in Tiarens Blickfeld auf, aber er konzentrierte sich darauf, sich nicht schwächen zu lassen. Er musste bei Bewusstsein bleiben. Doch diesmal waren die Waffen höher als bei der Folter eingestellt. "Ist das alles?", knurrte er.
Er wusste nicht, ob das jetzt eine Dummheit war, die ihn das sagen ließ, aber die Antwort in Form einer höheren Einstellung, ließ nicht lange auf sich warten. "Steckt ihn in ein Kraftfeld", hörte er den Befehl der Ärztin. Noch immer nicht vollends außer Gefecht gesetzt, wehrte Tiaren sich weiter, aber als ihn ein elektrischer Schock direkt in den Nacken traf, wurde es schwarz um ihn. Die Soldaten hoben ihn hoch, verneigten sich vor der Ärztin, die die inzwischen wieder aufgestandenen Wachen mit missbilligenden Blicken strafte, dass sie sich so einfach hatten überrumpeln lassen.
Tiaren wurde einfach aus der Krankenstation geschliffen, ohne dass ihm noch irgendjemand besondere Aufmerksamkeit widmete. Nur die Ärztin sah zu A´kebur. Sie würde ihren Eindruck an die Generalin weitergeben. Wenn es um die Zähmung dieser vielen Rassen ging, würde dieses Männchen ihnen weiterhelfen.
Tiaren erwachte mit dröhnendem Schädel. Sein erster Gedanke galt A´kebur, sein zweiter der Tatsache, dass er selber nicht gerade zur Verbesserung der Situation beigetragen hatte. Und nun saß er in einer kleinen Zelle, von Energiefeldern umgeben. Ausnahmsweise hatte man ihn nicht in völliger Dunkelheit gelassen, im Gegenteil: grelles Licht verbarg nicht das kleinste Detail in seinem Gefängnis. Welche allerdings nicht vorhanden waren. Nur die Wände aus Energie schlossen einen Bereich von vielleicht vier Quadratmetern ab. Tiaren stand auf und blinzelte, wobei er versuchte, seine Kopfschmerzen zu ignorieren. Automatisch versuchte er, geistig nach A´kebur zu tasten.
Dieser schien immer noch im Koma zu liegen. Tiaren erreichte ihn nicht. Er fühlte aber, dass er dieser noch lebte.
Plötzlich kam ein durchdringendes Geräusch von allen Seiten und Tiaren hielt sich gepeinigt die Ohren zu. Er hielt es im ersten Augenblick für eine Foltermethode, als sich jedoch urplötzlich der Boden hob und er hart auf seinem Hintern landete und darüber hinaus noch das Kraftfeld flackerte, wusste er, dass es sich um einen Alarm handeln musste. Hieß das, dass die Ka'ossianer angegriffen würden? Derartige Stöße wurden eigentlich nur durch Treffer des Rumpfes verursacht, wenn die Trägheitsdämpfer ausfielen.
Tiaren richtete sich wieder auf, trat ganz nahe ans Kraftfeld heran und wartete auf die nächste Erschütterung. Noch immer schienen die Trägheitsdämpfer nicht zu funktionieren, aber die schräge Ebene blieb stabil. Doch wie erwartet, flackerte das Kraftfeld erneut heftig, als spielte gerade jemand an der Hauptversorgung und Tiaren hatte einen Verdacht, wer das sein könnte. Damit war ihm auch klar, dass das Schiff nicht angegriffen wurde. Zumindest nicht von außen. Ihre Leute waren frei und sabotierten das Schiff.
Das waren ausgesprochen gute Nachrichten. Beim dritten Flackern war das Feld so schwach, dass Tiaren hindurch kam. Es brannte zwar höllisch und versengte seine Kleidung, aber er war wieder auf freiem Fuß. Tiaren rief sich das Layout des Schiffes ins Gedächtnis und überlegte.
Sein Ziel war A´kebur. Auch auf das Risiko hin, dass er ihn nicht sofort befreien konnte. Logischer war aber, demjenigen zu helfen, der das Schiff in diese missliche Lage gebracht hatte.
Tiaren kletterte halb den Weg zur Tür und sah nach draußen. Der Gang war leer. Offenbar waren alle Wachenabgezogen worden, die der Sicherheit wegen gebraucht wurden. Umso besser für ihn. Vorsichtig schob sich Tiaren an der Wand des Korridors entlang. Eine derartige Sabotage war nur an bestimmten Stellen des Schiffes möglich und er vermutete Spocks Planung dahinter. Die Romulaner würden eher an Flucht oder an Kampf gedacht haben.
Tiaren zögerte kurz. Er wusste, dass A´kebur und Spock sich telepathisch verständigen konnten. Vielleicht sollte er es auch einfach versuchen? Trotz der Sirenen und der Erschütterungen zwang Tiaren sich, innerlich ganz ruhig zu bleiben und streckte versuchsweise seine unausgebildeten Sinne aus.
Spock, der gerade die letzten Einstellungen vornahm, um eine Subraumnachricht abzusenden, drückte noch schnell einen Knopf, ehe er seinem Erstaunen nachgab. Er sah sich hastig um und gab das Zeichen, dass sie sich irgendwohin verstecken mussten. Hier waren er und seine Gruppe zu weit weg von jeder Fluchtmöglichkeit, dafür jedoch war das Schiff sichtbar. Alle, die die Nachricht abfingen, wussten Bescheid und sie hatten die Hauptenergieversorgung zum Schwanken gebracht. Es reichte nicht, um sie zum Zusammenbrechen zu bringen, aber der Schaden war dennoch immens. Jetzt aber versank Spock im kurzen Rapport und ignorierte den fragenden Blick des Botschafters. Mr. Tiaren?, fragte er.
Tiaren konnte es kaum fassen, als er leise, aber unmissverständlich eine Antwort vernahm. So deutlich er konnte, projizierte er seine Frage: Brauchen Sie Unterstützung? Ich wurde vom Captain getrennt und wollte ihn suchen.
Spock zögerte kurz. Wie auch immer er es betrachtete, sie waren alle in einer problematischen Lage. Mr. Tiarens Anwesenheit würde daran kaum etwas ändern. Nein, gehen Sie zum Captain und versuchen Sie, mit ihm zu fliehen. Ich weiß nicht, wo Sie sich befinden. Aber suchen Sie diesen Ort auf! Er projizierte die Übersicht und markierte das Shuttledeck. Oder das, was er dafür hielt. Die Transporter werden stark bewacht. Aber vielleicht ist hier eine Flucht möglich. Leben Sie lang und in Frieden. Spock Ende.
Der Kontakt brach ab und ließ Tiaren mit höllischen Kopfschmerzen zurück. Es fühlte sich so an, als wolle sein Schädel gleich platzen, doch er atmete tief durch und versuchte, sich wieder unter Kontrolle zu bringen. Als Erstes brauchte er eine Waffe, und dann musste er zur Krankenstation kommen, um A´kebur herauszuholen. Tiaren hielt sich fest, als das Schiff ein weiteres Mal bebte und lief den Gang hinunter, so schnell es eben ging. Er musste zwei Decks nach oben, aber die Lifte waren keine gute Idee. Er suchte etwas, was einem Notaufstieg am nächsten kam. Jedes Schiff hatte so etwas. Auch die von Rassen, die man nicht kannte. Technik, die von Natur aus ausfallen konnte, sollte nicht dazu führen, dass ein Schiff völlig außer Kontrolle geriet. Techniker musste zur Reparatur und Sicherheitsdienste an den Ort der Gefahr.
Tiaren berührte eine Wand und sie leuchtete auf. Als er sie ein zweites Mal berührte, sah er dünne Linien, die die Decks miteinander verbanden. Daneben waren Erklärungen in der ihm fremden Schrift. Aber er brauchte auch so nicht mehr wissen. Keine zwei Meter von ihm war so ein Strich, der eine Notverbindung oder einen Versorgungsgang bedeuten konnte. Er suchte aufmerksam und fand dann eine Änderung der Zeichen und Dekorationen an der Wand, die rund wirkte. Tiaren konstatierte einmal mehr, dass dieses Schiff viel zu üppig dekoriert wirkte, um jemals wirklich den Eindruck eines Kriegsschiffes zu haben. Es war offenbar niemals dafür vorgesehen gewesen, was auch die Abwesenheit von Arrestzellen erklären würde. Offenbar hatten die Frauen, die hier das Kommando hatten, es eher darauf angelegt, alles schön hübsch und bequem zu haben. Dass das Schiff dennoch funktionstüchtig war, war wohl eher anderen Umständen zu zuschreiben. Tiaren berührte die Muster und sie veränderten sich, dann öffnete sich vor ihm ein Gang. Er hatte richtig vermutet.
Mit einem zufriedenen Lächeln kletterte er hinein und erklomm die leicht leuchtenden Leitersprossen nach oben. Als er zum zweiten Mal einen Ausstieg erreichte, schlüpfte er hindurch und berührte erneut die Wand, die sich für ihn öffnete. Vorsichtig blickte Tiaren hinaus. Am Ende des Ganges standen zwei Wachen. Sie blickten in die entgegengesetzte Richtung. Tiaren huschte bis zum nächsten Schott und verschwand dahinter. Sie bemerkten ihn auch jetzt nicht.
Er wechselte auf diese Weise auf das Deck, wo A´kebur seiner Empfindung nach sein musste. Plötzlich machte das Schiff wieder eine schlingernde Bewegung und der Boden war wieder besser begehbar. Tiaren hatte sich aus purem Reflex heraus festgehalten und gewartet, bis wieder alles an seinem Platz war und sein Gleichgewichtssinn wieder funktionierte. Dann sah er sich draußen um und erkannte, dass er richtig vermutet hatte. Er befand sich auf der Ebene, wo die Krankenstation lag. Schritte und Stimmen verrieten ihm, dass hier kein leichtes Durchkommen war. Was gäbe er jetzt für einen Disruptor. Aber ihre Waffen wurden ganz sicher unter Verschluss gehalten und die Wachen im Schiff hatten nur diese albernen Elektrostäbe. Tiaren warf einen Blick in den Bereich vor der Krankenstation. Hier tummelten sich mindestens vier Wachen.
Tiaren schätzte kurz das Kräfteverhältnis ein und gab sich eine gute Chance. Die Männer mochten zwar kräftiger als er sein, aber Tiaren hatte immer mehr das Gefühl, dass diese Rasse schon seit ewigen Zeiten nicht mehr auf solchen Widerstand gestoßen war und erst recht kaum körperliche Gewalt einsetzen mussten.
Es fehlte eine gewisse Erfahrung, wenn auch nicht an Technik. Wenn er also das Überraschungsmoment nutzte und nicht gleichzeitig auf alle Wachen losging, hatte er eine Chance. Als einer der Soldaten näher an dem Schott vorbeikam, klopfte Tiaren leicht gegen die Wand. Die Wache stutzte und sagte etwas zu den anderen, dann folgte er dem Geräusch, spähte um die Ecke, wo er die Quelle vermutete. Tiaren war sofort in Deckung auf der anderen Seite gegangen und wartete, bis der Ka'ossianer ganz im Raum war und seine Kameraden ihn nicht mehr sehen konnten. Und während der Soldat ihm den Rücken zuwandte, schlich Tiaren sich an ihn heran griff blitzschnell nach dessen Hals.
Der Ka'ossianer hatte keine Zeit mehr zu schreien und es dauerte nur wenige Augenblicke, bis er bewusstlos war. Tiaren nahm ihm den Elektroschocker ab und stellte ihn auf höchste Stufe. Zumindest kurzfristig sollte das helfen.
Er schlich sich wieder zurück zur Krankenstation. Es war offensichtlich, dass die meisten Crewmitglieder noch immer damit beschäftigt waren, dass Schiff wieder in Ordnung zu bringen. Tiaren rechnete aber nicht damit, dass mit einem Mal plötzlich Flutlicht in dem Gang und in allen Zimmern aufflammte. Erschrocken hielt er sich die Augen zu. Auch er als Tagwesen brauchte seine Zeit, um diesen Wechsel zu verkraften. Die Wachen jedoch brüllten auf, als würden sie verbrannt werden.
Offenbar hatten die Saboteure noch etwas zu ihrem Vorteil entdeckt.
Tiaren stürmte los und stieß die Soldaten zur Seite, die nicht aussahen, als würden sie im Augenblick eine Gefahr für ihn darstellen. Die Tür zur Krankenstation öffnete sich für ihn; auch dort war das Licht angeschaltet worden. Die Ärztin taumelte und wimmerte. Sie schien kaum Herr ihrer Sinne. Nicht einmal die Brille schien sie zu schützen. Ganz offensichtlich war das grelle Licht in seiner Zelle dafür gewesen, um ihn zu foltern. Tiaren rechnete auf einmal damit, dass sie eine Chance hatten, das Schiff nicht nur zu verlassen. Sie konnten es auch übernehmen.
Von diesem Gedanken beflügelt, prüfte er schnell A´keburs Werte. Ihm ging es gut, aber er schlief noch immer. Dafür war aber keine Zeit mehr. Mit all der mentalen Kraft, zu der Tiaren fähig war, rief er nach dem Mann, mit dem er auf das Tiefste verbunden war. Los, wach auf, A´kebur! Er spürte am Rande Widerwillen, aber offenbar hatte er ihn tatsächlich erreicht.
Tiaren versuchte das Kraftfeld zu unterbrechen. Es fühlte sich warm an. Fast wie ein Brutkasten, stellte Tiaren fest. Es war natürlich ein Risiko, A´kebur jetzt dort herauszuholen, aber dessen Zustand hatte sich in jedem Fall verbessert. Tiaren überprüfte die Kontrollen an der Seite und drückte die Schaltfläche, die seiner Meinung nach zum Ausschalten gedacht war. Er hatte richtig geraten. Das Feld verschwand. "A´kebur!" Tiaren berührte ihn leicht an der Schläfe. Sein unfreiwilliger Gefährte bewegte sich eindeutig unwillig und trieb am Rande des Bewusstseins. Die Werte stiegen.
A´kebur nahm einen tiefen Atemzug und kämpfte unter Tiarens Berührung um Kontrolle, die ihm eindeutig schwerfiel.
"Los, komm schon, Captain! Dir geht es besser, das merke ich doch. Schlafen kannst du später", murmelte Tiaren und konzentrierte sich ganz auf A´kebur.
"Ich schlafe nicht", murmelte A´kebur mit träger Zunge. Tiaren fluchte leise. Beruhigungsmittel. Deshalb hatte A´kebur Schwierigkeiten. Immer wieder kämpfte er gegen das Weggleiten in den Schlaf an. Und Tiaren wagte es auch nicht, ihm eine Stimulanz zu geben, schon gar nicht, da er nicht wusste, wo er so etwas in der fremd beschrifteten Krankenstation fand. Also blieb nur noch eines. Tiaren holte aus und versetzte A´kebur ein paar kräftige Ohrfeigen. Er hörte erst auf, als dieser die Augen aufriss und seine Hand festhielt. "Genügt", rief er scharf.
Tiaren grinste. "Captain, melde mich zur Stelle. Botschafter Spock und seine Leute haben das Schiff sabotiert. Es sieht gut für uns aus."
A´kebur hielt sich mit einem Schnaufen die Augen zu. "Ich glaube, ich kann es mir vorstellen." Er setzte sich mit einem Ruck auf und sah die katatonisch wirkende Ärztin, die immer wieder zuckte, als würde jemand sie mit Elektroschockern quälen. "Daher also die Lichtscheu", murmelte A´kebur, hielt sich jedoch nicht mit weiterer Betrachtung auf. "Hast du etwas gesehen, was ich anziehen kann", kam er erst auf ein anderes Problem zu sprechen. Tiaren verkniff sich jeglichen Kommentar darüber, dass ihn das nun überhaupt nicht störte, doch dann sah er sich suchend um und wurde in einem der Schränke schließlich fündig. Er reichte A´kebur den Overall und keine Sekunde später hatte dieser wieder verhüllt, was er eigentlich ganz ansehnlich fand. "Wir müssen auf die Brücke. Ich vermute, es wird sich jemand auf den Weg zum Maschinenraum gemacht haben. Wir müssen die Brückenkontrollen übernehmen, dann können wir sie in die Knie zwingen."
"Dann beeilen wir uns besser."
Tiaren musterte A´keburs Haltung und war noch nicht ganz überzeugt, dass dieser wieder hundertprozentig fit war. A´kebur sah ihn verärgert an. "Ich bin in Ordnung. Hör auf damit, mein Kindermädchen zu spielen!"
"Einer muss es ja, wo Spock gerade beschäftigt ist." Tiaren grinste wieder. Es tat unbeschreiblich gut, A´kebur in seiner alten Form zu sehen.
"Was hat Spock damit zu tun?", schnappte A´kebur, erwartete aber offensichtlich keine Antwort. Er ging zur Tür und sah sich auf dem Gang um. Überall stöhnten die Ka'ossianer. "Licht muss für sie wie Folter sein", murmelte A´kebur und wirkte für einen Moment betroffen. "Die Brücke ist drei Decks über uns."
Tiaren hatte da wenig Mitleid. "Warum stehen wir dann noch hier herum?", wollte er wissen.
"Damit du ein wenig Text hast!", knurrte A´kebur und lief los.
Tiaren folgte ihm, noch immer grinsend. Der Boden blieb stabil unter ihnen und sie kamen mühelos voran. Da Tiaren das Layout der Wartungsschächte bereits kannte, brauchten sie auch den Lift nicht. Nach einigem Klettern kamen sie auf dem Kommandodeck an. A´kebur berührte den Ausgang, der sich anstandslos vor ihm öffnete. Er sah zu Tiaren und zuckte kurz mit der Augenbraue. Dann kletterte er hinaus. Hier herrschte das bereits gewohnte Zwielicht. A´kebur brauchte einen Moment, um sich daran zu gewöhnen, dann sicherte er den Gang bis zur nächsten Ecke. Sie waren fast an der verzierten Tür angekommen, die den Eingang zur Brücke markierte, als eine weitere Erschütterung sie fast von den Füßen riss. Der Computer warnte vor Hüllenbrüchen. "Entweder hat Spock es übertrieben oder wir werden jetzt doch endlich beschossen", resümierte Tiaren.
A´kebur warf ihm einen Blick zu. Er zog sich auf die Beine. Der nächste Einschuss erfolgte. "Warum ist dieses Deck nicht gesichert?", zischte er. Dann berührte er die Schalttafel die Waffe fest in der Hand.
"Die Ka'ossianer sind ziemlich selbstsicher. Mit so etwas haben sie kaum gerechnet", murmelte Tiaren. "Aber vorsichtig sollten wir trotzdem sein."
Das Schott glitt zur Seite; dahinter war es deutlich dunkler als auf dem Gang. Offenbar hatte die Brücke ein separates Sicherheitssystem. A´kebur ignorierte, dass sie nicht ungünstiger im ganzen Universum stehen konnten. Die Verblüffung, die ihr Erscheinen auslöste, verschaffte ihnen aber Zeit genug. Er sah im Grunde nicht viel, aber die Frau vor ihm, die sich ihm erstaunt zugewandt hatte, war die Generalin. Er richtete die Waffe auf sie: "Übergeben Sie Ihr Schiff!", forderte er. Sie zischte und sprang zur Seite. Im gleichen Augenblick glitt das Schott hinter A´kebur und Tiaren zu, die unwillkürlich einen Schritt vorwärts gemacht hatten; nun sahen sie selbst kaum mehr die Hand vor Augen. Laser zischten an ihnen vorbei, verfehlten sie nur um Haaresbreite. Mit den Elektroschockstäben waren sie praktisch hilflos.
Aber wie Tiaren gefürchtet hatte, schien A´kebur das nicht sonderlich zu interessieren. Dieser schlug den nächsten in seiner Nähe bewusstlos und nahm diesem einen weiteren Stab ab, stellte ihn auf die höchste Einstellung und schien die Generalin angreifen zu wollen. Doch sie war nicht einmal richtig auszumachen. Die Ka'ossianerin bewegte sich blitzschnell und feuerte erneut auf A´kebur. Tiaren sah den Schuss nur aus dem Augenwinkel, doch ehe er noch begriff, was er eigentlich tat, hatte er diesen zur Seite gestoßen. Glühender Schmerz bohrte sich durch ihn, als das Geschoss traf. A´kebur fing ihn auf und ließ ihn zu Boden gleiten, dann schlug er den bewusstlos, der so dreist war, ihm zu nahe zu kommen. Ihm nahm er den Phaser ab und schoss. Die Generalin rief etwas und A´kebur wirbelte zu ihr herum. Er traf nur ihre Beschützer.
Die Generalin fauchte erneut. "Tötet sie!" Die Wachen, die sich vor sie gestellt hatten, nahmen A´kebur ins Kreuzfeuer.
Dieser suchte eilig Schutz hinter dem Kommandosessel und schoss. Er hatte nicht vorgehabt, sich so ein Gefecht zu liefern. Tiaren war in seinen Gedanken, aber er war noch immer bewusstlos und A´kebur hoffte, dass kein Schuss ihn traf. Er glaubte aber auch nicht, dass die Ka'ossianer auf einen Wehrlosen schossen. Wenn doch, dann musste er das Risiko eingehen. Er traf einige der Offiziere und Sicherheitsleute, die Generalin aber nicht.
Dafür erwischte ihn ein Streifschuss am Arm und ließ diesen taub werden, A´kebur ignorierte es. Er war eingekreist und konnte die Position kaum halten. Entgegen des Befehls, wirkten die Wachen der Generalin nicht so, als wollten sie ihn wirklich töten. Etwas stimmte mit diesem Volk nicht. A´kebur schoss auf den Mann, der ihn in diesem Moment direkt eingreifen wollte. Jedoch nur mit einem Schmerzstock in der Hand. Sie wollten ihn wirklich lebend. A´kebur rechnete noch mit drei, vier Sekunden, ehe sie ihn hatten.
Ehe er zuende gezählt hatte, gingen mehrere Stöße durch das Schiff und ließen jeden auf der Brücke hilflos wie Laub durch die Luft taumeln. A´kebur kam hart auf und stieß sich schmerzhaft. Dennoch ließ er keinen seiner Feinde aus dem Blick. Denen erging es zum Teil schlechter.
Obwohl sie sich so schnell bewegen konnten, schien ihr vergleichsweise großer Körperbau sie leichter aus dem Gleichgewicht bringen. A´kebur schaffte es, einen weiteren der Soldaten zu treffen, dann hatte er plötzlich die Generalin im Visier. Er zögerte nur kurz, berührte einen Sensor und hoffte, dass er die Waffe auf Betäubung stellte und schoss. Die Generalin schrie auf, Unglauben in ihren Augen, dann sackte sie zusammen. Die noch verbliebenen Wachen starrten entsetzt zu ihr hinüber und machten keine Anstalten, A´kebur weiterhin anzugreifen. Dieser erhob sich.
Offenkundig war hier niemand handlungsfähig, wenn die Generalin außer Gefecht gesetzt worden war. A´kebur hielt seine Waffe in die Richtung der Frau, in der er die Erste Offizierin erkannte. "Übergeben Sie mir das Schiff!", wiederholte er.
Sie fauchte, gab aber keine Widerworte mehr. A´kebur trat hinüber zu den Kommandopulten, seine Feinde immer im Auge. Jetzt brauchte er eine Funkverbindung zu Spock und eine nach draußen, um zu erfahren, wer immer sie angegriffen hatte. Er winkte die Männer, dass sie ihre Waffen fallen lassen sollten und nahm der Frau ihren Phaser ab. "Kontaktieren Sie die Enterprise oder ein anderes Schiff", befahl er ihr.
Sie zögerte, dann berührte sie die Schaltfläche. Auf dem hinteren Bildschirm erschien die Enterprise, stark beschädigt, sowie die Romulanerschiffe und ein Klingonischer Warbird. Aus den Lautsprechern klang schließlich eine vertraute Stimme: "Hier ist Commander Aera von der USS Enterprise, Wir fordern Sie auf, zu kapitulieren!"
A´kebur zog die Augenbrauen zusammen. Doch er reagierte schnell. Für Fragen war immer noch Zeit. "Hier Captain A´kebur vom Raumschiff der Ka'ossianer! Erfassen Sie meine Position und schicken Sie ein bewaffnetes Sicherheitsteam."
"Aye, Sir." Commander Aera verbarg erfolgreich ihr Überraschung. "Die Romulaner wollen ebenfalls ein Team schicken, um ihre Leute zu bergen, wir haben im Augenblick einen Waffenstillstand. Außerdem ist der Klingonische Warbird Kra'tarr zu unserer Unterstützung gekommen unter dem Kommando von Captain Chrhom. Ich vermute, Sie kennen ihn."
A´keburs Herz stockte kurz, dann nickte er. "Ja, wenn auch er eine Delegation schicken will, dann halten Sie ihn nicht auf", meinte er. Die Erste Offizierin keuchte. Sie sah ihn wütend an. "Was erlaubst du dir, Unwürdiger?"
A´kebur lächelte und hob leicht seine Waffe an. Die Geste war unmissverständlich. Sie schwieg, ihr wütender Blick sagte alles. Einige Augenblicke später erschien das Sicherheitsteam und nahm die Ka'ossianer in Gewahrsam. Bei ihnen war außerdem Dr. McCoy. "Captain, es ist gut, Sie wiederzusehen", begrüßte er A´kebur. "Sie scheinen ja recht wenig abbekommen zu haben ausnahmsweise."
A´kebur enthielt sich eines Kommentars. "Kümmern Sie sich um Mr. Tiaren. Er hat genug abbekommen." Dann wandte er sich an die Sicherheitsleute: "Ich weiß nicht, wie groß dieses Schiff ist. Aber ich schätze, dass es eine Besatzung von 900 bis 1.000 Individuen gibt. Gehen Sie von Widerstand aus. Diese Rasse ist lichtempfindlich. So lange es so hell ist, wie auf den übrigen Decks, sind sie hilflos. Ich weiß nicht, wo die Gesandten sind und die Besatzungsmitglieder der jeweiligen Schiffe. Sie sind unter Umständen frei und bewaffnet."
Die Sicherheitsleute nickten und machten sich auf den Weg; einer der Techniker, die nun herübergebeamt kamen, fanden den schiffsinternen Com-Link und konnten sich mit Spock und den anderen verständigen. Den beiden Botschaftern und Ch'Grawbil ging es gut, und auch die Romulaner samt Sokala waren wohlauf. McCoy war derweil zu Tiaren gegangen und scannte dessen Lebensfunktionen. "Was war das für eine Waffe?", wollte er wissen, während er den verkohlten Stoff beiseite zog und ein Hypospray injizierte.
A´kebur warf ihm die Waffe der Ersten Offizierin zu. "Diese hier." Er sah, wie ein Brückenmitglied nach dem anderen festgesetzt wurde. Die Offizierin kochte derweil innerlich. Sagte aber kein Wort mehr. A´kebur setzte sich auf den Kommandosessel und überprüfte die Funktionen. "Wir brauchen eine Notbesatzung", murmelte er. Er öffnete erneut den Com-Kanal und gab den entsprechenden Befehl. Commander Aera bestätigte das. "Die Romulaner werden darauf bestehen, ebenfalls Leute hinüberzusenden. Bisher erwies sich die Kooperation als recht erfolgreich."
"Wir haben sowieso nicht genug Leute, um alle Stationen hier zu besetzen. Auch das klingonische Schiff soll Leute schicken."
"Das werden sie sicher, Sir. Und wir hoffen, Sie schnellstmöglich an Bord begrüßen zu dürfen."
"Ich hoffe es auch. Ich melde mich in einer halben Stunde wieder. Bleiben Sie mit der Sicherheit in Kontakt. A´kebur ende."
"Aye, Sir."
A´kebur sah sich um; die Leute schienen alles unter Kontrolle zu haben. "Captain?", meldete sich McCoy wieder. "Ich hätte ihn gerne auf der Krankenstation. Die Verbrennungen sind zwar nicht lebensbedrohlich, aber ich brauche mein Equipment."
A´kebur nickte. "Beamen Sie auf die Enterprise. Nehmen Sie auch die Leute auf, die verletzt worden sind. Ich hoffe, dass sie bald gefunden werden. Sagen Sie Commander Aera, ich bräuchte einen Kommunikator und eine Uniform. Wenn Sie Zeit erübrigen kann. Die Uniform eilt nicht."
"Ich sorge gleich dafür, Sir", schmunzelte McCoy, während er den Captain musterte, dann gab er den Befehl zum Beamen zur Enterprise.
Die nächsten Stunden verbrachte A´kebur damit, die Übernahme des fremden Schiffes zu überwachen und alle Verletzten versorgen zu lassen. Die Schiffsmannschaft ließ er in den Quartieren einsperren, nachdem gesichert war, dass sie von dort nicht fliehen konnten und die Taktik, die sie verwandt hatten, nun gegen ihre Besatzer verwendeten.
A´kebur erlaubte sich erst ein Durchatmen, als die Meldung kam, dass alles gesichert war. Keine Sekunde später meldete sich der Captain des klingonischen Schiffes. Sein Großneffe Chrhom grüßte ihn traditionell und mit einem zufriedenen Grinsen. "Erfolgreiche Jagd hattest du, Onkel", meinte er.
A´kebur lächelte. "Es war unvermutetes Wild, aber der Erfolg war auf unserer Seite. Aber wie kommt es, dass ich dich hier sehe?"
"Zufall und Glück. Wir waren auf Patrouille, als wir einen Kampf hier im Sektor bemerkt haben. Wir hätten uns nie eingemischt, wenn es Föderation gegen Romulaner gewesen wäre, aber was beiden Seiten Ärger macht, wäre auch für uns eine Bedrohung." Chrhom grinste und entblößte scharfe Zähne. "Offenbar hatte ich damit Recht. Und ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sage, aber die Romulaner haben ehrenvoll gekämpft."
A´kebur verzog den Mund. Von seinem Standpunkt aus war diese Aussage eher relativ. "Nun, in diesem Treffen ging es um die Ehre der Romulaner. Sie scheinen etwas …", er zögerte kurz, "gelernt zu haben. Aber Kahless scheint mit mir zu sein, dass er deine Wege ausgerechnet mit den meinigen kreuzt. Grüße deinen Vater!"
"Das werde ich. Vorerst sind wir aber hier noch die besten Freunde mit den Romulanern und der Föderation." Das Grinsen wurde breiter. "Deine Erste Offizierin ist übrigens eine ganz schöne Handvoll, weißt du das? Eiskalt wie ein Vulkanier, aber sie weiß, was im Kampf zu tun ist."
A´kebur sah Chrhom erstaunt an. Dann fasste er sich jedoch eilig und meinte grinsend: "Dein Geschmack ist faszinierend. Ich werde ihr deine Bewunderung und das Kompliment überbringen."
Sein Neffe knurrte leise. "Wehe. Und selbst wenn, immer noch besser als dein Geschmack."
"Ich schätze, das Universum pflegt eine besondere Form des Humors. Es bringt nichts, dagegen zu lamentieren. Danke aber für deine Unterstützung."
"Kahless sei mir dir, Onkel." Chrhom nickte und unterbrach dann die Com-Verbindung.
Als die Situation auf dem Schiff sich stabil darstellte und A´kebur aus den Berichten über die Enterprise und den Statusmeldungen der anderen Schiffe abschätzen konnte, dass vorerst eine gewisse Routine eingerichtet war und das Feindschiff unter vollständiger Kontrolle bleiben würde, übergab er Ch'Grawbil das Kommando. Dieser machte es sich mit einem gewissen Vergnügen in dem sonst unbewegten Gesicht bequem und sah dem Captain nach, wie dieser in einem Energieregen verschwand. Kaum dass er da war, meldete sich auch Dr. McCoy. "Captain, kommen Sie bitte in die Krankenstation?"
A´kebur seufzte tief. "Können wir das um eine Stunde verschieben, Doktor?", fragte er.
"Nein, Sir, ich fürchte nicht. Ich muss Sie noch untersuchen und das bitte sofort." McCoy ließ sich nicht abwimmeln.
A´kebur räusperte sich, meldete sich bei Aera ab und ging dann direkt zur Krankenstation. Er schätzte es, dass er nicht mehr in diesem Overall steckte, der ihm das Gefühl gab, nichts anzuhaben. Wenn er sich schon nackt fühlte, dann wollte er tatsächlich nichts auf der Haut haben. Als er die Krankenstation betrat, hatte er erwartet, dass sehr viel mehr Verletzte zu versorgen waren. Aber es war erstaunlich ruhig. "Dr. McCoy?"
"Ah ja, kommen Sie." Der Doktor deutete auf eine der Liegen. Wir hatten trotz des Angriffes nur einen Verlust, sonst nur leichte Verletzungen. Es hätte viel schlimmer kommen können. Aber wir bergen noch immer die Toten von der Planetenoberfläche", informierte er ihn ungefragt. A´kebur war dankbar. "Wer ist umgekommen?", fragte er.
"Fähnrich Hopkins. Eine der Leitern im Maschinenraum ist umgestürzt", teilte im der Doktor mit Bedauern in der Stimme mit. "Ich konnte leider nichts mehr tun. Hinsichtlich der anderen vervollständigen wir noch die Aufstellung. Vorerst sind es 23."
A´kebur nickte. "Ich werde mit Hopkins Frau sprechen und ich brauche die Liste, so schnell wie möglich", meinte er. "Wie geht es Tiaren?"
"Den Umständen entsprechend gut. Ich hatte etwas Bedenken wegen des Schocks durch den Treffer, aber seine Herzfunktionen haben sich wieder beruhigt." McCoy begann einen Tiefenscan bei A´kebur, damit ihm auch ja nichts entging. Der Arm, der den Streifschuss abbekommen hatte, war zwar nicht mehr so taub wie zuvor, aber der Doktor versah ihn trotzdem mit einigen Stimulanzien. A´kebur hielt ungewöhnlich still. "Sie haben in einer Heilstasis gelegen", murmelte McCoy erstaunt. A´kebur erinnerte sich und bestätigte. "Was ist mit der Droge? Ich scheine mein Verlangen kontrollieren zu können."
"Es sind noch Restbestände der Droge in Ihrem Blut, aber sie werden mit wachsender Geschwindigkeit abgebaut. Ich schätze, dass Sie morgen nichts mehr davon merken werden", bestätigte ihm McCoy.
A´kebur war erleichtert. Diese Droge hätte ihn fast umgebracht. "Nun, dann scheine ich wieder voll diensttauglich zu sein", meinte er und machte Anstalten, sich zu erheben.
"Nicht so schnell, ich brauche erst weitere Testergebnisse. Und Sie müssen noch einmal durch die Quarantänedusche, um sicherzugehen."
A´kebur kannte die Vorschriften. Aber er hasste diese Kammer. "Machen Sie Ihre Tests, Doktor und beeilen Sie sich!", gab er entnervt auf.
"Es dauert nicht lange", versprach der Doktor und scheuchte ihn hinüber in die Quarantänekammer. "Und danach gehen Sie in Ihr Quartier und schlafen!"
"Doktor? Ich brauche keinen Schlaf!"
"Das sagen Sie alle. Sie halten Ruhe!"
A´kebur öffnete seinen Mund und schloss ihn wieder. Er schwor, er hasste Ärzte. Und diesen würde er am liebsten einmal um die Sonne jagen und dort lassen. Aber da dieser Mann zu Starfleet gehörte, musste er davon Abstand nehmen. "Aye Sir", knurrte er und ging mit der Geschmeidigkeit eines Raubtieres zur Quarantänedusche. Er zog seine Uniform aus und ging nur mit Unterwäsche hinein. Obwohl es doch relativ schnell ging, war für A´kebur jede Minute zuviel. Kaum, dass er wieder hinaus durfte, zog er sich in Rekordgeschwindigkeit wieder an und stapfte aus der Krankenstation, McCoys Blick im Nacken.
A´kebur ging auf dem direkten Weg zur Brücke, auch wenn er noch keine Diensterlaubnis des Arztes hatte. Er wollte wissen, wie der momentane Stand war. Zudem fühlte er sich ausgeruht genug. Commander Aera stand auf und nahm Haltung an, als sie ihn sah. "Captain. Wir hatten Sie noch nicht wieder hier erwartet."
A´kebur ordnete den Einwurf als eine dezente Warnung ein. "Ich werde Sie auch nicht lange stören", meinte er. "Gibt es neue Meldungen?"
"Nein, Sir. Wenn ich jedoch neue Meldungen habe, werde ich Sie sofort darüber in Kenntnis setzen!", versprach Aera.
A´kebur nickte. "Ich bin in meinem Quartier. Wenn Botschafter Spock wieder abkömmlich ist, bitten Sie ihn darum, mit mir Kontakt aufzunehmen." Er lächelte. "Ich danken Ihnen übrigens. Sie haben gute Arbeit geleistet." Damit wandte er sich ab und ging, bevor der Arzt erfuhr, wo er war. Im Quartier angekommen, funkte A´kebur gleich Cindy an. Es dauerte keine Sekunde, bis ihr besorgtes Gesicht auf dem Bildschirm erschien. "Sag mal, musst du eigentlich immer die Probleme anziehen wie ein Magnet?", wollte sie wissen.
A´kebur hob mit ausdrucksloser Miene eine Augenbraue. "Ich denke nicht, dass es einen Magneten gibt, der Probleme anzieht. Und diese werden auch nicht geboren."
"Ausnahmen gibt es immer. Kannst du dir vorstellen, welche Sorgen ich mir gemacht habe? Das Chaos mit den Romulanern war ja noch nicht genug, dich müssen ja auch noch fremde Aliens finden und alles zerschießen. Das ist fast so schlimm wie zu Daddys Zeiten."
"Wirfst du mir irgendetwas vor?", fragte A´kebur sie eindeutig steif und alles andere als erbaut über die Vorwürfe.
"Nein, ich habe mir verdammte Sorgen gemacht!" Cindy beugte sich in ihrem Sessel vor und A´kebur sah, dass dunkle Schatten unter ihren Augen lagen. Sie wirkte um Jahre gealtert.
"Ich hatte nicht vor, dir Kummer zu machen", sagte er leise und deutlich kleinlauter, "es gab keine Anhaltspunkte, dass dieser Planet beansprucht wurde. Weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart. Du solltest schlafen gehen, Cindy. Wir haben alles unter Kontrolle." A´keburs Gesicht wurde weicher. "Bitte versprich mir, dass du dich ausruhst."
Sie lächelte. "Das muss ich dir genauso sagen. Du siehst auch ziemlich fertig aus. Aber du bist heil aus der Sache gekommen und das Universum steht noch. Nur das zählt."
"Ich hatte wohl mehr Ruhe, als du denkst." A´kebur strich über das Bild. "Und nicht jedes Mal, wenn ich Ärger habe, erzittert das Universum. Versprochen!"
"Das hoffe ich doch. Und eins noch, was hat es mit diesem Romulaner auf sich? Deine Erste Offizierin ließ nichts verlauten, nur, dass du offenbar mit ihm verbunden bist." Sie zog die Augenbrauen hoch. "Ich dachte, du hättest ihn inzwischen zerlegt, nach allem, was passiert ist?"
A´kebur senkte kurz den Blick und sah wieder auf. "Dann wäre ich jetzt tot, Cindy. Er hat mir eine Droge gegeben. Ich hätte niemand anderes akzeptieren können und ich fürchte, dass unsere Bindung nur auf Vulkan gebrochen werden kann. Bis dahin ist er der, der in meiner Zeit da ist."
Sie nickte. "Dann hoffe ich, dass du das Problem schnell loswirst. Und viel Glück, A´kebur. Ihr werdet so schnell es geht zurückerwartet."
A´kebur hätte es nicht so ausgedrückt und es tat weh, dass Cindy so sprach. Aber sie würde bestimmte Dinge nie verstehen. "Ich werde so früh es möglich ist, auf der Erde sein, wenn wir einen neuen Gesprächspartner in den Ka'ossianern gefunden haben. Alles andere ist inakzeptabel. Und jetzt geh schlafen!"
"Und du auch!" Sie grinste. "Bis bald!"
"Bis bald, A´kebur Ende!" A´kebur beendete die Verbindung atmete tief durch. Nach kurzem Überlegen kontaktierte er die Brücke. "Nachricht von Mr. Spock?", fragte er.
"Noch nicht, Sir. Aber eine vom Doktor: Sie sollen schlafen", erklärte Commander Aera.
A´kebur nickte. "A´kebur ende." Dann tippte er auf seinen Kommunikator. "Doktor?", rief er.
"Wieso sind Sie noch wach?"
A´kebur unterdrückte ein Stöhnen. "Dr. McCoy, Sie sind der Arzt dieses Schiffes. Aber wie ich mich erhole oder nicht, geht Sie nichts an. Selbst wenn Sie mir in dieser Hinsicht jegliche Kompetenz absprechen, beenden Sie die Überwachung meines Quartiers, A´kebur Ende!"
"Ich tue hier nur meine Arbeit, Sir", verteidigte sich der Doktor. "Und in der Hinsicht haben Sie keine Befehlsgewalt."
"Ich werde mich nicht mit Ihnen streiten, Dr. McCoy. Aber sollten Sie es aus dem Stand heraus schaffen, auf der Stelle einzuschlafen, gratuliere ich Ihnen, Doktor. Ich für meinen Teil werde jetzt meditieren. Respektieren Sie meine Privatsphäre."
"Meditieren ist in Ordnung. Sie sollen nur nicht arbeiten oder, was weiß ich, Gewichte stemmen." McCoy lachte leise. "Ich lasse Sie jetzt in Ruhe, Sir."
"A´kebur Ende!", hörte er seinen Captain noch knurren. Dann war Ruhe im Äther. Was er nicht wusste, war, dass dieser sich die Schläfen rieb und am liebsten aufgesprungen wäre. Doch dann beruhigte er sich und erinnerte sich an die Meditationsformeln seines Onkels. Er hatte durch das künstliche Blutfieber schon zu lange nicht mehr meditieren können. Es war gefährlich, da seine Barrieren darunter litten. Er hatte schon jetzt fast jeden Gedanken lesen können, wenn er es gewollt hätte, ohne dabei auch nur jemand berühren zu müssen.
A´kebur zog seine Uniform aus und wählte sein Meditationsgewand. Dann stellte er die Kerze auf, entzündete sie und setzte sich davor. Trotz der jahrelangen Übung brauchte er wie nach jedem Blutfieber sehr viel länger, um in genau den Bereich seines Bewusstseins zu kommen, den er brauchte, um sich zu entspannen. Dann ließ er jegliche Anspannung weichen, die noch störte.
[1] Idiot
Doktor McCoy wandte sich mit einem Seufzen wieder seinen anderen Patienten zu. Der Captain war wirklich unverbesserlich, aber er hatte noch nie gehört, dass es in der Geschichte von Starfleet einen Captain gegeben hatte, der die Krankenstation und die Anweisungen des Arztes liebte. Wenigstens waren seine anderen Patienten friedlich.
"Doktor?" Tiaren war endlich aufgewacht und versuchte sich aufzurichten. Sein ganzer Oberkörper fühlte sich ziemlich taub an.
Dr. McCoy seufzte. Er fürchtete, dass er wohl seinen letzten Gedanken revidieren musste. "Ich bin hier. Und Sie bleiben liegen, Mr. Tiaren."
Tiaren ließ den Kopf wieder sinken. "Ist was zurückgeblieben oder bin ich ganz?"
McCoy trat näher und sah zu den Werten auf. Dann schaute er wieder runter. "Nein, wenn was zurückgeblieben wäre, dann sollte ich meinen Abendkurs in romulanischer Physiologie noch mal machen. Sie werden wieder vollkommen in Ordnung sein."
"Gut zu wissen. Wie geht es A´kebur?", war Tiaren nächste Frage.
"Dem Captain geht es auch gut. Er meditiert im Moment. Etwas, was Sie vielleicht auch tun sollten. Sie können natürlich auch schlafen."
"Meditieren, schlafen? Nicht wirklich. Ich habe lange genug geschlafen." Erneut versuchte Tiaren sich zu erheben. Er hatte keine Lust hier unnötig herumzuliegen, wo es ihm doch offenbar wieder gut ging.
"Liegen bleiben", erhob McCoy drohend seine Stimme, "oder ich stelle Sie ruhig. Sie sind noch nicht genesen. Sie fühlen sich nur gut, weil die Medikamente dafür sorgen."
Tiaren hob eine Augenbraue. "Und ich dachte, romulanische Ärzte wären gnadenlos."
McCoy grinste breit. "Dann sind Sie noch keinem Menschen begegnet. Und jetzt schlafen Sie!"
Tiaren seufzte. "Ich hätte Sie erschießen sollen, als ich die Gelegenheit hatte."
"Noch so etwas und ich mache Ihnen einen Einlauf!" Damit wandte Dr. McCoy sich ab und ging offen vergnügt in seinem Reich umher. Während ihn ein paar gemurmelte romulanische Flüche begleiteten.
Spock blieb dezent hinter Chioma, während ihm nicht eine winzige Geste oder eine Veränderung der Mimik bei den Romulanern entging. Diese verhielten sich ungewohnt friedlich und kooperativ; und schon nach wenigen Stunden, nachdem sie die Ka'ossianer in ihrem Schiff festgesetzt hatten, standen sie vor dem Abschluss einer Art Kooperationsvertrag. Mehr als ein Waffenstillstand, weniger als eine Partnerschaft. Chioma und auch Spock hatten nicht damit gerechnet, dass sie soweit kommen würden. Schließlich stand der wirkliche Auftrag der Romulaner diesem Abkommen im Wege. Doch daran schienen sie nicht mehr denken zu wollen.
Alles in allem war es mehr, als man noch zu hoffen gewagt hatte und darauf war Spock bereit zu bauen. Besonders Botschafterin Sokala schien ein wenig der arrogante Kamm heruntergefallen zu sein, nach dem sie am eigenen Leib hatte erfahren müssen, dass die Romulaner nicht die Herren der Galaxis waren. Er traute ihr nach wie vor nicht, aber mit ihr war endlich auf ehrlicherer Ebene zu reden.
Sie beendeten mit einem Austausch der Vertragsunterlagen diesen Tag und beamten sich zurück auf ihre Schiffe, die noch immer nicht über die volle Einsatzbereitschaft wie bei ihrer Ankunft verfügten. Als Chioma und Spock auf die Enterprise zurückkehrten, wurde Spock gleich von Commander Aera darüber informiert, dass der Captain ihn sprechen wollte. Da das für ihn nach einer persönlichen Einladung klang, machte sich Spock auf den Weg hinüber ins Quartier des Captains und betätigte den Türsummer. Es dauerte nur einen Moment, dann ließ ihn Captain A´kebur eintreten.
"Captain? Sie wollten mich sprechen?"
A´kebur erhob sich, er hatte das Meditationslicht gelöscht. "Bitte treten Sie ein!", bat er. "Ja, ich wollte Sie sprechen. Es ist etwas Persönliches!"
Spock setzte sich. "Wenn ich Ihnen helfen kann …"
A´kebur ließ sich wieder auf seine Fersen sinken und atmete tief durch. "Ich weiß", eröffnete er, "dass Sie nicht mehr offiziell als Botschafter arbeiten. Sie sind nur in beratender Funktion vor Ort. Ich möchte nicht Ihre Privatsphäre berühren und bitte daher um Entschuldigung, wenn ich es doch tun sollte. Würden Sie aber angesichts der neuen Ereignisse diese Entscheidung noch einmal überdenken?"
Spock faltete die Hände. "Soweit die Dinge stehen, habe ich mich bereits ohnehin schon mehr eingemischt, als es meinem offiziellen Status zukommt. Aber wenn die Föderation mich offiziell wieder beauftragen will, werde ich nicht ablehnen."
A´kebur nickte leicht. "Wenn ich Sie bitten würde, schon jetzt die Verhandlungen mit den Ka'ossianern aufzunehmen, würden Sie dann annehmen?", wurde er konkreter.
"Bei allem Respekt, Sir, aber Sie können mich nicht dazu beauftragen, sondern nur der Föderationsrat", wandte Spock ein. "Aber als kommissarischer Botschafter, bis die Dinge offiziell geregelt sind, würde ich mich durchaus bereit erklären."
A´kebur lächelte. "Danke, Botschafter!", meinte er, ohne seine Zufriedenheit zu verbergen.
Spock nickte. "Und wenn ich mir ebenfalls eine persönliche Frage erlauben darf: Wie geht es Ihnen, Captain?"
A´kebur lehnte sich ein wenig zurück. "Ich habe in der Heilstasis gelegen. Offenbar hatte das einen günstigen Einfluss", erklärte er.
Spock nickte. "Und was gedenken Sie jetzt weiter zu tun?" Es war klar, dass er nicht die nächsten zwei, drei Tage meinte, sondern ganz allgemein. Aber da ganz besonders Tiaren, den vogelfreien Romulaner.
A´kebur senkte kurz seine Augen. "Ich werde nach Vulkan reisen mit Tiaren. Das Band wird getrennt werden. Wie es um das Kommando steht, werde ich sehen, ob mich meine Tochter noch ein Raumschiff betreten lässt."
"Sie haben nichts falsch gemacht, Captain. Wenn Sie wirklich gravierende Fehler begangen hätten, wäre niemand von uns jetzt hier." Spock stand auf. "Und was das Band betrifft: Überlegen Sie gut, Captain. So etwas zu trennen, ganz gleich wie es geknüpft wurde, ist alles andere als einfach zu ertragen."
"Ich habe es mir sehr gut überlegt. So wie es geknüpft wurde, ist es für mich nicht ehrenhaft. Ich werde es nicht annehmen. Die Schmerzen werden zu ertragen sein."
"Ihre Entscheidung. Aber Sie haben bereits einmal einen Bindungspartner verloren. Vulkanier verkraften sehr selten ein weiteres Mal diesen Verlust."
A´kebur nickte. "Ich verstehe", erwiderte er. "Danke für den Rat."
Spock wandte sich zum Gehen. "Wenn noch etwas sein sollte, zögern Sie nicht, mich zu benachrichtigen."
"Ich plane, in vier Stunden zu unseren neuen Freunden zu gehen. Ich würde mich freuen, wenn Sie mich als kommisarischer Botschafter der Föderation begleiten!" A´kebur hob fragend eine Augenbraue. "Ich dachte an einen beeindruckenden Auftritt!"
"Natürlich, Sir. Ich werde mich dementsprechend vorbereiten." Spocks Mundwinkel zuckten ganz leicht, dann verschwand er aus dem Quartier.
Exakt vier Stunden später und nach einer Instruktion seiner Offiziere betrat A´kebur in ungewöhnlicher Aufmachung den Transporterraum. Er war mit kostbarem Goldschmuck, in den noch kostbarere Edelsteine eingelassen worden waren, angetan. Sein Oberkörper war bar jeglicher Kleidung, er trug jedoch noch Hosen und vulkanische Wüstenstiefel - beides in Schwarz und aus teueren, handgearbeiteten Materialien gefertigt. Die Wachen waren allesamt in Galauniform, nur Spock, der ihn begleiten würde, stach ebenfalls heraus. Er trug ein reich besticktes Gewand in dunkelrot mit transparenten Abnähern. Obwohl das Gewand nun sicher nicht vulkanisch war, machte er wie immer einen würdevollen Eindruck. "Captain", grüßte er.
„Botschafter“, erwiderte dieser. A´kebur musterte alle Anwesenden, die ihn begleiten würden. "Ich denke, damit machen wir nach ka'ossianischen Maßstäben Staat genug", kommentierte er trocken. Sie machten sich bewaffnet mit lichtverstärkenden Kontaktlinsen und Waffen auf den Weg hinüber zum ka'ossianischen Schiff, wobei nur die Offiziere die Kontaktlinsen benötigten, die nicht in Gefangenschaft geraten waren. Dr. McCoy konnte derweil bestätigen, dass man ihnen während ihrer Gefangenschaft schon welche eingesetzt hatte. Der Doktor fand sie faszinierend und die Technologie war in jedem Fall weiter als das, was sie aufzubieten hatten. Ihre eigene Technologie genügt aber vorerst und der Rest würde sich ergeben.
Das ka'ossianischen Schiff wurde von Starfleet-Leuten wie auch Romuanern gleichermaßen schwer bewacht. Die Generalin war in ihrem eigenen Quartier festgesetzt worden und wurde zum Zwecke der Verhandlungen aus ihrem Quartier in einen Raum gebracht, bei dem es offenkundig um eine Art Besprechungs- oder Audienzsaal handelte. Wie alles auf dem Schiff war die Dekoration üppig, leuchtend. A´kebur und seine Begleiter suchten sich die strategisch günstigsten Positionen. Nach einem kurzen Meinungsaustausch nahm er den Platz ein, der wohl einmal der Generalin gehörte.
Sie wurde kurz darauf von zwei Wachen hereingeführt. Kühl und abfällig maß sie A´kebur. "Du nimmst dir viel heraus, Unwürdiger", zischte sie. A´kebur antwortete nicht. Er begegnete noch nicht einmal ihrem Blick. Kurz tauschte er mit Spock belanglose Worte aus, der auf dieses Spiel ohne Zögern einging. Erst dann sah er die Generalin an. "Nenn mir den Status deines Schiffes?", fragte er sie mit sanfter Stimme.
"Möge die Ewige Göttin dich verfluchen, Unwürdiger!"
"Nenne mir die Konventionen deines Volkes, die dir jemanden gleichstellen?", fragte A´kebur sie weiter.
"Nur die Frauen meines Volkes sind mir gleichgestellt, Unwürdiger!", erklärte die Generalin stolz.
A´kebur nickte. So etwas hatte er sich schon gedacht. "Nun, dann werde ich dich darüber in Kenntnis setzen, dass es Völker gibt, wo Männer ihre Frauen zu ihren Füßen rutschen lassen und sie behandeln, als wären sie nichts weiter als Vieh, welches man jederzeit ungestraft töten darf. Was ist, wenn ich dir sage, dass ich genau das mit dir vorhabe?"
"Das beweist nur, dass du ein unwürdiger Barbar bist. Eine Ka'ossianerin lässt sich nicht demütigen. Eher sterben wir!"
"Ich lasse dich nicht sterben und ich hatte nur eine Möglichkeit genannt. Du siehst hier vor dir in diesem Raum die Vertreter zweier Reiche und eines Bündnisses. Zu meiner Linken das stolze Volk der Klingonen, zu meiner Rechten das stolze Volk der Romulaner. Ich bin ein Vertreter des Sternenbundes, der die Förderation heißt und dem mehrere tausend Völker angehören und im Moment in diesem Quadranten der höchste Vertreter der Föderation. Keiner von uns ist unwürdig. Wir lassen auch nicht zu, dass wir als unwürdig bezeichnet werden. An meiner Stelle könnte eine Frau sitzen, sie würde das gleiche sagen. Wir sind auch keine Barbaren. Da wir aber von dir keinerlei Verständnis abverlangen können, da es die Beschränkungen deiner kulturellen Konditionierung nicht zulassen, müssen wir uns eine Lösung überlegen. Leider jedoch ohne dein Zutun und ohne deine Stimme. Dein rückständiges Verhalten zwingt uns leider dazu."
Die Generalin zischte. "Tausende von Schiffen werden kommen und eure lächerlichen Stimme in Feuer und Asche verwandeln! Das Ewige Reich wird das nicht einfach hinnehmen. Wir waren Millionen von Jahre vor euch hier!"
A´kebur musterte sie, dann winkte er, dass man sie fortschaffen sollte. "Bringt die Erste Offizierin und haltet die Ärztin bereit", befahl er.
Ssleath Tirr'Dran wurde als nächstes hineingeführt. Auch sie sah stolz und trotzig aus, aber ein wenig ruhiger, nicht in funkensprühenden Zorn gehüllt wie ihre Vorgesetzte. A´kebur bedeutete Spock, dass er sprechen sollte. Jetzt wollte er beobachten, wie man mit diesen widerspenstigen Frauen verhandeln konnte. Er überlegte schon, ob es nicht klug war, seinen Ersten Offizier einzuspannen und die romulanische Botschafterin. Doch Ssleath Tirr'Dran überraschte ihn, indem sie sich ganz leicht verneigte. "Anführer der Unwürdigen, ich beuge mich deiner höheren Gewalt. Was hast du mit uns vor?"
A´kebur wechselte mit Spock und den Captains schnell einen Blick. Man war sich wortlos einig, es erst einmal so stehen zu lassen. A´kebur fasste die Frau wieder ins Auge und musterte sie.
"Ich weiß, dass alle Unwürdigen erst einmal Männer sind", meinte Spock. "Wir sind jedoch weder Sklaven noch Untergebene. Für uns ist diese Bezeichnung nicht akzeptabel."
"Alle Nicht-Ka'ossianer sind Unwürdige. So will es unser Glaube und das Ewige Reich und die Ewige Göttin", gab Ssleath Tirr'Dran zurück. "Aber ich gebe mich nicht der Illusion hin, dass wir unbesiegbar sind. Du warst stärker."
A´kebur nickte. Er hatte sich schon so etwas gedacht. "Gut, dann unterlasse diese Floskel. Sie beleidigt uns. Dir ist es gestattet, zu erfahren, wie ich heiße. Mein Name ist A´kebur Lanar Re, ich bin Captain der Enterprise. Wie ich schon der Generalin sagte: Derzeit bin ich der höchste Vertreter der Föderation, einem Sternenbund, der an diesen Teil des Raumes stößt. An meiner Seite steht Botschafter Spock. Das sind Romulaner mit der Botschafterin Sokala und Commander Setrian. Auf dieser Seite stehten Vertreter des klingonischen Reiches mit Captain Chrhom als derzeit höchsten Vertreter."
Sie nickte. "Wir erkennen eure Autorität an. Aber wir warnen Euch auch, Captain: Das Ewige Reich hat bereits davon erfahren und sie werden es nicht einfach hinnehmen."
"Wir konnten unsere Gefangennahme auch nicht akzeptieren. Wir haben Euch vortreten lassen, damit wir verhandeln können. Uns war der Anspruch Eurer Rasse unbekannt. Für die Föderation gesprochen, wir erkennen den Anspruch an. Für die anderen Reiche kann ich nicht sprechen."
"Und was gedenkt Ihr zu tun?"
"Wir bitten um die Erlaubnis des Aufenthaltes auf diesem Planeten für die Zeit von einem Monat unserer Standardrechnung. Im Gegenzug bringen wir Euer Schiff wieder in Ordnung und reparieren alle sabotierten Anlagen. Des Weiteren hoffen wir auf die Gesprächsbereitschaft nach dieser Zeit um weiteren Missverständnissen vorzubeugen. Wir akzeptieren dies für unsere Reiche als Neutrale Zone. Aber wir akzeptieren keinen Machtanspruch, der in unser Gebiet hineinragt. Es bedarf also vieler Gespräche." A´kebur beugte sich wieder vor. "Daher schlage ich den Austausch von Botschaftern vor. Vielleicht auch auf diesem Planeten oder einem Planeten Eurer Wahl!"
Ssleath Tirr'Dran zögerte. "Das ist an der Generalin zu entscheiden. Sie hat mit der Endal die Verfügungsgewalt über diesen Sektor. Aber da Ihr mit mir sprechen wolltet, gehe ich davon aus, dass sie abgelehnt hat." Die Erste Offizierin lächelte ganz leicht.
"Sie hatte kein Ohr für Vorschläge. Die Ewige Göttin ist uns unbekannt, was wohl als Beweis unserer Rückständigkeit zu werten ist." A´kebur lächelte charmant. "Nun …", er schaute kurz Sokala an, "Wir werden uns darüber beraten. Ihr könnt jedoch davon ausgehen, dass mir an einer Gefangennahme nichts liegt und auch an keinen Krieg. Das heißt jedoch nicht, dass die Föderation sich nicht zu wehren weiß, sollten wir angegriffen werden. Gleiches gilt für unsere Bündnispartner."
"Captain, es gäbe vielleicht eine Möglichkeit. Wir persönlich sehen keinen Grund für einen Krieg, wenn jeder in seinem Gebiet bleibt. Wir könnten mit der Generalin reden", meinte Ssleath Tirr'Dran.
A´kebur gab nur mit seiner Hand das Zeichen, dass man sie zur Generalin führen sollte. Als sie raus war, befahl er: "Sie sollen ihre Zeit haben. Keiner hört zu, aber wir dürfen keinen Kontakt nach draußen zulassen." Er lehnte sich wieder zurück. "Jetzt heißt es warten. Botschafterin Sokala, Botschafter Chioma, Botschafter Spock, Captain Chrhom!"
"Captain, ich denke kaum, dass die Erste Offizierin die Generalin umstimmen wird", meldete sich Spock zu Wort.
"Woran machen Sie das fest?" A´kebur war wirklich erstaunt und er war nicht der einzige. Auch die Romulaner wirkten skeptisch. Nur sein Großneffe verschränkte die Arme und grinste. "Die Generalin ist fest in ihrer Überzeugung und würde für ihre Ideale sterben. Doch die Erste Offizierin hat nicht nur etwas zu verlieren in dieser Sache, sondern auch eine ganze Menge zu gewinnen. Und darauf spekulieren wir im Augenblick. Ich denke, wir werden hier Zeugen von ka'ossianischer Tradition sein. Captain Chrhom weiß, wovon ich rede; bei den Klingonen ist es ähnlich." Er sah zu A´keburs Neffen hinüber.
A´kebur hob eine Augenbraue und lächelte. "Nun, warten wir es ab. Wenn sich die Weisheit durchsetzt, genügt es, nicht wahr?"
Sie mussten nicht lange warten. Lieutenant Ch'Grawbil meldete sich über das Intercom. "Captain? Wir haben ein Problem hier. Die Erste Offizierin hat die Generalin angegriffen. Dr. McCoy war sofort zur Stelle, aber er konnte nichts mehr tun. Wie es aussieht, haben die Ka'ossianerinnen ausfahrbare Krallen und ebenso verwundbare Halsschlagadern wie Menschen."
A´kebur hörte mit ausdruckslosem Gesicht zu. "Bringt die neue Generalin in den Besprechungsraum", befahl er, "und Vorsicht wegen der Krallen!"
Ch'Grawbil brauchte einen Moment, dann hatte er begriffen. "Aye, Sir." Höchstpersönlich eskortierte er Ssleath Tirr'Dran zurück in den Raum. Sie bot einen grauenhaften Anblick, buchstäblich in Blut getränkt, doch ihr Blick war stolz und zufrieden. "Captain A´kebur Lanar Re, wir Generalin Ssleath Tirr'Dran vom Schiff Endal des Ewigen Reiches, erklären uns zu Verhandlungen einverstanden. Mit Eurer Erlaubnis werden wir das Reich kontaktieren, um Gespräche zu ermöglichen."
A´kebur senkte kurz seinen Blick, dann sah er wieder auf. "Wir, Captain A´kebur Lanar Re grüßen die Generalin und beglückwünschen sie. Wir sind geehrt von Ihrem Vertrauen und erlauben den Kontakt zum Reich!" Für eine Sekunde entstand Unruhe, doch dann ließ sich keiner der Anwesenden mehr etwas anmerken.
Insbesondere den Romulanern behagte das nicht. Aber A´kebur ging es um Taktik und er musste der Generalin in diesem Punkt vertrauen. Sie neigte leicht den Kopf. "Dann hätte ich gerne meine Leibgarde zurück sowie den Zugang zur Endal. Ihr habt das Wort einer Generalin des Ewigen Reiches, und die Ewige Göttin ist meine Zeugin."
A´kebur erhob sich und trat vor sie. Ihre Blicke begegneten sich und sie erkannten einander als ebenbürtig unabhängig ihrer kulturellen Konventionen an. A´kebur trat zur Seite und überließ ihr den Platz, der ihr jetzt gebührte. Angespannt sah jeder zu, wie sie sich setzte. A´kebur gab jedoch den Befehl, die Leibgarde der Generalin frei zu lassen. "Wir verlassen die Endal. Sie können uns kontaktieren. Bis zur Vervollständigung unserer Datenbanken, werde ich den Chip tragen, den ich implantiert bekommen habe. Das wird die Kommunikation erleichtern."
"Wir melden uns, sobald wir Nachricht von Ka'ossia Prime haben", versprach sie. "She'hesh brivyarr, Captain A´kebur Lanar Re." Der Translator übersetzte diese Worte nicht, also mussten sie eine spezielle rituelle Bedeutung haben.
A´kebur lächelte. "Möge Kahless mit Euch sein!"
Mit dem Austausch von Segenssprüchen verließen sie das Schiff. Sie ließen sich jeder auf das jeweilige Schiff transportieren und eilten schnell zur Brücke. A´kebur und Spock hielten sich nicht damit auf, in andere Kleidung zu schlüpfen. Noch im Lauf gab A´kebur die Befehle für gelben Alarm und erhöhte Bereitschaft, aber die Schilde sollten deaktiviert bleiben genauso wie die Waffen. Doch seine Vorsicht schien unbegründet. Alle anderen Schiffe blieben gleichermaßen ruhig im Orbit. Auf der Brücke erntete A´kebur einige überraschte Blicke ob seiner Aufmachung, und ein paar Fähnriche reagierten mit erhöhtem Blutdruck und dunklerer Gesichtsfarbe.
Als sich nach einer Stunde noch immer nichts tat, aber auch kein Kontakt, entspannten sich die ersten. A´kebur ließ sich immer wieder den Status des anderen Schiffes zeigen. Es gab keine Anzeichen für erhöhte Energiesignaturen. "Sollen wir neue Verbündete haben?", fragte er leise.
"Wir sollten vorsichtig bleiben, Captain", meinte Counselor Troi. "Ich spüre keine feindlichen Absichten mehr, aber das muss nichts heißen." Er musterte den Captain. "Aber vielleicht sollten Sie sich umziehen, Sir. Ich glaube, eines der Mädchen an der OPS hat schon Nasenbluten."
A´kebur zog seine Augenbrauen gewittrig zusammen. "Dann soll Dr. McCoy dämpfende Medikamente austeilen", knurrte er. "Wir sind hier nicht auf Brautschau!"
"Deswegen, Captain. Commander Aera kann Sie sofort informieren, wenn sich etwas tut."
A´kebur funkelte seinen Counselor an. Dann sah er zu Mr. Spock auf. "Gehen wir", murmelte er, ohne wirklich darüber erfreut zu wirken.
Spock nickte und folgte dem Captain ohne Kommentar.
"Danke, Mr. Spock", murmelte A´kebur.
"Sie sollten sich vielleicht etwas ausruhen, Captain", meinte der ältere Vulkanier. "Man wird Sie benachrichtigen, wenn sich etwas tut."
"Mein Ruhebedürfnis hält sich in Grenzen. Ansonsten muss ich schon dem Doktor gehorchen. Sie brauchen sich nicht mit ihm verbünden."
"Das werde ich nicht, Captain. Mit Ihrer Erlaubnis ziehe ich mich ebenfalls zurück." Er nickte A´kebur noch einmal zu und ging dann zum anderen Turbolift.
A´kebur blieb unschlüssig stehen, doch dann ging er zur Krankenstation. Er wollte und musste Tiaren sehen. Mittlerweile durfte er wach sein, so hoffte er.
Er fand ihn in einem der Betten hinter einer Trennwand, den Oberkörper gegen Kissen gelehnt. An seinem Arm war ein kleiner Impulsgeber befestigt, der offenbar Beruhigungsmittel enthielt. Dr. McCoy hatte wohl irgendwann die Geduld verloren. Tiaren sah auf, als er Schritte hörte.
A´kebur betrachtete ihn. "Wie geht es dir?"
"Ich bitte um die Erlaubnis, den Doktor zu töten, Captain", brummte Tiaren. "Er hält mich hier über Gebühr fest. Da wäre ich lieber in einer Zelle."
A´kebur zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. "Wenn er medizinische Gründe hat, dich hierzubehalten, dann werde ich ihn nicht durch dich töten lassen. Zudem gebührt mir der Vortritt."
Tiaren knurrte etwas auf Romulanisch. "Frag ihn, was er für fadenscheinige Ausreden hat." Dann sah er wieder zu A´kebur. "Ich vermute, du hast eine Lösung für das Ka'ossianer-Problem gefunden?"
"Ja, die Generalin ist tot, lang lebe die Generalin. Wir haben ihr Wohlwollen!"
Tiaren lachte leise. "Vielleicht sind die Ka'ossianer doch nicht so kompliziert zu verstehen. Du scheinst tatsächlich der Richtige für die Aufgabe zu sein."
A´kebur sah ihn beleidigt an. "Zweifelte daran jemand? Ich meine, außer mir!"
"Jetzt sicher nicht mehr." Tiaren versuchte seine Hand nach A´kebur auszustrecken, aber mit einem frustrierten Fluch musste er sie wieder sinken lassen.
A´kebur sah ihn verwirrt an. Widerstrebend berührte er Tiarens Hand. Sie wirkte kraftlos. Fragend sah er Tiaren an. "Was ist das für ein Zeug?", fragte er.
"Frag Doktor Foltermeister. Er sollte beim Tal Shiar anheuern, die brauchen Leute wie ihn. Also, warum bist du hier", fragte er. Zumindest Tiarens Verstand hatte nicht gelitten.
"Ähm, ich muss früher oder später Entscheidungen treffen. Diese schließen dich mit ein und im Moment ist ein wenig Ruhe", erklärte A´kebur und wirkte dabei offiziell. Er setzte sich gerade auf und der Schmuck klirrte leise.
"Und? Offiziell bist du nicht gerade angezogen."
"Das ist die offizielle Kleidung bei den Ka'ossianern. Also keine Beleidigung. Nein, es geht um uns und das ist eher privat. Ich wünsche, dass die Verbindung getrennt wird, Tiaren."
Der junge Romulaner schwieg und blickte zur Decke. "Ich habe schon darauf gewartet, dass du das sagst, sobald die Droge nachlässt."
A´keburs Kiefer spannte sich. "Diese Verbindung ist nicht freiwillig. Wir haben einander nicht erkannt. Es ist inakzeptabel. Ich kann dich nicht für meine Zeit akzeptieren. Lieber sterbe ich, wenn meine wirkliche Zeit ist. Ich werde dann auf Vulkan sein und nicht im Raum für ein Schiff und seine Mannschaft verantwortlich." Er erhob sich und schien noch etwas sagen zu wollen, wandte sich dann jedoch ab und ging steifbeinig.
Tiaren sah ihm nach, konnte aber nichts tun, um ihn aufzuhalten. Und er würde sich eher die Zunge abbeißen, als A´kebur bitten zu bleiben, bitten, es sich anders zu überlegen. Nein, lieber starb er.
Vier Wochen später traf die Enterprise wieder auf der Erde ein und war damit etwas länger unterwegs gewesen, als inoffiziell geplant war, nachdem es den Feindkontakt gegeben hatte – aber sie waren immer noch sehr viel schneller zurück, als für die Verhandlungen mit den Romulanern anberaumt worden war.
A´kebur hatte jede mögliche Art des Empfangs erwartet, aber nicht, dass ihn eine kleine Delegation von Admirälen von Starfleet Command und Vertretern des Föderationsrates begrüßte. Cindy war auch unter ihnen und man sah ihr die Mühe an, sich zurückzuhalten und würdevoll zu benehmen.
"Captain A´kebur, willkommen zurück", begrüßte ihn Admiral Trevis, der momentane Vorsitzende des Flottenkommandos.
A´kebur sah einen nach den anderen an. "Danke, Sirs. Ich bin froh, wieder hier zu sein", meinte er und es war deutlich, dass er diese Art des Small Talks nicht mochte. Denn auf etwas anderes lief es nicht hinaus, sofern die vereinte Admiralität nicht sagte, warum sie steif, aber ohne große Begleitung sich vor ihm und seinen Offizieren versammelt hatten.
"Wir sind ebenfalls froh, Sie alle wieder heil zurück zusehen", fuhr Trevis fort. "Und mehr noch, dass die Verhandlungen mit den Romulanern vielversprechend erscheinen. Angesichts all der Umstände und des Angriffes der Ka'ossianer ist das eine bemerkenswerte Leistung."
"Was der Admiral sagen will", mischte sich eine der Staatssekretärinnen des Föderationsrates ein. "Sie haben sich in einer doppelt schwierigen Lage ausgezeichnet verhalten, Captain. Sie und Ihre Offiziere werden mit der Ehrenmedaille ausgezeichnet."
A´kebur hob eine Augenbraue. Niemand brauchte ihm ein Schild hochhalten, das etwas nicht stimmte. Aber das Warum erschloss sich ihm nicht. Er vermutete jedoch, dass es mit den Ka'ossianern im Zusammenhang stand. Schließlich betonte dieser Mensch es so. "Danke!", erwiderte er knapp und musste nicht einmal der Versuchung widerstehen, nicht einsilbig zu wirken.
"Es gibt einen kleinen Empfang unten in der Lounge. Wenn Sie und Ihre Offiziere uns dorthin begleiten würden?"
Während sie den Gang hinunterschritten, trat Cindy neben A´kebur. "Du glaubst nicht, was hier los war", wisperte sie. "Das Flottenkommando sahen die Ka'ossianer als eine zweite Art Borg an. Man hat offiziell kaum etwas verlauten lassen, um niemanden zu beunruhigen."
Jetzt verstand A´kebur das Verhalten. "Nun, die Borg sind eine sehr viel andere Rasse. Die Ka'ossianer sind nicht einmal annähernd so unbezwingbar wie sie tun. Sie haben Schwächen, die sie aber auch nicht durch Technik auszugleichen suchen. Sie sind stark auf die eine oder andere Art. Aber sie sind keine Borg. Sie wollen beherrschen und nicht beherrscht werden. Mr. Spock dürfte dazu eine gute Einschätzung geschickt haben."
Sie nickte. "Trotzdem hat uns das eiskalt erwischt und dazu noch praktisch vor unserer Haustür. Auch die Tatsache, dass die Ka'ossianer von ihrem Reich gesprochen haben, zu dem die Neutrale Zone gehören soll, das macht allen hier Sorgen. Nicht zuletzt, weil sie Bewahrertechnologie haben. Einige", sie senkte die Stimme, "einige denken sogar, dass die Ka'ossianer selbst die Bewahrer sind und wir uns, naja, mit unseren Schöpfern angelegt haben."
A´kebur nickte, ohne dem allem zuzustimmen. "Möglich ist es", gab er zu, "aber ich glaube es weniger. Sie sind in etwa so groß wie die Bewahrer es waren, auch wenn die Angaben hierzu nicht eindeutig sind. Nur die Wesen, die wir die Bewahrer nennen, waren Tagwesen!"
Sie zuckte mit den Schultern. "Es ist Millionen Jahre her. Aber hier greift fast schon Aberglaube um sich, der mir Sorgen macht. Ich wollte es dir nur gesagt haben."
"Es ist nicht logisch, aber wie immer spielt das keine Rolle, nicht wahr? Was wird jetzt geschehen? Mr. Spock hat signalisiert, dass man auf einer gewissen Ebene mit ihnen verhandeln kann. Vorausgesetzt, man zieht sich fast aus und legt sehr viel Schmuck an."
Cindy schmunzelte. "Das ist noch das geringste Problem. Wer betazoidische Hochzeiten mitgemacht hat, der kommt auch damit zurecht. Jedenfalls werde sich einige Diplomaten mit Feuereifer in die Sache stürzen, soviel ist sicher." Sie legte eine Hand auf A´keburs Arm. "Du behältst übrigens das Kommando, wenn du es denn möchtest. Ich will dich nicht noch einmal dazu überreden."
"Ich verstehe nicht! Mich überreden, dass Kommando zu behalten oder es wieder anzunehmen, wenn du mich darum gebeten hast, es abzugeben, wenn du mich wieder brauchst."
"Nein, ich habe dich gedrängt, das zu machen, weil ich wusste, dass du der Richtige dafür warst; was sich ja jetzt gezeigt hat. Aber du wusstest es nicht und wolltest es nicht. Ich weiß nicht, wie die Dinge jetzt liegen, aber ich will dich nicht noch einmal zu etwas zwingen, was du nicht möchtest. Du bist alt genug, es selber zu wissen."
A´kebur schmunzelte. "Das sollte man wohl meinen, Tochter!", betonte er. "Ich würde jedoch, wenn nicht etwas anderes dazwischensteht, außer deiner Sorge, das Kommando behalten wollen. Doch dann nur, wenn du damit umgehen kannst. Es bringt nichts, wenn du krank wirst, weil du nicht schläfst und deine Entscheidung bereust."
"Ich bereue meine Entscheidung nicht!" Cindy blieb stehen und sah ihrem Vater fest in die Augen. "Ich bereue meine Methode, dich dazu bequatscht zu haben, aber nicht die Entscheidung selbst. Du und Daddy habt mir das als wichtigste Lektion beigebracht: Zu seinen Entschlüssen stehen."
A´kebur strich ihr eine widerspenstige Strähne aus der Schläfe. "Ja, das hast du gelernt. Aber du bist nicht mehr so jung, um dir die Nächte um die Ohren zu schlagen. Was wäre geschehen, wenn alles ein Stück länger gedauert hätte?", fragte er sanft.
Sie zuckte leicht mit den Schultern. "Ich hätte es überlebt. Aber, ich bin froh, dass du mir nicht mehr böse bist, vavoy." Sie lächelte, als sie das Klingonische Wort für Papi benutzte, was sie, seit sie ein Teenager gewesen war, nicht mehr getan hatte.
"Ich konnte dir nie böse sein", murmelte A´kebur. "Also warum sollte sich das ändern? Bevor wir jedoch weitere Blicke auf uns ziehen, sollten wir wieder offizieller werden, meinst du nicht auch?"
"Natürlich, Captain", Cindy hakte sich bei ihm unter. "Schließlich kann ich den Helden des Tages nicht nur für mich allein beanspruchen."
A´kebur lächelte nur und führte sie zum Büffet.
Am nächsten Tag flog er mit Tiaren zum Vulkan, wo sie schon erwartet wurden. Sein Onkel Lakon war da und zeigte sich fast offen erfreut, ihn bei guter Gesundheit zu sehen. Tiaren jedoch wurde nur kühl begrüßt. Fast konnte dieser den Eindruck gewinnen, dass man einem Verbrecher nur widerwillig in die heiligen Hallen des Hauses ließ.
Und so war es ja auch. Tiaren hatte, seit A´kebur ihm die Entscheidung mitgeteilt hatte, nicht mehr mit ihm geredet; was hätte es auch zu besprechen gegeben? Der Anfall war vorbei, A´kebur brauchte ihn nicht mehr. Und Tiaren würde ganz sicher nicht angekrochen kommen.
Also nahm er die teils offen feindseligen Blicke der Vulkanier hin, die den verbrecherischen Romulaner in ihrer Mitte trotz aller Logik vermutlich nur allzu gern in den nächsten Vulkan geworfen hätten.
Es war jedoch überraschenderweise A´kebur, der ihn persönlich in sein Zimmer brachte. Es lag neben dem von A´keburs, und Tiaren brauchte niemanden, der ihm sagte, dass das einmal der Raum war, in dem Etienne gelebt hatte, wenn er sich auf Vulkan aufhielt. Als er sich ungestört umgesehen hatte, klopfte es an der Tür. Leise, diskret und sehr vulkanisch. Doch an der Tür stand A´kebur. Die Haare gebürstet, die Kleidung eine kostbare vulkanische Arbeit. Würdig eines Prinzen aus hohem Hause.
Tiaren musterte ihn. "Habe ich etwas Spezielles anzuziehen?", fragte er lapidar.
"Kleidung befindet sich im Schrank. Sie dürfte dir passen. Aber ich bin nicht hier, um dich abzuholen. Die Zeremonie ist erst in drei Tagen. Ich habe es so bestimmt. Willst du dich umziehen?"
"Vielleicht falle ich dann hier weniger auf", meinte Tiaren sarkastisch und ging zum Schrank. Darin befanden sich diverse vulkanische Roben. Von der Aussicht, diese Gewänder zu tragen, war Tiaren weniger begeistert, aber er griff nach einer der schlichteren, schwarzen Roben. Ohne sich nach A´kebur umzusehen, schlüpfte er hinein und war überrascht, das sie sich ausgesprochen simpel verschließen ließ.
Wohl fühlte er sich nun nicht gerade darin, aber fürs Erste sollte es gehen. Es konnte ja nicht jeder in so etwas so unverschämt gut aussehen wie A´kebur, auch wenn Tiaren das für sich behielt. Schlimm genug, dass es soweit gekommen war mit ihm und es ihn selbst nicht einmal mehr störte.
Der Blick, der jedoch in dem Moment, wo er sich umdrehte, auf ihm ruhte, sagte ihm aber, dass dieser auch nicht gerade mit Blindheit geschlagen war.
"Lass uns in den Garten gehen", schlug A´kebur vor. Er drehte sich auf dem Absatz um und ging mit einem leisen Rascheln davon. Tiaren war sich noch nie so sehr wie jetzt bewusst gewesen, welcher Kaste wohl A´kebur im romulanischen Imperium angehören würde, wenn seine Familie romulanisch gewesen wäre. Und selbst wenn Vulkanier nach außen hin nicht sehr viel zeigten, wie sie sich untereinander stellten, so hatte A´kebur sicherlich eine herausragende Stellung.
Tiaren folgte ihm. "Ich hatte eher vermutet, du willst mich bis zu dieser Zeremonie am besten gar nicht sehen", meinte er, und auch wenn es kühl klang, verrieten seien Augen doch das Gegenteil.
A´kebur wandte sich halb um, dann schüttelte er den Kopf. "Ich habe dir verziehen und das schon lange. Aber ich kann diese Verbindung nicht akzeptieren", erklärte er endlich. "Das ist jedoch nichts, was ich auf der Krankenstation meines Schiffes sagen würde. Ich bin der Captain. Meine Beziehung haben zurückzustehen und Dr. McCoy hängt mir zu sehr mit meinem Counselor zusammen."
"Dein Doktor ist ein Kaliber für sich", stimmte Tiaren ihm zu. "Hätte die Reise noch länger gedauert, hätten wir uns vermutlich gegenseitig umgebracht. Was ich jetzt aber nicht verstehe: Warum behandelst du mich als Gast?"
A´kebur schob seine Hände in die weiten Ärmel seines Gewandes und ging langsam weiter. "Du hättest gehen können, als ich im Fieber lag. Du bist nicht gegangen. Auf eine sehr verquere Art liebst du mich, das habe ich irgendwann gefühlt und auch begriffen. Ich bin kein Barbar und ich bin nicht blind. Die Schuld für dein Tun liegt nicht allein bei dir. Die größte Schuld trägt dein Vater. Die Blutrache ist mir abgewöhnt worden, als ich in diesem Haus willkommen geheißen wurde. Daher bist du mein Gast, während Toran mein Feind bleiben wird."
Tiaren nickte, aber weniger verstehend als akzeptierend. "Ich habe in letzter Zeit selbst kaum gewusst, was ich fühle oder tue. Das meiste war Reflex. Aber dann habe ich mich wieder gefragt, woher diese kommen. Du bist tiefer in mich eingedrungen als ich in dich. Und ich weiß, da wird etwas zurückbleiben, was nichts mit dem Band zu tun hat."
"Das wird es definitiv", stimmte A´kebur ohne Zögern zu. "Doch ein Band aus Mitleid ist genauso wenig für mich akzeptabel wie ein Band, dass mit Gewalt und Drogen erzwungen worden ist."
"Mitleid? Nein, sicher nicht." Tiaren ging neben A´kebur her, ohne ihn anzublicken.
"Dann wirst du dich also nicht dagegen wehren?"
"Würde das denn etwas nützen?"
A´kebur schüttelte den Kopf. "Nein, aber schmerzhafter sein. Du bist für mich die zweite Bindung. Spock warnte mich davor, diese Trennung zu vollziehen. Es gibt nur wenige Vulkanier, die mehr als zwei Bindungen in ihrem Leben hatten."
Tiaren runzelte leicht die Stirn. "Also ist es gefährlich für dich."
"Ja!"
"Ich werde mich nicht wehren", versprach Tiaren. "Und dann …. ich weiß nicht einmal, ob ich mich überhaupt frei bewegen kann."
"Das sind Dinge, mit denen wir uns befassen können, wenn wir das zwischen uns bereinigt haben. Vorher sind Planungen Verschwendung", meinte A´kebur.
Tiaren sagte dazu nichts. In seinen Augen war das, was A´kebur sagte und was er tat nicht wirklich das Gleiche und logisch schon gar nicht. Und dass weitere Planung Zeitverschwendung war … Tiaren wusste genau, dass A´kebur genau wie er selbst einfach keine Ahnung hatte, wie es weitergehen sollte. So oder so konnte Tiaren nirgendwo hin.
A´kebur war stehen geblieben. Der Gartenweg mündete in einem Platz, der sehr einem Übungsplatz ähnelte. Weitläufig und ohne störende Elemente. Er setzte sich auf eine der Steinbänke und schien zu erwarten, dass Tiaren sich zu ihm setzte.
Dieser tat es, aber mit höflichem Abstand und sah den Klingonen fragend an.
"Was weißt du über mich?", fragte dieser ihn und Tiaren konnte nicht behaupten, dass er damit gerechnet hätte.
"Was genau meinst du? Die Informationen, die ich auf herkömmlichem Weg erlangt habe oder das, was ich durch deine Gedanken weiß?"
A´kebur schüttelte leicht den Kopf. "Eher das, was du selbst weißt. Du bist Romulaner, kein Vulkanier. Also stehen dir mehr Optionen offen, um diese Frage zu beantworten. Ich will nicht aus deinen Gedanken lesen, was du fühlst. Ich will, dass du es sagst. Bevor du dich mit mir verbunden hast, währenddessen und die Zeit danach. Ich habe diese Teile soweit ich konnte, nie berührt. Dessen kannst du dir sicher sein."
Tiaren wusste zwar immer noch nicht, worauf A´kebur hinaus wollte, aber er versuchte, zusammenzufassen. "Als ich zu der Mission aufbrach, hatte ich die offizielle Akte von dir. Nichts Nützliches, außer allgemeinen Informationen über Karriere, Familie, Leistungen, nichts Persönliches. Mein Va… Toran hat mir dann weitere Dinge zukommen lassen. Er schrieb, du seiest "hochgradig gefährlich, irrational und gleichzeitig scheußlich loyal zur Föderation". Etienne Duval sei noch lebensmüder, als er gedacht hatte, sich mit jemandem wie dir abzugeben." All das erklärte Tiaren ohne jegliche Wertung, er gab nur Fakten wieder. "Also habe ich mich auf alles vorbereitet, angefangen von Alarmsensoren an deiner Tür bis hin zu einem Bat’leth unter deinem Kopfkissen. Stattdessen stand deine Tür offen. Mit anderen Worten, ich habe schnell bemerkt, dass du ziemlich widersprüchlich bist. Und als du die Verbindung komplettiert hast, da wurde es auf einmal ganz einfach. Du bist gar nicht so kompliziert, Captain." Tiaren lächelte leicht.
A´kebur nickte leicht. "Ja, Etienne sagte das auch. Aber es ist interessant zu erfahren, welchen Ruf man hat. Dein Vater sah mich, als ich im Blutfieber war und ich erst kurz davor erfahren hatte, wer meine vulkanische Familie ist. Hier in diesem Garten lernte ich einiges über die Gefühle, die ich als Telepath kontrollieren sollte, wollte ich niemanden damit töten."
Tiaren nickte. "Aber Toran hat dich jahrelang im Auge behalten. Er wusste sehr wohl um dein Persönlichkeitsprofil bei Starfleet. Aber er hasst dich."
A´kebur strich sich amüsiert über die Lippen und lächelte. "Und du?", hakte er nach, als er jeden einzelnen Satz interpretiert hatte und verstand, wie Tiaren vorging, um nicht mit seinen Gefühlen antworten zu müssen.
Der Romulaner zuckte ganz leicht mit den Schultern. "Gefühle dieser Art vernebeln den Blick, also bin ich ohne Meinung losgezogen. Du warst für mich ein Feind, den es zu besiegen, zu demütigen galt, nicht mehr und nicht weniger. Dass es jetzt anders aussieht, muss ich ja nicht betonen." Tiaren zögerte. "Es gibt Momente, da frage ich mich, was ich hier eigentlich mache und warum ich nicht die nächste Waffe greife und dir ins Herz ramme dafür, dass du mich so gebunden hast, wie ich dich binden wollte. Aber diese Augenblicke werden immer weniger."
"Den Verrat hast du an dir begangen", eröffnete ihm A´kebur. "Du hast nicht auf die Art deiner Vorväter gekämpft, sondern mich im Bett besiegt. Heimlich, wie ein Dieb ohne Ehre und Anspruch. Du schuldest mir etwas. Aber dein Mitleid verdiene ich nicht und nicht deine Nachsicht. Wie du schon richtig von mir denkst: Ich bin ein Klingone. Aber ich bin auch Vulkanier und diese blicken ebenfalls auf eine lange Reihe von stolzen Kriegern zurück, wie du selbst nur zu gut weißt. Du solltest mit dir selbst ins Reine kommen. Dann sage mir, was du tun würdest, wenn du eine Wahl hättest."
"Ich weiß nicht, wie du immer auf Mitleid oder Nachsicht kommst. Und ich habe meine Aufgabe erfüllt, daran ist nichts zu bereuen. Hätte ich es nicht gemacht, wäre es ein anderer gewesen und das würde ich jetzt bedauern. Und was ich will: Ich weiß es nicht."
"Ich spüre Mitleid in dir. Vielleicht komme ich deshalb darauf." A´kebur hob eine Augenbaue, als würde ihn das selbst erstaunen. "Nun, vielleicht weißt du es bald. Sehr viel Zeit bleibt nicht." Damit erhob er sich und sah zu Tiaren herab.
"Ich weiß nicht, was du da fühlst, aber ich habe in meinem Leben garantiert nicht gelernt, jemanden zu bedauern und mit dir werde ich nicht anfangen. Vielleicht ist es ja eher umgekehrt." Tiaren stand ebenfalls auf. "Und wenn ich Möglichkeiten hätte, dann hätte ich über sie nachgedacht. Aber ich sehe nichts, außer wirklich Gesetzloser zu werden."
A´kebur nickte, musterte ihn kurz und wandte sich dann ab. Bevor er jedoch ging, meinte er: "Mir wurde geraten, an diesem Ort meine Gedanken zu ordnen. Vielleicht solltest du meditieren."
"Ich bin kein Vulkanier, mein Kopf eignet sich nicht dazu, an nichts zu denken", gab Tiaren zurück, setzte sich aber wieder.
A´kebur fuhr auf dem Absatz herum und sah ihn entgeistert an. "Bitte?", fragte er.
"Ich sagte, für mich ist meditieren nichts", wiederholte Tiaren. "Ist das hier ein Verbrechen?"
"Nein, du sagtest, du bist kein Vulkanier und dein Kopf eignet sich nicht dazu, an nichts zu denken."
"Habe ich das?" Tiaren zog leicht die Augenbrauen zusammen und wirkte verwirrt. "Ja, und?"
"Du kennst Etienne nicht. Du hast ihn nie kennengelernt. Aber… " A´kebur schüttelte den Kopf. "Es ist nur ein Zufall", murmelte er.
"Was hat das mit Etienne zu tun?", wollte Tiaren wissen. "Hat er damals das Gleiche gesagt?"
A´kebur rieb sich die Schläfe. "Du hast, wenn ich es recht überlege, ihn immer wieder zitiert." Er sah abrupt auf. "Dein Vater ist zu weit gegangen. Ich weiß nicht, wie er das geschafft hat, aber das …" Sein Gesicht verzog sich wie unter Schmerz. Heftig atmete er ein. "Du kannst nichts dafür", flüsterte er. "Entschuldige, aber ich muss gehen."
"A´kebur! Toran hat mir nichts in der Hinsicht gesagt, das weiß ich. Ich muss es von dir haben." Tiaren hielt ihn an Ärmel fest, ließ dann aber gleich weder los. "Ich habe keine Audioaufzeichnungen von Etienne gehört. Das weiß ich. Aber ich kann dir genau sagen, wie er ausgesehen hat. Und wie er klang."
"Du weißt zuviel, als dass ich das glauben könnte. Es gibt über dieses Gespräch keine Audioaufzeichnung. Und, ich erinnere mich, mir ist es erst gar nicht aufgefallen. Aber du hast ihn immer wieder zitiert." A´kebur wich zurück. "Ich muss meine Gedanken ordnen", murmelte er tonlos.
Tiaren nickte. Ihm selbst war überhaupt nicht aufgefallen, was A´kebur da ansprach, und er vermutete, dass, falls A´kebur da nicht etwas auf ihn projizierte, er diese Bruchstücke aus den Erinnerungen des Klingonen hatte. War das auch in die andere Richtung gegangen? Und warum wusste Tiaren dann trotzdem nicht mehr über A´kebur selbst? Während er diesem nachsah, dachte er darüber nach, aber er konnte die Sache nicht recht fassen.
Nichts schien falsch oder fremd, ganz im Gegenteil. Wenn er A´kebur sah, war da ein Vertrauen, das nicht das seine sein konnte. Es war für ihn eine gelebte Wahrheit und sie schien älter als er selbst zu sein. A´kebur gehen zu sehen, verwirrt und mit Schmerz beladen, tat ihm auf eine Art weh, die er in dieser Tiefe nicht hätte haben dürfen.
Er sah nicht, wie A´kebur im Haus verschwand, auch nicht, wie dessen Onkel ihm nachsah.
Lakon verharrte noch etwas, dann folgte er seinem Neffen. Er war zu wohlerzogen, um den Grund für dessen Aufgewühltheit ungefragt zu ertasten, aber er wollte sehen ob A´kebur nicht mit ihm redete. Gerade jetzt konnte dieser etwas Unterstützung vertragen. Lakon klopfte an dessen Zimmertür. A´kebur öffnete ihm. Er schien hinter der Tür gestanden zu haben. "Onkel", grüßte er und sah ihn fragend an. Dieser trat ein. "Du scheinst nicht die rechte Ruhe zum Meditieren haben", eröffnete er ohne Vorwurf.
A´kebur zuckte leicht mit der Schulter. "Nein, nicht wirklich. Gefühle lassen sich nicht immer bändigen und ich werde in dieser Hinsicht nie Vulkanier genug sein."
"Es ist zwar deine Sache, aber ich denke, dass es nicht förderlich ist, wenn du mit dem Romulaner sprichst, bevor ihr die Trennung hinter euch habt. Es wird so nur schwerer."
"Er verhält und spricht mitunter wie Etienne", stieß A´kebur hervor und sah Lakon hilfesuchend an.
Der ältere Vulkanier setzte sich. "Wenn ich es richtig verstanden habe, hat Toran seinen Sohn so programmiert, will ich schon fast sagen, um in dir die gewünschte Reaktion zu erzeugen. Du darfst dich davon nicht beeinflussen lassen."
A´kebur hielt seinem Blick nicht lange stand, wie ein gefällter Baum sank sein Neffe auf die Bettkante nieder und vergrub sein Gesicht in den Händen. "Er riecht wie er, er spricht wie er, er liebt mich. Ich kann mich nicht dagegen wehren. Ich kann ihn weder töten, noch ihn hassen. Noch ist er mir gleichgültig. Wenn das Torans Rache ist, dann ist sie vollkommen."
"Ganz gleich, was Toran getan hat, er hat genauso wenig Macht über die Gefühle anderer wie du oder ich. Dass sein Sohn sich wirklich in dich verliebt, hat er nicht planen können. Davon abgesehen hat das dazu geführt, dass Tiaren sich überhaupt erst gegen seine Befehle gestellt hat, oder? Und du weißt, ob seine Gefühle echt sind oder nicht." Lakon schwieg einen Moment. "Aber ich denke, es kommt noch etwas anderes hinzu. Du bist einsam, Neffe. Etienne ist seit Jahren tot, aber du hast es nie verwunden und auch nie mit ihm abgeschlossen, um wirklich weiterzumachen. Ich denke, dass etwas in dir diese Lücke um jeden Preis wieder schließen will."
A´kebur sah wieder auf. Lakon konnte ungeweinte Tränen sehen. Dieser Klingone schämte sich seiner Tränen nicht, wenn er trauerte. Doch Lakon konnte sich gut vorstellen, dass A´kebur dies nie wirklich zugelassen hatte. Der Schmerz der Trennung war überwältigend. Er hatte geschrien, gepeinigt wie ein verletztes Tier. Er war damals umhergewandert, ging in die Wüste und kam halbverdurstet wieder zurück und mit dem Wahnsinn in den Augen, den nur Vulkanier so gut kannten.
A´kebur überlebte, kämpfte und er gewann. Aber für die Trauer hatte er keine Zeit gehabt. Jetzt, wo Tiaren ihn immer wieder an Etienne erinnerte, erinnerte er ihn auch an den Verlust. A´kebur zitterte, stumm öffnete er seinen Mund und schloss ihn wieder.
Lass es hinaus, Neffe, riet Lakon ihm stumm. In solchen Momenten half keine Logik mehr und er kannte A´kebur inzwischen zu gut, um nicht zu wissen, dass es sonst nur schlimmer werden würde. 10 Jahre der Trauer konnte man nicht einfach hinunterschlucken, und ein Blutfieber ohne den richtigen Partner war selbst für den kühlsten Vulkanier die Hölle.
Als die erste Träne A´keburs Wange hinunterrollte und im Stoff seiner Kleidung versickerte, wusste Lakon, dass er einen Damm zum Einsturz gebracht hatte. Das emotionalste Kind dieses Hauses sah stumm auf seine nassen Hände, lediglich von lautem Schluchzen unterbrochen.
Lakon legte ihm tröstend eine Hand auf die Schulter, versicherte ihm, dass er nicht allein war, aber tat sonst nichts, um diesen Ausbruch zu stoppen. Manche Dinge heilten eben nur auf diese Weise. Und A´kebur brauchte jetzt seinen Verstand intakt, wollte er die Trennungszeremonie überstehen.
Irgendwann kamen nur noch trockene Schluchzer, die A´kebur schüttelten. Lakon war zu sehr Vulkanier, um diese Verschwendung von Wasser nicht in einem Teil seines Verstandes zu kommentieren. Dieses Wissen war jedoch mit dem Wissen verbunden, dass A´kebur der Durst quälen würde. Er zog ohne Vorwurf A´kebur das feuchte Oberteil aus. Dieser ließ sich erschöpft ins Bett sinken, die Augen fest geschlossen, ohne Schlaf und Ruhe zu finden. Lakon ahnte, dass sein Neffe jedoch beides brauchte, aber der Durst war dringlicher. So goss er ihm ein und stellte das Glas neben ihm auf den Tisch. "Schlaf, wenn du kannst", riet er A´kebur, "Wenn du jedoch reden willst, werde ich da sein." Leise erhob er sich und verließ dessen Gemächer.
Im Flur traf er seine Mutter Amaris. Sie hob fragend eine Augenbraue. "Ich hoffe, A´keburs emotionaler Zustand stabilisiert sich wieder." Das war ihre typisch vulkanische Art, Besorgnis auszudrücken.
"Jeden Tag ein wenig mehr", meinte Lakon. Er erwiderte ihren Blick unverwandt. "Ich sehe es mit Erleichterung, dass er endlich trauert. Bis jetzt hatte er gekämpft. Um jeden Tag seines Lebens, wo er sich danach doch im Grunde sehnte, dem, der ihm entsprach, zu folgen."
Amaris nickte. "Es hat lange gedauert, aber besser jetzt als niemals." Sie legte den Kopf schief. "Dieser Romulaner, den ich in meinem Haus dulden muss, ist er sich darüber im Klaren, was er anrichtet?"
"Ich vermute nicht. Er hat es wohl nicht einmal wirklich gewusst, als sein Vater ihn instruierte. A´kebur hat nicht mehr viel Zeit, bevor er eine Wahl treffen muss. Seine Gesundheit ist angegriffen. Er wird nicht stark genug sein, wenn seine Zeit ist, um dieses Mal zu überleben. Doch ob A´kebur eine Wahl treffen wird, steht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit. Menschen würden jetzt spekulieren."
Lakon sprach Tiarens Namen nicht aus, aber offenbar neigte er dazu, diesen unter Umständen in die engere Wahl zu nehmen, wenn es soweit war, ungeachtet dessen Unwissenheit und des Verbrechens.
"Es ist logisch, aber nicht vernünftig", gab Amaris zurück. "Ich hatte A´kebur dafür Kaval an die Seite gestellt, aber als er in dieses unnatürliche Blutfieber verfiel, war trotzdem der Romulaner seine Wahl, wenn man von Wahl reden kann."
"Da war keine Wahl. A´kebur war mit ihm verbunden, weil dieser ihn zuvor dazu gezwungen hatte. Kaval hatte zu keinem Zeitpunkt eine Chance, einzugreifen. Tiaren hatte dafür gesorgt. Ich sehe es auch nicht gern, aber A´kebur vertraut dem Romulaner dennoch. Trotz dieses Wissens, trotz der Verletzungen." Lakon wirkte für einen Moment bekümmert, doch dann unterdrückte er dieses Gefühl.
"Aber deswegen werden wir es noch lange nicht tun." Amaris rümpfte auf vulkanische Art ihre Nase. "Vielleicht kannst du mit diesem Romulaner sprechen. Du hast mehr Erfahrung und Geduld mit solchen Dingen, Sohn."
Lakon zögerte kurz, doch dann verneigte er sich. "Ich werde mit ihm reden und mir ein Bild machen. Romulaner sind nicht emotionaler als Menschen oder A´kebur und mein Neffe zeigt meines Erachtens mitunter zu wenig Gefühle. Er hat sie und wir sollten das nicht vergessen."
Amaris zog eine Augenbraue hoch. "Deine Ansichten sind nicht ganz logisch, Sohn. Aber gut."
"Sie entstammen auch nur der Erfahrung. Es geht nicht um Logik, Mutter, sondern um tief verletzte Gefühle. Ich werde jetzt Tiaren aufsuchen."
Die alte Vulkanierin nickte, dann ging sie in Richtung ihres Zimmers davon. Amaris war ihr Leben lang nicht von Vulkan fortgekommen und hatte sich immer schwer mit Akzeptanz anderer Gegebenheiten getan. Lakon hingegen, der seit Jahrzehnten Raumschiffe kommandierte, wusste, dass sich mit Logik nicht alles lösen ließ.
Manchmal nicht einmal ansatzweise. Lakon wusste aber auch, dass es nichts brachte, seine Mutter vom Gegenteil zu überzeugen. Sein Wissen beruhte auf Erfahrung. Also ging er in den Garten. Die Nacht senkte sich bereits herab und der Romulaner schien sich nicht ins Haus zu trauen. Er war nicht willkommen und er war nicht unsensibel genug, um das zu ignorieren.
Lakon fand ihn schließlich vor einer der kunstvoll arrangierten Steinformationen im Garten. Als Tiaren die Schritte hörte, wandte er sich um. "Captain Lakon", grüßte er förmlich. "A´kebur riet mir, zu meditieren, aber es funktioniert nicht."
Lakon musste zugeben, dass er ein wenig überrascht war. Er verschränkte seine Hände auf dem Rücken und musterte Tiaren. "Nun, es braucht Übung, um die ausreichende Tiefe zu erlangen und die Ruhe zu finden, die man benötigt."
"Tiefe und Ruhe gehen mir im Augenblick gänzlich ab." Er zögerte. "Ich hoffe, A´kebur war nicht zu … ich meine, ich habe ihn wohl wieder einmal aus der Bahn geworfen."
"Das macht Ihnen Sorgen?", fragte Lakon. "Nun, er hat geweint. Seine Trauerzeit beginnt jetzt wohl."
Tiarens Augen wurden größer. Die Vorstellung, dass jemand wie A´kebur weinte, war einerseits völlig abstrus. Aber andererseits stimmte es ihn auch selbst traurig. Offenbar hatte er an Dingen gekratzt, die sehr gut vergraben gewesen waren. "Und, verfüttern Sie mich nach der Trennung an das nächste Sehlat zur Strafe?", fragte er bitter.
Lakon schüttelte zögernd den Kopf. "Nein, Sie sind gestraft genug. Aufgrund der guten Anfänge mit den Romulanern wird man nicht an Sie herantreten. Die Romulaner verlangen Sie auch nicht. Sie sind frei zu gehen, wohin Sie wollen. Man wird Sie nicht vertreiben. Aber man heißt Sie auch nicht willkommen."
"Wenn ich die Wahl hätte, bin ich lieber offiziell unerwünscht als insgeheim unwillkommen. Aber keine Sorge, ich werde Ihre Familie nicht über Gebühr behelligen. Sobald ich wieder geradeaus gehen kann, werde ich Ihr Haus verlassen", versprach Tiaren.
Lakon nickte. "In einem bis sieben Erdenjahren, oder auch noch mehr, wird A´kebur jemanden brauchen. Nach dem künstlichen Pon farr lässt es sich nicht genau sagen. Doch, wie auch immer, er wird sterben, wenn keiner da ist." Damit wandte er sich ab und ging langsam mit gemessenen Schritten zurück.
Tiaren sah ihm nach und wusste nicht, was er von dieser Aussage halten sollte. Wenn A´kebur sich frei entscheiden könnte, würde er Tiaren doch als Letztes nehmen. Oder wusste Lakon etwas?
Nach kurzem Zögern ging Tiaren ebenfalls zurück zum Haupthaus und wich dabei geschickt allen Vulkaniern aus, bis er in seinem Quartier war. Das, welches sich neben dem von A´kebur befand. Es war still nebenan. Das ganze Haus war still und leblos, als wartete es auf etwas.
Ungehalten schob Tiaren die Ärmel der vulkanischen Robe hoch, die er noch immer trug und die ihm mit jeder Minute unpassender erschien. Kurzerhand zog er sie aus und schlüpfte in dünne Hosen und Hemd, da das vulkanische Klima nicht gerade für solidere Materialien geeignet war. Und eben, als Tiaren sich noch gesagt hatte, dass es eine dumme Idee war, war schon er hinüber zu A´keburs Tür gegangen und hatte geklopft. Die Stille dehnte sich, als er auf eine Antwort lauschte. Als aber keine kam, trat er einfach ein.
A´kebur konnte ihn immer noch hinauswerfen.
Ein einsames Licht brannte auf einem niedrigen Tisch. Die Sitzkissen jedoch waren leer. Auf dem Bett aber konnte Tiaren A´kebur erkennen. Dieser lag halb nackt auf den Laken, die Augen geschlossen. Dass er wach war, konnte Tiaren sehen, da A´kebur seine Augen mit seinem Arm verdeckt hatte, um auch das wenige Licht auszuschließen. Dennoch rührte er sich nicht, als er nähertrat. Tiaren streckte die Hand aus und dimmte das Licht, machte es aber nicht ganz aus. Als keine Reaktion folgte, wagte er sich näher und nahm schließlich auf der Bettkante Platz. A´keburs Schmerz zu sehen, tat fast körperlich weh.
Dennoch sah er es mit Erleichterung, wie dieser seinen Arm hob und ihn ansah. Für Moment begegneten sich ihre Blicke nur, dann rückte A´kebur etwas zur Seite, um Tiaren mehr Raum zu geben und wenn er es wollte, sich neben ihn zu legen. Dieser zögerte nicht. Warum A´kebur seine Nähe suchte, wenn er ihn doch loswerden wollte, war Tiaren immer noch nicht klar, aber er selbst wusste, dass hier der Platz war, an dem er sein wollte.
Er hörte, wie A´kebur tief einatmete. Vielleicht war es der Duft, die Wärme und die Illusion, die dieser suchte. Wenn das so war, dann war es bitter für Tiaren, aber er konnte es nicht mehr ändern. Die Frage, die sich für ihn stellte, wären sie beide sich unter anderen Umständen nähergekommen? Wenn das Romulanische Imperium nicht der Feind der Föderation gewesen wäre und sie sich begegnet wären? Es waren viele Vielleichts und noch mehr Unwägbarkeiten. Aber diese Frage stellte sich ihm dennoch.
Was, wenn er nicht im Auftrag seines Vaters gekommen wäre? Wenn ihn nicht dessen Rache hergetrieben hätte, gezüchtet als schaler Abklatsch eines toten Menschen?
A´kebur hätte ihn vermutlich keines Blickes gewürdigt. Und Tiaren selbst … er war sich nicht sicher, ob ihm im Gegenzug A´kebur aufgefallen wäre. So oder so, Etienne hatte am Anfang des Ganzen gestanden. Und jetzt stand er immer noch zwischen ihnen.
Tiaren verspürte keinerlei Ärger deswegen oder gar Eifersucht, im Gegenteil. Seine Gefühle, wenn es denn seine waren, diktierten ihm ganz deutlich, trotz allem diesen unmöglichen Vulkanier-Klingonen-Mischling mit dem überbordenden Ehrgefühl nicht zu verlieren. Eigentlich war Tiaren viel zu abgebrüht gewesen, um an so etwas Lächerliches wie Liebe zu glauben, aber offenbar war sie stärker als er; und was man nicht besiegen konnte, mit dem sollte man sich verbünden.
Damit blieb für ihn nur eines zu tun: A´kebur für sich einzunehmen. Bei ihm zu sein, seine Gefühle zu gewinnen und ihn zu verführen. Dass dieser verletzlich wie nie war, wusste Tiaren. Aber er wusste auch, dass er nie wieder so viele Chancen bekommen würde. A´kebur rückte näher, ohne ihn weiter zu berühren. Tiaren ahnte mehr, als dass er es spürte, dass die aufgewühlten Gedanken und Gefühle seines unfreiwilligen Gefährten sich beruhigten.
Ganz langsam streckte Tiaren seine Hand aus, doch alles, was er von A´kebur berührte, waren dessen Haare. Vorsichtig strich er über die zerzausten Strähnen und glättete sie etwas. Das Halbdunkel des Zimmers reichte aus, um A´keburs Augen sehen zu können, und Tiaren hielt den Blickkontakt. Es war A´kebur, der den Blick nicht ertrug. Er senkte als erstes seine Augen, dafür verlor er jedoch seine vage Anspannung. Tiaren streichelte ihn sanft weiter, als ob er ein verschrecktes Tier beruhigen wollte. "Wovor hast du Angst?", fragte er schließlich kaum hörbar.
A´kebur sah wieder auf. Tiaren konnte jedoch nicht sagen, welche Gefühle sich widerspiegelten. "Angst ist nicht ganz richtig", meinte A´kebur genauso leise. "Ich frage mich nur, ob wir uns so nahegekommen wären, wenn wir uns unter anderen Umständen getroffen hätten."
Tiaren lächelte leicht. "Das habe ich mich eben auch gefragt. Und ich glaube nicht. Wir haben vielleicht falsch angefangen, aber wir können richtig weitermachen."
"Ich verstehe trotzdem nicht, warum du das tust. Es war nicht gerade so, dass du dich Hals über Kopf verliebt hättest."
"Vielleicht ja doch?"
A´kebur hob eine Augenbraue. "Ist das eine Frage oder eine Antwort?", fragte er.
"Die Frage, die ich mir die ganze Zeit selbst stelle und die einzige Antwort, die ich habe", erwiderte Tiaren. "Vor einem halben Jahr hätte ich jedem, der so etwas von mir behauptet, das Gehirn gegrillt. Aber jetzt …"
"Bist du zahm!"
"Wohl eher unfreiwillig gefügig gemacht. Und es stört mich nicht einmal mehr. Alles dank deiner Diplomatie, Captain."
A´kebur glaubte, sich verhört zu haben. "Was für einer Diplomatie? Ich glaube nicht, dass das zwischen uns irgendetwas mit Diplomatie zu tun hatte."
Tiaren zupfte leicht an den Haaren und lachte leise. "Glaubst du alles, was ich sage? Aber es ist trotzdem dein Einfluss. Auch wenn dein Charme manchmal dem eines wütenden Targs ähnelt. Dann sind da wieder Momente …" Er rückte näher, dass er A´keburs Atem spüren konnte. "Da machst du einen schwach, ohne es überhaupt zu merken."
Tiaren spürte, wie A´kebur von einem Augenblick zum anderen wärmer wurde. Irgendwie hatte er auf einmal die Gewissheit, dass A´kebur leicht grünlich im Gesicht wurde. "Äh, du bist Tiaren?", fragte A´kebur mit deutlichem Zweifel.
"Ich habe nie anders geheißen. Und dir ist warm."
"Du redest Unsinn. Schwach machen. Ich wüsste nicht, wann das der Fall gewesen sein könnte und gekämpft haben wir nicht. Und was hat das mit meiner Temperatur zu tun? Wir sind auf Vulkan!"
"Pscht." Tiaren legte ihm einen Finger auf den Mund. "Hör auf dich zu rechtfertigen, hier ist niemand, dem du was vormachen musst." Seine Fingerkuppe strich sanft über A´keburs Unterlippe. Er spürte den heißen Atem auf seiner Haut. A´kebur schloss seine Augen und erwiderte den Druck. Toran hatte sich so geirrt. A´kebur war niemals gefährlich, irre und völlig unlogisch. Er war geradeheraus, stark und bei dem richtigen Wesen in seiner Nähe sanft und voller Liebe.
"Warum tust du das?", fragte A´kebur ihn, ohne seine Augen zu öffnen. Er hatte Angst. Ein Kampf wäre ihm lieber gewesen.
"Weil ich es will", war alles, was Tiaren als ehrliche Antwort geben konnte. "Weil ich dich will." Er schob sich noch näher an A´kebur heran und küsste ihn geradezu vorsichtig. Sie hatten das noch nie getan. Vorher war gewalttätiger Sex dominierend gewesen. Eine Notwendigkeit für den einen und später lebensnotwendig für den anderen. Erst jetzt lernten sie einander auf diese Weise kennen, und A´kebur reagierte zu Tiarens Erleichterung. Er erwiderte den Kuss und zeigte dabei ein Geschick, die Tiaren vermuten ließ, dass es ihm irgendwann den Atem rauben könnte. Ja, sie hatten falsch angefangen, aber jetzt fühlte es sich richtig an, das würde auch A´kebur nicht verleugnen können.
Die Wärme zwischen ihnen, die nichts mit vulkanischem Klima zu tun hatte, war aufregend und beruhigend zu gleich. Sie ließen sich Zeit. Zum ersten Mal. Jede Berührung war Verführung im Einverständnis. Das unausgesprochene Vertrauen verband sie und A´kebur ließ sich verführen, wie auch er verführte.
Tiaren wusste, dass er etwas wiedergutzumachen hatte. Kurzerhand löste er sich von A´kebur, versprach, sofort wiederzukommen und verschwand im angrenzenden Badezimmer. Diesmal würden sie es richtig machen, ohne Gewalt oder Verzweiflung. Tiaren griff nach einer Tube Lotion und wandte sich wieder zum Gehen, aber für einen Augenblick hielt er inne, als er am Spiegel vorbeikam. Sein Spiegelbild - hatte es ihm zugezwinkert?
Tiaren schüttelte den Kopf. Er musste wirklich verzweifelt sein, dass er sich schon Dinge einbildete.
Als er zurück in A´keburs Schlafzimmer kam, hatte dieser sich nicht vom Fleck gerührt. Tiaren kroch wieder zu ihm aufs Bett und holte sich einen weiteren Kuss ab, bei dem ihm A´kebur entgegen kam. Er war also ganz bestimmt vermisst worden. A´kebur wurde jedoch auch fordernder. Offensichtlich erwachten nun Begehren und Lust, und beides wollte befriedigt werden. Leises Knurren begleitete die groben Streicheleinheiten.
Tiaren bekam ein spitzes Ohr in Reichweite und begann daran zu knabbern; er wusste aus eigener Erfahrung, dass er damit einer der empfindlichsten Stellen bearbeitete. Mit den Händen tastete er nach den Verschlüssen von A´keburs Sachen, die sich zum Glück nicht lange widerständig zeigten.
Während er die Bänder der Hose löste, hörte er zum eigenen Vergnügen, wie A´kebur keuchte, grollte und vage knurrte. Dass er jedoch pures Behagen verspürte, fühlte Tiaren über ihre Verbindung, die irgendwann ohne Barrieren offenstand. Derartig ermutigt fuhr Tiaren fort, A´kebur zu reizen und, nachdem die Hose aus dem Weg war, auch auf direktem Wege zu stimulieren. Zwischendurch küsste er ihn immer wieder.
Er hielt nur einmal kurz inne, als urplötzlich ein reißendes Geräusch in seine Ohren drang. Er brauchte ein zwei Sekunden, bis er begriff, dass A´kebur kurzerhand den dünnen Stoff seiner Kleidung zerrissen hatte, ohne sich lange mit irgendwelchen Verschlüssen aufhalten zu lassen.
Das war auch eine Methode.
Tiaren schob die Stoffreste beiseite und rollte sich halb auf A´kebur, knabberte dessen Hals entlang und setzte ein wenig Kraft ein, um sicher zu gehen, dass A´kebur auf dem Rücken liegen blieb. Das Licht genügte, um sich an dem Anblick zu laben. A´kebur bleckte die Zähne, bäumte sich halb auf, ohne ihn jedoch abzuwerfen. "Nicht spielen", knurrte er dunkel.
"Hast du es so eilig?", gab Tiaren zurück, aber da er selbst nicht vorhatte, das hier die ganze Nacht so fortzusetzen, griff er nach der Tube.
"Ahhh", erwiderte A´kebur statt einer Antwort, was für Tiaren aber auch Antwort genug war. Er hatte es eilig. Kurzerhand bereitete Tiaren sich und A´kebur vor, nahm sich für letzteren aber genug Zeit. Diesmal sollte nur Lust zurückbleiben, kein Schmerz. Sanft, aber nachdrücklich schob er A´keburs Beine auseinander, dann sah er diesem kurz in die Augen zur Erlaubnis.
Für einen Moment konnte Tiaren Zweifel erkennen, doch dann öffnete A´kebur sich für ihn. Es war ganz anders als beim ersten, unfreiwilligen Mal. Der eben noch so feurige Krieger wurde weich und anschmiegsam, nahm Tiaren bereitwillig in sich auf. Dieser beugte sich hinunter, küsste seinen Klingonen erneut und liebte ihn, als wäre es wirklich das erste Mal.
Tiaren spürte, wie A´kebur an ihrer Verbindung zupfte und ihn auch geistig berührte und ihm damit jede Kontrolle abnahm. Nichts hatte Tiaren darauf vorbereitet. Er wusste, wie es sich anfühlte, wenn A´kebur und er geistig so eng verbunden waren, aber nie zu vor war es wirklich so intim gewesen, so willentlich von beiden Seiten. Tiaren spürte kaum mehr, wo er aufhörte und wo A´kebur begann, so sehr schmolzen sie ineinander und zerflossen in der Hitze der Lust. Keiner von beiden spürte auch mehr, dass sie im Höhepunkt nicht mehr so leise waren, dass man sie ignorieren konnte. Lakon hob nur eine Augenbraue, setzte aber dann ungerührt seine Schachfigur gegen den Computer.
Es dauerte eine Weile, bis die beiden zu Atem kamen. Nur mühsam fand Tiaren in die Realität zurück und blickte hinunter zu A´kebur, der im Nachglühen die Augen geschlossen hatte. Er legte sich neben ihn und strich erneut durch die Haare. Nein, woher auch immer diese Gefühle kamen, es waren nun seine eigenen. Dieser Mann war nun seiner. Und er würde um ihn kämpfen.
Der Morgen weckte A´kebur mit Hitze, die in sein Schlafzimmer strich. Der vulkanische Hochsommer stand vor der Tür und es war ein Fehler, nicht früh genug die Fensterläden zu schließen. Die Luft lag schwer und er schwitzte. Tiaren lag halb auf ihm und machte es um einiges schwerer. "Tiaren", flüsterte er.
Dieser blinzelte; er hatte sich eher von der Hitze wieder einlullen lassen denn wirklich noch tief geschlafen. "Ich bin noch hier." Er hob den Kopf und küsste seinen Klingonen - ja, seinen - auf die Schläfe.
"Das merke ich!", murmelte A´kebur, den die ähnlichen Handlungen von Tiaren und Etienne faszinierten.
"Gestern Abend hast du nicht mehr so viel gemerkt, da wollte ich sichergehen. Gut geschlafen?"
"Ich habe dich in mir gespürt. Wie sollte ich dich nicht bemerken?"
Tiaren lachte. "Ich habe dich auch in mir gespürt, in meinen Gedanken. Es war schön. So sollte es sein, richtig?"
A´kebur sah ihn an, als würde er ihn das erste Mal sehen. "Ja, so sollte es sein. Freiwillig. Kein Zwang. Eine Seele bei der anderen, weil man es will."
Tiaren zögerte. "Du willst aber die Trennung immer noch."
"Weißt du, warum?", fragte A´kebur.
"Du willst, wenn, dann einen richtigen Beginn", überlegte er laut. "Das Band zerreißen, um es fester neu zu knüpfen. Aber ob das wirklich eine gute Idee ist, weiß ich nicht."
A´kebur nickte. "Ja, so ist es. Ich sagte schon, dass ich dir lange verziehen habe. Aber das Band ist etwas anderes. Es ist nicht echt. Ich denke nicht, dass wir uns jemals so nahegekommen wären. Aber es fühlt sich dennoch falsch an."
"Ich verstehe, was du meinst. Aber wenn die Trennung so gefährlich ist, weiß ich ja nicht … du kennst dich da besser aus."
A´kebur sah ihn erstaunt an. "Nein, weiß ich nicht!", meinte er.
"Dann sollten wir es in Erfahrung bringen. Aber ich vermute, deine Familie wird nicht begeistert sein, so oder so. Ich will hier nicht länger bleiben als nötig."
"Sie werden dich nicht rausschmeißen!", knurrte A´kebur und erhob sich abrupt, so dass Tiaren aus dem Bett flog. "Was suchst du da?", fragte A´kebur nur wenig irritiert, während er die Fenster schloss.
Für einen Moment sah Tiaren ihn verdutzt an, dann lachte er los und rappelte sich wieder auf. "Aus deinem Haus werde ich nicht geworfen, aber aus deinem Bett. Schon verstanden, Captain." Er grinste und umarmte A´kebur von hinten.
Dieser sah über seine Schulter. Es war ein merkwürdiges Gefühl nach so langer Zeit. Nähe und Akzeptanz und Liebe. Er lächelte. "Hättest dich festhalten sollen", meinte er nur halb im Ernst.
"Um die Uhrzeit bin ich nicht in Form", gab Tiaren zurück. "Dafür halte ich mich jetzt fest." A´kebur bekam einen Kuss in den Nacken. "Vulkan ist wirklich zu warm. Können wir uns irgendwo abkühlen?", fragte er. "Mir macht es zwar nichts aus, aber es ist unangenehm auf Dauer."
"Ich weiß, dass es hier einen Kühlraum gibt."
"Klingt gut. Auf Wasserduschen kann ich nicht hoffen, oder?"
A´kebur verzog den Mund. "Du bist genauso anspruchsvoll wie Etienne. Ja, es gibt Duschen. Aber jeder Liter Wasser wird mühsam gereinigt. Und Vulkan importiert sehr viel Wasser aus anderen Welten und fängt Wasserasteroiden."
"Ich weiß. Auf Romulus haben wir eine ausgeprägte Badekultur, vermutlich liegt es daran. Hier habt ihr euch vermutlich früher mit Sand abgerieben", schnurrte Tiaren und biss leicht in A´keburs Nacken.
"Mein Vater nicht. Meine Mutter schon", meinte A´kebur und dehnte spürbar seine Muskeln, legte seinen Kopf schief, damit Tiaren auch seinen Hals küssen konnte.
Das tat dieser nur allzu bereitwillig. "Sand in Verbindung mit Wasser ist viel besser", wisperte er. "Dann ist es angenehm kühl auf der Haut und nur ganz leicht rau ..." Er leckte über A´keburs Hals bis hinauf zum Ohr.
"Du bist verweichlicht!"
"So, verweichlicht?" Tiaren biss mit Nachdruck in eine Ohrspitze.
A´kebur unterdrückte einen Schmerzlaut. "Ich glaube, wir müssen was klarstellen. Ich habe die spitzeren Zähne!"
"Soll ich jetzt Angst haben, Captain?" Beinahe entschuldigend leckte Tiaren über das malträtierte Ohr.
A´kebur bleckte seine Zähne, die tatsächlich deutlich spitzer in den Eckzähnen waren. "Mir egal!", knurrte er. Er drehte sich in Tiarens Armen und biss ihm einfach ins Ohr. Dieser unterdrückte jeglichen Laut, zumal es halb angenehm, halb schmerzhaft war. "Weiter rechts bitte", murmelte er.
A´kebur ließ sich nicht bitten und kam dem nach.
Tiaren schloss die Augen und stöhnte leise auf, während er sich fester an seinen Klingonen klammerte. A´kebur begriff. Er hatte keine Erfahrungen damit, dass jemand dieselbe Sensibilität an den Ohren hatte wie er. Aber jetzt spürte er es auf der anderen Seite, und er konnte Etienne verstehen, dass dieser es geliebt hatte, ihn auf diese Weise zu verwöhnen. Also ließ er es sich nicht nehmen, Gleiches Tiaren angedeihen zu lassen.
Der war kurz davor, umzufallen, hätte A´kebur ihn nicht festgehalten. Ein leicht grünlicher Schatten hatte sich auf Tiarens Wangen gebildet. Er wisperte etwas auf Romulanisch, das nur eine Bitte sein konnte.
A´kebur hob ihn halb hoch und dirigierte ihn zum Bett. "Aber gern", murmelte er süffisant.
Tiaren bekam nicht mehr viel mit. Er hatte sich sonst immer gut unter Kontrolle, aber A´kebur an seinen Ohren war dann nun doch zuviel. Er zog den Klingonen noch näher zu sich.
Dieser schob jedoch frech eine Hand zwischen sie beide und stimulierte ihn. "Du bist ja unausgelastet", murmelte er lachend.
"Das liegt in deiner Verantwortung", keuchte Tiaren und küsste ihn.
A´kebur angelte nach dem Öl, sah etwas verwundert, was sich Tiaren da gegriffen hatte und versorgte zwischen brünftigen Küssen und groben Streicheleinheiten sich und Tiaren.
Dieser war jedenfalls genauso ungeduldig wie A´kebur selbst am Vorabend und schlang seine Beine um die Hüften seines Klingonen. Wieder wisperte er etwas auf Romulanisch, und obwohl A´kebur es nicht verstehen konnte, klang es geradezu lasziv.
A´kebur konnte sich nicht erinnern, dass Tiaren jemals so reagiert und ihn jemals so herausgefordert hatte. Aber er ließ ihn dennoch nicht betteln. Tiarens Verlangen war ihm jetzt Befehl.
Im nächsten Moment gurgelte der nur noch unartikuliert, und A´kebur spürte, wie sich Fingernägel in seinen Rücken gruben.
Tiaren zog ihn noch näher zu sich, obwohl es kaum mehr möglich war. Stärker konnte der Unterschied nicht sein, der ihre bisherige Nähe gewesen war. A´kebur liebte ihn. Sex hatte bisher einem Geschäft geähnelt. Doch diese Gedanken zerstoben, als A´kebur ihn in einem Rhythmus einband, der ihm zwar bekannt, der aber für ihn dennoch so neu war, dass er glaubte, darin zu vergehen.
In diesem Moment zählte nur, dass sein Klingone ihn so vollkommen einnahm und er ihn ebenfalls mit nichts als Liebe umhüllte. Liebe, die für Tiaren nie Bedeutung gehabt hatte und die doch jetzt Teil seiner Seele geworden war. Erst eine halbe Stunde später waren sie wieder soweit bei Bewusstsein, dass sie sich in die Augen sehen konnten. "Wir haben ein Problem", wisperte A´kebur mit rauer Stimme.
"Hm?" Tiarens Augen waren leicht glasig.
"Wie soll etwas getrennt werden, was sich auf diese Art verbindet?"
"Sagte ich doch", gab Tiaren zurück. "Wenn wir das jetzt trennen, verletzen wir uns nur."
A´kebur erhob sich. "Dann werde ich fragen, was es für eine Lösung geben kann. Aber vielleicht reinigt das hier auch das Verbrechen!" Er stand auf und sah auf Tiaren herab. "Ganz sicher gibt es noch eine Lösung", erklärte er mit fester Stimme.
Tiaren nickte. "Wir finden eine", stimmte er zu und setzte sich ebenfalls auf. "Denkst du, wir sollten uns unter die missbilligenden Augen deiner Familie trauen? Wir haben sie garantiert gestört."
"Die sind das von mir und Etienne gewöhnt gewesen. Ich schätze, sie werde sich wieder daran gewöhnen. Ich werde jetzt duschen gehen!"
"Wäre es eine Wasserdusche, würde ich mitkommen. Also beeil dich!" Tiaren stand vom Bett auf und streckte sich, während er das Schlachtfeld betrachtete: zerwühlte Laken, zerfetze und verstreute Kleidung. Ganz und gar unvulkanisch.
A´kebur schüttelte den Kopf. "Dann stink wie ein Sehlat", rief er und ging unter die Dusche.
Tiaren grinste ihm hinterher, dann griff er sich eine der Roben aus dem Schrank und huschte hinüber in sein eigenes Quartier, um zu duschen. Er suchte sich wieder eine der seiner Ansicht nach flatterigen, vulkanischen Gewänder, um der Hitze entgegenzuwirken und machte sich auf den Weg ins Esszimmer. Er wollte nicht, dass A´kebur für ihn Schützenhilfe leistete, mit den Vulkaniern hier musste er alleine klarkommen. "Guten Morgen", grüßte er die Anwesenden. Es schienen alle vollzählig versammelt. Man hatte zudem schon mit dem Frühstück begonnen. A´kebur trat hinter ihn und murmelte einen vulkanischen Gruß. Amaris nickte leicht und schien damit anzudeuten, dass sie sich setzen durften. Das Essen wurde schweigend eingenommen.
Tiaren war jedoch erstaunt, als A´kebur ihm ein Glas Wasser eingoss und alle plötzlich mit dem Essen aufhörten. Tiaren kannte sich nicht genau aus, aber bei einem Wüstenvolk war dies eine Geste der Gastfreundschaft und der Akzeptanz. Amaris musterte ihren Enkel. "Lanar?" Eine Welt von Fragen schienen in diesem Wort zu stecken.
A´kebur erwiderte ihren Blick, verneigte sich dann aber respektvoll. "Ich habe ihn erkannt. Aber viele Dinge sind ungesagt", erklärte er geradezu ritualhaft.
Amaris zeigte ihre Überraschung und auch ihre Missbilligung mit hochgezogenen Augenbrauen. "Es ist deine Entscheidung, Lanar", erwiderte sie, "aber ihr geht morgen zum Tempel. Dinge müssen geklärt werden."
"Ja, müssen sie. Tiaren hat etwas, was mir gehört!"
Jetzt war es Tiaren, der ihn fragend ansah. "Was meinst du damit?"
A´kebur brach den Blick mit seiner Großmutter. "Ich habe einen Verdacht. Aber es ist reine Spekulation. Doch deine Gefühle sind wahrhaftig. Mehr zählt letzten Endes nicht."
Tiaren fragte nicht weiter, auch wenn die Antwort ihn nun überhaupt nicht befriedigte. Jedenfalls spürte er während der ganzen Mahlzeit immer wieder die Blicke der Vulkanier. Einzig Captain Lakons Miene schien etwas akzeptierender zu sein, wenn auch keinerlei Sympathie darin lag. Tiaren nahm es hin. Es ging ihm um A´kebur, nicht um dessen Familie.
Als das Frühstück beendet war, erhoben sich bis auf Amaris und Lakon alle. A´kebur blieb sitzen und mit ihm Tiaren, der neugierig war. Offenbar gab es noch etwas zu besprechen. "T'Lera ist im Tempel und sie möchte dich vor der Zeremonie sehen. Dies schließt Tiaren ein. Sie erwartet euch beide", eröffnete Lakon.
A´kebur erfasste unwillkürlich Aufregung. "Wir werden gehen", antwortete er bestimmt.
"Darf ich wissen, wer T'Lera ist?", fragte Tiaren, als er mit A´kebur zurück zum Zimmer ging. "Und was soll ich anziehen?"
"Sie ist meine Mutter. Ich habe sie lange nicht mehr gesehen. Sie lebt sehr zurückgezogen. Und mir ist egal, was du anziehst. Sei nur angemessen." A´kebur sah ihn an und riet dann: "Wähle das grüngoldene. Das passt zu dir."
Tiaren schmunzelte und meinte, während er im Zimmer verschwand: "Dann mache ich das." Zehn Minute später hatte er das besagte grüngoldene Gewand an, das tatsächlich ausgesprochen gut zu seinen Augen passte. Es war zwar für Tiarens Verhältnisse zu auffällig, aber elegant auf jeden Fall. A´kebur sah es mit deutlichem Wohlgefallen. Er führte sie in die Stadt direkt zum Tempel. Niemand begegnete ihnen. Erst als sie die oberste Stufe erklommen hatten, erklang ein leiser Gong. A´kebur sah sich kurz um, entschied sich dann fürs Haupttor.
Sie schritten langsam hindurch, und von der gegenüberliegenden Seite kam ihnen eine Frau entgegen. Tiaren sah zwischen A´kebur und T'Lera hin und her und entschied, dass sie sich sehr ähnlich sahen, sah man von der klingonischen Stirn ab: Die Augen waren die gleichen, ebenso der Schnitt des Gesichts.
"Es ist gut, dich zu sehen", begrüßte T'Lera ihren Sohn mit etwas, das Tiaren als tiefe Liebe erkannte, auch wenn die Vulkanierin keine Miene verzog.
A´kebur lächelte offen und verbarg seine Freude nicht. "Ich habe dich vermisst. Es ist schön, dich hier zu wissen. Dir geht es gut, sehe ich!"
T'Lera nickte und trat näher. "Du siehst ebenfalls gut aus, mein Sohn. Lakon berichtete mir, es stand einige Zeit nicht gut um dich, aber das scheint sich geändert zu haben." Ihre leuchtendblauen Augen glitten kurz zu Tiaren, dann sah sie wieder ihren Sohn an.
"Viele Dinge haben sich geändert. Bei manchen weiß ich noch nicht, was ich darüber denken soll. Können wir uns privater unterreden, Mutter? Es ist persönlich."
"Natürlich, folgt mir." Sie winkte den beiden, ihr zu folgen. Durch eine der hinteren Türen ging es hinaus in einen meditativen Garten, der im Schatten der Tempelwand lag. Dort nahm sie auf einer der Bänke Platz, die beiden Männer setzten sich gegenüber.
A´kebur sammelte sich, ehe er begann. Er erzählte von Tiaren. Von dem, wie sie einander begegneten. Tiaren musste zuhören und sah sich aus der Perspektive eines früheren A´keburs, der ihn hasste. A´kebur erzählte aber auch, was danach geschah. Seine Verwirrung und seine Gefühle. Aber dann sagte er etwas, was Tiaren überraschte: "Ich glaube, dass Tiaren etwas von Etienne in sich trägt. Es ist eine Vermutung. Ich kann es nicht berühren. Aber ich ahne es. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll."
Tiaren wollte etwas sagen, ließ es dann aber, sondern wartete ab, was T'Lera dazu meinte. Diese sah ihn jetzt direkt an. "Du denkst, der Teil seiner Katra, den du seit eurer Verbindung in dir trägst, hat Etiennes Tod überdauert und ist in Tiaren eingezogen?", präzisierte T'Lera. "Nun, unmöglich ist es nicht, auch wenn ich von keinem Fall weiß. Vulkanier, die nach dem Verlust eines Gefährten sich ein zweites Mal verbinden, nehmen sich meist jemanden, der in der Persönlichkeit sehr ähnlich dem ihres verstorbenen Partners ist."
"Ich vermute, dass ich einen Teil der Katra in mir hatte. Ich habe danach gesucht. Aber ich habe nichts gefunden. Eigentlich ist es unmöglich. Menschen sind anders, und ich wüsste auch nicht, wie ich die Katra aufgenommen hätte", gab A´kebur widerstrebend zu. "Aber es gibt Details in Tiarens Persönlichkeit und Verhalten, die mich vermuten lassen, dass so etwas geschehen ist."
T'Lera nickte. "Menschen haben keine Katra in unserem Sinn und können sie auch nicht weitergeben wie wir. Aber bei jedem Seelenband tauschen wir einen Teil unseres Selbst mit unserem Partner, das ist unbestreitbar. Diesen Teil von Etiennes Seele kannst du durchaus weitergegeben haben." Sie überlegte kurz. "Sag mir, mein Sohn, hat sich für dich etwas geändert, seit du mit Tiaren verbunden bist, abgesehen vom Offensichtlichen?"
A´kebur überlegte. Tiaren fühlte Ungeduld in sich aufsteigen, drängte sie jedoch mit Vehemenz zurück. Das hier war wichtig und A´kebur konnte das nur allein herausfinden. Dennoch dauerte es für seinen Geschmack fast zu lange. Dann aber nickte A´kebur. "Ich habe mich mit Etienne unterhalten. Als der Schmerz nachließ, hatte ich manchmal das Gefühl, dass er bei mir war. Ich hielt es für meinen … eine Imagination. Damit ich nicht verrückt wurde."
"Dann ist unsere Theorie durchaus möglich, wenn auch immer noch unwahrscheinlich. Und diese Gespräche hörten auf? Das ließe sich auch mit dem Ende deiner Einsamkeit erklären", fuhr T'Lera sanft fort.
"Ließe sich das feststellen?", fragte A´kebur sie.
"Möglicherweise. Ich müsste euch beide dafür untersuchen." Diesmal sah T'Lera zu Tiaren. Dieser nickte. "Ich möchte es auch wissen. Wenn ich das alles höre, scheint es mir ziemlich abstrus, aber andererseits in letzter Zeit scheinen viele Dinge in meinem Kopf zu sein, die ich eigentlich nicht wissen kann, wie A´kebur sagt. Aber ich empfinde sie nicht als fremd."
A´kebur nickte und gab sein Einverständnis. T'Lera bedeutete ihm, sitzen zu bleiben. Sie berührte seine Schläfen und bat um Einlass. Sie fand, was sie suchte und wunderte sich ein wenig. Der unerfahrene und ungeschulte Geist A´keburs hatte wirklich einen Bereich für die Katra seines Gefährten geformt und sie spürte, dass sich dort auch jemand aufgehalten hatte. Mitunter geschah so etwas instinktiv. Aber sie wusste, dass normalerweise A´kebur darauf hätte untersucht werden müssen. Jedoch kein Vulkanier ging davon aus, dass ein Mensch seine Seele einem Vulkanier überantworten konnte. Und auch niemand hatte es als wahrscheinlich angesehen, dass A´kebur dazu in der Lage sein könnte. So war eine Untersuchung unterblieben, war sie doch unnötig und damit unlogisch.
Doch A´kebur war fähig und er war ein sehr starker Träger, ebenso wie Etienne stark genug gewesen sein musste, um das überhaupt zu ermöglichen.
T'Lera zog ihre Hand zurück. "Es ist nichts da, aber du hast Platz für eine Katra geschaffen", erklärte sie. Dann sah sie zu Tiaren, der nickte. Sie legte ihm ebenfalls die Fingerspitzen auf die Schläfen und konzentrierte sich. Zuerst war es ungewohnt, sich zurechtzufinden, aber dann spürte T'Lera ganz deutlich die Kraft eines Telepathen, wenn auch vollkommen unausgebildet. Und dahinter war etwas, aber was genau, konnte sie nicht erkennen. Jedenfalls spürte sie keinerlei fremden Einfluss, nur das Band zu A´kebur, dass wie ein leuchtender Faden zwischen ihnen hing.
Obwohl sie es nicht wirklich wollte, berührte sie das Band.
Es schien wichtig zu sein. Sie hörte A´kebur keuchen. T'Leras Vorstellung formte einen unglaublichen Vorgang, von dem sie nicht wusste, ob es jemals so etwas schon gegeben hatte. Sie hatte Etienne kennengelernt gehabt. Sie fand ihn nicht. Aber als sie das Band berührt hatte, war es ihr, als sah sie, wie Etienne Tiaren in eine Umarmung zog und er sich in diesem auflöste, als hätte es ihn nie gegeben. Verwirrt zog sie sich aus Tiarens Geist zurück und sah zu A´kebur, der sich mühsam auf der Bank festhielt, um nicht herunterzufallen.
"Ich denke, du hast recht", wisperte sie und setzte sich ebenfalls wieder um zu Atem zu kommen. Das Ganze hatte auch sie Kraft gefordert. Nur Tiaren wirkte weniger angegriffen und sah verwirrt zwischen den beiden hin und her. Er verstand immer noch nicht so ganz, was sie hier andeuteten.
T'Lera suchte nach den richtigen Worten für ihn. "Ihr seid miteinander verschmolzen. So vollkommen, dass es kaum noch Spuren davon gibt. Einzig ein Bild aus deiner Erinnerung, das irgendwie nicht wirklich eine Erinnerung darstellt, zeigt, was geschehen ist. Ich glaube, es war ein Traum. Etienne kam über die erzwungene Verbindung zu dir, weil es ein vertrauter Vorgang war. Er fand dich und schien eher zu verstehen, was es bedeutete. Was auch immer ihn dazu bewog, der Seelenrest entschied, dass du der sein solltest, der ihn aufnehmen sollte und dich damit vervollständigte. Ich habe den Eindruck einer Seele, die sehr lange nicht vollständig war. Aber jetzt ist da eine Stabilität, die noch neu wirkt."
Tiaren blinzelte. So verrückt das alles jetzt klang, es machte irgendwo Sinn. Trotzdem hatte er seine Zweifel. "Aber warum weiß ich nichts davon?", fragte er.
"Etienne war ein Mensch. Kein Vulkanier. Die Katra der Menschen ist nicht so stabil, dass sie diesen Vorgang der Katraübertragung überstehen. Das, was A´kebur auffing, war nur ein schwaches Abbild. Es wird im Schlaf geschehen sein, als Etienne mit dir verschmolz. In einem Moment als keiner von euch wirklich wach war, um das zu verhindern oder auch nur zu bemerken."
"Dann ist Etienne ein Teil von mir geworden?" Es klang noch immer verrückt. Aber irgendwo auch richtig. "Ich denke, ich muss mehr über ihn erfahren." Tiaren sah zu A´kebur.
Dieser sah ihn überrascht an. "Wie meinst du das?", fragte er nach, obwohl er sich vorstellen konnte, was Tiaren damit meinte.
"Ich möchte erfahren, was für eine Person er war. Nur dann kann ich für mich entscheiden, ob ich das wirklich glauben soll", meinte Tiaren. "Bisher habe ich nichts außer den Vorurteilen Torans, den offiziellen Daten und deine Gefühle für ihn."
A´kebur wechselte einen Blick mit seiner Mutter. Diese überließ ihm die Entscheidung. A´kebur nickte leicht. "Ich bin einverstanden. Ich kann dir am Anfang helfen, die Verbindung herzustellen. Aber vielleicht solltest du die Hilfe meiner Mutter in Anspruch nehmen."
T'Lera erklärte sich dazu bereit. "Was muss ich tun?", wollte Tiaren wissen, dem die ganze Telepathiesache immer noch nicht ganz sympathisch war. Falls die Vulkanier ihn duldeten, musste er auf jeden Fall lernen, richtig damit umzugehen. Doch vorerst sollte er wirklich Hilfe annehmen.
Sein letzter telepathischer Kontakt war eine Invasion gewesen. T'Lera bedeutete ihm, sich genau gegenüber A´kebur zu setzen. "Berühre seine Schläfen, aber dringe noch nicht ein. Jeder Kontakt ist mit einer Anfrage verbunden. Alles andere ist ein Angriff. Die Gefahr bei einem ungeschulten Telepathen ist, dass er den anderen verletzt, weil er zu stark ist. Im Falle eines schwachen Kontakts bricht die Verbindung immer wieder zusammen, so dass sich beide erschöpfen. Ich werde die Verbindung stärken und kontrollieren, ob jemand darunter leidet", erklärte sie. Tiaren streckte die Hände aus und berührte leicht A´keburs Schläfen, während er eine Art geistiges Anklopfen aussandte. Türen schienen vor ihm aufzugehen, und er trat ein. Zuerst spürte er nur einen komplizierten Wust an Bildern und Eindrücken, ungeordnet und überwältigend, aber dann kam eine gewisse Ruhe hinein. Nacheinander tauchten A´keburs Erinnerungen vor ihm auf: Eine Bar in einer heruntergekommenen Raumstation, das provozierenden Lächeln eines noch fremden, unglaublich dreisten Menschen. Ein Holodeck, ein Kampf, der in einer Umarmung endete. Glühende Fäden, die zwischen ihnen hin- und hersprangen und sich dann verdichteten. Ablehnung, Wut, Unglauben, Explosionen. Einsamkeit.
A´kebur versank in Erinnerungen und Gefühlen. T'Lera bestand jedoch darauf, dass er sich nicht zu weit forttreiben ließ, versetzte ihn in Bewegung, damit er sich nicht im Gefühl des Verlusts verlor.
Tiaren lernte Etienne als jemanden kennen, der sich keinen Konventionen hatte beugen wollen und doch einem Mann letztlich folgte, der ihm das Leben schlechthin bedeutete. Mit Erstaunen sah Tiaren Cindy, die zur Frau heranwuchs und einen guten Teil weiterer Gefühle in A´kebur band und die letztlich wohl darüber geholfen hatten, dass A´kebur zurückkehrte aus seiner persönlichen Wüste. Die Trauer um Etienne war das stärkste Gefühl. Sie überlagerten einen guten Teil der Erinnerungen. Aber dennoch verstand Tiaren diesen Menschen, den er durch die Sinne von A´kebur zum ersten Mal überhaupt sah. Und über allen diesen Eindrücken lag etwas tief Vertrautes, das nichts mit A´keburs Wahrnehmung zu tun hatte. Tiaren selbst spürte etwas wie Wiedererkennen. Weiter und weiter verfolgte er die Erinnerungen, schöne und traurige, bis hin zu den letzten Momenten in Etiennes Leben. Er hatte sich mit einem Lächeln von A´kebur verabschiedet, versprochen, trotz allem immer bei ihm zu sein.
Damit endete es. A´kebur atmete tief durch, als würde er aus einem Traum erwachen. Tiaren zog sich vorsichtig zurück und er war dankbar, dass T'Lera die Verbindung sanft beendete. Denn er hatte dafür kaum noch Konzentration. A´kebur schlug die Augen auf und sah ihn an. "Gefunden, was du suchst?", fragte er ihn.
"Ich …" Tiaren rieb sich über die Augen. "Es scheint eher, als hätte dieser unmögliche Mensch gefunden, was er suchte. Und es scheint die einzige, wirkliche Erklärung zu sein." Er lächelte A´kebur etwas schief an.
"Zwei Wesen, die einander begegnen und sich erkennen. Diese Legenden gibt es bei fast jedem Volk dieser Galaxie. Ich glaube nicht daran. Ich weiß es." A´kebur lehnte sich zurück und musterte Tiaren. "Und jetzt bist du der Träger des Wesens, dessen Seele ich bewahren wollte."
"Ich denke, es gibt schlimmere Schicksale im Universum", Tiarens Lächeln wurde zuversichtlicher. "Wenn Toran das wüsste, fiele er vermutlich auf der Stelle vom Schlag getroffen um."
"Das wäre zu einfach", brummte A´kebur.
"Vermutlich. Und was tun wir jetzt?"
A´kebur wirkte ratlos. Er sah T'Lera an und hoffte, dass sie etwas sagen konnte. "Diese Verbindung ist nicht richtig. Aber…" Er suchte nach den richtigen Worten.
"Sie kann gereinigt werden", erklärte sie. "Es ist nicht nötig, sie zu trennen, um euch neu zu verbinden. Es ist ein mühevoller und schwieriger Prozess, aber mit weitaus weniger Risiko und unnötigem Schmerz verbunden."
"Würdest du ihn als meinen Partner akzeptieren?", fragte A´kebur, während er Hoffnung schöpfte.
"Es ist weder an mir noch an irgendjemand anderem, darüber zu richten, mein Sohn", erklärte T'Lera. "Es ist euer Leben und eure Seelen. Und ich wünsche mir nur, dass du zufrieden bist."
A´kebur beugte sich vor und berührte mit seiner Stirn die ihre. Sie ließ es nicht nur zu, sondern schloss sogar für einen Moment die Augen. "Dein Respekt und dein Wunsch ist mir wichtig", erklärte er. "Ich brauche deinen Segen."
"Du hast ihn. Ich möchte nicht sehen, wie du weiterhin nur ein halbes Leben führst", erklärte sie leise. Dann streckte sie die Hand aus und berührt kurz Tiarens Stirn. "Du hast eine Verantwortung", erklärte sie. "Denk immer daran."
Tiaren nickte ernst. Sie erhob sich und sah die zwei Männer noch einmal kurz an, ehe sie ging.
A´kebur war aufgewühlt wie schon lange nicht mehr. Alles ging drunter und drüber und er wusste, dass er Zeit brauchen würde, um alles wirklich zu verstehen. Aber im Moment war nur wichtig, dass seine Mutter nicht nur bereit war, Tiaren als Gefährten zu akzeptieren, sondern ihm sogar das Kostbarste anvertraute, was sie besaß. A´kebur suchte Tiarens Blick, der nicht unähnlich verwirrt wirkte.
"Ich bin ja immer noch nicht begeistert von den Vulkaniern, aber deine Mutter ist mir sympathisch", meinte Tiaren schließlich.
"Aber sie hat recht: Du musst dich ausbilden lassen, sonst schadest du dir selbst. Ich bin unausgebildeter Telepath gewesen. Sie wusste es. Doch ich weigerte mich mein Erbe anzuerkennen und wäre daran beinahe zugrunde gegangen. Ich bin auch Vulkanier!", gab A´kebur zurück und sah ihn unerbittlich an.
"Du bist eine Ausnahme. Und wenn ich jemanden finde, der mich ausbildet, dann je eher, je besser", gab Tiaren zurück.
"Auf Vulkan gibt es eine Akademie, die auch Außenweltler ausbildet. Du kannst dich dort sicher anmelden."
Tiaren grinste. "Das werde ich, sobald wir die Sache hier geklärt haben." Er stand auf. "Und wenn deine Mutter eine Möglichkeit weiß, dass wir nicht getrennt werden müssen, dann sollten wir das versuchen."
A´kebur berührte Tiarens Hand. "Ist das auch dein eigener Wunsch?", fragte er.
"Denkst du wirklich, ich will dich loswerden? Die Vulkanier werde ich schon ertragen."
A´kebur schüttelte leicht den Kopf. "Auch Etienne war so. Er wollte für mich alles aufgeben und gegen die Welt kämpfen. Ich verlange so etwas nicht. Nie wieder. Jetzt wird es Zeit, dass du Pläne machst."
"Ich sagte doch, bevor ich mit meiner Telepathie nicht alleine umgehen kann, brauche ich Hilfe. Dann sehe ich weiter." Tiaren drückte A´keburs Hand. "Davon abgesehen habe ich schon alles aufgegeben. Zurück kann ich nicht mehr."
"Dann müssen Romulus und die Föderation einander näherkommen, damit du dort auch wieder zurückkannst, wenn du es willst. Auch wenn Toran dir deine Heimat verleidet hat, sie bleibt es dennoch." A´kebur erhob sich. "Wir sollten gehen, bevor es Mittag ist."
Zusammen verließen sie den Tempel und kehrten ins Anwesen von A´keburs Familie zurück. Die Stimmung beim Mittagessen war gedämpft, aber niemand fragte, um was es bei dem Gespräch mit T'Lera gegangen war. Nur Lakon sah an der Art, wie A´kebur und Tiaren miteinander umgingen, dass sie diesen Romulaner so schnell nicht los sein würden. Doch er gewöhnte sich langsam an diesen Gedanken. Sie hatten auch einen Menschen als Partner akzeptiert, und Tiaren fiel zumindest äußerlich nicht so auf. Davon abgesehen, wer war er, dass er die Gefühle anderer in Frage stellte?
Vor allen Dingen Gefühle. Hier ging es nicht um eine Verbindung zwischen hochgestellten Familien. Dieser Gedanke erinnerte ihn jedoch aber an etwas eher Unangenehmes. A´kebur war offiziell nicht aus der Erbreihenfolge ausgenommen und es sah nicht so aus, als sollte er das. Der gravierte Stein, den er A´kebur am Anfang seines ersten Aufenthalts auf Vulkan gegeben hatte, wies ihn als das älteste Kind der ältesten Tochter aus – Lakon hatte den Stein für seine Schwester aufbewahrt und auch nach Gesprächen mit Lial nicht dazu durchringen können, ihn der Tradtion gemäß entweder als Verpflichtung anzunehmen oder ihn weiterzugeben, bevor nicht endgültig geklärt war, dass A´kebur seine vulkanischen Wurzeln ablehnte. Als dieser jedoch akzeptierte, übertrug er ihm die Pflicht.
A´kebur wusste sehr gut um die Bedeutung dieses Zeichens, wenn er den Stein auch sorgfältig auf Vulkan in einer Schatulle aufbewahrte und nicht darüber nachzudenken pflegte, welche Verpflichtung damit einherging. Mit einer weiteren Schwester an seiner Seite rechnete in der Familie niemand mehr. Und T'Lera würde keine Partnerschaft an ihrer Seite in absehbarer Zeit mehr dulden, die zu einem weiteren Nachkommen führen konnte, und Lakon rechnete nicht damit, dass das überhaupt mehr der Fall sein würde. Die Wunden seiner Schwester waren verheilt, aber die Narben blieben und ihr den Wunsch der Familie nach einem weiteren Kind nahezubringen verbot sich von allein.
Doch all diese Überlegungen mündeten inweigerlich in eine Richtung, die sein Neffe von ganzem Herzen ablehnte. Er musste sich um eigenen Nachwuchs kümmern. Da er jedoch schon wieder einen männlichen Gefährten für seine Zeit und davor und danach erwählte, wurde es schwierig, da er auch auf keine der anderen traditionell möglichen Partnerschaften zurückgriff.
Natürlich gab es noch die Möglichkeit, eines der ältesten Mädchen in den unmittelbaren Zweigen zu ernennen, aber so lange es A´kebur gab und T'Lis noch im gebährfähigen Alter war, verbot es die Tradition.
Bevor seine Mutter eingriff, würde er mit A´kebur ein Gespräch führen müssen. Nach dem Essen winkte daher Lakon A´kebur an seine Seite. "Ich würde gerne mit dir sprechen, Neffe."
A´kebur nickte Tiaren zu, der sich entfernte. Dann folgte A´kebur seinem Onkel respektvoll, der in das ehemalige Arbeitszimmer seiner Großmutter ging, das jetzt das seiner Mutter war. A´kebur wusste, dass das hier wohl ein Gespräch der Familie war und er sich durchaus mehr Anwesende vorstellen konnte.
Lakon wandte sich um und blickte A´kebur an. "Gehe ich recht in der Annahme, dass Tiaren dein Partner bleiben wird?", fragte er geradeheraus.
"T'Lera sagt, dass die Verbindung sehr tief geht. Es ist möglich, sie zu trennen, aber der Schaden wäre groß. Zudem scheint es so, dass ich die Katra von Etienne getragen habe, die sich durch dieses Band zwischen mir und Tiaren auf diesen übertragen hat. Sie sind miteinander verschmolzen. Ja, er wird mein Partner bleiben aus freier Wahl!" A´kebur begegnete Lakons Blick, dessen Augen ihn vor vielen Jahren etwas darüber sagten, woher er kam und wo der andere Teil seiner Familie zu suchen war. Ein ähnliches Blau - so selten wie sein Aussehen.
Lakon nickte, nicht sonderlich überrascht. "Das macht Sinn. Nun, wenn es euer beider Wunsch ist, dann wird es richtig sein. Allerdings gibt es da noch eine andere Sache: die Familie erwartet von dir Nachkommenschaft. Nicht heute und auch nicht morgen, aber in absehbarer Zeit."
A´kebur sah ihn überrascht an. "Warum?", fragte er schneller als er sich daran hindern konnte.
"Um die Familienlinie fortzuführen. Die Familie Re kann sich auf die Gründung der vulkanischen Gesellschaft zurückführen, und wir haben eine Tradition fortzuführen. Und du bist das älteste Kind der ältesten Tochter des Familienoberhauptes. Ich glaube nicht, dass deine Mutter weitere Kinder haben wird und damit auch keine Tochter. Ich bin nicht Erbe. Alternativen einschließlich meiner potentieller Nachkommen kommen erst dann in Betracht, wenn du keine hast."
A´kebur sah ihn entsetzt an. "Ich werde keine Kinder haben", stieß er aus. "Niemals!"
"Und warum nicht? Du hast dich Cindys angenommen, auch wenn ihr nicht blutsverwandt seid", erinnerte Lakon ihn.
"Darum geht es nicht!" A´kebur ballte seine Hände. "Ich kann kein Kind zeugen, dass … Nein!"
"Du denkst, dein Kind würde die gleichen Probleme haben wie du? Ich denke nicht. Du würdest nicht zulassen, dass es schwankend zwischen zwei Welten aufwächst, sondern es lehren, aus allem das Beste zu ziehen."
"Onkel!" A´kebur war nahe daran, zu betteln oder Lakon zu beschimpfen und ihn zu verfluchen. Aber seine Stimmbänder verweigerten ihm den Gehorsam. So blieb er nur voller Wut mitten im Raum stehen und starrte Lakon an.
"Wie gesagt, du musst es nicht heute entscheiden. Kümmere dich zunächst um Tiaren. Ich wollte nur, dass du Bescheid weißt, ehe meine Mutter das Thema anschneidet." Damit ließ Lakon ihn allein.
A´kebur schloss seine Augen und schüttelte den Kopf. Als jüngster Sohn und Bastard von Ghors stand er nicht in der Erbfolge seiner klingonischen Familie, außer er zweifelte das Familienoberhaupt an und forderte es heraus. Aber ganz offenkundig stand er offiziell in der vulkanischen Erbfolge. Er hatte geschworen, dass er niemals ein Kind zeugen würde, dass belastet war mit dem einen oder anderen Erbe. Es hatte seinen Sinn, auf die Reinheit des Blutes zu bestehen. Zuviel Leid entstand aus der Vermischung. Erst Stunden später verließ er das Arbeitszimmer, ohne auch nur einen Deut ruhiger geworden zu sein.
In seinem Quartier fand er Tiaren vor dem Computerterminal; er informierte sich über die Akademie und deren Aufnahmebedingungen. Als er A´keburs Miene sah, runzelte er leicht die Stirn.
"Nichts", murmelte dieser. "Was siehst du dir an?"
"Die Einrichtungen der Akademie. Was Romulaner betrifft, haben sie keine Regelungen, aber ich denke, ich schaffe einen Präzedenzfall. Und Nichts sieht anders aus. Worum ging es?" Tiaren sah ihn geradeaus an.
A´kebur fuhr sich durchs Haar und schnaubte, als wollte er allein so aussagen, um was es ging. "Mein Onkel hat mich an meine familiären Verpflichtungen erinnert."
Tiaren brauchte einen Moment, um das zu begreifen. "Ich fürchte, dann bin ich der falsche Partner", gab er zurück. "Und noch mehr umoperieren lasse ich mich bestimmt nicht."
"Pah, und selbst wenn, du wirst keine Kinder austragen können. Soweit ist die Medizin nun auch nicht", knurrte A´kebur. "Aber darum geht es nicht. Du hast erstens gesagt, dass du nicht die Frau bist und ich werde auch niemanden nehmen, der mir eine Frau ist. Es geht um Kinder. Um Nachkommen. Um die Erbfolge. Aber ich will kein Kind zeugen und ich werde es nicht!"
"Dann sag ihnen das. Zwingen können sie dich nicht." Tiaren stand auf und lehnte sich leicht an A´kebur. "Außerdem hast du doch eine Familie, oder nicht?"
"Wie meinst du das?"
"Na, Cindy und ihre Nachkommen. Ich würde sie übrigens gerne treffen, falls sie das erlaubt."
A´kebur sah ihn erstaunt an. Dann lachte er und schüttelte den Kopf. "Nein, es ist eine Sache des Blutes. Sie ist nicht von meinem Blut. Sie ist nicht vom Blut meiner Familie. Davon abgesehen, wenn sie dich nicht zerreißt, schätze ich, dass einem Treffen nichts entgegensteht."
"Nun, ich hoffe nicht, dass sie das tut. Und was Blutsverwandtschaft betrifft: Ich glaube nicht, dass sie wirklich zählt. Sieh dir Toran und mich an." Tiaren schüttelte den Kopf. "Lass dich da nicht unter Druck setzen."
A´kebur ließ sich auf ein Bodenkissen sinken und sah ihn an. "Ich fürchte, dass ich nicht viel Wahl habe. Lakon hat keine Kinder. Er ist seit fünf Zyklen mit seiner Partnerin zusammen und es gibt etwas mit ihrer Familie und meiner Familie. Keine Ahnung, ich verstehe es nur bedingt." Er wusste nicht, ob er und seine Gefährtin T'Selra keine Kinder haben konnten zusammen oder ob sie sich dagegen entschieden haben. Entweder war es eine Frage der Politik oder aus persönlichen Gründen. Das war kein Thema, welches Lakon mit seinem Neffen besprechen wollte. Auch nach diesem Gespräch wusste er es nicht wirklich. T'Selra, seine Frau diente auf einem anderen Schiff und er hatte sie nur einmal bisher ganz kurz zu Gesicht bekommen. Es konnte durchaus sein, dass sie beide noch warten wollten. Aber das entband nach der Tradition A´kebur nicht von seiner eigenen Pflicht.
"Trotzdem können sie dich nicht zwingen. Wenn Vulkanier wirklich der Meinung sind, zwei Leute zusammen ins Bett zu zwingen, damit es ein Kind mehr in einer großen Familie gibt, dann sind sie nicht besser als vor der Großen Trennung", brummte Tiaren und setzte sich neben ihn. "Auf Romulus sind wir für Verbindungen von politischem Vorteil, aber gezwungen wird niemand, nur empfohlen."
A´kebur sah skeptisch aus. Wahrscheinlich war das nur Tiarens Erfahrung eine andere, als die diverser anderer Romulaner. "Egal", brummte er. "Offenbar bin ich wichtiger als ich dachte. Und das behagt mir nicht und ich werde kein Kind in die Welt setzen, dass wie ich ist."
Tiaren schmunzelte. "Dabei ist die Vorstellung, ich weiß nicht, irgendwie süß." Er ging sofort in Deckung bei diesen Worten. Tiaren hatte nicht wirklich etwas für Kinder übrig, aber die Idee eines A´keburs in Miniaturformat, möglicherweise noch ein Mädchen, hatte einfach etwas.
Der Blick, der ihm zuteilwurde, bestätigte das, was er dachte. A´kebur hatte wirklich etwas an sich, was einen schwach werden lassen konnte und das in einem Mädchen verpackt war sicherlich etwas, was den Papa ganz sicher irgendwann dazu bringen würde, sich schützend vor seine Tochter zu stellen, weil dieser sie vor einer Horde Verehrer abschirmen musste. A´kebur grollte dunkel. "Ich weiß nicht, woher du diese Idee nimmst, aber du solltest dir überlegen, wo du schläfst, wenn ich dich im Garten übernachten lasse."
"Ich habe nichts gesagt." Tiaren grinste aber noch immer und ließ sich zurück auf die Kissen fallen.
"Gut, dabei solltest du es auch belassen", warnte ihn A´kebur.
Er bekam nur einen unschuldigen Blick zurück.
A´kebur brütete den Tag über und er wusste nicht, was er tun sollte. Er konnte um keine Frau werben. Er hatte nach keiner mehr gesehen, seit er bei Etienne war. Er war ihm treu gewesen bis weit über seinen Tod hinaus. Mit Tiaren würde es aller Voraussicht nach nicht anders sein und selbst wenn nicht, dann würde er dennoch keine Kinder zeugen. Dessen war er sich irgendwo ziemlich sicher. Darüber hinaus konnte er es sich im Moment nicht einmal vorstellen, jemand anderen zu begehren oder gar in jemanden zu verlieben. Wie sollte er also eine Frau finden, sofern er sich irgendwie damit abfinden konnte, einem Kind das anzutun, was mit ihm geschehen war. Vulkanier waren nur bedingt tolerant gegenüber Außenweltlern. Gegenüber Vertretern ihrer eigenen Art weniger. Mischlinge hatten es hier sehr schwer, nicht weniger als er es unter Klingonen hatte.
Wie er seine Familie kannte, hatte sie schon jemandem im Blick; Lakon hatte ja durchblicken lassen, dass Amaris schon länger in der Hinsicht plante. Aber die Vorstellung von irgendeiner jungen, wohlerzogenen Vulkanierin aus gutem Hause, die das Ganze nur für ihre Pflicht hielt und vermutlich die Augen zumachte, sobald sie allein waren, bereitete ihm fast schon Übelkeit. Er keuchte kurz und schüttelte sich.
Wenn überhaupt, dann konnte er sich so etwas nur mit einer Frau vorstellen, die ihm sympathisch war und wo die Sympathie auf Gegenseitigkeit beruhte. Die Alternative, auf künstliche Befruchtung und ähnliches zurückzugreifen, schloss er von vorne herein aus: entweder richtig oder gar nicht. Und insgesamt war dieser gesamte Gedankengang unter seiner Würde.
Missmutig schaute er zu Tiaren, der noch immer die Anmeldung der Akademie durchging. Er füllte bereits einen Fragebogen aus, der seiner Zulassung vorausging. Als das beendet war, schaltete er den Computer aus und kam zu A´kebur. "Runzele die Stirn nicht so", neckte er leise. "Worüber grübelst du wieder? Oder immer noch?"
"Immer noch", murmelte A´kebur. "Und das andere ist angeboren. Außerdem tust du das auch. Es ist nicht sonderlich witzig."
Tiaren lächelte. "Ich darf inzwischen lästern mit meiner nichtromulanischen Stirn. Und ist es dir wirklich so wichtig, deine Familie zufriedenzustellen?"
"Ich überlege, wie ich das umgehen kann. Es ist aber auch eine Frage der Ehre." A´kebur wirkte unzufrieden und eindeutig ratlos. Tiaren zuckte mit den Schultern. "Dann such dir was Passendes. Nicht, dass ich das so gut fände, aber wenn du es anscheinend ernst genug findest, darüber nachzudenken …"
A´kebur winkte unwirsch ab. Doch dann horchte er auf. "Du stellst Ansprüche", murmelte er und ließ es wie ein Urteil klingen.
"Ja, tue ich, aber schon eine ganze Zeit. Was dagegen?" Tiaren küsste A´kebur aufs linke Ohr.
A´keburs Augenbrauen zogen sich gewittrig zusammen. "Ja, ich gehöre dir nicht!"
"Habe ich das gesagt? Ich versuche dir nur Ratschläge zu geben, aber du beharrst ja auf schlechter Laune", schnurrte Tiaren. "Ich wollte dich nur aufmuntern."
A´keburs Blick wechselte ins Pikierte. Dieser Tiaren wurde ihm immer unheimlicher. Erst waren sie Feinde, dann Bettfreunde und jetzt machte sich dieser Mann ganz offen Sorgen um ihn. Tiaren grinste ob dieses sparsamen Gesichtsausdrucks. "Wäre es dir lieber, ich werfe dich um, fessle dich und quäle dich, bis du ein anderes Gesicht machst?"
"Du bist merkwürdig und das kann nicht nur mit Etienne zusammenhängen!", erwiderte A´kebur und offenbarte dabei auch seine Gefühle. Dieser Tiaren war ein Enigma und vollkommen unberechenbar.
"Vermutlich. Mir kommt es nicht so vor, aber das scheint ein blinder Fleck zu sein. Soll ich gehen und dich in Ruhe lassen?"
A´kebur fühlte die Trauer, doch er nickte leicht. "Ich gehe. Bleib hier. Ich muss meine Gedanken klären."
"Tu das. Ich verschwinde nicht." Es war ein Versprechen. A´kebur erhob sich und suchte sich eine Trainingshose. Umgezogen machte er sich auf in den Garten. Er brauchte Meditation und er brauchte Kampf. Beides am besten gleichzeitig.
Etiennes Duft in Tiarens Form gegossen mit dessen Blick, der soviel Sorge verriet, war zuviel. Er brauchte Abstand von sich und von Tiaren und von jedem, der meinte, dass er Anspruch auf sein Leben und seine Zeit hatte. Der Garten war zum Glück leer trotz der Abendstunde, in dessen weichender Hitze man sich hinauswagen konnte. A´kebur suchte sich einen bevorzugten Platz aus und begann eine Reihe von Kampfübungen. All sein innerer Aufruhr floss in die Bewegung, reinigte seine Gedanken. Erst als es dunkel wurde, hielt er inne.
Über seine nasse Haut fuhr der heiße Wind, der seine letzte Kraft aus der roten, verbrannten Wüste bezog. Weit über sich hörte A´kebur die Wüstensegler rufen. Sie landeten nie, weil sie so zerbrechlich waren, dass sie auf dem Boden zerschellen würden. Es gab Legenden, wonach die Wüstensegler im Fliegen starben und ihre Körper sich hoch oben auflösten. Im Wind geboren, starben sie auch im Wind und berührten niemals den Boden. Es war ein Hauch der Freiheit, der in der Luft lag und gleichzeitig auch etwas Melancholisches.
A´kebur atmete tief durch. Er ließ seine Arme sinken und entspannte seine ganze Haltung. Erst dann ging er zurück. Es fiel ihm schwer und dieses Gefühl hatte er schon lange nicht mehr mit Vulkaniern im Zusammenhang gehabt. Latent war in ihm Wut gewesen. Schon lange hatte er das nicht mehr wirklich gehabt. Wie sehr war er eigentlich schon Vulkanier geworden? Wo war sein klingonisches Erbe?
Die ganze Zeit ließ er sich hier alles aufdrängen und sagte Ja und Amen, ohne sich wirklich dagegen zu wehren. Warum ließ er das alles hier überhaupt mit sich machen? Kein Krieger würde sich so herumschubsen lassen. Mit neuerlich gerunzelter Stirn, aber diesmal fokussiert, stapfte A´kebur ins Haus.
Er begegnete niemandem. Mittlerweile hatte er sich an die geisterhafte Anwesenheit der Bewohner gewöhnt. Doch jetzt störte es ihn. Ohne darauf zu achten, besonders leise zu sein, ging er in Tiarens Zimmer, zog diesen abrupt von seinem Stuhl hoch und küsste ihn harsch und fordernd. Dann ließ er ihn wieder fallen und ging in sein Zimmer, wo er begann, seine Sachen zu packen. Tiaren brauchte einen Moment, um sich von seiner Überraschung zu überholen, dann ging er A´kebur nach. "Du willst weg?", wollte er wissen.
"Ja!", antwortete er ihm einsilbig.
"Warum? Deine Familie? Oder ich? Los, rede!" Tiaren verschränkte die Arme und lehnte sich in den Türrahmen. A´kebur hielt inne und betrachtete ihn ausgiebig. Er lächelte und schüttelte den Kopf, ehe er weiter wahllos Sachen in seinen Reisesack stopfte. "Alles. Ich bin auch Klingone", antwortete er in einem Ton, der sagte, dass er in diesem Punkt keine Diskussion erwartete.
"Weißt du, wo du hinwillst? Und was machen wir wegen morgen?", ließ Tiaren nicht locker.
"Die Nächte auf Vulkan sind warm. Ich werde raus in die Wüste gehen und morgen früh pünktlich hier sein. Aber ich werde hier nicht bleiben."
"Warum?"
A´kebur zog mit einem Ruck seinen Reisesack zu und stellte ihn auf. "Ich wüsste nicht, dass ich dir Rechenschaft pflichtig bin."
"Bist du. Also?" Tiaren gefiel das Ganze überhaupt nicht. A´kebur richtete sich auf und musterte ihn, als wollte er ihn herausfordern. "Kein Also. Du brauchst keine Angst zu haben. Ich werde morgen früh da sein."
"Angst?" Tiaren kam auf ihn zu. "Der Einzige, den ich hier sehe, der Angst hat, bist du, Captain."
"Aber ich habe keine Angst", beharrte A´kebur. "Doch wenn ich bleibe, werde ich Dinge tun, die ich nicht tun will. Auch wenn ich auf sie wütend bin, so will ich doch nicht schon wieder dafür verantwortlich sein, dass sie mein Zimmer neu einrichten müssen."
"Dein Zimmer neu einrichten? Du willst also was kaputtschlagen, ja?" Tiaren grinste wieder. "Wie wäre es mit einem Übungskampf?"
"Übungskampf? Nein!" A´kebur drängte sich an Tiaren vorbei. Dieser hielt ihn nicht gerade sanft fest. "Ich meine das ernst. Du rennst nicht los und stellst wer weiß was an."
A´kebur knurrte und riss sich los. "Ich habe nicht vor, etwas anzustellen. Aber wie ich schon sagte, ich bin dir nicht rechenschaftpflichtig. Wer glaubst du, was du bist?"
"Dein Partner, ob es dir passt oder nicht! Und ich lasse dich nicht allein, verstanden?", knurrte Tiaren.
A´kebur hatte keine Lust auf eine Diskussion. "Nein, noch nicht. Und auch wenn wir uns binden, wirst du nicht jeden meiner Schritte bestimmen. Ich bin Captain der Enterprise und ich werde dich nicht fragen, ob dir passt, was ich tue."
"Momentan bist du ein Klingone unter Vulkaniern und nicht sonderlich zugänglich. Und ich sehe mich verantwortlich", gab Tiaren nicht nach.
"Dann lädst du dir sehr viel Verantwortung auf für einen Romulaner und nun hör auf, dich zu benehmen, als wäre ich dein Eigentum oder dein unmündiges Kind!", zischte A´kebur ihn an und machte einen weiteren Versuch, endlich sein Zimmer verlassen zu können.
"Ich habe dich gewarnt. Aber offenbar muss ich dich doch festbinden." Tiaren griff nach A´keburs Arm und drehte ihn nach hinten. Das war zwar noch nicht schmerzhaft, aber auch nicht gerade angenehm. Er schubste ihn zurück ins Zimmer, soweit, wie dieser keinen Fuß fest auf den Boden bringen konnte.
Als A´kebur sich jedoch kurz drehte, verlor Tiaren fast den eigenen Halt. Das war jedoch genug, damit er im nächsten Moment durch die Luft flog und auf dem Bett landete.
"Bleib da liegen, da machst du dich gut", meinte A´kebur trocken und zog seinen Umhang vom Haken an der Tür. Aber er hatte nicht mit Tiarens immer noch vorhandenen Reflexen aus Jahren der Kampfausbildung gerechnet. Dieser stieß sich vom Bett ab, erwischte A´kebur von hinten und nahm ihn in den Clinch. "Du machst dich weitaus besser im Bett, Captain", wisperte er ihm ins Ohr. "Sei brav, dann bin ich es auch." A´kebur keuchte lediglich kurz. Dann trat er aus und versuchte Tiaren auszuhebeln, ehe dieser ihm die Luft so knapp werden lassen konnte, dass er nur noch Sterne sah. Doch all das endete nur damit, dass beide auf dem Bett landeten. Tiaren hielt A´kebur auch weiterhin fest und biss ihm mit Nachdruck ins Ohr. "Gut, wenn du es unbedingt auf die harte Tour willst!"
A´kebur hielt sich nicht mit Reden auf, sondern versuchte sich zu drehen und gleichzeitig Tiaren irgendwie greifen zu können, um ihn wahlweise zu erwürgen oder zu erschlagen. Nichts davon klappte aber so recht. Tiaren angelte mit einer Hand über das Bett, bis er eine der vulkanischen Seidenroben in die Finger bekam. Er ließ A´kebur ganz kurz los, und als dieser sich drehte, schnappte Tiaren sich dessen Handgelenke. Mit ein paar Handgriffen und einigem Kraftaufwand schaffte er es, den Stoff festzuknoten. Das andere Ende ging an die Querstange des Kopfendes.
A´kebur schaute verblüfft auf den Knoten. Doch dann drehte er sich erneut und trat nach Tiaren, um diesen bewusstlos zu schlagen.
Er wusste, zog er an den Fesseln, wurden sie so eng, dass er sie nicht mehr von allein lösen konnte. Schon jetzt würde es schwierig werden. Aber Tiaren wich aus und setzte sich dann kurzerhand auf A´keburs Beine, um seinen Klingonen zu betrachten. Fuchsteufelswild, mit zerzausten Haaren und verknitterter Kleidung wirkte er noch verboten schöner als sonst.
Tiaren beugte sich hinunter und fing dessen Lippen zu einem heftigen Kuss ein, saugte an dessen Lippen und wich geschickt den Zähnen aus, die nach ihm schnappten. A´kebur bäumte sich unter ihm auf wie ein wilder Takh. Dennoch kam kein Laut über seine Lippen. Als Tiaren jedoch kurz nach oben schaute, sah er, dass sein künftiger Gefährte doch recht geschickt versuchte, den Knoten zu lösen und es wohl auch schaffen würde, ließe er es zu.
Kurzerhand griff Tiaren nach dem Saum von A´keburs Oberteil und zog es hoch, um es ebenfalls um die Handgelenke zu knoten. "Du läufst mir heute nicht mehr weg", murmelte er. Dann beugte sich Tiaren hinunter und küsste A´keburs Hals und Brust hinunter bis zum Bauch, biss hier und dort spielerisch zu, dabei fest genug, um Spuren zu hinterlassen. Am Hosenbund angekommen, zog er diesen ebenfalls hinunter. Sein Klingone mochte vielleicht wütend sein, aber erregt war er ebenfalls. Ein letztes, beinahe raubtierhaftes Grinsen, dann wanderte Tiarens Mund noch weiter südlich. Es war ein wenig würdelos, wie der Captain der Enterprise ohne Hosen herumzappelte. Aber so sah wohl jeder aus, wenn er sich in diese Lage befand.
A´kebur wurde jedoch nicht wesentlich ruhiger. Nur ein dunkles Grollen konnte ihm Tiaren entlocken. Aber keinen Laut der Lust. A´kebur kochte vor Wut und hätte Tiaren in diesem Moment eher getötet, als über eventuelle Folgen nachzudenken. Das machte Tiaren aber einige Sorgen, da er seinen Klingonen erst wieder freilassen würde, wenn dieser sich beruhigt hatte. Also setzte er vorerst alles daran, A´kebur etwas gefügiger zu machen.
Grob stimulierte er ihn, bis dieser jegliche Kontrolle über seinen Körper verlor und sich einfach nur seinen Instinkten ausliefern konnte, die ihn zu einem schnell und harten Höhepunkt trieben. Danach lag A´kebur erst einmal ruhiger da, was Tiaren die Zeit verschaffte, die er brauchte. Aber er wusste aus Erfahrung, dass das nicht sehr viel war. Erneut küsste er A´kebur und ließ seinen Griff etwas lockerer um zu testen, ob der sich erneut so vehement wehren würde oder nicht. Aber erst einmal schien er ein wenig mehr Zeit zu haben. A´kebur atmete noch heftig und hatte die Augen geschlossen.
"Wenn ich dich losmache, bringst du mich dann um oder lässt du mit dir reden, Captain?", fragte Tiaren leise. Die Augen öffneten sich zu schmalen Schlitzen und darin glitzerten unterdrückte Gefühle und ein Versprechen.
Tiaren schmunzelte. "Ich fürchte, du musst dich schon selbst befreien." Damit küsste er erneut A´keburs Kinnlinie hinunter und erkundete den Körper seines Klingonen aufs Neue.
A´kebur sah ihm zu und rührte sich nicht weiter. Verborgen unter dem Stoff versuchte er weiter seine Fesseln zu lösen. Als jedoch Tiaren empfindsamere Haut liebkoste, konnte er nicht verhindern, dass er diese Berührungen genoss. Jedenfalls ließ sich Tiaren Zeit und verlegte sich diesmal aufs sanfte Reizen, nicht aufs Wahnsinnigmachen. Er wollte diesen wilden Krieger unter sich ein bisschen zähmen; bisher waren sie immer so schnell zur Sache gekommen und hatten sich kaum Zeit genommen.
Das wollte er ändern.
Bald spannten und entspannten sich die Muskeln unter seinen Händen, Lippen und Zähnen und der Blick aus den blauen Augen wurden glasig. Als A´kebur das erste Mal stöhnte, wusste er, dass dieser nicht mehr an Flucht oder Befreiung denken konnte, selbst wenn er das noch immer wollte. Jetzt war sein eigener Körper und sein eigenes Verlangen im Weg.
Tiaren schob sich wieder nach oben und knotete die provisorischen Fesseln auf. Er wollte A´keburs Hände ebenfalls auf sich spüren. Keine Sekunde später wurde er am Nacken gepackt und zu gierigen Lippen gezogen, die sich ungeküsst fühlten. Was Tiaren überraschte, war jedoch, als er sah, dass A´kebur seine Augen weit offen hatte und ihn ansah. Klar und bei Verstand. Dieser Blick wirkte fast, als würde A´kebur ihn zum ersten Mal wirklich sehen. Keinen Geist, keine verlorene Sehnsucht, sondern das Hier und jetzt. Nicht Etienne, sondern Tiaren. Fast gegen seinen Willen erregte Tiaren dieser Blick umso mehr in seiner Offenheit und verursachte gleichzeitig ein unglaublich warmes Gefühl, das nichts mit Sex zu tun hatte. Und ehe Tiaren selber noch recht begriff, was er sagte hatte er A´kebur ein "Ich liebe dich" zugeflüstert.
Der Blick änderte sich, spiegelte Verwunderung wider und dann eine Sanftheit, die Tiaren an A´kebur noch nie gesehen hatte. Der feste Griff lockerte sich. "Dann liebe mich", flüsterte A´kebur. "Ich werde lernen, dich zu lieben."
"Das nehme ich als Versprechen an, Captain." Tiaren strich über A´keburs Gesicht und lächelte. "Und du kannst gleich damit anfangen."
A´kebur sah ihn fragend an. Tiaren spürte, dass er nicht seinen Geist berührte, um mehr zu erfahren. Er würde sich also artikulieren müssen.
"Ich möchte nur, dass du dir Zeit lässt. Diesmal haben wir es ja nicht eilig", erklärte er leise. "Ich will wissen, wie es ist, wenn du nicht verzweifelt bist, sondern es wirklich willst."
A´kebur musterte ihn, dann nickte er langsam, dass er verstanden hatte. Er küsste Tiaren so lang, bis dieser glaubte, nie wieder Luft zu brauchen. Fast erstaunt nahm er wahr, wie A´kebur die Führung übernahm und ehe er es sich versah, war er es selbst, der weder ein noch aus wusste und dessen Lust ihm den Verstand raubte. A´kebur seinerseits dachte schon lange nicht mehr. Er ließ sich von Instinkt und Lust leiten, legte jedoch seiner Eile die Zügel an, um Tiarens Wunsch zu erfüllen. Dieser war längst jenseits allen rationalen Denkens. Normalerweise verbot er sich die Aufgabe aller Kontrolle, aber jetzt konnte er nicht anders. Nur zu bereitwillig wollte er sich A´keburs anvertrauen, ganz und gar, und den Pakt zwischen ihnen endgültig besiegeln.
Und in dessen Geist fand er das Versprechen, das Siegel und das Vertrauen.
Als Tiaren wieder erwachte, fand er das Bett an seiner Seite jedoch leer vor und ein Stich des Verlusts schmerzte ihn. Jedoch nur so lange, bis er merkte, dass die Verbindung zwischen ihnen noch immer weit offenstand, als wären sie auch körperlich verbunden.
Und, doch weggerannt?, fragte Tiaren, konnte aber den leisen Vorwurf nicht unterdrücken. Über solch eine Verbindung konnte man sich nicht anlügen. Er fühlte jedoch statt einer Antwort eine wortlose Einladung. Tiaren stand auf und griff nach seiner Kleidung. Wohin?
Folge einfach und vertraue darauf, dass du mich an jedem Ort dieses Universums finden kannst.
Das vage Gefühl, in eine bestimmte Richtung zu gehen, war Tiaren schon von Anfang an vertraut gewesen, aber jetzt konnte er buchstäblich einem roten Faden folgen. Es ging vom Anwesen aus direkt in die Wüste, zwischen zerklüfteten Felsformationen und Lavagestein hindurch. Tiaren sah sich wachsam um, falls ein Sehlat auftauchen würde, aber es war zum Glück nicht deren Tageszeit. Vielmehr war es eben eine der wenigen sternenklaren Nächte. Er fand A´kebur in einer Felsformation am Rande eines zerklüfteten Abgrunds. Sein Umhang wurde immer wieder vom Wüstensand erfasst und blähte ihn auf. "Etienne hat mich das erste Mal hierhergeführt. Er sagte, dass der Wind singt, wenn er über die Felsen streicht. Das tut er wirklich." Er wandte sich ab und sah zu Tiaren. "Morgen werde ich dir ein Versprechen geben, welches ich vor langer Zeit Etienne gab. Ich …" A´kebur kämpfte um die richtigen Worte und Tiaren spürte die Traurigkeit und den Schmerz des Verlusts, den dieser in sich trug.
Instinktiv griff er nach A´keburs Hand. "Ich will nichts, was du mir nicht geben kannst", meinte er leise. "Aber ich weiß aus ziemlich sicherer Quelle, dass Etienne nichts dagegen hätte. Er wollte nicht, dass du dein Leben allein verbringst."
"Ich weiß. Er sagte es mir selbst. Dennoch ist es anders und es wird immer anders sein. Ich selbst werde wirklich erst lernen müssen. Ich sehe dich als Tiaren. Nicht als Etienne und du bist nicht Etienne und wirst es nie sein. Du sollst es auch nicht sein!"
Tiaren lächelte. "Gut, dann finden wir zusammen heraus, wer ich bin. Denn im Augenblick, weiß ich das selbst nicht so ganz."
"Faszinierend und ich soll das mit einem Mann ohne Namen herausfinden, wo ich genauso wenig weiß. Das Universum hat einen merkwürdigen Sinn für Humor." A´kebur sah über seine Schulter. "Dieser Ort gehört der Vergangenheit an. Es wird Zeit, dass ich wieder in die Zukunft schaue."
"Du musst ja die Vergangenheit nicht ablegen. Sie bleibt immer ein Teil von dir. Aber die Zukunft entdecken wir zusammen." Tiaren stubste A´kebur an. "Gehen wir zurück und entsetzen deine Verwandschaft?"
"Warum sollte sie entsetzt sein und nein, ich bleibe noch einen Moment hier. Die Sonne geht gleich auf!" A´kebur drehte sich wieder um und sah auf den sich schwach abhebenden Horizont. Die Strahlen der Sonne konnten schon erahnt werden.
Tiaren blieb ebenfalls stehen und beobachtete, wie die rötlichen Strahlen über die Berggipfel krochen. Man konnte förmlich sehen, wie sich die Sonne bewegte; der Schatten der Felsen wanderte um sie herum weiter nach hinten. Schließlich blickte die große vulkanische Sonne über den Horizont und tauchte alles in gleißendes Licht. Tiaren hielt sich eine Hand vor die Augen und spürte sofort die sengende Hitze, die sie mit sich brachte. Im Schutze seiner Hand beobachtete er A´kebur. Dieser wurde im Licht regelrecht gebadet und hatte nur seine Augen geschlossen. Irgendwann wandte er sich ihm halb zu. "Das, Romulaner, ist auch deine Heimat. Die Heimat deiner Vorfahren. Man sagte mir, dass ich alles kennenlernen soll. Du tust gut daran, selbiges zu tun. Ob du heimisch werden wirst, bezweifel ich aber."
"Heimisch? Bestimmt nicht. Aber ich habe mich an der Akademie angemeldet. Sie werden sich meiner annehmen und mir beibringen, meine Telepathie zu beherrschen", gab Tiaren zurück. "Und ich denke, meine Vorfahren wussten, warum sie auswanderten." Sein Lächeln nahm den Worten die Spitze.
A´kebur sagte dazu nichts, doch als er sich zum Gehen wandte, konnte Tiaren ein Schmunzeln erkennen. Die Barrieren waren zu irgendeinem Zeitpunkt wieder hochgefahren worden, so dass er nichts von den Gefühlen oder Gedanken erhaschen konnte. Aber A´kebur war eindeutig amüsiert.
Im Haus von dessen Familie war es wie gewohnt ruhig, als sie zurück waren. A´kebur teilte ihm mit, dass er nicht am Frühstück teilnehmen würde, sondern schon in den Tempel ging.
"Ich überstehe das nicht ohne Frühstück", meinte Tiaren und ließ ihn ziehen. Nicht, dass die Atmosphäre bei Tisch die Beste gewesen wäre. Ohne A´keburs Anwesenheit konnte Amaris ihren missbilligenden Blicken freien Lauf lassen. Tiaren aß ohne Hast auf und erhob sich dann. "Ma'am, nur das Sie es wissen: Sie und Ihre Familie werden mich heute nicht los, ganz im Gegenteil. Also sparen Sie sich das Stirnrunzeln, es gibt nur Falten. Ich begebe mich jetzt zum Tempel."
Die Antwort auf seine freche Bemerkung war ein synchrones Augenbrauenheben. Tiaren musste zugeben, dass das ein faszinierender Anblick war. Er nickte leicht, aber mehr zu sich selbst, und entließ sich aus der still aufreibenden Gesellschaft von A´keburs Familie.
Irgendwo in seinem Erinnungersfundus tauchte eine alte romulanische Weisheit auf, die sinngemäß besagte, dass man mit der Braut immer auch deren Familie heiratete. Daher war die Braut immer zweitrangig. Tiaren musste zugeben, dass diese Weisheit für ihn zu spät kam. So oder so hatte er jetzt auch diese steife, humorlose, arrogante Gesellschaft am Hals. Aber das war es wert.
Tiaren wusste nicht genau, was für die Zeremonie angemessene Kleidung war, also wählte er die würdevollste Robe aus dem Schrank, die er finden konnte: Schwarz mit goldenen Stickereien. Ein genauerer Blick in den Spiegel sagte ihm, dass seine Haare langsam aus der typischen Form mit spitzgeschnittenem Pony herauswuchsen, also kämmte er sie kurzerhand ein wenig aus der Stirn. Mit romulanischen Stirnwülsten wäre das nicht möglich gewesen, und kein Vulkanier würde derart, nun, menschlich frisiert herumlaufen, aber Tiaren beschloss, dass es ihm stand.
"Du warst schnell", kommentierte A´kebur trocken, als er beim Tempel eintraf. Für einen Moment versengte er mit seinem Blick Tiaren. Er sagte aber nichts weiter.
"Ich musste nur noch schnell etwas klarstellen", meinte Tiaren. "Und, sehe ich aus wie eine respektable, vulkanische Ehefrau für den berühmten Captain A´kebur Lanar Re?"
"A´kebur genügt und du bist keine Ehefrau. Lass uns gehen", knurrte A´kebur. Tiaren grinste nur.
Als sie den Tempel betraten, wurden sie von mehreren Priesterinnen in Empfang genommen. Sie führten die beiden in das Allerheiligste, wo T'Lera und eine uralte Vulkanierin auf sie warteten. Letztere winkte sie näher.
"Ein Band, dass nicht auf die richtige Art geknüpft wurde, soll gereinigt werden", verkündete sie mit heiserer, aber noch immer fester Stimme und hob ihre faltigen Hände. "Lanar, Sohn von T'Lera, wen bringst du uns, auf das euer Band gefestigt werde?"
"Das ist Tiaren. Er war unsicher in den Regeln der Werbung und hat ein Verbrechen begangen. Ich bin bereit, dass Band anzuerkennen, wenn es gereinigt werden kann", antwortete A´kebur.
"Tiaren, bist du damit einverstanden?" Die Augen der alten Vulkanierin richteten sich fest auf Tiaren. "Du bist ein verlorenes Kind von den Zwillingsplaneten, ein Fremder für uns und wir Fremde für dich. Bist du dennoch bereit?"
"Das bin ich", erklärte Tiaren ernst.
"Dann tretet beide näher." Als die beiden Männer direkt vor der alten Priesterin standen, hieß diese sie, niederzuknien. Sie berührte jeweils ihre Schläfen.
Sie wirkte ein wenig erstaunt. "Die Verbindung ist bereinigt", teilte sie mit. "Und bestätigt." Die Priesterin senkte ihre Hände und sah von einem zum anderen. "Die Jugend vermag Wunden zu schlagen. Sie lässt sie aber auch schneller wieder heilen." Verräterische grüne Schatten krochen über die Gesichter der beiden.
"So geht nun also und seid euch stets des anderen bewusst. Langes Leben und Wohlergeben." Es klang fast wie ein Segen. T'Lera trat vor und legte kurze ihre Hand auf A´keurs Schulter, dann auf Tiarens. Sie wirkte auf ihre Art zufrieden. "Ich weiß, Lanar, dass du bald wieder gehen musst. Ich wünsche dir daher schon jetzt ein langes Leben und Zufriedenheit. Du, Tiaren, ich hörte, dass du dich auf der Akademie angemeldet hast. Es wird angemessen sein, dich in deinen Fähigkeiten auszubilden."
Er nickte. "Ich werde mein Bestes geben. Es wäre nur schön, wenn der Rest der Familie ebenso aufgeschlossen wäre wie Sie, Ma'am."
"Es liegt weder in der vulkanischen noch in der romulanischen Natur sonderlich aufgeschlossen zu sein", meinte T'Lera sanft und Tiaren hatte das untrügliche Gefühl, dass sie dieser Umstand amüsierte.
"Wie gesagt, ich will mich bemühen. Aber man wird hier keinen Vulkanier aus mir machen können. Ebenso wenig wie das mit A´kebur ging. Und das ist wohl auch das Beste."
A´kebur schwieg und senkte den Blick. "Es ist der Wunsch deiner Mutter, dass ich Nachkommen zeuge!", teilte er mit.
T'Lera nickte. "Das weiß ich. Du bist der Erbe, es wird von dir verlangt. Aber es erfordert auch Reife und Verantwortung, viel mehr, als Captain eines Raumschiffs zu sein. Ich sagte ihr, ich hielte dich noch für zu jung."
A´kebur wurde deutlich grün vor Ärger. Tiaren sah zwischen den beiden hin und her und begriff, was T'Lera da tat. Das leise Funkeln in ihren Augen sprach Bände. "Nun, aber vielleicht irre ich mich ja auch", fügte sie hinzu.
A´kebur sammelte sich. Dann tat er etwas durch und durch unvulkanisch. Er umarmte seine Mutter. Diese zog kurz die Augenbraue hoch, dann erwiderte sie die Umarmung. Über A´keburs Schulter hinweg lächelte Tiaren ihr zu, und hätte schwören können, er bekam einen Anflug davon zurück. "Teile mir deine Entscheidung mit, mein Sohn", erklärte sie. "Und wenn, dann tue es nicht der Familie wegen."
"Das werde ich, Mutter. Ich danke dir und mir ist es egal, ob es unlogisch in vulkanischen Ohren ist." Er trat zurück, zog seine Robe glatt und verneigte sich knapp. "Ich werde bei meinem nächsten Urlaub wieder herkommen. Ich würde mich freuen, wenn wir uns sehen könnten."
"Natürlich. Langes Leben und Wohlergehen euch beiden." T'Lera ließ A´kebur los, nickte Tiaren zu und verschwand dann mit den anderen Priesterinnen in ihre Abgeschiedenheit. "Ich mag sie", stellte Tiaren fest. "Jetzt weiß ich, woher du das hast."
"Woher ich was habe?", murmelte A´kebur geistesabwesend.
"Süß zu sein, wenn du denkst, dass keiner er sieht." Tiaren grinste schief. "Hör sich das einer an. Gut, dass mich keiner sieht."
"Ich sehe dich und ich höre dich", flüsterte A´kebur verblüfft, während seine Ohrenspitzen einen dezenten Grünton annahmen. "Du solltest dich die nächste Zeit bei keinem Romulaner blicken lassen. Sie würden vermuten, dass man dich einer Gehirnwäsche unterzogen hat."
"Wurde ich ja auch und Etienne ist schuld." Tiaren grinste nur noch breiter. "So, und nun?"
"Und nun was?", fragte A´kebur eindeutig begriffsschwer.
"Was tun wir jetzt? Ich meine, ich werde morgen bei der Akademie vorstellig. Aber was tust du? Kümmerst du dich tatsächlich um Nachwuchs oder gehst du direkt zurück zu Starfleet?"
"Ich habe Einsatzorder erhalten. Gestern Morgen. Ich habe mich in einer Woche auf der Enterprise zu melden und ich werde früher abreisen. Die Reparaturarbeiten beaufsichtigen. Ich hatte jedoch auch noch vor, Cindy zu besuchen. Sie ist im Moment bei ihrer und meiner Familie."
"Ich würde gerne mitkommen."
A´kebur musterte ihn, dann nickte er. "Ich hatte mir so etwas gedacht. Aber, Etienne, sie werden in dir nur einen seltsamen Vulkanier sehen, wenn du Glück hast."
Dieser Seitenhieb ließ Tiaren kurz zusammenzucken, aber dann schüttelte er leicht den Kopf. "Ist mir egal. Ich will deine richtige Familie kennenlernen. Schlimmer als hier kann es kaum laufen."
A´kebur schüttelte den Kopf. Er drehte sich auf dem Absatz und verließ den Tempel. Tiaren folgte ihm und holte dann auf. "Die Familie auf Vulkan ist mit mir verwandt. Ich trage ihr Blut. Mit der auf der Erde bin ich verschwägert. Die Frage, was richtig oder falsch ist, kann ich dir nicht sagen. Aber Cindy ist meine Tochter und sie ist Admiralin von Starfleet."
"Wie gesagt, solange sie mich nicht auf der Stelle erschießt, habe ich kein Problem. Aber ich möchte sie treffen, selbst wenn sie mich gleich wieder hinauswirft", beharrte Tiaren.
A´kebur stimmte zu. "Gut, dann fliegen wir gemeinsam zur Erde. Für dich gilt übrigens Sicherheitswarnung. Du darfst kein Schiff von Starfleet betreten. Wir fliegen daher auf einem Zivilschiff zur Erde."
"Kein Problem. Und wie weit darf ich mich frei bewegen oder musst du mich an die Leine nehmen?"
A´kebur blieb stehen und wirkte etwas offiziell. "Dir steht es frei, dich überall hinzubegeben, wohin du willst. Dir sind nur sicherheitsrelevante Bereiche sowie Botschaften verboten."
Tiaren schmunzelte. "Es wäre schwierig, mich davon wegzuhalten, wenn ich es wollte. Aber derweil bin ich brav."
A´kebur sah ihn einmal mehr pikiert an. "Etienne in Reinform."
Er bekam nur ein Grinsen zurück. "Dein Pech!"
Der Flug zu Erde dauerte wie gewohnt nicht sehr lang. A´kebur verließ Tiaren in der Stadt, die dieser erst einmal zu Fuß für sich erkunden wollte. Danach wollten sie beide zusammen zur Farm fliegen. Tiaren, der sich noch nie unter so vielen Menschen herumgetrieben hatte, entdeckte mit Amüsement, dass er weiterhin als Vulkanier durchging. Niemand störte sich an ihm, von daher war es kein Problem. Es war jedoch angenehm zu sehen, wie ungezwungen und locker Menschen miteinander umgingen. Keine steifen Protokolle, kein hierarchisches Denken. Ungeordnet und chaotisch für die Vulkanier und selbst für romulanische Maßstäbe, war es für die Menschen eine befreite Welt.
Tiaren gefiel es.
Gut eine Stunde ließ er diese Kultur auf sich wirken und kam zu dem Ergebnis, dass es für die Romulaner durchaus gewinnbringend war, wenn sie sich diese quirlige Kreativität und mitunter auch Naivität, die den Menschen wohl immer auf die eine oder andere Weise zu eigen war, zu nutzen wussten. A´kebur kontaktierte ihn über den Kommunikator, den er ihm gegeben hatte. Sie trafen sich bei den Shuttles, die sie hinaus zum Anwesen der Duvals fliegen würden. Momentan waren viele der Verwandten nicht da, aber Cindy, ihr Sohn Etienne Junior sowie dessen Sohn James A´kebur (Tiaren hatte bei diesem Namen herzlich gelacht) und dessen seit kurzem schwangeren Frau Jennifer. Außerdem natürlich Danielle, Etiennes jüngere Schwester. Die alte Dame war für ihre 85 Jahre ausgesprochen rüstig und hatte nach wie vor das Kommando im Haus. Von ihren Nachkommen war momentan nur die kleine Danielle junior zu Besuch, ihre Urenkelin.
Als A´kebur ins Haus trat, lauschte er. Es war ausgesprochen ruhig. "Zieh die Schuhe aus", riet er Tiaren. "Das ist hier so üblich."
Der tat wie geheißen und sah sich neugierig um. Eine weitläufige Villa, hell und freundlich, mit unzähligen Bildern an den Wänden; viele davon schienen von Kindern gemalt zu sein. "Da bist du ja endlich!" Cindy Duval kam aus dem Wohnzimmer und umarmte ihren Vater fest. Er küsste sie auf die Wange und hob sie hoch. "Ja, da bin ich. Die Enterprise sieht gut aus. Hast du die Reparaturmannschaften bestochen?"
"Sicher doch. Ansonsten kennst du das doch: die Techniker behaupten, sie bräuchten drei Wochen, damit sie nach drei Tagen behaupten können, sie könnten echte Wunder vollbringen." Ihr Lächeln erstarb, als sie Tiaren über A´keburs Schulter entdeckte. "Was tun Sie hier?"
Tiaren hingegen hatte ein unglaubliches Gefühl des Déjá vu verspürt, als er die blonde Menschenfrau sah. Für eine kurze Sekunde war da das Bild eines kleinen Mädchens mit Zöpfen und einem Tribble in der Hand. "Admiral Duval, ich wollte Sie nicht stören", begann er, aber dann brach er ab. "Ich wollte dich sehen, Cindy."
"Tiaren!", zischte A´kebur, während Cindy rot vor Wut wurde. "Ich bitte mir Respekt aus!", rief sie empört.
Tiaren biss sich auf die Lippe. "Entschuldigung." Er wusste nicht, wieso ihm das herausgerutscht war, aber es schien die einzig richtige Anrede zu sein. Da stand sein kleines Mädchen, kein Admiral der Sternenflotte und …
Tiaren schüttelte den Kopf. Diese Frau war Etiennes Tochter. Er war hier nur ein Fremder mit einem gestohlenen Leben. Auch wenn es sich so anders anfühlte. Bisher war es ihm nicht so vorgekommen. Er hatte keinen Unterschied gefühlt. Jedoch der Anblick von Cindy war es, der in ihm die Schleusen zu fremden Erinnerungen öffnete. Geliehene Erinnerungen voller warmer Gefühle, menschlichen Gefühlen. Erinnerungen an eine Familie, ein Zuhause und Freunde, einen Geliebten, einen Gefährten, und alles hieß ihn willkommen. Aber er blieb Tiaren und wurde damit noch lange nicht zu Etienne.
A´kebur sah ihn besorgt an. "Du bist der Erbe", murmelte er und erntete dafür einen fragenden Blick von Cindy.
"Trotzdem muss sie mich nicht akzeptieren. Wie gesagt, ich will mich nicht aufdrängen." Tiaren blieb stehen, wo er war, praktisch noch in der Tür. Cindy sah zwischen A´kebur und Tiaren hin und her. "Was geht hier vor?", begehrte sie zu wissen.
A´kebur brach den Blick mit Tiaren und gab ihr seine volle Aufmerksamkeit. "Ich bitte um Gastfreundschaft für Tiaren Nevius." Cindy zögerte, aber als sie den Ernst in den Augen ihres Vaters sah, nickte sie zögerlich. "Na gut. Aber gefallen tut mir das immer noch nicht." Sie wandte sich um. "Die anderen sind draußen auf der Veranda."
"Ich würde gern mit dir allein sprechen, bevor wir den Rest der Familie involvieren!", wandte A´kebur ein.
"In Ordnung, komm mit." Cindy öffnete die Tür zum Arbeitszimmer, aber als A´kebur Tiaren winkte, ihnen zu folgen hielt sie inne.
"Er ist das Thema!", erklärte er.
Cindy runzelte die Stirn, aber dann ließ sie die beiden eintreten. "Kann ich euch etwas zu trinken anbieten?", fragte sie.
"Wasser!", meinte A´kebur mit einem Blick zu Tiaren, dem jetzt sowieso eher alles egal war. Sie schenkte ein, immer noch sichtlich unwohl mit der Situation. Dann lehnte sie sich gegen ihren Schreibtisch. "Also?", fragte sie.
"Tiaren und ich sind Gefährten", überrumpelte A´kebur sie gleich als erstes.
Cindy riss erst die Augen auf, dann runzelte sie die Stirn. "Das ist doch wohl nicht dein Ernst!", fauchte sie schließlich. "Du und dieser … dieser Verbrecher?"
"Ja, dieser Verbrecher, Hurensohn und Pirat!", erwiderte A´kebur mit absurd sanfter Stimme.
"Wie um alles in der Welt kommst du darauf, diesen Romulaner mit Daddy zu vergleichen?" Cindy sah wütend aus wie nie.
"Ich vergleiche ihn nicht mit ihm. Ich komme nicht einmal dazu. Etienne stammte aus einer angesehenen Familie. Pirat war er später nur, wenn er dir eine Gute-Nacht-Geschichte erzählt hat. Tiaren ist nicht Etienne. Aber er ist mein Gefährte seit heute Morgen. Ich kann dich nicht bitten, dass du ihn willkommen heißt. Ich werde es auch nie tun. Aber ich möchte, dass du meinen Willen respektierst, auch wenn du es nicht verstehen solltest."
"Daddy, ich meine, ich verstehe ja, dass du dich einsam fühlst, aber warum ausgerechnet er? Du könntest jeden in diesem Universum haben, also warum einen kriminellen Romulaner, der dich vergewaltigt hat?", rief Cindy, und mit der Wut mischte sich Schmerz.
A´kebur suchte nach den richtigen Worten mit der Gewissheit, dass er scheitern würde. Dennoch versuchte er es. "Die Verbindung lässt sich nicht mehr trennen. Ich bin gewarnt worden, es zu tun. Zudem hat Tiaren einen Teil in sich aufgenommen, den ich nicht mehr zurückfordern kann."
"Einen Teil von was? Ich meine, ich weiß, dass Gefühle sich selten vom Denken beeinflussen lassen und dass es völlig unterschiedliche Leute gibt, die füreinander bestimmt sind. So wie du und Daddy. Aber du kannst doch Daddy nicht mit so jemandem ersetzen!", wisperte sie.
"Ich kann Etienne niemals ersetzen, Cindy. Er war für mich bestimmt wie ich für ihn. Aber dieser Platz ist leer und jetzt ist er dort. Ich konnte es nicht verhindern, genausowenig, wie er es verhindern konnte. Es war auch für ihn nicht geplant gewesen."
Cindy atmete tief durch, dann stieß sie sich vom Schreibtisch ab und trat auf ihren Vater zu. "Liebst du ihn?", fragte sie leise und sah ihm dabei fest in die Augen.
A´kebur lächelte traurig. "Ich weiß es nicht. Und ich weiß nicht, ob ich es je wirklich weiß."
"Aber du willst es trotzdem riskieren, ja?" Sie wandte sich zu Tiaren und sah ihn das erste Mal wirklich an. "Und Sie, können Sie mir guten Gewissens sagen, dass Sie es ehrlich meinen? Dass Sie A´kebur lieben? Dass Sie ihn niemals verlassen werden? Denn wenn Sie es tun, dann Gnade Ihnen Gott."
Tiaren erwiderte den Blick ruhig. "Ich kann es guten Gewissens sagen, und ich hoffe, Sie können mir das glauben."
"Nein, kann ich nicht. Aber ich werde es so lange, wie A´kebur Ihnen vertraut!", zischte sie.
"Cindy!", mahnte A´kebur.
"Schon gut, A´kebur. Aber ich möchte mich Ihnen beweisen, Admiral. Ich bitte Sie nur um eine Chance."
Cindy schwieg einen Moment. "Wie gesagt, wenn A´kebur Ihnen wirklich vertraut, dann will ich es akzeptieren. Vorerst! Und jetzt kommt, die anderen warten."
A´kebur erhob sich. "Dann wollen wir sie nicht warten lassen. Gibt es Baguette mit Braten und Remoulade?"
"Gibt es. Denkst du, ich weiß nicht, was dir schmeckt?" Cindy hakte sich bei ihm ein und sie schlenderten durchs Wohnzimmer hinüber zur Veranda. A´kebur wurde von seinem Enkel und seinem Urenkel samt Frau in den Arm genommen; Danielle verlangte einen Kuss auf die Wange. Dann wurde Tiaren neugierig begutachtet, aber im Gegensatz zu Cindy waren sie nicht offen feindselig. Eher zurückhaltend freundlich mit einer unbestimmten Frage behaftet, die ihnen auf der Zunge lag, aber keiner aussprach.
Es gab einen kleinen Imbiss und es roch nach frischem Kaffee. A´kebur setzte sich zu Tiaren, der damit, wenn auch nicht in die Gespräche direkt einbezogen, sich so nicht ausgeschlossen fühlte.
Das Gespräch war ungezwungen und die Familienmitglieder berichteten von allerlei Neuigkeiten. Irgendwann kam auch ein blondes Mädchen hinzu, vielleicht 15 Jahre. Sie setzte sich neben ihre Urgroßmutter und musterte Tiaren. Der Blick wurde irgendwann fast ein wenig unangenehm in seiner Direktheit, also wandte Tiaren sich ihr zu. "Du bist Danielle junior, nicht wahr?"
"Woher weißt du das?", fragte sie ihn mit heller Stimme, ohne jedoch wirklich erstaunt zu wirken.
"A´kebur hat mir von seiner Familie erzählt", erwiderte er und lächelte leicht. "Und, was ist an mir so unheimlich interessant?"
"Du bist, nein, du hast etwas, was ich kenne", meinte sie.
Es war eine unangenehme Stille, die sich unvermittelt einstellte. Cindys Hand verkrampfte sich um ihre Tasse. Nur A´kebur trank entspannt seinen Kaffee.
"Was meinst du damit?" Jetzt war Tiaren neugierig. Hatte die Kleine etwas bemerkt, was mit ihm war?
"Es ist ein Gefühl. Als ob wir uns schon gesehen haben. Viele Gespräche geführt. Du ähnelst Onkel Etienne. Aber das kann nicht sein. Du bist Romulaner." Jetzt hörte auch A´kebur auf, so zu tun, als ginge es ihn nichts an. Er sah Danielle erstaunt an. Er wusste, dass sie getestet worden war. Aber wie stark ihre sensitiven Fähigkeiten waren, wusste er nicht genau. Seit den letzten Ergebnissen, die er kannte, musste sich einiges getan haben.
Tiaren sah zu A´kebur. "Ich denke, das kannst du besser erklären", meinte er.
"Nein, erklär du es ihr!", meinte dieser nur und nahm sich ein weiteres belegtes Brot mit viel Fleisch. Jetzt bohrten sich auch Cindys Augen von der anderen Seite buchstäblich in ihn.
"Laut den Vulkaniern hat A´kebur mir ein Stück von Etiennes Seele gegeben bei unserer Verbindung", versuchte Tiaren es möglichst einfach in Worte zu fassen. "Seitdem ist er wohl ein Teil von mir."
Cindy wurde blass und suchte unwillkürlich A´keburs Aufmerksamkeit. Doch dieser schien sich wirklich weigern zu wollen, dem irgendetwas hinzuzufügen. Als sie jedoch laut in Gedanken nach einer Erklärung schrie, sah er auf. "Du sagst, das ist Vulkanierkram. Du verstehst das nicht", erinnerte A´kebur sie ruhig. "Ich hatte einen Teil von Etiennes Seele getragen. Seine Katra. Ich wusste es nicht, habe es aber wahrscheinlich irgendwo geahnt. Tiaren hat sie jetzt und sie ist unlösbar mit seinem Wesen verbunden. Er nannte dich Cindy, weil er in dir seine Tochter erkannte."
Cindy öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber sie konnte nicht. Totenstille war am Tisch eingekehrt. Schließlich stand Cindy auf und verließ wortlos die Veranda.
"Habe ich was Falsches gesagt?", wollte Danielle wissen, doch ihre Urgroßmutter strich ihr über die Haare. "Nein, Liebes. Aber jetzt, nun, jetzt wissen wir, woran wir sind." Die alte Dame musterte Tiaren, als versuchte sie hinter dessen Augen ihren Bruder wiederzuerkennen. "Ich verstehe zu wenig von diesen Dingen", meinte sie. "Aber es gibt viel Seltsames in der Galaxis."
A´kebur verzog die Mundwinkel. "Ja, das tut es", stimmte er ihr zu. "Cindy wird es nicht akzeptieren."
"Ich denke, Mutter braucht Zeit", warf Etienne junior ein. "Das war eben nun doch ein ziemlicher Schock." Auch er musterte Tiaren erneut eingehend. "Entschuldige, dass ich das sage, aber Sie - du - hast wirklich nicht viel mit Großvater gemeinsam."
Tiaren schmunzelte. Offenbar waren die Duvals eine durch und durch ehrliche Familie, die mit ihrer Meinung nicht zurückhielt. Ganz anders als die Vulkanier. "Nun, ich hatte auch nicht vor, mir die Haare blond zu färben."
"Er ist nicht Etienne", ging A´kebur ruppig dazwischen. "Er ist Tiaren. Nur ab und zu ist er mehr… anders… bekannt…" Seine Stimme erstarb. "Ich bin in der Küche!", murmelte er betreten. Wieder machte sich Schweigen breit, und Tiaren fühlte sich ein wenig hilflos. Doch es war erneut Danielle, die ihn rettete. "Als ich klein war, hat mir Onkel Etienne immer vorgelesen oder mir Geschichten erzählt. Kommst du mit in den Garten und erzählst mir etwas? Ich bin immer noch neugierig."
Gegen das entwaffnende Lächeln des jungen Mädchens konnte man nicht viel ausrichten. "Mache ich", versprach Tiaren. "Auch, wenn ich keine Piratenabenteuer auf Lager habe."
"Das macht nichts. Ich will etwas über die Romulaner erfahren. Sie sollen ja jetzt Freunde der Föderation sein. Außerdem ist der Garten schön." Sie lächelte und erhob sich. Tiaren blickte entschuldigend in die Runde und folgte dann dem Mädchen. Wenigstens einer hier nahm ihn vorbehaltlos hin, das war ein Anfang. Cindy schließlich traf A´kebur in der Küche an. Ihren geröteten Augen war anzusehen, wie sehr sie das mitgenommen hatte.
A´kebur nahm sie stumm in seine Arme. "Wenn ich es vollkommen begreifen würde und akzeptieren könnte, wäre es leichter", murmelte er. "Aber es ist nicht einfach. Doch es zu ignorieren, kann ich mir nicht leisten. Ich werde in absehbarer Zeit jemanden brauchen. Noch einmal werde ich es nicht schaffen. Die Heiler haben mich gewarnt. Ich habe nicht sehr viel Wahl. Aber er ist mir darüber hinaus auch willkommen. Seine Nähe ist mir vertraut. Nicht immer, aber in vielen Dingen. Er ist nicht Etienne und wie ich es schon sagte, er wird ihn auch nie ersetzen können. Du musst ihn nicht mögen. Ich bitte nur darum, dass du unsere Verbindung respektierst."
Cindy nickte stumm. "Ich … tut mir leid", murmelte sie. "Aber, ich habe nie richtig Abschied genommen, es nie richtig verkraftet und jetzt kommt er, wie ein verdammter Geist!" Sie schluchzte erneut.
A´kebur strich ihr übers Haar. "Ich weiß. Ich weiß es. Behandle ihn einfach wie einen verdammten Romulaner. Der Rest wird sich geben. Irgendwie …" Er küsste sie auf den Scheitel. "Ganz bestimmt."
"Ich hoffe es …. und … und wenn du glücklich bist, dann ist es in Ordnung, denke ich."
"Nein, glücklich bin ich nicht. Ich versuche es noch zu verstehen. Ich weiß es auch erst seit kurzem."
"Trotzdem. Dir geht’s besser, das merke ich doch. Allein dafür bin ich schon dankbar." Cindy wischte sich über die Augen.
"Du bist immer noch das kleine Mädchen", meinte A´kebur neckend. Sie boxte ihn spielerisch in die Rippen. "Ich kann dir wieder Schleifchen in die Haare binden, wenn du schläfst, also Vorsicht!"
"Ich werde es überleben, denke ich."
Cindy lehnte sich erneut an ihn. "Gehen wir zurück zu den anderen."
A´kebur lächelte statt einer Antwort und gemeinsam gingen sie zurück in den Garten. Tiaren blickte auf, als er sie sah und für einen Moment vermeinte A´kebur Etienne lächeln zu sehen.
ENDE
Die Autorinnen
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Images: Quelle: Pixabay
Publication Date: 04-26-2017
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Rechteinhaber: Das Universum von Star Trek gehört seinem Erschaffer Gene Roddenberry und dem, der die Lizenzen verkauft. Im Moment ist das Paramount Pictures. Bis auf die bekannten Figuren der Enterprise sind jedoch alle andere Charaktere frei von den Autoren erfunden. Fanfiktion mit diesen Figuren sind erlaubt, eine kommerzielle Verwendung verbietet sich aber aus mehreren Gründen. Bitte bei Leihen jeglicher Art die Autorinnen fragen (weil wir nämlich neugierig sind) - Mails werden aktualisiert, sollten sie sich ändern. Bei dem Urheber und den Rechtsinhaber von Star Trek bitten wir um Entschuldigung, dass wir nicht gefragt haben und wir lediglich versprechen können, dass wir das hier nicht als unsere eigene Sache ausgeben. Es ging einfach nicht anders, denn mit Star Trek fing im Grunde alles an...